’ Ba Dart ren eh er ar ne a ar a N re ” x e pe: Rn EN x ER re - x : ir an ER u a ER TE ar er Pe Marl “ er Q Rn $ EN ee PY B F- E rk a re ne a ER ZT on ROT TUT Bu Aura mare Rn R “ =: Sa . i x \' - Be rs es < I an are re Eee er ie = . BB . Ne Er Er nn E>r, % ® rn BEER, fen Bu SezaEr ut Aeun Zeitschrift WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE begründet Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers Vierundvierzigster Band Mit 39 Tafeln und 10 Holzschnitten. LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann 1886, Inhalt des vierundvierzigsten Bandes. a Erstes und zweites Heft. Ausgegeben den 1. October 1386 Seite Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. Nebst Bemerkungen über die Entwicklung anderer Polychaeten. Von N. nero. (Mit Tat. I-XNV.). 2.2.2. Zuender. Das Karyoplasma und die Vererbung, eine Kritik der Weismann’schen Theorie von der Kontinuität des Keimplasma. Von A. Kölliker. . . 228 Die Mundlappen der Lamellibranchiaten. Von J. Thiele. (Mit Taf. XVIi und XVIil.. a oo Dh PA ICE Te RR ES Über Eibildung und Entwicklung der Rotatorien. Von G. Tessin. (Mit Taf. abe MEI r2Sa) 0a a Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Geschlechtsorgane ei Erderskesenwürmer. Von RB. S. Bergh. (Mit Taf. XXL). . ...... 303 Drittes Heft. Ausgegeben den 23. November 1886. Die Entwicklung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pulmonaten nebst Bemerkungen über die Anatomie und Entwicklung einiger anderen Oreanessteme, Von J. Brock. (Mit Taf. XXI—XXV.) . .. ... .333 Studien über Räderthiere. I. Über die Symbiose und Anatomie von Rota- torien aus dem Genus Callidina. Von C. Zelinka. (Mit Taf. XXVI en alolzschn.\\N... ...2.....2.02. 0.00... 0.0896 IV Viertes Heft. Ausgegeben den 14. December 1886. Korallenstudien. Von A. R. v. Heider. (Mit Taf. XXX—XXXI und 5 Holaschn.) u. = vn. en Beiträge zur Anatomie der inneren männlichen Geschlechtsorgane und zur Spermatogenese der Cypriden. Von F.Stuhlmann. (Mit Taf. XXXII.) 536 Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia. Von ©. K. Hoffmann. (Mit Taf. XXXII—XXXV u. 4 Holzschn.) ... . . 570 Der feinere Bau des Knochengewebes. Von A. Kölliker. (Mit Taf. XXXVI | —KRKIX N u ne ea Zur Zeichnung der Vogelfeder. Eine vorläufigeMittheilung. VonL. Kerschner 684 Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. Nebst Bemerkungen über die Entwicklung anderer Polychaeten. Von Nicolaus Kleinenberg. Mit Tafel I-XVI. Kapitel 1. Etwas von den Keimblättern. Der Versuch, die Entwicklung eines Thieres nach neuen Grund- sätzen zu beurtheilen, bedarf der Rechtfertigung. Und ich schicke sie gleich voraus, weil auch der beschreibende Theil dieser Arbeit eine Form angenommen hat, die sich nicht ohne Weiteres dem gebräuchlichen Stil unterordnen lässt. Doch handelt es sich zunächst bloß um eine Verständigung über die Bedeutung der Keimblätter. Bloß? Als ob die lebhaften Erörterungen der letzten fünfzehn Jahre nicht einer Ver- ständigung, die mehr als das Übereinkommen einer Partei ist, jeden Boden entzogen hätten! Mit dem äußeren und inneren Keimblatt steht es nicht so schlimm. ' Hier hat ein genialer Gedanke den Thatsachen tiefen Sinn verliehen. Nach den Schöpfungen C. F. Wourr's und C. E. von Barr’s war Huxıev’s Hinweis auf die”Übereinstimmung der Keimblätter der Wirbelthiere mit den beiden Zellschichten, welche den Körper der Cölenteraten bilden, die größte Errungenschaft: hiermit war, schon lange vor Dar- wın, der Entwicklungsgeschichte eine neue Bahn eröffnet. Die folge- richtige Anwendung dieses Gedankens würde, auch ohne die Darwın- sche Theorie, nothwendig zur Einsicht in die genetischen Zusammen- hänge des Thierreichs geführt haben. Huxırv ließ seine lebenskräftigste Konception viel schwächlicherer Erzeugnisse wegen verkümmern; es fand sich Niemand fähig sie zur allgemeinen Geltung zu bringen; erst Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLIV. Bd. /f N 2 Nicolaus Kleinenberg, nachdem die außerordentlich anwachsende Einzelthätigkeit auf ent- wicklungsgeschichtlichem Gebiete den Mangel zusammenfassender An- schauungen mehr und mehr fühlbar machte, konnte HarckEL einen großen Erfolg erringen, indem er den Gedanken Hvxıry’s zur Gastraea- theorie verunstaltete. Ich unterschätze Harerzer’s Bedeutung auch hier gewiss nicht. Sei- ner lebhaften populären Beredsamkeit gelingt es, alle unselbständigen oder unentschiedenen Köpfe zu erwärmen. Durch die Verbreitung der Ideen Anderer hat er die Entwicklungsgeschichte reichlich gefördert, durch das Geltendmachen eigener Ideen sie fast eben so reichlich ge- schädigt. So die Gastraeatheorie: Das Gute in ihr gehört Huxıry, was HazckeL dazu gethan hat, ist entweder falsch oder verkehrt oder be- deutungslos. Falsch ist die Zurückführung aller Formen der Entoderm- bildung auf die Einstülpung des Blastoderms. Es ist verkehrt, an Stelle des Typus der Cölenteraten eine problematische Gastraea zu setzen. Der Werth der Huxıery’schen Idee liegt zum großen Theil darin, dass sie einen frühen Entwicklungszustand der höheren Metazoen mit den fer- tigen Formen der zahlreichen lebenden Cölenteraten in unmittelbare Verbindung bringt. Diese sind unter sich recht verschieden und bleiben doch Cölenteraten; dass zwischen einer erwachsenen Koralle und der Larvenform eines Annelids noch größere Unterschiede bestehen müssen, ist begreiflich und darf Niemand verhindern, die wesentliche Gleich- heit beider Organisationen zu sehen. Jedenfalls war es unnöthig, die Gegenwart zu verlassen und in die laurentischen Nächte hinabzusteigen, um ein so mageres Thiergespenst, wie die Gastraea, heraufzubringen. Dass sie nicht fähig ist, die geringste hypothetische Vorstellung vom unbekannten Ursprung der Cölenteraten selbst zu erzeugen, liegt nebenbei auch auf der Hand, denn die Gastraea ist weiter nichts als das Schema jenes Typus. Gewagte Hypothesen, kühne Schlüsse nützen der Wissenschaft fast immer, die Schemata schaden ihr, wenn sie die vorhandenen Kenntnisse in eine leere und dazu meist noch schiefe Form bringen und beanspruchen, tiefere Einsicht zu geben. Leider war die Gastraea nicht zeugungsfähig, aber stark infektiv; sie’hat sich als Neu- raea, Nephridaea etc. ausgebreitet und weiterhin all die Urthiere, Trochosphaera, Trochophora, das Urinsekt und was weiß ich sonst noch verschuldet. Bedeutungslos ist die Homologisirung der Darmhöhle der höheren Metazoen mit der Entodermhöhle der Gastraea: Loch ist Loch in der ganzen Welt. Wenn einmal die Gleichwerthigkeit der Wandungen fest- gestellt ist, braucht man sich wegen der von ihnen umschlossenen leeren Räume nicht weiter den Kopf zu zerbrechen. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynehus. 3 Haecker behauptet, der Entwicklungsgeschichte und der gesamm- ten Zoologie eine neue, festere Grundlage gegeben zu haben. Ich sehe die Dinge in etwas anderem Lichte: dass ungeachtet und trotz der Gastraeatheorie die ursprüngliche Wesensgleichheit des Ektoderms und Entoderms der Cölenteraten mit dem äußeren und inneren Keimblatt aufrecht erhalten und allgemein anerkannt werden konnte, ist der beste Beweis für die Tiefe der Einsicht Huxıery’s. Anders verhält es sich aber mit dem mittleren Keimblatt. Nur um seine ontogenetische Entstehung darzustellen, ist bereits der größte Theil aller möglichen Kombinationen aufgebraucht worden. Es ent- springt aus dem äußeren Keimblatt allein — aus dem inneren Keim- blatt allein — aus beiden zusammen — aus keinem von beiden — aus zwei besonderen Furchungskugeln — aus jedem beliebigen Theil des Blastoderms (Sarasın) — ganz und gar nicht aus dem Blastoderm, son- dern aus dem Dotter (Hıs). Nun, wenn in der Wissenschaft ein Streit lange Zeit und mit bemerkenswerthem Eifer geführt wird, ohne jedes andere Ergebnis als die subjektive Befriedigung der muthigen Kämpfer, so deutet dies immer darauf hin, dass eine Windmühle in der Nähe ist. Es giebt gar kein mittleres Keimblatt. Das ist freilich leichter gesagt als bewiesen. Eine konventionell gewordene Vorstellungsweise lässt sich nicht auf einmal beseitigen. Man darf aus dem Mesoderm machen was man will, aber man darf sein Dasein nicht leugnen, denn es gehört zu den Glaubensartikeln aller embryologischen Sekten. Auch verkenne ich durchaus nicht, dass auf der einen Seite manch schwerwiegender Grund zu Gunsten des mitt- leren Keimblattes ins Feld geführt werden kann, während auf der an- deren Seite die Beweisstücke dagegen noch beträchtliche Verstärkung erwarten. Gleichviel: ehe ich meine Stellung aufgebe, greife ich lieber mit schwachen Kräften einen starken Gegner an. Der größte Theil der neueren Untersuchungen über die Entstehung des embryonalen Mesoderms muss lebhafte Zweifel an der Be- rechtigung, dasselbe als ein dem Ektoderm und Entoderm vergleich- bares Keimblatt aufzufassen, hervorrufen. Denn erstens häufen sich immer mehr Angaben, wonach das Mesoderm nicht aus einer einzigen, paarigen oder unpaarigen Anlage, sondern aus zwei, drei oder noch mehr gesonderten, bald auf eins der primären Keimblätter beschränk- ten, bald auf beide vertheilten Bildungsstätten hervorgeht; zweitens mehrt sich die Zahl der Organe, welche bisher für Erzeugnisse des Me- soderms gehalten, nun mit Sicherheit in direkte genetische Beziehung zum Entoderm oder Ektoderm gesetzt werden können. Freilich hat es auch nicht an Bestrebungen gefehlt, dem mittleren 4%* A Nicolaus Kleinenberg, Keimblatt eine einheitliche Grundlage zu geben. Aber gerade in der Herrwiıg’schen Coelomtheorie tritt die verschiedene Entstehungsweise desselben ganz besonders deutlich zu Tage. Es ist dies ein Versuch, die Gastraeatheorie weiterzuführen, und in der That entsprechen sich beide »Theorien « aufs Beste. Die Hazcker’sche Behandlungsweise ent- wicklungsgeschichtlicher Probleme ist von den Gebrüdern Herrwıc auf die Spitze getrieben worden. Ich habe nicht die geringste Veranlassung, die in der Coelomtheorie niedergelegten Angaben und Ansichten einer ausführlichen Prüfung zu unterwerfen, und halte mich nicht einmal für verpflichtet, die durchaus entstellte Reproduktion der vorhandenen Mittheilungen über die Mesodermbildung der Anneliden zu berichtigen. Doch glaube ich auf ein paar Ergebnisse dieser Arbeit eingehen zu müssen, weil ohne dies gewisse Missverständnisse möglich sein würden. Nach den Gebrüdern Herrwıc besitzen viele Thiere — von den Cölenteraten abgesehen, die Bryozoen, Rotatorien, Plathelminthen und Mollusken — kein Mesoderm. Doch täusche man sich nicht; das Vor- handensein einer embryonalen Bildungsschicht zwischen Ektoderm und Entoderm, aus der der allergrößte Theil der Organe entspringt, wird dabei nicht im entferntesten bestritten; es handelt sich bloß um die Einführung eines neuen Terminus technicus. Die Mollusken z. B. haben nur desshalb kein Mesoderm — pardon: keinen Mesoblast, weilihr Me- soblast von jetzt ab Mesenchym heißen soll. Mesoblast ist ein Keim- blatt, Mesenchym nicht. Warum? Weil die Gebrüder Hrrrwıe unter einem Keimblatt »embryonale Zellen, welche unter einander zu einer Epithellamelle verbunden sind, die durch Faltung oder Differenzirung die Grundlage für die mannigfaltigsten Formen abgiebt,« verstehen, da- gegen »embryonale Zellen, welche einzeln aus dem epithelialen Ver- bande ausscheiden, für etwas von den Keimblättern Verschiedenes « halten und »ihnen den besonderen Namen der Mesenchymkeime oder Urzellen des Mesenchyms« beilegen. Der Mesoblast entsteht immer durch Ausstülpung des Entoblasts und ist in Folge dessen von vorn herein in ein parietales und viscerales Blatt geschieden, so dass es nur zweiblättrige und vierblättrige, aber keine dreiblättrigen Thiere giebt. Bei vierblättrigen Thieren können jedoch auch Mesenchymbildungen zur Herstellung der Organe beitragen, derart, dass ein Theil derselben von den Keimblättern, ein anderer Theil nicht von den Keimblättern abstammt; wo dagegen kein Mesoblast auftritt, da entwickelt sich die Mehrzahl der Organe — unter anderen das Centralnervensystem der Mollusken! — nicht aus einem Keimblatt, sondern aus dem grundsätz- lich verschiedenen Mesenchym. Dass diese Anschauungen mit vielen der am sichersten festgestellten Entwicklungsthatsachen in offenem Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 5 Widerspruch stehen, ist bereits öfter nachgewiesen worden und geht mich hier gar nicht an, um so weniger als die Entwicklungsgeschichte in der Goelomtheorie bei näherem Zusehen sich gänzlich in den Hintergrund zurückzieht, um einer anderen Abschätzungsnorm Platz zu machen. Es ist die Form der fertigen Gewebselemente, welche als Richtschnur dient. Zwar heißt es, »die epitheliale und die mesenchymatöse Ent- stehungsweise der Gewebe prägen sich auch in ihrer feineren Struktur aus,« allein zur praktischen Verwerthung kommt dies Axiom in umge- kehrter Form — aus der inneren Struktur eines Gewebes wird sein epi- thelialer oder mesenchymatöser Ursprung erschlossen. Der Lehrsatz, man mag ihn kehren, wie man will, ist falsch, und wäre er richtig, so würde er bedeutungslos sein. Denn die wesentliche Verschiedenheit zwischen Epithel und Mesenchym ist ein Schulblümchen aus dem pathologisch-anatomischen Hörsaal, das am allerwenigsten in entwick- lungsgeschichtliche Untersuchungen hinein gehört. Für den Unter- richt und die bloße Beschreibung ist eine Eintheilung der Gewebe nach den stereometrischen Formen ihrer Zellen gewiss von Nutzen, nur darf man dem Unterscheidungsmerkmal keinen größeren Werth beilegen als es besitzt. Sonst kommt es leicht zu den erstaunlichsten Missver- ständnissen. Man begegnet nicht selten Arbeiten, in welchen Gylinder- epithel und Plattenepithel ohne Weiteres als zwei grundverschiedene Dinge betrachtet werden. Ein Beobachter findet in der Giftdrüse einer Schlange die Epithelien des centralen Abschnittes verhältnismäßig hoch: es ist also ein Cylinderepithel; weiter gegen die Peripherie hin werden die Zellen immer niedriger und zuletzt zu einem Pflasterepithel; die Formveränderung vollzieht sich ganz allmählich durch alle möglichen Abstufungen ; da aber der Gelehrte offenbar aus theoretischen Gründen nicht an die Möglichkeit der Verwandlung eines »Cylinderepithels« in ein »Pflasterepithel« glaubt, gewinnt die Thatsache außerordentliche Wiehtigkeit und muss mit Hilfe einer Hypothese erklärt werden, und die ist auch gleich zur Hand: »Das erwähnte Epithel würde demnach vielleicht richtiger als ein abgeplattetes Cylinderepithel und nicht als ein wahres Plattenepithel aufzufassen sein «!. In meiner Unschuld dachte ich, dass eine Platte eben weiter nichts sei, als ein Prisma oder ein Cylinder von verhältnismäßig geringer Höhe; nun muss ich lernen, dass eine Zelle die Form einer Platte hat, damit aber noch lange nicht eine »wahre« Platte ist — dass mir der tiefe Sinn dieses »wahr« nicht auf- geht, thut nichts zur Sache. Mit Erlaubnis von Hıs, Harcrer und Herr- ° wıc möchte ich nun behaupten, dass alle Klassifikationen der Zellen nach ihren Formen ungefähr denselben wissenschaftlichen Werth haben, 1 C.Emery, Sulla struttura intima della glandola del veleno nella Naja haje. p. 5. 6 Nicolaus Kleinenberg, wie das angeführte Beispiel. Überall liegt die Vorstellung zu Grunde, dass die Formen der Gewebe bildenden Zellen durch ihre Abstammung, durch erbliche Übertragung stereometrischer Begrenzungen gegeben sind, während es sich thatsächlich in erster Linie um Anpassungser- scheinungen, Folgen der Funktion und des mechanischen Einwirkens der Lageverhältnisse handelt. Dieselbe Zelle nimmt die verschiedensten Formen an, je nachdem sie ihre Funktion oder ihre Lage oder beides zugleich ändert. Gelangt sie an eine Oberfläche und zugleich in seit- liche Berührung mit ähnlichen Elementen, so nimmt sie — wenn dies nicht durch besondere Funktionsweise verhindert wird — eine pris- matische Gestalt an und heißt dann Epithelzelle, scheidet sie wiederum aus dem in der Fläche angeordneten Verbande aus, so wird sie zu einer . Mesenchymzelle oder erhält irgend eine andere Gestalt. Die Fälle, in denen die nämliche Zelle bald in fester Verbindung als Epithelzelle, bald frei von beengender Umgebung als amöboide Wanderzelle erscheint, sind so gewöhnlich. Man nehme nur die Entwicklung der Keimblätter bei vie- len Insekten: zuerst kriechen die Blastomeren vereinzelt in Form von Amöben im Dotter herum, steigen dann eine nach der andern an die Oberfläche des Eies auf, um das schönste typische Epithel herzu- stellen, wandern dann wieder aus und werden aufs Neue zu amöboi- den Elementen!. Oder Eier von Hydroiden, die als Epithelzellen ent- stehen, eine Zeit lang als Amöben vagabundiren und sich doch wieder einem epithelialen Verbande einfügen. Oder Eiterkörperchen, die, von Bindegewebszellen abstammend, dort, wo sie Höhlungen auskleiden, oft die vollkommensten Epithellamellen bilden. Oder das Mesoderm des Hühnchens, das Anfangs eine so lockere Masse bildet, dass seine Zellen unbehindert ihre Fortsätze ausstrecken und zu sternförmigen mesen- chymatösen Elementen werden können? und sich erst später zu epithe- lialen Häuten anordnen. Und endlich die ausgezeichneten Untersuchun- gen Mrrscunikorr's über das Verhalten von Entodermepithelien und Wanderzellen während der Entwicklung und unter besonderen physio- logischen Umständen. Wenn also der Einfluss des augenblicklichen wechselbaren Verbandes hinreicht, die Form einer und derselben Zelle zu ändern, wie ist es da möglich, von einem tiefen Gegensatz zwischen Epithel und Mesenchym zu reden? Eben so klar und dabei viel bedeutsamer sind die Beziehungen von Funktion und Form. Mir scheint sogar ein verständiges System der Gewebe nur auf physiologischer Grundlage möglich. Gewebe und ! A. Korornerr, Embryologie d. Gryllotalpa. Zeitschr. f. w. Zool. Bd. XLI. 1885. 2 Dies sieht man freilich in den durch die gebräuchlichen rohen Konservirungs- verfahren misshandelten Präparaten nicht. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 7 Organe sind nichts Anderes als der Ausdruck von Vervollkommnungen und Beschränkungen der inhärenten Qualitäten des Protoplasmas, welche sich als Ernährung, Beweglichkeit, Erregbarkeit und Fortpflanzung äußern. Und es liegt auf der Hand, dass jede Arbeitsleistung durch die Form des wirksamen Apparates gesteigert werden muss. Alle Zellen sind ursprünglich kontraktil und können die verschiedensten Gestalten annehmen; eine Muskelzelle würde aber ihre besondere Arbeit nur höchst unvollkommen leisten, erhielte sie nicht eine Form, in der be- ständig eine Dimension überwiegt. Darum sind alle Muskelzellen ein- fache oder verzweigte Fasern. Eine centrale Nervenzelle hat die Auf- gabe, zugeführte Erregungen umzusetzen oder automatisch Reize zu erzeugen, die auf andere Zellen übertragen in Wirksamkeit treten: in beiden Fällen verlangt ihre Funktion möglichst sichere Leitungsbahnen, die, wenigstens nach weiter abgelegenen Gewebselementen, durch die Vermittelung von protoplasmatischen Fortsätzen hergestellt sind; die Ganglienzellen müssen daher sternförmig sein oder zum mindesten in einen, meist verzweigten Fortsatz auslaufen. Selbst die famosen Cy- linder- und Pflasterepithelien erhalten durch physiologische Über- legungen ihren Werth. Vorherrschend chemisch arbeitende Zellen, die in Begrenzungsflächen von Hohlräumen angeordnet sind, werden voll- kommenere Erzeugnisse liefern, sobald sie die Form hoher, senkrecht zur Fläche gerichteter Prismen haben, denn dadurch werden die durch- tretenden Substanzen genöthigt, längere Zeit innerhalb der Zelle zu verweilen, kommen in innigeren Kontakt mit einer großen Anzahl wirksamer Protoplasmamoleküle und sind zugleich besser dem vielleicht störenden Einfluss der diesseits oder jenseits der Epithelschicht befind- lichen Gewebe oder Flüssigkeiten entzogen. Die assimilirenden Ge- webe, in so fern als sie nicht bloß für die eigene, sondern auch für die Ernährung anderer Körpertheile sorgen, bestehen demgemäß gewöhn- lich aus Cylinderepithel, die ausscheidenden Gewebe bald aus hohen, bald aus niedrigen Zellen, je nachdem sie eingreifende chemische Um- gestaltungen der ihnen zugeführten Stoffe vornehmen oder bloß physi- kalisch als osmotische Membranen dienen. Wo dagegen Epithelien zu bloßen Deckschiehten verwandt werden, da liegt es schon im Interesse der Ökonomie des Organismus, dass nicht zu viel Zellmaterial für ein- fach physikalische Leistungen in Anspruch genommen sei, die Masse der Zellkörper wird auf der Oberfläche ausgebreitet, es entstehen Platten- epithelien, die vielschichtig sich anhäufen, wo besonders die Wärme- strahlung verhindert werden soll oder ein anderes Bedürfnis nach un- durchlässigen Hüllen vorliegt, einschichtig bleiben und aufs äußerste verdünnt sind, wo der Stoffaustausch zwischen den inneren Geweben 8 Nicolaus Kleinenberg, und der äußeren Umgebung so wenig als möglich beschränkt werden soll. Man vergleiche nur die aus derselben Quelle stammenden Epithe- lien der Lungen und des Darmes mit einander, oder die Epidermis mit dem Epithel der Sinnesorgane, oder die secernirenden Nierenzellen mit den inneren Bekleidungen der Ausführungsgänge, um zu erkennen, dass die Formen von den Funktionen bedingt sind. Natürlich wirken die formenden Bedingungen, Funktion und Lage- beziehung, fast immer zusammen. Kommt es aber zwischen beiden zum Widerspruch, dann überwiegen die Ansprüche der Funktion: ent- weder erzwingt sie eine Verlegung des Elements in günstigere Lage, oder sie überwindet die Widerstände an Ort und Stelle: so erhalten centrale Nervenzellen, auch ohne dass sie aus dem Epithelverbande, in welchem sie entstanden, ausscheiden, die Gestalt frei beweglicher Bindegewebskörperchen. Andererseits beeinflusst die Anordnungs- weise die Funktion; eine isolirte Muskelzelle wird oft genöthigt sein, eine andere Form anzunehmen, nachdem sie aus der Gemeinschaft einer kontraktilen Lamelle ausgeschieden ist, und die damit gesetzten Formverschiedenheiten werden sich auch in der Funktion abspiegeln. Im Grunde genommen sehr überflüssig, ist es doch vielleicht an- gezeigt, ausdrücklich zu bemerken, dass ich nicht im entferntesten meine, jede Zelle könne zu jeder anderen Zelle werden. Ganz das Gegentheil. Die Elemente eines Gewebes müssen sich in dieser Hin- sicht den Individuen einer Species bis zu einem gewissen Grade ähn- lich verhalten. Im einen und im anderen Falle sind durch die be- stehenden Qualitäten eine große Anzahl von Variationen entweder geradezu ausgeschlossen oder auf ein Minimum herabgesetzt, und die möglichen Variationen der Zellen eines komplexen Organismus werden nur dann zu eingreifenden Umbildungen führen, wenn sie einer- seits durch Wechselwirkungen mit anderen Gewebstheilen geordnet, andererseits durch lange andauernde erbliche Übertragung in eine be- stimmte Bahn gebracht sind. Was vererbt wird, ist aber vor Allem die Funktionstendenz: die Form ergiebt sich als sekundäres Moment. Da ich mir die Dinge so vorstelle, ist mir unverständlich, wie KöL- LIKER und Hazcker glauben können, die Erkenntnis histogenetischer Er- scheinungen zu erweitern, indem sie das Epithelium allein als das pri- märe Gewebe bezeichnen, aus dem alle anderen Gewebe sekundär ab-. geleitet sind. Besonders Haırcker scheint übersehen zu haben, dass das keine Entdeckung, nicht einmal eine Folgerung, sondern ein bloßes Wortspiel ist. Die Keimblätterlehre hatte schon längst festgestellt, dass die Weiterbildung des Metazoenkörpers von zwei die äußere und die in- nere Oberfläche begrenzenden, gewöhnlich einschichtigen Zellenlagen Die Entstehung: des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 9 ausgehe; das Wort Epithelium bedeutet aber nicht das Geringste mehr oder weniger als dieselbe Anordnung von Zellkomplexen zuBlättern, die an der einen Seite frei liegen: folglich enthalten die Behauptungen, dass die Gewebe aus Keimblättern und dass sie aus Epithelien entstehen, eine einzige identische Vorstellung. Die Gebrüder Herrwıe nehmen die Harcker’sche Gastraeatheorie an und mit ihr also auch die Ableitung aller Gewebe von den primären Keimblättern oder Keimepithelien. Da erscheint es ziemlich wunder- bar, wenn sie weiterhin auf den Gegensatz zwischen Epithel und Me- senchym bestehen. Und noch überraschender ist die Erklärung dieses Gegensatzes durch den Umstand, dass das eine Mal die Anlagen sich als epithelartig angeordnete Zellgruppen von den primären Keimblättern ablösen, das andere Mal aus Ansammlungen einzeln ausgeschiedener ursprünglicher Epithelzellen hervorgehen. Ich gestehe, dass es mir gänzlich unerfindlich ist, wie diese Verschiedenheit in den ersten Son- derungsvorgängen die Elemente so tief beeinflussen kann, dass die Spuren auch noch nach den weitgreifendsten und für beide Fälle wesent- lich gleichartigen Umbildungen deutlich erkennbar bleiben. Allein ich würde das gern als eine unverständliche Thatsache hinnehmen, wenn es nur eine Thatsache wäre. So weit mir thierische Gewebe und ihre Entstehung bekannt sind, leugne ich dies schlechtweg. Die nachfol- gende Entwicklungsgeschichte eines Annelids mag zwei Beispiele her- geben. Die Muskelzellen der Annelidenlarven sind nach Gebr. Herrwıc Er- zeugnisse des Mesenchyms und ihre verästelten Enden weisen auf die Entstehungsweise hin; die bleibende Muskulatur des Annelids stammt dagegen vom Mesoderm und besteht folglich nur aus Epithelmuskeln. Thatsächlich entwickeln sich aber bei Lopadorhynchus aus einer ein- heitlichen Anlage neben der gewöhnlichen Körpermuskulatur auch die innere Muskulatur der Parapodien — kontraktile Zellen mit verzweig- ten Enden, welche in Form und sonstiger Beschaffenheit absolut nicht von den larvalen Muskeln zu unterscheiden sind. Das viscerale Blatt des Mesoderms ist wiederum nach den Gebrü- dern Herrwie bei den Anneliden die innere Wand der epithelialen Me- sodermsäcke: bei Lopadorhynchus entsteht es dagegen durch die An- sammlung einzeln abgelöster, also mesenchymatöser Zellen, die freilich Später ein ganz schönes Epithel herstellen. Eine zweite Schule, deren Führung Harschek übernommen hat, findet in den großen hinteren Polzellen den einheitlichen Ausgangs- punkt für das Mesoderm. Der Verallgemeinerung dieser Doktrin wider- setzt sich jedoch die unangreifbare Thatsache, dass bei sehr vielen Thieren solche Zellen überhaupt nicht vorkommen. Aber noch mehr. 10 Nicolaus Kleinenberg, Hartscazk selbst hat bei Amphioxus die hinteren Polzellen nachgewiesen und zugleich die Kowaugvskv’sche Entdeckung des Entstehens des Me- soderms aus Falten des Entoderms, welche vorn beginnend nach hinten fortschreiten, bestätigt. Der allergrößte Theil des Mesoderms geht also sicher nicht aus den Polzellen hervor; dass diese überhaupt zu dessen Herstellung beitragen, ist aus den Abbildungen nicht ersichtlich und noch weniger aus den dunklen Worten des Verfassers: einmal nennt er sie den hinteren Abschluss des Mesoderms ein ander Mal heißt es, »die seitlichen dorsalen Kanten des Urdarmes, die am hinteren Rande des Gastrulamundes mit den zwei großen Zellen enden, die das Material der noch ungegliederten Mesodermanlage repräsentiren«'!. Dazu kommt, dass in keinem der Fälle, wo die Polzellen als alleinige Quellen des Mesoderms hingestellt wurden, der Zusammenhang der angeblich von den Polzellen gelieferten Elemente mit den Anlagen aller bleibenden Organe überzeugend klargelegt werden konnte: ich muss mich daher auch gegen diesen Versuch, die Einheit des Mesoderms zu begründen, ablehnend verhalten. Führen selbst die resolutesten Einheitsbestrebungen an einen Punkt, wo sich das Mesoderm in verschiedenartige primäre Anlagen auflöst, und wird dies von Forschern, die weniger von vorgefassten Lösungen der Frage beeinflusst sind, öfter und öfter behauptet, dann drängen die Thatsachen im Ganzen genommen von selbst dahin, das Mesoderm nicht als Keimblatt, sondern als eine Bildung aufzufassen, in welcher genetisch ungleichwerthige Bestandtheile nur scheinbar in eine einheitliche Masse vereinigt sind. Und zur selben Zeit erweist sich das mittlere Keimblatt durchaus nicht als der fruchtbare Boden für mannigfaltige Organkeime, wie man so lange angenommen hatte. Ein Organ nach dem andern scheidet von ihm aus und tritt in unmittelbare Beziehung zum Ektoderm oder zum Entoderm. Ich brauche nur an die tiefgreifende Umgestaltung, welche die Entwicklungsgeschichte der Wirbelthiere in den letzten Jahren er- fahren hat, zu erinnern. Wie lange hat die Chorda als echte und rechte Mesodermbildung gegolten! Und doch ist sie rein entodermalen Ur- sprungs. Die Entstehung der Spinalganglien aus Zellen des mittleren Keimblattes war so allgemein angenommen, dass Semrer es zu Gunsten seiner Theorien für unumgänglich hielt, auch die Anneliden mit meso- dermalen Spinalganglien zu beglücken. Nach Barrour’s Arbeiten weiß nun Jedermann, dass die Spinalganglien vom Ektoderm herkommen. Ähnliche Beispiele bietet auch die Entwicklungsgeschichte der Wirbel- losen in reichlicher Auswahl dar, dagegen ist es zum mindesten äußerst ! Entw. d. Amphioxus, Arb, Zool. Inst. zu Wien. IV. 4881. p. 35, 40. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 11 selten vorgekommen, dass ein Organ, das aufeinigermaßen ausreichende Beobachtungen hin vom Ektoderm oder Entoderm abgeleitet worden war, durch spätere genauere Untersuchungen ins Mesoderm hinein verlegt wurde. Ich für mein Theil erwarte mit großem Vertrauen noch viel mehr Organanlagen aus dem Sumpf des Mesoderms herausgefischt und an ihre natürlichen Stellen versetzt zu sehen, sobald die Methode embryo- logischer Forschung eine allgemeine Verbesserung erfährt. Doch muss sich diese zugleich nach zwei Richtungen vollziehen. Erstens darf man nicht so schnell bei der Hand sein, die jüngste Entwicklungsstufe eines Organs, die gerade zur Beobachtung kam, für die erste Anlage zu erklären. Ich fürchte kaum eine Übertreibung zu begehen, wenn ich sage, dass sehr viele Angaben über den Ur- sprung von Organen nicht beweisen können was sie wollen, weil sie auf Zustände sich gründen, die mehr oder weniger weit vom Ausgangs- punkt entfernt sind. So war es mit den Spinalganglien. Einem durch anhaltende Beschäftigung mit Entwicklungsformen geübten Auge durfte es nicht entgehen, dass all’ die Zustände, welche den mesodermalen Ursprung dieser Theile des Nervensystems feststellen sollten, unmög- lich die ersten Anlagen sein konnten. Heutigen Tages steht es gerade eben so mit dem Centralnervensystem der Gephalopoden. Ob es vom Mesoderm oder vom Ektoderm herkommt, weiß ich nicht, denn ich weiß nur so viel aus den vorliegenden Untersuchungen, dass noch kein Mensch die ersten Anlagen hier gesehen hat. Zweitens bedarf es größerer Sorgfalt in der technischen Behand- lung der Larven oder Embryonen, besonders bei der Auswahl von Fixirungsmethoden. Man ist wenig geneigt, anzuerkennen, welch’ unerwartete Folgen ein kleiner Missgriff in dieser Hinsicht oft mit sich bringt, und man kommt in den Ruf der Pedanterie, wenn man sich viel um die famosen Methoden bekümmert. Ich gebe gern zu, dass das arm- selige Herumrühren in der mikroskopischen Küche tief unter der be- wussten künstlerischen Thätigkeit eines ordentlichen Kochs steht; leider ist es doch nicht zu vermeiden, und ich würde sehr glücklich sein, hätte ich irgend welchen Anspruch darauf, für einen Pedanten zu gelten. Brutale Eingriffe der Konservirungsflüssigkeiten sind weniger gefähr- lich, da sie meist leicht erkannt werden können; dagegen werden oft die Begrenzungen der Anlagen in Folge kaum nachweisbarer Zusam- menziehungen der sonst vorzüglich erhaltenen Gewebe gänzlich ver- wischt. Ein Beispiel dafür wird man weiterhin in dieser Arbeit finden. Nach der gewöhnlichen Behandlung, die ich nicht ohne Grund für sehr schonend hielt, erscheinen die Anlagen der Borstensäcke als offenbare 12 Nicolaus Kleinenberg, Mesodermbildungen, da die Grenzlinie zwischen ihnen und den Muskel- platten, denen sie eingesenkt sind, durch höchst geringe Schrumpfung zum Verschwinden gebracht war, und erst nach einer Korrektion in der Zusammensetzung der Konservirungsflüssigkeit wurde es möglich, die Borstensäcke mit aller Sicherheit als Abkömmlinge des Ektoderms zu erkennen. Wenn man die entsprechenden Vorsichtsmaßregeln an- wendet, dann werden wohl im sogenannten Mesoderm Abgrenzungen erscheinen, wo man sie vielleicht am wenigsten erwartet hätte. Bis hierher suchte ich in Andeutungen, die Jeder, dem die Ent- wicklungsgeschichte der Thiere genügend bekannt ist, nach Belieben weiter ausführen kann, zu zeigen, dass die ontogenetischen Thatsachen allein nicht dazu angethan sind, die Existenz eines mittleren Keim- blattes außer Frage zu stellen. Seine phylogenetische Begründung ist aber noch viel unzulänglicher. Das Beste in dieser Hinsicht rührt von METscHniKorr her. Er wies in sehr überzeugender Weise die Ho- mologie der Darmausstülpungen, welche sich bei den Echinodermen zur Leibeshöhle und zum Wassergefäßsystem entwickeln, mit einem Theil des Gastrovascularsystems der CGtenophoren nach. Diesen Ge- danken führten Lankester, BaLrour und Andere in der Weise weiter, dass die Homologie von den Echinodermen auf die höheren Thiere ausgedehnt und der genetische Zusammenhang der Peritonealsäcke oder auch des gesammten Mesoderms mit den peripherischen Ento- dermkanälen der Cölenteraten behauptet wurde. Auch die Gebrü- der Herrwıc traten dieser Auffassungsweise bei, doch mit einigen Veränderungen, die von ihren Voraussetzungen gefordert waren: da das Wort »mittleres Keimblatt« zwei ganz verschiedene Bildungen um- fasst, so musste für dasselbe auch ein doppelter Ausgangspunkt gesucht werden, und dieser fand sich für den Mesoblast nicht mehr im Gastro- vascularsystem der CGtenophoren, sondern in den Darmdivertikeln der Actinien, für das Mesenchym aber im Ektoderm der CGtenophoren, nicht in den Entodermsäcken derselben. Ich weiß freilich nicht, ob damit wirklich die genealogische Ableitung der Enterocoelier von Actinien, der Pseudocoelier von Gtenophoren behauptet werden soll, denn in der Coelomtheorie sprechen die Verfasser meist nur von der Übereinstim- mung oder Nichtübereinstimmung in der Entstehungsweise der Gewebe bei den verschiedenen Thieren und zeigen sich in Betreff der verwandt- schaftlichen Beziehungen sehr zurückhaltend. | Die Herrwıg’sche Mesenchymlehre ist besonders durch die Kritik Kowauzvsky’s und Marıon’s! stark mitgenommen worden. Ich stimme 1 Documents pour l'histoire embryogenique des Alcyonaires. Marseille 4883. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 13 mit diesen Gelehrten darin völlig überein, dass die Cölenteraten kein Mesoderm besitzen, sondern bloß aus Ektoderm und Entoderm bestehen, wenn ich auch in Bezug auf die Entwicklung der Gewebe mich ihnen nicht überall anschließen kann. Aber die übrigen Metazoen, von den Echinodermen an, erhalten nach KowaLrvsky und Marıon ein echtes mittleres Keimblatt, und dies soll überall homolog und auf Entoderm- ausstülpungen und damit auf das Gastrovascularsystem der Cölentera- ten zurückzuführen sein. Denn auch die beiden primären Mesoblasten der Anneliden und Mollusken werden Ausstülpungen des Entoderms gleichwerthig genommen. Ob das mit den Thatsachen in Einklang zu bringen ist, brauche ich hier nicht zu erörtern; jedenfalls ist dies aber die konsequenteste Ausführung des Mrtscunikorr’schen Gedankens, und es ist daher am leichtesten, ihr gegenüber Stellung zu nehmen. Und dazu brauche ich nicht vieler Worte. Dass Ausstülpungen des Entoderms bei manchen Thieren — Echi- nodermen, Sagitta, Brachiopoden, Amphioxus — die Auskleidung der Leibeshöhle und sonst noch einige Gewebe liefern, ist eine Thatsache, die nicht dem geringsten Zweifel unterliegen kann. Dass dies über- all oder auch nur sehr häufig geschieht, leugne ich. Vor Allem leugne ich aber, dass die Goelomsäcke und das gesammte Mesoderm in einen Begriff zusammenfallen: die ersteren können nur ein Organ oder eine Organanlage unter den vielen sein, aus denen das sogenannte mittlere Keimblatt sich aufbaut. Gleichviel ob man die Coelomanlagen auf die Magengefäße der Ctenophoren oder auf die Gastrovasculartaschen der Anthozoen zurück- führte, immer hatte man weiter nichts zum Ausgangspunkt des Meso- derms als einfache Faltungen oder Ausstülpungen des ursprünglichen Entoderms, die offenbar nur dazu dienen, entweder die chemisch wirk- same Oberfläche zu vergrößern oder Körpertheile, welche vom Magen weiter ab liegen, mit ihm in Verbindung zu bringen. Ist es nun wahr- scheinlich, dass diese untergeordneten und von den engsten Beziehun- gen aufrecht erhaltenen Gebilde den fruchtbaren Boden darstellen, auf dem durch einander Muskeln und Geschlechtsorgane, Skeletttheile und Harndrüsen, Blutgefäße und Nerven wie die Pilze nach einem Früh- lingsregen hervorsprießen? Bei den Cölenteraten wenigstens zeigen die Darmanhänge nicht die geringste Neigung zu so großen Dingen. Die Ctenophoren besitzen stark differenzirte Gewebe, aber keins der- selben geht von dem Epithel der Gefäßkanäle aus. Bisher stimmte man - ziemlich darin überein, dass alle jene Gewebe vom Ektoderm herrühr- ten, nun hat aber ganz neuerdings METscHnIKorFF eine einheitliche ento- dermale Mesodermanlage hinzugefügt, aus der sich das Mesoderm der 14 Nieolaus Kleinenberg, Tentakeln und Wanderzellen entwickelt!. Ich möchte annehmen, dass dies mittlere Keimblatt der Rippenquallen die Anlage der Entoderm- achsen der Tentakeln ist, und die eigenthümlichen Umbildungen dahin deuten, dass diese Gölenteraten ursprünglich vier Tentakeln hatten, von denen zwei zu Grunde gegangen sind. Doch dem mag sein wie ihm will: sollen die höheren Thiere aus etenophorenartigen Cölenteraten abstammen, so muss angenommen werden, dass bei der Umbildung ein großer Theil der vom Ektoderm und Entoderm herrührenden Gewebe der Ctenophoren unterdrückt worden ist, um durch entsprechende Neubildungen von Seiten der Gefäßkanäle ersetzt zu werden. Niemand vielleicht ist geneigter als ich, die Möglichkeit solcher Substitutionen prineipiell zuzugeben, in diesem besonderen Fall treten aber keine morphologischen Thatsachen zu Gunsten einer derartigen Annahme ein, und eben so wenig lässt sie sich auf physiologische Überlegungen be- gründen. Die Entwicklungsgeschichte hat keine Aussicht, sich zu einer eini- germaßen exakten Wissenschaft aufzuschwingen, wenn es nicht ge- lingt, die Umbildungsmöglichkeiten der Protoplasmafunktionen aus gesetzmäßigem Verständnis zu bestimmen. Alle embryologischen Er- scheinungen laufen in — meist sehr weit zurückliegende — physio- logische Zustände aus. So wie die Sachen liegen, verstehe ich nicht, auf welche Weise die zahlreichen und heterogenen Organe, welche konventionell vom mittleren Keimblatt abgeleitet werden, aus einer einheitlichen indifferenten Anlage entstehen konnten. Ein paar An- läufe zu Erklärungen sind wohl gemacht worden, aber ich glaube nicht in der Richtung, welche zum Ziel führt. Harscnrk hat gesagt, dass die primären Mesoblasten, von denen er das ganze Mesoderm ausgehen lässt, ursprünglich Geschlechtszellen — also wohl Eier — waren. Das ist ein geistreicher Gedanke, der mir besonders sym- pathisch sein muss. Denn ich glaube, dass die Geschlechtszellen nicht von den Keimblättern herrühren; sie bestanden nämlich schon gesondert in den locker gefügten und von gleichartigen Zellen zusam- mengesetzten Vorfahren der Gölenteraten, bevor die Anordnung der Zellen in Ektoderm und Entoderm vollzogen war. Damit würde das Auftreten der Mesoblasten noch während der Furchung gut überein- stimmen. Allein die Ausführung jener Idee stößt auf wesentliche theoretische und empirische Schwierigkeiten. HarscHek sagt nicht, wie er sich den Übergang von Geschlechtszellen zu einzelnen physiologisch bestimmten Geweben denkt. Ich schließe zunächst eine Auffassung 1 Vergleichend-embryologische Studien. Zeitschr. f. w. Zool. Bd. XLII. 1885. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 15 aus, die von anderer Seite und für andere Gewebe geltend gemacht wurde — nämlich dass es in irgend welchem Thierkörper unthätige Zellmassen giebt, die nur dazu da sind, um bei eventueller phylogene- tischer Umbildung das Material für ein neues Organ bereit zu halten. Mir scheint das eine sehr inkorrekte Vorstellungsweise. Desshalb ver- mag ich auch die Geschlechtszellen nicht als einen Speisekorb zu be- trachten, wo der Organismus nur so hineingreift, wenn es ihm in den Sinn kommt, sich den Luxus eines neuen Organs zu gestatten. Es ist also nöthig, von der eigentlichen Funktionssphäre der Eizellen auszu- gehen, und da bekommt die Sache ein ziemlich phantastisches Aus- sehen. Die Eier würden ihrer Tendenz zur Erzeugung neuer vollstän- diger Individuen folgen, die Embryonen blieben aber im mütterlichen Organismus zurückgehalten und erlitten dabei die vollständige Unter- drückung aller ihrer Theile, bis auf den einen, der zu irgend wel- chem mesodermalen Gewebe und damit integrirender Bestandtheil des Mutterorganismus wird. Dazu kommt noch, dass die Eier, da sie doch nur das, was hinter ihnen liegt, durch Vererbung übertragen, nicht ohne Weiteres neue Örganisationsverhältnisse schaffen können; es müsste also ein langwieriger innerer Anpassungsprocess auf die Über- bleibsel der Embryonen einwirken, und damit wären so unentwirrbare Zustände gegeben, dass“der Gedanke allen heuristischen Werth ver- liert. Ich weiß zwar, dass es eine Schule giebt, die den Thierkörper als eine Kolonie von Individuen auffasst, welche allenfalls auch in der angedeuteten Weise sich zusammenfügen ließen; allein ich gehe nicht in diese Schule. Thatsächlich finde ich aber in der Bildungsgeschichte des Mesoderms ganz und gar nichts, was auf weitgreifende Entwick- lungsbestrebungen, wie sie dem Wesen des Eies zukommen, hindeutete, und überdies erscheint mir die Frage in anderem Lichte als HATschuzk, da ich weder an das allgemeine Vorkommen der Mesoblasten, noch an ihr Eingreifen in die Herstellung aller sogenannten Mesodermbildungen glaube. Rası war Anfangs der Meinung, dass die ersten Mesodermzellen muskulöse Elemente gewesen seien, aus deren Umbildung dann die übrigen Gewebe, welche in diesem Keimblatt ihren Ursprung nehmen, hervorgegangen seien; später hat er diesen Standpunkt aufgegeben, um sich der eben besprochenen Ansicht Harscner’s anzuschließen. Auf die Lösung einer besonderen Frage ist Ragı dagegen sehr selbständig und mit glänzendem Erfolge eingegangen. Es handelt sich um die Er- klärung der genetischen Beziehungen zwischen den Urnieren der Mol- lusken und der Muskulatur. Es ist hier nicht der Ort, seine Über- legungen, die sieh nicht ohne Schaden kurz zusammenfassen lassen, 16 Nicolaus Kleinenberg, wiederzugeben — man mag sie in der Entwicklungsgeschichte von Planorbis ' nachlesen. Hier genügt zu erklären, dass ich die Möglich- keit des Hervorgehens so verschiedenartiger Organe, wie Urnieren und Muskeln, aus einer gemeinsamen Anlage durch die physiologischen Aus- führungen Rasr’s für erwiesen halte. Trotzdem stoße ich auf eine Schwierigkeit, die auch von physiologischer, aber von anderer Seite kommt. Die Rısr’sche Erklärung setzt das Aneinanderliegen zweier Zellen voraus, von denen die eine schon als Muskelelement funktionirt, während die andere eine indifferente Mesodermzelle ist. Diese bietet die Schwierigkeit dar: dass es im phylogenetischen Sinne indifferente Zellen giebt, kann ich nicht anerkennen, ontogenetisch mag man die Jugendstadien der Gewebselemente, welche ihre bleibende Funktion und Form noch nicht ausgebildet haben, indifferent nennen; dann spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Zellen der gemeinsamen Anlage, aus denen die Urniere entstehen soll, bloß junge, in der Ent- wicklung zurückgebliebene Muskelzellen sind, und gegen die Umwand- lung einer Muskelzelle in eine Harndrüse sprechen sehr gewichtige physiologisch-chemische Bedenken. Die umfassendsten und weitreichendsten Ansichten über den Ur- sprung des Mesoderms sind, meinem Urtheil nach, in BaLrour’s Ver- gleichender Entwicklungsgeschichte enthalten. Von den Thatsachen der Gewebebildung bei den Cölenteraten und von aprioristischen Über- legungen ausgehend, kommt Barrour zu dem Schluss, dass der Meso- blast nicht als eine unabhängige Zellenmasse zwischen den beiden pri- mären Blättern aufgetreten ist, sondern dass er auf einander folgenden Differenzirungen der beiden Blätter seine Entstehung verdankt; das embryonale Mesoderm als besondere Schicht von undifferenzirten Zellen ist demnach ein sekundärer Zustand, der in der allgemeinen Tendenz zu Vereinfachung der Entwicklung und Verzögerung der histologischen Differentiation seine Erklärung findet. Mit der Herstellung des Meso- blasts als Keimblatt verlieren Ektoblast und Entoblast die ihnen vor- her innewohnende Fähigkeit zur Erzeugung der Gewebe, welche dem mittleren Keimblatt anheimgefallen sind und folglich ist dieses bei allen den dreiblättrigen Metazoen, die einen gemeinsamen dreiblätterigen Vorfahren haben, eine homologe Bildung. So weit wie diese Auffassungsweise die Entstehung des Meso- derms aus unabhängigen histologischen Sonderungen von Seiten der primären Keimblätter behauptet, schließe ich mich ihr an. Aber dass diese ursprünglichen Differenzirungen aufgehoben werden mussten, ° Morphol. Jahrb. Bd. V. p. 647, 648. Die Entstehung des Annelids aus der. Larve von Lopadorhynchus,. 17 umin ein unabhängiges mittleres Keimblatt zusammenzufließen, aus dem dann in zweiter Instanz wieder dieselben oder nahezu dieselben Diffe- renzirungen hervorgehen, scheint mir weder bewiesen, noch durch die Tendenz nach Vereinfachung und Verzögerung wahrscheinlich gemacht. Dazu kommt, dass der erste Satz bei der Beurtheilung der Mesoderm- bildung in den verschiedenen Thierklassen nicht zur Anwendung ge- langt. BarLrour bemerktselbst, dass die von ihm gegebenen Darstellungen jener Voraussetzung durchaus nicht entsprechen: nach der Analogie mit den Cölenteraten sollte erwartet werden, dass der Mesoblast zum Theil vom Ektoblast, zum Theil vom Entoblast herrühre, dies sei aber bei den meisten Thieren nicht der Fall, wenn immerhin auch weitere Un- tersuchungen mehr Fälle von Mesoblast gemischten Ursprunges nachwei- sen möchten. Ungeachtet dieses Zugeständnisses herrscht in dem ganzen Buche eine unverkennbare Neigung vor, das Mesoderm vom Entoderm abzuleiten und dies führt bei den Chordaten zu einem entschiedenen Widerspruch gegen die obigen Sätze: das mittlere Keimblatt dieses Ty- pus wird von den paarigen Ausstülpungen des Urdarms bei Amphioxus, also von einer einzigen, nicht von mehreren verschiedenartigen ur- sprünglichen Anlagen abgeleitet und die Betheiligung des Ektoderms an der Herstellung des Mesoblasts bei den Amnioten als unzweifelhaft sekundärer Vorgang betrachtet. So hielt BaLrour überall an dem.Meso- derm als besonderer Embryonalanlage fest und auch in Betreff seines Ursprunges war die Übereinstimmung unserer Auffassungsweisen zum Theil bloß scheinbar : ich halte es für meine Pflicht zu erklären, dass Barrour meine Ansicht aus mündlichen und brieflichen Mittheilungen kannte, sie aber im wesentlichsten Punkt für nicht berechtigt hielt. Niemand weiß besser als ich, wie schwer dies Urtheil wiegt. Nach den vorhergegangenen Auseinandersetzungen kann ich es jedoch nicht länger vermeiden meiner Auffassung eine bestimmte Form zu geben und sie zur Prüfung vorzulegen. Die ausgebildeten Cölenteraten besitzen kein Mesoderm und dem- gemäß erscheint auch das mittlere Keimblatt der Embryonen höherer Metazoen als ein bloß konventioneller, den Thatsachen nicht ent- sprechender Begriff. Was man bisher so nannte ist entweder die Summe unabhängiger heterogener Anlagen, die im Bereich der primären Keimblätter entstehen, oder eine einzige Anlage eines bestimmten Ge- webes oder Organs, die eventuell theilweiser Umbildung unterliegt. Am häufigsten sind mächtige ektodermale Muskelanlagen und paarige Anhänge des Urdarms zum mittleren Keimblatt gemacht worden. Die Frage nach der Homologie des sogenannten Mesoblasts in den verschie- denen Thierklassen beruht auf der Voraussetzung des Vorhandenseins Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLIV. Bd. \ 2 18 Nicolaus Kleinenberg, eines Nichtvorhandenen, und fällt daher von selbst weg. Die Homologie der Organe muss in jedem Falle, mit Berücksichtigung etwaiger Sub- stitutionen, durch die genetischen Beziehungen zu den beiden Blättern des Cölenteratenkörpers festgestellt werden. Ektoderm und Entoderm sind die ursprünglichen Grundlagen aller Gewebe und Organe — die Geschlechtszellen wahrscheinlich ausgenommen — bei den Cölenteraten: eben so verhält sich das Ektoderm und das Entoderm der Entwicklungsfor- men. Diese Blätter erzeugen besondere Gewebe ohne dadurch irgend wie die Fähigkeit neuer Gewebsbildung einzubüßen. Andererseits nehmen die direkt von einem der beiden Blätter entspringenden Gewebe und Organe die Möglichkeit mit sich, ihrerseits andere Gewebe und Organe hervorzubringen; in keinem lebenden Körpertheil ist die innere Kraft der Umbildung gänzlich geschwunden. Dabei wird natürlich die gene- tische Beziehung zwischen irgend welchem Organ und dem primären Keimblatte nicht aufgehoben; sie ist nur durch die Einschaltung einer oder mehrerer Zwischenstufen weiter ab verlegt: wenn die Blätter die primären Organe sind, so entstehen direkt aus ihnen sekundäre Organe, aus den sekundären tertiäre, aus den tertiären quaternäre etc. Nie aber ist eine dieser Zwischenstufen von einem indifferenten Keimblatt repräsentirt, sondern immer von einem in speecifischer Ausbildung thä- tigen Gewebe oder Organ. So entsteht der bleibende Peritonealüber- zug des Darmes bei Lopadorhynchus nicht direkt vom Ektoderm, noch weniger aber von einem anderen Keimblatt, sondern aus der Umbil- dung eines Theils einer ganz specifischen Gewebsanlage, der Muskel- platte. Das Peritonealepithel besteht aus umgewandelten Muskelzellen, und da die Muskelplatten direkt vom Ektoderm herkommen, sind sie in der eben aufgestellten Reihenfolge sekundäre, die Peritonealhäute aber tertiäre Ektodermabkömmlinge. Das Stomodaeum ist ein sekun- därer Körpertheil, da es vom primären Ektoderm gebildet wird, es erzeugt als tertiäres Organ den bleibenden Schlund, und aus diesem entwickeln sich bei Lopadorhynchus die quaternären Schlunddrüsen; zwischen der ersten Anlage derselben und dem primären Organ, dem äußeren Keimblatt, finden sich also zwei auf einander folgende beson- dere Organe, das Stomodaeum und der Annelidenschlund, eingeschaltet. Diese Auffassungsweise eröffnet der embryologischen Forschung ein weiteres Feld. Um die Werthigkeit der Theile zu bestimmen, reicht, besonders bei den höheren Thieren, die Zurückführung eines Organs auf das Ektoderm oder Entoderm nicht aus. Diese Beziehung allein wird oft nur sehr unbestimmten und unvollständigen Aufschluss über die wichtigsten Fragen der Organbildung geben können. Überall da, wo die Anlage von einem besonderen Organe und nicht direkt vom Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 19 Keimblatt ausgeht, ist‘ erstens die Natur des bleibenden oder vergäng- lichen Zwischenorgans festzustellen und zweitens zu untersuchen, in wie weit die genetische Reihenfolge innerhalb einer oder mehrerer Thier- klassen konstant bleibt. Dass man auf diesem Wege sicherer zu einer Theorie der Gewebs- und Organbildung und zur Erkenntnis der Ver- wandtschaftsverhältnisse gelangen könnte, erscheint mir einleuchtend. In meinen Augen hat die Aufhebung des Mesodermzwanges noch einen anderen Vortheil: sie befreit die Embryologie von einem embryo- nalen Bestandtheil. Die sichersten Aufschlüsse ergeben sich, wo die Identität von Entwicklungszuständen mit vorhergegangenen selbstän- digen Thierformen erkannt wird — dies ist aber durch die Einführung des Mesodermbegriffs in hohem Grade erschwert. Wie will man die ur- sprünglichen genetischen Beziehungen der Gewebe und Organe heraus- finden, wenn die anfänglichen Sonderungen, nach Barrour’s Meinung, in der gleichförmigen embryonalen Masse des mittleren Keimblattes unter- gegangen sind? Ist dies dagegen, wie ich glaube, nicht der Fall, dann darf man hoffen jedes Organ auf ein vorhergehendes aktuelles Organ zurückzuführen; denn auch das erste Paar der Reihe, das äußere und innere Keimblatt, sind ihrem Wesen nach nichts Anderes als die beiden Fundamentalorgane des Cölenteratenkörpers. Unbequem mag es sein, an Stelle des geläufigen Mesodermbegriffes ein verwickeltes Problem, ein schwieriges Arbeitsfeld gesetzt zu sehen. Mit der Bequemlichkeit ist es aber auch nicht weit her: in der vor- liegenden Arbeit wurde mir das Mesoderm bald entbehrlich und später höchst lästig. Ich kann nicht sagen, es sei mir gelungen, in der Ent- wicklungsgeschichte von Lopadorhynchus alle Organe auf die beiden primären Keimblätter oder auf vorhergehende besondere Organe zu- rückzuführen, denn ich bin dazu von den Thatsachen einfach gezwungen worden. Doch um nicht größere Erwartungen anzuregen als ich befrie- digen kann, will ich gleich sagen, dass dies Annelid keine Blutgefäße besitzt und dass ich seine Segmentalorgane nicht zu finden vermochte. Kapitel Il. Entwicklung der äufseren Körperform von Lopadorhynchus. Die Larven von Lopadorhynchus scheinen an anderen, durch ihren Thierreichthum berühmten Mittelmeerplätzen zu fehlen, oder doch sehr selten zu sein, während sie im Hafen von Messina überaus zahl- reich vorkommen. Man trifft sie hier das ganze Jahr über, manchmal in dichten Schwärmen, so dass man in einer Stunde Hunderte fischt, 9* 30 Nicolaus Kleinenberg, und zwar gleichzeitig die verschiedensten Entwicklungszustände. Unter diesen Larven, die schon durch ihre Größe leicht ins Auge fallen, sind, zunächst an der Farbe, zwei Arten kenntlich; die einen lebhaft roth, die anderen braun mit violettem Ton. Dazwischen freilich auch viele, deren Färbung weder rein roth noch rein braun ist, und da zudem alle unge- fähr dieselbe Form haben, ist es zuweilen recht schwer, sie aus einander zu halten. In der That gehören diese Larven aber zwei Species an: die rothen zu Lopadorhynchus Krohnii (Hydrophanes Krohnii Clap.), die brau- nen zu Lopadorhynchus brevis Gr.!). Oft erscheinen die Larven beider 1 Die Unterscheidung der Genera Lopadorhynchus und Hydrophanes beruht auf unzureichenden Untersuchungen: die Originale des GrugE’schen Lopadorhyn- chus hatten stark durch Alkohol gelitten, und CLAPArRkEDE gründete das Genus Hydrophanes auf ein einziges ganz junges Thier, dessen Darmzellen noch voll Dotter waren. Das unterscheidende Merkmal soll in der eigenthümlichen Form der beiden ersten Fußpaare von Hydrophanes liegen. GrUBE giebt an, dass bei seinem Lopadorhynchus das zweite, dritte und vierte Parapodium der Cirren entbehren. Das ist nicht ganz richtig. Der Rückencirrus ist immer vorhanden, wenn auch sehr klein, der Baucheirrus fehlt aber allerdings oder ist stark zurückgebildet. Nun gilt dasselbe auch für die beiden ersten Fußpaare (2 und 3 nach der Art wie GRUBE zählt) des ausgebildeten Hydrophanes, was CLAPAREDE freilich nicht wissen konnte, da er nur ein junges Thier untersuchte, bei dem die Rückbil- dung der Cirren noch nicht stattgefunden hatte. Dass die Species, welche ich früher als L. Grubei bezeichnete, weil ihre Identität mit L. brevis mir nicht ganz sicher schien, doch nichts Anderes ist als die von GrugE beschriebene Form, davon bin ich jetzt völlig überzeugt — zumal ich bei sechsjähriger täglicher Durch- sicht der hiesigen pelagischen Anneliden kein anderes Thier gefunden habe, das irgend wie auf jene GrugeE’sche Beschreibung bezogen werden könnte — und nehme daher auch den alten Namen L. brevis an. Dann ist es aber durchaus unzulässig, die GrusE’sche von der Crararkpe’schen Form generisch zu trennen, viel eher möchte man zweifeln, ob sie nicht bloß Varietäten derselben Species sind. Denn das Merkmal, welches ich in dem Auszug dieser Arbeit als konstant angeführt habe, nämlich, dass bei L. brevis (Grubei) die drei ersten, bei L. Krohnii (Hydrophanes) dagegen nur die zwei ersten Fußpaare von den nachfolgenden durch besondere Form und den Mangel zusammengesetzter Borsten unterschieden sind, ist, wie ich später sah, so ganz konstant denn doch nicht: es finden sich, wenn gleich selten, ausge- wachsene Thiere, die allen übrigen Charakteren nach zu L. brevis gehören und die umgebildeten Parapodien doch nur an zwei Segmenten haben, während bei ande- ren die typische Form der Fußstummel erst mit dem fünften borstentragenden Segment beginnt. Doch sind diese Fälle, wie bemerkt, sehr selten und ich glaube die systematische Angelegenheit am besten auf diese Weise in Ordnung zu bringen: ‘ Lopadorhynchus. Körper kurz, nicht mehr als 35 Segmente, Kopf breit, mit vorderem leicht konvexen Rande; 4 Antennen, das hintere Paar viel kürzer als das vordere; 4 Tentakelcirren; zwei kleine Augen; Parapodien einästig, die der vorderen Körpersegmente mit rudimentären Rücken- und rudimentären oder fehlenden Bauchcirren und ohne zusammengesetzte Bor- sten, die der folgenden Segmente hoch und schmal mit blattförmigen Rücken- und Bauchcirren, mit zusammengeseizten sensenförmigen, und einfachen Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 21 Arten zusammen und gleich häufig, jedoch ist klar, dass jede eine be- sondere Hauptfortpflanzungszeit hat: L. brevis zu Anfang des Sommers, L. Krohnii im Winter. Auf den Entwicklungszustand der Larven ist aus ihrer Größe nicht mit Sicherheit zu schließen; es finden sich zwar unter den kleinsten gewöhnlich auch die jüngsten Stadien, doch häufig genug hat von zwei Larven der nämlichen Ausbildungsstufe die eine das doppelte oder drei- fache Volumen der anderen. Worauf diese auffallenden Ungleichheiten der Größe zurückzuführen sind, vermag ich nicht mit Bestimmtheit an- zugeben, weil ich die befruchteten Eier und die Furchungsstadien nie gesehen habe, doch glaube ich, dass eine ursprüngliche Größenverschie- denheit der Eier zu Grunde liegt: dies kommt bei anderen Chaetopo- den z. B. bei Aphroditeen vor. Ich habe daher alle Maßangaben fort- gelassen, denn wenn solche in der Entwicklungsgeschichte mancher anderer Thiere von entschiedenem praktischen Werthe sind, würden sie hier nur den Überblick der fortlaufenden Reihe stören. Die jüngsten Larven, welche ich fand, haben lebend und ruhig schwimmend eine annähernd kugelige Form; die Achse zwischen dem oberen und dem unteren Pol ist nur wenig länger als die anderen; dies tritt mehr bei L. brevis, weniger bei L. Krohnii hervor. Doch schon in diesem Zustande sind die Larven mit einigen kontraktilen Elementen versehen, so dass sie gereizt ihre Gestalt zu ändern vermögen; bald platten sie sich zu Linsen ab, bald verlängern sie sich zu Ovoiden. Der rundliche Körper ist durch einen völlig geschlossenen Wim- perring in zwei gleich große Halbkugeln geschieden. Die eine, welche ich Umbrella nenne, steht bei ruhigem Schwimmen stets nach oben, bei schneller Bewegung nach vorn, selbstverständlich ist daher die andere Hemisphäre, die Subumbrella, immer entweder nach unten oder nach hinten gerichtet. Lebend sind die Larven wenig durchsichtig, so dass sich ihr Bau nur in seinen allgemeinsten Zügen erkennen lässt. Ein farbloses Ekto- pfriemenförmigen Borsten und einer farblosen Acicula ; drei große schlauch- förmige Drüsen, die in den ausstülpbaren Schlund münden. L. brevis Gr. Körper bis 35 mm lang, 8 mm breit, hell olivenbraun mit dunklen Querstreifen und Flecken an der Basis der Parapodien; Kopf fast geradlinig abgeschnitten; die drei ersten Parapodien plump spatel- förmig, kürzer als die folgenden, diese von vorn nach hinten stark zu- sammengedrückt mit stumpf dreieckiger Spitze. L. Krohnii (Hydrophanes Krohnii Clap.). Nur ausnahmsweise die Größe von L. brevis erreichend ; Körper flacher, farblos mit dunklen Flecken; Kopf mehr abgerundet; Parapodien der zwei ersten borstentragenden Ringe sehr kräftig, fast cylindrisch, länger als die folgenden, diese spitz dreieckig auslaufend. I) Nicolaus Kleinenberg, derm und ein gefärbtes Entoderm; beide Blätter ungefähr gleich dick. Die Brechungsdifferenzen zwischen dem Protoplasma der Kerne und der Zellkörper sind im Ektoderm so gering, dass es fast überall als eine gleichartige etwas trübe Masse erscheint, doch würde viel mehr zu sehen sein, verdeckte nicht die in den Entodermzellen reichlich vorhandene Dottermasse den Einblick in die Einzelheiten. Der Dotter besteht aus fein vertheiltem flüssigen Fett, das bei L. brevis roth- braun, bei L. Krohnii roth oder orange gefärbt ist; in stärkerem Alko- hol ist der Farbstoff sehr leicht löslich, so dass die Larven, wenn sie in der gewöhnlichen Weise konservirt werden, in wenigen Stunden entfärbt sind. Die Vertheilung der Dottersubstanz ist derart, dass die peripherischen Enden der Entodermzellen von ihr frei bleiben, fast überall bis zur selben Höhe: so entsteht der Schein, als beständen drei Schichten, zwei farblose und eine gefärbte; doch ist es leicht, auch ohne‘ Schnitte, sich zu überzeugen, dass das scheinbare mittlere Blatt eben nur der Ausdruck der Dottervertheilung im Entoderm ist. Nach innen von dieser Zone ist das Entoderm dicht mit Fetttröpfehen angefüllt, zwischen denen bei L. brevis kleine dunkelbraune, durch Alkohol und ätherische Öle nicht entfärbbare Körnchen liegen. Das Entoderm umschließt eine geräumige Urdarmhöhle, deren weitester Abschnitt innerhalb der Umbrella liegt. An keiner Stelle flim- mert das Entoderm. Die äußere Oberfläche des Larvenkörpers ist gleichförmig und glatt. Der Flimmerring — ich will das präorale Wimperorgan Prototroch nennen, während die postoralen (bei Lopadorhynchus nicht vorhan- denen) Kränze Paratroche heißen mögen — der Prototroch also, ist reichlicher mit Cilien ausgestattet, als ich in meinem früheren Aufsatz angegeben hatte. Am kräftigen lebhaft sich bewegenden Thier sieht man freilich nur eine einzige Reihe sehr starker Geißeln; diese sind lang, mit dicker Basis entspringend und in eine feine Spitze auslaufend. Die Basen liegen dicht neben einander, gegen die Spitze hin sind die Geißeln dagegen, in Folge ihrer starken Verjüngung, durch breite Zwi- schenräume getrennt. Die Spitze ist immer gegen den Scheitelpol hin ge- richtet, jedoch ändert sich der Winkel, den die Achse der Wimper mit der Längsachse des Larvenkörpers macht, in weiten Grenzen: bald — und das tritt bei beschleunigter Bewegung ein — stehen die Wimpern fast horizontal, der Winkel nähert sich also einem rechten, bald, während des ruhigen Schwebens, ist er sehr spitz. In der Kontraktion, die streng rhythmisch über das Organ verläuft, beschreibt jede Wimper eine äu- Berst komplicirte Kurve, die sich jedoch in zwei hauptsächliche Kompo- nenten zerlegen lässt: die Wimpern schlagen von links nach rechts oder Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 23 von rechts nach links, eben so wie die Speichen eines horizontalen Rades auf einander folgen, und zugleich krümmt sich jede Wimper derart, dass ihre Spitze mehr oder weniger stark hakenförmig nach rückwärts gebo- gen wird. Es ist leicht einzusehen, welche überwiegenden Bewegungs- richtungen des ganzen Körpers sich aus diesem Spiel ergeben müssen: erstens eine Rotation um die Längsachse, zweitens eine fortschreitende Bewegung in krummlinigen Bahnen, die entweder in sich zurücklaufen, oder auf- und absteigende, sich verengernde oder erweiternde Spiralen bilden. Merkwürdigerweise kann das Thier bei dem lebhaftesten Schlagen seiner kontraktilen Anhänge die Bewegungsimpulse derart regeln, dass sie sich zum Theil aufheben und gar keine fortschreitende Bewegung zu Stande kommt. Allein sobald die Larve unter den ungünstigen Lebensbedingungen, denen sie während der mikroskopischen Untersuchung ausgesetzt ist, anfängt matt zu werden, stellt sich heraus, dass die eben beschriebenen großen Geißeln keine einheitlichen Gebilde sind; jede derselben löst sich jetzt in eine Menge — 20 bis 30 — feiner Härchen auf, und diese sind in zwei parallele Reihen angeordnet, zwischen denen ein wimperfreier Raum sich findet, dessen Breite etwa dem fünften Theil der Länge einer Wimper entspricht. Der Zerfall der dicken Geißeln in lange dünne Wimperhaare während des eintretenden Todes ist bei keiner Konser- virungsmethode zu vermeiden, und in dieser Hinsicht haben also die konservirten Larven ein ganz anderes Aussehen als die lebenden. That- sächlich besteht jede Geißel aus einem Bündel von Cilien: alle Wim- pern, die von einer Zelle entspringen, legen sich unter normalen Ver- hältnissen zu einem scheinbar einfachen Kegel zusammen. Und da die Wimpern jeder Zelle in zwei parallele nicht unbeträchtlich von einander abstehende Reihen vertheilt sind, ist leicht ersichtlich, dass die von ihnen gebildeten Geißeln keine kreisrunden Basen haben können und dass sie nicht kompakte, sondern hohle Körper sind: in der That ver- läuft längs dem ganzen Prototroch innerhalb des Ansatztheiles der Gei- ßeln ein Ringkanal, der freilich nicht geschlossen ist, sondern sich in jedem Abstand zwischen zwei Geißeln nach außen öffnet. So lange die großen Geibeln kräftig und rhythmisch arbeiten, er- scheinen sie als die einzigen kontraktilen Anhänge des Prototrochs; wenn aber die Ermattung beginnt, die Geißeln in einzelne Wimpern zerfallen, und diese schwach und unregelmäßig schlagen, dann ist leicht zu erkennen, dass neben ihnen noch zwei andere Flimmerkreise vor- handen sind, ein oberer und ein unterer. Beide bestehen aus je einer Reihe von Cilien, die nahe am oberen und unteren Rande der Basen der großen Geißeln entspringen. Die Wimpern des oberen Ringes stehen I4 Nicolaus Kleinenberg, dicht beisammen, sie sind sehr kurz, ihre Länge beträgt weniger als den fünften Theil der Geißeln, aber verhältnismäßig dick und endigen nicht zugespitzt, sondern gerade abgeschnitten. Im unteren Kreise sind die Härchen viel weitläufiger vertheilt, sind länger, etwa ein Drittel der Geißeln, aber sehr dünn mit fein zugespitzten Enden. Wie die Form, so ist auch die Art der Kontraktion der Elemente in den drei Kreisen verschieden. Die Thätigkeit der mittleren Reihe unter- liegt dem gesetzmäßigen Einfluss innerer wechselnder Bedingungen, sie kann in ihrer Richtung geändert, verlangsamt oder beschleunigt und zeitweilig ganz aufgehoben werden, die der beiden Nebenreihen nicht, sie schlagen beständig und in derselben Weise, so lange sie lebendig bleiben. Die Bewegung der Wimpern des oberen Ringes besteht in aus- giebigen hakenförmigen Krümmungen nach unten zu, mit sehr schnellem Rhythmus, und erhält sich beim Absterben des Thieres noch lange nach- dem alle übrige Flimmerung erloschen ist. Die zarten Härchen des un- teren Ringes kontrahiren sich dagegen träge, unregelmäßig in leicht spi- raligen Windungen. Dass das Bewegungsorgan der Larve allein in den großen Geißeln des mittleren Ringes zu finden ist, liegt auf der Hand: ganz unmöglich kann das Bischen mechanischer Arbeit, das von den Ne- benringen geleistet wird, die Wirksamkeit der mächtigen Hauptwimpern auch nur merklich unterstützen. Eben so wenig können die Nebenringe dazu dienen, dem Munde Nahrung zuzuführen. Worin ihre Funktion be- steht, und die Funktion muss allem Anschein nach für die obere und untere Reihe verschieden sein, weiß ich freilich nicht. Man hat sich so daran gewöhnt, namentlich bei niederen Thieren, alle Flimmerhaare, denen eine rein mechanische Aufgabe nicht zugesprochen werden kann, mit Sinnesthätigkeiten in Verbindung zu bringen; im vorliegenden Falle und besonders nach Untersuchung des inneren Baues des Prototrochs komme ich zu keiner Vorstellung über die Art der Wahrnehmungen, welche diese Härchen vermitteln könnten. Vielleicht dienen sie bloß dazu, die Basen der großen Geißeln stets rein zu erhalten — Reinlich- keitsvorrichtungen hat neuerdings Mrrscunikorr bei anderen Thieren nachgewiesen —; vielleicht tragen sie bei durch rein mechanische Ver- mittelungen die Thätigkeit der Bewegungswimpern zu regeln. Auf der einen Seite der Subumbrella, etwa in der Mitte zwischen Prototroch und unterem Pol, findet sich eine Ektodermeinstülpung, das Stomodaeum. Seine äußere Mündung ist eng, doch einer beschränkten Erweiterung fähig. Sie führt in eine weite kreisrunde Tasche von ge- ringer Tiefe. Die Wand des Stomodaeums, welche dem Entoderm an- liegt, wölbt sich in die Höhle hinein, derart, dass ihr vorspringendster unkt der Mundöffnung gegenüber liegt; in Folge dessen ist der Umfang Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 25 des Stomodaeums am tiefsten und die Höhle erhält die Form eines lachen Bechers, dessen Rand gegen das Entoderm gestellt ist. Der Mundein- gang und die ganze Stomodaeumhöhle sind mit diehtgedrängten kurzen aber kräftigen und lebhaft schwingenden Wimpern ausgekleidet. Nach einer Verbindungsöffnung zwischen den Höhlen des Stomodaeums und des Urdarms habe ich bei diesen jüngsten Larven, sowohl während des Lebens als auf Schnittpräparaten, vergebens gesucht. Trotzdem ist eine solche wahrscheinlich schon vorhanden, und wird auf der Spitze der Vorwölbung der inneren Stomodaeumwand liegen; denn hier findet man sie bei weiter entwickelten Larven und auch bei diesen ist sie so eng und leicht verschließbar, dass es eines besonders gut gelungenen Schnittes bedarf, um sie zur Darstellung zu bringen. Das Stomodaeum geht bei der weiteren Entwicklung freilich ganz und gar zu Grunde: da aber der definitive Mund genau an die Stelle der äußeren Stomodaeumöffnung tritt und beim erwachsenen Thiere auf der Bauchseite liegt, ergiebt sich daraus auch für die Larve die Orientirung nach einer ventralen und einer dorsalen Fläche. Gleich unterhalb des Stomodaeums senkt sich das Ektoderm in der Mittellinie wieder ein, um ein enges, kurzes, blindgeschlossenes Röhr- chen herzustellen, das schräg nach innen und unten gerichtet ist. Seine Innenwand trägt überaus feine Gilien von sehr komplieirtem Bewegungs- rhythmus: in jedem Augenblick verlaufen an den gegenüber liegenden Wänden des Hohleylinders zwei in entgegengesetzter Richtung gewun- dene Spiralen von und zu der äußeren Mündung des Rohres. Außer den schon erwähnten flimmernden Stellen der Körperober- fläche findet sich auf der Subumbrella ein schmales Cilienfeld am un- teren Rande der Mundöffnung und um die röhrenförmige Ektodermein- stülpung herum; auf der Umbrella zwei Gruppen schlagender Wimpern auf der ventralen Fläche, mitten zwischen Prototroch und Scheitelpol. Das ist ungefähr Alles, was sich an den lebenden jüngsten Larven deutlich sehen lässt. Später treten die einzelnen Theile zwar mehr her- vor und auch manche innere Veränderungen kommen zum Vorschein, immerhin bleiben die Thiere zu undurchsichtig, um einen befriedigen- den Einblick in ihren feineren Bau gewinnen zu können. Da aber für das Verständnis der Beziehungen zwischen den verschiedenen Körper- theilen ganz unumgänglich ist, nicht allein Schnittreihen, sondern auch die ganzen Larven genau zu untersuchen, behandelte ich sie zu diesem Zweck auf folgende Weise. Mit Pikrinschwefelsäure (1 Th. kone. Säure auf 3 Th. Wasser) fixirt, der ein wenig Kreosot und 2°/, Kochsalz zu- gesetzt sind. Den günstigen Erfolg der Beimischung von Kochsalz be- merkte ich ganz zufällig, als ich einmal aus-Versehen die Pikrinschwe- 26 | Nicolaus Kleinenberg, felsäure anstatt mit destillirtem, mit Seewasser verdünnt hatte. In der schwachen Säure zersetzt sich das Chlornatrium gar nicht oder nur zu geringem Theil. Es thut wohl nichts weiter als die Spannung zwischen der Konservirungsflüssigkeit und der die lebenden Gewebe durchträn- kenden Salzlösung zu vermindern: das ist für zarte Geschöpfe schon wichtig genug, denn damit ist dem zu heftigen Ausströmen der in den (Geweben und Höhlen des Körpers befindlichen Flüssigkeit vorgebeugt und die Schrumpfung auf ein Minimum herabgesetzt. So fixirte Larven behalten jedes allerfeinste Flimmerhärchen und verändern die Gestalt, welche sie im Augenblick des Todes hatten, ganz und gar nicht. Dar- auf in 70% und 90° Alkohol, wobei der Dotterfarbstoff und die in spä- teren Entwicklungsstufen vorhandenen Pigmentflecke des Ektoderms gelöst und die Larven farblos werden, und mit Boraxkarmin (nach dem P. Mayer’schen Recept zubereitet) gefärbt. Grenacher hat der mikro- skopischen Technik mit der Einführung des alkoholischen Boraxkarmins einen großen Dienst erwiesen, erst in dieser Form ist das Karmin als Färbemittel der empfindlichen Gewebe vieler niederer Thiere zulässig geworden. Ich behaupte zwar noch immer, dass die schönsten, das heißt instruktivsten Zellfärbungen durch passende Hämatoxylinbehand- lung erlangt werden, aber in dieser Arbeit habe ich nach vielem Ver- suchen alle anderen Färbemittel und auch das Hämatoxylin bei Seite ge- lassen und Boraxkarmin verwendet. Schnitte durch Larven, welche in Hämatoxylin gefärbt wurden, zeigen die feinsten histologischen Dinge wohl in unübertrefflicher Klarheit, allein da auch das Protoplasma der Zellkörper etwas vom Farbstoff festhält, werden die Larven so dunkel, dass sie als Ganzes nicht zu untersuchen sind und auch zur Zerlegung in Schnitte nicht taugen, weil es ganz unmöglich ist, ihnen bei der Ein- bettung in Paraffın die gewünschte Lage zu geben. Sind sie dagegen mit Boraxkarmin gefärbt, so treten alle Stellen, wo Kerne dichter bei- sammenliegen, als dunkelrother Fleck auf hellem Grunde scharf hervor, und in Nelkenöl oder Dammarfirnis bekommt man die schönsten durch- sichtigen Gesammtpräparate, in denen jeder Kern des Ektoderms und Entoderms deutlich ist; bei der Vorbereitung zum Schneiden bieten die rothen, mit der Lupe sichtbaren Flecken die Richtpunkte, um die Larve in jeder beliebigen Stellung einzuschließen. Nur durch das Hilfsmittel wird dieser unvermeidliche, bei kleinen kugeligen Körpern aber über alle Maßen langweilige Theil des technischen Verfahrens möglich. Die Zeichnungen von Larven auf Taf. I sind alle nach solchen ge- färbten und durchsichtig gemachten Präparaten unter beständigem Ver- gleich mit den lebenden Thieren ausgeführt. Sie sollen besonders da- zu dienen, die Entwicklung der äußeren Körperform klar zu machen. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 237 Den Bildern füge ich eine kurze erklärende Beschreibung hinzu, die natürlich wieder von der jüngsten beobachteten Larve ausgeht. Es lassen sich an ihr schon einige Sonderungen im Ektoderm er- kennen, die auch für das Verständnis der Entstehung des Anneliden- körpers von Bedeutung sind. Auf der Umbrella treten zwei rundliche Stellen hervor, wo die Kerne dichter zusammengedrängt sind, es sind dies die Sinnesplatten des Kopfes (Taf. I, Fig. la). Dieselben liegen auf der ventralen Fläche und durchaus nicht am Scheitelpol, sondern von ihm weiter als vom Prototroch entfernt. In dem breiten Zwischenraum, der sie von einander trennt, ist das Ektoderm ein wenig verdickt. Eine scharfe Abgrenzung der Sinnesplatten vom Ektoderm in ihrer Nachbar- schaft besteht aber nicht. Die Subumbrella besitzt gleichfalls ein Paar verdichteter Stellen, ‘die Bauchplatten (Fig. la, Ib). Sie stehen weit vom unteren Pol ab, ein wenig gegen die ventrale Seite gerückt. | Noch eine andere Differenzirung des Ektoderms der Subumbrella kommt bei den durchsichtig gemachten Larven zum Vorschein: gleich unterhalb des Stomodaeums befindet sich eine helle Verdickung von der Form eines niedrigen Dreiecks, dessen oberer bogenartig gekrümmter Rand in der Mitte einen Einschnitt zeigt: hier geht die vorhin erwähnte röhrenförmige Einstülpung des Ektoderms in die Tiefe. Auf dieser Ent- wicklungsstufe ist die dreieckige Anlage, das Bauchschild, noch weit von den Bauchplatten entfernt (Fig. Ta, 1b). Die Entwicklungsantriebe führen zunächst auf der Subumbrella zu äußeren Umgestaltungen und zwar ist es das Bauchschild, ein ver- gängliches Organ, das am schnellsten in seiner Ausbildung fortschreitet. Es verdickt sich so beträchtlich, dass es eine Erhebung bildet, und wird dabei von einer oberflächlichen medianen Furche in zwei Hälften ge- schieden. Zugleich dehnt es sich seitwärts aus und noch mehr nach unten, so dass es bald die Bauchplatten erreicht und sich ihnen anlegt. Diese waren bereits schon etwas angewachsen, wenn das Bauchschild aber bis zu ihnen vorgerückt ist, geht die Wachsthumsenergie auf sie über, sie dehnen sich besonders stark in der Richtung ihres dorso-ventralen Durchmessers gegen das Stomodaeum hin aus, nehmen eine rundlich thombische Form an und schieben sich an den äußeren seitlichen Rän- dern des Bauchschildes vor, den hinteren Theil desselben zwischen sich einschließend (Fig. 2). Später verlängern sich die Bauchplatten auch nach hinten und lassen dabei zwei Abschnitte, die jedoch in einander übergehen, erken- nen: einen hinteren sehr viel schmäleren und dünneren, und einen mächtig verdickten vorderen Theil. Ungeachtet dessen ragen die Bauch- 28 Nicolaus Kleinenberg, platten nicht über die Fläche der Subumbrella vor, im Gegentheil ihre vorderen Ränder werden von dem immer mehr sich ausdehnenden Bauchschild überdeckt, während in der Mitte jeder Platte eine leichte Vertiefung erscheint, die sich bald zu einer flachen, doch deutlichen Längsfurche gestaltet (Fig. 3a). Von den Bauchplatten aus entwickelt sich der allergrößte Theil des Annelidenkörpers. Bisher hatte sich das Stomodaeum, der eingetretenen allgemeinen Vergrößerung der Larve folgend, bloß erweitert, ohne seine Form merk- lich zu ändern; jetzt wird es sehr beweglich: bald erheben sich die Rän- der der äußeren Mundöffnung zu einem zweilappigen Rüssel, bald ist der Mund weit aufgerissen und aus ihm stülpt sich die gegenüber liegende innere Stomodaeumwand, in deren Mitte die Öffnung nach der Darm- höhle bereits deutlich ist, als ein breiter Kegel nach außen hervor. Zur selben Zeit erscheint, vom Stomodaeum ausgehend, eine neue Organ- anlage, die zwar ganz im Inneren des Körpers gelegen, an den durch- sichtig gemachten Larven doch stark ins Auge fällt: die paarige Anlage des Schlundes, zwei kleine, weit aus einander liegende Knötchen am oberen gegen den Prototroch gerichteten Rande des Stomodaeums. Auf der Umbrella sondern sich während dessen nach und nach mehrere Anlagen im Ektoderm. Zuerst ein Paar kleiner schmaler Zell- zapfen, ganz isolirt, ziemlich hoch über den Sinnesplatten, doch ein gutes Stück unterhalb des Scheitelpols und nahe zu beiden Seiten der Mittellinie — die Scheitelantennen. Unter diesen und seitlich von ihnen kommen später die Anlagen der bleibenden vorderen Antennen zum Vorschein (Fig. 3b). Anfäng- lich gleichfalls alleinstehend, treten sie später in Verbindung mit den darunter liegenden Sinnesplatten, indem von den ersteren ein schmaler Zellstreifen zu den letzteren herabwächst. Ähnliche Fortsätze bilden sich von den Anlagen der vorderen Antennen gegen die Scheitelanten- nen hin, nur erreichen sie diese viel später. Wenn dies geschehen ist, dann erscheinen Sinnesplatten, vordere Antennen und Scheitelanten- nen zu einem Halbkreis verschmolzen, der auf der ventralen Seite der Umbrella liegt und fast bis zum Prototroch herabreicht, während er unterhalb des oberen Pols von einer schmalen Lücke zwischen den Anlagen der Scheitelantennen durchbrochen ist (Fig. 4). Innerhalb dieses halbkreisförmig umschriebenen Feldes, besonders im oberen Abschnitt, ist das Ektoderm stark verdickt und bildet einen querge- stellten Wall, das Kopfschild, — zu dieser Zeit ist es aber noch kaum von außen sichtbar. Unter dem Kopfschilde ist bereits früher ein fla- ches Grübchen aufgetreten ; dasselbe liegt nicht in der Mittellinie, son- dern unsymmetrisch nach der rechten Seite verrückt. Die Flimmer- Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 29 haare auf dem Rande des Kopfschildes, die gerade über der unpaaren Grube stehen, werden länger und dichter und vom Grunde der Ein- senkung selbst, die zu einem larvalen Sinnesorgan, dem Scheitelorgan, wird, erhebt sich ein Schopf stärkerer, hakenartig gebogener, unbeweg- licher Haare, die späterhin eine beträchtliche Länge erreichen. Die nächste Veränderung, welche wiederum die Subumbrella be- trifft, führt zur Bildung des Afters. Vorher schon ist die Ausgangspforte des Darmes vorbereitet worden, indem das Entoderm sich nach hinten zu einem flachen Divertikel zusammenschnürt. Auf der Entwicklungsstufe, die etwa zwischen Fig. 4 und 5 liegt, stülpt sich eine kleine kreisrunde Stelle des Ektoderms, die in der Mit- tellinie dorsalwärts vom unteren Pol gelegen ist, ein, und so entsteht ein sehr flaches Grübchen, das Proctodaeum, das bald in Folge des Aus- einanderweichens der anliegenden Entodermzellen des Divertikels mit der Darmhöhle in offene Verbindung tritt (Fig. 5). Die Bauchplatten wachsen und dabei vertiefen sich die Längsfur- chen auf ihnen. Sie nehmen eine ovale Form an und werden zum großen Theil vom Bauchschild, das jetzt das relative Maximum seiner Ausbildung erreicht, überdeckt (Fig. 4). Innerhalb der Bauchplatten haben sich Veränderungen vollzogen, die nun auch bei Betrachtung der ganzen Larven auffallen: die Platten haben sich parallel zur Oberfläche in zwei Schichten gespalten, eine innere, die Muskelplatte, und eine äußere, die Neuralplatte. Dann zerfällt die ganze Masse in eine Reihe schmaler Streifen, welche von hellen, fast geraden Linien begrenzt sind. Damit ist der Beginn der Segmentirung des Körpers gegeben. Außeror- dentlich selten finden sich Larven, in deren Bauchplatten erst zwei oder drei Segmente gesondert sind; fast immer folgt auf den nicht segmen- tirten Entwicklungszustand einer, wo schon wenigstens acht Segmente angelegt sind (Fig. 5). Trotzdem unterliegt es kaum einem Zweifel, dass der Vorgang doch nicht ganz gleichzeitig in allen Theilen sich vollzieht, er betrifft zuerst den vorderen (oberen) Theil der Platten und schreitet nach hinten (unten) fort; nur folgen sich die Änderungen sehr schnell, vielleicht im Verlauf von wenigen Minuten. Weiterhin dehnen sich die Bauchplatten besonders nach den Sei- ten aus, erhalten annähernd dreieckige Gestalt und ändern ihre gegen- seitige Lage. Vorher nach vorn zu divergirend, rücken jetzt ihre medianen Ränder vorn zusammen, so dass hier der sie trennende Zwischenraum am schmälsten wird, während er sich gegen den After hin erweitert (Fig. 6). Die Segmente, welche geradlinige, etwas schräg zur Mittellinie gestellte Bänder waren, krümmen sich bogenförmig nach außen und hinten. 30 Nicolaus Kleinenberg, Es ist zu bemerken, dass das Wachsthum nur auf Rechnung des vorderen, von Anfang an bedeutend größeren Abschnittes der Bauch- platten kommt, ihr hinterer Theil nimmt nicht an Umfang zu und er- scheint daher bald als ein unbedeutender Anhang, der sich mehr und mehr von der Hauptmasse ablöst (Fig. 5, 6). Bereits auf der Entwicklungsstufe, die in Fig. 6 dargestellt ist, macht sich in allen Segmenten eine kleine dunkle Stelle bemerkbar, die in den vorderen Streifen etwa in der Mitte, in den hinteren näher zum medianen Rande liegt. Es ist das die Anlage des Rückeneirrus. Etwas später erscheint medianwärts eine zweite Reihe solcher Ver- dichtungen, die Anlagen der Baucheirren. Von hier ab: wachsen der Gesammtkörper, besonders aber die Bauchplatten, außerordentlich stark und zugleich ändert sich die Ge- stalt der Larve: sie wird flacher, und zwar betrifft die Abflachung die Subumbrella, auf ihr erheben sich aber die beiden Bauchplatten, schräg gegen die Mittellinie geneigt, so dass sie zusammen einen breiten Kiel bilden, der von der Mitte der schwach gekrümmten Subumbrella vor- springt (Fig. 7). Während des Auswachsens der Bauchplatten gleichen sich die vor- hin erwähnten Längsfurchen völlig aus, und die Oberfläche erscheint überall glatt. Denn die Segmente sind noch nicht von äußeren Fur- chen abgegrenzt und die besonderen Anlagen liegen noch in der Tiefe des Gewebes eingesenkt. Nun aber erheben sich die Cirrenanlagen jeder- seits als zwei Reihen kleiner Knöpfchen, die von einer Furche getrennt sind, in welche die schon vorher angelegten Borstensäcke ausmün- den. Diese Furche hat natürlich mit der früheren Längsfurche nichts zu thun, sondern ist bloß die Folge der Erhebung der Cirrushöcker (Fig. 7). Auch die medianen Ränder der Bauchplatten sondern sich schärfer von ihrer Umgebung; so entstehen zwei breite Bänder, die paarige An- lage der Bauchganglienkette, die vorn deutlich abgegrenzt, hinten in die seitlichen Theile der Neuralplatten übergehen. In Folge der kielförmigen Erhebung der Bauchplatten werden ihre vorderen Enden, welche bis dahin vom Bauchschild bedeckt waren, frei. Dies Letztere tritt gegen die übrigen Wachsthumsvorgänge im Be- reich der Subumbrella immer mehr zurück, wenn es auch auf dem in Fig. 7 wiedergegebenen Stadium noch ein beträchtliches Organ ist. Nach hinten zu endet es mit einer bogenförmigen Linie und hier schließt sich ihm ein heller, an der Oberfläche schwach rinnenförmig vertiefter Strang an, der zwischen den beiden Neuralplatten eingeschaltet ist. Die Zahl der auf dieser Entwicklungsstufe gesonderten Segmente unterliegt bedeutenden individuellen Schwankungen, es sind zwölf bis Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 31 sechzehn. Merkwürdigerweise gleichen sich diese individuellen Ver- schiedenheiten während der ganzen Entwicklungszeit nicht aus; es werden keine weiteren Segmente hinzugefügt und die jungen Anneli- den verlieren den letzten Rest der Larvencharaktere, bald mit zwölf, bald mit dreizehn, oder auch mit mehr — bis sechzehn — Segmenten. Erst viel später, wenn die Thiere schon geschlechtsreif geworden sind, und vielleicht nur unter besonders günstigen Lebensbedingungen, wird von Zeit zu Zeit ein neues Segment angesetzt. Vermehrt sich also auch die Zahl der Segmente nicht, so verlän- gern sich dieselb&n doch beträchtlich: da wird es denn auf der Fläche der Subumbrella zu eng für die Bauchplatten, zumal sie sich dorsal- wärts über den After hinweg offenbar nicht ausdehnen können. Der von vorn kommende Wachsthumsdrang schiebt die hinteren Enden der Bauchplatten über das Niveau der Subumbrella hinaus und dabei wird der um den After gelegene Theil des Ektoderms, der nicht in die Bildung der Platten eingegangen ist, mitgezogen — auf diese Weise entsteht ein stumpfer Kegel mit zweiköpfiger Spitze, dessen: ven- trale Seite von den jüngsten Theilen der Bauchplatten gebildet ist, während seine dorsale Wand aus ursprünglichem Ektoderm besteht und in geringer Entfernung von der Spitze den After trägt. Damit ist das hintere Ende festgestellt: die Schwanzspitze des Annelidenkörpers ist der erste Theil, welcher sich von der Larve loslöst (Fig. 8). Auf dem Scheitel des Schwanzkegels sind die Enden der Bauchplatten durch einen Einschnitt getrennt und bilden zwei niedrige Kuppen. Diese wer- den schnell von einer dicken Lage heller Zellen überzogen, die ihnen wie eine rundliche Kuppe aufsitzt. Die vorderen Segmente liegen noch flach ausgebreitet, aber es vollziehen sich in ihnen weitere Sonderungen. Die Cirren wachsen aus, besonders die dorsalen, die leicht hakenförmig gekrümmt in eine feine Spitze endigen. Dabei ist jedoch die Furche zwischen den beiden Cirren nicht bloß geschwunden, sondern an ihrer Stelle hat sich ein flaches Höckerchen erhoben, die erste Andeutung des eigentlichen Kör- pers des Parapodiums, das Chaetopodium. Sie sind gegenwärtig im Verhältnis zu den Cirren noch sehr niedrig (Fig. 8). Während so auf der Subumbrella die Anhänge des Anneliden- körpers sich erheben, behält die Umbrella ihre gleichförmige Oberfläche bei. In der Tiefe des Ektoderms haben sich dagegen die Sonderungen vervollständigt. Die Sinnesplatten zerfallen in je zwei besondere An- lagen, die der hinteren Antennen und die der Geruchsorgane: letztere mit Wimpern bestandene Einstülpungen der oberen Zellschicht der Sinnesplatten unterhalb der Antennen (Fig. 4 und 9). 32 | ' Nicolaus Kleinenberg, In dem kurzen Bericht über den Ursprung des Nervensystems der Anneliden, der in den Akten der Accademia dei Lincei enthalten ist, wurde die Entstehung der sensitiven Kopfanhänge nicht ganz richtig dargestellt, einfach desshalb, weil ich die Anlagen der Scheitelanten- nen für die der vorderen Antennen nahm, was leicht passiren kann, da beide Anlagen zuerst ganz gleich aussehen. Bei genauerer Unter- suchung der späteren Entwicklung ergab sich dagegen, dass die am frühesten auftretende, oberste Anlage gar keinen bleibenden Kopfan- hang erzeugt, und dass die unteren Antennen aus den Ektodermver- diekungen hervorgehen, die ich in jenem Aufsatz not@ germinative del capo nannte. Sonst ist von der Umbrella nur zu bemerken, dass manche Theile schärfer umschrieben und beträchtlich gewachsen sind; so das Kopf- schild, dessen Ausbildung übrigens sehr großen individuellen Schwan- kungen unterliegt; so das Scheitelorgan, das zu einer tiefen Grube ge- worden ist, aus der ein starker Haarschopf herabhängt. Auch sind bereits die paarigen Anlagen des Schlundes zu einem dickwandigen Sack verschmolzen, und in diesem erscheinen die ersten Anfänge der drei Schlunddrüsen (Fig. 9). Von nun ab schreitet die Ausbildung des Wurmkörpers schnell vor. Das Schwanzende hatte sich bereits von der Subumbrella abge- hoben; von hier aus immer weiter nach der Umbrella zu rücken die dorsalen Ränder der Bauchplatten gegen einander, ohne wesentlich an Ausdehnung zuzunehmen; so rollt sich die flache Anlage auf, etwa wie ein Blatt Papier, aus dem man eine Tüte macht; es entsteht ein stumpfer nach der Rückenfläche etwas gekrümmter Kegel, dessen ven- trale Mantelseite in den flach ausgebreiteten vorderen Abschnitt der Bauchplatten übergeht. In Folge dieser seitlichen Verschiebungen, die hinten beginnend nach vorn fortschreiten, wird der dorsale Abschnitt der Subumbrella von hinten nach vorn zusammengedrückt und bildet dann einen dicken oft gefalteten Kragen, der zuweilen weit auf den abgelösten Theil des Wurmkörpers überfällt. Auf der ventralen Fläche fehlt dieser Kragen natürlich, weil hier die Bauchplatten schon längst bis zum Prototroch vorgedrungen sind. Bei der weiteren Ablösung des Wurmkörpers streckt sich dieser mehr und mehr, so dass aus den gekrümmten und zum Theil der Sub- umbrella flach aufliegenden Bauchplatten ein dorso-ventral zusammen- gedrückter Cylinder entsteht, der fast senkrecht von dem immerhin noch beträchtlichen blasenförmigen Larvenkörper herabhängt (Fig. 9, 40, 44, 12). | Doch ist es nicht bloß, dass der Körper wurmförmig wird, durch Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 33 die Ausbildung der Parapodien tritt gleichzeitig auch der Polychaeten- charakter in den Vordergrund. Schon früher erhoben sich die Chaeto- podien aus den Furchen zwischen den beiden Cirren, doch bleiben sie, selbst nachdem die bereits zusammengesetzten Borsten durchgebrochen sind, so niedrig, dass sie bei der Bauch- oder Rückenlage von den Cirren vollständig verdeckt werden (Fig. 14). Die drei wesentlichen Bestandtheile des Parapodiums, der Rückeneirrus, das CGhaetopodium und der Bauchcirrus liegen in einer Linie neben einander, der Körper- wand unmittelbar aufsitzend. Allmählich aber greift die Austülpung, die zur Bildung des CGhaetopodiums führt, weiter um sich und zieht die Cirren mit: diese werden dadurch zu Anhängseln des Ghaetopo- diums und Anfangs sitzen sie natürlich dieht an seiner Basis, rücken aber beim Auswachsen gegen seine Spitze hin. In den früheren Ent- wicklungsstadien bilden die Cirren die umfangreichsten Bestandtheile des Parapodiums, und nehmen noch an Größe zu; das Chaetopodium wächst aber so bedeutend, dass es bald dem Volum nach zum Haupt- theil wird, der die Cirren als verhältnismäßig kleine blattförmige An- hänge trägt (Fig. 12, 13, 14). Bei L. Krohnii in den zwei, bei L. brevis in den drei ersten borstenführenden Segmenten, bleibt die Ausbildung der Cirren von vorn herein hinter denen der nachfolgenden Segmente zurück, und später erscheinen sie rudimentär oder ganz unterdrückt. Dies geschieht jedoch erst nachdem alle Larvencharaktere geschwun- den sind. Im vordersten Rumpfsegment verhalten sich die Sachen anders. Die beiden Cirrenpaare legen sich auch hier, und zwar noch mächtiger als in den übrigen Somiten an, aber zur Bildung von Borstensäcken kommt es nicht und darum entsteht auch kein Chaetopodium und die Cirren bleiben dauernd in unmittelbarem Zusammenhang mit der Lei- beswand. Sie strecken sich zu langen eylindrischen Fäden, die durch eine tief einschneidende Ringfurche in zwei Glieder geschieden wer- den, der proximale Abschnitt stellt ein kurzes, etwas dickeres Basal- glied dar, das distale Glied ist viel länger und endigt zugespitzt. Dies sind die Tentakeleirren. Schon frühzeitig ließen die Sonderungen innerer Organe die Um- ordnung der gleichförmigen Bauchplatten im Segmente erkennen, aber es dauert sehr lange bis diese, durch Querfurchen geschieden, sich auch äußerlich ausprägen. Die Grenzlinien erscheinen zuerst auf der ven- tralen Oberfläche und greifen langsam nach der dorsalen Mittellinie über. Entsprechend der Abschnürung des Wurmkörpers schließen sich die am weitesten nach hinten gelegenen Segmente zuerst zu vollkom- menen Ringen — selbst noch auf den in Fig. 12 und 13 abgebildeten Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLIV. Bd, 3 34 Nicolaus Kleinenberg, Stadien sind die Spangen der vordersten Segmente noch lange nicht zum Schluss auf der Rückenseite gelangt. Die Schwanzkuppe erhält sich bis ans Ende der Verwandlung; sie ist das letzte Larvenorgan, das vom Annelid unterdrückt wird. ' Während von der Subumbrella der Annelidenkörper auswächst, bewahrt die Umbrella ihre ursprüngliche Form und ihren halb in Auf- lösung begriffenen, halb unfertigen Bau; es bestehen eigenthümliche Zwischenformen (Fig. 10—13), Larven mit breitem Schirm und in vol- ler Thätigkeit begriffenem Prototroch, an deren nach unten gerichteter Fläche ein fast völlig ausgebildeter Polychaetenrumpf herabhängt. Der Annelidenkörper ist fertig, der Annelidenkopf in seiner äußeren Form auch nicht einmal angedeutet. Mit der Zeit und mit Geduld kommt das Thier doch schließlich zu einem ordentlichen Kopf. Zunächst wachsen die Anlagen der bleiben- den Antennen aus. Das vordere Paar ist anfänglich stärker als das hintere; dieser Unterschied ist unbedeutend, so lange beide Paare in Form kurzer Dornen auf der Umbrella vorspringen, wenn sie sich aber verlängern, wird die Ungleichheit merklicher, und beim ausgewachse- nen Thier sind die vorderen Fühler drei- bis viermal so lang als die hinteren. Die Geruchsorgane bilden sich gleichfalls aus und können nur aus- und eingestülpt werden: eingezogen stellen sie tiefe Säcke mit spaltförmigem Lumen dar, vorgedrängt bilden sie becherförmige Anhänge, deren verbreiterte freie Enden durch eine Furche in zwei Hälften geschieden sind. Den Rest besorgt die Rückbildung. Die Umbrella, was noch von der Subumbrella vorhanden ist, überhaupt alle Theile des Larvenkör- pers, die nicht in bleibende Organe des Annelids übergegangen sind, verfallen einer einfachen langsamen Atrophie. Die Umbrella schrumpft zusammen; die Wimpern des Prototrochs schlagen zwar noch lange Zeit fort, aber immer unregelmäßiger und kraftloser, so dass sie bald nicht mehr im Stande sind, allein, den ganzen Wurm schwebend zu er- halten. Aber dieser geht nicht, wie so viele andere Anneliden, zum Schluss der Metamorphose auf den Grund, sondern behält seine pela- gische Lebensweise bei; wenn die Thätigkeit des Prototrochs erlahmt, beginnen die Parapodien als Ruder zu arbeiten, und so bleibt die Schwimmbewegung erhalten, nimmt natürlich aber eine ganz andere Form an. Endlich verschwindet der Prototroch gänzlich, abgeworfen wird er nicht, wie überhaupt kein einziges Stück der Larve vom Lopa- dorhynchus, sondern verdrängt und resorbirt. Dann sind noch einige Theile des Larvenkörpers vorhanden, der vordere Körperabschnitt bleibt blasig aufgetrieben (Fig. 14), aber auch dieser Rest der Umbrella Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus,. 35 geht zu Grunde und an die Stelle des mächtigen Schirmes der Larve tritt das kleine schmale Praestomium des Annelids. Es braucht kaum erwähnt zu werden, — ein Blick auf die Abbildungen genügt — wie in Folge des Schwundes der Umbrella die auf ihr angelegten bleiben- den Organe ihre Lage ändern müssen; die vorderen Antennen, welche zuerst ziemlich weit nach hinten von der ventralen Fläche entspringen, rücken beim Schluss der Verwandlung nach vorn und seitwärts und das hintere Paar tritt nahe zu ihnen heran; eben so verkürzt sich der Abstand zwischen den Fühlern und den Geruchsorganen (Fig. 16). Endlich hat auch die Mundöffnung nicht nur ihre relative Lage, sondern auch ihre Gestalt gewechselt; aus der runden äußeren Mün- dung des Stomodaeums ist ein quergestellter schmaler Spalt geworden, dessen untere Lippe ein wenig vorspringt. Während die Verwandlung abläuft, ist natürlich auch die Aus- und Umbildung der inneren Organe dem Abschluss nahe gekommen, allein es war meine Absicht in diesem Kapitel nur den Übergang der äußeren Form der Larve in die des Annelids zu schildern, und da auf den späteren Entwicklungsstufen die inneren bildenden Vorgänge nicht mehr unmittelbar äußerlich zum Vorschein kommen, ließ ich sie bei Seite, um in den folgenden Abschnitten eingehend von ihnen zu sprechen. Kapitel II. Bau der jüngsten Larve. Die Durchsichtigkeit der lebenden Larven von Lopadorhynchus ist, wie gesagt, nicht vollkommen genug, um den feineren histologischen Bau erkennen zu lassen, doch reicht sie zur Kontrolle der Einwir- kung der Konservirungsflüssigkeiten im Allgemeinen aus. Als Fixi- rungsmittel wurde die vorhin angegebene Mischung verwendet; sie ist dem Sublimat, der Osmiumsäure und der Chromsäure entschieden vorzuziehen. Ein großer Theil der Ergebnisse beruht auf der Unter- suchung systematisch ausgeführter Reihen sehr dünner Schnitte, aber diese Methode genügt nicht alle Beziehungen der Zellen klar zu legen, es bedarf dazu noch der Auflösung der Zellschichten in ihre Ele- mente: ein Verfahren, das bei embryologischen Arbeiten oft sehr nütz- lich ist und doch so selten gebraucht wird. Wegen der eigenthümlichen Beschaffenheit und Verbindung der Zellen im Ektoderm der Lopado- rhynchuslarven hat die Isolirung derselben jedoch besondere Schwie- rigkeiten und alle bekannten Macerationsmethoden ergaben ungenü- gende Präparate. Schließlich fand ich eine Behandlungsweise, die zum 3* 5 36 Nicolaus Kleinenberg, Ziel führt: die Larven kommen in das Pikrinschwefelsäure-Salzgemisch, das jedoch mehr verdünnt ist, als wenn die Larven zur nachträglichen Härtung in Alkohol bestimmt sind, verbleiben darin eine bis zwei Stunden, und werden darauf unmittelbar in Brarr’sche Karminlösung übertragen; nachdem diese einige Stunden, oder auch bei größeren Larven einen ganzen Tag, eingewirkt hat, sind die von der Pikrinsäure fixirten, vom Karmin gefärbten Zellen so weit gelockert, dass sie sich mit Hilfe von Nadeln oder durch leichten Druck isoliren lassen. Ab- bildungen solcher Präparate habe ich nur wenige gegeben, weil die Schnitte natürlich übersichtlicher sind. | Zunächst soll also der feinere Bau der jüngsten Larven beschrieben werden. Ihre gesammte Oberfläche ist von einer strukturlosen, sehr dünnen aber festen Cuticula überzogen, die sich leicht abhebt, wenn die Kon- servirungsflüssigkeit an irgend einer Stelle Schrumpfung des unterlie- genden Gewebes veranlasst hat. Überall wo die Ektodermzellen Wim- pern tragen, ist das Oberhäutchen durchbohrt, um die schwingenden oder unbeweglichen Härchen durchzulassen. Es scheint, dass die Guti- cula die Flimmerhaare bei ihrer Arbeit unterstützt, denn sie ist da am dicksten, wo die zahlreichsten und thätigsten Wimpern austreten, so namentlich über dem Prototroch. In den Abbildungen der Schnitte ist die Cuticula nur durch den kräftigen äußeren Kontour angegeben, sie ist nicht dick genug, um sich bei den zum Zeichnen benutzten Vergrö- Derungen als doppelte Linie darzustellen. Das Ektoderm der Umbrella sowohl wie der nendalk erscheint überall, wo nicht besondere Organe bestehen oder in der Anlage be- griffen sind, als eine zusammenhängende Protoplasmaschicht, die ziem- lich zahlreiche Kerne enthält. An der Seite, welche der Cuticula anliegt, ist das Protoplasma kaum merklich verdichtet, sonst überall gleichmäßig feinkörnig. Die Kerne besitzen keine deutlichen Kernkörperchen, da- gegen eine ziemlich große Anzahl stark lichtbrechender Körnchen, die nicht von der Konservirungsflüssigkeit hervorgerufene Gerinnsel sind, da sie sich auch während des Lebens mit starken Vergrößerungen er- kennen lassen. Die Form der Kerne ist kugelig oder breit oval; ihre Vertheilung nicht besonders regelmäßig, sie stehen nicht überall in gleichen Abständen von einander und bald näher der Oberfläche, bald tiefer ins Protoplasma eingesenkt (Taf. II, Fig. 16). Auch auf den feinsten und am besten gefärbten Schnitten sind Zell- grenzen nur selten andeutungsweise erkennbar. Allein mit Hilfe der Maceration lässt sich nachweisen, dass das Ektoderm doch kein zu- sammenhängendes Plasmodium, sondern eine einfache Schicht von Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 37 Zellen ist, die so eng zusammengedrängt und an ihren Berührungsflä- chen so wenig optisch differenzirt sind, dass die Grenzen unsichtbar werden. Die isolirten Ektodermzellen sind kubisch oder breit eylin- drisch, von ihren Seitenflächen gehen lamellöse Kanten aus, die zwischen jene der Nachbarzellen eingeschoben sind, und besonders hierdurch erhält das Ektoderm sein äußerst festes Gefüge. Inmitten dieses indifferenten Ektodermepithels ist nun eine ziem- lich große Zahl von Zellen gesetzmäßig vertheilt, hier vereinzelt, dort in Gruppen angesammelt, zum Theil mit den Charakteren junger, vor Kurzem aus der Theilung hervorgegangener und sich schon wieder zur Vermehrung anschickender Protoplasmakörper behaftet, zum Theil be- reits in hoher formaler und funktioneller Vollkommenheit zu thätigen Organen vereinigt. Unter diesen nimmt der Prototroch wegen seiner morphologischen und physiologischen Bedeutung die erste Stelle ein: man kann sagen, dass er für den gegenwärtigen Bau der Larve maß- gebend ist und. noch für lange die weiteren Bildungsvorgänge beeinflusst. Zum Prototroch gehören drei Bestandtheile: die wimpertragenden Zellen, ein besonderes Nervensystem und ein Muskel. Der Wimperapparat bildet einen vollkommen geschlossenen Ring, der die ganze Dicke des Ektoderms durchsetzt und so die Umbrella von der Subumbrella nicht bloß äußerlich, sondern auch innerlich scharf abgrenzt. Der Ring ist aus drei über einander liegenden fest verlötheten Zellreifen zusammengesetzt: ein oberer umbrellarer, ein mittlerer, und ein unterer, subumbrellarer Reifen. Die Zellen jedes einzelnen Reifens unddie ganzen Reifen mit einander sind so vollkommen zusammengefügt, dass es weder auf Quer- noch auf Längsschnitten gelingt, Zellgrenzen innerhalb des Gesammtringes nachzuweisen, nur die regelmäßig ver- theilten und verschieden gestalteten Kerne deuten das Vorhandensein der drei Schichten an. Es bedarf auch hier des Macerationsverfahrens, um den feineren Bau aufzudecken. Die Hauptmasse des Ringes ist von der mittleren Zellreihe gegeben. Sie besteht aus vierzehn Zellen, doch will ich nicht behaupten, dass es ausnahmslos gerade so viel sind, da ich sie nur in wenigen Fällen ge- zählt habe. Die Form der Zellen ist die dreieckiger Prismen, deren Länge ungefähr das Doppelte der Höhe beträgt; die Basis nach innen gerichtet, reichen sie mit ihrer etwas abgestumpften Kante nach außen an die Oberfläche. Auf dieser freien Kante erheben sich, in sehr enger Zickzacklinie angeordnet, die mächtigen Wimpern (Taf. VIII, Fig. 28 pr; Taf. XII, Fig. 50 pr von späteren Stadien). Das Protoplasma des Zell- körpers ist eigenthümlich differenzirt. An der freien Kante, welche die Wimpern trägt, ist es fast glashell, ohne alle Körnelung. Diese helle 38 Nieolaus Kleinenberg, Schicht ist in der Mitte am dicksten und springt wie eine rundliche Leiste nach innen ein. Von hier strahlt ein System feiner gerader Linien aus, fadenförmige Streifen dichten dunklen Protoplasmas, welche den ganzen Zellkörper bis an seine Grundfläche durchsetzen. Sie beginnen zugespitzt an der hellen Kante, nehmen dann etwas an Dicke zu und endigen wieder mit einer Spitze. Der Form des Zellkörpers folgend verlaufen die Streifen divergirend gegen die Basis, so dass auf dem Querschnitt die Zeichnung eines halbgeöffneten Fächers entsteht (vgl. pr in den Längsschnitten der Larven, die natürlich in Bezug auf den Prototroch Querschnitte sind). Manche Präparate könnten vermuthen lassen, dass die Streifen Durchschnitte dünner Platten, welche die Zelle in schmale Fächer zerlegen, seien, doch erweist sich das unschwer als eine Täuschung: es sind wirklich fadenförmige Säulen dichten Proto- plasmas, die in weniger stark lichtbrechendem Protoplasma eingebettet liegen, und zwar in solcher Menge, dass die Masse der dunklen und der hellen Zellsubstanz fast gleich ist. Die vollkommene Regulirung der Flimmerbewegung, welche be- sonders an den Bewegungsapparaten niederer Thiere auffällt, hat es schon lange nahe gelegt, nach einer Verbindung der Wimperzellen mit dem centralen Nervensystem zu suchen, womöglich nach einem beson- deren Leitungsfäserchen für jede einzelne Wimper. Auch war bereits bekannt, dass bei einigen Protozoen und Metazoen die Flimmerhaare nicht von der Oberfläche entspringen, sondern aus dem Inneren des Zellkörpers hervorkommen. Ich habe daher bei den Prototrochzellen von Lopadorhynchus nachgesehen, ob die eben beschriebenen dunklen - Streifen nicht Verbindungsfasern darstellen, die einerseits in die Wim- pern auslaufen, andererseits entweder über die Grundfläche der Zelle herausreichen oder an ihr mit Nervenfasern in Verbindung stehen. Wie man schon aus der gegebenen Beschreibung sieht, findet jedoch weder das Eine noch das Andere statt. Die Wimpern sind von den radiären Fäden durch die helle Zone an der freien Kante durchaus getrennt, und an dieser ist auch mit den vollkommensten Immersionssystemen keine Spur von Differenzirung wahrnehmbar; an der entgegengesetzten Seite hören die Fäden zugespitzt auf, ehe sie die äußerste basale Grenzfläche erreicht haben und eine direkte Verbindung der Fäden mit dem vor- handenen Centralorgan ist nicht bloß in keiner Art nachzuweisen, son- dern auch durch die später zu erörternden Verhältnisse nahezu unmög- lich gemacht. Ich glaube, dass diese Struktur von einem anderen Gesichtspunkt zu beurtheilen ist. Wenn Zellen möglichst viel mechanische oder elek- trische Kraft frei machen sollen, scheint ihnen die Aufgabe dadurch Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 39 erleichtert zu sein, dass ihr Protoplasma in regelmäßig angeordnete, diehtere und wasserreichere Lagen angeordnet wird. Wenigstens deutet darauf das häufige Erscheinen solch innerer Strukturen bei Zellen, die, ihrer Herkunft nach durchaus verschieden, doch mit ähnlichen physio- logischen Leistungen beauftragt sind. So in den Muskeln, Flimmer- zellen, in den Geweben der elektrischen Organe, im Ektoplasma vieler, rasche Beweglichkeit besitzender Protozoen. Bei den Flimmerzellen kann die Differenzirung auf das Protoplasma des Zellkörpers beschränkt sein oder auch die Substanz des kontraktilen Haares selbst betreffen, letzteres besonders wenn dies im Verhältnis zum Zellkörper sehr massig ist. Ich kenne dafür kein auffallenderes Beispiel als die Spermatozoen einer neuen pelagischen acölen Planarie: sie sind so stark querge- streift, wie kein Muskel eines Wirbelthieres. Freilich ist solch ein molekularer Bau weder an allen Flimmerzellen noch an allen Muskel- zellen nachgewiesen, doch findet er sich sicherlich weit verbreitet, wie aus den Angaben anderer Forscher und aus meinen eigenen Beohach- tungen hervorgeht. Die Kerne der mittleren Wimperzellen des Prototrochs sind sehr groß, kugelig oder ellipsoid, ihre Substanz ist fast wasserhell, hier und da äußerst fein granulirt, enthält aber stets ein, selten zwei oder drei große stark lichtbrechende Kernkörperchen. Die Kerne nehmen die Mitte der Zellen ein und liegen im gestreiften Protoplasma (Taf. II, Fig. 16 /, 17 b; Taf. VII, Fig. 28 pr; Taf. XIII, Fig. 59). Der obere umbrellare Reifen ist gleichfalls aus vierzehn Zellen zu- sammengesetzt, die also eben so lang sind, wie die der mittleren Lage und auch eben so hoch. Ihre nach innen gerichtete Basis ist dagegen viel schmäler, so dass sie die Form scharfer schiefer Keile haben, deren längste Seitenfläche nach oben gerichtet ist, während die kürzere der oberen Fläche der mittleren Reihe anliegt. Ihre frei an die Ober- fläche tretende Schneide trägt die bereits beschriebenen kurzen verhält- nismäßig dieken Wimpern in einfacher Reihe. Der innere Bau dieser Zellen ist dem der großen Elemente des Prototrochs ganz ähnlich, am Rande unter den Gilien ist das Protoplasma homogen, nach innen zu radiär gestreift, wenn auch weniger stark. Der Durchmesser der kuge- ligen Kerne beträgt ungefähr nur die Hälfte jener des mittleren Reifens, das Kernprotoplasma ist dunkler und körniger, ein Kernkörperchen vor- handen (Taf. II, Fig 17 a, pr). Die gegenseitigen Lagebeziehungen der Zellen dieser beiden Reifen ist sehr regelmäßig, nämlich so, dass die Grenzlinie zweier Zellen des mittleren immer genau der Mitte einer Zelle des oberen Reifens entspricht, die Kerne beider Schichten alter- niren also mit einander. 40 Nicolaus Kleinenberg, Im unteren Reifen ist die Zahl der Zellen nicht vierzehn, sondern sieben, sie sind daher doppelt so lang als die anderen. Sonst stimmen sie in der Form mit den oberen überein: auch ihr Querschnitt ist schief dreieckig, die kürzeste Seite nach innen, die längste nach unten gerich- tet, und die dritte mit der mittleren Schicht verlöthet. Ihre Kerne sind kleiner als die mittleren, aber größer als die oberen, von ellipsoidaler Form, mit großen Kernkörperchen (Taf. II, Fig. 175, pr). Die Beschaffen- heit des Protoplasmas der Zellkörper ist dieselbe wie bei den anderen. Wie aus der vorstehenden Beschreibung hervorgeht, ist die Form _ und Anordnung der drei Zellenkreise im Wimperapparat des Prototrochs derart, dass ein Ring mit keilförmigem Querschnitt entsteht, der nur mit seinem äußeren scharfen Rande an die Oberfläche reicht. Die ge- genseitigen Lagebeziehungen der drei Reifen treten auf Querschnitten durch die Larve, welche den Prototroch in seinem ganzen {mfang und überall in gleicher Höhe getroffen haben, gut hervor. Ich gebe Abbil- dungen von einer etwas älteren Larve, bemerke jedoch ausdrücklich, dass die Verhältnisse in den jüngsten Stadien genau die nämlichen sind. Der Schnitt Fig. 17 a auf Taf. Il ist ziemlich dick, denn er ent- hält den ganzen oberen Kreis des Wimperapparates und hat auch einige darüber liegende Ektodermzellen mitgenommen, während seine untere Fläche genau durch die Mitte der Kerne des mittleren Kreises geht. Wie man sieht, wechseln große und kleine Kerne in regelmäßigen Abständen mit einander ab. Fig. 17b umfasst nur Bestandtheile des mittleren Kreises mit den unteren Hälften seiner Kerne. Der dritte Schnitt Fig. 17 c ist durch den unteren Kreis mit seinen sieben Kernen gegangen. Dieselbe Zusammensetzung des Prototrochs aus drei Zellreifen, die verschieden gestaltete und verschieden funktionirende Wimpern tragen, fand ich auch bei Phyllodociden und Aphroditeen. Die in Gteno- phoren lebenden Larven der Alciopiden besitzen zwar alle Anfangs einen Prototroch, doch ist derselbe stark rückgebildet und hier konnte ich nur eine Reihe spärlicher und schwacher Wimpern und als ihre Träger eine Reihe kleiner flacher Zellen entdecken. Da ich keine eigenen Erfahrungen über die Entstehung der Wim- perkränze bei Anneliden besitze, theile ich mit, was in dieser Hinsicht und in Betreff des Baues durch andere Forscher bekannt geworden ist. Die erste eingehendere Darstellung hat Harscuek für Polygordius gegeben!. Hier besteht der präorale Wimperkranz, wie schon ScuneI- DER erkannt hatte?, aus zwei Kreisen gleich großer Zellen, deren ! Studien zur Entwicklungsgeschichte der Anneliden. Arb. Zool. Inst. zu Wien. 1878. p. 25 ff. 2 Über Bau und Entwicklung von Polygordius. MüLLer’s Archiv 4858. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 4 jede eine einzige Reihe starker Wimpern trägt. Diese durchbohren eine Cutieularschicht, welche viel bedeutender verdickt ist, als ich oben für Lopadorhynchus bemerkte. Die Zellen haben rechtwinkelig prisma- tische Formen, ihr Protoplasma ist dunkel und grobkörnig, sie besitzen einen kugeligen Kern. Die Zellgrenzen sowohl innerhalb jedes Kreises als auch zwischen dem einen und dem anderen sind deutlich und Zahl, Größe und Lage der Zellen sind so völlig übereinstimmend, dass die Quergrenzen zweier über einander stehender Zellen genau in eine Linie fallen. Allein der Ring ist nicht geschlossen, er enthält in der dorsalen Mittellinie eine kleine Lücke, wo die Wimperzellen in indifferentes Ektodermgewebe übergehen. Von den in dieser Lücke gelegenen Zellen soll der Wimperkranz gebildet werden. Vor dem Prototroch liegt bei -Polygordius eine Schicht verdickter Ektodermzellen, die zahlreiche Fett- und Eiweißkugeln enthalten. Harschzk sieht darin angehäufte Nahrungsstoffe und deutet die ganze Bildung als einen dem Flimmerring unmittelbar zugesellten Ernährungsapparat, der es jenem möglich macht, seinen intensiven und andauernden Bewegungsfunktionen nachzukom- men — eine Auffassung, die gewiss alle Beachtung verdient. Für Echiurus giebt derselbe Autor an!, dass der präorale Wimper- ring Anfangs doppelreihig ist, dass aber nur die eine Reihe, und zwar die vordere, sich weiter ausbildet, während die hintere rudimentär wird, und das Organ späterhin einreihig erscheint. Bei der Larve eines Röhrenwurmes, die HırscHek im kleinen Pan- tano des Faro fand, ist, nach den Abbildungen zu schließen, der Pro- totroch ähnlich gebaut wie bei Polygordius: zwei Reifen gleich großer Zellen mit je einer Reihe von Wimpern. Über die Beschaffenheit des Protoplasmas ist im Text nichts angegeben, und eben so wenig aus den Figuren etwas zu ersehen. In derselben Arbeit? beschreibt Harscuek die Bildung und den Bau des präoralen Wimperkranzes von Eupomatus. Hier findet er die Dinge ganz anders als bei Polygordius: die Lücke auf dem Rücken wird nicht erwähnt, und wäre sie auch vorhanden, so könnte sie doch nicht die Bedeutung haben, welche ihr bei Polygordius beigelegt wurde, denn der Wimperring entwickelt sich nach Harscner’s eigenen Angaben gleichzeitig in seiner ganzen Ausdehnung durch Differenzirung in loco präexistirender Ektodermzellen. Ausgebildet soll das Organ aus einer einzigen Reihe von Zellen bestehen, die kolossale Wimpern tragen. Im Inneren des Zellkörpers verläuft eine helle Faser zu jeder Wimper. Die Faser ist eben so dick und von derselben optischen Beschaffenheit, wie 1 Über Entwicklungsgeschichte von Echiurus. Arb. Zool. Inst. zu Wien. Il. 1880. p.4, 8. 2 Entwicklung von Eupomatus uncinatus. Ibid, VI. 1885, 49 Nicolaus Kleinenberg, die Wimper; sie soll mit dem Ringnerven in Kontinuität sein und Har- - scHek hält sie demnach für eine Nervenendigung. Ich erlaube mir in aller Bescheidenheit einigen Zweifel an der Richtigkeit dieser Darstellung zu äußern, obschon ich die Eupomatus- larve aus eigener Anschauung nicht kenne. Doch befindet sich auch Hartscazk beinahe in derselben Lage: er hat nur an lebendem Material beobachtet und das heißt in diesem Falle die feineren Verhältnisse nicht kennen. Also — wenn die Abbildungen genau sind, was in Frage zu stellen ich nicht den geringsten Grund habe, würde ich schließen, dass der präorale Wimperkranz von Eupomatus nicht aus einer Zellreihe be- steht, sondern aus drei, zwei kleinzelligen und einer großzelligen, un- gefähr wie bei Lopadorhynchus. Ich begründe das besonders auf die Fig. 44 der Harsener’schen Arbeit. Ferner glaube ich vor der Hand gar nicht, dass die kolossalen Geißeln einfache Gebilde sind, wie bei so vielen anderen Polychaetenlarven werden sie wohl auch hier aus Bün- deln zahlreicher Wimpern bestehen. Vor Allem sind mir aber die Ner- venendigungen höchst problematischer Natur: von ihrem Zusammen- hang mit den Ringnerven überzeugen mich die Abbildungen ganz und gar nicht. Wenn es nicht die Absicht ist, durch die Ausdrucksweise der Deutung vorzugreifen, weiß ich auch nicht, wie man von einer Faser sprechen kann, die vom Nerven zur Wimper verläuft, es würde mir den Verhältnissen viel angemessener erscheinen zu sagen, dass die Wimper in die Substanz des Zellkörpers eindringt und mit abgerunde- tem Ende dem Nerven aufsitzt. Vielleicht löst sich jedoch die ganze Sache dahin auf, dass bei Eupomatus jene vorher für Lopadorhynchus beschriebene helle Protoplasmaschicht unterhalb der Wimpern sich un- gewöhnlich tief in den Zellkörper hinein erstreckt. Schließlich hat Harscner neue Beobachtungen tiber die Beschaffen- heit der Wimperzellen von Polygordius angestellt, welche die früheren in einigen Punkten korrigiren. Er sagt, »von den Wimpern aus lässt sich eine feine Faserung in das Innere der Zellen beinahe an die Basis derselben verfolgen. Doch war es hier nicht möglich einen Zusammen- hang dieser hellen Fasern mit dem Ringnerven \wie bei Eupomatus) nachzuweisend!. Weitere Nachrichten über die Entstehung der präoralen Wimper- organe sind in Gortte’s und SıLensky’s Arbeiten enthalten. Nach GortTE? entsteht der Kranz bei Nereis Dumerilii sehr nahe am Äquator durch 1 Zur Entwicklung des Kopfes von Polygordius. Arb. Zool. Inst. zu Wien. VI. 1885. p. 3. ? Abhandl. z.Entwicklungsgesch. der Thiere, I. 1882. p. 87. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 43 Differenzirung einer Reihe pigmenthaltiger Zellen, deren jede mehrere Wimpern ausstreckt. Sırensky lässt den Prototroch von Pileolaria aus de Sonderung einer einzigen Reihe von Zellen, die auf der Bauchseite höher zu sein scheinen als am Rücken, hervorgehen. Diese Zellen haben rundliche Formen und bestehen aus feinkörnigem Protoplasma, dem deutoplasma- tische Körperchen eingelagert sind; an der Peripherie verdichtet sich das Protoplasma zu einem Saum, von dem die Wimpern entspringen. Später zeigt jede Zelle eine radiäre Streifung, wodurch sie scheinbar in mehrere hohe schmale Zellen zerfällt; jedem Streifen entspricht ein Wimperbüschel. Ich wäre geneigt aus Fig. 10, Taf. IV der Abhandlung zu folgern, dass mindestens zwei Kreise von Zellen in die Bildung des Wimperorgans eingehen ’. Der präorale Wimperring von Aricia foetida? besteht anfänglich aus einer Reihe von Zellen, diese theilen sich jedoch später und dann ist das Organ von drei Zellenkreisen zusammengesetzt. Die einzelnen Elemente sind leicht gestreift. Deutlicher ist die Streifung in den Flimmerzellen der Bauchrinne und die Fäden sollen sich direkt in die Wimpern fortsetzen — eine Behauptung, die schon von BüLow für gewisse Zellen von Lumbriculus aufgestellt worden war?. SALENSKY findet in dieser inneren Struktur große Ähnlichkeit mit jenen Diffe- renzirungen einer jungen Muskelzelle, welche zur Herstellung von Muskelfasern führen. Welche physiologische Bedeutung ich für diese molekularen Sonderungen annehmen möchte, habe ich schon vor- hin angedeutet; meiner Meinung nach lässt sich die Streifung der Wimperzellen nur mit der Vertheilung und Differenzirung des Proto- plasmas innerhalb der quergestreiften Muskelfaser vergleichen, nicht mit dem Vorgang bei der Entstehung von Fasern aus embryonalen Myoblasten. Auch bei Psygmobranchus protensus beschreibt Sırenskr! eine Zellenreihe als Anlage des Prototrochs und wie bei Lopadorhynchus wird die Kante, welche die Wimpern trägt, homogen und ragt als halb- runde Leiste in das granulirte Protoplasma des Zellkörpers hinein, von dem sie scharf geschieden erscheint. Aus den Abbildungen ergiebt sich, dass zu diesen großen Elementen später ein oberer und ein unterer Kreis kleinerer Zellen mit viel feineren Wimpern kommt, so dass der 1 Archives de Biologie. IV. Gand 1883. p. 9 und 23. 2 Ibid. p. 57, 67 ff. 3 Die Keimschichten des wachsenden Schwanzendes von Lumbriculus, Zeitschr, f. w. Zool. Bd. XXXIX. 1883. p. 85. % Archives de Biologie, III. 1882. p. 356, 44 Nicolaus Kleinenberg, Prototroch von Psygmobranchus jenem von Lopadorhynchus ganz ähn- lich wird. Die sonst noch vorhandenen Angaben übergehe ich, weil sie mir nicht weitere Aufschlüsse zu geben scheinen; für die Entwicklung und den Bau des Velums der Molluskenlarven verweise ich auf For’s Em- bryologie der Pteropoden, wo außer eigenen Beobachtungen eine sehr vollständige Übersicht aller bis dahin bekannten Thatsachen gegeben ist !. Der zweite Hauptbestandtheil des Prototrochs, sein nervöser Ap- parat, wird von einem regelmäßig angeordneten System von Fasern und Zellen hergestellt. Bei Weitem die meisten Fasern sind in einem Ring- nerv vereinigt, der bei jüngsten Larven nicht absolut, wohl aber relativ am stärksten entwickelt erscheint. Er bildet einen völlig geschlossenen, überall gleich dicken Reifen (Taf. II, Fig. 16 9, Fig. 17 ee, prn). Sein Querschnitt (Taf. VIII, Fig. 28; Taf. XII, Fig. 50 und andere, prn) ist scharf umschrieben, kreisrund oder leicht elliptisch, etwas größer als der Umfang der kleinen Zellkerne des Wimperapparates. Die Schnittfläche ist fein punktirt, und ein Vergleich derselben mit den Ansichten des Nerven von oben oder unten, oder noch besser, die Untersuchung von Zerzupfungspräparaten (Taf. XIII, Fig. 59) ergiebt ohne Weiteres, dass . die Punkte Durchschnitte feiner Fasern sind, lange Fäden, die wellen- förmig gekrümmt sich leicht unter einander verflechten, im Ganzen je- doch dem Umfang des Nerven parallel verlaufen. Anschwellungen oder Theilungen kommen in ihnen nicht vor. Der ganze Nervenring liegt innerhalb des Wimperapparates, allseitig von dessen Protoplasma umgeben, stets in einiger Entfernung von den großen Kernen der mittleren Zellreihe, gegen die subumbrellare Seite hin und von der inneren basalen Grenzfläche der Wimperzellen durch eine verhältnismäßig dünne Protoplasmaschicht getrennt. In der ersten Mittheilung ? gab ich an, der Nerv liege inmitten der großen Zellkörper des Bewegungsorganes und in der That stellt sich die Sache auf Schnit- ten in jeder Richtung so dar. Allein die Macerationspräparate haben mich belehrt, dass dennoch eine Täuschung vorliegt: in Wirklichkeit ist der Nerv zwischen dem mittleren und dem unteren Zellreifen einge- schlossen, jede der Zellen hat in ihrer ganzen Länge auf einer Seite einen rinnenförmigen Eindruck und die Rinne auf der unteren Fläche des mittleren Reifens fügt sich mit jener der oberen Fläche des unteren Reifens so zusammen, dass ein Kanal von kreisförmigem Durchschnitt entsteht, der vom Nerven vollständig ausgefüllt wird. Auf den Durch- I Archives de Zoologie exp6rimentale. IV. 4875. 2 Memorie dell’ Accademia dei Lincei. Roma 1881. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 45 schnitten lässt sich das nieht erkennen, weil, wie gesagt, die Zellgren- zen im Wimperorgan ohne Maceration unsichtbar sind. Für die Beurtheilung des Prototrochnerven entscheidend ist die Thatsache, dass ihm ein besonderes System von Nervenzellen angehört. Ich werde auch hier wieder auf Präparate von älteren Larven verwei- sen, nicht als ob die zu beschreibenden Zellen den jüngsten Entwick- lungsstufen fehlten oder undeutlich seien — man sieht zwei derselben sehr klar in Fig. 16 h auf Taf. II — sondern weil ich von den kleinsten Larven keine Schnitte bekommen habe, die mit der Ebene, in welcher die Zellen angeordnet sind, genau parallel gefallen wären, und eine Reihe etwas schiefer Schnitte möchte ich nicht abbilden, um die schon unerwünscht große Zahl der Figuren nicht noch zu vermehren und da- bei doch dem Leser die lästige Rekonstruktionsarbeit zu überlassen. Die Ganglienzellen sind dicht an der unteren Seite des Wimper- organs zu einem Ringe angeordnet (Taf. VII, Fig. 24). Es giebt zwei Arten von Zellen, die sich nach der Form und der Beschaffenheit ihres, Protoplasmas leicht unterscheiden lassen. Die einen besitzen äußerst fein granulirte, verhältnismäßig stark lichtbrechende Zellkörper und enthalten einen kugeligen ziemlich homogenen Kern, gewöhnlich ohne deutliches Kernkörperchen. Unter diesen Zellen finden sich Grö- Benunterschiede, die bestimmten Lagebeziehungen entsprechen. Bei den kleineren bildet der Kern die Hauptmasse, der Zellkörper stellt sich. auf dem Durchschnitt als ein schmaler Saum mit sehr scharfem äußerem Kontour dar; bei den anderen ist der Kern wenig größer, der Zellkörper dagegen viel massiger. Alle diese Zellen haben breit ovoidale oder fast kugelige Formen; an einer Stelle ihrer nach oben gekehrten Seite erhebt sich eine feine Spitze, die in eine kurze Faser ausläuft. Diese steigt aufwärts, erreicht den Ringnerven, dringt in ihn ein und theilt sich sofort in zwei Äste, die in entgegengesetzter Richtung nach rechts und nach links als Fasern des Nerven verlaufen (Taf. XI, Fig.59). Dies ist, trotzdem es sich um so feine Fädchen handelt, in Schnitten und aus Macerationspräparaten ohne Schwierigkeit sicherzustellen. Wäh- rend der früheren Entwicklungszustände sind, außer den in den Pro- totrochnerven übergehenden, keine anderen Fortsätze an diesen Zellen nachweisbar. Die Zahl dieser Art von Ganglienzellen ist ungefähr dieselbe wie die der großen Wimperzellen. Allein die ersteren sind nicht gleich- mäßig längs des Umfanges des Prototrochs vertheilt, sondern in drei - Gruppen zusammengedrängt: zwei davon finden sich an der ventralen Fläche, seitwärts vom Stomodaeum, das ja mit seinem oberen Rande zwischen dem Ektoderm und dem Entoderm der Umbrella eingescho- 46 Nicolaus Kleinenberg, ben ist; die dritte liegt in der dorsalen Mittellinie (Taf. VII, Fig. 24). Diese Gruppe enthält 4—6 Zellen, darunter stets 2 oder 3 größere; sie liegen nicht alle in einer Ebene, sondern die einen tiefer als die ande- ren, so dass natürlich ihre Ausläufer von ungleicher Länge sind. Zu- weilen erscheint die dorsale Nervenzellengruppe aus zwei symmetri- schen Hälften zusammengesetzt, wie in Fig. 94 dpn (der Schnitt enthält an den sechs vorhandenen Zellen nur vier, zwei kleine und zwei große, die beiden anderen lagen tiefer) in anderen Fällen (Taf. VII, Fig. 26 und 27a, dpn) sind sie dicht gedrängt und die zweitheilige Anordnung nicht deutlich. Von den beiden ventralen Gruppen (Taf. VII, Fig. 24, 25 vpn) hat die der rechten Seite, wie es scheint, immer eine oder zwei Zellen mehr als die der linken; die Ungleichheit der Größe der Zellen ist beiderseits viel weniger ausgeprägt als in der dorsalen Gruppe. Die zweite Zellenform des Prototrochnervensystems ist von der eben beschriebenen sehr verschieden. Jene sind unipolar, diese multi- polar mit überwiegend bipolarer Entwicklung: es entspringen von ihnen mehrere Nervenfasern; zwei besonders starke in entgegenge- setzter Richtung als Verlängerungen des annähernd spindelförmigen Zellkörpers; einige feinere von anderen Stellen der Oberfläche. Alle diese Ausläufer scheinen sich im weiteren Verlauf zu theilen, doch nicht sehr reichlich. Auch der innere Bau dieser Zellen ist anders als bei der ersten Form; ihr Protoplasma dunkler und grobkörniger, ihr kleinerer Kern ist eiförmig und mit einem Kernkörperchen versehen. Multipolare Zellen giebt es im Prototrochnervensystem ausnahms- los nur vier. Ihre Anordnung ist vollkommen symmetrisch; ein Paar gehört der ventralen, das andere der dorsalen Seite an. Das ventrale Paar liegt in geringer Entfernung lateralwärts von den beiden ventralen Nervenzellengruppen, das dorsale Paar zu beiden Seiten der medianen Zellgruppe dort weiter von ihr ab gelegen (Taf. VII, Fig. 24 srn). Die Endfortsätze der vier Zellen verlaufen zwar im Ganzen kon- centrisch zum Äquator, jedoch so stark wellenförmig nach oben und unten geschlängelt, dass sie in feinen Schnitten nur stückweise enthal- ten sind. Vermittels der Kombination auf einander folgender Präparate lässt sich aber erkennen, dass die dieken Ausläufer hauptsächlich dazu dienen, eine kreisförmige Leitungsbahn zwischen ihren Zellen herzu- stellen, während die von der oberen Fläche der Ganglienkörper ent- springenden Fasern zum Theil wenigstens höchst wahrscheinlich direkt in den Prototrochnerven übergehen. Da nun die vier multipolaren Zellen und die drei Gruppen unipolarer Zellen in derselben Ebene liegen, konnte ich vorhin sagen, der Nervenzellenapparat des Proto- trochs stelle einen unter dem Wimperorgan gelegenen Ring dar. Dass Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 47 er überall geschlossen ist, vermag ich allerdings nicht zu behaupten. In der ventralen Mittellinie gelang es mir nicht die Verbindungsfasern nachzuweisen. Allein ein negatives Ergebnis bei der Untersuchung so feiner und verwickelter Strukturen entscheidet die Frage nicht, sondern lässt sie offen. Ein solches Nervensystem kommt, mit Abänderungen, die sich vor- läufig noch nicht übersehen lassen, vielleicht allen Anneliden zu, in deren Entwicklungseyklus die Stammform als Larve mit präoralem Wimperkranz erhalten ist. Die Ringnerven des Prototrochs der Aleio- piden konnte ich freilich nicht auffinden, allein bei ihnen ist, wie gesagt, das Organ morphologisch und histologisch in hohem Mabe ver- kümmert, wenigstens in dem Zustande, wo jene Larven Parasiten der Ctenophoren sind. Ihre früheren Entwicklungsstadien durchlaufen die Aleiopiden jedoch nicht hier, denn unter vielen Hunderten, die ich durchmusterte, war nie eine Larve ohne die drei provisorischen Para- podienpaare. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Alciopiden vor der Einwanderung eine typische freilebende Larve besitzen und in dieser wird sich wohl auch ein vollständiger Prototroch finden. Außerdem ist nicht zu übersehen, dass bei sehr kleinen und undurchsichtigen Larven, wo die Untersuchung allein auf Schnitte angewiesen wird, der Nach- weis eines schwach entwickelten Prototrochnerven recht schwer sein kann. Gewöhnlich gelingt dies jedoch leicht, zumal nicht wenige For- men das larvale Nervensystem stärker ausgebildet haben als Lopado- rhynchus. So vor Allen die Phyllodociden im engeren Sinne. Ihr Ring- nerv ist sehr dick; er nimmt genau dieselbe Stelle im Prototroch ein, wie bei Lopadorhynchus (Taf. XVI, Fig. 82 prn); die unipolaren Gan- glienzellen zahlreicher aber gleichfalls auf eine dorsale und zwei ventrale Gruppen vertheilt, und eben so besteht ein Ring von vier (?) bipolaren Zellen — nur ist der ganze Apparat der centralen Zellen nicht am un- teren, sondern am oberen Rande des Prototrochs angebracht. Stark entwickelt ist das medusoide Nervensystem der Larve im Lepidonotus und die Vertheilung seiner Ganglienzellen scheint dieselbe zu sein. Etwas anders verhalten sich die Dinge bei einer großen Euniecidenlarve. Der Bewegungsapparat ihres Prototrochs ist mächtig ausgebildet, der Ringnerv dagegen schwach und die zugehörigen Ganglienzellen, so weit ich sehen konnte, nicht in Gruppen vereint, sondern hier und da im ganzen Umfang dem Nerven angehängt. Das Vorhandensein von Nerv und zwei Arten centraler Zellen ist ferner noch bei mehreren Aphro- diteen- und Licoridenlarven leicht festzustellen; zur Klarlegung der genaueren Verhältnisse reichen meine Beobachtungen jedoch nicht hin. Nachdem ich den Ringnerven des Prototrochs für Lopadorhynchus 48 Nicolaus Kleinenberg, in dem erwähnten italienischen Aufsatz angezeigt hatte, leugnete ihn HartscHek zunächst für Sipunculus!, bestätigte ihn aber neuerdings für Eupomatus? und Polygordius®. Bei der Larve des letzteren fand er auch einen zweiten feineren im adoralen Wimperkranz verlaufenden Ner- venring. Die Lage des präoralen Nervs soll so sein, wie ich in der ersten Mittheilung angegeben hatte: inmitten des Körpers der Wimper- zellen. Als dritter Bestandtheil des Prototrochs ist der Ringmuskel zu be- trachten, weil er demselben beständig und in regelmäßiger Beziehung beigesellt erscheint. Freilich greift er in den Zusammenhang des Or- 'gans viel weniger innig ein, als die beiden anderen Gewebselemente und hat vielleicht auch seiner Entstehung nach kein sehr nahes Ver- hältnis zu ihnen. Er bildet ein in sich zurücklaufendes Band (Taf. II, Fig. 169,475, prm) und liegt oberhalb des Nerven, fast an der Mitte der Basis der großen Wimperzellen (Taf. VIII, Fig. 28; Taf. XI, Fig. 50 prm). Allein er befindet sich nicht wie alle anderen Elemente des Prototrochs im Ektoderm, sondern außerhalb desselben, ihm zwar mit einer Seite anliegend, doch scharf abgegrenzt, während die andere Seite mit dem Entoderm in Berührung steht, oder frei in den an dieser Stelle oft vor- handenen spaltförmigen Raum zwischen Darm und Körperwand hin- einragt. Der ganze Muskel besteht aus drei bis fünf runden unverästel- ten Fasern, die zu einem dünnen senkrecht gestellten Reifen verbunden sind. Die einzelnen Fasern sind sehr lang, so dass sie wahrscheinlich den ganzen Umfang des Ringes einnehmen, laufen jedoch nicht in sich zurück, sondern endigen, wie sich aus Macerationspräparaten ergiebt, frei in Spitzen ausgezogen. An den isolirten Fasern findet sich zuweilen ein rundlicher Kern, der in einen kleinen Protoplasmahügel eingesenkt dem Rande der Faser aufsitzt. Der Prototrochmuskel ist bei den Annelidenlarven sehr gewöhn- lich und leicht kenntlich, jedoch bisher meist übersehen worden. Nur Hırscuek bemerkte das Auftreten eines Ringmuskels bei Polygordius, nachdem die Rückbildung des Prototrochs begonnen hat. Bei der Larve vom Faro sind zwei Muskelfäden unterhalb des präoralen Wimper- kranzes vorhanden, während eine einzige stärkere Faser genau längs dem postoralen Kranz verläuft‘. Bei Eupomatus werden dagegen nur zwei Ringmuskeln erwähnt, die Anfangs vor dem postoralen Wimper- ring liegen, sich aber später so verschieben, dass der hintere Faden an 1 Über Entwicklung von Sipunculus nudus. Arb. Zool. Inst. zu Wien. V. 1883. p- 45. 2 Arb. Zool. Inst. zu Wien. VI. 1885. p. 49. 3 Ibid. p. 3. 2 1. /e.p.i28, Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 49 diesen Ring tritt!. Auch dürfte nach einer Abbildung desselben Gelehr- ten bei der Echiuruslarve ein Prototrochmuskel bestehen ?. Für einige allgemeine Gesichtspunkte ist es von Wichtigkeit fest- zustellen, wie sich der Bau der Paratroche (postorale Wimperkränze) zu der oben geschilderten Organisation der Prototroche verhält. Die- jenige Form der ersteren, welche unmittelbar hinter dem Munde sich findet und nach den Angaben der Autoren durch Abspaltung vom Pro- totroch entsteht, hatte ich keine Gelegenheit zu untersuchen, dagegen wohl die analen Paratroche einiger Phyllodociden, von Nephthys etc. Hier fand ich immer nur eine Reihe von Flimmerzellen, es fehlten der obere und der untere feine Cilienbesatz und die dazu gehörigen Zellen. Die vorhandenen Elemente sind jenen des mittleren Ringes des Prototrochs meist sehr ähnlich. So bilden sie bei der Igroßen grünen Phyllodoce (Taf. XVI, Fig. 82 pr und par) keilförmige Körper mit nach innen ge- richteter Basis, der Kern ist groß und kugelig, das Protoplasma des Zellkörpers radiär gestreift und die Form der Gilien ist dieselbe wie bei der mittleren Reihe des Prototrochs, nur sind sie ein wenig kürzer und schwächer. Etwas anders gestaltet ist der anale Wimperkranz bei einer Pyllodocidenlarve, die im Entoderm große Dotterkrystalle ent- hält; hier haben die Paratrochzellen wohl auch die Form dreiseitiger Prismen, allein ihre scharfe Kante ist nach innen gerichtet und die Ba- sis trägt die Flimmerhaare (Taf. XVI, Fig*‘83 par). Auf dem Parallel- schnitt sieht man die Zellgrenzen recht gut (deutlicher als die Fig. 84, Taf. XVI wiedergiebt) und die starke radiäre Differenzirung. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Paratroche der Chae- topteriden. Es ist bekannt, dass diese Larven keinen Prototroch haben und auch keinen analen Paratroch,Esondern einen oder zwei Wimper- kränze, welche die Mitte oder den hinteren Abschnitt des Rumpfes um- gürten; und dass die Bauchganglienkette sowohl vor als auch hinter den Kränzen vorhanden ist. Da bei allen anderen Chaetopoden das Flimmerorgan stets die ganze Dicke des Ektoderms durchsetzt und man sich leicht überzeugen kann, dass dies auch für die Chaetopteriden gilt, so müsste bei ihnen die Anlage des Bauchstranges, dort wo ein Para- troch besteht, in zwei, da wo zwei Paratroche gebildet werden, in drei gänzlich geschiedene Stücke zerfallen — wenn die Kränze wie gewöhn- lich geschlossen wären. Das ist aber eben nicht der Fall. Auffallender- weise ist dieser Umstand, wie es scheint, allen bisherigen Beobachtern entgangen. Ich kenne wenigstens acht verschiedenen Genera ange- 1 ibid. p. 22. 2 Über Entwicklungsgeschichte von Echiurus. Arb. Zool. Inst. zu Wien. II. 1880. Taf. I, Fig. 8. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLIV. Bd. 4 50 Nicolaus Kleinenberg, hörige Chaetopteridenlarven und bei allen sind die Paratroche nicht geschlossen, sondern auf der Bauchseite durch eine weitere oder engere Lücke unterbrochen. An den lebenden Thieren, während die langen Geißeln beständig schlagen, ist das freilich nicht zu sehen, aber an gan- zen konservirten Exemplaren oder auf Schnitten mit der größten Leich- tigkeit. Die Lücken enthalten nur die Anlage des Bauchstranges: dieser ist also auch bei den Chaetopteriden, trotz des Vorhandenseins der Pro- totroche, eine durchaus einheitliche Bildung. Auch der innere Bau dieser Paratroche weicht stark von dem der anderen Chaetopoden ab. Er besteht aus einer sehr großen Anzahl schmaler senkrecht gestellter Platten, die auf Querschnitten der Larve von verhältnismäßig breiten Zwischenräumen getrennt erscheinen (Taf. XVI, Fig. 80). Ich bin nicht sicher, dass diese doppeltkontourirten Grenzlinien der Ausdruck von Membranen sind; vielleicht handelt es sich um Veränderungen, die auf Rechnung der Konservirungsflüssigkeit kommen. Jede Platte ist,an ihrer freien Kante stark eingebogen (Fig. 81 par I und par Il); daher verläuft auf der Oberfläche des ganzen Para- trochs eine tiefe, breite mit einer starken Guticula ausgekleidete Rinne. Von ihrem Boden erheben sich die äußerst kräftigen Wimpern in mehre- ren Reihen über einander. Die oberen und unteren Ränder der in das ' Ektoderm eingelassenen Platten sind sehr scharf von {der Umgebung geschieden. Jede Platte besteht aus feinkörnigem Protoplasma, das sich unter der Guticula zu einem schmalen Saum verdichtet — keine Spur von radiärer Differenzirung, trotzdem die Wimpern stärker sind als bei allen anderen mir bekannten Polychaetenlarven. Das. Proto- plasma der einzelnen Platten enthält eine große Anzahl von Kernen. Sie sind an der oberen Kante angesammelt (Fig. 81 ,), einige wenige auch an der unteren Seite (Fig. 81 pat II, y), dagegen ist die} Mitte, — wenigstens bei Pyllochaetopterus — frei von Kernen. Ihre Gestalt ist oval, die wasserhelle Substanz enthält ein großes Kernkörperchen. Es war mir leider nicht möglich die Entstehung dieser Paratroche zu verfolgen; wenn erlaubt ist, aus ihrem Bau auf die Entwicklung zu schließen, möchte anzunehmen sein, dass die Flimmerplatten nicht ein- zelnen Zellen entsprechen, sondern dass jede derselben durch Ver- schmelzung mehrerer Zellen, deren Kerne in der gemeinschaftlichen Protoplasmamasse erhalten bleiken entsteht. Wie bemerkt sind die Paratroche mancher Polychaeten als Bewe- gungsorgane reichlich so wirksam, als die Prototroche — da ist es be- deutungsvoll, dass ihnen nach meinen Erfahrungen ein eigenes Nerven- system niemals zukommt. Ich sehe dabei wieder von den postoralen Kränzen ab, die durch Spaltung des Prototrochs entstehen sollen. Am Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 51 lehrreichsten sind die Larven, welche die Wimperapparate des Proto- trochs und des Paratrochs in nahezu gleich starker Ausbildung besitzen, wie die auf Taf. XVI, Fig. 82 abgebildete Phyllodoce: der Ringnerv des ersteren ist überaus deutlich — in den Wimperzellen des zweiten lässt sich auch nicht das feinste Fäserchen entdecken, geschweige denn an- liegende Ganglienzellen. In der erwähnten Figur befindet sich auf der ventralen Seite nahe unter dem Paratroch allerdings eine Nervenzelle — sie hat jedoch bestimmt nichts mit ihm zu schaffen, sondern gehört zur Bauchplatte. Und dass die kolossalen Paratroche der Chaetopteriden keine Rinsnerven besitzen, ist unzweifelhaft (Taf. XVI, Fig. 81 par I, par II). Damit scheint mir das bewiesen, worauf es vor Allem ankommt, dass den Paratrochen ein besonderes Nervensystem, wie es den Prototrochen eigenthümlich ist, mangelt; dagegen ist durchaus nichtfgesagt, dass jene außer allem Zusammenhang mit nervösen Organen stehen. Bei den Chaetopteriden gehen feine Nerven vom Kopfganglion auf der Rücken- seite nach hinten bis zu den Wimperkränzen; dass sie wirklich in den Bewegungszellen endigen, habe ich freilich nicht gesehen, doch dürfte es wahrscheinlich sein. Und auch der anale Prototroch der grünen Phyllodoce scheint vom Kopfganglion innervirt zu werden, die Unter- suchung ist hier jedoch zu schwierig, um ganz unzweideutige Ergeb- nisse zu gewinnen. 8 Auch der Ringmuskel fehlt den meisten Paratrochen. So bei den Phyllodociden, welche einen analen Wimperring bilden, und bei Neph- thys. Die Chaetopteridenlarven, zur Zeit da sie an der Oberfläche des Meeres leben, haben gewöhnlich schon eine ausgebildete Ringmuskel- schicht, von der die Fasern, welche an der Innenseite der Paratroche verlaufen, kaum zu trennen sind; es bleibt weiteren Untersuchungen überlassen zu entscheiden, ob die Bänder unter den Wimperkränzen zuerst und gesondert erscheinen. Um die bei Anneliden gewonnenen Thatsachen mit größerer Sicher- ‚heit verwerthen zu können, habe ich mir auch die sekundären post- oralen Wimperkränze einiger Pteropoden (Pneumodermon, Clio etc.) an- gesehen. Ein Ringnerv fehlt — dagegen besitzt jeder Kranz einen eigenen kräftigen Muskelreifen. Das Nervensystem des Prototrochs ist bei den jüngsten Larven von Lopadorhynchus schon in allen seinen wesentlichsten Theilen vor- handen, die weitere Entwicklung fügt ihm keine neuen Elemente hin- zu, wohl aber stellt sie zunächst durch Ausbildung von Leitungsbahnen immer innigere Verbindungen zwischen dem Ringsystem und den an anderen Stellen des Larvenkörpers entstehenden nervösen Geweben her. Allein auch in den frühesten beobachteten Entwicklungsstufen be- 4* 592 Nieolaus Kleinenberg, stehen außer dem Prototrochnervenapparat einige Ganglienzellen im Ektoderm der Umbrella, diese befinden sich jedoch noch im Zustande unvollständiger Differenzirung, während jener bereits seine funktionelle Reife erlangt hat. Für die Erkenntnis der Verbindungsbahnen dieser zum Theil weit aus einander liegender Zellen ist die Lopadorhynchuslarve kein recht günstiger Gegenstand, weil ihre geringe Durchsichtigkeit dazu zwingt, beinahe Alles auf Schnitten zu untersuchen, ein Verfahren, das zum Auffinden feiner, zwischen dichtgedrängten Zellen sich durch- windender Fäserchen nicht sehr geeignet ist. Versuche mit Goldchlorid schlugen leider ganz fehl und so ist in diesem Theil der Arbeit manche störende Lücke geblieben. Immerhin glaube ich eine in den wesent- lichen Zügen richtige Darstellung des Gesammtnervensystems der Larve geben zu können. Dieselben zwei Arten von Zellen, welche im eigentlichen Proto- trochnervensystem vorkommen, finden sich auch in der Umbrella. Ich niöchte sie mit besonderen Namen bezeichnen, und auf die Vermuthung hin, welche ich über ihre besonderen Funktionen habe, will ich die runden, anfänglich unipolaren Elemente automatische Ganglienzellen, die multipolaren Elemente Reflexzellen nennen, — doch gebe ich ohne Weiteres zu, dass diese Bezeichnungen ziemlich willkürlich sind. Zu ihnen gesellen sich noch in Entwicklung begriffene Zellen, die, bestimmt einen großen Theil des präoralen Centralorgans zu erzeugen, zunächst noch als leicht veränderte Ektodermelemente oder als peri- pherische Sinneszellen erscheinen. Diese entbehren jeder nachweis- baren direkten Verbindung mit dem Prototrochnervenapparat — dem Centralorgan der Larve — während die anderen offenbare innige Be- ziehungen zu ihm haben. So vor Allem ein System von Reflexzellen, das zwar aus anscheinend unreifen Elementen besteht, in seiner An- ordnung dagegen schon vollkommen bestimmt ist. Es enthält bei Lo- padorhynchus sechs multipolare Ganglienzellen mit vorherrschend bi- polarer Ausbildung, wie die des Prototrochnervensystems. Und gerade so. wie hier vereinigen sich vier von den sechs Zellen zu einem Ringe (Taf. II, Fig. 16 5 — wo nur ein Paar der Zellen abgebildet ist —, Taf. III, Fig. 18 5b; Taf. IV, Fig. 19 e; Taf. VII, Fig. 28 c; Taf. XI, Fig. 30 rnz), der in Bau und Disposition genau jenem unterhalb des Ring- nerven entspricht; nur stehen seine Zellen näher bei einander, da er nicht am äquatorialen Prototroch, sondern in beträchtlicher Entfernung von ihm etwa in der Mitte der Umbrella liegt. Das dritte Zellenpaar des Systems befindet sich noch höher hinauf in einiger Entfernung rechts und links vom Scheitelpol (Taf. VII, Fig. 28 b; Taf. XII, Fig. 50 c; Taf. III, Fig. 19 a; Taf. V, Fig. 20 a, rnz). | Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 53 Die Verbindungen dieser sechs Zellen unter einander sind derart, dass die unteren beiden Paare, wie schon gesagt, einen Ring bilden. Von jeder Zelle des oberen Paares geht ein starker Ausläufer nach unten, verzweigt sich bald nach seinem Ursprunge und schickt zwei Fasern aus, die, wenn ich recht gesehen habe, unmittelbar in die bei- den unteren Zellen seiner Seite übergehen. Unter sich kommunieiren die beiden oberen Zellen vermittels eines ziemlich dichten und feinen Netzes am Scheitelpol, in das sich ihre kurzen nach oben gerichteten Fortsätze auflösen. Von den vier unteren, ringförmig angeordneten Zellen gehen dann noch zahlreiche Nervenfasern zum Prototroch. Wie sie in diesem endigen, ob sie unmittelbar in den Ringnerven eintreten, konnte ich nicht her- ausbringen. Auch weiß ich nicht, ob das obere Paar nur durch Ver- mittelung der beiden unteren oder auch auf direktem Wege mit dem Gentralorgan des Prototrochs in Verbindung steht. Endlich innerviren alle sechs Zellen offenbar auch noch peripherische Theile des Ekto- derms der Umbrella: ihre Ausläufer verzweigen sich vielfach und so entsteht ein Netzwerk von Nervenfasern, das besonders am oberen Pol reich entwickelt ist. "Wie im Nervenzellenringe des Prototrochs sind auch zwischen den vier unteren Reflexzellen der Umbrella einige automatische Zellen ein- geschaltet. Dort in drei Gruppen vertheilt, bilden sie hier ein einziges Häufehen von vier oder fünf Zellen, das in der ventralen Mittellinie, meist jedoch etwas unsymmetrisch nach rechts verschoben, gelegen ist (Taf. II, Fig. 16c, gza). ‚Unterhalb der vier Reflexzellen giebt es noch einige Elemente, die bereits die Kennzeichen von Ganglienzellen an sich tragen. Sie sind birnförmig, mit einem einzigen nach innen gerichteten Nervenfortsatz ; ihr Körper ist groß, der verhältnismäßig kleine Kern enthält ein Kern- körperchen. Soleher Zellen bestehen zunächst sechs: zwei mittlere, nahe zu beiden Seiten der ventralen Mittellinie, doch auch wieder etwas gegen die rechte Seite hin; die vier anderen zu Paaren seitwärts von den ersteren (Taf. II, Fig. 16c, gza). Das ist Alles, was die jüngsten Larven von nervösen Elementen besitzen. Von den Nervenzellen der Umbrella sind wenigstens die sechs multipolaren zum Centralapparat der Larve zu rechnen, obwohl ihre Beziehungen zum Prototrochnerven nicht so klar vorliegen, wie die des unteren Nervenzellenringes. Es bleiben noch einige Fragen offen, ‚die nur durch die Untersuchung jüngerer Entwieklungszustände, als mir zu Gebote standen, zur Entscheidung gebracht werden können. 94 Nicolaus Kleinenberg, Auch bei anderen Larven, z.B. von Phyllodociden, Aphroditeen ete., sind Nervenzellen verschiedener Art im Ektoderm der Umbrella leicht nachzuweisen, über ihre Zahl und Anordnung fehlen mir jedoch voll- ständige Beobachtungen. Und sicherlich gehört hierher das peripherische Nervensystem des Scheitelfeldes der Polygordiuslarve, das HATscHek zuerst ausführlich beschrieben hat. Hier gehen von der am oberen Pol gelegenen Scheitelplatte sechs Nervenstämme ab, drei auf jeder Seite. Die stärkste von ihnen ent- springt vom Seitenrande der Scheitelplatte und verläuft gerade ab- wärts bis zum präoralen Wimperkranz. Er besteht aus einer einzigen Faser, in der vier große Ganglienzellen eingeschaltet sind, und endet nach Harscuer’s erster Angabe! am Wimperkranz, mit einer von einigen kleinen Zellen gebildeten Anschwellung, geht dagegen nach seiner neuesten Mittheilung? unmittelbar in den Ringnerven über. Von den vier eingefügten Ganglienzellen (es sind also, beide Seiten zusammengenommen, acht) gehen auch horizontale Fortsätze ab, jede Zelle hat vier ins Kreuz gestellte Ausläufer: einen oberen und einen unteren, die eben den Hauptnervenstamm bilden und die Zellen unter sich und mit der Scheitelplatte in Verbindung setzen; einen ven- tralen und einen dorsalen, welche die peripherische Verästelung hbe- sorgen. Die horizontalen Fortsätze verlaufen parallel dem Seitenrande des Scheitelfeldes, so dass vier koncentrische Bogenlinien entstehen. Die Fasern, welche sie in ihrem Verlauf abgeben, endigen, nachdem sie sich in feinere Fäserchen zertheilt haben, in den Ektodermzellen. Gegen die Peripherie des Scheitelfeldes zu lösen sie sich in immer reichere Verästelungen auf, die zum Theil Anastomosen zwischen den benach- barten Hauptästen bilden, zum Theil dem Wimperkranz zustreben und / höchst wahrscheinlich zur Innervirung der großen geißeltragenden Zellen dienen. [ Diese Darstellung wurde für Polygordius neapolitanus von Fraıpont | im Ganzen bestätigt, nur bestreitet er die Endigung der Nervenfäserchen ' in den Wimperzellen des Prototrochs. Sie sollen vielmehr an der Ober- fläche kugeliger, von gelbem Pigment erfüllter, über dem Wimperkranz | gelegener Ektodermzellen mit kleinen schildförmigen Platten aufhören. " Die Endzellen werden als Sinnesorgane betrachtet, mit deren Hilfe die | Larve erfährt, in welcher Tiefe sie sich befindet. | Harscaek hält die Ganglienzellen einfach für Theile der von der ! Scheitelplatte abgehenden peripherischen Nerven, während ich die | 1 Entw. der Anneliden. p. 28. 2 Entw. d. Kopfes von Polygordius. p. 3. 3 Recherches sur le systeme nerveux central et peripherique des Archianne- | lides. Arch. de Biologie. V. 1884. p. 274. | Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus, 55 ähnlichen Elemente bei Lopadorhynchus für das larvale Gentralnerven- system in Anspruch nehme. Die Gründe dafür sollen später aus ein- ander gesetzt werden; hier bemerke ich nur, dass die verschiedene Auf- fassung zum Theil wenigstens auf den Umstand zurückzuführen sein dürfte, dass die jüngsten von Harscuzk beobachteten Polygordiuslarven einen Theil des bleibenden Annelidennervensystems, nämlich das Kopf- ganglion (Scheitelplatte), schon weit entwickelt hatten. Sie waren also in diesem Sinne sehr viel älter als meine Lopadorhynchuslarven, denen noch fast jede Spur der Anlagen des bleibenden Nervensystems fehlt. Auf der ventralen Fläche der Umbrella liegen die nervösen Ele- mente zwischen Ektodermzellen, die in lebhafter Vermehrung und Um- bildung begriffen sind. In Folge dessen ist hier das ganze äußere Blatt, in einiger Entfernung vom Scheitelpol bis fast an den Prototroch hin verdickt. Oberhalb des Ganglienringes stehen die Zellen dichter in zwei seitlichen, nicht deutlich abgegrenzten Gruppen beisammen (Taf. I, Fig. 16a), histologisch differenzirt sind sie noch nicht. Auf der Höhe des Ringes treten in der Mittellinie einzelne Zellen durch ihre scharfen Grenzen und die Größe ihres Zellkörpers hervor; sie sind an- fänglich gestreckt spindelförmig und reichen mit dem einen Ende an die Oberfläche (Taf. II, Fig. 165). Dann folgen hohe strahlenförmig an- geordnete Elemente (Fig. 16.d), darunter immer einige mit besonders großen Kernen. Seitwärts von ihnen je eine Gruppe ziemlich zahl- reicher junger Ektodermzellen von indifferenter Beschaffenheit (Fig. 16d, sp). Diese Zellenanhäufungen erstrecken sich weiter nach unten, ohne jedoch bis an den Prototroch hinanzureichen, und über ihnen senkt sich das Ektoderm zu einer kleinen Grube ein, die in Fig. I6e ganz abnorm tief ist. Hier liegen in dieser ersten Anlage der Sinnes- platten des Kopfes wieder einige von den großen spindelförmigen Zellen. Im Bereich der Subumbrella sind die Bauchplatten eben erschienen. Ihre histologische Zusammensetzung ist derjenigen der Sinnesplatten des Kopfes zunächst ganz ähnlich, sie bestehen eben nur aus zwei ver- diekten Stellen, wo die Ektodermzellen in Folge häufiger Theilungen dichter gedrängt sind (Taf. II, Fig. 16/,m,n; Taf. VII, Fig. 28a, b,c,d; Taf. XII, Fig. 255, c, bp). Auf den ersten Blick möchte man meinen, das Ektoderm sei hier mehrschichtig geworden, allein Macerationspräparate legen den Sachverhalt sofort klar. Das Ektoderm ist auch hier ein- schichtig; die Kerne liegen wohl in mehreren Schichten über einander, nicht aber die Zellen, denen sie angehören. Die größere Dicke beruht darauf, dass die Zellen in radiärer Richtung länger geworden sind, wobei ihre Kerne in die Tiefe rücken. Das erklärt sich zum Theil aus ihrer Entstehungsweise, zum Theil aus ihrem Verhältnis zu den um- 56 Nicolaus Kleinenberg, gebenden unveränderten Abschnitten des Ektoderms. Die Theilungen erfolgen nämlich bis jetzt nur in radiärer Richtung und die neuent- standenen Zellkörper nehmen gar nicht oder doch nur sehr wenig an Masse zu, dagegen erreichen ihre Kerne sofort nach Beendigung des Theilungsvorganges die Größe der Kerne der Mutterzellen. In der Fläche können die Zellen sich aber wegen des Widerstandes der um- gebenden Gewebe nicht ausbreiten. Und wenn die ganzen Platten an Umfang zunehmen, so geschieht das nur dadurch, dass der Theilungs- antrieb immer weitere Kreise der vorher unveränderten Ektoderm- zellen ergreift. Die Elemente am Rande der Platten haben zuerst breite freie Oberflächen; theilen sie sich, so behalten die beiden Theilstücke zunächst noch die Höhe der Mutterzelle bei, haben aber nur die Hälfte der Breite derselben. Beim nächsten Zerfall in radiärer Richtung finden die Kerneder neuen Generation nicht mehr genügenden Raum, um neben einander liegen bleiben zu können, und da der Widerstand gegen die Tiefe zu geringer ist, ordnen sie sich über einander an; nun zieht sich das peripherische Ende des Zellkörpers aber nicht von der Oberfläche zurück und daher bleibt nichts übrig, als dass die Zelle sich in der Richtung des Radius verlängert und Spindelform annimmt. Dies muss sich um so mehr geltend machen, je länger der Vermehrungsvorgang andauert; doch schon in sehr jungen Bauchplatten finden sich Zellen, deren Masse zum allergrößten Theil vom Kern gebildet ist, während der Zellkörper aus einem langen dünnen Faden und einem kaum wahr- nehmbaren Überzug des Kernes besteht (Taf. XII, Fig. 60). Durch eine Strecke unveränderten Ektoderms von den Bauch- platten getrennt, ganz nahe unterhalb des Prototrochs und seitwärts vom Stomodaeum, findet sich eine kleine paarige Anlage. Sie besteht aus einigen wenigen Zellen, deren Kerne zusammen einen rundlichen Zapfen bilden (Fig. 46h, spm). Das Gewebe des Bauchschildes hat eine eigenthümliche Beschaffen- heit. Am vorderen Rande des bogenförmigen Organs ist es scharf vom übrigen Ektoderm abgegrenzt, nach hinten verliert es sich in den ge- wöhnlichen Ektodermzellen. Seine vorderen Enden erscheinen auf dem Durchschnitt als runde Massen großer Zellen, die nach außen von einer verdünnten Lage gewöhnlicher Ektodermzellen bedeckt sind (Taf. II, Fig. 16n, bs). Die dieken Wandungen der röhrenförmigen Bauchdrüse sind aus einer einzigen Lage sehr hoher pyramidaler Zellen, die strahlenartig den engen Kanal umgeben, zusammengesetzt. Die ovalen Kerne liegen etwa in der Mitte der Zellkörper (Fig. 16m, bad). Auch der Bau des Stomodaeums ist einfach genug. Nach den Kernen _— Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 57 zu urtheilen, besteht es aus einer Lage breiter flacher Zellen, die nur am Mundrande, wo sie in die äußere Körperdecke übergehen, höher werden. Allein die Epithelien des Stomodaeums sind so fest mit einander ver- einigt, dass es unmöglich ist ihre individuellen Grenzen auf Schnitten oder Flächenansichten der lebenden oder konservirten Larven zu er- kennen und auch die Maceration lockert nur sehr schwer ihren Ver- band. Ihre Kerne sind groß und enthalten ein glänzendes Kernkör- perchen, hier und da wohl auch zwei. Die innere Struktur des Zell- körpers erinnert an die Wimperzellen des Prototrochs: das Protoplasma ist an der gegen die Mundhöhle gerichteten Fläche zu einem hellen Saum verdichtet, von dem die CGilien ausgehen, während es im Inneren senkrecht zur Oberfläche fein gestreift erscheint — doch ist das jetzt noch wenig deutlich (Fig. 16h, :,k, st). Alle bisher beschriebenen Elemente befinden sich durchaus im Verbande des Ektoderms. Außerhalb desselben, zwischen ihm und dem Entoderm, besitzen schon die jüngsten Larven einige differenzirte Zellen, die zum Theil bestimmt dem Ektoderm genetisch angehören, zum Theil unbekannter Herkunft sind. Der Ringmuskel des Prototrochs wurde bereits erwähnt. Ein anderer Muskel findet sich konstant auf dieser frühen Entwicklungsstufe. Er besteht aus zwei neben einander liegenden Zellen von spindelförmiger Gestalt, deren mittlere Anschwel- lung den länglichen Kern enthält (Fig 16c, msm). Die Enden dieser bei- den Zellen spalten sich in einige Fasern, das obere setzt sich dem Ekto- derm der Umbrella in der ventralen Mittellinie, etwa auf der Höhe der vier oberen Ganglienzellen, an; das untere an die vordere Wand des Stomodaeums, ein wenig unter dem oberen Rande. Die Wirkungsweise dieses Muskels ergiebt sich ohne Weiteres aus seiner Disposition: bei fixirtem Stomodaeum flacht er die Kuppel der Umbrella ab, bei fixirter Umbrella hebt er das Stomodaeum und zieht es zugleich nach innen. In der größten Ausdehnung des Larvenkörpers besteht Anfangs kein freier Raum zwischen den beiden Blättern, nur zu den Seiten des Stomodaeums finden sich zwei bald weitere bald engere Spalten. Sie enthalten einige junge Muskelfäden, die meist horizontal zwischen Entoderm und Stomodaeum ausgespannt sind (Fig. 16h,i,k) und dann als Retraktoren des Stomodaeums wirken mögen. Keineswegs aber treten sie zu einem kompakten Muskel zusammen; ich glaube nicht einmal, dass sie immer an derselben Stelle bleiben, sondern dass sie hinreichendes Lokomotionsvermögen besitzen, um sich an einer Stelle loslösen und an einer anderen wieder festsetzen zu können. Neben diesen offenbar kontraktilen Elementen giebt es dann noch plattenförmige Zellen, die, dem Entoderm dicht anliegend, eine Art von 58 Nicolaus Kleinenberg, Peritoneum herstellen. Dass dasselbe schon jetzt eine vollständige Hülle des Darms bildet, glaube ich kaum, doch ist sehr schwer darüber zu entscheiden, da diese Zellen so außerordentlich dünne Plättehen sind, dass ihr Vorhandensein oft nur durch kleine, weit aus einander liegende Kerne angedeutet ist (Fig. 16c, p). Das Entoderm endlich besteht überall aus einer einzigen Lage eylindrischer Zellen, die am höchsten in dem weiteren Abschnitt, wel- cher von der Umbrella aufgenommen ist, gegen den unteren Pol zu niedriger werden. Ihr Protoplasma ist ziemlich dicht und enthält die schon erwähnten farbigen Einschlüsse. Die Kerne sind linsenförmig und liegen in der Nähe der Basis ihres Zellkörpers (Fig. 16 en). Dies sind die Elemente der jüngsten Lopadorhynchuslarven, aus denen, zum Theil durch Weiterentwicklung, zum Theil durch Substi- tution, der Annelidenkörper‘hervorgeht. Die topographischen Bezie- hungen der verschiedenen Anlagen und die Umwandlung der äußeren Körperform scheinen mir hinreichend genau angegeben; um lästige Wiederholungen zu vermeiden wird es am zweckmäßigsten sein, dem Verlauf der Entwicklung nicht gleichzeitig nach allen seinen Rich- tungen zu folgen, sondern die Entstehung der einzelnen Organsysteme von der ersten Anlage bis zur Vollendung, so weit es thunlich ist, ge- sondert zu betrachten: hernach wird es leicht sein, die Entwicklungs- geschichte der Organe zu einer Entwicklungsgeschichte des Organis- mus zu verschmelzen. Ich beginne mit dem Neuro-Muskelsystem. Kapitel IV. Entstehung des Ännelids. I. Ektoderm. 1. Neuromuskelsystem. Das Kopfganglion und seine Sinnesorgane. Von den Bestandtheilen des centralen Nervensystems der Anneliden nimmt die Entwicklung das Kopfganglion zuerst in Angriff. Es entsteht auf dem Boden der Umbrella des Larvenkörpers, aber der larvale Centralapparat hat ontogenetisch nur geringen und wahrscheinlich bloß zeitweiligen Antheil an seiner Herstellung. Nur die ventrale Gruppe der automa- tischen Zellen im umbrellaren Nervenzellenring tritt in den histologi- schen Verband des Kopfganglions ein, fast die gesammte Masse dessel- ben geht dagegen aus anderen Elementen hervor, nämlich erstens aus einigen Nervenzellen, die allerdings schon auf der beschriebenen jüng- Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 59 sten Entwicklungsstufe vorhanden sind, doch nicht zu den Bestand- theilen des larvalen Nervensystems gerechnet werden dürfen; zweitens aus Theilen der Sinnesplatten — und dieseliefern den allerwesentlichsten Beitrag; endlich aus indifferenten Ektodermzellen, die unmittelbar oder in ihren Abkömmlingen zu centralen Elementen werden. Dabei steht die Ausbildung der Gewebe des Kopfganglions in natürlichem innigsten Verhältnis zur Entwicklung der peripherischen Abschnitte des Nerven- systems, besonders zu vergänglichen oder bleibenden Sinnesorganen ; sei es dass die centralen und peripherischen Gewebe sich durch Zer- legung Anfangs gemeinsamer Anlagen sondern, sei es dass getrennte Anlagen ihre Elemente austauschen. Es ist für das Verständnis unum- gänglich diese Beziehungen beständig im Auge zu behalten, und ich werde daher die weitere Ausbildung des vergänglichen Nervensystems der Larve mit der Entwicklung des bleibenden Nervensystems des Annelids im Zusammenhang darstellen. In der That entsteht zunächst ein larvales Sinnesorgan auf der Oberfläche der Stelle, wo in der Tiefe des Ektoderms das Kopfganglion angelegt wird. Auf der Höhe der Umbrella, durch welche die Schnitte Fig. 16c,d auf Taf. II gelegt sind, wachsen einige ventral gelegene Zellen aus und scheiden sich scharf von ihrer Umgebung. Es sind, wie mir scheint, Anfangs immer vier, zwei obere und zwei untere. Ihre Kerne vergrößern sich beträchtlich, und das Protoplasma des Zellkörpers . unterliegt einer radiären Differenzirung; zugleich bekleidet sich ihre ‚Oberfläche mit einem dichten Überzuge kurzer kräftiger Wimperhaare (Taf. II, Fig. 18a, b,c), die beständig in lebhafter Bewegung sind. Die beiden oberen Zellen berühren sich, sind aber so gegen einander ge- neigt, dass zwischen ihnen eine kleine Grube entsteht, die, weiter nach unten sich fortsetzend, zwischen dem zweiten Zellenpaare merklich tiefer wird. Die unteren Zellen stehen aber nicht mit einander in Be- rührung, denn zwischen ihnen ist eine Gruppe von drei durch Form und inneren Bau von den ersteren verschiedenen Zellen eingeschaltet (Taf. III, Fig. 48c). Sie sind schmal und hoch, annähernd keilförmig, mit kleinem runden Kern und im Zellkörper weniger deutlich ge- streift als die vorigen. Von ihrer Oberfläche entspringt je ein schmales Bündel unbeweglicher Härchen, die zunächst noch sehr fein und kurz sind. Diesen drei Zellen schließt sich dann nach unten noch eine groß- kernige Zelle an, wie die oberen vier (Fig. 18d). So besteht das ganze Organ aus acht Zellen; die fünf großkernigen halte ich für Stütz- oder Deckzellen, die drei inneren mit den kleinen Kernen dagegen für Sinneszellen. Dafür spricht die Beschaffenheit ihrer Anhänge: jene tragen Wimpern, die sich von den gewöhnlichen 60 Nicolaus Kleinenberg, nicht wesentlich unterscheiden, diese schicken dagegen eigenthümliche, unbewegliche Fortsätze aus, die allem Anschein nach Sinneshärchen sind. Anstatt ihm eine problematische besondere Empfindungsfunktion zuzuschreiben, will ich das Organ einfach das Scheitelorgan nennen. Es liegt von vorn herein nicht genau in der Mittellinie, sondern etwas nach rechts verschoben. Diese Abweichung ist Anfangs gering, wird aber immer deutlicher. Die meisten anderen Organe, sowohl des Larven- als des Annelidenkörpers, sind aufs genaueste symmetrisch vertheilt, und da erscheint diese Abweichung ziemlich auffallend. Man könnte geneigt sein anzunehmen, dass ursprünglich ein symmetrisches Paar von Scheitelorganen vorhanden war, von denen das linke bei Lopa- dorhynchus unterdrückt worden ist. Denn gleichzeitig mit der Anlage des rechts gelegenen Organs sondern sich auf der linken Seite, doch ein wenig tiefer, drei oder vier Zellen ab, mit denen ich sonst gar nichts Rechtes anzufangen weiß. Sie liegen ziemlich tief im Ektoderm einge- senkt, sind sehr groß, rundlich, von grobkörnigem Protoplasma und mit großem kugeligem Kern (Taf. III, Fig. 18e; Taf. IV, Fig. 19%). Zum ‚entstehenden Nervensystem haben sie ganz und gar keine nachweis- baren Beziehungen; Drüsenzellen können sie schon ihrer Lage wegen nicht sein; wenn sie aber zu degeneriren beginnen — und das tritt sehr frühzeitig ein — dann bekommen sie durch die Art ihrer regres- siven Metamorphose eine unverkennbare Ähnlichkeit mit den außer Funktion gesetzten Sinneszellen des Scheitelorganes, die, wie sich weiterhin ergeben wird, gleichfalls, nur später, zu Grunde gehen. Diese Ähnlichkeit ließe vermuthen, dass jene Zellen die letzten Über- bleibsel eines linken Scheitelorgans sind. Dagegen spricht aber wie- der die Thatsache, dass bei vielen anderen Polychaeten die homologe Bildung durchaus unpaarig, genau in der Mittellinie auftritt. So wie das Scheitelorgan angelegt ist, beginnt über und neben ihm eine rege Bildung von Ganglienzellen. Über ihm treten einige auto- matische Zellen auf, die sich der mittleren Gruppe des umbrellaren Ganglienringes so unmittelbar anschließen, dass zwischen beiden keine Grenze zu ziehen ist (Taf. II, Fig. 185, gzb). Dies ist die einzige Stelle, wo das Larvennervensystem sich vielleicht direkt an der Herstellung des Kopfganglions betheiligt. Rechts und links vom Sinnesorgan entsteht je eine Gruppe birn- förmiger Ganglienzellen, deren Hauptfortsätze sich unter der Grube gegen einander schieben (Taf. III, Fig. 18c, gza). Ob durch diese Fort- sätze schon jetzt direkte Verbindungswege zwischen der rechten und linken Seite hergestellt sind, konnte ich nicht entscheiden. Einige dieser Zellen treten aber sicherlich in nächste Beziehung zum Sinnesorgan Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 61 und dürfen als dessen besonderer centraler Apparat aufgefasst werden; so das am meisten nach unten gelegene Paar (Taf. III, Fig. 18d, gza), dem sich später ein zweites, höher gelegenes anschließt. Am unteren Rande der Grube differenziren sich keine Ganglien- zellen. Alle diese centralen Elemente gehen aus der unmittelbaren Um- wandlung von gewöhnlichen Ektodermzellen hervor, offenbar im An- schluss an das entstehende Sinnesorgan und durch dessen Vermittelung. Andere Zellen nehmen dagegen zuerst das Wesen indifferenter Sinnes- zellen an, bevor sie zu Theilen des centralen Systems werden. Dies findet in den Sinnesplatten und in den Tentakelanlagen statt. Jene waren bereits im vorhergehenden Stadium vorhanden, diese entstehen jetzt erst. Zunächst die Anlagen der Scheitelantennen. Einige wenige Zellen theilen sich in rascher Aufeinanderfolge, die Zellkörper ziehen sich fadenförmig aus, ihre kleinen ovalen Kerne drängen sich im engen Raume neben und unter einander und so kommt eine kompakte an- seheinend nur aus Kernen bestehende Verdichtung zu Stande, die wie ein Zapfen das hier stark verdickte Ektoderm schräg von oben und außen nach unten und innen durchsetzt (Taf. XII, Fig. 52 im Sagittalschnitt, Taf. II, Fig. 18a im Querschnitt). Die untersten Kerne reichen bald bis dicht an die automatischen Zellen oberhalb des Scheitelorgans hinan. Die Anlagen der bleibenden vorderen Antennen erscheinen, wie schon bemerkt, zuerst als kleine gesonderte Ektodermwucherungen. Frühzeitig verbinden sie sich mit den Sinnesplatten. Erst dann treten einige der Zellen dichter zusammen und bilden eine Verdichtung, die jener der Scheitelantennen ganz ähnlich ist (Taf. III, Fig. 18c, aa). Unterhalb und etwas seitwärts von ihnen entstehen die Geruchs- organe als flache Einsenkungen der Sinnesplatten. Die Zellen, welche den Boden der Grübchen herstellen, erfahren gleichzeitig eine charak- teristische Umbildung: sie nehmen die Form hoher Pyramiden an; ihr Kern verschiebt sich gegen die Basis und der über ihm gelegene Theil des Zellkörpers wird hell und feinkörnig (Taf. II, Fig. 185, go). Von ihrer Oberfläche entspringen feine aber gleich ziemlich lange Flimmer- härchen. Gegenwärtig sind diese. Anlagen noch nicht scharf von ihrer Umgebung geschieden und zwischen ihnen und den vorderen Antennen liegt ein großer Theil der Zellen der Sinnesplatten, die erst später be- sondere Entwicklungsantriebe erhalten. Die folgende Ausbildungsstufe ist durch das Auftreten des Kopf- sschildes bezeichnet. Dies hat zwar funktionell nicht das Geringste mit dem Nervensystem zu thun, anatomisch schließt es sich dagegen so eng dem nervösen Gewebe der Umbrella an, dass es in der Entwick- 62 Nicolaus Kleinenberg, lungsgeschichte des Kopfganglions kaum außer Spiel gelassen werden kann. Sein Ursprung geht auf einige der Ektodermzellen zurück, welche im vorigen Stadium unterhalb der Anlagen der Scheitelantennen lagen. Diese Zellen ziehen sich von der Oberfläche in die Tiefe des Ektoderms zurück und dabei scheidet sich in ihrem Inneren eine klare Flüssigkeit aus, die schnell so sehr zunimmt, dass das Protoplasma zu einer dünnen membranartigen Hülle ausgedehnt wird, die an einer Stelle den geschrumpften Kern enthält. Die derart umgebildeten Zellen rücken an einander und erhalten unregelmäßig polyedrische Formen; auf den Durchschnitten gefärbter Präparate kann es scheinen, als läge ein Gewebe mit reichlicher, von kernhaltigen Fasern durch- setzter Intercellularsubstanz vor, allein die eben gegebene Beschrei- bung ist die richtige: die scheinbare Zwischensubstanz befindet sich thatsächlich innerhalb der Zellkörper und die Fasern sind Durch- schnitte der protoplasmatischen Wandungen (Taf. II, Fig. 195; Taf. IV, Fig. 19c, ks). So entsteht im Inneren des Ektoderm ein scharf be- grenztes bogenförmig nach unten gekrümmtes Organ, das durch seine beträchtliche Dicke eine Erhebung der Oberfläche hervorruft. Das Kopfschild erreicht seine definitive Ausbildung und Größe sehr schnell; man trifft nur selten auf Larven, an denen der allmähliche Übergang der indifferenten Ektodermelemente in die von ihnen so verschiedenen Zellen des Kopfschildes zu verfolgen ist; meistens fehlt es entweder ganz oder ist schon vollständig da. Trotzdem glaube ich mich über- zeugt zu haben — und dies stimmt gut mit der schnellen Entstehung zusammen, — dass Zelltheilungen bei seinem Wachsthum gar keine, oder eine ganz untergeordnete Rolle spielen, sondern dass es sich dabei um theils gleichzeitige, theils rasch auf einander folgende en _ bereits vorhandener Zellen handelt. Sehr bald nach dem Auftreten des Kopfschildes vollzieht sich eine weitere Sonderung innerhalb der Sinnesplatten. In dem Theil der- selben, welcher zwischen der vorderen Antenne und dem Geruchs- organ übrig geblieben war, treten wiederum einige Zellen zu einer kleinen zwiebelförmigen Verdichtung zusammen — die Anlage der hin- teren Antenne (Taf. IV, Fig. 19:, ap). Endlich erscheint auch die einzige Anlage, welche auf der dorsalen Fläche der Umbrella ihren Sitz hat: den vorderen Antennen gegenüber, nahe zu beiden Seiten der dorsalen Mittellinie, bildet sich je eine kleine Ansammlung junger Ektodermzellen, die in Form und Entstehungsweise den Anlagen der Scheitelantennen oder den jüngsten Stadien der blei- benden Fühler ganz ähnlich ist. Sie mögen Rückenantennen heißen (Taf. IV, Fig. 19h, ad). Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 63 Damit sind sämmtliche ektodermalen Anlagen der Umbrella herge- stellt. Diejenigen, welche bereits vorher bestanden, haben sich unter- dessen zum Theil beträchtlich vergrößert. Am auffallendsten ist die Vermehrung der reflektorischen Zellen in der Anlage des Kopfganglions. Sie bilden jetzt oberhalb des Scheitelorgans, nahe an den äußeren En- den der Scheitelantennen ein breites Band, das quer über die Mittellinie hinzieht (Taf. III, Fig. 19a,b, gza). Aber auch die automatischen Zellen haben an Zahl zugenommen und liegen nun zwischen den absteigenden Schenkeln des Kopfschildes (Taf. IV, Fig. 19c, gzb). Der wesentlichste Fortschritt in der nächsten Entwicklungsperiode besteht einerseits in der vollkommneren Sonderung der Sinnesorgane, andererseits in der Herstellung von Verbindungen zwischen ihnen und den centralen Geweben und zwischen den Ganglienzellen unter ein- ander. Zunächst erfährt das Scheitelorgan eine weitere Ausbildung und erreicht bald den Höhepunkt seines formalen und funktionellen Be- standes, Die Stützzellen vermehren sich zwar nicht, nehmen dafür aber stark an Umfang zu, und da das Kopfschild besonders das obere Zellen- paar vordrängt, erhebt sich über der Grube eine vorspringende breite Leiste, deren Oberfläche mit dichtstehenden Wimpern bekleidet ist (Taf. II, Fig. 195). Die drei Sinneszellen des Organs sind größer ge- worden und bilden zusammen einen etwa kelchförmigen Körper mit dicken Wänden, einer verhältnismäßig kleinen aber tiefen Höhle und einem kurzen sehr verschmälerten, nach innen gerichteten Fuß (Taf. IV, Fig. 19d—9, sg): vom Grunde der Höhle aus ragen die langen haken- förmigen Haarbüschel weit nach außen hervor; am Fuß setzt sich nun der vorhin erwähnte, unterdess stärker gewordene mediane Um- brellamuskel an. Dann scheiden sich die Geruchsorgane deutlicher von den ande- ren Theilen der Sinnesplatten und ihre perecipirenden Zellen erhalten die definitive Struktur; die Kerne rücken ganz an die Basis, das Protoplasma des Zellkörpers wird klar und stark lichtbrechend, die Wimpern wachsen in die Länge (Taf. IV, Fig. 49%, go). Zugleich erhält jedes Geruchsorgan einen besonderen Apparat centraler Ner- venzellen; an seiner medianen Seite sondert sich je ein Paar der großen Reflexzellen, deren Hauptfortsätze zwischen die Sinneszellen eindringen (Fig. 19%). Seine volle Funktionsfähigkeit hat das Organ noch nicht erreicht, denn dazu gehört offenbar, dass es aus- und ein- gestülpt werden kann, und dies ist vorläufig nicht möglich, weil der dazu gehörige Muskelapparat fehlt. Auch ist nicht zu übersehen, dass die Wandungen der Grube nicht überall so vollkommen abgegrenzt 64 Nicolaus Kleinenberg, sind, wie es auf dem in Fig. 19% abgebildeten Durchschnitt erscheint; ihr oberer seitlicher Theil geht unmittelbar in die Gruppe nicht diffe- renzirter Zellen der Sinnesplatte über, die in Fig. 19i seitwärts von den beiden bleibenden Antennen liegt. - Die Anlagen der Scheitelantennen konstituiren sich überhaupt nicht zu peripherischen Sinnesorganen, aber die Zellvermehrung ist in ihnen sehr rege — sie sind nichts weiter als Zellbildungsherde. .Und die von ihnen erzeugten Elemente drängen sich in die Tiefe des Ektoderms, ziehen längs den Seiten der medianen Gruppe automatischer Zellen abwärts und treten unterhalb derselben zu zwei kompakten Gruppen zusammen, die sich nach unten und seitwärts scharf von ihrer Um- gebung scheiden und daher zu rundlichen keulenförmigen Körpern werden (Taf. IV, Fig. 19c—e, avg). So bilden sich die oberen oder vor- deren Lappen des Kopfganglions. Es ist nicht möglich zu bestimmen, ob alle Zellen dieser Lappen von den Anlagen der Scheitelantennen abstammen, für den größten Theil ist dies aber sicher und noch lange Zeit bleibt die obere Fläche des Kopfganglions mit den Anlagen der Scheitelantennen durch einen Zellenstrang verbunden. Anders verhalten sich die Anlagen der vorderen und hinteren Antennen: bei diesen bildet sich zunächst vorwiegend der Theil aus, welcher in Form einer ovalen Knospe die Grundlage des Sinnesorgans darstellt. Allein auch hier ist die Zellvermehrung in der Tiefe am leb- haftesten und das Material, das da entsteht, wird nicht in das Sinnes- organ eingezogen, sondern tritt auf jeder Seite an den vorderen Hirn- lappen, verschmilzt in der Mitte mit ihm, bleibt aber seitlich durch einen tiefen Einschnitt von ihm getrennt, und bildet so den gleichfalls keulenförmigen hinteren Lappen des Kopfganglions. Die Anlagen der Antennen zerfallen also in einen äußeren Abschnitt, dem die Perception übertragen wird, und einen inneren Abschnitt, dem die Funktionen centraler Nervengewebe zufallen. An der Herstellung des hinteren Lappens betheiligen sich beide Antennenanlagen, wenn auch vielleicht überwiegend die vordere. Der Zusammenhang zwischen den An- tennenanlagen (aa und ap) und dem Kopfganglion (ag) tritt in den Fig. 19e, f, g auf Taf. IV nicht sehr deutlich hervor, doch liegt das nur an der Schnittrichtung; klarer ist er schon in Fig. 20h, Taf. V, trotzdem das Präparat von einer älteren Larve herstammt; völlig überzeugend stellen sich die Verhältnisse nur auf schräg geführten Längsschnit- ten dar. Während so von Seiten der Sinnesorgane reichliche Zellmaterialien zur Begründung des Kopfganglions geliefert werden, vermehren sich auch jene Zellen, die direkt, ohne die Zwischenstufe embryonaler Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 65 Sinneszellen zu durchlaufen, sich in centrale Nervenelemente verwan- deln. Die bereits vorhin erwähnte Ansammlung von Reflexzellen, be- sonders über und hinter dem Kopfschild, dauert fort und zugleich er- scheinen ziemlich viele solcher Zellen in der Ektodermzone zwischen den Antennenanlagen beider Seiten (Taf. IV, Fig. 19:). Dann sondert sich rechts und links eine Gruppe von vier oder fünf dieser Zellen, deren Fortsätze in den entsprechenden vorderen Hirnlappen eindringen (Fig. 19d, gza). Und an anderen Stellen treten neue automatische Zellen auf: einige Paare zu den Seiten des Scheitelorgans (Fig. 19e, gzb) und je eine an der medianen Seite der vorderen Antennen (Fig. 199, gzb). Fast eben so wichtig wie die Differenzirungen von Nervenzellen ist ein Vorgang, der erst auf dieser Entwicklungsstufe deutlicher wird und größere Ausdehnung gewinnt: die Herstellung der nervösen Lei- tungsbahnen. Sicherlich bestanden schon vorher, und reichlich genug, Verbindungen von Zellfortsätzen — zur Bildung von Faserbündeln, die den Nerven des Annelidenkörpers entsprechen, kommt es erst jetzt. Vor Allem treten die neugebildeten Ganglienzellen der Umbrella in innigere Verbindung mit dem Ringnerven des Prototrochs: viele Ele- mente der Scheitelantennen, der Sinnesplatten, die Reflexzellen geben einen nach innen gerichteten Fortsatz ab, der sofort nach unten um- biegt und sich mit den entsprechenden Ausläufern nahe gelegener Zellen vereinigt. So entstehen Anfangs recht wenige aber starke Nerven- fasern, die gegen den Prototrochnerven verlaufen und in ihn aufge- nommen werden (Taf. IX, Fig. 30.hc; Fig. 31 von einem älteren Stadium). Etwas später stellt sich auch die direkte Verbindung der beiden Hälften des Kopfganglions her. Die Zellen der vorderen und hinteren Lappen treiben Ausläufer gegen die Mittellinie, und diese greifen bald von der einen auf die andere Seite über. Das sind die ersten Anfänge der Querkommissur des Kopfganglions. Die Kommissurfasern aller vier Lappen vereinigen sich zu einem lockeren in der Mitte sehr dünnen Strang, und da an der Stelle, wo sie zusammentreffen, gerade der vom Stiel des Scheitelorgans entspringende mediane Umbrellamuskel nach abwärts verläuft, geschieht es, dass einige Fasern vor, andere hinter ihm sich vereinigen. Der Muskel kommt also inmitten der Fasern der Querkommissur des Kopfganglions zu liegen (Taf. IV, Fig. 19e). Nach abwärts gehen die Fasern der Querkommissur unmittelbar in die Ver- bindungsstränge zum Prototrochnerven über; die ersteren sind also wie ein mittleres Schlussstück zwischen die letzteren eingeschaltet und in Folge dessen entsteht ein Halbkreis, der mit seinen beiden Enden im Prototrochnerven drin steckt (Taf. IX, Fig. 30, 31 he). Die Leitungsbahnen zwischen den empfindlichen Antennen und Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLIV. Bd. . 5 65 Nicolaus Kleinenberg, dem Centralorgan sind schon durch die Entstehungsweise des letzteren vorgezeichnet — ein großer Theil des Kopfganglions geht ja aus Ele- menten, die ursprünglich den, Sinnesplatten angehörten, hervor. Die Zellen, welche sich ablösen um zum Centralorgan geschlagen zu wer- den, bleiben aber mit einem Faden im Sinnesorgan stecken. Hier sind also. die Nerven unmittelbar durch die Verlegung peripherischer Ele- mente ins-.CGentrum gegeben. Weiterhin treten dann die Antennen- nerven an die Kommissur und tragen wesentlich zur Verstärkung der- selben bei. Wie man sieht. wird: das Kopfganglion eigentlich erst auf dieser Entwicklungsstufe angelegt —. Elemente, die in seinen Verband: auf- genommen werden, bestanden wohl schon lange vorher, allein ihre Vereinigung zu einem besonderen Organ ist eine Errungenschaft des weit vorgeschrittenen Larvenlebens. Ä Dann erreicht das Nervensystem der Umbrella bald seine größte Ausdehnung: zwar bleiben besonders einige der Sinnesorgane auf so niederer Entwicklungsstufe, dass sie gewiss. noch nicht funktionsfähig sind, aber alle Theile des.präoralen Annelidennervensystems sind: schon angelegt und neben ihnen besteht und funktienirt der gesammte ver- gängliche Apparat der Larve. Die Vergleichung der Schnittreihen Fig. 20 a—k auf Taf.V, mit Fig..19a—h auf Taf. II und IV zeigt, dass der Fortschritt nur in der Vervollständigung bereitsvorhandener Theile beruht. Zu bemerken ist. das Auftreten je einer automatischen Zelle in.den Scheitelantennen (Fig. 20a, gzb). Die automatischen Zellen, welche vorher in einem medianen Haufen vereinigt waren, scheiden sich in zwei seitliche Gruppen und rücken tiefer hinab, um sich dem vorderen Lappen des Kopfganglions- anzu- fügen (Fig. 20e, gzb).. Eine entsprechende Sonderung erfahren. auch die Reflexzellen, das quere Band, in dem sie angesammelt waren, löst sich auf, doch so, dass: bei der Sonderung zweier seitlicher Abschnitte noch eine mittlere Gruppe erhalten wird (Fig. 20a, db, c, 92a). Die seitlichen Theile treten abwärts an die unteren Reflexzellen und mit diesen ver- einigt an die vorderen Stirnlappen. Diese werden zum Sammelplatz der verschiedenartigen nervösen Elemente — an ihrem Aufbau nehmen Theil die kleinen spindelförmigen großkernigen Sinneszellen der Schei- telantennen, die rundlichen automatischen Ganglienzellen und die großen birnförmigen Reflexzellen (Fig. 20e). Die hinteren Lappen (Fig. 209, ag) dagegen bestehen fast ausschließlich aus dem Material, das dem Kopfganglion von. Seiten der beiden bleibenden Antennen- paare zugeführt wird, nur einige wenige automatische und reflektorische Elemente schließen sich ihnen an. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 67 Von den Sinnesorganen ist das Scheitelorgan in voller Thätigkeit und die Geruchsorgane haben ihren Muskelapparat erhalten. Zugleich verdickt sich ein Theil ihrer Wandung bedeutend, so dass die Kerne der Zellen in mehreren Schichten über einander gelagert sind und hier geht die Wandung unmittelbar in die ihr anliegenden Reste der Sinnes- platte über. Zugleich vervollständigen sich die Leitungsbahnen. Die Faser- schlinge verdickt sich, und da man sie unschwer durch Maceration iso- liren kann, lässt sich feststellen, dass sie ohne alle Unterbrechungen oder Einschaltungen, die auf ihre Entstehung aus Theilen verschiede- nen Ursprungs hindeuteten, von dem einen ihrer Ansatzpunkte am Prototrochnerven zum anderen verläuft. Dieser Umstand hat seine Be- deutung, da, wie vorhin erwähnt, der oberste mittlere Theil der Schlinge zur Querkommissur des Kopfganglions wird, während: ihre absteigen- den’Schenkel den umbrellaren Abschnitt der Schlundkommissur dar- stellen: es besteht also von Anfang an eine Kontinuität dieser wichtigen Verkehrsstraßen des centralen Nervensystems. Und nun stellt sich auch eine Verbindung der Centralorgane der Umbrella mit der Subumbrella her, in der Weise, dass die Schenkel der Kommissur nicht mehr im Prototrochnerven endigen; sie ver- schmelzen zwar nach wie vor mit ihm, aber von der Eintrittsstelle gehen jetzt einige Fasern ab, die zu einem dünnen Strang vereinigt im Ekto- derm der Subumbrella weit nach hinten verlaufen (Taf. IX, Fig. 34 Isn). "Wenn die Entwicklung der nervösen Bestandtheile der Umbrella diese Stufe erreicht hat, dann beginnen die Umbildungsvorgänge nach zwei entgegengesetzten Richtungen aus einander zu gehen: die Sinnes- organe und die centralen Zellen der Larve erleiden eine rückläufige Metamorphose, die sie bald funktionell außer Stand setzt und schließ- lich ihren völligen Schwund herbeiführt, während gleichzeitig die Sin- nesorgane und: centralen Nervengewebe des Annelids immer entschie- dener auf dem Wege physiologischer und morphologischer Vervollkomm- nung vorschreiten und sich Schritt für Schritt ihrem definitiven Zustande nähern. Der Rückbildung unterliegen zuerst die ältesten und einst gewiss für das Leben der Larve unentbehrlichsten Nervenapparate. Das Proto- plasma der sechs primären Reflexzellen zerfällt in unregelmäßige Brocken, es sieht aus, als wäre es geronnen oder der Einwirkung starker Chrom- säure’ausgesetzt worden. Die Kerne bewahren längere Zeit ihre Form und Beschaffenheit, schließlich treten auch in ihnen neben reichlicher Flüssigkeit einzelne Gerinnsel auf und ihr kreisförmiger Kontour wird eckig. Dann sind die Zellen gewiss schon abgestorben, aber ihre Leich- 5* 68 Nicolaus Kleinenberg, name erhalten sich noch lange Zeit inmitten lebenskräftiger Gewebe; nach und nach schrumpfen sie mumienartig ein. und verschwinden schließlich, ohne irgend welche Spur zurückzulassen. ... Dasselbe Schicksal trifft einen Theil der Reflexzellen, die in nähe- rer Beziehung zum Kopfganglion stehen, besonders die oberhalb der vorderen Hirnlappen gelegenen. Zuerst ändern sie ihre Form, aus den birnförmigen werden sternartige Zellen (Taf. VI, Fig. 21a, b, 92a); dann degenerirt das Protoplasma, und biszu ihrem gänzlichen Schwunde liegen sie wie Fremdkörper im Ektoderm, oft’ innerhalb eystenartiger von klarer Flüssigkeit erfüllter Räume. Allein nur ein Theil dieser Zellen geht zu Grunde. Ein anderer Theil bleibt erhalten, doch unter der Bedingung einer auffälligen Um- wandlung. Gruppen dieser Zellen legen sich mit ihren Körpern dicht an das Kopfganglion, dringen geradezu in dasselbe ein und dabei schrumpft ihr großer Körper allmählich zusammen; nach außen ragt noch ein beträchtlicher, in einen Fortsatz ausgezogener Theil derselben vor, aber auch dieser schwindet. Zugleich ändert sich die Beschaffen- heit des Kernes: er nimmt an Größe ab, bekommt eine ovale Form, das große stark lichtbrechende Kernkörperchen löst sich auf und die ganze Kernsubstanz verdichtet sich (Taf. VI, Fig. 21c, gza). Dann sind diese Zellen von den Elementen des Kopfganglions, welche von den Anlagen der Sinnesorgane herstammen, nicht mehr zu unterscheiden. Was aus den automatischen Ganglienzellen- wird, ist schwieriger festzustellen, sie verschwinden während der späteren Entwicklung — aber in welcher Weise? Ich habe nie eine von ihnen im Zerfall begrif- fen gefunden, und daraus möchte ich schließen, dass sie auf ähnliche Art wie die eben erwähnten Reflexzellen umgewandelt und dem Kopf- ganglion einverleibt werden; nachweisen konnte ich das aber nicht. ‘Von den Sinnesorganen geht zuerst das Scheitelorgan zu Grunde. Die Verkümmerung beginnt mit den drei Sinneszellen. Ihr inneres Protoplasma ballt sich zu einem rundlichen feinkörnigen sehr dichten Klumpen zusammen; dann schwindet der Kern und die hakenförmigen I Sinneshärchen erscheinen wie zerzaust, unordentlich durch einander geworfen, werden immer kürzer — als ob Stücke von ihnen bei den } heftigen Bewegungen der Larve abrissen — bis sie gänzlich zerstört sind (Taf. VI, Fig.21 d, e, f). Die Zellkörper lösen sich nach und nach auf. Nur wenig später als das Scheitelorgan werden die Scheitelantennen ie unterdrückt. Doch hat der Vorgang hier ganz andere Form und Bedeu- ] tung. Die Elemente des ersteren werden durchaus vom Anneliden- Id körper ausgeschlossen, die Zellen der Scheitelantennen werden da- gegen in veränderter Form dem bleibenden Organismus einverleibt. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 69 Das schon frühzeitig beginnende Übertreten derselben in die Anlagen des Kopfganglions, dessen vorderen Lappen sie zum größten Theil her- stellen, geht eben’einfach so weit, dass dabei das Material der ursprüng- lichen Scheitelantennen aufgebraucht worden ist und sie als solche zu bestehen aufgehört haben. Ich will nicht sagen, dass alle ihre Zellen ohne: Ausnahme ins Kopfganglion eintreten, ein kleiner dicht an der Oberfläche liegender Theil derselben verliert in den späteren Zeiten der Entwicklung den Zusammenhang mit dem Kopfganglion und wird vom umgebenden Gewebe resorbirt. In Fig. 21 a, b, c sind die Schei- telantennen, obschon stark redueirt, noch vorhanden, in Fig. 22 und 23, die spätere Stadien darstellen, fehlen sie dagegen. "Von ihrem ersten" Auftreten an sind die Anlagen, welche ich Rückenantennen nannte, um keinen Schritt vorwärts gekommen, höch- stens dass die Zahl ihrer Zellen um ein Geringes größer geworden ist. Nachdem ich erkannt hatte, dass diese Bildungen nicht eine bloße Ent- wieklungskaprice von Lopadorhynchus vorstellen, sondern bei vielen, den verschiedensten Familien angehörenden, Polychaetenlarven kon- stant vorkommen, behielt ich sie fortwährend im Auge, um zu sehen, ob sie sich nicht in irgend einer Weise an der Herstellung funktionirender Gewebe — Nerven, Muskeln, was weiß ich sonst — betheiligen. Aber vergebens. Ich habe auch nicht eine Zelle finden können, die sich von ihnen’ abgelöst und irgend welche Thätigkeit gezeigt hätte. Und merk- würdigerweise erhalten sich diese, in der richtigen Bedeutung des Wor- tes rudimentären, Anlagen außerordentlich lange Zeit (Taf. VI, Fig. 225, ad); bei’ jungen Würmern, die von den Larvencharakteren nur noch eine leichte Schwellung des Kopftheils nachbehalten haben, sind sie noch vorhanden; sie verschwinden erst wenn die Neubildung der Epi- dermis:auf die ;darääle Kopffläche übergreift. Lange vorher ist es auch mit dem Kopfschilde zu Ende gegangen. Als-wäre es einem Macerationsverfahren ausgesetzt gewesen, lösen sich die eng zusammengefügten Zellen des kompakten Organs von einander und zerstreuen sich, rundliche Formen annehmend, in unregelmäßige Häufchen (Taf. VI, Fig. 22a, b, c, ks). Bei dieser rückgängigen Meta- morphose wird der rein zellige Bau, der Mangel jeder Intercellularsub- stanz, ohne Weiteres klar. Späterhin sind keine Spuren dieses larvalen Organs aufzufinden. - u Der Schwund so vieler Gewebselemente im Ektoderm der ven- tralen Fläche der Umbrella hat zur Folge, dass der vorspringende Kopf- wulst immer flacher wird und zuletzt ganz verstreicht. Und wenn sich auch das Kopfganglion von seiner Bildungsstätte abgelöst hat, ist das Ektoderm hier nicht mehr dicker als an anderen Stellen des Körpers. 70 Nicolaus Kleinenberg, Während so das larvale Nervensystem der Umbrella niedergerissen wird, schreitet der Ausbau der Annelidenorgane rüstig fort. Die Entwicklung der Antennen verläuft sehr einfach. Zunächst vervollständigt sich die Sonderung des peripherischen Absehnittes, welcher zum Sinnesorgan wird, ‚von. dem hinteren Lappen: des Kopf- ganglions, jedoch besteht noch lange ein. kontinuirlicher Übergang der Sinneszellen zu den Ganglienzellen vermittels 'einiger Elemente, von denen nicht zu ‚sagen ist, ob: sie zur'Antenne oder zum Kopfganglion gehören (Taf. VI, Fig. 214 c). Bisher waren die Antennenknospen völ- lig in das Ektoderm eingesenkt, ja über der Spitze. ihres: zwiebel- förmigen Körpers senkte sich die Oberfläche zu| einer kleinen Grube ein — jetzt beginnen sie nach außen vorzuragen. .„Es.ist ein eigen- thümlicher Wachsthumsvorgang, der, dies bewirkt: die an: der: Spitze gelegenen Zellen schicken Fortsätze gegen die Oberfläche aus;.in Folge dessen erhebt sich auf dem, Grunde der Grube ein: kleiner Zapfen, der keine Kerne enthält, sondern ‚bloß aus einem ‘Bündel feiner: Zellfort- sätze besteht (Taf.'Vl, Fig. 2he, aa, Fig. 21.9, ap). Bei-seiner Vergröße- rung. nimmt ‚der Zapfen die Form eines breiten 'Kegels an, der: sich etwas gegen die Rückenseite krümmt;; dabei erscheint es, als bildete die Spitze einen festen Punkt für die Anheftung der'Zellfortsätze, ‚so: dass diese ihre Kerne nach sich und in den vorragenden Köpfanhang hinein ziehen ;. dann bestehen die Antennen zum größten Theil aus Kernen — der ‚Protoplasmaüberzug derselben ist äußerst dünn —- und nür ihr äußerstes feingestreiftes; Ende bleibt kernlos (Taf. VL, Fig. 22a— ec. Fig. 23.b, c; Taf. VH, Fig.23 d, e). Zugleich wächst der Antennennerv an; er bildet die Achse des Kegels und richtet: sich unter der; Körper- oberfläche etwas schräg. gegen den hinteren Lappen des Kopfganglions, mit dessen Fasersystem er verschmilzt. (Taf. VI, Fig.’ 22% c, .. 23:65 Taf. VII, Fig. 23 d). Im Laufe der kann vollzieht sich eine Änderung der gegen- seitigen Stellung der Antennen. Zuerst lag die eine hinter der:anderen, dann rücken sie so:zusammen, dass die ‚hintere fast gerade: über die vordere zu stehen. kommt ‚jetzt weichen sie wieder nach vorn‘ und hinten: aus einander. | | Die histologischen Sonderungen innerhalb der Antennenanlagen, welche zur Herstellung ihrer specifischen Gewebe führen; 'habe ich nicht vollständig verfolgt; sie sind ziemlich verwickelt und: bedürften um- ständlicher Untersuchungen um klar gelegt'zu werden. Für den! Zweck dieser Arbeit war das nicht nöthig. Was die Geruchsorgane anbetrifft, so waren. sie schon auf dan vori=- gen Entwicklungsstufe im: Wesentlichen hergestellt.“ Sie ‘werden zu Die Entstehung des Annelids aus’der Larve von Lopadorhynchus. 7} immer tieferen eiförmigen Säckchen mit enger Höhle (Taf. VI, Fig. 22 d; Taf. VII, Fig. 23 d, e, go), die ausgestülpt ziemlich lange, gestielte pilzförmige Anhänge darstellen. Während das eigentliche Sinnesorgan also nur leiehte Veränderungen durehmacht, um fertig zu sein, ent- wiekelt sich der ihm zugehörige Leitungs- und Gentralapparat be- deutend. Wie vorhin bemerkt, war die innere Wand des Säckchens mit den Resten der Sinnesplatte verschmolzen und hier ist die Ver- mehrung der Zellen sehr rege. Es entsteht ein rundlicher Körper, der den Riechsäcken an der oberen Wand ansitzt und schon einen dünnen Faserstrang enthält (Taf. VI, Fig. 22.d, 99); ein besonderes Ganglion für das Geruchsorgan. Dann theilt 'sich diese Ganglienmasse in zwei Ab- schnitte;'der'innere, größere legt sich dem hinteren Lappen des Kopf- ganglions an, verschmilzt mit ihm und bildet jederseits einen ‘dritten, lange 'Zeit’‘deutlich abgegrenzten Hirnlappen (Taf. VI, Fig. 23 d); der äußere Abschnitt bewahrt seine innigere Beziehung zum Gerüchsorgan und wird zu dessen bleibendem, beim ausgewachsenen u recht beträchtlichen besonderen Ganglion. \ “Aus der vorstehenden Entwicklungsgeschichte erkiebt sich, wie außerordentlich komplieirt der Ursprung des Kopfganglions ef bei den Anneliden ist. Mit diesem Nachweis war meine Aufgabe im Wesent- lichen 'erschöpft, '— die folgenden Umbildungen des umbrellaren Gen- tralorgans von ’Lopadorhynchus haben nur untergeordnetes Interesse. "Beim erwachsenen Thier ist die Form des Kopfganglions von der zuletzt beschriebenen ziemlich verschieden. Das hängt zum Theil von der Ausbildung des Sehlundringes ab, zum Theil von der Reduktion der primären Lappen, die durch neue Vorsprünge auf der Oberfläche des Gangliöns verdrängt werden. Immerhin bleibt die Zusammensetzung aus zwei seitlichen Hälften deutlich genug und ist zeitlebens auch äußerlich durch eine tief einschneidende Längsfurche auf der ventralen Fläche angedeutet. Anfänglich‘ völlig dem Ektoderm eingelagert, verlässt das Kopf- ganglion bei'seinem späteren Wachsthum nach und nach die Bildungs- stätte und rückt in die Leibeshöhle, so dass es ventral und dorsal durch weite Räume von der Körperwand absteht (Fig.'23). An der vorderen Fläche bleibt‘ es jedoch mit dem Ektoderm in Zusammenhang (Fig. 23:0,.h), und diese Verbindung löst sich — wenn ich mich recht er- innere =="auch ‘beim ‘erwachsenen Thier nicht, obschon sie viel be- schränkter wird. | Bedeutender als die Veränderungen von Form und Lage sind die inneren Umbildungen im ‚Ganglion. Die verschiedenartigen Zellen, welche sich an seinem Aufbau betheiligen, verlieren, wie bereits gesagt, 72 Nieolaus Kleinenberg, ihre besonderen Formen und so entsteht eine gleichförmige Masse. Nur an einer Stelle, auf der ventralen Seite, dicht bei der Mittellinie, finde ich inmitten der kleinen Ganglienzellen ein Paar von Zellen mit sehr großen Kernen (Taf. VI, Fig. 23 c). Späterhin’ sondert sich die Masse des Gehirns wieder in regelmäßig vertheilte Gruppen von Zel- len, .die nach Größe, Form und Beschaffenheit stark von einander ab- weichen. Dies gilt für die Kopfganglien der meisten mir. bekannten erwachsenen Anneliden und die Verschiedenheiten der Struktur sind sogar bei Lopadorhynchus lange nicht so auffällig wie z. B. bei Aleiopi- den oder Hesioniden. Es liegt nahe zu fragen, ob diese bleibenden Differenzirungen doch nicht auf. die ungleichartigen Elemente, welche sich zur Herstellung des Kopfganglions vereinigen, zurückzuführen sind. Ich kann darauf keine bestimmte Antwort geben. Die Möglichkeit eines Zusammenhanges ist nicht ausgeschlossen, ihn nachzuweisen möchte recht schwer sein, meine Untersuchungen reichen dazu jedenfalls nicht aus. | | Anfänglich ist die Masse der Ganglienzellen viel beträchtlicher als die der Nervenfasern im Kopfganglion und dann bestehen alle Kommis- suren noch aus. deutlich erkennbaren und isolirbaren Fäden. Später werden diese zum größten Theil durch die sogenannte Punktsubstanz vertreten, die. wohl nichts Anderes ist als eine Anhäufung feinster, viel- fach. sich verästelnder Fäserchen. Doch scheint das Wachsthum der Punktsubstanz mit einer. Verminderung der Nervenzellen verbunden zu sein. So entwickelt sich die aus Punktmasse gebildete Querkommis- sur außerordentlich stark und: besonders ihre rechts und: links ge- legenen Enden, ‚wo die von außen kommenden Leitungsfäden in sie eintreten, verdicken sich zu kugeligen Kolben — dann besteht die Haupt- masse .des Kopfganglions aus Punktsubstanz, die von einer: verhältnis- mäßig dünnen, ungleichmäßig vertheilten Rinde von Ganglienzellen überzogen ist. Ä Die Entwicklungsgeschichte des Kopfganglions der Phyllodociden ist in. den wesentlichen Zügen identisch mit der von Lopadorhynchus. Auch bei ihnen entsteht zuerst das Scheitelorgan und zwar bei einigen Arten gleichfalls asymmetrisch auf der rechten Seite der ventralen Um- brellafläche (Taf. XVI, Fig. 86 sg). Buscu, der diesen Umstand zuerst be- merktel, hat wohl keinen Beobachtungsfehler begangen, wie CLArarkpeE und METSCHNIKOFF meinen, aber für ihre Larve werden sie wohl Recht haben, da auch ich Phyllodocidenlarven mit median gelegenem Scheitel- 1 Beob. über Anat. und Entw. einiger wirbelloser Seethiere. Berlin 4854. 2 Beitr. zur Kenntnis der Entw. der Chaetopoden. Zeitschr. f. w. Zool. Bd. XIX. p: 28. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus, 73 organ kenne. Der Bau des Organs ist so wie bei Lopadorhynchus, doch mag ich nicht behaupten, dass auch die Zahl. und Anordnung der groß- und kleinkernigen Zellen genau dieselben sind. Eben so inserirt sich der ventrale Umbrellamuskel am Fuß der becherförmigen Grube. Diese ist hier entschieden zurückziehbar, so dass sie, bald: eine flache Ein- senkung mit breitem Rande, bald einen tiefen Sack mit enger ‚Höhle und zusammengeschnürter Mündung darstellt (Taf. XVI, Fig. 86 sg). Danach würde der Muskel, ähnlich wie jene der Geruchsorgane, ein Retraktor des Scheitelorgans sein, und diese Bedeutung lässt sich ihm auch.bei Lopadorhynchus beilegen, obschon hier die Form-; und Lage- veränderung weniger deutlich hervortritt. An. das Scheitelorgan der Phyllodociden schließen sich ebenfalls zahlreiche Ganglienzellen der beiden vorher beschriebenen Formen an, mit den nämlichen Beziehungen, ‚und außer ihnen betheiligen sich am Aufbau des Kopfganglions ein Paar vergänglicher Scheitelantennen, zwei Paare bleibender Antennen, die Geruchsorgane und wahrscheinlich noch in nicht unbeträchtlichem Maße die Augenanlagen. Es würde bloß un- nöthige Wiederholung sein, wollte ich die Entstehung und Umbildung aller dieser Organe für die Phyllodociden ausführlich darstellen — nur die Entwicklungsgeschichte der bleibenden Antennen verdient kurze Erwähnung. Denn hier liegt eine gewisse Verschiedenheit mit Lopado- rhynchus vor. Während bei diesem die Antennenanlagen als solide Kno- spen unter der Oberfläche entstehen, gehen sie bei den Phyllodociden — wenigstens bei den zwei Arten, welche ich genau untersuchte — aus Einstülpungen des Ektoderms hervor. So wie. das äußere Blatt sich an den betreffenden Stellen.durch Zellvermehrung zu verdichten beginnt, erscheint in der Mitte eine kleine fimmernde Grube. Die Anlagen ver- größern sich schnell zu fast kugelrunden Körpern, in deren kompakter Masse ein ziemlieh enger Kanal verläuft (Taf. XVI, Fig. 86.aa, hier ist der Kanal in’ Folge der schrägen Stellung der vorderen Antenne ‚quer durchschnitten). Die Einstülpung hat sich bis auf.den Grund der An- lage vertieft, und da bereits die Verschmelzung mit dem.mittleren pri- mären Theil..des in Entstehung begriffenen Kopfganglions erfolgt ist, kommunieirt in diesem Zustande das Centralnervensystem direkt mit der Außenwelt durch vier Kanäle, die mit feinen, dichten, sehr. schnell schlagenden Wimpern ausgekleidet sind. Später, wenn das Kopfgan- glion sich mehr von den Antennenanlagen abschnürt, verkürzen sich die Kanäle, indem ihr Grund ausgefüllt wird, allein in ihrer größten Aus- dehnung bleiben sie erhalten und erweitern sich ampullenartig. Nun erhebt sich vom Grunde der Ampulle ein kleiner Vorsprung, der zu _ einer feinen, etwas gewundenen Spitze wird, aber nöch unter der 74 Nicolaus Kleinenberg, Oberfläche inmitten der flimmernden Höhle liegt (Taf. XVI, Fig. 85 ap). Wie die Spitze weiter auswächst, drängt sie sich aus der Mündung der Höhle hervor und zieht den Gründ mit sich: so stülpt sich die Ein- stülpung wieder aus, und jede Spur von ihr schwindet, da auch die Flimmerung aufhört. Die jüngsten Aleiopidenlarven, welche in Ctenophoren leben, sind recht merkwürdige Geschöpfe. Die Larvenchäraktere haben sie bis auf Überreste der Wimperkränze verloren, aber nür diejenigen Anneliden- organe entwickelt, welche ihnen das Herumkriechen im Gallertgewebe des Wirthes und die Ernährung auf Kosten desselben möglich machen". Für das erste Bedürfnis sorgen drei Rumpfsegmente mit funktions- fähigen Parapodien, für das andere der entwickelte definitive Schlund — der Rest des Körpers befindet sich dagegen im Zustande embryonaler Intention. Dem entspricht die Beschaffenheit des centralen Nerven- systems. Seine Leitungsbahnen sind bereits reichlich hergestellt, denn viele Bewegungen mtissen regulirt werden: es besteht die Ouerkommis- sur des Kopfganglions (Taf. XV, Fig. 70 a), die Schlundkommissur (Fig. 71 sc) und auch die Connective und Kommissuren der’drei ersten Ganglienpaare der Bauchkette, obschon diese noch so schwäch sind, dass offenbar die Centralgewalt fast ausschließlich dem Kopfganglion zukommt. Aber auch dieses ist nur in seinen hinteren Theilen vom Ek- toderm abgelöst (Taf. XV, Fig. 70c, h), vorn geht es in eine Zellenmasse von lockerer Beschaffenheit und darauf ins Ektoderm über (Fig. 70a, b, h). Überdies mangeln ihm einige seiner wesentlichsten Bestandtheile/ da die bleibenden Sinnesorgane des Kopfes, die Augen und die Antennen, noch nicht angelegt sind. Die letzteren erscheinen sehr spät. Scharf umschriebene Wucherungen des Ektoderms, erheben sie Sich Anfangs gar nicht über die Oberfläche, sondern wachsen nach innen zu langen, tief in die Kopfhöhle eindringenden Knospen aus (Taf. XV, Fig. 73). Von den bereits vorhandenen Theilen des Kopfganglions zunächst völlig ge- trennt, verlöthet sich später ihr kolbenförmiges inneres Ende mit ihnen, ein Theil der Zellen der Antennenanlagen geht ins Centralorgan über, worauf von Neuem die Sonderung vollzogen wird, doch nicht mehr voll= ständig, da sich dabei ein Verbindungsstrang, der Antennennerv, aus- zieht. Erst dann drängen die en Se (die Oberfläche ai er- 1 CLAPAREDE und PAncerı nehmen an, die Larven Kan in den Gastrovascular- kanälen. Das ist unrichtig;; sie befinden sich immer im Gallertgewebe. Wenn sie srößer-sind, braucht man 'sie freilich nur etwas’ zu beunruhigen, um zu sehen, wie sie mit ein paar heftigen Bewegungen die zarten Wände der'Kanäle: oder des Magens zerreißen, und in deren Höhlen: eindringen. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 75 heben dieselbe (Taf. XV, Fig. 74, 75 aa) und werden zu äußeren Anhängen des Kopfes. Die Entwicklung der fünften Antenne habe ich nicht genau unter- sucht; nach dem was ich’ gelegentlich sah, scheint mir ihr Ursprung auf eine Wucherung des großzelligen Ektodermgewebes, das über dem Kopfganglion liegt (Taf. XV, Fig. 74,75) zurückzugehen: da das Gewebe dem: Kopfschild der Phyllodociden entsprechen dürfte, wäre damit einerseits die genetische Verschiedenheit zwischen den paarigen und unpaarigen '‘Anhängen, ‚andererseits die Übereinstimmung der fünften Antenne der Aleiopiden mit dem entsprechenden Gebilde: der Eunici- den gegeben. Lopadorhynchus besitzt ein Paar sehr unvollkommener Augen. Es sind kleine Pigmentflecke, über denen die Cüticula etwas verdickt ist, ohne jedoch eine so regelmäßig geformte Linse zu bilden, wie CLAPArkDE sie zeichnet!. Sie treten spät im Larvenleben auf und ihre Entwicklung zu’ verfolgen ist':mir nicht>gelungen. ‘Die Beobachtung ist’hier durch einen eigenthümlichen Umstand erschwert: während das Augenpigment der Anneliden und der meisten anderen Thiere so außerordentlich be- ständig,ist,. löst’ sich dagegen das (des Lopadorhynchusauges mit der größten Leichtigkeit in: Alkohol, ätherischen «Ölen: ete. Und da bei der Behändlungsweise, die ich als die einzig passende zur Fixirung der Gewebe meiner Larven anwandte, Alkohol einen nicht zu vermeidenden Beständtheil 'bildet, waren in den Präparaten die Pigmentflecke stets verschwunden, und die betreffenden Zellen meist: gar nicht aufzüfinden. Einigermäßen genauere’ Angaben über die Entwicklung der Augen der Anneliden fehlen bis: jetzt; ich brauchte diese ‘aber, um'zu vollstän- digerer Einsicht in das Nervensystem dieser Thiere zu gelangen, darum habe ich mich an die Aleiopiden gehalten, deren große hoch entwickelte Augen die sichersten Aufschlüsse versprachen. Die kleinen Larven von Aleiopa und Vanadis eignen sich nicht 'so güt für die Untersuchung wie die großen Larven «einer Nauphanta celox (Greef) nahestehenden, aber specifisch nicht bestimmten Form aus Callianira, und jene von Asterope eandida, die in-Hormiphora aufwachsen. ‚Die meisten der nachstehenden Angaben beziehen sich auf die letztere Art. Es ist jedoch nicht meine Absicht eine vollständige Entwieklungsgeschichte des zu geben, sondern nur die Hauptzüge derselben. Die jüngsten Larven zeigen noch keine Andeutüng des eigentlichen Auges,. doch ist’bereits ein‘Element vorhanden, das in eigenthümliche Beziehung zum Sehorgan’fritt. An der. vorderen Seite) des Kopfgan- ! Annelides chetopodes du Golfe de Naples. Suppl. Pl. IH, Fig.'%, - 76 Nicolaus Kleinenberg, glions, da wo es im Ektoderm steckt, findet sich jederseits eine durch die bedeutende Größe ihres Kernes auffallende Zelle. DerKern ist von _ einer äußerst dünnen Protoplasmaschicht umhüillt, die, wie mir scheint, an zwei gegenüber liegenden Punkten in Fortsätze ausläuft (Taf. XV, Fig. 705, glz). Später’ erst erscheinen die Anlagen der Augen als zwei vom Kopfganglion durchaus getrennte, seitlich auf der Rückenfläche ge- legene, solide Verdickungen des Ektoderms, dicht vor den erwähnten Zellen (Fig. 70a, r). Indem die Zellen dieser Anlagen sich vermehren, ordnen sie sich radiär um einen Mittelpunkt an und rücken: hier ein wenig aus einander: so entsteht ein Säckchen mit kleiner centraler Höhle, dessen dieke Wandungen aus einer Schicht hoher prismatischer Elemente bestehen; die äußere Fläche des Säckchens liegt noch im Ekto- derm (74 r). Später schnüren sie sich aber gänzlich vom äußeren Blatt ab und rücken dicht an die vordere Seite des Kopfganglions, so dass ihre innere Wand mit einer dünnen Schicht von Ganglienzellen' be- kleidet erscheint (Fig. 72a, r). Zur selben Zeit wird inmitten der etwas erweiterten centraleu Höhle der Augenblase ein rundliches FO Konkrement ausgeschieden — die Linse. Nun vermehren sich die Zellen der bläschenförmigen Akatagh be- sonders stark an der medianwärts gerichteten, das Kopfganglion be- rührenden Wand und es kommt bald so weit, dass hier der Raum für die neugebildeten Elemente mangelt: das bis dahin völlig geschlossene Bläschen bricht an dieser Stelle auf und entleert einen Theil seiner Zellen in das’ Kopfganglion (Taf. XIV, Fig. 68:, r und oh). Die Verlöthung der Augenblasen mit dem Kopfganglion und das Auswandern von Zellen der ersteren in das letztere ist leicht festzustellen; ihre Menge ist beträcht- lich und Anfangs bilden sie’reinen dichten Haufen inmitten der übrigen Ganglienzellen, später dagegen (Taf. XV, Fig. 73) vermischen sie sich mit jenen so sehr, dass ich nicht sagen'kann, ob die von den Augen- | blasen abstammenden Zellen beim Aufbau eines besonderen Hirn- theiles, etwa des sogenannten Ganglion opticum, Verwendung finden. Darauf stellt sich die Trennung der Augenblasen vom Kopfganglion wieder her und wird noch bestimmter, wenn die ersteren, so weit sie dem Ektoderm nicht anliegen, einen dünnen Überzug von den in der Leibeshöhle befindlichen Zellen erhalten. Allein an einem Punkte bleiben Kopfganglion und Auge in Zusammenhang und hier entwickelt sich schnell ein Bündel von Fasern, die mit einem Ende tief in die Ganglienmasse eindringen, mit dem anderen in das Gewebe der Augen- blase übergehen (Taf. XV, Fig. 7%, 77 no). Wie man sieht entsteht der | Sehnerv gerade so wie die Nerven der anderen Sinnesorgane, Antennen, Geruchsorgane etc. | Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 77 Auch nach der Ausscheidung einer beträchtlichen Anzahl von Zel- len in das Kopfganglion fährt die Zellvermehrung fort vorwiegend auf die innere Augenblasenwand angewiesen zu sein, die in Folge dessen an Dicke zunimmt, während die äußere dem Ektoderm zugekehrte Wand immer dünner wird und schließlich nur aus einer Schicht flacher Zellen besteht (Fig. 74, 75, 77). So kommt die Höhle, die stark ange- wachsen und nicht mehr kugelig, sondern von außen nach innen zu- sammengedrückt ist, excentrisch zu liegen und die gleichfalls ver- srößerte. nicht mehr körnige sondern homogene Linse rückt dicht an die vordere Wand. Die Zellen sind, wie gesagt, am dichtesten im inneren Abschnitt der Blase und bilden lange prismatische Stäbchen, deren Kerne in über einander stehenden Lagen angeordnet sind, doch ist die Höhle von einem ziemlich breiten kernlosen Saum begrenzt (Fig. 74, 75). Nun beginnt die Absonderung des Pigments und zwar immer an derselben Stelle als ein kleiner Fleck, der ein wenig in die Augenhöhle ‘vorspringt: (Fig. 7%, 75 pi); von da aus verbreitet es sich über die In- nenfläche des Bläschens, greift jedoch auf die dünne äußere Wand vor der Linse nicht über. Fast gleichzeitig mit der Ablagerung des Pig- ments erscheinen die ersten Andeutungen der Stäbchen als feine stark lichtbreehende Prismen, die die Pigmentschicht durchbohren. Die Bil- dung der Stäbchen hält dieselben Grenzen ein wie die Pigmentaus- scheidung und daher beschränkt sich auch bei den Alciopiden die Er- zeugung der percipirenden Elemente auf den nach innen gelegenen Theil der Augenblase, der dadurch zur funktionirenden Retina wird, während der vordere Abschnitt eine bloße Hülle von untergeordneter physiologischer Bedeutung herstellt. Um die Entwicklung des Auges recht zu verstehen ist Een zu den beiden großen Zellen zurückzukehren, die schon vor der An- lage der Augenblasen vorhanden waren. Ähre Körper nehmen stark an Ausdehnung zu, während sich der Kern zunächst nur wenig vergrößert (Taf. XIV, Fig. 68h, glz). Dann sind sie im Kopfganglion eingebettet, dessen Zellen sie hinten und seitlich umhüllen (Taf. XV, Fig. 725, glz); nach vorn stoßen sie aber an die unterdessen entstandenen Augen- blasen. Indem diese letzteren auswachsen, spalten sich gleichsam ihre Wände, da wo sie die großen Zellen berühren und diese werden mitten in das Retinagewebe aufgenommen. Die vorhin erwähnte Formverän- derung der Augenblasen bringt die großen Zellen aus ihrer ursprüng- lichen Lage ; sie kommen so zu stehen, dass sie den unteren Rand der Augenblasen herstellen (Taf. XV, Fig. 76 giz). Auf dieser Entwicklungsstufe ist jede der beiden großen Zellen noch durch. eine dünne Zellschicht von der Augenhöhle geschieden ; 78 | Nicolaus Kleinenberg, doch auch diese wird bald bei Seite geschoben und dann durchsetzt die Zelle die ganze Dicke der Augenwand, nach außen dabei noch höcker- artig vorspringend. Die Augenhöhle enthielt bisher außer. der Linse nur wässerige Flüssigkeit, wenn die große Zelle sich aber durchgebohrt hat, beginnt die Bildung des Glaskörpers. Dass dieser ein Sekret der großen Zelle ist, unterliegt nicht dem geringsten Zweifel — ich kenne kaum ein anderes Beispiel, wo die Thätigkeit einer einzelligen Drüse so klar vor Augen liegt. Der Körper der Zelle ist gleichmäßig fein granulirt, der Kern liegt central und besteht aus sehr dichter, von einem Faden- netz durchzogener Substanz, die ein großes Kernkörperchen mit einer Vacuole enthält. Wie ein Ei im Eierbecher ist die, der Augenhöhle zugewandte, Hälfte des Kernes von einer hellen Masse aufgenommen, die, scharf vom Protoplasma abgegrenzt, allmählich sich verschmälernd bis zur Oberfläche des Zellkörpers hinzieht, sie durchbricht, in die Au- genhöhle eintritt und hier sich ausdehnend den Raum zwischen Linse und Retina erfüllt (Taf. XV, Fig. 77 glz und gl). Dies ist der Glaskör- per: dass er kontinuirlich wie mit einem Stiel tief ins Innere der Zelle eindringt, ist ohne alle Schwierigkeit festzustellen. Natürlich sind die Verhältnisse nicht immer gerade so wie in dem gezeichneten und be- schriebenen Präparat; bald ist mehr Sekret innerhalb: der Zelle ange- sammelt und dann liegt mehr'als die Hälfte des Kernes im Becher; — doch habe ich ihn niemals ganz umhüllt gesehen, sein: der Augenhöhle abgewendeter Pol war immer in Kontakt mit dem Protoplasma des Zell- körpers; bald besteht nur ein dünner Verbindungsfaden zwischen dem Kern und dem Inhalt der Augenhöhle. Ähnliche Zellen kommen auch. anderen Polyehaeten zu, wie mir scheint denen, die verhältnismäßig vollkommene Augen besitzen. Die einzelligen Glaskörperdrüsen sind merkwürdig genug, noch viel merkwürdiger ist aber das. Schicksal, das ihnen unter Greer's Au- spiecien geblüht hat!. Sie werden nämlich zu Gehörorganen. »Der sichere Nachweis« gestaltet sich folgendermaßen: der Zellkörper wird zu. einer parenchymatösen, von Kernen durchsetzten Masse: »(Gan- glion?)« — der Kern zum Gehörbläschen, das innen wahrscheinlich von kleinen Zellen ausgekleidet ist, und vielleicht auch Gilien trägt — — das Kernkörperchen zum Otolithen — — — der Sekretstrang im Inneren der Zelle zum Nervus acusticus, der direkt vom Schlundring entspringt — — — — Aceidenti! Über die Entstehung des Kopfganglions der Anneliden liegen zahl- reiche Mittheilungen vor, doch fehlte eine annähernd vollständige Ent- ! Untersuchungen über die Alciopiden. Dresden 1876. p. 143, 444. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus, 79 wicklungsgeschichte. In. den älteren Arbeiten von. Busca, Mürer, Love£n, Mırx£-Evwarns etc. und. allen denen, die auf Beobachtung lebender Larven gegründet sind, finden sich nur wenig brauchbare Angaben. Häufig ist, das, Vorhandensein eines Wimperschopfes am Scheitelpol oder auf der ventralen Fläche der Umbrella erwähnt. So bei Spio fuliginosus, Telepsavus Costarum, Nephthys scolopendroides, Lumbriconereis, Phyl- lodoce, Spirorbis: und Pileolaria militaris von CLAParkDE und, METscHnI- KOFF!;. bei dem amerikanischen Polygordius und Chaetopteriden von Frwees? Und von den Augen erfährt man, dass sie bald an den Seiten, bald auf der Rückenfläche ‚des Scheitelfeldes, angeblich zuweilen be- deutend früher. als die Anlagen des Kopfganglions erscheinen. Erst Kowarevsky wies den Ursprung des Nervensystems aus dem Ektoderm. bei Euaxes und Lumbricus nach ?, ohne jedoch auf die Ent- stehung des Kopfganglions besonders einzugehen. Dagegen beschäf- tigte sich Semper ausführlich mit dieser Frage. An die Spitze seiner Darstellung der Knospungsvorgänge bei den Naidinen stellt er den Satz: »Thatsächlich entstehen nun dennoch die dorsalen Schlundgan- glien der Anneliden aus Medullarplatten, aber aus denselben, aus wel- chen auch das Bauchmark hervorgeht und es lässt sich (einstweilen nur für die Anneliden) entwicklungsgeschichtlich nachweisen, dass das so- genannte Gehirn der Gliederthiere (nach GEGENBAUR u. A.) wenigstens zum Theil nichts Anderes ist als ein vom Bauchmark aus nach oben über den. Schlund. hinübergewachsenes Bauchganglienpaar*.« Es ist also nöthig hier auf die Entstehung der Bauchganglien zurückzugehen. Sie bilden sich nach Semper aus der Verschmelzung einer 'medianen ekto- dermalen Einstülpung mit zwei seitlichen vom Mesoderm abgespaltenen Strängen. Wie sich diese Anlagen zum Kopfganglion verhalten sollen, ist sehr schwer verständlich, es bleibt mir nur übrig eine an sich klare Stelle wieder wörtlich anzuführen. »So wie aber die beiden Mesodermbrücken den Darm. umspannt haben, gliedert sich auch ein Theil derselben zu einem ..deutlich charakterisirten Nervenstrang und der ganglionären Zellbelegmasse jederseits ab;; diese beiden Gehirnhälften verschmelzen etwas später in der Mittellinie. Es ist damit der Beweis geliefert, dass hier. der Schlundring und theilweise auch das obere Schlundganglion 1 Beitr. zur Kenntnis. der Entwicklung der Chaetopoden. Zeitschr. f. w. Zool. Bd. XIX. 1868. 2 On the Development of certain Worm Larvae. Stud. f. the Newport zool. Laboratory. Cambridge M. 1883. 3 Embr. Studien an Würmern und Arthropoden. * Die Verwandtschaftsbeziehungen der gegliederten Thiere. Arb. Zool. Inst, in Würzburg. III. 1876. p. 437. SO Nicolaus Kleinenberg, gebildet wird aus den vom Bauche her den Darm umwachsenden Kopf- keimstreifen. Leider aber ließ sich trotz aller aufgewandten Mühe nicht | entscheiden ob und in welcher Weise das vom Rumpf her in den Kopf hineinwachsende Bauchmark und in wie weit auch die vielleicht durch Einsenkung vom Ektoderm her neu entstandenen Theile des Kopfkeim- streifens an derBildung des Schlundringes Theil nehmen. Sichergestellt wurde dagegen ein anderes höchst wichtiges Resultat: die Entstehung gesonderter Sinnesplatten aus dem Ektoderm und ihre Theilnahme am | Aufbau des dorsalen Theiles des Schlundringes. Die früheren Angaben über die Bildung des Gehirns bei Arthropoden und Anneliden lassen sich dahin deuten, dass die sogenannten Scheitelplatten oder Kopfplatten | — so weit sie zur Bildung des oberen Schlundganglions beitragen — den hier zu beschreibenden Sinnesplatten gleichzustellen sind!.« Die letzteren entstehen etwas oberhalb des horizontalen Durchmessers als rundliche Zeilkörperchen, die vom Ektoderm in die Leibeshöhle hinein und bis an den Darm hinan ragen. Dann wachsen sie dorsalwärts am | Darm hinauf, begegnen dem sich bildenden Schlundringe und ver- schmelzen mit ihm. An der Stelle wo die Einsenkung des Ektoderms beginnt — im sogenannten Seitenfelde — entsteht bei den sehenden Naidinen das Auge und die Sinnesplatte trennt sich in einen centralen Abschnitt, welcher der integrirende Theil des oberen Schlundganglions wird, und einen peripherischen Abschnitt, welcher sich direkt zum Sehnerven umbildet. Das Kopfganglion besteht demnach aus Mesoderm und Ektoderm. | Die Richtigkeit dieser Darstellung wurde zunächst von HATScHEK bestritten? Dann habe ich sie einer Kritik unterworfen3. Wenn ich hier wieder darauf zurückkomme, so ist es, weil die Untersuchung der Poly- chaetenentwieklung mir neue Gesichtspunkte eröffnet hat. An die Betheiligung des Bauchstranges und des Mesoderms bei der Herstellung des Kopfganglions glaube ich nach wie vor nicht. Aber wenn ich da- | mals auch aus den Sinnesplatten nichts zu machen wusste, so hat sich | das geändert. Vielleicht sind gerade die Sinnesplatten das einzige rich- tig Erkannte in Semrer’s Entwicklungsgeschichte des oberen Schlund- | ganglions. Bei Lumbricus konnte ich sie nicht finden und bin auch | überzeugt, dass sie dort wirklich nicht vorhanden oder aufs äußerste rudimentär sind. Die Naidinen stehen jedoch wahrscheinlich manchen N Polychaeten näher als den terricolen Oligochaeten; es ist nicht be- | I — — —— — —— en en nn 1 Ibid. p. 110, AA. | 2 Beitr. zur Entw. u.’Morph. der Anneliden. Sitzb. Akad. d. Wissensch. Wien. | 1876. | | 3 Sullo sviluppo del Lumbricus trapezoides. Napoli 1878. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 81 rechtigt sie mit den letzteren in einer Gruppe zu vereinigen, bloß weil sie im süßen Wasser leben und Zwitter sind. Und bei der Entwicklung der marinen Chaetopoden hat sich gezeigt, dass ähnliche Ektodermver- diekungen, wie die Srmper’schen Sinnesplatten, sehr große Bedeutung für die Entstehung des Kopfganglions haben: Srmrer glaubt, dass sie dem Auge, welches sich bei den Naiden nach seiner eigenen Beschrei- bung in ihnen ausbildet, ihren Ursprung nicht verdanken, weil sie auch beim blinden Chaetogaster vorkommen. Das ist kein Grund. Freilich ist schwer zu sagen, was die eigentliche Bedeutung dieser Anlagen ist, doch möchte ich annehmen, dass sie in ähnlichem Verhältnis zu einem oder mehreren Sinnesorganen einerseits und zum Kopfganglion anderer- seits stehen, wie z. B. die Anlagen der Antennen oder der Augen der Aleiopiden. Darauf machte Hırtscazk eine kurze Mittheilung über die Entstehung des Kopfganglions: bei Lumbricus, wonach es als erster Theil des Ner- vensystems in Form einer vor dem Mundwulste gelegenen Verdickung des Ektoderms (Scheitelplatte) auftritt!. Ich untersuchte einen anderen Regenwurm auf die Entwicklung des Nervensystems und.fand, dass das Kopfganglion auf der Rücken- seite nahe am Scheitelpol in einer kurzen bogenförmigen Zone aus der Theilung von Ektodermzellen hervorgeht. Vom mittleren Abschnitt dieses Bogens gehen zwei Fortsätze in die Oberlippe und verschmelzen, wie es scheint, mit dem äußeren Ektoderm, das an dieser Stelle zu einem Sinnesepithel umgebildet. ist?. Hier liegt wahrscheinlich ein Beobachtungsfehler vor: die Verbindung des Sinnesepithels mit dem Kopfganglion wird primär nicht sekundär sein. Die histogenetischen Vorgänge wurden bei Seite gestellt, weil sie den Gegenstand eines zweiten Theiles dieser Arbeit bilden sollten. Im selben Jahre veröffentlichte HaTscnek seine ausgezeichneten Untersuchungen über die Entwicklung von Criodrilus und Polygordius. Schon beim ungegliederten Embryo der ersteren entsteht durch Ver- mehrung der Ektodermzellen nahe am Mundrande eine quergestellte, längliche Verdiekung, die Scheitelplatte?. Bei Polygordius wurde die Anlage des oberen Schlundganglions nicht beobachtet, denn die jüngsten beschriebenen Larven hatten die Scheitelplatte schon so weit differen- zirt, dass sie als Gentralnervensystem funktioniren konnte. Sie besteht aus mehreren Lagen von Ganglienzellen, die eine kompakte Masse von 11. %p.% 21.c.p. 38 und 4. 3 Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. Arb. Zool. Inst. zu Wien. 1878. p. 10. Zeitschrift f. wissensch, Zoologie. XLIV. Bd. 6 82 Nieolaus Kleinenberg, Punktsubstanz einschließen und trägt zwei Augen mit Pigmentzellen und lichtbrechendem Körper. Von dieser Scheitelplatte ‘geht ein peri- pherisches Fasersystem aus; die beiden Hauptstäimme mit den ihnen eingeschalteten Zellen wurden bereits früher besprochen; außer ihnen giebt es noch zwei Paar feinerer Fasern. Das eine Paar entspringt von der ventralen Peripherie und verläuft ventralwärts, das andere geht vom dorsalen Rande ab und versorgt die Rückenfläche. Alle vier Nerven lösen sich in wenige Ästchen aufil. Auf der Scheitelplatte stehen dicht gedrängte Büschel dünner Sinneshaare und die feinsten Nervenverästelungen lassen sich bis an die Insertionsstellen der Haar- büschel verfolgen. Dann erscheinen?die bleibenden Sinnesorgane: in der Mitte der Scheitelplatte, ihr unmittelbar aufsitzend, erheben sich aus flachen Grübchen zwei solide warzenförmige Erhebungen, die mit kurzen Sinneshärchen besetzt sind — die Antennen; und etwas später erscheinen dorsalwärts von den Seiten der Scheitelplatte zwei Flimmer- gruben von länglicher Gestalt, Vertiefungen der etwas verdickten Haut- schicht, die mit kurzen aber starken und äußerst beweglichen Flimmer- haaren versehen sind. Zu jeder Flimmergrube (Geruchsorgan) geht ein Nerv, der gemeinschaftlich mit dem dorsalen Nerven des Scheitelfeldes aus einer an der dorsalen Peripherie der -Scheitelplatte gelegenen Ganglienzelle entspringt. In der Entwicklungsgeschichte von Echiurus? hat Hatscuek das Kopfganglion nicht. ausführlich behandelt und ich finde keine That- sache, die besonders interessant wäre. Meine Untersuchungen an Lopadorhynchus wurden bereits 1881 im Auszuge veröffentlicht. Für Sipuneulus gab dann Harscazk reichlichere Thatsachen, beson- ders für die erste Anlage des Kopfganglions. Auf einer sehr frühen Ent- wicklungsstufe werden die centralen Zellen des animalen Pols von einer ringförmigen Furche abgegrenzt, die dadurch zu Stande kommt, dass das Protoplasma einiger Ektodermzellen sich von der Eihaut zurück- zieht. Der so umschriebene Theil des Ektoderms ist die Kopfplatte oder Anlage des Scheitelfeldes. Im Gentrum derselben bildet sich ein langer Wimperschopf. Dann verdickt sich die Mitte des Feldes zu einer Scheitelplatte, der Anlage des oberen Schlundganglions, in deren Bereich | ein Paar augenartige Pigmentflecken auftreten, und später, wenn die | Scheitelplatte schon bedeutend mächtiger geworden ist, ein zweites Paar. Zuletzt entwickeln sich Tentakeln aus Ausbuchtungen des dor- salen Mundrandes und ein Paar von Flimmergruben als Ektodermver- 4 1 Ibid. p. 27, 28. 2 Arb. Zool. Inst. zu Wien. LIT. 1880. 3 Atti dell’ Accademia dei Lincei. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 83 diekungen am hinteren Umfang des vor dem Wimperkranz gelegenen Mundes!. Goerre’s Mittheilungen über Nereis Dumerilii sind ganz kurz. Um die Zeit, da die untere Hemisphäre des Embryo kegelförmig auszu- wachsen beginnt, zeigt sich an der oberen Hemisphäre (Scheitelfeld Harscaex’s) eine Verdickung des Ektoderms in Form eines gegen den Mund hin excentrischen Schildes, welche sich zuletzt ziemlich scharf von der Umgebung abgrenzt. An den Seitenrändern dieser Hirnanlage bilden sich zwei einfache Augen und neben ihnen erhebt sich jederseits ein kurzer gabeliger Fortsatz des Ektoderms, der wohl als Fühler zu deuten sein wird?2. Des Vorhandenseins von Sinneshärchen auf der Scheitelplatte wird nicht erwähnt. Auch Sırenskv, der in den letzten Jahren eine größere Anzahl von Anneliden auf ihre Entwicklung untersuchte, giebt Nachrichten von der Entstehung des Ganglions und der Sinnesorgane des Kopfes. Bei ' Psygmobranchus protensus erscheinen bald nach dem Auftreten des ; präoralen Wimperkranzes die Augen. Später erst differenzirt sich eine am oberen Pol gelegene Zelle, die Scheitelzelle, und erhält einen Wim- ‚ perschopf. Um diese Zelle herum verdickt sich das Ektoderm zur ' Scheitelplatte oder Anlage des oberen Schlundganglions. Viel später ' bilden sich die primären Tentakeln in Form breiter Vorsprünge auf der ‚ vorderen Seite der Kopfplatte. Sie sind ihrem Ursprung nach allein ‚ auf das Ektoderm zurückzuführen und tragen vereinzelte Härchen, wie , sie auch an anderen Stellen des Scheitelfeldes vorkommen. Aus diesen ' Anlagen werden Kiemen, wobei Bestandtheile des Mesoderms in sie eindringen und das Skelettgewebe herstellen. Schließlich entwickelt sich noch ein vergängliches Organ auf der ventralen Kopffläche, der mediane Tentakel; seine Zellen stammen vom Ektoderm, sind sehr ‚ groß und haben das Aussehen von Drüsenzellen. Die Scheitelzelle geht zu Grunde, aber sehr spät. | | Bei Nereis cultrifera entsteht auch eine Scheitelplatte, die sich ‚ später in zwei Abschnitte theilt: aus dem einen geht das Kopfganglion ‚ hervor, aus dem anderen die Schlundkommissur; zwischen beiden son- ‚ dert sich jederseits ein Zellenhäufchen ab, die Augenplatte. In der Mitte ‚ der Augenplatte erscheint eine einzige Pigmentzelle, die ihrer Lage \ nach dem Auge entspricht. Das Pigment der Augen soll jedoch von ‚ den Resten des zu Grunde gehenden präoralen Wimperkranzes her- rühren. | | | 1 Arb. Zool. Inst. zu Wien. V. 1883, | ?2 Abhandlungen zur Entwicklungsgeschichte der Thiere.. Leipzig 1882. p. 90. 3 Archives de Biologie. III. 1882, % Tbid. Y a 1 ’ 7 1 6* I 84 Nicolaus Kleinenberg, / Bemerkenswerthes. Später lässt das Ektoderm des Kopftheiles drei ver- schiedene Gewebe erkennen: in der Mitte die Ganglienzellen, ventral ' große cylindrische, mit Deutoplasma angefüllte Zellen — die Anlage des unpaaren mittleren Tentakels und dorsal eine Lage becherförmiger Zellen mit feinkörnigem Protoplasma, die Tentakelplatte, welche voll- ständig in die Bildung der Tentakeln aufgeht. Es entstehen aus ihr fünf | 1 Höckerchen, von denen einszum Operculum, zweizu den Kiemen wer- f den, während die beiden anderen wie der unpaare Tentakel zu Grunde | bi gehen. Ein Augenpaar bildet sich auf dem Rücken der Larve'. Bei Aricia wird die Anlage der Scheitelplatte frühzeitig kenntlich, indem die Ektodermzellen in der Mitte des präoralen Feldes zu hohen | Cylindern auswachsen. Vor der Individualisirung des Kopfganglions er- scheinen die Augen, eben so wie bei Nereis eultrifera, als Pigmentab- lagerungen in zwei tiefer gelegenen Ektodermzellen. Während im Kopf- ganglion die Bildung der Punktsubstanz schon beträchtlich vorge- schritten ist, differenziren sich einige über dem Ganglion am Scheitelpol | gelegene Epidermiszellen und stellen zusammen einen Zapfen dar, der weit nach innen gegen die Hirnmasse vorspringt. Jede dieser Zellen giebt einen Fortsatz ab, der die Punktsubstanz des Ganglions durch- bohrt, senkrecht gegen das Kopfmesoderm herabzieht und sich mit einer Zelle desselben verbindet. Sıensky fasst diese Bildung, die er auch Das erste Auftreten der Scheitelplatte bietet bei Pileolaria nichts | IDE N} bei anderen Annelidenlarven gefunden hat, als einen primitiven Ner- venapparat auf, der die Scheitelplatte mit dem Mesoderm in Verbindung, setzt und vergleicht sie mit den Kopfnerven von Polygordius und Echiurus, die zwar nicht die Hirnkommissur durcehbohren, aber auch in E Mesodermzellen endigen sollen. Meiner Meinung nach ist dieser ver- meintliche Nervenapparat weiter nichts als der ventrale Umbrella- muskel, der, wie vorhin bemerkt wurde, eine Strecke lang INA | der kön verläuft. An der ventralen Kopffläche entwickeln sich die Ektodermzellen bei Aricia ähnlich wie bei Pileolaria, allein während sie hier den me- dianen Tentakel erzeugen, bilden sie dort ein inneres vergängliche‘ Organ, die Kopfdrüse. In ihrem Bau ist dieselbe der Kopfdrüse eini- | ger Nemertinen sehr ähnlich. Sırensky hält die Homologie dieses a 4 ren, wie er meint, drüsigen Organs mit dem medianen Tentakel vor Terebella, Psygmobranchus, Pileolaria ete. mindestens für möglich? Der Anlage des Kopfnervensystems geht bei Terebella Meckeli gleichfalls eine Scheitelzelle voraus. Sie gleicht in ihrer Gr öße une 1 Ibid. IV. 1883, 2 Ibid. # | Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus, 85 ihrem inneren Bau jenen des präoralen Wimperringes und trägt, wie es scheint, ein feines Haarbüschel. Um die Scheitelzelle herum ver- dickt' sich das Ektoderm. An den Seiten der Kopfregion bilden sich die Augen: je eine tief gelegene Ektodermzelle, in der Pigment abgesondert ist. Dann erhebt sich der mediane Abschnitt der Kopffläche: zu einem breiten Vorsprung, den eine Rinne nach hinten begrenzt: dies ist die Anlage des medianen Tentakels. Er wird bald zu einem mächtigen Kopfanhang und trägt an seinem Ende drei birnförmige Bläschen, deren feine Spitze in ein Sinneshärchen ausläuft — es ist ein Tastorgan. Zur Herstellung der später auftretenden seitlichen Tentakeln verbinden sich von vorn herein Ektoderm und Mesoderm!. | - Endlich hat Sarensky auch noch Branchiobdella von den Hirudi- neen? in den Kreis seiner Untersuchungen gezogen. Hier entsteht zu- nächst eine Neuralfurche auf der Bauchseite des Embryo, die sich gegen das Kopfende ausdehnt und, bevor sie den vorderen Pol erreicht, gabel- artig in zwei Äste theilt: An der Theilungsstelle der Furche bildet sich später der Mund und vor demselben umschreiben die aus; einander weichenden Schenkel ein dreieckiges, dorsalgelegenesFeld::die Scheitel- platte. 'Im Laufe der Entwicklung trennt sich diese als oberes Schlund- ganglion gänzlich vom Ektoderm ab und wird 'nach hinten verschoben; die einheitliche Zellmasse scheidet sich dann’in zwei’Paare von Ganglien, welche dem unteren Schlundganglion gegenüber liegen’und eine me- tamerische Gliederung des Kopftheils darstellen. ‘Doch ist diese Glie- derung des Kopfnervensystems ein’ sekundärer, nicht ursprünglicher Zustand 3. Kenner fand bei’ der Knospung von Ctenodrilus pardalis:die Anlagen des dorsalen Schlundganglions, zwei symmetrische Ektodermwucherun- gen,‘ die sich durch Fasern in der Mitte verbinden. Sie sollen den Sinnesplatten von Nais, Ghaetogaster ete. entsprechen, lösen sich jedoch niemals vom Ektoderm ab. Bei der sehr jungen Larve von Pomatoceros triqueter ebsrkrißeie sieh nach v. DrascHe die am Scheitelpol gelegenen Ektodermzellen und entwickeln einen mächtigen Wimperschopf. An diese Scheitelplatte inserirt’sich ein Muskelfaden, der am Ösophagus endigt. Die Scheitel- platte trennt sich in zwei breite seitliche Lappen, die am Pol nur _ durch eine schmale Brücke verbunden bleiben. . Nach vorn sendet 1 Ibid. ? Die Entwicklung zeigt sehr klar, dass Branchiobdella eine Hirudinee ist und mit den Oligochaeten nichts zu schaffen hat. 3 Archives de Biologie. VI. 4885. . 4 Arb. Zool. Inst. in Würzburg. V. 4882. 56 Nicolaus Kleinenberg, das Scheitelfeld zwei Schenkel, welche in späteren Stadien als ein ventraler Halbgürtel großer Zellen erscheinen (es ist das offenbar die Bildung, welche ich Kopfschild nannte, und hat genetisch mit der An- lage des Kopfganglions gar nichts zu thun). Die Augen erscheinen als große Pigmentflecken und zwar nicht gleichzeitig, sondern das linke früher als das rechte, wie schon Stossıch angegeben hatte. Schließlich findet sich zwischen den Augenflecken ein Gürtel eigenthümlicher Zellen, deren jede ein kleines, hakenförmiges Körperchen enthält. Das Schicksal dieser Zellen bleibt unentschieden. Sehr abweichend von all den bisherigen Angaben über die Ent- stehung des Kopfganglions sind die Ergebnisse, welche R. Bercn bei der Untersuchung von Aulastoma gulo erhalten hat. Vor Allem leugnet er, dass im primitiven Ektoderm eine Wucherung stattfindet, die als Specialanlage des Nervensystems angesehen werden könnte. Das Kopf- ganglion entwickelt sich aus den Kopfkeimen, wie diese entstehen, ist aber zweifelhaft. »Es liegen nämlich überall innerhalb der pri- mären Epidermis sehr zahlreiche Elemente, die wesentlich die An- lagen des provisorischen Nerven- und Muskelsystems darstellen, und besonders um den Schlund herum sind solche ungeheuer stark ange- häuft; es lässt sich nicht sagen, ob einige dieser vielleicht die Anfänge der Kopfkeime repräsentiren. Ich vermag daher auch nicht anzugeben, ob die Kopfkeime als Ektodermanlagen entstehen, oder (in ähnlicher Weise wie die Rumpfkeime) von einigen frühzeitig in die Tiefe wan- dernden Furchungszellen herstammen. Von einem ursprünglichen Zu- sammenhang des Kopf- und Rumpfkeimes jeder Seite, wie eine solche von BürscaLı vermuthet wurde, ist niemals die Spur, weder bei Aulastoma noch bei Nephelis nachzuweisen.« Wenn die Kopfkeime erkennbar werden, stellen sie sich als zwei seitliche Anschwellungen dar, diein der Mittellinie vollkommen von einander getrennt sind; später entsteht jedoch eine mediane zellige Verbindungsbrücke. Dann differenzirt sich die bis hierher gleichartige Zellenmasse der Kopfkeime in drei Schichten: eine dicht unter der primären Epidermis befindliche Lage kleiner, kubischer Zellen, unter dieser eine Gruppe großer Elemente und end- lich eine Menge kleiner Zellen, die den ganzen übrigen Theil des Kopf- keimes ausmachen — aus der ersten Schicht wird die definitive Kopf- epidermis, aus der zweiten das obere Schlundganglion, aus der dritten das Kopfmesoderm. » Alle diese Theile gehen durch eine nachträgliche Sonderung und Differenzirung aus der einfachen indifferenten Anlage der Kopfkeime hervor ?2.« 1 Entw. von Pomatoceros triqueter. Wien 4884. 2 Die Metamorphose von Aulastoma gulo. Arb. Zool. Inst. in Würzburg. VII. 1885 Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 87 Der Bauchstrang und seine Sinnesorgane. Die vorhin dargestellten histogenetischen Vorgänge auf der Umbrella der Lopado- rhynchuslarve lassen sich kurz so zusammenfassen: das Kopfganglion entsteht durch das Eingreifen von Sinnesorganen in einen einfachen Ganglienzellen-Mechanismus. Dieselbe Beziehung macht sich auch bei der Entwicklung des nervösen Centralorgans, welches aus der Subum- brella erwächst, geltend, allein hier tritt noch die Bewegungsfunktion als gestaltendes Prineip hinzu: Bauchstrang und Muskulatur entsprin- gen gemeinschaftlichem Boden. Das Kopfganglion ist im Wesentlichen Sinnesnervensystem, der Bauchstrang Sinnes-Muskel-Nervensystem. Und so wie dort peripherische und centrale Gewebe im Zusammenhang betrachtet wurden, soll es auch hier geschehen. Die junge Larve, welche dieser Entwicklungsgeschichte zum Aus- gangspunkt dient, besitzt auf der Umbrella und am Prototroch schon mehrere, ein zusammenhängendes System darstellende Nervenzellen, der Subumbrella fehlen solche dagegen durchaus. Allein die Grund- lage, auf welcher der Bauchstrang sich aufbaut, ist schon vorbereitet: sie besteht aus den beiden Ektodermverdickungen, in der Nähe des unteren Körperpols, die unter dem Namen Bauchplatten bereits aus- führlich beschrieben wurden. Es braucht nur ins Gedächtnis zurück- gerufen zu werden, dass diese Wucherungsfelder gegen den Punkt, wo später der After durchbricht, konvergiren, während sie nach dem Stomodaeum zu durch das keilartig zwischen sie eingeschobene Bauch- schild aus einander gedrängt sind ; und dass das Ektoderm auch dort, wo es am dicksten ist, trotz der mehrfach geschichteten Kerne, doch nur aus einer einzigen Lage spindelförmiger, langer Zellen besteht. Inder nächsten Entwicklungsperiode treten besondere nervöse Ele- mente dicht bei den Bauchplatten, aber außerhalb ihrer Grenzen auf, und geben das Signal zur Umgestaltung der Platten selbst. Zu beiden Seiten des Afters ist das Ektoderm unverändert, so dass hier die Kerne noch in einer Schicht liegen (Taf. VIII, Fig. 29 a). Etwas weiter nach der Bauch- fläche hin (Fig 29 b) beginnen die Verdickungen des äußeren Blattes, und an ihren seitlichen Grenzen erscheint jederseits eine spindelförmige Zelle, mit großem Körper und rundem Kern, durch Gestalt und inneren Bau von allen übrigen!Elementen dieser Gegend verschieden. Sie gleicht den 'Reflexzellen der Umbrella, und ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich auch sie als Nervenzelle auffasse. Von ihren beiden Fort= sätzen ist der eine gegen die Bauchplatte gerichtet, der andere verliert ‚sich im höher liegenden Ektoderm. Diese beiden Zellen sind die ersten centralen Nervenelemente der Subumbrella. Gleichzeitig mit ihrem Auftreten erscheint auf der Bauchplatte selbst ein feines, besenför- 88 Nicolaus Kleinenberg, miges Büschelchen unbeweglicher Sinneshaare (Fig. 29 d). Die Zellen, welche diese Härchen tragen — wahrscheinlich jederseits nur eine einzige — stecken offenbar tief im Ektoderm und sind so undeutlich abgegrenzt, dass sie sich selten klar erkennen lassen. Da:die Sinnes- härchen auf allen Schnitten dieser Serie wiederkehren, ‚möchte man meinen, sie bildeten zwei ununterbrochene schmale ‚Leisten, zu den Seiten der Mittellinie. Das ist jedoch nicht der Fall — thatsächlich sind es isolirte Büschel, die freilich gegenwärtig so nahe: hinter ein- ander gereiht stehen, dass bloß äußerst schmale Zwischenräume sie'an der gegenseitigen Berührung hindern. Man wird wohl nichts dagegen haben, wenn ich jedes der Haarbüschelehen mit der dazu gehörigen Zelle für ein primitives Sinnesorgan nehme, Von dem zuletzt erwähnten Sehnitte an tritt in der: Mittellinie zwischen den Bauchplatten die: Differenzirung der :Ektodermzellen hervor, welche ‘das Material zur: Vergrößerung :des Bauchschildes Jiefert. | Es ist nicht zu verkennen, dass: diese: onderinngeneg große Übereinstimmung zeigen mit dem, was auf, der Umbrella geschieht, um: die Bildung des Kopfganglions einzuleiten. Hier; wie (dort. ent- ‚stehen zuvörderst vereinzelte und vergängliche Ganglienzellen, vergäng- liche Sinnesorgane. und ‚ein vergängliches ‚Stütz- oder: Skelettgewebe. Die: zeitliche Ordnung der Differenzirungen: ist, in. beiden :Körperab- schnitten wohl nicht dieselbe, und: die Sinnesorgane haben verschie- dene: Natur, allein: das dürfte ‚für allgemeinere Betrachtungen von untergeordneter Bedeutung sein. ‚So weit verhalten sich also die Bauch- platten und die Anlagen: des Kopfganglions ähnlich, aber die Richtung, welche die: eigentliche Bauchplatte bei ihrer. Entwicklung nimmt, ist sehr verschieden von. der. der Umbildungsvorgänge: der Anlagen des Kopfganglions. Bis zu der oben besabineherien Stelle der Bauchplaiken ist die Zeil vermehrung träge, die. meisten Kerne 'befinden sieh im Ruhezustand. Gleich darauf fällt der Schnitt in: den eigentlichen Wucherungsherd (Taf. VII, Fig.29d). Gerade unter den Sinneshärchen liegt: eine. Gruppe von stark angeschwollenen Kernen, die sieh ‚auch durch ihre innere Beschaffenheit von den zu beiden Seiten ‚gelegenen unterscheiden. ‚Ihre Substanz wird: gleichmäßig und sehr hell, dann tritt-ein großes Kernkörperchen auf, und ihre Form wird ellipsoidal (Taf. VIIL, Fig:29d; Taf. IX, Fig. 29e,f). Diese auffallende Vergrößerung der Kerne geht hier immer den karyokinetischen 'Figuren voraus, denen.der thatsäch- liche Theilungsakt gleich nachfolgt. - ‚Die sichtheilenden Zellen liegen durchausim Ektoderm, ihre Kerne Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 89 oft sogar nahe an der äußeren Oberfläche; die innere Begrenzung des Ektoderms ist vollkommen bestimmt; es liegt; dieht am Entoderm, doch nicht in Berührungmit ihm, da zwischen beiden Blättern die dünne Peri- toneallamelle eingeschaltet ist (Taf. VIII, Fig. 29 d). Einen Schritt weiter nach vorn und die innere Grenzlinie des Ektoderms verschwindet plötz- lieh: sieist’durehbrochen von Zellen, welche sich nach innen vordrängen und das! Entoderm ein wenig gegen ‚die Darmhöhle einbiegen. In Folge dessen löst sich, rings umher das: Ektoderm vom Entoderm, dem die Peritonealschicht -angeklebt bleibt, ab, und ‚es entsteht zwischen beiden Blättern ein kleiner spaltförmiger Hohlraum, in welchem einige der jungen im’Ektoderm entstandenen Zellen Platz nehmen. Einzelne dieser Zellen, besonders die gerade in Theilung begriffenen, stecken noch mit einer-Hälfte im äußeren Blatt, während die andere in die ‚Höhle hineinragt;-andere haben den Verband des Ektoderms bereits gänzlich verlassen und ‚liegen zwischen beiden Blättern. Man möchte sagen, das Ektoderm) sei hier nach innen aufgebrochen — etwa wie,ein Ab- seess — und entleere seinen Zellinhalt zwischen die alten Gewebs- schichten (Taf. IX, Fig.:29 e). ‘Mehr nach vorn ist die Zahl der ausgewanderten Zellen größer und daher auch der Zwischenraum zwischen den primären Blättern weiter, ‚doch'geht die mittlere Zellmasse noch; unmittelbar in das Ek- toderm\über — einzelne Zellen sind gerade im Begriff: dasselbe zu ver- lassen (Fig. 29 f). Auf dem folgenden, in Fig, 29 g abgebildeten Schnitte hat das Ektoderm dagegen fast,überall seinen scharfen inneren Kontour wiedergewonnen; nur-an: einer kleinen Stelle, erscheint er noch durch- brochen, und hier vermischen: sich seine Elemente mit denen: der mitt- leren Zellmasse. | Noch weiter nach vorn:ist. die innere: Begrenzungs- linie vollständig, nur eine: Einbuchtung derselben deutet die. Stelle an, wo; dahinter der: Durehbruch sich! findet: (Fig. 29%). Allein damit sind die ‚ursprünglichen. Lagebeziehungen- nicht: wieder ‚hergestellt, denn Ektoderm und Entoderm berühren sich: nicht, sondern zwischen ihnen ist eine Zellmasse eingeschaltet, und. so bestehen.drei, hier; scharf geschiedene Schichten :; das Entoderm (zusammen mit der Peritoneal- Jamelle), eine mittlere Schicht und das: Ektoderm. Die mittlere Schicht ist noch ziemlich dick, (gegen das Stomodaeum zu (Fig. 29) verdünnt sie, sich bis auf eine einzige ae dehnt; sich dagegen nach den Seiten:beträchtlich aus. Die vorstehende Darstellung der Entstehing de mittleren Schicht beruht, auf. der Kombination 'von Querschnitten der Bauchplatte — in mancher Hinsicht treten die! Verhältnisse auf: sagittalen Längsschnitten ‚übersichtlicher ‚hervor, ‚Und .da ich durch Genauigkeit überzeugen 90 Nicolaus/Kleinenberg, möchte, gebe ich auch eine Reihe solcher Schnitte Fig. 5la—d (Taf.X1). Ihre Beschreibung darf ich dem Leser und mir wohl ersparen, die Zeichnungen werden ohne Weiteres verständlich sein. Nur will ich bemerken, dass die Schnitte von der Mittellinie nach einer Seite hin auf einander folgen. Mechanisch aufgefasst stellt sich dieser Entwicklungsvorgang als die Spaltung einer Platte in zwei Blätter, die in spitzem Winkel aus einander weichen, dar; das innere Blatt wird zwischen Ektoderm und Entoderm eingeschoben und dehnt sich gegen das Stomodaeum aus, das äußere Blatt bleibt im Ektoderm liegen; hinten vereinigen sich beide Blätter in eine gemeinsame, dem Ektoderm angehörige Masse, oder mit anderen Worten, hier bleibt die Bauchplatte ungespalten. Aus dem inneren Fortsatz der Bauchplatte bildet sich nur kontraktiles Gewebe, ich werde ihn daher Muskelplatte nennen; die äußere Schicht mag Neuralplatte heißen — sie erzeugt den Bauchstrang, Sinnesorgane und dazu noch Organe nicht nervöser Natur, die Borstensäcke. Da die genetische Beziehung zwischen Muskelanlage und Nerven- anlage physiologische Fundamentalprobleme einschließt, habe ich die Vorgänge auch am normal auswachsenden Schwanzende von Lopado- rhynchus untersucht. \ So ohne Weiteres die Fortbildungserscheinungen beim wesentlich fertigen Thier mit den Embryonalzuständen zusammen zu werfen, wie manche Gelehrte wollen, geht doch nicht gut. In beiden Fällen be- steht neben den Anlagen eine besondere funktionelle Organisation und die Verschiedenheiten, welche in dieser Hinsicht die Larven und die definitiven Formen darbieten, können unmöglich ohne Einfluss auf die zur Entwicklung kommenden Anlagen sein. In der That ist auch leicht festzustellen, dass die Vorgänge in den Bauchplatten der Larve nach Form, zeitlicher Ordnung und Raumverhältnissen deutlich genug ab- weichen von dem, was im wachsenden Schwanzende des ausgebildeten Thieres geschieht. Aber andererseits — wie groß der Einfluss der ge- änderten Lebens- und Organisationsverhältnisse auch auf die in ver- schiedenen Zeiten des individuellen Daseins zur Entwicklung kommen- den Anlagen sein mag, reicht er doch nicht hin, um die tieferen ge- netischen Beziehungen aufzuheben: in einigen wesentlichen Punkten stimmt die Umbildung der Bauchplatten der Larve allerdings mit den Wachsthumserscheinungen am Schwanzende des Annelids überein. Ich gebe einige Abbildungen vom hinteren Körperende eines großen Lopadorhynchus brevis. Fig. 48a (Taf. XT) stellt einen hinter dem After geführten Schnitt dar. Er enthält nur Ektoderm. Auf der ganzen Bauchseite ist dasselbe in großzelligesGewebe verwandelt, dessen Kerne Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhyuchus. 94 sich im Ruhezustande befinden. Die Mitte der Rückenfläche sinkt zu einer tiefen Grube ein: es ist der hintere Rand des schräg ausmün- denden, dorsal gelegenen Proctodaeums. Den Boden dieser Grube bilden strahlig angeordnete Ektodermzellen. Zu beiden Seiten finden sich dicht gedrängte Zellen mit verschieden gestalteten Kernen. Diese verdichteten Stellen des Schwanzendes des Annelids entsprechen den Bauchplatten der Larve. Weiter nach vorn (Fig. 48b) erscheint das Proctodaeum auf dem Durchschnitt als beutelförmige Einstülpung der obersten Schicht des Ektoderms mit verengter Mündung (a). Unter dem Aftersäckchen springen die symmetrischen Ektodermverdichtungen wie breite Leisten gegen die Mittellinie vor und heben das Proctodaeum von der Bauchwand ab. Da die Vorsprünge die Mittellinie nicht erreichen, entsteht eine Höhle, die oben vom Grunde des Proctodaeums seitlich von den vorspringenden Leisten und unten von den hohen Zellen der Bauchwand begrenzt ist. Die Zellen der Leisten gehen ohne Spur von Sonderung in das äußere Ektoderm über. Im folgenden Schnitt (Fig. 48 c) stellt sich das Proctodaeum als geschlossenes Rohr dar, und — was uns hier interessirt, die seitlichen Vorragungen sind wie abgeschnitten: eine feine aber deutliche Linie scheidet sie vom äußeren Ektoderm. Endlich in Fig. 48d, wo der Darmkanal nicht mehr vom ektodermalen Proctodaeum, sondern vom hintersten Abschnitt des Entodermrohres repräsentirt ist, haben die Leisten, die Muskelplatten, sich‘ so ausge- dehnt, dass sie von beiden Seiten her den Darm umfassen; es liegen drei koncentrische völlig geschiedene Blätter vor. Die Fig. 49 ist von einem viel älteren Lopadorhynchus genommen und der Schnitt fällt gerade durch die Afteröffnung. Hier ist das Wachsthum sehr verlangsamt und desswegen lässt sich noch leichter das Auswandern der Ektodermzellen verfolgen. Und alle ausgeschie- denen Ektodermzellen werden zu Muskeln — die Verdickung des wach- senden Schwanzendes spaltet sich eben in eine Muskelplatte und eine Neuralplatte und damit wiederholt sich in seinen Grundzügen der erste Sonderungsvorgang in den Bauchplatten der Larve. DieNeuromuskelanlagen der Aleiopiden zeigen ähnliche Verhälnissh wie das wachsende Schwanzende von Lopadorhynchus und das hängt offenbar mit der bereits erwähnten eigenthümlichen Organisation der parasitischen Larven zusammen. Ihnen fehlen besondere Bauchplatten, der gemeinschaftliche Boden der Nerven- und Muskelplatten findet sich am hinteren, durchaus embryonalen Ende des Körpers. Die jüngsten Larven entbehren des Afters, das Entoderm endigt mit; einem veren- gerten blinden Sack. Fig. 67a (Taf. XIV) stellt den vorletzten Schnitt einer etwa 0,3 mm 93 Nicolaus Kleinenberg, langen Aleiope Gantrainii dar. Das Entoderm (en) bildet ein scharf um- -grenztes Rohr mit engem Lumen und liegt der dorsalen Seite des Ekto- derms unmittelbar än..: Das letztere besitzt nur hier einen deutlichen inneren: Kontour; das obere ziemlich dünne einschichtige äußere Blatt verliert sich unten in eine kompakte Masse von Zellen der verschieden- sten Form und: Größe, :die das Darmrohr zwischen sich aufnehmen und nahe bis an die dorsale Mittellinie hinan reichen. Nur ein’ schmaler senkrechter. Spalt unter ‚dem Entoderm- deutet darauf hin, dass die Verdickung. des: Ektoderms symmetrisch: von den Seiten her erfolgt, zwischen der äußersten Zellenschicht: der ‚Bauchfläche und ‘den in- neren Zellen ‚besteht dagegen..der innigste Zusammenhang. Es liegen eben nur zwei: Blätter vor: das. einschichtige Entoderm und das, auf der Rückenseite einschichtige, auf der Bauchseite mehrschichtige Ekto- derm.: ‘Weiter nach‘ vorn (Fig..;675). vervollständigen ‚sich ‚aber die Scheidungen: .das'Ektoderm wird:in seiner größten Ausdehnung ein- schichtig; nur an. den Seiten der abgeplätteten Bauchseite: erscheint es verdickt in Folge: der | Größenzunahme einiger ‚Zellkörper. und Kerne, und diese seitlichen Anschwellungen’ laufen in. eine mediane Schicht mit kleinen vielfach in Theilung begriffenen Kernen aus — von hier er- strecken sich zwei:hornförmige ‚Fortsätze nach innen und umgreifen einen Theil des Darmes,: Kurz gesagt;; die kompakte Ektodermmasse hat- sich in eine innere ‚Lage — die ‚Muskelplatte (2p) — und zwei äußere:-seitliche Stränge —- die Neuralplatten (np) — geschieden; beide Anlagen sind aber in der Medianlinie noch-im Zusammenhang. Ähnlich: liegen die Verhältnisse bei’einer älteren ’Asterope (Taf. XIV, Fig. 69). Die Muskelplatten ‚gehen noch unmittelbar in das ventrale Ektoderm über, doch ibeginnt- sich dessen äußerste Schicht schon: zu differenziren und von dieser;medianen Lage: trennen sich seitwärts die Neuralstränge: (np) ab. | 4 Weit ausgebildete Individuen’ von Nauphanta zeigen am äußersten Schwanzende:noch die ursprünglichsten: Zustände. Das: Ektoderm ist, mit Ausnahme eines schmalen dorsalen Streifens, mächtig verdickt; an den Seiten finden sich große Zellen mit riesigen Kernen, die gegen die ventrale Mittellinie in kleinkernige, lang ausgezogene Elemente über- gehen. Hier mangelt dem Ektoderm derinnere Abschluss, es löst sich in einzelne Elemente auf, die nach innen dringen und es ist leicht zu sehen, wie manche’Zellen mit ihrem Kern schon in der Leibeshöhle liegen, wäh- rend das andere Ende ihres fadenförmigen Körpers bis an die äußere Oberfläche reicht (Fig. 68 a): Weiterhin (Fig. 68 5) ist das Ektoderm der Mittellinie in ein eigenthümliches großzelliges Gewebe verwandelt, dem die Muskelplatten sich ‘unmittelbar anschließen; die Neuralplatten (np) Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 93 sind dagegen scharf abgegrenzt. Mehr nach vorn lösen sich auch die Muskelplatten von diesem hellen Ektodermgewebe, das die Form eines ziemlich langen rundlichen Stabes annimmt und zwischen den Neural- platten eingeschaltet bleibt. Dass in allen diesen Fällen die Muskelplatten anfänglich ganz aus- schließlich von Elementen des Ektoderms hergestellt werden, unter- liegt, wie mir scheint, keinem Zweifel. Ob ihnen später, wenn sie durch Vermehrung ihrer eigenen Zellen mächtige Ausdehnung gewonnen haben, auch Bestandtheile des Entoderms beitreten? Um darauf exakt zu antworten, müsste die Entstehung jeder einzelnen Muskelzelle be- sonders verfolgt werden, was einfach unmöglich ist. So weit unsere Beobachtungsmethoden reichen, lässt sich aber allerdings jede Bethei- ligung des Entoderms am Aufbau der Muskelplatten ausschließen. Denn während (die Anlage derselben vor sich geht, theilen sich die Ento- dermzellen überhaupt nicht, ich habe Hunderte von Larven dieses Stadiums durchgesehen, ohne auch nur einen Kern des Darmepithels thätig zu finden. Später theilen sich die Entodermzellen wohl, aber dann ist es mir meist gelungen zu erfahren, welche Bestimmung die neugebildeten Zellen erhielten — Elemente der Muskelplatten wurden sie niemals. Mit demselben Grade von Sicherheit lässt sich auch der Mangel jeder Betheiligung von Seiten der Peritonealzellen nachweisen; und wenn Jemand Lust hätte, die Muskelplatten als Auswüchse oder Ausstülpungen des Proctodaeums zu betrachten, so geht das auch nicht — einfach darum nicht, weil die Muskelplatten sich entwickeln, bevor es zur Bildung des Proctodaeums kommt. Die Muskelplatten fallen zum Theil mit dem, was gewöhnlich Me- soderm genannt wird, zusammen. Ich habe zu Beginn dieser Abhand- lung die Gründe angegeben, warum ich ein Mesoderm als selbständiges komplexes Keimblatt nicht anerkenne und die Entwicklung der blei- benden Muskulatur bei Lopadorhynchus hat mich wesentlich in dieser Meinung bestärkt. Da aber das Mesoderm nach übereinstimmender Angabe aller Autoren neben anderen Geweben auch die Muskulatur erzeugt, so ist es nicht ohne Interesse nachzusehen, wie sich aus den vorhandenen Untersuchungen das Verhältnis des Mesoderms zum Ekto- derm und Entoderm ergiebt. Kowauzvskı lässt bei Euaxes das mittlere Blatt unmittelbar aus der Furchung hervorgehen. Dazu treten noch zwei große Zellen, die An- fangs hinten an der Oberfläche liegen, später aber vom äußeren Blatt umwachsen werden und durch reichliche Theilungen zur Vergrößerung des mittleren Blattes beitragen. Dann theilt sich das Mesoderm in zwei seitliche Stränge, die Keimstreifen. An der Herstellung des Mesoderms 34 Nicolaus Kleinenberg, betheiligen sich also zwei Zellenarten, deren Zugehörigkeit zum Ekto- derm oder Entoderm schwer bestimmbar ist. »Euaxes bildete in diesem Falle eine Übergangsform zwischen der Bildung des mittleren Blattes vom oberen oder unteren der zwei primitiven Blätter !.« ‚Bei Lumbrieus rubellus entstehen dagegen die Keimstreifen aus zwei Zellen, die ursprünglich dem Entoderm angehören. Nach Srmrer bildet sich bei der Knospung der Naidinen ein Theil des Mesoderms vom Ektoderm her als eine ventrale Achsenplatte, die sich später in zwei Stränge spaltet. Doch finden auch an anderen Stellen Einwanderungen von Ektodermzellen ins Mesoderm statt 2. Für die Mesodermzellen von Lumbricus trapezoides fand ich eine doppelte Quelle: der kleinere Theil derselben aus den großen Meso- blasten, der größere aus zwei seitlichen symmetrischen Wucherungs- herden des Ektoderms. Da aber auch die Mesoblasten, wenn überhaupt einem der primären Keimblätter, nicht dem Entoderm, sondern dem Ektoderm angehören, ist das letztere als alleinige direkte oder in- direkte Ursprungsstätte des Mesoderms anzusehen. Das Verhältnis der Mesodermplatten zu den Anlagen des Bauchstranges ist in dieser Arbeit nicht genügend berücksichtigt — woran zum Theil technische Schwie- rigkeiten Schuld hatten. Bei Sipunculus entsteht nach Hartscurk das gesammte Mesoderm durch Theilungen der großen »Polzelle«. Es giebt Anfangs nur eine solche, die sich aber bald in zwei theilt. Die Polzellen gehören zum Entoderm’®. Eben so nach demselben Forscher bei Eupomatus* und nach v. DrascHe bei Pomatoceros°. | | Hatscaek hat die Richtigkeit meiner Beobachtungen an Lumbri- cus trapezoides angezweifelt, und dasselbe that Gorrrz. Bei Nereis Dumerilii soll die Mesodermbildung genau nach dem Kowaukvskı- Hatscaer’schen Schema verlaufen: eine der vier ursprünglichen Ento- dermzellen theilt sich in zwei und von diesen wachsen Zellstränge aus, die das Mesoderm darstellen. Was meine Untersuchungen werth sind, darüber abzuurtheilen, steht mir am allerwenigsten zu, ich weiß nur so viel, dass ich Beobachtungen, wie die Gorrte’s an den Eiern von Nereis, nicht einmal des Aufschreibens, geschweige denn des Druckens werth halte. Ich will meinetwegen glauben, dass die Geschichte von den zwei Mesodermzellen wirklich so ist, wie GoETTE erzählt — aber um damit die Herkunft des ganzen Mesoderms festgestellt zu halten, 1 Embryol. Studien an Würmern und Arthropoden. A8TA. p. 16. 2 Arb. Zool. Inst. in Würzburg. II. 3 Arb, Zool. Inst. zu Wien. V. 2 Ibid. IV. D]e3C» Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus, 95 bedarf es einer dogmatischen Zuversichtlichkeit, die beneidenswerth sein könnte, würde sie nicht durch den Anspruch, kritisch zu verfah- ren, um ihr bestes Theil — die Naivität — gebracht. Denn die weitere Entwicklung des Mesoderms ist, ohne auch nur eine brauchbare That- sache, so gut es gehen will, auf Gorrre’s eigene oder angenommene Ideen zugestutzt. »Von den beschriebenen Mesodermsträngen, deren Zellen sich andauernd vermehren und verkleinern, löst sich eine Anzahl der- selben ab, um in dünner lockerer Schicht die Seitentheile des Entero- derms zu überziehen. Eine weitere Entwicklung dieser Schicht, welche die Grundlage der mesodermalen Segmente darstellt, war in meinen Larven nicht zu erkennen. Einige der abgelösten Zellen umspinnen, nachdem sie spindelförmig ausgezogen, den Schlund und mögen als kontraktile Elemente dessen deutliche Schluckbewegungen ausführen oder wenigstens unterstützen. Die Hauptmasse der ursprünglichen Mesodermstränge verwandelt sich aber jederseits in drei hinter ein- : ander liegende rundliche Ballen, welche dicht über der Bauchseite : und auswärts vom Darme dem Ektoderm anliegen« — die Anlagen der ' Borstensäcke!. Von der Entstehung der Körpermuskulatur keine Rede. Zellen der Mesodermstreifen lösen sich ab, einige gehen zum Schlunde, andere bewahren ein strenges Inkognito, aber sie sind »die Grundlage ‚ der mesodermalen Segmente« — warum? Ist hier auch nur ein An- ' klang an das, was bei der Segmentirung anderer Anneliden geschieht? 1 4 t ö j | ” ’ ‘ | | i j \ | ) N u Aus dem übrigen Mesoderm bilden sich die Borstensäcke. Sie entstehen also nicht in den mesodermalen Segmenten? Das wäre neu, ist aber leider nur zu wahr, da auch bei Nereis Dumerilii die Borstensäcke - sicherlich nicht das Geringste mit dem Mesoderm zu thun haben, son- ‚ dern sich direkt vom Ektoderm her entwickeln, was freilich an der ‚ lebenden Larve,. man drehe sie wie man will, schwer zu erkennen sein mag. Bei dieser Untersuchungsmanier ist es keineswegs wunderbar, dass Goertz die sogenannte Schwanzblase von Spirorbis, die im Ektoderm entsteht und im Ektoderm bleibt, wenigstens vermuthungsweise für die Mesodermanlage nehmen konnte — ein Lapsus, den ES LESEN bereits angestrichen hat. SALENSKY schließt sich meiner Darstellung der Mesodermbildung bei | Lumbrieus für die Polychaeten mit einigem Rückhalt an. Er wendet sich zunächst gegen GoETTE mit dem Nachweis, dass die Sprösslinge der großen Blastomeren, die dieser bei Nereis Dumerilii für Mesoblasten „erklärt hatte, bei Nereis cultrifera und Psygmobranchus zu Ektoderm- zellen werden, während das Mesoderm der N. Sunleje au Thei- 1 Abh. zı zur Entw. der Thiere. I. p- 89. 96 Nicolaus Kleinenberg, lungen der Ektodermzellen am Blastopor entsteht!. : Bei Pileolaria fehlen die großen Mesoblasten; das Mesoderm geht aus einer ventralen Wucherung des Ektnderms hervor, die gleichzeitig an der ganzen Länge des zukünftigen Rumpftheiles auftritt?. Ähnlich bei Aricia, wo aber die Ektodermverdickung am Rande des Blastopors erscheint und nach hinten auswächst°. Ganz anders findet dagegen SıLensky die genetischen Beziehungen des Mesoderms beiBranchiobdella. Die Furchung liefert eine indifferente Zellmasse, deren äußerste Lage sich verhältnismäßig spät sondert und zum Ektoderm wird, während die inneren Zellen die gemeinsame Grundlage des Entoderms und des Mesoderms darstellen. Erst nach- dem der Bauchstrang angelegt ist, spaltet sich dies kompakte Mesoento- derm in eine ventrale und eine dorsale Masse; die erste ist die Anlage des Mesoderms, die zweite bildet sich zum Entoderm um. In einer Arbeit über dieBildungsvorgänge im wachsenden Schwanz- ende von Lumbriculus variegatus, die hauptsächlich bestimmt ist, einige Behauptungen Senper’s zu prüfen und meist zur Widerlegung derselben führt, giebt BöLow auch eine Darstellung der Mesodermbildung. Das hin- terste Ende dieses Thieres hat einen halbmondförmigen Querschnitt und besteht aus zwei Zellschichten, die an den Rändern in einander über- gehen: die konvexe äußere Schicht entspricht dem embryonalen Ekto- derm, die innere eingestülpte dem Entoderm. »Das Präparat kann man seiner Form und den vorhandenen Keimblättern nach mit der zwei- schichtigen Gastrula vergleichen .« Weiterhin gleichen die Schnitte »der dreischichtigen Gastrula«, es ist nämlich zwischen den beiden primären Blättern eine Zelllage, das Mesoderm, aufgetreten, die in der Mitte vom Ektoderm und Entoderm sehr scharf geschieden, seitlich mit den »Ekto- entodermzellen« des Umschlagrandes zusammenhängt. Das Mesoderm ist »somit weder ein rein ekto- noch ein rein entodermaler Abkömmling«. | Freilich treten später auch von den seitlichen Theilen des Ektoderms | Zellen aus, um sich dem Mesoderm beizumischen, gerade so wie aus | der Srmrer’schen Seitenlinie, trotzdem resumirt der Verfasser seine | Auseinandersetzungen folgendermaßen: »in der Entstehung der Meso- | dermschicht als des ersten Differenzirungsproduktes der primären zwei | Schichten ist eine Modifikation eingetreten: sie nimmt nicht mehr wie | im Embryo aus dem Entoderm ihren Ursprung, sondern aus derjenigen Stelle, wo äußere und innere caudale Keimschicht in einander über- | ni gehen«®. 1 Archives de Biologie. III. p. 568. _ 2 Ibid. IV. p. 7. 3 Ibid. p.53. | * Ibid. VI. p. 49, 50. 5 Zeitschr. f. w. Zool. Bd. XXXIX. 1883. p. 84. 6 Tbid. p. 96. N | Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynehus. 97 Das ist Alles recht schön und besonders der Gedanke, dass Lum- brieulus sich einer theils zweischichtigen, theils dreischichtigen Gastrula als Schwanz bediene, kann nicht verfehlen die freundlichste Aufnahme zu finden. Ich bedauere aufrichtig den Störenfried machen zu müssen. Es ist eine alte Thatsache und durch Burrour’'s Vergleichende Em- bryologie lippis et tonsoribus bekannt geworden, dass bei den meisten Thieren der hinterste Abschnitt des Darmkanals von einer Einstülpung des Ektoderms hergestellt wird — wäre es da nicht der Mühe werth gewesen nachzusehen, ob das vermeintliche Entoderm der Schwanz- gastrula nicht bloß das Proetodaeum ist? Und diese Mühe würde sehr klein gewesen sein, denn auch ohne auf die embryonale Entwick- lung zurückzugehen, ist schon aus den anatomischen Verhältnissen zu schließen, dass Lumbriculus allerdings einen ektodermalen Enddarm besitzt. Damit ist natürlich all’ den übrigen Folgerungen der Boden ent- zogen. Die klaren und augenscheinlich genauen Zeichnungen BüLow’s stimmen so sehr mit meinen Darstellungen des Schwanzendes älterer Larven von Lopadorhynchus und Aleciopiden überein, dass wohl erlaubt ' ist, die Entstehung des Mesoderms bei Lumbriculus auf seitliche Wuche- rungen des hintersten Theiles des Ektoderms zurückzuführen. Die Bauchplatten der Larven von Lopadorhynchus sind wahre Neu- romuskelanlagen. Die aus ihnen entstehenden kontraktilen und ner- vösen Gewebe fließen lange Zeit am hinteren Ende in eine ausgedehnte gemeinschaftliche Differenzirung des Ektoderms zusammen (Taf. XII, Fig. 52). Allmählich schreitet aber die Spaltung in Muskel- und Nerven- ‚ platte nach hinten fort und wenn die Segmentirung beginnt, löst sich die Sinnesplatte vom Ende der Nervenmuskelanlage ab, zwischen bei- ‚ den schiebt sich ein schmaler Streifen indifferenter Ektodermzellen ein, ‚ die sich nur sehr langsam vermehren. Die abgetrennten hinteren Enden der Bauchplatten bleiben dagegen mit den Muskelplatten in Verbindung, die Zellen, welche in jenen entstehen, verlassen das Ektoderm, um in ‚ diese aufgenommen zu werden: die abgeschnürten Enden der Bauch- ‚ platten bilden jetzt gleichsam die Wurzeln der Muskelplatten im Ekto- derm. Damit wäre also der ursprüngliche Zusammenhang zwischen ‚ Muskelanlagen und Neuralanlagen aufgehoben; doch ist nicht zu über- ‚ sehen, dass auch jetzt noch die Wurzeln der Muskelplatten eben so wie ‚ die ganzen Neuralplatten im Ektoderm liegen und nur durch ein dünnes ‚ Band gewöhnlichen Ektodermgewebes, in das sie alle beide ohne scharfe ‚ Begrenzung übergehen, getrennt sind — es bleibt daher die Möglichkeit ‚ bestehen durch Vermittelung dieser Zwischenschicht innige Beziehungen " zwischen dem Muskel- und dem Nervengewebe zu erhalten oder aus- ' | | \ 1 ' zubilden. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLIV. Ba. 7 98 Nicolaus Kleinenberg, Die Bauchplatten der Phyllodociden verhalten sich Anfangs gerade so wie bei Lopadorhynchus, bei denjenigen Phyllodocidenlarven aber, welche einen analen Paratroch entwickeln, erscheinen die Verhältnisse später recht abweichend, ohne es doch im Grunde genommen zu sein. Der hintere Wimperkranz differenzirt sich nämlich innerhalb der Enden der Bauchplatten, und da seine Zellen die ganze Dicke des Ektoderms einnehmen, löst sich ein kleiner Theil von der Hauptmasse ab. Ersterer bleibt auch hier mit der Muskelplatte verbunden, deren Ektodermwurzeln also vom Paratroch umschlossen werden und an diesem vorbei dringen die auswandernden Zellen zwischen Ektoderm und Entoderm ein. Wie man sieht, sind es dieselben Verhältnisse wie bei Lopadorhynchus, nur durch den eingeschobenen Paratroch stärker markirt. Der inneren Entwicklung des äußeren Blattes der Neuromuskelan- lage, der Neuralplatte, geht wiederum das Auftreten von Ganglienzellen voraus, die nicht im Gewebe der Platte selbst, sondern außerhalb dersel- ben durch direkte Umwandlung von Ektodermzellen entstehen. Schon bei Beginn der Spaltung der Bauchplatten bilden sich, wie vorhin ange- geben wurde, Ganglienzellen am hinteren oberen Rande derselben, die, welche jetzt erscheinen, liegen dagegen medianwärts und später unter den einander zugekehrten Rändern der Platten. Das erste Paar entwickelt sich an der Stelle, wo die Platten sich in die beiden Blätter spalten (Taf. XI, Fig. 335, srz). Diese Zeilen haben die gewöhnliche birnförmige Gestalt und stimmen in ihrem inneren Bau mit den Reflexzellen der Um- hrella überein. Ihr Hauptfortsatz dringt in die Bauchplatte dort ein, wo das neurale Blatt mit dem muskulösen verschmilzt — es ist nicht festzu- stellen, ob er in dem einen oder in dem anderen oder in beiden endigt. Diesem ersten Zellenpaare folgt bald, durch einen schmalen Zwischen- | raum getrennt, ein zweites, dann ein drittes etc., so dass dann zu den Seiten der Mittellinie zwei Reihen von Ganglienzellen hinziehen. Wie | viel Zellen im Ganzen entstehen, kann ich nicht mit Bestimmtheit an- | geben; das Zählen ist hier schwieriger als man denken möchte. Wo die Neuralplatte von der Muskelplatte ‘geschieden ist, tritt ein Fortsatz der | Ganglienzelle in die erste ein (Taf. IX, Fig. 33c, vgl. Taf. X, Fig. 37; Taf. XIH, Fig. 55 srz). In den hinteren Abschnitten liegen diese Zellen | ziemlich weit vom medianen Rande der Neuralplatte ab, weiter nach| vorn legen sie sich dagegen der Platte an, und dort, wo das Gewebe des| Bauchschildes fest inmitten der Neuralplatten eingezwängt ist, konnte | ich sie überhaupt nicht auffinden: dass sie da nicht bestehen, scheint‘ mir wahrscheinlich, doch wäre auch möglich, dass sie in die Masse| (4 Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 99 der Platten hineingedrückt und dadurch schwer erkennbar gewor- den sind. Innerhalb’der Neuralplatten selbst überwiegt noch die Vermehrungs- thätigkeit. Dabei ordnen sich die jungen fadenförmigen Zellen ziemlich regelmäßig an. Ihre peripherischen Enden konvergiren von rechts und links gegen die flache Grube, welche sich auf der Platte bildet; ihre Kerne liegen dicht gedrängt bis an die innere Grenze gegen die Muskel- platte, an der Oberfläche dagegen findet sich ein kernloser heller Saum, der feingestreift erscheint, da seine ganze Masse bloß aus den äußerst dünnen peripherischen Enden der Zellen besteht. Von der kompakten Platte, die seitlich scharf vom übrigen Ektoderm abgegrenzt ist, löst sich nur eine kleine Zellengruppe etwas ab: dicht an der äußeren Oberfläche unter jedem Haarbüschel der Sinnesorgane, stößt man auf dieser Entwicklungsstufe immer auf einige wenige Zellen, deren cen- trale Enden in die Neuralplatte eintreten (Fig. 33 c). Bis jetzt ist der innere Bau der Neuralplatten gleichförmig, überall bestehen sie aus denselben jungen Elementen. Die Zelltheilungen müssen sehr zahlreich sein, da die Anlagen stark wachsen, während ihre Einzelbestandtheile eher kleiner als größer werden; aber nur selten trifft man auf einen in Theilung begriffenen Kern. Der Vermehrungs- vorgang läuft offenbar äußerst schnell ab und erzeugt Tochterzellen, die sofort die Gestalt der Mutterzellen annehmen und sich diesen zufügen. Dann aber ergreift ein besonders starker Vermehrungsantrieb be- schränkte Zellgruppen, die genau symmetrisch in der Mitte der beiden Neuralplatten doch etwas gegen den lateralen Rand hin gelegen sind. Die Zellen, die hier aus der Theilung hervorgehen, sind ein wenig von den übrigen verschieden, besonders durch die Beschaffenheit ihrer Kerne: sie sind größer, nicht oval, sondern kugelig und von hellerer Substanz. Diese Zellen sammeln sich in der Tiefe der Platte an und wenn sie zahlreicher geworden sind, bilden sie einen gegen die Mus- kelplatte einspringenden stumpfen Kolben; offenbar ist der Widerstand nach innen, wo das lockere Gewebe der Muskelplatten sich befindet, geringer als nach den Seiten der kompakten Neuralplatte. Der innere gerade Kontour wird also wieder durch einen Vorsprung unterbrochen und das abgerundete Ende der keulenförmigen Zellmasse dringt all- mählich tief in die Muskelplatte ein, während ihr äußeres Ende ohne Begrenzung in das Gewebe der Neuralplatte übergeht. (Taf. IX, Fig. 34 bsa). Von diesen Anlagen entsteht das erste Paar im vorderen Abschnitt ' der Neuralplatten, dann folgt, ziemlich weit dahinter, ein zweites und so fort, von vorn nach hinten. 7* 100 Nicolaus Kleinenberg, Diese erste Differenzirung innerhalb der Neuralplatten hat mit dem Nervensystem ganz und gar nichts zu schaffen: sie ergiebt die Anlagen der Borstensäcke. . Mit dem Auftreten derselben wird der metamerische Bau des Wurmkörpers angedeutet, denn jedem Paar von Borstensäcken ent- spricht später ein Segment. Vorläufig bleiben jedoch die Neuralplatten sowohl wie die Muskelplatten ungetheilte zusammenhängende Massen. An der Stelle, wo die Säcke liegen, erscheinen die Neuralplatten in einen lateralen und einen medianen Strang geschieden (Taf. IX, Fig. 3%), in den Zwischenräumen vor und hinter jenen Anlagen gehen jedoch die beiden Abschnitte völlig in einander über, so dass hier die ganze Platte wiederum eine einzige Masse darstellt. Die nächste Sonderung vollzieht sich im lateralen Abschnitt jeder Neuralplatte. Hier scheidet inmitten des Gewebes ein Zellenhäufchen aus, indem die Zellen, deren Kerne wohl in Folge wiederholter Thei- lungen etwas kleiner geworden sind, sich zu einem eiförmigen Körper zusammenfügen. Es ist das die Anlage des Rückeneirrus (Taf. X, Fig. 35 dc). Anfänglich kaum von den umgebenden Theilen der Neuralplatte unterscheidbar, grenzt sie sich bald ziemlich deutlich ab, bleibt jedoch zunächst gänzlich in die Platte eingesenkt, deren äußere Oberfläche glatt, ohne jede Erhebung über sie wegzieht. Nur wenig später macht derselbe Sonderungsvorgang sich auch im medianen Theil der Neuralplatte geltend, auch hier, und zwar ganz nahe bei der Anlage des Borstensackes, verdichtet sich das Gewebe zu einer zwiebelförmigen Knospe: die Anlage des Baucheirrus (Taf. X, Fig. 36 ve). Sie ist jener des Rückeneirrus ganz ähnlich, nur etwas kleiner. Und im Wesentlichen stimmt dieser Entwicklungsvorgang mit dem überein, was auf der Umbrella zur Herstellung der Antennen ge- schieht. | Das erste Paar der Girrenanlagen erscheint jederseits im vorderen Abschnitt der Neuralplatte; dann folgen in kurzen Abständen weitere Paare nach, um so später je weiter nach hinten. So enthalten denn die ungetheilten Neuralplatten Reihen von be- sonderen Anlagen: auf jeder Seite neben einander die Borstensäcke, die dorsalen und die ventralen Cirren. Um diese Anlagen herum liegt aber noch eine beträchtliche Masse indifferenten Gewebes, und be- sonders der breite mediane Rand der Platte zeigt noch keine Sonderung. Allein gleich nach dem Auftreten der Cirrenanlagen beginnen auch hier un a= TEEET Ze At rein histologische Umbildungen, die zur Herstellung des Bauchstranges | führen. Neuralplatte und Muskelplatte sind zu dieser Zeit schon sehr be- I \ Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 101 trächtlich gewachsen, die erste ganz besonders in die Dicke, so dass sie zahlreiche über einander liegende Schichten von Kernen enthält. Trotz- dem ist die Neuralplatte noch immer als ein einschichtiges Epithel zu betrachten, denn auch die Zellen, welchen die am tiefsten gelegenen Kerne angehören, reichen mit einem feinen Endfaden bis an die freie Oberfläche. Neben dem Wachsthum in der Tiefendimension dehnen sich die Platten auch in der Fläche aus, vorwiegend gegen die Mittel- linie zu. So geschieht es, dass die abgerundeten medianen Seiten- flächen der Anfangs von einem breiten Zwischenraum getrennten Platten sich einander nähern und schließlich mit den am weitesten nach innen gelegenen Punkten ihrer Ränder in gegenseitige Berührung kommen. Sofort wie das stattgefunden hat, schicken die dem Berührungspunkte zunächst gelegenen Zellen feine Fortsätze aus, die, von beiden Seiten her mit einander verschmelzend, einen ganz dünnen Streifen nervöser Punktsubstanz herstellen (Taf. IX, Fig. 34; Taf. X, Fig. 35). Damit ist eine innige, freilich noch auf eine sehr kleine Stelle beschränkte, Ver- bindung der Neuralplatten gegeben — von der einen zur anderen führt eine kurze dünne Faserbrücke hinüber. Wenn dann die Berührungs- linie der Neuralplatten sich mehr nach hinten verlängert entwickeln sich neue solche Brücken in der immer noch unsegmentirten Masse und zwar an jeder Stelle, wo seitwärts die Cirrenanlagen und die Borsten- säcke liegen: jeder Faserstrang entspricht also einem der später zur Sonderung gelangenden Körpersegmente. Aber nicht alle der jungen Nervenfasern nehmen die Richtung von rechts nach links oder umgekehrt, ein Theil derselben wächst nach vorn, ein anderer nach hinten aus. In Folge dessen erscheint jede einzelne Fasermasse, von der Fläche gesehen, als ein Kreuz: die nach den Seiten gerichteten Arme desselben werden zu den Querkommis- suren, während aus den verlängerten vorderen und hinteren Armen das primäre Längsconnectiv sich zusammensetzt. Dies letztere ent- ‚ stände demnach durch die nachträgliche Verschmelzung ursprüng- ‚ lich getrennter Differenzirungen. Ich gestehe jedoch in Bezug auf diese Frage nicht ganz sicher zu sein. Es ist sehr schwer in der dieken Zellmasse feinste Faserzüge zu verfolgen und es wäre immerhin mög- lich, dass sich von vorn herein eine kontinuirliche sehr dünne Längs- faserschicht anlegte, die in regelmäßigen Abständen verdickt wäre. Wahrscheinlicher ist aber der früher angegebene Thatbestand, zu dessen Gunsten noch die Vorgänge bei der weiteren Entwicklung der Gan- glien sprechen. Die Neuralplatten liegen nun auf einer weiten Strecke dicht an ein- - ‚ ander, aber lange bleiben sie durch eine feine Grenzlinie getrennt; die 102 Nicolaus Kleinenberg, unmittelbaren Übergänge sind auf die Kommissuren beschränkt, die immer stärker werden. Zunächst dehnen sie sich nach den Seiten hin zu einer dünnen aber verhältnismäßig breiten Schicht aus und ragen jederseits mit einem schmalen leistenartigen Fortsatz in die Zellenmasse der Neuralplatte hinein (Taf. X, Fig. 36). Dann ziehen sich die Ränder der Punktsubstanz wieder etwas zurück, während ihre Dicke beträcht- lich zunimmt, der Querschnitt wird nierenförmig (Fig. 37) und später biskuitförmig (Fig. 38). Die Kommissuren liegen Anfangs unmittelbar an der inneren, die Muskelplatte berührenden Fläche des Ektoderms — ein Verhalten, das sich hernach ändert. Die Zellenmassen der Neuralplatten, aus welchen die Nervenstränge entspringen, bewahren lange ihren primitiven inneren Bau. Durch Maceration lösen sie sich in ein Gewirr feinster Faserzellen auf, die nur an einer Stelle, wo der ovale Kern eingeschlossen ist, angeschwol- len erscheinen (Taf. XII, Fig. 62 — von einer jüngeren Entwicklungs- stufe). Wenn schon die Fasern zwischen den vorspringenden Kernen ihrer Nachbarinnen wellenförmig gekrümmt sich durehwinden, ist ihr Verlauf doch vorwiegend radial. Diese Zellen sind von den späteren Gan- glienzellen des Bauchstranges sehr verschieden. Es sind nicht centrale von der Oberfläche ausgeschiedene Nervenzellen, welche die Kommis- suren bilden, sondern diese treten als Verbindungen von Elementen auf, die ihren morphologischen Charakteren nach als Epithelien, physio- logisch als Sinneszellen zu betrachten sind. Zudem giebt es noch gar keine Abgrenzung des Theiles der Neuralplatte, welcher zu den Gan- glien des Bauchstranges wird: die Zellenmasse unter den Kommissuren geht unmittelbar in die seitlichen Theile der Platte über (Taf X, Fig. 37 bg). Zu dieser Zeit besitzt die Subumbrella eigentliche Ganglien- zellen nur außerhalb der Neuralplatten: die beiden Reihen von larvalen Reflexzellen. Unterdessen ist die Ausbildung der subumbrellaren bleibenden Sinnesorgane merklich vorgeschritten. Sie haben an Umfang zugenom- men und dann drängen die bisher völlig im Ektoderm versenkten Kno- | spen ihre Spitzen nach außen vor — wie eine keimende Blumenzwiebel | aus der Erde hervorbricht (Taf. X, Fig 37 de und vc). Der Wachsthums- | process, durch den die inneren Anlagen zu äußeren Anhängen des Kör- pers werden, ist genau derselbe wie bei den Antennen; es wäre lang- weilig die Beschreibung zu wiederholen. Und eben so wie dort fällt mit der Erhebung der Cirren über die Oberfläche im Inneren eine stärkere m Entwicklung von Fasern zusammen, die sich zur Herstellung der Cirrus- | nerven vereinigen. Wie vorhin erwähnt, ist die Abgrenzung der Anlage, ’ ” '. i| Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 103 so lange sie noch ganz unter der Oberfläche liegt, schon recht präcis — an einer Stelle jedoch nicht. Am Pol des stumpfen Endes des eiför- migen Körpers strahlen seine Zellen wie eine Wurzel in das umlie- gende Gewebe der Neuralplatten aus und vermischen sich mit ihm. Hier ist es, wo sich Zellfortsätze zum Nerven ansammeln. Der ventrale Cirrus liegt auf dieser Entwicklungsstufe zum Theil noch inmitten der Massen, welche den Bauchstrang herstellen und so müssen die von ihm nach innen ausstrahlenden Zellen und Zellfortsätze nothwendigerweise in die Anlage des Centralorgans übertreten — die Leitungsbahnen sind von vorn herein und unmittelbar gegeben. Der Rückeneirrus scheint dagegen auf den abgebildeten Schnitten durch den dazwischen liegenden Borstensack gänzlich von der Anlage der Ganglien des Bauch- stranges getrennt. Allein man braucht sich nur zu erinnern, dass vor und hinter jedem Borstensack eine Lage nicht differenzirten Gewebes der Neuralplatte nachbleibt, und dass diese kontinuirlich in die Anlage des Bauchmarkes übergeht — in dieser Schicht wurzelt der Rücken- eirrus und auch hier ist die Verbindung von Sinnesorgan und Central- system so unmittelbar und innig wie beim Baucheirrus. Leicht erkennt- lich wird der Nerv erst nachdem der Rückencirrus von dem mächtig entwickelten Borstensack weit nach der Seite gedrängt worden ist, doch darf man nicht glauben, dass dann die Verbindungsfasern entstehen und dass sie einen langen Weg durchlaufen müssen, um die Ganglien- anlage zu erreichen: die Verbindung besteht schon lange vorher, nur treten die Anfangs vereinzelten Fäden dann erst zu einem Strange zu- sammen, und die größere Länge dieser Nerven kommt dadurch zu Stande, dass die beiden Endzellen jeder einzelnen Faser im Ganglion und im Sinnesorgan zuerst nahe beisammen liegen, später durch den auswachsenden Borstensack von einander entfernt werden. Und ich bitte diese Darstellung nicht für eine der Beschreibung eingeschaltete Hypothese zu nehmen: ich gebe sie als Thatsache, in so fern als sie das. Ergebnis der Kombination einer großen Zahl von Schnittpräparaten ausdrückt. Solche Entwicklungsvorgänge in Abbildungen darzulegen scheint mir kaum thunlich: es würde dazu eine unvernünftige Menge von Figuren gehören, und bei Licht besehen würden diese auch nicht mehr beweisen als das einfache Wort. Bevor die Entwicklung der Cirren so weit gelangt ist, hat die Seg- mentirung begonnen. Diese Sonderung stellt sich nicht als einheitlicher Vorgang dar, sondern ist das Ergebnis von Veränderungen der einzel- nen Anlagen, die zwar ziemlich gleichzeitig, doch bis zu einem gewissen Grade unabhängig von einander ablaufen. So weit die Entstehung der Segmente sich in der Umgestaltung der äußeren Körperform ausspricht, 104 Nicolaus Kleinenberg, wurde sie schon vorhin berücksichtigt, und über die inneren Vorgänge ist nicht viel zu sagen. In hinter einander gelegenen senkrechten Ebe- nen lockert sich das Gefüge der dicht gedrängten Gewebe sowohl der Muskel- als der Neuralplatten und damit sind eben die Grenzen der Segmente hergestellt (Taf. XII, Fig 54). Jedes Segment der Neural- platten enthält die beiden Hälften der Anlage eines Bauchganglions, zwei Paar Cirren und ein Paar Borstensäcke und außerdem noch eine beträchtliche Masse nicht differenzirter Zellen. Es wurde schon be- merkt, dass die Sonderung von zehn oder zwölf Segmenten fast gleich- zeitig erfolgt, allein diese Segmente befinden sich durchaus nicht alle auf derselben Stufe innerer Ausbildung: die vordersten sind am wei- testen vorgeschritten, so dass auch damit der Ablauf der Entwicklung von vorn nach hinten deutlich ausgedrückt ist. Später wird die Schei- dung der Segmente sehr viel ausgeprägter, besonders durch die Ent- stehung besonderer Muskelstränge an den Grenzflächen. Der Segmentirung unterliegen zunächst nur die seitlichen Ab- schnitte der Neuralplatten, bis an die Mittellinie reicht der Zerfall nicht, es bleibt jederseits ein dicker Zellenstrang liegen — die Anlagen der Bauchkette. Sie erhalten sich als zwei Platten, die ungetheilt vom un- teren Rande des Stomodaeums bis gegen das Proctodaeum verlaufen. Und das ursprüngliche Verhalten ändert sich streng genommen während des ganzen Lebens nicht, denn der spätere segmentale Bau des Bauch- stranges beruht auf einer regelmäßigen Anordnung der Nervenzellen und Nervenfasern, die den Körpersegmenten entspricht, ohne dass es jedoch in irgend welcher Zeit zum Zerfall der Nervenkette in isolirte Glieder kommt. Anfangs sind die Zellen längs der ganzen Anlage des Bauchstran- ges gleichmäßig vertheilt, ihre Ansammlung an bestimmten Stellen tritt spät ein und vollzieht sich sehr langsam. Zuvörderst grenzt sich jederseits die mediane Verdickung etwas deutlicher von den Seiten- theilen ab, doch wird der Zusammenhang zwischen beiden nicht auf- gehoben. Zugleich verschmelzen die beiden Platten in der Mittellinie nun auch mit ihren zelligen Theilen. Vorher waren die Platten wohl schon dicht zusammengerückt, aber es bestand eine feine Scheidewand vor und hinter jeder Kommissur (Taf. X, Fig. 38). Die Scheidewand schwindet von der Kommissur beginnend nach und nach so vollkom- men, dass die paarigen Anlagen des Bauchstranges zu einer medianen Platte zusammenfließen. Wenn es so weit gekommen ist, tritt eine eigentkümliche Umla- gerung der Nervenzellen ein. In Fig. 46 auf Taf. XI sind die bezüg- lichen Verhältnisse vom hinteren Ende einer weit entwickelten Larve, Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 105 wo eben das letzte Ganglion in Bildung begriffen ist, dargestellt. Der hinterste Schnitt (Fig. 46.d) zeigt die Lagebeziehungen der Faserstränge zu den Zellen noch ungefähr so, wie sie bei den jungen Larven für die vordersten Theile beschrieben wurden: die Kommissur liegt dicht an der Muskelplatte, die Nervenzellen (bg) nach außen von ihr. Man be- merkt aber, dass gerade an der Mittellinie einige Zellen sich gegen die Kommissur schieben und sie in zwei seitliche, durch eine ganz dünne Querbrücke verbundene Hälften spalten — es ist das gerade die Stelle, wo Kommissur und Connectiv in einander übergehen. Weiter nach vorn (Fig. 46c) sind Zellen von unten her mitten durch das Connectiv gedrungen, dies besteht nun aus zwei rundlichen Strängen, die in der Mittellinie durch eine Zellschicht getrennt sind. Gleichzeitig rücken die in den seitlichen Theilen der Anlage gelegenen Zellen nach innen und gegen die Mittellinie vor, sie kommen also zwischen die Muskelplatte und die Nervenfasern zu liegen, und wenn sie sich von beiden Seiten her in der Mitte begegnen, hüllen sie die Fasern völlig ein. Diese Um- lagerung ergreift immer mehr zellige Elemente des Bauchstranges, die Zellenschicht verdickt sich über den Nerven, unter ihnen verdünnt sie sich; bald befinden sich die Faserzüge gerade in der Mitte der Gan- glienmasse (Taf. X, Fig. 39, wo die Querkommissur getroffen ist und keine Durchbrechung von unten, sondern nur eine Umwachsung von den Seiten stattgefunden hat). Mehr und mehr Zellen werden nach innen verschoben, drängen die ventralen Längsmuskelplatten bei Seite, und springen als zwei dicke, in der Mittellinie durch eine feine Grenzlinie getrennte Wülste bis an den Darm vor (Fig. 465). Endlich sind die ursprünglichen Verhältnisse völlig umgekehrt: beinahe die gesammte Masse der Nervenzellen liegt innen in der Leibeshöhle, die Faserstränge sind nach außen dicht an die Epidermis verlegt, die hier nur einige wenige vereinzelte Nervenzellen zurückbehalten hat (Taf. XI, Fig. 47; Taf. XII, Fig. 57). Die Umlagerung des Zellmaterials hat zwei weitere Folgen. Erstens bringt sie die Ablösung der Ganglienkette vom Ektoderm mit sich. Indem die Zellen sich über den Fasersträngen ansammeln, müssen sie nothwendigerweise ihre Bildungsstätte verlassen, einige bleiben freilich zunächst noch im Ektoderm stecken, und dies&Verbindung er- hält sich zeitlebens in der Mittellinie an den Stellen, wo sich die Gan- glien bilden, löst sich dagegen längs des Verlaufs der Connective. Zweitens fällt mit der Umlagerung auch die Bildung der definitiven Ganglien zusammen. Zuerst wird das gesammte innere Fasersystem in eine zusammenhängende Zellenschicht eingebettet. Allein die Ansamm- lung der Zellen ist von vorn herein an den Stellen, wo sich die Kommis- 106 | Nicolaus Kleinenberg, suren finden, etwas stärker: so entstehen auf der dorsalen Fläche des Bauchstranges kleine Höcker, die durch seichte Querfurchen getrennt sind. Hand in Hand mit der Streckung des gesammten Wurmkörpers verschieben sich die Zellen nicht mehr bloß von den Seiten und von unten her, sondern auch von vorn nach hinten und von hinten nach vorn gegen die Punkte über den Kommissuren. Endlich zieht sich der gesammte Zellenbeleg der zwischen den Anschwellungen gelegenen Strecken auf jene zurück, es bilden sich um die Kommissuren mächtige Knoten, die Ganglien, während zwischen ihnen die zelligen Elemente geschwunden und die CGonnective bloßgelegt sind. Bei der Fertigstellung des subumbrellaren Gentralorgans kommt seine paarige Struktur wieder deutlicher zum Vorschein als auf der vorhergehenden Entwicklungsstufe. Die dorsalen Zellmassen des Gan- glions sind auch beim erwachsenen Thier vermittels einer senkrechten Scheidewand, die bis zur Kommissur eindringt, in eine rechte und linke Hälfte getheilt, und die CGonnective bilden außerhalb der Ganglien zwei völlig geschiedene Stränge. Im Vergleich mit dem Kopfganglion erscheinen die histologischen Differenzirungen der Ganglienzellen des Bauchstranges von geringer Bedeutung. Sehr lange behalten sie ihre ursprüngliche Beschaffenheit, erst bei der Umlagerung verwandeln sich die fadenförmigen Sinnes- zellen in kleine großkernige Ganglienkörper. Einige Unterschiede machen sich zwar in besonderen Gruppen innerhalb der Ganglienkette merklich, ich habe sie jedoch weder histologisch genau untersucht noch ihre Entstehung verfolgt. Es hat mir passend geschienen, die Entwicklungsgeschichte des subumbrellaren Centralorgans bis zu diesem Punkt zu führen, ohne die Beziehungen desselben zum Nervensystem des Prototrochs und zum Kopfganglion in die Beschreibung einzuflechten. Diese Beziehungen sind aber von maßgebender Bedeutung sowohl für die Auffassung des ge- sammten Gentralnervensystems der Anneliden und seiner verschiedenen Theile, als auch für die Erkenntnis allgemeiner Entwicklungsprin- cipien. Zwischen den Anlagen der Centralorgane der Umbrella und der Subumbrella fehlt Anfangs jede direkte Verbindung. Es ist mir mit dem besten Willen nicht gelungen auf den früheren Entwicklungsstufen auch nur eine unzweifelhafte Nervenfaser zu finden, die von den Bauch- platten zu dem Ganglienplexus der Umbrella hinüberführte. Dagegen entsteht frühzeitig ein Zusammenhang zwischen dem Prototrochnerven- system und dem larvalen Apparat von Ganglienzellen auf der Subum- brella. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 107 Vorhin wurde angegeben, dass hier die erste Sonderung centraler Zellen sich außerhalb der Bauchplatten vollzieht, und dass diese Dif- ferenzirung zeitlich mit dem Beginn der Spaltung in Nerven- und Mus- kelplatten zusammenfällt. Wenn die ersten dieser Ganglienzellenpaare erscheinen, findet man auch einige Nervenfasern, welche von der dor- salen Gruppe automatischer Zellen des Prototrochnervensystems her- kommen. Jede derselben schickt einen Fortsatz aus, alle diese Fort- sätze konvergiren gegen die dorsale Mittellinie, treten hier zu einem bandartigen Bündel zusammen und ziehen dann gerade zum Afterpol hinab (Taf. VII, Fig. 27a, sn). Am oberen Rande des Proctodaeums ange- langt spaltet sich der Nerv gabelig in zwei Äste, die zu den Seiten der Aftereinstülpung nach abwärts verlaufend sich in Bündel feinster Fäserchen auflösen, von denen ein Theil gerade da verschwindet, wo das hinterste Paar der primären Ganglienzellen liegt (Fig. 27a, srz). Der Nerv geht nach oben vollständig in die dorsale Zellgruppe des Proto- trochs über; dabei ist aber auffallend, dass er in seinem Verlauf als ein- facher Strang augenscheinlich aus viel mehr Fasern zusammgeflochten ist, als Ausläufer der wenigen Zellen vorhanden sind — es bleibt nur übrig anzunehmen, dass jede der fünf oder sechs Ursprungsfasern, von der Stelle ab,wo sie mit den anderen zusammenirifft, sich in mehrere Zweige theilt, die dann parallel, dicht bei einander nach unten hinziehen. Auf der anderen Seite, gegen die Umbrella, schickt jede Zelle einen kurzen Fortsatz, der, wie vorhin beschrieben wurde, in den Ringnerven des Prototrochs eintritt. In Fig. 27« sind diese Nerven nicht zu sehen, weil der frontale Längsschnitt mit Absicht etwas schräg geführt ist. Die unteren Endigungen sind mit großer Wahrscheinlichkeit in den pri- mären Ganglienzellen zu Seiten der Bauchplatten zu finden, die ihnen sicherlich einen Fortsatz entgegenschicken, doch sind die feinen Ver- bindungen an dieser Stelle so schwer zu verfolgen, dass eine unbedingte Behauptung vielleicht nicht berechtigt ist. Wenn aber die Endfasern des dorsalen Subumbrellanerven nicht in die primären Ganglienzellen eintreten, können sie nur direktin die Neuralplatten übergehen. Gleichviel ob direkt oder indirekt — der in Bildung begriffene Bauchstrang steht unter der Herrschaft des larvalen Centralorgans. Mor- phologisch ist er durchaus unabhängig von diesem, physiologisch wird er von ihm angeregt oder wenigstens nach einer Richtung seiner Ent- wicklung determinirt. Die ursprüngliche wichtige Leitungsbahn des dorsalen Subumbrellanerven hat ihre funktionelle Bedeutung nur so lange als das Prototrochnervensystem den Mittelpunkt der gesammten nervösen Apparate darstellt; so wie dagegen seine centrale Thätigkeit auf ein anderes Organ übergeht, hat auch der dorsale Nerv keinen Zweck 108 Nicolaus Kleinenberg, mehr: in der That verschwindet er auch viel früher als die zerfallenden Gewebe des Prototrochs. Der Schlundring. Durch die Vermittelung des dorsalen Ner- ven wird die Kommunikation zwischen den Elementen des Kopfganglions und jenen der entstehenden Neuralplatten möglich. Die Erregung, die in irgend einer Ganglienzelle der Umbrella entspringt, verläuft längs der Verbindungsfaser dieser Zelle zum Ringnerven des Prototrochs, tritt in diesen auf der ventralen Seite ein, durchzieht fast die Hälfte des Ringes bis zur dorsalen Mittellinie, springt auf die Verbindungsfaser einer der hier gelegenen Ganglienzellen über, durchsetzt den Körper dieser Zelle, verlässt ihn innerhalb des Ausläufers, der sich dem Rücken- nerven anschließt, zieht nach unten bis in eine der primären Ganglien- zellen, durch deren Hauptfortsatz sie in die Neuralplatte hineingeleitet wird: hier angekommen erlischt sie. Dieser Weg ist lang und sicher- lich reich an Hindernissen, immerhin bietet er die Möglichkeit des Austausches der Thätigkeiten beider Anlagen des bleibenden Central- nervensystems. Mit der Unterdrückung des Rückennerven würde aber die Kommunikation wieder gänzlich unterbrochen — wären nicht schon im Voraus neue Leitungsbahnen zwischen den centralen Elementen der Umbrella und der Subumbrella hergestellt. Die Ausläufer der Zellen der Hirnanlagen treten, wie wir gesehen haben, zu einem Halbkreis zusammen, dessen Enden mit den Ringner- ven des Prototrochs verschmelzen und in ihm endigen, ohne auf die Sub- umbrella überzugreifen. Unterhalb der Eintrittspunkte im Gebiet der Subumbrella finden sich aber jene kleinen Ektodermverdichtungen, die schon von der jüngsten Larve her bekannt sind (Taf. I, Fig. 16%, spm). Sie liefern larvale Muskulatur. Aber so wie die Bauchplatten — von denen sie räumlich durchaus getrennt sind — stellen sie nicht bloß Muskelanlagen, sondern Neuromuskelanlagen dar. Und zwar sind in den kleinen subtrochalen Bildungsherden die nervösen Differenzirungen sogar vollkommener als bei den Neuralplatten; denn am Ausbau dieser betheiligt sich nur eine Art von ursprünglichen Ganglienzellen, die re- fiektorischen, während jene beide Arten die im Prototrochnervensystem und in den Anlagen des Kopfganglions vorhandenen Ganglienzellen, re- flektorische und automatische, erzeugen. Viele sind es freilich nicht. ihre Zahl mag auf jeder Seite fünf bis sechs betragen, wovon zwei bis drei reflektorische und drei bis vier automatische. Ihre Vertheilung ist regelmäßig: in der Mitte liegt der Pfropf undifferenzirten Gewebes, der fortfährt Muskelzellen abzugeben, über ihm, ganz nahe an den Wimper- zellen des Prototrochs, die automatischen, unter ihm die reflektorischen | Nervenzellen (Taf. IX, Fig. 30 cnz, Fig. 31). Die letzteren sind sicherlich | Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 109 Differenzirungen, die in den subtrochalen Neuromuskelanlagen selbst entstehen, für die ersteren ist das gleichfalls wahrscheinlich, jedoch nicht ganz unzweifelhaft, da sie so nahe bei den ventralen Zellgruppen des Prototrochnervensystems (Taf. VII, Fig. 25 vpn), dass ihr genetischer Zusammenhang mit diesem möglich erscheint. Wäre dies wirklich der Fall, so würde eine zweite Stelle und zwar im Bereich der Subumbrella bestehen, wo das Nervensystem der Larve direkt in den Centralapparat des Annelids eingreift: in den subumbrellaren Bestandtheilen des Schlundringes würden morphologische Elemente des Prototroch-Nerven- systems erhalten. Alle Ganglienzellen jeder subtrochalen Neuromuskelanlage schicken ihre leicht kenntlichen Hauptfortsätze in den Ringnerven gerade dort hinein, wo er mit den Enden der Hirnkommissur verlöthet ist. Was da aus ihnen wird, weiß ich freilich nicht. Dagegen weiß ich, dass zur selben Zeit die Hirnkommissur den Prototroch durchbricht und in Form von zwei ziemlich dicken Nerven in die Subumbrella übertritt. Man kann sich vorstellen, dass die Ausläufer der subtrochalen Ganglienzellen, eben so wie es für die automatischen Zellen des Prototrochs festgestellt wurde, sich gleich bei ihrem Eintritt in den Ringnerven in zwei Äste spalten, die nach entgegengesetzten Richtungen verlaufend, einerseits in die Hirnkommissur übergehen, andererseits die untere Verlängerung der Kommissur bilden — wirklich nachweisen ließ sich das aber nicht. Die Verlängerungen der Hirnkommissur, die ich Seitennerven der Subumbrella nennen will, sind wie alle übrigen Nerven im Ektoderm eingebettet und ziehen zuerst nach abwärts (Taf. IX, Fig. 31 Isn), dann biegen sie gegen die Rückenseite um, richten sich parallel der unteren Fläche der Subumbrella — so dass man auf den mittleren Frontal- schnitten der Larve Querschnitte der Nerven erhält (Taf. X, Fig. 36 Isn) — und verschwinden in der Umgebung des Proctodaeums. Wo ihre letzten Endigungen zu finden sind, kann ich mit Bestimmtheit nicht an- geben. Am wahrscheinlichsten ist vielleicht, dass sie vom After her mit den beiden Reihen von Ganglienzellen unter den Neuralplatten in Verbindung treten. Diese Wahrscheinlichkeit wird noch von dem Umstand unterstützt, dass die Seitennerven vergängliche Bildungen sind und daher wohl auch Erregunssleiter von und zu vergänglichen Nervenelementen der Subumbrella darstellen. Sie verschwinden ziemlich spät und voll- Ständig nur in ihrem unteren Verlauf; ein kurzes Stück ihres in den Ringnerven übergehenden oberen Abschnittes bleibt dagegen vielleicht erhalten, um in die Leitungsbahnen des Annelids herüber genommen zu werden. 110 Nicolaus Kleinenberg, Während sich die Kommissuren innerhalb der Anlage des Bauch- stranges ausbilden und die Segmentirung fortschreitet, verlängern sich die Neuralplatten bedeutend und ihre vorderen Enden schieben sich bis ans Stomodaeum, dessen untere Hälfte sie, seitlich aus einander weichend, in Form von zwei kurzen dicken Bogen umfassen. Diese Bogen sind Verlängerungen des vordersten Bauchganglions oder unteren Schlundganglions und auch hier vollzieht sich die Umlagerung der Ner- venzellen wie bei den übrigen Knoten der Bauchkette, so dass die Kommissuren von einer zelligen Rinde bekleidet werden — aber bei diesem vordersten Ganglienpaare bleibt an der vorderen und inneren Fläche eine Schicht von Fasersubstanz unbedeckt. Nach hinten ver- laufen die Fasern bis an die Medianlinie, wo die Ganglien beider Seiten in Berührung sind und verschmelzen mit deren Querkommissur. Nach vorn und außen verlängern sich zuerst nur einige wenige, dann immer mehr Fasern über die Spitzen der Hörner des Ganglions hinaus und treten an den Abganssstellen der Seitennerven in den Ringnerven ein. An diesem Punkte vereinigen sich also jederseits Nervenfasern des Prototrochs, der Umbrella, der subtrochalen Nervenmuskelanlagen und der Neuralplatten. Es scheint dann, dass die Fasern des vorderen Bauchganglions direkt in die Kommissur des Kopfganglions übergehen. Später aber dehnen sich die subumbrellaren Faserstränge, wohl in Folge des Wachsthums des Schlundes, beträchtlich aus; dann bildet sich unter dem Prototroch ein ziemlich dieker Nervenstamm als Fortsetzung der Hirnkommissur (Taf. IX, Fig. 32 scu), der sich auf der Höhe des Hornes des unteren Schlundganglions in zwei Äste theilt — der äußere, der Seitennerv, verläuft lateralwärts von den Neuralplatten (Fig. 32 Isn) und geht, wie gesagt, später zu Grunde; der innere (scs) verlässt die Epidermis, um sich der inneren Fläche des unteren Schlundganglions anzulegen und weiterhin in das Leitungssystem des Bauchstranges einzutreten. Dieser innere Ast bildet einen Abschnitt des bleibenden Schlundringes. Somit entsteht der Schlundring aus Bestandtheilen des Kopfgan- glions und des Bauchstranges, zwischen denen gleichsam als Verbindungs- glied Elemente der subtrochalen Neuromuskelanlagen eingeschaltet sind. Die drei Faserarten aus einander zu halten, ist nur Anfangs und auch dann in beschränktem Maße möglich. Den Hirnantheil des Schlund- ringes bilden die Auswüchse der hinteren Lappen des Kopfganglions und, wie schon bemerkt, sind die in ihnen befindlichen Faserzüge nichts weiter als Verlängerungen der Querkommissur, die beide Hälften des Kopfganglions verbindet. Sie werden in ihrem Verlaufe nach abwärts bis an den Prototroch von Zellen der Sinnesplatten begleitet und neh- | | Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus, 111 men zahlreiche Ausläufer von diesen in sich auf. Wenn das Kopfgan- glion sich abzuschnüren beginnt, scheiden auch die Kommissurstränge vom Ektoderm aus und verlaufen eine Strecke weit frei in der Leibes- höhle. Doch nicht die Faserstränge allein lösen sich ab, einige Zellen bleiben ihnen angeheftet und werden dem Ektoderm entzogen. Es bleibt daher der Hirntheil der Schlundkommissur von einer Zellrinde bekleidet, die freilich nicht vollständig, sondern vorherrschend auf die ventrale und dorsale Seite beschränkt ist, während die Seiten des Stranges unbedeckt sind (Taf. VII, Fig. 23f, sc). Ich glaube, dass sämmt- liche Zellen, die sich im Schlundringe des erwachsenen Thieres finden, ihrem Ursprunge nach auf die nervösen Anlagen der Umbrella zurück- gehen, denn der subumbrellare Theil des Ringes besteht Anfangs nur aus Fasern — die Zellen des unteren Schlundganglions folgen ihnen nicht nach und auch die Gruppen der Ganglienzellen unter dem Proto- troch lassen nur ihre Fasern im Schlundring zurück, wogegen ihre Zell- körper im Ektoderm stecken bleiben und später mit den ganzen Anlagen zu Grunde gehen. Lange Zeit noch ist der Ringnerv des Prototrochs der Schlundkom- missur eingeschaltet, so dass die frei in der Leibeshöhle verlaufenden Schenkel der Kopfkommissur hier wieder in das Ektoderm eintreten müssen, um auf die Subumbrella überzugehen. Und so lange der Ring- nerv sich erhält, ist durch ihn wenigstens äußerlich die Grenze zwischen dem ursprünglichen umbrellaren und dem subumbrellaren Abschnitt des Schlundringes gegeben, nachdem er aber untergegangen ist, verschwin- det jede Spur der Scheidung und die Schlundkommissur bildet von ihrem Austritt aus dem Kopfganglionbis zu ihrem Eintritt in die Bauch- kette einen überall ziemlich gleich dicken Reifen. Die Auflösung des larvalen Centralsystems beginnt aber schon vor dem Schwunde der Wimperzellen des Prototrochs; der Ringnerv und seine Ganglienzellen sterben ab und verschwinden gänzlich. Das sogenannte untere Schlundganglion ist nichts Anderes als das vorderste Ganglion des Bauchstranges, es gehört entwicklungsgeschicht- lich durchaus dem Rumpfe des Wurmes an. In Folge seiner Lage und seiner Beziehungen zum Schlundring und zum Kopfganglion nimmt es allerdings eine Form an, die von jener der folgenden Nervenknoten recht verschieden ist. Doch das ist ein Umstand von geringem Belang; wichtiger als alle übrigen Ganglien des Bauchstranges wird es dadurch, dass es, wie ich gleich zeigen will, den Ausgangspunkt für den Darm- nervenapparat darstellt. So sind die wichtigsten Theile des nervösen Centralorgans, das Kopfganglion, die Bauchkette und die Schlundkommissur hergestellt N} 112 Nicolaus Kleinenberg, und zu einem in physiologischem Sinne einheitlichen System vereinigt. Doch nicht alle Ganglienzellen des Körpers finden hier ihr Unterkom- men; eine ziemlich große Zahl derselben schließt sich anderen Geweben und Organen des Körpers an, bald einzeln verstreut, bald in Gruppen angesammelt. Im letzteren Falle entstehen nervöse Nebenapparate, die mit dem Hauptsystem in näherer oder entfernterer Verbindung sind. Die wichtigsten dieser sogenannten peripherischen Ganglien sind die Verstärkungsganglien und das besondere Nervensystem des Schlundes. Die Parapodialganglien. Die Verstärkungs- oder, wie sie besser zu nennen wären, die Parapodialganglien erscheinen sehr spät und zwar nach Beginn der Entwicklung der Parapodien. Ihre Anlagen entstehen nicht in den Neuralplatten, sind jedoch in naher Beziehung zu ihnen. Bei der Ablösung des Bauchstranges bleibt, wie wir gesehen haben, Anfangs der untere Theil desselben im Ektoderm stecken und dieser Zusammenhang erhält sich dauernd unter den Ganglienknoten, so dass hier das Gewebe des Ganglions unmittelbar in das Ektoderm übergeht (Taf. X, Fig. 38, 40, 414). In diesen Ektodermstrecken und zwar dicht an der Stelle, wo die mediane Wand des Parapodiums sich auf die Bauchfläche umbiegt, erscheint nun jederseits ein kleiner Bil- dungsherd, der bald etwas anwächst und dann in Form eines Höcker- chens gegen die Leibeshöhle vorspringt (Taf. X, Fig. 39), sich jedoch in keiner Weise vom Ektoderm abtrennt. Die wenigen Zellen, welche diese Anlagen bilden, schicken je einen Fortsatz aus, der gegen die Oberfläche gerichtet ist, sich aber kurz nach seinem Ursprunge umbiegt, oder, was wahrscheinlicher sein dürfte, sich in zwei Äste von entgegen- gesetzter Richtung spaltet. Thatsächlich sind jedenfalls vom ersten Erscheinen der Anlage ab Nervenfasern vorhanden, die zum Theil late- ralwärts in das Chaetopodium hineinziehen: und sich dort verlieren, zum Theil medianwärts bis zum Bauchganglion verlaufen, in dasselbe ein- treten und mit der Kommissur verschmelzen. Die Verbindungswege zwischen dem Parapodium und dem Ganglion, und zwischen diesem und dem Bauchstrange, der laterale und der mediane Parapodialnerv, werden also gleichzeitig angelegt. Diese Nerven sind Anfangs völlig von den beiden Cirrusnerven geschieden, später vereinigen sich alle drei wenigstens eine Strecke weit zu einem Stamm, natürlich aber so, dass die Nerven der dorsalen und ventralen Cirren das Parapodialgan- glion nicht zu passiren brauchen. Dies letztere vergrößert sich ziemlich stark und rückt weiter vom Bauchstrang ab, theils in Folge der seit- lichen Verschiebung des Parapodiums, dem es angeheftet bleibt, theils weil sich zwischen ihm und dem Bauchstrang der ventrale Längsmuskel eindrängt; zugleich wird er etwas nach hinten verlegt, so dass nun der Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 113 pedeutend verlängerte, bogenförmig innerhalb der Epidermis verlau- fende mediane Parapodialnerv nicht wie vorhin direkt in die Kommis- sur, sondern in das Connectiv einzumünden scheint (Taf. XI, Fig. 47 pag und pan). Aus der vorstehenden Beschreibung ergiebt sich, dass die Para- podialganglien in ihren wesentlichen Bestandtheilen, den Nervenzellen, nicht auf die Anlage des Bauchstranges zurückzuführen sind, dass sie aber mit dieser von vorn herein durch Leitungsfäden in funktionellem Austausch stehen, ein Verhältnis, das dahin zu deuten sein dürfte, dass die Parapodialganglien ihre phylogenetische Entstehung der Anregung von Seiten des früher gebildeten Bauchstranges verdanken. Ganz anders gestalten sich dagegen die Dinge bei der Entwicklung des Darm- nervensystems, dies gehört, ungeachtet seiner späteren sehr selbstän- digen Stellung, genetisch dem Bauchstrange an: es ist ein abgelöstes Stück desselben. Das Darmnervensystem. InFig.42 Taf. Xl ist ein Querschnitt einer Larve, die nahe am Schluss der Verwandlung steht, abgebildet. Der Schnitt geht durch den hinteren Theil des unteren Schlundgan- glions und ist absichtlich nicht ganz senkrecht auf die Längsachse der Larve geführt, weil das nöthig ist, um einen senkrechten Durchschnitt des stark gekrümmten Vorderendes der Bauchkette zu erhalten. In Folge dessen enthält der Schnitt schon das Entoderm des Darmkanals ; die Schlundanlage befindet sich ein klein wenig weiter nach vorn und würde getroffen sein, wäre die Schnittebene senkrecht zum Körper. Was gezeigt werden soll ist die Form des unteren Schlundganglions (sg). Es besteht hier aus zwei völlig getrennten Hälften, die weit von einander abstehen. Auf jeder Seite liegt die Kommissur median- wärts, die sie umgebende Zellenmasse ist in zwei seitliche Lappen gespalten, zwischen denen ein tiefer horizontaler Spalt eindringt, der zum Theil vom ventralen Längsmuskel ausgefüllt wird. Der dorsale Lappen ist der dickere und wächst später noch mehr aus — wenn dann die Bauchkette sich weiter nach vorn schiebt, kommt dieser Lappen in Berührung mit dem in Bildung begriffenen bleibenden Schlunde. Das Stomodaeum wird vorn und oben von den Rändern der verschmolzenen Anlagen des Schlundes umfasst (Taf. XI, Fig. 43 s) und hier legt sich von unten her der obere Lappen des Schlundganglions an, so dass das Stomodaeum von einer, nur in der dorsalen und ventralen Mittellinie unterbrochenen Zellmasse umhüllt erscheint — diese besteht jedoch in der dorsalen Hälfte aus den Flügeln der Schlundanlage, in der ven- tralen Hälfte aus Ganglienzellen des Bauchstranges. Dann spaltet sich der obere Lappen des Schlundganglions wiederum in einen dorsalen Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLIV. Bd. 8 114 Nicolaus Kleinenberg, und einen ventralen Theil, von denen natürlich der erstere die Zellen enthält, welche dem Schlund anliegen (sg?). Die Verlöthung dieses Lap- pens mit dem Schlunde wird immer fester, der Spalt im Ganglion schneidet immer tiefer gegen die Mittellinie ein, schließlich bewirkt er eine vollständige Ablösung: das untere Schlundganglion zerfällt in zwei Theile, einen kleineren, welcher dem Schlunde anhaftet, und einen größeren, der das vordere Ende des Bauchstranges bildet. ‚Das abge- rissene Stück wird zum Darmnervensystem. Anfangs ventral gelegen, kommt es in Folge der späteren Umgestaltungen mit seinem hinteren Theil in die Mitte der Schlundwand zu liegen (Taf. XI, Fig. 44 sns) und ! erfährt dann innere Differenzirungen, die in jeder der beiden symme- trischen Anlagen zur Ausbildung eines Nervenstammes führen. Dieser verläuft längs des Schlundes und ist von zahlreichen, im Gewebe der Wand eingestreuten Ganglienzellen begleitet. Die Abtrennung der Zell- körper, welche die Anlagen des Darmnervensystems darstellen, vom Bauchstrang ist vollkommen — wird ‚dabei aber auch jede physiolo-. gische Kommunikation zwischen beiden Theilen des Nervensystems aufgehoben? Ich glaube nicht. Wahrscheinlich ziehen sich. bei der Ablösung Fäden aus, die von dem einen zum anderen Ganglion hinüber führen, und diese Fasern werden zum Nerv, der beim erwachsenen Thier aus dem Darmnervensystem in. das. erste Ganglion des Bauch- stranges übertritt... Dieser Nerv mündet gerade an der Stelle in das untere Schlundganglion, wo sich die Ablösung vollendet (Taf. XI, Fig. 45 sns und sgi).. Ich bemerke ausdrücklich, dass ich hier.nicht einen Muskel für einen Nerven genommen habe; ich weiß sehr wohl, dass jederseits ein Muskel vorhanden ist, der von der Schlundwand ent- springend, dem Schlundganglion angeschmiegt, nach abwärts bis zur Epidermis verläuft und in ihr fächerartig ausstrahlend endet. Wenn ich mich aber ‚nicht sehr täusche, begleitet diesen Muskel dicht an seiner hinteren Seite ‚ein. Nerv, welcher ‚am Ganglion nicht vorbei, sondern in dasselbe hineingeht und mit seinem anderen Ende die Ringmuskelschicht des Schlundes durchbohrt und weiterhin verästelt in den Ganglienzellen des Darmnervensystems verschwindet. Die Ausbreitung des Darmnervensystems bleibt auf den ektoder- malen Schlund beschränkt und greift nicht auf den entodermalen Ab- schnitt des Verdauungskanals über. So, liegen die Dinge wenigstens noch nach vollendeter Metamorphose, auch glaube ich nicht, dass später die Nerven auf das Entoderm übergehen, doch habe: ich diese, Frage nicht besonders genau untersucht. Außer den Parapodialganglien und dem Nervenapparat des Da | enthält der Annelidenkörper noch vereinzelte Ganglienzellen in der Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 115 Epidermis. Ich kenne weder ihre Topographie noch ihre Entwicklung hinreichend. Dass sie alle vom Ektoderm abstammen, ist wohl schon durch ihre bleibende Lage in diesem Blatt mehr als wahrscheinlich ge- macht, und offenbar stammen die meisten wenigstens nicht aus den Anlagen der Neuralplatten, sondern entstehen an Ort und Stelle durch direkte Differenzirung von Ektodermzellen. Es bleibt noch die Entwicklungsgeschichte der Sinnesorgane und der mit dem Nervensystem in Verbindung stehenden nicht nervösen Bildungen kurz nachzuholen. Die mediane Neuralrinne ist bei Lopadorhynchus so stark ausge- gebildet, wie bei den meisten anderen Anneliden, dagegen ist die histo- logische Zusammensetzung ihrer Wandungen nicht so leicht erkennbar. Eine weite Strecke lang verläuft sie über dem Bauchschild in der äußeren Zellenschicht, von der dasselbe bedeckt ist. Mir scheint, dass auch hier, wie bei so vielen Chaetopoden, bloß zwei Zellreihen zur Bildung der Rinne zusammentreten, aber diese Zellen sind sehr flach und breit, und so fest mit dem umliegenden Gewebe verbunden, dass sich ihre Grenzen schwer erkennen lassen. Die Flimmerung ist auf den Boden der Rinne beschränkt, hinten giebt es nur wenige Härchen, nach vorn dagegen erweitert sich die Rinne stark und hier findet sich auch ein breites Flimmerband (Taf. X, Fig. 38; Taf. XI, Fig. 42). Ich glaube nicht, dass das Gebilde nervöser Natur ist — seine Cilien sind wohl nicht Sinnes- sondern ne deren Zweck freilich un- klar bleibt. Wenn sich die Schwanzkappe bildet, entwickeln sich in ihrer Mit- tellinie einige feine Haarbüschelehen. Ob sie beweglich oder unbeweg- lich sind, weiß ich nicht, die Zellen, welche die Cilien tragen, sind aber von denen der Neuralfurche verschieden. Sie bestehen’aus einem spin- delförmigen: Körper, der einen großen Kern enthält, und an seinem äußeren Ende in Wimpern übergeht, während sein inneres Ende in einen langen Fortsatz ausläuft. Dieser durchsetzt die ganze Masse der Schwanzkappe und zieht gegen den Bauchstrang hin (Taf. XI, Fig. 46 b). Dies sind also einfache Sinnesorgane. Die Cirren enthalten im ausgebildeten Zustande außerordentlich reichliche Nervenendigungen und Sinneszellen"mit specifisch ausge- bildeten Empfindungshärchen in regelmäßiger Vertheilung. fDie gestalt- lichen Umbildungen und theilweisen Rückbildungen sind schon bei der Entwicklung der äußeren Körperform betrachtet?worden und unter den Modifikationen scheinen mir nur die der Anhänge des ersten Rumpfsegmentes, die Tentakeln, weiterer Erwähnung zu bedürfen. Dass die Tentakeln nichts Anderes als umgebildete Cirren sind, geht aus ibrer g* 116 Nicolaus Kleinenberg, Entwicklungsgeschichte unzweideutig hervor. Wie diese werden sie als solide Knospen im Gewebe der Neuralplatten angelegt, haben die- selbe Anordnung, in so fern als sie auf einem senkrechten Querschnitt der. eine dorsal, der andere ventral gelegen sind (Taf. XI, Fig. 42 und 43 tt), und stehen gleichfalls von vorn herein durch Nervenfaserzüge, die zu den Tentakelnerven wurden, mit den entsprechenden Ganglien der Bauchkette in Zusammenhang. Es kann keine Rede davon sein, dass die zwei Tentakelpaare ursprünglich zwei besonderen Körpersegmenten entsprechen, die mit einander zur Bildung des ersten bleibenden Kör- perringes verschmolzen wären. Die Anlagen der Tentakeln entstehen dicht über einander, weil das Segment des unteren Schlundganglions keine Borstensäcke und folglich auch keine Chaetopodien erzeugt. Phy- siologisch genommen besteht dagegen eine Verschiedenheit zwischen den Tentakeln und den Cirren — Sinnesorgane sind die einen so gut wie die anderen, aber die specifischen Empfindungsqualitäten müssen ungleich sein, weil die percipirenden Elemente der einen im fertigen Zustande anders konstituirt sind als die der anderen. Wie auf der Umbrella, so beginnen auch auf der Subumbrella die Rückbildungen des larvalen Nervensystems wenn die Anlagen der Or- gane des Annelids eine gewisse Selbständigkeit erreicht haben. Der subumbrellare Centralapparat der Larve ist von den Ganglienzellen außerhalb der Sinnesplatten hergestellt. Wenn die Muskelplatte sich von der Neuralplatte ablöst, schließen sich einige Paare der primären Ganglienzellen dem hinteren Theil der Ektodermverdickung, welche in die ersteren übergeht, an, so dass dann die Beziehung der Muskelan- lage zum larvalen Nervensystem inniger erscheint als die zum Bauch- strang des Annelids. Alle diese Zellen erhalten sich recht lange; sie sind noch nach dem Eintritt der Segmentirung vorhanden. Ihre Anord- nung deutet sogar darauf hin, dass sie in irgend welcher Beziehung zur Gliederung des Bauchstranges stehen. Mir scheint, dass auf jedes Körpersegment zwei Paare der den Neuralplatten angefügten larvalen Nervenzellen kommen. Ganz sicher ist das nicht, da wie gesagt das Zählen hier seine Schwierigkeiten hat. Bald lächlier gehen = larvale Ganglienzellen zu Grunde. Auch die einfachen Sinnesorgane, die gleichzeitig mit den Neural- platten auftreten, sind vergängliche Bildungen. Ohne den strikten Be- weis führen zu können, bin ich doch überzeugt, dass der ihnen ent- sprechende centrale Apparat in den primären Ganglienzellen zu finden ist, und damit stimmt auch der Umstand überein, dass sie zusammen mit jenen aus dem Organismus des Annelids ausgeschieden werden. Die Existenz der Sinnesorgane auf der Schwanzkappe ist an das Be- | v4 ji | | Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 117 stehen der letzteren gebunden — sie erhalten sich daher lange, ver- fallen schließlich aber doch der Auflösung. Auch bei den Phyllodociden wird die Bildung des nervösen Cen- tralorgans der Subumbrella von vergänglichen Sinnesorganen und außerhalb der bleibenden Anlagen entstehenden Ganglienzellenpaaren vorbereitet. Diese letzteren sind noch größer und auffallender als bei Lopadorhynchus (Taf. XVI, Fig. 82 srz). Wegen der weiteren inneren und äußeren Ausbildung des Bauchstranges kann im Wesentlichen ein- fach auf die vorstehende Beschreibung verwiesen werden. Eben so verläuft die Herstellung der Bauchganglienkette der Alei- opiden in den späteren Stadien. Dass zu Anfang bei der Spaltung der gemeinsamen Anlage in Nerven- und Muskelplatte einige Unterschiede vorhanden sind, wurde bereits erwähnt. Die seitlichen Anlagen. des Bauchstranges verwachsen frühzeitig zu einer medianen Platte und die Verlegung des inneren Fasersystems nach außen in Folge der Umlage- rung der Ganglienzellen ist noch ausgeprägter und leichter zu verfolgen als bei Lopadorhynchus und Phyllodoce. Die darauf bezüglichen Abbil- dungen mochte ich nicht veröffentlichen; für das Übrige wird auch ohne lange Erörterungen die Betrachtung der Fig. 68 a—g auf Taf. XIV hinreichen. Die primären Ganglienzellen fehlen, und das ist nicht wunderbar. Wenn man sie finden will wird man sie bei den Aleciopi- denlarven vor ihrer Einwanderung in Gtenophoren suchen müssen. Die Entwicklung des Bauchstranges der Anneliden wurde zuerst — wenn man von den älteren Mittheilungen Rıtuke’s und Leuckarr’s, die sich auf Hirudineen beziehen, absieht — an Oligochaeten untersucht und bei diesen sind die Verhältnisse wegen des Wegfallens fast aller Larvencharaktere scheinbar sehr einfach. Das erleichtert zwar die Fest- stellung morphologischer Thatsachen, bietet aber für die Erklärung der- selben nur geringen Anhalt, da diese eben nur in den Beziehungen des Annelidennervensystems zum Gölenteratennervensystem, das theilweise in der Larve erhalten ist, gefunden werden kann. KowaLevsky’s Untersuchungen begnügen sich mit dem Nachweis des ektodermalen Ursprunges der Bauchganglien. SzmPper geht weiter, aber wohl nicht auf dem richtigen Wege. Seine zu einem weitläufigen Lehrsystem zusammengefügten Folgerungen sind bekannt. Der Bauch- strang würde demnach bei den Anneliden und allen übrigen geglieder- ten Thieren von zwei ihrer Herkunft nach sehr verschiedenen Be- standtheilen gebildet werden: von einer unpaaren medianen Ekto- dermknospe, die ungetheilt die ganze Länge der Kette durchzieht, und von zwei Reihen seitlicher Abschnürungen des Mesoderms, die gleich gesondert und den Segmenten entsprechend auftreten. Jeder 118 Nicolaus Kleinenberg, Bauchknoten besteht aus drei Ganglien — das centrale ist dem Rücken- markrohre, die seitlichen den Spinalganglien der Wirbelthiere ho- molog !. Harscnzr lässt bei Lumbricus rubellus? und bei Criodrilus® den Bauchstrang gleichfalls aus der Vereinigung einer unpaarigen mit einer paarigen Anlage hervorgehen; die erste eine sich zum Rohre schließende Einstülpung des Ektoderms, wie das Medullarrohr der Wirbelthiere, die zweite aus zweiseitlichen Verlängerungen der Scheitelplatte in den Rumpf hinein, den Medullarplatten, bestehend. Im Gegensatz zu SEM- PER ist der ausschließlich ektodermale Ursprung der Bauchkette festge- halten, da die Scheitelplatte ja auch vom äußeren Keimblatt herstammt. Für Polygordius sind die Angaben etwas abweichend. Eine mediane Einstülpung des ventralen Ektoderms entsteht auch hier, aber — »Die Verdickung des Ektoderms an der Bauchseite ist weiter vorgeschritten; der Einstülpungsspalt ist noch tiefer geworden, die Einstülpung scheint durch Verschiebung der Zellenmassen weiter fortgeschritten. Man sieht ferner den mittleren Theil der Bauchverdiekung durch zwei scharfe Grenzen, die von der inneren Fläche des Ektoderms beinahe an die äußere Fläche ziehen, von dem übrigen Ektoderm abgegrenzt. Diese mittlere abgegrenzte Masse ist die Anlage des Bauchstranges«*. Die ganze? Fehlen dem Polygordius die vom Gehirn auswachsenden Me- dullarplatten? In den Abbildungen, besonders in Fig. 86—89 sind scharf abgegrenzte seitliche Stränge des Ektoderms gezeichnet, im Text hingegen geschieht ihrer keine Erwähnung — es wird nur ge- sagt, dass beim jungen Wurm, der die Larvencharaktere verloren hat, die Fasermasse der Scheitelplatte in zwei Stränge ausläuft, die in Ekto- dermverdiekungen an den äußeren Seiten der Mundöffnung liegen, während im hinteren postoralen Abschnitte des Kopfes die ventrale Ektodermverdiekung, die Fortsetzung des Bauchstranges, als eine mehr ausgebreitete Anschwellung mit vollkommen getrennten Faserzügen er- scheint. Die Entwicklungsgeschichten von Criodrilus und Polygordius finden sich sogar vereint in derselben Schrift, die, ähnlich wie die SEMPER’Sche Arbeit, allgemeine Bildungsgesetze nicht bloß für die Anneli- den, sondern für ziemlich alle Thiere feststellen will — wie kommt es, dass da der Vergleich zwischen der Entwicklung des Bauchstranges von Criodrilus und von Polygordius wegbleibt? Im allgemeinen Theil wird 1 Verwandtschaftsbeziehungen der gegliederten Thiere. III. p. 295. 2 Sitzb. Akad. Wiss. in Wien. Bd. LXXIV. 4876. 3 Arb. Zool. Inst. zu Wien. 1878. * Ibid. p. 46. 5 Ibid. p. 53. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 119 Criodrilus als Typus genommen: »Auf dem Querschnitt zeigt die Anlage des Bauchstranges bei Anneliden und Arthropoden denselben charak- teristischen Bau. Wir können zwei Seitenstränge und einen Mittel- strang beobachten, welcher letztere den tiefen medianen Einstülpungs- spalt zeigt. Auch die ersten Längsfaserstränge des Bauchmarks haben immer dieselbe bestimmte Lagerung«e!. Daneben steht eine schema- tische Zeichnung, in welcher die Längsfaserstränge ausschließlich den Seitensträngen angehören. Wie stimmt das für das Ur-Annelid Polygor- dius, da doch in der Beschreibung (p. 323) klar genug festgestellt wird, dass hier die ersten Längsfaserzüge aus der mittleren Einstülpung ent- springen? Über die Ansichten Srmrer’s und über die erste Mittheilung Hır- SCHEK's habe ich schon in der Entwicklungsgeschichte von Lumbricus trapezoides meine Meinung ausgesprochen und in den späteren Ver- öffentlichungen Harscuzr’s sehe ich keinen Grund, dieselbe zu ändern. Seine Beobachtungen an den Embryonen von Criodrilus sind, wie mir scheint, mit wenig zuverlässiger Methode gemacht und dazu besteht nicht immer Übereinstimmung zwischen Text und Figuren. In Fig. 12 ist die Scheitelplatte so gezeichnet, dass man annehmen muss, sie en- digte mit verdiekten abgerundeten Schenkeln im präoralen Kopftheil und auch in dem weit entwickelten Stadium der Fig. 13 dürfte der Zu- sammenhang zwischen den Ganglienmassen der Scheitelplatte und der Medullarplatten noch nicht hergestellt sein, wenn schon eine Verbin- dung von Nervenfasern vorhanden sein mag. Erst in Fig. 15 setzen sich die Nervenzellen des Kopfganglions ununterbrochen in die Seiten- theile des Bauchstranges fort. Bei Polygordius bleiben die Beziehungen ganz im Dunkeln. Und die Anatomie des Ur-Ur-Annelids Protodrilus hat die Sache nicht besser gemacht. Hier verlängern sich die Schenkel des oberen Schlundganglions auf den postoralen Körperabschnitt, wo sie dicht an der tiefen Flimmerrinne hinlaufen und nur an ihrer äuße- ren Seite von Ganglienzellen bekleidet sind. Dieser Befund wird fol- gendermaßen gedeutet: »Nach meiner Ansicht sind aber die Verhält- nisse des CGentralnervensystems bei Protodrilus die ursprünglichsten, da nur die Seitenstränge — Faserstränge mit einem Belage von Gan- glienzellen — differenzirt sind; denn wir sind nicht berechtigt das Epithel der tiefen Flimmerrinne als Theil des Nervensystems zu be- trachten. Diesen Verhältnissen schließen sich vielleicht die von Poly- gordius(?) Schneideri und flavocapitatus noch nahe an. Bei Polygordius im engeren Sinne, z. B. bei jener Form, deren Entwicklung Scuxeiper 1 Ibid. p. Am. 120 Nicolaus Kleinenberg, und ich untersuchten und die vielleicht mit Polygordius lacteus iden- tisch ist, ist der mittlere Theil durch Einstülpung (Einfaltung) der Flimmerrinne hervorgegangen und daher ein Bauchstrang vorhanden, wie er für die höheren Anneliden, wenigstens in einem gewissen Ent- wicklungsstadium, typisch ist!.« Im selben Heft desselben Bandes der Arbeiten aus dem Wiener Institut veröffentlicht HArscazk seine Entwicklungsgeschichte von Echi- urus. Man bemerke, dass er die chaetiferen Gephyreen, wie ich glaube durchaus mit Recht, für echte Anneliden hält. Die Entstehung des centralen Nervensystems wird nun folgendermaßen dargestellt. Von der schon lange vorher bestehenden Scheitelplatte gehen bei der äl- testen ungegliederten Larve zwei helle Stränge ab, die innerhalb des über ihnen verdickten Ektoderms bis zu den Seiten der Mundöffnung ziehen. Dies sind die ersten Anlagen der Schlundkommissur. Dagegen beginnt die Bildung des Bauchstranges so: »Während in den vordersten Ursegmenten die segmentalen Höhlen auftreten, werden auch die seit- lichen Gangliengruppen des Bauchstranges in der vorderen Region be- merkbar. Wir konnten schon an früheren Stadien das Ektoderm zu beiden Seiten der ventralen Flimmerrinne etwas verdickt sehen. An dieser Stelle nun wachsen vom Ektoderm eigenthümliche stark licht- brechende Zellgruppen nach innen. Jede solche Zellgruppe erscheint am lebenden Objekt als ein rundliches helles Knötchen, welches nach innen, gegen die Leibeshöhle zu, vorspringt. Diese Knötchen ver- einigen sich zu querovalen Gruppen, die je einem Segmente ent- sprechen. Doch auch vor der Region des ersten Ursegmentes, also in dem postoralen Kopfabschnitte, liegt eine Anzahl solcher Ganglienan- lagen, die, wenn auch nicht so regelmäßig in Form und Größe, doch eine Reihe auf einander folgender distinkter Massen repräsentiren. Bald nehmen die Ganglien so an Masse zu, dass sie sich einander bis zur Berührung nähern und dann förmliche Seitenstränge bilden; zu- gleich ist die Kommissuranlage (Nervenstrang) his an diese Seiten- stränge vorgerückt, so dass dieselben schon mit der Scheitelplatte in direkter Verbindung stehen ?.« Aus dieser Beschreibung und den dazu gehörigen Abbildungen er- giebt sich, dass die Seitenstränge aus vielen isolirten Ektodermwuche- rungen hervorgehen, die erst nachträglich unter einander und mit dem Kopfganglion in Verbindung treten. Die Seitenstränge können daher unmöglich Verlängerungen der Schenkel der Scheitelplatte sein. Doch damit ist das Bauchmark noch nicht vollständig. In einer späteren 1 Protodrilus Leuckartii. Arb. Zool. Inst. zu Wien. Ili. 4880. p. 12. 2 preille Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 121 Entwicklungsperiode, »nachdem die seitlichen Ganglienmassen sich zu förmlichen Seitensträngen vereinigt haben, entsteht auf Kosten des mittleren, mit Anfangs flacher, später sehr tiefer Flimmerrinne ver- sehenen Epithelstreifens der Mittelstrang. Diese Bildung ist mit einer bedeutenden Verschmälerung des Epithelstreifens verbunden, so dass die Seitenstränge während der Bildung des Mittelstranges einander be- deutend näher rücken. Man kann in dem hellen Mittelstrang eine scharfe mediane Kontour sehen. Nach alledem zweifle ich nicht daran, dass der Mittelstrang durch eine Faltung der Epithelrinne entsteht. Ich habe aber dieses Verhältnis noch nicht an Querschnitten geprüft. Der Mittelstrang erstreckt sich nach vorn, entsprechend den Seitensträngen, bis in die hintere Kopfregion. Die Flimmerrinne setzt sich noch weiter bis in die adorale Wimperzone fort !«. So wären die Bestandtheile des Harscaer’'schen Annelidenbauch- stranges glücklich beisammen. Nur sind sie von etwas anderen Stellen hergeholt: Die Seitenstränge kommen bei Echiurus nicht von der Scheitelplatte, der Mittelstrang erst recht nicht — wo bleibt da das vorhin aufgestellte allgemeingültige Schema? Wäre es nicht vielleicht richtiger gewesen, einfach zu sagen, dass bei Echiurus Kapfannelign und Bauchstrang getrennte Anlagen haben? Nachdem in meiner ersten Mittheilung über Lopadorhynchus die vorher. bei Lumbricus festgestellte getrennte Anlage von Kopfgan- glion und Bauchstrang schärfer betont, und auf die Ausbildung eines umbrellaren und eines subumbrellaren Nervensystems durch Vermitte- lung des ursprünglichen medusoiden Centralapparates der Larve zurück- geführt worden war, hat auch Harscaer ein Thier gefunden, bei dem Scheitelplatte und Bauchstrang getrennt auftreten. Die Larve von Sipun- culus, welche schon eine Scheitelplatte in Form einer mehrschichtigen Ektodermverdickung mit zwei eingelagerten Pigmentflecken besitzt, ent- behrt noch jeder Spur des Schlundringes und Bauchmarkes, ja das Ekto- derm der Ventralfläche ist im Verhältnis zur Dorsalseite verdünnt. Erst beim weiteren Wachsthum der Larve erscheint eine ventrale Verdickung desäußeren Blattes, die auf die Rumpfregion beschränkt, nach vorn hinter der Einfaltung am Ringmuskelbande aufhört. Die Veränderung beruht Anfangs nur auf dem Höherwerden der Zellen des einschichtigen Ekto- derms in der Mittellinie. »Das Auftreten Anfangs getrennter Theile (Seitenstränge) und deren Verschiebung durch Zusammenrücken oder durch Einstülpung eines medianen Verbindungsstückes liegt hier durch- - aus nicht vor?.« Dann wird die Anlage mehrschichtig und löst sich 1 p.A4. ? Über Entwicklung von Sipunculus nudus. Arb. Zool. Inst. zu Wien. V, p. #7. 122 Nicolaus Kleinenberg, von der oberflächlichen Epidermis ab. »Während das Bauchmark durch Verdichtung und Abspaltung sich bildete, konnte ich noch nichts von der Verbindung desselben mit der Scheitelplatte, welche die Anlage des oberen Schlundganglions repräsentirt, nachweisen. Diese Verbin- dung, die Schlundkommissur, entsteht viel später als das Bauchmark selbst. Die Bildung der Schlundkommissur schreitet von dem Vorder- ende des Bauchmarks gegen die Scheitelplatte fort, also von hinten nach vorn; dies steht im vollkommenen Gegensatze zu dem früher bei Anlage des Bauchmarkes beobachteten Verhältnis. Auch die Loslösung der Schlundkommissur vom Ektoderm findet zunächst an den dem Bauchmark benachbarten Theilen statt, und das obere Schlundganglion kommt überhaupt später als alle anderen Theile des Gentralnerven- systems zur Abtrennung. Bei Bildung der Schlundkommissur entsteht zuerst eine kurze unpaare Fortsetzung des Bauchmarkes, die sich dann erst nach vorn zu in die Anlage des Schlundringes gabelt!.« Aber Sipunculus ist kein Annelid. »Bei Vergleichung des Gen- tralnervensystems des Sipunculus und der Anneliden handelt es sich hauptsächlich um die Homologie des Bauchmarkes. In Bezug auf die Entwicklung des Bauchmarkes zeigt Sipunculus einige von dem ty- pischen Verhältnisse bei Anneliden abweichende Eigenthümlichkeiten. Es ist wohl, so wie bei den Anneliden, das Fortschreiten der Differen- zirung von vorn nach hinten zu beobachten. Dagegen ist hervorzu- heben, dass die Anlage des Bauchmarkes eine mediane vollkommen unpaare Anlage ist, während bei Anneliden charakteristischer Weise zuerst zwei seitliche Verdickungen, die »Seitenstränge«, auftreten, die erst sekundär (mag dies nun durch Einstülpung eines mittleren Theiles geschehen, oder durch Zusammenrücken der abgelösten Seitenstränge, wie KLEINENBERG will) einen medianen Strang bilden. — Ich möchte auf diesen Unterschied der Entwicklungsweise nicht allzu großes Gewicht legen und glaube, dass dies nicht einen ausreichenden Grund bilden würde gegen die Homologie des Bauchmarkes von Sipunculus und An- neliden ?.« | Hier ist die getrennte Entstehung von Kopfganglion und Bauch- mark mit Stillschweigen abgemacht, und auch weiterhin geschieht der Thatsache keine Erwähnung. Trotzdem scheint dieser Umstand doch nicht ohne Einfluss auf Hartscaex’s theoretische Gedankengänge gewesen zu sein. Denn nach Vergleichung aller wesentlichen Entwicklungs- erscheinungen kommt er zu dem Schluss, dass Sipuneulus wahrschein- lich von einem ungegliederten Typus herstammt, »von welchem Sagitta, 1 Ibid. 2 2.65. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 123 die Mollusken und auch (durch Erwerbung der Segmentation) die Anne- liden abzuleiten sind«. »Ich möchte also jener Stammform ein primi- tives Centralnervensystem des Rumpfes zuschreiben, von welchem das Bauchmark sowohl bei Sipunculus, Sagitta, Brachiopoden, Mollusken (Pedalnerven), als auch bei Archianneliden sich ableiten ließe. Das Bauchmark von Sipunculus hätte sich unabhängig von dem der Anne- liden — aber von derselben gemeinschaftlich ererbten Primitivanlage aus — entwickelt!.« Das sieht beinahe schon wie eine freie Über- setzung aus dem Italienischen aus. Auf die nachfolgenden Erörterungen Harscuzk’s über die Schlund- kommissur will ich später eingehen. Hier möchte ich noch einen Augen- blick bei der Entwicklung des Bauchmarkes von Sipunculus stehen bleiben. Im Wesentlichen stimmt sie mit den von mir für Lumbricus und Lopadorhynchus festgestellten Verhältnissen überein. Etwas ab- weichend ist die Anlage des Bauchstranges als unpaare mediane Platte. Eine zusammenhängende Neuralplatte kommt, wie ich gezeigt habe, auch bei anderen Anneliden vor, aber nur als Folge des Verschmelzens ur- sprünglich getrennter Hälften. Dass dem bei Sipunculus nicht so ist, dürfte erst durch die Untersuchung von Querschnitten der jüngsten Entwicklungsstufen zu beweisen sein. In ihren wesentlichen Grundlagen halte ich aber meine Ansichten von der Entstehung des Bauchmarkes, wie sie 1878 für Lumbricus und 1881 für Lopadorhynchus entwickelt wurden, aufrecht, da sie durch fortgesetzte Beobachtungen an anderen Anneliden nicht bloß bestätigt sondern auch weiter ausgebildet werden konnten. Überall entsteht der Bauchstrang unabhängig vom Kopfganglion aus zwei seitlichen Anlagen, ohne Betheiligung einer soliden oder röhrenförmigen medianen Ein- stülpung des Ektoderms. Dass den paarigen Anlagen, so lange sie noch nicht scharf abgegrenzt sind, auch hin und wieder eine Zelle aus der medianen Strecke des Ektoderms zugefügt wird, mag vorkommen, aber in keinem Falle handelt es sich dabei um eine besondere Anlage, am allerwenigsten um eine Anlage, die sich dem Nervenrohr der Wirbel- thiere vergleichen ließe. Unterschiede in der feineren Ausbildung und räumlichen Dispo- sition des Bauchstranges sind reichlich genug bei den verschiedenen Anneliden vorhanden, allein die wesentlichen Beziehungen bleiben die- selben. Auch der eigenthümliche innere Bau der Ganglien, der meines Wissens nur bei Lopadorhynchus, Phyllodoce und Alciopiden vorkommt, lässt sich ohne Schwierigkeit mit der Entwicklung der Ganglien von 1P.70. 124 Nieolaus Kleinenberg, Lumbricus in Einklang bringen. Da verschmelzen die Neuralstränge unter der Flimmerrinne auch zu einer einfachen Platte. Dann ordnen sich die Zellen so an, dass eine Reihe auf einander folgender Knoten und Einschnürungen entsteht. Nachdem die Bildung der Kommissuren begonnen hat, wandern, an den Stellen wo die Ganglienknoten liegen, Zellen von der ventralen Fläche tief ins Innere der Knoten hinein und bilden eine mediane vertikale Zellwand inmitten des Ganglions, die das- selbe fast bis an seine dorsale Fläche durchsetzt. Diese Wand spaltet sich in zwei Blätter, die, aus einander weichend, eine Lücke zwischen sich lassen, die später in der ganzen Länge des Bauchstranges verläuft. Zugleich krümmen sich die seitlichen Theile der überall zusammen- hängenden zelligen Ränder ein wenig um die Faserstränge herum, so dass diese auch auf der Rückenseite theilweise von Zellen umhüllt werden, in der Mittellinie bleiben die Kommissuren dagegen unbe- deckt!. Es findet also auch hier bei der Ganglienbildung eine Um- lagerung der Zellen statt, indem diese von der ventralen Mittellinie und von den Seiten her die Fasern umfassen, nur ist dieser Vorgang viel be- schränkter als bei den erwähnten Polychaeten, wo die Kommissuren ganz an die Epidermis hin verlegt und nach innen von dicken Zell- knoten überlagert werden, während sie bei Lumbricus und den meisten anderen Anneliden theilweise unbedeckt bleiben. Auch die Bildung der queren Kommissuren der Bauchganglien ist in jener Arbeit genau so beschrieben wie jetzt für Lopadorhynchus. Über die Entwicklung des Bauchstranges von Lumbricus terrestris handelt auch eine Arbeit von P. Burscumsky?. Da sie in russischer Sprache abgefasst ist, bleibt sie mir unzugänglich. Aus den Abbildungen möchte ich herauslesen, dass sie im Wesentlichen eine Bestätigung der Semper’schen Angaben enthält: zwei Seitenstränge, ein Mittelstrang — aber keine Einstülpung — und die seitlichen Ganglien vom Mesoderm abstammend. Das Verhalten der Bauchkette zum Kopfganglion scheint nicht berücksichtigt zu sein. BüLow bemerkt sehr richtig, dass die scheinbare Abgrenzung der seitlichen Theile der Bauchkette, welche Semrer zur Annahme mesoder- maler Spinalganglien verleitet hatte, weiter nichts als der optische Effekt zu dicker Schnitte ist? und stellt fest, dass bei Lumbriculus der centrale Theil des Bauchnervensystems mit den Spinalganglien zu- sammen aus einer paarigen Ektodermanlage entsteht. Meine Behauptung des getrennten Entstehens von Kopfganglion 1 Svil. delL. trap. Taf. III, Fig. 25, 26, 27. 2 Odessa 1881. 3 Zeitschr. f. w. Zool. Bd. XXXIX. 41883. p. 93. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus, 125 und Bauchkette wurde von GoETTE für Nereis Dumerilii, von SALENskY für Psygmobranchus, Nereis cultrifera, Pileolaria, Aricia, Terebella und Branchiobdella, vermuthungsweise von v. DrascHE für Pomato- ceros und von R. BercH für Aulastoma bestätigt. SıLensky allein stellt die bezüglichen Vorgänge etwas ausführlicher dar. Bei Psygmobranchus erscheinen auf der ventralen Fläche der hinteren Hemisphäre der Larve zwei parallele Ektodermverdickungen, bevor noch die Flimmerrinne zwischen ihnen angelegt ist. Diese letztere bildet sich, wie bei allen anderen Anneliden, aus zweiReihen von Zellen. Dann rücken die Medullarplatten ganz nahe zusammen. Dies ist be- merkenswerth, weil der erwachsene Psygmobranchus ein sogenanntes Strickleiter-Nervensystem besitzt. Bei Pileolaria treten die Neuralstränge weit von einander abstehend auf und bleiben lange Zeit getrennt. Eigenthümlich ist aber, dass diese Anlagen auf den vorderen Abschnitt des Rumpfes, den Sırensky Thorax nennt, beschränkt sind — auf den hinteren Abschnitt, das Abdomen, setzen sie sich nicht fort. Der Thorax besteht aus drei Segmenten, das Abdomen ist nicht segmentirt. Dem entsprechend gliedert sich auch das Bauchmark Anfangs in drei Ganglien. Später verschmelzen diese aber wieder und dann ist das ganze Bauchmark auf einen kleinen Knoten redueirt, der im vordersten Theil des Rumpfes liegt. SıLEnskv vergleicht diesen Vorgang mit ähnlichen Verschmelzungen, die bei Ar- thropoden so häufig vorkommen. Es wäre interessant, die anatomischen Verhältnisse bei Pileolaria, Abgang und Vertheilung der Nerven, zu untersuchen. Die ventrale Flimmerrinne entsteht bei Aricia foetida bedeutend früher als die Anlagen des Bauchstranges. Diese bestehen Anfangs zum Theil aus nur einer Schicht verlängerter Ektodermzellen, zum Theil — im vorderen Abschnitt — aus mehreren Lagen. Weiter nach vorn zu verdünnen sie sich aber wieder immer mehr, bis sie gänzlich ver- schwinden. Die Ausbildung des Bauchstranges erfolgt langsam, die Kommissuren erscheinen erst am fünften Tage des Larvenlebens und der Schlundring ist’ selbst bei sechs Wochen alten Larven noch nicht hergestellt. Die Connective der Bauchkette verschmelzen nach dem Sechwunde der Flimmerrinne so innig mit einander, dass sie einen Strang bilden, an dem die Zusammensetzung aus zwei Hälften sich nicht erkennen lässt. Terebella verhält sich in Bezug auf die Entwicklung des Bauch- stranges ähnlich wie die anderen Polychaeten. Dagegen zeigt Branchiobdella recht starke Abweichungen. Bei Schluss der Furchung finden sich am hinteren Ende des Embryo acht 126 Nieolaus Kleinenberg, große Zellen. Sie ordnen sich zu je vier in zwei nach vorn konver- girende Linien an. Jede Zelle erzeugt dann eine Reihe kleiner länglich viereckiger Elemente. So entstehen rechts und links mehrere parallele Streifen, die bogenförmig gekrümmt an den Seiten sich nach vorn erstrecken. Ihre Lagerungsverhältnisse lassen darauf schließen, dass sie sich am Aufbau der Bauchplatten betheiligen. Dann erscheint eine nicht flimmernde Neuralfurche und zu ihren Seiten die Bauchwülste, während gleichzeitig die großen Zellen sich zu verkleinern beginnen und immer weiter nach hinten gedrängt werden, wo sie neben der Rinne die Enden der Markplatten darstellen. Die Scheidung der Keimblätter ist jedoch noch nicht vollständig und an der Zusammen- setzung des Bauchstranges betheiligen sich sowohl äußere als innere Zellen, Ektoderm und Mesoentoderm. Nachdem das Ektoderm abge- grenzt ist, bestehen die Seitenränder der Neuralrinne aus einer einzigen Schicht hoher Zellen. Nun verengert sich die Rinne und es erscheint unter ihr eine: axiale Zellenanhäufung, die seitwärts ins Ektoderm übergeht. Diese Anlage des Bauchstranges kommt wahrscheinlich durch die Verschmelzung zweier seitlicher Neuralplatten zu Stande. Sie wird dieker und dann bildet sich inmitten ihrer Zellen ein enger Kanal. So erscheint die Anlage des Bauchmarkes von Branchiobdella nach Form und Entwicklungsweise dem entstehenden Rückenmark der Cyclo- stomen und Teleostier ähnlich. Dann löst sich der Bauchstrang vom Ek- toderm, bleibt jedoch an seiner unteren Fläche mit diesem in Berührung; der Centralkanal verläuft nicht mehr geschlossen in der Masse des Bauchstranges, sondern ist zu einer schmalen Rinne geworden, die äußerlich vom Ektoderm bedeckt wird. In der Mittellinie befindet sich also eine spaltförmige Höhle zwischen der Ganglienanlage und dem Ektoderm; diese Höhle erweitert sich nach den Seiten hin, wodurch die Ganglienanlage vollständig von ihrer Bildungsstätte abgeschält wird — dazwischen schiebt sich das somatische Blatt des Mesoderms ein. Allein schon ehe die seitliche Ausdehnung des ursprünglichen Central- kanals beginnt, zerfällt derselbe in eine Reihe auf einander folgender getrennter Höhlen (wenigstens erscheint das auf den Abbildungen so); dies ist eine Folge des stellenweisen Anschwellens der Neuralanlage, deren früher glatte Oberfläche nun rosenkranzartig geringelt erscheint. SALENSKY ist nicht sicher, dass die verdickten Stellen den definitiven Ganglien entsprechen, hält es aber für wahrscheinlich. Die Ganglien entstehen gleichförmig angeordnet im ganzen Verlauf des Bauchstranges; später vertheilen sie sich in drei Gruppen: die vorderste wird von vier durch ganz kurze Connective verknüpfte Knoten gebildet — es sind das die unteren Schlundganglien. Vom hintersten derselben geht ein Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 127 langes Connectiv zum mittleren Abschnitt des Bauchstranges hinüber und dieser steht wiederum in Verbindung mit der hinteren dicht zu- sammengefügten Gruppe der Caudalganglien. Diese Vertheilung der Ganglien hängt mit der Entwicklung der Metameren zusammen — die vier vordersten oder Kopfsegmente sind so schwach ausgebildet, dass ihr Vorhandensein kaum durch Scheidewände angedeutet ist. Dasselbe gilt von den hinteren Segmenten, die den Saugnapf herstellen. Die Kommissuren innerhalb der Ganglienkette treten sehr spät auf, und noch später, erst wenn der Embryo zum Ausschlüpfen bereit ist, bildet sich der Schlundring, indem einfach die nach vorn aus- wachsenden Enden des Bauchstranges, mit den nach hinten verlänger- ten Schenkeln des Kopfganglions verschmelzen. Mir scheint, dass die Besonderheiten beiBranchiobdella sich ohne Ge- waltthätigkeit dem allgemeinen Entwicklungstypus unterordnen lassen. Die mediane Neuralplatte entsteht nach den eigenen Angaben Sırensky’s sehr wahrscheinlich aus zwei ursprünglich getrennten seitlichen Ekto- dermsträngen — dasselbe habe ich für Lumbricus, Lopadorhynchus und andere Polychaeten angegeben. Und der Spalt, welchen Sırensky Cen- tralkanal nennt, dürfte gleichfalls von mir bei Lumbricus beschrieben sein — in der Deutung desselben gehen wir freilich verschiedene Wege. Es heißt in jener Arbeit: »Die Scheidewand, welche von der zelligen Rindenschicht ins Innere dringt, ist. sehr viel stärker entwickelt und zerlegt die Kommissur fast vollständig in zwei Hälften. Aber gleich- zeitig lockert sich das Gefüge dieses Septums, indem seine Zellen ein wenig nach rechts und links aus einander weichen, so dass ein verti- kaler Spalt erscheint, der im Centrum weiter als an der Peripherie ist!.« Diese Spalten, die getrennt in jedem Ganglienknoten entstehen, fließen schließlich zu der Längsfurche zusammen, welche auch beim erwachsenen Regenwurm die Bauchfläche der Ganglienkette äußerlich in zwei Hälften theilt. Bei Branchiobdella soll sich dagegen ein ge- schlossener Kanal inmitten der Ganglienzellen bilden. Allein ich sehe die Dinge in Sırznsky’s eigenen Figuren ganz anders. In Fig. 572 z.B., die das erste Auftreten des Centralkanals darstellt, findet sich eine seichte Furche in der Mitte der Markplatte, deren Grund von zwei Ek- todermzellen gebildet ist.. Diese Zellen, die sich nur wenig von den übrigen Elementen der äußeren Schicht des Ektoderms unterscheiden, entsprechen ihrer Lage nach durchaus den Zellen der Flimmerrinne bei anderen Anneliden, und gehören als solche der Epidermis an. Un- mittelbar über ihnen folgt eine Lücke von unregelmäßigem Querschnitt, 1.$vil. Lumbr. trap. p. 48. 2 Archives de Biologie. VI. 128 Nicolaus Kleinenberg, deren äußere Wand eben von den beiden Zellen der Rinne gebildet ist, während sie seitwärts und innen von den Zellen der Nervenplatte begrenzt wird. Mir scheint das nichts Anderes zu bedeuten, als dass durch seitliches Auswachsen der Medullarplatte die äußere Ektoderm- lage, die spätere Epidermis, in der Mittellinie gespannt und abgehoben wird: sie muss dann brückenartig von einer Seite der Platte zur an- deren hinüberziehen. Eben so in der folgenden Figur, überall ist die Decke der Lücke nur von ein paar Zellen des äußeren einschichtigen Ektoderms hergestellt. Für die späteren Stadien giebt SıLenskv das zu, sieht aber darin ein sekundäres Verhalten. Ich verstehe nicht recht warum — da doch die Lagebeziehungen von Anfang an dieselben sind. Daher vermag ich Sırenskv's Ansicht nicht zu theilen, dass der Kanal des Bauchmarkes von Branchiobdella dem Gentralkanal des Rücken- markes der Wirbelthiere homolog ist: die entsprechende Bildung bei Lumbricus habe ich mit der hinteren Rückenmarksfissur verglichen und glaube, dass dieser Vergleich — wenn er überhaupt zulässig ist — auch für Branchiobdella gilt. Wie beim Kopfganglion, weicht Bersn’s Darstellung auch für den Bauchstrang von allem bis dahin Bekannten wesentlich ab. Zum Theil hängt das mit der allgemeinen Anschauung, die dieser Forscher sich von der Entwicklungsweise der Kieferegel gebildet hat, zusammen. Es soll nämlich eine komplicirte Metamorphose vorliegen: der Körper des Blutegels entsteht innerhalb einer Larve, wie eine Nemertine, aus vier embryonalen Keimen und dem ursprünglichen Entoderm. Von den Kopfkeimen wurde schon vorhin berichtet, hier gehen uns nur die Rumpfkeime an. In dem Stadium, mit welchem die Entwicklungsge- schichte von Aulastoma beginnt, sind diese schon mit einander ver- schmolzen. Sie erstrecken sich vom Schlunde längs der Bauchfläche bis ans hintere Ende des Larvenkörpers, wo sie jederseits mit fünf großen Zellen aufhören. Die innere Entwicklung der Keime ist so weit vorgeschritten, dass ihr vorderer Theil bereits segmentirt erscheint. Ferner »lassen sich ziemlich deutlich zwei Schichten unterscheiden, eine äußere und eine innere, die wohl die Anlagen für die künftigen ektodermalen resp. mesodermalen Gewebe des Blutegels darstellen«. Nervenzellen sind in den Keimen nicht vorhanden, dagegen finden sich zwischen den larvalen Muskeln zahlreiche verzweigte Zellen, deren Ausläufer mit einander in Verbindung treten und eine Art von Plexus herstellen. Lruckirr hatte diese Zellen bei Hirudo gesehen und als Bindegewebe gedeutet, obschon er ihre Ähnlichkeit mit Nervenzellen nicht verkannte; Bercn erklärt den Plexus für das Nervensystem der Larve. Eine gesetzmäßige Anordnung dieser Ganglienzellen war \ | | N Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 129 nicht nachzuweisen, sie sollen überall an der Leibeswand zerstreut liegen. Die Entstehung der Rumpfkeime wurde bei Nephelis untersucht. Sie gehen aus der Theilung einiger Furchungszellen (Scheitelzellen) hervor. Das primitive Ektoderm betheiligt sich in keiner Weise an ihrer Herstellung. Auch Wurrman leitete bei Clepsine die ganzen Rumpfkeime von primären Neuroblasten und Mesoblasten, die Bereu’s Scheitelzellen entsprechen, ab. Später spalten sich die Keime von Nephelis in drei Schichten: eine äußere — die definitive Rumpfepi- dermis; eine, auf die Seiten der Mittellinie beschränkte, mittlere — die Anlage des Bauchstranges; und eine innere und seitliche, welche das Mesoderm erzeugt. Dazu kommen noch die Urnieren, welche schon früher abgelöst worden sind. Die Epidermis und die Muskulatur wach- sen seitwärts derart zusammen, dass das primitive Ektoderm, die ur- sprüngliche Muskulatur und die Ganglienzellen außerhalb des Blutegel- körpers zu liegen kommen und dann zu Grunde gehen. BercH glaubt nun, dass dieser Entwicklungsmodus, nämlich der Aufbau des Körpers aus vier Keimen und dem Entoderm der Larve “typisch für die Nemertinen und Anneliden sei und versucht die Ab- weichungen, so gut es gehen will, zu erklären. Das Abwerfen der ur- sprünglichen Epidermis möchte ich nach Untersuchungen an Nephelis, die ich vor Jahren unternommen hatte, ohne sie zu Ende zu führen, be- ‚stätigen. Damit ist aber keineswegs bewiesen, dass das gesammte Ek- toderm zu Grunde geht. Ich konnte nicht herausbringen, wie Nerven- system und Epidermis sich Anfangs zu einander verhalten, und auch in der Beren’schen Arbeit suche ich, trotz der sehr bestimmten Aus- drucksweise, vergebens nach Aufklärung darüber. Denn mag man auch zugeben — wozu ich vorläufig keine Neigung spüre —, dass die Anlage des Bauchstranges sich so vollzieht, wie Bern angiebt, so bleibt doch noch zu wissen, wie die vergängliche Epidermis entsteht, und diese Frage scheint Beren sich gar nicht vorgelegt zu haben. Könnte sie nicht aus derselben Quelle entspringen, wie die bleibende Epidermis und das Nervensystem, und nur früher als diese zur Ausbildung kom- men? So wie die Sachen liegen, ist es ziemlich willkürlich, die dünne Hüllmembran ohne Weiteres für das ganze ursprüngliche Ektoderm zu erklären. Die später erschienene, aber offenbar ohne Kenntnis der Brren- schen Untersuchungen ausgeführte Arbeit Saenskv’s stellt die Sachen für einen anderen Blutegel ganz anders dar. Wenn ich recht verstehe, 1 Arb. Zool. Inst. in Würzburg. VII. 1884. | Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLIV. Bd. 9 130 Nicolaus Kleinenberg, bilden die großen Zellen am Hinterende von Branchiobdella keineswegs direkt die Anlage des Bauchstranges, sondern zunächst die einfache Schicht des Ektoderms der Bauchfläche und in dieser sondert sich spä- ter die Anlage des Nervensystems in der bei Anneliden gewöhnlichen Weise. Eine provisorische vergängliche Epidermis entsteht überhaupt nicht. Dazu kommt, dass das Mesoderm nach SıLensky nicht allein nicht aus einer gemeinsamen Anlage mit dem Nervensystem, sondern sogar aus einem anderen Keimblatt hervorgeht. Für Lumbrieus giebt BercH zu, sich von der Richtigkeit meiner Darstellung überzeugt zu haben, ich füge hinzu, dass bei allen Polychaeten, deren Entwicklung mir be- kannt ist, wohl die Epidermis der Larve von dem definitiven äußeren Epithel des Annelids verdrängt wird, allein dies geschieht, wie ich gleich zeigen will, durch einen Umbildungsprocess, der in der Larven- epidermis selbst seinen Ausgangspunkt hat, und nur in einigen wenigen Fällen werden Theile des alten Ektoderms thatsächlich abgeworfen. Von besonderem Interesse ist der Ganglienzellenplexus, den BercH für die Larve von Aulastoma beschreibt. Wenn solch ein vergängliches Nervensystem besteht, ist nur auffallend, dass es an keiner Stelle cen- tralisirt erscheint, zumal in einer Larve, die schon so frühzeitig koor- dinirte Bewegungen ausführt. Dies provisorische Nervensystem von Aulastoma hat eine gewisse Ähnlichkeit mit den intermuskulären Nervenplexus, die Frawronr beim erwachsenen Polygordius und Protodrilus gefunden hat. Innerhalb der Massen der dorsalen und ventralen Längsmuskeln — reichlicher in den ersteren — giebt es Ganglienzellen, von denen ein System verzweigter Fasern entspringt. Ein Theil derselben endigt in der Protoplasmaschicht, welche die Oberfläche jedes Muskelblättchens überzieht; ein anderer Theil schließt sich den Nerven des Bauchstranges an; ein dritter Theil der Fasern steht dagegen in direkter Verbindung mit den oberfläch- lichen Epidermiszellen. »On peut considerer les prolongements en continuite avec les cellules de l’epiderme comme nerfs sensibles, ceux qui aboutissent aux lames musculaires comme nerfs moteurs, les cellules intermediaires comme organes centraux. De cette disposition il resulte que les museles ne sont pas exclusivement en relation avec les elements de la moelle. Dans la region dorsale notamment, les im- pressions recues de l’exterieur peuvent &tre transmises direetement aux cellules ganglionaires du plexus intermusculaire, sans avoir besoin de passer par les el&ments ecentraux de la moelle. Les cellules nerveux de ce plexus pourraient commander directement les muscles!.« Am I Recherches sur le systeme nerveux central des Archiannelides. Archives de Biologie. 1884. p. 280. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 131 hintersten Körperende fehlt der Bauchstrang und hier ist die Innervation der äußeren und inneren Organe vollkommen unabhängig vom Central- ' nervensystem. Ich kenne die Histologie von Polygordius und Protodrilus nicht ge- nügend, um die FrAıpont'schen Angaben bestätigen oder widerlegen zu können. Bei all’ den Larven und jungen Anneliden, welche ich genauer untersucht habe, ist aber eine Verbindung von Epithelzellen mit Mus- kelfasern, ohne die Vermittelung des Centralnervensystems nicht vor- ' handen. Über die Entwicklung der Sinnesorgane des Rumpfes fehlte bisher : fast jede Nachricht. Besonders CLarArkpe und Enrers haben mehrfach reichliche Nervenendigungen in den Cirren nachgewiesen, als speci- ‘ fische Sinnesorgane sind diese Anhänge aber gewöhnlich nicht aufge- ‘ fasst worden und ihre Entstehung war nicht bekannt. Von den larvalen Sinnesorganen der Subumbrella finde ich noch ‘ hier und dort sensitive Härchen erwähnt, am häufigsten in der Um- . gebung des Afters (SaLensky, v. DrASCHE, HATSCHER). Die Entwicklungsgeschichte der Anneliden verdankt HarscHrk einen neuen sehr wichtigen Beitrag. Nur wenige Ringelwürmer be- sitzen Gehörorgane und von der Bildung derselben wusste man abso- "lut nichts. Nun hat Harscuek nachgewiesen, dass sie im Bereich ‘ der Subumbrella entstehen. Bei Eupomatus erscheinen, nachdem schon alle typischen Larvenorgane hergestellt sind, dicht hinter dem postoralen Wimperkranz, zwei größere Ektodermzellen, die zu Bläschen ‚ werden — ob durch Vacuolisirung oder durch Einstülpung bleibt un- entschieden. Diese Bläschen rücken nach innen, ohne jedoch ihren Zusammenhang mit dem Ektoderm ganz aufzugeben und erhalten einen, ‚ aus wenigen Mesodermzellen bestehenden Überzug. Die weitere Ent- wicklung konnte an der Larve eines anderen Röhrenwurms verfolgt ‚ werden; hier fanden sich in der Höhle der Bläschen kleine stark licht- ‚ breehende Konkremente und der inneren Fläche der Wand saßen äußerst feine starre Härchen auf; die Mesodermhülle war nach der ‚ Leibeshöhle zu vollständig geworden. Bei noch älteren Larven befan- ‚den sich die Gehörbläschen in der hinteren Kopfregion, am vorde- ‚ren Rande des Bauchmarks, an der äußeren Seite der Schlundkom- missur. Reichlichere Nachrichten giebt esvon den nicht nervösen Bildungen, | ‚die durch ihre Lage eine gewisse Beziehung zum Bauchstrang haben. 1 Entw. von Eupomatus. 1885. 9* 132 Nicolaus Kleinenberg, ' Gewebe, welche dem Bauchschilde von Lopadorhynchus zu entsprechen scheinen, sind bei den Polychaeten weit verbreitet und nicht immer bloß auf das Larvenleben beschränkt. Hierher ziehe ich die Elemente, welche Sırensky bei Pileolaria als große einzellige Drüsen beschreibt. Sie bilden im vorderen Theile des Rumpfes zwei Stränge längs der Neuralrinne und unter dem Bauchstrang; wie ich aus den Abbildungen zu erkennen glaube, von einer sehr dünnen oberflächlichen Ektoderm- schicht bedeckt. Sızensky selbst macht auf die Ähnlichkeit dieser Zellen mit denen der Anlage des medianen Tentakels aufmerksam!. Sie schwinden nach dem Festsetzen der Larve. Bedeutender ist die Entwicklung dieses Gewebes bei Terebella. Es verdrängt die Zellen der Neuralfurche und stellt eine Platte her, die vorn am breitesten und an den Seiten scharf begrenzt ist. Anfangs soll das Ektoderm hier einschichtig sein, später besteht das Bauchschild aus mehreren Lagen großer Zellen und ist daher stark verdickt. An der Oberfläche wird es dann von ceylindrischen Epidermiszellen bedeckt. Die Zellen des Bauchschildes sind sternförmig, SıLensky erklärt sich aber gegen CrArırkpe, der sie als Bindegewebselemente bezeichnet hatte, weil sie nicht vom Mesoderm, sondern vom Ektoderm abstammen. Späterhin erhält das mächtig angewachsene Organ einen fächerigen Bau, indem muskulöse Scheidewände in dasselbe eindringen, und in diesem Zustande bleibt es als Bauchschild zeitlebens bestehen?. Die Übereinstimmung der Entwicklung des bleibenden Bauchschildes von Terebella mit dem vergänglichen Organ, dem ich bei Lopadorhynchus denselben Namen gegeben habe, ist — besonders wenn man dem Ver- gleich weniger den Text als die Abbildungen zu Grunde legt — so groß, dass ich an der wesentlichen Identität beider Bildungen nicht zweifle. Es wurde bereits erwähnt, wie durch den eigenthümlichen Bau und die Anordnung der Zellen auf den Durchschnitten Bilder erscheinen, die zu dem Schluss führen könnten, es läge ein Gewebe von sternför- migen oder faserigen Zellen inmitten reichlicher Zwischensubstanz vor, und in der That hat Sırznsky dem Anschein getraut und nicht erkannt, dass es sich um dicht zusammengedrängte Zellen mit mächtiger Vacuole und dünner protoplasmatischer Wandung handelt. Weniger klar ist die Zugehörigkeit eigenartiger Ektodermzellen, die am hinteren Körperende der Larven mehrerer Röhrenwürmer vor- kommen. Ich meine die zuerst von Srossıcn bei der Larve von Ser- pula uncinata erwähnte Analblase. Nach v. Drascnz entsteht sie aus | ! Archives de Biologie. IV. p. 32. ? Archives de Biologie. IV. p. 96, 97. | u a u u Se u en ee Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 133 einer einzigen vor dem After gelegenen Zelle!. Das ist für die jüngeren Larven sehr klar dargestellt, auch sieht man, dass an der Stelle, wo diese Zelle liegt, ein Härchen: von der Oberfläche entspringt. In den , späteren Stadien (Fig. 28, 29) findet sich aber anstatt der Zelle eine "beträchtlich größere durch Scheidewände in Fächer abgetheilte Masse, die auf mich den Eindruck eines aus mehreren Zellen zusammenge- . setzten, dem Bauchschild ähnlichen Gewebes macht. Harscuek bestätigt und erweitert die Angaben v. Drascne’s. Bei Eupomatus ist, an der Stelle wo der After durchbricht, eine Zelle durch . den Besitz eines feinen starren Härchens ausgezeichnet. In ihr bildet - sich eine mit Flüssigkeit erfüllte Vacuole, die den Zellkern zur Seite ‘ drängt. Diese Analblase schwillt so stark an, dass der After weit auf die Rückenfläche verlegt wird. Später findet auch Harscark die Anal- blase gekammert, führt das aber auf die Entstehung von Nebenvacuolen zurück ?. SıLensky dagegen beobachtete am hinteren Ende junger Larven von ' Psygmobranchus zwei Ektodermzellen, die allmählich kolossal anschwel- ‚ len und erst kurz vor Beginn der Abscheidung der Kalkröhre zu Grunde gehen. Sie besitzen Anfangs keine Härchen, später aber erhebt sich ganz nahe bei ihnen eine starke Geißel oder ein Büschel von Flimmerhaaren- Sırensky hält die Analblasen eben so wie die Elemente des Bauchschildes - für einzellige Drüsen. Dafür scheint mir, auch abgesehen davon, dass von einem Ausführungsgange nicht die Rede ist, nicht der geringste Grund zu bestehen. Gehört das Härchen wirklich zu der Zelle der Analblase, wie HırscHek will, so könnte man an ein Sinnesorgan denken, bei Psygmobranchus aber wird das anale Haarbüschel, wenn SALensKy’s Abbildungen genau sind, offenbar nicht von jenen Zellen getragen. ‚ Nach ihrer Entwicklung würde ich die Analblasen mit dem Kopf- und ' Bauchschild vereinigen, doch bleibt damit ihre Funktion unerklärt, denn wenn für jene die Vermuthung, dass sie Stützorgane, gewisser- ‚ maßen ein larvales Skelett sind, am wahrscheinlichsten erschien, lässt sich diese Auffassung auf die Analblasen der Serpuliden wohl kaum ‚ übertragen. Die Muskulatur der Larve. Bis hierher wurden die Ent- ı wicklungsvorgänge einseitig in der von den Neuralplatten vorgezeich- neten Richtung verfolgt; es ist nun nöthig, wieder an die Stelle zurück- zukehren, wo die Spaltung der Neuromuskelanlagen, der Bauchplatten, in eine äußere und eine innere Schicht beginnt. Allein so wie der Ent- 1 Beitr. zur Entw. der Polychaeten. Nr. 4. p. 10. 2 Arb. Zool. Inst. zu Wien. VI. 134 Nicolaus Kleinenberg, stehung des Nervensystems des Annelids ein besonderes Nervensystem der Larve vorausgeht, haben auch Larve und Annelid ihre besondere, genetisch von einander unabhängige Muskulatur. Ich stelle daher zuerst das kontraktile System, welches nicht aus den Bauchplatten her- vorgeht, dar. Es wurde schon erwähnt, dass die subumbrellaren Anlagen, die sich an der Herstellung des Schlundringes betheiligen, außer den ner- vösen Elementen auch Muskelzellen erzeugen. In den frühesten Stadien ist die Vermehrung der Zellen dieser Anlagen träge, dann wird sie leb- hafter, führt jedoch nicht zu einer Ausbreitung der Wucherungen inner- halb des Ektoderms. Denn alle die neugebildeten Zellen, eine nach der anderen, lösen sich von ihrer Bildungsstätte ab. Man kann diese Auswanderung auf den Schnitten Schritt für Schritt verfolgen (Taf. VII, Fig. 28d,e, spm) und das Schicksal der ausgewanderten Elemente ist nicht zweifelhaft: wenn sie zwischen das Ektoderm und das Entoderm eingedrungen sind, erscheinen sie als Fasern, die häufig zu beträcht- licher Länge auswachsen, wobei sich ihre beiden Enden gewöhnlich in zahlreiche Verzweigungen auflösen, während die Kerne innerhalb einer bald dickeren, bald dünneren mittleren Protoplasmaansammlung eingebettet liegen (Taf. XIII, Fig. 63). Dies sind die larvalen Muskel- zellen. Anfangs ist nur ein Paar Ektodermverdickungen unter dem Proto- troch vorhanden, und zwar dasjenige, welches in die Bildung des Schlund- ringes eingreift (Taf. Il, Fig. 16h, spm). Später tritt seitlich von diesem ein zweites Paar auf (Taf VII, Fig. 25). Doch verhalten sich beide nicht ganz gleich. Jenes ist eine wahre Neuromuskelanlage, die sowohl ner- vöse als kontraktile Gewebe erzeugt; dieses beschränkt seine Bildungs- thätigkeit allein auf die Hervorbringung von Muskelzellen. Nachdem die seitlichen Anlagen einige wenige Muskelzellen geliefert haben, stellen sie ihre Thätigkeit ganz ein und werden frühzeitig aufgelöst. Sie sind vielleicht die letzten Reste eines früher reichlich produciren- den Bildungsherdes. Dagegen ist die Zahl der Zellen, welche die ventralen Neuromuskel- anlagen unter dem Prototroch liefern, sehr beträchtlich. Denn der aller- größte Theil der larvalen Muskulatur geht aus ihnen hervor. Für die wenigen regelmäßig angeordneten und funktionirenden Muskeln, die schon bei der jüngsten Larve vorhanden sind, konnte die Herkunft natürlich nicht festgestellt werden, allein die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass auch sie von den subtrochalen Anlagen abstammen. Denn nichts berechtigte die Annahme, dass von den gänzlich im Ekto- derm steckenden Bauchplatten einzelne Zellen sich ablösten, und an ——— Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 135 anderen Stellen des Körpers findet dies noch weniger statt. Nur für den Ringmuskel des Prototrochs erscheint mir die Abstammung von jenen Anlagen zweifelhafter. Ich lege gar kein Gewicht darauf, dass seine Elemente anders gestaltet sind als die übrigen larvalen Muskelzellen, das ist durch ihre Lage und Funktionsweise hinreichend erklärt, aber der Ringmuskel wächst auch noch in den späteren Stadien, und ich habe vergebens nach Zellen gesucht, die von den Anlagen her sich ihm anschlössen — die Entstehung und das Wachsthum dieses Muskels bleibt ganz im Dunkeln. Anfangs sind die Wege der Zellen aus den subtrochalen An- lagen vorherrschend um den Prototroch herum in die Umbrella hinein gerichtet, und in Folge dessen ist dieser Körperabschnitt der Larve in den früheren Zeiten der Entwicklung viel stärker kontraktil als die Subumbrella. Doch auch in dieser verbreiten sich immer mehr Muskeln, bis fast überall zwischen Ektoderm und Entoderm eine dünne Schicht vereinzelter Fasern sich findet. Auf den Schnitten liegen diese oft ziemlich nahe beisammen, doch ist nicht zu übersehen, dass es zum größten Theile Querschnitte der terminalen Verästelungen sind, die getrennt erscheinen, während sie sich doch oben oder unten in einem Zellkörper vereinigen — die Zahl der Zellen ist im Verhältnis zu den feineren Fasern nur gering. Die meisten Muskelzellen sind zwar nach vorwiegenden Richtun- gen, sonst aber ziemlich unregelmäßig vertheilt; einige dagegen haben eine genau bestimmte Lage, die ihnen besondere Bedeutung giebt. Einer von ihnen, der mediane Umbrellamuskel, wurde schon früher be- schrieben. Ihm schließt sich frühzeitig ein Paar seitlicher Muskeln an, die Anfangs nur aus je einer langen Zelle bestehen. Ihr oberer Ansatzpunkt liegt etwas unterhalb, und ein gutes Stück rechts und links vom Scheitelorgan (Taf. III, Fig. 18e und andere Figuren /Ism) ; unten endigen sie in der Mitte des Seitenrandes des Stomodaeums. Dann etablirt sich seitwärts von der dorsalen Mittellinie je ein Muskel, der oben am Ektoderm des Scheitelpols, unten am Prototroch ansetzt. Endlich bilden sich die Retraktoren der Geruchsorgane. | Das erste in der Subumbrella auftretende Muskelpaar findet sich gleichfalls auf der Rückenseite. Es entspringt am Prototroch, verläuft zu beiden Seiten der Rückennerven und inserirt sich dem Ektoderm in der Umgebung des Proctodaeums (Taf. VII, Fig. 27b, srm). Anfangs besteht auf jeder Seite nur eine Zelle, später sind es zwei. Auf der ventralen Fläche der Subumbrella setzen sich zwei Längs- muskeln fest, ein oberflächlicher und ein tiefer. Beide scheinen mir paarig zu entstehen, aber sehr bald einfache Stränge zu werden. Der 136 Nicolaus Kleinenberg, oberflächliche ist der stärkere. Er liegt Anfangs in der medianen Lücke, welche zwischen dem Ektoderm, den Muskelplatten und dem Entoderm besteht (Taf. IX, Fig. 33c, vsm). Wenn nun die Neuralplatten aus- wachsen, schieben sie ihre inneren Ränder gegen die Mittellinie bis zu gegenseitiger Berührung vor: dabei wird der Muskel umwachsen und ins Ektoderm hinein verlegt, wo er in einer Art von Kanal ver- läuft (Taf. IX, Fig. 34 vsm). Diese eigenthümliche Lageveränderung erinnert einigermaßen an die Umschließung des medianen Umbrella- muskels von der Kommissur des Kopfganglions. Wenn sich später die Schwanzkappe bildet, wird der oberflächliche ventrale Muskel mit hineingezogen und auch hier von einem röhrenförmigen Hohlraum umgeben (Taf. XI, Fig. A6b,c,d, vsm). Er entspringt also von der äußersten Schwanzspitze und endigt, wie mir scheint, am vorderen Abschnitt des Bauchschildes — bis zum Stomodaeum konnte ich ihn nicht verfolgen. Der tiefe Bauchmuskel liegt anfänglich dicht über dem oberfläch- lichen (Taf. IX, Fig. 33c), wird aber nicht von dem Bauchstrang um- wachsen und bleibt zwischen den beiden Muskelplatten liegen (Taf. IX, Fig 34). Die übrigen larvalen Muskelzellen haben nicht so bestimmte Lagen, doch halten sie im Großen und Ganzen an gewissen Beziehungen fest. Da wo Ektoderm und Entoderm sich dicht anliegen, sind die zwischen ihnen eingezwängten Muskeln so angeordnet, dass ihre Richtung der Längsachse des Körpers parallel ist. Das gilt für die Umbrella so gut wie für die Subumbrella. Es entsteht also eine Art von Längsmuskel- schlauch, der die Form des Körpers wiederholt und daher, auf der Um- brella kugelig abgerundet, in sich zurückläuft. Wo die Ansatzpunkte der einzelnen Fasern sich befinden, ist schwer genau zu bestimmen, bei der Maceration bleiben sie bald am Ektoderm, bald am Entoderm hängen, und es ist auch sehr wahrscheinlich, dass sie zum Theil an jenem, zum Theil an diesem, oder vielmehr an seinem Peritonealüber- zug, sich befestigen. Dort wo dagegen die beiden Blätter von Zwischenräumen ge- trennt sind, heften sich die Muskelfasern mit einem Ende ans Entoderm, verlaufen schräg nach oben oder unten und endigen im Ektoderm. Am deutlichsten wird das in der Umgebung des Stomodaeums, wo die Leibeshöhle von ausgespannten Fäden durchsetzt erscheint. Dies ist ungefähr die Muskulatur der Larve. An ihrer Herstellung hat die Umbrella ganz und gar keinen Antheil, auch die zahlreichen Muskelzellen, die hier ihren Sitz nehmen, kommen von der Subumbrella her, wo sie nicht aus den Bauchplatten, sondern aus Anlagen, welche Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 137 von diesen geschieden sind, entspringen. In den Annelidenkörper gehen, wenn überhaupt, nur sehr geringe Überreste der Larvenmusku- latur über, während alles Übrige von den Erzeugnissen des inneren Blattes der Bauchplatten verdrängt wird. Der Ursprung der vergänglichen und der bleibenden Muskulatur aus verschiedenen von einander unabhängigen Anlagen, ist keine Be- sonderheit von Lopadorhynchus: bei den Phyllodociden sind die Ver- hältnisse genau dieselben, Lepidonotus hat weit stärker entwickelte subtrochale Neuromuskelanlagen, die fast bis an die Bauchplatten hinan reichen, aber doch deutlich von ihnen getrennt sind; bei einer großen Eunieidenlarve finde ich Ektodermwucherungen, welche larvale Muskelzellen liefern, dicht unter dem Prototroch, jedoch nicht wie in den anderen Fällen auf der Bauchseite, sondern auf der Rückenfläche der Subumbrella. In der ungegliederten Larve von Polygordius besteht nach HATscHrk das Muskelsystem aus folgenden Theilen: ein Paar starker Fäden, die vom Vorderrande der Mesodermstreifen, frei durch die Leibeshöhle, zur Scheitelplatte hin ziehen, wo sie dicht an den Augenflecken an- setzen; ein Paar Muskeln ventralwärts von diesen an der Scheitelplatte entspringend und am Ösophagus endigend; ein Paar großer verästelter Zellen in der Rückenfläche des Kopfes, vom dorsalen Abschnitte des Scheitelfeldes zum vorderen Rande des Rumpfes; einige feine Muskel- fäden zwischen Ösophagus und der benachbarten Körperwand, und zwischen dieser und dem Hinterdarm;; endlich unterhalb des präoralen Ringwulstes im ganzen Umfange spindelförmige Mesodermzellen, die wahrscheinlich befähigt sind, geringe Gestaltveränderungen des Ring- wulstes herbeizuführen. Der Prototrochmuskel soll, wie erwähnt, erst dann erscheinen, wenn der Wimperkranz sich rückbildet !. Die Echiuruslarve besitzt dieselben hauptsächlichen Muskeln wie Polygordius, nur dass der ventrale Längsmuskel aus einem präoralen und einem postoralen Abschnitt zusammengesetzt ist. Dazu kommt noch an der ganzen inneren Oberfläche der Leibeswand ein System äußerst feiner Muskelfäden, die ihrer Richtung nach zum Theil Ring- muskeln sind, zum Theil unregelmäßig verlaufen, und eine große An- zahl reich verästelter Zellen, die mit der Leibeswand nur durch zarte Ausläufer verbunden, eine fast vollkommene Schicht bilden 2. Nach v. Drascne erscheinen bei der Pomatoceroslarve zuerst drei Muskelfäden: ein unpaarer vom Scheitelfelde zum Ösophagus, und zwei auf der Subumbrella, die vom vorderen Ende der Mesodermstreifen 1 Studien. p. 31, 32. 2 Entw. von Echiurus. p. 4, 5. 138 Nicolaus Kleinenberg, entspringen, um an der unteren Wand der Ösophagusöffnung zu endi- gen. Später wird das Muskelsystem komplicirter. Genetisch werden diese Muskeln mit den Mesodermstreifen in Verbindung gebracht!. Neuerdings hat Hırscuek eine ausführliche Darstellung der Ent- stehung und Anordnung der larvalen Muskulatur von Eupomatus ge- geben. Die Polzellen, aus denen das gesammte Mesoderm hervorgeht, geben nach zwei Richtungen Theilzellen ab, nämlich einerseits gegen die Mundöffnung hin, andererseits nach dem After zu. Die letztere Richtung nehmen nur wenige Zellen und diese werden zu den glatten Muskelzellen des Dünndarms der Larve. Von dem oralwärts wachsen- den Blatt der primären Mesodermstreifen lösen sich ab: 1) Zellen, die an den Ösophagus treten, 2) jederseits eine Zelle, welche sich der vor- deren Magenwand anlegt und einen dünnen Verbindungsfaden zum Scheitelfelde abschickt, 3) ein Ringmuskel an der Stelle, wo der Ösophagus in den Magen übergeht, 4) ein ventraler Längsmuskel, aus zwei Zellen bestehend: einer vorderen von der Scheitelplatte bis zur Hälfte des Scheitelfeldes, und einer hinteren von diesem Punkte bis in die »postorale Mundregion«, 5) zwei postorale, dem Ektoderm anliegende Ringmuskeln. Die Entstehung der larvalen Muskulatur bei Eupomatus ist recht verschieden von dem, was ich bei anderen Polychaeten fand. Doch be- steht in so fern eine Übereinstimmung, als auch in jenem Falle für die Lar- venmuskulatur und die Annelidenmuskeln besondere Anlagen gebildet werden. Nachdem nämlich bei Eupomatus die Polzellen zwei Zellreihen erzeugt und die Elemente derselben sich alle durch Differenzirung in einfache Organe verwandelt haben, enthält die junge Trochophora, wie ganz zu Anfang der Entwicklung, nur eine einzige Polzelle auf jeder Seite. Später nehmen sie ihre Thätigkeit wiederum auf und erzeugen neue embryonale Zellreihen: Harscuer unterscheidet daherin der Ent- wicklung von Eupomatus »primäre« und »sekundäre« Mesodermstreifen?, Aus den primären entsteht (neben anderen Organen) die Larvenmusku- latur, aus den sekundären die Muskulatur des Annelids. Es sind also zwei Anlagen, die der Zeit nach geschieden auftreten, allerdings aber denselben Ausgangspunkt haben — die Polzellen. Die Muskulatur des Annelids. Die Spaltung der Bauchplat- ten von Lopadorhynchus in eine oberflächliche und eine tiefe Schicht, die am Hinterende in die gemeinsame Ektodermwucherung zusammen- | fließen, wurde schon früher geschildert und ich begnüge mich die Fig. 1 Entw. von Pomatoceros triqueter. 188%. | ? Arb. Zool. Inst. zu Wien. VI. p. 134. N ie Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 139 54b,c und 52 auf Taf. XII und Fig. 335 auf Taf. IX ins Gedächtnis zu- Tückzurufen. Die tiefere Schicht, die Muskelplatte, wächst dann schnell nach vorn und nimmt zugleich stark an Masse zu. Dies beruht : später zum geringeren Theil auf Nachschüben vom Ektoderm her — die - Verbindung der Muskelplatten mit dem äußeren Keimblatt bleibt, wie - gezeigt wurde, zwar sehr lange erhalten, beschränkt sich aber frühzei- ‚tig auf eine kleine Stelle am Hinterende — es sind vielmehr die über- | I I aus zahlreichen Theilungen der vom Ektoderm ausgewanderten Zellen, die zur Vergrößerung der Muskelplatten führen. Jede der dicken Platten ‚ besteht aus einer zusammenhängenden Zellmasse, und so sehr sie sich ausdehnen bleiben sie doch in der Mittellinie durch einen zuerst breiten später schmäleren Spalt von einander getrennt. Dieser Zwischenraum ‚ wird theilweise von einer keilförmigen Falte des Entoderms ausgefüllt (Taf. IX, Fig. 33c, 34; Taf. X, Fig. 37 — in dieser Figur ist die mediane Grenzlinie durch ein Versehen fortgeblieben). Die symmetrische Lage ‚ der Muskelplatten erhält sich durch alle Entwicklungsstufen. Nachdem die Anlagen der Borstensäcke von den Neuralplatten her ‚ eingedrungen sind, erfolgt die Segmentirung der Muskelplatten (Taf. VI, Fig. 54, 55). Jedes Körpersegment erhält also ein Paar völlig ge- ‚ trennter Muskelsegmente. Inmitten der letzteren steckt auf jeder Seite, | wie ein Zapfen in seinem Loch, der Borstensack (Fig. 34 und folg.). Da- her lassen sich in jedem Segmente beider Muskelplatten vier Schichten ‚ unterscheiden: eine dünne Zellenlage vor dem Borstensack, eine eben ‚ solche hinter ihm, eine medianwärts und eine lateralwärts gelegene. ‚ Natürlich gehen alle Theile des Muskelsegments, um den Borstensack ‚ herum, kontinuirlich in einander über; immerhin ist diese Disposition ‚ von einer gewissen entwicklungsgeschichtlichen Bedeutung — aus dem ‚ medianen Abschnitt entsteht der ventrale, aus dem lateralen der dor- ‚ sale Längsmuskel, während aus der vorderen und hinteren Platte die Hauptmuskeln der Parapodien hervorgehen. | Die mediane Wand des Muskelsegments liegt dem Theil der Neu- ‚ralplatte, in welchem sich der Baucheirrus und die entsprechende Hälfte ‚des Bauchstranges entwickeln, dicht an, jedoch verläuft dazwischen ‚eine durchaus scharfe Gienlinie (Taf. IX, Fig. 33c). So wieaberin der ‚Anlage des Bauchstranges die Nervenfasern der Kommissur sichtbar ‚werden, verwischt sich, an der Stelle, wo sich die Nervenfasern bilden, ‚die Grenze zwischen Bauchstrang und Muskelplatte und in demselben Augenblick treten die ersten Muskelfasern auf (Taf. IX, Fig. 34). Ner- ‚venfasern und Muskelfasern liegen dicht beisammen, die einzelnen | Fasern sind jedoch leicht unterscheidbar: die Muskelfasern erscheinen ‚von vorn herein dicker und stärker lichtbrechend als die Nervenfäden. | 140 Nicolaus Kleinenberg, Dass letztere in die Zellen der Ganglienanlage übergehen ist nicht schwer festzustellen, wenn man aber die Querschnitte, ohne voreingenommen zu sein, betrachtet, lässt sich gar nicht entscheiden, ob die Muskelfasern weitere Verlängerungen der Zellen der Neuralplatten sind, welche sich den Muskelplatten anlegen, oder ob sie aus den Elementen der letz- teren entstehen und sofort aufs innigste mit den Nervenfasern in Ver- bindung treten. Späterhin wird freilich die Grenze zwischen Nerven- und Muskelanlagen wieder deutlich. Es ist also der ventrale Längsmuskel, der von allen Bestandtheilen des kontraktilen Systems des Annelids zuerst funktionsfähig wird. Die Differenzirung beginnt mit zwei oder drei Fasern und dehnt sich lateral- wärts aus, so dass bald ein ziemlich breites Band zwischen der Neural- platte und der noch nicht umgewandelten Zellmasse der Muskelplatte eingeschaltet ist. | Später stellt sich derselbe Differenzirungsprocess auch im lateralen Abschnitt der Muskelplatte ein. Dieser liegt ziemlich weit vom Bauch- strang ab, aber dicht an jenem Theil der Neuralplatte, in welchem sich der Rückencirrus entwickelt. Die ersten Fibrillen des dorsalen Längs- muskels erscheinen etwa in der Mitte dieses Theils der Anlage und ebenfalls dicht am Ektoderm der Neuralplatte. Die Sonderung schreitet auch hier lateralwärts fort (Taf. X, Fig. 37, 38 mpad). Diese beiden paarigen Muskeln, der ventrale und der dorsale Längsmuskel, bilden die kräftigsten aktiven Bewegungsorgane des aus- gewachsenen Thieres und nehmen zu ihrer Herstellung auch den größten Theil der Muskelplatten in Anspruch. Immerhin bleibt noch eine beträchtliche Zellenmasse zurück, aus welcher andere Muskeln sich aufbauen. Die wichtigsten von diesen entstehen in der vorderen und hinteren Wand jedes Segments, doch mit Hinzuziehung auch einiger seitwärts vom Borstensack gelegener Zellen. Die entstehenden Fasern ordnen sich hier fast senkrecht zur Längsachse des Körpers an und gehen von der Mittellinie schräg nach oben und außen — vom Bauchstrang zum Parapodium. Und zwar so, dass das Muskelbündel, welches aus der vorderen Schicht eines Segments entsteht, sich der hinteren Wand des zum selben Segment gehörigen Parapodiums inserirt; das aus der hin- teren Schicht entspringende Bündel befestigt sich dagegen an der vor- deren Wand des Fußstummels des nachfolgenden Segments. Das sind | die ventralen vorderen und hinteren Parapodialmuskeln. Wie man | sieht, treten immer je zwei Segmente zusammen, um diesen Theil der | Muskulatur eines Parapodiums zu liefern (Taf. X, Fig. 38, 39, 40, 44; | Taf. XIII, Fig. 55, 57qm; Taf. 1, Fig. 14, 15). | | Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 141 Die Zellen der Muskelplatten, welche die in ihr eingelassenen Borstensäcke unmittelbar umgeben, stellen die Muskulatur dieser Or- gane her. Sie besteht aus ein paar stärkeren Bündeln, die am inneren - stumpfen Ende der Acicula befestigt, oberhalb und unterhalb derselben zur Körperwand gehen (Taf. XIII, Fig. 59 — das untere Bündel); etwas dünnere Tiuskeln erhalten die zusammengesetzten Borsten und zu diesen kommen noch Verstärkungsfäden, so dass die Muskulatur des Borsten- | apparates wegen der Zahl und unabhängigen Beweglichkeit ihrer Be- - standtheile äußerst komplieirt erscheint, trotzdem sie nach den aller- einfachsten mechanischen Prineipien aufgebaut ist. Vereinigt mit den ventralen und dorsalen Längsmuskeln löst sich von den Platten ein Theil des Bildungsmaterials aus, das nicht in jene ‘ Muskeln aufgenommen wird, sondern sich dem Ektoderm besonders ‚eng anschmiegt. Wenn aus diesen Zellen Fasern werden, richten sie ‚ sich parallel zum Körperumfang und stellen einen zwar nicht vollstän- ‘digen, aber doch ziemlich ausgedehnten Ringmuskelschlauch dar, in ‘ dessen oberem Abschnitt sich dorsale Parapodialmuskeln differenziren, ' die den ventralen entsprechen, doch sehr viel schwächer sind. Ferner entwickeln sich besondere radiale Muskelbündel, die in ‚regelmäßigen Abständen, wie mir scheint den Segmenten nach, von ‚ der Körperwand quer durch die Leibeshöhle zum Darm ziehen. Die ‚ stärksten von ihnen befestigen sich an der Rücken- und Bauchfläche. ‘Die besondere Muskulatur des Schlundes und der Schlunddrüsen ‚ stammt gleichfalls von den Muskelplatten ab, wie sie an diese weit ab- ‚ liegende Organe gelangt, werden wir später sehen. Andere Muskeln von untergeordneter Bedeutung will ich über- \ gehen, da sie für die Entwicklungsgeschichte ziemlich gleichgültig sind. ' Nur ein Verhältnis verdient besonderer Erwähnung. Die Parapodien ‚ vieler Polychaeten besitzen außer den Muskeln, welche von der Körper- ‚wand her an sie treten und die Kriech- und Schwimmbewegungen — ‚so weit die Fußstummel dabei betheiligt sind — ausführen, noch eine ‚ besondere innere Muskulatur. Diese besteht bei Lopadorhynchus aus ‚ einzelnen Zellen mit großem in der Mitte gelegenen Kern und vielfach ‚ verzweigten Enden. Sie verlaufen frei in der Höhle und inseriren sich | an gegenüber liegenden Punkten der Wandungen, meist an der oberen ‚und unteren, doch auch an den Seiten, so dass das Innere des Para- ıpodiums wie ein weitlöcheriger Schwamm erscheint. Durch ihre Kon- ‚traktion verengert sich die Höhle des Parapodiums, vorzüglich in der ‚Richtung von oben nach unten und die hier befindliche Flüssigkeit ‚strömt in die allgemeine Leibeshöhle über. Solche verzweigte Muskel- ‚zellen kommen auch in den Parapodien anderer Ringelwürmer vor 142 Nicolaus Kleinenberg, und haben eine kleine Verwirrung angerichtet. Mir scheint nämlich, dass sie als Blutgefäße, die Wundernetze bilden, beschrieben worden sind. Doch das nur nebenbei — was mich interessirt ist die vollkommene Ähnlichkeit, die diese verzweigten inneren Parapodialmuskeln mit den Elementen der larvalen Muskulatur zeigen. Danach drängt sich von selbst die Frage auf, ob hier nicht Bestandtheile der Larve vorliegen, die im Annelidenkörper erhalten bleiben. Ich bin überzeugt, dass dies nicht der Fall ist. Wenn sich die Chaetopodien ausstülpen, ziehen sie einen Theil der anliegenden Muskelplatte mit sich, und aus den Zellen, die auf diese Weise von den Anlagen abgetrennt im Inneren des Para- podiums zu liegen kommen, werden verzweigte Muskelfasern. Die spe- cifische Form ‚derselben ist nicht durch den genetischen Zusammen- hang, sondern durch die Lage und die Funktionsweise bedingt. Mit einem Wort — sämmtliche Muskeln des Annelids entspringen den Muskelplatten. Sie werden alle auf der Bauchseite angelegt. Blieben sie aber am Orte ihres Entstehens, so käme nur ein sehr unvollkom- mener und einseitiger Bewegungsapparat zu Stande; um den Bedürf- nissen allseitiger und präciser Beweglichkeit zu entsprechen, müssen Verlegungen vorgenommen werden und solche vollziehen sich denn auch in den späteren Entwicklungsstufen im weitesten Maße. Am auffallendsten ist das bei den dorsalen Längsmuskeln. Bei ihrem Ent- stehen liegen sie ganz an der ventralen Fläche. Dann rücken sie immer höher hinauf, bis an die dorsale Mittellinie und hier treten sie zu einer Platte zusammen, die nur durch eine feine Naht in zwei seitliche Hälften getheilt ist. Jeder Muskel hat von seiner Ursprungsstelle bis zu seinem bleibenden Sitz einen Bogen von wenigstens 150° durch- laufen. Der Vergleich der Fig. 38—41 auf Taf. X und Fig. 45 auf Taf. XI, mpd wird das ohne Weiteres erkennen lassen. Die ventralen Längsmuskeln werden in entgegengesetzter Richtung nach der Mittellinie des Bauches verschoben und kommen unter die Anschwellungen der Ganglienkette zu liegen (Taf. XI, Fig. 47 mpv). Auch die ventralen Parapodialmuskeln ändern ihre Lage, doch nicht sehr bedeutend. Wenn sich der Bauchstrang ablöst, drängen sich die medianen Enden dieser Muskeln unter ihn, setzen aber nicht am Ektoderm, sondern am Neurilemm des CGonnectivs an, und dabei rücken sie von vorn und hinten und von der rechten und linken Seite her gegen einander, so dass ihre Insertionen fast in einen Punkt zusammen- fallen — von hier strahlen, in Form eines schiefen Kreuzes, zwei Arme nach rechts, und zwei Arme nach links aus. Die ventralen und dor- salen Längsmuskeln und die vorderen und hinteren Parapodialmuskeln Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus, 143 sind für die Polychaeten typisch und bei Lopadorhynchus ganz beson- ders einfach und klar ausgebildet. Auf die feineren Vorgänge bei der Entstehung der einzelnen Mus- kelfasern will ich gar nicht eingehen, da ich sie nur unvollständig kenne — Lopadorhynchus ist in dieser Hinsicht kein sehr günstiger Gegenstand. Die Absonderung der Fibrillen findet in den Längsmus- keln stets an der äußeren Seite der Zellplatten statt, so dass noch in sehr späten Zeiten jeder dieser Muskeln aus einer dem Ektoderm zu- gekehrten faserigen und einer innen zelligen Lage besteht (Taf. X, Fig. 38—40). Schließlich verschwindet aber letztere und nur im Inneren des Muskels bleiben einige wenige Zellen als Muskelkörperchen zurück. Was endlich die Entstehung der Leitungsbahnen zwischen den Muskeln und dem Nervensystem, die motorischen Nerven, anbetrifft, so beschränken sich meine Beobachtungen auf die Längsmuskeln. Für diese sind die Leitungsbahnen gleich bei ihrer Entstehung gegeben. Selbst wenn sich erst ganz wenige Muskelfasern gesondert haben, kann man schon einige feine Fäden erkennen, die von der Muskelplatte zur Anlage des Bauchstranges gehen. Dass sie wirklich in diesen eintreten, konnte ich nur für die des ventralen Längsmuskels nachweisen — vom dorsalen Muskel gehen ebenfalls solche Fasern ab und richten sich gegen den Bauchstrang, dann verliere ich sie aber im Ektoderm aus den Augen. Später treten die vereinzelten Fäden zu Nervenstämmen zu- sammen; ist dies geschehen, dann lässt sich ohne Mühe feststellen, dass bei der Verlegung der dorsalen Muskeln ihre Nerven (Taf. X, Fig. 38dmn) ihnen nachfolgen — so wie ein Draht ausgezogen wird! Bei Lopadorhynchus, den Phyllodociden und Alciopiden vollzieht sich die Spaltung der Muskelsegmente in ein parietales und ein visce- rales Blatt nicht so regelmäßig und deutlich wie bei vielen anderen Anneliden. Bei den erstgenannten Formen lösen sich nicht zusammen- hängende Schichten, sondern bloß einzelne Zellen oder kleine Gruppen ab. Das Resultat ist jedoch dasselbe — auch hier bildet sich, durch Ansammlung der einzeln abgelösten Zellen, ein Peritonealüberzug des Darmes (Taf. XI, Fig. 42, 43). Wie schon mehrfach erwähnt, bestand ein solcher von Anfang an: die von den Muskelplatten herkommen- den Zellen lagern sich daher nicht unmittelbar dem Entoderm, sondern dessen Hüllmembran auf, und es bestehen eine Zeit lang zwei gene- tisch verschiedene Peritonealblätter. Wenn die Bekleidung mit Zellen ‘ der Muskelplatten vollständig geworden ist, verschwindet das primäre ' Peritoneum. Also auch hier substituirt das Gewebe des Annelids das ; Larvenorgan. Außerdem liefern die Muskelplatten noch häutige Hüllen anderer 144 | Nicolaus Kleinenberg, Organe, das Neurilemm etc. Diese Gewebe zeigen, Anfangs we- nigstens, hier und da eine schwache Kontraktilität — um so mehr Grund dieselben als umgewandelte Muskelzellen aufzufassen. — Bei der Knospung der Naidinen entsteht die Muskulatur aus An- lagen, die zum Theil gesondert auftreten. Zuerst entwickelt sich ein Längsmuskel an den Seiten der ventralen Ektodermverdiekung. Dann erscheinen gleichzeitig zwei neue Paare von Muskelplatten, das eine über (neuralwärts), das andere unter (cardialwärts) den primären Mus- keln. Die neuralen Platten wachsen gegen die Mittellinie aus und schieben sich zwischen die in Ablösung begriffenen Ganglien und die Epidermis. Beide verschmelzen dann in der Mittellinie mit einander und seitwärts mit den primären Platten, so dass eine, das Nervensystem halb umfassende, muskulöse Rinne entsteht. Die anderen medianen Muskelplatten bilden sich entfernter von den primären Anlagen und ‚breiten sich auf die cardiale Seite aus. Endlich erscheint noch ein vier- tes Paar, cardiale Muskelplatten in der Nähe der lateralen, mit denen vereinigt es später in der Mittellinie verschmilzt. Anfänglich sind alle diese Muskelanlagen durch Zwischenräume getrennt, wo Ektoderm und Mesoderm in einander überzugehen scheinen. Im Ganzen lässt sich das Gesagte dahin zusammenfassen, dass die | erste Anlage der Muskulatur seitlich auftritt und von hier sowohl neu- -ralwärts wie cardialwärts um Nervensystem und Darm herumwächst. SempER hält diese Anordnung der Muskulatur, die auch an Hirudineen- Embryonen bestätigt wurde, für den Typus der Anneliden, und findet sie in genauer Übereinstimmung mit der Muskelentwicklung der Wir- belthiere. Auf diese Homologisirung, die auf unwesentliche und ober- flächliche topographische Beziehungen gegründet ist, will ich nicht ein- gehen, dagegen schließe ich mich vollkommen HarscHek an, und be- streite, dass das Sempzr’sche Schema typisch für die Anneliden ist: es. findet sich mehr oder weniger vollkommen bei Oligochaeten, Hirudi- neen und einigen tubicolen Polychaeten, den meisten Formen fehlt da- | gegen ein Längsmuskelschlauch, an dessen Stelle ein dorsales und ein ventrales Paar von Längsmuskeln tritt, und die Entwicklungsgeschichte ‘zeigt, dass dies das ursprüngliche Verhalten ist, von dem das andere | abgeleitet werden muss. Die Mesodermstreifen der Polygordiuslarve spalten sich frühzeitig in zwei Schichten, die den späteren Hautmuskel- und Darmfaserplatten entsprechen. Die letzteren bestehen aus einer einfachen Lage abge- flachter Zellen, die sich dem Darm anlegt und kontraktil ist, Muskeln‘ | | | gehen aus ihr wahrscheinlich nicht hervor. Das äußere Blatt des Meso- _ ! Arb. Zolo. Inst. in Würzburg. II. p. 173173. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 145 derms bleibt dem Ektoderm anliegen und wächst schnell auf die Rückenseite über. Indem nun die Anlage des Bauchstranges im Ekto- derm sich immer mehr verdickt, ragt sie in die Leibeshöhle vor und dadurch wird das Hautmuskelblatt zu beiden Seiten in eine tiefe Falte gelegt, die das Muskelfeld darstellt, in welchem der ventrale Längsmus- kel entsteht. Der obere durch die Segmentalorgane nach unten be- grenzte Abschnitt des Hautfaserblattes bildet das dorsale Muskelfeld. Überall enthalten die Muskelanlagen nur eine einzige Zellenschicht. Die Sonderung der Fasern beginnt im ventralen Felde, erscheint später im dorsalen Felde, und greift derart um sich, dass vier sehr breite Längs- muskeln entstehen, die fast die ganze Leibeshöhle auskleiden, aber doch von schmalen Zwischenräumen getrennt bleiben. Unterdessen haben sich auch Quermuskeln entwickelt, die vom Bauchstrang zur Seitenlinie ziehen. In Bezug auf die Erzeugung der Muskelfasern in den Zellen des Hautmuskelblattes macht Harscaer eine sehr bemerkenswerthe Angabe: »von den Zellen, auf deren Kosten sie (die Muskelfibrillen) entstanden, ist nur eine dünne Schicht abgeplatteter Zellen übrig geblieben, die einen Endothelbelag der Leibeshöhle bildet. Diese Endothelzellen sind aber viel weniger zahlreich, als man nach den früheren Stadien ver- muthen sollte. Es scheint daher eine große Anzahl von Zellen bei der Muskelbildung ganz aufgebraucht worden zu sein, doch bin ich über deren Schicksal nicht ins Klare gekommen«!. Wenn diese Beobachtung richtig ist, würde die Beziehung von Muskelzellen und sogenannten Endothelien noch viel inniger sein als vorher angedeutet wurde; die Endothelien wären nicht ursprüngliche Muskelzellen, in denen die Fi- brillenbildung unterdrückt ist, sondern von ein und derselben Zelle würde ein Theil zur Muskelfaser, ein anderer zur Endothelzelle. Meine Untersuchungen an Lopadorhynchus bestätigen die Angaben Harscher’s in Bezug auf die Sonderung der hauptsächlichsten Muskeln bei Polygordius. Hier wie dort legen sich die ventralen und dorsalen Längsmuskeln getrennt an und die ventralen Quermuskeln scheinen mir mit den Parapodialmuskeln identisch zu sein. Polygordius besitzt freilich weder Parapodien noch Borstensäcke, aber wo die Quermus- keln sich ansetzen findet sich eine stark verdickte Stelle des Ektoderms, die Hırschrk Seitenlinie nennt: es ist nicht unmöglich, dass hier der letzte Rest unterdrückter Parapodien vorliegt. Einige Verschiedenheiten in der Lage der Längsmuskeln erklären sich leicht aus der Art, wie die Ablösung des Rumpftheiles vom Larvenkörper bei Polygordius und bei Lopadorhynchus erfolgt. 1 Studien zur Entwicklung der Anneliden. p. 56. Zeitschrift f, wissensch. Zoologie. XLIV. Bd. 40 146 Nicolaus Kleinenberg, Dagegen kann ich mich der Deutung nicht anschließen, die Hır- scHek den ventralen Muskelplatten giebt. Er legt großes Gewicht darauf, dass dieselben eingefaltet werden, so dass zuerst eine Rinne, später selbst ein geschlossener Kanal in ihnen verläuft und homologisirt sie in Folge dessen mit den Urwirbeln der Chordaten. Dies mag bis zu einem gewissen Grade richtig sein, nur scheint mir die Beweisführung nicht zulässig, denn die Einstülpung des ventralen Muskelfeldes hat sehr wenig Bedeutung. Sie fehlt bei vielen Anneliden gänzlich, bei den anderen ist sie in den allerverschiedensten Graden der Ausbildung vorhanden, und überall hängt das einfach von der Lage ab, welche der Bauchstrang einnimmt, — springt er gar nicht ein, so entstehen auch keine Muskelfalten, ragt er dagegen stark in die Leibeshöhle vor, so wird die Muskelplatte, wenn sie breit ist, eingebogen, wenn sie dagegen, wie bei Lopadorhynchus, ein schmales Band darstellt, kommt sie unter die Ganglien zu liegen. Bei Polygordius ist die Einschnürung noch durch die seitlichen Leisten des Ektoderms vervollständigt. Die Urwirbel- höhlen bilden sich aber auf andere Weise. Die Entwicklung der bleibenden Muskulatur von Echiurus zeigt größere Ähnlichkeit mit den Verhältnissen bei Oligochaeten. Trotzdem hat Harscark die fundamentale Übereinstimmung mit Polygordius und den Polychaeten erkannt und ausdrücklich betont. Die Mesodermstreifen von Sipunculus spalten sich früh in eine Hautmuskel- und eine Darmfaserplatie ; erstere stellt eine vollkommene, aus flachen Zellen zusammengesetzte Lamelle der Körperwand dar. In ihr bildet sich zunächst ein breites Ringmuskelband in der Kopfregion, hinter dem postoralen Flimmerkranz; daran schließt sich allmählich ein vollständiger Ringmuskelschlauch. Viel später treten die Längsmuskeln auf. Die älteren Larven besitzen deren ungefähr schon so viele wie das erwachsene Thier, nämlich zweiunddreißig; in jüngeren Stadien ist nur die Hälfte vorhanden, und daraus folgert Hırscurx, dass jeder der ursprünglichen Längsmuskeln sich in zwei theilt?. Danach schiene es, dass die Muskulatur von Sipunculus nicht auf den Annelidentypus zu- rückgeht, allein Hırscuek deutet in geistreicher Weise die Möglichkeit einer anderen Auffassung an. Bei Sipunculus entstehen nämlich vor dem Hautmuskelschlauch zwei Paar besondere Muskelbündel, die als Retraktoren wirken. »Man könnte annehmen, dass die vier Retraktoren den vier Längsmuskelfeldern der Anneliden (oder auch nur einem Theil derselben) homolog seien, die ja die ältesten Theile des Hautmuskel- schlauches repräsentiren. Dieselben wären aber hier nur mit ihren 1 Arb. Zool. Inst. zu Wien. Ill. p. 48. 2 Ibid. V. p. 51. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus, 147 Enden an der Leibeswand befestigt, in ihrem übrigen Verlaufe aber von derselben losgelöst, so dass sie frei in der Leibeshöhle liegen. Die Längsmuskeln des Hautmuskelschlauches des Sipunculus wären dann jenen der Anneliden nicht direct zu vergleichen, sondern als sekundäre Bildungen zu betrachten '.« Nach Sırensky geht der Bildung der Muskeln bei allen Anneliden die Spaltung des Mesoderms in eine Somatopleura und Splanchnopleura voraus. Erstere scheidet sich überall in drei Abschnitte: einen lateralen — die Seitenplatte; einen mittleren — die Anlage der Borstensäcke, und einen medianen — die Muskelplatte. Bei Psygmobranchus besteht die Muskelplatte jederseits aus einer einfachen Zellreihe, so dass man auf dem Querschnitt immer nur zwei Zellen hat, die dem Bauchstrang anliegen und an der ihm zugewandten Seite Fibrillen absondern. In jedem Segment von Nereis cultrifera findet Sırensky drei Gruppen vonMuskeln: 1) zwei Längsmuskeln seitwärts vom Bauchstrang, 2) Quer- fäserchen, 3) eine Muskelfaser über dem Ganglion. Dazu kommen noch dorsale Längsmuskeln. Das Muskelsystem der Parapodien ist durchaus unabhängig von dem des Körpers, denn es entsteht nicht aus den Mus- kelplatten, sondern auf Kosten der Anlagen der Borstensäcke®. Etwas anders sind die Verhältnisse für Pileolaria dargestellt. Hier soll sich jedes Segment in nur zwei Abschnitte theilen; eine mediane Muskelplatte und eine Seitenplatte, welche auch die Anlage des Borsten- sackes enthält. Mir scheint ein Missverständnis vorzuliegen: die Linie zwischen Muskel- und Seitenplatte, wie SALENSKY sie zeichnet, liegt gar nicht in demselben Segment, sondern ist die Grenze zwischen zwei auf einander folgenden, schräg zur Körperachse gestellten Metameren, so dass als Muskelplatte der hintere Theil des vorderen, als Seitenplatte der vordere Theil des hinteren ungetheilten Segments erscheint. Aus der Muskelplatte sollen die ventralen, aus den Seitenplatten die dor- salen Längsmuskeln hervorgehen *. Das Mesoderm von Aricia zeigt die Scheidung in Seiten- und Mus- kelplatten nur andeutungsweise. Die ersten Muskelfäden bilden sich dicht am Bauchstrang. Die Leibeshöhle der vorderen Segmente ist in späteren Stadien mit Bindegewebszellen erfüllt — diese verwandeln sich in dorso-ventrale Muskeln5. Die dorsalen Längsmuskeln; werden dagegen von der Somatopleura geliefert. 1 Ibid. p. 64. 2 Archives de Biologie. III. p. 309, 340. Sabide prssT. * Ibid, IV. p. 35, 5 Ibid. p. 73. 10* 148 Nicolaus Kleinenberg, Auch bei Terebella bestehen die Stränge, welche die ventralen Längsmuskeln erzeugen, aus einer einzigen Reihe großkerniger Zellen. Sehr viel später entstehen die dorsalen Längsmuskeln in den Seiten- platten der Somatopleura. Ganz zuletzt erscheint die Ringmuskulatur und die schiefen Muskeln von der medianen Ventrallinie zu den Seiten der Körperwand, die wahrscheinlich von den Muskelplatten herkommen. Bei Branchiobdella bilden sich zuerst starke ventrale, dann schwache dorsale Längsmuskeln!. Die Angaben Sırznsky’s über die Entwicklung der Annelidenmus- keln lassen an Vollständigkeit und Klarheit Manches zu wünschen übrig, doch glaube ich, dass sie in den meisten Punkten mit den Er- fahrungen Harscaer’s und meinen eignen in Einklang zu bringen sein werden. Ich habe bisher vermieden von der Muskulatur des Kopfes zu sprechen, weil ich unter Kopf der Anneliden im entwicklungsgeschicht- lichen Sinne etwas Anderes verstehe als andere Embryologen. Allein eine Bemerkung Harscnaer’s bedarf einer kleinen Berichtigung. Er sagt: »In Bezug auf die Ontogenie vertheidige ich die Anschauung, dass die Muskelfelder des Kopfes aus dem Rumpfe in den Kopf hineinwachsen, m Gegensatze besonders zu KLEINENBERG, der die Ansicht vertritt, dass die Mesodermgebilde des Kopfes im Kopfe selbst (und zwar vom Ekto- derm aus) entstehen«?. Damit sind meine Angaben zum mindesten in ein falsches Licht gestellt. In der Entwicklungsgeschichte von Lumbrieus habe ich ausführlich beschrieben und abgebildet, wie die am hintersten Ende des Embryo entstandenen Keimstreifen nach vorn auswachsen, an den Seiten des Mundes angelangt sich verbreitern, dann mit ihren verdickten Enden gegen die dorsale Mittellinie übergreifend, von beiden Seiten her und nach vorn hin mit einander in Berührung kommen und zu einem Bogen verschmelzen, den ich als Kopftheil des Mesoderms oder als prä- orales Mesoderm bezeichnete. Das Wachsthum der ganzen Keimstreifen erfolgt zum großen Theil durch eine Wucherung des Ektoderms, die hinten beginnt und nach vorn fortschreitet. Nun mag man über den Zusammenhang von Ektoderm und Mesoderm denken wie man will, so wird sich doch kaum bestreiten lassen, dass ich die Verlängerung der Keimstreifen vom Rumpfe in den Kopf auf das Bestimmteste behauptet habe. Und gegen Semper mich wendend, der bei der Knospung der Naidinen und im Embryo von Clepsine einen besonderen aus zwei ! Archives de Biologie. VI. p. 53. 2 Zur Entwicklung des Kopfes von Polygordius. Arb. Zool. Inst. zu Wien. VI. 1885. p. MM. Ä Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus, 149 seitlichen, von den Rumpfkeimstreifen Anfangs gänzlich geschiedenen Verdickungen bestehenden Kopfkeimstreifen gefunden und dies Ent- wieklungsverhältnis mit zur Grundlage seiner Ideen über den wesent- lichen Gegensatz von Kopf und Rumpf gemacht hatte, fügte ich hinzu: »Contro di ceiö affermo che nel Lumbricus trapezoides non si trova mai un accenno speciale per l’anello preorale, ma che il cercine cefalico, cosi importante per le sue trasformazioni seguenti, deriva semplicemente dalla riunione delle note germinative sul dorso !.c Weiterhin ist dann aus einander gesetzt, wie die Spaltung des Mesoderms zuerst im Kopf- streifen auftritt, dass sich dort zwei seitliche Höhlen bilden, die später in der dorsalen Mittellinie zusammenfließen — die Höhle des Kopfab- schnittes entsteht ganz ähnlich wie die Leibeshöhle des Rumpfes in Folge des Auseinanderweichens des Hautmuskel- und Darmfaserblattes. Die kurz darauf erschienene Arbeit Harscner’s stellt die Verhält- nisse für Polygordius anders dar. Es ist nöthig, zu bemerken, dass HATScHEK nur den kleinen unteren kegelförmigen Abschnitt der jüng- sten Larve Rumpf nennt, dagegen den ganzen übrigen Larvenkörper, die präorale und den größten Theil der postoralen Hemisphäre als Kopf nimmt. Das Mesoderm entsteht im Rumpftheil und breitet sich allmählich. von da in den Kopf aus; bei der Differenzirung der Längs- muskeln verlängert sich sowohl das ventrale wie das dorsale Paar in den Kopfabschnitt bis an die Wimperkränze hinan und, nachdem diese geschwunden sind, weiter in die präorale Hemisphäre hinein. Im postoralen Kopftheil entstehen auch die charakteristischen Quer- muskeln der Rumpfsegmente und nachdem der Ösophagus mit einer kontinuirlichen Mesodermschicht bedeckt worden ist, hat die Kopf- höhle eben so wie die Leibeshöhle des Rumpfes überall mesoder- male Wandungen. Nur fehlen der ersteren die dorsalen und ventralen Mesenterien und in diesem Umstande soll sich die heterogene Ent- wicklung von Kopfhöhle und Körperhöhle ausprägen. HATscHek unter- scheidet nämlich scharf eine primäre und eine sekundäre Leibeshöhle: die primäre entsteht durch einfache Ablösung des Entoderms von den anderen zwei Keimblättern, die sekundäre durch Spaltung des Meso- derms und ist durch das Vorhandensein von Mesenterien und Disse- pimenten charakterisirt. Die primäre Leibeshöhle erhält sich bei Poly- gordius und den anderen Anneliden in reducirter Form als Kopfhöhle, im Rumpf dagegen besteht eine sekundäre Leibeshöhle. Diese Auffassung wurde auch bei Echiurus zur Geltung gebracht; bei Sipuneulus dagegen findet Harscrzx die Kopfhöhle als direkte Fort- ! Sullo sviluppo del Lumbricus trapezoides. 1878. p. 28. 150 Nicolaus Kleinenberg, setzung des Coeloms; er folgt der von mir gegebenen Deutung und er- klärt sich bereit, die bei Polygordius beobachteten Thatsachen einer entsprechenden Beurtheilung zu unterziehen, wenn gleich eine Diffe- renz in Bezug auf das Mesoderm des Ösophagus zwischen Polygordius und Lumbricus bestehen bleibt und überhaupt die Frage nach der Natur der Kopfhöhlen nicht endgültig erledigt scheint!. So würden die hauptsächlichsten Gründe des Widerspruchs aus der Welt geschafft worden sein, hätte nicht eine Vermuthung, die ich in der ersten Abhandlung über die Entstehung des Nervensystems der Anneliden aussprach, Harscnek Veranlassung geboten, wieder Opposi- tion zu machen. Offenbar kann nur gegen diese Vermuthung der vorhin angeführte Ausspruch gerichtet sein, doch auch hier trifft er nicht ganz zu. Ich setzte dort aus einander, wie das »definitive« Mesoderm durch Spaltung des Ektoderms innerhalb der subumbrellaren Bauch- platten entsteht, sagte dann aber allerdings, dass unabhängig von diesen in der Umbrella ähnliche Ektodermverdickungen auftreten, aus denen — wie es scheint — das Mesoderm der Kopfregion her- vorgeht. Nun gut, Letzteres ist einfach falsch; die vorstehende Dar- stellung der Entwicklung der Umbrella zeigt, wie unbegründet jene Vermuthung war. Das Missverständnis wurde zum Theil verschuldet durch den schon berichtigten Irrthum, den ich Anfangs in Bezug auf den Ursprung der hinteren Antennen begangen hatte, denn die Kopf- keimstreifen sind nichts Anderes, als was ich in dieser Arbeit Sinnes- platten nenne; zum Theil durch den Umstand, dass ich die subtrochalen Neuromuskelanlagen zwar gefunden, aber nicht in ihrer Bedeutung er- kannt hatte. Aber ich meinte nicht, dass Theile der bleibenden Anne- lidenmuskulatur aus jenen unglücklichen Kopfkeimstreifen hervor- gingen, denn diese fallen natürlich gänzlich in den Bereich des von den Bauchplatten ausgehenden »definitiven« Mesoderms hinein; ich meinte nur die larvalen zwischen Ektoderm und Entoderm gelegenen Gewebs- elemente : da ich die in der Umbrella am stärksten entwickelte Larven- muskulatur mit den Bauchplatten nicht in Zusammenhang bringen konnte und ihren Ursprung aus den subtrochalen Anlagen nicht aufge- funden hatte, so suchte ich die Quelle für die einzeln auswandernden Zellen — immer nur vermuthungsweise! — in den Sinnesplatten. Jetzt behaupte ich dagegen, dass die gesammte Umbrella kein ein- ziges, weder vergängliches noch bleibendes Element des sogenannten Mesoderms erzeugt, und dass die ganze Larvenmuskulatur der Umbrella und Subumbrella ihre Entstehung allerdingsbesonderen, von den Bauch- 1 Arb. Zool. Inst. zu Wien. V. p. 71. Die Eutstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 151 platten getrennten Anlagen verdankt — diese haben jedoch mit den Kopfkeimstreifen (Sinnesplatten) gar nichts zu schaffen, da sie am un- teren Rand des Prototrochs gelegen sind. Wollte ich nun Harscnezxr’s Begrenzung der Körperregionen anerkennen, so würde ich immer noch ihm gegenüber den Ursprung des larvalen Mesoderms aus besonderen Anlagen des Kopfes aufrecht erhalten müssen, denn der Theil der Sub- umbrella, wo jene Neuromuskelanlagen sich bilden, entspricht dem mittleren Abschnitt der Kopfregion von Polygordius; ich kann jedoch die entwieklungsgeschichtlich gegebene Grenze zwischen Kopf und Rumpf nur im Prototroch finden: was vor ihm liegt ist Kopf, was hinter ihm liegt Rumpf. Und dann ist die ganze Mesodermproduktion auf den Rumpf beschränkt; ein Paar von Anlagen erzeugt die larvale, ein anderes die bleibende Muskulatur. Bei Lopadorhynchus und manchen anderen Polychaeten kommt es nicht zu einer regelmäßigen Spaltung der Muskelplatten, die Splanch- nopleura entsteht durch Ansammlung einzeln abgelöster Zellen. Die von Anfang an vorhandenen Spalträume erhalten und erweitern sich zur definitiven Leibeshöhle, von einer Verschiedenheit zwischen Kopf- höhle und Rumpfhöhle kann hier nicht die Rede sein. Das Goelom dieser Anneliden ist die primäre Leibeshöhle, oder, wenn man will, ein Gemisch von primären und sekundären Hohlräumen — ein Umstand, der mir ganz untergeordnete Bedeutung zu haben scheint, und nur zeigt, wie künstlich all’ die famosen Goelomtheorien zusammengeflickt sind. Harschrk hat aber darin völlig Recht, dass die Muskeln des Kopfes weiter nichts als Verlängerungen der Rumpfmuskulatur sind. Bei Lopadorhynchus kann man kaum sagen, dass diese in den Kopf hinein reicht — einfach in Folge der Reduktion der Umbrella gelangen die vier Längsmuskeln ans vordere Ende des Körpers. Hier erleiden sie allerdings einige Veränderungen, doch war es mir zu langweilig, das im Einzelnen zu verfolgen. Bern, der das Kopfganglion und das Kopfmesoderm bei den Kiefer- egeln aus der Spaltung der Kopfkeime hervorgehen lässt, hat meine oben erwähnte Vermuthung als Bestätigung angezogen. Nach der vorstehenden Auseinandersetzung bedarf es wohl kaum der ausdrück- lichen Bemerkung, dass ich damit nicht einverstanden sein kann. Un- möglich ist es nicht, dass die rein nervösen Kopfanlagen der Polychaeten und Oligochaeten bei anderen Formen Neuromuskelanlagen darstellen, ich kenne aber keinen solchen Fall aus eigener Anschauung. 152 Nicolaus Kleinenberg, 3. Borstensäcke. Von den übrigen Geweben und Organen, welche das Ektoderm erzeugt, stehen die Bortensäcke, wie gesagt, in naher Beziehung zu den Bauchplatten, oder genauer zum äußeren Blatt derselben. Das Erkennen ihrer ersten Anlagen ist bei Lopadorhynchus sehr erschwert. Sie liegen mitten im dichten Gewebe der Neuralplatten eingelassen, unter- scheiden sich Anfangs wenig durch die Form ihrer Zellen und Kerne von der Umgebung und sind so schwach abgegrenzt, dass die geringste, von der Konservirungsflüssigkeit bewirkte Zusammenziehung hinreicht, die Kontour ganz zu verwischen. So hatte ich denn, als ich die erste Mittheilung veröffentlichte, noch kein klares Bild von der Entstehung dieser Organe und ließ sie darum bei Seite. Und ich muss gestehen, erst durch die Entwicklung anderer Polychaeten auf den richtigen Weg gekommen zu sein. Denn bei den Chaetopteriden ist der Vor- gang mit der größten Leichtigkeit zu beobachten — einmal dort er- kannt, wurde es dann am Leitfaden dieser Erfahrungen und mit Hilfe eines vervollkommneten Konservirungsverfahrens auch für Lopado- vhynehus möglich, durchaus unzweideutige Thatsachen festzustellen. Das wichtigste Ergebnis war der rein ektodermale Ursprung der eigentlichen Borstensäcke. In der Entwicklungsgeschichte des subum- brellaren Nervensystems konnten diese Anlagen nicht unberücksichtigt bleiben — um das dort Mitgetheilte kurz zu wiederholen: es differen- zirt sich jederseits inmitten der Neuralplatte, bevor noch die Cirrenan- lagen erschienen sind, eine Reihe von soliden Zellzapfen, in einer An- ordnung, die den späteren Segmenten entspricht. Darauf dehnt sich jeder Zapfen nach innen aus, durchbricht die Grenze des Ektoderms, ragt mit rundlichem, angeschwollenem Ende in die Muskelplatte hinein und durchbohrt diese endlich vollständig, so dass sein kolbenförmiger Grund mit dem Darm in Berührung tritt (Taf. IX, Fig. 34; Taf. X, Fig. 35, 36, 37 bsa). Das Wachsthum der jungen Anlagen beruht nur zum Theil auf der Vermehrung der in ihnen bereits vorhandenen Elemente, es wird außerdem immer mehr von dem umliegenden Ektoderm in sie hinein- gezogen. Dies betrifft aber nur die oberflächlichste Zellschicht der Neuralplatten: diese stülpt sich auf sehr beschränktem Raume in die Anlagen ein und in Folge dessen erscheint ein äußerst feiner spaltför- miger Kanal, der etwa bis zur Hälfte der Länge des Borstensackes ein- dringt und nach außen mit trichterartig erweiterter Öffnung mündet (Taf. X, Fig. 35 bsa). Die Borstensackhöhle ist so eng, dass sie sich nur | auf besonders günstigen Schnitten mit Sicherheit nachweisen lässt. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus, 153 Bald verstreicht sie auch gänzlich und dann beginnt im Grunde des Zapfens die Ausscheidung der Borsten. Ich habe diesen Vorgang nicht in seinen Einzelheiten verfolgt, aber solche kolossale Elemente, wie SPENGEL sie bei mehreren Anneliden als Bildungszellen der Ersatzbor- sten beschrieben hat, giebt es bei der Lopadorhynchuslarve nicht — die Zellen im Grunde des Sackes sind wenig größer als die übrigen. Ich glaube, dass bei der Erzeugung der Borsten ein Theil der Bildungs- zellen ganz aufgebraucht wird, denn während des Vorgangs macht sich eine Verringerung der Zellen bemerklich, die nicht bloß scheinbar und auf die Ausdehnung des ganzen Organs zurückzuführen sein kann (Taf.X, Fig. 38). Zuerst treten die sensenförmigen Borsten in Form kurzer und sehr dünner Fäden auf, dann erfolgt die Ausscheidung der Acicula an der lateralen Wand des Sackes. Zu diesem Zweck vereinigt sich eine Anzahl der Borstensackzellen, ordnet sich wie eine Kappe um das stumpfe Ende der Acicula an und schnürt sich dabei durch eine Furche von der ursprünglichen Anlage ab. Je mehr die Acicula auswächst, um so vollständiger wird die Trennung und endlich löst sich vom primären Borstensack ein besonderer Sack für die Acicula ab (Taf. X, Fig. 38 ac). Bei ihrem Durchtritt durch die Muskelplatten ziehen die Borsten- säcke gar keine Bestandtheile derselben mit sich, so dass ihre inne- ren Enden nackt in die Leibeshöhle hineinragen. Daher fehlen den Säcken, auch nachdem die Bildung der Borsten weit vorgeschritten ist, kontraktile Elemente. Später differenzirt sich in der angegebenen Weise eine dünne Schicht der Muskelplatten zur Muskulatur der Bor- sten und erst dann können diese nach außen vorgeschoben werden. In den wesentlichen Beziehungen übereinstimmend verläuft die Bildung der Borstensäcke bei den Aleiopiden. Ich gebe von meinen vielen Präparaten einen Schnitt aus der Mitte des Körpers einer jungen Asteropelarve. Hier liegt die Anlage als runder Zapfen im Ektoderm, an dessen innerer Grenze sie noch gar nicht heraussieht (Taf. XIV, Fig. 68e, bsa). In den nachfolgenden Schnitten (Fig. 68«a—.d) fehlen die Anlagen, nach vorn zu sind sie dagegen weiter entwickelt, und die drei ersten Rumpfsegmente besitzen (wie bei allen Alciopidenlarven, die in Gtenophoren leben) schon einen ausgebildeten Borstenapparat, der jedoch später durch Neubildungen substituirt wird. Die weitere Ent- wicklung hat kein besonderes Interesse; sie ist zwar ziemlich leicht zu verfolgen, aber nicht ohne Umständlichkeit darzustellen, weil die Bor- stensäcke schief in die Muskelplatten eindringen und sich auch etwas krümmen. Ganz ähnlich verhalten sich die Dinge bei den Phyllodociden. Während alle diese Formen solide Anlagen bilden, die erst später 154 Nicolaus Kleinenberg, und vorübergehend feine nach außen offene Kanäle erhalten, treten die Borstensäcke der Chaetopteriden als deutliche Einstülpungen des Ekto- derms auf. An den Stellen, wo sie entstehen sollen, springt das äußere | Blatt in Form eines niedrigen Höckers gegen die Muskelplatte ein und auf der Oberfläche entspricht dem Höcker eine Kraterförmige Ein- senkung mit weitem Umfang und stark verengertem Grunde (Taf. XV, Fig. 78 bsa). Diese Höhle des Borstensackes wird bald zu einem linearen Spalt, der bis an den Grund der verlängerten Anlage eindringt, bleibt aber leicht erkenntlich, zumal sich die Zellen um sie herum sehr regel- mäßig radial anordnen (Taf. XVI, Fig. 79 bsa). Bei den Ghaetopteriden erscheinen die Anlagen der Borstensäcke viel später, als bei allen an- deren mir bekannten Annelidenlarven, nämlich erst nachdem die Mus- kelplatten sich gespalten und schon eine voliständige Längsmuskel- schicht ausgebildet haben. Aber auch hier durchbrechen die Borsten- | säcke diese Muskellage und ragen mit nackten abgeplatteten Enden in die Leibeshöhle. Hernach beginnt an der Durchbohrungsstelle der Muskelplatte eine Wucherung, die allmählich an dem Sack hinauf wächst (Fig. 79) und ihn mit einem dieken Überzug versieht, aus dem offenbar die Muskulatur entsteht. Bevor es zur Ausscheidung der Bor- sten kommt, erreichen die Säcke eine bedeutende Länge und flottiren wie dünne spiralig gedrehte Blinddärmchen in der Leibeshöhle. Ich hatte keine Gelegenheit die Bildung der Borstensäcke bei Poly- chaeten mit zweiruderigen Parapodien zu verfolgen. Bei den Capitel- liden sah’ ich aber die Anlagen der dorsalen und ventralen Borsten- säcke immer unabhängig und weit von einander entfernt. Meine Beobachtungen lassen nicht den geringsten Zweifel über die Herkunft der Borstensäcke offen — um so auffallender ist es, dass sie zu denen aller übrigen Embryologen im Widerspruch stehen. Mit einer Ausnahme: KowaAevsky sagt von Euaxes: »An den Seiten sieht man wulstige Verlängerungen des oberen Blattes in die Leibeshöhle hinein, welche die borstenabscheidenden Drüsen bilden !,« giebt dazu aber eine | wenig entsprechende Abbildung, denn in ihr erscheint, auf der einen Seite wenigstens, der Borstensack nicht allein nicht im Zusammenhang mit dem Ektoderm, sondern von diesem sogar durch die Längsmuskel- | schicht getrennt. HartscHek für Griodrilus und Echiurus, SEMPER für die Naidinen, GorrrE für Nereis Dumerilii, Sırenskv für Psygmobran- | chus, Nereis cultrifera, Pileolaria, Aricia und Terebella — lassen die | Borstensäcke aus dem Mesoderm hervorgehen und Sırensky verallge- meinert seine Beobachtungen zu dem Grundsatz: die Borstensäcke aller 1 Embr. Untersuchungen an Würmern und Arthropoden. p. 65—66. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 4155 Anneliden sind mesodermale Bildungen. Ich behaupte dagegen, dass sie bei keinem Annelid vom Mesoderm, sondern überall direkt vom Ektoderm gebildet werden. Sarznsky selbst liefert dieser Auffassung einen Beitrag. Während er nämlich die Haarborsten bei Terebella vom Mesoderm ableitet, bestätigt er die von CLAParknE am erwachsenen Thier entdeckte Bildung der Haken in Epidermiszellen. Jeder Haken entsteht im Inneren einer großen Zelle des Bauchschildes — »Si l’on tient compte de l’enorme difference quexiste entre le developpement des plaques uneiales de Terebella et celui des soies du meme Annelide et des autres« — muss zweifelhaft werden, ob die gewöhnlich angenommene Homo- logie der Hakenwülste der Röhrenwürmer mit den ventralen Fußstum- meln der Errantien zu Recht besteht. Mit Herbeiziehung seiner Beob- achtungen über die Entwicklung der Parapodien von Nereis cultrifera entscheidet sich SırLensky gegen diese Homologie und erklärt Haken und Hakenwülste für Bildungen, die bei den Errantien überhaupt kein Homologon finden, sondern Neubildungen darstellen, welche die Röhren- würmer erst nach ihrer Abtrennung von den freilebenden Chaetopoden erworben haben!. Mir scheint, .dass diese Diskussion sich um ein Pro- blem dreht, das gar nicht vorhanden ist, denn ich bin überzeugt, dass bei Terebella die Haarborsten eben so gut wie die Haken Erzeugnisse des Ektoderms sind Auch BüLow behauptet die Betheiligung des Ektoderms bei der Herstellung der Borstensäcke am wachsenden Schwanzende von Lum- brieulus. Es findet eine Auswanderung von Ektodermzellen statt, und die »in das Mesoderm eingewucherte Ektodermsubstanz bildet mitsammt. einigen Zellen des Mesoderms die Borstenbündel, wobei aus den ein- gewanderten Ektodermzellen die Haarborsten selbst, aus den hinzutre- tenden Mesodermzellen aber die Borstentasche und die die Bewegung vermittelnden Muskelfäden entstehen«?. Das ist eine völlig in der Luft schwebende Behauptung. Alle Beobachter, die sich mit der Entstehung der Borsten beschäftigt haben — vielleicht mit Ausnahme Vrsvovsky’s, dessen Darstellung ich nicht recht verstehe — sind darin einig, dass die Borsten von Zellen der Borstentasche selbst abgeschieden werden — es wäre also nachzuweisen gewesen, dass dies bei Lumbrieulus nicht der Fall ist, und dies konnte Bürow freilich nicht unternehmen, da er die Anlagen der Borstensäcke überhaupt nicht gesehen hat. Wenn seine Beobachtungen nicht weiter reichen als sie mitgetheilt sind, bleiben sie an Vollständigkeit beträchtlich hinter jenen Semrer’s zurück. Die Wider- sprüche zwischen BürLow und Sruper liegen dann nur in Worten: beide 1! Archives de Biologie. IV. p. 99. 2 Zeitschr. f. w. Zool. Bd. XXXIX. 1883. p. 88, 89. 156 Nieolaus Kleinenberg, finden an gewissen Stellen eine Beimischung von Ektodermzellen zu der schon vorhandenen Mesodermmasse; Semper nimnt dies einfach für einen Wachsthumsvorgang oder eine Vervollständigung des mittleren Keimblattes; Bürow dagegen lässt nur seinen »ektoentodermalen« Ur- sprung des Mesoderms gelten und deutet jenen Ektodermelementen eine etwas phantastische Rolle an. Die Erzeugung der Ersatzborsten bei den erwachsenen Anneliden ist dagegen schon öfter den Epidermiszellen zugeschrieben worden. Die genauesten Angaben finden sich in den vortrefflichen anatomischen Arbeiten Spenser’s über Echiurus! und Oligognathus?. Bei ersteren sind die Borstensäcke Einstülpungen der Epidermis in die Leibeshöhle und aus diesen bilden sich durch Abschnürung die Anlagen für die Ersatz- borsten. Vespovsky fand bei Anachaeta die Borstensäcke »auf große Ektodermdrüsen« redueirt®, und bei Sternaspis vollzieht sich gleich- falls eine Einstülpung der Epidermis zur Herstellung des Borstensacks, »allein an der weiteren Bildung und dem Wachsthum der Borste be- theiligt sich auch das Mesoderm«*. — Die Entstehung der Parapodien ist von den Borstensäcken abhängig. Jedoch haben sie auch Beziehungen zu den Cirrusanlagen: sie sind zu- gleich Borstenträger und Träger der hauptsächlichsten Sinnesorgane des Rumpfes. Das Abhängigkeitsverhältnis tritt nicht allein ontogene- tisch sehr klar hervor, sondern auch phylogenetisch: die Borstensäcke können auch ohne Parapodien bestehen, wo aber keine Borsten vorhan- den sind, da fehlen fast immer die Parapodien. Damit ist nicht ausge- schlossen, dass sie noch andere Zwecke haben, als einfach die Stative für Cirren und Borsten zu sein, es ist allbekannt, zu welch wichtigen Bewe- gungsorganen sie vielfach geworden sind. Entwicklungsgeschichtlich er- scheinen die Parapodien als bloß sekundäre Bildungen und haben auch sonst sehr geringes Interesse. Gelegentlich wurde schon erwähnt, was zu wissen Noth that: sie entstehen als Ausstülpungen des Ektoderms, in welche sieh dann von den Muskelplatten her eine Zellenschicht | einsenkt, aus der die innere Muskulatur und wohl auch eine Wandbe- kleidung hervorgeht. Die Entwicklung der äußeren Form wurde im zweiten Kapitel behandelt. 1 Zeitschr. f: w. Zool. Bd. XXXIV. p. 479. ? Mittheilungen aus der Zoologischen Station zu Neapel. Bd. I. 1884. 3 Beiträge zur vergl. Morphol. der Anneliden. I. Enchytraeiden. 1879. p. 19. * Akad. d. Wissensch. zu Wien. Bd. XLII. 1881. p. 13. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 157 3. Bauchdrüse. Bei der jüngsten Larve fand sich ein kurzes blindes Röhrchen, dessen äußere Mündung dicht am unteren Rande des Stomodaeums liegt, während sein Grund sich in das Bauchschild einsenkt (Taf II, Fig. 16l,m, bd). Die radial um das Lumen angeordneten Zellen gehen ohne deutliche Begrenzung in das Gewebe des Schildes über. Da mir eine frühere Entwicklungsstufe nicht zugänglich war, kann ich nicht wissen, ob diese Anlage zugleich mit jener des Schildes gegeben ist, oder ob beide sich erst nachträglich vereinigen. Dann verlängert sich das Röhrchen, dem Dickenwachsthum des Schildes entsprechend und sein Lumen erweitert sich, während die Anfangs verhältnismäßig breite Mündung enger wird (Taf. III, Fig. I7e; Taf. VIII, Fig. 28f; Taf. IX, Fig. 31 bad). Eigentlich ist damit aber erst der Ausführungsgang der Drüse gegeben, denn wenn auch das ziemlich lange Bestehen des Or- sans in diesem Zustand auf eine besondere Thätigkeit schließen lässt, konnte ich doch in den Zellen keine Anzeichen specifischer chemischer Vorgänge entdecken. Später sind solche dagegen aufs deutlichste wahr- nehmbar. Es schließen sich dem Grunde des Röhrchens eigenthüm- liche Zellen an. Auf Taf. XIII, Fig. 64 ist das ganze Organ dargestellt; das Bauchschild war nach leichter Maceration abpräparirt worden. Vier sroße dunkle Zellen liegen inmitten des blasigen Gewebes, sie haben kolbenförmige, hier und da unregelmäßig in Höcker und Spitzen aus- gezogene Körper, und setzen sich in einen dicken, ungetheilten Aus- läufer fort. Die Fortsätze aller vier Zellen konvergiren gegen einander und legen sich zu einem gemeinschaftlichen Strange zusammen — dieser endigt am Grunde des Kanals. Das Protoplasma, sowohl des Zellkörpers als des Fortsatzes, zeigt in den verschiedenen Präparaten wechselnde Beschaffenheit: bald ist es dicht von kleinen, dunklen Körnchen erfüllt, die den großen ovalen Kern vollständig verschwinden lassen — in der Figur ist es nur in einer Zelle sichtbar — und dann ist die Absorptionsfähigkeit für Karmin überaus groß; bald sind die Zellen heller und enthalten wenige eckige Konkremente; balderscheinen sie fast homogen, aber stark lichtbrechend. Es kann danach kaum einem Zweifel unterliegen, dass dies Exkretionszellen sind. Ihre Zahl nimmt später zu und scheint nicht ganz bestimmt zu sein, geht aber wohl nicht über zwölf. Die Herkunft dieser Zellen ist nicht leicht nach- zuweisen. Da sie gewöhnlich allseitig von den Elementen des Bauch- schildes umgeben angetroffen werden, könnte man glauben, dass sie ‚in loco durch Umwandlung der letzteren entstehen, doch scheint mir . das nicht der Fall zu sein. Der Grund des Ausführungsganges wird zu 158 Nicolaus Kleinenberg, dieser Zeit aus Zellen gebildet, die von den übrigen durch die Größe ihres ovalen Kerns abweichen (Taf. XII, Fig 64). Ich denke, dass sich hier einzelne Zellen auslösen und tiefer in das Gewebe des Bauch- schildes, bis gegen das Entoderm hin, eindringen, jedoch mit einem Protoplasmafaden an ihrem ursprünglichen Platz angeheftet bleiben. So erscheint mir die Sache auf Präparaten, die den Differenzirungs- vorgang in seinem Beginn zeigen; ganz sicher sind die Beobachtungen: jedoch nicht. Ich habe mich auch überzeugt, dass die Drüsenzellen einem: raschen’ Wechsel unterworfen sind. Bei der Ansammlung der Körnchen im Protoplasma wird der Kern Anfangs nur verdeckt, später aber offenbar zerstört, und auch der Zellkörper macht den Eindruck, als sei’er in Zerfall’ begriffen — dann rückt eine neue Zelle vom Grunde des Ausführungsganges an die Stelle der alten ein. Ein ähnliches, nur weniger stark entwickeltes Organ fand ich bei zwei Phyllodocelarven, von anderen Anneliden ist es mir nicht be- kannt. Seine physiologische Bedeutung ist schwer zu verstehen. In der Lopadorhynchuslarve konnte ich keine Spur von Nephridien ent- decken — wäre nicht möglich, dass diese von der Bauchdrüse substi- tuirt sind? Der Inhalt der Exkretionszellen erinnert an manche Nieren- epithelien wirbelloser Thiere, die Reaktion aufHarnbestandtheile konnte ich freilich nicht vornehmen. Über eine sehr unbestimmte Vermuthung komme ich bei der Deutung der Funktion dieses Organs nicht hinaus, und von einem anatomischen und genetischen Zusammenhangezwischen der Bauchdrüse und den Nephridien kann natürlich erst recht nicht die Rede sein. | Bei der Verwandlung der Larve geht der ganze Apparat der Drüse mit dem Bauchschilde vereint zu Grunde. 4. Schlund und Schlunddrüsen.- Von den Ektodermanlagen, welche in den Ernährungsapparat | eingezogen werden, hat nur das Stomodaeum größere entwicklungs- | geschichtliche Bedeutung. Schon bei der jüngsten Larve vorhanden (Taf. II, Fig. 16h, :, k, st), ändert sich sein innerer Bau auch später nur | wenig; es wächst aus, seine Höhle wird geräumiger, seine Wände ver- | dicken sich beträchtlich, bestehen jedoch immer aus einer einzigen Zellenschicht. Doch an zwei Punkten und zwar am oberen Rande, zu | beiden Seiten der Mittellinie finden sich frühzeitig Anzeichen von Ver- mehrungsthätigkeit, und im selben Augenblick erscheinen hier dicht aufsitzend zwei Gruppen von je zwei oder drei großkernigen Zellen | (Taf. XII, Fig. 50c). Dass diese aus den Theilungen des Stomodaeum- 14 epithels hervorgegangen sind, war durch direkte Beobachtung nicht, | Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 159 festzustellen, immerhin scheint mir jede andere Ableitung ausge- schlossen. Die Vermehrung des Stomodaeumepithels dauert nur kurze Zeit, nach Erzeugung einiger weniger Zellen hört sie auf; die abgelösten Zellen theilen sich dagegen in rascher Aufeinanderfolge und bald trägt der obere Rand des Stomodaeums zwei, von einem weiten Zwischen- raum getrennte rundliche Zellpolster (Taf. IH, Fig. 18f; Taf. IX, Fig. 31s). Es ist dies die paarige Anlage des bleibenden Schlundes. An- fangs durchaus solide Massen (Taf. XII, Fig. 52s), erhalten die dicker ge- wordenen Polster später eine kleine Höhle (Taf. XII, Fig. 53s). Sie ent- steht durch Auseinanderweichen der Zellen, welche dem Stomodaeum anliegen, aber eine Kommunikation mit der Mundhöhle lässt sich zu- nächst nicht mit Sicherheit nachweisen. Die auf diese Weise zu Stande gekommenen Säckchen verlängern sich, auch ihre Höhle dehnt sich aus, bleibt aber spaltförmig und von dieken mehrschichtigen Wänden umgeben. Gleich darauf sondern sich die Zellen ringsum in eine äußere und eine innere Schicht, zwischen denen eine feine aber scharfe Grenz- linie verläuft (Taf. XIII, Fig. 545). Unterdessen ist auch die Verbin- dung zwischen den Höhlen der Schlundanlagen und der Stomodaeum- höhle deutlich geworden. Bis hierher sind beide Säckchen völlig von einander getrennt. Dann werden aber ihre Mündungen gegen die Mittellinie hin verrückt, fließen hier zusammen und der untere Theil der verschmolzenen me- dianen Wände löst sich vom Stomodaeum ab: auf diese Weise bildet sich aus den Höhlen der beiden Säcke unten ein gemeinschaftlicher Raum, der nach oben, wo die Scheidewand noch nicht aufgehoben ist, - in zwei seitliche Hörner übergeht. Nach und nach schwindet die Scheidewand gänzlich und dann ist die Schlundanlage eine von außen nach innen abgeplattete Tasche mit breitem Hohlraum, deren paariger Ursprung nur äußerlich durch eine sich lange erhaltende ventrale Furche angedeutet bleibt. Darauf wächst der Sack nach oben in’ einen cylindrischen Fort- satz .aus, der eine Verlängerung der Höhle enthält. Dieser Fortsatz bildet die Anlage der unpaaren dorsalen Schlunddrüse; an seiner Her- stellung betheiligen sich von vorn herein beide Schichten der Wand (Taf. XIII, Fig. 55 msd). Ziemlich viel später falten sich auch die Seitenränder des Schlundes ein und zwar betrifft das zunächst die innere Zellschicht; diese drängt sich in die äußere Schicht ein und er- hält von derselben eine Umhüllung, die sofort vom umliegenden Gewebe scharf gesondert erscheint (Taf. VI, Fig. 219, h, Isd). So sind auch die seitlichen Schlunddrüsen angelegt. Alle drei Drüsen schnüren sich ' mehr vom Schlunde ab und wachsen schnell zu langen Schläuchen aus. 160 Nicolaus Kleinenberg, Ihre Mündungen sind anfänglich nach unten gerichtet, da aber der Schlund bei seiner weiteren Entwicklung sich ungefähr 90° um seine Querachse dreht, kommen sie dorsalwärts zu liegen: dicht an ihrer Einmündungsstelle biegen dann die Schläuche um und verlaufen von vorn nach hinten in die Leibeshöhle (Taf. XIII, Fig. 56 msd und Isd). Das Wachsthum dieser Drüsen hängt mit den histologischen Umbildungen ihrer Wandungen zusammen. Wie gesagt nehmen ihre Anlagen beide Zellschichten :mit sich und enthalten auch Fortsätze der Schlundhöhle. In der unpaaren Drüse ist Anfangs ein weiter Kanal vorhanden, der sich aber bald verengert und dabei zu einer, auf dem Querschnitt halbmondförmig erscheinenden Rinne wird (Taf. VI, Fig. 21f, msd); die paarigen Drüsen besitzen dagegen nur eine kleine Grube, die der ursprünglichen Ausstülpungsstelle und der blei- benden Mündung entspricht; von da ab sind sie solide Gylinder (Fig. 21g, Isd). Die inneren Zellen ändern nun ihre Beschaffenheit, ihre Kerne schwellen beträchtlich an, ihre Körper werden größer und das Protoplasma heller (Taf. XII, Fig. 56 msd und Isd). In der äußeren Schicht behalten die Zellen dagegen ihre innere Struktur so ziemlich bei, unterliegen aber einer Umordnung: die dicke mehrschichtige Wand ver- dünnt sich mehr und mehr, je stärker die Verlängerung des Drüsen- schlauches wird, bis schließlich nur eine Schicht flacher Zellen besteht. Das Längswachsthum geht hier also auf Kosten der Dicke vor sich (Taf. XII, Fig. 56 und 57). Im Inneren ordnen sich aber die Zellen weder um, noch vermehren sie sich, was natürlich die Folge hat, dass ihre Masse nicht mehr den ganzen verlängerten Sack ausfüllen kann — sie lösen sich von ihrer Übergangsstelle in das innere Blatt des Schlun- des, rücken immer weiter von dem vorderen Abschnitt des Drüsen- sackes ab und ziehen sich zuletzt ganz auf den Grund desselben zurück, wosie eine kompakte Masse bilden. Das ist das eigentliche Sekretions- gewebe. Wie man sieht wird der ursprüngliche inmitten der secerni- renden Zellen verlaufende Kanal unterdrückt und es bildet sich durch die Zurückziehung des Drüsenepithels auf den Grund eine neue bloß von der äußeren Zellschicht umschlossene Höhle, die als Ausführungs- gang der Drüse zu betrachten ist, da die Zellen seiner Wandungen keine sekretorische Funktion besitzen. Doch findet man selten ein wirkliches Lumen in der Drüse, gewöhnlich ist der ganze Ausführungs- gang prall mit den, von den Zellen am Grunde ausgeschiedenen Fäden erfüllt, die schon Crararkpe beschrieben hat!. Die Schlunddrüsen sind eine Eigenthümlichkeit des Genus Lopa- Annelides chetopodes du Golfe de Naples. Suppl. 4870. p. 102. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 161 dorhynchus, auch den am nächsten verwandten Phyllodociden fehlen sie. Ich glaube nicht, dass die Drüsen, welche Frwkzs von der Prio- - nospiolarve beschreibt, hierher zu ziehen sind, denn sie sollen nicht aus dem ektodermalen Rüssel, sondern aus dem Entoderm des Öso- phagus entspringen!. Unsere Kenntnis der Entwicklung und selbst der Anatomie der Darmanhänge bei den Anneliden ist übrigens noch sehr unvollständig. an Nachdem die Anlage der Drüsen vollzogen ist, verdickt sich das innere Blatt des Schlundes in Form von vier gegen die Höhle einsprin- genden Längsleisten (Taf. VI, Fig. 22%; Taf. XIII, Fig. 56). Die Sonde- rung der beiden Blätter wird noch deutlicher, ohne dass es zunächst zu histologischen Umbildungen kommt. Von Wichtigkeit ist die Lagen- veränderung des ganzen Organs. In Fig. 55 auf Taf. XIII befindet sich die Schlundanlage gerade über dem Stomodaeum, dessen oberem Rande aufsitzend. Die ventrale Wand bleibt zunächst an ihrer Stelle fixirt, der untere Rand der dorsalen Wand löst sich dagegen und dringt weiter nach unten zwischen Stomodaeum und Entoderm ein. Dabei wird die Übergangsstelle, wo Stomodaeum und Entoderm verlöthet sind, um die Kommunikation der beiden Höhlen des Verdauungs- tractus herzustellen, zerrissen und die Schlundanlage klappt — wie das Visir eines Helmes — über das Stomodaeum, bis sie dasselbe in sich aufgenommen hat (Taf. XIII, Fig. 56s und st). Die Ränder der Schlundkappe dringen von allen Seiten bis an die Linie, wo das Stomo- daeum sich in das äußere Ektoderm umschlägt und verwachsen mit dem letzteren. Dann ist der Zustand des vorderen Abschnittes des Darm- kanals sehr sonderbar: er besteht aus zwei Säcken, von denen der eine im Inneren des anderen gelegen ist; der äußere Sack, der Schlund, ist völlig geschlossen und kommunieirt weder mit der Außenwelt noch mit der Entodermhöhle, der innere öffnet sich nach außen durch den alten Mund, hat aber seinen Zusammenhang mit dem Archenteron ein- gebüßt. Wie später die äußere Öffnung, der definitive Mund, zu Stande kommt, ist leicht verständlich. Der ringförmige Umfang des Schlun- ' des war bereits bis an den alten Mundrand vorgerückt und hier mit dem Ektoderm verlöthet, nun schnürt er sich mehr zusammen und ‚ Sehneidet dabei das Stomodaeum dicht an seiner Mündung durch: so verliert dies auch seinen Zusammenhang mit dem Ektoderm und liegt lose als eine vielfach gefaltete dieke Haut inmitten der Schlundhöhle — die ursprüngliche Mundöffnung wird erhalten, bekommt nur neue ‚ Lippen und führt jetzt direkt in die Höhle des Schlundes. Lange bleiben ! Bulletin of the Museum of Comparative Zoology at Harvard College. V.XI. \ 4883, p. 168. \ Il H 1 u Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. XLIV. Bd. AA 162 Nicolaus Kleinenberg, die Zellen des encystirten Stomodaeumsacks leben, denn die Flimme- rung an der Innenfläche dauert fort; später pressen die Schlundwände die lose Haut zu einen strukturlosen dichten Klumpen zusammen, der nach und nach resorbirt wird (Taf. XI, Fig. 45). Aus der vorstehenden Beschreibung ergiebt sich, dass der Innen- raum der Schlundanlage Anfangs durch Vermittelung des Stomodaeums, freilich auf sehr indirektem Wege mit dem Urdarm kommuniciren kann, dass darauf aber jede Verbindung unterbrochen wird. Nachdem das Stomodaeum vernichtet ist, muss natürlich eine Öffnung geschaffen werden, die den Übergang vom Schlund in den Urdarm gestattet — wie diese entsteht, weiß ich jedoch nicht. Es wird sich wohl einfach um Verlöthung der anliegenden Wände und nachfolgenden Durchbruch handeln. Während der späteren Entwicklung wächst der Schlund beträcht- lieh in die Länge und seine Form ändert sich derart, dass auf dem Quer- schnitt sein äußerer Umfang und der Innenraum dreieckig erscheinen (Taf. XI, Fig. 45). Ausgestülpt bildet er dagegen, wie Grusr richtig | angegeben hatte, eine große flache Schale. Die Veränderungen der Zellen seiner Wände bestehen für die innere Schicht zuvörderstin einer \ Reduktion. Sie reichen nicht mehr hin die Schlundhöhle überall aus- zukleiden und ziehen sich in Gruppen zusammen, die als flache kurze | Längsleisten den drei Wänden aufsitzen. Dann findet — zuerst an der dorsalen Wand — im Inneren der einzelnen Zellen eine Ausscheidung | klarer, stark lichtbrechender Substanz statt, das Gewebe erscheint vacuolisirt (Taf. XI, Fig. 45 s), doch ist es nicht Flüssigkeit, die sich im | Protoplasma ansammelt, sondern feste Masse. Vielleicht ist die ganze Umbildung als Verhornung aufzufassen, und die Reste des inneren Schlundepithels mögen Reibeplatten darstellen, die zum Zerquetschen der Nahrung dienen. Wie bei den Drüsen beruht auch das Wachsthum des Schlundes | auf Umordnung der Elemente der äußeren Schicht. Sie vertheilen sich | derart, dass die Schlundwand — abgesehen von den Stellen, wo ihrer inneren Oberfläche die Reibeplatten aufsitzen — einschichtig wird | (Taf. XI, Fig. 45 s). Das definitive, von der äußeren Schicht herrührende Schlundepithel verdickt sich, indem seine Zellen zu hohen Prismen aus- | wachsen und dabei unterliegt ihr Protoplasma einer inneren Differen- | zirung: es wird hell, aber augenscheinlich sehr fest und zeigt eine | feine, der Längsachse parallele Streifung. Hier entspricht jedoch der | Sonderung dunkler Fäden im Inneren des Zellkörpers nicht die Bildung | von kontraktilen Fortsätzen an der Oberfläche, denn der Schlund flim- | mert niemals. Vielmehr dürfte diese Erscheinung mit ähnlichen line- | | Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 163 aren Differenzirungen mancher epidermoidaler Bildungen in Zusammen- hang zu bringen sein. Der Schlundapparat wird durch hinzutretende Nerven und Muskeln vervollständigt. Woher sein Nervensystem kommt, wurde bereits früher klar gelegt, doch der Ursprung der Schlundmuskulatur bleibt zu un- tersuchen. Bis zur Zeit, da die äußeren Larvencharaktere verschwinden, be- sitzt der Schlund nur sehr geringe Beweglichkeit; ausgestülpt kann er gar nicht werden. Es fehlen ihm noch die dazu gehörigen Muskeln und diese können nicht früher gebildet werden, weil die Muskelplatten, be- sonders auf der Rückenseite, so sehr langsam nach vorn auswachsen. Wenn aber die dorsalen Längsmuskeln so weit gelangt und in der Mittel- linie zusammengetreten sind, nähert sich ihnen die hintere Schlund- wand und die unpaare Schlunddrüse kommt sogar dicht an ihnen zu liegen. Da schlagen die medianen Ränder der Muskelplatten sich auf den Drüsenkörper um und wachsen an ihm herab bis an die Oberfläche des Schlundes. Die seitlichen Drüsen werden an ihren Mündunssstellen gleichfalls eingehüllt und allmählich überzieht von den dorsalen Mus- kelplatten her eine Scheide den ganzen Schlundapparat. Anfangs bloß aus flachen Zellen bestehend, wird diese Scheide erst später zu einer Muskellamelle. Die Fasern sind zum großen Theil in der Längsrichtung, auf dem Schlunde jedoch auch ringförmig, angeordnet (Taf. XI, Fig. #4, 45). So erhalten die Drüsen sowohl als der Schlund eine starke beson- dere Muskulatur. Die kontraktile Schicht schließt sich dem Epithel des Schlundes ziemlich dieht an, von den Drüsen des erwachsenen Thieres liegt sie dagegen weit ab, wie ein loser Sack, wenn nach einer kräf- tigen Kontraktion das geformte Drüsensekret in die Schlundhöhle aus- gespritzt ist. Außer dieser eigenen Muskelscheide bekommt der Schlund noch reichliche radiale Fasern, die zwischen ihm und der Körperwand aus- gespannt sind. Der stärkste unter ihnen ist ein ursprünglich paariger Retraktor, der auch von den dorsalen Muskelplatten abstammt. Die aus mehreren Bündeln bestehenden Seitenmuskeln (Taf. XI, Fig. 44) und ein schwaches unteres Paar, rühren dagegen von den ventralen Plat- ten her. "Die Entstehung des bleibenden Schlundes aus zwei getrennten An- lagen, die als Ausstülpungen des Stomodaeums betrachtet werden kön- nen, ist sehr verbreitet bei den Polychaeten. So bei allen mir bekann- ten Phyllodocidenlarven, wo die Anlagen noch massiger sind (Taf. XVI, Fig. 82 s). Hier sind sie auch schon vor langer Zeit gesehen worden. Crapartoe und Merscnnixorr fanden im Kopflappen einer Larve von 11% 164 Nicolaus Kleinenberg, Phyllodoce ein hohles Organ, dessen Bedeutung sie nicht erkannten und vermuthungsweise für eine Drüse hielten !. Ähnlich wie bei Lopadorhynchus entwickelt sich der Schlund von Lepidonotus, nur tritt hier die paarige Anlage nicht am oberen, sondern am unteren Rande des Stomodaeums auf. Die Nephthyslarven haben gleichfalls ein Paar der unteren Seite des Stomodaeums ansitzende, einander sehr genäherte Anlagen. Ihre Entwicklung konnte ich nicht vollständig verfolgen, zweifle jedoch nicht, dass aus ihnen der Schlund hervorgeht. Die Aleiopiden bilden den Schlund schon frühe, ehe sie in Cteno- phoren einwandern, ich weiß daher von seiner Entstehung nichts. Der beschriebene Bildungsmodus scheint besonders da eingehalten zu werden, wo ein sogenannter Rüssel, ein ausstülpbarer Schlund sich bildet. Für Lumbricus habe ich selbst eine Darstellung der Entwick- lung des vordersten Darmabschnittes gegeben, die nicht mit den Ver- hältnissen bei den erwähnten Polychaeten in Einklang steht. Dort bleibt das Stomodaeum theilweise erhalten, seine Zellen werden jedoch durch eindringende Mesodermelemente verdrängt und auf eine dünne chitin- artige Membran reducirt?. Und wenn ich mich schon damals der merk- würdigen Darstellung Semper’s gegenüber zweifelnd verhielt, erscheint sie mir jetzt, nachdem ich die Vorgänge bei den Polychaeten kennen gelernt habe, recht — wie soll ich sagen? Nirgends giebt es Kiemen- bogen und Kiemenspalten und die Homologisirung des Schlundkopfes mit den Kopfkiemen bietet ein hübsches Beispiel dafür, wie leicht es ist, sich die allerunmöglichsten Beziehungen auszudenken. SALENSKY giebt für Pileolaria an, dass der definitive Darm sich aus der ektodermalen Mundeinstülpung (Stomodaeum), die zum Ösophagus wird, und dem Entoderm zusammensetzt; doch erwähnt er zweier symmetrischer vom Stomodaeum ausgehender Knospen, ohne ihnen be-: sondere Bedeutung beizulegen?. Die betreffende Abbildung möchte darauf hindeuten, dass auch bei Pileolaria der Schlund nicht aus dem Stomodaeum sondern aus einer paarigen Anlage entsteht. Nach demselben Autor liegen die Dinge bei Aricia ganz anders. Der Ösophagus wird vom Entoderm gebildet, als solide Masse, die gegen das Ektoderm vordrängt und dessen Zellen zusammendrückt. An dieser Stelle erscheint dann eine Einsenkung, die zur Mundöffnung wird. Nach den Zeichnungen zu urtheilen dürfte eher ein Durchbruch stattfinden, das Stomodaeum gänzlich fehlen und der ganze Darmtractus mit Ento- I Zeitschr. f. w. Zool. Bd. XIX. 1868. p. 28. SC. 3 Archives de Biologie. IV. p. 39. Mn ee I Eu Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 165 derm ausgekleidet sein — was mir nicht wahrscheinlich ist. Ariecia besitzt aber auch einen ausstülpbaren Schlund und dieser soll sich gleichfalls auf Kosten des Entoderms entwickeln: es sondert sich von diesem eine Zellgruppe ab, die unter der Ösophagusanlage gelegen, von ihr aber durchaus unabhängig ist. In dieser Zellmasse entsteht dann eine Höhle, welche in die unterdessen gebildete Ösophagushöhle durch- brieht; dann erscheint der Schlund als einfacher blinder Anhang des Ösophagus!. Der Schlund von Aricia wäre also genetisch und auch anatomisch völlig verschieden von den gleichnamigen Gebilden anderer Anneliden. Allein die Darstellung SıLensky’s ist selbst mit den Verhält- nissen bei der erwachsenen Aricia schwer vereinbar: der ausstülpbare Schlund derselben entspricht dem, was Sırensky Ösophagus nennt, denn er ist, wie bei allen anderen Anneliden, weiter nichts als der vor- dere Abschnitt des Darmkanals, der mit dem Munde beginnt und sich in das Archienteron öffnet; ein blindsackförmiger Anhang des Ösopha- gus besteht nicht. Damit ist nahegelegt zu vermuthen, dass der ur- sprüngliche Ösophagus von einer späteren Anlage substituirt ist, und so dürfte wohl auch der entodermale Ursprung der Anlage zweifel- haft sein. Terebella kommt zu ihrem Schlunde wieder auf anderem Wege. Die ektodermale Mundeinstülpung bildet den vorderen Theil und die dorsale Wand im Ösophagus, dessen ventrale Wand, so wie der gleich- falls als einfacher Blindsack erscheinende ausstülpbare Schlund soll dagegen vom Entoderm abstammen — doch erwähnt der Verfasser gleich, dass seine embryologischen Erfahrungen nieht ausreichend sind, der aufgestellte Entwicklungsmodus vielmehr aus Beobachtungen am fertigen Schlunde erschlossen ist? —, da ist um so auffallender, dass SıLensky auch beim erwachsenen Thier Ösophagus und ausstülpbaren Schlund für zwei verschiedene, neben einander bestehende Organe halten kann. Ich glaube, wenn Sırensky meine erste Mittheilung über Lopadorhynchus beachtet hätte, würde es ihm leicht gewesen sein mehr Klarheit in seine Darstellungen zu bringen. Kenner fand bei der Knospung von Ctenodrilus paarige Eihstälpuni gen der Epidermis als Anlage des Schlundes. Von den Seiten krümmen sie sich neuralwärts, wo sie mit der Einbuchtung des Kopflappens in Verbindung treten, und dann den Darm von oben und seitlich um- fassen 3. . Einige Hirudineen wechseln den Schlund, doch verlaufen die Z1bid. p. 75, 76, 2 Ibid. p. 417. 3 Über Ctenodrilus pardalis. Arb. Zool. Inst. in Würzburg. Bd. V. 1882. p. 42. 166 Nicolaus Kleinenberg, Dinge nicht gerade so wie bei den Polychaeten. Sehr frühzeitig ent- steht ein ausgedehntes Stomodaeum, das die Funktion des Eiweiß- schluckens besorgt. Ist das nicht mehr nöthig dann bildet sich eine neue Einstülpung, die zum bleibenden Schlunde wird, während jener der Larve zerfällt. So weit kann ich nach eigenen Erfahrungen die An- gaben Beran’s bestätigen, dagegen glaube ich, dass er Unrecht hat die Sache so darzustellen, als bilde sich der definitive Schlund »durch Ver- einigung der Kopf- und Rumpfkeime und darauf folgende Einstülpung an der Stelle des ursprünglichen Mundes«! — Larvenschlund und Blut- egelschlund scheinen mir einfache Einstülpungen des Ektoderms zu sein, ein Stomodaeum wird für ein anderes Stomodaeum gewechselt. Bei Branchiobdella findet sich nach Sırensky nichts von alledem; der larvale Schlund fehlt und der Ösophagus entsteht aus dem Entoderm, so dass auch die Kiefern von Entodermzellen erzeugt werden. Von der Entwicklung des Proctodaeums ist das Nöthige schon irüher gesagt. De Geschlechtsorgane. Ein anderes Erzeugnis des Ektoderms sind die Geschlechtsorgane. Sie entstehen, wenn die Larvencharaktere bis auf geringe Reste ge- schwunden sind, oder noch später. In dieser Hinsicht giebt es große individuelle Verschiedenheiten — völlig ausgebildete Würmer besitzen oftmals keine Spur dieser Organe. Früher oder später — innerhalb eines kleinen Fleckes, der etwas seitlich und rückwärts von den Para- podialganglien gelegen ist, beginnt eine Wucherung der Ektodermzellen. Es entsteht ein kleiner Hügel, der nach innen vorspringt (Taf. XII, Fig. 59 0). Die Anlage wächst dann schnell aus und dabei sinkt die äußere Oberfläche ein, so dass die Anfangs solide Zellmasse einen engen nach außen offenen Spalt erhält. In meinen Präparaten zeigt sich diese Höhle von unbeständiger Ausbildung, manchmal sehr deutlich und tief in die Wucherung eindringend, manchmal kurz und eng, manchmal auf eine kleine Grube redueirt. In der Fig. 58 o, Taf. XII ist der Kanal kurz, doch erkennt man leicht, wie das äußere Ektoderm in die Anlage übergeht. Darauf wird diese zu einem birnförmigen Körper, der mit einem kurzen, verhältnismäßig dünnen Stiel am Ektoderm befestigt ist. Dass diese Ektodermknospen die Anlagen der Geschlechtsorgane dar- stellen, ergiebt sich ohne Weiteres aus ihrer Entwicklung. Bis zu dem eben erwähnten Stadium lässt sich das Geschlecht des jungen Thieres nicht bestimmen, gleich darauf ist das aber möglich. Beim ! Arb. Zool. Inst. in Würzburg. VII. p. 267. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 167 Weibchen lösen sich vom freien Ende der Knospe einzelne Zellen ab (Fig. 58 o), fallen in die Leibeshöhle und treiben hier in der Flüssigkeit umher oder setzen sich an irgend einer beliebigen Stelle der Körper- wand, mit Vorliebe am vorderen Ende, fest, und wachsen nach und nach zu Eiern aus. Nur selten scheidet nicht eine einzelne Zelle, sondern drei oder vier vereint von der Anlage aus, dann ist aber schon eine Zelle des Häufchens, durch beträchtlichere Größe besonders des Kernes als werdendes Ei gekennzeichnet und ihre Begleiterinnen gelangen nicht zur weiteren Ausbildung und zerfallen. Wo dagegen aus dem neutralen Zustand ein Männchen hervorgeht, da sind es nicht einzelne Zellen, sondern ganze Ballen, die sich von den Geschlechtsanlagen ablösen. Auch die Spermoblastenballen schwimmen zum Theil in der Leibeshöhle, zum Theil kleben sie irgend wo an der Körperwand. Offenbar reichlich von der umspülenden Flüssigkeit er- nährt, wachsen ihre Dimensionen und die Zahl ihrer Zellen beträcht- lieh. Durch wiederholte Theilungen werden die Elemente jedoch all- mählich kleiner und verwandeln sich alle in Spermatozoen. Im Einzelnen habe ich die Ei- und Samenbildung nicht verfolgt, und weiß auch nicht, ob die ursprünglichen Anlagen nach Erzeugung einer größeren Anlage von Eiern oder Spermoblasten erhalten bleiben oder zu Grunde gehen. Bei jüngeren Thieren sind die Eierstöcke und Hoden leicht als runde Zellhaufen an den ventralen Wänden der Para- podien zu erkennen (Taf. I, Fig. 15). So viel ich weiß, war bisher die erste Anlage der Geschlechts- organe bei keinem Anneliden mit Bestimmtheit festgestellt worden, wenn auch öfter Vermuthungen über ihren Ursprung vorgebracht wur- den. Und diese lehnen sich an die Angaben für erwachsene geschlechts- thätige Thiere, wonach die Bildung von Eiern und Samen von meso- dermalen Geweben, oft in besonderer Beziehung zu den Blutgefäßen, ausgeht. Es bedarf diese Frage durchaus einer neuen Bearbeitung, denn es handelt sich nicht darum zu wissen, aus welchem Gewebe die Geschlechtszellen entstehen, sondern darum, wo dies Gewebe herkommt, und hierüber finde ich nirgends befriedigenden Aufschluss. Für Lopa- dorhynchus glaube ich das Ektoderm als Bildungsstätte des Keimepithels festgestellt zu haben, trotzdem die Untersuchung nicht so leicht ist wie es scheinen möchte. Einem möglichen Einwand will ich gleich im Vor- aus begegnen: ich habe wirklich nicht Parapodialganglien für Ge- schlechtsorgane genommen. Beide Anlagen sind bei ihrem ersten Auf- treten in der That ziemlich ähnlich, wenn man aber genauer zusieht, hat es keine Schwierigkeit die Verwechslung zu vermeiden. 168 Nicolaus Kleinenberg, 6. Epidermis. Nach Abzug all’ dieser Anlagen bleibt der bei Weitem größte Theil des ursprünglichen Ektoderms zur Bildung der Epidermis übrig. Auch hier ist das Gewebe der Larve von jenem des Annelids wohl aus ein- ander zu halten. Das Ektoderm der jüngsten Larve bestand, wo keine besonderen Entwicklungstriebe thätig waren, aus einer einzigen Lage ziemlich hoher Zellen (Taf. II, Fig. 16 ec). Die meisten dieser Zellen vergrößern sich und bilden eigenthümliche plattenförmige Fortsätze aus, die im Inneren des Zellkörpers beginnend, von den Seitenflächen weit vorspringen und dazu dienen, dem Gewebe ein äußerst festes Gefüge zu geben (Taf. XIII, Fig. 65, vgl. Taf. X, Fig. 39); zugleich verdichtet sich die oberflächliche Protoplasmaschicht zu einem ziemlich breiten Saum, der um so auf- fallender erscheint, als die schon früher angedeutete radiale Streifung nun sehr stark wird. Dies sind die eigentlichen Epidermiszellen der Larve. Ein anderer Theil der Ektodermelemente unterliegt dagegen einer viel eingreifenderen Umwandlung. Sie ziehen sich zu schmalen cylin- drischen Körpern zusammen und umgeben sich mit einer deutlichen Membran. Die Hülle bildet dann eine feine Spitze und erhält eine enge trichterförmig erweiterte Öffnung, die immer an der Oberfläche des Körpers liegt. Dabei tritt das Protoplasma mit dem ovalen Kern gegen den Grund der schlauchförmigen Kapsel zurück und beginnt kleine Stäbchen auszuscheiden, die bald den ganzen vorderen Raum des Schlauches anfüllen. Diese eigenthümlichen Hautdrüsen wachsen meist noch beträchtlich in die Länge und verkrümmen sich in den verschiedensten Formen zu gewundenen Röhren, deren inneres Ende in einen feinen Fortsatz ausläuft (Taf. XIII, Fig. 66 — die Schläuche haben hier alle ihre Sekretstäbchen entleert, was fast immer auf den momentanen Reiz der Konservirungsflüssigkeit hin erfolgt). Solche Drü- sen entstehen sehr zahlreich in allen Theilen der Larvenhaut, besonders viele auf der Umbrella. Die Entwicklung der Annelidenepidermis geht Hand in Hand mit den Wachsthumserscheinungen, welche zur Folge haben, dass die Larve verschwindet und ein Wurm an ihre Stelle tritt. Demgemäß beginnt die Herstellung der definitiven Körperhaut am hinteren Ende und schreitet nach vorn fort; es dauert sehr lange bis der Kopftheil seinen larvalen Charakter auch in dieser Hinsicht aufgiebt. Wenn der Schwanz sich von der Subumbrella abhebt, entwickelt sich das Ektoderm des äußersten Endes zur schon mehrfach erwähnten Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus,. 169 Schwanzkappe. Die Zellen wachsen sehr stark in die Höhe und neh- men ein helles Aussehen an, doch findet eine Flüssigkeitsabsonderung im Inneren des Protoplasmas, wie beim Bauchschild, nicht statt (Taf. XI, Fig. 465b,c,d, sk). Es wurde schon bemerkt, dass in diese Epidermis- verdickung Anfangs die ektodermalen Wurzeln der Muskelplatten, spä- ter der oberflächliche Bauchmuskel der Larve hineingezogen werden, und dass in ihr ein vergängliches Sinnesorgan seinen Sitz hat. Unmittelbar vor der Schwanzkappe und auf der ventralen Seite verwandeln sich die Ektodermzellen dagegen in flache breite Platten. Allmählich greift dieser Process auf die Rückenfläche über und wenn der Annelidenrumpf sich kegelförmig auf der Subumbrella erhebt, ist er auch ringsum von der neuen Epidermis umgeben. Unterdessen ist aber die Metamorphose wieder weiter auf der Bauchseite vorgerückt, die Demarkationslinie zwischen der alten und der neuen Epidermis bildet einen nach vorn offenen, schräg von hinten und dorsal nach vorn und ventral gestellten Winkel, dessen Scheitelpunkt bei der Ablösung des Annelidenkörpers immer weiter nach vorn verlegt wird. Besser als Worte werden die Abbildungen Fig. 7—15 auf Taf. I die Verhält- nisse klar legen: überall da wo der Annelidenkörper äußerlich fertig erscheint, ist seine ganze Oberfläche mit neuer Epidermis bedeckt, wo dagegen noch Larvenkörper besteht, ist auch die Epidermis die alte. So hat z. B. auf der weit vorgeschrittenen Entwicklungsform Fig. 14 der ganze Kopftheil noch larvale Oberhaut. Die Umwachsung der Rückenfläche vom Bauch her wird aus dem Vergleich der Fig. 40 und 41 auf Taf. X verständlich — es sind Quer- schnitte vom vordersten Theil des Rumpfes. In Fig. 40 reicht die Annelidenepidermis (dep) nicht einmal bis an die Mitte der Seitenflächen, in Fig. 44 ist sie dagegen bereits in der dorsalen Mittellinie geschlossen. Um diese Abbildungen nicht misszuverstehen, mag erinnert werden, dass die dieke nach der Bauchfläche offene Membran, welche die Epi- dermis umfasst, der Durchschnitt der in Kapitel II beschriebenen, auf den Rücken schildartig überfallenden Falte der Subumbrella ist. Der in Fig. 42, Taf. XI abgebildete Schnitt musste, um senkrecht durch das untere Schlundganglion und die Tentakelanlagen zu fallen, schräg zur Körperachse geführt werden, so dass hier die überhängende Subum- brellafalte nur auf den Seiten vorhanden ist; man sieht hier sehr gut den unmittelbaren Übergang der definitiven Epidermis in das larvale Ektoderm. Die neue Epidermis hat ein ganz anderes Aussehen als die alte, aber die Elemente bleiben dieselben. Es erfolgt eine Umwandlung, keine Zerstörung. Natürlich muss beim Wachsen des Wurmkörpers 170 Nicolaus Kleinenberg, die Zahl der Zellen vermehrt werden, doch ist schwer zu entscheiden, ob die larvalen Epidermiszellen sich theilen, ehe sie sich umwandeln, oder ob die Theilung danach erfolgt — Letzteres ist mir wahrschein- licher. Man wird, denke ich, der Wahrheit am nächsten kommen, wenn man diesen histogenetischen Vorgang als die Erneuerung eines alten Gewebes unter dem Einfluss eines hinzugetretenen formalen Bildungs- triebes betrachtet. Ein Bestandtheil der larvalen Epidermis geht aber bei der Er- neuerung gänzlich zu Grunde: die Hautdrüsen. Es giebt einen Zeit- punkt, wo die Epidermis des jungen Wurmes aus einer gleichmäßigen Schicht flacher Zellen besteht (Taf. XI, Fig. 44, 45). Später vollziehen sich einige Sonderungen; in zwei ventralen und zwei dorsalen seit- lichen Zügen verdickt sich die Haut beträchtlich, ohne jedoch mehr- schichtig zu werden. Die Zellen dehnen sich hier in Folge von Flüssig- keitsansammlung in ihrem Inneren stark aus (Taf. XI, Fig. 42, k4 a, b). Diese Vacuolisirung ergreift jedoch auch, nur in geringerem Grade, die übrigen Theile der Haut, und trägt wesentlich die Schuld, dass bei Lopadorhynchus und den meisten anderen Chaetopoden die Epidermis so komplieirt und eigenartig erscheint, während sie im Grunde ge- nommen doch sehr einfach gebaut ist. Mit den lokalen Differenzirungen der Epidermis, z. B. den Drüsen an den Basen der Parapodien habe ich mich nicht aufgehalten. Bauch- schild und Schwanzkappe werden verdrängt — an Stelle des ersteren entwickeln sich in der Epidermis, den Segmenten entsprechend, runde aus stark verlängerten Zellen bestehende Verdiekungen, die gewisser- maßen als Träger der Ganglienknoten dienen (Taf. XI, Fig. 45). Am hinteren Körperende bewahrt dagegen die Epidermis zeitlebens den Charakter eines Bildungsherdes. Es wird also bei der Metamorphose von Lopadorhynchus die Lar- venepidermis nicht abgeworfen sondern umgebildet. Trotz der zahl- reichen und vollständigen Substitutionen, welche auf der Grundlage der Larve den so verschiedenen Organismus des Annelids errichten, giebt es doch nur ein einziges Organ, das Stomodaeum, das auf mecha- nischem Wege beseitigt wird. Und wahrscheinlich ist auch die Bildung des Schlundes durch Substitution mit Ausschließung des ganzen ur- sprünglichen Organs nicht der gewöhnlichste Fall bei den Anneliden. Einige Chaetopoden werfen als Schlussakt der Metamorphose aller- dings einen bedeutenden Theil des Larvenkörpers ab. Doch auch diese Fälle, auf die ich späterhin zurückkommen werde, sind nicht dazu angethan, die Bersn’schen Ideen über den allgemeinen Entwick- lungsplan der Gliederwürmer annehmbar zu machen. Bei Aulastoma Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 171 und Nephelis soll nicht nur das ursprüngliche Ektoderm sondern auch die primäre Muskulatur abgeworfen werden. Dass dies für die Epi- dermis richtig ist, habe ich schon vorhin anerkannt. Und da auch sonst reichliche Substitutionen vorkommen, ist nichts dagegen einzu- wenden, wenn man die Entwicklung der Kieferegel als Metamorphose einer Larve auffassen will. Allein dass jene Entwicklungsvorgänge typisch für die Anneliden seien, leuchtet mir ganz und gar nicht ein. Schon bei Branchiobdella und den Clepsinen kommt nichts Ähnliches vor, Sipunculus bietet nur oberflächliche Analogien — man muss bis zu den Nemertinen hinuntergehen, um Verhältnisse anzutreffen, die jenen von Aulastoma nahe kommen. II. Entoderm. Die Entwicklungsgeschichte des Entoderms ist bei Lopadorhynchus ‚eben so einfach wie bei den meisten anderen Anneliden: es erzeugt nichts weiter als bloß chemisch thätige Gewebe, das Epithel des ganzen ‚Darmkanals nach Abzug von Schlund und Proctodaeum. Drüsige An- hänge entodermalen Ursprungs fehlen dem Lopadorhynchus und der Mehrzahl der Anneliden. Dagegen bilden sich wohl einzelne Zellen des Darmepithels für besondere Leistungen aus. Der Anfangszustand des Entoderms wurde bereits beschrieben. Das weitere Wachsthum bringt zuvörderst eine bedeutende Zunahme der Höhe der Zellen mit sich, und dadurch wird die Darmhöhle verhält- nismäßig enger (Taf. XII, Fig. 52!. Aber auch in der Fläche dehnt sich das Entoderm mehr aus, als der Vergrößerung des Körperumfanges der Larve entspricht, und legt sich daher in wahre Falten, die hier und da tief in die Verdauungshöhle einspringen (Taf. XIII, Fig. 55 und andere). Unterdessen beginnt die histologische Differenzirung des Gewebes und zwar erscheinen gleichzeitig zwei Arten besonderer Zellen innerhalb desselben. Die Bildung der einen ist an eine bestimmte Stelle gebunden, sie treten nur am ventralen Abschnitt des innerhalb der Umbrella ge- legenen Entoderms, etwa in der Höhe des oberen Randes des Stomo- daeums auf. Einzelne Entodermzellen verlieren sämmtliche Dotterbe- standtheile, werden also farblos, das Protoplasma des Zellkörpers er- scheint grobkörnig und dunkel, und der Kern schwillt zu einem großen Bläschen mit starken Kernkörperchen an (Taf. III, Fig. 18 c)!. Dabei zieht sich die Zelle von der inneren Oberfläche des Darmes zurück, ballt sich zu einem rundlichen Körper zusammen und liegt nun ganz tief ! Ich beziehe mich auf Figuren, die vorzüglich andere Dinge als die Entwick- lung der in Rede stehenden Zellen darlegen sollen. Doch scheinen mir einige ge- legentliche Hinweise neben der Beschreibung zu genügen. >) 172 Nicolaus Kleinenberg, unter den gewöhnlichen Entodermzellen an der äußeren Darmwand (Taf. IV, Fig. 19%, dd). So wird an dieser Stelle das Entoderm zwei- schichtig (Taf. II, Fig. 185), späterhin durch Vermehrung der umge- wandelten Zellen hier und da selbst mehrschichtig (Taf. V, Fig. 20. Indem sich nun das Protoplasma der tiefen Zellen immer mehr ver- diehtet, degenerirt der Kern — er schrumpft und löst sich völlig auf; an seiner Stelle bleibt längere Zeit ein kleiner ovaler mit Flüssig- keit erfüllter Raum nach, bis auch dieser verdrängt wird. Später ver- kleinern sich die Zellkörper, die Schicht zerfällt in lose Elemente, die zwischen die eindringenden Epithelien verstreut werden (Taf. VI, Fig. 24b und andere). Man könnte dann glauben, dass die dunklen kern- losen Ballen im Inneren der Epithelzellen liegen; dies ist jedoch nicht der Fall. Schließlich verschwinden sie gänzlich, und der junge Wurm enthält keine Spur mehr von ihnen. Die Entodermzellen der anderen Art entstehen überall im inne- ren Blatt, doch vereinzelt und nicht sehr zahlreich. Ihr Protoplasma verdichtet sich nicht, es wird im Gegentheil hell und klar und enthält an Stelle der Dottersubstanz farblose schwach lichtbrechende Tropfen (Taf. III, Fig. 18e, Taf. V, Fig. 20i ete.). Ihr Kern ist kaum merklich verändert, ihr Zellkörper schwillt in der Mitte spindelförmig an, bleibt aber mit einem Ende an der inneren Oberfläche des Darmes haften. Diese besonderen Entodermzellen bestehen sehr lange, und wenn ich mich recht erinnere, kommen sie auch hier und da beim erwachsenen Thiere vor. Auch viele andere Polychaetenlarven besitzen sie — enorm entwickelt bei der auf Taf. XVI, Fig. 82 abgebildeten Phyllodoce. Wie man sieht, haben diese Zellen große Ähnlichkeit mit den ein- zelligen Drüsen, die im Entoderm der Cölenteraten so gewöhnlich sind. Ihre sekretorische Funktion ist leicht nachweisbar: sie entleeren die hellen Tropfen in die Darmhöhle, und diese müssen aus einer schwer im Wasser löslichen Substanz bestehen, da sie sich nicht gleich mit dem flüssigen Darminhalt mischen. Nicht so klar ist die Bedeutung der anderen umgebildeten Ento- dermelemente. Der konventionellen Betrachtungsweise werden auch sie als einzellige Drüsen erscheinen. Aber wenn die Begriffsbestim- mung einer Drüse die Absonderung eines Sekrets einschließt, trifft sie, wie mir scheint, hier nicht zu — ich konnte wenigstens nichts von ab- sondernder Thätigkeit entdecken. Dass sie stark chemisch thätig sind, ergiebt sich aus der Umwandlung ihres Protoplasmas, ihr reichliches Auftreten und ihre schließliche Aufsaugung von Seiten der Darmepi- thelien deuten darauf hin, dass sie eingreifenden Antheil an den Er- nährungsvorgängen der Larve haben. Vielleicht kann man die Sache =» Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus, 173 so auffassen, dass jene Zellen eine Aktion ausüben, deren die anderen Entodermzellen nicht fähig sind, und dass sich in ihnen Nahrungsstoffe ansammeln, derart zubereitet, um mit leichter Mühe von anderen Ge- weben assimilirt werden zu können. Vom Übergang des larvalen Entoderms in das Darmepithel des An- nelids bleibt wenig zu sagen. Erst schwinden die braunen Körnchen, dann fließen die gefärbten Dotterbestandtheile in große Tropfen zu- sammen (Taf. X, Fig. 38, 40, 41 und andere). Wie der Rumpf des Wurmes in die Länge wächst, flachen sich die hohen Cylinder ab und die Falten gleichen sich aus. Schließlich besteht das Entoderm des An- nelids aus niedrigen, breiten Zellen (Taf. XI, Fig 47 en). Kapitel V. Zur Theorie des Neuromuskelsystems. Ein Rückblick auf die Reihe der im vorigen Abschnitt aufge- deckten Thatsachen lässt die Entwicklung der Polychaeten als Wech- selfolge von Zerstörungen und Neuschöpfungen erscheinen. Alle Organe der Larve, mit Ausnahme des Urdarms, schwinden und an ihre Stelle treten die Organe des Annelids. Dass bei den in Form von Metamor- phosen verlaufenden Entwicklungen Theile des Larvenkörpers öfter außerhalb der Grenzen des finalen Organismus bleiben, war längst bekannt: die Verhältnisse der Bipinnaria zum Seestern, des Pilidiums zur Nemertine sind zu auffällig, um übersehen werden zu können. Allein man hat die Sache gewöhnlich so aufgefasst, als handele es sich dabei nur um die Beseitigung sekundärer, durch diebesonderen Lebens- bedingungen der Larve hervorgerufener Anpassungen, während die wesentlichen Bestandtheile der finalen Organisation trotz aller Um- bildungen kontinuirlich durch die Metamorphose sich hinziehen. Die Eehinodermen- oder Wurmlarve soll eben nur ein junges Echinoderm oder ein junger Wurm sein. Ich sehe die Dinge in anderem Lichte: die Larve eines Annelids z. B. ist gar kein Annelid, sie entwickelt sich auch nicht, sondern wird von der durchaus verschiedenartigen Orga- nisation des Annelids abgelöst. Es ist demnach die Natur der Larve und ihr Verhältnis zum An- nelid auf Grundlage der gewonnenen Thatsachen zu bestimmen. Die Larve von Lopadorhynchus in ihrer reinsten Form — wenn sie schon ein unabhängiges, freies Leben führt, aber noch nicht mit zahlreichen und ausgehreiteten Anlagen des Annelidenorganismus be- laden ist — besitzt einen fast kugeligen Körper, der den geschlos- 174 Nicolaus Kleinenberg, senen Prototroch scharf in eine obere und eine untere Hemisphäre theilt. Auf der unteren Hemisphäre liegt der von einem Stomodaeum gebildete Mund. Das Entoderm ist überall ein gleichförmiges, ein- schichtiges Blatt und eben so das Ektoderm im größten Theil seiner Ausdehnung; zwischen beiden Blättern einige wenige kontraktile Zellen. Auf der Grenze beider Hemisphären, im Prototroch, ist dagegen eine eigenartige und verhältnismäßig reiche Organisation endgültig festgestellt. Hier befindet sich das Lokomotionsorgan, ein einfacher Ring großer Zellen, mit mächtigen Wimpern, dem sich eine obere und eine untere Reihe kleinerer Flimmerzellen anschließt; ein Nervensy- stem; ein Ringmuskel. | Das Nervensystem ist aus regelmäßig vertheilten Fasern und Zellen zusammengesetzt. Der Hauptzug der Fasern bildet einen geschlossenen, zwischen die mittlere und untere Zellreihe des Bewegungsapparats ein- geschalteten Ring. Die Fasern sind die Ausläufer zweier Arten von Gan- glienzellen : die einen, welche ich automatische Zellen nannte, sind am unteren Rande des Flimmerapparats in drei Gruppen, zwei seitlich ventrale und eine median dorsale, angeordnet; in derselben Ebene finden sich vier Reflexzellen, die mit Hilfe ihrer Fortsätze unter den Ringnerven wiederum einen Ring herstellen. Oberhalb des Prototrochs, doch weiter von ihm abgelegen, nochmals ein Ring von vier Reflex- zellen und in der Nähe des Scheitelpols ein Paar solcher Zellen. An der Stelle, wo später das Kopfganglion entsteht, wenige in Bildung be- griffene Ganglienzellen, die offenbar nicht Bestandtheile des Larven- systems sind. Auf der oberen Hemisphäre einige primitive Sinneszellen. Ich halte jede wirkliche Ganglienzelle, gleichviel wo sie gelegen ist, für den Sitz centraler Nerventhätigkeit, und demnach besteht das cen- trale Nervensystem der Lopadorhynchuslarve aus einem ziemlich aus- gebreiteten Zellenplexus, dessen Ausläufer zum Theil in andere Ge- webe übergehen ünd so den peripherischen Abschnitt des Systems bilden. Allein innerhalb dieses Plexus ist bereits eine weitere Gentra- lisirung vollzogen; die geschlossene, in sich selbst zurücklaufende Lei- tungsbahn des Ringnerven und die durchaus überwiegende Ansamm- lung von Ganglienzellen unmittelbar an ihm, lassen in diesen beiden vereinigten Elementen sofort die Oberherrschaft über die Nervenver- waltung erkennen. Um so mehr als dieser Rang ihm von keiner Seite streitig gemacht werden kann: die sechs Zellen des Plexus der oberen Hemisphäre stehen schon unter einander in weniger inniger Verbindung undihre Leitungsbahnen sammeln sich entschieden in der Richtung nach dem Prototrochnervensystem; außerdem sind jene offenbar späteren Ursprungs als dieses und haben ihre volle Ausbildung noch nicht er- Die Entstehung des Aunelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 175 reicht; die untere Hemisphäre besitzt zur Zeit überhaupt keine Gan- glienzellen. Ein ähnlich gebautes Nervensystem findet sich als bleibendes Or- gan nur bei einer Thiergruppe: bei den eraspedoten Medusen. Die Übereinstimmung des Gentralorgans derselben mit dem Prototroch- nervensystem der Lopadorhynchuslarve ist in den wesentlichsten Be- ziehungen ziemlich vollständig. In beiden Fällen besteht ein geschlos- sener Faserring, der die Ausläufer anliegender Ganglienzellen aufnimmt, ja, es scheint nach den Mittheilungen von O. und R. Herrwie, dass auch bei den Medusen gewöhnlich zwei verschiedene Formen von Nerven- zellen an der Herstellung des Ringsystems betheiligt sind. Dass nebenbei Unterschiede vorliegen, musste im Voraus erwartet werden. Meisten- theils ist das Gentralorgan der Medusen aus einem oberen und einem unteren Nervenring zusammengesetzt, die jedoch dicht bei einander liegen und aufs engste verknüpft sind. Bei allen mir bekannten Poly- chaetenlarven besteht der Ringnerv dagegen aus einem nicht gespal- tenen Strang. Doch ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass dieser Strang auch ontogenetisch durch die Verschmelzung zweier Reifen ent- steht, wenn das schon nicht gerade wahrscheinlich sein dürfte. Anderer- seits giebt es Medusen, die gleichfalls nur einen Ringfaserstrang be- sitzen, so die Charybdeiden nach Craus. Ferner bestehen die Fasern des Ringnerven der Medusen zum großen Theil aus den Ausläufern von Sinneszellen, während für die Polychaetenlarven solch ein un- mittelbarer Zusammenhang des Centralorgans mit peripherischen Ele- menten:nicht vorhanden ist oder doch wenigstens nicht nachgewiesen werden konnte. Doch geben die Gebrüder Herrwie selbst an, dass der untere Nervenring der Medusen fast völlig von der Verbindung mit dem Epithel abgelöst ist. Diese Unterschiede sind also nicht von solchem Werth, dass sie die Bedeutung der wesentlicheren Überein- stimmungen beeinträchtigen könnten. Das Gentralnervensystem der Medusen liegt immer im Schirmrande, meist dicht an der Ansatzstelle des Velums; jenes der Annelidenlarven mit seinem faserigen Abschnitt wie mit seinen Zellen unmittelbar am Bewegungsapparat des Prototrochs. Die Lagebeziehungen des Schirm- randes mit dem ihm angehörigen Velum, und des Prototrochs zum Ge- sammtkörper sind dieselben: beide bestimmen die Grenze zwischen der unteren oralen und der oberen aboralen Fläche. Beide sind ferner die hauptsächlichen Bewegungswerkzeuge des Thieres. Allein die kontrak- tilen Elemente sind sehr verschiedener Natur. Bei den Medusen er- zeugen ausgebreitete Ringmuskeln Gestaltveränderungen des ganzen Körpers, die eine fortschreitende Bewegung zur Folge haben; bei den 176 Nicolaus Kleinenberg, Annelidenlarven besteht zwar auch ein Ringmuskel im Bereich des Prototrochs, doch ist er verhältnismäßig schwach und seine Kontraktion könnte, auch wenn er viel stärker wäre, der Form des Körpers wegen, keine Lokomotion hervorbringen — diese wird dagegen durch das ge- regelte Spiel der großen Prototrochwimpern bewirkt. Dem entspricht natürlich auch die Verschiedenheit des Baues; der Schirmrand und das Velum sind vorspringende Ektodermfalten, in deren Innerem reichliche Muskelfasern verlaufen ; die drei Zellenreifen des Prototrochs liegen unter dem Niveau des Körpers, und die treibende Fläche wird von der Ge- sammtheit der kontraktilen Anhänge des mittleren Zellringes hergestellt. Es ist gewiss nicht leicht, den Bewegungsapparat des Prototrochs auf den Schirmrand oder das Velum zurückzuführen; der Hinweis auf die Ctenophoren ist nur am Platz so weit er zeigt, dass auch bei Gölen- teraten Flimmerbildungen als Lokomotionswerkzeuge zur Verwendung kommen, aber die Wimperrippen haben doch mit dem Schirmrande der Medusen nichts zu thun. Man kann sich vorstellen, dass die Ektoderm- zellen am äußersten freien Rande des Velums einer Meduse Flimmer- haare entwickelten und dass die Bewegung derselben für die Lokomo- tion wichtiger wurde, als die Muskelkontraktion; dann war eine vor- springende Falte der Körperwand nicht mehr nöthig und Velum und Schirmrand konnten redueirt werden bis auf die flimmertragenden Zellen: es ist nicht unmöglich, dass von den drei Zellreihen des Proto- trochs die obere den letzten Überrest des umbrellaren Epithels, die mittlere dem Rande des Velums und die untere das subumbrellare Epithel darstellt. Mag aber auch die Umwandlung in anderer Weise vor sich gegangen sein, immerhin erscheinen mir die Lagebeziehungen zum Gesammtkörper und zum Centralnervensystem hinreichend, um die Homologie des Prototrochs der Annelidenlarven mit dem Schirmrand und dem Velum der Medusen anzunehmen. Ä Giebt man diese Homologie zu, so würde man ein fertiges ge- schlechtsreifes Thier von der Organisation der Lopadorhynchuslarve im System gewiss entweder in die Ordnung der Hydromedusen ein- stellen oder wenigstens am nächsten zu diesen setzen. Die Prineipien der Klassifikation müssen aber dieselben bleiben, ob es sich um die Endstadien oder um die Zwischenstadien eines Evolutionsceyklus handelt, und wenn ich in der Entwicklung eines Annelids eine Form finde, die von der Annelidenorganisation gar nichts besitzt, dagegen in den wesentlichsten Theilen einer Meduse gleichartig ist, so nehme ich sie auch nicht für ein Annelid sondern für eine Meduse. Dass einem solchen Organismus manche Dinge fehlen, die zum Schulbegriff einer Meduse gehören, ist ganz in der Ordnung und wird Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus, 177 um so leichter verständlich, wenn man sich erinnert, wie viele der be- sonderen Medusencharaktere selbst den Hydroidpolypen mangeln, mit denen jene noch im ontogenetischen Zusammenhange stehen. Störender würden funktionirende Organe sein, die im Medusenorganismus nicht vertreten sind. Solche bestehen aber in den jungen Larven nicht: es sind zwar einige Anlagen vorhanden, allein diese befinden sich in einem Zustande, der jede Theilnahme an den physiologischen Leistungen aus- schließt. Es sind dem Medusenorganismus eingepflanzte Keime einer anderen Thierform, deren Entwicklung gerade die Auflösung des alten Verbandes zur Folge hat. Ein bedeutsamer Unterschied ist dagegen in der Vertheilung der Ganglienzellen, welche nicht in das Ringsystem eingezogen sind, ge- geben. Bei den Medusen finden sich die zum Theil sehr ausgedehnten Plexus immer im Ektoderm der muskulösen Subumbrella, während die Umbrella, so weit bekannt, gar keine Ganglienzellen enthält. Die Anne- lidenlarven besitzen dagegen centrale Nervenelemente nur auf der Um- \ brella, erst viel später erscheinen solche auch auf der Subumbrella. Dem entsprechend hat das hauptsächliche Sinneswerkzeug der Larve, das Scheitelorgan, seinen Sitz gleichfalls auf der Umbrella. Es ent- steht nach der Ausbildung des medusoiden Nervensystems, muss aber der Organisation der Larve zugerechnet werden, da es vom Anne- ‚ lidenkörper ausgeschlossen bleibt. Damit ist eine für spätere Entwick- lungsvorgänge maßgebende Lokalisation der Sinnesthätigkeit am oberen ' Pol festgestellt, die weder bei den typischen Medusen noch bei den Anneliden vorkommt. Das betreffende Entwicklungsstadium bezeichnet eine phylogenetische Zwischenform, die aus einer craspedoten Meduse ‚ hervorgegangen ist und die Grundmerkmale des Cölenteratentypus ‚ noch bewahrt. Ein solches Geschöpf ist als finaler Zustand freilich nicht nachzuweisen. Doch bieten wiederum die Gtenophoren das Bei- spiel eines Sinnesorgans — und zwar des einzigen höher entwickelten, ' das sie besitzen — am aboralen Pol. Leider ist die systematische ‚ Stellung der Ctenophoren zu den übrigen Cölenteraten noch sehr un- | Sicher; mögen sie aber von eraspedoten Medusen abstammen oder sich ‚aus einer gemeinsamen Stammform von den Anthozoen abgezweigt ‚ haben, in jedem Falle beweisen sie, dass die Möglichkeit der Ausbil- ‚ dung eines wichtigen Sinnesorgans am aboralen Pol gegeben war. Die ‚ Thatsachen gestatten also dieselbe Möglichkeit für die Vorfahren der ‚ Annelidenlarven geltend zu machen und anzunehmen, dass in der phylogenctischen Reihe auf das medusenartige Thier eine Form mit ‚ Sinnesorganen und dem entsprechenden Nervensystem im Bereich der | Umbrella gefolgt sei. Natürlich ist damit nicht der nähere Zusammen- | Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLIV. Bd. 42 RR 178 Nicolaus Kleinenberg, hang dieser hypothetischen Cölenteratenform mit den Rippenquallen behauptet, denn dies ist durch das Fehlen des Ringnervensystems bei den letzteren ausgeschlossen. Für die vergänglichen Ganglienzellen und die primitiven Sinnes- organe im oralen Körperabschnitt der Larve besteht keine Schwierig- keit — sie können von den entsprechenden Elementen der Subumbrella einer Meduse abgeleitet werden. Und die übrigen Larvenorgane, die Bauchdrüse, das Bauch- und Kopfschild, sind wenig tief in die Organisation eingreifende und dabei so unbeständige Bildungen, dass sie nicht als integrirende Bestandtheile, sondern als specielle Anpassungen aufgefasst werden müssen. Ein anderes Organ, das von Hırscnzk zu den Larvenbestandtheilen gerechnet wird, ist die sogenannte Kopfniere. Bei Lopadorhynchus und den Phyllodociden konnte ich sie nicht auffinden, dagegen kenne ich sie wohl von anderen Chaetopoden. Sie tritt zu sehr verschiedenen Zeiten auf. Wann sie bei Polygordius erscheint, ist nicht zu wissen, da sie schon bei der jüngsten von HartscuHek beobachteten Larve vorhanden war, und diese Larve enthält bereits einige Annelidenorgane, besonders das Kopfganglion, in weit vorgeschrittenem Zustande; bei Eupomatus hat derselbe Forscher die Entstehung der Kopfniere dagegen bei recht jungen Larven festgestellt. Gehörte dies Organ wirklich der Larve — in dem Sinne, wie ich sie auffasse — an, so würde es ein schwer zu überwindendes Hindernis für die Gleichstellung derselben mit einer Meduse sein. Allein ich gebe das nicht zu, weil die Kopfniere nicht nur aus einer Anlage des Annelidenkörpers entspringt, sondern auch zu einem bleibenden Bestandtheil der finalen Organisation wird. Dasselbe gilt für die Gehörorgane, welche von HATScHEK neuer- dings gleichfalls unter die integrirenden Organe seines Trochozoon auf- genommen sind. | Die Nothwendigkeit, die bilateralen Thiere auf radiale, cölente- ratenartige Formen zurückzuführen, ist seit langer Zeit anerkannt und GEGENBAUR, HAECKEL, Ray LAnkESTER und Andere haben Versuche ge- macht, den Übergang verständlich erscheinen zu lassen — nur SEmpER spricht, wenn ich mich recht erinnere, irgend wo die Hoffnung aus, um- gekehrt die radial gebauten Thiere von Bilaterien abzuleiten. BaLrour ging über die allgemeinen Anläufe hinaus und bezeichnete mit Bestimmt- | heit einen medusenartigen Organismus als gemeinsamen Ausgangspunkt der folgenden Larven: Pilidium, Echinodermenlarven, Trochosphaera, | Tornaria, Actinotrocha und Brachiopodenlarven. Ich schließe mich, wie | sich aus den vorstehenden Erörterungen ergiebt, dieser Auffassung im | Wesentlichen an. Nur geht die Beweisführung verschiedene Wege: | | 1 Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 179 Barrour vergleicht die äußere Form des Körpers, die Stellung der Wimperkränze, die Lage des Mundes, und einige andere morphologische Merkmale der erwähnten Larven und folgert daraus: Die Urform aller dieser Gruppen war ein radial symmetrischer Organismus, der unge- fähr einer Meduse glich. Der Mund lag im Centrum einer abgeplat- teten ventralen Oberfläche. Die aborale Fläche war gewölbt. Um den Rand der ovalen Fläche lief ein Flimmerring und wahrscheinlich ein Nervenring mit Sinnesorganen. Der Darmkanal war in zwei oder mehr Divertikel verlängert; ein After bestand nicht!. Ich bin dagegen durch die Untersuchung des CGentralnervensystems der Annelidenlarven, das Barrour unbekannt war, auf eine Stammform geführt worden, die einer eraspedoten Meduse viel näher steht, als der von BaLrour aufgestellte hypothetische Organismus. Auch Harscnek lässt neuerdings eine radiale Grundform für die Bi- laterien zu. Früher hatte er denselben schon eine bilateral symme- trische Blastula zugeschrieben?. In der Entwicklungsgeschichte von Sipuneulus leitet er dagegen die Trochophora von der einachsigen Ga- strula derart ab, dass sich die aborale Kuppel der letzteren durch den präoralen Wimperkranz abgrenzt und in das Scheitelfeld verwandelt, während in der postoralen Region durch die partielle Schließung des Gastrulamundes der bilaterale Bau der Larve bedingt wird®. Wie man sieht kommen die Cölenteraten dabei nur so weit ins Spiel, als die Gastrula mit ihnen zusammenhängt und dabei sind die Schlüsse auf Achsenkonstruktionen gegründet — ich bin kein Achsenzoologe. Es sollte kaum der ausdrücklichen Bemerkung bedürfen, dass die Einführung der medusoiden Larvenform die Trochosphaera oder Tro- chophora, wie Harscaek sie nennt, nicht aus der Generationsreihe der Anneliden, Mollusken und höherer Metazoen ausschließt. Nur muss sie nach meiner Betrachtungsweise an eine andere Stelle gesetzt wer- den. Natürlich kann aus dem medusoiden Organismus nicht gleich ein vollkommenes Annelid hervorgegangen sein: als Zwischenform er- kenne ich die Trochosphaera an. Sermper und Harsuek, denen auch Barrour sich anschließt, erklären dieselbe geradezu für ein Rotifer — eine Auffassung, die auf einige starke Gründe gestützt ist, wie mir scheint aber doch etwas zu weit geht. Aus eigener Erfahrung ist mir ' die Anatomie und Entwicklung der Rotiferen nur sehr oberflächlich be- _ kannt und die Litteratur lässt eine gründliche Neubearbeitung wün- schen. Nach den vorhandenen Kenntnissen stellt das Nervensystem 1 Comparative Embryology. II. p. 317. 2 Studien über die Entw. der Anneliden, Arb. Zool. Inst. zu Wien. I. p. 9. 3 Arb. Zool. Inst. zu Wien. V. p. 73. 19* 180 Nicolaus Kleinenberg, dieser Gruppe ein wenig ursprüngliches Verhalten dar und die ver- gleichende Anatomie und die Entwicklungsgeschichte deuten auf sehr eingreifende Um- und Rückbildungen hin. Ich glaube in der That, dass die Rotiferen zum Theil rückgebildete Geschöpfe sind, gebe dabei aber die Möglichkeit zu, dass sie sich von einer alten Form abgezweigt und einige Merkmale derselben bewahrt haben. SEMPER und Harscher gehen übrigens in der Auffassung des Trocho- sphaeraorganismus recht weit aus einander. Der Erstere erblickt in ihm die Vereinigung zweier Segmente, deren Entwicklung den scharfen Gegensatz von Strobilation und Segmentation zeigt und das eine zum Kopf, das andere zum Rumpf macht. Seuper hat damit den ersten mir bekannten Versuch gemacht, eine ursprüngliche Verschiedenheit zwischen Kopfabschnitt und Rumpfabschnitt für alle gegliederten Thiere entwicklungsgeschichtlich zu begründen, allein dieser Versuch ist nicht geglückt. Ich habe mich schon nach Untersuchung der embryonalen Entwicklung von Lumbriceus ablehnend dagegen verhalten und schließe mich der ausführlicheren Widerlegung Harscher’s für die Anneliden mit Larvenentwicklung an. Semper hat gewissen Erscheinungen bei der Knospung der Naiden offenbar zu großen Werth beigelegt und sie wohl auch nicht ganz richtig dargestellt, trotzdem seine Beobachtungen und Folgerungen zum Theil von Kenner für die Knospung von Ctenodri- lus bestätigt worden sind. Harscnzr’s Abgrenzung des Kopfes der Polygordiuslarve ist schon früher dargelegt worden. Neuerdings hat er seine ursprüngliche Auf- fassung noch weiter getrieben und ein wenig umgestaltet: der ganze Körper der Rotatorien soll nur dem Kopf der Anneliden entsprechen, »oder genauer gesagt, dass der Rumpf der letzteren auch phylogene- tisch aus einem ursprünglich sehr unbedeutenden Abschnitte sich ent- wickelte, so dass man ganz wohl von einer Neubildung desselben sprechen kann !.c Die ganze Trochophora, Umbrella und Subumbrella zusammen ist also Kopf. Ich glaube, dass hier Harscnuek in einen ähn- lichen Fehler verfällt wie Semper: die zufällige Wahl seines ersten Be- obachtungsobjektes hat zu großen Einfluss auf die allgemeinen Folge- rungen ausgeübt. Bei Polygordius geht die Bildung des Rumpfes aller- dings so vor sich, dass derselbe bis zum Schluss der Verwandlung als ein dünner langer Anhang der in ihrer größten Ausdehnung fast un- verändert erhaltenen Subumbrella erscheint. Ich kann aus eigener Erfahrung hinzufügen, dass mehrere der systematisch so weit abliegen- den Röhrenwürmer in der Form ihrer Larven mit Polygordius überein- 1 Zur Entw. des Kopfes von Polygordius. Arb. Zool. Inst. zu Wien. VI. 1885. p. 10. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus, 181 stimmen. Bei den meisten Polychaeten verhalten sich die Dinge anders und zwar so, wie ich es für Lopadorhynchus dargestellt habe. Die Keimstreifen, d.h. die Neural- und Muskelplatten, wachsen bis dicht an den Prototroch hinan: das erste Bauchganglion und das ihm ent- sprechende Segment entstehen also unmittelbar unter dem präoralen Wimperkranz, was zur Folge hat, dass der Mund in dieses erste Seg- ment aufgenommen wird. Nun habe ich schon vorhin gezeigt, dass der erste Bauchknoten, das untere Schlundganglion, sich gerade so anlegt, wie die folgenden Ganglien der Bauchkette und nur als der vorderste Abschnitt derselben aufgefasst werden kann; die Körpersegmente ent- stehen auch alle auf dieselbe Weise, die hauptsächlichen Organdiffe- renzirungen sind immer im ersten, dem unteren Schlundganglion an- gehörigen Segment am weitesten vorgeschritten, wenn schon dies sich auf der Rückenfläche am spätesten schließt — letzterer Umstand ergab sich einfach als Folge der Form der Larve und der Art wie der Annelidenkörper auf ihr erwächst. Eben so wie Lopadorhynchus ver- halten sich der Polygordius nahe verwandte Saccocirrus, die Eunieiden, Capitelliden, Nereiden, Aphroditeen und Phyllodociden — mit einer später zu erwähnenden Ausnahme; Übergangsformen von diesen zu Polygordius sind durch einige Tubicolen und Nephthys gegeben. Dass die vordersten Segmente gewöhnlich anders gestaltete Anhänge haben als die nachfolgenden, dass sie bald besonders stark ausgebildet, bald merklich verkümmert sind, dass sie bei Aphroditeen, Amphinomeen und anderen ihre ursprünglichen Lagebeziehungen einigermaßen ändern — das sind untergeordnete Merkmale, deren Bedeutung durch den ent- wicklungsgeschichtlichen Nachweis identischer Anlagen für alle Körper- ringe aufgehoben wird. Ich rechne sie daher alle zum Rumpf und da sie bei den erwähnten Larven die gesammte orale Hemisphäre ein- nehmen, folgt, dass aus der Subumbrella allein der Rumpf des Anne- lids und nichts Anderes hervorgeht. Auch bei Polygordius dürfte die Grenze zwischen der Rumpfanlage und dem Abschnitt der Subum- brella, welchem Harscuer den Kopf zuertheilt, in dem späteren Stadium kaum festzustellen sein und bei der Polygordiuslarve, die ich unter- suchte, betheiligt sich der außerhalb des Rumpfes befindliche Theil der larvalen Subumbrella überhaupt nicht am Aufbau des Annelidenkör- pers, sondern wird zusammen mit dem Prototroch und einem Stück der Umbrella während der Verwandlung abgeworfen. Die medusoide Larve ist vom Prototroch, der die ganze Dicke des Ektoderms durchsetzt, in zwei Hälften geschieden, und diese scharfe Sonderung beeinflusst in hohem Grade die einzelnen Entwicklungsvor- sänge. Im Bereich der Umbrella kommt es nie zur Bildung von Seg- 182 i Nicolaus Kleinenberg, menten, hier entstehen nur das Ganglion und die Sinnesorgane des Kopfes. Darum bezeichne ich auch nur den Theil des Körpers als Kopf, der auf der Umbrella der Larve erwächst. Diese Auffassung scheint mir wenigstens den Vortheil zu haben, dass sie eine wirklich nachweis- bare Grenze zwischen Kopf und Rumpf zieht. In entwicklungsgeschicht- licher Beziehung war das Wort Kopf bisher so unbestimmt, dass man am besten gethan hätte, seinen Gebrauch bloß auf die topographische Anatomie der Menschen zu beschränken — selbst in der Reihe der Wirbelthiere ist nicht mit Sicherheit festzustellen wo der Kopf anfängt oder aufhört. Dass meine Definition gegen die konventionelle Sprache verstößt, hat nicht viel zu sagen; Kenner, der die Möglichkeit dieser Begriffsbestimmung andeutet, schreckt vor der Konsequenz zurück, den Mund nicht mehr als Kopforgan betrachten zu dürfen—nun, ich würde es schon übernehmen, auch einen von allen wissenschaftlichen Grillen unberührten Philister zu überzeugen, dass der Mund zum Bauch gehört, würde aber schweren Stand haben, ihn glauben zu machen, dass der Schwanz — wie HartscHek will — nur ein Kopflappen sei. Selbstver- ständlich rechne ich dann auch die sogenannte Kopfniere und die Ge- hörbläschen nicht zum Kopf, sondern zum Rumpf. Will man das Wort Kopf für eine topographische Region, welche die verschiedenartigsten Dinge umschließt, beibehalten, so mag man für den aus der Umbrella hervorgegangenen Körperabschnitt die Huxıryv’'sche Bezeichnung Prästo- mium wählen. Was aber das Nervensystem anbetrifft, so bin ich überzeugt, dass es in all’ den Gestalten, welche das Trochozoon unter den geistigen Augen seiner Schöpfer angenommen hat, falsch konstruirt worden ist und dass damit der Ausgangspunkt für die Entwicklung der Centralorgane der höheren Thiere an eine Stelle verlegt wird, wo er sich ganz und gar nicht findet. Die allgemeinsten Thatsachen der Ontogenie des Nerven- systems bei Anneliden, Arthropoden, Mollusken etc. werden nur durch das medusoide Gentralorgan der Larven zum Verständnis gebracht. Ich zeigte schon vorhin, wie dem anfänglichen Nervensystem ein Sinnesorgan am Scheitelpol sich zufügt; um dieses sammeln sich Gan- glienzellen an und so vervollständigt sich das nervöse Geflecht der Umbrella immer mehr. Dann entsteht auch am Gegenpol ein Apparat von Sinnesorganen und Ganglienzellen, der durch den Rückennerven mit der dorsalen Gruppe der Prototrochnervenzellen und durch diese mit dem Ringnerven kommunieirt. So ist für den gesammten Larven- körper ein ausgedehntes Nervensystem hergestellt, dessen Gentralorgan immer noch seinen Sitz im Prototroch hat. Unterdessen entwickeln sich die Anlagen des Annelidennerven- Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 183 systems: auf der Umbrella mehrere paarige Sinnesorgane und direkt differenzirte Ganglienzellen für das Gehirn; auf der Subumbrella oder, wenn man will, am Gegenpol, die Neuromuskelanlage, aus welcher der Bauchstrang hervorgeht und zu diesen kommt noch die Neuromuskel- anlage, die sich am Aufbau des Schlundringes betheiligt. Alle diese drei Anlagen entstehen getrennt von einander, befinden sich aber in physiologischem Austausch mit den nächst gelegenen Ganglienzellen der umbrellaren und subumbrellaren Geflechte, mit dem Prototroch- nervensystem und allein durch dies mit einander — in anderen Wor- ten, auch für sie erscheint der medusoide Apparat als Centralorgan. Indem nun aus den indifferenten Elementen der Anlagen des bleiben- den Centralsystems Ganglienzellen hervorgehen, entwickeln sich neue und direktere Leitungsbahnen zwischen ihnen, immer aber in Anlehnung und durch Vermittelung des medusoiden Centralorgans. Allmählich wird der Ringnerv für den Hauptfaserzug, der von der Umbrella und von der Subumbrella herkommt, eine bloße Durchgangsstation, es stellt sich die Schlundkommissur her und da nun auch die Sinnesorgane des Annelids hinreichend ausgebildet sind, kann der medusoide nervöse Bestand aufgelöst werden: das Prototrochnervensystem, die Ganglien- geflechte der Umbrella und Subumbrella und die Sinnesorgane der Larve gehen zu Grunde — nur ganz geringe und zweifelhafte Spuren bleiben von ihnen im Annelidennervensystem, das sie verdrängt, zurück. In meiner Darstellung dreht sich die Entwicklung der Centralor- gane des Annelids um den Angelpunkt des medusoiden Nervensystems der Larve: da dies nicht bekannt war, ist leicht verständlich, warum die früheren Theorien mit meinen Angaben in Widerspruch sind. Am stärksten ist der Gegensatz zu der Hypothese Bırrour’s, gerade desshalb, weil wir Beide von sehr ähnlichen phylogenetischen Grundformen aus- gehen. Er stellt sich die Entstehung des bilateral symmetrischen Thier- körpers so dar, dass ein radialer Organismus von der Gestalt einer Me- duse in einem Durchmesser des Äquators verlängert wird und zwar un- gleichmäßig mit Rücksicht auf den Anfangs im Centrum der Unterfläche gelegenen Mund: es entsteht auf diese Weise ein ovaler Körper mit kleinerem präoralen und größerem postoralem Abschnitt: der erste Kopftheil, der zweite Rumpf; die gewölbte aborale Fläche Rücken- seite, das flache orale Feld Bauchseite. Da am kreisförmigen Rande des ursprünglichen Geschöpfes ein Nervenring angenommen ist, muss dieser bei starker Streckung in einer Richtung die Gestalt zweier pa- ralleler, vorn und hinten gekrümmt in einander übergehender Stränge erhalten — aus dem präoralen Abschnitt dieser Schlinge soll das Kopf- 184 Nicolaus Kleinenberg, ganglion, aus dem postoralen Abschnitt der paarige Bauchstrang her- vorgehen. Setzt man voraus, dass der Wimperring der Annelidenlarven dem Wimperring der hypothetischen medusenartigen Stammform homolog ist, wie BaLrour selbst annimmt, dann widersprechen die ontogeneti- schen Thatsachen der gegebenen Umwandlung eines radialen in einen bilateralen Körper. Bei keinem Wurm bezeichnet der präorale Ring die Grenze zwischen Bauch und Rücken, überall wird aus der Um- 'brella der Kopf, aus der Subumbrella der Rumpf. Daher ist auch die Existenz eines Prototrochnervensystems unvereinbar mit BaLrour’s Versuch, das Kopfganglion und den Bauchstrang vom Ringnerven der Medusen abzuleiten. Das Prototrochnervensystem der Larve steht senk- recht zur Bauchkette der Anneliden, welche der Längsachse des Kör- pers parallel verläuft: so sehr sich die Larve strecken mag, kann dies doch nur auf die relative Lage des Prototrochs, nicht aber auf seine Form Einfluss haben; der kreisförmige Prototrochnerv wird dadurch in keinem Fallzu zwei parallelen Strängen verzogen. Meine Untersuchungen beweisen aber noch mehr: sie zeigen nicht nur, dass die von BaLrour erdachte mechanische Umgestaltung des radialen in das bilaterale Ner- vensystem auf Widersprüche stößt, sondern auch, dass die Centralorgane der Anneliden überhaupt nicht aus jenen der Medusen hervorgegangen sein können: das Prototrochnervensystem hat eben keinen materiellen Antheil am Aufbau des Kopfganglions und des Bauchstranges. BaLrour, der in seinen Spekulationen eben so kühn wie besonnen war, stellte jene Hypothese mit großem Rückhalt auf, ja er lässt die Möglich- keit einer ganz anderen Erklärung zu, dass nämlich das apikale Sinnes- organ vom Pilidium und das obere Schlundganglion der Anneliden mit dem Gehörorgan der Gtenophoren in Zusammenhang ständen und meint, dass diese Auffassung in befriedigendem Einklang mit dem getrennten Auftreten von Kopfganglion und Bauchstrang sei!. Letzteres vermag ich nicht recht einzusehen. Denn Barrour giebt für diesen Fall weder die Entstehung der Bauchkette noch die Herstellung des Schlundringes an — wenn man einen ctenophorenartigen Organismus als Ausgangs- punkt setzt, kommt damit der Ringnerv ganz außer Spiel. Wie mir das Verhältnis des Sinnesorgans der Ctenophoren zum Scheitelorgan der Annelidenlarven erscheint, deutete ich schon vorhin an. Die Nachfolger haben dann wie gewöhnlich nur die Fehler des | Meisters sich angeeignet und Barrour’s vorsichtige Andeutungen mit | erschrecklicher Sicherheit zu Lehrsätzen gemacht. _So vor Allem 1 Comparative Embryology. II. p. 343. —n — - —. men Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 185 A. Sepewier!. Er setzt an Stelle des Medusennervensystems einen Ring um die Mundöffnung der Actinien, der offenbar aus Kautschuk be- stehend gedacht ist: indem das Ding hin und her gezerrt, ihm hier ein Stück abgeschnitten, dort ein Fetzen angesetzt wird, entstehen im Handumdrehen unter den Augen des freudig erstaunten Zuschauers ‚die schönsten Nervensysteme sämmtlicher existirender und nicht exi- stirender Thiere — die Hirnhemisphären des Menschen nicht zu ver- gessen. Bei Ausübung solcher Salonkünste können embryologische Thatsachen nur unbequem werden, Sepgwick schafft daher die Ent- wicklungsgeschichte, so weit sie auf Beobachtung gegründet ist, gänz- lich ab. Fraıpont 2 nimmt die Senewıck’sche Actinie, verwandelt diese nach dem Vorgange O. Herrwie’s in eine Sagitta und glaubt so das Zwischen- glied für die niederen Anneliden hergestellt. Auch in dieser Behand- lung des Problems tritt die Entwicklungsgeschichte durchaus in den Hintergrund, an ihre Stelle kommt die Herrwic’sche Methode: aus einigen histologischen Beobachtungen wird auf die Entstehung der Or- gane, den Stammbaum etc. geschlossen. Das Vorhandensein des Prototrochnervensystems bei den meisten Annelidenlarven kann für Niemanden, der einigermaßen feinere Unter- suchungen auszuführen versteht, zweifelhaft bleiben, es muss dasselbe . also irgend wie bei der Entwicklung in Rechnung gebracht werden. Nur über seine Bedeutung ist die Diskussion zulässig. Ich fasse es als das ursprüngliche Centralorgan auf, Andere sind geneigt darin eine se- kundäre peripherische Bildung, eben nur den Nerven für das Wimper- organ zu erblicken. So bestimmt ich mich auch dagegen ausgesprochen habe, will ich doch nicht verschweigen, dass die unvollständige und zum Theil selbst ungenaue Darstellung in meiner vorläufigen Mitthei- lung der Meinungsverschiedenheit weiteren Spielraum ließ, als ihr that- sächlich zukommt. Es ist daher auf Grundlage der vervollkommneten Gestalt, welche die Thatsachen durch die in dieser Schrift enthaltenen neueren Untersuchungen bekommen haben, dass ich die Frage wieder aufnehme. Dass das in der Ontogenie der Anneliden auftretende Prototroch- nervensystem genau dieselbe Lage hat, wie das Centralorgan der Me- dusen oder der hypothetischen Ausgangsform Barrour's, ist klar. Soll also das eine dem anderen nicht entsprechen, so muss angenommen 1 On the origin of metameric Segmentation and some other morphological questions. Quart. Journ. of Microsc. Science. 1884. 2 Systeme nerveux central et peripherique des Archiannelides. Archives de Biologie. V. 1884. 186 Nicolaus Kleinenberg, werden, das ursprüngliche Centralorgan sei in der Larve entweder ganz unterdrückt, oder bis zur Unkenntlichkeit verändert, an irgend welche entfernten Körpertheile hin verlegt worden, bloß um einem peripheri- schen Nerven des Wimperorgans Platz zu machen. Man wird zugeben, dass eine solche Hypothese überaus unwahrscheinlich ist, unmöglich wird sie aber durch die Verhältnisse, welche beim ersten Auftreten des medusoiden Nervensystems der Larve bestehen. Denn während dies schon vollkommen hergestellt und funktionstüchtig ist, giebt es — ich wiederhole dies nochmals — im ganzen Larvenkörper kein anderes nervöses Gebilde, das auch nur im entferntesten als Gentralorgan ge- nommen werden könnte. Meine Darstellung enthält dazu sehr wahr- scheinlich nicht einmal die reinste Form des Prototrochnervensystems, die in jüngeren Larven als mir zu Gebote standen vorhanden sein wird. Hırscuek bemerkt, dass bei Eupomatus, als der Ringnerv schon einen ansehnlichen Strang darstellte, keine anderen Nerven nachweisbar waren, vermuthet jedoch, dass solche in ähnlicher Weise wie bei Poly- gordius bestehen, und nur in Folge der Schwierigkeit der Untersuchung nicht erkannt wurden!. Ich bin überzeugt, dass diese Vermuthung im Wesentlichen richtig ist, halte aber für wahrscheinlicher, dass die Ver- hältnisse dem Zustande der jüngsten Lopadorhynchuslarve näher kommen werden, alsjenem der weit entwickelten Polygordiuslarve, mit der HAr- scaeX’s Arbeit beginnt, es werden sich Ganglienzellen dicht am Ring- nerven finden, Nervenfasern mögen außerdem zwischen dem bereits vorhandenen Sinnesorgan des Scheitels und dem Prototrochnervensy- stem verlaufen. Es ist wahr, dass bei der jüngsten Lopadorhynchuslarve, die ich beschrieben habe, bereits einige Theile, aus denen der Centralapparat des Annelids hervorgeht, im Entstehen begriffen sind. Diese Anlagen müssen als physiologisch nicht vorhanden betrachtet werden. Dass sie mit dem Nervensystem etwas zu thun haben, ergiebt sich erst viel später aus ihrer weiteren Entwicklung, gegenwärtig bestehen sie bloß aus Zellen, deren Lebensthätigkeit allein auf die Ernährung und Fortpflan- zung beschränkt ist; Ganglienzellen enthalten sie nicht, können folglich auch nicht als Gentralorgane dienen. Wenn ich vorhin für unmöglich erklärte, das Prototrochnerven- system unter den gegebenen Verhältnissen als peripherischen Nerven aufzufassen, so hatte ich dabei die Leser im Auge, deren Denken sich auf den Bahnen bewegt, welche der größte Embryolog der Welt, C. F. WoLFr, vorgezeichnet hat. Allein in der Bewegung der letzten Jahre erkennt, 1 Entw. von Eupomatus. p. 19. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 187 wer vom Flitter moderner Phrasen nicht geblendet ist, eine deut- liche reaktionäre Tendenz gegen die Marricat-Harer’sche Evolutions- theorie hin. Es ist der scholastisch zugespitzte Begriff der Erblichkeit, der wieder dazu führt die wesentlichen Theile des Organismus im Ei anzunehmen. Unter solchen Voraussetzungen können die vorstehen- den Erörterungen natürlich keinen Anspruch auf Bündigkeit machen: man möchte dagegen einwenden, dass das Annelidennervensystem von Anfang an virtuell in der Larve besteht und dass aus demselben zuerst ein peripherischer Nerv für das Flimmerorgan in die Erscheinung tritt. Diesen Einwand diskutiren zu wollen würde unsinnig sein, denn es gehörte dazu eine Verständigung über die Grundprineipien der Ent- wieklungsgeschichte, die zu versuchen hier weder die Zeit noch der Ort ist. Und wenn das Prototrochnervensystem bloß ein peripherischer Apparat sein soll, ist nicht einzusehen warum es den postoralen Wim- perkränzen fehlt, trotzdem es unter diesen welche giebt, die als Loko- motionsorgane mindestens dasselbe leisten wie die Prototroche, und auch unter dem Einflusse nervöser Regulirung stehen. Sie kommuni- eiren aber in der That nur durch peripherische Nervenfasern mit dem funktionirenden Centralorgan, besitzen dagegen den Ringnerven mit seinen Ganglienzellen nicht. Doch auch das Vorhandensein des letzteren würde meine Auffassung nicht widerlegen, wo sich nachweisen liebe — wie bereits mehrfach geschehen ist — dass die Paratroche aus einer gemeinsamen Anlage mit dem Prototroch entstehen. Es ist sogar nicht unwahrscheinlich, dass der umbrellare und der subumbrellare Nerven- ring der Medusen sich in den Ringnerven zweier Wimperkränze mancher Annelidenlarven wiederfinden wird: die von Harscaek für Polygordius beschriebenen Verhältnisse sind vielleicht in diesem Sinne zu deuten; andererseits könnte die Spaltung der ursprünglichen Anlage in einem präoralen und einem postoralen Wimperkranz auch die Spal- tung des einfachen Nerven in zwei Reifen zur Folge gehabt haben. All diesen Versuchen, das Centralnervensystem der Anneliden mit jenem der Cölenteraten in irgend eine Verbindung zu bringen, stellen sich die Anschauungen Harscuer’s gegenüber. Im Wesentlichen er- scheinen sie als die embryologische Ausführung der von GEGENBAUR nach ‚ vergleichend anatomischer Methode begründeten Entwicklung des Nervensystems innerhalb des Typus der Würmer. Dass die thatsäch- lichen Befunde Harscazer’s nicht überall an den bedeutsamsten Punkten im Einklang sind, ergab sich schon bei der Analyse seiner Arbeiten im beschreibenden Theil. Ich will das hier übersehen und den Streit auf dem Boden annehmen, den Harsczer in seiner letzten gegen mich ge- 188 Nicolaus Kleinenberg, richteten Publikation abgesteckt hat. Auch mache ich Harscazx Platz, damit er mit eigenem Munde seine Botschaft verkünde. . »In meinen früheren Abhandlungen über Entwicklung der Anneliden habe ich die erste Anlage des Nervensystems folgendermaßen dargestellt: Zuerst ent- stünde eine vordere Ektodermverdickung, die Scheitelplatte. Von dort schreite der Bildungsprocess nach rückwärts fort, indem sich die Ekto- dermverdickung weiter in Form zweier Stränge zu beiden Seiten des Mundes erstrecke; diese bilden die Anlage der Schlundkommissur. Dann schreite der Verdickungsprocess kontinuirlich weiter nach hinten fort und bilde in der Rumpfregion die beiden »Seitenstränge« des Bauchmarkes. Diese Auffassung knüpfte sich besonders an die Beob- achtungen, die ich an Criodrilus angestellt hatte !.c Das ist Harscner’s Standpunkt; der meinige ist hier: ich behaupte, dass für das Kopfgan- glion und für den Bauchstrang zwei getrennte Anlagen entstehen und dass die Schlundkommissur zwischen ihnen sich erst später bildet. Meine Zeugen sind Lumbricus und Lopadorhynchus. Halt! — ehe es losgeht eine Bitte an Professor Harscsek, die seine Kourtoisie gewiss nicht verweigern wird. Ich wünschte nämlich, dass er seine kleinen Insinuationen, die um so versteckter auftreten, je be- stimmter er selbst weiß, wie ungerechtfertigt sie sind, bei Seite ließe, oder doch wenigstens für andere Gelegenheiten und andere Gegner | aufsparte. HatscHek sagt: »Ich gehe davon aus, dass die phylogenetische Entstehung getrennter Nervencentra, die mit einander nicht durch Nervenverbindungen zusammenhängen, als im höchsten Grade unwahr- scheinlich zu betrachten sei... KLEINENBERG hat diese Schwierigkeit in letzter Zeit selbst gefühlt und er versucht den Ringnerven zur Er- klärung derselben herbeizuziehen ?.« Damit soll die Vorstellung erweckt | werden, ich hätte zuerst diese Schwierigkeit als nicht vorhanden be- zeichnet und sie erst nach lächerlich langem Nachdenken herausge- funden. Nun, ich bin immer der Überzeugung gewesen, dass die phy- logenetische Entstehung von Nervencentren, die ohne funktionellen | Zusammenhang sind, nicht bloß, wie Harscuek meint, im höchsten Grade | unwahrscheinlich, sondern einfach unmöglich ist. Die Sache verhält sich aber so: bei Lumbricus fand ich das Kopfganglion und den Bauch- | strang unabhängig von einander entstehen, und diese Thatsache, die ‚mit den kurz vorher bekannt gewordenen Beobachtungen Senrer’s und HarscHeX’s im Widerspruch stand, schien mir um so mehr der Mit- | theilung werth, als sie einmal mit den älteren Angaben Rarukr’s und LeuckArr's für die Hirudineen übereinstimmte und dann in meinen 2 Ibid. p. 8. ! Zur Entw. des Kopfes von Polygordius. p. 6. | | _, Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 189 eigenen Untersuchungen an Polychaeten und Mollusken eine Bestäti- gung gefunden hatte. Dass ich dieser letzteren nicht erwähnte, hatte seinen guten Grund: sie reichten eben hin, mich die allgemeine Be- deutung der Entwicklungsverhältnisse von Lumbricus erkennen zu lassen, waren dagegen nicht vollständig genug, um veröffentlicht zu werden. Jene Arbeit beschränkt sich daher ganz allein auf die Fest- stellung eines ontogenetischen Befundes, von phylogenetischen Ab- leitungen oder physiologischen Erörterungen enthält sie auch nicht die leiseste Spur. Dass diese unumgänglich waren, wusste ich schon vor dem Erscheinen jener Schrift, nämlich in dem Augenblick, da ich den Mangel eines Zusammenhangs der Anlagen von Kopfganglion und Bauch- strang bei Lumbricus erkannte — ich habe nach der Erklärung gesucht und glaube sie gefunden zu haben: darum gab ich der etwa 21/, Jahre später erschienenen kurzen Darstellung der Lopadorhyncehusentwick- lung den Titel: »Über den Ursprung des Centralnervensystems der Anneliden.« Ein paar Zeilen weiter bemerkt Harscaer: »Dabei schildert Kreinen- BERG die Entstehung der Kommissur selbst in seiner letzten Arbeit schon anders als in seinen früheren Angaben.« — In diesem so neben- bei eingeschobenen »schon« steckt die freundliche Absicht, glauben zu machen, ich hätte meine älteren Beobachtungen neuerdings so zuge- schnitten, wie es Damen wohl mit ihrer aus der Mode gekommenen Toilette thun. Fällt mir auch nicht im entferntesten ein. Schon darum nicht, weil ich keinen Grund hatte, die Untersuchung von Lumbricus wieder aufzunehmen. Die Thatsache ist, dass Lumbricus und Lopado- rhynchus zwei verschiedene Thiere sind und dass auch die Entwicklung des Schlundringesbei dem einen nicht gerade so verläuft, wie bei dem anderen. Meine Beobachtungen haben den Fehler, aus etwas sprödem Stoffe gemacht zu sein: entweder sie halten oder sie brechen, letzteres vielleicht häufiger, dann aber scheue ich mich nicht, sie ohne Redens- arten für falsch zu erklären, wie an mehr als einer Stelle dieser Arbeit geschehen ist. Die überraschende Elastieität der Hırscnrr’schen Be- obachtungen mangelt ihnen gänzlich. Nur ein Beispiel: die Schlund- kommissur von Criodrilus. Zuerst ging sie durchaus kontinuirlich in die Seitenstränge der Bauchganglien über, dann »ist wohl möglich, dass eine ganz kleine Unterbrechung derselben durch die Wimperrinne be- dingt wird !« (ob die Unterbrechung ganz klein oder ganz groß ist, bleibt dasselbe); heute wächst sie wieder ununterbrochen in den Bauchstrang aus — und übermorgen? ! Entw. von Sipunculus. p. 72. 190 Nieolaus Kleinenberg, Nun lässt HarscHek mir keine Zeit mehr, sondern geht sehr ener- gisch zum offenen Angriff über. »Gegen die KLEInEnBERG-BaLrour'sche Anschauung lässt sich vor Allem ein schlagender Beweis anführen in den vergleichend anatomischen Thatsachen, denn bei den niederen Annelidenformen bleibt die Schlundkommissur zeitlebens als eine Ver- diekung des Ektoderms mit dem äußeren Epithel in Zusammenhang!.« Es ist auf meine Angabe, dass die Schlundkommissur bei Lumbrieus erst dann entstehe, wenn sich das Kopfganglion vom Ektoderm abgelöst hat, gezielt, getroffen wird aber nur Luft. Denn Harscnzr’s Widerlegung hat doch zur nothwendigen Voraussetzung eine von BALFOUR oder von mir versuchte theoretische Verallgemeinerung der bei Lumbriecus festge- stellten einzelnen Thatsache: davon ist aber nirgends auch nur andeu- tungsweise die Rede, nur HATscaek schiebt sie mir bei seinen pole- mischen Absichten unter. Um der Welt zu verkünden, dass die Schlund- kommissur bei manchen Ringelwürmern beständig im Ektoderm liegt, kamen seine Ur-Anneliden etwas zu spät; es war das eine bekannte Thatsache und von Semper bereits ausführlich erörtert. Ob das Nerven- system sich früher oder später oder gar nicht vom Ektoderm mecha- nisch ablöst, ob fast vollständig oder nur mit einem kleinen Theil, das sind Verhältnisse, die nur diejenigen interessiren können, welche Alles, was unter der Epidermis liegt, für Mesoderm halten. CLarırtpe und Semrer haben nachgewiesen, dass diese Unterschiede außer Beziehung zur systematischen Stellung der Anneliden sind und selbst innerhalb derselben Familie oder desselben Genus in ihren Extremen vertreten sein können. Die Entstehung des Nervensystems von Lumbricus ist meiner Meinung nach erst durch die Larve der Anneliden zum Ver- ständnis gebracht, auf den Umstand aber, dass der Schlundring dort nach, hier vor der Ablösung des Kopfganglions auftritt, legte ich so wenig Gewicht, dass ich dessen nicht einmal erwähnte. Oder will Hırscuek nicht eine imaginäre Folgerung sondern die Thatsachen bestreiten? Dann ist die Sache sehr einfach: er braucht nur zu zeigen, dass meine Untersuchungen an Lumbricus trapezoides einen Irrthum enthalten und ich werde mich dem fügen. Aber Proto- drilus hat damit ganz und gar nichts zu schaffen. Hırscuek verlangt freilich sehr kategorisch: »Bei jeder Ausein- andersetzung über die phylogenetische Beziehung der einzelnen Anne- lidengruppen zu einander, so wie bei jeder Betrachtung über die Ver- wandtschaftsverhältnisse der Anneliden zu den anderen Gruppen der Bilaterien müssen wir auf Polygordius, als die ursprüngliche Anneliden- 1 Entw. des Kopfes von Polygordius. p. 7. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus,. 191 form, zurückkommen. Diesen Gesichtspunkt, den wir als gesicherte Basis gewonnen haben, wollen wir festhalten, und von diesem Ergeb- nis müssen wir stets ausgehen.« Polygordius ist der Heiland für all’ die sündigen Völker des Bilateriums, und auch Johannes der Täufer hat sich in der Gestalt von Protodrilus eingefunden; oder, um zoolo- gischer zu reden, Polygordius ist der Amphioxus, Protodrilus die Ascidie der Anneliden. Aber die Welt ist im Unglauben versunken. Der Am- phioxus und die Ascidie haben schon viel unter Verfolgung zu leiden gehabt — sollte ein kleines Märtyrerthum dem Polygordius und dem Protodrilus ganz erlassen bleiben? Sehr einfache Geschöpfe sind sie gewiss, ob aber sehr ursprüngliche, ist zweifelhaft. Mir sind sie sogar etwas zu einfach für Ausgangsformen der Anneliden. Ich kann mir schwer die Entstehung des Bauchstranges ohne reichlichere Sinnes- organe des Rumpfes, als Polygordius sie während der Entwick- lung und im fertigen Zustande besitzt, denken. In seinen leizten Schriften lässt auch HartscnHek die Möglichkeit zu, dass die Archianne- liden theilweise degenerirte Geschöpfe sind: er fügt die Gehörorgane der Organisation des Trochozoon ein und wird dadurch zu der An- nahme gezwungen, dass Protodrilus und Polygordius dieselben durch Rückbildung verloren haben!. Ich finde außerdem in der Larve von Polygordius, und auch im fertigen Thier, einige verdächtige Berüh- rungspunkte mit der Entwicklung und dem Bau mancher Röhren- würmer, und diese letzteren erscheinen mir unter den Polychaeten als die am weitesten vom Ausgangspunkt entfernte Gruppe. Dem sei aber wie ihm wolle — so wie die Sachen liegen, kann erst durch erneute und auf die verschiedenen Familien ausgedehnte Untersuchungen genauer festgestellt werden, was in der Entwicklung der einzelnen Organe des Annelidenkörpers dem ursprünglichen Zustande entspricht, und wenn sich dabei herausstellt, dass das mit der Stellung, die HıTschek dem Polygordius gegeben hat, nicht stimmt, so wird darin wohl kein ernst- licher Widerspruch zu finden sein. Nun kommt der entscheidende Schlag, den Harscuek gegen mich mit Hilfe seiner neuesten Entdeckung der Entstehung der Sehlundkom- missur bei Polygordius führt. In seiner ersten Arbeit schildert er sie folgendermaßen: »Während der Verkleinerung des Kopfes hat sich ‚eine Verdickung des Ektoderms an der Bauchfläche, zuerst im hinteren | ! Entw. von Eupomatus. p. 4 und ferner: »Bei den meisten Annelidenlarven | — und hierin haben dieselben einen ursprünglichen Charakter bewahrt, welcher | der sonst sehr ursprünglich gebauten Polygordiuslarve abgeht — setzt sich die ado- | tale Wimperrinne nach rückwärts in eine ventrale Wimperrinne fort, welche bis | zur Region des Afters verläuft. « (Kopf von Polygordius. p. 4.) | i I | N 192 | Nicolaus Kleinenberg, Kopfabschnitte, gebildet, welche vom Bauchstrange aus bis zur Mund- öffnung vorschreitet und endlich zu den Seiten derselben nach vorn in die Scheitelplatte übergeht. Wir werden diese Bildung an den Quer- schnitten als Schlundkommissur erkennen!.« Dies wäre ein gene- tisches Verhalten, das dem als Typus dienenden bei Criodrilus genau entgegengesetzt ist. Die neuesten Beobachtungen schließen aber jenen Bildungsmodus völlig aus. Harscaek findet, dass die beiden einfachen Nervenfasern mit den vier eingeschalteten Ganglienzellen nicht, wie er früher angegeben hatte, von der Scheitelplatte zum Flimmerring verlaufen, um an diesem mit einer Anschwellung zu endigen, sondern in die postorale Region sich verlängern bis zur Basis des Rumpfkegels. Dies ist schon bei der ungegliederten Larve nachzuweisen. »Der seitliche Längsnerv, welcher vom Scheitelganglion bis zur Basis des Rumpfkegels sich verfolgen ließ, ist mit der definitiven Schlundkommissur identisch. Die Schlundkom- missur ist also zu jener Zeit schon vorhanden, wo die Anlage des Bauch- markes noch nicht aufgetreten ist? « Ich will dem gleich meine Angaben über die Entstehung des Schlundringes von Lopadorhynchus, kurz zusammengefasst, gegen- über stellen. Nach der ersten Mittheilung kommt die bleibende Lei- tungsbahn dadurch zu Stande, dass zuerst die nach unten gerichteten Ausläufer der Zellen, welche sich am Aufbau des Kopfganglions bethei- ligen, an den Ringnerven des Prototrochs herantreten und zu einem Strange vereinigt in diesen übergehen, worauf später auch von den Anlagen des Bauchstranges her Nervenfasern zum Ringnerven verlaufen und in ihm gerade an den Punkten, wo die Schenkel der Hirnkom- missur eingesenkt sind, aufgenommen werden: diese Verbindung er- hält sich nach Ausschaltung des Ringnerven als Theil des Schlund- ringes. | Die vorliegende Abhandlung ändert den Thatbestand in so fern, als sie ein drittes Element in die Entwicklungsgeschichte des Schlund- ringes einführt: die subtrochalen Neuromuskelanlagen, welche ein Zwischenstück zu den Kopf- und Rumpfabschnitten der Kommissur liefern. Ferner ist hier erst das vergängliche, peripherische Nerven- system der Lopadorhynchuslarve genauer dargestellt und besonders für die Subumbrella ein Leitungssystem nachgewiesen, das in jenem Auf- satz aus theoretischen Gründen in hypothetisch unbestimmter Form an- genommen worden war — als erste geordnete Verkehrsstraße zwischen demRingnerven und denBauchplatten der dorsaleSubumbrellanerv und 1 Studien zur Entw. der Anneliden. p. 52. 2 Kopf von Polygordius. p. 4, 2. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 193 dann eine Verbindung des Kopfganglions mit den Neuralplatten, welche ich Seitennerven nannte. Es fragt sich nun, ob die letzteren Nerven den Harscuzr’schen Seitennerven von Polygordius gleichgestellt werden können. Dass ihre Lage auf der Umbrella verschieden ist, hat nichts zu sagen, denn auch das Kopfganglion liegt bei Polygordius hoch oben am Scheitelpol, bei Lopadorhynchus tiefer auf der Bauchseite. Ein bedeutenderer Unter- schied findet sich in dem Verhalten der Nerven zu den großen Ganglien- zellen der Umbrella, die ich dem primären Nervensystem der Larve und nicht dem Kopfganglion zurechne, während Harscark in ihnen bloß zel- lige Knotenpunkte peripherischer Nerven sieht. Die Seitennerven von Lopadorhynchus haben mit jenen Elementen nicht das Geringste zu thun, sondern erscheinen als Fortsetzungen des Faserstranges des Kopfganglions, ohne irgend welche eingeschaltete Zellen. Auf der Sub- umbrella: sollen die Seitennerven von Polygordius an der Basis des Rumpfkegels endigen, während sie bei Lopadorhynchus lateralwärts von den Neuralplatten bis zum After laufen. Hier halte ich die Beob- achtungen Harscher’s für unzureichend. Er hat die lebenden Larven oder ganze konservirte Thiere untersucht; unter solchen Umständen mag es keine Schwierigkeit haben, ein feines Fäserchen zu verfolgen, so lange ’es im dünnen Ektoderm des blasig aufgetriebenen- Larven- körpers verläuft, so wie es aber in das dunklere Gewebe des Rumpfes eintritt, ' wird es unsichtbar, und nur mit Hilfe von Schnittreihen ließe sich feststellen, wo es endigt. Bei dieser Unsicherheit ist schwer verständlich, wie aus den Seitennerven der Schlundring entstehen soll. Harschek erklärt die Verlegung der Nerven von den lateralen Mittellinien an die Bauch- fläche durch die stärkere Zusammenziehung des Ektoderms im ventralen Absehnitt der Kopfblase. Dagegen ist nichts einzuwenden. Aber die Vorstellung, dass die Bauchstrangverdiekung einfach durch die Zu- sammenziehung des Ektoderms entsteht, ist gänzlich verfehlt. Die Bildungsvorgänge in den Neuralplatten sind nicht von mechanischen Momenten bedingt, es wäre sogar viel richtiger zu sagen, sie beruhten auf chemischer Thätigkeit — denn es sind lokalisirte Ernährungs- processe, die Neubildungen von Zellen und öfter Ausdehnungen als ‚ Zasammenziehungen des Ektoderms zur Folge haben. Durch die Zusammenziehung der degenerirenden Kopfblase können die Seiten- nerven wohl auf die Bauchfläche gebracht werden, eine Schwierigkeit ‚ bleibt aber doch bestehen. Harscnuek bemerkt, dass die Seitenner- ‚ven in den Rumpfkegel an Punkten eintreten, die nur wenig näher | zur ventralen als zur dorsalen Mittellinie liegen. Daraus folgt, dass | Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLIV. Bd. 413 ! 194 N icolaus Kleinenberg, sie Anfangs ganz außerhalb der Anlage des Bauchstranges seitwärts verlaufen, gerade so wie die Seitennerven von Lopadorhynchus. Die CGonnective entstehen aber an der entgegengeseizten Seite des Bauch- stranges in der Mittellinie: wie treten da die Seitennerven mit den Connectiven in Verbindung? An eine Umwachsung der ersteren von den Ganglien des Bauchstranges kann gerade desshalb um so weniger gedacht werden, als beide Theile im Ektoderm gelegen sind. Endigten die Seitennerven wirklich am vorderen Rand des Rumpfes, so ließe sich ohne Zwang eine Verbreiterung oder ein seitliches Auswachsen der Gonnective, wodurch sie mit den Seitennerven in Berührung kämen, annehmen; verlaufen die letzteren dagegen, wie,bei Lopadorhynchus, weit'nach hinten bis zum After, so können ihre Enden nicht in den Bauchstrang übergehen. Die Entstehung der Schlundkommissur nach dem von Burschzk aufgestellten Modus hat zur Voraussetzung, dass die ganze. Kopfblase d..h. die Umbrella und die Subumbrella nach Abzug des Rumpfkegels in den Kopf des Annelids eingezogen werden. Dass ich die ‚Har- scuzK'sche Auffassung ‚des Kopfes der Anneliden nicht theile, sprach ich schon früher aus, jetzt handelt es sich aber weniger darum; sondern um besondere Verhältnisse bei der Metamorphose einiger Anneliden. Es giebt Larven, die Einen in Verlegenheit bringen können. Ich fand einmal eine große Annelidentrochosphaera von fast kugeliger Ge- stalt. Sie war sehr undurchsichtig und daher warf ich: sie ohne 'Wei- teres in die Konservirungsflüssigkeit, wobei sie ihre Form vollkommen beibehielt. Als ich sie schnitt ergab sich, dass in der Larve,. die ihrer | äußeren Gestalt nach ein ganz junges Entwicklungsstadium schien, ein sehr langer vollständig ausgebildeter Annelidenrumpf wie ein Tau auf- ai gewickelt lag.. Solcher Larven kenne ich drei: die eine, welche ich vor Jahren in Ischia fand, ist ganz unbestimmt geblieben, die zweite ist | eine echte Phyllodoce, die dritte ein echter Polygordius. Dr. J. Fraıpont, | dem ich eine Larve und einen jungen Wurm zur Verfügung stellte, hat | die Güte gehabt mir mitzutheilen, dass sie wahrscheinlich zu Polygor- | dius appendiculatus gehören, und dass Merrscanikorr und Rasswskı be= | | reits vor längerer Zeit dieselbe Larve und ihre Metamorphose beobach- tet haben. Die betreffenden Abhandlungen sind. mir leider nicht zu- || gänglich , die Arbeit Raszwskr's kenne ich jedoch aus einigen Citaten |) in Gorrtr’s, Untersuchungen zur Entwicklunesgeschichte der Würmer. u | Auf die Gefahr hin schon Bekanntes zu wiederholen, will: ich doch | meine Beobachtungen mittheilen, besonders da sie mit der! GoETIE- I schen Reproduktion nicht ganz übereinstimmen. Denn danach soll das |] perianale Ektoderm, das durch Muskelfäden dem, Scheitel angeheftet | | Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhyuchus. 195 ist, in Folge seiner raschen Ausdehnung rund um den After eingestülpt werden, mit seinem innersten Blatte den Darm umwachsen (bleibendes Ektoderm), nach außen aber ein zweiblättriges Amnion bilden, das bei der Metamorphose durch den sich streckenden Rumpf zerrissen wird und schwindet!. Meine drei Larven verhalten sich viel einfacher: die vom Scheitel entspringenden Muskeln setzen sich nicht am After son- dern am vorderen Rande des Annelidenrumpfes an; kontrahiren sie sich, so ziehen sie diesen bis an den Scheitel, wobei sich natürlich die Subumbrella zu einer Kreisfalte einstülpt, deren Ränder sich so stark zu- sammenschnüren, dass bloß ein kleines rundes Loch nachbleibt, das von dem kaum vorragenden äußersten Schwanzende des im Inneren schlin- genförmig aufgewundenen Rumpfes ausgefüllt wird. Ähnliche Dupli- katuren des ganzen Larvenkörpers kommen in geringerer Ausdehnung auch bei anderen Polychaeten vor: bei Mitraria nach METScHnIKöFF und bei Phyllodocelarven, wo A. Asassız und CLAPirEDE und METSCHNIKOFF Sie als Rückenschild bezeichnet haben; selbst bei Lopadorhynchus findet sich ein entsprechendes Gebilde in der, während der Abschnürung des Annelidenkörpers auftretenden, nach unten überhängenden Falte der Subumbrella. Bei den drei erwähnten Larven handelt es sich aber nicht im entferntesten um die Bildung eines besonderen Organs, son- dern einfach um zeitweilige Gestaltveränderungen, die offenbar zum Schutz des langen Wurmkörpers, der beim Schwimmen unbequem nachschleppen und allen möglichen Gefahren ausgesetzt sein würde, be- stimmt sind — beliebt es der Larve, so drängt sie den Rumpf heraus, um ihn därauf wieder mit einer sehr schnellen Bewegung bis zum Verschwin- den in sich einzuziehen. Wie die Metamorphose der ischitaner Larve verläuft, weiß ich nicht; auf die Verwandlung der Phyllodoce hat das erwähnte eigenthümliche Verhalten des Larvenkörpers zum Anneliden- rumpf gar keinen Einfluss: sobald sie auf den Grund geht, beginnt der blasenförmige Abschnitt zu schrumpfen, so dass der aus 20—30 Seg- menten bestehende Rumpf zuerst nicht vollständig und endlich gar nicht mehr in ihn zurückgezogen werden kann und darauf bildet er sich lang- sam zurück wie bei Lopadorhynchus und den anderen Phyllodociden. Die Metamorphose des Polygordius vollzieht sich aber in anderer Weise. Eine Reduktion des Larvenkörpers tritt nicht ein, bis zum letzten Augen- blick hat er bei ausgestrecktem Rumpf nahezu die Form’ von HATscazk’s ‚ Fig.29?. Dann verwächst der vordere Rand des Annelidenrzmpfes, Le U. p.A5A. ? Das Kopfganglion, dem die Antennen in tiefen Höhlen eingesenkt sind, liegt genau am Scheitelpol, aber der Umfang der Larve ist nicht kreisrund. sondern ‚ elliptisch, mit verlängertem dorsoventralem Durchmesser des Prototrochs. 15% 196 Nicolaus Kleinenberg; nachdem er die Mundöffnung in sich aufgenommen hat, von unten her mit der Scheitelplatte. Wie das geschieht vermag ich im Einzelnen nicht anzugeben, da mein Beobachtungsmaterial zu dürftig war — trotz alles Suchens erhielt ich nur acht Stück dieser seltenen Larve. An vier.der- selben habe ich aber den Akt der Metamorphose unter dem Mikroskop verfolgt: in einigen Augenblicken kriecht der vollständige junge Wurm aus; der Larvenkörper, d. h. die ganze Subumbrella, so weit sie nicht in den Rumpf übergetreten ist, der Prototroch und der größte Theil der Umbrella nach Abzug der Scheitelplatte, bleibt als dicker hohler Ring zurück und löst sich bald in seine Elemente auf. Am längsten erhalten sich die Wimperzellen lebend, aber nach ungefähr zwei Stunden sind sämmtliche Zellen gequollen und abgestorben. Hier ist gar kein Zweifel möglich, dass.der Larvenkörper in seiner größten Ausdehnung nicht in das Annelid übergeht, sondern geradezu abfällt. Der Vorgang hat große Ähnlichkeit mit der Metamorphose eines Pilidiums, doch sind die ge- netischen Beziehungen der Nemertine zu ihrer Larve, namentlich -in | Bezug auf das Kopfganglion wesentlich verschieden. Bei.dem von Har- SCHEK untersuchten Polygordius, dessen Rumpf nicht zurückziehbar ist, | vollzieht sich die Verwandlung unzweifelhaft ohne so bedeutende Ab- | stoßung von Larvengeweben, ich vermuthe jedoch, dass auch ‚dort | wenigstens der Wimperkranz abgeworfen wird, denn Harscner selbst " hat dies in einigen Fällen beobachtet, sieht darin aber einen patholo- ' gischen Zustand. | Ich habe mir diese Abschweifung erlaubt, weil sie von selbst wie- | der zur Kritik der Harsenzr’schen Entwicklungsgeschichte des Schlund- ' ringes zurückführt. Wie das peripherische Nervensystem meiner Poly- | gordiuslarve beschaffen ist, blieb mir unklar, aber entweder entspricht " es jenem der Hırscuzg’schen Art, oder es entspricht ihm nicht. Im letz- teren Falle würde die Verallgemeinerung der Auffassung Harscnzer’s auch innerhalb des Genus Polygordius nicht zulässig sein ; im ersten — | bei Weitem wahrscheinlicheren — Falle können bei der von mir beob- ji achteten Art die Seitennerven nicht zum definitiven Schlundring wer- ih den: da sie im Ektoderm der Kopfblase, die abgeworfen wird, verlau- F fen, müssen sie wohl auch außerhalb des Annelidenkörpers zu Grunde ! gehen. Das entspräche vollkommen dem Schicksal der Seitennerven F der Lopadorhynchuslarve. f Aus dem beschreibenden Kapitel ergiebt sich, dass diese letzteren : nicht den Schlundring darstellen. Die Fasern der subtrochalen Anlagen u und des Bauchstranges treten in den Ringnerven und die Hirnkommissur | allerdings gerade an den Punkten ein, wo die Seitennerven abgehen | und später erscheinen Schlundkommissur und Seitennerv: sogar eine I Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 197 Strecke weit zu einem gemeinsamen Stamm verbunden, aber noch lange nachdem der Schlundring und die Connective des Bauchmarkes fertig sind, lassen sich die Seitennerven ohne Schwierigkeit außerhalb aller Anlagen des Annelidenkörpers im larvalen Ektoderm bis zum After verfolgen. Auch ist sicher, dass sie während der Erneuerung der Epidermis zu Grunde gehen. Nach alledem bezweifle ich die Richtigkeit der Darstellung Har- ScHER’s für Polygordius. Sollte sie sich aber wider Erwarten als that- sächlich begründet erweisen, so würde daraus folgen, dass die Entwick- lung des Schlundringes bei verschiedenen Anneliden verschieden ist und es würde noch lange nicht berechtigt sein, die Verhältnisse der einen Polygordiusart für die ursprünglichen zu erklären. Und was ist durch diese lange Diskussion entschieden? Für die Grundfrage gar nichts. Indem Harscark alle Aufmerksamkeit auf einen Punkt lenkt, umgeht er die entscheidende Position. Diese liegt in den Ganglien, nicht im Schlundring. Unter Ganglien versteht man Ansammlungen centraler Nerven- zellen. Die Entwicklungsgeschichte eines Ganglions wird daher durch den Ursprung seiner Zellen bestimmt. Nervenfasern sind Vorrich- tungen, die mit der Erzeugung nervöser Energie nichts zu thun haben, sondern bloß zur Weiterverbreitung derselben dienen: ihre ganze Thä- tigkeit erschöpft sich in den molekularen Bewegungen, welche den Leitungsvorgang darstellen und begleiten. Sie entsprechen in der That bloß den Telegraphendrähten, der Zellkörper den elektrischen Krafterzeugern. Daraus folgt, dass Nervenfasern niemals an die Stelle von Nervenzellen gesetzt werden können. Eine Theorie des Centralnervensystems muss den empirischen Nach- weis der Herkunft der Ganglienzellen fordern, esmuss festgestellt werden, ob sie aus einer oder aus mehreren Anlagen hervorgehen und welches die ursprüngliche Natur dieser Anlagen ist. Von einem einheitlichen Ur- sprung des Centralsystems kann nur da die Rede sein, wo: alle seine Ganglienzellen in genetischem Zusammenhang mit einander stehen, sei es, dass die Vermehrung allein von den zuerst differenzirten Zellen ausgeht, sei es, dass die Differenzirung an einer Stelle beginnend sich ununterbrochen über weitere Strecken des primären Gewebes aus- dehnt. Wo dagegen solch ein genetischer Zusammenhang nicht für alle Ganglienzellen besteht, wo sie aus mehreren unabhängigen, durch Ge- wehe, die an dieser Differenzirung nicht Theil nehmen, getrennten Bil- dungsherden entspringen, da ist, meine ich, der Centralapparat eine zusammengesetzte, aus’ mehreren — möglicherweise sehr verschieden- artigen — Ursprüngen erwachsene Bildung. ‘Ob die differenzirten Ele- 198 Nicolaus Kleinenberg, mente besonderer Bildungscentren sofort, oder frühzeitig oder erst spät durch Leitungsfäden mit einander kommunieiren, ist für die Zuge- hörigkeit der Ganglienzellen vollkommen gleichgültig: die Nervenfasern stellen nur die funktionelle Kontinuität her, die genetische Kontinuität ist durch das reale Abstammungsverhältnis der einen’und der anderen Zelle bestimmt. Für das centrale Nervensystem der Wirbelthiere haben alle bis- herigen Untersuchungen den einheitlichen Ursprung festgestellt: eine einzige Anlage dehnt sich vorherrschend in die Längsrichtung aus und gliedert sich, ohne dass der Zusammenhang irgend wie aufgehoben wird, in Gehirn und Rückenmark; die Spinalganglien trennen sich ‚dagegen von der gemeinschaftlichen Bildungsstätte ab und bleiben bloß durch Leitungsfäden mit den Hauptcentren in physiologischer : Wechselbe- ziehung. Und da länge Zeit nur die Entwicklungsgeschichte des Nerven- systems der Wirbelthiere genauer bekannt war, ist natürlich, dass’ die dort gewonnene Auffassung die Vorstellungen über die Entstehung der Centralorgane bei den übrigen Thieren beeinflusste. Das spricht sich am deutlichsten in den Arbeiten aus, welche den Nachweis specieller Homologien zwischen Wirbelthieren und Anneliden zum Ziel hatten: Semrer und HarsHek nehmen eine einheitliche Anlage für das obere Schlundganglion und die Bauchkette an, wenn auch nicht dieselbe. Semper findet den Ausgangspunkt im Bauchmark, das kontinuirlich die Rückenseite des Kopfes überwächst, um das obere Schlundganglion zu bilden; Harscaer stellt die Scheitelplatte als primäre Anlage auf und lässt diese nach hinten zum Bauchmark auswachsen. Beide fügen hier und dort noch sekundäre Bestandtheile zu, wie das ja auch für die Wirbelthiere angenommen ist. Meine Arbeiten sind von anderen Überlegungen geleitet. Um zu einer allgemeinen Theorie des Nervensystems zu gelangen, scheint mir nothwendig auch der kleinsten Thatsache aus der Nervenphysiologie des Menschen Rechnung zu tragen, aber für die anatomischen und ent- wicklungsgeschichtlichen Fragen halte ich es nöthig, zunächst Gehirn und Rückenmark als nicht vorhanden zu betrachten. Von dieser Seite bestand für mich keine Schwierigkeit die unabhängige Entstehung des Kopfganglion und des Bauchmarkes auszusprechen. Ich halte. diese Thatsache für so bedeutungsvoll, dass sie mir bei begonnenen Unter- suchungen über die Entwicklung des Nervensystems der Wirbelthiere als Leitfaden dient. In Harscher’s Darstellung handelt es sich aber nicht etwa bloß um den Übertritt von Nervenfasern vom Kopfganglion zum Bauchmark — | im Gegentheil, wenn die Verlängerungen der Scheitelplatte schon weit | | ( Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 199 nach hinten vorgeschritten sind, besteht die gesammte Anlage aus einer ununterbrochenen Masse von Zellen, ohne alle Nervenfasern. Jedenfalls enthalten die Seitenstränge die zelligen Elemente für die Bauchgan- glien. Freilich ließ Harscaek noch eine mediane Einstülpung am Auf- bau der Bauchkette betheiligt sein, doch hat er sie nachher für eine spätere Zuthat erklärt und giebt in seiner neuesten Publikation zu, dass die Frage noch der Aufklärung bedürfe. So weit die allgemeine Fassung und im Besonderen Criodrilus. Bei Polygordius hat Hırschek dagegen die Eklodermverdickungen, welche von der Scheitelplatte ausgehend als Seitenstränge weiter laufen, nicht gefunden, vielmehr offenbar gesehen, dass sie nicht vorhanden sind. Dieses Umstandes geschieht jedoch keine Erwähnung. Jetzt aber, nach- dem er die Verlängerung der Seitennerven in ‘der Subumbrella ent- deckt hat, sagt er mit Bezug auf Criodrilus: »Meine neueren Beobach- tungen über Polygordius stimmen nun auch vollkommen zu diesen Ergebnissen.« Wirklich im Ernst? Ohne auch nur ein klein Wenig zu lachen? Hier sind zwei Fälle möglich. Die Ganglienzellen der Scheitel- platte gehen bei Criodrilus kontinuirlich in die des Bauchstranges über, bei Polygordius liegen Scheitelplatte und Bauchmarkanlage weit aus einander: sollen die Elemente der letzteren mit jenen der ersteren in genetischem Zusammenhang stehen, so muss Harscnzk sich vorstellen, dass die Zellen der Scheitelplatte längs den Nervenfäserchen in den Rumpfkegel hinunter rutschen, gerade so wie man hier in Italien oft einen Korb an einer ausgespannten Schnur, quer über die Straße von einem Balkon zum anderen fahren sieht. Oder aber Harscazx hält das Vorhandensein einer Nervenfaser zwischen zwei Organanlagen ohne Weiteres für den Beweis ihrer genetischen Zusammengehörigkeit. Dieser Grundsatz hätte den Vorzug unerwarteter Konsequenzen. Geht 2. B. eine Nervenfaser vom Gehirn zu einer in Bildung begriffenen Drüse, so ist nicht mehr zu zweifeln, dass die Drüse vom Gehirn abstammit. Dass im bleibenden Nervensystem des Annelids das Kopfganglion der älteste Theil ist, darin stimme ich mit Harscaer überein und habe das schon in meiner Lumbrieusarbeit angenommen. Allein Harscark macht das Kopfganglion auch zum ursprünglichen Centralorgan der von der Larve repräsentirten Ausgangsform und das gebe ich wieder nicht zu, sondern halte am Prototrochnervensystem als primärem Cen- tralorgan fest. Immerhin wäre noch eine, freilich sehr weit hergeholte ' Möglichkeit zu berücksichtigen. Nämlich dass die erste Leitungsbahn, _ ohne Vermittelung des Ringnerven, direkt zwischen dem Kopfganglion ‘ und dem Bauchstrang entstände. Dies würde, auch wenn aus dieser | Verbindung nicht der Schlundring hervorginge, doch für die Auffas- 200 Nicolaus Kleinenberg, sung des phylogenetischen Vorgangs von Bedeutung sein. Bei: Lopa- dorhynchus schloss ich eine solche Möglichkeit schon aus, indem ich zeigte, dass die Innervirung der Subumbrella anfänglich nur von. den Verästelungen einiger Zellen des Prototrochsystems besorgt wird, und dass die erste Bahn, welche die Form eines Nervenstammes erhält, von der dorsalen Gangliengruppe des Prototrochs zum hinteren Ende der Bauchplatten verläuft, also mit dem Kopfganglion gar nichts zu thun hat. Harscnek stellt sich die Sache dagegen offenbar so vor, dass seine Seitennerven vom Kopfganglion aus durch den Ringnerven hin- durch zum Rumpf hinab wachsen. Diese Behauptung ist aber durch seine Beobachtungen an Polygordius nicht nur nicht bewiesen, sondern kann überhaupt in keinem Falle durch sie bewiesen werden. Denn dieLarve, mit der Harscazr’s Entwicklungsgeschichte anfängt, besitzt ihr Kopfganglion schon so gut wie fertig. Die Harscnezr’sche Untersuchung enthält daher eigentlich nur die anatomische Beschreibung des Organs, nicht seine Entwicklung. Und es ist nicht bloß möglich — es ist sehr wahrscheinlich, dass bei Polygordius die Seitennerven als Theile des Prototrochnervensystem bereits bestehen, ehe das Kopfganglion vor- handen ist. Wollte HAtscark dagegen seine Beobachtungen bei Eupomatus her- beiziehen, um aufrecht zu erhalten, dass das Kopfganglion: früher .da ist als jener Nerv, so geht das aus dem umgekehrten Grunde wieder nieht. Denn während seine Polygordiuslarve an Stelle der Anlage schon das fertige Kopfganglion besaß, fehlt, nach seiner Beschreibung wenigstens, die erste Anlage bei Eupomatus. Er begeht den Fehler, in den auch SıLensky, GortrE und Andere verfallen sind, die -Ekto- dermverdiekung am vorderen Pol, welche das Haarbüschel trägt, für die Anlage des Kopfganglions zu nehmen. Das ist ganz falsch. Jene Bildung ist weiter nichts als das primäre Sinnesorgan der Umbrella und dem Scheitelorgan von Lopadorhynchus homolog. Diese Scheitel- platte bildet’ nicht allein nicht die Anlage des Kopfganglions, erzeugt auch keinen bleibenden Theil desselben, sondern geht bei der Meta- morphose zu’ Grunde. Für das Verständnis der Entwicklung ist das Sinnesorgan des Scheitels allerdings von der größten Bedeutung, denn an dasselbe schließen sich, wie ich zeigte, die Ganglienzellen an, welche den Anknüpfungspunkt für die Herstellung des bleibenden Kopfganglions bilden. Es ist daher eben so unrichtig, wenn die Ent- stehung des Kopfganglions auf die bleibenden Sinnesorgane, be- sonders auf die Augen, zurückgeführt wird. So viel diese auch dem Centralorgan hinzufügen, sind das doch nur spätere Beiträge — seine Grundlage bildet sich in Abhängigkeit von jenem primären Sinnes- Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 301 organ, welches dann aus der Organisation des Annelids ausscheidet. Dass bei der Entwicklung des Bauchstranges ähnliche Beziehungen zur Geltung kommen, wurde schon vorher festgestellt. Schließlich fällt es leider mir zu, Harscuek eine Antwort zu geben: Er beklagt sich darüber, dass BaLrour mir die Erkenntnis des morpho- logischen Gegensatzes von Kopfganglion und Bauchmark zugeschrieben habe, während er, Harscaex, das doch zuerst erkannt und verfochten hätte. Warum zuerst? So viel ich weiß, erschien meine Abhandlung über Lumbrieus früher als seine Studien. Freilich habe ich dort von morphologischen Gegensätzen gar nicht geredet, sondern einfach. die gesonderte Entstehung der zwei wesentlichsten Bestandtheile des cen- tralen Nervensystems behauptet. Aber ich weiß überhaupt nicht recht, was HATscHEk mit seinem morphologischen Gegensatz eigentlich will. Er nimmt doch die genetische Einheit des Nervensystems an? Allerdings sagt er dann gegen Semper gerichtet: »Es ist sehr zweifelhaft, ob der Bauchstrang des Metamers auf das typische Scheitelganglion des Kopf- segments zurückgeführt werden könne. Es scheint vielmehr eine Ver- schiedenheit der Lagerung vorzuliegen, die einen Vergleich ausschließt. So lange dieser ‚Widerspruch nicht beseitigt ist, kann man eine ur- sprüngliche Gleichwerthigkeit des Kopfsegments und Metamers nicht annehmen!.« Zur Aufklärung dieser dunklen Stelle kann vielleicht Fol- gendes dienen: ‚»Ich habe ‚aber die morphologische Bedeutung der Scheitelplatte mit Rücksicht auf ihre Lage richtiger erkannt als KLeinen- BERG, denn ich habe stets hervorgehoben, dass dieselbe dem vorderen Körperpole, angehört, während KLEinengere wenig zutreffend von einer dorsalen Anlage des oberen Schlundganglions (piastrina dorsale) spricht?. « Dieselbe Lagenbeziehung hat Harscazr beobachtet, allein er drückt dasin dieser Weise aus: »Die Scheitelplatte, die morphologisch. das Vorder- ‚ende des:;Embryo bildet, liegt bei Nephelis scheinbar auf dem Rücken ’®.« Hübsch dies »scheinbar«. ‚Sehr charakteristisch für die Achsenembryo- logie. Wenn aber die »morphologische Bedeutung« des Kopfganglions darin, zu suchen ist, ‚dass es gerade an der Spitze liegt, — scheinbar oder: unscheinbar — dann muss ich meinerseits aufs entschiedenste dagegen protestiren, dass man mir irgend welche Priorität oder Poste- riorität zumuthet. : Mir ist. es im höchsten Grade einerlei, ob es am - Scheitelpol, wie bei-Polygordius und. vielen Röhrenwürmern, oder auf _ dem Rücken, wie bei Oligochaeten und Hirudineen, oder auf dem Bauch, 1 | | j | | \ | | N ' wie bei,Lopadorhynchus, Phyllodoce ete., angelegt wird, es ist in allen Fällen doch ein und dasselbe Kopfganglion. 1 Studien. p. 73. 2 Kopf von Polygordius. p. 9. 3 Studien. p. 85. 202 Nicolaus Kleinenberg, Auch hat Harscuek Unrecht Barrour Unterdrückung seiner Angaben vorzuwerfen. Wo es nöthig war hat BaLrour ihrer erwähnt, freilich in- dem er sie in einigen Punkten auf eigene Untersuchungen hin für irr- thümlich erklärte. Ich habe nicht gehört, dass Hırsenzk sich über Craus beklagt hätte, der in sein Lehrbuch der Zoologie die falsche Darstellung der Entstehung des Nervensystems von Lumbricus aufnahm, ohne zu sagen, dass ich sie schon widerlegt hatte. Die Vorgänge, welche die Entstehung der bleibenden nervösen und muskulösen Gewebe bedingen, nöthigen mich sehr gegen meinen Wil- len hier auf den, unter dem Namen Neuromuskeltheorie bekannt gewor- denen Erklärungsversuch einzugehen. Ich hätte die dahin gehörigen Erörterungen gern bis zur Mittheilung meiner Untersuchungen über die Entwicklung einiger Cölenteraten verschoben, allein die in dieser Ar- beit enthaltenen "Thatsachen gestatten ein längeres Schweigen nicht. Immerhin scheint es mir nicht nothwendig die Frage gleich sehr aus- führlich, mit Berücksichtigung aller für und wider vorgebrachten Gründe zu behandeln — ich will nur meinen gegenwärtigen Stand- punkt aufdecken. Dazu bedarf es zunächst der Erinnerung, worauf sich mein Antheil an der ganzen Sache beschränkt. Ich nahm auf Grundlage der that- sächlichen Verhältnisse bei Hydra an, dass bei den niedersten Metazoen weder Gentralorgane, noch Sinnesorgane, weder gesonderte Nerven noch gesonderte Muskeln beständen, sondern ein peripherisches Blatt von Neuromuskelzellen und stellte dann die Hypothese auf, dass aus diesen Elementen die CGentralorgane, Sinnesorgane, Nerven und Muskeln der höheren Thiere entstanden seien. Weiter nichts. Über die Art der Umwandlungsvorgänge, durch welche Neuromuskelzellen zu den so verschiedenen Elementen des Nervensystems und der Muskulatur der höheren Thiere werden, unterließ ich jede Meinungs- äußerung. Mir scheint auch heute noch diese Zurückhaltung durch- aus korrekt: eine allgemeinere wissenschaftliche Konception abortirt jedes Mal, wenn ihre Weiterentwicklung spekulativ in Hilfs- und Zu- satzhypothesen verläuft, anstatt von der Beobachtung realer Zustände geleitet zu werden. Es ist selbstverständlich, dass ich mir schon da- mals Vorstellungen gebildet haben musste, wie die Umwandlung wohl geschehen könnte — denn ohne das würde es unerlaubt gewesen sein, jene Hypothese aufzustellen — aber die nöthigen Thatsachen fehlten. Freilich verkenne ich nicht, dass einige Andeutungen die Verrückung des Problems auf schiefe Bahnen vielleicht verhindert hätten — doch dafür bin ich nicht verantwortlich. Ich bin heute mehr als je überzeugt, dass in meiner Auffassung ein | j | ! f Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 203 gutes Theil Wahrheit steckt. Aber ich habe auch eingesehen, dass die Begründung nicht überall glücklich und korrekt war. Der Bildung der Keimschale von Hydra legte ich übertriebenen Werth bei. Die Thatsache, dass die äußerste Zellschicht des gefurchten Keims in eine hornartige Kapsel verwandelt und später abgeworfen wird, ist richtig und Korornerr hat das vollkommen bestätigt, nachdem er früher nicht darän hatte glauben wollen. Allein die Verwerthung dieses Umstandes bei der Vergleichung des äußeren Keimblattes der Wirbelthiere und seiner Gewebe mit dem Ektoderm der Cölenteraten ging zu weit und verlor sich in einen künstlichen Dogmatismus, der von den rasch angewachsenen histogenetischen Kenntnissen beseitigt wor- den ist. Wie wenig war vor vierzehn Jahren über die Entwicklung der Gewebe, besonders bei den niederen Thieren, bekannt! Auch die Frage nach der Irritabilität der Muskeln war in etwas zu starrer Fassung aufgestellt und darum neigen die damit in Zusammen- hang stehenden Schlüsse zu einer Einseitigkeit, die durch die natür- lichen Verhältnisse nicht begründet werden kann. Im Wesentlichen halte ich jedoch meinen alten Standpunkt ein. Das Princip der Ge- websbildung ergiebt sich aus der Bedingung, dass jede Protoplasma- masse in jedem Augenblick eine bestimmte Quantität von Arbeit leistet. Wenn eine Grundfunktion an irgend einer Stelle vorwiegen soll, kann das nur auf Kosten der anderen Funktionen geschehen; so viel z. B. an Kontraktilität ausgegeben wird, so viel kommt für die Sensibilität, die Ernährung und die Fortpflanzung in Abzug. Wo aber zwei physio- logische Leistungen in solcher Beziehung zu einander stehen, dass die ‚ Vervollkommnuüng der einen nur mit gleichzeitiger Vervollkommnung ‚ der anderen möglich ist, da wird eine Differenzirung innerhalb der- ‚ selben Protoplasmamasse eintreten müssen, oder mit anderen Worten, die Funktionen werden in verschiedenen Theilen der morphologischen Einheit lokalisirt. ‘Die vollkommeneren Protozoen bieten hierfür die mannigfaltigsten Beispiele. Wie aus einer Amöbe eine Vorticelle ent- ‚ steht, wird aus einer indifferenten Ektodermzelle ein Neuromuskel- ‚ element. Erst nach diesem Anfang vollziehen sich im mehrzelligen Organismus weitere Differenzirungen durch Übertragung der Funk- ‚ tionen von einer Zelle auf die andere. ‘Gerade durch den einheitlichen ‚ Ursprung erklärt 'sich 'die Verschiedenheit der nervösen und musku- | lösen Elemente: die einen verlieren die Kontraktilität, aber ihre Er- 4 j regung ist das wirksamste Mittel, um Kontraktionen der anderen auszu- ‚ lösen. Nervenerregung ist sicherlich der stärkste, und unter normalen , Bedingungen meist allein zur Geltung kommende, Muskelreiz; dass nebenbei den Muskeln noch eine geringe Reaktionsfähigkeit gegen nicht 204 Nicolaus Kleinenberg, nervöse Reize nachbleibt, kann die nothwendige Zusammengehörigkeit von Muskeln oder Nerven, oder besser von Protoplasma, das im Sinne der Nerventhätigkeit und Protoplasma, das im Sinne der Kontraktilität erregbar ist, nicht aufheben. . Es liegen ferner sehr zahlreiche Angaben vor, wonach die Muskulatur aus dem Entoderm entsteht, in Form entodermaler Epithel- muskelzellen, oder in Form höher differenzirten Muskelgewebes, das aus dem inneren Keimblatt entspringt. Bei genauerer Prüfung dieser Behauptungen stellt sich heraus, dass ein großer Theil derselben auf ungenügende Untersuchungen gestützt ist. Es sind als entodermale Muskelzellen beschrieben worden: erstens wirkliche Entodermzellen, die im natürlichen Zustande gar keine Fortsätze haben, sondern solche erst in Folge chemischer und mechanischer Misshandlung erhalten; zweitens Entodermzellen, deren Fortsätze nicht im geringsten kontraktil sind, dagegen sehr wahrscheinlich als Ernährungswege dienen; drit- tens Zellen mit unzweifelhaft muskulösen Fortsätzen, die dem Entoderm zugerechnet werden, während sie thatsächlich dem Ektoderm ange- hören. Immerhin bleiben einige Fälle bestehen, wo die Entstehung von Muskeln aus Entodermzellen bewiesen erscheint. Dem gegen- über wird die Behauptung des ausschließlich ektodermalen Ursprungs aller Muskeln hinfällig. An der Grundlage der Theorie der Muskel- bildung würde dadurch wenig geändert, wenn sich nachweisen ließe, dass zusammen mit den Muskeln auch Nerven im Entoderm entstehen. Es würde daraus nur folgen, dass sehr indifferente Zellen, auch wenn sie im inneren Körperblatt ihren Sitz haben, den Einflüssen, welche die Vervollkommnung und Sonderung der nervösen und kontraktilen Funk- tionen hervorrufen, ausgesetzt sein können. Allein bisher ist die Um- wandlung von Entodermelementen in Theile eines gesonderten Nerven- systems nirgends wahrscheinlich gemacht. Das genetische Verhältnis der entodermalen Muskulatur zum Nervensystem ist ganz unbekannt. Sollten sich Thiere finden, deren gesammtes Nervensystem vom Ekto- | derm herrührt, während ihre Muskulatur aus dem Entoderm entsteht, | so würde meiner Auffassung eine ernstliche Schwierigkeit entgegen- gestellt sein. Sie zu beseitigen kann beim gegenwärtigen Stand un- | serer Kenntnisse nur andeutungsweise versucht werden. Die Annahme | ist erlaubt, dass bei derartigen Organismen, spät im Verlauf ‘ihrer phy- " logenetischen Entwicklung, nach Ausbildung der Gentralorgane, die ur- | sprüngliche ektodermale Muskulatur völlig unterdrückt und von kontrak- | tilen Zellen des Entoderms substituirt worden’ sei. Über die Richtigkeit | dieser Vermuthung werden sorgfältige Untersuchungen entscheiden. | Craus behauptet die Unhaltbarkeit der Neuromuskeltheorie nach- |” Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 205 gewiesen zu haben. Dies ist eine Täuschung: er hat weder ihre Un- haltbarkeit noch ihre Haltbarkeit, sondern überhaupt gar nichts nach- gewiesen. Die Erörterungen von O. und R. Hrrrwie beweisen dagegen etwas — nämlich das was sie widerlegen sollen: die Möglichkeit, das Nervensystem und die Muskulatur der höheren Thiere von Neuromus- kelzellen herzuleiten. Dass die theoretischen Konstruktionen des Entwicklungsvorganges, wie sie von ED. van BENEDEN, HAECKEL, GEGENBAUR, FosTErR und Anderen gegeben wurden, nicht von mir herrühren, braucht kaum hervorge- hoben zu werden; man hat aber übersehen, dass ich sie nicht allein nicht veranlasst, sondern im Voraus abgelehnt habe. Denn alle diese Erklärungsversuche laufen auf unvollständige Theilungen hinaus: sie wenden eben nur das Hensen’sche Princip auf die Neuromuskelzelle an; indem ich nun das Prineip nicht gelten ließ, war damit, denke ich, aufs klarste ausgesprochen, ich würde mich den Folgerungen, welche dasselbe aufnehmen, nicht anschließen können. Und was die Herrwie’sche Kritik meiner Auffassung der funktio- nellen Bedeutung der Neuromuskelzellen anbetrifft, so kann ich hier nur sagen, dass sie mir nicht zutreffend erscheint. Es liegt mir an der Erörterung weniger klarer Fragen. Ich’ beschrieb die Neuromuskelzellen ohne Vochiikdufiecn unter einander und darauf hin behaupten die Gebrüder Herrwiıg, dass sie die Thatsache der Weiterverbreitung des Reizes von einem Punkt zum anderen auch bei Hydra nicht erklären können. Es ließe sich erwie- dern, dass die Neuromuskelzellen, wenn Verbindungsfasern, die ich nicht fand, wirklich bestehen, doch immer Neuromuskelzellen bleiben. Allein die Folgerung, welche als Einwand auftritt, geht von einer will- kürlichen Voraussetzung aus. Es liegt ihm die populäre Vorstellung zu Grunde, dass. Alles über einen Leisten zugeschnitten sein muss, dass die Funktionsbedingungen, die im Nervensystem der höchsten Thiere gesetzt sind, sich tale quale bei den niedersten Metazoen wiederfinden. Dazu zwingen aber weder die Erfahrungsthatsachen, noch die theore- tischen Erwägungen. Wenn, wie bei den Wirbelthieren, Nervenfasern und Nervenzellen von isolirenden Scheiden eingehüllt sind, vermag ‚natürlich die Erregung nicht von einem Element auf das andere über- zuspringen, sondern kann sich nur längs der kontinuirlichen Leitungen ‚ innerhalb der Hüllen verbreiten. Wo dagegen, wie bei Hydra, nackte ‚Nervenzellen in unmittelbarer Beziehung stehen, da hindert kein phy- | | | 1 N a sikalischer oder physiologischer Grund eine Fortpflanzung der Erregung ‚durch Kontaktleitung anzunehmen. Eben so wenig giebt es ein genetisches Bedürfnis für den ursprüng- - 206 Nicolaus Kleinenberg, I lichen Zusammenhang aller Nervenzellen. Muskel und Nerv müssen in einem einheitlichen Element vereinigt sein, weil die Erregung und die Kontraktilität komplementäre Funktionen sind, die Nervenzellen haben dagegen Parallelfunktionen und können daher auch unabhängig von einander entstehen. Ihr Zusammenhang ist nicht in ihnen selbst, sondern in ihrer Verwerthung für den Gesammtorganismus bedingt und nur desswegen wird die Vervollkommnung allerdings mit der Beschrän- kung der diffusen Fortpflanzung durch Ableitung der Erregungen auf feste kontinuirliche Bahnen beginnen. Für die Gebrüder Herrwiıc ist aber der Umstand, dass die von den Neuromuskelzellen ausgehenden Erklärungsversuche die Verknüpfun- gen der Ganglienzellen unter einander unberücksichtigt gelassen haben, ein hinreichender Grund, um die Möglichkeit der Ableitung der Gan- glienzellen von Neuromuskelzellen zu bestreiten. Nun, es bedarf schon eines nicht unbedeutenden Grades von Kourage, um Männern wie GEGENBAUR, HAECKEL, FOSTER etc. zuzumuthen, sie wüssten nicht, dass wenigstens das Gehirn und das Rückenmark des Menschen Ganglien- zellen-Verbände darstellen. Logisch ist der Einwand nebenbei noch un- zulässig, denn es hätte Jemand auf den — in Anbetracht der realen Verhältnisse freilich sehr unglücklichen — Einfall kommen können, das gesammte Nervensystem und die ganze Muskulatur durch unvollstän- dige Theilungen einer einzigen Neuromuskelzelle entstehen zu lassen. Die Sache klärt sich jedoch in viel einfacherer Weise auf: weder Oskar noch Rıchirn Herrwıs haben den Sinn jener Versuche verstanden. Es handelt sich in denselben um die Ableitung der Elemente, nicht um die Konstruktion des Gesammtsystems — wie die aus sensibler Endigung, Leitungsfaser undkontraktiler Endigung, oder aus Sinneszelle, sensiblem Nerv, Ganglienzelle, motorischem Nerv und Muskelfaser bestehenden Elemente angeordnet und verburden werden, um ein vollkommenes nervöses System herzustellen, ist nicht erörtert worden. Da die Unbrauchbarkeit der Neuromuskelzellen darin gesehen wird, dass sie als isolirte Elemente auftreten, möchte man wohl: glauben, die Gebrüder Herrwıc verlangten als Grundlage für die Entwicklung des Nervensystems unbedingt Zellen, die von Anfang an in kontinuirlicher Verbindung mit einander sind, sei es nach dem Hensen’schen Prineip, sei es auf irgend eine andere denkbare Weise. Ein schöner Irrthum! Die Verbindung der Zellen soll allerdings das Primäre, ihre Differen- zirung zu nervösen Elementen das Sekundäre sein. Aber wie kommt die primäre Verbindung zu Stande? Das, sagen O. und. R. Herrwig, ist | für unsere Aufgabe an und für sich gleichgültig. Vielleicht nicht so | ganz. Und fügen hinzu: »Doch mag auch in Betreff dieses Punktes noch | | | N Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 307 hervorgehoben werden, dass wir den Zellenverband uns nicht aus un- vollköommener Zelltheilung entwickelt denken, wie es Hensen thut.« »Wir nehmen vielmehr an, dass ursprünglich getrennte Zellen erst nachträglich durch Verschmelzung von Protoplasmafortsätzen Verbin- dungen eingegangen sind!.« Die primären Zellen werden gleichartig genommen, und vorausgesetzt, dass jede derselben, »je nachdem sie den Reiz empfängt, überträgt oder in Bewegung umsetzt, sich ähnlich wie Sinnes-, Ganglien-, oder Muskelzelle funktionell verhalten wird« Wenn diese Elemente ursprünglich getrennt und erst nachträglich in Ver- bindung getreten sind, ist sehr schwer begreiflich, warum gerade den Neuromuskelzellen die Fähigkeit abgehen soll, sich mit ihres Gleichen nach Bedürfnis zu vereinigen. In diesem Verbande sollen sich darauf epitheliale Muskel-, Sinnes- und Ganglienzellen »mehr oder minder gleichzeitig« differenzirt haben. Mir scheint diese Konstruktion zum Theil überflüssig, zum Theil falsch: erstens weil sie auf schiefen physiologischen Grundlagen er- . Tichtet ist; zweitens weil es kein Thier giebt, in welchem der voraus- ‚ gesetzte primäre Zellenverband vorkommt; drittens weil die Ontogenie aller Thiere sehr klar zeigt, dass niemals jener primäre Zellenverband ‚ der Differenzirung vorausgeht, sondern dass die Verbindungen entweder gleichzeitig als dem Differenzirungsprocess selbst zugehörige Erschei- nungen auftreten, oder der Differenzirung nachfolgen. | Die Neuromuskelzellen sind dagegen weit verbreitete Gebilde und bei den niedersten Hydroiden die einzigen nervös-muskulösen Gewebs- _ elemente? Da ferner von allen bekannten thierischen Zellen nur sie ‚ die physiologischen Eigenschaften besitzen, die für die weiteren Um- bildungen erforderlich sind — halte ich jetzt mit viel größerer Sicher- heit als früher an den Neuromuskelzellen als Ausgangspunkt für die Bildung der nervösen und muskulösen Gewebe fest. | "Bei dieser Ableitung sind aber zwei Vorgänge so viel wie mög- ‚ lich gesondert zu: betrachten: die Verwandlungen der Bestandtheile des Elements und die Anordnung und Verknüpfung der Elemente zum ‚ System. | ‚Der natürlichste und ursprünglichste Zustand eines Nervensystems 1 Das Nervensystem und die Sinnesorgane der Medusen. 4878. p. 469, 170. | 2 Die von ‚JıckzLı beschriebenen Ganglienzellen von Hydra und Eudendrium | haben wohl mit allem Anderen eher was zu thun als mit dem Nervensystem. Soll- - tensich aber wirklich bei Hydra Ganglienzellen finden, so würde damit nicht mehr ‚bewiesen sein, als dass bei diesem Thier hier und da schon weitere Differenzirun- | | gen des Neuromuskelsystems eingetreten seien; Hydra würde nicht mehr eine So E| ursprüngliche Form sein, wie ich glaubte, an der Theorie wäre jecoch nichts ge- ändert. 1 208 Nicolaus Kleinenberg, ist der, bei welchem die Erregung mit allen ihren Konsequenzen inner- halb der Grenzen eines einheitlichen Elements, einer Neuromuskelzelle, in geordneter Weise abläuft. Die Vielseitigkeit der Leistungen solcher Zellen macht sie zu den verschiedenartigsten Umbildungen fähig, nach Richtungen, die von der physiologischen und morphologischen Konsti- tution des Elements vorgezeichnet sind. Und wie die’ Neuromuskel- zellen ihre höhere Erregungs- und Kontraktionsfähigkeit nur um den Preis herabgesetzter Ernährungs- und Fortpflanzungsthätigkeit erlangen konnten, so wird die auf alle Reize antwortende Neuromuskelzelle immer mehr die Mannigfaltigkeit ihrer Reaktionen beschränken, je mehr sie sich einer derselben hingiebt. Dazu wird sie aber durch rein mechanische Verhältnisse genöthigt: in zwei Zellen, von denen jede einer anderen äußeren Einwirkung ausgesetzt ist, werden die moleku- laren Vorgänge in verschiedener Weise verlaufen und schließlich eine verschiedenartige dauernde Anordnung der kleinsten Theilchen veran- lassen — so wie ein Stück Eisen seine Struktur ändert, je nachdem es gehämmert, oder der Erhitzung, oder dem magnetischen Strom üunter- worfen worden ist. Auf diese Weise gehen aus den Neuromuskelzellen specifische Sinneszellen hervor, Protoplasmakörper, die'besonders durch das Licht, oder den Schall, oder den Temperaturwechsel etec. bar sind. ! Wo dagegen Zustände gegeben sind, die Verwendung aller Energie ' der Neuromuskelzelle auf die Kontraktion möglich und’ nöthig machen, da entsteht eine specifische Muskelzelle. | Außer den unmittelbaren Reaktionen gegen äußere Reize in Form nervöser Erregungen und den Kontraktionen besitzen die Neuromuskel- | zellen noch zwei andere fundamentale Thätigkeiten: die Verwandlung von Reizen in innere Zustände, die entweder Bewegungsimpulse sind | oder als Sensationen sich selbst zur Erscheinung kommen, und die | automatische Erzeugung von Erregungen, die gleichfalls einerseits Sen- sationen darstellen, andererseits in Bewegungen umgesetzt werden können. Wenn diese Thätigkeiten die Oberhand gewinnen, wird die Neuromuskelzelle zur Ganglienzelle. | 3 i t Um für den Gesammtorganismus vollkommen ausgenutzt wörde | zu können, treten die Differenzirungen zu einem festen System zu- A sammen. Neben den primären, in den Elementen selbst gegebenen ' Verbindungen, bilden sich sekundäre, beständige Leitungen zwischen j den verschiedenen Elementen aus. Diese letzteren mögen schon früh- zeitig auftreten, sie entwickeln sich aber reichlicher im Maße als die | Theilung der Arbeit der Neuromuskelzellen fortschreitet: jede neue F Differentiation verlangt eine Umordnung der Leitungsbahnen. In Folge | } a | | z | I | } Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 209 ihrer besonderen physiologischen Leistungen nehmen die Ganglienzellen die centrale Stellung im System ein und darum werden die Verbin- dungswege der peripherischen Theile immer näher gegen sie rücken, bis sie sich in ihnen kreuzen; dies nöthigt dann weiter zur Vereinigung der centralen Zellen in Centralorganen. Dabei werden alte Leitungen aufgelöst, da sie durch neue direktere substituirt sind: im Allgemeinen verdrängen die sekundären Leitungen um so mehr die primären, je vollkommener centralisirt das Nervenmuskelsystem ist. Es lässt sich nicht annehmen, dass sämmtliche Neuromuskelzellen eines niederen Organismus gleichzeitig, mit einem Schlage, gezwungen sein sollten, sich einseitig zu differenziren; im Gegentheil, die Um- wandlung wird nur einen Theil, vielleicht sehr wenige betreffen, während die anderen unverändert bestehen bleiben; es giebt Thiere, die neben Ganglienzellen und speecifischen Sinnesorganen noch reich- liche primitive Neuromuskelzellen besitzen!. Bei höheren Thieren können sie dagegen alle umgebildet sein. Ferner stehen die Differenzirungen der thätigen Zellkörper und die Ausbildung der Leitungsbahnen bis zu einem gewissen Grade in gegen- seitigem Abhängigkeitsverhältnis. Eine Neuromuskelzelle, die derart gelegen ist, dass ihr sensibler Abschnitt nur schwache und seltene di- rekte Reizungen erfährt, während die Leistungen ihres kontraktilen Abschnittes gerade an dieser Stelle von besonderem Werth sind, wird ihre nervöse Thätigkeit ganz unterdrücken und zu einem rein musku- lösen Element werden können — aber nur unter der Voraussetzung, dass sie schon früher mit einer eminent erregbaren Zelle sekundär ver- bunden war und von dieser Funktionsimpulse erhielt. Umgekehrt, eine Zelle, die sich fortwährend in nervöser Erregung befindet, ihre kontrak- tile Endigung aber an einem Ort hat, wo deren Funktion behindert ist oder verloren geht, wird diese Endigung gänzlich aufgeben, im Fall sie 1 Die Gebrüder HErrwic meinen, in Übereinstimmung mit Craus: »Nach der Theorie KLEINENBERG’S Sind die Neuromuskelzellen Elemente, in welchen die An- lagen der Muskulatur und des Nervensystems noch vereint sind. Demnach er- Scheint es uns ganz selbstverständlich, dass von Neuromuskelzellen da nicht mehr die Rede sein kann, wo besondere nervöse Elemente, Sinneszellen, Nervenfasern, Ganglienzellen nachgewiesen worden sind« (Actinien. p. 189). »Selbstverständlich« bedeutet hier wohl, dass sie das selbst nicht verstehen. Oder sollte den Gebrüdern ‚ Herrwıe wirklich kein Beispiel gegenwärtig sein, wo im nämlichen Organismus ein Gewebe hier auf niederer Entwicklungsstufe verharrt, dort in weiterer Ausbildung erscheint? Da ist es mir ein Vergnügen, sie an Naturforscher zu verweisen, deren Autorität anzuzweifeln sie gewiss nicht die geringste Neigung haben. Nämlich an sie selbst. Sie brauchen z. B. nur ihr Nervensystem der Medusen aufmerksam N nachzulesen. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLIV. Bad. 14 210 Nicolaus Kleinenberg, ihre Erregung auf eine zu einem anderen Element gehörige Muskelfaser oder auf eine Ganglienzelle übertragen kann. In dieser Weise wird eine Neuromuskelzelle zur reinen Sinneszelle, wenn ihre kontraktile Endigung unterdrückt ist, zur reinen Muskelzelle, wenn sie ihre sen- sible Endigung verliert; reine Ganglienzellen sind Neuromuskelzellen, die sowohl ihren ursprünglichen Muskelfortsatz als auch ihren direkt erregbaren Abschnitt aufgegeben haben. Aus dem Gesagten folgt schon, dass ich am wenigsten daran denken kann, alle Bestandtheile des Nervensystems der höheren Thiere un- mittelbar von Neuromuskelzellen abzuleiten. Eine solche Auffassung würde einerseits gegen viele ontogenetische Thatsachen verstoßen, andererseits auf eine wirkliche Erklärung der physiologischen Eigen- schaften vollkommener nervöser Gebilde verzichten. Es ist nicht der Ausgangspunkt das allein Bestimmende, jeder weitere Fortschritt ist eben so von dem bereits durchlaufenen Wege abhängig. Die Form, welche das System in einer bestimmten phylogenetischen Entwicklungs- stufe angenommen hat, wird die Bedingungen enthalten, unter welchen die Anknüpfung neuer Verbindungen möglich ist. Und die Eigenschaf- ten mancher Nervenzellen lassen sich nicht unmittelbar aus der unbe- schränkten Erregbarkeit der Neuromuskelzelle erklären, sondern setzen Zustände specifischer Differenzirung voraus. So besonders die Ganglien- zellen. Damit eine solche der centralen Funktion, z. B. der Lichtwahr- nehmung, durch Umsetzung des zugeleiteten Erregungszustandes einer | Retinazelle fähig wird, scheint nöthig zu sein, dass sie selbst einmal als Retinazelle direkt für den Lichtstrahl empfindlich war: die Sehzelle des | Gehirns wird also ein umgewandeltes Element des specifischen Sinnes- | organs sein. Und so in vielen anderen Fällen. Darum stößt die onto- genetische Untersuchung oft auf Zellen von speeifischer Bedeutung und | nicht auf Neuromuskelzellen in den Anlagen höherer nervöser Gewebe | und dies ist immer häufiger, je mehr Funktionswechsel und Organ- | wechsel in die Entwicklung eingeflochten sind. Verfolgt man aber die | gesammte phylogenetische Umbildungsreihe zurück, so endigt sie doch jedes Mal in Neuromuskelzellen. 3 Die Entwicklung des Neuromuskelsystems von Lopadorhynchus | 3 geht unter Bedingungen vor sich, die schon ziemlich weit von den ur- | sprünglichen Verhältnissen entfernt sind. Bei meiner Auffassung der |” genetischen Beziehungen des Annelids zur Larve ist das jedoch nicht | nur erklärlich, sondern fast nothwendig. Immerhin zeigt sich auch hier in der klarsten Weise die Entstehung aller nervösen und muskulösen | Gebilde aus einem ursprünglichen gemeinsamen Gewebe. | Am vollkommensten ist der einheitliche Ausgangspunkt in den An- | Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 211 lagen, die ich Bauchplatten nannte, bewahrt. Ihre Anfangs gleicharti- gen Zellen wandeln sich in Muskel-, Sinnes- und Ganglienzellen um und aus der gemeinschaftlichen Grundlage erwachsen die gesammte blei- bende Muskulatur, die Sinnesorgane des Rumpfes und der Bauchstrang. - Die Verbindungen der differenten Elemente ist zum großen Theil we- nigstens mit ihrer Entstehung gegeben, die Verbindungen der relativ gleichartigen Elemente, die Kommissuren und Connective des centra- len Systems werden in ihrer definitiven Anordnung sekundär herge- stellt. Im Allgemeinen bilden sich die Leitungsbahnen dadurch, dass ‚ die Zellkörper bei ihrer Entwicklung an einzelnen Punkten in Fäden ‘ ausgezogen werden, doch reichen die Beobachtungen nicht hin, um un- vollständige Theilungen im Sinne Hrxsen’s überall mit Sicherheit aus- zuschließen. Neuromuskelanlagen sind ferner die ventralen subtrochalen Ekto- ‚ dermverdiekungen. Aus ihren Zellen gehen zum Theil Ganglienzellen, zum Theil larvale Muskelzellen hervor, zu Sinneszellen bilden sie sich ‚jedoch nicht um. Wenn hier also schon eine rudimentäre Entwicklung ‚in Folge der Unterdrückung der Sinneszellen vorliegt, ist dies noch ‚ausgesprochener bei den seitlichen subtrochalen Anlagen, von denen ‚nur einige larvale Muskeln übrig bleiben, da sie außer den Sinneszellen ‚auch die Ganglienzellen verloren haben!. Endlich erscheinen die ‚Rückenantennen nicht als rudimentäre Organe, sondern geradezu als rudimentäre Anlagen, denn in ihnen differenzirt sich keine einzige | N ‚bleibende Zellenform, sie gehen in ihrem indifferenten Zustande zu ‚Grunde. Für die Gewebe, welche sich in der Bildung des Kopfganglions ‚vereinigen, ist der Verlust der kontraktilen Endigungen bezeichnend. ‚Man könnte fast sagen, dass eine einheitliche Anlage des Kopfganglions "nicht existirt: so sehr beruht seine Entstehung auf der Entwicklung ‚besonderer Sinnesorgane. Alle Zellen des Kopfganglions sind wahr- 'scheinlich umgebildete, vorher bereits specifisch differenzirte Sinnes- zellen. Seine ersten Elemente rühren wohl von unterdrückten Sinnes- organen her, der bei Weitem größere Theil derselben besteht aber aus ‚Elementen, die von den bleibenden Sinnesorganen ausgelöst sind, um sentrale Funktionen anzunehmen. Die peripherischen Leitungen er- geben sich auch hier als unmittelbare Folgen der Differenzirung. i Die larvalen Muskelzellen bieten einige physiologische Schwierigkeiten dar. ‚Wegen ihrer Lage und Funktionsweise ist bei ihnen kaum an selbständige Irri- ‚abilität zu denken, andererseits ist es mir nicht gelungen den Zusammenhang der- ‚elben mit nervösen Elementen nachzuweisen. Die Aufklärung ist weiteren Unter- | Juchungen überlassen. | 44* 2. al 212 Nicolaus Kleinenberg, Dieselben genetischen Beziehungen konnte ich bei anderen Poly- chaeten nachweisen und für die Oligochaeten ist wenigstens wahr- scheinlich, dass die von mir beschriebenen Ektodermstränge, welche Elemente des Mesoderms liefern, hinten mit den Anlagen des Nerven- systems zusammenfallen. Für die übrigen Thierklassen werden sich erst dann bestimmte Angaben machen lassen, wenn die Untersuchun- gen von den neuen Gesichtspunkten aus durchgeführt sind. Bei den Mollusken liegen, glaube ich, die Verhältnisse im Wesentlichen ähnlich wie bei den Anneliden; einige der durch Sarasın für Bithynia bekannt gemachten Ektodermwucherungen sind wohl sicherlich als Neuromuskelanlagen aufzufassen. Unter den Arthropoden scheinen mir die Crustaceen den Anneliden in dieser Hinsicht nahe zu stehen; die Entwicklung der Insekten ist von den allgemeinen Bahnen wohl weiter abgelenkt als die irgend einer anderen Thierklasse — dies spricht sich am deutlichsten in der Bildung des bleibenden Darmepithels aus, ist aber auch in der Entstehung des Neuromuskelsystems, so weit die- selbe bisher verfolgt wurde, auffällig. Die Einstülpung des Blasto- derms, aus welcher das mittlere Blatt entstehen soll, dürfe wohl auf eine gemeinschaftliche Anlage des Muskel- und Nervensystems zurück- zuführen sein. Bei den Wirbelthieren bin ich geneigt den Primitiv- streifen für eine alte Neuromuskelanlage zu nehmen. Kapitel VI. Über die Entwicklung durch Substitution von Organen. Die Thatsache, dass während des individuellen Lebens typischer Anneliden das Nervensystem in zwei durchaus verschiedenartigen, morphologisch von einander unabhängigen Formen erscheint, fordert zu einigen ganz allgemeimen Betrachtungen auf. C. F. Worrr, der das Wesen der organischen Entwicklung tiefer begriffen hatte als nach ihm je ein Mensch, zeigte, wie aus der ein- fachsten Anlage durch eine ununterbrochene Folge allmählicher Umbil- dungen das kompliecirteste Organ hervorgeht. Darwın gründete die Einheit des Thierreichs auf die langsame Umbildung vorhergehender in nachfolgende Thierformen. Unter dem Einfluss so weitreichender Kon- ceptionen ist natürlich, dass die Vorstellung der direkten Umbildung bei allen genetischen Fragen entscheidend wurde. Man sucht ununter- brochene phylogenetische Entwicklungsreihen für jedes Organ bis zu den einfachsten Organismen hinabzuführen, und ganz allgemein gilt als Grundsatz, dass zwischen den nachgewiesenen oder angenommenen Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus,. 213 Ausgangsformen und den von ihnen abstammenden Endformen Homo- logie der hauptsächlichen Organe besteht. Dieser Betrachtungsweise ist eine große Anzahl eben so überraschender wie sicherer und weit- tragender Erkenntnisse zu danken. Ihr glänzendster Erfolg dürfte _ die Homologisirung des wichtigsten Theils des Ernährungsapparates | \# N | i | | ; | aller Metazoen, mit Ausnahme von ein paar noch nicht aufgeklärten Gruppen, sein. Aber andererseits ist man damit weit über die in der Natur begründeten Grenzen hinausgegangen und hat dann zu völlig leeren Spekulationen, die mit dem Thatsächlichen nicht nur alle Füh- lung verloren, sondern geradezu in Widerspruch traten, seine Zuflucht nehmen müssen. Der einseitige Standpunkt veranlasst schiefe Auf- fassungen und schließt zugleich eine Menge vorhandener, bekannter Dinge aus dem Gesichtskreis aus. Mehrere Fälle sind längst festgestellt, wo ein Organ, dem phylogenetische Bedeutung zuerkannt werden muss, während der individuellen Entwicklung zu Grunde geht, um von einem anderen desselben physiologischen Werthes aber verschieden- artiger Herkunft ersetzt zu werden. Allein sobald nicht gleich eine Erklärung durch Umbildung und Funktionswechsel zur Hand war, sind diese Erscheinungen, gerade so wie die schlechten Species der alten Systematik , nicht der Beachtung gewürdigt worden. Für das Ver- ständnis des Ursprungs neuer Organe ist eben die Darwın’sche Theorie nicht ganz ausreichend: sie betrachtet in der ausführlichsten und um- sichtigsten Weise die Folgen, welche die Variabilität unter dem Ein- fluss der natürlichen Zuchtwahl hat, lässt dagegen die inneren Gründe der Variationen fast unberücksichtigt. Die Entstehung oder Umbildung eines Organs drückt sich in Glei- chungen mit so viel Veränderlichen aus, dass Niemand erwarten kann auch nur annähernd genaue Lösungen zu erhalten. Lassen sich doch nicht die allgemeinsten Bedingungen feststellen! Es ist klar, dass äußere Einflüsse direkt Veränderungen im Organismus hervorrufen, die als individuelle Schwankungen erscheinen, aber das Maß zur Bestim- mung der Grenzwerthe fehlt. Eben so klar sind die Variationen Folgen vorhergegangener innerer Zustände, oder das Ergebnis des Zusammen- wirkens innerer und äußerer Momente. Das erste Auftreten eines neuen Organs hat immer eine bestimmte, in bestimmten Richtungen veränderliche Organisation zur Voraussetzung. Damit auch nur die einfachste Umbildung eines bereits vorhandenen Organs oder Gewebes eintreten kann, ist nöthig, dass eine theilweise Umordnung wenigstens der funktionellen Thätigkeit anderer Organe bereits vollzogen sei: be- sondere Ernährungszustände, geregelte specifische Funktionen haben den Boden, auf dem ein neuer Körpertheil erwachsen kann, vorzube- 214 Nicolaus Kleinenberg, reiten. Bei seinem Ursprung ist jedes Organ von anderen Organen ab- hängig, so wie es aber besteht wird es seinerseits Ursache zu weiteren Veränderungen des Körpers, die sich um so mehr ausbreiten, je wich- tiger die Aufgabe ist, welche dem neuen Gebilde während seiner phylo- genetischen Entwicklung zufäll. Um den Mittelpunkt des specifisch wirksamen Gewebes sammeln sich mehr oder weniger zahlreiche an- dere Gewebe an, um die Thätigkeit des ersteren zu unterstützen und zu vervollständigen, und bilden zusammen geordnete Apparate — die Organe. Gesetzmäßig verlaufende Variationen haben die Entstehung des Organs vorbereitet und begleitet, sie verschwinden aber auch nicht, nachdem dasselbe seinen relativ fertigen Zustand erreicht hat: es muss noch eine bald mehr bald weniger eingreifende Umordnung der Gesammtorganisation nachfolgen, damit das mögliche Gleichgewicht hergestellt wird. Wenn das nicht geschehen kann, dann liegt in dem Entwicklungsvorgang selbst der Grund des Untergangs der Species. Die Variationen, welche durch das Auftreten eines neuen Organs hervorgerufen sind, können ablaufen und in einen stabilen Zustand übergehen, ohne dass irgend welcher Kampf ums Dasein statt hat. Andererseits bieten sie sich natürlich der Zuchtwahl dar und zwar unter besonders günstigen Bedingungen. Denn sie erscheinen nicht als zu- fällige Abweichungen, sondern als gesetzmäßige Folgen eines inneren Zustandes und werden daher nicht in vereinzelten, sondern in den meisten oder allen Individuen der Species zum Ausdruck kommen. Auch bei etwaiger Kreuzung wird der Einfluss des veränderten Indivi- duums auf die Nachkommenschaft überwiegen. Die Richtung solcher Variationen ist von der Natur des Organs, welches sie veranlasst, bestimmt, ihre Ausdehnung und ihre Intensität hängen von der näheren oder entfernteren physiologischen Beziehung jenes Organs zu den anderen Körpertheilen ab. Dass innige funk- tionelle Wechselwirkungen von ganz unbekanntem Wesen bestehen, ergiebt sich aus vielen der Erscheinungen, welche man als Korrelation bezeichnet. Klarer sind die Fälle, in denen die Einwirkung des an- regenden Organs auf andere Körpertheile unmittelbar zur Vervoll- ständigung seiner Funktion führt. Ein besonderer Muskel mag ent- stehen und nützlich sein, auch wenn er anfänglich einen Theil seiner Wirksamkeit dadurch verliert, dass er genöthigt ist sich an nachgiebige Punkte anzusetzen, seine Anregung wird aber die Umwandlung des Gewebes, an welchem er befestigt ist, in einen Skeletttheil bewirken können. Am stärksten muss sich aber der umgestaltende Einfluss des neuen Organs in dem System geltend machen, dem es durch seine physiologische Natur selbst angehört: ein nervöses Centralorgan ent- Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 215 steht als Folge von Veränderungen im peripherischen Nervensystem und wird dann zur Ursache von Modifikationen desselben Systems. Ändern sich während dessen oder auch nachher die Lebensbe- dingungen, so wird das auf innere Zustände begründete System wiederum einer neuen Anordnung unterworfen, um es äußeren Ver- hältnissen anzupassen. Peripherische Theile des Nervensystems er- halten größere Bedeutung für den Gesammtorganismus als sie bei den Umständen, unter welchen sie entstanden, hatten. Ein bestimmtes Sin- nesorgan an bestimmter Stelle mag z. B. einen funktionellen Werth er- halten, der weit über seine anfängliche Absicht hinausgeht, und in Folge von Zuchtwahl wird es dann auch immer reichere morphologische Ausbildung gewinnen. Damit ist aber eine Störung im ursprünglichen System verursacht, die ausgeglichen werden muss. Am stärksten ge- räth dabei das Centralorgan ins Schwanken: um seine Stellung beibe- halten und das neue Sinnesorgan völlig seiner Herrschaft unterordnen zu können, ist es genöthigt, sich wesentlich zu vervollkommnen — ver- mag es das nicht, so wird es herabsinken, indem es einen Theil seiner Oberherrschaft verliert. Es wird ein neuer Sammelpunkt zwischen der Peripherie und dem Centrum eingeschaltet werden und dieser kann unmittelbar am Sinnesorgan zu liegen kommen, wenn aus dessen Ent- wicklung sich sofort ein besonderer Apparat von Ganglienzellen ergiebt — was wenigstens in vielen Fällen sicherlich stattfindet. Ist es einmal so weit gekommen, und steigert sich die Bedeutung des Sinnesorgans und seines Ganglienzellenapparates mehr und mehr, dann wird das alte Centralorgan nicht länger der hauptsächliche Sammelpunkt der ner- vösen Thätigkeit bleiben, sondern zu einem bloßen Durchgangspunkt verkommen, um so mehr, wenn es bei neu angeknüpften Verbindungen zwischen dem im Entstehen begriffenen Centrum und anderen Körper- theilen gänzlich umgangen werden kann. So ist der Sitz der Central- thätigkeit in die Neubildung verlegt, das alte Organ könnte nur noch im peripherischen Abschnitt untergebracht werden: seiner Beschaffenheit wegen dürfte es meistens auch dazu nicht tauglich sein und dann bleibt nichts übrig, als es einfach zu unterdrücken. Hier ist also die morphologische Kontinuität in der Entwicklung unterbrochen; das ursprüngliche Organ erfährt keine fortschreitende Umbildung, sondern geht zu Grunde, während neben ihm eine Neu- bildung entsteht und an seine Stelle tritt. Allein die gesetzmäßigen ge- netischen Zusammenhänge werden aufs strengste eingehalten. Denn wenn auch keine Homologie zwischen den sich ablösenden Organen besteht, wenn auch gar kein materieller Bestandtheil des einen auf das andere übergeht, so ist doch das zweite Organ auf die funktionelle 216 Nicolaus Kleinenberg, Anregung des ersten angelegt und durch dessen Vermittelung ausbil- dungsfähig geworden. Das nachfolgende Organ lässt sich in keiner Weise morphologisch von dem vorhergehenden ableiten, aber jenes hatte dieses zur genetischen Voraussetzung, es konnte nur in einem gerade so angeordneten Organismus entstehen und ist allein durch das Vorhandensein eines früheren, später aufgelösten, geordneten Zustandes erklärlich. Ich fasse alle die Fälle, wo während der phylogenetischen und onto- genetischen Entwicklung alte Organe zerstört und von neuen ersetzt werden — gleichviel ob die auf einander folgenden Bildungen nach ihren primären Beziehungen gleichwerthig oder ungleichwerthig sind —, unter dem allgemeinen Ausdruck des Wechsels oder der Substitution der Organe zusammen. Der Theil, welcher die Voraussetzung und An- regung für die Neubildung darstellt, mag das Vermittelungsorgan, die Neubildung das Substitutionsorgan heißen. Bei dieser Betrachtungsweise ist es nicht schwer zur Entwicklungs- geschichte des Nervensystems der Anneliden den phylogenetischen Schlüssel zu finden. Die Ausgangsform geben medusenartige Cölen- teraten mit einem ganglienhaltigen Ringnerven als Centralorgan her. Ob diese schon besondere radial vertheilte Sinnesorgane am Schirm- rand besaßen, wie die lebenden Medusen, ist aus der Ontogenie der Anneliden nicht mehr ersichtlich, jedenfalls aber haben sich bei den direkteren Vorfahren der letzteren ein hervorragendes Sinnesorgan auf dem Scheitel der Umbrella und später ein oder mehrere Sinnesorgane, wahrscheinlich um den ursprünglichen Mund herum, auf der Subum- brella gebildet. Die Neuromuskelanlagen der Subumbrella lieferten zu- gleich die gesammte Muskulatur. Alle Sinnesorgane waren mit einem besonderen Apparat von Ganglienzellen versehen, standen aber in un- mittelbarer Abhängigkeit vom centralen Ringsystem. In Folge ver- änderter Lebensweise, die mit der Umgestaltung der äußeren Körper- form und des Bewegungsmodus Hand in Hand ging, gewannen die ner- vösen Bildungen der Umbrella und der Subumbrella immer mehr das Übergewicht und vervollständigten sich durch Hinzufügung neuer Sinnesorgane und Vermehrung der ihnen angehörigen Ganglienzellen. So entstanden zwei bedeutende nervöse Organkomplexe, bereits mit starker centraler Thätigkeit, die jedoch unter einander nur durch Ver- mittelung des alten Centralorgans kommunieiren konnten. Dann fehlte den Ganglienzellen des letzteren der Arbeitsstoff gänzlich, sie gingen zu Grunde und mit ihnen alle alten Leitungen, ausgenommen diejenigen, welche vom umbrellaren zum subumbrellaren Abschnitt des nun zu | fi { | Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 917 einem einheitlichen System verknüpften neuen Centralorgans hinüber- führten. Da dieser phylogenetische Vorgang zum größten Theil in der Onto- genie der Anneliden erhalten ist, besitzen dieselben während ihres in- dividuellen Lebens zwei durchaus verschiedenartige Nervensysteme, eins für die Larve, ein anderes für das Annelid. Zwischen beiden be- steht gar keine Homologie. Das CGentralorgan der Larve ist dem der Medusen homolog, für das Centralorgan des Annelids giebt es in der Cölenteratenorganisation keinen gleichwerthigen Bestandtheil. Es findet nicht Umbildung sondern Substitution von Organen statt. Und das medusoide System ist nicht allein das funktionirende Organ der Larve: bevor es der Zerstörung verfällt, hat es bereits die Aufgabe des Ver- mittelungsorgans erfüllt, durch das die Herstellung des Substitutions- organs möglich ist. Die genetischen Beziehungen der nervösen Centralorgane der anderen Thierklassen zu jenen der Cölenteraten und Anneliden lassen sich bei dem gegenwärtigen Stande der entwicklungsgeschichtlichen Kenntnisse im Einzelnen und mit genügender Sicherheit nicht be- stimmen. Von der Entstehung des Nervensystems der Echinodermen ist bis jetzt nur sehr wenig bekannt. So weit die Mittheilungen reichen und nach eigenen ziemlich dürftigen Beobachtungen scheint mir hier keine Substitution vorzukommen, sondern das bleibende Organ des Echino- derms eine Umbildung des nervösen Ringes der Cölenteraten zu sein — eine Auffassung, die zuerst von Barrour geltend gemacht wurde Das stimmte gut zu der Stellung beider Klassen im System, denn meiner Meinung nach sind von allen Metazoen die Echinodermen den Cölen- teraten am nächsten verwandt. Allein die Entwicklungsgeschichte der ersteren enthält große Schwierigkeiten, die durch die genetischen Be- ziehungen der Larve zum Echinoderm gegeben sind. Es vollziehen sich ziemlich ausgedehnte Substitutionen — wenn auch vielleicht nicht im Nervensystem — deren Bedeutung eben so wenig wie die Natur der Larve klar ist. Hıtscark hat gewiss Recht, wenn er ihre Zurückführung auf die Trochophora abweist, aber die gemeinsame Grundform, von der Sich einerseits diese, andererseits jene abgezweigt haben sollen, bleibt ein sehr unbestimmtes Ding. Auch der Versuch Barrour’s, die Echino- dermenlarven von einem medusenartigen Organismus direkt herzu- leiten, scheint mir nicht recht geglückt. Ein sehr auffallendes und längst bekanntes Beispiel von Substitu- tion bietet dagegen die Entwicklung des Nervensystems der Nemertinen dar. Die Homologie der Scheitelplatte des Pilidiums mit dem wesent- 218 Nicolaus Kleinenberg, lichsten Theile des bleibenden Kopfganglions der Anneliden kann nicht dem geringsten Zweifel unterliegen. Aber dies Organ ist dem Kopfganglion der Nemertine nicht homolog, es erzeugt keinen einzigen Theil desselben, sondern wird vollständig von der Nemertinenorgani- sation ausgeschlossen. Nun ist zwar nicht bewiesen, aber doch sehr wahrscheinlich, dass auch hier ein medusoides Ringsystem das ur- sprüngliche Centralorgan ist: dann verläuft die Entwicklung durch eine zweimalige Substitution — der Ringnerv dient als Vermittelungs- organ für die Entstehung der Scheitelplatte des Pilidiums (ob sich dabeı zugleich ein subumbrellares Nervencentrum bildet, lässt sich vorläufig nicht feststellen) und wird von diesem substituirt; die Scheitelplatte des Pilidiums wird ihrerseits wieder Vermittelungsorgan für das Kopfgan- glion der Nemertine. So hat diese denn ein Centralorgan, das weder dem der Cölenteraten noch dem der Anneliden homolog ist, aber in ihrer Entwicklung sind diese beide Formen enthalten!. Die Nemer- tine ist daher nicht unmittelbar von einem Cölenteraten sondern von einer Stammform, die bereits Annelidenorganisation besaß, abzuleiten. Bei den Nemertinen mit einfacherer Entwicklung hat offenbar eine, hier mehr dort weniger starke Unterdrückung des Pilidiums stattgefunden. Über den Ursprung des Centralnervensystems der Turbellarien wird man sich aber erst dann eine haltbare Meinung bilden können, wenn neue Untersuchungen sein Verhältnis zu dem der Nemertinen aufge- klärt haben. Die Entwicklung des Nervensystems der Mollusken schließt in vielen Punkten sehr nahe an die der Anneliden an. Es ist nicht unwahr- scheinlich, dass sich im Velum der Molluskenlarven noch Reste des me- dusoiden Nervenringes finden werden, sollte dieses aber auch in der ÖOntogenie völlig unterdrückt sein, so wäre seine phylogenetische Exi- stenz durch die getrennte Anlage der bleibenden Ganglien sicherge- stellt. Dagegen lassen die vorhandenen Untersuchungen die speciellen Homologien zwischen dem Nervensystem der Mollusken und der Anne- liden noch nicht klar erkennen. Für das Kopfganglion scheint eine ge- meinschaftliche Grundlage bei beiden Klassen vorhanden, wenn schon das bleibende Organ der Mollusken Theile in sich aufgenommen haben 1 Gleichzeitig mit der Korrektur dieses Bogens erhalte ich durch die Güte des Verfassers eine Abhandlung Sırensky’s über den Bau und die Metamorphose von Pilidium, in welcher ein mit Ganglienzellen versehener Nervenring im Prototroch beschrieben ist. Dadurch bekommt die oben stehende Betrachtung festeren Boden, aber SıLensky hält das Hirn der Nemertinen dem Kopfganglion der Anneliden homo- log, und das kann ich nach den thatsächlichen Belehrungen, die ich aus seiner Arbeit empfange, noch weniger zugeben als früher. Cr De re Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 919 dürfte, die jenen der Anneliden fehlen; der subumbrellare Abschnitt des Centralsystems ist aber schwerlich so einfach auf die Ganglienkette der Anneliden zurückzuführen, wie Sarasın will — hier liegen, glaube ich, entweder von vorn herein verschiedene Anlagen vor, oder es voll- ziehen sich sehr eingreifende Substitutionen. Das Gentralnervensystem der Arthropoden ist wohl in seinen wesentlichen Bestandtheilen aus jenen der Anneliden durch Umwand- lung hervorgegangen. Die ursprüngliche Beziehung erhält sich auch hier in der unabhängigen Anlage des Kopfganglions und der Bauchkette, aber das medusoide Vermittelungsorgan ist aus der individuellen Ent- wicklung ausgeschieden und dies erklärt sich ohne Schwierigkeit, wie bei den Lumbriciden unter den Anneliden, durch die völlige Unter- drückung der primären Larvenform. Die Insekten geben eine sehr dankbare Aufgabe für genaue Untersuchungen: die Feststellung der genetischen Beziehungen des Nervensystems der Larve und der Imago während der Metamorphose. Vielleicht treten dabei Substitutionen auf, welche die ursprünglichen Homologien gänzlich aufheben. Die größten Schwierigkeiten bietet der Vergleich des Gentralner- vensystems der Wirbelthiere mit dem der Anneliden. Zunächst der Umstand, dass bei den ersteren eine durchaus einheitliche Anlage für Rückenmark und Gehirn vorhanden zu sein scheint. Dies könnte durch eine allmählich eingetretene und schließlich mit den ersten Bildungs- vorgängen zusammenfallende Verschmelzung der umbrellaren und sub- umbrellaren Abschnitte des Annelidensystems erklärt werden, dann bliebe aber immer noch zu bestimmen, welcher Theil dem ursprünglichen Kopfganglion entspricht. Das ganze Gehirn gewiss nicht. Seine bei Wei- tem überwiegende Masse stammt offenbar vom Rumpf her: in ihm fließt eine Anzahl von Ganglien zusammen, die wohl nur auf die subumbrel- lare Anlage zu beziehen sind. Die Hoffnung, auch bei den Wirbelthie- ren eine gesonderte Anlage, welche dem Kopfganglion der Anneliden gleichwerthig wäre, zu finden, ist etwas kühn. Wenn nicht wahrschein- lich bleibt immerhin möglich, dass das ursprüngliche Kopfganglion ganz unterdrückt, und von den vorderen Theilen der Bauchkette substituirt worden ist. Denn weniger resolut als Donrn, Semrer und Andere, bin ich doch geneigt mit ihnen die Homologie des Rückenmarks der Wirbel- thiere und des Bauchmarks der Anneliden anzunehmen. Schon vorhin sprach ich die Vermuthung aus, dass der Primitivstreifen einem Theil der subumbrellaren Neuromuskelanlage entspricht. Es erscheint mir als ein großes Verdienst KöLLiker’s, fast allein den ektodermalen Ursprung des Mesoderms an dieser Stelle festgehalten zu haben, ohne sich von dem lauten Widerspruch beirren zu lassen. Natürlich trete ich allen 220 Nicolaus Kleinenberg, denen entgegen, welche in der Primitivrinne weiter nichts als ein Über- hleibsel des Blastopors sehen; eine gewisse Beziehung zu demselben verträgt sich aber auch ganz gut mit meiner Auffassung. Das bleibende Rückenmark würde dann vielleicht nur den vor- deren Abschnitt der ursprünglichen Anlage enthalten. Der Weg, den die parallelen seitlichen Stränge des Bauchmarks durchlaufen haben müssen, um zum medianen Rückenmarksrohr zu werden, scheint mir durch die mitgetheilten Thatsachen aus der Entwicklungsgeschichte der Anneliden selbst hinreichend klar vorgezeichnet. Noch mehr. Auch die Spinalganglien dürften ihre Homologie bei den Anneliden finden, und zwar in den Parapodialganglien. Dreht man die Fig. #7, Taf. XI um, so wird die Übereinstimmung nicht entgehen. Der Unterschied liegt nur darin, dass die Spinalganglien bei ihrem Auftreten dicht am Rückenmarksrohr liegen oder in dasselbe eingezogen sind. Die hintere Wurzel — das am besten gekannte Beispiel der Entstehung eines Ner- ven bei den Wirbelthieren — bildet sich gerade so wie der mediane Parapodialnerv, und die vordere Wurzel dürfte dem Muskelnerven, der sich mit jenem zu einem Stamm verbindet, gleich zu setzen sein. Es ist nicht unmöglich, dass während der Entwicklung des Rücken- marks selbst noch Bestandtheile des primären Gangliengeflechts der Subumbrella zum Vorschein kommen. Diese verschwinden bei Lopa- dorhynchus und bei vielen anderen Anneliden, bei einigen bleiben sie dagegen vielleicht bestehen. Ich möchte hierher die von SpeneeL für Oligognathus beschriebenen, mit einer besonderen Hülle versehenen großen Ganglienzellen rechnen. Bei den Elasmobranchiern waren eigen- thümliche Zellen in der Anlage des Rückenmarks bisher bloß aus einer Abbildung BıLrour’s bekannt. Neuerdings hat aber Paur Mayer diese Elemente, die Riesenzellen des Rückenmarks, genauer beschrieben. Er sagt: »Bei jungen Embryomen von 6 mm Länge (von Scyllium) liegen sie ganz oberflächlich und bilden im Bereiche der Schwanzspitze ein- fach den Verschluss des Rückenmarkrohres, haben also vielleicht mit der Entstehung desselben irgend wie zu thun, In einzelnen Fällen habe ich sie auch außerhalb gefunden, dann auch wieder, wie sie anscheinend im Begriffe stehen, hineinzuwandern. Bei älteren rücken sie in dem 1 Erst während des Druckes dieser Abhandlung sind mir die Untersuchungen _ von FrorieEp (Arch. f. Anat. u. Phys. 4885) und BeArp (Stud. Biol. Lab. of the Owens College. Manchester 4886) bekannt geworden, durch welche die Entstehung der Ganglien der hinteren Wurzeln einiger Hirnnerven und der primären Sinnesorgane der Kiemen aus einer gemeinschaftlichen Anlage fast sicher gestellt ist. Dies stimmt so gut zu manchen Vorgängen bei den Anneliden und zu meiner Darstellung des Ursprungs des Nervensystems, dass ich bedauere nur Raum für diesen Hinweis zu haben. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynehus. 221 Maße, wie der Centralkanal mehr nach innen geräth und sich relativ verkleinert, tiefer und tiefer, bleiben aber immer durch ihre Größe kenntlich. Sie haben amöboide Umrisse und scheinen durch Fortsätze mit einander in Verbindung zu stehen!.« Mayer hält diese Zellen für offenbare Elemente des Mesoderms. Ich kann nicht einsehen warum. Vergleicht man dagegen seine Angaben mit der Schilderung, welche ich von den primären Ganglienzellen der Subumbrella und ihrem Verhältnis zur Entwicklung des Bauchstranges gegeben habe, so muss sich wenig- stens die Vermuthung aufdrängen, dass so wie bei den Anneliden auch bei den Haifischen die Bildung des bleibenden Centralorgans durch einen außerhalb desselben befindlichen larvalen Ganglienzellenapparat ein- geleitet wird. Von den anderen Körpertheilen der Anneliden kommt der blei- bende Schlund durch einen besonders komplicirten Substitutionsprocess zu Stande. Ich habe darauf schon in meiner Arbeit über Lumbricus hingewiesen, doch treten die Verhältnisse in der Entwicklung der Poly- chaeten mit ausstülpbarem Schlunde viel deutlicher zu Tage. Bei den Urformen war auch der vorderste Abschnitt des Darmkanals bis zur Mundöffnung von Entoderm ausgekleidet. Dieses wurde durch die ekto- dermale Einstülpung des Stomodaeums einfach nach hinten verdrängt und ersetzt. Das Stomodaeum ist aber, -bei vielen Anneliden wenig- stens, ein larvales Organ, das vom Wurm abgeworfen und durch eine neue Bildung, den bleibenden Schlund, substituirt wird. Auch von den ursprünglichen Bestandtheilen des letzteren geht die innere Schicht bis auf Reste zu Grunde. So vollkommen die Substitution des Stomodaeums durch den blei- benden Schlund auch ist, sind die genetischen Beziehungen beider Or- gane doch viel näher als die der auf einander folgenden nervösen Bil- dungen. Denn der Schlund ist ein Tochterorgan des Stomodaeums; er entsteht in direkter morphologischer Abhängigkeit aus der Vermehrung und Differenzirung einiger Zellen des letzteren. Die Natur der paarigen Anlage lässt schließen, dass der Schlund durch die Umbildung und Ver- schmelzung zweier Anhangsdrüsen des Stomodaeums hervorging: in diesem Falle vollzieht sich also die Herstellung des bleibenden Körper- theils vermittels des Ineinandergreifens von Funktionswechsel und Or- ganwechsel. Allein die ursprüngliche sekretorische Thätigkeit der Anlagen des Schlundes geht bei Lopadorhynchus nicht ganz verloren ;. sie wird nur weiter ab in neue Organe hinein verlegt: aus der inneren Zellschicht des Schlundes entwickelt sich das thätige Gewebe der drei 1 Die unpaaren Flossen der Selachier. Mitth. aus der Zool. Station zu Neapel. Bd. VI. 1885. p. 228, 229. 399 Nicolaus Kleinenberg, bleibenden Schlunddrüsen, während ihr Mutterboden der Zerstörung anheimfällt. Hier sind die Vermittelungs- und Substitutionsorgane theilweise homologe Gebilde. Der Austausch zweier vollkommen homologer Or- gane oder Gewebe gegen einander ist sehr häufig: in der Entwieklung der Polychaeten dürfte die Verdrängung des larvalen Ektoderms durch die Annelidenepidermis ein Beispiel darbieten. Und auf diese oder jene Weise werden alte Organe und Gewebe von neuen abgelöst. Die Sache ist einfach die: das Annelid entwickelt sich aus einem Cölenteraten, aber in dem Maße, als die Anneliden- organe entstehen, werden die Cölenteratenorgane aufgehoben und ver- nichtet, der Annelidenorganismus ist keine Umbildung, sondern eine Substitution des Gölenteratenorganismus. Jener bewahrt von der Aus- gangsform, durch deren Vermittelung seine Entstehung allein möglich war, gar nichts als das einzige Entoderm des Archenterons. Man braucht nur in die Entwicklung anderer Thiere hineinzugrei- fen, um weitere Fälle von Organwechsel herauszuziehen. Ein kombinir- tes Beispiel von Funktionswechsel und Substitution bietet das Skelett der Wirbelthiere dar. Hier bildet sich das primäre Element des Systems, die Chorda, durch direkte Umwandlung eines vorher bestehenden, entodermalen Abschnittes des Darmkanales — also durch Funktions- wechsel!. Die Chorda ist das ganze Achsenskelett der niederen Chorda- ten und erscheint in der Ontogenie aller echten Wirbelthiere ohne Aus- nahme als erste Bildung des Systems. Aber aus ihr entsteht gar nichts weiter, kein einziges Gewebe oder Organ stammt von ihren Zellen ab, und ihre physiologische Bedeutung sinkt mehr und mehr herab, bis sie bei den höchsten Thieren gänzlich oder bis auf elende Überbleibsel zerstört wird. An ihre Stelle treten genetisch ungleichwerthige, ihr nicht homologe Bildungen, die Theile des bleibenden Skelettes: hier 1 Diese Auffassung stützt sich auf die Ontogenie der Chordaten. Ich habe bei meinen Untersuchungen der Annelidenentwicklung nach einem Organ gesucht, aus dem die Chorda entstanden sein könnte und dabei meine Aufmerksamkeit beson- ders auf den von Eısıg entdeckten Nebendarm gerichtet. Denn, wie EHLERS sehr klar dargelegt hat, ist dies das einzige bekannte Organ des Annelidenkörpers, das mit dem primitiven Skelett der Wirbelthiere in Verbindung gebracht werden könnte. Allein ich bin zu keinem befriedigenden Ergebnis gekommen. In der Entwicklung der meisten Anneliden erscheint keine Spur des Nebendarmes, ich fand ihn nur bei den Larven derjenigen Formen, die ihn auch im erwachsenen Zustande besitzen, nämlich bei Capitelliden und Euniciden. Bei einer Larve der letzteren hängt er als ziemlich kurze Schlinge unter den Hauptdarm und mündet vorn und hinten in diesen. Die Capitelliden bilden frühzeitig ein Divertikel vom hintersten Theil des Archenterons, das nach vorn wächst. Ich glaube, dass dies die Anlage des Neben- darmes ist, bin dessen jedoch nicht ganz sicher. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 223 greift die Substitution ein. Natürlich entwickelt sich dieses in Ab- hängigkeit von der Muskelthätigkeit, diese ist aber wiederum bereits durch das Vorhandensein der Chorda in eine bestimmte Form gebracht, die Chorda wirkt also als Vermittelungsorgan bei der Entstehung des Skelettes: wenn letzteres auch keinen einzigen Bestandtheil der Chorda mehr enthält, ist es doch nur durch dies vorhergegangene Dasein der- selben erklärlich. Endlich könnten selbst die merkwürdigen Vorgänge bei der Ver- knöcherung der knorpelig vorgebildeten Skeletttheile unter den Begrifi der Substitution fallen, denn das Knorpelgewebe verwandelt sich nicht, es wird vielmehr aufgelöst und durch die von außen her ein- dringenden Osteoblasten verdrängt. Dabei wird nur das Gewebe ersetzt, das Organ bleibt erhalten: es ist als ob in die alten Formen ein neues Metall gegossen würde. Und wie viele andere Substitutionen der Integumentbildungen, im Nierensystem, im Cirkulationsapparat und was weiß ich sonst noch! Bei dieser Betrachtungsweise erscheinen auch manche rudimen- täre Organe in anderem Lichte. Ihr hartnäckiges Wiederkehren durch lange phylogenetische Reihen hindurch würde sehr schwer verständlich sein, wären sie wirklich nicht mehr als bloße Erinnerungszeichen an vergangene und vergessene Zustände. Doch möchte ihre Bedeutung für die Vorgänge der individuellen Entwicklung viel größer sein als man gewöhnlich anerkennt. Nachdem sie in der Phylogenie als Vermitte- lungsorgane gedient haben, fällt ihnen dieselbe Leistung für die Onto- genie zu: auf die Anregung oder mit Hilfe des später rudimentären Or- gans treten im Embryo die bleibenden Theile hervor und werden in ihrer Entwicklung geleitet: erst wenn diese bis zu einem gewissen Grad von Selbständigkeit vorgeschritten ist, hat das Vermittelungsorgan seiner Aufgabe genügt und kann pensionirt werden. Auf den Werth, welchen der Organwechsel für das Verständnis der Erscheinungen bei der Metamorphose, beim Generationswechsel und ähnlichen Vorgängen haben kann, braucht wohl nicht besonders aufmerksam gemacht zu werden. Ferner ergeben sich einige Winke für die methodische Behandlung zoologischer Probleme. Es ist theoretisch möglich, dass die endgültige ' Organisation eines Thieres allein auf Substitutionen beruht. In diesem N \ \ j | Falle vermag die vergleichend-anatomische Untersuchungsmethode nicht die natürlichen Beziehungen aufzuschließen. Aber auch unter ‚allen anderen Umständen ist die Entwicklungsgeschichte das einzig zu- ' verlässige Mittel zur Feststellung der Natur der Organe: die ver- gleichende Anatomie wird sich mehr und mehr darauf beschränken 334 Nicolaus Kleinenberg, müssen die Probleme aufzuwerfen, während die exakte Fassung und Lösung derselben Sache der Entwicklungsgeschichte ist. Nur darf die Entwicklungsgeschichte nicht glauben Alles geleistet zu haben, wenn es ihr gelungen ist nachzuweisen, von welchem der primären Keimblätter ein Organ herkommt. Zwei Körpertheile dersel- ben physiologischen Bedeutung und anatomischen Stellung können aus dem nämlichen Keimblatt entsprungen sein und doch völlig verschie- dene Entwicklungswege durchlaufen haben — diese Wege sind aber für die eigentliche Natur des Erreichten entscheidend. Darum muss die Ableitung von Organ zu Organ gehen, und auch die Keimblätter bekommen nur dann tiefere Bedeutung, wenn man sie als funktionirende Organe der ersten Metazoen auffasst. Doch es ist Zeit zum Schluss: ich bemerke eben, dass diese Be- trachtungen in das erste Kapitel zurücklaufen. Enthalten sie einen richtigen Gedanken, so wird er sich im natürlichen Geschehen wieder- finden. Messina, 17. Juni 1886. Erklärung der Abbildungen. Bedeutung der Buchstabenbezeichnungen. a, After; dep, bleibende Epidermis; aa, vordere Antennen; dmn, dorsale Muskelnerven; ad, Rückenantennen ; dpn, dorsale Ganglienzellen des Proto- ag, Antennengehirn; trochs; am, dorsaler Subumbrellamuskel ; ec, Ektoderm ; ap, hintere Antennen; en, Entoderm; as, Aciculasack; gg, Ganglion des Geruchsorgans ; av, Scheitelantennen ; gl, Glaskörper; avg, Scheitelantennengehirn ; glz, Glaskörperdrüse; ba, Retinastäbchen ; go, Geruchsorgane, bd, Bauchdrüse; g9za, Reflexnervenzellen ; bg, Bauchganglion ; g92b, automatische Nervenzellen; bm, Borstenmuskel ; h, Kopfganglion ; bp, Bauchplatten;; hc, Hirnkommissur; bs, Bauchschild; hd, Hautdrüsen; bsa, Borstensäcke; ks, Kopischild; enz, Ganglienzellen der Schlundkommis- |, Linse; sur; Isd, laterale Schlunddrüsen;; de, Rückencirren; Ism, laterale Stoomodaeummuskeln ; dd, Darmdrüsen; Isn, lateraler Nerv der Subumbrella; Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. m, Mundöffnung; mf, Muskelfasern; mp, Muskelplatten; mpd, dorsale Muskelplatten ; mpv, ventrale Muskelplatten ; msd, mediane Schlunddrüse; msm, medianer Stomodaeummuskel; n0, AugennerV; np, Neuralplatten ; o, Ovarien; oh, Augenhirn ; p, Peritoneum ; pa, Parapodien; pag, Parapodialganglien; pan, Parapodialnerv; pat I, vorderer, II, hinterer Paratroch; pi, Retinapigment; pr, Prototroch; prm, Prototrochmuskel; prn, Prototrochnerv; qm, Ringmuskeln; r, Retina; rn, Rückennerv; Pnz, Ganglienzellen ; s, Schlund; sc, Schlundring; 225 scs, subumbrellarer Abschnitt des Schlundringes; scu, umbrellarer Abschnitt des Schlund- ringes; sg, Scheitelorgan ; sgi, unteres Schlundganglion ; sk, Schwanzkappe; sns, Nervensystem des Schlundes; sp, Sinnesplatten ; spn, subtrochale Neuromuskelanlagen, srm, subumbrellarer Rückenmuske| ; srn, subtrochale Ringnervenzellen ; srz, subumbrellare Ganglienzellen ; st, Stomodaeum ; sw, Stirnwulst; tt, Tentakeln; ve, Baucheirren; vd, Rückengefäß; vlm, ventraler Längsmuskel ; vpn, ventrale Ganglienzellen des Proto- trochs; vsm, ventraler Muskel der Subumbrella ; vv, Bauchgefäß ; x, in Theilung begriffene Entodermzel- len; y, seitliche Paratrochkerne ; z, centrale Paratrochkerne.- Die Vergrößerungen sind durch die Nummer der beim Zeichnen benutzten Zeıss’schen Objektive und Oculare angegeben. Die Schnittrichtung bezieht sich überall auf die Längsachse des Körpers. Die eingeklammerten römischen Zahlen bezeichnen die Gesammtzahl der von einer Larve gemachten Schnitte; die einge- klammerten arabischen Zahlen die Nummer des Schnittes — wo nicht besonders bemerkt, sind die Querschnitte vom vorderen Pol ab gezählt. Tafel I. Fig. 1—15 zur Entwicklung der äußeren Körperform. Fig. 1—12 Zeıss B. T; 13—15 A.II. Fig. 8, 40, 42 von Lopadorhynchus brevis, die übrigen von L. Krohnii. Tafel II. Fig. 46 zur Anatomie der jüngsten Larve. Querschnitte (XV). D. II. L. brevis. Fig. 16a (2), b (4), e (6), d (7), e (8), f(9), g (10), A (14), (42), k (13), L(14), m (15), n(16). Fig. 17. Von einer älteren Larve (XIX) Querschnitte. e(A1), d (15). Fig. 17a (9), d (10), Tafel III. Fig. ATe (7), f (8). Fig. 48. Querschnitte (XXIV). a (4), 6 (5), c (6), d (7), e (8), f (40). D. IL. Be 9, (RRRXTD a), Bla). DI: Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLIV. Bd. 45 226 Nicolaus Kleinenberg, Tafel IV. | Fig. 19c (5), 4 (6),e (N), F (8), gy (9, A M0),: (At), KR (14). Tafel V. Fig. 20. Querschnitte. (XL) D.I. 20a (5), 5 (6), e (7), d(8), e (9), FA), g (AN), h(i12),i (13), k (44), 1 (45). Tafel VI. Fig. 24. Querschnitte. (XXXVII D.I. 21a (2), d (4), ce (6), d (8), e(10), f(12), 9 (44), h(A7). Fig. 22. Querschnitte. D. I. 22a (2), b (3), c (5), d (8). Fig. 23. Querschnitte. D. I. 23a (2), 5 (3), c (5). Tafel VII. Fig. 234 (6), em), 9). Fig. 24. Querschnitt (38). Fig. 25. Querschnitt (17). Fig. 26. Querschnitt (26). Fig. 27. Frontale Längsschnitte. 27a (3 von der dorsalen Seite), b (5 von der dorsalen Seite). Vergr. überall D. I. Tafel VIII. Fig. 28. Frontale Längsschnitte. D. II. 28a (3 von der Rückenseite), 5 (4), c (5) 4.(6), e (N), f(8), 9 0). Fig. 29. Frontale Längsschnitte. F.I. 29a (5 von der Rückenseite), b (6), c (7), d (8). ’ Tafel IX. Fig. 29e (9), f 10), 9 (AA), h (2), (13). Fig. 30. Frontaler Längsschnitt. D Fig. 34. Frontaler Längsschnitt. D. Fig. 32. Frontaler Längsschnitt. D Fig. 33. Frontaler Längsschnitt. D Fig. 34. Frontaler Längsschnitt. D. I (10). Tafel X. Frontale Längsschnitte. Fig. 35 (8). Fig. 36 (16). Fig. 37 (7 von hinten). Fig. 38 (20 von hinten). Fig. 39 (28 von hinten). Fig. 40 (34). Fig. 44 (33). Fig. 35—38 D. I, Fig. 39—41 C. 1. Tafel XI. Querschnitte. Fig, 42. C.1 (33) Fig. 43, D. I (32) Fig. 44. D. I (44), Fig. 45. D. I (17). Fig. 46. C. I. 46a (56), db (70), e. (79), @ (81). Fig. Fig, Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 47. 48. 49. 50. 51. 92, 53. 54. 55. 56. Se 58. 59. [1 Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynchus. 22 F. I1 (47 von hinten). F. II. 48a (4 von hinten), d (2), c (3), d (4). F. II (1 von hinten). Tafel XII, Sagittale Längsschnitte. Tafel XIII. Sagittaler Längsschnitt. C.1I (8). Sagittaler Längsschnitt. C. I (23). Querschnitt. C. II (25). Querschnitt. D. II (29). Querschnitt. D. II (61). Isolirte Prototrochzellen mit einem Stück des Ringnerven und zwei Ganglienzellen. D. II. Fig, Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 60. 61. 62. 63. 64. 69. 66. 67. 68. Zellen einer jungen Bauchplatte. F. II. Zellen der Anlage des Kopfganglions. D. II. Aus einer älteren Neuralplatte. F. Il. Embryonale Muskelzelle. D. Il. Isolirtes Bauchschild mit den Drüsenzellen der Bauchdrüse. D. Il. Zellen des Ektoderms. F. II. Einzellige Hautdrüsen. D. II. Tafel XIV. Querschnitte von einer jungen Alciopalarve. D. III. 67a (9), d (8). Querschnitte von einer jungen Asteropelarve. D. III. 68a (44), b (39), ce (84), d (29), e (23), 9), g (13), h (8), % (6), k (#). Fig. 69. Querschnitt durch das hintere Ende einer älteren Asteropelarve. Tafel XV. Fig. 70. Querschnitte durch den Kopfeiner Alciopalarve. D.TI. 70a (3), b(4), c (6). Fig. 74. Querschnitte durch den Kopf einer Nauphanta. D. III (6). Fig. 72a (3), b (4). Fig. 73 (6). Fig. 74 (10). Fig. 75 ı\8). Fig. 76 (42). Fig. 77 (AA). Querschnitte verschiedener Entwicklungsstadien von Asterope, Fig. 72 D. III, Fig. 73, 74, 75 D. II, Fig. 76 C. II, Fig. 77 D. II. Fig. 73. Querschnitt von Phyllochaetopterus. D. II (37). Fig. Fig. Fig. Fig, Fig. Fig, Fig. Fig. 19. 80. 81. 82. 83. 84. 85. 86. Tafel XVI. Querschnitt von Chaetopterus. D. II (22). Querschnitt von Phyllochaetopterus. F. I (58). Frontaler Längsschnitt von Phyllochaetopterus. D. III (24). Sagittalschnitt von einer Phyllodocelarve. D. I (15). Frontalschnitt einer anderen Phyllodoce. D. II (14). Querschnitt der Larve Fig. 82 (6 von hinten). D. II. Querschnitt der Larve Fig. 82. (5) D. I. Querschnitt der Larve Fig. 82. (6) D. I. Das Karyoplasma und die Vererbung, eine Kritik der Weismann’schen Theorie von der Kontinuität des Keimplasma. Von A. Kölliker. In meiner Arbeit über die Bedeutung der Zellenkerne für die Vor- gänge der Vererbung (diese Zeitschr. Bd. XLII. 1885) nahm ich am | Schlusse die Gelegenheit wahr, auch die Anschauungen von Weismann! über den tiefen Gegensatz zwischen den Keimzellen und den Körper- | zellen kurz zu beleuchten und mich dahin auszusprechen, dass von | einer scharfenGrenze zwischen den genanntenElementen | keine Rede sein könne. Nach Beleuchtung der Vorgänge der Re- generation und der Vermehrung durch Sprossen und Keime, so. wie der Erscheinungen des Wachsthums bei Pflanzen und Thieren fasste ich schließlich meine Anschauungen in folgender Weise zusammen (l.c. p- #4): »Es darf daher wohl angenommen werden, dass von Haus aus | jede embryonale Zelle das Vermögen besitzt, das Ganze zu erzeugen | und in gewissem Sinne Keimzelle ist, und dass, wenn dieses Vermögen 5 ‚bei den höheren Thieren und Pflanzen später nur an gewisse Elemente |" gebunden erscheint, dies mit besonderen Verhältnissen verknüpft ist. Ich denke mir, dass bei der Entwicklung der mehrzelligen Organismen | die zuerst auftretenden Zellen alle wesentlich denselben Werth be- |) saßen und durch ihre hermaphroditischen Kerne der befruchteten Ei- Li zelle gleichstanden. Im Laufe der Entwicklung ging dann ein Theil |” dieser Elemente besondere Umgestaltungen ein und differenzirte sich |” zu den specifischen Gewebszellen, und je mehr dies geschah, um so | mehr verlor sich die, wenn man so sagen darf, embryonale (Ei- oder | Keimzellen-) Natur derselben, ohne dass jedoch ihre Kerne nothwendig | ihre hermaphroditische Zusammensetzung oder ihr Idioplasma sofort |’ einbüßten. Doch blieb diese embryonale Natur immerhin bei manchen | h 1 Über die Vererbung. Jena 1883. Das Karyoplasma und die Vererbung. 229 Elementen erhalten und solche Zellen sind es dann, die an Vegetations- punkten wuchern und unter Umständen den Organismus wieder zu bil- den geeignet sind. Eine besondere Art solcher Zellen von embryona- lem Charakter wandelt sich endlich speciell zu den Keimzellen im enge- ren Sinne, zu den Ei- und Samenzellen, um, welchen die Verrichtung der Fortpflanzung allein zukommt, indem die einen derselben reich- liches Plasma in sich entwickeln, welches als erstes Ernährungsmaterial des neuen Geschöpfes zu fungiren hat, die anderen beweglichen Gebil- den den Ursprung geben, die eine Verbindung mit den Eizellen einzu- gehen befähigt sind. Männliche und weibliche Keimzellen sind demnach für mich einfach Zellen von embryonalem Charakter, die behufs ihrer specifischen Funktion besondere Eigenschaften angenommen haben. « In neuester Zeit hat nun Weısmann wiederum in zwei Schriften ! sich über diese Verhältnisse verbreitet und wenn auch mit manchen Änderungen doch im Wesentlichen seine alte Hypothese festgehalten und dieselbe auch gegen einen Angriff von Korımann ? vertheidigt?. Es scheint mir daher gerathen, auch meinerseits von Neuem auf diese wichtige Streitfrage einzugehen und sine ira et studio die Gründe dar- zulegen, die mich von einer vorzugsweise auf der Histologie und Em- bryologie fußenden Basis aus zu einer von der von WEısmann ganz und gar abweichenden Anschauung bringen. Ich behaupte in erster Linie, dass das im Kerne der be- fruchteten Eizelle befindliche Idioplasma im Laufe der Entwicklung wohlan Masse zunimmt, aber seinerinneren Struktur nach unverändertindieKerneallerZellen über- geht, die an der Formbildung des Embryo sich betheili- sen. Somitleugneichjeden tieferen Gegensatz zwischen den »somatischen Zellen« oder den Gewebszellen einer- seits und den Eizellen und Samenzellen andererseits. Hieraus folgt dann weiter, dass beiden Umbildungen der embryonalen Zellen in die specifischen Gewebselemente das ursprüngliche Kernidioplasma seine typischen Eigen- Schaften in vielen Fällen ganz und gar bewahrt. Inande- ten Fällen geht dasselbe später Rückbildungen ein und kann schließlich selbst vollkommen zu Grunde gehen. 1 Die Kontinuität des Keimplasmas als Grundlage einer Theorie der Vererbung. Jena 1885 und Die Bedeutung der sexuellen Fortpflanzung für die Selektionstheorie. Jena 1886. 2 Biol. Centralbl. Bd. V. 1886. p. 22, 23. 3 Zur Frage nach der Vererbung erworbener Eigenschaften. Biol. Centralbl. Bd. VI. Nr. 2. 330 | A. Kölliker, Wenn man davon absieht, dass ich das Idioplasma in die Kerne verlege und nicht als ein den ganzen Organismus durchziehendes Netz auffasse, so stimmt der erste vorhin ausgesprochene Satz ganz und gar mit den Aufstellungen von v. NägzLı überein. Wrısmann dagegen be- hauptet (1885, p. 22), dass das Idioplasma nicht eine einzige Substanz von gleicher Beschaffenheit sei, die den ganzen Organismus durchsetze, vielmehr müsse jede besondere Zellenart des Körpers ihr specifisches, das Wesen derselben bestimmendes Idioplasma oder Kernplasma ent- halten, es gebe somit in jedem Organismus eine Menge verschiedener Idioplasmaarten. Beweise giebt nun freilich Weismann für diese Auf- stellung keine, denn es kann doch nicht als soleher gelten, wenn er ausruft: »Wie sollte sonst das Idioplasma die großen Verschiedenheiten in der Bildung der Theile des Organismus bewirken können?« Auch in seinen Einzeldarlegungen ist Wrısmann nicht bestimmter. Wenn v. Nigzuı sagt, dass das Idioplasma überall im Organismus, indem es sich vermehrt, seine specifische Beschaffenheit beibehält und nur inner- halb dieses festen Rahmens seine Spannungs- und Bewegungszustände und durch dieselben: die nach Zeit und Ort möglichen Formen des Wachsthums und der Wirksamkeit wechselt, so hat Wzısmann hiergegen allerdings verschiedene Einwände (1885, p. 24). Es kann jedoch nicht als Beweis gelten, wenn er den Satz aufstellt, dass die histologischen Elemente in ihrem Idioplasma sehr wesentlich von einander sich unter- scheiden, so dass z. B. eine Muskelzelle ein anderes Idioplasma habe, als eine Nervenzelle oder eine Verdauungszelle desselben Individuums, ohne den Versuch zu machen, dies im Einzelnen nachzuweisen. Weiter glaubt dann Weısmann v. Nägzrı der Inkonsequenz zeihen zu können, da derselbe für die einzelnen Stadien der Phylogenese qualitative Verschiedenheiten des Idioplasma annehme, in der Onto- genese dagegen, trotzdem dass hier die Stadien der Phylogenese abge- kürzt sich wiederholen, nur ein einziges Idioplasma statuire. Aber wie sollte denn dem anders sein können? Es wird doch nicht ein höheres Geschöpf im Laufe seiner Entwicklung verschiedene, typisch ab- weichende Idioplasmen aus sich zu entwickeln haben, nachdem dessen Keim dieselben bereits durch Vererbung als höhere einfache Form er- worben hat! Als Schlusssatz von Weısmann erscheint der, dasseseinsoma- tischesIdioplasma und einKeimidioplasma gebe und dass ersteres nicht in letzteres sich umwandeln könne. Es müsse daher, um die Übertragung der Eigenschaften eines Organismus auf die folgenden oder die Vererbungzuer- klären, stets ein wenn auch sehr minimaler Theil des Das Karyoplasma und die Vererbung. 231 Keimidioplasma unverändert in den sich bildenden Orga- nismusübergehen undschließlich die Grundlage zur Bil- dung der Keimzellen darstellen. Lassen wir nun vorläufig diese Ansicht auf sich beruhen und sehen wir zu, wie unserer Auffassung nach die Verhältnisse des Idioplasma bei der Entwicklung sich gestalten. Der Kern der ersten Furchungskugel enthält die gesammte männ- liche und weibliche, vom Vater und der Mutter abstammende, idio- plastische Substanz des sich entwickelnden Organismus und aus ihm gehen in unmittelbarer Formfolge tausende und tausende von Kernen hervor, die alle die typische, den betreffenden Organismus charakteri- sirende idioplastische Substanz in sich schließen. Vermöge dieser Eigenschaft geht dann aus diesen Kernen und ihren Zellen Schritt für Schritt ein Organismus von ganz bestimmter Qualität hervor und ist nicht der geringste Grund vorhanden, so lange als der Organismus in Entwicklung begriffen ist, irgend einen Elementartheil desselben nicht als typischen, und dessen Karyoplasma nicht als echtes’ Idio- plasma, d. h. als mit demjenigen, welches schon im ersten Furchungs- kerne vorhanden war, übereinstimmend zu bezeichnen. Denn alle diese Kerne und Zellen haben ja an der Erzeugung der typischen Organi- sationen ihren wesentlichen Antheil. So enthalten z. B. die Zellen der Extremitätenanlage eines Vogels oder eines Säugers alle typisches Idio- plasma (Keimidioplasma, Weısmann) und bildet sich aus diesem Grunde die Anlage in dem einen Falle zu einem Flügel, in dem anderen zu einem Vorderlaufe oder einem Arme aus. Eben so muss Keimidio- plasma in allen Zellen der Skelettanlagen, in den Elementen einer hervorsprossenden Drüse, in denen der primitiven Augenblase etc. enthalten sein, denn das Skelett, eine Lunge oder Leber, das Auge ist ja später das getreueste Abbild, die vollkommenste Darstellung des zeugenden Organismus, in der Art, dass selbst die individuellsten Ver- hältnisse, z. B. im Gesichtsskelette, sich wiederspiegeln. Wie wäre es da möglich, dass die Knorpelzellen des Embryo, die Osteoblasten der wachsenden Knochen etc. nur somatisches Idioplasma enthielten, wie ' Weısmann will? Besäßen dieselben nicht das nämliche Idioplasma, wie | die befruchtete Eizelle, typisches Keimidioplasma, so wäre es ja unbe- | | greiflich, wie in dem einen Falle aus dem Ei das Skelett eines Men- schen, in dem anderen das eines Carnivoren oder eines Vogels sollte hervorgehen können. Sind diese Erwägungen und Schlussfolgerungen richtig, so folgt aus denselben, dass, so lange als ein Organismus wächst und in Ent- wicklung begriffen ist, alle Elemente desselben, d. h. deren Kerne, 252 A. Kölliker, echtes typisches Idioplasma enthalten und zwar gilt dies meiner Meinung nach nicht nur von den Zellen, die den Furchungskugeln in der Form noch nahe stehen, die man Zellen mit embryonalem Charakter nennen kann, sondern auch von den histologisch mehr differenzir- ten Elementen. Denn auch diese tragen das specifische Gepräge des betreffenden Organismus. Hornblattzellen erzeugen Haare, Federn, Stacheln, Schuppen je nach dem. Muskelzellen geben zur Bildung ab- weichend gebauter Muskelfasern und verschieden geformter, mannig- fach in Dicke, Länge, Breite, Lage abweichender Muskeln Veranlassung; Nerven- und Drüsenelemente bilden Nervenfasern, Nerven- und Drüsen- zellen und Organe der mannigfachsten Art. Es giebt somit im werden- den Organismus überall typisches Idioplasma und liegt wenigstens in den Thatsachen der Entwicklungsgeschichte kein Grund zur Aufstellung eines somatischen Idioplasma im Weısmann’schen Sinne. Ob in den Erscheinungen der Histogenese, soll später erörtert werden. Wenn alle Elemente eines sich entwickelnden Organismus auch in späteren Zeiten, nachdem die Histogenese längst begonnen hat, z. B. bei einem menschlichen Embryo des 2. und 3. Monates, einem Kanin- chenembryo von 13 bis 20 Tagen, einem Hühnerembryo von 5 bis 10 Tagen, typisches Idioplasma enthalten, so besteht nicht die geringste Schwierigkeit, die Entwicklung der Keimzellen zu begreifen. Diesel- ben sind von diesem Gesichtspunkte aus eben nichts Anderes als Ele- mente von embryonalem Charakter mit demselben Idioplasma wie alle anderen embryonalen Zellen, Elemente, die zu speeifischen Zeugungs- zellen sich umbilden, und ist nicht die geringste Nöthigung vorhanden, ihr Idioplasma in ganz besonderer Weise abzuleiten. Bei den weib- lichen Keimzellen, die schon bei Embryonen ihre typische Gestaltung erlangen, ist dies scheinbar noch einleuchtender als bei den Bildungs- zellen der Samenfäden, die erst ganz spät zu voller Funktion gelangen. Allein auch hier ist klar, dass die vielen Generationen von Samen- zellen, von der ersten Anlage der Hodenkanälchen an, alle einander ihr Idioplasma übertragen und die letzte eben so vollwerthig ist wie die erste. Eben so werden von unserem Standpunkte aus .auch alle Fälle leicht verständlich, in denen einzelne Zellen ohne Befruchtung oder größere Zellenkomplexe (Knospen, Blätter etc.) ihren Organismus wie- der zu erzeugen im Stande sind, wie dies bei Pflanzen und Thieren in manchen Fällen gefunden wird. Auch die Bildung von Stöcken oder Kolonien in beiden Reichen, und die Wiedererzeugung verloren ge- gangener Theile fällt unter denselben Gesichtspunkt und giebt es über- haupt keine Erscheinung der Fortpflanzung und Formbildung, die nicht Das Karyoplasma und die Vererbung. 233 bis zu einem gewissen Grade durchsichtig wäre, wenn man die von mir behauptete Allverbreitung des typischen Idioplasma zum Ausgangs- punkte nimmt, mit anderen Worten dasselbe allen embryonalen Ele- menten, allen Zellen des wachsenden Organismus, ja selbst allen Ele- menten des ausgebildeten Körpers zuschreibt, so lange dieselben noch lebenskräftige Kerne besitzen. Nach diesen Auseinandersetzungen will ich nun weiter einen Blick auf die Art und Weise werfen, wie das typische Idioplasma der befruchteten Eizelle bei der Entwicklung sich verhält. In erster Linie zeigt dasselbe eine massenhafte Zunahme, indem, wie wir oben gezeigt haben, nicht zu bezweifeln ist, dass alle Kerne der späteren Furchungsstadien und der Keimblätter, alle Kerne der älteren Embryo- nen, ja des wachsenden Organismus überhaupt typisches Idioplasma enthalten und dass die typische Gestaltung der Organismen einzig und allein von demselben abhängt. Eine solche Zunahme muss auch Weıs- MANN für den minimalen Theil seines Keimplasma annehmen, das nach ihm bei der Entwicklung eines Eies sich unverändert erhält und die Grundlage für die Bildung der Eier und Samenfäden darstellt, denn woher sollte sonst die ungeheure Masse von typischem Idioplasma stammen, die in den Millionen Eiern vieler Thiere und in der unzähl- baren Menge von Samenfäden enthalten ist? In so fern stehen wir so- mit beide auf demselben Standpunkte. Eine Erklärung für diese Zu- nahme des Idioplasma lässt sich vorläufig nur ganz im Allgemeinen dahin abgeben, dass, in Folge der Wechselwirkung des Plasma der embryonalen Zellen mit den umgebenden Ernährungssäften einerseits und dem Plasma ihrer Kerne andererseits, in letzterem immer neue Nucleinsubstanz (sit venia verbo) gebildet wird, während dieser Stoff dem Cytoplasma ganz abgeht oder nur in minimalen Mengen in dem- selben sich findet. Vermuthen lässt sich ferner, unter der Voraussetzuna dass das Idioplasma des ersten Eikernes hermaphroditischer Natur '- und aus männlichen und weiblichen Stofftheilchen besteht, dass il Laufe der Entwicklung sowohl die einen als die anderen derselben a: Masse zunehmen. Ob das primitive Idioplasma im Laufe der Entwick- lung und während seiner Vermehrung Veränderungen eingeht, ist eine Frage, die sich nur dahin beantworten lässt, dass solche, wenn sie vor- kämen, auf keinen Fall erheblichere sind und nur auf individuelle - Ausprägungen sich beziehen könnten, indem die typische Gestaltung jedenfalls schon im ersten Furchungskerne gegeben ist und auf alle Abkömmlinge desselben sich überträgt!. Die genannten individuellen 1 Selbstverständlich sehe ich hier von den Umgestaltungen der einzelnen Typen in einander ab, welche zu besprechen hier keine Veranlassung ist. 234 A, Kölliker, Ausprägungen anlangend, so scheint mir die Möglichkeit vorzuliegen, dass der männliche oder der weibliche Antheil des Idioplasma im Laufe der ersten Entwicklung Veränderungen erleidet, dıe zu Beziehungen derselben zu einander führen könnten, die sie Anfangs nicht hatten. Kommen wir nun auf WEısmann zurück, so gelangte derselbe durch die Annahme, dass die Körperzellen verändertes Idioplasma enthalten, das von dem der befruchteten Eizelle, dem Keimplasma von Weıs- MANN, wesentlich sich unterscheide, zu der sicherlich von vorn herein sehr befremdenden Aufstellung, dass von dem Keimplasma gewisse Theile unverändert sich erhalten und in die späteren neuen Keim- zellen übergehen, indem er von seinem Standpunkte aus mit Recht annimmt, dass das somatische Idioplasma nicht wieder in Keimplasma sich umwandeln könne. Nun liegt aber nicht der geringste Beweis vor für die Annahme, dass das primitive Idioplasma Veränderungen er- leide und finden sich auch bei Weısmann keinerlei bestimmte Angaben über das Wie, Wo und Wann solcher Veränderungen. Alles was Weıs- MANN nach dieser Seite vorbringt, sind allgemeine Erwägungen, deren Werth meiner Meinung nach ein sehr zweifelhafter ist und die jeden- falls zu keinen zwingenden Schlüssen führen. Denn was ist damit ge- sagt, wenn WeEısmann aus einander setzt (1885, p. 29, 30), »dass das Individuum nur dadurch aus dem Ei sich entwickeln könne, dass dessen Nucleoplasma (sie?) während der Furchung und den ihr nachfolgenden Zellentheilungen bestimmte und verschiedenartige Veränderungen ein- gehe, die eine Ungleichheit der betreffenden Zellen zur Folge haben müssen; denn identisches Nucleoplasma bedinge ceteris paribus auch identische Zellkörper und umgekehrt, die Thatsache also, dass der Em- bryo in der einen Richtung stärker wächst, als in der anderen, dass ine Zellschichten von ganz verschiedener Natur sind und sieh auch zäter zu ganz verschiedenen Organen und Geweben differenziren, Arlange den Rückschluss, dass auch die Kernsubstanz verschieden „worden sei, dass sie sich also in regelmäßiger gesetzmäßiger Weise rährend der Ontogenese verändere. Das sei denn auch STRASBURGER’S Ansicht, überhaupt müsse es heute die Ansicht eines Jeden sein, der lie Entwicklung der Anlagen nicht aus vorgebildeten Keimchen, son- dern aus dem molekulären Bau des Keimplasma herleite.« Und an einer anderen Stelle (1885, p. 45) sagt Weısmann: »Schon die Kerne der zwei ersten Furchungskugeln können nicht dasselbe Idioplasma enthalten, welches der Furchungskern enthielt, geschweige denn irgend eine der später entstandenen Embryonalzellen. Noth- wendigerweise muss sich die Beschaffenheit des Idioplasma im Laufe der embryonalen Entwicklung immer weiter von der des Furchungs- Das Karyoplasma und die Vererbung. 235 kernes entfernen, nur die desFurchungskernesistaberKeim- plasma,d.h. enthält die Struktur, aus deren Wachsthum wieder ein ganzer Organismus hervorgeht.« Ich gestehe offen, dass ich nicht begreife, wie Weısmann auf so un- bewiesene Sätze hin seine Hypothese aufbauen konnte. Wo liegt der Grund für die Annahme, dass die Furchungskerne der zweiten Stufe nicht dasselbe Idioplasma enthalten, wie der erste Kern? Gesehen hat eine solche Abweichung Niemand, und eine Hypothese, die dieselbe forderte, ist mir nicht bekannt. Was soll es ferner beweisen, wenn Weısmann behauptet: Nur das Idioplasma des Furchungskernes ist Keimplasma, d. h. enthält die Struktur, aus deren Wachsthum wieder ein ganzer Organismus hervorgeht? Enthalten etwa die zwei folgenden Furchungskerne eine andere Struktur, oder die Kerne der letzten Furchungskugeln oder die der Keimblätter ete.? Und aus was geht denn der Organismus hervor, wenn nicht aus diesen Kernen und ihren Zellen? Eben so wenig entspricht es den Thatsachen, wenn WEISMmAnN sagt, dass verschiedene Zellen verschiedenes Karyoplasma enthalten müssen und dass die Bildung im Embryo von verschiedenen Zellschichten, Or- ganen und Geweben den Rückschluss verlange, dass auch die Kernsub- stanz verschieden geworden sei. Ich erlaube mir Weısmann auf meinen Aufsatz über die Bedeutung der Zellenkerne für die Vererbung (diese Zeitschr. Bd. XLII) hinzuweisen, in dem ich zu zeigen versuchte, dass die Form und Größe der Organe wesentlich von der Art der Kernthei- lungen und der Menge derselben und außerdem zum Theil auch von der Wachsthumsgröße der einzelnen Zellen abhängt und zur Erklärung ‚keineswegs die Annahme einer Änderung des Idioplasma der Kerne verlangt. Wie die Größe, so hängt auch die Form der Zellen mit Vor- gängen zusammen, die nicht nothwendig ein verschiedenes Karyoplasma voraussetzen. Hier sei es mir erlaubt, für die Richtigkeit des Ange- führten einen Beweis zu geben, dessen Gewicht selbst Weısmann wird anerkennen müssen. Eine Eizelle und die Bildungszelle eines Samen- fadens sind doch wohl recht verschiedene Elemente und noch ab- “ weichender sind die Kerne derselben, das Keimbläschen und ein Samenfaden. Und doch besitzen die letzteren beiden das echte typi- | | | | beifüge, ihr Regenerationsvermögen, ihre Entstehung aus Knospen und sche Idioplasma mit der einzigen Verschiedenheit, die der männliche und weibliche Typus bedingt! Ruht die Hypothese von Weısmann schon nach den eben be- Sprochenen Seiten hin auf schwacher Grundlage, ist dieselbe ganz un- geeignet, die typische Entwicklung der Organismen und, wie ich hier 236 | A. Kölliker, Keimzellen zu erklären, so erscheint sie endlich auch als eine sehr ge- suchte, höchst unwahrscheinliche. Man versuche nur einmal diese Kontinuität des Keimplasmas, wie WEIısMmAnN sie annimmt, sich zu ver- sinnlichen. Wie sollen denn diese minimalen Theilchen unveränderter Keimsubstanz schließlich in die Keimzellen gelangen? und was für ver- wickelte Vorgänge müssten stattfinden, um dieselben an ihre endliche Stelle zu bringen. Giebt es somatische Zellen mit minimalen Mengen Keimsubstanz und andere ohne solche? Und welchem Keimblatte ge- hören die somatischen Zellen mit Keimsubstanz an und was für be- sondere Eigenschaften zeichnen dieselben aus? Oder enthalten etwa alle somatischen Zellen minimale Mengen echter Keimsubstanz? ete. etc. Ich verzichte darauf, diese Verhältnisse ins Einzelne auszumalen und glaube nicht allzu anmaßend zu sein, wenn ich sage, dass eine solche Hypothese der Kontinuität des Keimplasmas eben so undenkbar und unwahrscheinlich ist, wie die Darwın’sche Pangenesis. Zum Schlusse möchte ich nun noch andeuten, wie man sich meiner Meinung nach die Struktur des Idioplasma zu denken habe. Unzweifel- haft muss, wie v. NägeLı annimmt, in dem Baue des Idioplasma der be- fruchteten Eizelle der Grund für die gesammte Organisation des wer- denden Geschöpfes enthalten sein. Schritt für Schritt gehen durch die Thätigkeit der Zellenkerne, wie ich annehme, einfachere Organe, wie die Keimblätter, und dann verwickeltere Bildungen, wie das Darmsystem, Nervensystem, Knochensystem etc. hervor. Alle diese Entfaltungen beherrscht eine und dieselbe molekuläre Struktur der Kerne, modifieirt je nach den verschiedenen Typen, individuell leicht variabel im einzelnen Typus, so jedoch, dass in jedem Stadium der Entwicklung das Idioplasma wesentlich denselben Bau besitzt und von einer Vereinfachung desselben, wie Wrısmann sie statuirt (1885, p. 38), keine Rede sein kann. Auf der anderen Seite möchte ich mich aber nicht dahin aussprechen, dass im Idioplasma des befruchteten Eikernes die spätere Organisation in der Anlage vorhanden sei, so dass gewisser- maßen jedes Entwicklungsstadium aus der Thätigkeit bestimmter Micellreihen des Idioplasma hervorgeht und jedes Organ auf von An- fang an vorhandene Micellreihen zurückgeführt werden kann. Wenn man das Idioplasma, wie ich, in die Kerne des sich entwickelnden Or- ganismus verlegt und die Organbildung einzig und allein von den Leistungen der Kerne abhängig macht, so fällt jede Nöthigung zur An- nahme ursprünglich im Idioplasma liegender Anlagen weg. Es genügt dann in den Kernen gesetzmäßig und typisch ablaufende Bewegungen anzunehmen und diese von dem Baue ihres Idioplasma abhängig zu machen. Setzen wir den Fall, eine befruchtete Eizelle theile sich in Das Karyoplasma und die Vererbung. 237 dem einen Falle n mal in ganz gleiche Theile, in einem anderen Falle n -- x male, so werden zwei verschieden große Haufen von Furchungs- kugeln entstehen. Gehen dann in den Keimblättern des einen Organis- mus die Kerntheilungen in der Richtung der Dieke und Fläche weiter als in dem anderen, so bilden sich neue Unterschiede, und so kann bei jeder Organanlage durch die einfachen Vorgänge einer besonderen Kernvermehrung der Menge und der Art nach eine neue typische Bil- dung entstehen. Endlich kommt auch noch die Histogenese dazu, die wiederum in allem Typischen auf die Kerne zurückzuführen ist und so lässt sich denn unter der Voraussetzung, dass das Idioplasma der Kerne in denselben gesetzmäßige und je nach den Typen und Individuen wechselnde Vermehrungs- und Wachsthumserscheinungen veranlasst, die ganze Gestaltbildung begreifen. Hierbei bleibt das Idioplasma selbstverständlich lange Zeit in allen Kernen gleich, um jedoch zuletzt, hier früher, dort später, seine formbildende Thätigkeit einzustellen und zuletzt in gewissen Elementen (Blutzellen der Säuger, Oberhaut- schüppchen etc.) selbst ganz zu vergehen. Auf die Descendenzlehre, die in allen oben genannten Ar- beiten Weısmann’s eine Hauptrolle spielt, näher einzugehen, habe ich jetzt keine Veranlassung, doch kann ich nicht umhin zu bemerken, dass ich, wie KoLımann, finde, dass WEısmann, indem er jetzt im Gegen- satze zu seinen früheren Anschauungen die Quelle der erblichen indi- viduellen Variationen in das hermaphroditische Keimplasma verlegt, der von v. Niczrı und mir vertheidigten Lehre der Entwicklung aus inneren Ursachen in einer für ihn sehr bedenklichen Weise sich nähert. Weısmann stellt dies allerdings in Abrede, indem er Korımann vorwirft, er verstehe ihn nicht. Auch ich bin als Anatom wohl »nicht vollständig eingearbeitet in die Gedankenkreise der Descendenzlehre«, nichtsdesto- weniger stehe ich nicht an zu bekennen, dass ich nicht einsehe, wie erbliche individuelle Variationen eines Landsäugethieres das Material darstellen könnten, aus welchem Selektion und Anpassungen Wale zu bilden im Stande wären! So lange als die Anhänger der Darwın’schen Descendenzlehre nicht begreifen, dass die ersten Organismen aus inne- ren Ursachen entstanden sind, und dass innere Ursachen ihre Weiter- entwicklung veranlassten (siehe auch Körıker in Würzb. Sitzungsber. 1885), wird die Kluft zwischen beiden Lagern nicht zu überbrücken sein. Hiermit ende ich diese im Ganzen mehr aphoristischen Bemer- kungen, welche den Zweck haben, zu zeigen, dass die Weısmann’sche Hypothese nicht die einzige ist, welche die Vererbung und Ontogenese 238 A. Kölliker, Das Karyoplasma und die Vererbung. zu erklären im Stande ist. Ich anerkenne in hohem Maße das viele Gute und Anregende, das in den Schriften dieses hervorragenden Zoo- logen enthalten ist und bin auch mit vielen Ausführungen desselben vollkommen einverstanden, wie vor Allem mit dem, was sich auf die erworbenen Charaktere bezieht (siehe m. Abh.1.s. c. p. 14 Anm. 3), allein dies konnte mich nicht abhalten, den Versuch zu machen, die wichtige Frage der Vererbung auch von einer anderen Seite zu be- leuchten. Aus dem Kampfe der entgegenstehenden Ansichten wird nach und nach das Richtige sich erheben, und so wird wohl auch meine Hypothese, wenigstens nach dieser Seite, einen Werth beanspruchen können. Lugano, am Östermorgen 1886. Die Mundlappen der Lamellibranchiaten. Von Johannes Thiele aus Berlin. (Gefertigt im zoologischen Institute zu Berlin.) Mit Tafel XVII und XVII. Litteraturverzeichnis. 4) BarLrour, Handbuch der vergleichenden Embryologie. Übers. von VETTER. Jena 1880—1881. 2) Borr, Beiträge zur vergleichenden Histologie des Molluskentypus. MAx SCHULTZE’s Archiv V, Supplement. 3) Brock, Untersuchungen über die interstitielle Bindesubstanz der Mollusken. Diese Zeitschr. Band 39. 4) Broxnn, Die Klassen und Ordnungen der Weichthiere. Band III, 1. Kopflose Weichthiere. 5) ErmAn, Über die automatische Undulation der Nebenkiemen einiger Bivalven. Abhandlungen der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1833. 6) Fremmine, Die haaretragenden Sinneszellen in der Oberhaut der Mollusken. Ar- chiv für mikrosk. Anatomie V. 7) Über Bindesubstanz und Gefäßwandung im Schwellgewebe der Muscheln. Archiv f. mikrosk. Anatomie XII. 8) Bemerkungen hinsichtlich der Blutbahnen und der Bindesubstanz bei Najaden und Mytiliden. Diese Zeitschr. Band 39. 9) Über die Blutzellen der Acephalen und Bemerkungen über deren Blutbahn. Archiv f. mikrosk. Anatomie XV. 40) GRIESBACH, Über das Gefäßsystem und die Wasseraufnahme bei den Najaden und Mytiliden. Diese Zeitschr. Band 38. 44) Korınann, Die Bindesubstanz der Acephalen. Archiv f. mikrosk. Anatomie XIII. 42) Mever und Mozsıvs, Fauna der Kieler Bucht. I. Band 1865; II. Band 1872. 13) Posxer, Über den Bau der Najadenkieme. Archiv f. mikrosk. Anatomie X1. 44) Histiologische Studien über die Kiemen der acephalen Mollusken. Archiv für mikrosk. Anatomie XIV. 45) F. E. SchuLze, Über die Struktur des Tunikatenmantels und sein Verhalten im polarisirten Lichte. Diese Zeitschr. Bd. 12. 240 Johannes Thiele, 46) SımroTu, Die Sinneswerkzeuge der einheimischen Weichthiere. Diese Zeitschr. Band 26. 17) TroscHEL, Über die Brauchbarkeit der Mundlappen und Kiemen zur Familien- unterscheidung. WiıEscMmanN’s Archiv Band XIII. 1847. Vorwort. Über die Mundlappen der Lamellibranchiaten finden sich in der bis- herigen Litteratur nur ziemlich vereinzelte Angaben. Ihre Bedeutung für die Thiere wurde verschieden aufgefasst, und dem entsprechend haben sie verschiedene Bezeichnungen, wie Tentakel, Nebenkiemen etc. er- i halten. In der Absicht, über ihre Funktion ins Reine zukommen, habe ich Anfangs an den Najaden, namentlich Unio, physiologische Experimente angestellt; späterhin erhielt ich einiges konservirte Material und wurde dadurch in den Stand gesetzt, die Mundlappen vergleichend-morpho- logisch zu untersuchen. Endlich wurden mir durch die Güte des Herrn Dr. Hermes, Direktor des Berliner Aquariums, einige Meeresthiere lebend überlassen und mehrere Formen aus Neapel übersandt, die ich dann, wie auch schon vorher die Najaden, auf die hietölopfäkhen Ver- # hältnisse der Mundlappen untersucht habe. | "Wenn auch manches Wichtige mir entgangen sein wird, nament- lich bezüglich der vergleichenden Morphologie, da immerhin nur ein | geringer Bruchtheil sämmtlicher Muscheln zur Untersuchung gelangte, ' und wenn auch physiologische Experimente an Thieren mit wesentlich © von denen der Najaden verschiedenen Mundlappen — wie Mytilus — | Vervollständigungen der vorliegenden Arbeit bringen dürften, so hoffe 5 ich doch, dem über den Gegenstand meiner Untersuchungen bisher ‚Veröfientlichten Einiges von Belang hinzugefügt zu haben. Morphologie. Die Lamellibranchier haben vor und hinter der Mundöffnung ein | j. Faltenpaar von bald größerer, bald geringerer Breite; dieses umschließt aber nicht lippenartig eine Mundhöhle, sondern es erstreckt sich auf bei- | den Seiten des Thieres, eine Art Rinne bildend, bis zum vorderen Ur- | sprunge der Kiemen und legt sich dem vordersten Theile der letzteren, | I) oft nur des inneren Blattes, welches breiter zu sein und weiter nach vorn | zu reichen pflegt, als das äußere, beiderseits an. Diese Verbindung der | Mundöffnung mit den Kiemen ist — mit einer einzigen Ausnahme — | eine durchaus konstante Eigenthümlichkeit der Falten. Die aboralen | Die Mundlappen der Lamellibranchiaten. 341 Enden derselben pflegen bedeutend verbreitert zu sein; sie sind auf den einander zugekehrten Flächen mit queren leistenförmigen Er- hebungen versehen und meist von dreieckiger Form; diesen gerieften Theil hat man als Mundlappen oder Mundsegel — auch Palpen, Tentakel, Mundplatten, Nebenkiemen ete. — bezeichnet. Je nachdem die Kiemen sich weiter nach vorn erstrecken, und je nachdem die Kiemen der beiden Seiten des Thieres von einander und von der Mundöffnung ent- fernt sind, ziehen die Mundlappen nach den Seiten hin, so dass ein vor- deres und ein hinteres Paar zu unterscheiden ist, oder sie erstrecken sich bogenförmig nach hinten, wobei jederseits ein äußerer und ein innerer Mundlappen sich darstellt. Die Form wie die Größe der Mundlappen schwankt zwischen wei- ten Grenzen; bald sind die Dreiecke etwa gleichseitig, bald unregel- mäßig stumpfwinkelig; je nachdem in diesem Falle nun eine lange oder eine kurze Seite die Anwachslinie bezeichnet, sind die Mundlappen bewegungslos oder zum großen Theile frei beweglich. Nach Troscazr sollen bei Corbis, Lucina pecten etc. Mundlappen gänzlich fehlen; bei Lueina tigerina habe ich zwar keine eigentlichen, mit Leisten besetzten Mundlappen, aber doch schmale faltenartige Er- hebungen zwischen Kiemen und Mundöffnung wahrgenommen. Bronn giebt an, dass die Mundlappen öfters durch stärker ent- wickelte Lippen vertreten oder doch mit diesen verwachsen sind (Arca, Pectunculus, Meleagrina.. Wenn man überhaupt die Bezeichnung »Lippen« festhalten will, so möchte ich sie jedenfalls nur dem mittleren ungerieften Theile beilegen; bei den genannten Gattungen ist nun immer der Endtheil gerieft, und wenn dieser auch klein ist, so möchte ich für ihn doch auch hier die Bezeichnung als Mundlappen wählen, diese sind aber in allen Fällen mit den Lippen verwachsen. Vergleicht man die Gestaltung der Mundlappen in der Reihe der _ Lamellibranchiaten, so findet man sie bei verwandten Formen manch- "mal recht verschieden, bei entfernter stehenden dagegen häufig ähnlich ausgebildet. Ich will daher die Lamellibranchiaten mit Zugrunde- ' legung des Systems, welches Craus in seinen Grundzügen der Zoologie ‚ angiebt, durchgehen und die Mundlappen der mir verfügbaren Formen an der Hand von Zeichnungen zunächst bezüglich der gröberen mor- | phologischen Verhältnisse beschreiben, auch aus früheren Angaben das Bemerkenswerthe anführen. | Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLIV. Bd. 16 242 Johannes Thiele, I. Asiphoniata. 1. Familie: Ostreidae. .Ostrea edulis (s. Fig. I und 2) hat sehr dicke, breite Mundlappen, welche bei dem Mangel eines Fußes so zusammengelegt sind, dass die beiden inneren sich gegenseitig berührend unmittelbar neben einander verlaufen. Zwischen das äußere und innere Paar treten die Vorder- enden der Kiemen und zwar, da diese aus gleich breiten Lamellen be- stehen, beider Blätter jeder Seite. Die Anwachslinie ist fast so lang als der freie Rand; der Hinterrand hat einen ungerieften Saum. Besonders zu bemerken ist die Ausbildung des mittleren ungerieften Theiles. Dieser ist nämlich beim äußeren Paare außerordentlich breit und dünn und legt sich haubenförmig über den entsprechenden Theil des inneren Paares, welcher im Gegensatz sehr diek und ziemlich niedrig ist. Auf solche Weise wird ein Verschluss der Mundöffnung nach außen herge- stellt, so dass diese nur von den Kiemen her zwischen den Mundlappen zugängig: ist. Nicht nur von diesem Verhalten vollkommen verschieden, sondern überhaupt ganz isolirt dastehend ist die Ausbildung der Mundlappen bei Anomia ephippium (Fig. 3). Hier sind dieselben nämlich derart mit den Kiemen verwachsen, dass sie nur ein Vorderende derselben zu bil- den scheinen; doch zeigen sie auf den einander zugekehrten Flächen die charakteristische Leistenbildung, wodurch sie als eigentliche Mundlap- pen gekennzeichnet sind, welche in die Kiemen übergehen. »Der Mund liegt asymmetrisch nach der (rechten) unteren Klappe gewendet, wohin ihm auch die Mundlappen folgen. — Der linke Lappen ist in dem Grade kürzer, als die linke Kieme vorn länger ist.« Brown. Während das mitt- lere Kiemenpaar das breitere ist, ist das mittlere Mundlappenpaar schmaler als das äußere. Dieses ist vorn auf kurzer Strecke mit den Rändern verwachsen und bildet daher eine Tasche, in welche jenes hineinführt. 2. Familie: Pectinidae. Die Pecten-Arten (Pecten varius [Fig. 4]) sind mit breiten und dünnen, fast quadratischen Mundlappen ausgestattet. Diese haben einen aboralen ungerieften Rand; die Leisten verlaufen bogenförmig von vorn und oben nach hinten und unten. Ausgezeichnet ist die Bil- dung der der Mundöffnung zunächst liegenden Partie. Deren Ränder sind nämlich stark gefaltet und die Vorsprünge der einen Lippe greifen in die Vertiefungen der anderen, so dass dieser Theil fast vollständig nach außen abgeschlossen ist. h ) | a Die Mundlappen der Lamellibranchiaten, 243 Sehr ähnlich sind die Mundlappen gestaltet bei Spondylus gae- deropus (Fig. 5). Hier »sind die Lippen am Rande mit vielen Papillen besetzt, so dass sie ein blumenkohlartiges Ansehen haben; die Mund- lappen sine lang, niedrig, abgerundet, innen senkrecht gestreift und so gestellt, dass zwei äußere und zwei innere zu unterscheiden sind«. Troscaer. Im Unterschied von Peeten sind die eigentlichen Mundlappen schmaler, spitz auslaufend und mehr nach den Seiten gerichtet. Der Verschluss des Lippentheiles, welcher bei Peeten und Spon- dylus angestrebt, aber noch nicht vollkommen erreicht wird, ist durch Verwachsung der Lippenränder vollständig geworden bei Lima (in- flata [Fig. 7] und ventricosa [Fig. 6];. Der geriefte Theil ist mäßig dick, bei der ersteren Art rechteckig und erstreckt sich beiderseits nach aufwärts, indem er mit einer langen und einer kurzen Seite angewach- sen ist. Der ersteren parallel verlaufen wenige deutliche Leisten, die am aboralen Ende ein wenig nach außen gebogen sind. Lima ventri- cosa hat mehr quadratische Mundlappen, welche oben nicht festge- wachsen sind. Das Verbindungsstück bildet bei beiden Arten eine rings geschlossene Röhre, die an beiden Enden zwischen den Mundlap- pen zugängig ist und in der Mitte durch eine seitliche Öffnung in den Ösophagus führt. Diese Röhre zeigt, ehe sie sich in die Mundlappen spaltet, blasenförmige Erweiterungen, die beiLima ventricosa deutlicher sind als bei Lima inflata. 3. Familie: Aviculidae. Meleagrina margaritifera (Fig. 8) hat mäßig starke Mundlap- pen, welche am hinteren breiten Ende zwei rechte Winkel und imGan- zen daher etwa Rechtecksform haben. Die Leisten der Innenseite bil- den Bogen, die von vorn und innen nach hinten und außen verlaufen; der Hinterrand zeigt einen glatten Saum. Der mittlere ungeriefte Theil hat keine besonderen Eigenthümlichkeiten, er ist halb so breit wie der geriefte und jederseits etwa eben so lang. »Bei Malleus sind die Lippenanhänge ziemlich hoch, dreieckig und an der Spitze abgerundet.« Troschrr. 4. Familie: Mytilidae. Mytilus edulis (Fie. 10) ist mit langen, schmalen, sehr kontrak- ‚ tilen und beweglichen Mundlappen ausgestattet. Der ungeriefte Theil ; ist kurz, aber in der Mitte sehr breit, indem er sich spitzwinkelig nach hinten erstreckt; dicht vor dem Beginne der Kiemen werden die Mund- \ lappen frei und erhalten ihre Leisten. Diese sind aber bei oberfläch- ‚ licher Betrachtung nur auf der unteren Hälfte sichtbar, während die 46* 244 Johannes Thiele, obere glatt und bedeutend stärker erscheint; zwischen beiden verläuft ein schmales Fältchen, das sich den Leisten anlegt. Auf Schnitten .er- klärt sich dieses Verhalten folgendermaßen. Von dem oberen Rande jedes Mundlappens her schlägt sich eine Hautfalte über die geriefte Seite und verwächst zum größten Theile mit der Spitze der Leisten, so dass zwischen diesen blindsackartige Räume entstehen, welche in Folge des bogenförmigen Verlaufes derLeisten auf Querschnitten der Mundlappen schräg getroffen werden. Der unterste Theil der Hautfalte bleibt frei und stellt den tiber die Mitte jedes Lappens verlaufenden Saum. dar. An der Stelle, wo dieser in den verwachsenen Theil übergeht, finden sich eigenthümliche, später näher zu beschreibende Stützorgane. In einem auffälligen Gegensatze zu demVerhalten bei Mytilus steht das der Mundlappen von Pinna squamosa (Fig. 9), weil hier .der ungeriefte Theil eine sehr bedeutende Längenausdehnung erlangt und der geriefte, verhältnismäßig kleine Theil dem Körper angewachsen ist. Der Fuß und die Byssusdrüse liegen noch weit vor dem Beginne der Leisten, welche letzteren den Hinterrand der Mundlappen frei las- sen und kaum gebogen von hinten und oben nach vorn und unten ver- laufen. In Bronn’s Klassen und Ordnungen .der Weichthiere Band II, 1 sind auf Taf. XXXV, Fig. 6 die Mundlappen von Pinna nobilis nach Lacaze-Duruiers wohl fälschlich als frei beweglich dargestellt; ich habe die Richtigkeit zwar nicht durch Untersuchung des Thieres prüfen kön- nen, doch halte ich die Abbildung auf Pl.3 und 4 in den »Memoires sur le systeme nerveux des Mollusques Ac&phales« par M.Duvernoy für rich- tig, wo die Mundlappen denen von Pinna squamosa sehr ähnlich ge- zeichnet sind. | Lithodomus dactylus (Fig. 11) hat Mundlappen von mäßiger Stärke, schmal und spitz, welche wie beiMytilus zum großen Theile frei beweglich sind. Die Leisten erstrecken sich, indem sie die obere Hälfte und am Unterrande einen schmalen Saum frei lassen, bis zur Spitze; dieselben sind schmal und schließen nicht dicht zusammen, sondern lassen zwischen sich Räume, die so breit sind wie sie selbst. Sie ver- laufen etwas gekrümmt, so dass die konvexe Seite nach hinten gerich- tet ist. Der Lippentheil ist in der Mittellinie des Thieres sehr breit und die Anwachslinien konvergiren nach hinten unter Bildung eines spitzen Winkels, der mit dem freien vorn wenig konkaven Vorderrande, dem Verbindungsstücke der Mundlappen eine Dreiecksform giebt. Die Mundlappen von Dreissena polymorpha (Fig. 12) sind im Ganzen denen von Lithodomus ähnlich , doch ist der freie Theil kürzer, da die Anwachslinie fast so lang ist, wie die ganzen Falten. Der Hinter- | | | 1} Die Mundlappen der Lamellibranchiaten. 245 rand ist rund ausgeschnitten; die Leisten erreichen die freien Ränder nicht, so dass diese glatt sind. Bei Modiolaria marmorata (Fig. 13) sind die Mundlappen mäßig groß, spitz dreieckig, mit wenig starken Leisten besetzt, welche mit ihren gerundeten Enden den Unterrand ein wenig überragen; in der Mitte ist nur ein kleiner Theil von Leisten frei. Die ganze Mund- partie ist weit nach unten vorgeschoben und so dem freien Schalen- rande genähert. Die breiten Kiemen ziehen zwischen den Mundlappen durch noch weiter nach vorn. In dem Aufsatze von Troscnzı finde ich folgende Stelle: »Bei den Gattungen der Mytilaceen sind die Mundlappen hoch (?) und schmal und besonders dadurch ausgezeichnet, dass sie zusammengefaltet sind, wo- durch ihnen eine kleinere konkave und eine größere konvexe Fläche entsteht. Hier tritt aber eine Verschiedenheit ein. Bei Mytilus ungu- latus nämlich, und bei Mytilus decussatus, so wie auch bei Lithodomus daetylus und Modiola purpurata Lam. firlde ich die gestreifte Seite der Mundlappen konkav, also dieselben nach innen umgefaltet, bei Modiola tulipa jedoch und bei Tichogonia polymorpha ist umgekehrt die kon- vexe Seite gestreift, die konkave glatt, also die Mundlappen nach außen umgelegt. Immer scheint jedoch den Mytilaceen durch diese Bildung der Mundlappen ein vortrefflicher Charakter verliehen zu sein.« Mir ist .ein solches Verhalten nicht aufgefallen; Troscneı hat die Thiere vielleicht nur konservirt, untersucht, an denen man oft die Mund- lappen gekrümmt oder eingerollt findet. > Familie: Arcadae. „Die Mundlappen von Arca sind schmal, ec bis zur Spitze festgewachsen und ziemlich dünn. Bei Area uropygmelana (Fig. 15) ist der ungeriefte Theil bei- derseits so lang als der geriefte. Die Anwachslinien divergiren nach hinten, ‘das äußere ee ist sehr dünn, weniger das innere: Bei ea foliata (Fig. 14) ist der: ungeriefte Theil des äußeren Paares etwas breiter als der des inneren und schlägt sich über diesen. Die Leisten verlaufen bogenförmig mit der konkaven Seite nach vorn gerichtet. 'Arca fusca hat ähnliche nur etwas breitere Mundlappen. Ähnlich ist auch die Bildung der Mundlappen von Peetunculus h pilosus (Fig. 16). Der sehr lange und schmale ungeriefte Theil zieht auf der Anwachslinie des Mantels bogenförmig zu den Kiemen, denen \ sich das kaum verbreiterte, mit wenigen bogenförmigen Leisten be- 246 Johannes Thiele, setzte Hinterende anlegt. Der hintere Rand der äußeren Mundlappen ist nicht frei, sondern geht in den Mantel über. Leda lugubris (Fig. 18) ist mit sehr langen, dünnen und spitz auslaufenden Mundlappen versehen, die (am konservirten Thiere) nach hinten und abwärts gerichtet sind. Durchaus isolirt dastehend ist die Gestaltung der Mundlappen von Nucula inflata (Fig. 17). Dieselben bilden hier einzig nicht eine Rinne zwischen Mundöffnung und Kiemen, sondern sie erstrecken sich :von jener abwärts nach dem Schalenrande hin. Vordere und hintere Mund- lappen sind sehr verschieden ausgebildet, nur die im Allgemeinen zu- gespitzte Form kommt beiden zu. Von den feineren Bauverhältnissen ist mir der ungenügenden Konservirung des untersuchten Thieres we- gen Vieles unklar geblieben. Die vorderen Mundlappen sind dreikantig und bestehen aus einem die Mitte einnehmenden soliden Körper, an den sich beiderseits dünne Leisten ansetzen. Dieselben werden, wie auch der Körper des Mundlappens, durch ein eigenthtimliches Organ gestützt,. so dass das vordere Mundlappenpaar starr ist. Das hintere entbehrt solcher Stützorgane, ist dafür aber stark muskulös; sein Quer- schnitt hat etwa auch eine dreieckige Form, doch ist die Vorderfläche stark ausgehöhlt. Dieselbe wird sich im Leben und beim Gebrauche wahr- scheinlich dem vorderen Mundlappen anlegen, dessen hintere Kante in die Rinne zu liegen kommt. In dieser scheinen sich quere Leisten zu befinden. Im Neapeler zoologischen Jahresberichte für 1881, Mollusca, pag.16 finde ich in einem Referat über Mitsukurı »On the structure and significance of some aberrant forms of Lamellibranch. gills« folgende Stelle: »Bei Nucula ist eine merkwürdige Entwicklung der Kopflappen zu verzeichnen, welche sehr stark ausgebildet und mit tentakelartigen Anhängen (?) velssnens mit dem Fuß hervorgestreckt werden können und zur Nahrangsbeschaffune dienen.« 6. Familie: Unionidae. Unio pietorum (Fig. 19) und Anodonta cellensis und ana- tina haben durchaus einander ähnliche Mundlappen. Diese sind von mäßiger Stärke und Breite; der mittlere Theil ohne hervorragende Eigenthümlichkeit ist schmal und kurz. Die bogenförmigen Leisten lassen den Hinterrand frei. »Bei Unio und Anodonta sind die beiden Mundlappen einer Seite am Hinterrande bis zur Hälfte, bei Margaritana bis auf zwei Drittel ihrer Höhe verwachsen.« Troscher. N | | N | | 1 Die Mundlappen der Lamellibranchiaten. 247 II. Siphoniata. Von der 1. Familie Chamidae konnte ich keinen Vertreter er- langen. 2%. Familie: Tridaenidae. Tridaena elongata (Fig. 20) hat lange, schmale, spitz auslau- fende Mundlappen die oben und unten einen verhältnismäßig breiten ungerieften und dünnen Saum haben. Die breiten Leisten verlaufen bogenförmig; ihre nach der Spitze gerichtete konvexe Seite ist mit Ein- schnitten versehen, so dass jede Leiste ein kammförmiges Aussehen - erhält (Fig. 21). Der dem Munde zunächst liegende ungeriefte Theil bil- det einen nach hinten konvexen Bogen; die Oberlippe legt sich über die Unterlippe. An den Enden dieses Bogens nehmen die Kiemen ihren Anfang, während die Mundlappen, mit den Lippen spitze Winkel bil- dend, frei werden und ihren Leistenbesatz erhalten. 3. Familie: Gardiidae. Cardium tuberculatum [Fig.22) — ähnlich Cardium edule und aculeatum — ist mit schmalen, spitzen, mäßig dieken Mundlappen ver- sehen. Zu beiden Seiten der inneren Kieme sind dieselben bis weit nach oben hin festgewachsen, doch ist die obere Kante derart aus- geschnitten, dass an der Anwachslinie nur ein schmaler Saum bleibt, der sich plötzlich verbreitert und in den freien Mundlappen übergeht. Die Leisten sind sehr deutlich und lassen oben und unten einen Saum frei. | | Ä k. Familie: Lucinidae. Eine äußerst geringe Ausbildung haben die Mundlappen von Lu- cina tigerina (Fig. 23), denn es sind hier nur zwei schmale Hautfält- chen vorhanden, welche eine Rinne von dem Vorderende der Kiemen nach der Mundöffnung bilden. Nach den Seiten hin werden die Falten etwas breiter, ihr Verlauf ist, da die Kiemen sich so weit nach vorn er- strecken, dass der Mund hinter ihrem Vorderende liegt, ein winkelför- miger, die konvexe Seite nach hinten gerichtet. Montacuta bidentata »die Mundplatten — jederseits zwei — sind klein und länglich dreieckig«. Meyer und Moesivs. 5. Familie: Gyceladidae. CGorbieula biformis (Fig. 24) hat freie, spitz dreieckige Mund- lappen von mäßiger Länge und Dicke mit feinen Leisten, welche am 248 Johannes Thiele, Oberrande einen Saum frei lassen. Der äußere Mundlappen entspringt ' mit seinem Vorderende in einer’nach vorn konkaven Bogenlinie vom Mantel. Der ungeriefte Theil ist unbedeutend. 6. Familie: Gyprinidae. Cardita sulcata (Fig. 25) hat kleine, gleichseitig dreieckige Mundlappen, mit wenigen deutlichen Leisten besetzt, welche dem Hin- terrande. parallel etwas gekrümmt verlaufen, ohne einen Saum frei zu lassen... , Der, ungeriefte Lippentheil ist verhältnismäßig breit. “ Gyprina.islandiea. »Die Mundplatten sind lang‘ spitzwinkelig dreieckig,. an ‚ihrem : kürzesten Rande; befestigt und auf.den einander zugekehrten Flächen gerieft.« Meyer und Mozsius. » Astarte.borealis. »DieMundplatten sind spitzwinkelig; die äuße- ren sind etwas: größer als die inneren.« — ibid. 7.:Familie: Veneridae.: Bei Venus edulis (Fig. 26) sind die Mundlappen etwa gleich- seitig dreieckig, von mittlerer Größe, ohne hervorragende Eigenthüm- liehkeit;;, der, Vorderrand stellt: die Verwachsungslinie dar. Der von Leisten freie Lippentheil ist schmal: und kurz. -Der Mund von; Artemis'exoleta (Fig. 27) - liegt tief, zwischen vorderem Muskel’und Fuß; um: dessen Vordertheil ziehen die Mund- lappen, welehe klein, spitzwinkelig und, da der Hinterrand etwas län- ger ist.ialsı der vordere, mit der Spitze nach unten und vorn: gerichtet sind, dem Verlaufe, des inneren Kiemenrandes folgend. Die. Leisten bedecken nur den mittleren Theil der Mundlappen, die freien Ränder sind glatt. Ähnlich sind die Mundlappen von Cytherea an, nur ist die Spitze. etwas nach hinten: gebogen. |. Die nach der Mundöffnung hin konkavenLeisten lassen vorn und hinten breite Säume frei; ihre Vorder- enden sind deutlich abgerundet. 8. Familie: Mactridae. Mactra stultorum (Fig. 28) ist mit außerordentlich großen, ziem- lich dünnen, dreieckigen Mundlappen ausgestattet, die mit starken fächerförmig verlaufenden Leisten besetzt sind. Die Anwachslinien der Mundlappen jeder Seite sind von einander getrennt, denn der innere setzt sich dem Körper an, eine Strecke von dem Mantelursprunge ent- fernt, der äußere dem Mantel. Da, wo er sich von diesem trennt und wo. die Leisten beginnen, befindet sich ein kleines Fältchen, das sich, ehe es den Hinterrand des Mundlappens erreicht hat, theilt, und theils ee ur ne = 2. Die Mundlappen der Lamellibranchiaten. 249 bogenförmig zum Ursprunge des Mantels zieht, theils in einiger Ent- fernung vom Hinterrande des Mundlappens das mit Leisten besetzte - Sttick von dem glatten dünnen Randsaume abgrenzt, welcher sich nach der Spitze hin verjüngt. Auch (der Unterrand, der eine $-förmige Krümmung zeigt, hat einen glatten Saum. Der größte'Theil der Kiemen wird: von den Mundlappen bedeckt. Serobieularia plana (Fig. 29) hat ähnlich oroße Mundlappen wie Maetra. Höchst eigenthümlich ist aber hier die Verwachsung des inneren 'Mundlappens mit der Kieme. Der vom Munde abgekehrte Saum beider Lappen ist frei von Leisten, welche im Übrigen fächerförmigen Verlauf haben, indem sie sich nach dem Unterrande zu ausbreiten. Der äußere Lappen ist mit einer schmalen Spitze noch eine Strecke weit zwischen Mantel und Kieme angewachsen. Nach Meyer und Möpıus sind die Mundplatten »länger als die Kieme und an ihrer Basis eben so breit wie: diese«. Serobiceularia alba. »Die Mundplatten sind dreieckig mit kon- vexem Unterrand. Sie sind größer als die Kiemen.. Ihre gegen einan- der gekehrten Flächen: sind gerieft.« — ibid. 9; Familie: Tellinidae. ‘Die Mundlappen von Tellina rugosa (Fig. 30) sind groß und dünn, annähernd gleichseitig dreieckig, mit starken Leisten besetzt, die “parallel dem Hinterrande verlaufen. Der Unterrand ist ein wenig länger als die anderen und schwach gebogen. "Die einfache Kieme sieckt nur mit der äußersten Spitze zwischen den Mundlappen. Zur Vervollständigung führe ich folgende Bo ner anderer Tellina-Arten an: »Tellina baltiea. »Die Mundplatten sind ungleichseitig dreieckig, mit zwei geraden und einer gebogenen’ Seite ; diese, die größte, ist nach unten und vorn gerichtet. Die äußere Platte ist etwas größer, als die innere, und ihr hinterer Winkel ist spitzer. Die äußeren Flächen der äußeren Platten sind schwach, die inneren stark gefurcht. Die inneren Platten sind auf beiden Flächen (?) gleichmäßig geriefelt.« Tellina tenuis. »DieMundplatten sind dreieckig und etwäs größer als die Kiemen.« Meyer und Mößıvs. | »Bei Tellina planata und tenuis sind die Mundlappen rund- lich.« TroscHEL. Psammobia vespertina (Fig. 31) hat einen außerordentlich großen Fuß, unter welchem die Mundöffnung versteckt liegt. Die Mundlappen sind klein, gleichschenkelig dreieckig, indem die Anwachs- linie und der hintere freie Rand etwa gleiche Länge haben, der Vorder- 250 Johannes Thiele, rand ist der längste und etwas gebogen. Die freien Ränder werden von den Leisten, welche schwach bogenförmig und senkrecht zur Längsachse der Mutrdlappön verlaufen, nicht erreicht. Donax truneulus (Fig. 32) hat verhältnismäßig viel größere Mundlappen als Psammobia, ihre Form ist aber ähnlich, nur ist der Hinterrand konvex. Dieser hat einen glatten und dünnen Saum, einen weniger breiten auch der Unterrand. Die Leisten bilden nach dem Munde hin konkave Bogen und konvergiren nach der Anwachslinie. Die Dieke der Mundlappen ist gering; sie liegen etwa zur Hälfte dem inneren Kiemenblatte an. »Die beiden einer Seite sind am Grunde mit einander verwachsen; sie sind etwas nach hinten gerichtet, und die Anwachsstelle ist halb so lang, wie der ganze Lappen.« 'TroschEL. 10. Familie: Myidae. Die Mundöffnung von Solen ensis (Fig. 33) liegt tief unter dem Fuße; von ihr ziehen schmale, sich allmählich etwas verbreiternde Mundlappen am Ursprunge des Fußes vorbei nach den Kiemen hin. Der konkave Unterrand hat einen schmalen glatten Saum, der kurze konvexe Hinterrand einen breiteren, sich zuspitzenden. Die Anwachs- linie erreicht fast die Länge des Unterrandes, daher ist nur die äußerste Spitze frei. Beide Kiemenblätter jeder Seite treten: zwischen die Mund- lappen. | | Pandora rostrata (Fig. 34) ist mit spitzen, mäßig starken Mund- lappen versehen , welche klein und etwa zur Hälfte frei: sind. Ihre Leisten sind ziemlich fein und schließen dicht zusammen. Mya arenaria. »Die Palpen sind dreieckig; ihre Streifung ist so fein, dass sie ohne Lupe nicht erkannt werden kann.« Meyer und Moesius. Mya truncata..»Die Mundplatten sind ungleichseitig dreieckig; . angewachsen sind sie an der kürzesten Seite. Die innere Fläche ist deutlich gestreift.« — ibid. CGorbula gibba. »Die Mundplatten sind lang dreieckig; beide Paare haben fast gleiche Größe. Befestigt sind sie an ihrer kleinsten Seite. Ihre gegen einander gekehrten Flächen sind gefureht.« — ibid. Von der 44. Familie Gastrochaenidae habe ich keine Form er- halten und kann nur aus Meyer und Moesıus über Saxicava rugosa Folgendes entnehmen: »Palpen klein, fast gleichseitig dreieckig.« 42. Familie: Pholadidae. Pholas daetylus (Fig. 35) ist mit großen dreieckigen Mund- lappen versehen. Die inneren liegen zu beiden Seiten zwischen Fuß und Kiemen; sie sind dick, zum kleineren Theile frei, mit fächerförmig Die Mundlappen der Lamellibranchiaten. 251 nach unten ausstrahlenden Leisten besetzt, die den Unterrand nicht ganz erreichen. Die äußeren Mundlappen sind dadurch ganz besonders ausgezeichnet, dass sie zum größten Theile mit dem Mantel verwachsen sind; nur ein ziemlich schmales Stück bleibt frei; in einer dem Unter- rande fast parallelen Linie setzt sich dieses dem Mantel an, der nun die Fortsetzung der Leisten trägt, welche nach oben konvergiren. Der verwachsene Theil, eben so wie der freie, ist dünner als der innere Mundlappen. Ein großer Theil der Kiemen liegt zwischen den Mund- lappen. Daran schließe ich noch aus Meyer und Mosius folgende Beschrei- bungen: Pholas erispata. »An jeder Seite liegen zwei Mundplatten; sie sind ungleichseitig dreieckig; die längste, etwas gebogene Seite ist gegen den Bauch gewandt. Die äußere Platte ist etwas kleiner, als die innere. ‚Ihre gegen einander gekehrten Flächen sind gerieft.« Teredo navalis.. »Die äußeren Mundplatten sind fast gleich- seitig dreieckig und liegen vor dem hinteren Schließmuskel gerade außerhalb des grätenförmigen Fortsatzes. Beim Ablösen der Schale bleiben sie daher häufig in dem Raume zwischen der Schale und dem grätenförmigen Fortsatze hängen. Die inneren sind schmäler und biegen sich etwas kraus um den Mund.« Im Ganzen findet man bei einer recht ansehnlichen Zahl von Gat- tungen die Mundlappen so charakteristisch gebaut, dass sie neben an- deren Merkmalen sehr wohl zu deren Unterscheidung herangezogen werden können. Histologie. Indem ich nun daran gehe, einige Angaben über die histologischen Verhältnisse der Mundlappen zu machen, bemerke ich von vorn herein, dass ich mich darauf beschränkt habe, dieselben an Schnitten, die ich von den Mundlappen nicht injieirter Thiere gemacht, zu studiren. Ich habe die abgeschnittenen Mundlappen meist in Chromsäure: von 0,2%/,, der einige Tropfen Osmiumsäure von 0,10/, zugesetzt waren, gehärtet, sie in Alkohol aufbewahrt und entweder allein mit Hämatoxylin (nach KLEINENBERG) oder mit Eosin und darauf kurze Zeit mit Bismarckbraun gefärbt; geschnitten wurde fast immer in Paraffin und dann in Balsam eingeschlossen. Der genannten Härtungsflüssigkeit habe ich desshalb vor anderen 252 Johannes Thiele, den Vorzug gegeben, weil sie sehr schnell. einwirkt und daher den aus- gedehnten Mundlappen nicht Zeit lässt, sich zusammenzuziehen; Os- miumsäure allein nimmt zu ungleichmäßig die Farbe an, bald sehr stark, bald fast gar nicht, wesswegen ‚ich sie nicht 'eben empfehlen kann. Von Vortheil ist es, nebenbei auch Alkoholhärtung anzuwenden. ' Wie: die ganze ‘übrige Oberfläche im Mantelraume ‘der Lamelli- branchiaten ist auch‘ die der Mundlappen mit Wimperepithel in ein- facher Schicht bekleidet. Die dasselbe zusammensetzenden Zellen haben aber sehr verschiedene Länge. Bei den Najaden sind sie auf der gerief- ten’ Seite sehr lang, bis 40 u. Ein deutlicher Cutieularsaum grenzt sie nach außen ab, und ihn durchsetzen lange Cilien. Der ovale Kern mit deutlichem Kernkörperchen zeigt keine besonderen Merkmale. Auf der glatten Fläche übersteigt die Höhe der Zellen kaum ihre’ Breite; die Gilien kann man nur mit Mühe wahrnehmen. Zwischen den Wimperzellen finden sich Becherzellen, meist von derselben Länge wie jene, nie von’ solcher Ausdehnung, dass sie in das Bindegewebe hinabrücken. Ihr Inhalt färbt sich mit Hämatoxylin in- tensiv blau, mit Bismarekbraun im Gegensatz zu dem übrigen Gewebe, das vom Eosin roth gefärbt ist, rein braun. Nach der Spitze hin nimmt ihre Menge zu. Auf der glatten Seite sind dieselben birnförmig, mit der Spitze nach innen gekehrt. Nach den übereinstimmenden Angaben von FıemminGg und SımroTH sind Sinneszellen im Epithel der Mundlappen von Najaden selten. Ich habe auf Schnitten, welche die Leisten quer getroffen hatten, an ge- wissen Stellen schmale, dunkel tingirte Kerne wahrgenommen, von denen ich annehme, dass sie Sinneszellen angehören; dieselben befinden sich in den Vertiefungen zwischen den Leisten oder auch in diesen selbst auf ihrer übergeneigten Seite, meist in einer Erhöhung des Epithels. Sie sind immer sehr: vereinzelt; gewöhnlich finden sich in einem feinen Schnitte zwischen zwei Leisten nicht mehr als zwei solcher Kerne. Von diesen Zellen Fortsätze in das Bindegewebe zu verfolgen, ist mir zwar nicht gelungen, doch glaube ich bei anderen Muscheln (Lithodomus) solche mit Bestimmtheit von ganz ähnlichen Ge- bilden gesehen zu haben. An anderen Schnitten fällt es auf, dass in den Leisten an entsprechenden Stellen regelmäßige Einbuchtungen vorkommen (Fig. IX), in deren Grunde meist zwei kurze Wimperzellen liegen, neben diesen beiderseits eine Sinneszelle. In den Spitzen der Leisten sind solche Zellen nicht wahrzunehmen. Die Wimperzellen der Meeresformen sind im Ganzen wenig von denen der Najaden verschieden; die Leisten sind überall-mit sehr langen Cilien besetzt, während die glatte Seite sehr unbedeutende trägt. Bei Die Mundlappen der Lamellibranchiaten. 253 Mytilus ist die Länge der: Zellen auf beiden Seiten wenig verschieden, sie schwankt in den Leisten zwisehen 12 und 30 u. -- Zwischen den Wimperzellen -liegen in großer Zahl Sinneszellen, namentlich in der Spitze der Leisten; dort zeigt sich eine schwache Einbuchtung des Epithels, zu welcher zahlreiche Fasern (wohl Nerven) treten. Drüsige Elemente von zwiefacher Art sind bei Mytilus wahrzunehmen. Die einen, welche bei. der beschriebenen Doppelfärbung roth. erscheinen, sind durch einen stark körnigen Inhalt ausgezeichnet; sie können viel länger werden, als die umgebenden Epithelzellen und daher in das Bindegewebe hinabrücken. Die andere Art färbt sich braun; sie zeigt eine netzartige Zeichnung im Inneren, die wohl durch feine Protoplasma- bälkchen hervorgerufen wird. Fraglich erscheint allerdings, ob die Verschiedenheit in der Natur der Zellen begrtindet oder nur durch die Behandlung (mit Chromsäure) hervorgerufen ist. In den Leisten sind diese Drüsenzellen selten. Das Epithel der Mundlappen von Lithodomus dactylus ist dem von Mytilus sehr ähnlich, nur liegen in den Leisten noch mehr Sinneszellen, entsprechend der starken Innervation. Einen solchen Reichthum an nervösen Elementen habe ich bei anderen Gattungen nicht wiederge- fanden; Lithodomus und ähnlich auch Mytilus haben daher in ihren Mundlappen ein in höherem Grade für Sinneswahrnehmungen ge- schicktes Organ als die meisten übrigen Muscheln, bei denen die Sin- neszellen immerhin häufiger als bei den Najaden zu sein pflegen, ohne indessen nur annähernd die Häufigkeit zu erreichen, wie sie an diesen beiden Gattungen der Mytilaceen auffällt; in dem sehr niedrigen Epithel von Mactra ist von ihnen kaum etwas wahrzunehmen. Becherzellen scheinen wie bei Mytilus auch sonst auf der glatten Mundlappenseite bedeutend häufiger zu sein, als in den Leisten. Der Cuticularsaum der Wimperzellen ist manchmal (bei Mytilus) durch die Reagentien stark gequollen, ohne tiber den einzelnen Zellen abgesetzt zu sein. Bei Mactra fand ich denselben sammt den darauf sitzenden Cilien häufig in toto von den Zellen abgehoben. Bei der Betrachtung des Bindegewebes in den Mundlappen will ich von Mytilus ausgehen, da dieses Objekt bereits früher untersucht worden und merkwürdigerweise ganz verschieden charakterisirt wor- den ist. Korımann und Fremume haben Abbildung und Beschreibung davon gegeben; jener sieht die rundlichen Räume, welche man früher Langer’sche Blasen genannt hatte, für Lakunen an, während dieser die- ‘ selben für Zellen erklärt und sie Schleimzellen nennt. Da ich nun in meinen Präparaten ganz in der von Fremmine beschriebenen Weise mit größter Regelmäßigkeit in den Blasen, der Wand anliegend, je einen 254 Johannes Thiele, großen runden Kern (von 6—7 u Durchmesser) mit Kernkörperchen finde (Fig. III) — wenn nicht der Schnitt denselben abgetrennt hat — und zwar überaus häufig so, dass an einen Kern einer der Intercellular- substanz eingebetteten Spindelzelle gar nicht gedacht werden kann, so kann ich nicht umhin, mich der Ansicht Fremmne’s durchaus anzu- schließen. | KoLımann sagt selbst: »bei 300/1 gleichen die Lakunen und Gallert- hbalken mit ihren Zellen genau den von Fremming dargestellten, und die Annahme eines blasigen Gefüges drängt sich von selbst auf«. Mit Im- mersion (Seıserr VII) hat er dann aber die Überzeugung gewonnen, »dass alle hellen Räume, welche als große blasse Zellen aufgefasst werden könnten, in Wirklichkeit interstitielle Lücken sind« — ich habe das- selbe System angewendet, habe aber auch damit nur Zellen mit Kernen wahrnehmen können. Zwischen diesen Schleimzellen nun befinden sich verästelte Binde- gewebszellen enthaltende »Schläuche« (FLemmine) von Intercellularsub- stanz, welche nach Fremmıne’s Injektionen als Blutwege angesehen wer- den müssen. Diese stehen mit einem großen Blutraume in Verbindung, der in dem oberen Rande des Mundlappens verläuft, nur durch das Epithel und wenig kompakte Bindesubstanz nach außen abgeschlossen. Endothelkerne, die man in Schnitten an wirklichen Gefäßen sonst regelmäßig sieht, und eine regelmäßige Abgrenzung nach innen zu gegen die Lınger’schen Blasen fehlen, so dass dieser Blutraum schon nicht mehr als wahres Gefäß bezeichnet werden kann. Derselbe ist wahrscheinlich arteriell und entspricht der »Arteria tentacularis« der Najaden; er entsendet in ziemlich regelmäßigen Abständen, doch nicht den Leisten entsprechend, größere Abzweigungen, welche sich zwischen den Schleimzellen allmählich verlieren. Durchschnitte von ihnen kön- nen mit den Laneer’schen Blasen ähnliche Form und Größe haben, ent- halten indessen natürlich nicht deren runde Kerne, wohl aber oft Blut- zellen. Für die Mundlappen von Mytilus charakteristisch ist das Zurück- treten der Intercellularsubstanz gegen die Schleimzellen, die verhält- nismäßig kleine Räume zwischen sich lassen und dem ganzen Organ ein »derbes Gefüge« (Korımann) verleihen. Unter dem Epithel ist eine strukturlose Membran, die nach innen zu ansehnliche Muskel- und Nervenbündel, meist in der Längsrichtung des Mundlappens -verlaufend, enthält. Die Fasern, welche einzeln das Gewebe durchziehen, sind wohl meist nicht als Muskeln anzusehen, sondern als Bindegewebszellen zugehörig, da oft der den Kern um- Die Mundlappen der Lamellibranchiaten. - 259 gebende Theil andere unregelmäßige Fortsätze aussendet und sich da- - durch als »Spindelzelle« dokumentirt (Fig. IV a). In dem unteren Rande finden sich in größerer Menge Zellen, welche sehr den von Fıemming aus dem Mantel von Mytilus abgebildeten und als kleine mehrzellige Schleimdrtisen in Anspruch genommenen Ge- bilden ähnlich sind, doch habe ich mit Sicherheit keine Ausführungs- gänge wahrgenommen, und häufig liegen einzelne Zellen ziemlich tief im Inneren, wodurch mir die Drüsennatur derselben höchst zweifel- haft geworden ist. Öfters ist ihre Form unregelmäßig in die Länge gezogen, sogar spitze Fortsätze kann man hin und wieder wahr- nehmen (Fig.IV 5), wodurch die Annahme nahe gelegt wird, dass diese Zellen amöboider Bewegungen fähig sind. Die Kerne haben oft eigen- thümliche Formen; sie sind nach zwei oder mehreren Seiten ausgezo- gen und erscheinen daher spindel- oder sternförmig. Die Zellen haben Ähnlichkeit mit solchen, die später aus den Mundlappen der Najaden beschrieben sind. Mit Hämatoxylin färben sie sich stark und werden braun bei der beschriebenen Doppelfärbung. Ich möchte dieselben für Plasmazellen oder primäre Bindegewebszellen halten, die durch Bildung großer Vacuolen in die Langer’schen Blasen übergehen, vielleicht auch sich in die fixen Spindelzellen umwandeln können. Zerstreut finden sie sich auch an anderen Stellen, meist in geringer Tiefe. In den Leisten erstrecken sich von der Verwachsungslinie mit der Hautfalte eigenthümliche Stäbchen von modificirter Bindesubstanz (Fig. IT und V). Dieselben entsprechen in ihrem Verhalten zu Tink- tionsmitteln durchaus den sogenannten»Chitinstäbchen« in den Kiemen, Hämatoxylin färbt sie intensiver als das übrige Gewebe, Doppelfär- bung mit Eosin und Bismarckbraun lässt sie braun erscheinen. Da sich auch die strukturlosen Membranen unter demEpithel ähnlich verhalten, so möchte ich für beide Bildungen eine ähnliche Entstehungsart anneh- men, zumal da diese Stäbehen auch unmittelbar unter dem Epithel liegen, vielleicht kann man sie einfach als lokale Verdickungen der Membran ansehen, beide aber wohl mit Posxer als verdichtete Inter- cellularsubstanz des Bindegewebes und — möchte ich beifügen — als cuticulare Gebilde. Die Farbe wird nicht gleichmäßig aufge- nommen, außen erscheint das Stäbchen dunkler als innen, und im Inneren desselben finden sich mehrere dunklere Streifen. Was Koıt- ‚ MAnn von den strukturlosen Membranen angiebt, dass »bei Anwen- dung der Tauchlinsen die scharfe Abgrenzung gegen die tieferen Lagen ‚ schwindet«, das ist auch bei den Stäbchen wahrzunehmen. Ihre Länge beträgt bei einem großen Thiere wenig über 1/, mm (genauer etwa ‚ 380 u). Öfters habe ich nach dem Epithel hin eine Durchbohrung der ! 1 | i | [ 256 Johannes Thiele, Stäbchen gesehen, welche von einer Faser durchzogen zu werden scheint, doch war im Epithel damit im Zusammenhange nichts Auffälli- ges wahrzunehmen. In ganz ähnlicher Weise, wie bei Mytilus stellt'sich die Bindesub- stanz in den Mundlappen von Östrea edulis dar. Zellen von annähernd derselben Größe wie dort liegen meist ohne große Zwischenräume an einander. Die Kerne sind rund und haben einen Durchmesser von 3—4 u. Was hier jeden etwa noch vorhandenen Zweifel an ihrer Zellennatur auf. das entschiedenste beseitigen muss, ist ihre häufige Erfüllung mit Tröpfchen einer Substanz, die durch Behandlung mit Os- miumsäure geschwärzt wird, also wohl Fett. Eine solche Einlagerung in den Lınger’schen Blasen stellt diese neben die sonst bekannten fett- haltigen Bindegewebszellen und ist dadurch für die Erkenntnis ihrer Natur und Beziehungen von Wichtigkeit. Unter dem Epithel der ungerieften Seite befindet sich eine ziem- lich starke Lage von Bindesubstanz, welche hier nicht wie gewöhnlich strukturlos ist, sondern in einer reichlichen hyalinen Intercellularsub- stanz zerstreute Zellen von rundlicher Form mit feinkörnigem Inhalt einschließt (Fig. VI). Zwischen diesen ziehen einzelne feineFasern, die von einer hellen Schicht umgeben sind. Darunter liegt eine starke Faserschicht. Unter dieser und sich weiter in das Innere zwischen die Langer’schen Blasen erstreckend befinden sich sehr geräumige Blut- lakunen von ganz unregelmäßiger Form. Als arterielle Blutbahn ist ein System unregelmäßig verzweigter Gefäße anzusehen, welche von einer starken Schicht kompakter Bindesubstanz umschlossen sind. Ins Innere springen Kerne vor, welche vielleicht einem Endothelbelag angehören (Fig. VID). Größere Nervenstränge sind auch hier wahrzunehmen; starke Muskelbündel fehlen. Die großen runden Zellen treten gegen die Intercellularsubstanz mehr zurück bei Lithodomus dactylus, dadurch gewinnt das Gewebe ein von dem der bisher beschriebenen Muscheln recht verschiede- nes Ansehen. Wie bei Ostrea sind die Zellen meist mit Fetttröpfchen in wechselnder Menge erfüllt. Was nun aber hier besonders interes- sant ist, ist der Umstand, dass die großen Zellen neben anderen kleineren liegen, welche ganz allmähliche Übergänge zu solchen Zel- len darbieten, wie sie Korımann als Rundzellen beschrieben hat (Fig. VII). Die Mundlappen von ÖOstrea, in denen genau solche Zel- len wie bei Mytilus vorkommen, neben anderen von derselben Form und Größe, die aber zahlreiche Fetttropfen einschließen, und von Li- thodomus, die neben solchen großen Zellen mit Fetttröpfchen kleinere enthalten, die Korımann’s Rundzellen entsprechen, liefern also den Be- Die Mundlappen der Lamellibranchiaten. 257 weis, dass die Langer’schen Blasen vollkommen analog sind den Rund- zellen Korzmann’s; zwar sind sie durch Größe und Inhalt verschieden, aber durch Übergänge aufs Beste mit einander verbunden. Die Mundlappen von Lithodomus werden durchzogen von weiten Bluträumen von unregelmäßiger Form, denen ein Endothel fehlt; fei- nere Spalten des Gewebes schließen sich daran, ohne dass doch das Ganze sehr kavernös wäre. Auffällig ist der Reichthum an sehr bedeu- tenden Nervensträngen, und Ganglienzellen liegen hin und wieder un- ter dem Epithel. Stärkere Muskelbündel fehlen, doch ziehen durch die Intercellularsubstanz zahlreiche einzelne Fasern, wohl meist Aus- läufer von Spindelzellen. Hin und wieder liegen unter dem Epithel - flaschenförmige Drüsen, namentlich in der dicken, glatten Oberhälfte der Mundlapen in geringer Entfernung vom Beginne der Leisten. Wenn man beim Studium des Bindegewebes von den Mundlappen der Najaden seinen Ausgang nimmt, wie ich es gethan, dann sucht man vergeblich nach den Linger’schen Blasen. Man sieht zwar Hohlräume, meist von rundlicher Form, doch gelingt es nicht, einenKern darin auf- zufinden. Erst das Studium der bisher beschriebenen Meeresformen hat mir darüber Aufklärung gebracht. Die Hohlräume sind hier wirk- liche Lakunen, durch bindegewebige Stränge unvollständig von einan- der geschieden; hin und wieder kann man in ihnen Blutzellen wahr- nehmen (Fig. IX). In den Scheidewänden gewahrt man die spindel- förmigen Kerne der fixen Bindegewebszellen, von deren Spitzen lange fadenförmige Fortsätze ausgehen, und kugelrunde oder ovale Kerne, welche in größeren rundlichen Zellen liegen (Fig. X a und b). Diese werden von Hämatoxylin stark gefärbt; sie haben meistentheils breite lappenförmige Ausläufer, durch welche sie sich als amöboid erkennen lassen. Sie sind es, welche den Lanser’schen Blasen der ' vorher beschriebenen Muscheln entsprechen; diese haben sich aus ähnlichen amöboiden Zellen herausgebildet und stellen so im Ver- - gleiche mit denselben etwas Sekundäres dar. Der Inhalt der Rund- ‚ zellen besteht häufig aus Körnchen von verschiedener Größe, die ‚ vielleicht kalkhaltig sind; selten finden sich in ihnen auch kleine Fett- ‚ tröpfchen. | | In der Intercellularsubstanz bei Unio mehr als bei Anodonta lie- ‚ gen stellenweise in großer Menge rundliche Körner, welche sich mit Hämatoxylin stark färben. Sie haben öfters eine recht ansehnliche ‚ Größe und zeigen dann abwechselnd heller und dunkler gefärbte kon- ‚ centrische Schichten (Fig. Xc), gewöhnlich aber haben sie nur einen Durchmesser von 1—2 u. Häufig hängen mehrere zusammen und siel- len unregelmäßig geformte Konglomerate dar. Sie sind wohl das orga- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLIV. Ed. 17 258 Johannes Thiele, nische Substrat des Kalkes, den man durch Behandlung eines Mund- lappens mit Oxalsäure nachweisen kann. Bezüglich der Anordnung der Lakunen finde ich bei Korımann die Bemerkung: »in den Tentakeln sind sie streng geordnet nach den Lei- sten«; das kann man indessen kaum behaupten, denn die Lakunen erfüllen das ganze Innere der Mundlappen, somit natürlich auch die Leisten, ohne doch eigentlich nach ihnen geordnet zu sein. Die Anordnung der Blutgefäße in den Mundlappen der Najaden haben Koıımann’s schöne Injektionen aufs klarste gezeigt. Ftwas schlängelnd verläuft die Arteria tentacularis bis in die Spitze (in den pigmentirten Mundlappen von Anodonta anatina kann man dieselbe ohne Weiteres am lebenden Thiere sehen) und entsendet in rechtem Winkel die »Kapillaren« (Korımann). Diese verlaufen aber nicht, wie Korımann angiebt, in den Leisten, sondern unter denselben, wovon man sich auf Schnitten leicht überzeugen kann. Obgleich diese Gefäße nun zwar die letzten Ausläufer der arte- riellen Blutbahn sind, möchte ich doch für sie nicht die Bezeichnung Kapillaren gebrauchen, da der Übergang zur venösen Bahn nicht durch sie, sondern durch das Lakunensystem vermittelt wird, und für den Begriff der Kapillaren (in biologischer Hinsicht) ist doch eben die Ver- bindung der arteriellen und venösen Gefäße charakteristisch. »An manchen Stellen,« schreibt KoLımann, »lässt sich der Gegensatz von Ge- fäß und Lakune direkt mit dem Mikroskop verfolgen. Gelang es nach wiederholten Versuchen, über die Kapillaren hinaus Farbstoff und Sil- berlösung in die lakunäre Bahn hinüber zu drängen, so zeigt in dem einen Fall die Vertheilungsart der Injektionsmasse, in dem anderen das Aufhören der Endothelzeichnung, wo dasGebiet der Gefäße endigt und dasjenige der Lakunen beginnt.« Da also Korımann selbst den Über- gang der Endarterien in die Lakunen annimmt, so muss hier in den Mundlappen, wie in denKiemen (nach Posner), das Fehlen echter Kapil- laren konstatirt werden. | Unter dem Epithel befindet sich eine strukturloseMembran, auf der | glatten Seite von ansehnlicher Stärke. An ihrer Innenseite ziehen zahl- | reiche Fasern, meist in der Längsrichtung der Mundlappen. Größere Nervenstränge habe ich nicht wahrgenommen. So lakunenreich wie bei den Najaden, oder in noch höherem Grade als hier stellt sich das Bindegewebe in den Mundlappen anderer von mir noch untersuchter Muscheln dar, so bei Dreissena polymorpha, Modiolaria marmorata, Capsa fragilis u. a., daher muss solches als für die Mundlappen charakteristisch angesehen werden, während blasiges _ Die Mundlappen der Lamellibranchiaten. 259 Gewebe, das wir bei Mytilus und Ostrea fanden, nur ausnahmsweise in ihnen vorkommt. Wegen der großen Ähnlichkeit des Gewebes bei den tibrigen Mu- scheln will ich aus ihnen nur eine hervorheben, welche besonders reich von Lakunen durchsetzte Mundlappen besitzt; es ist dies Mactra stul- torum. Bei sehr oberflächlicher Betrachtung scheint sich hier eine Ähnlichkeit des Gewebes mit dem aus den Mytilus - Mundlappen beschriebenen darzustellen, indem man wie dort rundliche Räume, welche durch dünne Wände von Intercellularsubstanz getrennt werden, erblickt, doch überzeugt man sich sehr bald, dass man es hier nicht mit Langer’schen Blasen, sondern mit Blutlakunen zu thun habe, weil die Kerne nicht in den unregelmäßig großen Hohlräumen, sondern in den Scheidewänden derselben liegen. Die in jenen sichtbaren rund- lichen Körper sind wohl zweifellos für Blutzellen zu halten, da sie oft in Menge beisammen liegen. Daher zeigt das Gewebe hier vielmehr ein zu Mytilus gegensätzliches Verhalten: dort gedrängt zusammenlie- -gende Zellen von blasiger Form, durch welche die Mundlappen eine ziemlich solide Struktur erhalten, hier Hohlräume zwischen schwachen Bälkchen von Intercellularsubstanz, die das Gewebe außerordentlich kavernös erscheinen lassen. Zwischen beiden Extremen vermitteln die von Lithodomus und den Najaden beschriebenen Gewebsformen. Rundzellen sind bei Mactra auffallend selten, dagegen sieht man die Spindelzellen in bedeutender Menge. Mächtige Gefäße dienen der Zuleitung des Blutes vom Herzen her; ihre Anordnung scheint unregelmäßig zu sein. Die Muskulatur ist we- nig entwickelt, größere Nerven sind nicht wahrzunehmen. Von Nucula habe ich leider kein genügend gut konservirtes Exem- plar erhalten, um über deren histologische Verhältnisse, namentlich über das interessante Stützorgan des vorderen Mundlappenpaares etwas Näheres mittheilen zu können; ich hoffe indessen, bald aus Neapel diese Muscheln zu erhalten, um dann auch darüber zu berichten. Am Schlusse der vorliegenden Einzelbetrachtungen will ich nun die Resultate kurz zusammenfassen und zu früheren Arbeiten über Mol- luskenbindegewebe in Beziehung zu bringen suchen. Es sind im Leibe der Acephalen folgende Arten vonBindesubstanz- zellen beschrieben worden: Von Korrmann 4) Spindelzellen mit spitzen Ausläufern, die hin und wieder mit einander anastomosiren. Der Zellleib ist, wie der Name sagt, spindelförmig, der Kern gestreckt. 2) Rundzellen, von denen Korımann angiebt, dass sie zu den Spin- 17* 260 Johannes Thiele, delzellen Übergänge erkennen lassen, doch sind sie sicher im Allgemei- nen nicht nur durch bedeutendere Größe, sondern auch dadurch von ihnen verschieden, dass ihre Fortsätze nicht spitz oder fadenförmig, sondern breit und lappenförmig sind, und dass diese niemals anasto- mosiren. ' Sodann hat FLenning eine Zellenart nachgewiesen, die zwar früher schon als Langer’sche Blasen beschrieben worden, aber doch von ver- schiedenen Seiten (KoLLmann, GRIESBACH) in ihrer Zellennatur angezwei- felt worden war — nach dem Vorhergehenden kann ich hier wohl über diese Angelegenheit hinweggehen. Diese »Langer’schen Blasen« oder, wie FremminG will, »Schleimzellen« zeichnen sich durch bedeutende Größe, kugelrunden wandständigen Kern, der von wenig Protoplasma umgeben ist, und im Übrigen wasserhellen Inhalt aus. Ganz in der beschriebenen Art stellen sich diese Zellen in den Mundlappen von Mytilus dar: Ostrea zeigt dieselben zum Theil eben so, zum Theil aber mit Fetttröpfchen von verschiedener Zahl und Größe erfüllt. Lithodomus ferner hat neben solchen großen fetthaltigen Zellen kleinere rundliche Zellen mit oder ohne Fetteinlagerung, die zu jenen Übergänge zeigen. Diese dürften sich in nichts von Korzmann’s Rund- zellen unterscheiden; auch in letzteren ist Fett gesehen worden. In den Mundlappen von Unio haben die Rundzellen einen etwas anderen Inhalt, als bei den vorher genannten Meeresthieren. Während wir denselben bisher schleimig metamorphosirt (nach Fırmning’s An- nahme, oder, wie ich glaube, nur durch starke Vacuolenbildung aus- gezeichnet ohne chemische Veränderung des plasmatischen Inhaltes) oder mit Fett erfüllt sahen, von Tinktionsmitteln kaum gefärbt, ist er hier dunkel gefärbt, oft von rundlichen Körnern erfüllt, die vielleicht kalkhaltig sind. Fett findet sich selten und in verschwindender Menge. Häufig sind amöboide Fortsätze wahrzunehmen. Ähnlich sind die Zel- len aus dem Bindegewebe von Mvtilus, welche ich nicht als Drüsen, d. h. als epitheliale Elemente, sondern als primäre Bindegewebszellen ansehe, aus denen sich die Langer’schen Blasen entwickeln. Die Analogie der Rundzellen Korımann’s und der Schleimzellen Fremming’s erscheint mir somit vollkommen zweifellos. Es würde in Folge dessen beiden ein gemeinsamer Name zu geben sein, durch wel- chen sie den Spindelzellen gegentiber gestellt werden; die Bezeichnung »Rundzellen« würde sich sehr wohl dazu eignen, da durch sie nur die allgemeine Form gekennzeichnet wird, ohne auf den sehr wechselnden Inhalt Bezug zu nehmen, während »Blasen-, Schleim-, Fett-, Plasma- oder amöboide Zellen« immer nur in gewissen besonderen Fällen anzu- wenden wäre. Die Mundlappen der Lamellibranchiate n. 261 Von den Spindelzellen in den Mundlappen habe ich wenig zu be- merken; ich finde ihre fadenförmigen Fortsätze meistentheils von den Spitzen nach zwei entgegengesetzten Richtungen ausgehend, so dass sie etwa dem Längsdurchmesser des Kernes parallel ziehen. Der Zellleib mit dem Kerne liegt in den Leisten häufig unter dem Epithel der einen Seite und entsendet einen langen Fortsatz nach der gegenüber liegenden Wand, so dass das Ganze einer Muskelzelle ähnlich sieht. Wo die Rundzellen sehr über die Intercellularsubstanz überwie- gen, wie bei Mytilus, Ostrea, da treten die Spindelzellen zurück. In diesem Falle erhält das Gewebe einige Ähnlichkeit mit dem Chorda- knorpel. Die subepitheliale Schicht der glatten Mundlappenseite von Ostrea sieht durch die Einlagerung rundlicher Zellen in einer reichlichen hyalinen Intercellularsubstanz fast einer dünnen Lage echten Wirbel- thierknorpels ähnlich. Wenn auf der anderen Seite die Rundzellen sehr zurücktreten, wie bei Mactra u. a., so sieht man die Spindelzellen in Menge in der Intercellularsubstanz liegen. Daher tritt mit dem Vorwiegen der einen Zellart zwar die andere mehr zurück, immer aber kommen beide neben einander vor. Wenn man die Abbildungen zu den Arbeiten von Bor und Brock über Bindegewebe von Gastropoden mit den Bildern vergleicht, die wir bei den Acephalen erhalten haben, so wird man zu einer Vergleichung, namentlich der gerundeten zelligen Elemente angeregt. Die großen runden Zellen mit wenigIntercellularsubstanz aus dem»Zungenknorpel« von Pterotrachea (Boır’s Fig. 4) sind den großen blassen Zellen aus den Mytilus-Mundlappen an die Seite zu stellen, während die»Plasmazellen« aus der interstitiellen Bindesubstanz von Aplysia etc. große Ähnlichkeit mit den Rundzellen anderer Lamellibranchier (Najaden) haben. Jene enthalten hier wie dort wenig Protoplasma, einen runden Kern und eine helle durchsichtige Gallerte, diese sind durch häufige Erfüllung mit Reservestoffen, namentlich Fett, vielleicht auch mit kalkhaltigen Körnern, so wie durch amöboide Fortsätze ausgezeichnet. Demnach dürfte der Ansicht Brocr’s, der seine »Plasmazellen« mit den LAngEr- schen Blasen homologisiren möchte, kaum ein gewichtiger Grund ent- gegenzuhalten sein, vielmehr möchte ich mich dieser Ansicht vollkom- men anschließen, dabei aber die Homologie mit den Rundzellen der Acephalen auch auf die runden »Knorpelzellen« von Pterotrachea etec. | | l | \ 1 N ausdehnen. Auch bei einem Vergleiche der Fig. 3 von Borr, welche einen Schnitt durch einen Hauthöcker von Carinaria darstellt, fällt die große Ähnlichkeit, der aus der Theilung einer Zelle hervorgegangenen, von einer gemeinsamen Hülle umschlossenen »Knorpelzellen« mit den 262 Johannes Thiele, Theilungsstadien der »Plasmazellen« (Brock, Fig.3 A) auf und lässt beide Zellarten direkt zu einander in Beziehung bringen. Die sternförmigen Zellen, welche Boır und Brock aus den Gastro- poden beschreiben, sind wohl ohne Weiteres den »Spindelzellen« der Acephalen an die Seite zu stellen; ob sie ein reicheres Netz von Ver- zweigungen bilden oder nur wenige Ausläufer entsenden, scheint mir für ihre Natur von geringer Bedeutung zu sein. Wenn aber Brock erwartet, dass in dem blasigen Bindegewebe der Muscheln etwas gefunden werden könnte, was seinen fibrillär metamorphosirten Zellen zu vergleichen wäre, so dürfte für die schwell- fähigen Theile denn doch schon a priori ihr Fehlen anzunehmen sein, weil ihre geringe Nachgiebigkeit der Ausdehnung allzu hinderlich wäre — und in den Mundlappen habe ich in der That nichts Derartiges ge- funden. Was die Bemerkung Korımann’s bezüglich der Übergänge zwischen Rund- und Spindelzellen bei Najaden anlangt, so ist Ähnliches auch von anderen Orten, z. B. aus dem Tunicatenmantel, beschrieben wor- den, daher kein Grund vorhanden, daran zu zweifeln. Die amöboiden Zellen sind die primären. Wo Linger’'sche Blasen vorkommen, mögen sie wie die Spindelzellen aus ähnlichen amöboiden Zellen ihren ÜUr- sprung nehmen. Die Intercellularsubstanz von gallertiger Beschaffenheit enthält nur bei den Najaden eine Einlagerung von Kalkkörnern. Unter dem Epithel bildet sie eine gewöhnlich strukturlose Membran, welche sich lokal be- deutend verdicken kann, so in den Leisten der Mundlappen von Mytilus, wodurch dann ein Stützorgan entsteht, ähnlich den sogenannten »Chitin- stäbehen« in den Kiemen. Wenn gleich diese Membranen etwas fester sind, als die Intercellularsubstanz im Inneren, so müssen doch auch sie noch sehr nachgiebig sein, um für die Schwellung kein Hindernis zu bilden. Ostrea zeigt allein unter dem Epithel der glatten Mundlappenseite der Membran rundliche Zellen eingelagert; ob diese aber wirkliche Bindegewebszellen sind oder aus dem Epithel herabgerückt, ist eine Frage, welche ich ohne Weiteres nicht zu entscheiden vermag. Physiologie. Nachdem wir bisher eine Übersicht über die vergleichende Morpho- logie und Histologie der Mundlappen erlangt haben, wenden wir uns nun zur Beantwortung der Frage nach der physiologischen Bedeutung derselben. In der Litteratur finden sich darüber Vermuthungen ver- | Die Mundlappen der Lamellibranchiaten. 263 schiedener Art. In seinem genannten Aufsatze spricht Ermann sich folgendermaßen aus: »Erwägt man die ausgezeichnet entschiedene Wasserströmung, die durch den ganzen Bau eingeleitet wird, und die Richtung dieser Strö- mung, welche das Wasser und die darin schwebenden Molekeln zwi- schen den zwei neben einander zusammengelegten Blättern, mit ihren schwingenden Streifen nach innen gekehrt, mächtig impulsirt, und überlegt man ferner, dass sich diese Blätter zu beiden Seiten gerade bis zur Mundöffnung des Thieres erstrecken, so ist man geneigt, zu denken an einen die Ernährung begünstigenden Process; es wäre gleichsam ein längs seiner Achse in zwei Hälften durchschnittener Saugrüssel, der durch konsensuelle Wirkung seiner zu einander passen- den Halbringe die im Wasser schwimmenden Molekeln ansaugend dem Munde zuführen würde. Wenn wir aber andererseits finden, dass die Tentakelblätter an ihrer breitesten Seite, da wo ihre zusammengewachsene Kommissur stattfindet, in unmittelbarer Kontinuität mit dem Körper des Thieres oberhalb des Fußes sich befinden, wenn man sieht, wie der Körper ein mächtiges Gefäß an den Mittelpunkt der Kommissur abgiebt, und wie dieses Gefäß sich sogleich in zwei Hauptäste theilt, wovon jedes Blatt einen erhält, der etwas schlängelnd über die ganze Länge des Organs fortläuft senkrecht über alle Streifen gerichtet, und wie ich glaube ge- sehen zu haben, Ramifikationen abgebend an jeden Querstreifen, so neigt man sich mehr eine Beziehung auf das Respirationsgeschäft und auf Hämathese zu ahnen, dann wäre die Bezeichnung Nebenkieme die passendere.« Ferner schreibt SımrotH in seiner Arbeit über »Die Sinneswerk- zeuge der einheimischen Weichthiere«: »Unentschieden ist die Frage, ob den Mundlappen ein besonderer Grad von Empfindlichkeit zukomme. Als ich sie zu mehreren Malen bei den Najaden untersuchte, fand ich keine auffallend große Zahl von Tastborsten, im Gegentheil schienen sie fast zu fehlen. Dafür aber glaube ich bestimmt im Inneren Kontraktionen wahrgenommen zu haben, welche durchaus auf einer regelmäßigen Erweiterung und Verengerung ziemlich geräumiger Blutlakunen zu beruhen schienen. Letztere, zu- sammen mit dem starken Wimperepithel ihrer Haut, bekunden wohl mehr eine respiratorische Bestimmung.« Erwähnen will ich noch eine merkwürdige Ansstehl (von Hazay in »Die Molluskenfauna von Budapest«), nach welcher die Mundlappen von Anodonta und Unio »unvollkommene Reibplatten« sein sollen; wenig muskulöse und skeletlose, mit Wimperepithel bekleidete Hautfalten nur 264 Johannes Thiele, wegen der gerieften Oberfläche als Reibplatten anzusehen, erscheint doch mehr als gewagt. Um nun zunächst dartiber ins Klare zu kommen, ob die Mund- lappen der Zuleitung von Nährstoffen dienen, habe ich an den Najaden Experimente angestellt, die die Flimmerrichtung und demgemäß die Bewegung des Wassers im Mantelraume verdeutlichen sollten. Vorerst galt es aufzusuchen, auf welchem Wege das Wasser aufgenommen wird. Ich nahm gelegentlich Öffnungen wahr, die vor und hinter dem ausge- streckten Fuße des Thieres sich befanden, indem hier die Mantelränder etwas klaflten; wenn ich diesen Öffnungen etwas Karminpulver näherte, so wurde es in das Innere aufgenommen. Diese Spalten, deren auch Grisssach Erwähnung thut, sind indessen nur ausnahmsweise vorhan- den. Bei einem Unio pietorum, den ich untersuchte, hatten sich am Hinterrande der Schalen Pilzfäden angesetzt, welche von der Mündung des unteren Sipho abgekehrt waren, so dass es schien, als fände durch denselben zum mindesten keine Einströmung statt, denn sonst wären ja die Fäden dieser gefolgt. Dieses Thier hatte die Mantelränder vor dem Fuße von einander entfernt und nahm hier Wasser auf, wohl dess- halb, weil die in den Sipho hineinhängenden Fäden ihm lästig gewesen wären. In den meisten Fällen jedoch findet man den Mantelraum bis auf die Siphonalöffnungen vollkommen abgeschlossen; dass dieses Ver- halten auch in der Freiheit das gewöhnliche ist, gewinnt dadurch um Vieles an Wahrscheinlichkeit, dass die Muscheln zum großen Theile im Schlamme zu stecken pflegen, indem sie das Hinterende nach oben richten. In diesem Falle dient der untere große Sipho zur Wasseraufnahme. Liegt das Thier günstig, so dass man in den Sipho hineinsehen kann, so beobachtet man, dass feste Theilchen dem Ursprunge der Kiemen sich nähern, also in den obersten Theil des Mantelraumes gelangen. Weiterhin kann man die Wimperung nur am geöffneten Thiere studiren, indem man eine Schale entfernt, den Mantel zurückschlägt und nun auf die zu untersuchenden Partien des im Wasser liegenden Thieres Karminpulver streut. Dann nimmt man auf der Fläche des äußeren Kiemenblattes eine nach dem freien Rande gerichtete Be- wegung wahr, eben so auf der äußeren Fläche des inneren Blattes. Auf dem Rande des letzteren stehen neben der dort befindlichen Rinne sroße Wimperhaare, welche einen von hinten nach vorn gerichteten Strom erzeugen. Ä Die mit Leisten besetzten Seiten der Mundlappen erzeugen eine Bewegung nach vorn, während der freie untere Rand eine starke Die Mundlappen der Lamellibranchiaten. 265 rückwärts gerichtete Wasserbewegung hervorbringt. Dadurch entsteht, wenn die Mundlappen aus einander geschlagen sind, ein Strudel, durch welchen das Karminpulver von der Fläche nach dem Rande hin gespült wird, auf dem es nach der hinteren Spitze zurückgelangt. Auf dem freien Hinterrande ist eine nach der Spitze hin gerichtete Strömung be- merkbar. Die innere Mantelfläche wimpert in ihrem hinteren und oberen Theile nach vorn, doch bald nimmt die Bewegung eine Richtung nach unten, und weiter nach dem Rande zu nach hinten an, so dass feste Partikel, die am Fuße der Kiemen auf den Mantel gestreut wurden, in einem Bogen nach dem unteren Theile des Sipho zurückgeftihrt werden. Die vordere Mantelhälfte wimpert durchaus rückwärts. Stellt man aus diesen Einzelbeobachtungen nun die Bewegung der Nahrungsstoffe zusammen, welche, wie wir sahen, beim unversehrten Thiere zunächst an den Fuß des äußeren Kiemenblattes gelangten, so werden dieselben von der Kiemen- und der Mantelwimperung gemein- sam nach dem freien Rande des inneren Kiemenblattes hin getrieben, dort, werden sie ihre Richtung ändern, indem die Kiemenrandströmung sie nach vorn führt, so dass sie zwischen die Mundlappen gelangen. Wie nun die fernere Bewegung ist, das muss über die Bedeutung der Mundlappen als Zuleitungsorgan Klarheit schaffen. Ich habe bereits er- wähnt, dass durch die gegenläufige Richtung der Wimperung auf der mit Leisten besetzten Fläche und dem Rande ein Strudel erzeugt wird, der, sobald die Mundlappen nicht an einander liegen, die festen Theil- chen meist dem Rande zuführt. Bei der geschlossenen Muschel sind nun aber ohne Zweifel die beiden Lappen jeder Seite so dicht an ein- ander gelagert, dass zwischen ihnen die nach vorn gerichtete Wimpe- rung der Fläche wirksam bleibt und die von der Kieme herbeigeschafften Nahrungsstoffe nach der Mundöffnung hin treibt. Ein solches Verhalten habe ich in der That bei Anodonta cellensis direkt beobachtet, als die Mundlappen möglichst unberührt geblieben waren und daher dicht an einander lagen; bei der Zartheit derselben sieht man das Karmin durch- schimmern und kann daher dessen Bewegung genau verfolgen. Der ‚Weg, den dasselbe beschreibt, ist etwa dem freien Rande parallel, un- gefähr 2—3 mm von demselben entfernt. So ist denn wohl in der That die Bedeutung der Mundlappen als direktes Zuleitungsorgan bei den Najaden erwiesen. Nun fragt es sich aber noch, welche Funktion die Randströmung haben könnte. Das kann man wohl kaum durch Experimente direkt erweisen, doch erscheint die Beantwortung nicht schwer. Wenn durch die Thätigkeit der Mundlappen das die Nahrungsstoffe enthaltende Wasser bis zur Mundöffnung gelangt 266 Johannes Thiele, ist, so wird es jedenfalls nur zum kleinsten Theile in den Ösophagus gelangen, die größere Menge wird, wenn die Nahrung gesichert ist, wieder fortgeschafft werden müssen, und diese Aufgabe fällt nun der Randströmung zu, in Verbindung mit der, wie wir sahen, in der Vor- derhälfte des Thieres rückwärts gerichteten Mantelwimperung. Es werden feste Theilchen jeder Art von der Strudelung in den Mantelraum und dann wohl auch nach dem Munde hin geführt, ohne dass das Thier willkürlich etwas Anderes zu thun vermag, als die Schalen zu öffnen oder zu schließen. Ob aber an der Mundöffnung oder vielleicht schon vor dem Eintritt zwischen die Mundlappen eine Aus- wahl stattfindet, vermag ich nicht zu konstatiren. Es werden untaugliche Stoffe vielleicht von der Mundlappenrandströmung und wahrscheinlich von der nach hinten treibenden Mantelwimperung bis an die Siphonal- öffnung zurückgeführt und hier vorläufig deponirt. Von Zeit zu Zeit kann man einen plötzlichen Ruck beobachten, den das Thier durch Kontraktion der Schalenschließer erzeugt; dadurch werden die an der Öffnung befindlichen festen Körper mit Heftigkeit ausgestoßen. Auf der glatten Seite der Mundlappen ist die Wimperung nicht eine einheitliche, doch schafft sie feste Stoffe jedenfalls nach dem Rande, auf dem sie dann nach der Spitze geführt werden. Bei Anodonta habe ich wahrgenommen, dass dieselben von dem Hinterrande, ehe sie die Spitze erreicht hatten, durch die Kiemenströmung beeinflusst, zwi- schen die Mundlappen geriethen und dann der Mundöffnung zugeführt wurden. Auch Ostrea habe ich auf ihre Wimperrichtung untersucht. Zwar ist es mir nicht gelungen, Nahrungstheilchen direkt zur Mundöffnung gelangen zu sehen, schon der Dicke und des ganzen Baues der Mund- lappen wegen, doch habe ich die Richtung der Flimmerung hinlänglich deutlich wahrgenommen. Auf der äußeren Kiemenfläche werden feste Körper nach dem freien Rande hin getrieben, auf diesem sodann wie- der wie bei den Najaden nach vorn, indem sie in Schleim eingehüllt werden, so dass sie zwischen die Mundlappen gelangen. Diese flimmern auf der gerieften Seite nach dem Munde zu und erweisen sich also auch hier unzweifelhaft als Zuleitungsorgan. Mytilus hat mir zwar auch lebend vorgelegen, doch ist es der großen Beweglichkeit der Mundlappen wegen hier kaum möglich, sie in ihrer natürlichen Lage zu erhalten, demgemäß auch nicht sicher darzu- thun, ob sie sich im Leben für gewöhnlich den Kiemen anlegen und in derselben Weise wie bei den Najaden der Nahrungsbeschaffung dienen. Wie früher mitgetheilt wurde, sind die Mundlappen von Mytilus und noch mehr die von Lithodomus ungemein reich an Sinneszellen. un Die Mundlappen der Lamellibranchiaten. 367 Ob diese bei der Auswahl von Nahrungsstoffen mitwirken, indem sie eine Geschmacksempfindung vermitteln, oder ob ihnen eine rein mecha- nische Tastempfindung zukommt, wage ich nicht zu entscheiden. Nach solchen Experimenten, die zum mindesten bei den Najaden mit Sicherheit dargethan haben, dass die Mundlappen dazu dienen, durch ihre Wimperung Nahrungsstoffe dem Munde zuzuführen, ist es wohl gestattet, auf Grund der morphologischen Verhältnisse auf dieselbe Bedeutung der Mundlappen bei anderen Muscheln Schlüsse zu ziehen. Wir finden, wie bereits erwähnt worden ist, als durchaus kon- stante Eigenthümlichkeit der Mundlappen eine Art von Rinnenbildung zwischen der Mundöffnung und den Kiemen. Je nachdem diese weiter von jener entfernt sind oder mit dem Vorderende sich ihr nähern, ist die Ausdehnung der Mundlappen im Allgemeinen größer oder geringer. In einigen Fällen will ich kurz betrachten, in wie weit die morpho- logische Gestaltung der Mundlappen eine Funktion als Zuleitungsorgan — und zwar diese allein — wahrscheinlich macht. Hier möchte ich hinweisen auf das Bestreben des mittleren Verbindungsstückes, einen geschlossenen Raum zu bilden, was bei Ostrea, Tridacna u. a. durch ein Überschlagen der Oberlippe auf die Unterlippe, bei Pecten, Spondylus durch eine Faltenbildung der Ränder mit gegenseitigem Ineinander- greifen und bei Lima vollkommen durch ein Verwachsen der Ränder erreicht wird; in diesen Fällen müssen also unbedingt alle Stoffe, die dem Munde zugeführt werden, zwischen den gerieften Mundlappen passiren. Bei Anomia ephippium ist das Hauptgewicht darauf zu legen, dass die inneren Kiemenblätter breiter, die inneren Mundlappen schmäler sind, als die entsprechenden äußeren. Es werden Nahrungsstofle auf dem Rande der beiden mittleren Blätter in die von dem äußeren Mund- lappenpaare vor der Mundöffnung gebildete Tasche hineingeführt. Bei einer großen Anzahl von Lamellibranchiaten bilden die Mund- lappen eine so flache und oft lange Rinne, dass ihre Funktion als Zu- leitungsorgan sofort aus der Form klar zu sein und eine andere ganz ausgeschlossen’ scheint, so bei Pinna, Lucina, Peetunculus, Arca, Solen. Auch die Ausbildung bei Lima, Spondylus, Pecten, Avicula kann wohl nur der Nahrungsbeschaffung dienen. Schon eher könnte man zweifel- haft werden, ob die Mundlappen allein diese Bedeutung haben, wo sie sich stark verbreitern oder sich zum großen Theile vom Körper loslösen und freier werden, doch wenn sie dabei von unbedeutender Größe sind, wie bei Venus, Psammobia, Gardium, Corbieula ete., dann können sie eine nennenswerthe Leistung als Athmungsorgan kaum hervorbringen. In allen Fällen sehen wir ihre Form mit der Gestaltung der Kiemen zu- 268 Johannes Thiele, sammenhängen, deren freiem Rande folgend sie sich verbreitern oder frei werden. Am weitesten folgen sie demselben bei Mytilus und Tri- dacna, wo sie sehr langgestreckt und dabei ziemlich schmal sind. Nur eine so außerordentliche Größe derselben, wie von Mactra, Serobieula- ria, Pholas, scheint zu der alleinigen Funktion als Zuleitungsorgan nicht im richtigen Verhältnisse zu stehen, wenigstens kann man sich kaum des Gedankens erwehren, dass viel kleinere Mundlappen den genannten Zweck eben so gut erfüllen würden, und nun haben gerade bei diesen Gattungen die Kiemen eine verhältnismäßig geringe Größe, da erscheint denn die Annahme, dass hier die Mundlappen zu wesentlicher Unter- stützung derselben dienen, wohl beachtenswerth. Große Oberfläche und bedeutende Bluträume sind im Allgemeinen für Athmungsorgane charakteristisch — beides finden wir an den Mund- lappen der Muscheln. Der Leistenbesatz, welcher für die Nahrungs- beschaffung keinen sonderlichen Werth haben dürfte, vergrößert ihre Oberfläche um ein Namhaftes, während die Dicke der Blätter sehr ge- ring zu sein pflegt. Bei wenigen Formen, wie Mytilus, Ostrea, ist das Gewebe des Inneren ziemlich kompakt, meist fanden wir es außer- ordentlich reich an lakunären Bluträumen (Mactra u. a.). In der früher angeführten Stelle von Sımrora ist von »Kontraktionen im Inneren« die Rede, die Verfasser bei Najaden »wahrgenommen zu haben glaubt«. lch habe oft die Mundlappen von Unio abgeschnitten und im Wasser beobachtet; dabei wurde ich auf folgende eigenthümliche Erscheinung aufmerksam. In regelmäßigen Intervallen, und zwar etwa in der Minute zweimal (genauer nach je 27 Sekunden) kontrahirten sich die Mund- lappen sehr wahrnehmbar. Dasselbe fand ich dann auch am unver- sehrten Thiere. Die Zusammenziehungen nahmen an der freien Spitze ihren Anfang und schritten nach dem Munde hin vor. Die Systole er- folgt etwas langsamer als die Diastole; darauf folgt eine Pause ohne wahrnehmbare Bewegung. Nur einmal schienen mir an einem abge- schnittenen Mundlappenpaare im Inneren schwache Kontraktionen nach der Spitze hin zu erfolgen (etwa 6 in der Minute); ob dies Ausnahme oder Regel ist, lasse ich dahingestellt. Bei Anodonta habe ich solche regelmäßige Kontraktionen nicht wahrgenommen, will aber nicht behaupten, dass nicht vielleicht schwächere Zusammenziehungen im Inneren erfolgen. Jedenfalls dienen die beschriebenen Pulsationen, die vom Herzen unabhängig sind, wie aus ihrer Fortdauer am abgeschnittenen Mund- lappen und namentlich daraus hervorgeht, dass sie an den einzelnen Blättern nicht gleichzeitig sind, dazu, das Blut, welches aus den End- zweigen der Arterien ohne große Kraft in die lakunäre Bahn tbertritt, Die Mundlappen der Lamellibranchiaten. 269 nachdem es in dieser ohne Zweifel mehr oder weniger Sauerstoff auf- genommen hat, den venösen Gefäßen zuzuführen, durch die es unmittel- bar in die Vorkammern des Herzens gelangt. »Diejenigen Körpervenen- Stämme, welche unmittelbar in die Vorkammern des Herzens zurück- gehen, kommen aus den Mundlappen, dem sogenannten rothbraunen Organe, dem Scheibentheile der Mantellappen, der vorderen Wand des Perikardiums und von der Oberfläche des Sinus venosus, und mischen daher venöses Blut unter das arterielle.« (Broxn, p. 370.) Letzteres ist nun wohl in so fern nicht ganz richtig, als nicht allein die Mund-, sondern auch die Mantellappen die Kiemenrespiration unter- stützen und Sauerstoff dem Blute beimischen, so dass dieses, wenn es durch die genannten Venen in das Herz gelangt, in beträchtlichem Maße mit Sauerstoff beladen sein muss, also wohl als arteriell anzu- sehen ist. So erscheint schon bei den Najaden die Annahme einer Neben- funktion der Mundlappen zu respiratorischem Zwecke nicht von der Hand zu weisen, während sie doch zuerst und hauptsächlich Zuleitungs- organ sind. Sie dienen also verschiedenen Zwecken, ähnlich wie die Kiemen, welche zugleich Athmungs-, Zuleitungsorgan und Bruttaschen sind. Bei den genannten Thieren mit sehr großen Mundlappen, unter denen ich Mactra besonders hervorhebe, steigt nun natürlich ihre Be- deutung als respiratorisches Organ um Vieles, so dass sie in dieser Hin- sicht so viel oder gar noch mehr leisten können, als die Kiemen. So sehen wir denn bei allen Muscheln die Mundlappen als Zu- leitungsorgan funktioniren, womit wohl auch die starke Innervation bei manchen Gattungen (Lithodomus, Mytilus) nicht im Widerspruche steht — hierin liegt also zweifellos ihre Hauptbedeutung für das Thier. Oft erhalten sie daneben eine mit ihrer Größe an Wichtigkeit zunehmende »Beziehung auf das Respirationsgeschäft«: sie untersttitzen die Kiemen; doch ist diese Funktion mehr eine sekundäre, daher die Bezeichnung »Nebenkiemen« nicht recht geeignet. Noch weniger ist »Palpen, Ten- takel« anzuwenden, vielmehr ist »Mundlappen« oder »Mundsegel«, wo- durch nur ihre Lagebeziehung zum Munde ausgedrückt, aber doch eine Bedeutung für die Nahrungsbeschaffung nahe ‚gelegt wird, derjenige Name, welcher allein empfehlenswerth erscheint, wie derselbe ja auch ‚ bisher von den meisten Autoren angewendet worden ist. | Über die Entstehung der Mundlappen ist entsprechend der un- ‚ vollständigen Kenntnis der Entwicklung der Lamellibranchiaten nichts ‘ Gewisses bekannt. In Barrour’s »Handbuch der vergleichenden Em- bryologie« finde ich nur folgende dürftige Angabe: »Lov£x hat, obgleich \ ) ı 270 Johannes Thiele, ohne direkte Beweise, die Vermuthung ausgesprochen, dass die Lippen- tentakel der ausgewachsenen Lamellibranchiaten die Überreste des Velums seien.« Ob diese Ansicht richtig ist, mögen zukünftige Forschungen er- weisen. Berlin, Februar 1886. Erklärung der Abbildungen. Tafel XVII und XVIII. Die Figuren sind, wenn nichts angegeben ist, in natürlicher Größe oder wenig vergrößert. Sie sind so zusammengestellt, dass die Mundpartie der Thiere nach oben gerichtet ist, während in den Beschreibungen nach der herkömmlichen Art der Bezeichnung das Schloss als oberster Theil, die freien Ränder der Kiemen und Mundlappen als untere angesehen sind. Überall ist die dem Beschauer zugekehrte Schalenhälfte entfernt, häufig auch die andere. Der Mantel ist entweder zurückgeschlagen, oder theilweise entfernt, um die Mundlappen sichtbar werden zu lassen. MI, Mundlappen; K, Kiemen; M, Mantel; F, Fuß; Ms, Muskel (Schalen- schließer); i, Schale. Die Lage der Mundöffnung ist durch o bezeichnet. Fig. 4. Ostrea edulis von der linken Seite. Mundlappen und Vorderende der Kiemen. Fig. 2. Von demselben Thiere ist der linke äußere Mundlappen abgeschnitten und zurückgeschlagen, um den Leistenbesatz und das innere Lappenpaar zu zeigen. Fig. 3. Anomia ephippium. Mundpartie von der rechten Seite (ca. 2/1); der | vordere Theil des rechten Mantellappens ist abgeschnitten und der Fuß, der sonst nach rechts gerichtet ist, senkrecht zur Fläche des Thieres gezeichnet, um die Mund- lappen sichtbar werden zu lassen. Fig. 4. Pecten varius etwas schräg von vorn. Mantel zum Theil entfernt. Fig. 5. Spondylus gaederopus schräg von vorn, linke Mantelhälfte abge- schnitten. Fig. 6. Lima ventricosa von unten, beide Schalen entfernt, Mantel vorn in der u Mittellinie (zwischen den Nadeln) durchschnitten und ausgebreitet. Zu beiden Seiten der Mundlappen liegen die Kiemen, großentheils vom Mantel bedeckt; unten I in der Mitte der Fuß. Fig. 7. Lima inflata von vorn und etwas rechts; rechte Mantelhälfte entfernt. De - Hinter der rechten Kieme ist der Fuß theilweise sichtbar und die Innenseite der | linken Kiemen. Die Mundlappen der linken Seite sind hinter dem Mantel ver- steckt. Fig. 8. Meleagrina margaritifera von der rechten Seite. Fig. 9. Pinna squamosa von unten. Schalen und Mantel entfernt. Neben der | Spitze des Fußes liegt die Mundöffnung, hinter demselben die Byssusdrüse. Mund- lappen aus einander geschlagen, zeigen die geriefte Innenseite. Fig. 10. Mytilus edulis von links unten. Das linke Mundlappenpaar ist aus. | A ' 1 j' | i | | Die Mundlappen der Lamellibranchiaten. 271 einander gebreitet, das rechte in der vermuthlich natürlichen Lage. Der Fuß ist nach links gebogen, um die Mundlappen nicht zu verdecken. Fig. 44. Lithodomus dactylus von unten. Die linke Schale nebst einem Theile ‚des Mantels entfernt; die linken Mundlappen aus einander geschlagen zeigen die Innenseite, während die rechten in der ursprünglichen Lage geblieben sind. Fig. 42. Dreissena polymorpha vordere Hälfte, etwas vergrößert, von unten. Linke Schale undein Theil des Mantels entfernt, der Rest des letzteren zurück- geschlagen. Fig. 43. Modiolaria marmorata vergrößert, von unten; aus dem Mantel ist ein Stück ausgeschnitten, so dass die Mundlappen und die Kiemen sichtbar sind. Fig. 44. Arca foliata von der Seite, vorderer Theil des linken Mantellappens abgeschnitten. Fig. 45. Arca uropygmelana schräg von unten. Fig. 46. Pectunculus pilosus von der rechten Seite. Fig. A7. Nucula inflata von der rechten Seite, Mantel theilweise entfernt (4/4). Fig. 48. Leda lugubris von der Seite (4/4). Fig. 49. Unio pietorum von der rechten Seite. Fig. 20. Tridacna elongata (nach einem schlecht konservirten Exemplar) von unten; bei M ist der Mantel abgeschnitten, etwas verkleinert. Fig. 24. Vier Leisten von einem Mundlappen von Tridacna, etwas vergrößert. Fig. 22. Cardium tuberculatum von der linken Seite, äußerer Mundlappen, eben so der aufgeschnittene Mantel zurückgeschlagen, so dass die Innenseite der ‚Mundlappen sichtbar ist. Fig. 23. Lucina tigerina. Mundgegend von unten, schwach vergrößert. Fig. 24. Corbicula biformis von der rechten Seite; äußerer Mundlappen mit dem durchschnittenen Mantel zurückgeschlagen. Fig. 25. Cardita sulcata von der rechten Seite. Fig. 26. Venus edulis von der linken Seite, Mantel abgeschnitten. Fig. 27. Artemis exoleta von der Seite. Fig. 28. Mactra stultorum von der rechten Seite; äußerer Mundlappen mit dem aufgeschnittenen Mantel zurückgeschlagen, zeigt die Leisten der Innenfläche. Fig. 29. Scrobicularia plana von der rechten Seite; der Rest des Mantels, so wie der äußere Mundlappen nach vorn geschlagen, so dass die geriefte Seite bei- der Lappen sichtbar ist; der innere ist mit der Kieme verwachsen. Fig. 30. Tellina rugosa von der Seite; beide Mundlappen liegen an einander. Fig. 34. Psammobia vespertina von der linken Seite. Das innere Kiemenblatt tritt zwischen die kleinen Mundlappen; die Spitze des großen Fußes nicht ge- zeichnet. Fig. 32. Donax trunculus von der Seite, wenig vergrößert. Fig. 33. Solen ensis mittlerer Theil von der linken Seite. Mantel theilweise entfernt; der Mund liegt unter dem Fuße. Fig. 34. Pandora rostrata vordere Hälfte von der rechten Seite; vom Mantel ist ein Stück entfernt. Vergrößert. Fig. 35. Pholas dactylus von der rechten Seite; der aufgeschnittene Mantel mit dem äußeren Mundlappen, mit dem er zum Theileverwachsen ist, zurückgeschlagen. Der innere Mundlappen liegt zwischen Fuß und Kiemen. Fig. I. Querschnitt von einem Mundlappen von Mytilus, auf welchem die Lei- sten schräg durchschnitten sind, zeigt oben in der Mitte die Falte, die links mit den Leisten verwachsen ist, zwischen denen dadurch Blindsäcke entstehen, deren 279 Johannes Thieie, Die Mundlappen der Lamellibranchiaten. Durchschnitte man sieht. Links der großeBlutraum, rechts in der Spitze die Plasma- zellen. Schwache Vergrößerung. Fig. II. Theil eines dem vorigen parallelen Schnittes, an der Verwachsungs- stelle der Leiste Z mit der Falte F, zeigt einen Längsschnitt eines Stäbchens st. Links im Epithel einige Drüsenzellen. m Durchschnitte von Muskeln, n von Ner- ven. Circa 300/A. Fig. III. Kleines Stück eines ähnliches Schnittes, zeigt Langer’sche Blasen. SEIBERT VII, A. Fig. IV. a eine Spindelzelle, 5 Plasmazellen. SEıserr VII, A. Fig. V. Mehrere Leisten an der Verwachsungsstelle mit der Falte. Längs- schnitt eines Mundlappens. In der Spitze der Leisten die dunkel gefärbten Stäb- chen. Etwa 50/1. Fig. VI. Ostrea edulis. Theil eines Querschnittes von einem äußeren Mund- lappen. Oben das Epithel. mit zwei Schleimzellen s; darunter eine aus reichlicher hyaliner Intercellularsubstanz mit rundlichen Zellen und einzelnen Fasern beste- hende Schicht, welche nach innen zu eine fasrige Struktur erhält. Unter dersel- ben große Lakunen | (bei * ein Blutkörperchen). Die blasigen Zellen, die gewöhn- lich größer sind, als hier gezeichnet ist, enthalten Fetttröpfchen. Seıserr VII, A. Fig. VII. Durchschnitt eines Gefäßes v von Ostrea. SEIBERT V, A. Fig. VII. Lakune ! und Rundzellen aus dem Mundlappen von Lithodomus. SEIBERT VII, A. Se. Fig. IX. Schnitt von einem Mundiappen von Unio, zeigt das lakunenreiche Gewebe, die dunkelgefärbten Rundzellen und die schmalen Kerne von Spindelzellen. Oben Durchschnitte dreier Leisten. Der Schnitt ist aus der Nähe des freien Randes, .wo die Gefäße schon in die Lakunen übergegangen sind. SEIBERT III, 4. Fig. X. a Spindelzellen, 5 Rundzellen, e Körner aus demselben Schnitte. SEI- BERT VII, A, Über Eibildung und Entwicklung der Rotatorien. Von &. Tessin (Rostock). Mit Tafel XIX und XX. Die Rotatorien sind wegen ihres häufigen Vorkommens im Süß- wasser, So wie wegen gewisser biologischer Besonderheiten schon sehr oft Gegenstand der Untersuchung gewesen. Die Litteratur derselben ist daher ziemlich umfangreich, bezieht sich jedoch fast ausschließlich auf den anatomischen Bau, die Biologie und die Systematik dieser Thiere. Was aber die Entwicklungsgeschichte derselben betrifft, so liegen darüber bis jetzt sehr wenige und nur sehr lückenhafte Unter- suchungen vor. Außer einigen gelegentlichen Notizen von Levvic (8 und 9), Weisse (15), Eckstein (2) und ZacuArns (16) ist als ausführ- lichere Arbeit dieser Art die von Sırensky (13) über die Entwicklung von Brachionus urceolaris zu erwähnen. Es sind jedoch noch manche sehr wichtige Fragen durch diese Arbeit unbeantwortet geblieben; auch werden wir im Laufe dieser Darstellung sehen, dass sie viele un- richtige Angaben enthält. Da also eine genauere Kenntnis der Ent- wicklungssgeschichte der Räderthiere aus verschiedenen Gründen, be- sonders aber wegen ihrer immer noch sehr zweifelhaften systematischen Stellung, sehr wünschenswerth war, so habe ich mich eingehender, als ‚ es bisher geschehen, mit diesem Gegenstande beschäftigt. Leider war ‚ es mir aber auch nicht möglich, in einigen nicht unwesentlichen Punkten ‚ zu der wünschenswerthen Klarheit zu gelangen. | Wenn entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen überhaupt große ‘ Schwierigkeiten bieten, so ist solches in besonders hohem Grade der : Fall bei den Rotatorien. Es hat dies hier namentlich darin seinen | Grund, dass die Eier außerordentlich klein sind, und es darum auch schwer hält, von ihnen brauchbare Schnitte zu bekommen. Die Unter- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLIV. Bd. 48 274 G. Tessin, suchungen am lebenden Objekt allein können nicht zu einem befriedi- genden Resultat führen, weil die Umbildungen, welche sich auf spä- teren Entwicklungsstufen im Inneren des Keimes abspielen, wegen der Undurchsichtigkeit der Eimasse nicht wahrzunehmen sind. Nach vielen vergeblichen Versuchen ist es mir gelungen, brauchbare Schnitte von Brachionus-Eiern zu erhalten. Es scheint mir nicht unwichtig, die Methode, welche, wenn auch nicht immer, so doch in der Regel zum Ziele führte, hier kurz anzugeben: Als ein geeignetes Abtödtungsmittel habe ich die Chromessigsäure erkannt, sie dringt schnell ein und be- wirkt auch keine Schrumpfung. Bei Anwendung von Pikrinschwefel- säure erfolgte augenblicklich eine so starke Schrumpfung, dass jede Struktur verloren ging, während das Sublimat überhaupt nicht die Ei- haut durchdrang. Das Härten der mit Chromessigsäure abgetödteten Objekte musste mit der größten Vorsicht vorgenommen werden, weil sonst sehr leicht eine totale Schrumpfung eintrat. Eine geringe Zu- sammenziehung war auch bei ganz allmählichem Überführen aus schwachem in starken Alkohol nicht zu verhindern, sie war dann je- doch eine gleichmäßige und weiter von keinem störenden Einfluss. Das Färben der gehärteten Objekte gelang mir nur mit Hämatoxylin, da die Karminfarben nicht durch die Eihaut hindurchdrangen. Als Auf- hellungsmittel habe ich mit gutem Erfolg Kreosot angewandt. Ganz besondere Schwierigkeiten bot aber das Einbetten in Paraffın, indem entweder das Paraffin überhaupt nicht eindrang, oder, wenn es etwas zu heiß geworden war, eine Schrumpfung bewirkte. Bei aller Vorsicht beim Einschmelzen, welches ich auf alle mögliche Weise versuchte, konnte ich es nicht dahin bringen, dass es mir immer gelang, und ich musste es als ein besonderes Glück betrachten, wenn das eine oder das andere Ei gut eingebettet war. Die Schnitte wurden mit dem großen June’schen Mikrotom in 41/200 mm Dicke ausgeführt. Ist die Zahl der brauchbaren Schnitte, die ich auf diese Weise erhalten habe, auch nur | eine relativ geringe, so habe ich an ihnen doch wichtige Beobachtungen gemacht, die mir am lebenden Ei entgangen wären, wie sie auch Sa- LENSKY entgangen sind, der die Entwicklung nur an lebenden Objekten studirt hat. Andere Schnitte waren mir in so fern von Werth, als sie das bestätigten, was ich am lebenden Objekt beobachtet hatte. | Meine Untersuchungen beziehen sich namentlich auf die Eier von Eosphora digitata Ebg., deren verschiedene Entwicklungsstadien ich in | Fig. 11—37 dargestellt habe. Jedoch habe ich auch andere Formen nicht ganz außer Acht gelassen und namentlich an den Eiern von Bra- | chionus urceolaris Ebg., Euchlanis dilatata Ebg., Salpina mueronata Ebg. und Rotifer vulgaris Ebg. konstatiren können, dass ihre Entwicklung j Über Eibildung und Entwicklung der Rotatorien. 375 genau in derselben Weise verläuft, wie diejenige der Eier von Eosphora digitata. Da hierunter sich aber Repräsentanten der verschiedensten Gattungen befinden, so glaube ich annehmen zu können, dass die Be- obachtungen, die ich an den sich entwickelnden Eiern von Eosphora digitata gemacht habe, ganz allgemeine Gültigkeit besitzen für alle Ro- tatorien. Der eigentlichen Entwicklungsgeschichte werde ich ein Kapitel über den Bau des weiblichen Geschlechtsapparates, die Bildung und die Reifung der Eier bei den Rotatorien voranschicken. Es sind dies zum Theil Untersuchungen, die ich in dem hiesigen zoologischen Insti- tut schon im Sommer 1884 angestellt, aber bis jetzt noch nicht ver- öffentlicht habe. Unterdessen ist eine Arbeit von PraAre (11) erschienen, in welcher im Allgemeinen dieselben Beobachtungen über die Eibildung bei unseren Thieren mitgetheilt werden. Die betreffenden Unter- suchungen wurden aber durchaus unabhängig von einander angestellt. Bevor ich aber dazu übergehe, die Resultate meiner Unter- suchungen im Speciellen mitzutheilen , sei es mir gestattet, meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. GorTTE, für das Interesse, welches er jederzeit für meine Arbeit hegte, so wie für seine gütige Unterwei- sung an dieser Stelle meinen aufrichtigsten Dank auszusprechen. 1. Einiges über den weiblichen Geschlechtsapparat, die Bildung und die Reifung des Eies. Eine meiner ersten Entdeckungen, die ich im Sommer 188% bei meinen Untersuchungen über den anatomischen Bau der Räderthiere machte, betraf das Ovarium und belehrte mich, dass die Eibildung bei diesen Thieren in durchaus anderer Weise erfolgte, als wie sie bis da- hin immer geschildert worden war. Man beschrieb das Ovarium als einen unpaaren, in die Kloake ausmündenden Sack, der in seinem fein- körnigen, blassgrauen Inhalt eine Anzahl großer, von einem hellen Hof umgebener Kerne enthalte. Die Eibildung sollte nun in der Weise vor sich gehen, dass sich um den dem Ausführungsgang zunächst gelegenen Kern herum die körnige Masse als Dotter anhäufe, und das Ganze sich mit einer feinen Membran umgebe. Ungeachtet dessen, dass in dem eben angelegten Ei der Kern außerordentlich viel kleiner ist als die Kerne des sogenannten Ovariums, so wurden doch beide immer für identisch gehalten. Nach Pıare’s und meinen eigenen Untersuchungen verhält die Sache sich nun durchaus anders. Das große, sackförmige Gebilde, welches bisher immer als Ovarium beschrieben wurde, hat gar kein Anrecht auf diese Bezeichnung, wohl aber ein kleiner Haufe von Kernen, der dem großen Sack äußerlich angelagert ist (Fig. 1—3). 18* 276 6. Tessin, Man erkennt denselben meist schon am lebenden Thier, sehr leicht aber ist er durch Tinktionsmittel zur Anschauung zu bringen. Dieses eigentliche Ovarium oder »Keimfach « liegt stets an der rechten und vorderen Seite des früher schlechthin als Ovarium bezeichneten Ge- bildes und besteht aus zahlreichen, in wenig protoplasmatischer Grund- substanz eingebetteten Kernen, welche vom vorderen nach dem hin- teren Ende zu allmählich an Größe zunehmen. Eine Eianlage entsteht dadurch, dass der am weitesten nach hinten gelegene Kern sich mit etwas mehr Dottermasse umgiebt und eine dünne Membran erhält. Die Kerne des Keimfaches werden also zu den späteren Eikernen. Ein in Bildung begriffenes Ei liegt stets sehr dicht und fest dem großen, mehrfach erwähnten, sackförmigen Gebilde an, dessen Gestalt, aber nicht bei allen Formen die gleiche ist. Meistens ist es jedoch ein unpaarer Sack, der je nach der Gestalt des Körpers mehr gestreckt oder mehr kugelig sich darstellt. Bei einigen Formen, z. B. Brachionus, liegt er quer in der Leibeshöhle und zeigt dann meist in der Mitte eine Verengerung und damit eine Sonderung in zwei Hälften. Bei Ptero- dina nimmt er eine vollkommen hufeisenförmige Gestalt an, während er bei den Philodinaeen sogar paarig vorhanden ist. Er ist sammt dem Keimfach von einer dünnen, nur schwer wahrnehmbaren Membran umgeben, welche einen in die Kloake ausmündenden Schlauch dar- stellt. Sein blassgrauer Inhalt besteht aus einer feinkörnigen, proto- plasmatischen Masse, in der man an verschiedenen Stellen etwas gröbere Körner angehäuft findet. Was nun die in dieser Grundmasse eingebetteten Kerne anbetrifft, so ist ihre Zahl mit wenigen Ausnahmen eine durchaus konstante. Überall sind sie in der Achtzahl vorhanden, abweichend von dieser Regel verhalten sich nur die festsitzenden Tubicolarinaeen, die Philodinaeen und Pterodina, bei welchen ich eine größere Zahl von Kernen konstatiren konnte. Ich wundere mich, dass diese Konstanz in der Zahl der betreffenden Kerne von Prare nicht be- merkt wurde. In der Größe der einzelnen Kerne ist, namentlich bei Brachionus, ein sofort in die Augen fallender Unterschied wahrzu- nehmen derart, dass die kleinsten dem Keimfach zunächst liegen und umgekehrt (Fig. I—3). Was die histiologische Beschaffenheit der Kerne betrifft, so bestehen sie aus einer hellen, von Kernsaft erfüllten, äuße- ren Zone, dem Nucleus, und einer soliden Innenmasse, dem Nucleolus. Letzterer ist verhältnismäßig groß und erscheint am lebenden Thier hell, opalisirend, mehr oder weniger homogen. Durch Tinktionsmittel wird er sehr intensiv gefärbt und lässt dann in seinem Inneren Kern- vacuolen erkennen. Die Gestalt des Nucleolus bedingt auch diejenige des Nucleus. Meist ist dieselbe kugelig oder eiförmig, sehr eigenthüm- _ F a ge a ——— Über Eibildung und Entwicklung der Rotatorien. 377 lich und wechselnd aber in der Gattung Eosphora. Hier erscheint der Nueleolus tief eingeschnürt, gespalten oder gelappt, zuweilen ist er so- gar in zwei vollständig getrennte Nucleoli zerfallen (Fig. 4). Pıarz lässt die Frage unentschieden, ob eine Theilung dieser Kerne stattfinde oder nicht. Nach meinen Beobachtungen muss ich diese Frage durchaus verneinen. Schon die Beständigkeit in der Zahl der Kerne lässt darauf schließen, dass eine Theilung derselben nicht stattfindet; auch habe ich weder am lebenden Objekt, noch an meinen zahlreichen Präpara- ten und Schnitten jemals etwas dergleichen beobachten können. Nachdem wir uns so über das Äußere und die histiologische Be- schaffenheit des früher als Ovarium bezeichneten Gebildes genauer in- formirt haben, fragt es sich nun, welche Funktion wir demselben zuschreiben sollen, da wir als das eigentliche Ovarium eine andere Bildung ganz unzweifelhaft erkannt haben. Pate bezeichnet das in Rede stehende Gebilde als »Dottersack «, indem er annimmt, dass die Molekülchen desselben in das in Bildung begriffene, dem »Dottersack « dicht anliegende Ei auf endosmotischem Wege übertreten und auf diese Weise die Dottermasse desselben bilden. Er führt zur Begründung dieser seiner Ansicht an, dass die Partikelchen des »Dottersackes« sich an der Stelle anhäufen, wo demselben ein Ei anliegt, so dass also dieses Ei auf die Dotterpartikelchen eine anziehende Kraft auszuüben scheine. Ich kann diese Angabe nicht bestätigen, weil ich nie etwas Derartiges beobachtet habe. Jedenfalls findet aber eine Anhäufung der Dotterkörnchen an der Stelle, wo dem »Dottersack « ein Ei anliegt, nicht in dem Maße statt, wie sie von Prare in seinen Fig. 20 und 29 gezeich- net wird, denn dann wäre sie sicher nicht meiner Aufmerksamkeit entgangen. Keineswegs aber stimme ich Prare darin bei, dass bereits Leypıe diese Erscheinung wahrgenommen habe. Wenn letztgenannter Forscher anführt, dass bei verschiedenen Arten eine Partie des Eier- stockes fast ausschließlich Dotter enthalte und dadurch ein trübes Aus- sehen gewinne, während die andere Seite die Keimbläschen enthalte, so glaube ich, nach den betreffenden Zeichnungen zu urtheilen, mit Bestimmtheit annehmen zu können, dass die dunkle, keine Keimbläs- chen enthaltende Partie des Eierstockes weiter nichts ist als eine Ei- anlage. Die Zeichnung von Pterodina (8, Fig. 9) lässt mir solches als ganz unzweifelhaft erscheinen. Mag nun die Dotterbildung durch Diffusion, wie es von Prarz an- genommen wird, oder durch Einwanderung der Dotterkörnchen statt- finden, so steht doch jedenfalls so viel fest, dass der große Sack mit den typischen acht Kernen in engster Beziehung zu der Eibildung steht und desshalb als eine Art Nahrungsmaterial aufzufassen ist. Ich bin 278 6. Tessin, darum auch nicht abgeneigt, die von PıarE vorgeschlagene Bezeich- nung als »Dottersack« gelten zu lassen. Wir können dieses Gebilde wohl vergleichen mit den Nährzellen der Insekten, wenn gleich zwi- schen beiden Bildungen der wesentliche Unterschied besteht, dass die Nährzellen mit wachsendem Ei verbraucht werden und verschwinden, während der Dottersack der Rotatorien, wenigstens so lange Eier er- zeugt werden, immer dasselbe Volumen behält. Zu einer Zeit aber, wann keine Eier producirt werden, also im Spätherbst, ist das Volu- men desselben außerordentlich redueirt, die acht Kerne sind alsdann nur von sehr wenig protoplasmatischer Grundsubstanz umgeben. Da Pıate die verschiedensten Formen in Bezug auf den weiblichen Geschlechtsapparat untersucht und überall dieselben Verhältnisse an- getroffen hat, so hält er sich zu der Annahme berechtigt, dass die Ei- bildung bei allen Rotatorien in der angegebenen Weise vor sich geht. Zweifelhaft erscheint ihm nur die Familie der Philodinaeen, bei wel- chen er stets vergebens nach einem besonderen Keimfach gesucht hat. Ich habe nun an Rotifer vulgaris in Betreff dieses Punktes eingehende Untersuchungen angestellt und gefunden, dass hier ebenfalls ein Keim- fach vorhanden ist, welches aber nur aus einer geringen Anzahl (etwa sechs bis acht) ziemlich gleich großer Kerne besteht, die dem Dotter- sack äußerlich anliegen. Wie bereits erwähnt, ist in dieser Familie der Geschlechtsapparat paarig vorhanden und zwar beides, sowohl Keim- fach als Dottersack. Letzterer enthält bei Rotifer je vier Kerne, so dass also für beide Dottersäcke zusammen auch wieder die typische Acht- zahl herauskommt (Fig. 5). Wir haben gesehen, wie eine Eianlage entsteht, und wie dieselbe, dem Dottersack eng angeschmiegt, allmählich an Größe zunimmt. Die Dottermasse des jungen Eies ist gleichmäßig feinkörnig (Fig. 6), wird aber, je mehr sich das Ei der Reife nähert, grobkörniger und ballt sich zu kleinen Klümpchen zusammen. Der Dotter des reifen Eies besitzt die eigenthümliche Beschaffenheit, wie es in Fig. 10 dargestellt ist. Eine mehr oder weniger feinkörnige Grundsubstanz enthält Ballen von Chromatinsubstanz und zahlreiche kleine Vacuolen. Besonders aber interessirt uns bei der Reifung des Eies das Ver- halten des Eikernes. Derselbe ist an jüngeren Eiern stets deutlich wahrnehmbar, je. dichter und grobkörniger aber der Dotter wird, desto schwerer ist er zu entdecken. Er erscheint hell, bläschenförmig, mit einigen dunklen Granulationen im Inneren. Am lebenden Ei erkennt man von dem Schicksal des Eikernes wohl nie mehr, als dass derselbe, wenn sich das Ei seinem Reifestadium nähert, an die Peripherie rückt, undeutlich wird und endlich sich der Wahrnehmung ganz entzieht. — en — I | | | Über Eibildung und Entwicklung der Rotatorien. 279 Wenn man aber Schnitte von Eiern, die sich auf dem Reifestadium be- finden oder demselben nahe sind, untersucht, so ist man im Stande, daran folgende Beobachtungen in Betreff des Eikernes zu machen. Die Fig. 6—10 stellen Schnitte dar von den Eiern von Eosphora digitata, die sich auf verschiedenen Stadien der Reife befinden, von denen aber noch keines abgelegt ist, alle sind im Mutterthier geschnitten. Die bei- den jüngeren Eier (Fig. 6 und 7) zeigen einen etwas länglichen scharf umegrenzten Eikern, der in seinem Inneren einige Kernkörperchen ent- hält. Entsprechend dem Wachsthum des ganzen Eies hat in Fig. 7 auch der Kern an Größe zugenommen. Fig. 8 zeigt uns ein Stadium, wo der Kern ganz an die Peripherie des Eies gerückt und die Membran des Kernes in Auflösung begriffen ist. Auf noch späterem Stadium (Fig. 9 und 10) hat sich der Eikern vollständig aufgelöst und stellt dann einen hellen, peripherisch gelegenen Fleck dar. Innerhalb desselben tritt, aus der Substanz des früheren Eikernes gebildet, eine Kernspindel auf, deren Strahlen immer mit der größten Deutlichkeit zu erkennen sind. Es ist wohl kaum ein Zweifel darüber möglich, dass wir es hier mit einer Bildung zu thun haben, wie sie ganz allgemein dem Austreten von Richtungs- oder Polbläschen vorangeht und für diesen Vorgang durchaus charakteristisch ist. Bisher hat man fast allgemein angenom- men, dass bei den Rotatorien wie bei den Arthropoden keine Rich- tungsbläschen vorkämen, da man nie mit Sicherheit das Austreten der- selben hat beobachten können. Indessen finden sich in der Litteratur doch vereinzelte Angaben, nach welchen auch in diesen beiden Thier- klassen Polbläschen beobachtet, oder doch wenigstens vermuthet wor- den sind. Frrmmine (3) z. B. sieht an den Eiern von Lacinularia socia- lis das Keimbläschen an die Peripherie rücken, undeutlich werden und verschwinden, worauf sich an dieser Stelle der Peripherie eine kleine Einbuchtung zeigt. In der Tiefe der Einsenkung glaubt er ein Rich- tungsbläschen annehmen zu dürfen, obgleich er ein solches nicht be- stimmt gesehen hat. Bürscauı (1) hingegen hat bei den Eiern von Rota- torien nie eine Spur von einem Richtungsbläschen entdecken können, obwohl er besonders danach gesucht hat. Auch ich habe am lebenden Ei keine Richtungsbläschen wahrgenommen, muss jedoch bemerken, dass sie meiner Beobachtung entgangen sein können, weil ich meine Aufmerk- samkeit nicht besonders darauf gerichtet habe. Als ich später, ange- regt durch meine Schnitte, mir gern über diesen Punkt Gewissheit verschafft hätte, stand mir kein lebendes Material zu Gebote. Indessen scheinen mir auch meine Schnitte allein klar genug zu beweisen, dass auch bei den Rotatorien Polbläschen gebildet werden. Wie sollten wir sonst die so deutliche Kernspindel uns erklären? Vielleicht verschwindet 280 6. Tessin, nach seinem Austreten das Polbläschen sehr schnell, so dass es aus diesem Grunde bisher nicht beobachtet wurde. Ob nun nur ein Theil der Kernspindel als Polbläschen austritt und der zurückbleibende Rest sich in den später auftretenden Embryonalkern verwandelt, oder ob in mehreren Richtungsbläschen nach und nach die gesammte Kernspindel austritt, wie solches durch BürscaLı von den Eiern verschiedener Wür- mer behauptet wird, muss ich unentschieden lassen. Thatsache ist, dass nach der Ablage des Eies von einem Kern in demselben nichts wahrzunehmen ist. Dessgleichen steht fest, dass der Embryonalkern sich an der Peripherie des Eies bildet, genau an der Stelle, wo der ursprüngliche Eikern sich unserer Beobachtung entzog. Es liegt also nahe, anzunehmen, dass der Embryonalkern sich aus der zurückge- bliebenen Substanz des Eikernes bildet. Er unterscheidet sich aber in seiner histiologischen Beschaffenheit durchaus von dem Eikern, namentlich dadurch, dass er sehr viel Chromatinsubstanz enthält, während der Eikern arm daran war. Die Theilung des Embryonal- kernes in die beiden ersten Blastomerenkerne, so wie die fortgesetzte Theilung der letzteren geht unter den gewöhnlichen Kerntheilungser- scheinungen vor sich, wie es auch bereits von BürscnLı beschrieben wurde. Ich selbst habe an einem Schnitt eines Eies von Rotifer sehr deutlich eine Kerntheilungsfigur, welche die Tönnchenform darstellt, beobachten können (Fig. 38). Von einer eigenthümlichen Knospung der Kerne, wie ZacHARrIAS sie gerade von Rotifer beschreibt, habe ich nir- gends etwas wahrnehmen können. 2. Die Eitheilung und die Gastrulation. In verschiedenen Arbeiten über Rotatorien, die sich meist vor- nehmlich nur mit der Anatomie und der Systematik derselben beschäf- tigen, wie die von Lrypıe (8 und 9), Eexsrein (2), Weisse (15) und ZacHARIAs (16), finden wir auch einige Angaben über die Entwicklung dieser Thiere, die sich jedoch immer nur auf die ersten Entwicklungs- erscheinungen, also insbesondere auf die Eitheilungen, beziehen. Ob- wohl dieser Vorgang unschwer zu beobachten ist, so hat man doch in keinem Falle das allein Richtige darüber mitgetheilt. Auch die Angaben Sırenskv's über die Eitheilung beruhen auf einem Irrthum. Es heißt ziemlich allgemein, dass das Ei sich theile in eine größere und eine kleinere Hälfte. Erstere verhalte sich längere Zeit passiv, während letztere in lebhafter Theilung begriffen sei und daher die größere, unge- theilte Hälfte allmählich zu umwachsen beginne. Nach vollendeter Umwachsung hätten wir zwei Keimschichten zu unterscheiden, ein aus kleineren, helleren Zellen bestehendes Ektoderm, das aus der forige- Über Eibildung und Entwicklung der Rotatorien. 381 setzten Theilung der kleineren Keimhälfte hervorgegangen sei, und ein aus einigen großen, dunklen Zellen bestehendes Entoderm, welches hervorgegangen sei aus dem größeren der beiden ersten Blastomeren. Wir werden jedoch alsbald sehen, dass es sich wesentlich anders verhält. Die erste Dottertheilung erfolgt in der That in der Art, dass eine größere und eine kleinere Hälfte gebildet werden. Sie ist als eine äquatoriale Theilung zu bezeichnen, wenn gleich sie nicht ganz senk- recht zu der Hauptachse des Eies steht, sondern eine etwas. schiefe Richtung gegen dieselbe besitzt (Fig. 11). Die nächste Theilung betrifft die größere Zelle a, und zwar wird an der Seite, wo sie gegen die - kleinere Zelle b vorragt, ein verhältnismäßig kleines Stück a’ abge- schnürt (Fig. 12). Gleich nach dieser Theilung tritt eine andere auf, welche die kleinere der beiden primären Zellen in zwei Hälften 5 und b’ zerlegt (Fig. 13). Nach ihrer Richtung, wie auch nach der geringen Zeit- diiferenz sind die beiden letzten Theilungen als zusammengehörig auf- zufassen und als meridionale Theilungen zu betrachten. Das so erhal- tene Stadium mit vier Blastomeren, drei kleineren und einem größeren, besteht verhältnismäßig lange und ist desshalb auch von keinem For- scher übersehen worden, nur dass die Entstehung desselben falsch dargestellt wurde. Nach Zacnarns sollen sich nämlich die beiden seit- lichen der drei kleineren Blastomeren a’ und b’ von dem größeren Blastomer a abgespaltet haben, während nach Eckstein alle drei klei- neren Blastomeren durch Theilung der ursprünglichen Keimhälfte 5b entstanden sein sollen. Sırrnsky endlich beschreibt vier kleinere Bla- stomeren, was also den Thatsachen am wenigsten entspricht. Bevor nun eine weitere Theilung erfolgt, treten an dem Keim wichtige Lageverschiebungen auf. Nachdem sich die einzelnen Zellen stark gegen einander abgerundet haben, drängt sich die größere Zelle «a mit einem Fortsatz an den drei kleineren Zellen hinauf und nimmt da- bei eine birnförmige Gestalt an (Fig. 15). Durch diese Verschiebung ist die Anlage der Bilateral-Symmetrie gegeben, die hier also sehr früh auftritt. Diejenige Ebene, welche die mittlere der drei kleineren Zellen der Länge nach halbirt und den längsten Durchmesser der großen Zelle enthält, ist die Medianebene. Diejenige Seite, auf welche die drei kleineren Zellen sich verschieben, wird zur späteren Rückenseite. Die große Zelle a bezeichnet das künftige Vorderende (Av). Auf diese Lagebeziehungen, welche es uns ermöglichen, den Keim sehr früh zu orientiren, hat man bis dahin durchaus keine Rücksicht genommen und daher auch ganz allgemein dasjenige Eiende, an welchem das Hinter- 282 G. Tessin, ende des späteren Thieres zu liegen kommt, fälschlich für das Kopfende gehalten. Wenn ich vorhin behauptet habe, dass durch die angegebene Ver- schiebung der Blastomeren eine bilateral-symmetrische Anordnung zu Stande komme, so verdient doch noch bemerkt zu werden, dass die Symmetrie keine vollkommene ist. Diejenige der drei kleineren Zellen, welche an der rechten Seite liegt, also von dem größeren der beiden ersten Blastomeren sich abgetheilt hat, reicht in Folge dieser Ent- stehungsweise weiter nach dem vorderen Pol als die linke Zelle. Diese Asymmetrie gleicht sich früher oder später aus, erhält sich jedoch bei einigen Formen, bis die Gastrulation vollendet ist. Sie tritt da am stärksten hervor, wo die Eier eine mehr längliche Gestalt besitzen, wie. bei Euchlanis, Brachionus, Salpina etc. Verhältnismäßig gering ist sie in der Gattung Eosphora, weil hier die Eier weniger in die Länge ge- streckt sind. In der Reihenfolge der nächsten Theilungen finden Schwankungen statt, indem entweder zunächst die Zelle a, oder die drei kleineren Zellen von dem Theilungsprocess betroffen werden können. Die Regel ist, dass sich zuerst von der Zelle « und zwar an dem hinteren, verjüngten Ende derselben eine neue Zelle a’’ abtheilt. Indessen habe ich es auch einige Male beobachtet, dass, bevor die letzterwähnte Zelle gebildet ist, die drei kleineren durch gleichzeitig erfolgende Quertheilungen in sechs Zellen zerlegt werden. Diese verschieben sich nun mehr und mehr auf die dorsale Seite, wie ihrerseits die beiden ventralen Zellen gegen den hinteren Eipol vorrücken. Die Fig. 16—18 beziehen sich auf dieses Stadium. Fig. 16 ist von der Rücken-, Fig. 18 von der Bauch- seite dargestellt, während Fig. 17 uns die linke Seitenansicht zeigt. An dem vorderen Rande der drei ersten dorsalen Zellen ist schon in diesem Stadium eine bedeutende Anhäufung von Dotterkörnern nicht zu ver- kennen, wodurch dieser Theil der betreffenden Zellen ein dunkles Aus- sehen erhält. Wir werden die Bedeutung dieser Erscheinung bald kennen lernen. Durch fortgesetzte Äquatorialtheilungen gehen aus den dorsalen Zellen allmählich drei Zellreihen hervor, deren einzelne Zellen sich aus- zeichnen durch ihre geringe Längenausdehnung im Verhältnis zu ihrer bedeutenden Breite (Fig. 23). Die drei vordersten Zellen ms unter- scheiden sich jetzt, wie oben bereits angedeutet wurde, durch ihren Reichthum an Dotterkörnern und in Folge dessen ihre dunkle Färbung sehr scharf von den übrigen. Dieser Umstand ermöglicht es uns, die betreffenden Zellen im Auge zu behalten und ihre weitere Umbildung ohne Schwierigkeit zu verfolgen. Während dieser Veränderungen in Über Eibildung und Entwicklung der Rotatorien. 383 den dorsalen Zellen haben sich auch die ventralen weiter entwickelt. Es sind hier zwei Theilungen vor sich gegangen, wodurch also aus den zwei bereits vorhandenen vier Zellen entstanden sind (Fig. 18—20). Die. erste Theilung betraf die hintere, kleinere Zelle a” (Fig. 19) und bald darauf theilte sich auch von der vorderen, größeren eine neue Zelle «!V ab (Fig. 20). Was alsdann noch zurückbleibt von dem größeren der beiden primären Blastomeren, also die Zelle en, das allein wird zum künftigen Entoderm, während die drei übrigen Zellen, die sich von ihm abgelöst haben, zur Bildung des Ektoderms beitragen. Das Ektoderm trennt sich also successive in zwei Partien vom Entoderm ab. Die Ento- dermzelle zeichnet sich vor den Ektodermzellen sehr bald durch ihren Körnerreichthum und ihre dunklere Färbung aus. Wenn die Dottertheilungen bis zu diesem Stadium fortgeschritten sind, können wir von einer Blastula sprechen, wenn wir darunter jede Embryonalform verstehen, deren Elemente um ein Centrum herum in einer Schicht radiär angeordnet sind, gleichgültig, ob ein innerer Hohl- raum, ein Blastocoeloma, besteht oder nicht. In unserem Falle ist in der That kein innerer Hohlraum vorhanden, wir haben es hier also mit einer -Sterroblastula zu thun (Fig. 20—23). Waren bisher alle Theilungen fast ausschließlich äquatoriale, so treten von jetzt ab auch Meridionaltheilungen auf. Dadurch werden die drei dorsalen Zellreihen in sechs zerlegt, so dass dann also auch sechs von den dunkel gefärbten Zellen ms vorhanden sind (Fig. 24). Auch die drei ventralen Ektodermzellen theilen sich jetzt durch meri- dionale Scheidewände, jedoch der Art, dass die mittleren Zellen bedeutend größer bleiben als die zu beiden Seiten davon abgetrennten (Fig. 25). Erst durch wiederholte Theilungen gleicht sich dieser Unter- schied allmählich vollständig aus. Jetzt beginnt die Gastrulation, indem die Ektodermzellen sich fort und fort theilen und dadurch die eine Entodermzelle zu umwachsen anfangen. Je mehr die dorsalen Zellen sich nach vorn ausbreiten, desto mehr rücken die ursprünglich ventralen Zellen des Ektoderms auf die dorsale Seite hinüber, unterscheiden sich von den ersteren aber immer noch sehr deutlich durch ihre Größe. Dadurch wird es uns ermöglicht, ihr Vorrücken auf die dorsale Seite zu beobachten und zu konstatiren, dass sie nach vollendeter Gastrulation bis etwa an die Mitte der dor- salen Seite des Keimes gelangt sind. Die Fig. 25 und 26 stellen den Embryo in der linken Seitenansicht dar. ‘Man sieht, wie das Ektoderm mit den dunklen Zellen ms an seinem vorderen Rande sich mehr und mehr dem Vorderende des Eies nähert (Fig. 25), allmählich ganz an demselben angelangt ist (Fig. 26) und schließlich noch auf die ventrale 284 G. Tessin, Seite hinüberrückt (Fig. 29). Jetzt ist das Entoderm vollständig in das Innere des Ektoderms eingeschlossen, so dass wir also die zweite Em- bryonalform, die Gastrula, vor uns haben. Sie ist als eine Sterroga- strula zu bezeichnen, da ein solides Entoderm vorhanden ist. Das Pro- stoma liegt am Vorderende ventral, genau an der Stelle, wo später der definitive Mund gebildet wird. In Fig. 28 sehen wir die vollendete Gastrula mit dem noch offenen Prostoma von der Bauchseite dargestellt. Bevor aber die Gastrulation vollendet ist, hat sich auch bereits die En- todermzelle getheilt. Obwohl sie schon zum größten Theil von dem Ektoderm eingeschlossen ist, so hält es doch nicht schwer, diesen Vor- gang zu beobachten, weil ihr Reichthum an Dotterkörnern und die da- durch bewirkte dunkle Färbung sie sehr scharf von dem umgebenden Ektoderm abhebt. In Folge der Art und Weise, wie sie ins Innere ge- drängt wird, hat sie eine birnförmige Gestalt angenommen, so dass ihr zugespitztes Ende nach hinten gerichtet ist, während sie mit dem stumpfen noch zum Theil frei hervorragt (Fig. 25). Ihre erste Theilung erfolgt nun in der Weise, dass an ihrem verjüngten Ende eine kleinere Zelle abgeschnürt wird. Sehr bald darauf theilt sich aber auch die größere Hälfte in der Richtung der Medianebene, so dass also jetzt drei Entodermzellen vorhanden sind (Fig. 27, 39 und 40). Wenn ZacHArIAs eine einzige runde, vom Ektoderm eingeschlossene Entodermzelle zeichnet (16, Fig. 5 g und h), so beruht das auf einer Täuschung, der auch ich zuerst nicht entgangen bin. Besonders dann, wenn man das Ei in seitlicher Lage erblickt, ist es schwer, die hintere, kleinere Ento- dermzelle zu erkennen, weil sie in ihrer Färbung ziemlich die Mitte hält zwischen der dunkleren des übrigen Entoderms und der helleren des Ektoderms. Ich wurde zuerst durch meine schon erwähnten Schnitte auf ihr Vorhandensein aufmerksam gemacht, konnte dann aber immer ihre Anwesenheit nicht nur, sondern auch ihre Abtrennung von der Entodermzelle mit der größten Deutlichkeit wahrnehmen. Nach den beiden angeführten Zeichnungen von ZachHarns reicht die Ento- dermzelle nur bis etwa zur Mitte des Eies. Es müssten danach ent- weder die betreffenden Ektodermzellen eine außerordentliche Länge besitzen oder aber zwischen Ektoderm und Entoderm ein Hohlraum vorhanden sein. Beides lässt sich jedoch schon a priori als sehr un- wahrscheinlich bezeichnen. Angaben darüber, wie ZıcHarras sich diese Verhältnisse vorstellt, und eine Erklärung der erwähnten Figuren finden wir in seiner Arbeit nicht. Über Eibildung und Entwicklung der Rotatorien. 285 3. Das Mesoderm. Der vordere Rand des Prostoma wird, wie oben erwähnt, von sechs. Zellen gebildet, die sich vor den Ektodermzellen durch ihren großen Reichthum an Dotterpartikelchen auszeichnen. Diese Zellen ms bilden auf dem Stadium, welches in Fig. 28 von der Bauchseite dargestellt ist, nahezu einen Halbkreis, dessen Öffnung aber bei weiterer Ausbreitung der umgebenden Zellen immer enger wird. Gleichzeitig werden die dunklen Zellen immer mehr auf die Bauchseite verschoben (Fig. 29) und allmählich beginnt das über ihnen liegende Ektoderm, sie in das. Innere des Keimes hineinzudrängen (Fig. 30). Alsdann liegen also die fraglichen Zellen, von denen sich unterdess jede quer getheilt hat, ‘zwischen dem äußeren und dem inneren Keimblatt. Es hat mir viele Schwierigkeiten gemacht, diese Zellen zu deuten, und lange habe ich mich dagegen gesträubt, sie als das anzuerkennen, wofür ich sie nach ihrer Lage und weiteren Umbildung doch schließlich halten muss, näm- lich für Mesodermzellen. Es ist jetzt wohl eine allgemein anerkannte Thatsache, dass bei allen Bilateralien das Mesoderm vom Entoderm seinen Ursprung nimmt. Die Rotatorien scheinen von dieser Regel eine Ausnahme zu bilden, indem bei ihnen das Mesoderm am längsten mit dem Ektoderm in Zusammenhang steht, also ektodermalen Ursprungs zu sein scheint. Es lässt sich dieses aber als eine sekundäre Abände- rung erklären. Durch zeitliche Verschiebungen in den ersten Thei- lungen ist es gekommen, dass das Mesoderm sich sehr früh von der Entodermmasse sonderte und noch längere Zeit mit dem dorsalen Ek- toderm in Zusammenhang blieb. Dass wir ein Recht haben, solche temporäre Verschiebungen bei den Eitheilungen der Rotatorien anzu- nehmen, geht besonders daraus hervor, dass auch das Ektoderm selbst nicht einheitlich, sondern in zwei Partien angelegt ist. Die ventrale Partie desselben ist an ihrem Vorderende noch lange mit dem Entoderm ungesondert verbunden, und doch sagen wir nicht, dass das Entoderm das Ektoderm bildet, sondern betrachten die Fortdauer dieses Zusam- menhanges als eine sekundäre Abänderung. Genau dasselbe gilt für die dorsale Partie und den damit verbundenen Mesodermtheil des En- toderms. Für eine Zusammengehörigkeit des Mesoderms und des Ento- derms bei den Rotatorien scheint mir auch die sehr auffallende Über- einstimmung in der Beschaffenheit ihres Zellinhalts zu sprechen, der ‚sich dem der Ektodermzellen gegenüber sehr deutlich durch seinen großen Körnerreichthum und die dadurch hervorgerufene dunkle Fär- bung auszeichnet. Wenn nun auch nach den obigen Auseinandersetzungen das Meso- 286 G. Tessin, derm der Rotatorien auf das Entoderm zurückgeführt werden kann, so ist mit dieser Schwierigkeit doch noch nicht Alles abgethan, denn die Mesodermbildung bei unseren Thieren stellt sich auch in so fern als eine eigenthümliche und von der Regel abweichende dar, als das Mesoderm am vorderen Rande des Prostoma gelegen ist, während es doch bei allen hypogastrischen Bilateralien, wo seine Entstehung überhaupt ge- nauer bekannt und es sich nicht ganz allseitig vom Entoderm ablöst, wie bei den Turbellarien, fast ohne Ausnahme am Hinterende des Keimes angelegt wird. Ich kann nicht sagen »ausnahmslos«, denn es finden sich in der Litteratur in diesem Punkte anders lautende Angaben von einigen Crustaceen. Theilweise sind hier die Lagebeziehungen des Mesoderms noch nicht genügend aufgeklärt, wie bei Moina (cf. GROBBEN 5). Nach Reıcnengach (12) entsteht aber bei dem Flusskrebs das Mesoderm ganz sicher in der Umgebung des vorderen Prostomarandes. Wir finden also bei den Krebsen ein Homologon der Mesodermbildung der Ro- tatorien. Um nun die Annahme, dass die in Frage stehende Bildung wirklich als einemesodermale anzusehen ist, einigermaßen zu begründen, müssen wir jetzt ihre weitere Entwicklung etwas genauer ins Auge fassen. Wir haben bereits gesehen, wie die sechs dunklen Zellen von dem noch wachsenden Ektoderm in das Innere des Keimes gedrängt wurden, und wie durch eine quere Theilung jeder Zelle sich ihre Zahl auf zwölf ge- steigert hat (Fig. 30). Durch fortgesetzte Theilungen breiten sie sich zu einer Zellenschicht aus, welche kappenförmig das vordere Ende des Entoderms bedeckt (Fig. 32 und 33). Gleichzeitig rücken die Zellen mehr und mehr zwischen Entoderm und Ektoderm hinauf und kommen schließlich auf die dorsale Seite des Embryo zu liegen. Immer noch können wir die Mesodermzellen durch ihre tiefdunkle Färbung sehr deutlich von den übrigen Elementen des Keimes unterscheiden. In den beiden Schnitten von Brachionus (Fig. 44 und 42), welche beide nicht ganz genau mediane Längsschnitte darstellen, können wir mit großer Wahrscheinlichkeit die dunklen Zellen ms, welche sich unterhalb des Ektoderms an der Rückenseite hinziehen, als die Mesodermzellen an- sprechen. Wir sehen daraus, dass sich die Mesodermschicht schon sehr weit nach hinten ausgebreitet hat. Auch am lebenden Objekt können wir diese allmähliche Ausdehnung des Mesoderms nach dem hinteren Körperende zu sehr deutlich wahrnehmen. Ich hatte oft Gelegenheit, die Entwicklung des Mesoderms bis zu dem in Fig. 37 abgebildeten Stadium zu verfolgen, von da ab aber wird die Unterscheidung des- selben von dem Entoderm unmöglich, weil auch in letzterem den Me- sodermzellen ähnliche Elemente hervortreten. Über Eibildung und Entwicklung der Rotatorien. 287 Leider war es mir nicht möglich, festzustellen, welche Organe oder Organsysteme aus der besprochenen Zellschicht ihren Ursprung neh- men. Ich kann es nur als wahrscheinlich hinstellen, dass die Musku- latur, das Exkretionssystem und vielleicht auch die Geschlechtsorgane sich aus derselben entwickeln. Dass irgend welche andere Organe, wie z. B. das Centralnervensystem oder ein Theil des Verdauungs- apparates aus ihr hervorgehen könnten, ist unmöglich, weil ersteres in der Kopfregion, also viel weiter nach vorn, angelegt wird, und weil ich über die anderweitige Entstehung der einzelnen Abschnitte des Ver- dauungstractus durchaus nicht im Zweifel geblieben bin. Es bleibt also weiter nichts übrig, als dass solche Organe aus unserer Zellschicht entstehen, die normalerweise aus dem mittleren Keimblatt gebildet werden; dieses spricht aber dafür, dass wir die betreffende Schicht wirklich als Mesoderm zu betrachten haben. Besonders werde ich noch in dieser Ansicht dadurch bestärkt, dass ich weder bei meinen Unter- suchungen am lebenden Objekt, noch an meinen Schnitten irgend eine Bildung angetroffen habe, welche der normalen Mesodermbildung der Würmer und anderer Bilateralien entspreche. Ich konnte die Thei- lungen der Entodermzelle ziemlich weit verfolgen und habe dabei nie wahrgenommen, dass irgend eine Zelle sich in einer besonderen Weise umbildete. Ich glaubte Anfangs, in derjenigen Zelle des Entoderms, die sich von dem hinteren Ende der ersten großen Entodermzelle abtheilt (Fig. 26), die Muiterzelle des Mesoderms gefunden zu haben. Als ich sie jedoch daraufhin während der folgenden Umbildungen genauer ins Auge fasste, konnte ich durchaus nicht bemerken, dass sie sich in irgend einer Weise — etwa durch schnellere Theilung — von den übrigen Entodermzellen unterschied. Als etwas ganz Unmögliches will ich es aber nicht bezeichnen, dass auf späteren Entwicklungsstufen sich von dem Entoderm noch mesodermale Elemente absondern können, wie solches bei den niedersten Würmern, den Turbellarien, stattfindet. Nur habe ich keine bestimmte Veranlassung, eine solche Mesodermbildung bei den Rota- torien anzunehmen. | Es sei nun noch erwähnt, was frühere Autoren über die Meso- dermfrage bei unseren Thieren berichten. Sırensky spricht von einer Schicht, die zwischen dem oberen und unteren Keimblatte und zwar in der Kopfregion auftrete und sich durch ihren Reichthum an Dotter- körnchen auszeichne. Er beanstandet nicht, diese Schicht als mittleres Keimblatt anzusehen und ist zu der Annahme geneigt, dass dieselbe aus dem oberen Blatte sich bilde, weil sie an Stellen vorkomme, die nur aus dem oberen Blatt bestanden. Ich würde keinen Zweifel hegen, 288 6. Tessin, dass er dieselbe Zellschicht meint, welche ich als Mesoderm ange- sprochen habe, wenn er nicht weiter angäbe, dass die Dicke der Schicht außerordentlich gering sei, was ich nach meinen Beobachtungen über das Mesoderm durchaus nicht behaupten kann. Mit der größten Sicher- heit vermag ich aber die Zellen zu deuten, welche von Zacnarıas (16) in der Entwicklungsgeschichte von Philodina roseola als Mesoderman- lage beschrieben werden. Nicht sowohl nach der Beschreibung, als vielmehr nach den betreffenden Zeichnungen (Fig. 5, g und /h) bin ich vollkommen davon überzeugt, dass diese Zellen durchaus identisch sind mit denjenigen, die ich auch als Mesodermzellen angesprochen habe. Zacharıs giebt an, dass vom Hypoblast sich zwei kleinere Theilstücke abtrennten, die sich durch ihren großen Körnchenreich- thum deutlich markirten. Diese zwei Zellen, die bald einen Zellen- strang herstellen sollen, hält er für die Anlage des mittleren Keim- blattes. In Betreff der Entstehungsweise dieser Zellen beruht die Angabe ZacnaArsas’ aber auf einem großen Irrthum. Wenn es auch — durch gesperrten Druck noch besonders hervorgehoben — in seiner Arbeit heißt: »Ich konnte an den Eiern von Philodina roseola zweifel- los konstatiren, dass die Mesodermanlage in Form einer Abspaltung vom Hypoblast ihren Ursprung nimmt«, so glaube ich doch, auf Grund meiner ununterbrochenen Entwicklungsreihe behaupten zu dürfen, dass es sich mit der Entstehung des Mesoderms wesentlich anders verhält und zwar so, wie ich es geschildert habe. Nach ZacHarıas’ irrthüm- lichen Beobachtungen fallen alle jene Schwierigkeiten hinweg, die es mir unmöglich machten, die Mesodermbildung der Rotatorien in irgend eine Beziehung zu derjenigen der Würmer zu bringen. In der That sieht genannter Forscher in der Anlage des Mesoderms eine verwandt- schaftliche Beziehung der Rotatorien zu den Anneliden, indem er bei diesem Vergleich den zweiten Fehler begeht, das vordere Körperende mit dem hinteren zu verwechseln. 4. Das Ektoderm. Ich habe die zweifache Entstehungsweise des Ektoderms bereits geschildert und erwähnt, dass zwischen den dorsalen und den ursprüng- lich ventralen Zellen sich lange Zeit ein Unterschied erhalte, der nament- lich in der bedeutenderen Größe der ventralen Zellen bestehe, und der es uns ermögliche, das Vorrücken der letzteren auf die dorsale Seite zu beobachten. Der Kopftheil wird schließlich allein von den kleinen, ursprünglich dorsalen Zellen gebildet, während das Ektoderm des "ganzen Rumpfes und des Schwanzes von den drei ventralen Ektoderm- zellen geliefert wird. Genau an der Stelle des Prostoma, über dessen Nm nn en en . a Über Eibildung und Entwicklung der Rotatorien. 2389 Schluss ich nichts Näheres anzugeben vermag, stülpt sich das Ektoderm ein, so dass das Prostoma nicht direkt in den definitiven Mund über- geht, sondern am Grunde der Einstülpung zu suchen ist. Ich konnte diese Einstülpung ves immer mit aller nur wünschenswerthen Deutlich- keit wahrnehmen und konstatiren, dass sie dem vorangegangenen Me- soderm nachwächst, also zunächst eine schräge Richtung nach vorn besitzt (Fig. 32). Ein späteres Stadium stellt der Schnitt Fig. 44 dar. Leider ist derselbe etwas zerrissen und auch nicht genau der Median- ebene entsprechend, jedoch wird er zur Illustration und zur Bestäti- gung des Gesagten dienen können. Die ektodermale Einstülpung (ves) ist deutlich zu erkennen. Auf noch späterem Stadium, wie ein solches durch den Schnitt Fig. #2 repräsentirt wird, hat die Masse der einge- stülpten Ektodermzellen noch bedeutend zugenommen, so dass schließ- lich der ganze vordere Körperabschnitt nur von Ektoderm gebildet wird. Nach Sırexsky’s Angaben soll der sogenannte Schlundkopf der Rotatorien aus diesen eingestülpten Ektodermzellen seinen Ursprung nehmen, was jedoch nach meinen Beobachtungen nicht der Fall ist. Ich halte nämlich dafür, dass der sogenannte Schlundkopf entodermalen Ursprungs ist, welche Ansicht ich im folgenden Kapitel näher begrün- den werde. Aus der Ektodermeinstülpung geht aber der wirkliche, vor dem Kauapparat gelegene Schlund und das meist sehr umfang- reiche Räderorgan hervor, welches letztere am Embryo stets eingestülpt ist und die ganze vordere Körperhälfte einnimmt. Wir können daher diese Einstülpung des Ektoderms nicht einfach als Schlundeinstülpung bezeichnen. Fig. 44, welche einen Medianschnitt von einem fast reifen Embryo darstellt, wird das Gesagte bestätigen. Räderorgan und Schlund sind kenntlich an der starken Bewimperung, die bis zur Mitte des Kör- pers hinabreicht. In vielen Gattungen erscheint am fertigen Thier der vor dem Kauapparat gelegene Schlund sehr kurz, namentlich bei ent- faltetem Räderorgan, man bezeichnet ihn dann besser als Mundtrichter. Andere Gattungen haben einen sehr großen und weiten Schlund, der sich z. B. bei Stephanoceros und ähnlichen Formen als eine Art Vorhof darstellt. Bald nachdem die eben beschriebene Ektodermeinstülpung be- - gonnen hat, treten an der Bauchseite des Embryo noch andere sehr Wiehtige Veränderungen auf, die zum Theil von Sırensky ganz richtig ‚ beobachtet und beschrieben wurden. Hinter der mehrfach genannten Einstülpung, die sich in der Seitenansicht als eine Einkerbung im Ek- toderm zeigt, beginnt das Ektoderm an der ganzen Bauchseite einzu- sinken und dadurch eine längliche, ovale Vertiefung zu bilden. Sı- LENsky beschreibt diesen Vorgang so, dass zuerst zwei benachbarte Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLIV. Bd. 49 290 G. Tessin, Ektodermzellen in der Mitte der Bauchseite in das Innere des Keimes hinabsinken, worauf ihnen die Nachbarzellen folgen. Ich will es nicht durchaus in Abrede nehmen, dass es auf diese Weise vor sich geht, es scheint mir jedoch wahrscheinlicher zu sein, dass diese Einsenkung nicht ganz selbständig, für sich allein entsteht, sondern von der be- sprochenen vorderen Ektodermeinstülpung ausgeht. Thatsache ist, dass nach erfolgter Einstülpung der Rand derselben nicht eine gleichmäßige Form hat, wie es von Sırensky gezeichnet wird (13, Fig. 6), sondern gleich von Anfang an jederseits in der Mitte eine Ausbuchtung auf- weist, die allmählich immer mehr hervoriritt. Unterdessen wölbt sich der hintere Rand der Einstülpung in Form eines konischen Fortsatzes gegen die Bauchseite vor und bildet auf diese Weise die Anlage des sogenannten Schwanzes (Fig. 35). Für die Deutung dieses als Fuß oder Schwanz bezeichneten, den Rotatorien eigenthümlichen Gebildes ist es von großer Wichtigkeit, zu bemerken, dass in die embryonale Anlage desselben das Entoderm hineinragt, ja sogar zum größten Theil ent- halten ist. Es geht daraus hervor, dass der sogenannte Fuß nicht als ein äußerlicher Körperanhang zu betrachten ist, sondern als eine Fort- setzung des Gesammtkörpers, ein wirkliches Postabdomen, aus dem sich erst sekundär der Darmkanal zurückgezogen hat, um vor demselben durch den dorsalen After auszumünden. Während die Anlage des Postabdomens oder des Schwanzes weiter nach vorn auswächst, treten an diesem Theile der Einstülpung die Um- risse immer deutlicher hervor (Fig. 35 und 36). Wir können einen vorderen Kopflappen kl von zwei Seitenlappen s/ unterscheiden. S4- LENSKY hat auch etwas Ähnliches beschrieben und gezeichnet, wenn gleich ich in einigen wesentlichen Punkten ihm nicht beistimmen kann. So giebt er z. B. an, dass die Anlage des sogenannten Fußes und der Seitenlappen am Grunde der länglichen Einsenkung des Ektoderms entständen, während nach meiner Beobachtung die Ränder der Vertie- | fung selbst es sind, die sich auf die angegebene Weise umbilden. | Die Bildungen des Kopfschirms und der Seitenlappen scheinen mir in phylogenetischer Hinsicht von großer Bedeutung zu sein. Sie er- | innern durchaus an ähnliche lappige Anhänge in der Umgebung des | Mundes, die wir bei den Larvenformen niederer Würmer, insbesondere | der Turbellarien, antreffen. Der Unterschied besteht nur in der Größen- 1m entwicklung der betreffenden Bildungen, die sich daraus erklärt, dass | bei der frei schwimmenden Stylochopsislarve die bewimperten Lappen | als Bewegungsorgane dienen, während die entsprechenden Theile bei den Rotatorien, die kein freies Larvenleben haben, nicht den Grad der | Ausbildung erreichen, sondern rudimentär geworden sind, weil sie 14 In ne ne ee — Über Eibildung und Entwicklung der Rotatorien. 391 keine physiologische Bedeutung mehr besitzen. Danach wären die Lappen metaphorisch, d. h. von den Vorfahren ererbt. Die weitere Entwicklung des Embryo, insbesondere seine äußeren Formveränderungen, beruhen namentlich darauf, dass das Postabdomen anfängt, sich mehr und mehr vom Rumpf zu sondern und seine defini- tive Gestalt anzunehmen. In Folge eines starken Auswachsens des Embryo an der Bauchseite beginnt jetzt eine Streckung desselben, so dass das Kopfende sich mehr und mehr gegen das Vorderende des Eies emporschiebt. Der Kopfschirm und die Seitenlappen verfließen mit einander und sind fernerhin nicht als besondere Bildungen zu erkennen. Sehr bald ist jetzt auch ein Kopftheil von einem Rumpfe zu unterschei- den, indem durch eine Einschnürung die Grenze beider Körperregionen bezeichnet wird. Von einem Organsystem, welches allgemein dem Ektoderm seinen Ursprung verdankt und für den Vergleich mit anderen Thierformen von großer Wichtigkeit ist, habe ich bisher noch nicht gesprochen, ich meine das Nervensystem, über dessen Entstehung und Entwicklung ich leider zu keiner bestimmten, wohl begründeten Ansicht gekommen bin. So viel aber steht fest, dass die große Zellenmasse, welche den ganzen Kopftheil ausfüllt und von Sırensky als das Centralorgan des Nerven- systems angesehen wird, in der That als ein solches nicht aufzufassen ist. Es ist dieses nämlich das eingestülpte Ektoderm, aus dem der Schlund und das Räderorgan hervorgehen. Ich glaube überhaupt nicht, dass das Hirn sehr massig angelegt wird. Zuerst tritt, als zum Nerven- system gehörig, eine Pigmentanhäufung, der Augenfleck hervor. Die- selbe liegt nahe dem vorderen Körperende und bezeichnet somit auch die Lage des Hirns. Wenn mir auch direkte Beobachtungen darüber fehlen, so glaube ich doch annehmen zu dürfen, dass, wie überall, so auch bei den Rotatorien, das Hirn sich durch Abspaltung vom Ekto- derm bildet. 5, Das Entoderm. Wir haben die Umbildungen des Entoderms in dem zweiten Ka- pitel dieser Abhandlung so weit verfolgt, bis es von dem Ektoderm vollständig umwachsen war und sich in drei Zellen, eine kleinere hin- tere und zwei größere vordere, getheilt hatte. Die nächsten Theilungen betreffen die beiden größeren Zellen, die allmählich eine längliche Form angenommen haben (Fig. 27). Sie werden durch quere Thei- lungen in vier Zellen zerlegt, die nun mit der hinteren Zelle von der- selben Größe sind (Fig. 29—31). Den Rhythmus der folgenden Thei- Jungen konnte ich nicht genau feststellen. So viel aber ist sicher, dass 19* 292 G. Tessin, sich keine der Entodermzellen irgend wie vor den übrigen auszeichnet, weder durch Größe noch lebhaftere Theilung. Wir können daher in keiner von ihnen Merkmale einer Mesodermbildung erkennen. Bei fortdauernder Verkleinerung der Entodermzellen kommt allmählich eine radiäre Anordnung derselben zu Stande, ohne dass aber zugleich eine innere Darmhöhle gebildet wird. Es bleibt vielmehr eine kom- pakte Zellenmasse bestehen, deren einzelne Elemente eine keilförmige Gestalt annehmen. Fig. 40 veranschaulicht uns im medianen Längs- schnitt die Anordnung der Entodermzellen, die sich am lebenden Ob- _ jekt selbstverständlich nicht erkennen lässt. Kommen wir nun zu der weiteren Differenzirung des Entoderms in einzelne Organanlagen, so muss es wohl ein wenig überraschen, aus demselben ein Organ hervorgehen zu sehen, welches fast allgemein als »Schlundkopf« hezeichnet, und dessen ektodermale Entstehung, die schon in dem Namen angedeutet ist, bisher von keiner Seite angezwei- felt wurde. Von Sırensky wird dieser Abschnitt des Verdauungstractus allerdings ganz willkürlich bald »Schlundkopf«, bald »Vorderdarm«, bald »Magen« genannt, seine Entstehung aus der ektodermalen Schlundein- stülpung aber als ganz unzweifelhaft hingestellt. Nach ihm soll die »Mundeinstülpung« sich an ihrem hinteren Ende trichterförmig er- weitern zur Bildung des »Schlundkopfes« und schließlich bei immer weiterer Ausdehnung nach dem »Mitteldarme« hin mit diesem in Ver- bindung treten. Ich wage es jedoch zu bezweifeln, dass SıLEnsky überhaupt solche Vorgänge mit der Genauigkeit wie er sie beschreibt, am lebenden Objekt hat beobachten können. Mir war es bei größter Aufmerksamkeit immer nur möglich, die Ektodermeinstülpung in ihrem vordersten Abschnitt zu erkennen, und zwar besaß derselbe stets eine schräge Richtung nach vorn und aufwärts (Fig. 32). SıLensky aber giebt dieser Einstülpung von vorn herein eine schräge Richtung nach hinten (13, Taf XXX VII, Fig. 9). Wie genannter Forscher sich in diesem Punkte schon getäuscht hat, so glaube ich auch, dass seine Schilderung von der weiteren Umbildung der »Schlundeinstülpung«, wie von der Entstehung des »Schlundkopfes« auf einem Irrthum beruhen. Auch ich war lange der Meinung, dass aus der vorderen Ektodermeinstülpung der »Schlund- kopf« hervorgehe, wenn gleich es mir immer sehr auffallend war, dieses Gebilde im Embryo eine so weit nach hinten befindliche Lage ein- nehmen zu sehen. Durch meine Schnitte wurde ich aber schließlich zu einer anderen Auffassung dieser Dinge veranlasst. In Fig. 41 sehen wir das Entoderm noch eine einheitliche kompakte Zellenmasse dar- stellen (der Spalt in derselben ist durch eine Zerreißung des Schnittes entstanden). In Fig. 42 erkennen wir noch sehr deutlich die Umgren- Über Eibildung und Entwicklung der Rotatorien. 393 zung der kugeligen Entodermmasse, es ist aber in derselben eine Tren- nung aufgetreten in eine vordere und eine hintere Hälfte. Die Um- grenzungskontouren beider Hälften sind sehr scharf und deutlich. Nach den Lagebeziehungen sowohl, wie auch nach der Beschaffenheit der Zellen erkennen wir in Fig. 43 die vordere Hälfte des Entoderms wie- der in der Zellenmasse km. In dieser sehen wir einen Spalt auf- treten, und in zwei stark lichtbrechenden Chitinstäben ch erkennen wir die Anlage des Kiefergerüstes. Es steht danach also fest, dass die betreffende Zellenmasse zur Bildung des »Schlundkopfes« verwendet wird. Wenn nun der entodermale Ursprung dieser Zellenmasse, d.h. seine Identität mit dem Zellenkomplex km in Fig. 42 nicht zu leugnen ist und andererseits feststeht, dass aus ihm sich der Kauapparat ent- wickelt, so können wir dieses Gebilde nicht als »Schlundkopf« bezeich- nen, weil man den Ausdruck »Schlund« nur für den Abschnitt des Ver- dauungstractus anwendet, der durch die vordere Ektodermeinstülpung entstanden ist. Ich halte aber die Bezeichnungen »Vor-« oder »Kau- magen« für den in Rede stehenden Darmabschnit für gleich berechtigt. Als den eigentlichen Magen haben wir denjenigen Theil des Darmkanals zu bezeichnen, in dem die Verdauung geschieht. Dieses ist aber bei den Rotatorien unzweifelhaft derjenige Abschnitt, der in seiner Wan- dung die großen Drüsenzellen enthält, und in den die meist umfang- reichen Magendrüsen münden. Er steht mit dem Kaumagen durch einen mehr oder weniger langen, meist engen Abschnitt in Ver- bindung, nämlich die Speiseröhre, die man mit Unrecht bisher als »Schlund« bezeichnet hat. Wenn nun die entodermale Entstehung des Kaumagens der Rotatorien, wie ich sie nach meinen Beobachtungen als durchaus sicher glaube annehmen zu müssen, auch etwas ungewöhnlich erscheinen mag, weil ganz ähnliche Bildungen, z. B. bei den Anneliden und Crustaceen aus der ektodermalen Schlundeinstülpung ihren Ur- sprüng nehmen, so ist diese Entstehungsweise doch keineswegs ganz ohne Analogie. Bei den Nematoden nämlich sondert sich ebenfalls ein Theil der Entodermzellen zur Bildung des Vorderdarms ab, der sich durch eine ringförmige Einschnürung hinter dem sogenannten Pharyn- gealbulbus sehr scharf von dem Mitteldarme trennt und mit dem Kau- magen der Rotatorien verglichen werden kann (Gorrrr, Entwicklungs- geschichte der Rhabditis nigrovenosa. 4). Was nun die weitere Ent- wicklung des Kaumagens anbetrifft, so kann ich darüber nur so viel Sagen, dass in der Zellenmasse, die zu seiner Bildung bestimmt ist, ziemlich früh einzelne Chitinstäbe auftreten, die sich nach und nach zu dem vollständigen Kiefergerüst zusammenfügen (Fig. 44). Lange bevor 294 6. Tessin, der Embryo zum Ausschlüpfen aus der Eihaut reif ist, sieht man den Kauapparat schon Kaubewegungen ausführen. Von der hinteren Hälfte des Entoderms und den aus ihr hervor- gehenden Bildungen habe ich eigentlich nichts zu berichten.. Wie auch schon von SıLensky angegeben wurde, gehen die Differenzirungen in dieser Entodermhälfte sehr spät vor sich. Da mir geeignete Schnitte fehlen, so war es mir nicht möglich, festzustellen, ob der Magen mit seinen Drüsen und der Enddarm allein oder auch die Klebdrüsen des Postabdomens und der Geschlechtsapparat aus der hinteren Entoderm- masse hervorgehen. Sehr gern hätte ich namentlich die Entwicklung des letztgenannten Organs genauer verfolgt und mir über die gegen- seitigen Beziehungen des Keimfaches und des Dottersackes in der Anlage Gewissheit verschafft, es war aber am lebenden Objekt darüber nichts festzustellen und geeignete Schnitte habe ich nicht bekommen. 6. Die Verwandtschaftsbeziehungen der Rotatorien und ihre Stellung im System. Es giebt wenige Thierformen, deren Einreihung in das System so große Schwierigkeiten gemacht hat, wie gerade die Rotatorien. Je nach- dem die eine oder die andere Bildung diesem oder jenem Autor be- sonders charakteristisch und für den Vergleich von Wichtigkeit zu sein schien, hat man unseren Thieren eine dem entsprechende Stellung im System angewiesen. Die ältesten Forscher, EHRENBERG und DuJardın, reihten sie den Infusorien an. Barroıs stellte sämmtliche Rotatorien, SCHMARDA nur die festsitzenden Formen zu den Bryozoen, während er die übrigen als eine besondere Wurmklasse anführte. SıLenskv glaubte Verwandtschaftsbeziehungen zu den Mollusken, insbesondere der Larve von CGalyptraea erkennen zu können. Hauptsächlich hat es sich aber in dieser Streitfrage bei den meisten Forschern von je her weniger um die bereits erwähnten Abtheilungen des Thierreichs gehandelt, als viel- mehr darum, zu welcher von zwei anderen Thierklassen die Rotatorien nähere Verwandtschaftsbeziehungen besitzen, ob zu den Crustaceen oder zu den Würmern. Die erstere Ansicht ist besonders vertreten durch Lryvıg, Burmeister und Dana, während sich die bei Weitem größte Zahl der Autoren für die Zugehörigkeit der Rotatorien zu den Würmern entschieden hat. Besonders hat Harscuek diese Frage ausführlicher erörtert und ist dabei zu dem Schluss gekommen, dass eine nahe phy- logenetische Beziehung zwischen den Rotatorien und Anneliden be- stehe und zwar derart, dass die Rotatorien auf einem Larvenstadium der Anneliden, das er als die Trochophora bezeichnet, stehen geblieben seien oder doch wenigstens in ihrer ganzen Organisation noch sehr Über Eibildung und Entwicklung der Rotatorien. 395 nahe ständen. Ich werde auf diese Ansicht Harscher’s noch genauer zu sprechen kommen. Alle die bisher angestellten Spekulationen über die Verwandt- schaftsbeziehungen und die systematische Stellungder Rotatorien besitzen aber. nur einen bedingten Werth und können keinen definitiven Aus- schlag geben, weil sie meist nur auf den ausgebildeten Organismus, auf dieses oder jenes Organ am fertigen Thier sich beziehen, die Ent- wicklungsgeschichte aber, von der ja bisher äußerst wenig bekannt war, ganz außer Acht lassen. Dass aber bei allen phylogenetischen Schlüssen in erster Linie die Entwicklungsgeschichte befragt werden muss, dass sie den wichtigsten Prüfstein für die Verwandtschaften der verschiedenen Thierformen abgiebt, das bedarf wohl keiner näheren Begründung. Ich will es daher versuchen, die Beobachtungen, welche ich über die Entwicklung der Rotatorien gemacht und in den vorher- gehenden Kapiteln mitgetheilt habe, für den Nachweis der verwandt- schaftlichen Beziehungen dieser Thiere zu verwerthen. Die Eitheilungen erfolgen bei den Rotatorien, wie oben genauer aus einander gesetzt, in etwas eigenthümlicher Weise, so dass ein Theil des Ektoderms noch lange Zeit mit dem Entoderm in Zusammenhang bleibt, während andererseits das Mesoderm sich früh von dem Ento- derm absondert und mit der dorsalen Partie des Ektoderms verbunden bleibt. Wir haben diese Eigenthümlichkeit als eine sekundäre Abän- derung bezeichnet, die durch zeitliche Verschiebungen in den einzelnen Theilungsakten hervorgerufen ist. Es ist also nur scheinbar, dass das Ektoderm das Mesoderm liefert, und es besteht in Folge dessen in die- sem Punkte kein Widerspruch zu den übrigen Bilateralien. Die Gastrulation erfolgt durch Umwachsung des soliden Entoderms durch das Ektoderm und zwar so, dass eine hypogastrische Bilateral- form zu Stande kommt. Vollzöge sich die Gastrulation und der Schluss des Prostoma in der Weise, wie es nach den Abbildungen von SaLensky, Eckstein und ZacHartas angenommen werden muss, dass nämlich die Längsachse des Eies die Scheitelachse der Gastrula bezeichne, das Pro- stoma sich gerade an dem unteren oder hinteren Eipol schließe, der Mund aber sekundär am entgegengesetzten Ende zur Entwicklung komme, dann hätten wir den echten pleurogastrischen Bilateraltypus vor uns. Es verhält sich damit aber wesentlich anders. Das Prostoma schließt sich keineswegs an dem einen Eipol, sondern rückt auf die spätere Bauchseite hinüber und bezeichnet die Stelle des definitiven Mundes, der ja bei allen hypogastrischen Bilateralien aus dem Prostoma (direkt oder indirekt) entsteht, während bei den pleurogastrischen Bi- lateralien daraus der After hervorgeht. Ein weiteres charakteristisches 296 6. Tessin, Merkmal der hypogastrischen Bilateralien ist es, dass eine Kreuzachse der Gastrula zur Längsachse des fertigen Thieres wird. Auch dieses trifft für die Rotatorien zu, wenn wir bedenken, dass eine Verschie- bung des gesammten Keimes stattfindet derart, dass der Scheitelpol, welchen wir Anfangs an dem in meinen Abbildungen stets nach rechts gezeichneten, d. h. dem ektodermalen Eiende annehmen müssen, all- mählich auf die dorsale Seite hinüber wandert, so dass also die Schei- telachse, welche Anfangs mit der Längsachse des Eies zusammenfällt, schließlich senkrecht zu derselben steht, mithin also eine Kreuzachse zur Längsachse des Thieres wird. Es ist also nur scheinbar, dass das Hinterende des Embryo an dem Scheitelpol entsteht, es bezeichnet nur die Stelle, wo vor der Verschiebung der Scheitelpol lag. Eine solche Umlagerung des Ektoderms ist aber durchaus nicht charakteristisch und eigenthümlich für die Rotatorien, ganz dieselbe Erscheinung tritt uns entgegen bei den Nematoden und verschiedenen Crustaceen (Onis- cus, Balanus). Aus den bisherigen Betrachtungen geht nur so viel hervor, dass die Rotatorien als echte hypogastrische Bilateralien aufzufassen sind. Es lassen sich daraus aber noch keine Schlüsse ziehen für eine nähere Verwandtschaft mit einer bestimmten Abtheilung derselben. Es seien nun zunächst die Punkte genauer erörtert und vom ent- wicklungsgeschichtlichen Standpunkte beleuchtet, welche man mit Recht oder mit Unrecht für eine Verwandtschaft der Rotatorien zu den Würmern angeführt hat. | HATscHek gründet in seiner Trochophora-Theorie die nahe Ver- wandtschaft der Rotatorien mit den Anneliden namentlich auf das Ver- halten des Räderorgans der ersteren, welches nach seinem Bau, wie auch nach seiner Funktion durchaus übereinstimmen soll mit den Wim- perkränzen der Anneliden-Larven. Es ist in der That richtig, dass, wie von Hırtschek angegeben wird, bei einigen Rotatorien ein doppel- ter Wimperapparat vorhanden ist, der aber in keiner Weise mit dem prä- und postoralen Wimperkranz der Trochophora verglichen werden kann. Von einem geschlossenen, präoralen Wimperkranz kann in den bei Weitem meisten Fällen durchaus keine Rede sein, weil das Räderorgan nicht dorsal vor der Mundöffnung hinzieht, sondern sich an der Ventralseite direkt in die Mundhöhle hinein fortsetzt und viel rich- tiger als ein perioraler Wimperkranz zu bezeichnen ist. Nur die Gat- tungen Melicerta und Lacinularia, so wie die sehr absonderliche Form der Trochosphaera aequatorialis besitzen einen geschlossenen präoralen Wimperkranz. Da bei diesen Formen außerdem noch ein postoraler — bei Trochosphaera rudimentärer — Wimperkranz vorhanden ist, so Über Eibildung und Entwicklung der Rotatorien. 397 ist eine scheinbare Übereinstimmung mit den Wimperkränzen der An- neliden-Larven nicht zu leugnen. Wenn wir aber auf die Entwicklung des Räderorgans der Rota- torien Rücksicht nehmen, welches nach meinen Untersuchungen aus der vorderen Ektodermeinstülpung auf ähnliche Weise entsteht wie der Tentakelkranz der Bryozoen, so fällt jede Möglichkeit hinweg, es mit den Wimperkränzen der Würmer zu homologisiren. Der präorale Wimperkranz umsäumt bei allen Würmern das Scheitelfeld, so dass also innerhalb desselben an dem Scheitelpol das Hirn entsteht. Bei den Rotatorien liegt aber das Hirn stets außerhalb des Räderorgans, welches hier also nicht das Scheitelfeld umfasst. Selbst bei der Tro- chosphaera aequatorialis, welche in ihrer kugeligen Gestalt sehr an Wurmlarven erinnert, liegen die beiden Augen außerhalb des äquato- rialen Wimperreifens. Würde derselbe wie bei den Wurmlarven das Scheitelfeld umgrenzen, so würden auch die Augen innerhalb desselben am Scheitelpol gelegen sein. Das Räderorgan der Rotatorien entspricht demnach in keiner Weise den Wimperkränzen der Wurmlarven, und es lassen sich darauf hin also keine verwandtschaftlichen Beziehungen aufstellen. In der Entwicklungsgeschichte der Rotatorien tritt uns aber eine andere Bildung entgegen, welche meiner Ansicht nach viel eher auf eine Verwandtschaft mit den Würmern — und zwar den niederen — hindeutet. Ich meine die lappenförmigen Bildungen in der Umgebung des Mundes, welche bei allen jungen Embryonen sehr deutlich wahr- zunehmen sind (Fig. 35 und 36). Es scheint mir dies ein Erbtheil zu sein von den Turbellarien-Larven her, bei denen diese lappigen An- hänge zu so großer Entwicklung gelangen. Auch in ihrem anatomischen Bau erinnern die Rotatorien in manchen Punkten an die Würmer, namentlich was den Exkretionsapparat anbe- trifft, so dass also nicht zu bestreiten ist, dass sie mit denselben in einem genetischen Zusammenhang stehen. Doch kann ich mich der Ansicht Harscurr’s, dass sie mit den Anneliden in Verbindung zu bringen und den Larvenformen derselben gleich zu stellen seien, durch- aus nicht anschließen. Wir müssen die Anknüpfungspunkte viel tiefer suchen, bei den niedrigst stehenden und am einfachsten organisirten Wurmformen, den Turbellarien. Gegen eine Verwandtschaft der Ro- tatorien mit den Anneliden spricht namentlich auch noch die Mesoderm- bildung. Wie oben genauer aus einander gesetzt, liegt das Mesoderm der Rotatorien am vorderen Rande des Prostoma, während es doch bei allen höheren Würmern ohne Ausnahme am Hinterende des Körpers entsteht. Die Mesodermbildung der Rotatorien kann sich nur entwickelt 298 G. Tessin, haben aus einer ganz niederen, noch nicht bestimmt lokalisirten Bil- dungsweise des Mesoderms, wie wir sie bei den Turbellarien an- treffen. | Bei der Frage, wohin die Rotatorien im System zu stellen seien, sind außer den Würmern namentlich die Krebse in Betracht genommen, und aus der Anatomie unserer Thiere besonders von Lerypıe und Bur- MEISTER Sehr viele Punkte angeführt, welche für eine Verwandtschaft mit den Krebsen sprechen. Auch die Entwicklungsgeschichte lässt es nicht an Merkmalen fehlen, welche uns entschieden auf die Krebse verweisen. Da käme zunächst die Mesodermbildung. Während das Mesoderm der Rotatorien wegen seiner Lage vor dem Prostoma durchaus nicht mit dem der höheren Würmer verglichen werden kann, finden sich ganz dieselben Lagebeziehungen bei einigen Crustaceen. Es sei hier nur erinnert an die Entwicklung des Flusskrebses, von der REIcHEN- BAcH (12) festgestellt hat, dass das Mesoderm in der Umgebung des vorderen Prostomarandes vom Entoderm aus entsteht. | In erster Linie verweist aber das embryonale Postabdomen der Rotatorien auf die Krebse. Dass, je mehr sich der Embryo. der Reife nähert, eine Rückbildung des Postabdomens auftritt, indem das Ento- derm sich mehr und mehr zurückzieht und der Darmkanal schließlich vor dem Postabdomen durch den dorsalen After ausmündet, ist eine Erscheinung, die auch bei den Krebsen ihr Homologon findet. Die dor- sale Lage des Afters ist für gewisse Krebse (cf. Grossen, Die Entwick- lungsgeschichte von Cetochilus septentrionalis[6, Fig. 24 und 25]) eben so charakteristisch wie für die Rotatorien. Was ferner die Gliederung und die Gabelung des Postabdomens der Rotatorien betrifft, so erinnert auch das wieder an gewisse Krebse, namentlich an die Copepoden. Ich bin der Ansicht, dass diese in Betreff des Postabdomens der Rotatorien angeführten Verhältnisse von großer Wichtigkeit sind und uns ganz entschieden berechtigen, daraufhin eine Verwandtschaft derselben mit den Krebsen anzunehmen. Die Möglichkeit, das Postabdomen der Ro- tatorien mit dem Fuße der Mollusken zu vergleichen, wie es auch schon geschehen ist, fällt also hinweg, sobald wir auf seine Entwicklung Rücksicht nehmen und nicht allein danach urtheilen, wie es sich uns am fertigen Thier darstellt. Der Kauapparat der Rotatorien spricht weder für die Würmer noch für die Krebse, weil derselbe nach meinen Untersuchungen ento- dermalen Ursprungs ist, die entsprechenden Bildungen bei den Wür- mern und Krebsen aber aus dem Ektoderm (Schlund) entstehen. Was nun noch das Nervensystem betrifft, so spricht das Fehlen Über Eibildung und Entwicklung der Rotatorien. 399 eines Bauchmarkes sowohl gegen die höheren Würmer wie gegen die Krebse. Das Resultat meiner Untersuchungen besteht nun schließlich darin, dass es in Zukunft nicht mehr möglich sein wird, wie es in letzter Zeit vielfach geschah, die Rotatorien in die Klasse der Würmer selbst einzureihen. Andererseits kann aber auch davon nicht die Rede sein, sie direkt zu den Krebsen zu stellen. Wir haben vielmehr die Rota- torien als eine Zwischenform zwischen den niederen Würmern und den niederen Krebsen zu betrachten und in dem System als besondere Abtheilung zwischen den Würmern und den Krebsen aufzuführen. Rostock, März 1886. Litteraturverzeichnis. 4, ©. BürscaLı, Studien über die ersten Entwicklungsvorgänge der Eizelle, die Zelltheilung und Konjugation der Infusorien. Abhandlungen, herausge- geben von der SENCKENBERG Schen naturf. Gesellschaft. Bd. X. 1876. 2. K. Eckstein, Die Rotatorien der Umgegend von Gießen. Diese Zeitschr. Bd. XXXIX. 4883. 3. W. Fremming, Studien in der Entwicklungsgeschichte der Najaden. Sitzungs- berichte der k. Akademie der Wissensch., math.-naturw. Klasse. T. 74. 3. Abth. 4. 4. A. GoOETTE, Untersuchungen zur Entwicklungsgeschichte der Würmer. 4. und 2. Theil. Leipzig 1882 und 1884. - GROBBEN, Die Entwicklungsgeschichte der Moina rectirostris. Arbeiten des 'zool. Inst. zu Wien. Tom II, Heft 2. 6. —— Die Entwicklungsgeschichte von Cetochilus septentrionalis. Arbeiten des zool. Inst. zu Wien. Tom III, Heft 3. 7. Harscher, Studien über die Entwicklungsgeschichte der Anneliden. Arbeiten aus dem zool. Institut der Universität Wien. I. 1878. 8. Fr. Levoıe, Über den Bau und die systematische Stellung der Räderthiere. Diese Zeitschr. Bd. VI. 4854. 9. —— Zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Lacinularia socialis. Diese Zeitschr. Bd. III. 1851. 10. NÄgEuı, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Räderthiere. Diss. inaug. Zürich 1852, 1, L. PrAte, Beiträge zur Naturgeschichte der Rotatorien. Jenaische Zeitschr. für _ Naturwissensch. Bd. XIX. 12. REICHENBACH, Die Embryonalanlage und die erste Entwicklung des Flusskrebses. Diese Zeitschr. Bd. XXIX. 4877. 13. SaLensky, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Brachionus urceolaris. Diese Zeitschr. Bd. XXII. 1872. | [13 300 G. Tessin, 44. SEMPER, Trochosphaera aequatorialis. Das Räderthier der Philippinen. Diese Zeitschr. Bd. XXIl. 4872. 45. Weisse, Über die Entwicklung der Eier der Floscularia ornata Ehg. Diese Zeitschr. Bd. XIV. 1864. 16. ZAcHARIAS, Über Fortpflanzung und Entwicklung von Rotifer vulgaris. Diese | I Zeitschr. Bd. XLI. Erklärung der Abbildungen. Allgemeine Bezeichnungen. ds, Dottersack;; eh, Eihaut; ek, Ektoderm;; en, Entoderm; k, Keimfach; kl, Kopflappen ; km, Anlage des Kaumagens; kv, künftiges Vorderende; ms, Mesoderm ; n, Nucleus; n', Nucleolus; 0, Ei; p, Postabdomen; pr, Prostoma; si, Seitenlappen; sp, Scheitelpol; ves, vordere Ektodermeinstülpung. Tafel XIX und XX. Fig. 1—3. Weibliche Geschlechtsorgane von Brachionus urceolaris. Pikro- ii karminpräparate. Vergr. 700. Fig. 4. Ein Theil von einem Schnitt durch den Dottersack von Eosphora digi- Ri tata. Die vier Kerne zeigen die stark gelappten Nucleoli. Vergr. 700, Fig. 5. Schnitt durch den Geschlechtsapparat und ein in Bildung begriffenes | Ei von Rotifer vulgaris. Von den vier Kernen des Dottersackes sind nur zwei ge-| troffen, eben so nur einige von den Kernen des Keimfaches. Vergr. 800. Fig. 6—10. Schnitte durch Eier von Eosphora digitata. Vergr. 800. Fig. 6. Schnitt durch ein ganz junges Ei. Fig. 7. Schnitt durch ein älteres Ei, in dem der Dotter schon anfängt grobkör- I nig zu werden. Eikern wie in voriger Figur länglich, bläschenförmig. 1: Fig. 8. Schnitt durch ein fast reifes Ei, in dem die Membran des Eikernes, | welcher an die Peripherie gerückt ist, sich theilweise aufgelöst hat. Fig. 9 und 40. Innerhalb der Substanz des aufgelösten Eikernes hat sich eine | Kernspindel gebildet. Der Dotter ist sehr grobkörnig geworden. Fig. 14—37. Fortlaufende Entwicklungsstadien von Eosphora digitata. Alle | F Figuren sind mit dem künftigen Vorderende (kv) nach rechts gezeichnet. Vergr. 350.| a | Über Eibildung und Entwicklung der Rotatorien. 301 Fig. 44. Erste Eitheilung;; ein größeres Blastomer a und ein kleineres b. Fig. 12. Von dem größeren Blastomer a hat sich ein kleineres a’ abgetheilt. Fig. 13. Das kleinere Blastomer b hat sich getheilt. Fig. 14. Dasselbe Stadium. Die drei kleineren Blastomeren rücken auf die spätere dorsale Seite hinüber, dadurch wird der Keim bilateral-symmetrisch. Fig..15. Dasselbe Stadium von der Bauchseite. Die größere Zelle a ragt gegen die kleineren vor. Fig. 46. Die drei dorsalen Zellen haben sich in sechs getheilt, von denen die drei vorderen in ihrer vorderen Hälfte eine starke Anhäufung von Dotterkörnern zeigen. Fig. 47. Dasselbe Stadium in der linken Seitenansicht. Von der Zelle a hat sich die ventrale Zelle a” ‚abgetheilt. Fig. 18. Dasselbe Stadium von der Bauchseite. Fig. 49. Ebenfalls Ansicht von der Bauchseite. Die dorsalen Zellen und die hintere ventrale Zelle a’ haben sich getheilt. Fig. 20. Ebenfalls von der Bauchseite dargestellt. Nachdem sich von der größeren, vorderen Zelle a noch eine Zelle aIV abgetheilt hat, wird der Rest, die Zelle en, zum Entoderm, alles Andere wird zum Ektoderm mit Ausnahme der dunk- len Zellen ms, welche die Anlage des Mesoderms bilden. Fig. 3—23. Dieselben Stadien, und zwar ist Fig. 2/4 halb von unten und halb von der Seite, Fig. 22 in der linken Seitenansicht, Fig. 23 von der Rückenseite dargestellt. Fig. 24. Aus den drei dorsalen Zellreihen sind durch meridionale Theilungen deren sechs hervorgegangen. Fig. 25. Linke Seitenansicht. Auch die ventralen Ektodermzellen haben sich bereits getheilt, jedoch sind die mittleren Theilstücke derselben noch verhältnis- mäßig groß. Die Entodermzelle wird in das Innere des Keimes gedrängt. Fig. 26. Ebenfalls linke Seitenansicht. Das Entoderm, welches ganz in das Innere des Keimes gerückt ist, hat sich bereits getheilt in eine kleine hintere und zwei größere vordere Zellen. Das Prostoma liegt am Vorderende ventral. Fig. 27. Dasselbe Stadium im optischen Frontalschnitt. Fig. 28. Ansicht von der Bauchseite. Die sechs Mesodermzellen bilden einen Halbkreis am vorderen Rande des Prostoma. Im Grunde des Prostoma erblickt man die beiden vorderen Entodermzellen. Fig. 29. Linke Seitenansicht von einem etwas späteren Entwicklungsstadium. Die Mesodermzellen, welche immer mehr von dem nachwachsenden Ektoderm auf ‚ die Bauchseite hinübergedrängt werden, haben sich durch quere Theilungen auf ‚ zwölf vermehrt. Die beiden vorderen Entodermzellen haben sich gleichfalls getheilt. Fig. 30. Ein etwas weiter entwickelter Embryo in derselben Lage. Die Meso- dermzellen sind von dem Ektoderm ins Innere gedrängt. Fig. 314. Optischer Frontalschnitt des in Fig. 30 abgebildeten Stadiums mit fünf Entodermzellen. Fig. 32. Linke Seitenansicht. Das Ektoderm ist im optischen Durchschnitt ge- zeichnet. Die Ektodermeinstülpung ves besitzt eine schräge Richtung nach vorn | f \ i ‚ und aufwärts. Das Entoderm hat sich wiederholt getheilt und bildet eine kugelige, ‚ solide Masse. Das Mesoderm rückt in Form einer Zellschicht auf die dorsale Seite hinüber. 302 6. Tessin, Über Eibildung und Entwicklung der Rotatorien. Fig. 33. Derselbe Embryo in der Rückenansicht, Ektoderm ebenfalls im opti- schen Durchschnitt gezeichnet. Fig. 34. Äußere Ansicht von einer etwas späteren Entwicklungsstufe. An der Bauchseite hat sich eine längliche Vertiefung im Ektoderm gebildet. Anlage von Kopf- (kl) und Seitenlappen (sl). | Fig. 35. Dasselbe von einem älteren Embryo. Die Anlage des Postabdomens p wächst nach vorn aus. Die Lappenbildungen treten deutlicher hervor. Fig. 36. Dasselbe von der Bauchseite. Fig. 37. Ein weiter entwickelter Embryo in der linken Seitenansicht. Fig. 38. Schnitt durch ein frühes Entwicklungsstadium von Rotifer vulgaris. Derselbe zeigt die körnige Beschaffenheit der ersten Blastomerenkerne, von denen einer in Theilung begriffen ist. Vergr. 800. Fig. 39. Frontalschnitt durch einen Embryo von Rotifer vulgaris, welcher sich auf demselben Entwicklungsstadium befindet wie der in Fig. 27 im optischen Durchschnitt dargestellte. Vergr. 800. Fig. 40—44. Schnitte durch Embryonen von Brachionus urceolaris. Vergr. 700. Fig. 40. Ein nicht ganz medianer Längsschnitt von demselben Stadium wie Fig. 27 und 39. Fig. 44. Ein ziemlich der Medianebene entsprechender Längsschnitt, welcher ungefähr das in Fig. 32 dargestellte Stadium betrifft. Leider ist die vordere Partie des Schnittes etwas zerrissen, so dass die Ektodermeinstülpung ves an Deutlichkeit zu wünschen übrig lässt. Die Mesodermschicht ms, dessgleichen das radiär ange- ordnete, solide Entoderm sind deutlich zu erkennen. Fig. 42. Ein gleichfalls nicht ganz medianer Schnitt von einem älteren Embryo. Das Entoderm hat sich in eine vordere und eine hintere Hälfte gesondert. Fig. 43. Medianschnitt von einem weiter entwickelten Embryo. Aus der vor- deren Entodermhälfte km geht der Kaumagen hervor. In derselben sind bereits die ersten Chitinstäbe ch des Kiefergerüstes angelegt. | Fig. 44. Medianschnitt durch einen fast reifen Embryo, an dem schon Theile | des Hautpanzers zu erkennen sind (Z ist eine Zacke des vorderen Panzerrandes). Aus der vorderen Ektodermeinstülpung sind das embryonal eingestülpte Räderor- | gan R und der kurze Schlund hervorgegangen, während der Kaumagen km durch | seine Lage deutlich seine Entstehung aus dem Entoderm erkennen lässt. Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Geschlechtsorgane der Regenwürmer. Von Dr. R. S. Bergh in Kopenhagen. Mit Tafel XXI. Geschichtliche Bemerkungen als Einleitung. Die verschiedenen, meistens sehr verfehlten älteren Ansichten über die einzelnen Theile des Geschlechtsapparates der Regenwürmer sind schon mehrmals (besonders von Hering) einer kritischen Behandlung unterworfen worden, so dass es mir nur gestattet sein mag zur Ein- leitung auf die wesentlichsten Entdeckungen der verschiedenen For- scher in historischer Reihenfolge nochmals hinzuweisen; auf die neueren diesbezüglichen Arbeiten werde ich ein bischen näher eingehen müssen um dadurch den gegenwärtigen Stand der Kenntnisse deutlicher her- vortreten zu lassen. Die einzigen sehr frühzeitig (vom alten Wirrıs!) entdeckten Theile des Geschlechtsapparates waren die Samentaschenund die Samenblasen ; erstere wurden von den älteren Forschern ganz allgemein als Hoden, letztere als Ovarien angesehen. Einen wesentlichen Fortschritt machte erst Lro? (1820) durch seine Entdeckung der Samenleiter, die er so- gar richtig deutete; seine Ansicht über die Funktion derselben blieb indessen lange erfolglos, indem sie sich nämlich sehr versteckt in seiner Abhandlung findet, nämlich nur in der Tafelerklärung, während diese Organe im Text als Eileiter gedeutet sind (in besserer Übereinstim- mung mit seiner Deutung der Samenblasen als Ovarien). Und so kam es denn, dass später sowohl p’Uneken wie Herıns die Existenz der Leo'schen Deutung übersahen und auf eigenem Wege zu derselben i Wiruıs, De anima brutorum. 1672. p. 24. ? J. Leo, De Structura Lumbrici terrestris. Diss. inaug. 1820. 304 R. S. Bergh, Ansicht gelangen mussten; erst CLarırkpe hat Leo’s Verdienst auf diesem Gebiete hervorgehoben. Bald nach der Entdeckung der Samenleiter fand Dusss! (1828) die proximalen Enden derselben, die Samentrichter, deren Bau er allerdings weder in seiner ersten noch in seiner zweiten Mittheilung darüber? richtig verstand. Den ganzen Kanal deutete er als Eileiter. Den nächsten bedeutsamen Fortschritt machte v. Sısorp ? (1848), indem er in den bis dahin als Hoden oder als Reservoirs für den Samen gedeuteten Organen Receptacula seminis vermuthete. Erst viel später gelang es jedoch die allerwichtigsten, die eigent- lich keimbildenden Theile des Geschlechtsapparates, die Ovarien und die Hoden aufzufinden. Zuerst fand n’Unekem! (1856) die Ovarien, die er jedoch mit Unrecht in das zwölfte Segment verlegte; die faden- formigen Enden derselben deutete er als Oviducte, wobei er vermu- thungsweise aussprach, dass dieselben im 15. Segment, »eoneurrement avec les conduits excröteurs du testicule«e ausmünden. Die Samen- blasen deutete p’Unerem als Hoden, was sich zwar nicht als richtig er- wies, jedoch als ein ganz wesentlicher Fortschritt gegenüber den frü- heren Ansichten zu bezeichnen war, indem hier jedenfalls mit Be- stimmtheit behauptet wurde, dass die genannten Theile ausschließlich zum männlichen Geschlechtsapparat gehören; früher waren diese Theile ja entweder als Ovarien? oder als Hoden und Ovarien zugleich gedeutet worden. Nur Srein® (1842) hatte schon früher behauptet, dass die genannten Theile allein zum männlichen Geschlechtsapparat gehören; beim Mangel des Nachweises der Ovarien kam aber seine Ansicht nicht zur Geltung. Kurz nach p’ÜDeren’s Untersuchungen erschien die ausgezeichnete Arbeit von Herıns? (1856) worin die Geschlechtsorgane der großen Regenwurmart (Lumbricus terrestris) geradezu erschöpfend behandelt 1 Duczs, Recherches sur la circulation, la respiration et la reproduction des Annelides abranches. Ann. des sc. nat. Tom. XV. 1828. p. 324. 2 Dusks, Nouvelles observations sur la zoologie et l’anatomie des Annelides abranches setigeres. Ann. des sc. nat. Ser. 2. Tom. VIII. 1837. p. 27. 3 C. Ta. E. v. SıesoLp, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der wirbellosen Thiere. 4848. p. 228—229. 4 J. D’ÜDEREMm, Developpement du Lombric terrestre. M&m. couronn. et Mem. | des savans &trangers publ. par l’acad. royale de Belgique. Tom. XXVII. 1855—1856. | 5 Indem man nämlich theils die Kerne der fadenförmigen Gregarinen, theils Gregarinencysten als Eier und Entwicklungsstadien solcher beschrieb. 6 Fr. Stein, Die Geschlechtsverhältnisse der Myriapoden. Mürrer’s Archiv. | 1842. p. 270. ” E. Herıng, Zur Anatomie und Physiologie der Geschlechtsorgane des Regen- | wurms. Diese Zeitschr. Bd. VIII. 1856. p. 400 ff. Unters. über den Bau und die Entwicklung der Geschlechtsorgane der Regenwürmer. 305 sind. Vor Allem sind in dieser Abhandlung drei Punkte zu verzeichnen, wodurch die anatomische Kenntnis des genannten Organsystems für diese Art zum Abschluss gebracht wurde. Erstens wies Hrrıne die wirkliche Lage der Ovarien im 13. Segmente nach, und zweitens be- schrieb er genau und zum ersten Male die Oviducte, ihre äußeren und inneren Mündungen so wie eine Divertikelbildung an der inneren Mün- dung (Receptaculum ovorum). Er erkannte somit, dass die Oviducte nicht (wie D/Upekem meinte) eine direkte Fortsetzung der Ovarien bil- den, sondern sich getrennt von diesen mittels Wimpertrichter in die Leibeshöhle öffnen. Drittens endlich fand Hrrınsc die wahren Hoden im 10. und 11. Segment, und er wies die genaue Übereinstimmung in der Lagerung der Hoden und Ovarien nach; dadurch gewann er zu- gleich die richtige Deutung der Samenblasen als Reservoirs zur Auf- bewahrung des Samens während der Reifung. Von den seit Hrrıne’s Arbeit erschienenen Mittheilungen über den Geschlechtsapparat der Regenwürmer haben wir zuerst — wenn wir von den ganz irrthümlichen Angaben Wirrıans’! (1858) absehen wollen — eine Abhandlung von Ray LAnkgster ? zu betrachten. Der Theil der Lan- kester'schen Regenwurmanatomie, der vom Geschlechtsapparate han- delt, bezeichnet gegenüber Herıng’s Untersuchungen jedenfalls keinen Fortschritt, eher einen Rückschritt. Besonders mit Bezug auf die Hoden ist Lankester zurückgeblieben: er hat die wahren Hrrıng’schen Hoden überhaupt nicht als solche erkannt, sondern erklärt — wie schon früher Stein und D/Üderen — die Samenblasen für Hoden. Sein Text bringt auf diesem Gebiete überhaupt nichts wesentlich Neues, so wenig wie seine Figuren; die Fig. I (Pl. II) des ganzen Geschlechtsapparates ist fast nur eine Wiederholung der Hrring’schen Fig. 1, jedoch weder so korrekt noch so gut ausgeführt; andere seiner Abbildungen sind durchaus un- korrekt, wie die Fig. 2 (Pl. II) des Oviducts: das Receptaculum ovorum scheint er, sonderbar genug, ganz übersehen zu haben. Über die Samentaschen giebt er an, dass sie im 10. und 11. Segmente (am Vorderrand) liegen, und dass ihre Ausführungsgänge nach vorn laufen und in den Furchen 9/40 und 10/41 ausmünden — ohne den Wider- spruch dieser Angaben zu den Herıng’schen hervorzuheben und ohne in der Beziehung auf Artunterschiede hinzuweisen. | Der einzige umstrittene Punkt der Hrrıne’schen Darstellung blieb auch während der ganzen folgenden Zeit die Existenz der Hoden (und IT WILLIANs, Researches on the structure and homologies of the reproduc- tive organs of the Annelids. Philosophical Transactions. 1858. Part 1. 2 E. Ray LAnkEster, The Anatomy of the Earthworm, Part II. Ann. and Mag. of nat. hist. Vol. V. New Series. 4865. p. 10-48. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLIV. Bd. 20 306 R. S. Bergh, was damit zusammenhängt: die Deutung der Samenblasen). Außer Lankester kehrten nämlich auch Andere zur p’Ünpexzm’schen Deutung zurück, bezeichneten also die Samenblasen als Hoden; besonders be- merkenswerth ist es, dass selbst ein so hervorragender Forscher wie Crararkpe ! (1870) die wahren Hoden übersehen hat. Auch Horst? (1876) konnte die Hoden bei Lumbriecus terrestris nicht wiederfinden, fand sie dagegen bei einer Perichaeta-Art; er blieb aber in der Deutung derselben unsicher und meinte sie nicht als Hoden beanspruchen zu dürfen (vgl. unten). Sonst glaube ich behaupten zu dürfen, dass überall bei den anderen tropischen Regenwürmern die Samenblasen als Hoden gedeutet worden sind, und dass man die wirklichen Hoden gänzlich übersehen hat. Jedenfalls ist es mir aus den Abbildungen Prrrier’s® genügend klar, dass dieser Forscher, der so zahlreiche tro- pische Regenwürmer zergliederte, überall in diesen Fehler verfiel, und dasselbe gilt noch von mehreren anderen Verfassern. Andererseits haben in der neueren Zeit Broomrısıp * (1880) und Vesnovskv> (1885) die wahren Hrrıng’schen Hoden bei den einheimischen Regenwürmern wieder aufgefunden und sich der Hrrıng’schen Deutung dieser Kör- perchen angeschlossen. Schon hieraus ist ersichtlich, dass mit Bezug auf diesen Punkt ein Zwiespalt zwischen den neueren Autoren vorhanden ist, und es tritt am besten durch Betrachtung der Darstellungen der bekannten neue- ren Lehrbücher hervor, wie groß die Verwirrung hier ist. Während GEGENBAUR in den verschiedenen Ausgaben seiner »vergleichenden Ana- tomie« der Hrrıng’schen Darstellung treu folgt, betrachtet Huxrev$ die Samenblasen als Hoden, und eben so verfährt Craus in seinen »Grund- zügen« (l, p. 479) und in seinem »Lehrbuch« (p. 341—342); die Abbil- dung, die Craus aber in seinem letzten Buche giebt, ist nebst der Erklärung derselben im höchsten Grade unglücklich. Er kopirt die bekannte Herıne’sche Fig. 1, macht aber darin mehrere Verände- 1 E. CLArArkpE , Histologische Untersuchungen über den Regenwurm. Diese Zeitschr. Bd. XIX. 1870. p. 56—59 des Sep.-Abdr. 2 R. Horst, Aanteekeningen op de Anatomie van Lumbricus terrestris L. Tijdskr. Nederl. Dierkund. Vereen. Deel III. Afl. 4. 4876. p. 26—29. 3 Epm. PErRIER, Recherches pour servir a l’'histoire des Lombriciens terrestres. Nouv. Arch. du Museum d’hist. nat. Tom. VIII. 1872. 4 J. E. BLoomFIELD, On the Development of the Spermatozoa. PartI. Lumbri- cus. Quart. journ. of mier. sc. Vol. XX. New Series. 4880. p. 79—89. 5 Fr. Vespovsky, System und Morphologie der Oligochaeten. Prag 1885. 6 T. H. HuxLey, Grundzüge der Anatomie der wirbellosen Thiere. Deutsch von J. W. SpENGEL. 4878. p. 201. Unters. über den Bau und die Entwicklung der Geschlechtsorgane der Regenwürmer. 307 rungen!, von denen die wesentlichste die ist, dass die Hoden von Lumbrieus turgidus in die Samenblase des L. terrestris eingezeichnet werden (währendssie in der Originalfigur nicht dargestellt sind). Nichts- destoweniger sind in der Figurenerklärung die Samenblasen als Hoden gedeutet, und ein jeder Anfänger muss unwillkürlich fragen: was sind die kleinen fächerförmigen Körperchen? Darüber erhält er aber keine Auskunft. | Von den anatomischen Verschiedenheiten des Geschlechtsapparates der einzelnen Regenwurmarten war früher nur die Variation der Zahl der Samentaschen und Samenblasen von älteren Forschern (Dusss, Herıns) hervorgehoben worden; über mehreres hierher Gehöriges, be- sonders über die Lageverschiedenheiten der Samentaschen bei ver- schiedenen Arten, hat erst ganz kürzlich Rosa? (1884) in einer sorg- fältigen Arbeit berichtet. Über die Entwicklungsgeschichte des Geschlechtsapparates der Regenwürmer endlich wurde bis jetzt sehr wenig erforscht. BLoom- FIELD (l. c.) hat einige ganz fragmentarische Beobachtungen über die Entstehung der Samenblasen mitgetheilt; viel eingehender hat sich Verpovsky, in verschiedenen Schriften mit der Entwicklungsgeschichte der Fortpflanzungsorgane anderer Oligochaeten beschäftigt; dabei hat er aber die Lumbrieiden verhältnismäßig sehr wenig berücksichtigt. Indem ich diese Untersuchungen aufnahm, versuchte ich mir ein möglichst allseitiges Bild des Gegenstandes zu schaffen; es wurden desshalb sowohl die allgemeinen Bauverhältnisse, die Modifikationen derselben bei verschiedenen Formen als die Entstehungsgeschichte der einzelnen Theile in Betracht gezogen. Einige Lücken finden sich zwar in der Untersuchung; sie wird aber hoffentlich nichtsdestoweniger etwas zum Verständnisse dieser verwickelten Bildungen und zur Ausgleichung der diesbezüglichen Kontroverse beitragen. — Die Untersuchungen wurden im Zeitraume vom November 1885 bis Mai 1886 angestellt. Die Geschlechtsdrüsen. Es wurde schon oben auf die Verschiedenheit in den Anschau- ungen der neueren Autoren hingewiesen mit Bezug darauf, was man ! Ob übrigens diese Veränderungen von Craus selbst herrühren, oder ob er die betreffende Figur irgend woher genommen hat, ist mir unbekannt. 2 DAnıELE Rosa, I Lumbricidi del Piemonte. Torino 1884. — Diese Arbeit war mir zur Zeit, als ich meine vorläufige Mittheilung (Zool. Anzeiger 1886, Nr. 220) schrieb, unbekannt geblieben, ging mir aber gleich nach dem Erscheinen dieser durch die Freundlichkeit des Verfassers zu. Rosa und ich sind also in mehreren Punkten unabhängig von einander zu denselben Ergebnissen gelangt. 20* 308 R. S. Bergh, als die Hoden der Regenwürmer zu bezeichnen hat, und es wird schon daraus klar geworden sein, dass ich mich in der Beziehung entschieden auf die Seite Hzrıne’s, BLoomFiELp’s und VzspovskY’s stelle. Die Gründe dafür sind in der folgenden Darstellung enthalten. Bei allen von mir untersuchten Regenwurmarten finden sich nor- mal drei Paare von Geschlechtsdrüsen, zwei Hodenpaare im 9. und 10. borstentragenden Segment! und ein Paar von Ovarien im 12. Seg- ment?. Dieselben sind bei den Lumbricusarten alle so gelagert wie besonders von Hrrıns genau beschrieben: sie sitzen an der Hinter- wand der vorderen Septa dicht an ihrer Grenze gegen die Bauchwand, zu beiden Seiten der Bauchkette; mit ihrer Spitze ragen sie frei in die Leibeshöhle. Bei geschlechtsreifen Exemplaren von L. terrestris, L. purpureus und — nach Hrrıng — L. rubellus liegen die Hoden in der später zu erwähnenden medianen Samenkapsel eingeschlossen. Was die Form der Hoden betrifft, so variirt dieselbe bei den verschiedenen Arten etwas. Bei L. terrestris und L. turgidus (=1. communis p. p.?) sind sie von Herring richtig beschrieben und abge- bildet; bei L. foetidus bestehen sie wie bei jenen aus mehreren finger- förmigen Lappen, die von gemeinsamer Basis ausstrahlen (vgl. Fig. 5); jedoch sind die Lappen hier verhältnismäßig kürzer und dicker als bei L. turgidus. Bei L. riparius dagegen ist ihr Bau nicht lappig; die Hoden sind bei dieser Art einfache, breite Platten, die etwa eben so breit (oder noch breiter) am freien Rande wie an der Basis sind (Fig. 6). Bei Perichaeta endlich sind die Hoden denen von Lumbricus turgidus außerordentlich ähnlich (Fig. 7 !). Auf die Lagerungsverhältnisse der Hoden bei Peri- 1 Im Folgenden ist immer die Zahl der Segmente so angegeben, dass das Mundsegment nicht mitgezählt ist, sondern nur die borstentragenden Segmente. 2 Abnormerweise fanden sich mehrfach im 43. Segment überzählige Ovarien. In drei verschiedenen Fällen wurden solche nachgewiesen. Bei einem L. turgidus fanden sich zwei derartige Ovarien; bei einem anderen Individuum derselben Art war nur ein Solches an der rechten Seite vorhanden; endlich wurde bei einem L. purpureus ein solches an der linken Seite nachgewiesen. In allen drei Fällen ent- sprach die Lage dieser Gebilde ganz derjenigen der normalen Ovarien; auch war ihre Form, ihr Bau und ihre Größe fast ganz dieselbe. Ein entsprechender über- zähliger Oviduct und Receptaculum ovorum fehlten in allen drei Fällen vollkom- men, und die Eier, die sich von jenen überzähligen Ovarien loslösen, können dem- gemäß niemals zur Entwicklung kommen, sondern müssen wohl in der Leibes- höhle verkümmern. — Abnorm gelagerte, überzählige Hoden wurden niemals gefunden. 3 G.Eısen, Bidrag til Skandinaviens Oligochaetfauna. Oefvers. Svenska Vetensk. Akad. Förhandl. 1870. Nr. 40. — Om Skandinaviens Lumbricider. Ibid. 1873. Nr. 8, Unters. über den Bau und die Entwicklung der Geschlechtsorgane der Regenwürmer, 309 chaeta! muss ich hier etwas näher eingehen, weil diese bisher nicht richtig verstanden wurden. Drei Beobachter, Leon VAıLant?, PERRIER (l. e.) und BeppıArn® fassten ohne Weiteres die im 40. und 11. Segment gelegenen Vesiculae seminales als Hoden auf, und Prrrızr verlegt dem- gemäß mit Unrecht die Samentrichter in dieselben Segmente gegenüber den Hoden; die Trichter sollen sich auch ihm zufolge frei in die Lei- beshöhle öffnen. Etwas weiter im Verständnisse kam Horsr*. Dieser Verfasser deutet zwar auch die Vesiculae seminales als Hoden, indessen hat er Perrıer’s Angaben dahin berichtigt, dass die Samentrichter bei Perichaeta in einer ähnlichen Bindegewebskapsel wie bei Lumbricus terrestris gelagert sind, und er sagt ferner (l. ce. p. 110): »Außerdem muss ich auf zwei Paare weißer Kügelchen aufmerksam machen (Fig. 5 y,), welche man in derselben (s. der häutigen Tasche) antrifft und welche durch Stielehen mit dem Septum gerade gegenüber den Trichtern ver- bunden sind. — Ich thue dies, da Hzrıng ähnliche Theile bei Lumbri- cus beschrieben und für die eigentlichen Testes erklärt hat; indessen ist es weder Ray LAnkEsTEr noch CLArarkDe noch mir gelungen, dieselben zurückzufinden.« Es ist dies zu verwundern; denn es ist unbedingt leichter diese Körperchen bei Lumbricus nachzuweisen und zu isoliren als bei Perichaeta. Diese von Horsr erwähnten Körperchen sind nun zweifellos die wahren Hoden. Um die eigenthümliche Lage derselben etwas ver- ständlicher zu machen, muss ich mir hier erlauben ein Bruchstück aus der übrigen Anatomie der von mir untersuchten Perichaeta-Arten ein- zuschalten ; mit Bezug auf das hier zu Erwähnende verhalten sich beide vollkommen gleich. Fig. 3 stellt die vordere Geschlechtsregion, von der Rückenseite aufgeschnitten und ausgebreitet dar. Vor Allem ist dabei das Verhalten der Septa zu beachten. Schon die Septa 4/5 und 5/6 sind nämlich sehr eigenthümlich ausgebildet: sie entspringen zwar an normaler Stelle von der Haut, inseriren sich aber am Darm viel weiter ! Von dieser Gattung wurden zwei Arten untersucht, von denen die eine mit der von Horst (Notes from the Leyvden Museum Vol. V. 1883. p. 186) beschrie- benen P. (Megascolex) indica identisch ist. Die andere vermag ich mit keiner der beschriebenen Arten zu identificiren. Mit P. Hasselti Horst theilt sie die Lage und Form der Samentaschen, in anderen Beziehungen weicht sie aber auch von dieser Art ab. 2 L&on VAıLvant, Note sur l’anatomie de deux especes du Genre Perichaeta. Mem. de l’acad. de Montpellier. 1869. % F, E. Bepparn, On some Earthworms from India. Ann. and Mag. of nat. hist. Ser. 5. Vol. XII. 1883. p. 213—224. * R. Horst, Über eine Perichaeta von Java. Niederländisches Archiv für Zoo- logie. Bd. IV. 4877—41878. p. 103—1M1. 310 R. S. Bergh, nach hinten; sie sind somit trichterförmig und kehren die Öffnungen nach vorn. In noch viel höherem Grade ist das aber mit dem Septum 6/7 der Fall. Dasselbe umgiebt den Darm auf einer weiten Strecke als eine hinten enger werdende Scheide und inserirt sich an ihm erst an der Grenze vom 8. und 9. Segment (da wo der Muskelmagen anfängt). An Stelle der beiden folgenden Septa (7/8 und 8/9) sieht man nur ein- zelne isolirte Muskelfasern, die von der Haut bis. an das erwähnte scheidenartige Septum 6/7 ausgespannt sind, und sich somit an diesem und nicht am Darme selbst inseriren. Das Septum 9/10 dagegen ist wieder ziemlich normal ausgebildet. — Am Platz des Septum 8/9, an dem das vordere Hodenpaar befestigt sein sollte, sind also nur ein Paar isolirte Muskelfasern vorhanden, während eine zusammenhängende Peritoneal- und Muskelmembran nicht nachzuweisen ist. Was uns nun hier besonders interessirt, ist die Frage: was ist aus der hinteren Peri- tonealhaut, an der die Hoden befestigt sind, geworden? Betrachten wir zu dem Zwecke etwas näher die schon kurz erwähnte, von Horsr beschriebene bindegewebige Kapsel. Dieses Gebilde ist in Fig. 4 dar- gestellt, nachdem der Darm weggenommen, und die Vesiculae semi- nales rechts weggeschnitten, links auf die Seite geschlagen sind; es erstreckt sich durch das ganze Segment 10 und etwa das hintere Drittel des Segment 9. Median ist die Kapsel dünner und durchsichtiger: rechts und links dagegen ist es in zwei Paare undurchsichtiger, schräg nach außen und vorn schauende Hörner ausgezogen (bisweilen sieht man schon an diesen die weißen Samentrichter durchschimmern). An jedem dieser Hörner lassen sich zwei Abschnitte unterscheiden: ein vorderer kleinerer und ein hinterer größerer, die jedenfalls oft (wie in der Fig. 4) durch eine seichte Einschnürung gegen einander markirt sind. Öffnet man nun ein solches Horn, so findet man in der hinteren Abtheilung desselben den Samentrichter und in der vorderen den Hoden (wie gesagt, von ähnlicher Form wie bei Lumbricus turgidus). Fig. 7 stellt einen vertikalen Längsschnitt durch die Kapsel dar, aus dem die Lagerungsverhältnisse ersichtlich sind. Die Samentrichter sitzen in gewöhnlicher Weise der Vorderseite der Septa 9/10 und 10/11 an; die Hoden dagegen sind der Innenwand der Kapsel angehelftet. Die Stelle der Kapsel, an der der hintere Hode befestigt ist, ist durch einen bindegewebig-muskulösen Strang mit dem Septum 9/10 verbun- den, wie schon von Horsr angegeben; an der entsprechenden Stelle im Segment 9 fehlt dagegen ein solcher Strang in Übereinstimmung mit der Unvollständigkeit des Septum 8/9. Diese Verhältnisse lassen sich am einfachsten in folgender Weise deuten: Von der Hinterfläche des Septum 8/9 hat sich das Peritoneum Unters. über den Bau und die Entwicklung der Geschlechtsorgane der Regenwürmer, 311 mit den Hodenanlagen losgelöst, und es hat unter und seitlich vor dem Darme eine Verbindung mit der Vorderfläche des folgenden Septum eingegangen, indem es nach einer quer ausgezogenen ringförmigen Linie mit derselben verwachsen ist. In dieser Weise hat man sich die Herstellung der bindegewebigen Kapsel zu denken, in der selbstver- ständlich Hoden und Samentrichter einander gegenüber liegen. Das gegebene Beispiel wird nun im folgenden (10.) Segmente befolgt, jedoch in so fern modifieirt, als hier das vordere Septum nicht aufgelöst wird, und somit keine Loslösung des ganzen Peritoneum stattfindet. Wuche- rungen und Verwachsungen mit dem Septum 10/14 müssen jedoch in ähnlicher Weise vorgehen wie im Segment 9. Die Verbindung des Hodens mit dem Septum bleibt hier in der Form des bindegewebigen Stranges erhalten. Um den vollkommen genügenden Beweis für diese Deutungen liefern zu können, wäre es indessen nothwendig die Entwicklung der erwähnten Theile bei Perichaeta zu untersuchen, wozu mir aber das nöthige Material fehlte. Die Ovarien sind bei unseren gewöhnlichen Regenwürmern ge- nügend bekannt. Dieselben haben bei allen unseren gewöhnlichen Arten fast den gleichen Bau: sie sind platte Organe mit breiter Basis, von der aus sie sich allmählich verjüngen, bis sie schließlich in einen einzigen perlschnurförmigen Faden auslaufen, deren Anschwellungen den reifsten Eiern entsprechen. Diesen Faden fand ich relativ am längsten bei L. terrestris, am kürzesten bei L. foetidus; er kann gerade oder umgebogen sein. Bei Perichaeta dagegen haben die Ovarien ein ganz anderes Aussehen; sie sind hier den Hoden derselben Gattung oder denen von Lumbricus turgidus in der Form ähnlich; nur sind die fingerförmigen Lappen noch viel zahlreicher, und an der Spitze eines jeden solchen Lappens können sich reife Eier finden und austreten ; dies hängt offenbar mit einem anderen anatomischen Verhältnisse zu- sammen, wovon unten mehr. | Was den feinerenBau der Ovarien und Hoden betrifft, so sind sie parenchymatöse Organe, die aus einer dünnen Rinde von Peritoneum und einer inneren kompakten Masse von Keimzellen be- stehen. Während die Peritonealschicht der Ovarien wohl allgemein anerkannt ist, war BLoonrisin (l. c. p. 80) kürzlich nicht im Stande »to determine the line of demarcation between ceoelomie epithelial cells of the ordinary kind and those which build up the substance of the testis. There does not appear to be a complete investment of the testis by normal coelomic epithelium as there undoubtedly is of the ovary«. Schon 312 R. S. Bergh, Voısr ! bemerkt indessen gegenüber dieser Angabe, dass bei Branchiob- della die genannte Unterscheidung leicht sei2, und ganz dasselbe, finde ich, ist bei den Regenwürmern der Fall. Man betrachte nur die Fig. 19 und 20, und der Unterschied zwischen den Zellen der Rinde und des Markes tritt augenblicklich hervor, namentlich an den Kernen. Die Kerne der Peritonealschicht sind kleiner und sehr abgeplattet, sie sind homogen und färben sich recht intensiv; diejenigen der Innenmasse (der Keimzellen) sind viel größer, heller und rundlich; sie färben sich schwächer und enthalten ein sehr deutliches netzförmiges Plasma- gerüst. Bisweilen enthalten sie ein stark sich färbendes Kernkörper- chen (wie in Fig. 21), doch schien mir das Vorkommen eines solchen nicht ganz konstant zu sein. Die Grenzen zwischen den einzelnen Keimzellen gelingt es gewöhnlich nicht nachzuweisen. Bei Perichaeta - haben die Hoden genau dieselbe Struktur wie bei Lumbricus, wie aus Fig. 8 deutlich hervorgeht. — Ganz eben so verhält sich das jugend- liche Ovarıum mit Bezug auf seine Struktur: es zeigt sich hier genau derselbe Unterschied zwischen Keimzellen und Peritonealzellen, und die jungen Keimzellen haben hier ganz dasselbe Aussehen wie die- jenigen des Hodens. Während sie sich aber im Hoden nicht weiter ausbilden, wachsen bekanntlich im Ovarium einige derselben bedeu- tend an, indem sich zu gleicher Zeit Kern und Kernkörperchen stark vergrößern?!. Die Peritonealzellen umgeben die reiferen Eier ganz follikelartig, jedoch verlassen die Eier in völlig nacktem Zustand den Eierstock. In Fig. 9 ist ein Stück eines Präparates gezeichnet, das ich durch einen Zufall so glücklich war zu erhalten. Man hat hier so zu sagen den Process der Loslösung des Eies direkt vor den Augen. An der Spitze des Ovarıum sieht man nämlich ein Ei im Begriff auszu- treten; zur Hälfte ist es noch von den Zellen des Ovarialepithels be- deckt; zur Hälfte liegt es aber ganz frei. — Über die Variabilität in der Anordnung der Gefäße des Ovarium hat schon Herring (l. c. p. 403) berichtet; dieselben Variationen zeigen auch diejenigen der Hoden. Die Hoden und Ovarien sind die einzigen Theile des Geschlechtsapparates, die schon während des Kokon- i W, Voigt, Über Ei- und Samenbildung bei Branchiobdella. Arbeiten a. d. zool.-zoot. Institut in Würzburg. Bd. VII. 4885. p. 331—332. 2 Auch Vespovsky (System und Morphologie der Oligochaeten. p. 135) giebt für die Oligochaeten ganz im Allgemeinen eine feine Peritonealschicht an den Hoden an. 3 Beide Figuren sind auch zur Demonstration anderer Verhältnisse angefertigt, und die darin dargestellten Hoden sind jugendlich;; der erwachsene Hode zeigt aber genau dieselben Verhältnisse. 4 Die von CLArAREDE erwähnte Duplicität des Keimfleckes vermochte ich eben so wenig wie VEIDOVSKY zu erkennen. Unters. über den Bau und die Entwicklung der Geschlechtsorgane der Regenwürmer. 313 lebens angelegt werden; allerdings werden sie erst in der spä- testen Periode desselben deutlich. Fig. 10 stellt das jüngste von mir aufgefundene Stadium ihrer Entwicklung dar, dieselbe ist ein Theil eines sagittalen Längsschnittes durch einen jungen aus dem Kokon ge- nommenen Regenwurm, der fast reif war denselben zu verlassen. (Jüngere Würmer habe ich zwar auch öfters in derselben Weise ge- schnitten, jedoch waren mir an solchen niemals die Anlagen der Ge- scehlechtsdrüsen deutlich.) Die erwähnte Figur wird wohl, hoffe ich, auch dazu dienen können, die letzten Zweifel an der Hodennatur der in den Segmenten 9 und 10 gelegenen Körperchen zu beseitigen. Denn es ist ja aus der Figur ersichtlich, dass diese Körperchen nach Lage und Struktur eine vollkommene Identität mit den Ovarien zeigen. Es ist für die Wirbelthiere wohl bekannt, dass Hoden und Ovarien ur- sprünglich dieselbe Struktur zeigen, dass sich namentlich bei beiden Geschlechtern im Keimepithel große Zellen, sog. Ureier ausbilden. Die Geschlechtsdrüsen der Regenwürmer sind wohl zweifellos als Wuche- rungen des Peritoneum entstanden, und sie differenziren sich Anfangs in genau der gleichen Weise: es bildet sich sowohl an den Ovarien wie an den Hoden eine Rinde von dünnen Peritonealzellen mit abge- platteten Kernen und eine innere Masse von größeren Zellen (Urkeim- zellen), die schon an dieser frühen Entwicklungsstufe das Plasmagerüst im Inneren zeigen. Die Homodynamie der drei Geschlechtsdrüsen- paare leuchtet hieraus deutlich hervor. — In Fig. I1a und A1b sind ein soleher junger Hode und ein junges Ovarıum bei stärkerer Ver- größerung gezeichnet. Samenblasen und Samenkapsel. Eihälter. Bevor ich zur näheren Beschreibung der erstgenannten Theile übergehe, müssen ein paar Bemerkungen über die Benennung der- selber vorausgeschickt werden. Seit Herıne spricht man gewöhnlich von einer mit verschiedenen paarigen »Anhängen« versehenen un- paaren »Samenblase«, die die Hoden und Samentrichter umschließt, so wie es der genannte Verfasser bei Lumbrieus terrestris geschildert hatte. Es möchte jedoch zweckmäßig sein, künftig nur die paarigen »Anhänge« als Samenblasen zu bezeichnen, den mittleren unpaaren Theil dagegen als »Samenkapsel« zu unterscheiden. Die genannten | Theile sind nämlich ihrem anatomischen (und wahrscheinlich auch ihrem genetischen) Verhalten nach sehr verschieden; außerdem gehören die ersteren zu den ganz konstanten Theilen des Geschlechtsapparates der ‚ Regenwürmer, während die letztere eine accessorische, nur bei einigen Arten vorkommende Bildung darstellt. 314 R. 8. Bergh, Die einfachsten Verhältnisse finden wir bei einigen Arten der Gattung Lumbricus, bei L. turgidus, L. mucosus, L. foetidus und L. riparius; alle diese Arten gehören zu der Gruppe, die von Eısex! mit dem Gattungsnamen Allolobophora belegt wurde. Die mediane Samenkapsel fehlt hier gänzlich: wenn man einen hierher gehörigen Wurm von der Rückenseite öffnet und seine Haut ausspannt, so sieht man gleich die Samentrichter ganz unbedekt, frei in der Leibeshöhle liegen (Fig. 1, 2). Von Samenblasen finden sich bei diesen Arten jeder- seits vier, im 8., 9., 40. und 11. borstentragenden Segment gelegen. Die beiden vorderen sitzen der Vorderseite der hinteren Septa der be- treffenden Segmente an, die beiden hinteren sind dagegen an der Hinterseite der vorderen Septa befestigt (Fig. 1). Jede derselben hat eine feine Öffnung in die Leibeshöhle, und zwar öffnen sich das erste und dritte Paar in die Höhle des 9., das zweite und vierte Paar in die des 10. Segments hinein. Es lässt sich somit sagen, dass jedes Hodensegment bei diesen Arten ein paar Ausstülpungen nach vorn und ein Paar nach hinten hat. Die beiden vorderen Paare sind gewöhnlich kleiner und liegen mehr seitlich, gegen den Rücken hinauf; die beiden hinteren dagegen sind größer und sind näher der Median- linie und der Ventralseite an den betreffenden Septa befestigt. Bei den zu der Gattung Lumbricus s. str. (Eısen) gehörigen Arten, L. terrestris, L. rubellus und L. purpureus liegen die Verhältnisse etwas anders. Erstens ist zu bemerken, dass von den vier Samenblasen jederseits die zweite fehlt; die beiden Hodensegmente verhalten sich also hier ungleich, indem nur das vordere sowohl nach vorn wie nach hinten Ausstülpungen besitzt, das hintere dagegen nur die beiden hin- teren Divertikel hat. Dann aber, was viel wesentlicher ist, existirt hier, wie von Hrrıne nachgewiesen, die mediane Samenkapsel. Es ist nämlich durch das 9. und 10. Segment oberhalb der Hoden, der Samentrichter, der Bauchkette und der Mündungsstellen der Samen- blasen und unterhalb des Darmkanals und des Bauchgefäßes eine feine Haut horizontal ausgespannt, durch welche jede der betreffenden Seg- menthöhlen in eine obere größere und eine untere kleinere Abthei- lung zerfällt; der Raum der Samenkapsel ist also nur ein abgegliederter Abschnitt der Leibeshöhle (was nicht unbedingt von den Hohlräumen der Samenblasen behauptet werden kann). Wie schon von Herınd an- gegeben, setzt sich das Septum 9/10 quer durch die Samenkapsel fort. Herına hat in seiner Fig. I eine ausgezeichnete bildliche Darstellung dieser Verhältnisse bei L. terrestris gegeben. Bei L. rubellus, den ich 1 Oefvers. Sv. Vetensk. Akad. Förhandl. 1873. Nr. 8. Unters. über den Bau und die Entwicklung der Geschlechtsorgane der Regenwürmer. 315 nicht untersuchte, verhalten sich die erwähnten Theile nach ihm ganz eben so; bei L. purpureus ist dasselbe nach meiner Untersuchung der Fall. Hier zeichnet sich das hintere Samenblasenpaar durch besondere Größe aus; es erstreckt sich weit nach hinten bis ins 44. Segment, die betreffenden Septa hinter sich vorschiebend !. Schon oben wurde der Samenkapsel von Perichaeta Erwähnung gethan, die meisten ihrer anatomischen Verhältnisse so wie ihre ver- muthliche Bildungsweise wurden da besprochen. Es ist schon möglich, dass diese Bildung der Samenkapsel von Lumbricus terrestris etc. nicht vollkommen homolog ist, theils wegen mehrerer schon oben erwähnter Verhältnisse, theils weil das Häutchen bei Perichaeta oberhalb, bei Lumbrieus unterhalb des Bauchgefäßes ausgespannt ist. Es finden sich von Samenblasen bei Perichaeta zwei Paare, die mit den von den Au- toren sogenannten »Hoden« identisch sind. Sie liegen im 10. und 11. Segment, öffnen sich durch die vorderen Septa nach vorn und ent- sprechen demgemäß den beiden hinteren Paaren der gewöhnlichen Regenwürmer. Die Samenblasen und Samenkapsel bilden Reservoirs, in welchen die Spermatozoen sich ausbilden und reifen. Die Mutterzellen dieser letzteren lösen sich von den Hoden ab und machen in den Samenblasen einen eigenthümlichen Entwicklungsgang durch, der von BLooMFIELD (l. e.) eingehend untersucht wurde. In welcher Weise aber die von den Hoden sich loslösenden Zellen gerade in die Samenblasen hinein- gerathen, ist mir nicht verständlich geworden. Ich habe vergeblich nach solchen flimmernden Strecken in der Leibeshöhle gesucht, wie sie 2. B. bei den Froschweibchen periodisch auftreten und die hier die Eier zur inneren Tubamündung hinleiten. Mit Bezug auf den feineren Bau der Samenblasen hat BroomrieLD richtig hervorgehoben, dass es feinkammerige Organe sind; in dieser Beziehung weichen sie auch vollständig ab von der medianen Kapsel, deren Hohlraum ganz einfach ist. Die Außenwand der Samen- blasen ist natürlich eine Peritonealschicht; sie ist hier eine einschich- tige, sehr platte und dünne, epithelartige Haut, die einfach in das ge- wöhnliche Peritoneum an der Vorderfläche resp. Hinterfläche des Septum 2 D, Rosa hat kürzlich (l. c.) eine eigenthümliche Anordnung der Samenreser- voirs bei Lumbricus (Allolobophora) complanatus beschrieben. Es fehlt hier eine mittlere Samenkapsel; dagegen finden sich in den Segmenten 9 und 40 paarige Kapseln; in die vordere münden die erste und dritte, in die hintere die zweite und vierte Samenblase. Sie schließen natürlich nicht die Bauchkette ein; in jede der- selben öffnet sich aber ein Samentrichter (und liegt wohl ein Hode, hierüber er- fahren wir allerdings beim Verfasser nichts). — Über diese Verhältnisse bei L. tur- gidus und Verwandten bringt Rosa nur Bekanntes. 316 R. S. Bergh, übergeht (Fig. 12). Von der Innenseite dieser Außenwand gehen nun die feinen Lamellen aus, durch welche jede Samenblase in eine große Anzahl von Fächern oder Kammern getheilt wird, in denen die reifen- den Samenzellen ihre Lage haben. Es ist durchaus nicht möglich, überall bestimmte epithelartige Wandungen der Kammer nachzuweisen, oft erscheinen dieselben einfach als Bindegewebslücken. Die Organe sind sehr reich an Gefäßen, die vom Septum aus hineinstrahlen, wie schon von BroomrieLD hervorgehoben; außerdem finde ich an Durch- schnitten, dass zahlreiche Muskelfasern von der Mündungsstelle nach allen Richtungen hin ausstrahlen. Kontrahiren sich diese, dann erfolgt selbstverständlich die Entleerung eines Theils desInhaltes. An der eben erwähnten Mündungsstelle ist das Peritoneum der entgegengesetzten Seite des Septum eingebogen (Fig. 12): von der Mündung aus geht eine kurze Strecke in das Organ hinein ein enger, von deutlichem Epithel begrenzter Kanal, der an seinem Ende eine kleine Erweiterung erfährt; in diese letztere münden die erwähnten Kammern (Bindegewebslücken). — Die Wand der Samenkapsel von Perichaeta ist von viel festerem, dichterem Gefüge als bei Lumbriecus terrestris; an Schnitten lässt sich auch erkennen, dass sie bei jener eine ansehnliche Dicke hat und zahl- reiche Muskelfasern enthält (vgl. Fig. 7). Was die Entstehungsgeschichte der Samenblasen bei den Regenwürmern betrifft, so ist, so viel mir bekannt, nichts That- sächliches vorgebracht worden; von Ray LAnkEster, dem sich BLoom- FIELD angeschlossen hat, wurde aber die Vermuthung ausgesprochen, dass sie »originate as pocket-like outgrowths of the side-walls of these rosettes« (s. der Samentrichter). Diese Vermuthung hat sich in- dessen durch meine an Lumbricus turgidus angestellten Untersuchungen als unrichtig herausgestellt, und danach muss das von BLoonMrFIELD (]. €. p. 79) gegebene Schema als in dieser Beziehung höchst verfehlt be- zeichnet werden; die Figur giebt nur die Lanksster’sche Phantasie, aber keineswegs die Natur wieder. Es ist nämlich keineswegs schwer sich davon zu überzeugen, dass die Samenblasen eben vollkommen unab- hängig von den Samentrichtern entstehen. Beide Theile werden aller- dings in sehr später Zeit, nach dem Ausschlüpfen aus dem Kokon, ange- | legt; aber die ersten Anfänge derselben liegen fern von einander. Fig. 13 stellt einen Vertikalschnitt durch eine sehr junge Samenblase dar; die- selbe gehört dem hintersten Paare derselben an. Der Schnitt hat die Nr. 55 der ganzen Serie; schon im Schnitt Nr. 64 sieht man nicht mehr | die Verbindung der Samenblase mit dem Septum, und im Schnitt Nr. 68 ist jede Spur derselben verschwunden. Erst im Schnitt Nr. 72 tritt der äußere Rand der Samentrichteranlage derselben Seite auf, und e on nn —- nn a nn nn u EERBERZTET ZU > | “ | j Unters. über den Bau und die Entwicklung der Geschlechtsorgane der Regenwürmer. 317 am stärksten findet man diese in den Schnitten Nr. 74—75!; im Sehnitt Nr. 80 hört sie wieder auf. Zwischen der Anheftungsstelle der Samenblase und dem Außenrande der Samentrichteranlage fallen also zehn Schnitte, und da die Schnitte eine Dicke von 1/3, —!/y, mm haben, heißt das also: Zwischen den beiden genannten Anlagen liegt ein Abstand von !/;—!/, mm. Davon kann man sich übrigens auch überzeugen, wenn man nach Abtödtung durch ein Reagens (Sublimat, Chromsäure) die betreffenden Septa vorsichtig wegschneidet (nach vor- hergehender Wegnahme des Darmkanals). Man findet dann an der Hinterseite der Septa jederseits ein kleines, weißes Knötchen, an der Vorderseite einen kleinen, weißen Wulst, und schon so ist es ersicht- lich, dass beiderlei Dinge wohl umschriebene, von einander gänzlich getrennte Bildungen sind. Zum Überfluss bemerke ich noch, dass das- selbe, was hier von den hinteren Samenblasen ausgeführt wurde, eben sowohl für die vorderen gilt: auch diese stehen vom Anfang an in durchaus keiner Beziehung zu den Samentrichtern. — Aus der er- wähnten Schnittserie ist zugleich zu ersehen, dass die Entstehung der Samenblasen auf Wucherungs- und Einstülpungsvorgängen der Septa 8/9, 9/10 und 10/11 beruht. Das Gewebe der jungen Samenblasen ist noch sehr parenchymatös (Fig. 13), und dieselben haben wohl noch nicht angefangen die Hodenzellen aufzunehmen, jedenfalls findet man keine der so leicht kenntlichen Entwicklungsstadien der Spermatozoen. So viel ich einsehen kann, partieipiren an der Bildung dieser Organe alle drei Blätter der Septa. Das Außenepithel und die hindegewebige Grundmasse der Samenblasen gehen aus dem Peritoneum der einen Seite der Septa hervor; das Peritoneum der anderen Seite stülpt sich ein und bildet den Mündungskanal mit deren Erweiterung, und von der Grundmembran der Septa wachsen die Muskelfasern und die Ge- fäße in die Samenblasen hinein. Erst später weichen die Zellen der parenehymatösen Grundmasse aus einander und bilden das Balkenge- rüst zwischen den in dieser Weise entstehenden Lücken, in die die Ho- denzellen hinein gerathen. Die Entstehungsgeschichte der medianen Samenkapsel von Lum- _ brieus terrestris habe ich nicht verfolgen können. Indessen geht so viel ' aus den Untersuchungen BroonrieLp’s (Bourne’s), die von Vespovskv be- stätigt werden, hervor, dass die Samenblasen viel früher als und ganz unabhängig von der medianen Kapsel angelegt werden. Eine Zeit lang ! Diese letztgenannten Schnitte entsprechen bezüglich der Ausbildung des Samentrichters der Fig. 20. Diese stellt die vordere Samentrichteranlage der- selben Seite dar, und dieser Schnitt wurde desshalb ausgewählt, weil sowohl , Samentrichter wie Segmentaltrichter und Hode vorzüglich getroffen sind. 318 R. S. Bergh, hat also hier der männliche Geschlechtsapparat ganz denselben typischen Bau wie bei L. turgidus — abgesehen von dem Fehlen des zweiten Samenblasenpaares; es stimmt dies eben sehr gut überein mit dem oben ausgesprochenen Satze: dass die Samenblasen zu den konstanten typischen Theilendes g'Geschlechtsapparates der Regenwürmergehören, dass dagegen die Samenkapsel eine accessorische Bildung ist. In wie fern übrigens die Angaben Broonrerv’s und Vzıpovsky's über die Ent- stehung der letzteren richtig sind oder sein können, lasse ich dahinge- stellt, nicht ohne gewisse Bedenken dabei zu empfinden. Der Funktion, und wie wir sehen werden, auch dem Baue und der Entwicklung nach entsprechen diesen Reservoirs für den reifenden Samen am weiblichen Geschlechtsapparate die Eihälter (Receptacula ovorum), Reservoirs für die reifen oder reifenden Eier, deren bekannt- lich mehrere auf einmal (in jedem Kokon) abgelegt werden. Bei Peri- chaeta, wo mit einem Male viele Eier aus dem Ovarium austreten können, fehlen jene Gebilde vollkommen?; bei allen unseren gewöhn- lichen Regenwürmern sind sie aber vorhanden. Sie liegen immer im 13. Segment, an der Hinterseite des vorderen Septum (Fig. I ro) und öffnen sich an dessen Vorderseite im 12. Segment, in einem Zipfel am oberen Ende des Eileitertrichters. Der Bau dieser Organe ist dem- jenigen der Vesiculae seminales ganz analog: es sind nicht einfache Bläschen, sondern ihr Lumen ist durch bindegewebige Balken in meh- rere Kammern getheilt (Fig. 14), und diese Räume, in denen die Eier liegen, sind auch einfache Lücken im Bindegewebe, ohne regelmäßige 1 BLOOMFIELD (l.c. p.81) drückt sich darüber folgendermaßen aus: »As sexual maturity approaches, the three primitive pairs of seminal vesicles become larger and larger, and finally the four (soll wohl heißen »two«) anterior pairs meet in one mass in such a way as to form a central body covering in the rosettes and testes of the tenth segment and also encroaching upon the eleventh segment; to the four corners of this central oblong body are attached four lobes corresponding to the an- terior and middle pair of the primitive seminal vesicles. A similar coalescence ofthe proximal portion of the posterior pair has taken place in the eleventh segment, with invasion of the area of the twelfth segment; but there are only two lobes — the back- ward growing pair of vesicles, which appeared on the septum between segments 44 and 42.« — VEIDOYsKY (l. c. p. 437) hat sich diesen Angaben angeschlossen. 2 Schon PERRIER (l. c. p. 146) hat auf die Existenz zweier oberhalb der Ovarien gelegener Körperchen bei seiner Perichaeta robusta aufmerksam gemacht. Ich fand ähnliche Körperchen bei meiner einen Art (P. aff. Hasselti) und außerdem noch ganz entsprechende bläschenförmige Körperchen im folgenden Segment. Diese letzteren öffnen sich zwar in die Leibeshöhle, stehen aber mit den Eileitertrichtern in keiner Verbindung und fungiren jedenfalls nicht als Eihälter. Denn in ihrem Inneren traf ich keine Eier, sondern nur Pseudonavicellen und eigenthümliche, stark färbbare Körperchen, mit denen ich nichts anzufangen weiß. Ähnlich war auch der Inhalt _ der oberhalb der Ovarien gelegenen Bläschen. “= Unters. über den Bau und die Entwicklung der Geschlechtsorgane der Regenwürmer. 319 epitheliale Begrenzung !. Die Schichtenfolge ist ganz dieselbe wie bei den (hinteren Paaren der) Samenblasen: nach außen eine Epithelial- schicht, die etwas höher ist als an den eben genannten Organen und sich in das Peritoneum an der Hinterseite des Septum 12/13 fortsetzt; innerhalb dieser liegt dann die gefäß- und muskelhaltige bindegewebige Grundsubstanz, und endlich an der Öffnung findet sich natürlich das Flimmerepithel des Eileitertrichters (modifieirtes Peritoneum an der Vorderseite des Septum). Der Gefäßreichthum dieser Organe ist recht groß, im frischen Zustande erscheinen sie desshalb gewöhnlich roth gesprenkelt. Die Übereinstimmung mit den Samenblasen beschränkt sich nicht auf den Bau der Eihälter im fertigen Zustande; auch die Entstehungs- weise ist ganz identisch. Wie die Samenblasen unabhängig von den Samentrichtern entstehen, so entwickeln sich auch die Eihälter ur- sprünglich gesondert von den Eileitertrichtern, haben mit diesen An- fangs nichts zu thun. Fig. 15 stellt ein frühes Stadium der Entwick- lung des Eihälters im Längsschnitt dar; die Ähnlichkeit mit der Fig. 13 ist nicht zu verkennen. Als wesentlicher Unterschied muss nur hervor- gehoben werden, dass man in der Fig. 15 noch den oberen Rand des Eileitertrichters als Peritonealverdickung bemerkt, die allerdings in ansehnlichem Abstande von der Mündung des Eihälters aufhört. Der Eihälter entsteht als eine mit Einstülpung an der Vorderseite kom- binirte Wucherung des Septum 12/13; die Peritonealeinstülpung an der Mündung wird hier, wie es scheint, etwas tiefer als an den Samen- blasen. Erst später bildet sich auch an der Mündunssstelle der Eihälter das Peritoneum als verdicktes Wimperepithel aus, und dadurch wird der bleibende Zustand erreicht, wo der Eihälter nur als ein Anhangs- organ des Eileitertrichters erscheint. Samenleiter und Eileiter. Die allgemeine Anordnung dieser Theile ist genügend bekannt. Die Samenleiter beginnen jederseits mit zwei im 9. und 10. Segment gegenüber den Hoden liegenden, gefalteten, wimpernden Trichtern ; die von diesen ausgehenden Gänge vereinigen sich bei den Lumbrieusarten jederseits gewöhnlich schon im 41. Segment (bisweilen auch erst weiter nach hinten) und münden im 44. Segment zwischen den äußeren und : An dem analogen Gebilde bei den westindischen Peripatusarten ist auch nur an der Mündung (in den Eileiter hinein) echtes Epithel vorhanden, der übrige Hohl- raum ist eine Bindegewebslücke (Kennen, Entwicklungsgeschichte von Peripatus Edwardsii Blanch. und P. torquatus n. sp. Arbeiten aus dem zool.-zoot. Institut in Würzburg. Bd. VIII, 4. 4886. p. 66) 320 R. S. Bergh, inneren Borstenpaaren nach außen. Bei Perichaeta erstrecken sie sich einige Segmente weiter nach hinten, sie münden hier erst im 17. Seg- ment aus. An ihrer Mündung nehmen sie bei der letztgenannten Gat- tung das Sekret einer großen, gelappten Drüse, einer Prostata auf!. Diese reicht gewöhnlich vom 15. bis zum 19. Segment; ein einziger sehr stark gebogener Ausführungsgang der Drüse mündet in die g' Ge- schlechtsöffnung. — Die Samenleiter verlaufen von ihrem Ursprunge aus den Trichtern Anfangs schräg nach außen und hinten, später gerade nach hinten; bei unseren gewöhnlichen Regenwürmern liegen sie dann zwischen den äußeren und inneren Borstenpaaren. Nur in der Nähe der Trichter liegen sie noch frei in der Leibeshöhle; weiter nach hinten liegen sie gewöhnlich an der Grenze von Peritoneum und Längsmus- kulatur der Leibeswand (vgl. Fig. 16 von Lumbricus foetidus), indessen können sie auch tiefer, ganz in der Längsmuskulatur gelagert sein (Fig. 17 von L. riparius). | In ganz entsprechender Weise fangen die Eileiter gegenüber den Ovarien mit gefalteten Wimpertrichtern an (Fig. 14), die jedoch nicht so frei wie die Samentrichter flottiren, sondern so zu sagen mehr sessil sind. Von jedem Trichter gehen zwei Kanäle aus: ein ganz kurzer (oben), in dem Receptaculum ovorum blind endigend , und ein etwas längerer (unten), der Eileiter, der bei unseren gewöhnlichen Regenwürmern schräg nach außen und hinten läuft, um im 13. Segment zwischen den äußeren und inneren Borstenpaaren (näher den inneren) nach außen zu münden?. Bei Perichaeta dagegen laufen die beiden Eileiter schräg nach innen und hinten und vereinigen sich im 13. Seg- ment zu einer medianen Öffnung an der Bauchseite. Sowohl die trichterförmigen wie die kanalförmigen Theile der Samenleiter und Eileiter sind von einem Flimmerepithel gebildet (Fig. 14, 16), deren Wimperhaare nicht sehr lang, sondern recht kräftig sind. Um dieses Epithel liegt an den Trichtern und an den Theilen der kanalartigen Abschnitte, die noch in der Leibeshöhle liegen, eine bindegewebige Schicht, die sehr reich an Blutgefäßen ist, aber keine Muskelfasern enthält. Wo die Kanäle in die Leibeswand hinaustreten, wird es dagegen unmöglich eine solche Außenschicht zu unterscheiden (Fig. 16, 17). Über die Entwieklungsgeschichte der Samenleiter und ! Diese Drüse scheint (individuell) nicht so sehr konstant zu sein. Bisweilen fehlte sie bei meinen Perichaeten an beiden, bisweilen an der einen Seite gänzlich. Sonderbar genug waren nichtsdestoweniger in allen diesen Fällen die Ausführungs- gange vorhanden. ? Vgl. die vortreflliche Fig. 2 von Herıng. Unters. über den Bau und die Entwicklung der Geschlechtsorgane der Regenwürmer. 321 Bileiter bei den Regenwürmern liegt, so viel mir bekannt, keine ein- zige Angabe vor; dagegen hat Vrımovsky! über die Entstehung der Samenleiter bei anderen Oligochaeten eingehende Studien veröffent- licht. Vemovsky hat wesentlich solche Formen untersucht, bei denen Segmentalorgane und Geschlechtsgänge nicht in denselben Segmenten vorkommen, und wo man desshalb früher — besonders nach dem Vor- gange von CLArartDE — die Samenleiter und Eileiter als die umge- bildeten echten Segmentalorgane der betreffenden Segmente ansah. Vespovsky hat nun nachgewiesen, dass in den Segmenten, wo später Samenleiter und Eileiter sich finden, ursprünglich (beim jungen Thier) ganz normale Segmentalorgane vorhanden sind, die aber gegen die Zeit der Geschlechtsreife degeneriren. Die Samenleiter bilden sich neu, und von denselben entstehen immer zuerst die Trichter als kleine, so- lide Zellgruppen, Verdickungen des Peritoneum an der Vorderseite der Septa; jede solche Zellgruppe wächst nach hinten in einen soliden Zell- strang (die Anlage des kanalartigen Theils) aus, der sich schließlich aus- höhlt und mit einer Einstülpung der Epidermis verbindet (aus letzterer geht das sog. Atrium hervor). Über die Entwicklung der Eileiter hat Vesnovsky keine Untersuchungen angestellt, er vermuthet aber, dass sie in derselben Weise wie die Samenleiter entstehen. Was nun die Regenwürmer betrifft, so gehen bekanntlich die Seg- mentalorgane der Samen- und Eileitersegmente keineswegs zu Grunde, sondern persistiren das ganze Leben hindurch. Von der Entwicklung der Geschlechtsgänge gelang es mir nur diejenige der Trichterabschnitte einigermaßen vollständig zu verfolgen; diese Theile bilden sich erst eine Zeit lang, nachdem die jungen Regenwürmer die Kokons verlassen haben. Untersucht man solche ganz junge Thiere, die eben aus dem Kokon gekrochen sind, an vertikalen Längsschnittserien, so findet man an den Septis 9/10 und 10/41 gegenüber den Hoden nur die Segmental- trichter aufgehängt, und weder diese noch die Septa selbst sind in irgend einer besonderen Weise ausgebildet, sondern präsentiren sich ganz wie die ‚entsprechenden Theile in gewöhnlichen ungeschlecht- lichen Segmenten. Eben dasselbe gilt von dem Septum 12/13 gegen- über den Ovarien: auch hier sind in diesem Stadium nur gewöhnliche Segmentaltrichter vorhanden?. — In etwas älteren Stadien findet ! Monographie der Enchytraeiden, p. 40—46;; System und Morphologie der | Oligochaeten , p. 133, 439, 448. Vespovsky hat mit Bezug hierauf Anachaeta, | Enchytraeus, Stylaria, Chaetogaster, Psammoryctes, Phreatothrix und Claparedilla ‚ untersucht. Er arbeitete wesentlich an lebendem Material. ? Die Verhältnisse sind in solchen Stadien der Fig. 40 sehr ähnlich; nur sind | ‚ die Geschlechtsdrüsen größer und weiter ausgebildet. Zeitschrift f, wissensch. Zoologie. XLIV. Bd. 24 | 392 R. S. Bergh, man die Verhältnisse sehon etwas anders; man vgl. hierzu die Fig. 49 und 21, die nach zufälligerweise sehr günstig gefallenen Schnitten genau gezeichnet sind; die Segmentaltrichter sind nämlich hier ihrer ganzen Länge nach durchgeschnitten. Ein solcher normaler Segmental- trichter besteht aus einer inneren, höheren Schicht von größeren, wim- pernden Zellen, und einer äußeren, platten, kleinzelligen Lage (Peri- toneum). Wenn wir nun die beiden Segmentaltrichter der Fig. 19 und 21 betrachten, so sind sie an der Ventralseite (rechts) normal aus- gebildet; an der Dorsalseite (links) dagegen ist das Peritoneum stark modifieirt. Es ist hier keine flache Schicht mit abgeplatteten, weit von einander entfernten Kernen; es hat eine starke Verdickung stattge- funden, und die Kerne liegen sehr gedrängt, sind hoch und stehen senkrecht zur Oberfläche. Das Peritoneum an der Vorderfläche der betreffenden Septa ist fast in seiner ganzen Ausdehnung sehr platt und schwach färbbar; nur an einer Strecke, da, wo es in die Peritonealver- diekung der Segmentaltrichter übergeht, ist auch jenes sehr verdickt, stark gefärbt und zeigt dieselben Charaktere wie die Trichterver- diekung. Diese Verdiekungensind nun, wie ihre Lage und wie die weiteren Stadien beweisen, die ersten Anlagen der Samen- und der Eileitertrichter. Schon an diesem Stadium ist übrigens die Physiognomie der Samentrichter und der Eileitertrichter verschie- den: die Samentrichteranlage hat sich vom Septum emporgehoben; die septale Verdickung der Trichteranlage des Eileiters dagegen ist nur eine ganz flache Erhöhung. Etwas weiter entwickelt finden wir diese Bildungen in den Fig. 20 und 22. Die peritoneale Verdickung an der Dorsalseite der Seg- mentaltrichter hat sich von demselben größtentheils abgehoben, indem sie nur als Rest ein flaches, ganz normales Peritoneum hinterlassen hat; Segmentaltrichter und Samentrichter resp. Eileitertrichter sind jetzt deutlich von einander abgegrenzte Gebilde. Bemerkenswerth ist es, dass die später so mächtigen Samentrichter jetzt noch nicht so weit | über das Septum hervorragen wie die Segmentaltrichter. Auch sind in diesem Stadium noch keine Wimpern an jenen gebildet. Die weitere Entwicklung dieser Theile beruht nur auf einer star- ken Vergrößerung und auf der Bildung zahlreicher Falten, wie man sich leicht vergegenwärtigen kann. Über die Bildung der kanalartigen Abschnitte der $Sa- men- und Eileiter sind leider meine Untersuchungen nicht zu | einem ganz zusammenhängenden Ergebnis gekommen; nur Folgendes konnte mit Sicherheit festgestellt werden. Erstens steht es fest, dass | die kanalartigen Theile später als die Trichter entstehen; denn an meh- | Unters. über den Bau und die Entwicklung: der Geschlechtsorgane der Regenwürmer. 323 reren Querschnittserien ließen sich nur die Trichter nachweisen, die Kanäle waren gar nicht angelegt. Und zweitens stellen die Anlagen der letzteren ursprünglich solide Zellenstränge dar, die erst nachträg- lich hohl werden. In Fig. 18 ist ein Querschnitt durch eine solche noch solide Anlage des Vas deferens dargestellt. Trotz zahlreicher Zerglie- derungen und trotz Anfertigung und Untersuchung zahlreicher Quer- schnittserien gelang es mir dagegen niemals ein Wachsthum der Sa- men- und Eileiter von den Trichtern gegen die äußeren Mündungen hinaus nachzuweisen; entweder waren sie schon in ihrer ganzen Länge angelegt, oder es waren nur die Trichter angelegt und keine Spur der kanalartigen Theile vorhanden. — Trotz der Negativität dieser Unter- suchungen möchte ich doch keineswegs die Ergebnisse VEsnovsky’s in Zweifel ziehen, sondern bin im Gegentheil sehr geneigt, anzunehmen, dass die kanalartigen Abschnitte der Samen- und Eileiter auch bei den Regenwürmern als Auswüchse von den Trichtern entstehen, dass sich aber dieser Vorgang hier so schnell abspielt, dass er schwer zu beobach- ten ist. Jedenfalls sind die von Vzspovsky untersuchten durchsich- tigen Formen in dieser Beziehung weit günstigere Objekte als die Lum- briciden. Was schließlich die Frage von der Homologie der Samen- und Eileiter mit Segmentalorganen betrifft, so kann ich er- stens darin VEspovsky vollkommen beistimmen, wenn er bemerkt, dass man nicht mit Bezug hierauf (wie es früher gewöhnlich geschah) einen fundamentalen Unterschied zwischen den Geschlechtswegen bei den Lumbrieiden und bei anderen Oligochaeten aufstellen darf. Die Über- einstimmung im Bau und in der Anordnung der einzelnen Theile ist so schlagend, dass sie sofort Jedem auffallen muss, und nachdem Eısıc ! sowohl die Mehrzahl von Segmentalorganen in einem einzelnen Seg- ment als das successive Vergehen und Neuentstehen solcher bei den Gapitelliden nachgewiesen hat, kann weder die Koexistenz von Ge- schlechtsgängen und von Segmentalorganen in denselben Segmenten noch auch das Vergehen letzterer bei der Bildung ersterer als Gegen- beweise gegen die Theorie angeführt werden. Auch aus der Ent- stehungsgeschichte der einzelnen Theile der Segmentalorgane ? und der ! H. Eısıc, Die Segmentalorgane der Capitelliden. Mitth. aus der Zool. Station zu Neapel. Bd. I. 1879. 2 VEovsky verdanken wir auch die eingehendsten bis jetzt veröffentlichten Untersuchungen über die Entstehungsgeschichte der Segmentalorgane (System und Morphologie der Oligochaeten. p. 122—124). Er wendet sich erstens scharf gegen die von mehreren Forschern gehegte Ansicht von einem ursprünglichen Zusammen- hang zwischen Urnieren » Kopfnieren«, die er zum ersten Mal bei Oligochaeten nachweist) und Segmentalorganen, eine Ansicht, die schon früher aus theoretischen Sur 324 R. 8. Bergh, Samen- und Eileiter liegt — so weit man sie bis jetzt kennt — keine einzige Thatsache vor, die gegen die allgemeine Homologie derselben spräche. Der Trichter entsteht zwar an den Segmentalorganen später, an den Geschlechtsgängen früher als der kanalartige Theil; wenn man indessen die kolossale Größe der fertigen Samentrichter und Eileiter- trichter im Verhältnis zu den Segmentaltrichtern in Betracht zieht, dann wird eine solche zeitliche Verschiebung kaum befremden. Die Samentaschen. Diese Organe, die lange Zeit für die Hoden der Regenwürmer ge- halten wurden, bieten sowohl was Zahl wie was Lage derselben betrifft, ‘eine ganz bedeutende Variabilität dar. Bei den meisten unserer ge- wöhnlichen Regenwürmer (L. terrestris, L. purpureus, L. turgidus, L. foetidus, L. mucosus und |nach Hrrıne] L. rubellus) kommen nur zwei Paare vor; bei L. riparius dagegen finden sich drei Paare, und bei süd- licheren Arten (L. complanatus, L. transpadanus) kommen noch mehr (sieben, resp. fünf) Paare vor. Auch bei anderen Gattungen, nament- lich bei Perichaeta, kommt eine ähnliche Variabilität der Zahl vor. Viel beachtenswerther ist jedoch die Verschiedenheit der Lage, die schon sehr auffallend hervortritt, wenn man nur einige der gewöhn- lichsten Regenwurmarten untersucht, indessen ist erst vor wenigen Jahren auf dieselbe hingewiesen worden. Allerdings ist in dieser Be- ziehung eine Differenz zwischen den Angaben Herıne’s und Ray Lan- KESTER’S ! vorhanden (wie schon in der Einleitung erwähnt); jedoch hat erst Ross (1. c.) die Aufmerksamkeit auf die specifischen Verschieden- heiten in dieser Beziehung gelenkt. Wie erwähnt, bin ich unabhängig zu denselben Ergebnissen wie dieser Verfasser gelangt; durch die Dar- stellung der Entstehungsgeschichte der Samentaschen hoffe ich außer- dem diese Lageverschiedenheiten etwas verständlicher zu machen. Die Lageverschiedenheiten der Samentaschen beziehen sich so- Gründen von BALFoOUR und auf Grundlage der Entwicklung der Blutegel von mir angefochten worden ist. Der ganze mesodermale Theil eines Segmentalorgans (Trichter und Schlingentheil) geht nach VEpovskyY aus einem einheitlichen Zellen- strang hervor; diese Ergebnisse gerathen in starken Widerspruch zu der Annahme, dass die Wimpertrichter Neubildungen an einem ursprünglich zusammenhängen- den und erst später sich abgliedernden Exkretionssystem darstellen (Ep. MEYER, BoURNE, Lang; vgl. insbesondere Lane, Monographie der Polycladen. 4884. Schluss- kapitel); auch gegen diese Annahme habe ich früher energischen Widerspruch er- hoben (Kosmos. 4885. Bd. I). — Aus dem Ektoderm bilden sich nach VEIDOVSKY nur die kontraktilen Endblasen der Segmentalorgane. 1 Aus LAnkEsTER’S Angaben glaube ich schließen zu dürfen, oz er mit Bezug hierauf Lumbricus turgidus untersuchte, Unters, über den Bau und die Entwicklung der Geschlechtsorgane der Regenwürmer. 325 wohl auf den Längs- wie auf den Querdurchmesser des Körpers. Wenn wir zunächst die Verhältnisse in ersterer Beziehung betrachten wollen, so finden sich bei vielen der gewöhnlichen Lumbricus- Arten (L. terres- tris, L. purpureus, L. foetidus; L. rubellus und L. complanatus nach Rosa) die Samentaschen entsprechend den Angaben Hrrıng’s im 8. und 9. borstentragenden Segment (bei L. complanatus außerdem in den Seg- menten 5,6, 7,10, 14), den hinteren Septis dicht angeheftet; ihre Ausfüh- rungsgänge laufen schräg nach hinten und öffnen sich in den Interseg- mentalfurchen 8/9 und 9,10 nach außen (vgl. Fig. 2 von L. foetidus). Bei anderen Arten aber, wie bei L. turgidus und L. mucosus liegen dieselben im 9. und 10. Segment, den Septis 8/9 und 9/10 dicht angeheftet, und ihre Mündungen finden sich in den Furchen 8/9 und 9/10, die Ausfüh- rungsgänge laufen also ein wenig nach vorn. Eben so verhält sich L. riparius, der aber noch ein vorderstes Paar von entsprechender Lage im 8. Segment besitzt, und ähnlich ist auch die Lage der Samentaschen bei den beiden von mir untersuchten Perichaeta-Arten, von denen die eine (P. indica) vier Paare in den Segmenten 5, 6, 7, 8 besitzt, die in den Furchen 4/5, 5/6, 6/7, 7/8 ausmünden; die andere Art (P. Hasselti aff.) hat nur zwei Paare, die den beiden vorderen der erstgenannten genau entsprechen. Wie gesagt, auch mit Bezug auf den Querdurchmesser des Kör- pers ist die Lage bei verschiedenen Arten sehr verschieden. Schon aus “den Fig. I und 2 (von L. turgidus und L. foetidus) ist dies ersichtlich. Bei letzterer Art liegen die Samentaschen viel seitlicher, d. h. also gegen die dorsale Medianlinie hinauf als bei ersterer; ihre Ausführungsgänge münden denn auch weit außerhalb (oberhalb) der äußersten Borsten- paare, im Bereiche des breiten Rückenlängsmuskels nach außen. Bei L. turgidus dagegen sind ihre Mündungen in den Linien gelagert, die die inneren Borsten der äußeren Paare der nach einander folgenden Seg- mente mit einander verbindet, und eben so verhalten sich die meisten unserer gewöhnlichen Regenwurmarten (z. B. L. terrestris, L. purpu- reus)i1. Rosı hat auch zuerst diesen Unterschied zwischen L. foetidus und den meisten anderen Arten hervorgehoben; indessen bemerkt er von den Mündungsstellen bei den letzteren nur, dass sie »in direzione del paio superiore di setole« befindlich sind. Die beiden Borsten des äußeren Paares sind einander bei den meisten dieser Arten so stark genähert, dass es ohne Zuhilfenahme von Querschnitten ganz beson- | ‘ Bei L. mucosus sind die Mündungen der Samentaschen nach einer neueren Mittheilung von Rosa (Note sui Lombrici del Veneto. Estr. dagli Atti del R. Istituto veneto di scienze, lettere ed arti. Tom. IV, ser. VI. 1886. p. 4) ähnlich wie bei L. foetidus gelagert. 326 R. S. Bergh, ders schwierig ist zu entscheiden, ob die Mündungen auf der Höhe der inneren (3.) oder der äußeren (%.) Borste sich findet, und Querschnitte scheint Rosa nicht angefertigt zu haben. Desshalb ist es auch weniger richtig, wenn Rosa zur Unterscheidung einiger Gruppen (innerhalb der Eısen’schen Gattung Allolobophora) die Mündungsstellen der Samen- taschen in der folgenden Weise benutzt: bei seiner zweiten Gruppe finden sich die Mündungen »in direzione del paio superiore di setole«; bei der vierten Gruppe (wo die Borsten weiter aus einander stehen) sind sie »in direzione della 3° setole« gelagert. Die Gruppen mögen aus anderen (theilweise auch von Rosı angeführten Gründen) natürlich und berechtigt sein; nach dem Gesagten wird aber der eben erwähnte Unterschied hinfällig. — Ähnliche Lageverschiedenheiten finden sich bei den beiden von mir untersuchten Arten von Perichaeta. Bei P. in- dica sind die Mündungen der rechten und linken Samentaschen um 40—-11 Borsten von einander entfernt; bei P. Hasselti aff. liegen die Mündungen viel mehr dorsalwärts; es findet sich hier zwischen ihnen etwa die doppelte Zahl von Borsten (trotzdem diese hier nicht viel dich- ter stehen als bei ersterer). Bei den meisten unserer gewöhnlichen Regenwurmarten sind die Samentaschen kugelrund, an einem kurzen Stiel (dem Ausführungs- gang) sitzend; bei Lumbricus purpureus sind sie jedoch von länglicher Form; auch sind sie hier (relativ) größer als bei den anderen Arten. Bei Perichaeta bestehen sie, wie es scheint, immer aus mehreren Ab- theilungen;; bei meinen beiden Arten sind zwei solche vorhanden, eine | größere Hauptabtheilung und eine kleinere Nebenabtheilung, die sich erst dicht an der Mündung vereinigen. Bei P. indica sind beide pilz- hutförmig, mit langen Stielen, wie von Horst (Niederl. Arch. f. Zool. Bd. IV, 1877—1878) richtig beschrieben; bei P. Hasselti aff. sind sie auch von sehr ähnlicher Form, nur ist die Nebenabtheilung eher faden- | föormig, indem nur eine rudimentäre Enderweiterung vorhanden ist. — Auffallend erscheint, dass Horst zuweilen das kleinere Nebenbläschen vor dem Septum gelegen fand; nach Prrrıer (l. c.) kommt bei P. Houl- leti eine dritte, vor dem Septum gelegene, drüsige Abtheilung kon- stant Vor. | Die Samentaschen bestehen aus einem ungewöhnlich schönen Cy- | linderepithel, das außen von einer kernhaltigen, bindegewebigen, ge- fäß- und muskelreichen Lage umgeben ist; diese geht in das Peritoneum derjenigen Septa über, an denen die Samentaschen angeheftet sind. | Diese äußere Lage hat eine geringere Dicke als das Epithel. Der Aus- | führungsgang besitzt dieselben beiden Schichten und zeigt in seinem | Baue sonst nichts Bemerkenswerthes. Unters. über den Bau und die Entwicklung der Geschlechtsorgane der Regenwürmer. 327 - Die Entstehung der Samentaschen ist, so viel mir bekannt, nicht früher bei den Regenwürmern untersucht worden; dagegen liegen für die limicolen Oligochaeten Angaben von Semper ! und VEIDovskY? vor, die allerdings beträchtlich von einander abweichen. Nach Srmper’s Angaben entstehen die Samentaschen bei Nais und Chaetogaster aus ursprünglich soliden, im Inneren gelegenen Zellgruppen, die sich nach- träglich aushöhlen und mit der Epidermis in Verbindung treten. Nach Vrspovsky dagegen entwickeln sie sich als Einstülpungen der Epider- mis, die von den übrigen Schichten der Leibeswand, Muskulatur und Peritoneum umhüllt werden und schließlich in die Leibeshöhle hinein- wachsen. Ich vermag mich nun in dieser Beziehung für die Lumbricinen meinem hochgeschätzten Lehrer Semper nicht anzuschließen; vielmehr kann ich in allem Wesentlichen nur die Angaben Vrpovsky’s bestätigen. Untersucht man Individuen der größeren Regenwurmarten, die von ansehnlicher Größe, aber noch nicht geschlechtsreif sind, so findet man sewöhnlich bei der einfachen Präparation keine Spur von Samentaschen in der Leibeshöhle; höchstens sind an ihrer Stelle zwei kleine weiße Knötchen sichtbar, die der Leibeswand dicht anliegen. Fertigt man nun Quer- und Längsschnittserien durch solche Würmer an, so ist es in- dessen nicht schwer, die Existenz von Anlagen’der Samentaschen nach- zuweisen. Fig. 24 stellt einen Längsschnitt durch die beiden Samen- taschenanlagen dar, Fig. 23 dagegen ist ein Querschnitt durch ein wenig weiter entwickeltes Stadium. Jüngere Stadien als Fig. 24 fand ich nie- mals, trotzdem eine Anzahl junger Regenwürmer mit Bezug hierauf untersucht wurde ?; entweder waren die Samentaschen noch gar nicht angelegt, oder ihre Bildung war schon eben so weit oder noch weiter vorgeschritten als die Fig. 24. In beiden Figuren sind die Samen- taschen an der Grenze der Längsmuskelschicht und des Peritoneum ge- lagert; sie sind kleine Epithelialbläschen, die von einer Peritoneal- schicht umgeben sind, und diese beiden Schichten sind schon sehr scharf von einander unterschieden. Die Bläschen haben schon deut- liche Lumina, ihre Ausführungsgänge sind aber noch solid, doch weist die Anordnung der Zellen darauf hin, dass auch jene im Begriff sind, ! €. Senper, Beiträge zur Biologie der Oligochaeten. Arbeiten aus dem zool.- zoot. Institut in Würzburg. Bd. IV. 1877. p. 87—92. ® Vempovsky, Monographie der Enchytraeiden, p. 47, so wie System und Mor- phologie der Oligochaeten. p. 150—151. 3 Von mehreren anderen Oligochaetenformen hat VrEsnovsky in seinen beiden eitirten Schriften noch jüngere Entwicklungsstadien der Samentaschen als die oben erwähnten beschrieben und abgebildet. 328 R. S. Bergh, hohl zu werden. — Es ist hieraus klar, dass die Samentaschen vom Hautmuskelschlauch aus in die Leibeshöhle hineingestülpt werden; wenn ferner erwägt wird, dass schon in so frühen Stadien das Epithel und die Peritonealschicht scharf getrennt sind, und dass ersteres mit der Epidermis in Verbindung steht, dann muss die Entstehung der Sa- mentaschen die folgende sein: es bilden sich in den Intersegmental- furchen Einstülpungen oder Einwucherungen der Epidermis, die an ihrem blinden Ende anschwellen und frühzeitig hohl werden. Das Peri- toneum verdickt sich um diese Anschwellung herum und wächst bis | zur Mündung hinaus. Ursprünglich ist diese Peritonealschicht eine in- differente Lage mit zahlreichen Kernen (Fig. 23, 24); erst später wach- \ sen in dieselbe Blutgefäße ein, und es bilden sich darin Muskelfasern ' aus. Ich vermag daher nicht mit Vrspovsky die Muskelfasern der Sa- | mentaschen als direkte Fortsetzungen der Muskulatur der Leibeswand anzusehen; vielmehr scheinen sie Neubildungen darzustellen. Diese Entwicklungsweise der Samentaschen macht auch die er- | wähnten Lageverschiedenheiten derselben etwas verständlicher. Nicht sowohl für die Querrichtung, die Unterschiede in der Beziehung wür- den sich in allen Fällen nur als einfache Verschiebungen von oben nach unten verstehen lassen; vielmehr aber mit Bezug auf die Längsrich- tung. Wenn nämlich die ersten Anlagen der Samentaschen innere Zell- gruppen wären, dann müssten dieselben z. B. bei Lumbricus terrestris und bei L. turgidus an ganz verschiedenen Lokalitäten entstehen, bei ersterem ganz hinten in den Segmenten 8 und 9, bei letzterem ganz vorn in den Segmenten 9 und 10, und daraus würde folgen, dass die beiden Paare bei diesen Arten trotz der genauen Übereinstimmung der Lage | ihrer Mündungen sich doch nicht entsprechen könnten; vielmehr könnte dann nur das erste Paar von L. turgidus dem zweiten von L. terrestris entsprechen, wobei zugleich eine starke Verschiebung von vorn nach hinten angenommen werden müsste; das vordere Paar von L. terrestris hätte bei L. turgidus kein Homologon, so wenig wie das hintere Paar dieser Art ein solches bei jener besitzen würde. Indem aber die Sa- | mentaschen als Epidermiseinstülpungen entstehen, müssen die Mün- dungen als die primären Anlagestellen den Ausgangspunkt für das Aufsuchen von Homologien bilden; die Lage der Bläschen kann dann verschieden werden, indem die jungen Anlagen von ihrer ersten Ur- | sprungsstelle in den Intersegmentalfurchen bald nach vorn, bald nach hinten wachsen; die Lageverschiedenheit der Bläschen bei den erwach- senen kann dann die Homologie nicht beeinträchtigen, wenn die Ur- sprungsstelle die gleiche war. — Bei Perichaeta verzweigt sich offenbar die Einstülpung, und bei P. Houlleti treffen wir den oben schon ge- En ne Unters. über den Bau und die Entwicklung der Geschlechtsorgane der Regenwürmer., 329 nannten interessanten Fall, dass ein Theil jeder Einstülpung in das vor- dere, zwei andere in das hintere Segment hineinwachsen. Bekanntlich hat man die Samentaschen der limicolen Oligochaeten öfters als umgewandelte Segmentalorgane gedeutet, und da die allge- meine Homologie jener Organe mit denen der Regenwürmer wohl jetzt kaum angezweifelt werden kann, so würde man konsequenterweise auch für die letztgenannten Thiere diese Deutung vertreten müssen. Unter den älteren Forschern haben besonders CLAPArkDE und LANKESTER derartigen Ansichten gehuldigt; allerdings sind ihre Ausführungen dar- über sehr verschieden. Vespovsky, der die Entstehung der Samen- taschen nachwies, verwirft zwar in seiner älteren Arbeit! die Theorie vollkommen, später aber nimmt er jedoch eine Homologie der Samen- taschen mit den Atrien der Samenleiter und Eileiter und demgemäß mit dem ektodermalen Theil der Segmentalorgane an?. Nach den obigen Ergebnissen vermag ich mich der Theorie nicht einmal in dieser ihrer neueren Form anzuschließen. Dass eine Samentasche ihrer Entstehung nach nicht einem ganzen Segmentalorgan, sondern nur dem ektoder- malen Theil eines solchen entsprechen würde, liegt ja zunächst auf der Hand und wurde von Vrspovsky eingesehen. Aber selbst wenn man nun zugeben würde, dass der mesodermale Röhrentheil an solchen um- gebildeten Segmentalorganen ganz unentwickelt bleiben könnte, so wird doch wohl Jeder zugeben, dass der Umstand der Natur eines jeden Segmentalorgans zuwider ist, dass die Anlage bei nahestehenden Arten von der Ursprungsstelle bald in das eine, bald in das andere Segment hineinwächst. Nach den obigen Bemerkungen ist es wohl vielmehr wahrscheinlich, dass die Samentaschen als zu specifischer Funk- tion umgebildete Hautdrüsen anzusehen sind, die mit Segmen- talorganen absolut nichts zu thun haben. Kopenhagen, Mai 1886. ! Monographie der Enchytraeiden. p. 48. 2 System und Morphologie der Oligochaeten. p. 460-464. »Schließlich er- scheinen dieselben Verhältnisse zwischen den Samentaschen und Exkretionsorganen. ‚ Nachdem wir oben den Beweis geführt haben, dass die Samentaschen lediglich den ‚ Atrien der Samenleiter, und die letzteren den kontraktilen Endblasen der Exkre- tionsorgane entsprechen, so stellt sich die Homologie zwischen den Endblasen ‚und den Samentaschen aus denselben Gründen heraus etc.« | 330 R. S. Bergh, Erklärung der Abbildungen. Allgemein gültige Bezeichnungen: t, Hoden; sep, Septum ; o, Ovarium; str, Segmentaltrichter; vd, Vas deferens; so, Segmentalorgan ; sptr, Samentrichter ; ep, Epidermis; odtr, Eileitertrichter; rm, Ringmuskelschicht; vs, Samenblasen ; Im, Längsmuskelschicht ; sk, Samenkapsel; p, Peritoneum; ro, Eihälter; d, Darm; rs, Samentaschen; m, Muskelmagen ; k, Keimzellen ; oe, Ösophagus; s, unreife Spermatozoenhaufen ; r, Rückengefäß ; n, Bauchkette; bl, sonstige Blutgefäße; ne, Nerven; bo, Borsten. Die isolirt stehenden Zahlen 5, 6, 7, 8 etc. geben die Nummern der Seg- mente an. Alle Figuren sind mittels Zeichnenprisma entworfen. Tafel XXI. Fig. 4. Die vordere Geschlechtsregion eines reifen Lumbricus turgidus. Das Thier ist in der Rückenlinie aufgeschnitten; die Haut ist ausgebreitet und mit Nadeln festgespannt, die Eingeweide wurden vor dem Zeichnen mittels Sublimat fixirt. Trotzdem Darm und Rückengefäß unberührt sind, sieht man schon so drei Samentrichter und einen Hoden (frei in der Leibeshöhle). Die Segmentalorgane so wie die fast ganz verdeckten inneren Borstenpaare sind nicht eingezeichnet. Die Ovarien sind auch vollkommen durch den Darm und das Septum 14/42 verdeckt; dagegen sind Eileitertrichter und Eihälter deutlich. Zeıss a, Oc. 1. Fig. 2. Die vordere Geschlechtsregion eines reifen Lumbricus foetidus, in der- | selben Weise behandelt. Die Hoden sind hier alle durch die Septa verdeckt; alle vier Samentrichter liegen aber frei; an der linken Seite sind das Ovarium und der Eihälter (undeutlich) sichtbar. Vor Allem ist die Verschiedenheit der Lage der | Samentaschen in dieser und in der vorigen Figur auffallend (vgl. den Text). Zeıssa, Oc. A. Fig. 3. Der größte (vordere) Theil des Geschlechtsapparates von Perichaeta indica, in derselben Weise behandelt. Man beachte zunächst das Verhalten der Septa (vgl. hierzu den Text). Man sieht die Samenblasen und die Ovarien, so wie die Samenleiter (links); jederseits sind außerdem die Hauptabtheilungen von drei Samentaschen sichtbar (Nr. 4, 2 und 4 links, 2, 3 und 4 rechts); nur rechts ander vierten ist dazu noch ein kleines Stück (das blinde Ende) der Nebenabtheilung sichtbar. Zeıss a, Oc. A. Fig. 4. Der vordere Theil des $ Geschlechtsapparates derselben Perichaeta nach Wegnahme des Darmkanals. Die Samenblasen sind links zur Seite geschla- | gen, rechts abgeschnitten (* Schnittflächen derselben). Die Samenkapsel umgiebt | die Bauchkette; man sieht deren vordere und hintere Hörner, von welchen jede | | “ Unters. über den Bau und die Entwicklung der Geschlechtsorgane der Regenwürmer. 331 den Unterschied zwischen Testicular- und Samentrichterabtheilung deutlich zeigt. Die schwarz punktirten Linien deuten den Verlauf der Septa 9/40 und 40/14 an. Zeıss a, Oc. A. Fig. 5. Hode von Lumbricus foetidus, mit den daran haftenden Muskelfasern des Septum. SEıseErT II, Oc. 0. Fig. 6. Hode von Lumbricus riparius; eben so. Seierr II, Oc. 0. Fig. 7. Aus einer vertikalen Längsschnittserie durch die Geschlechtsregion von Perichaeta (das Thier wurde in derselben Weise behandelt wie die Objekte der Fig. 4, 2, 3, dann aber gefärbt, eingebettet und in vertikale Längsschnitte zerlegt). Man beachte zunächst die sehr schräge Stellung der Septa 9/40 und 40/44, dann auch die Samenkapsel mit den Hoden, den Samentrichtern und den unreifen Spermatozoen- haufen (die auch in den Samenblasen erscheinen). Die Anheftung des hinteren Ho- den an das Septum 9/40 mittels des im Text erwähnten bindegewebig-muskulösen Stieles (st) ist sehr deutlich (der Bau der Trichter kann natürlich nicht in einem einzigen Schnitt klar werden). Um nicht zu kompliciren sind die Haufen von reifen Spermatozoen, die die (leer erscheinenden) Hohlräume der Kapsel erfüllen, weg- gelassen. Zeiss a, Oc. 1. Fig. 8. Ein Theil eines Hodens von Perichaeta, stärker vergrößert, um “6 ge- naue Übereinstimmung der Struktur mit denen von Lumbricus (Fig. 19, 20) zu zei- gen. SEIBERT VI, Oc. 0. Fig. 9. Spitze des Ovariums von Lumbricus foetidus. Ein Ei ist eben im Begriff auszutreten und in die Leibeshöhle hineinzufallen. SEIBERT V, Oc. 0. Fig. 10. Aus einer vertikalen Längsschnittserie durch einen dem Kokon ent- nommenen, fast zum Auskriechen reifen Lumbricus turgidus. An der Vorderseite einiger Septa sitzen Segmentaltrichter, an der Hinterseite die drei Keimdrüsen. SEIBERT 11, Oc. 0. Fig. 14a Hode und Fig. 445 Ovarium, demselben Schnitte onen und stärker vergrößert. Der Unterschied zwischen der Rinde (Peritonealzellen) und der ‚ Marksubstanz (Keimzellen) ist sehr deutlich. SEıwerr VI, Oc. 0. Fig. 42. Aus einer vertikalen Längsschnittserie durch einen geschlechtsreifen | Lumbricus foetidus (in derselben Weise wie Fig. 7 präparirt). Ein Stück des Sep- . iums 8/9 mit der daran sitzenden vorderen Samenblase, deren Mündung sehr deut- \ | lich ist. SEmERT II, Oc. 0. Fig. 13. Aus einer eben so angefertigten vertikalen Längsschnittserie durch ‚ einen noch nicht geschlechtsreifen Lumbricus turgidus. Das Septum 10/44 mit der noch kleinen und parenchymatösen Anlage der vierten Samenblase; die Peritoneal- ‚ einstülpung ist sehr deutlich. Das Rückengefäß so wie eine Gefäßschlinge (bl) sind quer durchgeschnitten. SEıBErr II, Oc. 0. Fig. 44. Aus einem Schnitt derselben Serie, der Fig. 12 entnommen ist. Das | Septum 12/13 mit dem Eileitertrichter und dem Receptaculum ovorum; man sieht ‚ die Eier in den Bindegewebslücken des letzteren Gebildes liegen. SEIBERT II, Oc. A. Fig. 45. Aus einem Schnitt derselben Serie, der Fig. 43 entnommen ist. Das ‚ Septum 12/13 mit der Anlage des Receptaculum ovorum (die Mündung ist eben ge- troffen) an dem äußeren Rande des noch wenig entwickelten Eileitertrichters; man sieht, dass diese beiden Gebilde noch von einander getrennt sind. SEIBERT II, Oc. 0. Fig. 46. Querschnitt durch das Vas deferens von Lumbricus foetidus ; dasselbe liegt an der Grenze von Peritoneum und Längsmuskelschicht. Zeıss D, Oc. 1. Fig. 17. Querschnitt durch das Vas deferens eines noch nicht ganz geschlechtsrei- fen Lumbricusriparius; dasselbe liegttiefer inder Längsmuskelschicht. Zeıss F, Oc.A. 332 R. S. Bergh, Unters. über den Bau und die Entw. der Geschlechtsorg. der Regenwürmer. Fig. 48. Querschnitt durch die noch solide Anlage des Vas deferens eines jungen Lumbricus purpureus. Zeiss D, Oc. A. Fig. 49. Aus einer vertikalen Längsschnittserie durch einen jungen Lumbricus purpureus. Die Anlage des vorderen Samentrichters durch Verdickung. des Peri- toneum an der Vorderseite des Septum 9/40 und an der Dorsalseite des Segmental- trichters. Zeıss F, Oc. A. Fig. 20. Aus einem Schnitt derselben Serie, der Fig. 43 entnommen ist. Seg- mentaltrichter und Samentrichter hängen nur noch an der Basis zusammen, sind sonst von einander gesondert. SEIBERT II, Oc. A. Fig. 21. Aus derselben Serie, der Fig. 49 entnommen ist. Die Anlage des Ei- leitertrichters als Peritonealverdickung an der Vorderseite des Septum 12/43 und an der Dorsalseite des Segmentaltrichters (das Peritoneum an der Hinterseite des Sep- tum besteht aus hohen, blasenförmigen, schwach gefärbten Zellen). Zeıss F, Oc. A. Fig. 22. Aus derselben Serie, der Fig. 13 und 20 entnommen sind. Eine wei- tere Entwicklungsstufe des Eileitertrichters; derselbe ist von dem Segmentaltrich- ter gesondert. SEIBERT II, Oc. A. Fig. 23. Aus einer Querschnittserie durch einen noch nicht geschlechtsreifen Lumbricus turgidus. Die noch junge Anlage einer Samentasche. Der Schnitt ist so gefallen, dass die beiden Segmente 8 und 9 so wie die dazwischen liegende Furche ((f) getroffen sind. SEIBERT II, Oc. 0. Fig. 24. Aus derselben Serie, der Fig. 43, 20, 22 entnommen sind. Die Anlagen der beiden Samentaschen sind noch ein bischen jünger als in der vorigen Figur. (Diese Figur ist nach zwei auf einander folgenden Schnitten konstruirt.) SEIBERT II, Oe. 0. | a 3 \ Er 2ue: x Y Yraı a Die Entwicklung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pulmonaten nebst Bemerkungen über die Anatomie und Entwicklung einiger anderer Organsysteme. Von Dr. J. Brock in Göttingen. Mit Tafel XXU—XXV. I. Die Entwicklung des Geschlechtsapparates,. Das Thema, welches ich in Folgendem zu behandeln gedenke, die ‚Entwieklung des Genitalsystems der Mollusken, liegt gerade nicht auf ‚der großen Heerstraße der zoologischen Forschung. Dass eine nicht ‚bedeutungslose wissenschaftliche Frage anderthalb Decennien voll- 'kommen ruht, ohne dass der Grund in der schwierigen Beschaffung ‚des Untersuchungsmaterials gesucht werden könnte, dürfte in unserer ‚produktiven Zeit nicht allzu häufig sein. Und doch hat sich seit dem - Erscheinen der Eısıe’schen Arbeit!, der bis jetzt ersten und einzigen über unseren Gegenstand, erst in der jüngsten Vergangenheit wieder ‚sin Forscher? bereit gefunden, seine Ausdauer und seinen Scharfsinn an dieser schwierigen Aufgabe zu erproben, dem ich mich selbst jetzt ‚als dritter an die Seite stelle. Diese geringe Neigung, eine weder uninteressante, noch unergie- ige entwicklungsgeschichtliche Frage ihrer Lösung näher zu führen, ‚indet ihre natürliche Erklärung in der Art der sich hier darbietenden ‚Entwicklungsvorgänge. So sehr sich auch die biologische Forschung ‚ler Gegenwart mit Vorliebe gerade entwicklungsgeschichtlichen Studien ! H. Eısıe, Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Ge- \chlechtsorgane von Lymnaeus. Diese Zeitschr. Bd. XIX. p. 297. | 2 H. RouzeAup, Recherches sur le developpement des organes genitaux de quel- ‚'ues gasteropodes hermaphrodites. Thes. pres. a la faculte sc. Paris etc. Mont- hellier 1885. — Vorläufige Mittheilung darüber Compt. rend. t. 96. 4883, p. 273. nalyse: Rev, sc. nat. Montpellier (3). t. 4. p. 547. | Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLIV. Bd. 22 x 394 J. Brock, zuwendet, stehen doch die früheren embryologischen Stadien aus nahe- liegenden Gründen noch immer so sehr im Vordergrunde des allge- meinen Interesses, dass die Erforschung embryologischer Vorgänge für die meisten in dem Maße ihren Reiz einzubüßen pflegt, als jene in spä- | tere Perioden der Entwicklung oder gar des Larven- und postembryo- nalen Daseins fallen. So kann es nicht Wunder nehmen, dass unsere Kenntnisse über die Entwicklung der Geschlechtsorgane, dieses zeit- | lich letzten Gliedes in der Kette der Organsysteme, durchweg noch die | denkbar lückenhaftesten sind, wovon wohl nur die höheren Vertebraten und ein Theil der Cölenteraten eine Ausnahme bilden. Die Entwicklung des Genitalapparates gerade bei den Mollusken zu ' untersuchen, erschien aus mehreren Gründen verlockend. Einmal | weil da, wo die älteren Untersucher sich am Präparirmikroskop abge- | müht hatten, wirklich gesicherte Resultate erst bei Anwendung der so allgemein geübten und so hoch vervollkommneten Methoden, das Un- tersuchungsobjekt in Schnittreihen von genügender Feinheit zu zer- legen, erwartet werden konnten. Dann aber auch, weil die Ontogenie hier vielleicht berufen war, Klärung in unsere Anschauungen über die Morphologie des Geschlechtssystems der Mollusken zu bringen, wo die vergleichende Anatomie — wenn auch vielleicht aus Mangel an umfas- senderen Untersuchungen — bisher den Dienst versagt hat. Wenn sich in Bezug auf den ersten Punkt meine Hoffnungen größtentheils erfüllt haben, ist in Bezug auf den zweiten meine Arbeit bedeutend unergie- biger geblieben. Fehlte es auch nicht an Gelegenheit, mehr oder min- der wichtige Folgerungen allgemeineren Inhalts an die gewonnenen Resultate zu knüpfen, so hat sich doch nichts aus meinen Untersuchun- | gen ergeben, was auf die im Sinne der modernen Biologie wichtigste | aller hier in Betracht kommenden Fragen, die Vorgeschichte der spe- | ciell behandelten Molluskenklasse, der Pulmonaten, neues Licht zu | werfen geeignet wäre. Es ist möglich, dass später einmal bei einer Erweiterung unserer ontogenetischen Kenntnisse auf den Geschlechts- | apparat noch anderer Abtheilungen der Mollusken die Resultate meiner |’ Untersuchungen eine neue Bedeutung gewinnen werden, vorläufig aber | können sie zur Ausfüllung der berührten Lücke in unseren Kenntnissen in keiner Weise herangezogen werden. | Die an dieser Stelle gebräuchliche Besprechung der vorliegenden | Litteratur ist bald erledigt. Es sind nur zwei Arbeiten, die ältere von | Eısıs und die erst im vorigen Jahre erschienene Dissertation von Rov- zEauD, welche als die einzigen systematisch durchgeführten Urken | chungen über unser Thema hier genauer berücksichtigt werden müssen. Die Kritik ihrer Resultate und die Vergleichung mit meinen eigenen Die Entwicklung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pulmonaten etc. 335 wird nicht unwesentlich durch den Umstand erleichtert, dass das spe- eielle Untersuchungsobjekt aller drei Arbeiten durchweg dem Kreise der Pulmonaten angehört, als den einzigen, deren Verbreitung und Lebensweise der Beschaffung des geeigneten Materials nicht allzu große Hindernisse in den Weg stellte. Ich nehme keinen Anstand, der Eısie’schen Arbeit einen insbeson- dere für ihre Zeit hohen Werth zuzusprechen, und es ist durch nichts gerechtfertigt, wenn Barrour, vielleicht weil moderne embryologische Gesichtspunkte dieser Untersuchung noch fehlen, ihrer in seinem weit verbreiteten Handbuch der vergleichenden Embryologie weder im Texte, noch im Litteraturverzeichnis irgend wie Erwähnung thut. Musste auch der Verfasser bei seinen damaligen Hilfsmitteln darauf verzichten, bis zu den ersten Anlagen der Geschlechtsorgane vorzudringen und hat er sich aus demselben Grunde nicht ganz vor Irrthümern zu be- wahren vermocht, wie z. B. die Angabe, dass der Penis isolirt von den übrigen ausführenden Organen auftritt, so verdient es andererseits die höchste Anerkennung, was für schwierige und verwickelte Vor- gänge in dieser verdienstlichen Arbeit schon richtig erkannt und gedeutet worden sind. Dass sich Zwitterdrüse und ausführende Geschlechtsorgane getrennt von einander entwickeln, dass das Vas deferens aus einer Ausstülpung des Penis hervorgeht, dass die primäre einfache Anlage des Geschlechtsganges durch Längsspaltung in einen männlichen und weiblichen Gang zerfällt, alles Das — um nur das Wich- zu haben, bleibt Eısıc’s unbestrittenes Verdienst. Wenn ich von einer näheren Inhaltsangabe der Arbeit an dieser Stelle absehe, so geschieht es nur, weil ihre einzelnen Angaben besser im Laufe meiner Darstel- lung und in Verknüpfung mit meinen eigenen Befunden zur Besprechung gelangen. Die zweite Arbeit, welche hier ihrer allgemeinen Bedeutung nach gewürdigt werden muss, die von Rouzeaup, trägt ebenfalls den Stem- pel einer anscheinend nicht geringen Sorgfalt und Genauigkeit, der von dem geringen wissenschaftlichen Werth, welchen wir einer Arbeit ' zuerkennen müssen, die in allen Hauptpunkten zu irrthümlichen Er- gebnissen führt, in recht bedauerlicher Weise absticht. ‘Die Haupt- ‚ schuld an diesem ungünstigen Ausfall trägt meiner Meinung nach die | Mangelhaftigkeit der angewandten Untersuchungsmethoden. Die Me- ‚ ihode, die Eısıc seiner Zeit allein zu Gebote stand, die Zergliederung | unter dcr Präparirmikroskop, ist on ee auch die einzige | ' geblieben, welche Rouzraun ‘kennt, und es berührt seltsam, ihn zur | Entschuldigung der vermeintlichen Irrthümer Eısıe’s mit so Berädieh | | 99* | 336 J. Brock, Worten die Unvollkommenheiten einer Methode aus einander setzen zu hören, welchen er selbst in so viel höherem Grade zum Opfer ge- fallen ist!. Nach Rouzeaun geht der gesammte Geschlechtsapparat aus einer kontinuirlichen Anlage hervor, einer Anfangs soliden ektodermalen Ein- stülpung an Stelle der späteren (bei den Basommatophoren weiblichen) Geschlechtsöffnung. Während Zwitter- und Eiweißdrüse, Penis und Pfeilsack sich aus dieser ursprünglichen Anlage durch wiederholte Ausstülpung und Knospung hervorbilden, entwickelt sich die Dupli- eität der Ausführungsgänge aus einer eigenthümlichen Längsspaltung des distalen Theils der gemeinsamen Anlage. Derselbe wird nämlich durch zwei parallele Längsspalten in drei strangförmige Gebilde ge- schieden, aus welchen das Vas deferens, der Uterus und das Recepta- culum seminis hervorgehen. Der Pfeilsack ist eine Knospenbildung der primären Anlage, das Flagellum ein Divertikel des Penis, beide er- scheinen verhältnismäßig spät. Da diese Angaben von meinen und den Eısıe’schen Funden zum größten Theil so sehr abweichen, dass eine weitere Berücksichtigung derselben im Laufe meiner Darstellung nicht thunlich erscheint, so ist hier der Ort, meinen Standpunkt zu meinem jüngsten Vorgänger näher darzulegen. Ich erkläre nun zunächst für unrichtig, dass die Anlage der Geschlechtsorgane ektodermal ist, und werde noch später (p. 344) den Nachweis zu führen versuchen, dass die von Rouzeaup für diese schwerwiegende Behauptung beigebrachten Gründe sammt und sonders nicht stichhaltig sind. Ich muss ferner leugnen, dass Keimdrüse und ausführende Gänge aus ein und derselben primären Anlage hervorgehen und ich kann endlich nicht finden, dass die die Bildung des Vas defe- rens, des Uterus und des Receptaculum sem., wie sie RouzEauD schil- dert, irgend wie den thatsächlich zu beobachtenden Verhältnissen ent- spricht. Ist daher die Arbeit in ihren Hauptresultaten als verfehlt an- zusehen, so werden die zahlreichen und weitgehenden allgemeineren Betrachtungen, in denen sich der Verfasser ergeht, natürlich von selbst 1 »Nuln’ignore que cette methode comporte des chances d’erreur considerables, et quelle montre souvent des dispositions artificielles qu’il faut savoir corriger d’interpreter au besoin par une attention continue et une grande multiplicite des observations. Puisque l’observateur n'est pas libre de choisir son proced& opera- toire, il doit s’efforcer de tirer le meilleur parti possible d’une voie d’information defectueuse en elle-m&me. Nous verrons plus loin que H. Eısıc a &t& victime de ce procede de manipulation et que faute d’observations repetees, il a decrit chez Lymnaeus un processus qui n’est pas conforme a la realit& dans ses lignes essen- tielles.« Rouzeaup, 1. c. p. 40. Ich muss gestehen, dass diese Äußerungen im Zeit- alter der Mikrotome etwas merkwürdig klingen. Die Entwicklung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pulmonaten etc. 337 hinfällig; im Übrigen kann ich von vielen derselben nicht glauben, dass sie, auch unter Voraussetzung der Richtigkeit ihrer thatsächlichen ‚Grundlage, sich allgemeinerer Zustimmung erfreuen würden. Wenig- stens dürfte unser Autor mit seiner Ansicht, dass die komplicirtesten Geschlechtsapparate der Urform der Pulmonaten am nächsten stehen, und alleeinfacheren sekundär oder durch Reduktion ausihnen hervorge- gangen sind, dass Pfeilsack, Schleimdrüsen und Flagellum phylogene- tisch alte Organe darstellen, deren Abwesenheit als nachträglich er- worbener Verlust aufgefasst werden muss, dass die Stammformen der Mollusken einen komplieirt gebauten hermaphroditischen Geschlechts- apparat besessen hätten — und was ähnlicher Behauptungen mehr sind, vorläufig noch ziemlich vereinzelt dastehen. Ich möchte hier die Bemerkung nicht für überflüssig halten, dass mir eine Kritik der Rouzrauv’schen Arbeit nur in Bezug auf ihren entwieklungsgeschichtlichen Theil zusteht. Seine anatomisch-histoge- netischen Untersuchungen, insbesondere seine Darstellung der Ent- wicklung der Geschlechtsprodukte, haben bei den enger gesteckten Grenzen meines Themas mit vereinzelten Ausnahmen in Folgendem keine Berücksichtigung finden können. | Zwei andere Autoren, die wir an dieser Stelle wenigstens nennen wollen, haben gelegentlich ausgedehnterer Untersuchungen über die Ontogenie der Mollusken auch über die Bildung des Geschlechtsappa- rates Beobachtungen gemacht. H. v. Inerıng ! äußert sich über die erste Anlage des Geschlechtsapparates, die er für mesodermal und kon- tinuirlich hält, sehr kurz und giebt auch keine Abbildungen, so dass, was er mit Sicherheit beobachtet zu haben scheint (Bildung des Pfeil- sackes, Schleimdrüsen, Flagellum), einer relativ späten Entwicklungs- periode angehört. Ganz unsicher klingen die wenigen Angaben Joyzux- Larrum’s?, welche ebenfalls durch keine Abbildung belegt sind. Nach ihm gehen die ausführenden Geschlechtsorgane aus einer ektodermalen Einstülpung hervor, die Keimdrüse soll unabhängig davon, vielleicht aus einem zweiten ektodermalen Blastem, ihren Ursprung nehmen, doch klingen die Äußerungen des Autors über letzteren Punkt recht unsicher und reservirt. Auch die wenigen Notizen, welche Journaın® vor einigen Jahren über unser Thema veröffentlichte, verdienen, schon ! H. v. Ikerıng, Über die Entwicklungsgeschichte von Helix. Jen. Zeitschr. Med. Naturw. Bd. IX. 1875. p- 334 sqa. 2 J. JoyEUX-LAFFUIE, Organisation et developpement de l’Oncidie. Arch. zool. exper. gen. t.X. 4882. p. 366. 3 M. S. Jourpaın, Sur la conformation de en de ucheratton de l’Helix aspersa dans le jeune äge. Rev. sc. nat. Montpellier (2). t. II. 4880. p. 293.. 398 J. Brock, weil der Verfasser nur recht späte Stadien berücksichtigt hat, keines- wegs den Namen einer systematisch durchgeführten Untersuchung. So belehrt uns diese kleine Arbeit nur über das Auftreten der zeitlich am spätesten erscheinenden Anhangsgebilde, des Flagellums, der Schleim- drüsen und des Pfeilsackes, und in so fern diese Organe dem von Eısıc untersuchten Lymnaeus wie den von mir behandelten Limaciden zum Theil fehlen, mögen Jourpaın’s Mittheilungen zusammen mit Rouzeaup’s und v. IHERING’s eine gewisse Ergänzung Eısıc’s und meiner eigenen Ergebnisse bilden. Eben so scheinen auch.die wenigen Bemerkungen, welche sich in der umfangreichen Sımroru’schen! Arbeit über die Ent- wicklung des Genitalsystems der Pulmonaten finden, nur auf beiläufig gemachten Wahrnehmungen an verhältnismäßig späten Stadien zu beruhen. Sımrora giebt richtig an, dass das Atrium bis zum Schluss der Entwicklung unverhältnismäßig lang bleibt, an einem anderen Orte? erwähnt er, dass er das frühe Auftreten des Penis nach eigenen Beobachtungen bestätigen könne. Eine Anzahl in der embryologischen Litteratur zerstreuter Angaben über das Auftreten von Zellansammlungen im Larvenkörper gegen Ende des Embryonalstadiums, welche ihrer Lage wegen meist mit sehr zwei- felhafter Berechtigung als Keimdrüsenanlagen gedeutet worden sind, werden an der geeigneten Stelle einer näheren Würdigung unterzogen werden müssen. Über die bei meinen eigenen Untersuchungen befolgten Methoden will ich Folgendes bemerken. Da ich von vorn herein entschlossen war, möglichst ausschließlich die Schnittmethode zur Anwendung zu bringen, so war ich darauf bedacht, eine Nacktschnecke zum Untersuchungsobjekt zu bekommen, bei welcher die die Orientirung der Schnitte erschwe- rende Aufrollung des Hinterleibes in ein Gehäuse zum Wegfall kam. Agriolimax agrestis (L.) Mörch, den ich mir in genügender Menge ver- schaffen konnte, empfahl sich für die beabsichtigte Untersuchungsme- thode auch durch seine Kleinheit. Das eben aus dem Ei geschlüpfte Thier misst je nach der Streckung 1,5—2,5 mm und schon, wenn das heranwachsende Thier eine Länge von 12—15 mm erreicht hat, sind die Geschlechtsorgane im Wesentlichen angelegt, wenn auch histolo- gisch größtentheils noch nicht differenzirt. Dabei halte ich es aber nicht für überflüssig, schon hier zu bemerken, dass die Größe des Thieres nie- 1 H. Sımkorn, Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken und ihrer europäischen Verwandten. Diese Zeitschr. Bd. XLII. p. 203. 2 Besonderes p. 227 (Amalia). 3 H. Sımrorn, Rein weibliche Exemplare von Limax laevis. Sitzungsberichte Leipzig. .naturf. Gesellsch, X. 1883. p. 74. Die Entwicklung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pulmonaten etc. 339 mals einen auch nur annähernd genauen Maßstab für die Entwicklung seines Geschlechtsapparates giebt, wie das schon vor mir Rouzzaup []. c. p. 15) und Eısıe (l. ec. p. 309) ganz richtig bemerkt haben. An gehär- teten Thieren, wo noch der verschiedene Kontraktionszustand im Tode, der selbst in verschiedenen Regionen des Körpers ein ganz verschie- .dener sein kann, störend eingreift, ist diese Unsicherheit natürlich noch viel größer. Mit Bezug auf die Beschaffung des Materials fand ich es nicht unbe- quemer, meinen Bedarf an den verschiedenen Entwicklungsstadien mir durch Nachsuchen an dem natürlichen Standort der Thiere in den Mo- naten Mai und Juni zu verschaffen, als sie mir zu züchten. Selbst Eier konnte ich auf diese Weise erhalten, wenn ich es auch vorzog, meinen Bedarf an älteren Larven aus Eiern zu erziehen, welche in Gefangen- schaft gehaltene Thiere ablegten. Die jungen Thiere sowohl wie Lar- ven wurden in 0,1°/,iger Chromsäurelösung, der etwas Osmiumsäure (1 Tropfen einer 1°/,igen Lösung auf ein Uhrgläschen) zugesetzt war, ab- getödtet und nach kurzer Härtung successive mit Spiritus in zunehmen- der Stärke behandelt, in toto gefärbt, mit den üblichen Vorsichtsmaß- regeln gegen Schrumpfung entwässert, in Paraffin eingebettet und mit- tels eines June’schen Mikrotoms in Schnittserien von durchschnittlich 1/50, mm Dicke zerlegt. Unter diesen Feinheitsgrad durfte ich bei der Kleinheit der zelligen Elemente der Mollusken nicht gehen, stellen- weise waren sogar Schnittreihen von 1/,;, mm erforderlich. Die Fär- bung geschah mit Alaun- oder Boraxkarmin, gelegentliche Kombina- tionen beider ergaben hübsche Doppelfärbungen der zelligen Elemente der Fußdrüse und der einzelligen Schleimdrüsen !. Ich halte es für nicht unzweckmäßig, im Interesse meiner Leser eine kurze Beschreibung der Geschlechtsorgane des erwachsenen Thie- res vorauszuschicken, bevor ich zur Darstellung meiner entwicklungs- geschichtlichen Befunde übergehe. Ich betone ausdrücklich, dass ich damit nichts Neues bringen will, sondern mich nur aus Zweckmäßig- keitsgründen dazu bewogen fühle; die Beschreibung, welche wir neuer- dings durch Sınrkorn erhalten haben 2, ist durchaus korrekt und macht die älteren unvollkommenen Darstellungen überflüssig; weniger bin ! Alaunkarmin giebt bei Mollusken und Vertebraten die schönsten und prä- ‚eisesten Kernfärbungen, die ich kenne. Dagegen versagt diese Tinktionsflüssigkeit bei Arthropoden, Krebsen sowohl wie Insekten vollständig. Die Färbung ist nicht minder intensiv und sicher ; aber eine eigenthümliche Quellung der Gewebe macht das mikroskopische Bild schon bei schwächerer Vergrößerung trübe und ver- waschen. 2]. c. p. 248. 340 J. Brock, ich mit seiner Abbildung! zufrieden, an der, wenn ihr auch Treue nicht abgesprochen werden soll, doch Penis und Zwitterdrüse für ein | geschlechtsreifes Thier auffallend kleine Dimensionen besitzen. | Bekanntlich zeichnet sich der Geschlechtsapparat der Limaeiden r unter den Pulmonaten durch eine relative Einfachheit aus. Pfeilsack und Schleimdrüsen fehlen immer, und auch das Receptaculum sem, ' h und das Flagellum bleiben ziemlich unentwickelt. So haben wir also nur eine Zwitterdrüse, einen bis auf den Abgang des Vas deferens ein- | | fachen Leitungsweg für beide Geschlechtsprodukte, der im distalen | Theil (Ovispermoduct) drüsig entwickelt ist und mit einer einfachen Mn Geschlechtsöffnung, als deren Anfang Penis und Receptaculum seminis erscheinen, nach außen mündet. Zwischen Zwittergang und Ovisper- moduct schieben sich eine Eiweißdrüse und eine Vesicula seminalis ein. | Die Zwitterdrüse (Fig. 19 z) von Agriolimax agrestis bildet einen länglich runden, fast spindelförmigen; in dorsoventraler Richtung leicht abgeplatteten Körper von 8—10 mm Länge, der in gewöhnlicher Weise in der rechten Leber eingebettet ist. Quer verlaufende unregelmäßige | Einschnitte theilen sie in etwa ein Dutzend gröbere Läppchen von un- | regelmäßiger Form, die sich wieder aus zahlreichen Acini von an- nähernd kugeliger Gestalt und 0,2—0,5 mm Durchmesser zusammen- | gesetzt erweisen. Die Farbe der Zwitterdrüse ist nicht dunkelbraun, wie Sımaoru? angiebt, sondern hell ockerfarben, aber die einzelnen | Acini besitzen einen dunkelbraun pigmentirten Bindegewebsüberzug, | | der so fest anliegt, dass er nicht abpräparirt werden kann. Der gerad- linig verlaufende nicht geschlängelte weiße Zwittergang (Fig. 19 29) N (Länge ca. 7-8 mm, Dicke 0,2 mm) schwillt gegen sein distales Ende etwas an und hat an seiner Mündung in den Uterus ein kleines flaschen- förmiges, oft deutlich gestieltes Divertikel von nicht ganz | mm Länge ansitzen — die Vesicula seminalis (Fig. 19 vs). In den Ovispermoduct | mündet, wie gewöhnlich, eine große Eiweißdrüse (Fig. 19 ed), die sich aus mehreren unregelmäßig geformten Lappen zusammensetzt; die Ve- sicula seminalis ist zwischen den zwei Hauptlappen verborgen, welches Verhältnis in der Sımrorn’schen Abbildung besser als in meiner eigenen | hervortritt. | Der Ovispermoduct (Fig. 19 ovspd) lässt äußerlich zwei Theile er- kennen, einen stark gewundenen Gang mit dicken, stark drüsig ent- | wickelten Wänden von grauvioletter Farbe, den Uterus der älteren Au- toren (Fig. 19 ut) und einen glatten bandförmigen weißlichen Drüsen- streif, der an der medianen Seite des Uterus entlang zieht (Prostata | 1 1. c. Taf. IX, Fig. 7. 2 1.c, p. 248. Die Entwicklung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pulmonaten etc. 341 ‚der älteren Autoren, Fig. 19 pr). Dieser Streifen besteht aus Gruppen follikulärer Drüschen, welche mehr oder minder deutlich in querge- ‚stellten Kämmchen oder Leisten angeordnet sind, oberhalb des Abganges des Vas deferens aber plötzlich, wie abgeschnitten, aufhören. Da ‚dieses Gebilde sich in toto leicht vom Uterus abpräpariren lässt (vgl. -z. B. die älteren Darstellungen von A. Scumipr !, BauDELoT? etc.), so wurde es mehrfach als der selbständige, vom weiblichen vollkommen getrennte männliche Leitungsweg aufgefasst. In Wahrheit giebt es aber beim Limax, wie, so weit bekannt, bei allen Stylommatophoren bis zum Abgang des Vas deferens nur einen einzigen Leitungsweg für beiderlei Geschlechtsprodukte, und die einzige Einrichtung, welche auf eine ge- ‚sonderte Leitung beider hinweist, ist die Bildung einer für das Sperma bestimmten Halbrinne (Fig.21 spd), in welche auch die Prostatadrüschen (Fig. 24 psi) münden. Nur darauf hin ist man überhaupt berechtigt, die Prostatadrüsen als einen Theil des männlichen Geschlechtsapparates zu betrachten. | Das nur mäßig lange Vas deferens (Fig. 19 vd) ist an seiner Ab- ‚'gangsstelle vom Uterus etwas erweitert, zieht erst abwärts, biegt dann ‚um und steigt an der medianen Wand des Penis in die Höhe, um sich etwas unterhalb des Flagellums zu inseriren, bildet also bei dei natür- | lichen Lagerung der Theile einen mit der Konvexität nach vorn gerich- ‚teten Bogen. Das freie Endstück des Eileiters — der Oviduct (Fig. 19 ov) ‚(Vagina der Autoren) zeigt eine flaschenförmige Anschwellung, der ‚mächtig entwickelte Penis (Fig. 19 p) trägt an seinem blinden Ende einen kurzen Fortsatz, in den unter rechtem Winkel gewöhnlich 4 kurze |handschuhfingerförmige Drüsenschläuche einmünden — das Flagellum (Fig. 19 fig), über dessen vielfach variirende Gestalt, eben so wie über Zahl, Ansatz und Lage der Penisretraktoren, als für unsere speciellen ‚Zwecke ohne Interesse ich den Leser auf Sımrorn verweise. In der ‚Innenwand des Penis entspringt ein mächtig entwickelter konischer ‚Zapfen, der »Reizkörper« (Sımroru), welcher bei der Begattung zunächst ‚hervorgestülpt wird. Ich habe von diesem noch wenig bekannten Organ ‚in Fig. 20 die Abbildung eines Querschnittes gegeben, welcher den ‚sigenthümlichen Bau, die hübsche regelmäßige Längsfaltung der ‚Oberfläche und die dehlssichen großen Bindesubstanz (Plasma) zellen ‚des Parenchyms zur Genüge zeigt. Das Receptaculum seminis endlich | ! An. Schmipt, Der Geschlechtsapparat der Stylommatophoren in taxonomischer ‚Tinsicht gewürdigt. Abhandl. naturw. Verein Sachsen-Thüringen. Bd. I. 1855. ‚Taf. XIII, Fig. 100, 404. 2 BAUDELOT, Recherches sur l’appareil generateur des Mollusques gasteropodes. ‚inn. Sc. nat. zool. (4). XIX, 4863. Taf. III, Fig. 17. ) I | 42 J. Brock, ist eine länglich ovale Tasche, welche sich allmählich in den kurzen Stiel verschmälert, der allerdings im Allgemeinen gerade an der Ver- | einigungsstelle von Vagina und Penis in die Leitungswege mündet, aber | doch, wie ich gegen Sımrora finde, etwas mehr auf den Penis gerückt | ist. Später wird klar werden, warum ich auf diesen unbedeutenden Umstand einiges Gewicht lege!; für jetzt will ich mich bei der Anato- | mie des erwachsenen Thieres nicht weiter aufhalten und sofort zu meinem Hauptthema der Schilderung der Entwicklungsvorgänge über- | gehen. Die erste Anlage der Geschlechtsorgane fand ich bei Lar- | ven, welche unmittelbar vor dem Ausschlüpfen standen. Das Gentral- nervensystem, Schlundkopf und Magen waren noch unverhältnismäßig | groß, Ösophagus noch sehr kurz, der Darm zeigte schon die typischen | Windungen, aber noch keinen Blindsack; in der noch wenig gelappten | Leber waren die Eiweißzellen im Begriff, den typischen Leberzellen Platz | zu machen, bleibende Niere und Fußdrüse waren schon gebildet. Der Kopfsinus persistirte noch, während der Fußsinus schon verschwunden ' war?. Bei solchen Larven fand ich seitlich vom rechten Gerebralgan- glion, in einer leichten Einsenkung desselben eingelagert, unmittelbar unter der Cutis einen feinen Zellstrang mit deutlichem Lumen von etwa | 0,17 mm Länge, der sich an seinem vorderen und hinteren Ende in die Mesodermzellen verlor, welche in der Umgebung des Centralnerven- systems noch in reichem Maße vorhanden sind (Fig. 1 pg, Fig. 12, 13 pg). Nach hinten zu rückt der Gang etwas nach oben und liegt dann dem äußeren unteren Winkel der Cerebralganglien an; er wird un- | deutlich, d. h. löst sich in die Mesodermzellen seiner Umgebung auf, kurz bevor die obere Schlundkommissur auf den Schnitten erscheint. | Die Wand dieses Ganges — des primären Geschlechtsganges, wie wir ihn nennen wollen — besteht aus einer Schicht radiär ge- stellter kubischer Zellen, deren Zellgrenzen gut sichtbar sind, mit | länglichen oder runden Kernen; der größte Durchmesser der Zellen beträgt 4—6 u, der ihrer Kerne 2—3 u. Auf einem Querschnitt er- | scheinen vorn 10—15 Zellen, im hinteren Theil, wo das Lumen des 1 Auch A. Scamipr (l. c. p. 48 und Taf. XIII, Fig. 402) zeichnet und beschreibt | bei Limax agrestis das Receptaculum sem. als Anhang des Penis. Was Scanıpr als I& Penissack bezeichnet ist, beiläufig bemerkt, wohl ohne Zweifel der Penis selbst, | während ich in seinem »Penis« den Reizkörper wiederfinde. 2 So finde ich es regelmäßig bei allen Larven von annähernd diesem Alter, | während nach For Kopf- und Fußsinus bei den Pulmonaten.gleichzeitig verschwin- | den sollen. (H. For, Sur le developpement des Gasteropodes pulmones. Arch. zool. | exper. gen. 4880. p. 182.) 13 u; 8 “= e Die Entwicklung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pulmonaten etc. 343 | Ganges sich erweitert, 20—25. Das Lumen ist oval, mit dorsoventralem Längsdurchmesser, der den Querdurchmesser um nahezu das Doppelte übertreffen kann (Längsdurchmesser vorn 3 mm, weiter hinten 0,05 —0,06 mm, Querdurchmesser vorn 0,02, hinten 0,03 mm). Dieses Ge- bilde ist leider von der nächst jüngsten unzweifelhaften Genital- anlage durch einen unerwünscht großen Zwischenraum getrennt ge- ‚blieben. Wenn ich es dennoch als erste Anlage der ausführenden Ge- schlechtsorgane auffasse, so geschieht es auf folgende Gründe hin. Erstens nämlich sprechen seine Übereinstimmungen in Form und Lage ‚(wozu auch sein asymmetrisches Vorkommen nur an der ‘rechten Seite gehört) mit späteren unzweifelhaften Entwicklungs- 'stadien in hohem Grade dafür. Zweitens aber wüsste ich nicht, wie ‘ich dieses scharf markirte Gebilde deuten sollte, wenn es nicht die ‚ Genitalanlage wäre. Eine Verwechslung mit der Larvenniere — woran ‚noch am ersten zu denken wäre — ist durch Bau und Lage gleichmä- ‚Big ausgeschlossen, abgesehen davon, dass die Larve dafür schon zu alt ‚ist. Eben so eine Verwechslung mit den Otocysten, welche übrigens 'an einem meiner Präparate daneben nachzuweisen sind. Blutgefäße ‚endlich, an welche man denken könnte, sind so dünnwandig, dass sie ‚auf Schnitten überhaupt schwer zu erkennen sind, niemals aber ist ihre Wand aus prismatischen, radiär gestellten Zellen zusammengesetzt. ‘Aus allen diesen Gründen glaube ich berechtigt zu sein, diesen Gang als die erste Anlage der ausführenden Geschlechtsorgane, ‚len primären Geschlechtsgang, aufzufassen. Was meiner Deutung dieses Gebildes noch größere Sicherheit ver- ‚eiht, ist der Umstand, dass es zweifellos dasselbe ist, was Rouzeaup ıl. e. p. 34 sqq.) unter dem Namen »bourgeon primitif« als erste Anlage ler Geschlechtsorgane beschreibt. Auch der Bourgeon liegt in der ackengegend der Cutis dicht an und zeigt hinten eine Erweiterung, ‚ınd auch das histologische Verhalten und die Zeit seines Auftretens 'timmen genügend überein. Warum Rovzrıun kein Lumen fand, son- ‚ern seinen bourgeon primitif (vun peu anterieur A l’eelosion«l. e. p. 34) ‚Is solide ausgiebt, wird leicht begreiflich, wenn man sich erinnert, \ass er keine Schnitte durch denselben gemacht hat, und so bleibt als | inzige Differenz, freilich ein Punkt von fundamentaler Bedeutung, die ‚ermeintliche Abstammung des Bourgeon primitif von einer Ektoderm- \instülpung an Stelle der späteren äußeren Geschlechtsöffnung. Der »tzteren Behauptung liegt eine richtige Beobachtung zu Grunde, in so rn, als das vordere Ende des primären Geschleehtsganges nur noch enig nach vorn wächst, und die Stelle, wo der primäre Geschlechts- ng mit seinem vorderen (distalen) Ende der Cutis anzuhaften scheint, | | 344 J. Brock, annähernd diejenige ist, wo später die äußere Geschlechtsöffnung durchbricht. Als einzigen Beweis aber für die folgenschwere Behaup- tung, dass der Bourgeon primitif eine Ektodermeinstülpung ist, finde ich bei Rouzraup die lakonische Bemerkung: »Linsertion & la peau me permet de penser que le bourgeon primitif est dü ä& une sorte de proliferation ou de bourgeonnement de l’ectodermek (l. ce. p. 35). Diese Art von Beweisführung wäre in einer embryologischen Arbeit der vier- ziger oder fünfziger Jahre dieses Jahrhunderts am Platze gewesen. Ist doch schon mehrfach und vollkommen mit Recht darauf hingewiesen worden, dass der Beweis für die Bildung eines Organs aus einer Ein- stülpung selbst nicht an optischen Durchschnitten, sondern nur an wirklichen Schnittpräparaten geführt werden kann!. Da meine Schnitt- reihen aber zu keiner Zeit etwas einer ektodermalen Einstülpung Ver- gleichbares zeigen, im Gegentheil die äußere Geschlechtsöffnung erst in einem weit späteren Stadium und dann von innen nach außen durch- bricht, so muss ich die Ableitung des primären Geschlechts- ganges aus dem Ektoderm für vollständig irrig erklären. Ich kann mir indessen erklären, wie Rouzeaup auf diese Meinung kommen konnte. In seiner historischen Einleitung sind nämlich mit großem Fleiß eine Anzahl älterer Angaben zusammengestellt, wo bei Vertretern der verschiedensten Molluskenklassen in den späteren Em- bryonalperioden Zellansammlungen, die meist als ektodermale Ein- stülpungen aufgefasst wurden, neben dem After beobachtet und sogar abgebildet worden sind. Da schon einzelne der älteren Beobachter in diesen Zellansammlungen die Anlage der Geschlechtsorgane vermuthet hatten, nimmt Rouzeaun erst recht keinen Anstand, diese Gebilde für Homologa seines Bourgeon primitif zu erklären?. Ich habe die Mühe 1 Vgl. z.B. Ragı, Über die Entwicklung der Tellerschnecke. Morphol. Jahrb. Bd. V. 1879. p. 632. Anm. 2. 2 RouzEAun verschweigt dabei, dass die Anlage des primären Genitalganges bei den Pulmonaten in der Nackengegend erscheint, die in Rede stehenden Gebilde aber ausnahmslos neben dem After auftreten. Thut er das absichtlich, so kann ich ihm nur beistimmen, denn auch ich vermag in diesem Unterschied keinen Einwand gegen eine beabsichtigte Homologie zu erblicken. Wie ich schon oben hervorgehoben habe, entsteht die primäre Geschlechtsanlage in der Nähe der späteren äußeren Ge- | schlechtsöffnung, also auch in der Nähe des Afters, wenn dieselbe dort liegt (Ptero- poden, Onchidium). Nur die Formen, wo die Geschlechtsöffnung sich entfernter | vom After befindet, machen einige Schwierigkeit, wenn man nicht annehmen will, dass der primäre Geschlechtsgang in der Nachbarschaft des Afters, ohne Zweifel der ursprünglichen Mündungsstelle der Geschlechtsorgane bei den Mollusken, noch angelegt wird und sich erst durch sekundäre Wachsthumsverschiebungen von ihm entfernt. | Die Entwicklung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pulmonaten etc. 345 nicht gescheut, alle diese Angaben einer persönlichen Prüfung zu un- terziehen und bin zu dem Resultat gekommen, dass auch nach Abzug aller unsicheren Fälle, so wie derjenigen, wo es sich offenbar nur um die Anlage der bleibenden Niere handelt, doch einige Autoren übrig bleiben, nämlich J. Mürzer! (Creseis), Sars? (Nudibranchier - Larve), Schneider ? (Phyllirhoe), For? (Heteropoden und Pteropoden) und JoyEux- Larruıe (Onchidium)5, die wirklich die Anlage des primären Geschlechts- ganges gesehen zu haben scheinen. Ganz sicher wird sich die Sache freilich ohne Nachuntersuchung desbesonderen Objektes in keinem Falle entscheiden lassen, ich will mich daher bei diesem Punkte nicht weiter aufhalten und nur den bemerkenswerthen Angaben For’s noch eine besondere Besprechung widmen. For fand bei Pteropoden, dass die erwähnte Anlage in der Nähe des Anus, deren ektodermale Abstam- mung er auch nur für wahrscheinlich erklärt, in den Hoden über- geht, während das Ovarium aus einer Abschnürung des »sac nourricier«, also aus Elementen entodermalen Ursprungs hervorgehen soll. Beide Angaben, die eine überraschende Bestätigung der bekannten von E. v. Benepen an Cölenteraten gefundenen und schnell verallgemeinerten Thatsachen zu bilden schienen, sind schon von Rast (l. c. p. 632 Anm. 2) und Rouzeaup (l. c. p. 28), und wie ich glaube mit Recht, be- zweifelt worden. Will man einmäl Beobachtungsfehler annehmen, so würde es mit den von mir bei den Pulmonaten beobachteten Fakta am besten stimmen, wenn man die angebliche Hodenanlage für die der ausführenden Geschlechtsorgane, die Ovarialanlage für die der Keim- drüse überhaupt hielte, für welche ich freilich auch einen mesoder- 1 J. MüLuer, Bemerkungen aus der Entwicklungsgeschichte der Pteropoden. Monatsber. Berlin. Akad. 1857. p. 180. 2 0. Sars, Zusätze zu der von mir gegebenen Entwicklung der Darstellung der Nudibranchien. Arch. f. Naturgesch. 1845. p. 7. 3 A. SCHNEIDER, Über die Entwicklung der Phyllirhoe bucephalum. MüLLer’s Arch. 1858. p. 36. _ 4 For, Etudes sur le developpement des Mollusques. ]J. M&moire. Arch. zool. exper. gen. t. IV. 1875. p.A. II. Memoire. Ibid. t. V. 4875. p.405. Die Monogra- phie Trıncuzse’s über die Aeolidier des Golfes von Genua, die auch diesbezügliche Angaben enthalten soll, war mir nicht zugänglich. Die von RAsL in seiner ersten embryologischen Publikation (Die Ontogenie der Süßwasserpulmonaten. Jen. Zeit- schrift Med. Naturw. IX. 4875. p. 220. Taf. IX, Fig. 39) angegebene Einstülpung am Mantelrande von Lymnaeus übergehe ich als unsichere Beobachtung mit Still- schweigen, da bei einer Larve eine so weite äußere Geschlechtsöffnung, wie sie RABL zeichnet, wohl schwerlich schon gebildet sein kann. In der Planorbisentwick- lung, dieser wirklich mustergültigen embryologischen Arbeit, weiß auch Rası nichts von ähnlichen Befunden zu berichten. 5 JoyEUX-LAFFUIE, 1. c. p. 367. 346 ) Brock, malen Ursprung vertrete. Wirkliche Aufklärung können natürlich erst neue Beobachtungen bringen. | Eısıc und v. Inerınag haben, wie ich noch nachträglich bemerkt möchte, die erste Anlage der Geschlechtsorgane überhaupt nicht oe sehen. Das nächst jüngste Entwicklungsstadium (Fig. 2) fand ich bei einem eben ausgeschlüpften Thier von (gehärtet) ca. 2 mm Länge. Hier ist der primäre Geschlechtsgang (Fig. 2 pg) so in die Länge ge- wachsen — er misst schon etwas über 0,5 mm —, dass über seine Na- tur gar kein Zweifel mehr geäußert werden kann. Dann aber fand ich bei diesem Stadium schon die erste Anlage der Zwitterdrüse (Fig. 2 z, Fig. 14 2). | Im Einzelnen ist Folgendes zu bemerken. Die Längenzunahme des Ganges erfolgt fast ganz nach hinten zu, wie seine Beziehungen zum Nervensystem lehren, doch wächst er auch distalwärts, und man kann von dem Punkte an, wo er vorn sein Lumen verliert, einen Strang) dicht gedrängter Zellen vom Charakter der benachbarten Mesoderm- zellen noch einige Schnitte weiter nach vorn verfolgen, wo sie sich all- mählich in die regellos vertheilten Mesodermzellen der Umgebung der Cerebralganglien verlieren. Anfangs ist das Lumen des Geschlechts- ganges schmal, von ovaler Gestalt mit dorsoventralem größeren (16 u) und kleineren (40 «) Querdurchmesser, bald aber erweitert er sich all- mählich, erst im dorsoventralen, dann aber auch im Querdurchmesser und bildet so eine spindelförmige, bauchige Anschwellung (Fig. 2 p)) von 0,04 mm Dorsoventral-, resp. 0,02 Querdurchmesser Weite. Diese Anschwellung ist die erste Anlage des Penis!. An der Stelle der‘ 1 Eısıc lässt den Penis aus einer gesonderten selbständigen Anlage hervorgehen (l. c.p. 309), die erst später sekundär mit dem primären Geschlechtsgang vermit-' tels des Vas deferens in Verbindung treten soll. Wie Eısıc zu dieser irrthümlichen) Auffassung kommen konnte, hat schon RouzkEAuD (l. c.p. 48) ganz richtig vermuthet. Nach dem übereinstimmenden Zeugnis von Eısıc (l. c. p. 347) und RouzzaAup (l.c. p. 47) wird die Stelle, wo der primäre Geschlechtsgang nach außen durchbricht, | bei den Basommatophoren zur späteren weiblichen Geschlechtsöffnung. Die Bildung der männlichen Geschlechtsöffnung geht nun, wie sich mit Sicherheit voraussehen ließ, wenn es RouzzAun nicht zum Überfluss direkt beob- achtet hätte, in der Weise vor sich, dass die Abschnürung des Penis, wie wir sie, auch bei den Stylommatophoren beschreiben werden (vgl. Fig. 3—7), hier distal- | wärts viel weiter, nämlich bis auf die weibliche Geschlechtsöffnung, durchgreift und der Penis dann mit einer selbständigen Öffnung (der späteren männlichen Ge- schlechtsöffnung) nach außen mündet. Wer, ohne frühere Stadien zu kennen, an) ein solches späteres herantritt, muss nun freilich glauben, dass der Penis aus einer selbständigen Anlage hervorgeht; dass Eısıe die ersten Stadien der Genitalanlage Die Entwicklung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pulmonaten etc. 347 größten Erweiterung ist die mediane Wand etwas verdickt und besteht schon aus 2—3 Lagen sehr kleiner dicht gedrängter rundlicher Zellen mit kleinen runden Kernen. Diese Verdickung ist die erste Anlage des Reizkörpers. Hinter der Penisanlage verengert sich der Geschlechtsgang plötz- lich sehr stark (bis auf 12 u und weniger im Dorsoventraldurchmesser), ja stellenweise wird sein Lumen ganz undeutlich. Er zieht dabei an der Seite des rechten Cerebralganglions allmählich nach oben und kommt am hinteren Rande des Centralnervensystems unmittelbar unter dem Boden der Athemhöhle etwas rechts von der Mittellinie zu liegen, wobei er allmählich eine solche Drehung ausführt, dass sein größter Durchmesser jetzt der Querdurchmesser ist. Im Bereiche der Niere, an deren Boden er liegt, kommt er allmählich ganz in die Mittellinie zu liegen und endet mit einer kleinen Anschwellung, die aber die Dimen- sionen der ersten nicht erreicht. Über diese Anschwellung hinaus lässt sich an den meisten meiner Präparate noch ein schmaler Zell- strang mit undeutlichem, oft fehlendem Lumen noch eine kleine Strecke weit gegen die Zwitterdrüse zu verfolgen — der in Bildung begriffene Zwittergang; doch ist gerade auf den Präparaten, welche die jüngste Anlage der Geschlechtsdrüse zeigen, eine kontinuirliche Verbindung des Geschlechtsganges mit der Geschlechtsdrüsenanlage bestimmt nicht vorhanden. Mit Bezug auf die letztere bin ich in der angenehmen Lage, sie mit großer Sicherheit bis auf die erste Anlage zurück verfolgen zu können. Diese Möglichkeit ist gegeben durch die pigmentirte Bindegewebshülle, welche zugleich mit der Drüse sich differenzirt und selbst die jüngsten Anlagen schon bei mäßiger Vergrößerung scharf aus den umgebenden Geweben heraushebt. Die Zwitterdrüse entsteht um die Zeit des Aus- schlüpfens und zwar tritt ihre erste Anlage an einer Stelle auf, welche im Allgemeinen durch den Kreuzungspunkt der Schenkel der hintersten Darmwindung gegeben ist, sonst aber nicht genau fixirt scheint, indem sie bald mehr einer Darmwindung genähert, bald ganz von der Leber umschlossen ist!. Die mir zu Gesicht gekommene jüngste Anlage der Zwitterdrüse (Fig. 14 Z) war ein spindelförmiges Körperchen, das nur 0,04 mm im längsten Durchmesser maß. Es war ganz aus dicht ge- drängten rundlichen Zellen (so weit Zellgrenzen zu erkennen waren) aber überhaupt nie zu Gesicht bekommen hat, darüber kann nach seiner ganzen Darstellung auch nicht der geringste Zweifel herrschen. ! Vgl. darüber auch Prarwer (Zur Bildung der Geschlechtsprodukte bei den Pulmonaten. Arch. mikr. Anat. XXVI. 1886. p- 609), dessen übrige Angaben über die erste Bildung der Zwitterdrüse bei Arion aber wenig zu den meinigen stimmen. 348 J. Brock, mit runden Kernen zusammengesetzt — Zellen, welche im Habitus völlig mit den reichlich vorhandenen mesodermatischen Elementen der Umgebung übereinstimmen. Ein Lumen fehlte noch vollkommen. Da die Zwitterdrüse von ihrer ersten Anlage an sich gegen ihre Um- gebung durch die pigmentirte Bindegewebshülle fest abschließt und nur durch Vermehrung ihrer eigenen zelligen Bestandtheile zu wachsen scheint, so möchte Zweifel darüber entstehen, auf welchem Boden sie in letzter Instanz erwachsen ist. Doch meine ich, können wir mit einer an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit wohl annehmen, dass sie mesodermalen Ursprungs ist. Ihre jüngste Anlage findet sich zwischen mesodermalen Elementen eingebettet, denen ihre zelligen Bestandtheile völlig gleichen; eine Einstülpung der Epidermis oder des Darm- und Leberepithels, die einzige Möglichkeit, durch die ekto- dermale oder entodermale Bildungselemente geliefert werden könnten, hätte mir schwerlich entgehen können, eben so wenig wie die zahl- reichen Untersucher der eigentlichen Embryonalentwicklung davon etwas zu melden wissen. Über die Abstammung des primären Geschlechtsganges vom Mesoderm kann schon desshalb kein Zweifel herrschen, weil wir den Gang noch lange an seinem vorderen und hinteren Ende direkt sich aus Mesodermzellen aufbauen sehen. Da nun auch, wie ich vorausnehmend bemerken will, das Atrium und die äußere Geschlechtsöffnung sich ohne jede Mitbetheiligung des Ek- toderms bildet, so können wir als sicher annehmen, dass bei den Pul- monaten wenigstens der gesammte Genitalapparat aus dem mittleren Keimblatt hervorgeht. Zu gleichen Resultaten ist von allen meinen Vorgängern eigentlich nur v. Iuzrıng (l. ec. p. 332) gekommen, doch wird man einen strikten. Beweis dafür bei ihm noch vermissen. EısıcG geht auf solche Fragen noch gar nicht ein. Die abweichenden Angaben Rouzeauv's sind schon früher (p. 344) näher gewürdigt worden. Über die Anlage und Abstammung der Keimdrüse finden sich außerdem noch in der Litteratur eine Anzahl zerstreuter Angaben von freilich sehr verschiedenem Werthe. Meist wird, so weit überhaupt Äußerungen darüber vorliegen, die Keimdrüse vom Mesoderm abge- leitet, aber wirklich gesehen haben ihre Anlage wohl nur BoBRrETZKY! bei Gephalopoden und H. Zıesrer? bei Lamellibranchiaten. Dass Ray 1 N. W. BoBRETzKY, Untersuchungen über die Entwicklung der Cephalopoden. | Nachr. der kais. Gesellsch. der Freunde der Naturerkenntn. etc. zu Moskau 1877. Ich citire aus dem Gedächtnis, da mir das Werk augenblicklich nicht zugänglich ist. 2 H. ZıeeLer, Die Entwicklung von Cyclas cornea Lam. Diese Zeitschr. Bd. XLI. p- 552. | Die Entwicklung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pulmonaten etc. 349 Lankester’si »problematie mass of cells lying close to the kidney« eine solche nicht ist, muss ich For beistimmen, übrigens ist von dem Autor eine Deutung dieses Zellhaufens gar nicht versucht worden. Bei wenig älteren Thieren (3>—4 mm Länge, Fig. 3) stellt sich die Verbindungzwischen Geschlechtsgang und Zwitterdrüse durch Auftreten des Zwitterganges her. Wenn ich in Bezug auf diesen Punkt jetzt zu einer anderen Ansicht gekommen bin, als ich in einer vorläufigen Mittheilung? allerdings mit einiger Reserve geäußert habe, so will ich zu meiner Entschuldigung nur anführen, dass es sich hier um eins der schwierigsten und verwickeltsten Probleme der ganzen Untersuchung handelt. Lange habe ich mich vergebens bemüht Präparate zu gewinnen, an welchen die Frage nach der selbständigen oder nicht selbständigen Entstehung der Zwitterdrüse mit Sicherheit entschieden werden konnte. Als ich meine vorläufige Mittheilung niederschrieb, zeigten alle Präparate jüngerer Stadien, die ich besaß, schon streckenweise die Anlage des Zwitterganges und dieser Umstand veranlasste mich, mich mit der nöthigen Vorsicht, wie geschehen, zu äußern. Freilich verwirrte es mich etwas, dass auch an meinen vorzüglichsten Präparaten aus diesem Entwicklungsstadium die Zwit- terdrüse zwar schon immer mit dem Zwittergang in Verbindung stand, letzterer aber niemals kontinuirlich zu verfolgen war, sondern strecken- weise, besonders in der Mitte seines Verlaufes ganz undeutlich wurde und sich in die Mesodermzellen seiner Umgebung aufzulösen schien. Dieser Thatbestand, ein nie ganz fehlender, aber auch nie kontinuirlich nachweisbarer Zwittergang, schien zu beiden Möglichkeiten der Bildung der Keimdrüse gleich schlecht zu passen, wenigstens so lange ich durch den bisher beobachteten Wachsthumsmodus des primären Ge- schlechtsganges verleitet, unwillkürlich annahm, derselbe müsste im Falle einer unabhängigen Entstehung der Keimdrüse die Verbindung mit ihr einfach durch fortgesetztes Wachsthum in proximaler Richtung herstellen. Die Lösung des Räthsels ist einfach die: Der Zwitter- gang bildet sich auf der ganzen Strecke seines Verlaufes ungefähr gleichzeitig, jedenfalls aber zugleich von seinem proxi- malen und distalen Ende aus; die Mitte scheint am spätesten zu ent- stehen, da er hier selbst bei viel vorgerückteren Stadien streckenweise ! E. Ray LAnkester, On the development of the pondsnail. Quart. journ. mier. Sc. vol. 44. 4874. Pl. XVII, Fig. 18 g. 2 J. Brock, Über die Entwicklung der Geschlechtsorgane der Pulmonaten. Nachr. kgl. Gesellsch. Wiss. Göttingen. 4884. p. 499. Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. XLIV. Bad. 23 350 d. Brock, Dass es aber ein frühestes, wenn auch schnell vorübergehendes Sta- dium giebt, wo die Anlage der Zwitterdrüse noch nieht mit dem pri- | mären Geschlechtsgang verbunden ist, erlauben mir noch nachträglich | gewonnene Präparate mit der größten Sicherheit festzustellen. Keim- drüse und ausführende Geschlechtsorgane werden da- her bei den Pulmonaten ursprünglich getrennt angelegt und treten erst sekundär durch den Zwittergang mitein- ander in Verbindung. Wer den obigen Erörterungen aufmerksam gefolgt ist, wird ohne | Weiteres zugeben, dass an eine Lösung dieser Frage durch Präparation auch bei der größtmöglichen Sorgfalt und Geschicklichkeit einfach nicht zu denken ist. Ich glaube daher, dass Eısıc, der hierin auf meiner | Seite steht, vielleicht mehr zufällig auf das Richtige gekommen ist; | v. Inerıng und Rouzeaup, welche die entgegengesetzte Ansicht ver- | treten, erklären die abweichende Meinung Eısıg’s natürlich aus einem ihm bei der Präparation zugestoßenen Unfall (Ruptur des Zwitterganges). | Das Blastem, aus dem der Zwittergang sich aufbaut, ist ebenfalls ' zweifellos das Mesoderm. Nirgends kann man so direkt die Bildung selbst beobachten wie hier, wenn auch gerade dieser Umstand die Verfolgung des in Bildung begriffenen Organs über eine längere Strecke in so hohem Maße erschwert. Denn durchaus nicht immer hat der Zwittergang in dieser frühesten Periode seiner Existenz eine wohl ab- | gegrenzte Wand oder ein deutlich ausgebildetes Lumen. Letzteres | verschwindet oft ganz, die Zellen, welche die Wand bilden, werden | kleiner, regelloser angeordnet, ragen wohl einerseits in das Lumen | hinein, das sie so theilweise oder ganz ausfüllen, gehen andererseits | an der Außenseite ohne scharfe Grenze in die Mesodermzellen der , nächsten Umgebung über, so dass vollkommen lückenlose und auch | in Bezug auf Färbung und Feinheit der Schnitte untadelige Querschnitt- ' reihen dazu gehören, um den Zwittergang mit Sicherheit verfolgen und | Verwechselungen mit Blutgefäßen und ähnlichen Gebilden ausschließen zu können. Eine Idee von den Bildern, welche der in Bildung be- | griffene Zwittergang bietet, mag die Fig. 23 geben. Einen Anhalt bei | der Verfolgung des Ganges, auch wo das Lumen undeutlich wird, hat | man übrigens daran, dass die Zellen, welche zu seiner Bildung zu- | sanmentreten, meist dichter gedrängt sind, als die indifferenten Zellen sich noch nicht von den umgebenden Mesodermzellen differenzirt hat. | — u ‚der Umgebung, auch oft schon radiär gestellt, und dass an gut gefärbten 'Präparaten ihre Kerne eine weit intensivere Färbung zeigen, als die der Umgebung. Das Letztere gilt übrigens für die Anlage des gesammten | ‚ausführenden Geschlechtsapparates. ( 7 | | Die Entwicklung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pulmonaten etc. 351 Die Veränderungen des primären Geschlechtsganges beschränken sich in diesem Stadium abgesehen vom Längenwachsthum auf stärkeres Hervortreten der Penisanlage. Der Geschlechtsgang beginnt — neben- bei bemerkt mit noch immer geschlossenem vorderen (distalen) Ende — etwas vor dem vorderen Rande des oberen Schlundganglion. Anfangs ein schmaler Gang mit deutlichem, aber engen längsovalem Lumen (Durchmesser 30, resp. 15 u), dessen Wand aus niedrigen kubischen radiär gestellten Zellen (von 8 u Durchmesser [Kerne bis 4 ı)) besteht (ich zähle etwa 10 Zellen auf dem Querschnitt), erweitert er sich bald zu der Penisanschwellung (Fig. 3 p), welche, etwa von der Gestalt einer bauchigen Flasche, schon eine Länge von 0,25 mm erreicht. Durch dieses deutlichere Hervortreten des Penis wird eine distalwärts vor ihm liegende Strecke des Geschlechtsganges abgegrenzt: es ist dies die Anlage des Geschlechtsatriums (Fig. 3 ag). Das Lumen des Penis ist ein ovales mit dorsoventralem Längs- und kleinerem Quer- durchmesser (Maße 0,1 mm und 0,03 mm, Lumen 0,08 resp. 0,025 mm). An den Zellen, welche seine Wand zusammensetzen, hat sich schon deutlich eine innere epithelartige Schicht niedrig cylindrischer Zellen mit runden oder ovalen Kernen von einer Wandschicht kleinerer dicht gedrängter Zellen mit spindelförmigen tangential gestellten Kernen differenzirt. Eısıc (l. ec. p. 312 sqgq.) lässt aus letzteren die muskulösen Elemente der Peniswand hervorgehen. Das Epithel, wenn es auch nicht mehr streng einschichtig war, zeigte doch nirgends eine deutlich hervortretende Verdickung, wie wir sie schon im vorhergehenden Sta- dium als Anlage des Reizkörpers kennen lernten; doch ist die zeitliche Aufeinanderfolge der einzelnen Entwicklungsphasen keine so be- stimmte; Abweichungen, wie diese, werden wir vielmehr im Laufe der Darstellung noch öfter zu erwähnen Gelegenheit haben. An ihrem Grunde verschmälert sich die Penisanschwellung sehr rasch in den Geschlechtsgang (Fig. 3 29), der zuerst noch Bau und Di- mensionen des Atriums zeigt, aber schon, während er längs des Ge- hirnsanglions in die Höhe steigt, sich allmählich etwas erweitert, wobei, wie schon beim vorigen Stadium beschrieben wurde, jetzt der Quer- durchmesser der weitere wird (Maße 0,03 und 0,016 mm, Lumen 0,016 und 0,01 mm). Die Wand bleibt im Ganzen einzellig, doch sind ihre Zellen zahlreicher, kleiner, regelloser gestellt und ragen oft in das Lumen des Ganges hinein, während hier und da Mesodermzellen eine Art Wandschicht bilden. So zieht der Gang unter der Decke der Athemhöhle rechts von der Mittellinie hin, bis er sich gegen sein Ende nach der Mittellinie zu wendet und hier mit einer kleinen Anschwel- lung, deren Wand wieder mehrzellig wird, endet. Aus dem hintersten 23* 352 J. Brock, Ende dieser Anschwellung, also ohne jede Blindsackbildung, entspringt der Zwittergang, ein — so weit er gut ausgebildet ist, — annähernd drehrunder Gang von 0,044 mm Durchmesser mit engem Lumen (0,006 mm). Die Wand besteht aus einer Schicht radiär gestellter niedrig eylindrischer Zellen mit runden oder ovalen Kernen. Die Zwitterdrüse (Fig. 3, 15, 16 z) ist stark gewachsen und bildet jetzt einen spindelförmigen Körper von 0,1 mm im Längsdurchmesser. Ihre zelligen Elemente haben sich ebenfalls stark vermehrt, so dass die ganze Drüse ein Aggregat dicht gedrängter runder Zellen mit großen runden Kernen bildet. Spuren geweblicher Differenzirung sind noch nicht wahrzunehmen, eben so wie auch die Drüse noch nichts von Zer- fall in einzelnen Läppchen wahrnehmen lässt. Die nächste Veränderung, die ich bei kaum älteren Thieren fand (Fig. 4), besteht nun darin, dass die schlauchförmige Penisanschwel- lung sich als Blindsack vom primären Geschlechtsgange abschnürt. Den ersten Schritt dazu sehen wir in dem Stadium Fig. 4. Der Penis (Fig. 4 p) bildet einen mit dem Fundus nach hinten gerichteten Blindsack, der distalwärts noch ohne scharfe Grenze in das Geschlechtsatrium übergeht. Sonst bezeichnet dieses Stadium gegen das vorhergehende kaum einen Fortschritt. Das Atrium (Fig. 4 ag) liegt mit seinem vorderen blinden Ende schon der Cutis an, ist aber noch nicht durchgebrochen. Bau desselben, eben so wie Gestalt, Größe und histologische Zusammensetzung des Penis (0,15 mm dorsoventraler Durchmesser, Lumen 0,1, Querdurchmesser 0,05 mm) zeigen keine nennenswerthe Veränderung, doch war die Verdickung der medialen Wand, die Reizkörperanlage, hier gut ausgeprägt. Die Zwitterdrüse ist gewachsen und misst jetzt ca. 0,3 mm im Längsdurchmesser und der Zwittergang lässt sich noch eine kleine Strecke weit an der Drüse nach abwärts verfolgen. An einem etwas älteren Exemplare, von dem ich aber keine Ab- bildung gegeben habe, hatte sich der Penis noch mehr vergrößert; sein Lumen war im größten Querschnitt eine lange schmale Spalte von 0,2 mm Durchmesser. Das vordere blinde Ende des Geschlechtsatriums hatte sich schon in die Cutis hinein verlängert und war, wie die An- sammlungen von Mesodermzellen an seinem Vorderende lehrten, im Vorwärtsdringen gegen die Epidermis zu begriffen. Am hinteren Ende des primären Geschlechtsganges an der Einmündungsstelle des Zwitter- ganges hat sich ein kleiner Blindsack von 0,05 mm größtem Durch- messer ausgebuchtet. An seiner inneren Oberfläche setzt sich ein schönes regelmäßiges einschichtiges niedriges Cylinderepithel deutlich Die Entwicklung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pulmonaten etc. 353 von den mehr regellos gestellten Zellen der Wandung ab. Diese Endan- schwellung des primären Geschlechtsganges, welche, wenn auch in- konstant, sich als Blindsack ausbuchtet, ist nach der übereinstimmen- den Versicherung von Eısıe (l. e. p. 316) und Rouzeaup (l. c.p. 43) die Anlage der Eiweißdrüse, der Vesieula seminalis und viel- leicht auch des proximalen Abschnittes des Ovisper- matoductes; ich selbst habe über die Entwicklung dieser spät auftre- tenden, übrigens am wenigsten interessanten Anhangsgebilde des Genitalapparates keine Beobachtungen aufzuweisen, zweifele indessen nicht, dass es sich in der That so verhalten wird. An der Zwitter- drüse ließ sich hier zum ersten Male der Zerfall in einzelne Läppchenerkennen. Ein etwas älteres Stadium endlich (Thier ca. 3,5 mm lang), von dem ich in Fig. 5 eine Abbildung gegeben habe, zeigt die Abschnürung des Penis bedeutend weiter vorgeschritten. Der Penis ist zugleich in allen Dimensionen, besonders aber im Querdurchmesser (0,06 mm) ge- wachsen und die Falte, welche die Anlage des Reizkörpers bildet, be- trächtlich stärker entwickelt. Ihr Ursprung ist jetzt mehr auf den Fundus verlegt; ich sehe hier zum ersten Mal, dass sie sich nicht mehr auf eine Epithelialverdickung beschränkt, sondern dass auch die Wand des Penis daran betheiligt ist. Der Zwittergang ist stellenweise noch sehr undeutlich, die Zwitterdrüse schon bis auf 0,5 mm im längsten Durchmesser herangewachsen. Bei Thieren, welche eine Länge von 4—5 mm erreicht haben, gehen nun zunächst drei wichtige Veränderungen vor sich, deren zeit- liche Reihenfolge unter einander an keine feste Regel gebunden zu sein scheint. Es sind dies, die Entwicklung des Vas deferens als Aus- stülpung des Penisblindsackes, die Spaltung des primären Ge- schlechtsganges in einen männlichen und weiblichen Gang, und endlich der Durchbruch der äußeren Geschlechts- öffnung. Über die zeitliche Aufeinanderfolge geben die Fig. 6 und 7 Aus- kunft. In Fig. 6 sehen wir zum ersten Mal die Anlage des Vas deferens, wogegen die Spaltung des primären Geschlechtsganges noch nicht ein- geleitet ist. In Fig. 7 dagegen, welche nach einem ungefähr gleich- alterigen Thiere gezeichnet ist, sehen wir die Spaltung des primären Geschlechtsganges schon ziemlich weit vorgeschritten, während vom Vas deferens noch nichts zu sehen ist. Das allein lehrt schon, dass das 354 J. Brock, zeitliche Auftreten beider Entwieklungsvorgänge sich an keine be- stimmte Reihenfolge bindet. Im Einzelnen ist das Stadium der Fig. 6 den vorhergehenden noch so ähnlich, dass wir von einer ausführlichen Beschreibung wohl absehen können. Die einzige Veränderung findet sich, wie gesagt am Penis; hier hat sich vom Fundus ein kleines triehterförmig verschmälertes nach vorn gerichtetes Divertikel erhoben, das nach kurzem Verlaufe blind endigt. Dieses Divertikelist die Anlage des Vas deferens. Ein etwas näheres Eingehen erfordert das Schwesterstadium Fig. 7. Es ist dieses Stadium zunächst das jüngste, bei dem ich den Durch- bruch der äußeren Geschlechtsöffnung beobachtet habe. Das vordere blinde Ende des Atriums war schon bei jüngeren Stadien ganz in die Cutis hineingewachsen und lag zuletzt (Fig. 17) unmittelbar unter der Epidermis. Hier öffnet sich nun das Geschlechtsatrium mit einer retortenförmig umgebogenen fein zugespitzten Verlängerung nach außen (Fig. 18). Die äußere Geschlechtsöffnung ist im Anfang sehr fein, nicht mehr als 0,02 mm im Durchmesser und bleibt es noch sehr lange. Von der Betheiligungirgend einer ektodermalen Einstülpung istbeidem ganzen Vorgange nicht das Geringste zu sehen. Dann fällt ferner auf den ersten Blick in die Augen, dass die Ab- schnürung des Penis (Fig. 7 p) vom primären Genitalstrange jetzt als vollendet gelten kann. Der Penis hängt jetzt als Blindsack am Genital- strange. Dadurch ist auch das äußerst langgezogene Atrium genitale (Fig. 7 ag), das für die späteren Entwicklungsstadien der Geschlechts- organe so charakteristisch ist, vom Geschlechtsgange abgegrenzt. Die Spaltung des primären Genitalganges in ihren ersten Anfängen zu sehen, ist mir nicht geglückt; hier an dem jüngsten Stadium dieses Entwicklungsvorganges Fig. 7 ist die Spaltung schon auf eine ziemliche Strecke vollzogen und erstreckt sich vorn nicht ganz bis zur Mündung des Penis, hinten bereits bis zur hinteren Grenze des Schlundringes ungefähr bis zu der Stelle, wo der Geschlechtsgang anfängt, sich nach oben umzubiegen. Da indessen die Spaltung sich noch lange Zeit in der Richtung nach hinten fortsetzt, so hat man genug Gelegenheit, das Zustandekommen derselben zu beobachten. Es erhebt sich einfach von der Wand eine Falte, welche der gegenüber liegenden Wand entgegen- wächst, am Berührungspunkte mit ihr verschmilzt und so von dem primären Gange einen sekundären abspaltet. Dieser sekundäre Gang liegt dorsalwärts vom primären und ist in allen Dimensionen kleiner, als der vorige. Den dorsalen schmäleren der beiden Gänge will ich aus Gründen, über die erst später Rechenschaft gegeben werden kann, als männlichen, den ventralen weiteren als weiblichen Ge- | | Die Entwicklung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pulmonaten etc. 355 schlechtsgang bezeichnen!. Der noch ungespaltene Geschlechts- gang verschmälert sich schnell und steigt allmählich aufwärts, wo er wie gewöhnlich unter der Athemhöhle erst rechts von der Mittellinie, später in der Mittellinie selbst hinzieht. Gegen Ende zu hat er die ge- wöhnliche Anschwellung, deren Lumen hier durch starke Entwicklung ‚des Querdurchmessers (0,075 mm) einem langgezogenen Querspalt gleicht. Diese Endanschwellung zeigt schon Andeutungen von Win- dungen und ist hinter der Einmündung des Zwitterganges in einen kleinen Blindsack ausgezogen. Im histologischen Charakter der ausfüh- renden Geschlechtsorgane ist in so fern eine bemerkenswerthe Ände- rung eingetreten, als sich jetzt nicht nur im Penis und in der Endan- schwellung, sondern im ganzen Verlauf eine Wandschicht und eine innere Epithelialschicht unterscheiden lässt. Nur die beiden sekundären Geschlechtsgänge sind noch durch eine gemeinsame Wandschicht mit einander verbunden. Das Epithel ist ein schönes einschichtiges regel- mäßiges niedriges Cylinderepithel mit runden oder ovalen Kernen; die Wand besteht aus dicht gedrängten kleineren regellos gestellten Zellen mit runden oder spindelförmigen Kernen, die noch keinen be- stimmten geweblichen Charakter angenommen haben, sondern sich nur dureh dichtere Anhäufung von den Mesodermzellen ihrer Umgebung, die wir jetzt wohl als Bindesubstanzzellen ansprechen können, unter- scheiden. Das Lumen des Geschlechtsatriums ist elliptisch mit dorso- ventralem größten Durchmesser. Das Lumen des Penis wird gegen den Fundus zu durch das Hereinragen der Reizkörperfalte unregelmäßig spaltenförmig, ebenfalls mit größtem dorsoventralen Durchmesser. Der größte Durchmesser des Penis ist 0,21 mm, seines Lumens 0,15 mm, des Geschlechtsganges vor der Spaltung 0,036 mm, des weiblichen 0,04 mm und des männlichen Ganges 0,02 mm. Die Zwitterdrüse (Fig. 7, 20 z, Fig. 21) ist unterdessen so ge- wachsen, dass ihr größter Durchmesser 0,75—/1 mm beträgt. Sie ist in zahlreiche Läppchen (Fig. 20, 21) zerfallen, in denen ich ein Lumen noch nicht entdecken kann. Dagegen sind in ihr jetzt Gebilde aufge- treten, welche, obgleich ich ihr definitives Schicksal nicht verfolgt habe, ich nach ihrer äußeren Ähnlichkeit mit den Ureiern oder Geschlechts- zellen bei anderen Thierklassen Ureier nennen will. Es sind große 1 Obgleich diese beiden sekundären Geschlechtsgänge, deren Bildung Eısıc (l. c. p. 346) schon ganz richtig erkannt hat, nach dessen unverdächtigem Zeugnis bei den Basommatophoren in den männlichen und weiblichen Geschlechtsgang des erwachsenen Thieres, also Uterus und Prostata nach der gewöhnlichen Bezeichnung, übergehen, sind diese Bezeichnungen hier vermieden worden, weil der männliche Geschlechtsgang der Stylommatophoren ein vorübergehendes embryonales Gebilde ist und mit der Prostata des erwachsenen Thieres nichts zu thun hat. 356 J. Brock, rundliche Zellen (Fig. 21 we) von 15 u Durchmesser mit einem großen runden hellen, häufiger centralem als excentrischem Kern (Durch- messer 9 wu), und einem großen Kernkörperchen (von 3 u Durchmesser). Die angewandten Tinktionen färbten das Kernkörperchen intensiv, das Protoplasma auch noch ziemlich stark, der Kern aber blieb hell und es kam keine einem Kerngerüst vergleichbare Bildung zum Vorschein. Ich habe übrigens dieses Verhalten gegen Farbstoffe bei jungen Eiern in den verschiedensten Thierklassen angetroffen. Die Ureier sitzen ausnahmslos der Wand der Alveolen an; was ihre Anzahl betrifft, so will ich nur bemerken, dass ein Schnitt in jedem Alveolus durch- schnittlich 2—5 Stück zeigt. Ich nehme an, dass diese Gebilde die Mutterzellen der männlichen und weiblichen Geschlechtsprodukte sind, doch habe ich die Histogenese der Zwitterdrüse keineswegs bis zur | Geschlechtsreife verfolgen können!. Eısıs hat die Bildung des Vas deferens aus einem Divertikel des Penis schon ganz richtig gesehen und seine Darstellung weicht von der meinigen eigentlich nur in dem Punkte ab, dass er die Bildung des proximalen Theiles des Vas deferens von der Prostata aus erfolgen lässt (l.e.p. 317), was bei den Basommatophoren entschieden nicht der Fall ist. Wem gegenüber der völlig abweichenden Darstellung RouzeAup’s diese erfreuliche Übereinstimmung noch keine Bürgschaft für die Rich- tigkeit sein sollte, den möchte ich an dieser Stelle mit einer jüngst veröffentlichten Missbildung bekannt machen, welche meinen Befunden in sehr erwünschter Weise zu Hilfe kommt. Es handelt sich nämlich? | um die Genitalien einer Helix pomatia, wo außer anderen uns hier | nicht weiter interessirenden Bildungsanomalien die äußere Geschlechts- öffnung verschlossen war, dann aber auch das Vas deferens die Pro- stata nicht erreichte, sondern sich auf einen kurzen dem Penis auf- sitzenden Blindsack beschränkte. Mit Rouzraup’s Darstellung diesen Befund in Einklang zu bringen, besonders die Atresia orificii externi, | ist einfach ein Ding der Unmöglichkeit, während es mit Hinblick auf meine und Eısıg’s Resultate sofort klar ist, dass wir hier ganz einfach | 1 Die ersten histologischen Veränderungen der Zwitterdrüse werden von RouU- zEAuD im Ganzen übereinstimmend mit mir beschrieben. Auch das eigenthümliche | Verhalten der jungen Eier gegen Farbstoffe wird von ihm erwähnt (l. c. p. 109): »Un fait interessant a noter ici, par ce qu’il a et€ mentionne chez d’autres oeufs par | mon excellent maitre A. SABATIER, est la grande avidite que presente le protoplasma de l’oeuf tres-jeune pour les r&actifs colorants; dans certains cas le protoplasme se colore r&ellement plus que le noyau.« 2 Cu. MAnGENOT, Un cas d’atresie de l’orifice genital externe chez un Helix po- matia. Bull. soc. zool. France. 1883. p. 430. u Die Entwicklung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pulmonaten etc. 357 ‚das vor uns haben, was man in der Teratologie eine Hemmungs- bildung nennt. Die nächsten Veränderungen, welche die Anlage der Geschlechts- organe ihrer definitiven Gestaltung entgegenführen, findet man bei jungen Thieren von 7—-9 mm Länge, ohne dass innerhalb dieser Gren- zen eine bestimmte Reihenfolge der einzelnen Entwicklungsphasen innegehalten würde. Die hier in Betracht kommenden Veränderungen sind folgende. Die Spaltung des primären Genitalganges ist in beiden Richtungen weiter vorgeschritten und hat sich distalwärts bis auf den Penis fortgesetzt, so dass jetzt männlicher und weiblicher Gang direktaus dem Hohlraum des Penis ent- springen. Die kleine Ausstülpung am Fundus des Penis, in der wir die Anlage des Vas deferens erkannten, wächst an der Wand des Penis in die Höhe,dem weiblichen Geschlechtsgange entgegen, in den er unter Resorption der Berührungs- stellederbeiderseitigen Wände sichöffnet. Der Durch- bruch der äußeren Geschlechtsöffnung endlich, den wir schon beim vorhergehenden Stadium eintreten sahen, verzögert sich sehr häufig so weit, dass er erst als Begleiter dieser neuen Entwicklungs- erscheinungen auftritt. Für die eingehendere Schilderung wählen wir zunächst das Spe- cimen, welches der Fig. 8 zu Grunde gelegen hat, ein Thier von circa 7 mm Länge. Das Geschlechtsatrium (Fig. 8 ag) ist noch sehr lang (etwa 0,3 mm); zuerst von engem Kaliber, erweitert es sich all- mählich bis auf 0,075 mm Durchmesser, um dann mit plötzlicher Er- weiterung in den Penis zu münden. Der Penis (Fig. 8 p), jetzt schon ein sehr voluminöses Organ, erweitert sich bedeutend und erreicht bei einer Länge von 0,3 mm einen Durchmesser von 0,22 mm, bei einer Weite des Lumens von 0,18 mm. Die beiden sekundären Geschlechts- gänge entspringen unmittelbar hinter einander aus dem Penis, an dessen ventraler Kante (wie man sagen kann, da der Penis seitlich stark komprimirt ist), und ziehen von demselben mesodermalen Blastem, das ihnen auch die gemeinsame Wandschicht liefert, einge- hüllt dicht neben einander ventralwärts vom Penis in dessen unmittel- barer Nachbarschaft weiter. Der weibliche Gang (Fig. 8 © 9), welcher zuerst vom Penis sich losmacht, und desshalb auch ventralwärts vom anderen liegt, ist weiter als der dorsale männliche (Fig. 8 19); seine größten Durchmesser betragen 0,06 mm (Lumen 0,02 mm), die des kleineren nur 0,036 mm (Lumen 0,01 mm). Das Vas deferens (Fig. 8 vd) entspringt etwas über dem Grunde des Penis, rückt, aufwärts ziehend, 358 J. Brock, von der lateralen Seite des Penis an seine ventrale, biegt zuletzt erst ventralwärts und dann wieder etwas nach vorn um, und mündet in den weiteren der beiden sekundären Geschlechtsgänge, welcher sich zuerst vom Penis losgelöst hat, also den weiblichen, nur etwa 0,03 mm hinter der Abgangsstelle. Das Vas deferens beschreibt also in | seinem Verlauf einen nach vorn konvexen Bogen, ein Verhältnis, das beim Erwachsenen immer sehr deutlich, im Verlauf der Entwicklung — vielleicht durch zufällige Verschiebung der Theile während der Här- tung — nicht immer gut ausgeprägt ist. Das Präparat, dem die Fig. 8 zu Grunde liegt, war darum für die Bildungsweise des Vas deferens besonders instruktiv, weil hier das Vas deferens mit seinem blinden Ende sich an die Wand des weiblichen Geschlechtsganges schon ange- legt hatte, eine Durchbrechung aber noch nicht erfolgt war. Auf der größten Strecke seines Verlaufes ist das Vas deferens in das mesoder- male Blastem der Penis-Umgebung mit eingeschlossen und entbehrt auch aus diesem Grunde einer eigenen Wandschicht; seine Dimen- sionen (0,03 mm, Lumen 0,04 mm) sind im Anfange kaum geringer als die der beiden sekundären Geschlechtsgänge, hinter denen es erst in weit späteren Entwicklungsstadien entsprechend an Wachsthum zu- rückbleibt. Es wird meine Leser nicht wenig überrascht haben, dass das Vas deferens mit dem von beiden sekundären Gängen, welche ich als den weiblichen bezeichnet habe, sich in Verbindung setzt. Um diese Be- nennung zu rechtfertigen, werde ich nicht umhin können, schon jetzt das Hauptsächlichste über das definitive Schicksal beider Gänge mitzu- theilen. Dasselbe ist nun in der That merkwürdig genug. Der von mir als männlicher bezeichnete Gang verschwindet nämlich spurlos wieder, während der weibliche sich zum Ovispermatoduct, zu dem bis zum Abgange das Vas deferens für beiderlei Geschlechts- produkte gemeinsamen Abschnitt der Leitungswege, und zum Ovi- duect, wie das distal vom Abgang des Vas deferens liegende Stück heißen muss, umbildet. Der männliche Geschlechtsgang ist daher nur ein in der Entwicklung vorübergehend auftretendes Gebilde, das nur noch eine phylogenetische Bedeutung besitzt, und zwar halte ich es für das Homologon des männlichen Leitungsweges der Opistho- branchier, nicht aber der Basommatophoren. Was für Gründe mich zu dieser Auffassung bestimmt haben, soll weiterhin ausführlich darge- legt werden. Kehren wir nun wieder zur Fig. 8 zurück. Die Spaltung des pri- mären Geschlechtsganges erstreckt sich etwa 0,25 mm nach hinten Die Entwicklung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pulmonaten etc. 359 vom Penisursprung an gerechnet. Ist der Gang wieder einfach ge- worden, so steigt er langsam an der rechten Magenwand in die Höhe, wobei er sich allmählich zu einer Querspalte von höchstens 0,03 mm Querdurchmesser und nur 0,01% mm Höhe verschmälert. Selbst sein Lumen und seine Epithelialschicht werden stellenweise noch ganz un- deutlich. Hat er den Boden der Athemhöhle, späterhin der Niere er- reicht, so erweitert er sich wieder, rückt bis nahe an die Mittellinie, seine Wand wird dicker, auch das Epithel wie beim Penis höher und mehrschichtig. Dabei ist sein Verlauf nicht mehr geradlinig, sondern er fängt an sich in Windungen zu legen, die, meist auch in den spä- teren Stadien, nie mehr als höchstens 2—-3 an der Zahl, von unregel- mäßigen Ausbuchtungen vertreten oder mit ihnen kombinirt sein können. Das Lumen des primären Geschlechtsganges kann an dieser terminalen Erweiterung bis auf 0,12 mm anwachsen (vgl. hierfür Fig. 29, allerdings von einem etwas späteren Stadium). Hinter der Mündung des Zwitterganges befindet sich ein kleiner Blindsack. Von den histologischen Verhältnissen, die sich jetzt sehr langsam ändern, giebt Fig. 28, obgleich einem etwas vorgerückteren Stadium entnommen, ein gutes Bild. Im Allgemeinen sind die leitenden Wege mit einem streng einschichtigen, mäßig hohem Cylinderepithel ausge- kleidet, auf das nach außen eine verschieden dicke Wandschicht von unregelmäßigen, aber überwiegend cirkulär gestellten, dicht gedrängten Zellen mit kleinen runden oder spindelförmigen Kernen folgt, die ohne scharfe Grenze in das mesodermale Blastem der Umgebung übergehen. Diese Regel erleidet nur an zwei Stellen eine Ausnahme, nämlich im Penis, wo das Epithel auf der Reizkörperfalte mehrschichtig geworden ist und hier, wie schwächer auch an der gegenüber liegenden Penis- ‚wand, sich in die regelmäßigen Längsfalten zu legen beginnt, welche das Organ beim Erwachsenen charakterisiren!; zweitens an den Win- dungen der Enderweiterung, wo wir ebenfalls ein mehrschichtiges i In dem Präparat, welches der Fig. 28 zu Grunde liegt, ist diese Faltung des Epithels noch nicht aufgetreten. Dieselbe vollzieht sich übrigens in einer histolo- gisch bemerkenswerthen Weise, von der Fig. 34 (Taf. XX'V, von der Peniswand) eine Vorstellung geben mag. Die Falten treten zunächst allein im Epithel selbst auf, indem sich in regelmäßigen Intervallen Gruppen von drei bis vier Zellen enorm strecken, und zu langen schmalen Cylinderzellen mit langgestreckten stäbchen- förmigen Kernen werden, während die Zellen dazwischen unverändert bleiben. Erst nachträglich wachsen in die so gebildeten rein epithelialen Falten Fortsätze der darunter liegenden Cutis hinein und dann gleichen sich auch allmählich die Formunterschiede der Zellen wieder aus, so dass man am fertigen Organ die Penis- wand mit einem einschichtigen mäßig hohen Cylinderepithel überzogen findet. 360 J. Brock, Epithel schöner hoher Cylinderzellen von 6—7 u mit stäbehenförmigen Kernen von 3—4 u Länge antreffen (vgl. Fig. 29 ep). Die Zwitterdrüse hat bei diesen und ähnlichen Stadien an Größe zugenommen und zerfällt schon in zahlreiche Läppchen, von denen viele | ein deutliches Lumen erkennen lassen. Die Ureier haben ebenfalls an Volumen zugenommen, denn ich finde ihre Dimensionen jetzt zu | durchschnittlich 30 u mit einem Nucleus, der bis 15 u und einem Nucleo- ' lus, der bis zu 6 u misst. Der Zwittergang lässt sich an der Zwitterdrüse schon weit herab verfolgen, seine Ausbildung ist noch immer sehr zu- | rück, und bei einem Durchmesser von nur 12—18 u lässt sich noch keine besondere Wand- von einer Epithelialschicht an ihm unterscheiden. Das der Fig. 9 zu Grunde liegende Präparat habe ich nur desshalb wiedergegeben, weil in der vorgeführten Entwicklungsreihe (Fig. 1—11) \ ein Beispiel für die vollzogene Verbindung zwischen Vas deferens und Ovispermatoduct nicht fehlen durfte, in allem Übrigen ist gegen das vorhergehende Stadium kein Fortschritt zu verzeichnen. Überhaupt scheinen die Geschlechtsorgane auf dem eben geschilderten Entwick- lungsstadium verhältnismäßig lange zu verharren. Ich habe Thiere von | nicht mehr als 6—7 mm Länge gefunden, die schon so weit vorge- schritten waren, wie die Fig. 9 es zeigt, ich habe oft aber auch Thiere von 10—12 mm Länge noch nicht weiter entwickelt gefunden, und ich glaube nicht, dass diese Differenzen einzig und allein auf den ver- ' schiedenen Kontraktionsgrad der Thiere im Tode zurückgeführt werden können. Nur die relative Größe der Geschlechtsorgane scheint ent- sprechend dem Wachsthum des Thieres langsam, aber stetig zuzuneh- | men und zu einer Zeit, wo die der Zeit nach nächsten neuen Glieder, die Prostata und das Flagellum dem Geschlechtsapparat zugefügt wer- den, hat das Atrium doch schon eine Länge von 0,3—0,5 mm, der Penis | eine Länge von 0,5—0,75 mm erreicht, während die Spaltung des pri- mären Geschlechtsganges proximalwärts vom Penis sich auf eine Strecke von 0,5 mm verfolgen lässt. Nur die histologische Differenzirung steht auf lange Zeit fast still. | Ich bringe in der Fig. 10 die Entwicklung zweier Anhangsgebilde | des Geschlechtsapparates, des Flagellums und der Prostata- drüsen, welche keineswegs immer ganz gleichzeitig auftreten, der | Einfachheit halber an einem Präparate zur Anschauung; besonders die ersten Anfänge der Prostata sind oft schon an etwas jüngeren Stadien zu beobachten. Das Flagellum erscheint als ein vom Fundus des Penis sich erhebendes blindes Divertikel, das von Anfang an | \ ‚\ Die Entwicklung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pulmonaten etc. 361 schon die für das erwachsene Organ charakteristische Lage hat, genau so wie jenes nach vorn gerichtet und der lateralen Peniswand eng an- liegend!. An seinem blinden Ende sind schon durch eine kleine Ein- buchtung der Wand zwei sekundäre Blindsäckchen markirt, die ersten Andeutungen jener kurzen dieken Drüsenschläuche, welche wir dem erwachsenen Organ aufsitzen finden? Das Flagellum kommuni- eirt noch durch eine weite Öffnung mit der Höhlung des Penis, dem es im feineren Bau übrigens völlig gleicht. Ungleich interessanter ist die Entwicklung der Prostatadrüsen. Der weibliche Geschlechtsgang beginnt nämlich proximalwärts von der Ver- einigung mit dem Vas deferens an seiner unteren (ventralen) Seite kleine Ausstülpungen zu treiben, erst sehr sparsam, so dass höchstens 1—2, oft keine auf einem einzelnen Schnitt zu sehen sind, später zahl- reicher, so dass sie die untere Hälfte der Peripherie des weiblichen Geschlechtsganges wie mit einem Kranz umstellen, und auf jedem Sehnitte die Querschnitte zahlreicher Drüsenblindsäckchen, in allen möglichen Schnittrichtungen getroffen erscheinen (Fig. 30). Über Ge- stalt, Anordnungen und Dimensionen dieser Drüschen etwas Be- stimmtes auszusagen, dürfte auch bei den tadellosesten Querschnitt- reihen ein höchst schwieriges, wenn nicht unmögliches Beginnen sein; wir können uns, glaube ich, um so eher darüber hinwegsetzen, als sich nicht das geringste allgemeine Interesse an diese Frage knüpft. Zugleich mit dem Auftreten des Drüsenbesatzes hat sich das Lumen des weiblichen Geschlechtsganges, welches an dieser Stelle eine dorsoven- trale Längsspalte bildet, durch eine quere, Anfangs wenig ausgeprägte Einsehnürung in zwei Abschnitte (Fig. 30 ovd, spd) gesondert, in deren unteren (centralen) (Fig. 30 spd) die Drüsenschläuche münden. Der männliche Geschlechtsgang (Fig. 30 31 g), dessen Lage dicht am weib- lichen dorsal von ihm ist, verkleinert sich in allen Dimensionen sehr stark, sein Lumen wird zuletzt ganz undeutlich und ich habe bei meinen vorgerücktesten Stadien mit Sicherheit konstatiren können, dass sein proximales Ende sich nicht mehr mit dem weiblichen Gange vereinigt, sondern sich in die Mesodermzellen seiner Umgebung auflöst, was ich 1 Wer daran Anstoß nehmen sollte, dass das Flagellum in Fig. 40 an der me- dianen Peniswand erscheint, den bitteich zu beachten, wasin der Tafelerklärung über die Herstellung der schematischen Fig. 4—14 bemerkt worden ist. Da die in der Projektion über einander fallenden Theile des Geschlechtsapparates der Deutlich- keit wegen neben einander gezeichnet werden mussten, war schon aus diesem Grunde Naturtreue in topographischer Hinsicht bei diesen Figuren unausführbar. 2 Bei Limax brasiliensis Semp. bleibt das Flagellum zeitlebens ein einfacher ungetheilter Sack (v. Inerıne, Zur Kenntnis der amerikanischen Limaxarten. Jahrb. d. deutsch. malakol. Gesellsch. XII. 4885. Taf. V, Fig. 4). 362 d. Brock, als den ersten Schritt zu der proximalwärts fortschreitenden Rückbil- dung des Ganges auffasse. Jedenfalls aber erstreckt sich der Drüsen- besatz schon bei seinem ersten Auftreten proximalwärts über das proximale Ende des männlichen Geschlechtsganges hinaus und ist, so weit meine Beobachtungen reichen, in derselben Richtung in kontinuir- licher Weiterentwicklung begriffen '. Eine Deutung dieses Drüsenbesatzes ist nicht schwer. Der flüchtigste Vergleich schon mit dem erwachsenen Thiere (vgl. Fig. 21 Taf. XXI) lehrt, dass der vom weiblichen Geschlechtsgang abgeschnürte Halb- kanal nebst seinem Drüsenbesatz die Prostata oder der Spermato- duct der Autoren ist, also jener Theil der gemeinsamen Leitungswege der Stylommatophoren, welcher nach den herrschenden Anschauungen dem freien männlichen Geschlechtsgang der Basommatophoren homolog sein sollte. Dass jenes vorübergehende Gebilde, welches wir als den männlichen Geschlechtsgang bezeichneten, noch vorhanden ist, wenn der bleibende Spermatoduet auftritt, möchte ich schon jetzt der Be- achtung empfehlen; was für Folgerungen sich daran knüpfen lassen, werden wir später sehen. Das letzte der noch fehlenden Glieder des Geschlechtsapparates, dessen Auftreten ich noch selbst beobachtet habe, ist das Recepta- culum seminis. Ich fand die Anlage desselben (Fig. 11 rs) zum ersten Male bei einem Thiere von ca. 12 mm Länge., wo es eine kurze weithalsige, mit dem blinden Ende nach oben umgebogene Ausstül- pung des Penis bildete. Dieselbe entsprang aus dem Penis allerdings unmittelbar unter der Einmündung des Atriums, aber doch mehr schon im Bezirke des Penis, was in einem späteren, der Reife näheren Sta- dium noch deutlicher hervortrat. Das Receptaculum seminis ist also genetisch ein Derivat des Penis, wobei ich daran erinnern möchte, dass auch bei erwachsenen Thieren das Receptaculum auf den ersten Blick zwar der Vereinigungsstelle vom Penis und Atrium aufzusitzen scheint, bei näherem Hinsehen sich aber etwas mehr auf den Penis gerückt erweist. Außerdem giebt es auch Limaces, wo das Receptaculum voll- kommen als Penisdivertikel auftritt?. Eine Scheidung von Körper und Stiel war bei dieser ersten Anlage des Receptaculum, welche sich i In den Fig. 40 und 44 konnte der Drüsenbesatz — die Prostata — natürlich nur ganz schematisch angedeutet werden. 2 Limax laevis Müll. (Sımroru, 1. c. Taf. IX, Fig. 21, im Text nicht erwähnt], ferner Limax brasiliensis Semp. (v. Inerıng, 1. c. p. 207). Bei Vitrina brevis (Fer.) muss das Verhältnis sogar sehr auffallend sein. Vgl. A. Scunipr, 1. c. p. 49. Taf. XIV, Fig. 105. Die Entwicklung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pnlmonaten etc. 363 zwischen Penis und den beiden sekundären Geschlechtsgängen ein- schob, noch nicht erfolgt; in seinem feineren Bau glich es dem Penis, doch war seine Wand von vorn herein auffallend dünn. Sonst zeigte dieses Exemplar noch zwei weitere Veränderungen, welche als Annäherungen an die bleibenden Verhältnisse aufzufassen sind: das Atrium war auffallend verkürzt und die Verbindung zwischen Flagellum und Penis schon stark verengt. Hier brechen leider meine Beobachtungen ab. Alle Exemplare von 15--20 mm zeigten, wie schon in fast allen Punkten, so auch in dem histologischen Bau die bleibenden Verhältnisse, und meine Bemühungen, Mittelglieder aufzufinden, blieben erfolglos. Ich kann daher über die Entwicklung der beiden noch fehlenden Glieder des Geschlechts- systems, der Eiweißdrüse und der Vesicula seminalis nichts berichten und muss es dahin gestellt sein lassen, in wie weit die Erweiterung des proximalen Abschnittes des primären Genitalganges und die in- konstant dort auftretenden Blindsackbildungen zu diesen noch fehlen- den Gebilden in genetischer Beziehung stehen. Eine Lücke in meiner Darstellung, die mir unendlich bedauerlicher ist, als Mangel an Be- obachtungen über zwei spät auftretende und relativ unwichtige An- hangsorgane, deren Entwicklung aus jener proximalen Anschwellung übrigens auch durch das übereinstimmende Zeugnis von RouzeAup und Eısıg sichergestellt ist, ist die Ungewissheit, in der ich den Leser über das Schicksal der sekundären Genitalgänge lassen muss. Auf dem, durch die Anlage des Receptaculum seminis wohl gekennzeichneten Stadium Fig. 11 bestanden bezüglich ihrer noch die alten Verhältnisse zu Recht: ein weiblicher Gang mit in Bildung begriffenen Prostata- drüsen, in den das Vas deferens mündet, und ein männlicher Gang, etwa auf einer Strecke von 0,5 mm von dem weiblichen abgespalten. Alle späteren Stadien dagegen, die ich untersuchte, zeigten sehon: die für das erwachsene Thier charakteristischen Verhältnisse, d.h. es war von dem männlichen Gange keine Spur mehr vorhanden. Aus der einfachen Gegenüberstellung dieser beiden Thatsachen geht aber wenigstens das mit unumstößlicher Gewissheit hervor, dass der männliche Gang sich zu keinem bleibenden Gebilde um- wandelt, sondern in der späteren Entwicklungsperiode einfach verschwindet. Ungewiss bleibt aber nur, auf welche Weise diese Rückbildung vor sich geht, denn wenn vielleicht auch die Vorgänge, die wir am proximalen Ende des Ganges an späteren Stadien (vgl. p. 362) beschrieben haben, als der erste Schritt dazu aufzufassen ist, so muss das doch zunächst reine Vermuthung bleiben. Der Ovi- spermatoduet (d. h. Oviduct sammt Prostata der Autoren) des er- 364 J. Brock, wachsenen Thieres geht jedenfalls aus dem ganzen proxim alwärts \ vom Abgang des Vas deferens liegenden Theil der ur= sprünglichen Leitungswege hervor, also dem weiblichen Ge- | schlechtsgang proximalwärts vom Vas deferens und dem primären Ge- schlechtsgang, so weit er ungespalten bleibt, wenn nicht vielleicht der | terminale (proximale) Abschnitt des letzteren in größerer oder geringerer Ausdehnung zur Bildung der Eiweißdrüse und der Vesicula seminalis | verwendet wird. Der distale Abschnitt des weiblichen Ge- schlechtsganges wird zum Oviduct des erwachsenen | Thieres, welcher noch an Stadien, die der Fig. I1 entsprechen, in | Wahrheit nieht nach außen, sondern in den Penis mündet. Um diese Verhältnisse in die bleibenden überzuführen (die bei 15—17 mm großen Thieren erreicht sind) bedarf es nur einer Fortsetzung der in Fig. 11 schon angebahnten Wachsthumsänderungen und dadurch bedingter Verschiebung der einzelnen Theile an einander; die in Fig. 11 schon stark bemerkliche Verkürzung des Atriums braucht nur noch weiter fortzuschreiten, um auch die Mündung des Oviducts distalwärts zu leiten und sie der äußeren Geschlechtsöffnung zu nähern. Unterstützt wird dieser Wachsthumsvorgang noch durch eine gleichzeitig vor sich gehende Abschnürung des Penis; denn bei Thieren von 15—20 mm Länge fand ich die Mündung des Penis in das Geschlechtsatrium ganz auffallend eng; wie ich nebenbei erwähnen möchte, ist auch die äußere Geschlechtsöffnung für so vorgerückte Stadien noch sehr fein; sie misst nämlich nicht mehr, als ca. 0,2 mm. An die Darstellung neuer Thatsachen theoretische Betrachtungen zu knüpfen, ist heut zu Tage — in Deutschland und England wenigstens — so allgemein üblich, dass sich kein Autor desswegen besonders zu entschuldigen braucht. In diesem Falle erscheint ein gewisses Maß von Spekulation aber sogar geboten, wenn anders wir auf die Erklärung gewisser noch unverstandener und zusammenhangloser Thatsachen, welche die obigen Untersuchungen aufgedeckt haben, lieber von vorn herein verzichten wollen. Ich meine damit natürlich in erster Linie jenes eigenthümliche Gebilde, dem wir den Namen »männlicher Ge- schlechtsgang« beigelegt haben, und es wird daher jetzt in erster Linie unsere Aufgabe sein, diese Bezeichnung auch zu rechtfertigen. Wenn wir zunächst einmal unerörtert lassen, ob die Stylommato- phoren in den Süßwasserpulmonaten ihre nächsten Verwandten haben oder direkt auf opisthobranchiate Formen (v. Inerıng) zurückgeführt werden müssen, in beiden Fällen — und das kommt für uns vorläufig allein in Betracht — gelangen wir zu hermaphroditischen Formen, we Die Entwicklung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pulmonaten etc. 365 männliche und weibliche Leitungswege wenigstens in ihrem distalen Abschnitt getrennt verlaufen und oft sogar weit von einander getrennte Mündungen besitzen. Wir fanden nun bei Limax, dass sich eine gemein- same Anlage, der primäre Geschlechtsgang, in zwei sekundäre Gänge spaltet, von denen der eine zum Ovispermatoduct wird, der andere nach zeitweiligem Bestehen spurlos verschwindet. Zahlreiche Analogien be- rechtigen dazu, solchen nur vorübergehend in der Entwicklung auf- tretenden Organen eine phylogenetische Bedeutung beiznmessen, d. h. sie als Organe älterer und niedrigerer Formen zu deuten, welche dem er- wachsenen Organismus der jüngeren Form verloren gegangen sind und nur noch vorübergehend in der Entwicklung auftreten. Dieses Princip auf unseren Fall angewendet, sehe ich einfach gar nicht die Möglichkeit einer anderen Deutung, als dass jener vorübergehend abgespal- tene Gang nur das Homologon der männlichen ausführen- den Geschlechtswege der nächst verwandten hermaphrodi- tischen Formen mit getrennten Leitungswegen Sein kann. Damit ist die Bezeichnung »männlicher Geschlechtsgang« aber zur Genüge gerechtfertigt!. Unter diesen nächst verwandten hermaphroditischen Formen wer- den aber wahrscheinlich nur die Opisthobranchier und nicht die Basom- matophoren zu verstehen sein. Gewisse entwicklungsgeschichtliche Thatsachen machen es fast zur Gewissheit, dass der Geschlechtsapparat der Basommatophoren gegen die Stylommatophoren eine höhere Differen- zirungsstufe zeigt, also, wenn einmal verwandtschaftliche Beziehungen angenommen werden sollen, nur von jenem abgeleitet werden kann, aber nicht umgekehrt. Dieses Resultat ist um so überraschender, als es möglich schien, aus der vergleichenden Anatomie den wohlbe- gründeten Nachweis des Gegentheils zu führen. Nichts schien ein- facher und naturgemäßer als in der Samenhalbrinne der Landpulmo- naten den mit dem weiblichen verschmolzenen männlichen Leitungsweg der Süßwasserpulmonaten zu erblicken, nichts näher liegend als die einfache Geschlechtsmündung jener aus einer Verschmelzung der dop- pelten Geschlechtsmündungen dieser hervorgehen zu lassen, wo noch dazu die Opisthobranchier lehrten, dass Trennung der Leitungswege 1 Man könnte gegen diese Deutung erinnern, dass die Spaitung des primären Geschlechtsganges nur auf eine verhältnismäßig kurze Strecke erfolgt und vor Allem distalwärts nie mehr bis zur äußeren Geschlechtsöffnung fortschreitet. Dem ist entgegenzuhalten, dass wir erstens ein rudimentäres Organ vor uns haben, wel- ches nicht mehr seine volle Ausbildung erreicht, zweitens aber das frühe Auftreten und die mächtige Entwicklung des Penis und die vorübergehend so merkwürdig starke Entwicklung des Atrium genitale dafür eine genügende Erklärung ab- geben. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLIV. Bd. 94 366 J. Brock, wirklich als der primäre Zustand aufzufassen ist und zahlreiche Über- gangsstufen auf die angebliche Verschmelzung der getrennten Genital- mündungen hinzuweisen schienen. Und doch ist dem nicht so. Wie die übereinshananden Beobach- | | tungen von Eısıs und Rouzeaud lehren, ist die einzige Genital- öffnung der Stylommatophorenallein der weiblichen Öff- nung der Basommatophoren homolog, während die männliche Öffnung nur ein sekundäres Produkt des Penis ist, der durch spätere Wachsthumsvorgänge vom primären Geschlechtsgange, aus dem er sich bildet, abrückt und selbständig nach außen durchbricht. Es ist daraus ohne Weiteres klar, dass mit Bezug auf die Orificia genitalia die Basom- matophoren die höhere Differenzirungsstufe bilden und nur an eine Ableitung der Basommatophoren von den Stylommatophoren, aber nicht umgekehrt gedacht werden kann. Mit den männlichen Geschlechtsgängen steht es nicht besser, wie folgende Auseinandersetzung zeigen wird. Wer der oben gegebenen Deutung jenes vorübergehend auftretenden Gebildes als Homologon des männlichen Leitungsweges der Opisthobranchier beitritt, muss in dem zweiten sekundären Geschlechtsgang, meinem weiblichen, das Homo- logon der weiblichen Leitungswege erblicken. Das ist ohne Weiteres klar. Nun lehrt aber die Entwicklungsgeschichte, dass dieser weib- liche Leitungsweg bei den Stylommatophoren zum Ovispermoduct wird, indem er durch spät auftretende und ontogenetisch bedeutungs- lose Abschnürungsvorgänge die Samenrinne und Prostatadrüsen aus sich heraus entwickelt. Und noch mehr: Samenrinne und Prostata- drüsen treten auf, während jenes vorübergehende Gebilde, das wir aus guten Gründen als das Homologon des männlichen Ganges be- zeichnet haben, noch vorhanden ist, beide bestehen eine Zeit lang neben einander. Hieraus folgt aber mit unumstößlicher Sicherheit, dass, mag man nun den männlichen Gang der Basommatophoren mit dem vorübergehend auftretenden der Stylommatophoren für homolog halten oder nicht, die Samenrinne nebst Prostatadrüsen der Stylom- matophoren ein Produkt des weiblichen Leitungsweges ist und dass das anatomische Verhalten der Leitungswege der Stylommatophoren nicht aus dem der Basommatophoren durch Annahme einer sekundären Verschmelzung beider Leitungswege hergeleitet werden kann. Ungewiss bleibt vorläufig nur die Homologie der männlichen Lei- tungswege in beiden Pulmonatenabtheilungen. Rovzzaup’s Beobach- tungen sind mit Bezug auf diesen Punkt leider ganz unbrauchbar und auch Eısıe’s Angaben ohne eine Nachprüfung nicht annehmbar. Eısıs Die Entwicklung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pulmonaten etc. 367 lässt bei den Basommatophoren den embryonalen männlichen Ge- schlechtsgang direkt in den Geschlechtsgang des erwachsenen Thieres übergehen. Dazu wäre aber nöthig, dass er kein vorübergehendes, sondern ein bleibendes Gebilde repräsentirte und dass das Vas deferens sich mit ihm und nicht mit dem weiblichen Geschlechtsgang in Ver- bindung setzte. Das wären indessen gegen die Stylommatophoren so durchgreifende Unterschiede, dass ich vorläufig noch nicht recht daran glauben kann. Nach meiner Meinung ist der männliche Geschlechts- gang bei den Basommatophoren ebenfalls ein vorübergehendes und kein definitives Gebilde, und der Spermatoduct des erwachsenen Thieres, so weit er vom Oviduct getrennt ist, ein Produkt des Vas de- ferens. Die Richtigkeit dieser Vermuthung wäre allerdings erst durch direkte Beobachtung zu beweisen, jedenfalls aber habe ich es vor- läufig noch vorgezogen, das Homologon des männlichen Ganges der Stylommatophoren erst bei den Opisthobranchiern und nicht, was an- scheinend viel näher gelegen hätte, bei den Süßwasserpulmonaten zu suchen. Wie dem aber auch sein möge, jedenfalls ist das Eine sicher, dass, wenn man einmal beide Pulmonatenabtheilungen in genetische Beziehung zu einander bringen will, sich wohl die Möglichkeit dar- bietet, den Geschlechtsapparat der Basommatophoren aus dem der Stylommatophoren abzuleiten, nicht aber um- gekehrt. Da eine solche Ableitung aber Angesichts der Schwierig- keiten, welche die übrigen Organsysteme bieten, ernsthaft gar nicht versucht werden kann, so böte sich als dritte Möglichkeit nur die von v. Iuerına vertretene Hypothese unabhängiger Abstammung beider Pul- monatenklassen von zwei verschiedenen opisthobranchiaten Stamm- formen. Dem steht aber eine große Schwierigkeit entgegen, zu deren Beseitigung ich vorläufig noch keine Möglichkeit sehe, nämlich — um bei den Geschlechtsorganen zu bleiben — Bau und Entwicklung des Penis und Vas deferens. Bau, Lage und Entwicklung dieser beiden Organe ist nämlich so charakteristisch und so genau übereinstimmend in beiden Abtheilungen, dass wir zu der Annahme einer wirklichen Homologie geradezu ge- zwungen sind, während gegen das Begattungsorgan der typischen Gastropoden (Proso- und Opisthobranchier) so durchgreifende Unter- schiede bestehen, dass von einer Homologie des Penis der Pulmonaten mit diesem vorläufig gar keine Rede sein kann. Wir müssten also, um die v. Iurrıng’sche Hypothese zu retten, zu der Annahme greifen, dass sich Penis und Vas deferens bei beiden Pulmonaten-Abtheilungen un- abhängig von einander entwickelt hätten, wozu vorläufig noch gar keine Nöthigung vorliegt. Da eine weitere Erörterung der Frage nach den 24* 368 J. Brock, Ä Verwandtschaftsverhältnissen der Pulmonaten ohne Erweiterung der thatsächlichen Basis nutzlos wäre, so will ich sie hiermit verlassen, da es ' unter diesen Umständen ausreichend erscheinen muss, ihren augenblick- lichen Stand mit Bezug auf den Geschlechtsapparat dargelegt zu haben. Penis und Vas deferens sind also für mich in beiden Abthei- lungen der Pulmonaten homologe Organe; ferner aber geht aus | ihrer Entwicklung mit Sicherheit hervor, dass sie nicht, wie in vielen Lehrbüchern und unzähligen anatomischen Beschreibungen zu lesen steht, die distalen Abschnitte der männlichen Leitungswege darstellen. Die frühe Abschnürung des Penis aus dem noch indiffe- renten primären Geschlechtsgange und seine ganz selbständige Ent- wicklung, die zu den wirklichen männlichen Leitungswegen nicht die geringsten Beziehungen hat, eben so wie die Entwicklung des Vas de- ferens als Penisdivertikel dürften beide Organe in Zukunft wohl vor solchen Deutungen sicher stellen. | Penis und Vas deferens sind — darüber kann kein Zweifel herrschen — innerhalb des Phylums der Pulmonaten erwor- bene Neubildungen. | Mit unseren Betrachtungen uns noch weiter in die Stammesge- schichte der Mollusken zu vertiefen, halte ich zunächst keineswegs für räthlich ; müssen wir doch immer im Auge behalten, dass selbst entwick- lungsgeschichtliche Thatsachen nur mit Vorsicht zu allgemeineren Fol- gerungen benutzt werden dürfen, wenn sie einer so hoch differenzirten Gruppe, wie den Pulmonaten, entnommen sind. Schon die Frage nach der Duplieität der Geschlechtsgänge kann uns das lehren. Dass paarige Geschlechtsgänge, wenn nicht auch Keimdrüsen bei den Mollusken die Grundform, den Ausgangspunkt bilden, kann wohl als unzweifelhaft feststehend angenommen werden; bei den Pulmonaten ist auch in der Entwicklungsgeschichte jede Erinnerung daran verwischt!, Beweis ge- nug, dass wir hier längst nicht mehr aus einer reinen Quelle schöpfen. Die Thatsache, dass Keimdrüse und Geschlechtsgang jeder für sich selbständig entstehen, kann vielleicht einmal Bedeutung gewinnen; vorläufig ist mit ihr aber noch nicht viel anzufangen. Bei den Cepha- lopoden besteht diese Einrichtung bekanntlich ja zeitlebens, und es dürfte vielleicht nicht allzu gewagt sein, wenn neben den Cephalo- poden eine so differenzirte Abtheilung, wie die Pulmonaten, mit ihrer Entwicklungsgeschiehte dafür eintritt, in der gesonderten An- lage der ausführenden Geschlechtswege die Grundform des Molluskentypus zu erblicken. Spricht doch in gewissem 1 Denn die erst spät auftretende Spaltung des primären Geschlechtsganges kann auf eine ursprüngliche Duplieität natürlich nicht bezogen werden. Die Entwicklung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pulmonaten etc. 369 Sinne auch das Verhalten der Muscheln und der niederen Prosobran- chier dafür, wo es noch gar nicht zu gesonderten Ausführungsgängen gekommen ist. Ebenfalls auf das Verhalten der Geschlechtsorgane bei den Gepha- lopoden hin hat Bırrour in seinem Lehrbuch ! die Vermuthung ausge- sprochen, dass die Leitungswege bei den Mollusken in letzter Instanz auf umgewandelte Segmentalorgane zurückzuführen seien. Die On- togenie der Geschlechtsorgane bei den Pulmonaten bietet keinerlei Stütze für diese Ansicht, wie wohl kaum besonders hervorgehoben zu werden braucht. Dagegen ist es wohl einer Erwähnung werth, was für interessante Anklänge an die bleibenden Zustände niedriger organisirter Abthei- lungen diese Entwicklungsgeschichte bietet. In einem Stadium, wie z. B. dem in Fig. 4 oder 5 repräsentirten, die Grundform der Ge- schlechtsorgane der Prosobranchier wiederzufinden, bedarf es durchaus keines großen Zwanges. Wir haben eine Keimdrüse, einen damit in Ver- bindung stehenden Leitungsweg, der sich in einen proximalen engeren und distalen weiteren Abschnitt sondert und an der rechten Körperseite mündet, und einen (bei den Prosobranchiern natürlich nur beim Männ- chen) damit in Verbindung stehenden Penis. Gegenüber dieser Überein- stimmung in allen Grundzügen finde ich nichts Bedenkliches darin, dass die Begattungsorgane beider Gruppen höchst wahrscheinlich nicht homo- log sind; auch dass bei den Pulmonaten die äußere Geschlechtsöffnung um diese Zeit noch verschlossen ist, wird wohl Niemand als einen ernstlichen Einwurf gegen unsere Aufstellung ansehen wollen. Wir können daher wohl die Behauptung aufstellen, dass der bei den Prosobran- chiern bleibend repräsentirte Typus der Geschlechts- organe in der Ontogenie der Pulmonaten vorübergehend durchlaufen wird. In der ebenfalls nur vorübergehend beste- henden Spaltung des primären Geschlechtsganges einen Hinweis auf die Opisthobranchier finden zu wollen, liegt schon ferner, und muss, wenn auch noch mit Gründen zu belegen, doch mehr dem Gutachten des Einzelnen überlassen bleiben ; keineswegs aber dürfen wir uns die Wahrheit verhehlen, dass alle diese phylogenetischen Beziehungen vor- läufig noch viel zu vereinzelt dastehen, um irgend welches neueLicht auf die Verwandtschaftsverhältnisse der Pulmonaten werfen zu können. Ich schließe hier passend einige Betrachtungen über das Wesen des Hermaphroditismus an, zu welchen die Resultate vorstehender Un- tersuchung mich angeregt haben. Ich glaube ich kann wohl sagen, 1 F. Barrour, Handb. der vergleichenden Embryologie. Deutsch von VETTER. II. Bd. p. 675 sqgq. 370 J. Brock, dass noch niemals von einer Form eines komplieirter gebauten herma- phroditischen Geschlechtsapparates eine so vollständige Entwicklungs- geschichte gegeben worden ist, wie hier von den Pulmonaten; denn die Beobachtungen Lane’s! und Inma’s? an Turbellarien, die einzigen, die daneben noch in Betracht kommen, können, ohne ihr Verdienst zu schmälern, doch nicht als erschöpfende Behandlungen des Themas ange- sehen werden. Aus der Entwicklungsgeschichte der Geschlechtsorgane der Vertebraten, der einzigen, welche daneben noch einigermaßen gut erforscht ist, sind wir nun schon längst mit der eigenthümlichen That- sache bekannt, dass das bleibende Geschlechtsverhältnis, der Diöcismus, keineswegs das der ersten Anlage und anfänglichen Entwicklung ist. Wenn wir von der in ihrer Anlage geschlechtlich vollkommen indiffe- renten Keimdrüse absehen, ist der Typus der gesammten Entwicklung ein hermaphroditischer, welcher den Entwicklungsgang sogar so aus- schließlich beherrscht, dass, wenn der Übergang zum Diöcismus voll- zogen ist, die Apparate des unterlegenen Geschlechts nicht einfach ver- schwinden, sondern nur eine funktionelle Umwandlung erleiden oder in mehr oder minder vollkommenen, wenn auch funktionell bedeu- tungslosen Resten erhalten bleiben. Mit Hinblick hierauf lag es nahe, die Ontogenie des Genitalappa- rates der Pulmonaten darauf hin zu prüfen, ob der Typus, nach dem die ausgebildeten Geschlechtsorgane gebaut sind, auch derselbe ist, welcher die Entwicklung beherrscht, oder nicht. Dass wir hierbei wie- der von denjenigen Theilen des Geschlechtsapparates, deren Anlage eine geschlechtlich indifferente ist, also der Keimdrüse, absehen müs- sen, ist selbstverständlich. Beschränken wir uns daher zunächst auf die ausführenden Gänge mit ihren Anhangsgebilden, so tritt uns die überraschende Thatsache entgegen, dass die Anlage der Leitungswege, der primäre Geschlechtsgang, in ihrer Totalität in den weiblichen Leitungsapparat des erwachsenen Thieres übergeht, wie auch seine ursprüngliche Mündung bei den Formen mit doppelten Geschlechtsöffnungen (Süßwasserpulmonaten) 1 A. Lang, Der Bau von Gunda segmentata und die Verwandtschaft der Plathel- minthen mit Cölenteraten und Hirudineen. Mitth. Zool. Station Neapel. Bd. III. 41882. p. 487 und Die Polycladen (Seeplanarien) des Golfes von Neapel. Leipzig 1884. p. 219, 287, 345. 2 Isao Iısıma, Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Süß- wasser-Dendrocölen (Tricladen). Diese Zeitschr. Bd.XL. 4884. p.453sqgq. Übrigens stimmen die Beobachtungen Iısıma’s in vielen Punkten (mesodermale Anlage des Geschlechtsapparates, gesonderte Anlage der Keimdrüsen und der Leitungswege, später Durchbruch der Geschlechtsöffnung ohne Betheiligung einer ektodermalen Einstülpung) sehr gut mit den meinigen überein. Die Entwieklung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pulmonaten etc. 371 zur weiblichen Geschlechtsöffnung wird!. Die specifisch männlichen Bestandtheile der Geschlechtsorgane bestehen nur vorüber- gehend (männlicher Geschlechtsgang) oder sind sekundäre und spät auf- tretende Derivate entweder des Oviducts (Samenrinne und Prostata- drüsen) oder des Penis (Flagellum und Vas deferens); und wo eine ge- sonderta männliche Geschlechtsöffnung besteht, bildet sie sich erst spät und sekundär vom Penis aus. Letzteres Organ scheint eine Aus- nahme zu bilden, entsteht aber auch aus keiner selbständigen Anlage und ist nur seines frühen Auftretens wegen merkwürdig, das aber ‚auch nur aus seiner Größe und Bedeutung zu erklären ist, welche die Anlage in einer früheren Entwicklungsperiode begünstigten. Sehr merkwürdig und vorläufig noch keiner Deutung fähig, ist allerdings die Abstammung des Receptaculum seminis vom Penis. Da die Stelle, wo das Receptaculum als Divertikel erscheint, die Grenze gegen das Geschlechtsatrium ist, könnte man an eine sekundäre und in der Ontogenie fixirte Wachsthumsverschiebung denken. Für den vorliegenden Zweck brauchen wir eine solche Hypothese gar nicht. Das Receptaculum ? ist innerhalb des Molluskenphylums mit wenigen Ausnahmen (einige Prosobranchier) an das Bestehen des Hermaphro- ditismus geknüpft; es bildet einen integrirenden Theil der weiblichen Organe, der aber nur da erscheint, wo sich der Geschlechtsapparat durch das Hinzutreten männlicher Organe komplieirt. Und dieses Ver- halten prägt sich noch deutlicher in der Entwicklungsgeschichte aus. Ontogenetisch gehört das Receptaculum zu den männ- lichen Geschlechtsorganen, denen es zwar beim erwachsenen 'Thier zu Gunsten der weiblichen entzogen wird, aber trotzdem noch immer in seinem Auftreten von dem gleichzeitigen Vorhandensein seiner Bildungsstätte, den männlichen Geschlechtsorganen, abhängig ist. Ich halte aus diesen Gründen die Bedenken, welche gegen unsere obige Behauptung aus der Entwicklung des Receptaculum und des Pe- nis hergenommen werden können, für nicht so wesentlich, um jene ernstlich zu erschüttern und glaube mich daher zu dem Schlusse be- 1 Dass der proximale Abschnitt des primären Geschlechtsganges, der Zwitter- gang beim erwachsenen Thier, Leitungsweg beiderlei Geschlechtsprodukte wird, ist nur eine scheinbare Ausnahme, da der Zwittergang in seiner definitiven Be- stimmung das Schicksal der Keimdrüsenanlage theilt, also eigentlich zu den ihrer Anlage nach geschlechtlich indifferenten Theilen des Geschlechtsapparates zu zäh- len ist. 2 Dessen physiologische Rolle übrigens auch noch ganz unklar ist. Dass die Befruchtung der Eier im proximalsten Abschnitt des Ovispermatoducts vor sich geht und die Vesicula seminalis höchst wahrscheinlich physiologisch die Rolle des Re- ceptaculum spielt, ist zur Genüge bekannt. 372 d. Brock, rechtigt, dass die Geschlechtsorgane der Pulmonaten sich nach dem weiblichen Typus anlegen und entwickeln und erst durch spät eintretende und entwicklungsgeschicht- lich unwesentliche Modifikationen in den hermaphrodi- tischen übergeführt werden. Einen weiteren Beleg für diese Behauptung liefert folgende, wahr- scheinlich noch wenig bekannte Thatsache. Gerade unter den Limaces sind, wie wir in neuester Zeit übereinstimmend und fast gleichzeitig von SımrorH und v. Inerıne erfahren haben, eingeschlechtliche Exem- plare gar nicht selten, diese haben sich aber ohne Ausnahme bisher als weiblich erwiesen !. Noch nie ist ein einfach männlicher Limax gefunden worden. Und an der Hand unserer Entwicklungsgeschichte ist auch die Entwicklung einer rein weiblichen Form leicht genug zu konstruiren; Ausbildung des Vas deferens und die Abschnürung der Samenrinne vom Oviduct unterbleibt eben und die Keimdrüsenanlage wird nicht Zwitterdrüse, sondern Eierstock; das ist aber auch Alles. Die rein weibliche Form verhältsich zur normalen her- maphroditischen einfach wie eine Hemmungsbildung zum normalen Entwicklungsprodukt. Die Aufgabe dagegen, auf Grund der vorhandenen Daten über die Entwicklung der normalen ‚hermaphroditischen Form die eines hypothetischen rein männlichen Limax zu konstruiren, ist einfach unlösbar. Interessant ist das Verhalten des Penis und des Receptaculum se- minis bei den rein weiblichen Formen. Dieselben zeigten ohne Aus- nahme ein wohl entwickeltes Receptaculum seminis. Ontogenetisch ist dasselbe ja vom Penis abhängig, und in der That trug das Recepta- culum an seinem Stiel einen kleinen Anhang (Smrora, 1. c. Taf. IX, Fig. 22 p), den Sımrora (l. c. p. 223) ganz richtig als Penis bezeichnet. Freilich, glaube ich, darf man sich die Sache nicht so vorstellen, dass etwa dem Receptaculum zu Liebe der Penis der allgemeinen Unter- drückung der männlichen Genitalien entgangen sei, sondern einfach so, dass er als bedeutendstes und ontogenetisch ältestes Glied des männ- lichen Systems zuletzt der allgemeinen Verkümmerung desselben erliegt. 1 Sımrora, Rein weibliche Exemplare von Limax laevis. Sitzungsber. Leipzig naturf. Gesellsch. X. 1883. p. 74 und diese Zeitschr. |. c. p. 223. — v. IBERING (l. c. p- 207) findet sogar, dass der männliche Geschlechtsapparat »vielfach vermisst wird«., 2 Wenigstens als Penisanlage, da er bei einem Thiere aus dieser »ganz kleinen Auftreibung im Anfang des Blasenstiels noch nachträglich einen rudimen- tären Penis hervorgehen« sieht. Das ist natürlich irrig. Jener kleine Höcker ist nicht der werdende, sondern der rückgebildete, resp. in seiner Entwicklung stehen gebliebene Penir. Die Entwicklung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pulmonaten etc. 373 Ob es rein weibliche Thiere giebt, denen auch das Penisrudiment fehlt! und wie das dann zu erklären wäre, würde uns zu weit in rein theo- retische Betrachtungen führen und mag daher noch unterbleiben. Das ‚aber wenigstens können wir mit Sicherheit behaupten: die Thatsache, ‚dass eingeschlechtliche Limaces stets weiblich, niemals aber männ- - lich sind, in Verbindung damit, dass bei solchen Thieren sich stets Ru- dimente der männlichen Geschlechtsorgane zu erhalten scheinen (vgl. ‚darüber Sımrora 1. c. p. 223), beweist aufs Klarste, dass das gele- gentliche Auftreten rein weiblicher Formennichtals ein Atavismus, als Rückschlag aufeine getrennt geschlecht- liche Stammform aufgefasst werden kann, sondern ein- fach aus einer Verstärkung des die Entwicklung normaler Weisebeherrschenden weiblichen Typus entstanden zu " denken ist. Der Fall, dass sich aus einer ausgesprochen monöcischen und zwar weiblichen Anlage hermaphroditische Geschlechtsorgane ent- wickeln, hat eine merkwürdige Parallele unter den Vertebraten. In einer früheren Arbeit? habe ich seiner Zeit nachgewiesen, dass die ' Geschlechtsorgane der wenigen konstant oder inkonstant hermaphro- ‚ditischen Knochenfische® nach dem weiblichen Typus gebaut 1 Wie v. Inerıne angiebt (l. c. p. 207). Aber das Penisrudiment kann beson- ders bei Unkenntnis seiner Bedeutung leicht übersehen sein. 2 J. Brock, Untersuchungen über die Geschlechtsorgane einiger Muraenoiden. Mitth. Zool. Stat. Neapel. Bd. II. 1884. p. 415. 3 Für normale Hermaphroditen unter den Fischen, gleichviel ob konstant oder inkonstant, kann ich nur die Formen gelten lassen, bei denen nicht nur ein mehr ‘oder minder beträchtlicher Procentsatz aller Individuen die Zwitterbildung aufzu- weisen hat, sondern wo auch die hermaphroditischen Geschlechtsorgane ein für allemal nach demselben feststehenden Typus gebaut sind, also nur die drei Serranusarten undeinekleine ZahlvonSpariden. Die vielen vereinzel- ten Fälle, welche bei anderen Familien, insbesondere Cyprinoiden, Clupeiden und Gadiden beschrieben sind, und wo entweder die Keimdrüse jeder Seite ein anderes Geschlecht repräsentirte, oder ganze Abschnitte der Keimdrüse in regelloser Weise nach der Seite des anderen Geschlechts hin ausgebildet sind, müssen sammt und sonders alsteratologische Bildungen betrachtet werden, und gehören in eine Kategorie mit den seltenen Fällen von Hermaphroditismus (verus natürlich mit doppeltgeschlechtlichen Keimdrüsen, wozu ich aber in Übereinstimmung mit Spen- GEL [Biol. Centralbl. IV. 4884. p.244] das Bivper'sche Organ der Kröten nicht rechne), welche auch bei den höheren Vertebraten gelegentlich beobachtet werden. Eine weitere Eintheilung dieser teratologischen Bildungen in pathologische und ab- norme, wie es M. WEBER versucht hat (Über Hermaphroditismus bei Fischen. Nederl. Tijdskr. v. d. Dierkunde. III. 4884. p. 24), halte ich nicht für durchführ- bar, doch würde mich eine nähere Begründung meines Standpunktes bei diesem gelegentlichen Exkurse auf ein fremdes Gebiet viel zu weit führen und muss einer späteren Gelegenheit vorbehalten bleiben. 374 J. Brock, sind. Die hermaphroditischen Knochenfische sind weibliche Indivi- duen, in deren Ovarium sich an Stelle einiger Ovariallamellen ein Hoden entwickelt hat. Und als hübsche Parallele zu unseren Befunden bei den Pulmonaten mag daran erinnert sein, dass die inkonstant her- maphroditischen Spariden, wenn sie eingeschlechtlich auftreten, immer Weibchen, aber nie Männchen sind. Bei diesen wenigen Fischen ist ja die Abstammung von diöcischen Stammformen vollkommen sicher, und wir finden also, dass, als aus unbekannten Gründen einige Glieder diöeischer Teleostierfamilien sich in Hermaphroditen verwandelten, nicht etwa die Typen beider Geschlechtsorgane in einem Individuum kombinirt wurden, sondern die Natur sich die weibliche Keimdrüse ausersah, um durch — morphologisch selbstverständlich — unwesent- liche Änderungen sie in eine Zwitterbildung überzuführen. Bei den Pulmonaten liegt die Sache nicht so klar. Aber selbst wenn ihre noch keineswegs untrüglich festgestellte Abstammung von einer zwittrigen Gruppe, den Opisthobranchiern, hier einmal einwands- los zugestanden sein möge, so ist das doch unbedingt sicher, dass die Stammformen der Mollusken diöcisch waren und dass, wo wir inner- halb des Phylums Hermaphroditismus finden, derselbe aus Diöcismus hervorgegangen zu denken ist, und nicht etwa umgekehrt. Und darauf kommt es hier allein nur an. Was den Hermaphroditen beider Phylen, Mollusken und Vertebraten gemeinsam ist, ist ihre sichere Abstammung in näherem oder entfernterem Verwandtschaftsgrade von getrennt ge- schlechtlichen Formen. Dadurch aber gewinnt die Thatsache, dass bei beiden die hermaphroditischen Geschlechtsorgane sich nach dem Typus nur eines Geschlechts und zwar des weiblichen anlegen und entwickeln, eine über die Grenzen des Phylums hinausgehende Bedeutung. Der eingeschlechtige Typus ist mit einer Zähigkeit vererbt, dass selbst die Umwandlung in den Hermaphroditismus sich ihm anpassen muss, wobei es freilich vor der Hand noch ein Räthsel bleibt, wesshalb als Grundlage für die herma- phroditische Entwicklung gerade immer der Typus des weiblichen Geschlechts von der Natur ausersehen wird !, Ein vollkommenes Gegenstück zu den Pulmonaten bilden die Tur- bellarien, deren Hermaphroditismus zweifellos ein sehr ursprünglicher ist. Hier findet sich in der Entwicklung der Geschlechtsorgane, wie wir sie durch Lane und Iısıma kennen gelernt haben, auch nicht ein Zug, der sich für das Prädominiren eines Geschlechts auch nur im 1 Dass bei den diöcischen Lophobranchiern die männlichen Geschlechtsorgane zeitlebens nach dem Typus des Teleostierovariums gebaut sind, ist auch eine hier- her gehörige, wenngleich noch wenig bekannte Thatsache (vgl. Brock, 1. c. p. 489). | | | | | Die Entwicklung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pulmonaten etc. 375 mindesten verwerthen ließe. Es ist eine wahrhaft hermaphroditische Entwicklung, wie die der Pulmonaten und hermaphroditischen Verte- braten in Wirklichkeit eine eingeschlechtige ist! und wo wir innerhalb der Turbellarien wieder getrennt geschlechtliche Formen auftreten sehen, zeigt das ganze anatomische Verhalten des Geschlechtsapparates auf das Klarste, dass dieselben durch partielle Verkümmerung aus her- . maphroditischen hervorgegangen sind. Zusammenfassung. Die erste Anlage der Geschlechtsorgane ist ein hohler zelliger Strang neben den Cerebralganglien dicht an der Cutis, der vorn und hinten ohne bestimmte Grenze in die Mesodermzellen seiner Umgebung : sich verliert. Dieser Strang findet sich schon bei älteren Larven kurz vor dem Ausschlüpfen. Um die Zeit des Ausschlüpfens wird die An- lage der Zwitterdrüse wahrgenommen, dieselbe ist ebenfalls meso- dermalen Ursprungs und steht mit der Anlage der ausführenden Geschlechtsorgane, dem primären Geschlechtsgange zunächst in kei- ner Verbindung. Letzter stellt sich bald her, wobei aber die Anlage des Zwitterganges, der die Zwitterdrüse und das proximale Ende des unterdessen stark nach hinten gewachsenen primären Geschlechts- ganges, mit einander verbindet, eigenthümlicherweise in der ganzen Strecke seines Verlaufes sich gleichzeitig aus den Mesodermzellen der Umgebung differenzirt. Der Penis tritt schon sehr früh als eine spindelförmige Anschwel- ' Jung des primären Geschlechtsganges auf, welche sich bald als Blind- sack von ihm abschnürt. An seinem Fundus resp. an der medianen Wand macht sich frühzeitig die Anlage des Reizorgans bemerkbar. Sekundär durch Divertikelbildung gehen aus dem Penis das Flagellum und das Receptaculum seminis hervor, letzteres ist daher genetisch als ! Ich habe vorhin die Entwicklung der Geschlechtsapparate der Vertebraten eine hermaphroditische genannt. Zur Beseitigung dieses scheinbaren Widerspruches ' genüge daran zu erinnern, dass, abgesehen davon, dass die hermaphroditische An- lage niemals sich auf die Keimdrüse miterstreckt, ich es an einem anderen Orte (Brock, 1.c.p.486 ff.) wahrscheinlich gemacht habe, dass die hermaphroditische An- lage sich erst innerhalb des Vertebratenstammes entwickelt hat und wahrschein- lich bei den niedersten Vertebraten (Cyclostomen), sicher aber bei dem hoch diffe- . renzirten Seitenzweig der Teleostier, dem alletypischhermaphroditischen | Vertekraten angehören, nicht zum Ausdruck kommt. Denn dass ein MüÜLLER- scher Gang bei Fischen überhaupt nicht angelegt wird, halte ich nach meinen und besonders J. MacLeop’s Untersuchungen (Recherches sur la structure et le develop- pement de l’appareil reproducteur des Teleostiens. Arch. de biol. II. 4884. p. 497) für vollständig sichergestellt. 376 J. Brock, ein Theil der männlichen Geschlechtsorgane zu betrachten. Das Fla- gellum ist zuerst ein einfacher ungetheilter Blindsack, wie bei einigen Limax sp. zeitlebens. Das vordere Ende des primären Geschlechtsganges wächst in die | Cutis hinein und bricht ohne Betheiligung einer ektodermalen Einstül- ' pung nach außen durch. Bei den Basommatophoren wird das Orifieium | genitale zur weiblichen Geschlechtsöffnung, der Penis schnürt sich vom primären Geschlechtsgang vollständig ab und bricht mit eigener Öff- nung (männliche Geschlechtsöffnung) nach außen durch (Eısıe, Rovuzeaup). f Die Strecke des primären Geschlechtsganges zwischen äußerer Geschlechtsöffnung und Einmündung des Penis (Atrium genitale) ist | während der ganzen Entwicklung auffallend lang. Hinter der Ein- mündung des Penis theilt sich der primäre Geschlechtsgang durch einen | Längsspaltungsprocess in zwei sekundäre Gänge, den engeren männ- " lichen und den weiteren weiblichen Geschlechtsgang, und diese Spal- tung setzt sich nach vorn bald bis auf den Penis fort, so dass beide [ Gänge aus ihm zu entspringen scheinen. Der hintere einfach geblie- | bene Theil des primären Geschlechtsganges zeigt an seinem proximalen | Ende, wo der Zwittergang in ihn mündet, schon früh eine terminale | Anschwellung, welche später sich in Windungen legt und einen kleinen [ Blindsack entwickelt. Es ist das wohl ohne Zweifel die Anlage der | Eiweißdrüse, der Vesieula seminalis und vielleicht auch des proxi- malen drüsigen Abschnittes des Ovispermoducts. Der männliche Geschlechtsgang repräsentirt kein bleibendes Ge- i bilde, sondern verschwindet gegen Ende der Entwicklung spurlos, wesshalb ich ihn als die rudimentäre Anlage des männlichen Ge- | schlechtsganges einer mit doppelten Leitungswegen versehenen Vor- | fahrenform (Opisthobranchier?) auffasse. Der weibliche setzt sich mit ' dem Vas deferens in Verbindung, welches als blindsackförmige Aus- | stülpung des Penis auftritt, ihm entgegenwächst und unter Resorption v der Berührungsstellen der Wände in ihn mündet. Das Stück des weib- | lichen Geschlechtsganges proximalwärts von der Mündung des Vas de- (4 ferens trennt sich durch eine quere Einschnürung in zwei ungleich B große Halbrinnen, eine dorsale größere, den Oviduet und eine ven- trale kleinere, den Spermatoduct, und letzterer entwickelt durch | wiederholte Ausstülpungen einen Besatz von kleinen tubulösen Drüsen, | die Prostata. Auf diese Weise werden die bleibenden Verhältnisse angebahnt und es wird das Stück des weiblichen Geschlechtsganges proximalwärts vom Vas deferens zum Ovispermoduet, während das | distale Stück, das im Wesentlichen unverändert bleibt, in den Oviduct (Vagina) des erwachsenen Thieres übergeht. { Die Entwicklung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pulmonaten etc. 377: II. Bemerkungen über die Anatomie und Entwicklung anderer Organsysteme. Wer ein Material an Schnittreihen, wie es zu vorstehender Unter- suchung nöthig war, wiederholt aufmerksam durchmustert, muss auch Beobachtungen machen, die außer dem Bereiche seiner zunächst ge- . steckten Aufgabe liegen. Wenn auch manche solcher Wahrnehmungen sich bei näherer Prüfung als neu und der Mittheilung werth erweisen, trug ich doch lange Bedenken, mit ihrer Veröffentlichung vorzugehen, weil sie nach der Art, wie sie zu Stande gekommen sind, nothgedrungen von etwas fragmentarischem Charakter sein müssen. Ich bitte daher |! folgende kurze Mittheilungen mehr als Anregung zu ferneren Beobach- tungen, denn als die Resultate abgeschlossener Untersuchungen auf- nehmen und beurtheilen zu wollen. Gewisse Strukturverhältnisse an den Sekretionszellen der Fuß - ' drüse, die mir noch nicht bekannt schienen, veranlassten mich, diesem ‘ Organ zunächst eine größere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Die Fuß- ‚ drüse gehört, trotzdem sie gerade in der neueren Zeit mehrfach Gegen- stand von Untersuchungen gewesen ist, zu den am schlechtesten be- kannten Organen des Pulmonatenkörpers. Mit Hintenansetzung der ‚ älteren Arbeiten!, aus welchen über unser engeres Thema, die Histo- ‚ logie der Fußdrüse, ohnehin kaum etwas zu entnehmen ist, wende ich ' mich gleich zu dem Autor, welcher in neuerer Zeit dies Organ am ein- gehendsten untersucht hat, Sochaczewer?. Derselbe ist bekanntlich für ‚ die alte Leipv’sche Meinung, dass die Fußdrüse das Geruchsorgan ist, wieder eingetreten und hat dieser Ansicht durch den vermeintlichen Nachweis von Sinneszellen auch eine anatomische Begründung zu geben versucht. Leider ist dieselbe eben so unhaltbar, als die meisten übrigen Anschauungen, zu denen der Autor über den Bau des Organs gekommen ist. Wahrscheinlich durch unvollkommene Präparate ge- ‚ täuscht, konnte er einen Ausführungsgang der Drüsenzellen nicht fin- ‚ den und da er zugleich das niedrige Epithel der Seitenwände des Ausführungsganges übersah, so ließ er, wenn er auch vorsichtshalber ‚ die Möglichkeit einer Täuschung zugiebt, die Wände des Ausführungs- | ganges von den Drüsenzellen selbst gebildet sein, die so ihr Sekret ‚ unmittelbar in ihn entleerten. Mit Bezug auf das vermeintliche .Fehlen ‚ des Ausführungsganges fand dann auch Socuzczewer sofort energischen | | ! Zusammengefasst bei Semper (diese Zeitschr. Bd. V.III.-4858. p. 354), der eine ‚ für die damalige Zeit gute Beschreibung der Fußdrüse gab. ? D. SocHAczEwER, .Das Riechorgan der Landpulmonaten. Diese Zeitschr. | Bd. XXXV. p- 30. 378 J. Brock, Widerspruch bei Sıraısın! und Narrpa?, welche aber sonst der Ana- | tomie und Histologie der Fußdrüse kaum etwas wesentlich Neues hin- zufügten, vor Allem die Socuaczewer’schen Sinneszellen noch unange- tastet ließen. Die neueste Arbeit über die Fußdrüse, die von F. Houssay 3, ignorirt die gesammte einschlägige Litteratur vollständig, von Pulmo- Bi naten finde ich nur eine ganz oberflächliche Beschreibung der Fußdrüse von Helix nemoralis und Suceinea putris, die unsere Kenntnis dieses Organs in keiner Weise vermehrt. Über die Entwicklung der Fußdrüse wissen wir wenig. Nach den 4 übereinstimmenden Angaben von For (l. e. p. 205) und Lewiıe (l. ec. p. 229), die ich bestätigen kann, wird sie in der späteren Zeit des Em- bryonallebens, kurz vor dem Ausschlüpfen sichtbar. Ihre Abstam- mung (ektodermale Einstülpung?) ist aber noch vollkommen ungewiss. | Ri Eine vortreffliche Ansicht des Organs, wie man es bei älteren Em- bryonen findet, giebt Fig. 32. Das Epithel des Ausführungsganges (Fig. 32 fd) ist schon deutlich abgegrenzt und die Anlage der beiden Flimmerwülste des Bodenepithels (Fig. 32 we) sofort zu erkennen. Von | Drüsenzellen aber ist noch nichts zu sehen, doch fällt unter dem Boden | des Ausführungsganges eine Zellmasse (Fig. 32 dz) in die Augen, welche sowohl von den epithelialen Wülsten, wie von dem Mesoderm des Fußes gleich gut abgegrenzt, eine kontinuirliche Schicht unter dem | Boden der Fußdrüse bildet. Ich halte, freilich ohne Beweise dafür bei- bringen zu können — diese Zellschicht für die Anlage der Drüsen- | zellen; habe ich damit das Richtige getroffen, so ist es um so bedauer- | licher, dass aus den vorliegenden embryologischen Angaben sich nicht ji entnehmen lässt, ob diese Zellen auch aus der ursprünglichen ektoderma- ji len Einstülpung hervorgegangen sind, oder nicht. Um die Zeit des Aus- schlüpfens ist nicht nur die Drüsenmasse schon angelegt, sondern auch bereits in sekretorischer Thätigkeit, und Zwischenstufen zwischen der | indifferenten Anlage Fig. 32 und einer ausgebildeten Drüse sind mir — I: wenigstens in Bezug auf die Drüsenanlage — leider nicht vorgekommen. In Fig. 33 sieht man den in seinem vorderen Theile annähernd 1 kreisförmigen Ausführungsgang der Drüse eines noch jungen Thieres. 1 P.B. Sarasın, Über die Sinnesorgane und die Fußdrüse einiger Gastropo- IH den. Arb. zool.-zoot. Inst. Würzburg. Bd. VI. 1883. p. 403. 2 A. Narepa, Beiträge zur Anatomie der Stylommatophoren. Sitzungsber. Wien. | Akad. Bd. LXXXVII, A. Abth. 4883. p. 242. 3 F.Hovussay, Recherches sur l’opercule et des glandes du pied desGasteropodes. Arch. zool. exper. gen. (2). II. 1884. p. 249. * Einige richtige, aber fragmentarische Bemerkungen über die Fußdrüse giebt ü :’ auch Leyvıc, Die Hautdecke und Schale der Gastropoden. Archiv für Naturgesch. | 1876, p. 228. Die Entwicklung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pulmonaten etc. 379 Die beiden Flimmerwülste am Boden haben sich schon differenzirt, aber die ganze übrige Innenfläche des Ausführungsganges ist noch mit einem nicht flimmernden gleichmäßig niedrigen Epithel, das man fast als Plattenepithel bezeichnen könnte, mit sparsamen, im Querschnitt oblongen Kernen ausgekleidet; doch ist dieses Epithel nur an guten Präparaten zu sehen. Der venöse Sinus, den das Präparat unter dem Ausführungsgang der Fußdrüse zeigt, ist schon von SocHAczEWER (l. c. p- 39) bemerkt worden. Bei einem erwachsenen Thier finden wir im Ausführungsgang der Fußdrüse (Fig. 34) am Boden, am Dach und an den Seitenwänden nicht weniger als drei verschiedene Zellformen vertreten. Das Epithel des Bodens bildet die beiden Flimmerwülste, deren Gestalt sehr gut in Fig. 34 erkannt werden kann. Jeder Wulstist an und für sich asym- metrisch geformt, indem er nach außen zu scharf umbiegt, nach innen dagegen sich allmählich zu der Rinne verflacht, welche er mit seinem Gegenüber in der Medianlinie des Bodens des Ausführungsganges bildet. Das einschichtige Flimmerepithel beider Wülste, das sich nach außen ganz scharf gegen das Plattenepithel der Seitenwände absetzt, zeigt bei näherem Zusehen bemerkenswerthe Eigenthümlichkeiten. Es sind ca. 15 u hohe Cylinderzeilen, deren Flimmern, die wie gewöhnlich feinen Fußstückchen aufsitzen, zu einem Büschel verklebt sind, so dass die Flimmern jeder einzelnen Zelle deutlich von einander getrennt er- scheinen!. Auf dem Boden der Rinne finden wir nun die Zellen, welche von SocHAczEwER als Sinneszellen gedeutet wurden. In der That zeich- nen sich die Zellen, welche den Boden der Flimmerrinne auskleiden, (Fig. 34, 35), durch lange, bisweilen fast fadenförmige Zellleiber aus, die durch weite Intercellularräume von einander getrennt sind. Der Kern liegt stets basal. Dass diese Zellen nicht als Sinneszellen aufge- fasst werden dürfen, darüber scheint mir nicht der geringste Zweifel zu herrschen. Denn erstens hat Sochaczzwer bei seiner Deutung voll- kommen übersehen, dass mit sehr seltenen Ausnahmen (Organe der Seitenlinie der Ichthyopsiden und die mit denselben verwandten Ge- 1 Verklebte Flimmerhaare sind zwar öfters beschrieben worden (Ektoderm der Ctenophoren [R. Herrwıs, Ctenoph. p. 12], Gehörorgan ‚von Petromyzon [ECKER, Mürr, Arch. 4844], Epididymis der Säuger; wahrscheinlich gehört auch die Beob- achtung von Busca [Mürr. Arch. 1854, Harnkanälchen der Ophidier] hierher), aber in allen diesen Fällen handelt es sich um Flimmerhaare, die in ihrer ganzen Aus- dehnung mit einander verklebt sind, und eine einzige dicke Cilie vortäuschen. Hier aber sind die Flimmerhaare nur an der Spitze mit einander verklebt, so dass das ganze Büschel ein flammenförmiges Aussehen annimmt. Etwas Ähnliches scheint bis jetzt nur Leypıe in den Schleifenkanälen von Lumbricus beobachtet zu haben (Untersuchungen zur Anatomie und Histologie der Thiere. Bonn 1883, p. 128). 380 J. Brock, schmacksknospen) Sinneszellen für sich allein niemals epitheliale Or- gane oder Abschnitte einer epithelialen Oberfläche bilden, sondern immer durch indifferente Stützzellen von einander isolirt sind, dann aber ist auch die äußere Ähnlichkeit mit haartragenden Sinneszellen nur eine scheinbare, und beruht auf der starken Entwicklung der Inter- cellularräume, die hier die Funktion von Ausführungsgängen der Drüsenzellen übernommen haben. Wer trotz der älteren An- gaben Leynie’s! und der neueren sorgfältigen Untersuchungen von | Narrra 2 die leicht zu bestätigenden Intercellularräume bei Pulmonaten noch für Kunstprodukte ansieht, dem kann ich die Fußdrüse nicht ein- dringlich genug als Untersuchungsobjekt empfehlen. Die angeb- lichen Sinneszellen SocHaczEwEr’s sind nichts weiter, als gewöhnliche Flimmerzellen, zwischen welchen die Drü- senzellen in den Ausführungsgang münden; und welchein Anpassung daran eigenthümlich modifieirt sind®. Die eigenthümlichen Zellen des Daches habe ich nur wenige Male | so gut gesehen, wie sie Fig. 32 und 34a wiedergeben. Ich schließe daraus indessen nicht, dass sie etwa nur inkonstant auftretende Gebilde sind, sondern nehme an, dass nur da, wo Drüsenzellen zwischen ihnen ausmünden, sie zu CGylinderzellen werden und Intercellularräume zwischen sich entwickeln. An vielen anderen tadellosen Präparaten ' sind sie von dem Plattenepithel der Seitenwände kaum zu unter- scheiden. Es sind niedrige nicht flimmernde Cylinderzellen mit runden Kernen, welche ebenfalls durch sehr regelmäßig angeordnete Inter- cellularlücken von einander getrennt sind, die auch, wenn auch in ge- | ringerem Maße, die Funktion von Drüsenausführungsgängen, wie die | Zellen der Flimmerräume besitzen. Was diese Zellen sehr auszeichnet, ist eine ausgezeichnete longitudinale Streifung des Protoplasma, welche besonders im basalen Theile so stark hervortritt, dass der Zellleib sich ganz in ein Gewirr von Fädchen und Reiserchen aufzulösen scheint®. 1 Mürr. Archiv 1855. — Die Hautdecke und Schale der Gastropoden. Arch. f. Naturgesch. 4876. p. 243. Unters. z. Anat. Hist. d. Thiere. p. 74 etc. 2 A. NALepA, Die Intercellularräume des Epithels und ihre physiologische Be- deutung bei Pulmonaten. Sitzber. Wien. Akad. mat.-naturw. Klasse. Bd. 215 4. Abth. 1883. p. 1180. 3 Außerdem wäre die Form der Wimpern, was SOCHACZEWER uBenfalls üben sehen hat, für Sinneszellen von Mollusken bis jetzt ohne Beispiel. Ich kenne die- selben bis jetzt ausnahmslos als ganz kurze Härchen, welche im Leben zu einem kurzen, zwar biegsamen, aber aktiv unbeweglichen Fortsatz verklebt sind. Spe- cielle Belege dürften wohl überflüssig sein. * Die Zellen des Mundepithels, welche den Kiefer absondern, zeigen eine so ausgezeichnete Längsstreifung, die sich auch auf den Kiefer selbst fortsetzt, dass Die Entwicklung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pulmonaten ete. 381 Von der Decke in den Ausführungsgang herabhängende Epithelialfalten, wie sie für verschiedene Heliceen von Sarasın (l. c. p. 104, Fig. 23, 24) und Houvssay (l. e. p. 251, Taf. XII, Fig. 1) beschrieben werden, kommen bei Limax nicht vor. Die Seitenwände endlich werden von einem niedrigen (höchstens 9 u hohen) nicht flimmernden Plattenepithel mit sparsamen oblongen Kernen bekleidet, das sich an der Grenze gegen die abweichend gebauten Epithelformen des Daches und Bodens scharf von ihnen absetzt. Die Drüsenzellen (Fig. 33) sind im Allgemeinen in zwei Haupt- massen seitlich von dem Ausführungsgang angeordnet, welche indessen durch Züge von Drüsenzellen dorsal oder ventral vom Ausführungsgang mit einander in Verbindung treten können. Ersteres ist nicht gerade häufig, letzteres ganz gewöhnlich. Der Hauptdurchmesser der beiden Drüsenzellmassen ist der quere; während seitlich die Drüsenzellen oft bis nahe unter das Epithel der Seitenwände des Fußes reichen, bleiben sie von der Fußsohle immer durch einen beträchtlichen Zwischenraum geschieden. Bekanntlich bilden die Drüsenzellen keine kompakte Massen, sondern sind im Gewebe des Fußes so angeordnet, dass nur kleine Gruppen von höchstens 5—6 Zellen ein zusammenhängendes Ganze bilden; lateralwärts zu werden solche Gruppen immer seltener, die Zellen treten immer isolirter auf und sind durch immer größere Strecken Bindesubstanz und Muskulatur von einander getrennt. Die einzelnen Drüsenzellen sind sehr große scharf kontourirte runde oder längliche Elemente von 30—50 u Durchmesser mit einem großen kugel- runden Kern von 10 u Durchmesser, der ein ausgezeichnetes Kernge- rüst undin demselben ziemlich regelmäßig einen vacuolenartigen Körper (Nucleolus im alten Sinne) zeigt. Ob den Zellen eine Membran zu- kommt, wie ich glaube, kann nur an frischen Präparaten mit Sicherheit entschieden werden. Um die Ausführungsgänge der Drüsenzellen zu finden, muss man Macerationspräparate anfertigen (NALzpA, Sarasın) oder passende Tinktionen anwenden (worüber später). Letzteres Ver- fahren zeigt uns allerdings nur die mit Sekret erfüllten Ausführungs- gänge, lässt also die Frage unentschieden, ob sie erst mit der Sekretion auftreten, oder präformirt sind, genügt aber zur Erkenntnis der Lage und Gestalt der Ausführungsgänge vollkommen, da ein gut gefärbtes ich es mir nicht versagen konnte, davon eine Abbildung (Fig. 40) zu geben. Sonst ist Längsstreifung von Zellen, welche cuticulare Bildungen absondern, nicht unge- wöhnlich und schon öfters beschrieben (vgl. z. B. A. N. Vırzov, Recherches sur la structure et la formation des teguments chez les Crustaces decapodes. Arch. zool. exper. gen. X. 1882, Pl. XXVI, Fig. 22). Zeitschriftf. wissensch. Zoologie. XLIV. Bad. 25 382 J. Brock, Präparat mir solche auf jedem Schnitt zeigt. Es ist an ihnen ohne j Weiteres klar Fig. 34, 36), dass die Ausführungsgänge Verlängerungen der Sekretionszellen selbst sind, diese also echte einzellige Drüsen vor- | stellen. Die Zellen verschmälern sich nicht allmählich, sondern ziem- lich plötzlich in ihren Ausführungsgang, so dass sie die Form einer stark ausgebauchten Flasche mit langem Halse (Kochflasche der Che- miker) haben müssen. Die Ausführungsgänge, welche oft zu kleinen I Gruppen vereinigt (Fig. 36) durchweg auf dem kürzesten Wege auf den Punkt ihrer Mündung zu steuern, sind sehr lang und übertreffen die Länge ihrer zugehörigen Zelle sicher um das Vielfache; bestimmte An- li gaben zu machen, ist nach Schnittpr spageien allein aus naheliegenden | Gründen nicht gut möglich. | | Die Mündungen der Drüsenzellen vertheilen sich auf folgende drei | | Gebiete: id A) Der Hauptmündungsbezirk ist der Boden der Wimperrinne. Diesem sieht man weitaus die größte Mehrzahl aller Ausführungsgänge | zustreben, kann sie oft (Fig. 35) bis an die Grenze des Epithels ver- | folgen und sieht die so eigenthümlich geformten Sekretmassen in die | Intercellulargänge und von diesen aus, welche natürlich gegen den Hohlraum des Ausführungsganges zu Stomata besitzen müssen, in den | Ausführungsgang selbst hervorquellen. Der ganze Vorgang ist an gün- | stigen Präparaten so klar und zweifellos, dass ich kein Wort weiter |) darüber verliere. | 2) mündet eine kleine Anzahl von -Drüsenzellen, nämlich die | am meisten dorsalen der seitlichen Drüsenmassen und die wenigen dorsalwärts vom Ausführungsgange gelegenen, in ganz derselben Weise | in den Intercellularräumen des Dachepithels des Ausführungsganges. | 3) mündet eine kleine Anzahl einzelliger Drüsen, welche genau | das charakteristische geformte Sekret der Fußdrüse produeiren, in einer Rinne, welche sich konstant am Seitenrande des Fußes findet! v (Fig. 33 dz'), direkt nach außen. v Für 1 Erkenntnis der Sekretionsvorgänge sind ınkene Kar-ı i mintinktionen vollkommen unbrauchbar. Nur so kann ich es mir er- | klären, dass so charakteristische Bilder den vielen Untersuchern der | Fußdrüse bisher vollkommen entgangen sind ?. Ich zweifele nicht, dass 1 Der Boden dieser Rinne bildet die Grenze zwischen dem Flimmerepithel der 4 Fußsohle und dem nicht flimmernden des übrigen Körpers. | | 2 Nur bei SocHAczEweER finde ich darüber folgende Andeutung (l.c.p.45): »Die | Drüsenzelle selbst zeigte ein deutliches Gerüst, wie ich es noch nie zu sehen Gelegen- IF heit hatte. Mit Hämatoxylin wurden Balken sichtbar, die sich zu einem Netz zu- iR sammenspannen und den Kern allseitig umgeben. Diese Netzfäden bilden ein voll- | Die Entwicklung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pulmonaten etc. 383 | sich Doppelfärbungen mit Anilinfarben, welche die Wirbelthierhisto- logie jetzt für einzellige Drüsen fast ausschließlich verwendet, auch hier | gute Resultate ergeben werden, ich habe aber dasselbe auf viel ein- facherem Wege, durch Doppelfärbungen mit Alaun und Boraxkarmin, beide nach dem Grenacner’schen Recept zubereitet, ja selbst mit Alaun- ' karmin allein erreicht, wodurch ich des großen Vortheils nicht ver- Justig ging, die Thiere in toto färben zu können. Die nahezu hundert Fußdrüsen, welche ich bei meinen Unter- ' suchungen über den Geschlechtsapparat vollkommen in Querschnitte ‚ zerlegt habe, bieten nun eine so verwirrende Mannigfaltigkeit von Bil- ' dern, dass es schwer wird das Gesetzmäßige herauszufinden und ich noch weit entfernt bin, jede Erscheinung dieses Formenkreises richtig deuten zu können. In der typischen Sekretionszelle, wie sie uns ‚ Fig. 36 vorführt, bringen die genannten Farbstoffe nämlich ein ‚ eigenthümliches dichtes Gerüst zur Anschauung. Dieses Gerüst, welches sich mit gewöhnlichem Karmin gar nicht, mit den genannten basischen Farbstoffen aber äußerst lebhaft und scharf färbt, erstreckt | sich durch die ganze Zelle und seine Balken hängen wohl überall mit einander zusammen. Die Maschen haben im Ganzen eine oblonge oder kubische Gestalt, doch sind an den Knotenpunkten Anschwellungen '; sehr gewöhnlich, welche die Ebenen (im optischen Bilde), die die Hohl- räume des Gerüstes begrenzen, als einen in ein Quadrat eingeschriebe- nen Kreis erscheinen lassen. Kugelige Verdickungen an den Knoten- ' punkten, wie bei den Kerngerüsten, kommen hier durchaus nicht vor; ‚ auch haben die gewöhnlichen Kerngerüste einen ganz anderen, mehr radiären Bau und sind entsprechend viel feiner und dichter. Einen ‚ Zusammenhang mit den Kerngerüsten, wie Kırım!, habe ich niemals nachweisen können. In den Maschen dieses Gerüstes liegen nun kornartige Gebilde, die nach ihrem Verhalten gegen Farbstoffe zu schließen, eine gleiche | | chemische Konstitution besitzen. Diese Körner sind von indasimeßiger ' Gestalt, rundlich, oblong, oft deutlich prismatisch oder kubisch, sie ‚liegen nelosinnsios nur ein einziges in jeder Masche, wobei aber um- ‚ gekehrt durchaus nicht in jeder Masche eines zu liegen braucht, und stehen nie mit dem Gerüst in einem kontinuirlichen Zusammenhange. | kommenes Maschenwerk, in welchem große und kleine Körner sich befinden, doch ' konnte ich nicht erkennen, ob das Netz ein kontinuirliches ist oder ob die Fäden einzelu oder in doppelter und dreifacher Verbindung in der Drüsenflüssigkeit lie- ; gen. « Leider hat SocHACzEWER seine Entdeckung nicht weiter verfolgt. ! Kreis, Observations on the structure of cells and nuclei. Quart. journ. micr. | sc. vol. XVIII, XIX. 1878/1879. | [S3] [874 x 384 J, Brock, Am zahlreichsten und regelmäßigsten findet man sie in den Ausfüh- ' rungsgängen und dem anstoßenden Theil des Zellleibes; in der Theca der Drüsenzelle, um einen von den Wirbelthierhistologen gebrauchten Ausdruck zu adoptiren, sind sie bedeutend sparsamer und in vielen Zellen mit wohl entwickelten Gerüsten fehlen sie gänzlich. Bisweilen findet man anstatt der Körnchen größere Schollen und Klumpen von unregelmäßiger Gestalt, wovon Fig. 36 ein Beispiel giebt. Das Protoplasma solcher Sekretionszellen ist von schaumigen Va- | cuolen durchsetzt, welche sich in Alaunkarmin bedeutend weniger | färben, als das übrige Zellprotoplasma.. Im Ganzen — und diese | Beobachtung ist vielleicht nicht unwichtig — folgt das Gerüst in seiner f Anordnung den Protoplasmasträngen zwischen den Vacuolen, so dass die Vacuolen selbst in die Maschen des Gerüstes zu liegen kommen und | die Sekretkörnchen im Centrum der Vacuolen zu entstehen scheinen. Wer die neueren Arbeiten von ScuierrErDEcKER ! und List? über die einzelligen Drüsen in der Harnblase des Frosches kennt, wird eine überraschende Ähnlichkeit zwischen den hier wie dort beschriebenen | Sekretionsvorgängen anerkennen müssen, und wenn so eigenthüm- liche Übereinstimmungen sich zwischen so weit entfernten Thier- N gruppen finden, so dürfte die Vermuthung kaum fehl greifen, dass es sich um physiologische Processe von allgemeinerer Verbreitung und Bedeutung handelt. Auch hier ist, wie bei den Vertebraten, durch di- rekte Beobachtung leicht und sicher festzustellen, dass der Inhalt der | Sekretionszelle, Gerüst, Körner und Protoplasma in toto ausgestoßen j} wird. In dem Lumen des Ausführungsganges selbst — und das ist sehr Ih merkwürdig — ist von den geformten Theilen des Sekretes, also Körnern | | und Gerüst, niemals etwas zu sehen, vielmehr tritt hier das durch die | | Härtungs- und Färbungsreagentien veränderte Sekret als blätterartige " E Massen auf, die oft über einander geschichtet und mit einander verklebt | ü das Lumen des Ausführungsganges erfüllen. Über die chemische Na- | tur der geformten Sekretbestandtheile, eben so wie über den Mecha- | nismus der Austreibung enthalte ich mich vorläufig noch jeder Muth- maßung. List (l. c. p. 558) nimmt für letzteren Quellungserscheinungen | > in Anspruch, hier bei den Mollusken wäre noch an die Wirkung der | Fußmuskulatur zu denken. Im Übrigen unterscheiden sich unsere Zellen von den Drüsen 1% zellen der Froschharnblase dadurch, dass das Gerüst bedeutend weit- | 1 P. SCHIEFFERDECKER, Zur Kenntnis des Baues der Schleimdrüsen. Archiv für | mikr. Anat. XXIII. 1884. p. 382. 2 J. H. List, Über einzellige Drüsen (Becherzellen) im Blasenepithel der Am- | phibien. Zool. Anz. VIII. 4885. p. 556. Die Entwicklung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pulmonaten ete. 385 maschiger ist, dass dort die Sekretkörnchen fehlen und dass vor Allem - der Kern nicht wie dort plattgedrückt am Rande der Zelle liegt, son- - dern seine Lage mitten im Inneren behauptet. Da der Kern, wie ich | glaube, nicht mit ausgestoßen wird, so bringt letztere Erscheinung für die Erklärung des Sekretionsmechanismus einige Schwierigkeiten -mitsich. Denn jedenfalls fasse ich vorläufig Zellen, wie die Fig. 39 ‚abgebildeten, die sich in reichlicher Menge zwischen den Sekretions- - zellen jeder Fußdrüse finden, als entleerte und in Rückbildung begrif- fene Sekretionszellen auf; diese Zellen haben aber ausnahmslos noch einen Kern, von dem nur spärliche strangförmige Protoplasmareste nach den Wänden ziehen. Der Kern selbst ist immer stark geschrumpft, ganz zackig und das Kerngerüst im Innern undeutlich, was ich, da ein schädlicher Einfluss der angewandten Reagentien bei dem völlig nor- malen Verhalten der benachbarten Drüsenzellkerne auszuschließen ist, ‚als ein Zeichen beginnender Rückbildung aufzufassen mich berechtigt ‚ glaube. | An jungen Thieren in der ersten Zeit nach dem Ausschlüpfen kann man beobachten, dass die Ausbildung der secernirenden Elemente nicht "im ganzen Verlauf der Drüse gleichzeitig vor sich geht, sondern von vorn "nach hinten vorrückt. Am vorderen Drüsenrande findet man die ersten ‚typischen Sekretionszellen und zwischen ihnen sehr bald in Menge an- ' dere, die schon entleert und in Rückbildung begriffen sind, wie das ‚Fig. 33 sehr deutlich zeigt. | Gehen die Sekretionszellen aber nach einmaliger Thätigkeit wirk- ‚lich regelmäßig zu Grunde, wo kommt ihr Ersatz her? Die Antwort ‚ darauf ist nicht leicht zu geben. Das Epithel des Ausführungsganges | ist als Matrix für die Drüsenzellen wohl mit Sicherheit auszuschließen ; niemals habe ich eine darauf bezügliche Beobachtung gemacht, und | | doch könnten bei der Größe der Drüsenzellen eine etwaige Umbildung | der Epithel- zu Drüsenzellen sich nicht leicht der Wahrnehmung ent- ben. Dann aber bleiben als Ersatzmaterial nur die Bindesubstanz- | zellen des Fußes übrig. Im ventralen Abschnitt des Fußes freilich sind ‚alle durchweg mit Kalk infiltrirt und niemals habe ich etwas der Um- ‚bildung einer Kalk- zu einer Drüsenzelle Ähnliches gesehen. Aber an ‚der Peripherie der Drüse und zwischen den Drüsenzellen befinden sich ‚genug runde oder oblonge große Cutis-Bindesubstanzzellen (die ich an ‚einem anderen Orte mit den Plasmazellen der interstitiellen Bindesub- ‚stanz homologisirt habe; diese Zeitschr. Bd. XXXIX p. 50), die wohl ‚hierfür in Anspruch genommen werden könnten. Und hier findet man ‚nun allerdings häufig, besonders an der Peripherie der Drüsenzellen- masse, Elemente, die recht wohl als solche Übergangsstadien aufge- | il 1} HT 356 J. Brock, fasst werden könnten. Das bisher ganz klare Protoplasma trübt sich, es treten Vacuolen auf, der Zellinhalt färbt sich in toto erst schwächer, dann tiefer in basischen Farbstoffen und schließlich beginnen in den Protoplasmaschichten zwischen den Vacuolen sich stärker gefärbte Stränge erst schwach und vereinzelt, dann immer deutlicher zu mar- kiren. Letzteren Vorgang, die beginnende Gerüstbildung, habe ich sehr schön an dem Präparat studiren können, wonach Fig. 33 gezeichnet ist, ein junges Thier von ca. 3—4 mm Länge, dessen Drüse sich zur ersten Sekretion anschickte. Bisweilen habe ich auch Bilder bekom- men, als ob sich das Gerüst aus körnchen- oder stäbchenartigen Be- standtheilen aufbaute; da mir die Sache aber nicht klar geworden ist, lasse ich es bei dieser Bemerkung bewenden. Zwei solche Übergangs- zellen sind in Fig. 36a dargestellt. Wer sich meiner Meinung, dass die Fußdrüse ihren Ersatz aus den Plasmazellen ihrer Umgebung bezieht, anschließt, für den ergiebt sich die folgeschwere Konsequenz, dass hier zellige Elemente der Bindesubstanz in Drüsenzellen übergehen. Diese Meinung ist bekanntlich nicht neu. Schon vor Jahren hat Fremming (Arch. für mikrosk. Anat. VI. p. 404) die Vermuthung ausgesprochen, dass die Schleimdrüsen der Cutis umgewandelte Bindesubstanzzellen wären, später allerdings seinen Ausspruch wieder zurückgenommen (Arch. f. mikrosk. Anatomie. XIII. p. 847 Anm.). Ich glaube nun, dass auch in der Cutis die Sache so liegt, aber auch hier, wie bei der Fußdrüse, sind wir zunächst noch allein auf den Beweis per exclusionem angewiesen; wir können nur wahrscheinlich machen, dass eine Entwicklung der Drüsenzellen aus der Epidermis resp. aus dem Epithel des Ausfüh- rungsganges nie beobachtet ist und doch leicht zu beobachten sein müsste. Bei den eigenthümlichen Sekretionsverhältnissen der Fuß- drüse liegen die Verhältnisse noch komplieirter und so lange nicht zu- nächst unzweifelhaft bewiesen, nicht nur wahrscheinlich gemacht wird, dass die Drüsenzellen nach einmaliger Sekretion zu Grunde gehen und nothwendig Ersatzelemente haben müssen, ist jedes Wort weiter in dieser Frage von Überfluss. Nicht immer aber zeigt die secernirende Fußdrüse Sekretions- zellen mit Zellgerüsten. Häufig findet man ganz andere Bilder. Das Protoplasma der Zellen ist von schaumigen Vacuolen durchsetzt und durch die Zelle liegen stark glänzende runde Körnchen unregelmäßig. zerstreut, hier mehr einzeln, dort zu Klümpchen zusammengebacken; jede Spur eines Gerüstes fehlt. Während der Zellleib (Vacuolen und Protoplasma) sich gar nicht färbt, nehmen die Körnchen gewöhnliches Karmin gar nicht, Alaunkarmin aber, wie die Körner und Zellgerüste Die Entwicklung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pulmonaten etc. 387 der typischen Sekretionszellen, sehr begierig an und stechen in ihrer tief violettschwarzen Färbung scharf gegen das fast farblose Zellpro- toplasma ab. Da diese Körnchen auch in den Ausführungsgängen wie- der erscheinen und aus den Stomata zwischen den Epithelialzellen des Ausführungsganges hervorquellen, so ist wenigstens das Eine sicher, dass wir einen typischen Sekretionsprocess, nicht etwa Vorbereitung oder Nachspiel eines solchen, vor uns haben. Und da ferner die Sekre- tionskörner chemisch wohl identisch mit den Sekretionskörnern der Gerüstzellen sind, ist der ganze Vorgang doch wohl nur als eine — unter vorläufig noch unbekannten Bedingungen eintretende Modifikation der Sekretion unter Gerüstbildung aufzufassen, ja es wäre, da er dem ersten Sekretionsmodus an Häufigkeit nahezu gleich kommt, noch zu streiten, welcher von beiden als der typische angesehen werden muss !. Jeden- falls ist das bemerkenwerth, dass sämmtliche Zellen ein und derselben Fußdrüse immer nur nach einem Typus secerniren; nie finden sich in einem Präparat Sekretionszellen beider Typen gemischt. Eine andere eigenthümliche Modifikation des Sekretionsprocesses zeigt Fig. 38, extreme Entwicklung der Gerüste, welche die ganze Se- kretionszelle dicht erfüllen, ohne dass von Körnchen etwas wahrzu- nehmen wäre, wobei ebenfalls sämmtliche Zellen der ganzen Drüse in dieser Weise modifieirt waren. Von Ausführungsgängen war nichts wahrzunehmen. Da ich diese Modifikation nur ein einziges Mal fand, bei einem ganz jungen eben ausgeschlüpften Thiere, so will ich hier nur im Vorübergehen darauf hingewiesen haben. Bemerkenswerth war übrigens, dass diese geformte Ausscheidung keineswegs den Charakter eines zusammenhängenden Gerüstes wie in den typischen Sekretionszellen hatte, sondern wie aus lauter kurzen mannigfaltig ge- bogenen und geschlängelten Bälkchen zusammengesetzt schien, die den Inhalt der Zellen in dichtem Gedränge erfüllten und nicht mit einander in Zusammenhang standen, sondern mit knopf- oder keulenförmigen Anschwellungen frei endigten. Zu beiden Seiten des Ausführungsganges, dicht unter dem Epithel, findet sich regelmäßig eine Lage von sehr großen Zellen (,0—50 u und mehr) mit grob geranulirtem Protoplasma und riesigen kugelrunden / Kernen mit schönem Kerngerüst (Fig. 33, 3% bdz). Ihre Zahl beträgt | jederseits 3—6 in maximo auf jedem Schnitt. Da ich niemals eine Be- | zıehung zu Drüsenzellen ausfindig machen konnte, müssen wir diese | 1 Sarasın und Houssavy, welche die Sekretionszellen mit glänzenden Körnchen Ä angefüllt sein lassen, scheinen nur diesen Sekretionsvorgang beobachtet zu haben.. \ Freilich ist bei Letzterem eine Verwechslung mit den Kalkzellen des Fußes keines- | wegs ausgeschlossen. 388 J. Brock, Zellen zunächst der Bindesubstanz zuweisen, wobei ihre Bedeutung vor der Hand noch ganz unklar bleibt'. Es war ursprünglich meine Absicht, auch den feineren Bau der Leber, so weit nach meinen Präparaten thunlich, in meine Darstellung mit aufzunehmen. Bei der Kontroverse aber, die sich zwischen den beiden neuesten Autoren auf diesem Gebiete: FrenzEL? und BARrFURTH erhoben hat und welche keineswegs nur Nebensächliches betrifft, ist die Veröffentlichung gelegentlich gemachter Beobachtungen nur vom Übel, weil sie die Verwirrung noch vermehren, wo nur eigens angestellte gründliche und umfassende Untersuchungen Abhilfe schaffen können. Darum beschränke ich mich auf folgende mehr »indifferente« Bemer- kungen. Zur Zeit des Ausschlüpfens ist der merkwürdige Funktionswechsel, den die Molluskenleber analog der Wirbelthierleber durchmacht, in vol- lem Gange. Die Eiweißzellen (Deutoleeithzellen), deren Schicksale uns For am eingehendsten beschrieben hat (l. e. p. 201 sqq.), sind in Ver- mehrung und Zerfall begriffen und das ganze Innere der Leberfollikel ist von großen Massen tropfenförmigen Eiweißes erfüllt (Fig. 14, 16). Darunter aber existirt schon in Form eines nicht zusammenhängenden, sondern vielfach durch die Eiweißzellen unterbrochenen, einschich- tigen niedrigen Cylinderepithels, die zunächst physiologisch noch in- differente Matrix, gewöhnliche niedrige Cylinderzellen — aus der die Sekretionszellen der Leber hervorgehen sollen (Fig. 14, 16 !z). Die Kalkzellen (Fig. 14, 16, 25 kz) — ein vielleicht nicht unwichtiger Punkt — waren schon auf meinen frühesten Entwicklungs- stadien in typischer Ausbildung vorhanden. Die beiden anderen Zellarten der Molluskenleber, die Fermentzellen (Keulenzellen) (Fig. 25 Iz’) und die Körnchenzellen (Fig. 25 /z) bilden sich sofort nach dem Ausschlüpfen aus den indifferenten Leberzellen hervor, so dass der histologische Bau der Leber eines —5 mm langen Thieres schon. | | in keinem Punkte mehr von dem des erwachsenen abweicht. 1 Ich möchte eine wiederholt gemachte eigenthümliche Beobachtung hier doch nicht ganz mit Stillschweigen übergehen. Die Plasmazellen der interstitiellen Binde- substanz, besonders die Ansammlungen derselben in der Umgebung des Ösophagus und Magens geben häufig auf ganze Strecken hin die Farbstoffreaktionen der. Drüsenzellen der Fußdrüse, und auch das Auftreten geformter Ausscheidungen war stellenweise in ihnen wahrzunehmen. 2 J. Frenzel, Mikrographie der Mitteldarmdrüse (Leber) der Mollusken. Nov. ac. acad. Leopold-Carol. nat. cur. Bd. XLVIII. Halle 1886. p. 81 und a. a. 0. 3 BARFURTH, Über den Bau und die Thätigkeit der Gastropodenleber. Arch. f. | mikrosk. Anat. XXII. 4883. p. 473 und a. a. O. En Die Entwicklung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pulmonaten etc. 389 Zum Schluss möge noch auf einige Eigenthümlichkeiten der Gutis hingewiesen werden, welche zwar nicht neu sind, aber doch bis jetzt wenig Beachtung gefunden haben. Jetzt, wo man in den Kalkzellen der Leber und vielleicht auch der interstitiellen Bindesubstanz ähnlich wie in den Fettzellen der Vertebraten Aufspeicherung von Reservestoffen sieht, dürfte die Leypie'sche Beobachtung (l. c. p. 229 sqq.), dass sich in der Cutis der Limaciden an bestimmten Stellen reichliche Ansamm- lungen kalkerfüllter Bindesubstanzzellen finden, ein neues Interesse beanspruchen. Solche Stellen finden sich besonders zwei: nämlich erstens, wie schon Lryvis richtig angiebt am rechten Schildrande, in der Umgebung des Athemloches (Fig. 26 Az, Fig. 22), von wo aus sie in einer dichten Zone sich weit nach vorn erstrecken, und zweitens in der Fußsohle. Hier bilden sie ein gedrängtes Stratum, das besonders bei jüngeren Thieren oft so dicht ist, dass nur noch vereinzelte Muskel- bündel dazwischen Platz haben. Nach hinten, wo sie den Raum zwischen Sohle und Fußdrüse einnehmen, werden sie spärlicher und liegen auch zerstreuter. Ihr Aussehen ist, obgleich sie nur an Chromsäurepräparaten, also entkalkt, studirt werden konnten, sicher in nichts von denen der interstitiellen Bindesubstanz verschieden. Es sind große runde oder ovale Zellen von 40—50 u (Fig. 22, 26) und einem großen kugelrunden Kern mit schönem Kerngerüst. Das Aussehen des Protoplasmas — kleine helle dicht gedrängte Vacuolen durch spärliche Protoplasmabrücken isolirt — zeigt deutlich, dass auch hier der Kalk an kein organisches Substrat gebunden ist. Die Kalkzellen der Cutis sind beim Embryo noch nicht vorhanden, treten aber bald nach dem Aus- schlüpfen auf. Schließlich muss ich Leypıg gegenüber noch hervorheben, dass die - ganze Sohle ununterbrochen flimmert und dass sich die Flimmerung auch etwas auf die Seitenränder bis zu der p. 382 erwähnten Falte er- streckt. Dass auch der rechte Mantelrand in der Umgebung des Athem- loches flimmert — eine wenig bekannte Thatsache — will ich an dieser Steile kurz bestätigen. Göttingen, im Mai 1886. 390 Ju Brock, Erklärung der Abbildungen. Tafel XXII—XXV. Fig. —11a. Eine Serie schematischer Figuren, welche genau in dem gleichen Maßstabe 30:4 nach ausgewählten Schnittreihen gezeichnet worden sind, um die Entwicklung des Geschlechtsapparates als Ganzes zu zeigen. Die Anfertigung ge- schah durch Horizontalprojektion der einzelnen Schnitte auf eine Ebene, welche bei der natürlichen Stellung des Thieres mit dem Erdboden zusammenfällt, wobei die einzelnen Schnitte bei der angewandten Vergrößerung eine Dicke von 0,25 mm erhielten (die Schnittreihen waren durchschnittlich Yıog mm dick). Die Figuren sind nur in zwei Punkten schematisch. Erstens nämlich sind alle Organe nach ihrer größten Dimension eingetragen worden, auch wenn dieselbe in den dorso- ventralen Durchmesser fiel, zweitens sind die Organe welche im dorsoventralen Durchmesser über einander lagen, bei der Projektion sich also gedeckt haben würden, der Deutlichkeit wegen neben einander gezeichnet worden. Fig. 4 stammt von einer älteren Larve, Fig. 2 von einem jungen Thiere um die Zeit des Ausschlüpfens, Fig. 3—AA, von jungen Thieren von 3—12 mm Gesammt- länge. Bei Beurtheilung der Figuren bitte ich nicht zu vergessen, dass dieselben nach in Chromsäure gehärteten Exemplaren angefertigt worden sind, also für die Länge des Thieres während des Lebens bei der nicht zu vermeidenden ungleichmäßigen Kontraktion beim Absterben keinen ganz sicheren Anhalt gewähren, und dass über- haupt die äußere Entwicklung des Thieres mit dem Entwicklungsstadium, in wel- chem die Geschlechtsorgane angetroffen werden, keineswegs genau überein- stimmt (vgl. Text. p. 339). Der Geschlechtsapparat ist blau gehalten. Fig. 11a ist eine Kopie von Fig. 41, wobei die nur vorübergehend in der Ontogenie auftretenden Gebilde (der männ- liche Geschlechtsgang %g) zum Unterschied von den übrigen punktirt gezeichnet worden ist. Die Buchstabenbezeichnung ist in allen Figuren gleich und zwar bedeutet: pg, primärer Geschlechtsgang; p, Penis; z, Zwitterdrüse; zg, Zwittergang; ag, Atrium genitale; age, äußere Geschlechtsöffnung ; 59, männlicher 99, weiblicher vd, Vas deferens; bl, proximaler Blindsack des primären Geschlechtsganges ; flg, Anlage des Flagellums; ovd, Anlage des proximalen drüsigen Theiles des Oviducts; rs, Anlage des Receptaculum seminis; &—%x, Fig. 6. Ebene der Schnittes Fig. 26, 27; x%—x&, Fig. 10. Ebene des Schnittes Fig. 28; x%—x, Fig. 41. Ebene des Schnittes Fig. 30; y—y, Fig. 44. Ebene des Schnittes Fig. 29. | Geschlechtsgang ; Die Entwicklung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pulmonaten etc. 391 Fig. 12. Schnitt durch den älteren Embryo Fig. 4 in der Gegend des Central- nervensystems, um den primären Geschlechtsgang (pg) zu zeigen. Schwache Ver- srößerung. Für diese, wie für alle anderen abgebildeten Schnitte gilt die Bemer- kung, dass alle meine Schnittreihen von vorn nach hinten, vom Kopf nach dem Schwanz geschnitten sind, die Schnitte also, wie eine leichte Überlegung lehren wird, spiegelbildlich orientirt sein müssen. ks, Kopfsinus; o, Ommatophor; pg, primärer Geschlechtsgang ; cg, Gehirnganglien ; sck, Schlundkopf; fd, Fußdrüse. Fig. 13. Aus demselben Präparat. Die Anlage des primären Geschlechtsganges und ihre Umgebung stärker vergrößert. pg, primärer Geschlechtsgang; ct, Cutis; ep, Epidermis; : cg, Cerebralganglion. Fig. 14. Erste Anlage der Zwitterdrüse aus einem Embryo zur Zeit des Aus- schlüpfens, stark vergrößert. Die Zwitterdrüsenanlage ist ganz in Lebergewebe eingeschlossen. z, Zwitterdrüsenanlage; pz, pigmentirte Bindesubstanzzellen ; ez, Eiweißzellen, in Auflösung begriffen; e, feinste Eiweißtröpfchen, aus den zerstörten Eiweißzellen stammend; lz, bleibendes Drüsenepithel der Leber von noch indifferentem Charakter; kz, Kalkzellen der Leber. Fig. 15. Schnitt durch das Thier Fig. 3 (von circa 3,5 mm Länge) in der Ge- gend der Zwitterdrüsenanlage. Schwache Vergrößerung. z, Zwitterdrüsenanlage; d, Durchschnitt der Schenkel der terminalen Darmschlinge; l, Durchschnitte von Leberfollikeln ; f, Fuß. BR Fig. 16. Die Gegend der Zwitterdrüsenanlage aus demselben Präparat, stärker vergrößert. z, Zwitterdrüsenanlage; zg, Zwittergang; az, Zweig der Aorta post. zur Zwitterdrüse; ‘ d, Darm; mz, Mesodermzellen (Bindesubstanz) der Umgebung; l, Lumen von Leberfollikeln ; ez, lz und kz, wie Fig. 14. Fig. 17. Schnitt durch das vordere Ende des Atrium genitale eines circa 5 mm langen Thieres kurz vor dem Durchbruch der äußeren Geschlechtsöffnung. Das vordere blinde Ende des Atrium genitale liegt schon unmittelbar unter der Epider- mis, Starke Vergrößerung. ep, Epidermis ; ci, Cutis; ag, Atrium genitale. 392 J. Brock, Fig. 18. Schnitt durch die äußere Geschlechtsöffnung eines etwasälteren Thieres nach eben erfolgtem Durchbruch nach außen. Stark vergrößert. Bezeichnungen wie Fig. 47, nur a, vom Schnitte schief getroffene Stelle der Wand des Atrium genitale. Fig. 49. Geschlechtsorgane von Agriolimax agrestis (L.) Mörch. Circa achtfache Lupenvergrößerung. f’, Augenfühler ; f”, Lippenfühler; f"', sog. drittes Fühlerpaar Leypıc’s, Mundlappen, Lippen der Autoren; m, Mund; S, Sog. SEMPER’SChes Organ ; a, Atrium genitale; 9, Penis; fig, Flagellum ; mr, Muse. retractor penis; ovd, Oviduct (Vagina der Autoren); vd, Vas deferens; rs, Receptaculum seminis;; ovspd, Ovispermoduct; pr, Drüsen des männlichen Halbkanales (sog. Prostata); ut, Drüsen des weiblichen (sog. Uterus); ed, Eiweißdrüse ; vs, Vesicula seminalis; zg, Zwittergang;; z, Zwitterdrüse. Fig. 20. Schnitt durch den Penis und das Reizorgan eines erwachsenen Thieres etwa in halber Höhe des Penis. Schwache Vergrößerung. Die Flimmerung des Penis ist nicht gezeichnet. | Fig. 20a. Vom Epithel der Wand einer jungen Penisanlage, um die eigenthüm- liche vom Epithel ausgehende Faltenbildung zu zeigen. Sehr starke Vergrößerung. ep, Epithel; ms, Mesodermzellen der Wand. Fig. 24. Schnitt durch den Ovispermoduct eines erwachsenen Thieres, etwas proximalwärts vom Abgang des Vas deferens. Schwach vergrößert. ovd, Oviduct; spd, Samenhalbrinne (Spermatoduct); pst, Prostatadrüsen. Fig. 22. Eine Gruppe von (entkalkten) Kalkzellen der Cutis aus der Umgebung des Athemloches. Starke Vergrößerung. Fig. 23. Schnitt durch einen in Anlage begriffenen Zwittergang von einem jun- gen Thier von circa 2,5 mm Länge. Stark vergrößert. 29, Zwittergang; bd, interstitielle Bindesubstanz von noch indifferentem mesodermalen Charakter; m, Epithel des Magens; d, Epithel des Darmes, Flimmerung bei beiden nicht erhalten; le, Leberepithel. Fig. 24. Schnitt durch die hintere Körperhälfte eines circa 6 mm langen Thieres ın der Gegend der Zwitterdrüse. Schwache Vergrößerung. Die Entwicklung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pulmonaten etc. 393 F, Fuß; D, Darm; L, Leberfollikel; z, Zwitterdrüse. Fig. 25. Aus demselben Präparat, die Gegend der Zwitterdrüse stärker. vergr. ct, Cutis; md, indifferentes mesodermales Gewebe; d, Lumen einer Darmschlinge, Wimpern des Epithels nicht erhalten; pz, pigmentirte Bindesubstanzzellen ; lz, Leberdrüsenzellen ; lz’, sogenannte Keulenzellen; kz, Kalkzellen; we, Ureier (Geschlechtszellen). Fig. 26. Schnitt durch ein ungefähr eben so altes Thier in der Gegend des Ma- gens, um die terminale Erweiterung des primären Geschlechtsganges zu zeigen. Schwache Vergrößerung. sch, Schild ; ah, Athemhöhle; ph, Pericardialhöhle; an, Ausführungsgang der Niere; n, Niere; r, Enddarm; pg, primärer Geschlechtsgang; - kz, Kalkzellen des Schildes; M, Magen; D, Enddarm; L, Leberfollikel; F, Fuß. Fig. 27. Die Gegend des primären Geschlechtsganges aus demselben Präparat. Stärker vergrößert. ep, Epithelialschicht des primären Geschlechtsganges; wd, Wandschicht; md, Mesodermzellen der Umgebung ; ne, Nierenepithel ; me, Epithel des Magens (Flimmerung nicht erhalten); ez, einzellige Drüse. Fig. 28. Schnitt durch den Penis und die Geschlechtsgänge eines circa 7 mm langen Thieres in der Ebene ©—x der Fig. 40. Mittelstarke Vergrößerung. 0, Ommatophor; cg, Gerebralganglion ; n, austretender Nerv; ep, Epidermis; . ct, Cutis; bd, Bindesubstanz wd, Wandschicht der Penisanlage (mesodermales Blastem);; ep, Epithel des Penis; Rk und Rk', Anlage des Reizkörpers; vd, Vas deferens; 394 J. Brock, 59, männlicher Geschlechtsgang ; Qg, weiblicher Geschlechtsgang. Fig. 29. Schnitt durch die terminale Anschwellung des primären Geschlechts- ganges in einem späteren Stadium (Thier von 40—12 mm Länge) in der Ebene y—y der Fig. 44. Mittelstarke Vergrößerung. ed, Epithel des Enddarmes, der zweimal auf dem Schnitt getroffen ist; m, Epithel des Magens, die Flimmerung ist bei beiden nicht erhalten. Fig. 30. Schnitt durch die beiden Geschlechtsgänge in einem späteren Stadium näher ihrem proximalen Ende, in der Ebene &—x der Fig. 44. Thier von circa 40 mm Länge. Mittelstarke Vergrößerung. ep, Epidermis ; ct, Cutis; vd, Bindesubstanz (Plasmazellen,-vielfach mit schleimiger Metamorphose des Inhalts) ; em, Epithel des Magens (Flimmerung nicht erhalten); 59, männlicher Geschlechtsgang, der weibliche Geschlechtsgang hat sich gesondert in ovd, Oviduct und spd, Spermatoduct; ps, Anlage der Prostatadrüsen. Fig. 34. Von einem Schnitte durch den Schlundkopf eines jungen Thieres, um den in Bildung begriffenen Kiefer und die ausgezeichnete Längsstreifung des Proto- plasmas seiner Bildungszellen zu zeigen. Sehr starke Vergr. (vgl. Text p.380, Anm.) k, Kiefer; m, Matrix. Fig. 32. Schnitt durch die Anlage der Fußdrüse eines älteren, kurz vor dem Ausschlüpfen stehenden Embryo. Stark vergrößert. sch, Schlundkopf; g, untere Schlundganglien ; fd, Lumen des Ausführungsganges der Fußdrüse; we, Anlage der beiden Wimperwülste; dz, Zellmasse, aus der vielleicht die Drüsenzeilen hervorgehen; ms, indifferentes mesodermales Gewebe des Fußes. Fig. 33. Schnitt durch den Fuß eines circa 4 mm langen Thieres, um die Ver- theilung der Drüsenzellen der Fußdrüse zu zeigen. Mäßig stark vergrößert. Ih, Leibeshöhle; kw, Körperwand; ep, Epidermis; ct, Cutis; fd, Ausführungsgang der Fußdrüse; bdz, große Bindesubstanzzellen, s. Text p. 387; dz, Drüsenzellen ; dz', separat seitlich am Fuße mündende Drüsenzellen, s. Text p. 382; kz, Kalkzellen des Fußes; bis, venöser Sinus. Fig. 34. Schnitt durch den Ausführungsgang der Fußdrüse eines nahezu er- wachsenen Thieres in ihrem vorderen Drittel. Starke Vergrößerung. m, Epithel des Magens (Flimmerung nicht erhalten); Im, Längsmuskulatur der Leibeswand; Die Entwicklung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pulmonaten ete. 395 rm, Quermuskulatur; dz, Drüsenzellen ; bdz, Bindesubstanzzellen ; ag, mit Sekret gefüllte Ausführungsgänge. Fig. 34a. Von demselben Präparate. Epithelzellen vom Dach des Ausführungs- ganges. Sehr stark vergrößert. Fig. 35. Vom Boden des Flimmerwulstes. Sehr stark vergrößert. _ ag, mit Sekret gefüllte Ausführungsgänge. bd, Bindesubstanz. Fig. 36. Eine Gruppe von Drüsenzellen, die mit Sekret gefüllt sind. Bei eini- gen hat der Schnitt ein Stück der Ausführungsgänge mit getroffen. Sehr starke Vergrößerung. Fig. 36a. Zwei Drüsenzellen aus der Fig. 33 abgebildeten Drüse, in Vorberei- tung zur Sekretion begriffen. Sehr starke Vergrößerung. Fig. 37. Sekretionszellen mit ausschließlich körnigem Sekret, wahrscheinlich eine Modifikation des typischen Processes. Sehr starke Vergrößerung. Fig. 38. Sekretionszellen von einem sehr jungen Thier (von circa 2—3 mm Länge) mit eigenthümlich starker Entwicklung des Sekretionsgerüstes. Sehr starke Vergrößerung. Fig. 39. Entleerte und in Rückbildung begriffene (?) Sekretionszellen. Sehr stark vergrößert. Unter der Bezeichnung »schwache Vergrößerung« ist Winkel Obj. III, Oc. Toder II (Vergrößerung circa 80) verstanden, mittelstarke Vergrößerung ist Obj. VI, Oc. I oder Il (Vergr. eirca 250 resp. 300), starke Wasserimm. A mit Oc. I oder II (Ver- größerung circa 380 resp. 475), sehr starke homog. Imm. 1/24 mit Oc. I (Vergröße- rung circa 850). Studien über Räderthiere. I. Über die Symbiose und Anatomie von Rotatorien aus dem Genus Callidina. Von Dr. Carl Zelinka, Privatdocent an der Universität Graz. Mit Tafel XXVI—XXIX und einem Holzschnitte. Bei Gelegenheit botanischer Studien, welche ich vor 3 Jahren unternahm, wurde ich durch den Direktor des botanischen Instituts in Graz, Herrn Prof. Dr. Huserr Leitges, auf Lebermoose aufmerksam ge- macht, auf welchen an bestimmten Stellen konstant Rotatorien zu treffen ' waren. Schon damals lebhaft für diesen Umstand interessirt, begann ich im Winter des Jahres 1883 den Sachverhalt genauer zu erforschen und lege hiermit, indem ich gleichzeitig Herrn Prof. Leıtses für seine freundliche Anregung meinen besten Dank abstatte, die Ergebnisse meiner Untersuchungen vor. Schon lange ist es bekannt, dass nicht alle Räderthierchen eine freie Lebensweise führen und dass manche zu ihrem Fortkommen und ihrer Ernährung die Hilfe fremder Lebewesen in Anspruch nehmen und sich dem Parasitismus ergeben. So lebt als echter Endoparasit Notom- mata parasita Ehr. in den Kugeln von Volvox globator und ver- zehrt nach Eurengerg’s Schilderung (p. 426 Nr. 68) die daselbst ge- bildeten Tochterkolonien, an deren Stelle es seine Eier legt. Nicht minder sicher ist der Parasitismus verschiedener Species von Al- bertia, als deren Beispiel man nur an das von M. ScauLtze (Nr. 233) im Darme der Naideen gefundene Rotator Albertia cristallina oder an Albertia vermiculus Duj. zu erinnern brauchte, welches die Leibeshöhle und den Darm der Regenwürmer und Limacinen be- wohnt (Nr. 62 p. 175). Einen höchst merkwürdigen Fall eines Endo- parasitismus beschreibt weiter Bausıanı (Nr. 5) genauer, indem er Studien über Räderthiere. 397 ‘ das Räderthier Notommata Werneckii, welches in den Geschlechts- organen der bekannten Alge Vaucheria eine Zeit seines Lebens schma- rotzt, beobachtete und die Vorgänge in diesem Parasitendasein, die Ver- änderung des Thieres, die Reaktion der Pflanze, welche in einer Er- weiterung der Geschlechtsorgane (einer Art Gallenbildung) besteht, erforschte. Andere Rotatorien verschmähen es, in das Innere ihrer Wirthe ein- zudringen, sie ziehen es vor, sich ihre freie Ortsveränderung zu be- wahren und heften sich nur an der äußeren Haut anderer Thiere an. Von Zeit zu Zeit vom Hunger getrieben, strecken sie die spitzen Kiefer zum Munde heraus und bohren sie gleich Dolchen in die Leibeswand ‚des Nährthieres, um ihre Nahrung daraus zu saugen. Einen sol- chen Eetoparasiten, Drilophaga bucephalus, beschrieb VEıpovsky (Nr. 254); Drilophaga hält sich auf der Haut von Lumbrieulus varie- gatus auf, aus welcher er seine Nahrung zieht, jedoch zeitweilig seinen Saugnapf von der Haut loslöst und sein Räderorgan entfaltet oder mit Hilfe seines Fußes weiterkriecht. Eine ähnliche Lebensweise dürfte vermuthlich Balatro calvus Clap. (Nr.29b, p. 13) führen. Crarırkpe ‚ spricht sich darüber nicht aus, sondern sagt nur, dass er diese Thiere ‘in der Seime, einem Flüsschen des Kantons Geneve gefunden, wo sie ‚ auf dem Körper von Trichodrilus und anderen Oligochäten krochen. ' Das Vorkommen auf der Haut der Oligochäten, die dolchartige Form ‚der Kiefer und die bemerkenswerthe Thatsache, dass dieselben zum "Munde herausgestreckt werden können, Erscheinungen, welche denen ‚bei Drilophaga außerordentlich gleichen, sprechen dafür, dass auch ‚Balatro calvus ein echt parasitisches Leben führt und dass die In- ‚dividuen dieser Art durch das Anbohren der Körperwandung ihrer Wirthe von den Säften derselben sich nähren. Als echter auf Gammarus pulex und Asellus aquaticus lebender ‚Parasit wird auch Callidina parasitica von Gicuiouı (Nr. 99, p. 239) angeführt, indem der Entdecker dieser interessanten Species in seiner ‚Publikation dem Thiere nicht nur einen auf seine Lebensweise Bezug ‚habenden Namen gegeben hatte, sondern es auch ausdrücklich als ‚epizoischen Parasiten bezeichnete. Dass Eckstein (Nr. 67, p. 429) in seiner Arbeit über die Gießener Rotatorien davon spricht, dass Calli- dina parasitica in Gamarus pulex und in Gregarinen schmarotze, ‚wird wohl auf flüchtiges Lesen der diesbezüglichen Stelle in der Ori- 'sinalabhandlung! zurückzuführen sein. | | N | | N! | 1 Der betreffende Passus lautet: »Last winter, while engaged in examining the sontents of the digestive and perivisceral cavities of Gammarus Pulex, in search of Gregarinae, I first came across this species. At first I thought that Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLIV. Bd. 26 ji . 398 Carl Zelinka, beschrieben worden und außer dem Schmarotzerleben derNotommata, Werneckii beziehen sie sich alle auf die Symbiose von Rotatorien | in oder an anderen Thieren. Um so auffallender erschien mir ein Räderthier, das unverkennbar Beziehungen zu den Lebermoosen be- obachten lässt. I. Biologischer Theil. Kap. I. Bau der Pflanze und Verhalten des Thieres. Um das Verhältnis des Thieres zur Pflanze nach allen Richtungen ; hin würdigen zu können, ist es nothwendig, die Pflanze selbst genau kennen zu lernen und dann zu untersuchen, ob und welche Eigen-' thümlichkeiten ihres Baues oder ihrer Physiologie das Thier veran- lassen könnten, seinen stetigen Aufenthalt an ihr zu nehmen. I Die in Frage kommenden Lebermoose gehören der Familie der‘ foliosen Jungermannien an, zu welchen man jene Junger- mannien zählt, die mit einem entwickelten kriechenden Stämmchen versehen sind, welches durch Ausbildung einer Ober- und Unterseite entschieden bilateral erscheint und zwei Reihen von einschichtigen Oberblättern, welche eines Nerven entbehren, trägt, zu welchen noch eine Reihe schuppenförmiger Unterblätter kommen kann. Nach dem Fehlen oder Vorhandensein der Unterblätter oder Stipulae werden sie in Exstipulatae und Stipulatae unterschieden. Von den ersten ist es die Radula complanata, die unser Interesse erweckt, während von den Stipulatae nicht nur die Lejeunia, sondern auch die Frullania das. Vorkommen der Räderthiere zeigt. Wenige erläuternde Worte werden genügen, ein Bild von diesen Pflanzen zu geben, so weit es zum Verständnisse der zu besprechenden Verhältnisse erforderlich ist. Die Radula complanata! ist ein Lebermoos mit einem an den | Rinden von Eichen und Buchen kriechenden Stamme, dessen Blätter, | meist von einem hellen glänzenden Grün, horizontal dicht neben ein- ander zweireihig stehen und sich alten: decken. Die Blätter | I had gothold of a second entozoic Rotifer and some time elapsed before I disco- | vered my error, and that, instead of infesting the interior, it occurs as an epizoic parasite on the thoracic and abdominal appendages of Gammarus pulex and Asel- lus vulgaris, inhabiting chiefly the branchial plates.« | 1 Die folgenden Beschreibungen halten sich an Hoocker, British Jungermanniae. London 4816 und EckArT, Jungermanniarum Synopsis. Koburg 1832. I Me I N | Alle diese Fälle sind als Erscheinungen von echtem Parasitismus b Studien über Räderthiere. 399 sind in zwei ungleich große Lappen getheilt, von welchen der kleinere von oben nicht sichtbar ist, da er nach unten umgeschlagen und gegen den großen oberen Lappen angedrückt ist. Seine Form ist meist ab- gerundet dreieckig. Nach Befeuchtung dieses Mooses mit Wasser dauert es nicht lange, dass aus dem Winkel zwischen Stamm, oberen und unteren Lappen ein Räderthier seinen Kopf hervorstreckt (Taf. XXVI, Fig. 2) und sein Räderorgan entfaltet, bei plötzlicher Störung aber sofort sich in sein Versteck zurückzieht. Diese Radula ist über ganz Europa verbreitet. An der schön grünen Lejeunia serpyllifolia sind die unteren Lappen auf ähnliche Weise an die oberen angedrückt, nur sind sie kleiner und gewölbt und besitzen keinen dreieckigen Zipfel. Auch aus diesem Winkel können die Rotatorien durch Wasserzusatz hervor- gelockt werden. Die Lejeunia serpyllifolia kommt in schattigen Wäldern unter Moosen und an den Wurzeln alter Bäume in ganz Deutschland vor. Das interessanteste Bild aber bietet Frullania. Die Frullania dilatata, welche mir hauptsächlich zur Ver- fügung stand, ist ein ebenfalls mit niederliegendem, verzweigten Stengel versehenes Lebermoos, an dem die Blätter horizontal dicht neben ein- ander eng zweireihig und zwar abwechselnd gestellt sind. Sie decken sich dachziegelartig und sind von heller bis dunkelgrüner, oft röthlich- brauner, schwarzpurpurner Farbe. Auch sie sind in zwei Lappen ge- theilt; während aber der obere Lappen größer, nieren- oder kreis- formig und gewölbt ist, mit etwas eingerollten Rändern versehen, ist der untere Lappen klein ohrförmig, meist kappenartig aufgeblasen und sitzt an einem kleinen Stiele dem Oberlappen angedrückt auf (Taf. XXVI, Fig. 3). Dieses Moos ist ungemein häufig und bildet in ganz Europa an den Rinden von Eichen und Buchen in etwa Mannshöhe große, breite Rasen, die schon von Weitem auffallen. Die ähnlich gebildete Frullania Tamarisei unterscheidet sich in den Kappen dadurch, dass diese höher und schmäler sind und längere Stiele haben. Sie findet sich an den Wurzeln der Bäume, auf Felsen und moosiger Erde, wo sie gleichfalls Rasen bildet. Betrachtet man nun ein solches befeuchtetes Pflänzchen von der Unterseite mit dem Vergrößerungsglase, so bietet sich das über- raschende Bild dar, dass aus vielen der Kappen Rotatorien (Taf. XXVI, Fig. 1) ihre Räderorgane herausstrecken und damit unermüdlich wir- bein. Die Vertheilung derselben an den Stämmchen ist eine derartige, 26° 100 Carl Zelinka, | | dass sie mehr an den frischen Nebenstämmchen, als am Hauptstamme sitzen und an diesen Nebenzweigen wieder nur bis gegen die Spitze, dass in manchen Kappen entweder zwei gleich große oder an Größe verschiedene Thiereleben können, jain manchen Fällen sogar drei Exem- | plare vorkommen; die jüngsten, kleinsten Kappen sind frei davon. Was suchen nun die Räderthiere hier und welche Lebensweise | führen sie? Ist es Parasitismus oder sind es andere Beziehungen, welche diese Thiere an die Pflanze knüpfen und muss sich dann jedes Thier seinen Lebensunterhalt selbst suchen ? Im letzteren Falle würde sich offenbar das Leben dieser Räderthiere in zwei in immerwährendem Wechsel auf einander folgenden Perioden abspielen, je nachdem das Moos hinreichend mit Wasser durchtränkt ist, um den Räderthieren Gelegenheit zu geben, die Räderorgane wirken zu lassen oder nicht, in | welch’ letzterem Falle sie zur Ruhe, zum Abwarten besserer Zeiten ver- urtheilt wären. Wenn sie aber parasitisch lebten, dann allerdings hinge ihr Wohl- | befinden nur vom Gesundheitszustande des Wirthes ab. Betrachten wir den Fall, dass eine Art von Parasitismus vorläge, | so wäre vor Allem ein gewaltsames Ausnützen der Pflanzensäfte etwa durch Anbohren der Zellwände möglich. Das Thier müsste mittels seiner Kieferbewaffnung, so wie Drilophaga die Haut von Lumbri- culus, hier die Zellen anschneiden und die Säfte daraus saugen. Die Bewegungen des festsitzenden Thieres, so weit es außerhalb seiner Kappe sichtbar wird, beschränken sich auf ein eigenthümliches Tasten mit dem Vorderende, wenn das Räderorgan noch nicht entfaltet ist, und auf das Wirbeln mit seinen Rädern. Niemals, auch nach wochenlangen Untersuchungen auf diese Frage hin, kann man einen Angriff der Rotatorien auf die Zellenhäute beobachten, es müsste denn | sein, dass die Innenwand der Kappen dazu geeigneter wäre und erst das in die Höhlung zurückgezogene Thier mit Erfolg gekrönte Versuche unternehmen würde. Durch die dicken, grünen Kappenwände kann man die darin be- findlichen Körper sehr schwer und nur in undeutlichen Umrissen wahr- | nehmen und nur so viel erkennen, ob eine Bewegung stattfindet, oder das Thier in seiner Ruhelage, einer Art Kontraktion, sich befindet. Es liegt dann als eine durch die grüne Zellwand gelblich oder bräunlich erscheinende, kugelige oder ellipsoidische Masse darin (Taf. XXVI, Fig. I r), wodurch man auch im Stande ist, auch wenn kein einziges von den Rotatorien ausgestreckt ist, ihre Anwesenheit an den frischen und eben so sicher an den in Spiritus konservirten Moosen zu konsta- tiren. Um sich daher über das Treiben des Thieres in der Kappe zu er | g u ne zn pe 2 ABM ii u ir Aa mn ! Studien über Räderthiere. 401 orientiren, muss man von der direkten Beobachtung abstehen und sein Augenmerk darauf richten, an Querschnitten durch Kappe und Thier zu beobachten, ob die Wand irgend einer Zelle angebohrt ist, ob ein Rotator daselbst sich angesogen hat, und ob überhaupt die Kieferbe- waflnung ein so gewaltsames Vorgehen von Seiten des Thieres möglich erscheinen lässt. Die Antwort fällt für alle diese Fragen verneinend aus. Niemals zeigt ein Schnitt der Querschnittserien die Zellwände anders als nor- mal und unverletzt, eben so wenig hat das Thier seine Kiefer hervor- gestreckt; dieselben befinden sich im Inneren des Körpers und sind auch beim in Ruhe befindlichen Thiere, von dem man vermuthen könnte, dass seine Bewegungslosigkeit dem Genusse der Nahrung zu- zuschreiben sei, tief im Körper verborgen, wie auch der Mund gänzlich eingezogen ist. Man darf daher behaupten, dass ein Angriff von Seiten des Thieres auf die Pflanze nicht stattfindet. Es wäre nun zu erörtern, ob nicht durch das Sekret einer Drüse, welche in das Innere der Kappen mündete, unseren Räderthieren Stoffe dargeboten würden, die zu ihrer Ernährung dienten. Zum Nachweise solcher Drüsen bedurfte es Flächenansichten dieser aus einer Zell- schicht aufgebauten Kappen und Serien von Querschnitten durch die- selben, welche sehr leicht zu verfertigen sind. Weder in dem einen, noch in dem anderen Falle konnten Andeutungen von solchen Drüsen gefunden werden, vielmehr erscheinen alle Zellen vollkommen gleich- artig gebaut und haben alle sehr starke Zellwände, welche durch lo- kale Verdickungen in der Daraufsicht wellige Grenzen zeigen und offenbar eine rein mechanische Funktion besitzen. Man wird nach dem Ergebnisse dieser Beobachtungen auch von diesem Erklärungsversuche abstehen und aussprechen müssen, dass die Vermuthung, die Rotatorien führten eine im Inneren der Kappen sich abspielende parasitische Lebensweise durch direkte Ausbeutung der Pflanze, keine Berechtigung besitze. Wenn aber schon die Mög- lichkeit einer Ernährung durch Drüsenorgane erwähnt wurde, so ist es geboten, einer Drüse nicht zu vergessen, welche nicht im Inneren der Kappe, wohl aber in nächster Nähe derselben in Form einer Papille, welche den Namen Keulenpapille führt, sich befindet. Dieselbe sitzt bei Frullania dilatata auf dem Stylus aurieulae (Taf. XXVI, Fig. 3 st), einem zum Unterlappen, aus dem die Kappe entstanden ist, gehörigen blätterigen, scharf zugespitzten Schüppchen und zwar auf dessen Spitze als Abschluss desselben !. Bei Frullania Tamariseci ist der Stylus ! Diese und die folgenden botanischen Angaben sind aus: H. Leitges, Unter- suchungen über die Lebermoose. 2. Heft. Die foliosen Jungermannien. Jena 1875. 402 Carl Zelinka, Blatttheil bei Lejeunia serpyllifolia auf die Keulenpapille redueirt ist. Es wäre nun denkbar, dass die Räderthiere den Saft der Drüse in sich aufnehmen, zumal dieselbe in nächster Nähe der Kappe sich be- findet und es müsste der Nachweis einer derartigen Ernährung um so leichter möglich sein, als die Keulenpapille leicht zu sehen und ferner ‚das Nahrungsbedürfnis der erwachten Räderthiere ein so großes ist, | dass sie bald nach dem Zusatze des Wassers ihren Hunger zu befrie-' digen suchen. Aber trotz aller sorgfältigen Beobachtungen wird man nie eine! Bewegung der Räderthiere erblicken können, welche eine solche Ver-' muthung rechtfertigen könnte. Das Thier sucht weder, noch meidet' es die Nähe des Stylus auriculae, es verhält sich dazu ganz indiffe- rent, so dass man nach all’ den Erörterungen zum Schlusse kommen | muss, dass’es nicht der Parasitismus sei, welcher das Zusammenleben der Räderthiere und der Pflanze bedingt. Vielmehr sieht man die Thiere | bis auf den Aufenthalt in den Kappen unabhängig von der Pflanze sich geberden. Bei Wasserüberfluss entfalten sie, wie ihre freilebenden Verwandten, ihr Räderorgan und strudeln sich Nahrung herbei, die von den eifrig kauenden Kiefern zerquetscht wird. Sie nähren sich immer wie freilebende Rotatorien von umherschwimmenden Organismen, die in den Bereich ihrer Räder gelangen. Eine andere Art der Beschaffung ihrer Nahrung ist nicht vorhanden. Dabei bemerkt man, dass die | Thiere einen grünen Darminhalt besitzen, der aus einzelligen Algen besteht und bei den kleineren Exemplaren um so leichter in die Augen fällt, als er nicht wie bei den großen Thieren durch die rothe Farbe | des Darmes verdeckt wird. Schüttelt man ein kleines Thier aus seiner Kappe, dann sieht man, dass diese Algen, je weiter nach hinten sie im | Darme liegen, um so blässer sind, indem sie offenbar einem Ver- | dauungsprocesse unterworfen und endlich durch die Analöffnung aus- | gestoßen werden, wobei sie oft noch ihre Zellstruktur erkennen lassen, während die großen Thiere niemals einen grünen, sondern einen röth- lichen Darm besitzen. Mitunter sind ein großes und ein kleines Räder- thier in einer Kappe beisammen, in anderen Fällen sieht man auch zwei, | ja drei große in Gesellschaft einen solchen Raum innehaben, indem sie | bald gleichzeitig, bald abwechselnd ihre Räder hervorstrecken oder sich zurückziehen. Schneidet man ohne Verletzung der Kappe eine | solche vom Stamme ab, so kann man tagelang dieselbe mit den Thier- chen darin isolirt beobachten; wird jedoch die Kappe beschädigt, er- | hält sie besonders an ihrer Kuppe eine Öffnung, dann fühlen sich die Inwohner unsicher, sie wandern aus und kriechen hastig an der Pflanze I nur eine von der Keulenpapille gekrönte Zellreihe, während dieser ————— —n 2 = Studien über Räderthiere. 403 hin, indem sie in unverletzte Kappen zu gelangen suchen. Bevor sie jedoch von einer solchen Besitz nehmen, wenden sie scheinbar große Vorsicht an, indem sie die Innenwände mit ihrem Kopfende betasten. Ist die Kappe schon besetzt, so kann es kommen, dass der Fremdling weiter wandern muss, doch scheinen im Allgemeinen diese Rotatorien friedfertig zu sein, wie ihr Zusammenleben zu zweien und dreien be- weist. Auch ohne für den Beobachter erkennbaren Grund kann man sie ihre Kappen verlassen sehen; in einem solchen Falle entfaltet auch wohl ein Thier sein Räderorgan und schwimmt rasch und sicher davon. So lange Wasser in hinreichender Menge und Frische vorhanden ist, dauert dies Treiben, es nimmt aber ein Ende, wenn das Moos aus- trocknet, oder das Wasser schon zu lange nicht erneuert worden ist. Die Räderthiere kontrahiren sich dann (Taf. XXVI, Fig. I r, Fig. 3 r), sie ziehen sich in die Kappen zurück und geben kein Lebenszeichen von sich. Es suchen demnach die Räderthiere an diesen Lebermoosen kein Schmarotzerleben zu führen, sondern nur einen Raum zu finden, in welchem sie sich sicher fühlen und von wo aus sie ungestört ihre Nahrung eben so herbeiziehen können, wie wenn sie im freien Wasser ihrem Hungertriebe folgen wollten. Nach den Namen, welche Kress ! den verschiedenen Fällen der Symbiose gegeben hat, hätte man hier einen Fall von Raumparasitismus und zwar einen jener höheren, in welehem der Gast bestimmte Höhlungen im Wirthe benutzt. Die Räderthiere an diesen Lebermoosen sind Raumparasiten und zwar »freie«, wie ich sie nennen möchte, welche frei beweglich nach eige- nem Willen ihre Wohnung sich aussuchen und falls sie ihnen späterhin nicht genügt, sei es, dass das Haus schadhaft geworden, oder sei es, dass sie auf andere Weise gestört werden, derselben den Rücken kehren, um sich anders wo einzumiethen. Diesem freien Raum- parasitismus könnte man jenen bleibenden gegenüberstellen, bei welchem, wie bei Kochlorine im Gehäuse des Seeohrs? oder bei Ichthyoxenus im Bauche der Fische’, der Gast auf ein Weiter- wandern verzichtet hat. Es taucht nur jetzt die Frage auf, ob die Bedingungen, unter wel- chen das Moos vegetirt, auch geeignet sind, die Annahme eines solchen raumparasitischen Vorkommens zu rechtfertigen, ob an dem Moose hin- 1 G. Kress, Über Symbiose ungleichartiger Organismen. Biol. Centralbl. II. Bd. Nr. 40, AA, 43. Erlangen 4882. 2 F. c. Norr, Kochlorine hamata, ein bohrendes Cirriped. Diese Zeitschr. Bd. XXV. 4875. p. 11481. 3 P. J. van Befepen, Die Schmarotzer des Thierreiches. Intern. wiss. Biblio- thek. Bd. XVII. p. 44. Leipzig 1876. 404 Carl Zelinka, reichend Wasser zu finden ist, und was mit den Räderthieren geschieht, wenn durch lange Trockenheit das Leben derselben unmöglich erscheint. Untersucht man den Feuchtigkeitsgehalt der Kappen, nachdem man dieselben frisch vom Baume genommen hat, so findet man sie ent-' weder fast ganz trocken oder von Wasser erfüllt, je nach der Zeit des Tages und des Jahres. Das Moos ist hygroskopisch und diese Eigen-| schaft begünstigt in Verbindung mit der Lage des Vegetationsplatzes| das Vorkommen der Räderthiere. Der Ort, an welchem die Moose wachsen, ist so gewählt, dass er zwei Bedingungen erfüllt, indem er! erstens den Schutz vor allzu leichtem Vertrocknen und zweitens die! Möglichkeit der Befeuchtung gewährt. Stünde der Moosrasen an belie-. bigen Stellen des Baumes, so würde unter Umständen regelmäßig und tagtäglich das Moos durch die Sonnenstrahlen gänzlich ausgedorrt wer- | den und tagsüber in diesem Zustande gänzlicher Trockenheit verbleiben müssen. Die Moosrasen breiten sich desshalb an schattigen Stellen des| Baumstammes aus, sei es, dass die Nordseite des Baumes allein diese Existenzbedingung erfüllt, sei es, dass das Laubdach des Baumes oder seiner Nachbarn einen auch die übrigen Seiten des Stammes schützen- den Schirm vor der Sonne bildet. Sehr üppig gedeihen die Rasen an der Wetterseite des Baumes, wenn diese dicht beschattet ist, indem hier beide Existenzbedingungen erfüllt sind; sie sind dann durch die vom! Winde getragenen Regentropfen am ausgiebigsten und sichersten der 1} zeitweiligen Benetzung ausgesetzt. Aber auch den an den übrigen | Stellen des Baumes grünenden Moosen ist die Durchtränkung mit Was- ser gesichert und zwar durch den fallenden Thau. Früh Morgens findet man die Rasen ganz dunkelglänzend und feuchtschwer von Wasser und so sind wenigstens in der Nacht die Pflanzen imbibirt und die Kappen gefüllt, wenn schon tagsüber der Gehalt an Flüssigkeit in den letzteren sich bedeutend redueirt und an trockenen Tagen der Trocken- | heit nahe kommt. Danach richtet sich auch die Ruhe und Thätigkeit | des Rotators. In den Kappen trockener Moose sieht man die kontra- | hirten Thierchen in Gestalt gelblicher Kügelchen liegen, welche auf’ Zusatz von Wasser sich strecken und ihre Räderorgane entfalten. Be- trachtet man ein thaunasses Moosstämmehen, dann bemerkt man eine | beträchtliche Wasserhülle um die Pflanze und im Wasser schwimmen | Infusorien den Stamm auf und nieder, während die Rotatorien ihre | Köpfe aus den Kappen strecken und zu wirbeln beginnen. Der Umstand, dass der Feuchtigkeitsgehalt der Moose des Nachtsun- | ter dem Einflusse des Thaues am größten ist, ausgenommen die Regen- | tage, ferner die Augenlosigkeit der Thiere führen zu dem Schlusse, dass | dieselben ein nächtliches Leben führen und zu dieser Zeit normal ihre 3 0 . 40 Er Er u Studien über Räderthiere. 405 Nahrung nehmen, so wie eventuelle Ortsveränderungen bewerkstel- ligen, während der trockene Tag sie in ihre Wohnung bannt, wenn nicht ein auf das Pflänzchen fallender Regentropfen die Bewohner des- selben zu regerem Leben erweckt. Lässt man ein Ästchen von Frullania unter dem Mikroskop aus- trocknen, dann sieht man die Luft von einer Seite in die Kappe ein- dringen, während das Wasser in der Kappe daselbst konkav eingedrückt erscheint und endlich in dem Maße, als die Luftblase zunimmt, ver- schwindet (Taf. XXVI, Fig. 7). Schließlich ist nur mehr eine Wasser- schicht, welche die Kappe innen auskleidet, vorhanden und auch diese verdunstet mit der Zeit gänzlich. Durch rasches Zusetzen von Wasser zu einem ausgetrockneten Moose erreicht man, dass die ganze Luft nicht so schnell aus den Kappen entweichen kann, als das Wasser von vorn einströmt und daher größere Luftblasen zurückbleiben (Taf. XXVI, Fig. 1 und 4 !), die oft den ganzen Hohlraum bis auf die zusammenge- zogenen Rotatorien ausfüllen. Es möchte nun scheinen, dass dieser Umstand gegen die Möglichkeit des immerwährenden Aufenthaltes eines Räderthieres sprechen würde und es wäre dies auch der Fall, wenn ein einmaliges Vertrocknen der Pflanze hinreichen würde, dem Wasser den Wiedereintritt in die Kappen zu versperren. Haben jedoch die ausgetrockneten Moose einige Zeit im Wasser gelegen, so bietet sich dem Beschauer ein anderes Bild dar. Ich habe Moose über 3 Monate in gänzlicher Trockenheit gehalten und dann durch plötzlichen Zusatz von Wasser mit Feuchtigkeit durch- tränkt; da zeigte sich mir das gleiche Bild, wie wenn ich die Pflänzchen nur einige Stunden trocken ließ. Die ganze Pflanze erschien unter dem Mikroskop zuerst in Folge der Trockenheit verkrümmt und Stamm und Blätter viel dünner, ge- wissermaßen kontrahirt. Alle Kappen waren von Luft erfüllt. Nun aber begann das Wasser die Pflanze zu durchtränken und während sie selbst plastischer wurde, drang das Wasser in die Kappen ein und zwar von einer Seite. So wie früher die Luft das Wasser verdrängte, so trieb nun das Wasser die Luft aus, von außen langsam seitlich ein- dringend und die Luft gewissermaßen zur Seite schiebend (Taf. XXVI, ‚Fig. 4 l). Den Druck des eindringenden Wassers auf die Luft sieht man an den Einbuchtungen der Luftblasen; keine Luftblase in der Kappe ist dann kugelrund. Bald ragt aus einer Seite eine Luftkuppe heraus, welche größer wird (Taf. XXVI, Fig. 4 I), bis sich ein Theil der Luft an einem immer dünner werdenden Stiele abtrennt und als Bläschen aus der Kappe emporsteigt; sein Raum ist dann von Wasser eingenommen. Die Aufnahme von Wasser ist eine so energische, dass der Widerstand, 406 Carl Zelinka, den die Luft beim Durchtritte durch die oft engen oder nach abwärts gekehrten Mündungen der Kappen zu überwinden hat, besiegt wird, und dass nach einiger Zeit und zwar in etwa 3, längstens in 5 Stunden die Luft aus den Kappen entfernt ist. Für den Beobachter ist zu bemerken, dass die Zeitdauer eine verschiedene ist, je nachdem man das Moos mit einem Deckblättchen bedeckt oder einfach auf dem Objektträger mit Wasser befeuchtet liegen lässt und dass nach 3 Stunden, in welcher Zeit die Entfernung der Luft aus den frei liegenden Moosen vollzogen ist, in den mit einem Deckblättchen versehenen Versuchsobjekten noch fast in jeder Kappe eine Luftblase, oft so groß wie die Hälfte des Vo- lumens des Hohlraumes vorhanden ist und sogar nach 5 Stunden noch Bläschen zu treffen sind. Die Zeitdauer der Nacht reicht jedoch hin, auch hier die Luft zu verdrängen. Der Druck, welchen das Deck- gläschen auf das Wasser und die Pflanze ausübt, scheint der Austrei- bung der Luftbläschen ein Hindernis zu sein. Da jedoch der Fall, in welchem die Moose unbedeckt auf dem Objektträger liegen, allein den Verhältnissen in der freien Natur entspricht, so kann man den Schluss ziehen, dass auch, wenn die Moose wochenlang ohne Befeuchtung ge- blieben sind, der Möglichkeit des weiteren Aufenthaltes der Räderthier- chen nichts im Wege steht. Das Austrocknen der Kappen vermag nicht zu bewirken, dass das Wasser nicht wieder in dieselben ein- dringen und die daselbst der kommenden Zeiten harrenden Rotatorien durchtränken kann. Es ist nur die Frage, ob die Thiere selbst eine solche Unterbrechung eines energischeren Lebens ertragen und im Stande sind, ein latentes Vegetiren im kontrahirten Zustande auf die Dauer auszuhalten. Zu diesen Versuchen kann man Moose, bei denen man sich von dem Vorhandensein der Bewohner überzeugt hat, in Glasdosen mit gut schließendem Deckel in vollkommener Trockenheit stehen lassen. Nimmt man nach drei Monaten ein Stämmehen heraus und befeuchtet es mit reinem frischen Wasser, so wird man in einzelnen Kappen Räder- thiere als braune Kügelchen liegen und allerdings nicht mehr in so großer Anzahl wie vor dem Experimente ihre Köpfe hervorstrecken sehen. Durch die Umstände, dass erstens die Kappen des Mooses nach jeder Befeuchtung wieder mit Wasser gefüllt werden und zweitens die Räderthiere eine lang dauernde Trockenheit überleben können, ist der Beweis vollendet, dass die Moose vermöge ihrer eigenen Beschaffenheit und der Beschaffenheit der Bewohner denselben eine den Anforderun- gen ihres Lebens entsprechende Wohnung zu bieten im Stande sind. Für die Lebenszähigkeit unserer Rotatorien, welche eine Analogie in dem Verhalten des Rotifer vulgaris beim Austrocknen besitzt, Studien über Räderthiere. 407 sprechen auch die Versuche, welche man über ihre Fähigkeit, Kälte und Wärme zu ertragen, anstellen kann. Mitten im strengsten Winter ge- lingt es, aus den von beschneiten Bäumen geholten Moosen reichlich die Thierchen hervorzulocken; ja sogar, wenn in der Nacht die Tem- peratur auf — 20°C. gesunken war, kamen sie auf Zusatz von frischem, kalten Wasser in eben solchen Mengen wie zu anderen Jahreszeiten hervor. Kälte bis zu 20° C. und andauernde Trockenheit tödtet sie also nicht. Andererseits bewiesen Versuche mit höherer Temperatur auch gegen Wärmeeinflüsse eine große Widerstandsfähigkeit. Die Thiere ertrugen es sogar, wenn das Wasser einige Augenblicke 70° C. besaß und krochen, nachdem das Wasser abgekühlt war, wieder umher. Unsere Betrachtungen sind damit jedoch noch nicht zu Ende, da der Gedanke nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen ist, dass neben dem vor Augen liegenden Raumparasitismus außerdem noch andere denselben begleitende, vielleicht wechselseitige Beziehungen zwischen Räderthier und Pflanze bestünden, so dass wir dann eine Übergangserscheinung vom Raumparasitismus, also der einseitigen An- passung, zur Symbiose mit wechselseitiger Anpassung zu konstatiren hätten. Es ist auffällig, dass die Räderthiere nicht an allen Kappen des Mooses gleichmäßig vertheilt sind, sondern dass sie gewisse Partien desselben vorziehen. Schon oben wurde erwähnt, dass sie hauptsächlich in den frischen, grünen Kappen der Nebenzweige zu finden sind, wobei sie jedoch nicht bis zur Spitze des Zweiges wandern. Letzteres dürfte seinen Grund darin haben, dass die jtingsten Kappen, welche aus den knospenartigen Umhüllungen des Scheitels bereits hervorgetreten sind, wohl noch zu klein sind, um als Wohnung dienen zu können. Dieser Grund kann aber nicht von den großen Kappen des Hauptstammes gelten. Man findet an demselben die weiter nach hinten von der Vegetationsspitze befind- lichen Theile zwar chlorophylllos und abgestorben, in ihren Formen jedoch so vollkommen, dass nur das Fehlen des Zellinhaltes auf den Tod der Zellen hinweist, und doch sind sie niemals von Räderthieren besetzt. Wäre es diesen nur um die Wohnung zu thun, so sollte man glauben, fänden sie dieselbe hier in überreichlichem Maße. Da dem aber nicht so ist, so wird man zu dem Gedanken verleitet, es möchte wohl ein Grund vorhanden sein, der die Thiere bestimmte, diese Kap- pen nicht zu bewohnen. Vielleicht ist es der Sauerstoff der grünen, lebenden Theile, der von den Chlorophylikörnern abgeschieden wird, welcher, in die Wasserhülle des Mooses abgegeben, den Rotatorien zu Gute kommt; dann wäre ein direktes Aufsuchen der Sauerstoff abson- 408 Garl Zelinka, dernden Nebenzweige und ein Meiden der diese Vortheile nicht bie- tenden Pflanzentheile leicht denkbar. Andererseits wäre es ganz gut | möglich, dass die beginnende chemische Veränderung der abgestor- I benen Pflanzentheile, welche noch nicht zur Gestaltveränderung der 1 Zellen vorgeschritten ist, bereits das Wasser ihrer Umgebung so in Mitleidenschaft zieht, dass ein weiterer Aufenthalt den Thieren unbe- haglich und schädlich zu werden beginnt und dieselben einen solchen Ort fliehen müssen. | Wir hätten in dem ersten der beiden möglichen Fälle eine den vorhandenen Raumparasitismus noch komplieirende aktive Begleiter- scheinung, während der zweite nur einen passiven, negirenden Einfluss auf die Symbiose der Räderthiere und des Lebermooses ausüben würde; welche von den Möglichkeiten zur Wirklichkeit wird, ist wohl schwer zu entscheiden, vielleicht treten auch beide Fälle, ; gleichzeitig undin | einander greifend auf. So weit würde es nur die Pflanze sein, die dem Thiere nützte, nun ist noch die Frage zu beachten, ob nicht auch das Thier eine Gegenleistung für die genossenen Wohlthaten zu machen habe. Die Beobachter der | Lebermoose schildern fast bei allen, dass diese sehr häufig von niede- ren Algen, zumal Nostocaceen und Oscillarien besucht werden. Kırss! hat mehrfacher Fälle Erwähnung gethan, in welchen Nosto- caceen und OÖscillarien durch Risse und Spalten in die Gewebe an- derer Pflanzen eindringen. Bekannt ist die Gegenreaktion des Paren- chymgewebes der Gycaswurzeln auf das Eindringen von Nostocaceen und die Gegenreaktion der Blasia?, eines Lebermooses, welches eben- falls ohrartige Unterlappen besitzt. In diesen Ohren befindet sich der Stylus, der hier hineingerückt ist, während er bei unserer Frullania neben denselben sitzt. Nach LrirtserB’s Untersuchungen bleiben diese Ohren und die Drüse am Stylus klein, wenn kein Nostoc dieselben aufsucht. Hat sich aber einmal ein solcher angesiedelt, dann hyper- trophirt das Ohr und die Drüse gewaltig und die letztere verzweigt sich sogar mehrfach. An den von unseren Rotatorien bewohnten Leber- moosen vermisst man nun solche Kolonien von Nostoc und anderen Algen regelmäßig, worauf mich Herr Professor Leirezs aufmerksam gemacht hat. Es wäre wohl möglich, dass die Anwesenheit der Räder- thiere dem Eindringen der niederen Algen ein Hindernis wäre, zumal 17a. a, 0,,n4297.0298, 2 H. LEITGEB, Untersuchungen über die Lebermoose. Heft I. »Blasia pusilla.« p. 2+—25. Jena 4874 u. M. WALDNER, Die Entstehung der Schläuche in den Nostoc- kolonien bei Blasia. Sitzungsber. der math.-naturw. Kl. der Wiener Akademie. Jahrg. 41878 (Bd. LXX VII). A. Abth. p. 294—301. Mit 4 Tafel. Studien über Räderthiere. 409 die Räderthiere einen fast immer mit grünen Algen angefüllten Darm ‚ haben, der darauf hindeutet, dass dieselben die Hauptnahrung der Thiere ausmachen. Die vielen wirbelnden Rotatorien an den Zweigen wären dann eine Art Sicherheitspolizei für die Pflanze, die alle kleine- ren Pflanzenorganismen einzusaugen bestimmt wäre, bevor sie, sei es als Raumparasiten, sei es als Schmarotzer, sich niederzulassen im Stande sind. Ob thatsächlich Nostoc neben anderen Algen im Darme sich findet, müsste durch nähere Untersuchung auf den blaugrünen Farb- ‚ stoff desselben entschieden werden. Über die phylogenetische Entstehung der Kappen bei unserem " Moose ist nichts bekannt, so genau auch die Ontogenie studirt worden ist. Die Hypertrophie der Ohren bei Blasia durch Ansiedelung von Nostockolonien giebt eine Andeutung, wie man sich solche Gebilde ‘durch den Reiz einwandernder raumparasitischer oder parasitischer Organismen entstanden denken könnte. Vielleicht war es der Reiz der ‚sich ansetzenden Räderthiere an den flachen nicht gewölbten Blattun- ‚ terlappen, die einfach ohrförmig ohne kappenartige Aufblähung waren, wie solche bei vielen noch jetzt lebenden Lebermoosen zu finden sind, ‚ der die Unterlappen veranlasste, eine Gegenreaktion durch Einwölben ‚ der gereizten Stellen auszuführen. Die Blattohren in den jüngsten ‚ Sprossenden bei Frullania sind bereits kappenförmig gebildet, und ' schon in ihrer Anlage eingerollt, wie LeitGep’s Untersuchungen zeigen!, ' | — ein Zeichen lang vererbter Eigenschaft. An manchen Stämmchen und | besonders an den Seitenzweigen findet man aber unter den kappenarti- | gen Unterlappen einfach ohrförmige (Taf. XXVI, Fig. 8), wie wenn durch ‚ Atavismus ein Zurückkehren in die frühere Form stattfände, welches an ‚und für sich den Schluss ziehen ließe, dass die Ahnen dieses Mooses ‚die Kappenform der Unterlappen noch nicht besessen hatten. | Ob nun wirklich die Räderthiere diesen Einfluss genommen haben, ‚ist wohl schwer zu bestimmen, da es andererseits wohl möglich wäre, ‚dass die Kappen von Frullania einem ähnlichen in früherer Zeit statt- ‚gefundenen Eindringen von Nostoc ihre Entstehung verdanken, wie ‚es bei Blasia noch der Fall ist, und dass die Räderthiere erst später sich ‚diesen Umstand zu Nutze gemacht haben und die Algen verdrängten, ‚um den durch sie geschaffenen Raum in Besitz zu nehmen. Warum ‚dann die Kappen nicht wieder in ihre frühere, flach ohrförmige Ge- ‚stalt zurückverfielen, nachdem ihre Entstehungsursache aufgehört, kann ‚durch den dauernden Reiz, den das Festsetzen der Räderthiere verur- ‚sacht, erklärt werden. Es wäre noch eine Entstehungsursache ins Auge ! Untersuchungen. 3. Heft. Fig. 18 auf Taf. I. 410 Carl Zelinka, zu fassen, wenn man annehmen wollte, die Kappen hätten ihre Gestalt durch das Bedürfnis der Pflanze Wasserreservoire zu haben erhalten, um bei dem oftmaligen Feuchtigkeitswechsel im Freien weniger dem Austrocknen ausgesetzt zu sein. Die Beobachtung unter dem Mikroskop lehrt aber, dass die Differenz in der Zeit des Austrocknens der Kappen und des übrigen Mooses eine nicht sehr große ist. Wohl hält sich das Wasser in dem Hohlraum des Blattunterlappens länger (und wird auch ' mit beitragen, das Räderthier an diesen Raum zu fesseln), für die Pflanze aber dürfte es schwerlich von großem Nutzen sein, da in kür- zerer oder längerer Zeit auch von hier das Wasser verschwunden ist. Vielleicht sind die Verhältnisse im Freien dadurch günstiger, dass das Moos der Rinde mit seiner Unterseite gewöhnlich dicht anliegt und die Feuchtigkeit der Rinde das Wasser in den Ohren, die außerdem durch die Blattoberlappen gedeckt sind, länger zurückzuhalten im Stande ist. Mir scheint jedoch wahrscheinlicher zu sein, dass die Räderthiere einen direkten Einfluss auf die Gestaltung der Unterlappen auf eine der beiden erst besprochenen Weisen genommen haben. Über die geographische Verbreitung der Räderthiere dienten mir | zum großen Theile die Angaben, die Herr Professor Leiter mir mit- zutheilen die Güte hatte. Er hatte zur Zeit seiner Untersuchungen über die Lebermoose Material aus allen Gegenden Deutschlands und | Österreichs, nicht nur frisch und in Spiritus konservirt, sondern auch in Form von Herbarien erhalten und konnte an den oben mit Namen | angeführten Moosen aus allen diesen Gegenden die Thierchen auf- | finden. Ich selbst nahm Proben von Frullania und Radula aus ver- | schiedenen Gegenden Steiermarks nach Hause, um gleichfalls konsta- tiren zu können, dass die Rotatorien niemals daran fehlen. Sie kommen \ eben so in den Wäldern des obersteirischen Hochgebirges, als im unter- steirischen Hügellande vor. Auch an den Frullanien von Triest waren die Räderthiere reichlich nachzuweisen. Selbstverständlich gilt die Konstanz des Vorkommens auch für die Umgebung von Graz, wo mir die Bäume der umliegenden Wälder in den Moosen das Material zu den durch mehrere Jahre andauernden Untersuchungen über die Biologie und Anatomie unserer Räderthiere lieferten. Als weiteren interes- santen Beitrag über die Verbreitung der Räderthiere theilte mir Herr Professor Leıtezg mit, dass er an den ihm von Neu-Seeland zugeschickten | Lejeunien und Frullanien ebenfalls die Kappen von Rotatorien be- setzt fand. Das Material war in Spiritus konservirt und die Thiere in | den Kappen als die geschilderten bräunlichen Klümpchen sichtbar. Wenn sich diese Räderthiere als mit den deutschen und österreichi- schen identisch erweisen sollten, dann hätte man ein Beispiel eines Be lu m N — Studien über Räderthiere. 411 raumparasitischen Räderthieres, welches eben so der paläarktischen als australischen Region angehört. Kap. Il. Charakteristik der auf den Lebermoosen symbiotisch lebenden Räderthiere. Unsere symbiotischen Räderthiere gehören mit Sicherheit der Fa- milie der Philodiniden an. Von Eurenger6 (Nr. 68, p. 481) wurde diese Familie als mit folgen- den Charakteren versehen angegeben: »Weichräderthiere ohne Panzer und Hülle, welche zwei Räderorgane in Form zweier Räder führenc«. Diese Diagnose wurde von BarrscH (Nr. 10, p. 43) schärfer ge- stellt, indem er sie formulirte: »Körper spindelförmig; Fuß fernrohr- artig einziehbar, am Ende gabelig getheilt; am Nacken ein entwickel- ter Taster.« Alle diese Merkmale stimmen bei den fraglichen Thieren überein. Dazu ist noch anzuführen, dass sie augenlos sind und einen bewim- perten Rüssel besitzen, der beim Wirbeln mit dem nicht kleinen Räder- organe niemals ausgestreckt ist, dafür aber, wenn dasselbe eingezogen ist, das vordere Ende des Körpers, den Kopf bildet, und dass die Haut in konstante Längsfalten gelegt ist. Die Klebdrüsen münden nicht in den Spitzen der Fußzangen, sondern im letzten Gliede in zehn kleinen sehr kurzen Röhrchen. Dieser letztere Umstand würde vielleicht Euren- BERG veranlasst haben, wenn er die Thiere beobachtet hätte, ein eigenes Genus dafür aufzustellen, da in seiner Bestimmungstabelle der Philo- dinengenera die Nebenhörnchen am Fuße eine große Rolle spielen und dieselben bei der Kürze und Zartheit der zehn Röhrchen bei unseren Thieren von ihm wohl nicht als Nebenhörnchen hätten gedeutet werden können. EHrEnBERG theilt seine Philodinen in solche, welche Augen be- sitzen und solche, welche augenlos sind. Nur auf die letzteren hätte man hier seine Aufmerksamkeit zu lenken. Der die augenlosen Philodinen betreffende Theil von EHrENBERG’S Bestimmunsstabelle ist folgender (Nr. 68, p. 482): mit Rüssel und Nebenhörnchen am Fuße ... .. Gallidina Augenlose EN: h [Räderorgane gestielt Hydrias. ans sel und Hörnchen | Räderorgane stiellos Typhlina. Der Besitz eines Rüssels lässt die Thiere danach nur unter das Genus Gallidina einstellen. Die späteren Beobachtungen zeigten aber, dass jene Diagnose, die EHRENBERG p. 482 seines großen Werkes noch des Genaueren ausführt, für alle Thiere, die ihrer ganzen Organisation nach offenbar zu Calli- 412 Garl Zelinka, dina gehörten, zu eng gezogen war, so dass man später den Besitz von Nebenhörnchen als Genuscharakter fallen lassen musste. Allerdings scheint mir Barrscu darin zu weit gegangen zu sein, wenn er die Augenlosigkeit allein als Genuscharakter aufstellt (Nr. 10, p. 45). Man wird bis auf Weiteres am besten thun, wenn man mit Eck- stein (Nr. 67, p. 358) alle jene Räderthiere zum Genus Gallidina stellt, die einen wurmförmigen Körper mit Scheinsegmenten und fernrohr- artig einziehbarem Fuße und ein Tastorgan im Nacken haben und bei welchen die Augen fehlen. Hinzufügen möchte ich noch, dass auch der Rüssel als ein leicht in die Augen fallendes Merkmal in die Genus- diagnose aufgenommen werden sollte !. 1 Es wäre hier am Platze, zweier Diagnosen zu gedenken, die in EyFERTH’S »ein- fachsten Lebensformen« (Nr. 84) und in Scuoc#’s, »Die mikroskopischen Thiere des Süßwasseraquariums. II. Th.« (Nr. 232) die Räderthiere behandeln. EyFERTH sagt p. 77 von Callidina: »Keine Augen, Rüssel breit oval, stets vor- gestreckt« und p. 78: »Körper derber als bei Philodina, Rotifer, Actinurus, nicht faltig, weißlich, scharf gegliedert. Rüssel und Räderorgan zu einem von vorn gesehen eichelförmigen schwach bewimperten vorgestreckten Kopfe verschmolzen. Augen fehlen. Kiefer zweizahnig. Fuß dünn mit zweispaltigem Endgliede und zwei kleinen Spitzen am vorletzten Gliede. Man vergleiche damit die Worte, die ScaocH über Callidina sagt: »Aus dem Wimperorgane tritt ein von vorn bewimperter, augenloser Rüssel beim Kriechen hervor. Die Fußglieder sind sehr tief ausgeschnitten und bilden daher Neben- hörnchen. Körper wurmförmig, durch die großen Eier oft bauchig aufgetrieben. Vom Nacken geht ein kleiner Tentakel ab. Zwei vielzahnige Kieferplatten.« Man sieht, dass beide Diagnosen in zwei wichtigen Punkten sich widersprechen. Nach EyFERTH soll der Rüssel stets vorgestreckt und mit dem Räderorgan zu einem eichel- förmigen Kopfe verschmolzen sein, welche Anschauung nur dadurch zu erklären ist, dass der Autor entweder niemals eine lebende Callidina länger beobachtete, oder das, was er gesehen, unrichtig gedeutet hat. Seine Zeichnungen (Taf. IV, Fig. 29, 30, 34), welche die Diagnose unterstützen sollen, bedeuten leider keinen Fortschritt gegen die 1838 (Taf. LX, Fig. 4) von EHRENBERG Selbst gegebenen Abbildungen (Nr. 68). Außerdem steht Eyrertu durch die Angabe, der Körper sei nie »faltig«, mit EHRENBERG und GiscLioLı in Widerspruch. EHrENBERG hat 1853 (Nr.78) eine Gall. alpium mit 14 Längsfalten am Rücken und 9—40 Querfalten am Bauche be- schrieben und GicLıoLı giebt 1863 an seiner C. parasitica deutliche Längsfalten an und zeichnet sie (Taf. IX, Fig. 4) an dem großen Körpergliede. Außerdem ist die Behauptung von den zweizahnigen Kiefern nur für Call.redivivaEhr. (Nr.68, p-. 500), C. alpium Ehr. (Nr.78, p. 529), C. bidens Gosse (Nr. 104) und C. para- sitica Gigl. (Nr. 99) richtig, da C. constricta Duj. (Nr. 63) sechs, C. elegans Ehr. (Nr. 68) mehr als acht, GC. octodon Ehr. (Nr. 73, p. 380) acht Zähne hat etc. Schließlich würde es zu Irrthümern führen, die Farbe der Callidina als weißlich anzugeben, nachdem’schon seit EHRENBERG (Nr. 78, p. 529) eine Call. scarlatina von scharlachrother und die C.rediviva mit schwach ziegelrother Farbe bekannt ist. Entschieden richtig dagegen ist die Angabe Scuoc#’s über den Rüssel, indem er ihn nicht stets, sondern nur »beim Kriechen« hervortreten lässt, was von einer sorg- Studien über Räderthiere. 413 Demnach sind unsere beiden Räderthiere in die Gattung Calli- dina einzureihen. Zur weiteren Bestimmung der beiden Rotatorien mögen die folgenden Daten dienen. Größeres Thier: Körper aus 16 Segmenten bestehend, davon 2 auf den Rüssel, 40 auf den Rumpf, 4 auf den Fuß entfallen. Die Haut längsgefaltet, Farbe schwach roth, Darm etwas intensiver gefärbt. Zähne: 2 größere in der Mitte des einen, 3 in der Mitte des anderen Kiefers (Formel —) Der dritte Zahn schwächer entwickelt, mitunter undeutlich. Kauapparat bei Streckung des Leibes im sechsten Körpersegmente. Schlundröhre ohne Schlinge. Maximum der Totallänge 0,334 mm. Räderorgan groß, kurz gestielt. Oberlippe eingeschnitten, dadurch 2 Zäpfchen besitzend. Vorletztes Fußglied 2 kurze Zangenglieder, letztes 10 kleine hohle Zäpfchen tragend. Bewegung spannerraupenartig, kriechend, selten schwimmend. In Deutschland und Österreich symbiotisch an Lebermoosen. Kleineres Thier: Körper aus 16 Segmenten; 2 auf den Rüssel, 10 auf den Rumpf, 4 auf den Fuß entfallend. Die Haut längsgefaltet. Farblos, Darm oft mit grünen Algen gefüllt. Zäbne: 5 größere in der Mitte des einen, 6 größere in der Mitte des anderen Kiefers Formel —), Schlundkopf im 7. Körpersegmente. Schlundröhre mit einer Schlinge. Totallänge: 0,24 mm bis 0,192 mm. Räderorgan groß, kurz gestielt. Oberlippe nicht eingeschnitten, also ohne Zäpfchen mit einem medianen Spitzchen. Vorletztes Fußglied 2 kurze Zangenglieder, letztes 10 kleine hohle Zäpfchen tragend. Bewegungen spannerraupenartig, kriechend, selten schwimmend. In Deutschland und Österreich symbiotisch an Lebermoosen. Es tritt nun die Aufgabe heran, die Vergleichung dieser Galli- dinen mit den schon bekannten durchzuführen. Die Speciescharaktere nach EnurenserG beschränken sich auf die Angaben über Farbe und Länge des Körpers, Anzahl der Zähne, Farbe der Eier und hier und da auf Größe des Räderorgans. Dass nach diesen Angaben Bestim- mungen durchzuführen sehr schwer fallen muss, ist sicher. Für das größere unserer Thiere können nach der Zahl der Zähne, aber nur fältigen Beobachtung des Thieres zeugt. Leider ist die Zahl der Zähne in jedem Kie- fer allgemein als »zahlreich« angegeben, was, wie man weiß, nicht bei allen Spe- cies der Fall ist. So viel aber dürfte aus dieser kurzen Betrachtung hervorgehen, dass Eyrert#’s Tabelle bei Bestimmung des Callidina-Genus nicht zum Ziele führen wird, sondern im Gegentheile zu argen Irrthümern Veranlassung geben dürfte, und dass ein Beobachter, der nach beiden besprochenen Diagnosen ein Thier bestimmen wollte, wohl schwerlich in beiden Fällen dasselbe Resultat erreichen würde, Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLIV. Bd. 27 414 Carl Zelinka, unter der Annahme, dass der mitunter nicht so stark entwickelte . dritte Zahn übersehen worden, folgende Species in Betracht kommen: | 4) C. rediviva Ehr. (Nr. 68, p. 500, Nr. 73, p. 380). 2) C. bidens Gosse (Nr. 104, p. 202). 3) C. parasitica Gigl. (Nr. 99). (C. alpium Ehr., welche Längsfalten besitzt, soll zwei excen- trische Zähne haben (Nr. 78, p. 529). Davon ist C. parasitica von vorn herein auszuschließen, da die Anzahl der Segmente keine Über- einstimmung zeigt. Eshat: Gall. parasiticanach GicLioLı’s Angaben am Kopfe 1 Segment »Halse 2 ) » Körper I » »Fuße 6 » a im Ganzen, während unsere Gallidina deren 16 besitzt. Dazu kommt noch, dass die Klebdrüsen bei C. parasitica in zwei zarte Röhrchen münden. C. bidens Gosse ist durch negative Charaktere hinreichend unterschieden. Am auffallendsten ist neben dem Mangel an Farbe die große Länge von !/,," engl. = 0,5 mm. C. rediviva dagegen wird als schwach ziegelroth beschrieben, mit zwei größeren Zähnen in der Mitte jedes Kiefers, soll jedoch nach Enrengerg’s 1848 angegebenen Messungen eine Länge von !/;"” welche — 0,725 mm ist, haben, also mehr als das | Doppelte der Länge unseres Thieres. Dem stände allerdings die Längen- bestimmung des genannten Forschers im Jahre 1840 gegenüber, wo- nach dieselbe nur 1/,"” geschildert, welche Eigenschaft ebenfalls übereinstimmt mit derjeni- gen unserer größeren Thierchen. Dabei ist noch ein Umstand, dessen EHRENBERG erwähnt, von Interesse. Gall. rediviva wurde, wie er an- :giebt, auch an der Erde von »Baummoosen« am Harz und auf den Cedern des Libanon (Nr. 73, p. 380) gefunden. Es wäre ja denkbar, dass der Zufall gerade solche Moose Eurenger« in die Hände spielte, an welchen die Gallidinen symbiotisch leben, und er, der nur den Staub und die Erde an den Wurzelhaaren der Moose im Wasser ausspülte, dann unser größeres Rotator in diesem Wasser auffand. Wir hätten dann die merk- würdige Thatsache, dass ein und dasselbe Räderthier, außer in Deutsch- land und Österreich, auch in Syrien, ja wenn unsere Annahme zutriflt, auch in Amerika im getrockneten Sande des Moctezumaflusses (Nr. 72, —1//” betragen soll. Dies wären etwa 0,43 mm. | Setzt man den Längenunterschied von 0,1 mm zwischen Gallidina rediiviva Ehr. und unserem Räderthiere auf Rechnung etwaiger Ungenauigkeiten der Messung, so könnte man eine Übereinstimmung | der beiderseitigen Längen vermuthen. Das Räderorgan wird als stark Studien über Räderthiere. 415 p. 139) und auf den Charlesinseln (Nr. 74, p. 178) gefunden wurde, wahrscheinlich auch in Australien vorkommt, so dass nur einer der Welttheile leer ausginge. Nicht minder eigenthümlich wäre es dann, dass unsere Räder- thiere nicht nur an den Lebermoosen, sondern auch im’ Sande der Dachrinnen, im Staube der Zimmer (Atmosphärilien EHurEnBerg’s), an den kümmerlichen Erdkrümchen, von welchen sich die Flechten auf den höchsten Spitzen des Berner Oberlandes ernähren, z. B. auf der Weiß- thorspitze und auf dem Gipfel des M. Rosa (Nr. 77, p. 31%) im ewigen Schnee zu finden wären. Leider musste ich wünschenswerthe Angaben über wichtige Eigen- schaften der C. rediviva bei Eurengere vollkommen vermissen. Nach seinen Speciesdiagnosen wird es überhaupt schwer möglich sein, Galli- dinen wieder zu erkennen, wie ja die große Unsicherheit aller späteren Untersucher beweist. Während der Eine (Barrscn Nr. 10, p. 45) C. ele- gansEhr., C. cornuta Perty (Nr. 209, p. 43) und C. constricta Du). vereinen möchte und nur C. bidens Gosse und C. parasitica Gigl. neben C. elegans als eigene Species gelten lässt, spricht der Andere (Eyrerru Nr. 81, p. 78) die Vermuthung aus, es möchten alle die Species generisch von G. elegans nicht verschieden sein, während der Dritte (Gisziorı Nr. 99, p. 238) nur C. elegans und constricta vereinigen und GC. bidens und parasitica davon trennen möchte u. s. f. Es blieb mir nur der einzige Ausweg übrig, die Gallidina re- diviva EuRENBERG’S, von welcher noch dazu keine einzige gute Abbil- dung vorhanden ist (nur in den Abhandlungen der Berliner Akade- mie 1841 findet sich auf Tafel II, Fig. VI, 12 eine höchst mangelhafte Zeichnung von diesem Thiere, bei deren Betrachtung sofort auch deren Unbrauchbarkeit in die Augen springt), durch Autopsie im Original kennen zu lernen und untersuchte desshalb, um sicher zu gehen, Dach- sand, welchen ich aus dem botanischen Garten in Berlin durch die Ge- fälligkeit eines Berliner Freundes erhielt. Es war dies Sand aus eben dem ‚Orte‘, an welchem EnrenserG seine Studien über die Callidina rediviva .anstellte und es war zu vermuthen, dass jene Callidina, welche von EnrengerG als die häufigste in jenem Detritus, »Dachsand« genannt, bezeichnet wurde, wieder gefunden werden musste, wenn auch vielleicht in anderen Zahlenverhältnissen. Es stellte sich nun bei Durehsuchung großer Partien dieses Materiales heraus, dass thatsäch- lich eine zweizähnige röthliche Gallidina den Sand ungemein zahl- reich bevölkerte, so dass deren Häufigkeit eine auffallende genannt ‚werden muss, ‚welches Thier jedoch schon nach der Form der Fuß- zangen So verschieden von unserer Gallidina ist, dass beide niemals 27* 416 Carl Zelinka, unter eine Species subsumirt werden können, wie ich in einer folgen- den Arbeit über die Callidinen noch des Näheren darthun werde. Ich glaube nun, da die Berliner Gallidina den Umständen nach wohl die rediviva EHRENBERGSS sein dürfte und da von unserem Thierchen kein einziges Exemplar im Sande gefunden werden konnte, das letztere Rotator für eine neue Species halten zu müssen und schlage dafür den Namen Callidinasymbiotica.n. sp. vor. Die kleinere Species kann mit keiner der bisher bekannten zu- sammengestellt werden; der im normalen Zustande grüne Darm, die ungleiche Zahl der Zähne (Zahnformel ii die Schlinge des Schlund- rohres und die großen, kurzgestielten Räder sind im Vereine mit der Länge des Körpers von 0,208—0,192 mm und der eigenthümlichen Mündungsart der Klebdrüsen ausreichende Differenzen, um das kleinere Thier als eine noch unbekannte Species zu erkennen. Ich werde sie mit dem Namen CGallidina Leitgebii.n. sp. belegen, da Herr Prof, Dr. H. Leiteeg der eigentliche Entdecker dieser Thiere war. Kap. Ill. Bewegungen. Sowohl das festsitzende als seinen Ort verändernde Thier zeigt leb- hafte Bewegungen. Am festsitzenden Thiere kann man oft ein plötzliches Einziehen des Kopfes und Räderorgans scheinbar ohne alle Veranlassung beob- achten. Das Ausstrecken erfolgt dagegen langsam. Im Kapitel über die Muskeln werden diese verschiedenen Bewegungen auf die verschie- denen Muskelarten zurückgeführt werden. Im Wiederausstrecken sind unsere Räderthiere fast launenhaft zu nennen. Oft strecken sie sich sofort wieder aus, eben so oft aber wartet man vergeblich auf ein Lebenszeichen, sie bleiben kontrahirt und, wenn sie in einer Kappe sitzen, der weiteren Beobachtung unzu- gänglich. Zusatz von frischem, kalten Wasser war das einzige Mittel, durch welches die Thiere aus ihren Wohnungen hervorgelockt werden konnten und auch dies erwies sich in vielen Fällen als unzulänglich. Beim Wiederausstrecken tastet das Thier entweder vorher nach allen Seiten umher, berührt auch wohl sich zurückbiegend die äußere Kappenwand selbst, scheinbar, um sich von der Sicherheit seiner Per- son zu überzeugen und stülpt dann das Räderorgan heraus, oder es beginnt gleich zu rädern, vermuthlich wenn der Hunger die Vorsicht besiegt. Die Bewegung des frei gemachten Thieres ist normal ein spanner- oder blutegelartiges Kriechen bei eingezogenem Räderorgane. Das Thier heftet sich mit dem Fuße mittels des Sekretes der Fußdrüsen a en ee er u - Studien über Räderthiere. 417 fest und tastet nun mit dem Vorderleibe nach allen möglichen Richtun- gen umher, stellt sich auch gerade auf und gelangt so vom Objektträger auf das Deckblättehen. Dabei macht der ganze gestreckte übrige Kör- per entweder alle Bewegungen des Kopfes durch ein Auf- und Abschwin- gen mit, oder er wird abgebogen und das Suchen nach einem Haft- punkte wird zu einem Krümmen und Biegen des ganzen Leibes. Hat das Räderthier endlich eine ihm passende Stelle gefunden, so fixirt es sich mit dem Rüssel dadurch, dass es ihn an die Unterlage anpresst, und reißt seinen Fuß durch Kontraktion und spannerartiges Biegen des Körpers ab und sucht mit dem Fuße nach einem dem Kopfe näher gelegenen Befestigungspunkte. Selten kann man noch eine Bewegungsart sehen, wenn das Thier nämlich sein Räderorgan entfaltet und, sei es durch Einziehen des Fußes, sei es durch starkes Wirbeln, oder beides zugleich, sich von der Unterlage losreißt und ruhig und stetig nach vorn durch seine Räder- bewegung getrieben davon schwimmt. Mit dieser Bewegung ist kein Drehen um die Körperachse verbunden. Die Bewegungen der Gallidina scheinen allen Philodiniden eigen zu sein, wie aus der Beschreibung aller Autoren über Rotifer und Philodina und eben so von Gisuiouz über Gallidina para- sitica hervorgeht. Es mögen nun die Resultate folgen, welche sich aus der anato- mischen Untersuchung ergeben haben, wozu vorauszuschicken ist, dass Gallidina symbiotica mihi vermöge ihrer Größe als das bei Weitem günstigere Objekt ausschließlich benutzt wurde. ‘Wo Beob- achtungen an anderen Callidinen herangezogen werden, wird dies aus- drücklich bemerkt werden. II. Anatomischer Theil. Kap. I. Körperform und Beschaffenheit der Haut. Der Körper bietet je nach seinem Kontraktionszustande sehr ver- schiedene, ja oft auffallende Bilder. Seiner ganzen Länge nach gestreckt und mit eingezogenem Räderorgane erscheint das Thierchen in Form einer Spindel, an den beiden Enden verschmälert, von rundem Quer- sehnitte, jedoch nicht überall vom selben Durchmesser (Taf. XXVII, Fig. 30). Von der Seite gesehen möchte man seine Form mit der einer Spannerraupe vergleichen (Taf. XXVIH, Fig. 29). In dieser Stellung ist der Körper durch eine Anzahl von Ringfurchen in hinter einander lie- gende Glieder getheilt, die man »Scheinsegmente« genannt hat, um da- mit das rein Äußerliche dieser Segmentirung anzudeuten. Die Zahl 418 Carl Zelinka, der Scheinsegmente beträgt im Ganzen 16, wovon 2 auf den sog. Rüssel, 10 auf den eigentlichen Körper, welchen ich Rumpf nenne, und k auf den Fuß sich vertheilen. Diese Benennung-gedenke ich so dureh- zuführen, dass demnach das 3. Körperglied das !. Glied des Rumpfes sein wird, während z.B. das 4. Rumpfglied zugleich das 6. Glied des ganzen Körpers ist und so fort (Taf. XXVII, Fig. 29 und 30). An den Furchen sieht man die Haut, welche ohne Unterbrechung von einem Gliede zum anderen zieht, in eine Ringfalte gelegt und diese Ringfalte schiebt sich unter die Haut des nächst hinteren Gliedes, so dass die Haut dieses letzteren von außen nach innen und hinten um- biegt, und dann von innen nach außen und vorn abermals umbiegend, so als Haut des nächst vorderen Gliedes wieder zum Vorschein kommt. Diese Glieder können in einander geschoben werden, nur das 8., 9., 10. der ganzen Länge, also das 6., 7: und 8. des Rumpfes, machen eine Ausnahme, indem dieselben dem kontrahirten Thiere als äußere Hülle dienen. Man hat das durch die oben besprochene Einrichtung ermög- lichte Ineinanderschieben der Fußsegmente ein fernrohrartiges ge- nannt, obwohl dadurch nur ein einfaches Ineinandergleiten von iso- lirten Ringen zu verstehen wäre. Durch das Entfalten des Räderorgans gewinnt das Thier ein we- sentlich anderes Aussehen; der vorderste Körperabschnitt, von den Autoren als Rüssel bezeichnet, der früher als direkte Fortsetzung des Körpers zu sehen war, kommt dorsal zu liegen (Taf. XXVII, Fig. 20), dafür öffnet das Thier seinen von den Rädern zu beiden Seiten um- stellten Mund, und büßt dadurch, dass es den Fuß zum großen Theile einzieht und das 7.,8.,9. und 10. Segment des ganzen Körpers ein wenig in einander schiebt, von seiner Länge etwas ein. Die Einbube beträgt 1/, der Länge, wobei die Glieder, namentlich das 9. und 10. des Körpers resp. 7. und 8. des Rumpfes, verbreitert werden, so dass nun der Rumpf wieder in zwei Theile gesondert werden könnte, und zwar in einen schmäleren Hals von 4 Gliedern (der Rüssel ist dabei nicht zu sehen) und den übrig bleibenden Theil des Rumpfes von 6 Gliedern, dessen letzte 2 durch eine tiefe Furche von den vorhergehenden geschieden sind. Zur leichteren Orientirung bezüglich der Glieder am gestreckten Thiere kann man beachten, dass das 3. Glied des Körpers oder das 1. Rumpfglied durch die ventrale Mundöffnung (Taf. XXVII, Fig. 33 o), das 2. Rumpfglied durch einen Rückentaster (Taf. XXVII, Fig. 29 T) und das 4. Rumpfglied durch die Kiefer gekennzeichnet ist (Taf. XXVIH, Fig. 29 X), während das 14. Körper- resp. 9. Rumpfsegment meist eine mit Nahrungsresten angefüllte blasenförmige Erweiterung des Darmes (Taf. XXVII, Fig. 33 dd) besitzt und das 12. Körpersegment | | (2 | 2 | ‚ Studien über Räderthiere. 419 die leicht sichtbare kontraktile Blase aufweist (Taf. XXVIH, Fig. 32 :ob), das vorletzte Körperglied, beziehungsweise 3. Fußglied aber zwei kurze zangenartige Anhänge trägt. Das letzte Körperglied ist selten zu sehen, da es nur bei energischen Kriechbewegungen zu Tage tritt. Eine bizarre Form erhält das Thier bei seiner vollständigen Kontraktion. Eine Unzahl von Falten und Fältchen geben dem annähernd kugeligen Körper ein höchst sonderbares Aussehen, welches bei jeder Verschiebung der Wände und inneren Theile desselben variiren kann. Ich versuchte mehrere solche Zustände zu skizziren und lege die getreuen Zeichnungen in Fig. Ik, 45, 16 Taf. XXVI vor. Oft kann man die Form mit der eines an beiden Seiten zusammen- seschnürten Tabakbeutels vergleichen, an dessen beiden Enden größere Falten zusammenlaufen. Eine kleine Bewegung des Thieres, ein stär- keres Aufblähen durch Verkürzen seiner Länge oder ein minimales Strecken genügt, das Bild zu verändern und an dem einen oder anderen Ende unzählig viele feine Furchen zusammenlaufen zu lassen oder ein Ellipsoid zu bilden, an dessen kleiner Achse als Andeutungen des Vor- der- und Hinterendes Gruben zu sehen sind. Von größerer Bedeutung ist, dass manche dieser Falten am Thiere konstant sind und zu den unveränderlichen Eigenschaften desselben gehören. Längsfalten. Die Haut des Thieres kann in konstante Längs- falten gelegt werden, welche, von unregelmäßig welligem Verlaufe, sich über bestimmte Glieder erstrecken (Taf. XXVII, Fig. 29, 30). Vornehmlich erscheinen diese Falten, wenn der Körper sich streckt, wie dies beim Kriechen und beim Tasten mit dem sogenannten Rüssel stattfindet. Dadurch, dass bei größerer Längsausdehnung im Verhältnis dazu die Breite des Körpers vermindert wird, das heißt, der Durch- messer des annähernd cylindrischen Thieres kleiner wird, muss die Haut längsgefaltet werden. Solche Falten beginnen am 6. Körpergliede und verlaufen bis zum 12.; die ersten 5 (Rüssel und die 3 ersten Rumpfglieder), so wie das 19.—16. Segment besitzen solche nicht. In der Rückenansicht erscheinen 8 derartige Falten zu je 4 auf bei- den Seiten bilaterai angeordnet — die Mittellinie bleibt frei davon —, von welchen die drei äußeren (Taf. XXVII, Fig. 30 dF,, dF,, dF,) bis in die Mitte des 6. Körpergliedes laufen und am 11. aufhören, während die beiden mittleren erst am 7. beginnen (Taf. XXVII, Fig. 30 dF,), dafür aber bis über das 11. hinaus auf das 12. Glied rei- chen. Auf jeder Seitenfläche des Körpers zeigen sich 8 Längsfalten, wovon die 4 dorsal gelegenen mit den Rückenfalten ident sind, 4 aber 430 Carl Zelinka, der Seitenfläche des Körpers speciell angehören und vom 7. bis zum 44. Glied laufen (Taf. XXVII, Fig. 39 vF, — vF,). Der Bauch ist ganz frei von jeder konstanten Längsfaltenbildung. Im Ganzen wird man also 16 Längsfalten zählen können, welche Rücken und Seitentheile des Körpers markiren. An der Grenze je zweier Segmente, wo der Körper eine leichte Einziehung zeigt, folgt die Falte derselben und macht sie, wenn die Furche selbst verwwänd ist, leichter kenntlich. Die Größe dieser Thierchen ist eine geringe und nur ein geübter Beobachter kann die ausgestreckten Rotatorien mit unbewaffnetem Auge (bei guter Beleuchtung — durch einen Spiegel) als ein weißes Strichelchen erblicken und sicher erkennen. Durch Messungen ergaben sich folgende Grenzwerthe für das ent- wickelte Räderthier: | Länge des vollkommen ausgestreckten Thieres: 0,334—0,244 mm, Breite: 0,0320 mm am Rumpfe, | 0,0208 » » Mundgliede (wenn es die eingestülpten Räder- | organe enthält), f 0,0160 » » sog. Rüssel und am drittvorletzten: Fußgliede. Die Angaben über die Breite entsprechen einer Länge von 0,304 mm. Da demnach die Breite des Rumpfes zu der gesammten Körperlänge sich verhält wie 1:10, ist es leicht, sich eine Vorstellung von der | Rumpfbreite jener Individuen zu machen, welche eine andere Länge besitzen. Das Mundglied hat einen etwas geringeren Durchmesser, der sich wie 1:44,5 zur Länge des Thieres verhält, während der sog. Rüssel und das drittletzte Fußglied nur 1/4, der ganzen Körperlänge in der Breite messen. | Ein kontrahirtes Thier von 0,304 mm Länge ergiebt bei einer so | starken Zusammenziehung, dass ein Ellipsoid entsteht, für diegroße Achse |” 0,089 mm, für die kleine 0,081 mm. Kontrahirt es sich zu einer Kugel, so misst deren Durchmesser 0,085 mm oder mit anderen Worten, der Durchmesser des kontrahirten Thieres ist etwa 3,7 mal so klein als dessen ganze Länge. Die Faltenbildung erlaubt auf eine weiche Beschaffenheit der Haut | | zu schließen; die Haut lässt zwei Schichten unterscheiden, die Cuticula |” und ihre Matrix. Die Gutieula ist nirgends starr oder unbiegsam, son- | | dern folgt jedem Zuge und jedem Drucke, ihre Oberfläche ist ohne | Dornen und sieht im Leben bei schwächeren Vergrößerungen glatt aus, besitzt aber, wie man nach Maceration der Matrix in Wasser beobach- tet, eine feine Körnelung, die sich an den umgebogenen Falten im op- Studien über Räderthiere. 421 tischen Quersehnitte als kleine hügelartige Vorsprünge erweisen und in der Daraufsicht wie sehr kleine dunkle Fleckchen aussehen. Diese - Körnchen stehen eng beisammen und geben damit der Cuticula ein chagrinartiges Aussehen, sind aber an den Rumpfgliedern dichter ge- stellt als an den Hals- und Fußgliedern. Gerade Reihen oder irgend welche andere Liniensysteme der Auf- stellung sind’ nicht nachzuweisen. Die Vertheilung ist eine regellose. Anden Endgliedern des Körpers kommenaufein Quadrat von 0,006 mm Seite etwa 20, an den mittleren Gliedern des Körpers etwa 60 solcher ' Pünktchen. Die Dicke der Cuticula ist 0,0003 mm. Unter der Cuticula erblickt man eine dünne Schicht Plasma mit größeren und kleineren Körnchen versehen und in dieselbe einge- ' streut Zellkerne mit Kernkörperchen (Taf. XXVI, Fig. 6 X) in verschie- denen aber weiten Abständen; Zellgrenzen konnten nie nachgewiesen ' werden, sondern es erschien diese Protoplasmamasse als ein einfaches Stratum, dessen Zellgrenzen verwischt sind und in welchen die Zell- territorien nur durch ihre Centren, die Kerne, ersichtlich gemacht — oder richtiger — erschlossen werden können. Schon am lebenden Objekte sind die Kerne zu sehen, deutlich und schön treten sie auf ‚ Behandlung mit Chromsäure und Färbung mit Alaunkarmin hervor. Die Form derselben ist eine verschiedene, je nach der Lage, in welcher sie sich dem Beschauer zeigen, indem sie die Gestalt einer sehr flachen bikonvexen Linse haben, von der Fläche gesehen rund, im ‘ Querschnitte spindelförmig und in den dazwischen befindlichen Lagen ‚ ellipsoidisch erscheinen. Der Durchmesser der von der Fläche ge- sehenen Kerne beträgt etwa 0,0037 mm. Im optischen Querschnitte erkennt man, dass die Kerne das Plasma ‚ nach innen vorbauchen; man könnte, wie die Botaniker, von einer ‚ Kerntasche reden. Sie liegen der Oberfläche der Haut platt an und ‚geben in Folge dessen in den Falten derselben die oben erwähnten ‚ verschiedenen Bilder. | Dieses flächenhafte Syneytium entspricht dem äußeren Körper- | epithel; es fehlt an keiner Stelle der Haut und ist eben so gut am ‚ Rüssel, wie am Fuße und dem Rumpfe nachweisbar und erzeugt als ‚ Matrix die weiche, glashelle Cuticula. | Die Farbe des normal ernährten Thieres ist ein schwaches Roth- ‚ gelb, das aber nicht in der Haut, sondern in den inneren Theilen seinen ‚ Sitz hat, von welchen der Darm durch eine etwas intensivere Farbe ‚ absticht (Taf. XXVI, Fig. 16 d). Die Haut unserer Callidina zeigt demnach denselben Bau, wie die der übrigen Räderthiere. Über den Verlauf und die Zahl der Falten 422 Carl Zelinka, konnten keine Vergleiche angestellt werden, da bestimmte Angaben | darüber bei anderen Räderthieren mir nicht bekannt wurden. Kap. Il. Muskelsystem. Die große Beweglichkeit des Rotators im Allgemeinen, die Wen- j dungen und oft unglaublichen Stellungen, welche der Körper einzu- | nehmen im Stande ist, weisen auf eine wohl ausgebildete Muskulatur \" hin. Und in der That kann man, sicher allerdings erst nach Tödtung und Konservirung des Thieres in erhärtenden Reagentien, Systeme von Muskeln erkennen, welche man kurz als Hautmuskeln und Leibes- höhlenmuskeln bezeichnen kann. Erstere würden dem Hautmuskel- schlauche der Würmer homolog sein; sie liegen unter der Cuticula in | der Haut und der Plasmaschicht derselben dicht an, während die Leibes- höhlenmuskeln nur an ihren Ursprüngen an der Haut sitzen, in ihrem Verlaufe jedoch die Leibeshöhle nach verschiedenen Richtungen durch- ziehen, um sich an die Organe und Organtheile, welche sie zu bewegen \ haben, anzusetzen. | Hautmuskel. Schon an lebenden Individuen ist es mitunter möglich, eine Anzahl von breiten Querstreifen zu beobachten (Taf. XXVI, Fig. 6 qg), welche — zur Haut gehörig — senkrecht zur Längsrichtung des Thieres verlaufen. Doch gelingt es bei der Lebhaftigkeit und kon- stanten Unruhe der lebenden Objekte nicht, sichere Beobachtungen zu machen. Ein vorzügliches Mittel für diese Muskeln ist die MüLzer- sche Flüssigkeit bei mehrtägiger Einwirkung. Man kann dann zwei Systeme von Hautmuskeln erkennen, wovon die Ringmuskeln die äußere, die Längsmuskeln die innere Schicht darstellen ; jedoch liegen sie ganz dicht über einander, so dass nur sehr genaues Einstellen auf die ver- schiedenen Kontouren die Längsmuskel als unter den Ringmuskeln | liegend erkennen lässt. Beide Systeme liegen unter der Hypodermis | derselben dicht an. Ich zählte 41 Bänder von Ringmuskeln, wovon meist je eines auf | ein Segment des Körpers fällt. Nur das 6. Rumpfsegment zeigt deren zwei. Der Fuß entbehrt der Ringmuskeln (Taf. XXIX, Fig. 34, 35 rm — my). Sie sind im frischen Zustande ganz homogen und an allen | Stellen des Verlaufes gleich breit (Taf. XXVI, Fig. 6 q). Am Bauche sind sie mit Ausnahme der zwei ersten unterbrochen (Taf. XXIX, Fig. 35). Nach Einwirken von Reagentien'wie Mürzer’sche Flüssigkeit. oder wie | von einem Gemisch Chromsäure, Osmiumsäure und Essigsäure, besitzen \ sie ganz charakteristische, von Stelle zu Stelle sich wiederholende Ein- ' ziehungen, während an dazwischen liegenden Punkten die ursprüng- | Studien über Räderthiere. 493 liehe Breite des Bandes erhalten bleibt. Da man an diesen Punkten auch eine feine Linie den Ringmuskel quer durchsetzen sieht, so ge- winnt er damit ein eigenthümliches Aussehen (Taf. XXIX, Fig. 34). Mit homogener Immersion kann man in der Flächenansicht und auch im optischen Querschnitt eine Zusammensetzung der Ringmuskeln aus feinen Fibrillen nachweisen (Taf. XXVI, Fig. 5 f), die in einer einzigen Lage angeordnet das ganze Band formiren. An den die breiten Stellen quer durchziehenden Linien werden diese Primitivfibrillen etwas stär- ker und enden daselbst mit Verdiekungen (Taf. XXVI, Fig. 5 v); jenseits der Linie fangen andere Fibrillen mit gleichen Verdiekungen an, so dass ein Ringmuskel also aus mehreren gleichen Theilen zusammengesetzt erscheint, welche an diesen Querlinien an einander stoßen. Ob diese Zusammensetzung der Entstehung des Muskels aus eben so vielen ein- zelnen Zellen, oder ob diese Abtrennung in mehrere Portionen einer nachherigen Differenzirung entspricht, kann ich nicht entscheiden, da ich weder Muskelkörperchen noch ändere Andeutungen über die zellige Natur dieser Muskeln gefunden habe. Messungen und Vergleichungen mit frischen Muskeln zeigen, dass die breiten Stellen die ursprüngliche Größe der Muskeln angeben, die Verschmälerungen also nur durch Zusammenschnurren der Fibrillen in der Konservirungsflüssigkeit zu erklären sind, die an ihren Inser- tionspunkten dieser Einwirkung nicht Folge leisten konnten. Dieses Zusammenschnurren der Fibrillen tritt auch an todten, in Zersetzung übergehenden Thieren auf. Im optischen Querschnitte erweisen sich die breiten Stellen als bedeutend dicker, als die zwischenliegenden schmäleren Theile. Viel- leicht finden die Verdiekungen des Querschnittes zugleich mit der an der Fläche an dieser Stelle durchlaufenden feinen Linie ihre Erklärung in je einer faltenförmigen Erhebung der Cuticula an ihrer Innenfläche, die den Fibrillen des Muskelbandes von Falte zu Falte zu festen An- satzpunkten Gelegenheit bietet. Jedenfalls hat man sich die Ringmuskeln als aus mehreren auf einander folgenden Bandstreifen von Fibrillen bestehend zu denken. Die Breite eines Ringmuskels an einem der großen Körpersegmente beträgt ca. 0,0088 mm, an einem der kleineren Segmente 0,005 mm. Durch die Einziehung büßt das Band an den schmäleren Stellen ein Viertel der Breite ein. An den breiten Ringmuskeln (Taf. XXVI, Fig. 13) konnte ich bei- _ läufig 20 Fibrillen zählen, während die anderen nur etwa 10 aufzu- weisen hatten. Die Längsmuskeln sind ebenfalls breite Bänder von Fibrillen (Taf. 424 Carl Zelinka, oder an einer Verbreiterung gelagerte Zellkerne findet. Die Längsmuskeln kann man in solche des Rückens und des Bau- | ches scheiden. Die bei Weitem stärkeren Muskeln besitzt der Bauch, woselbst symmetrisch angeordnet auf jeder Seite 5 Streifen zu finden | sind, während der Rücken nur ein Paar besitzt. Wenn man die Medianlinie des Körpers als Symmetrale der Längs- muskeln zur leichteren Orientirung festhält, so reicht das ihr auf der ventralen Seite zunächst liegende ziemlich breite Paar der Bauchmuskeln (Taf. XXIX, Fig. 35 Imv,) vom Anfang des 5. bis zu Ende des 7. Rumpf- segmentes!, wo es mit einer Verbreiterung endet. Diese Muskeln | messen in der Querdimension 0,005 mm. Knapp neben ihnen verläuft in einer Breite von 0,0025 mm ein Paar langer Muskeln (lmv;) vom An- fange des 3. bis zum Ende des 7. Gliedes. Dasselbe zeigt die Eigen- thümlichkeit einer Verzweigung (a), indem in der Mitte des 6. Segmen- tes jeder Muskel sich in zwei Bänder gabelig theilt, deren eines in der Richtung des ungetheilten Muskels weiter läuft, deren zweites jedoch XXVI, Fig. 5 !); auch hier kann man nach ihrer Konservirung Einzie- | hungen sehen, wie bei den Ringmuskeln, nur dass sie viel seltener sind \ als bei diesen, und dass man außerdem an ihnen zumeist am Ende | EEE EEE sich davon entfernt und unter dem zuerst beschriebenen Muskel durch- gehend auf dessen mediane Seite gelangt und nun von Allen der Me- dianlinie zunächst liegend parallel der Längsrichtung hinzieht. Nach außen von diesen liegt das dritte Paar (lmv;) in einer Aus- dehnung vom Anfange des 4. bis zum Ende des 7. Segmentes, welches gleich den Ringmuskeln eine Einziehung zeigt. Das Gleiche beobachtet man am 4. Paare der Bauchmuskeln (Imv,), das sich am 5., 6., 7. und 8. Segmente findet. Die Enden des 3. und 4. Paares kreuzen sich im 7. Gliede. Nun erübrigen noch ein Paar von kurzen, aber sehr breiten Längs- muskeln, die zu äußerst von Allen liegen und dem 7., 8. und 9. Gliede des Leibes angehören, indem sie von der Mitte des ersten zum Ende des letzten ziehen (lmv;). Am Rücken verlaufen nur zwei Bänder in einiger Entfernung von der Medianlinie und erstrecken sich vom 4. bis zum letzten Rumpfgliede (Fig. 34 Imd). Verbreiterungen erscheinen sammt den Insertionspunkten fünf an derZahl mit den entsprechenden vier Ein- ziehungen. In der Mitte der Verbreiterungen fällt eben so, wie an den Ringmuskeln zu sehen war, eine feine Linie in die Augen, so dass wir auch die Längsmuskeln als aus einzelnen hinter einander liegenden Par- tien bestehend bezeichnen können. Da diese Längsmuskeln der Haut 1 Da hier nur die Muskulatur des Rumpfes zur Sprache kommen soll, ist die Numerirung der Segmente mit Ausschluss des Rüssels zu verstehen. Studien über Räderthiere. 425 Zellkerne besitzen, und jeder Muskel, wenn überhaupt ein Kern gesehen werden konnte, nur ein einziges Körperchen aufwies, so ist es wohl gestattet, auf eine nachträgliche Differenzirung einer Muskelzelle in mehrere hinter einander liegende Theile zu schließen. Die kontraktile Substanz jeder Zelle hat sich dann außerdem in feine Fibrillen ge- spalten. Vielleicht sind auch die Ringmuskeln auf diese Weise als aus je einer Zelle hervorgegangene Bänder zu erklären, deren Theilung in Portionen und Spaltung in Fibrillen nachträglich eingetreten ist. Leibeshöhlenmuskel. Unter diesen hat man solche zu unter- scheiden, welche nur einzelne Segmente der Haut gegen einander zu bewegen haben und solche, deren Aufgabe es ist, innere Theile zu ver- schieben. (Die Leibeshöhlenmuskeln im Rüssel und im Räderorgane werden in den diesbezüglichen Kapiteln ihre Besprechung finden.) Der ersterwähnten Aufgabe dient im Rumpfe ein bilaterales Paar, an den Seitenflächen, aber mehr gegen den Rücken zu gelegen, deren Ansatzpunkte im I. und 2. Gliede liegen (Taf. XX VIII, Fig.32 rr; Taf. XXIX, Fig. 38 rr). Sie beginnen am Anfange des 1. Gliedes dort, wo der Rüssel aufhört und legen sich mit ihrem anderen Ende an die Haut desjenigen Segmentes an, welches durch den Rückentaster ausgezeichnet ist, und zwar an dessen hintere Grenze. Sie haben die Basis des Rüssels einzu- ziehen. Das nächstfolgende 3. Segment weist die Insertionen eines Paares auf, welches an der Seite des Körpers liegt und durch seine Länge auffällt, da es bis an das 7. Segment reicht, wo es sich an der ventralen Seite festheftet (Taf. XXVII, Fig. 32 rc); seine Aufgabe ist, das Einziehen des Vorderendes des Körpers zu bewirken. Derselben Funktion dienen auch zwei ganz den Seitenflächen angehörige vom 4. bis zur Mitte des 6. Gliedes ziehende Fasern (Fig. 32 m!). Die zur Bewegung innerer Theile dienenden Muskeln sind ebenfalls sämmtlich paarig geordnet, die stärksten darunter und überhaupt unter allen Leibeshöhlenmuskeln haben die Aufgabe, den Kauapparat zurück- zuziehen (Fig. 31 und 32 rph). Sie entspringen an der Haut des 9. Gliedes, an der Bauchseite desselben und verlaufen unter starker Kon- vergenz gegen den Pharynx, wo sie sich an dessen ventraler Ober- fläche zu einem breiten massigen Ansatze vereinigen. Zur Fixirung des Schlundrohres, so wie zum Vorziehen desselben beim Ausstrecken des Körpers sind zwei Muskeln vorhanden und entspringen an der Haut des 3. Gliedes, um an die Wand der Schlundröhre zu ziehen und sich daselbst anzusetzen. Ihre Richtung ist je nach der momentanen Lage des Schlundes verschieden, meist jedoch nach hinten abwärts geneigt (Fig. 32 und 37 mph). Alle übrigen Muskeln besorgen das Zurückziehen und Fixiren des 426 Carl Zelinka, Enddarmes und des Fußes und theilen sich in zwei wohlgetrennte Grup- pen, unter denen 3 Paare dem Enddarme, 3 Paare dem Fuße zugehören. | Während die Ersteren alle an der Haut des 9. Segmentes ent- | springen und zwar 2 Paare dorsal (Fig. 32 im, mm), das 3. ganz und gar seitlich (am) und alle 3 an den Seiten der blasenartigen Erweiterung | (bd) des Enddarmes sich inseriren, ist der Ursprungsort der Fußmuskeln | ein verschiedener, indem 2 Paare von der ventralen Seite des 8. Ringes (Taf. XX VIII, Fig. 31 u. 32; Taf. XXIX, Fig. 41 mp, Ip) abgehen und nur ein Paar dorsal zu finden ist, welches von der Rückenhaut des 10. Seg- mentes zur Rückenseite des im Fuße gelegenen Organs zieht (dp). Alle Leibeshöhlenmuskeln sind von den Hautmuskeln außer ihrer specifischen Lagebeziehung zur Haut und den Organen noch durch die histologische Struktur geschieden. Keiner der Muskeln, welche die Leibeshöhle durchsetzen, gleicht in seinem Baue denen der Haut, keiner | zerfällt in Fibrillen oder zeigt eine Zusammensetzung aus hintereinander liegenden Stücken, sondern sie alle bestehen aus je einer einzigen Zelle und sind mit den Attributen der glatten Muskeln versehen. Der gewaltigste derselben ist der erwähnte Rückzieher des Kau- | apparates (Retraetor pharyngis). Er besteht aus zwei differenten Theilen, einer dünnen Achse und einer Rindensubstanz; die Achse ist fein granu- lirt, die Rinde homogen, glashell. An einer Stelle und zwar fast bei allen | diesen Muskeln tritt. in der Mitte die fein granulirte Masse an die Ober- fläche und hier sitzt in Verbindung damit das Muskelkörperchen, ein | Plasmaklümpehen mit einem deutlichen Kern. Das Muskelkörperchen ist breiter als die Faser im ausgestreckten Zustande (Taf. XXIX, Fig. 44 | mp, ip), an Flächenbildern scheint daher der Kern die Faser nach beiden Seiten auszubauchen, bei geringer Drehung des Objektes aber stellt man leicht seinen Irrthum dahin richtig, dass dieser Protoplasmakörper | dem Muskel seitlich und zwar in dieser Lage unsymmetrisch ansitzt. | Man wird demnach die helle Rinde für die kontraktile Substanz, die | Achse zugleich mit dem Muskelkörperchen als den Rest der ursprüng- lichen zur Bildung verwendeten Zelle zu halten haben. Die Leibeshöhlenmuskeln von Gallidina würden der Lagerung der j plasmatischen Achse nach also ein Stadium der Entwicklung vorstellen, | etwa dem entsprechend, welches die quergestreiften Muskelfasern der | Wirbelthiere zu durchlaufen haben zu jener Zeit, wo sich die kontraktile quergestreifte Substanz von der Oberfläche gegen die Tiefe abzulagern beginnt, also ein kontraktiler Mantel und eine plasmatische Achse vor- z handen ist, nur dass eine Querstreifung hier nicht eintritt. Querstreifung kann man überhaupt niemals, bei keiner Art von Muskeln beobachten. — Studien über Räderthiere. 427 Bei Callidina ist nach alledem ein Hautmuskelschlauch vorhan- den, der allerdings das Aussehen eines sehr grobmaschigen Netzes hat, mit ungleicher dorsaler und ventraler Ausbildung der Maschen. Diesem Hautmuskelschlauch liegt es ob, die kriechende und tastende Bewegung des Körpers auszuführen, das Erweitern und Verengern des Körper- lumens und damit das Strecken des Körpers zu vermitteln. Trotz der Weichheit der Haut kann durch den Kontraktionszustand in den Ring- und Längsmuskeln und den Druck auf die in der Leibeshöhle einge- schlossene Flüssigkeit eine gewisse Starrheit der Leibeswand hervor- gebracht werden, welche dabei feste Stützpunkte für die Bewegung der inneren Organe, das Einziehen des Fußes und des Vorderendes abgiebt. Der Ringmuskelwirkung hat die Haut auch ihre Längsfalten zu verdanken. Ihre Energie ist gegen die der Leibeshöhlenmuskeln gering, alle durch sie ausgeführten Bewegungen sind langsam im Vergleiche mit den anderen Muskeln zu nennen. Mit welcher blitzartigen Schnellig- keit geht dagegen das Einziehen des Räderorgans, des vorderen Körper- theiles und Fußes vor sich, welche Bewegungen alle durch die Leibes- höhlenmuskeln geleistet werden. Diese Muskeln zeichnen sich also durch die große Heftigkeit ihrer Bewegungen aus und versehen hier diejenige Stelle, welche bei anderen Rotatorien und anderen wirbel- losen Thieren den quergestreiften Fasern zukommt. Vergleichender Theil. Der Hautmuskelschlauch als solcher ist bisher nicht bekannt gewesen, man begnügte sich, die Anwesenheit von ringförmig und in der Längsrichtung verlaufenden Muskeln zu kon- statiren, ohne die Verschiedenheiten der Hautmuskeln und Leibeshöhlen- muskeln zu erkennen. Die letzten Beobachter von Rotatorien mit Aus- nahme Pıitr's fassen sich darüber besonders kurz. Eexstem (Nr. 67) sagt p. 409, die Muskeln seien in der Leibeshöhle ausgespannt, an der äußeren Körperwand befestigt und verlaufen entweder als Längs- oder . Ringmuskeln. Man sieht also, dass er eben so wenig zur Erkenntnis des wahren Sachverhaltes gelangt ist wie O. Zacnarıas (Nr. 274, p.237), der von den Muskeln bei Rotifer, einem Verwandten der Callidina, nur Folgendes erwähnt: »Was die Muskeln betrifft, so begnüge ich mich damit zu konstatiren, dass Kauapparat und kontraktile Blase besondere Muskeln besitzen, während im Übrigen Längs- und Quermuskeln vor- handen sind.« Die Leibeshöhlenmuskeln stimmen in ihrem Baue mit denen an- derer Räderthiere überein, welche wie sie den Typus der kontraktilen Faserzelle bewahren. Sie gehören dabei jener Gruppe an, bei welchen die kontraktile Substanz die Peripherie einnimmt, während die Achse 428 Carl Zelinka, aus körnigem Protoplasma besteht. Nur das Verhalten des Kernes ist etwas anders, indem er, namentlich bei kontrahirtem Muskel, nicht in der Achse gelegen ist, wie Prare (Nr. 213, p. 91) allgemein annimmt, sondern dem Muskel seitlich außen ansitzt, natürlich in unmittelbarem Zusammenhang mit der protoplasmatischen Achse. Über den Bau der Callidinen-Ringmuskeln fand ich keine bemer- kenswerthen Angaben. Gieuioui (Nr. 99, p. 240) sagt darüber, dass sie bei Gallidina parasitica Gigl. »sicher nicht quergestreift« sind. Die Ringmuskeln anderer Räderthiere werden gemeinhin als homogen ge- schildert, wie z. B. von Leynıc bei Lacinularia socialis (Nr. 183, p- #55). Mit der von Pıarte (p. 82) beschriebenen Eigenthümlichkeit »der großen platten Längsmuskeln« von Asplanchna, welche darin besteht, dass die kontraktile Substanz mehrere einander parallele und durch etwas Protoplasma von einander getrennte Streifen bildet, wodurch die eine Muskelzelle, in ganzer Länge oder nur theilweise, zu einem Muskel- bündel wird, ohne dass sich ihr Kern vervielfältigt hätte, hat der in dieser Arbeit beschriebene Zerfall von Hautmuskeln in feine dicht neben einander liegende Fibrillen nichts gemein, da besagte Längs- muskeln der Asplanchna der von Pate in Fig. 31 gegebenen Zeich- nung nach zu schließen Leibeshöhlenmuskeln sind, welche vom Hinter- ende durch den Körper zum Räderorgane ziehen. Außerdem ist ein histologischer Unterschied vorhanden, da bei Asplanchna zwischen den Streifen kontraktiler Substanz noch Protoplasma erhalten geblieben ist, welche Eigenschaft den Gallidinenhautmuskeln völlig mangelt. Interessant ist sicher die Angabe Praıre’s, dass die Ringmuskeln bei Asplancha, woselbst sie einen aus 6—8 Ringen bestehenden »Muskel- kragen« darstellen (zu welchem noch 6 andere in regelmäßigen Inter- vallen von einer Seite der Rückenfläche zur anderen laufende Quer- . muskeln kommen, welche von Stelle zu Stelle an der Hypodermis be- festigt sind), sich auf die Bauchfläche fortsetzen und in der dorsalen Mittellinie unterbrochen sind. Bei Callidina sind die Ringmuskeln im Gegentheile dorsal geschlossen und ventral unterbrochen. Kap. Ill. Räderorgan und Mund. Das auffälligste Organ der Räderthiere ist bei Gallidina schön und deutlich entwickelt. Symmetrisch gebaut, bietet es im thätigen Zustande, von oben gesehen, das Bild zweier glänzender Rädchen, ein Anblick, der den Beobachtern in früheren Zeiten zu vieler Ergötzung des Auges gedient haben mag. Das Räderorgan steht in so inniger Ver- bindung mit der Mundöffnung, dass es nothwendig ist, dieselben zu- Studien über Räderthiere. 429 sammen abzuhandeln. Aus dem weit geöffneten Munde ragen an den Seiten und zwar mehr dorsal gerückt eylindrische Stiele hervor, etwa eben so lang als breit, auf welchen die die großen Wimpern tragenden Theile aufgesetzt sind (Taf. XXIX, Fig. 39 und Taf. XXVII, Fig. 19). Ein solcher hat etwa die Form einer Halbkugel, ist mit dem sphärischen Theile an dem Stiele angewachsen und zeigt die ebene Fläche frei dem Beschauer. Man darf sich diese Halbkugel nicht centrirt dem Stiele aufgesetzt denken, sondern schief gegen die Medianebene des Thieres damit verbunden, so dass die ebenen Flächen beider Halbkugeln sich einander zu kehren, wie etwa die Felle von ein Paar schief zu ein- ander gestellter Pauken. Die Lage des Räderorgans zur Längsrichtung .des Körpers wird klar durch die Angabe, dass die Stiele parallel der Längsachse, die wimpertragenden Halbkugeln daher quer zum Körper selbst stehen. Man wird die beste Daraufsicht auf die ebenen Flächen der Halbkugeln erzielen, wenn man das Thier vertikal stellt und nun auf dieses hinab- blickt. Dann zeigen beide Wimperscheiben eine annähernd kreisrunde Peripherie mit einem Durchmesser von 0,013 mm (Taf. XXVII, Bio. 27: ro). In dieser Lage befindet sich der Mund, wenn man die Bezeichnung ventral und dorsal wie am kriechenden Thiere beibehält, an der Bauch- seite und zum Theile zwischen den Rädern, während am Rücken der eingezogene Rüssel (r) und unter ihm hervorragend der Rückentaster in die Augen fällt. In der Mitte jeder bisher des Vergleiches mit Halbkugeln wegen eben genannten Fläche erhebt sich ein wenig vorspringender Hügel (Fig. 19 und 20). An dem sphärischen Theile der Halbkugeln verläuft eine seichte Einkerbung (Taf. XXVII, Fig. 19; Taf. XXIX, Fig.39 F), welche, median und ventralseits fast schon am Stiele beginnend, Anfangs parallel zum Rande der Halbkugel verläuft. Hierauf nähert sie sich auf der dem Rücken des Thieres zugewendeten Seite dem Rande der Halbkugel immer mehr und mehr und gelangt schließlich in ihrem Verlaufe ganz auf die als eben bezeichnete, mit dem Hügel versehene Fläche, auf der sie sich bald verliert. In eben dieser Einkerbung und von da an aufwärts sind die starken, die Erscheinung eines Rades hervorbringenden Wimpern von 0,017 mm Länge inserirt (Fig. 39, Rw) und zwar stehen sie sehr dieht und in großer Zahl neben einander und auch über einander, so dass man über ihre Menge und ihre geringe Dicke erstaunt ist, wenn man die Anzahl der Wimpern eines frisch getödteten Thieres mit den wenigen, wenigstens A0mal so breiten Speichen des laufenden Rades Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLIV. Bd. 28 430 Carl Zelinka, am lebenden Objekte vergleicht. Sie bilden in ihrer Gesammtheit den ersten oder oberen Wimperkranz. Diese Radwimpern sind in der Ruhe ganz bestimmt geformt. An ihrer Basis parallel zur Längsachse des Thieres aufgerichtet, krümmen sie sich schon im ersten Drittel ihrer Länge im Bogen nach abwärts, so dass rings um jede Halbkugel des Räderorgans die glänzenden Wim- pern in dichter Anordnung in eben solchen Bogen herabhängen, wie etwa die Haare eines Pferdeschweifes (Taf. XXIX Fig. 36 und 39 Rw). Gegen die einander zugekehrten Seiten der Halbkugeln nehmen die Radwimpern an Länge ab, auch ist ihre Biegung nach abwärts viel näher an ihrer Insertion gelegen; der Grund dieser Einrichtung ist wohl darin zu suchen, dass sie, wären sie eben so lang wie die Wimpern an der äußeren Peripherie des Räderorgans, nicht nur den einge- zogenen Rüssel und die Oberlippe im Schlage treffen, sondern sich auch mit den Wimpern der gegenüber liegenden Seite verwickeln könnten. In der Mediane ist der Wimperbesatz ganz unterbrochen, daher kein vollständig geschlossenes Rad erzeugt werden kann. Andere als die oben beschriebenen gebogenen Radwimpern findet man nicht, und man wird vergebens nach den glänzenden breiten Rad- speichen suchen. Die oberen Flächen der Halbkugeln sind von Wimperhaaren frei. Der Stiel jedoch ist von der Insertionsfurche abwärts mit vielen kleinen zarten Flimmern bedeckt, welche sich in das Flimmerkleid der Mund- höhle verlieren. Der Mund ist groß und weit, bei ausgestrecktem Räderorgane fast wie der ganze Querschnitt des Thieres (Taf. XXVII, Fig. 25 o), als ob er die Öffnung eines weiten Sackes wäre. Der Rand ist aufgewulstet wie eine Lippe und läuft rings um den Mund, am Rücken allerdings in modifieirter Form. Die zwei Stiele des Räderorgans sind von der Lippe an ihrer derselben zugewendeten Außenseite durch eine Furche ge- trennt, unterhalb welcher sie sich in die Mundhöhlenwand verlieren. Sieht man auf das vertikal stehende Thier hinab (und also gerade in den Mund hinein), dann beobachtet man, dass die Öffnung nicht rund ist, sondern die Form eines Rechteckes hat, dessen Seiten aber nach innen gekrümmt sind (Fig. 25). Der Lippenwulst der ventralen Seite, den ich Unterlippe nenne (Fig. 20, 27, 39 ul), zeigt konstant zwei Ein- kerbungen, durch welche drei Lappen entstehen, ein medianerund zwei an ihn seitlich anschließende. Der mediane Lappen erhält durch eine Vorziehung seiner Mitte noch einen scheinbaren Einschnitt, der jedoch nur der augenblicklichen Faltung des Medianrandes seine Entstehung verdankt. Außerdem können nach den seitlichen Einkerbungen noch Studien über Räderthiere. 431 zwei folgen (Fig. 25 s), welche aber nieht konstant zu trefien sind. Bei Betrachtung des Thieres von der Seite fällt uns auf, dass die Mundhöhle sich nach ihrer Öffnung hin erweitert, indem sie nach der ventralen Seite allmählich sich herausbaucht, so dass der Lippenwulst am wei- testen vor dem Körper vorsteht (Fig. 20 und 36 ul). Die rings um den Mund und das darin stehende Räderorgan herumliegende Lippe bietet am Rücken ein anderes Bild als ventral, indem sie daselbst zwei solide symmetrisch stehende Zäpfchen trägt (Fig. 27, 36, 39*z), welche mit breiterer Basis aufsitzend zugespitzt enden, mitunter so, dass die Spitzen mit einer leichten Krümmung sich einander zuneigen und sich berühren. Zwischen beiden entsteht dadurch ein Hohlraum von der Form eines an einem Pole sehr spitzen Eies. Manchmal weichen sie auch an der Basis aus einander und lassen dann daselbst ein Dreieck frei. In anderen Fällen divergiren die Spitzen. - Ich möchte diese dorsale Region der Lippe zum Unterschied von der ventralen Unterlippe als Oberlippe bezeichnen. Eine eigene Funktion für diese Zäpfchen habe ich nicht gefunden. Diese Zäpfchen der Oberlippe helfen jedoch nicht die Mundhöhle dorsal begrenzen, sondern vor ihnen spannt sich zwischen beiden Stielen die Mundhaut, welche von unten in der Höhle herauf zur Ober- fläche zieht, so aus, dass hier am Rücken die Stiele durch eine schmale Brücke vereinigt erscheinen, und die Mundhöhle sich noch unter die- selbe dorsal hinein erstreckt. Die Mundwände sind lateral zu je einem Polster verdickt, welche zwei Polster (Fig. 19, 36, 39 wp) auf die Seiten- wände beschränkt sind und am Mundrande am stärksten vorspringen, ‘nach unten und hinten aber allmählich in die Mundhaut verlaufen (Fig. 36 wp, &, y). Ferner sind sie gegen den medianen Lappen der Unter- lippe schärfer abgesetzt, als gegen den an den Stielen vorübergehenden Theil derselben. Die Anordnung der Flimmerhaare im Munde ist eine bestimmte, in so fern als auf diesen polsterartigen Erhebungen stärkere, steife Wimpern sitzen, die, wenn man das Thier von der Bauchseite ansieht, im optischen Längsschnitte in der Ruhe reihenweise wie starre Bürstenhaare dastehen. Die übrige Mundhöhle ist mit zarteren Flim- mern bedeckt (Fig. 39). Die Flimmerung reicht ventral nur bis zum inneren Lippenrande, an den Seiten des Mundes jedoch steigt sie über denselben hinauf, an den Stielen des Räderorgans empor und grenzt ringsum an die Ein- kerbungen der Halbkugeln. An der dorsalen Wand des Mundes ist die Flimmerung auf die Innenfläche der Mundhöhle beschränkt, so dass an der Außenfläche der 23* 432 Carl Zelinka, erwähnten, die Stiele verbindenden Brücke keine Haare zu finden sind, wie überhaupt auch die ganze Oberlippe mit ihren zwei Zäpfchen voll- kommen frei davon ist. Der an den Stielen des Räderorgans vorbei- ziehende und von ihnen durch eine Furche getrennte Lippenwulst ist daselbst mit kurzen stärkeren Wimpern besetzt, deren Krümmung gegen den Mund hin sehr bemerkenswerth ist (Fig. 36, 39 I]). Sie ver- lieren sich gegen die Oberlippe hin allmählich ganz, indem sie immer kleiner und zarter werden; am kräftigsten sind sie am Munde selbst und gehen in die Wimperbekleidung desselben über. Diese Wimpern bilden den sogenannten unteren oder zweiten Wimperkranz der Autoren!. Die Mundhöhle verengt sich bis in den Anfang des 5. Rumpfseg- mentes, — des 3. vom Mundsegmente gezählt, — sehr wenig, von dort ab jedoch wird sie ventral betrachtet zu einem engen Kanale, der bei normaler Haltung gerade, ohne Biegung zum Schlundkopfe führt, bei der Wendung des Vorderleibes dagegen manche Krümmung erfährt ‚Taf. XXVII, Fig. 19). Diese Schlund- oder Pharyngealröhre, die ich im Ge- gensatze zur Mundhöhle so nenne, ist von der letzteren scharf abgesetzt, bei einiger Kontraktion der Halsregion springt ihr oberer Theil oft hügelartig in die Mundhöhle vor; sie ist aber nicht eylindrisch, sondern ein lateral zusammengedrückter Spalt, vom Rücken oder Bauche gesehen daher schmal, von der Seite aber weit und von einem Durchmesser, welcher der Länge der Kiefer sich annähert (Taf. XXIX, Fig. 36 phr). Die ganze Innenwand ist mit dicht stehenden, weichen Flimmern be- deckt, welche gegen die Kiefer hin schlagen und dadurch lange, nach hinten hin gleitende Wellen erzeugen, an welchen sich sogar die weichen Wände der Röhre in Folge der mechanischen Rückwirkung der durch die Bewegung der auf ihnen sitzenden Flimmerhaare bewirkten Gleich- gewichtsveränderung betheiligen. Je nach Fortschreiten der wellen- artigen Cilienbewegung im Inneren der Röhre schwankt jedes Wand- theilchen, das die Basis einer Gilie bildet, um seine Gleichgewichtslage und erzeugt so im Vereine mit den übrigen Wandtheilchen eine Welle als Abbild der in der Röhre verlaufenden. Soll ein Körper, der bereits in der Schlundröhre hinabgleitet, dar- aus entfernt und in den Mund zurückbefördert werden, so kehren sich alle Wimpern der Schlundröhre um und schlagen gegen den Mund zu, wobei ein Theil derselben als weicher, dichter Schopf in die Mundhöhle 1 Gusıtt (Nr. 47) nannte ihn Cingulum, während er den oberen Kranz mit Trochus bezeichnete. Da die vordem gebräuchlichen Namen, oberer und unterer Wimperkranz, vollkommen klar und ausreichend sind, werde ich denselben als den althergebrachten den Vorzug gehen. Studien über Räderthiere. 435 ‚vorragt, was den Eindruck macht, als ob die Schlundröhre in den Mund sich umgestülpt hätte. Über den Bau dieser Organe wäre zu bemerken, dass die Körper- haut an dem Lippenrande kontinuirlich in den Wulst der Ober- und Unterlippe übergeht, welche durch einen dicken Hypodermisring ge- bildet werden, in dem eine Anzahl mit Kernkörperchen versehener Zellkerne in einiger Entfernung von einander angeordnet sind. Die Zäpfehen der Oberlippe sind aus je einer Zelle gebildet, wenigstens konnte ich nur je einen Zellkern darin nachweisen. Ich vermuthe, dass in diesem Lippenwulste ein darin gelagerter Hautmuskel sich wird auffinden lassen, der die Schließung des Mundes zu besorgen hat. In den halbkugeligen Theilen des Räderorgans ist die Hypodermis besonders verdickt, so dass sie von der Ebene jeder Halbkugel in Form eines zipfeligen Lappens in den Stiel herabhängt und sogar noch in die Leibeshöhle hineinreicht, wo sie zu beiden Seiten des Schlundes zu liegen kommt (Taf. XXVII, Fig. 31, 32, 33 zi; Taf. XXIX, Fig. 36, 37, 38zi). Bei dem Ein- und Ausstülpen des Räderorgans, so wie bei den Kriechbewegungen des Thieres gleiten dann diese Plasmazipfel an den Seiten des Schlundes auf und ab. Oben an den ebenen Flächen der Räderorgane gehen diese Zipfel unmittelbar in den Hypodermisbelag über, welcher die übrigen Theile des Räderorgans in sehr dünner Schicht überzieht. Das Plasma dieser frei herabhängenden, allmählich verjüngt endigenden Lappen ist stark granulirt und von vielen rund- lichen Kernen durchsetzt, ohne dass man Zellgrenzen nachweisen könnte, bewahrt also wie die übrige Hypodermis die Eigenschaft eines Zellsyneytiums. Durch Erhärtungsmittel, wie ‚Chromsäure, Mürzer’sche Flüssig- keit etc. schrumpfen die Zipfel so bedeutend, dass sie nur mehr ein Drittel ihrer früheren Dicke haben und demnach den größten Theil des Raumes in den Halbkugeln und in den Stielen des Räderorgans leer lassen. Die Kerne liegen dann sehr nahe an einander gedrängt. Demnach ist das Räderorgan nicht solid, sondern hohl, die Stiele und die sphärischen Flächen der Halbkugeln sind von nur dünner Hypo- dermisschicht ausgekleidet, welche sich aber nach oben immer mehr verdickt, so dass sie von der ebenen Decke des Organs als massiver Zipfel in die Leibeshöhle herabhängt und den Stiel nahezu gänzlich ausfüllt, ohne aber mit dessen Matrix seitlich zusammenzuhängen. Sehr deutlich werden diese Verhältnisse erkannt werden können, wenn nach Tödtung des Thieres eine gewisse Aufblähung des Körpers eingetreten ist, wodurch die Körperhaut von den inneren Organen sich etwas ab- 434 Carl Zelinka, hebt. Die eben besprochenen lokalen Verdickungen der Hypodermis gerade an dieser Stelle sind nur durch die physiologischen Leistungen derselben zu erklären; nur die kolossale Arbeit der Wimpern des Räder- organs, welche diesem Theile der Hypodermis aufsitzen, macht eine so mächtige plasmatische Unterlage nöthig, deren Aufgabe es ist, die Spannkräfte gewärtig der Umsetzung in lebendige Kraft bereit zu halten. | Mit dem später zu besprechenden zelligen Inhalte des Rüssels steht das Plasma der Decke der Halbkugeln durch ein, von den Zipfeln ge- sondertes, dickes Hypodermisband in Verbindung (Taf. XXIX, Fig. 37, 38 hb), welches von der Innenfläche der Ebenen der Halbkugeln jeder- seits im Bogen in den Rüssel zieht und zahlreiche Kerne im stark gra- nulirten Plasma enthält. Von Muskeln für das Räderorgan fand ich an jeder Seite des Kör- pers an der Haut des Rückentastersegmentes je zwei dünne Fasern und an der Basis des Rüssels je eine Faser entspringend, welche gegen die Halbkugel hinziehen und daselbst in die Hypodermis eindringen. Nach- dem sie sich mehrfach gabelig getheilt, strahlen sie gegen die Decke jeder Halbkugel aus und setzen sich daselbst an (Fig. 38 mro!, mro?, mro). Durch ihre Thätigkeit werden nicht nur die Stiele des Räderorgans in den Körper zurückgezogen, sondern auch zugleich die Halbkugeln gegen die Mediane in den Mund gewissermaßen eingeklappt. Die Haut der Ebenen der Halbkugeln wird nämlich trichterförmig und faltig in die Tiefe gezogen, wodurch der Rand jeder Insertionsfurche der Radeilien sich auf einen sehr engen Kreis zusammenzieht und die Insertionen der Radwimpern sehr nahe an einander zu liegen kommen, so dass die letzteren als ein diehtes Büschel emporstehen, welches sich zugleich gerade aufrichtet. Das Räderorgan wird nun vollends in den Mund hineingezogen, wobei die eingestülpten Halbkugein sich bedeutend ein- ander nähern. Die vorher weite Mundöffnung schließt sich dann ganz und von ihr ist nur mehr ein von radiären Fältchen umstandenes Grüb- chen zu sehen (Fig. 35 o). Das Ausstrecken des Räderorgans erfolgt umgekehrt, so dass sich erst der Mund erweitert (Taf. XXVII, Fig. 31), die Wimperschöpfe der Halbkugeln hervorgestreckt werden und dann rasch das ganze Organ herausschlüpft, indem die Theile auf ihr früheres Volumen zurück- kehren, wobei die Halbkugeln sich von einander wieder entfernen. Ist das Räderorgan in Thätigkeit, so tritt mitunter ein leises Zucken der Halbkugeln auf, derart, dass entweder beide sich einander rasch nähern und sich dann wieder entfernen, oder dass eine der Halbkugeln gegen die ruhende zweite hin eine zuckende Bewegung ausführt. Studien über Räderthiere. 435 Die Wand des Schlundes ist von großen, deutlich abgegrenzten Zellen aufgebaut, die an ihrer der Mundhöhle zugewendeten Seite die Flimmern tragen und mit Kernen und Kernkörperchen versehen sind, was nach Behandlung mit Reagentien schön zu Tage tritt (Taf. XXIX, Fig. 36 phr). / Besonderes Interesse erweckt am Räderorgane die Wimperbe- wegung und ihre Wirkung. Wie bei anderen Rotatorien, welche dar- auf hin beobachtet worden sind, ist es auch hier geboten, zweierlei Effekte wohl zu unterscheiden, indem nicht nur die großen Radwimpern ihre eigene Bewegungsart und eine damit verknüpfte Wirkung zeigen, son- dern auch die kleineren Cilien des unteren Kranzes regelmäßige, aber in Art und Erfolg von den großen des oberen Kranzes verschiedene Bewegungen ausführen. Ich werde bei der nun nöthigen theoretischen Betrachtung von direkten einfachen Beobachtungen ausgehen, um durch Hinzufügung einiger neuer Thatsachen zum Schlusse des Kapitels den Beweis zu liefern, dass keine der bisherigen Anschauungen über das Räderorgan nach allen Richtungen befriedigende Aufklärung zu geben im Stande war. Der Effekt der Räder besteht in einem in der Nähe des Thieres heftigen, weiterhin allmählich abnehmenden Wirbel, der sich bis auf nahezu | mm im Umkreise, also die dreifache Länge des Rotators deut- lich bemerkbar macht. | Durch Suspendiren von feinen Körnchen von Karmin oder Indigo in Wasser kann man nach alter Methode denselben leicht kenntlich machen. Stellt man nun das Mikroskop auf die über dem Räderorgane befindlichen Wasserschichten ein, dann sieht man, dass die Körnchen von allen Seiten gleichmäßig herbeiziehen (Taf. XXVII, Fig. 28), je näher dem Thiere desto rascher und dann ringsum in Kurven an den Rädern außen hinabschießen, sich im Bogen vom Thiere entfernen, in kreis- förmiger oder elliptischer Bewegung wieder aufsteigen und entweder wieder vor den Rädern hinabgleiten oder von Wimpern erfasst, ihrem Ziele zugeführt werden (Fig. 19). Dadurch, dass dieser Vorgang auf allen Seiten um das Vorderende des Thieres erfolgt, entsteht ein Wir- bel, der von der Form eines Ringes um den Kopf herum liegt und sich in die Umgegend allmählich verliert. Die Achse dieses Ringwirbels steht etwas schief zur Längsachse des gestreckten Thieres, bildet mit ihr einen spitzen Winkel und würde zwischen den Rädern hindurch direkt auf die ventraleMundwand unter- halb der Unterlippe treffen (Fig. 20). Stellt man das Mikroskop auf die Räder selbst von irgend einer Seite ein, dann wird natürlich ein optischer Querschnitt des Ringwir- 436 Car! Zelinka, trale verkehrt, wie auf der anderen. Von der Bauchseite gesehen bewegen sich die Körnchen links vom Thiere im Sinne des Uhrzeigers, rechts entgegengesetzt (Fig. 19). Von der Seite betrachtet bewegt sich der Strudel ventral, wenn man den Körper so dreht, dass die Bauchseite linker Hand liegt, ebenfalls im Sinne des Uhrzeigers, dorsalwärts entgegen dem Zeiger (Fig. 20). In den beiderseitigen Centren des Wirbels (Fig. 19, 20 00) ist die Bewegung der Körnchen nur eine langsam wälzende. Vom Rücken aus gesehen muss sich das entgegengesetzte Bild als am Bauche zeigen und in der That kreist rechts das Wasser entgegen dem Zeiger, links im Sinne des Zeigers. Die Bewegung der glänzenden, dicken Speichen des Räderorgans läuft an beiden Rädern, wenn man sie von oben betrachtet, im gleichen Sinne, also unsymmetrisch, bei beiden entgegen dem Uhrzeiger. Die Drehachse jedes der beiden Rädchen geht durch den Mittelpunkt der betreffenden Halbkugel und kann als parallel zur Hauptachse des Thie- res angesehen werden. Kurz nach dem Ausstülpen langsam, wird die Bewegung der Spei- chen rascher, bis eine gewisse Schnelligkeit erreicht ist, die jedoch | nicht immer gleich bleibt; oft scheint eine ruckweise Beschleunigung der ganzen Raddrehung einzutreten, wobei sie aber jederzeit den Ein- druck einer unwillkürlichen Bewegung macht, indem sie ohne Unter- brechung so lange, als das Räderorgan ausgestreckt ist, dauert. Bei | aufmerksamer Betrachtung glaubt man sehen zu können, dass mehrere feine Wimpern zusammen oder vielmehr kurz nach einander eine von | ihrer Basis zur Spitze laufende, neigende Bewegung gegen die nächsten in der Furche nebenstehenden Wimpern ausführen. Diese neigende Bewegung scheint sich aber allmählich auf die nächsten Wimpern fortzusetzen, und zwar so, als führten sie ihre Be- wegung ungemein rasch nach einander im Sinne der Radbewegung fortschreitend aus, so dass ein kontinuirlicher Wellenzug um das Rad läuft, welcher, wenn wir uns streng an den oberflächlichen Augenschein | halten, als breite Wimpern oder Speichen an der Peripherie fortzurücken scheint, wobei die Speichen gekrümmt mit der Spitze nach rück wärts sehen. Am klarsten wird das Bild der sich drehenden Rädchen dem Be- schauer, wenn er auf das vertikal sich aufriehtende Thier hinabsieht und auf das Räderorgan von oben in der Richtung der Körperhaupt- achse blickt; bei jeder Neigung und Wendung des Vorderendes aber N I; D I) H 1% = 4 mn m m mn m - = = EEEREEE Es . Studien über Räderthiere. 437 werden die glänzenden Rädchen undeutlicher und lösen sich, je mehr das Räderorgan von der Seite sichtbar wird, in ein Gewirre von schlagenden Wimpern auf. Es ist selbstverständlich, dass von der Existenz der Speichen und ihrem Fortrücken keine Rede sein kann. Aber nicht nur die Radbewe- gung, sondern auch das erwähnte scheinbare successive Neigen der Ci- lien gegen die Nachbarn, welches man bei schärferem Zusehen zu er- kennen glaubt, ist eine optische Täuschung. Vergleicht man nämlich diese Wellenbewegung mit dem Effekte, welchen das Räderorgan hervor- bringt, das ist mit dem Ringwirbel im Wasser, so ist man überrascht zu finden, dass die Bewegung der Karminkörnchen gerade senkrecht auf der Bewegungsrichtung des Rades steht, während man doch nach den Gesetzen der Mechanik erwarten müsste, dass die Körnchen dem durch den Lauf des Rades erzeugten Wasserstrome im Sinne der Rad- drehung folgen müssten. Die Rädchen drehen sich in Ebenen, welche quer zur Hauptachse des Körpers stehen, die Körnchen strömen aber in Radialebenen, welche man durch die Hauptachse und parallel derselben rings um das Thier legen kann. Da es erlaubt ist, von der Wirkung auf die Ursache zu schließen, so erfordert die Bewegungsrichtung der Karminkörnchen ein Schlagen der Radwimpern in der gleichen Richtung, also entweder centripetal in jedes Rad hinein, oder centrifugal bezüglich jeder Halbkugel, woraus zu folgen hat, dass die um die Halbkugeln herumlaufende Radbewe- gung nur eine scheinbare, eine Begleiterscheinung und nicht die den Wirbel erzeugende sein kann. Die Form des Ringwirbels giebt schon für sich die Lösung der Frage, ob das Schlagen ein centrifugales oder centripetales sei. Das Hinabgleiten der Körnchen vor den Rädern kann nur allein durch das centrifugale Schlagen der Radwimpern hervorgebracht werden. Setzen wir den Fall, die Radwimpern, welche, wie wir wissen, am Medianrande jeder Halbkugel fehlen, schlügen centripetal, so würde allerdings auch ein Herbeiströmen der Körnchen von allen Seiten statt- finden und eben so würden sie auch in Kurven gegen das Räderorgan hinabstürzen, sie müssten aber dann alle in der Achse des Ringwirbels in einem dichten Strome sofort zwischen den beiden Rädern in die Mundhöhle stürzen, kein einziges könnte vor den Rädern hinabgleiten und außerdem würde der Ringwirbel nicht geschlossen sein, sondern es müsste die untere Hälfte desselben fehlen. Diese Voraussetzungen findet man aber in Wirklichkeit nicht erfüllt und so ist man genöthigt, folgerichtig anzunehmen, dass alle Radwimpern in Ebenen, welche als 438 Carl Zelinka, Radialebenen bezüglich des Centrums jeder Halbkugel zu bezeichnen sind, centrifugal schlagende Bewegungen ausführen, welche als Ur- sache des Ringwirbels anzusehen sind. Da die Radwimpern gegen die Medianseite der Halbkugeln an Länge abnehmen und schließlich ganz fehlen, so wird sich nicht um jede Hälfte des Räderorgans ein eigener Wirbel bilden, sondern die Arbeit beider Hälften ihren Ausdruck in der Bildung eines gemein- samen, beide einschließenden Ringwirbels finden. | Eine weitere logische Forderung ist, dass das centrifugale Schlagen rasch und heftig geschehen, das Zurückgehen in die ursprüngliche Lage aber viel langsamer erfolgen muss, indem im anderen Falle die ganze Wirkung der ersteren Bewegung durch die zweite aufgehoben würde. Diese Schlüsse werden durch die Beobachtung vollinhaltlich bestätigt. Setzt man sehr vielKarmin zu, so dass das Wasser dicht davon er- füllt ist, so steigt der Widerstand für die Wimperbewegung beträchtlich, man sieht förmlich die Wimpern mühsam arbeiten, indem zugleich die Bewegung verlangsamt wird. Oft klebt auch noch das eine oder andere Körnchen an, dadurch wird gewissermaßen der Weg, welchen die Wimper beschreibt, ersichtlich gemacht. Schon da gelingt es, das cen- trifugale Schlagen der Wimpern zu konstatiren, wenn gleich die Räder- thiere meist sich zurückzuziehen pflegen, wenn zu viel Karmin im Wasser vertheilt ist. Mit Ruhe kann aber der Vorgang studirt werden, wenn, sei es durch chemische Mittel, sei es durch mechanische Ver- letzungen des Körpers bei ausgestrecktem Räderorgane die Bewegung verlangsamt wird und man sehen kann, wie die Radwimpern nach ein- einander in bestimmtem Wechsel sich heben, centrifugal herabschlagend sich senken und dabei sich ganz abkrümmen. Dasselbe beobachtet man in dem nicht selten eintretenden Falle, dass von beiden Rädern zuerst nur eines herausgestülpt wird, während die Cilien des anderen als ein gerader Schopf aus der Öffnung des Mundes herausragen. Folgt dann dieses Rad nach, so biegen sich die Radwimpern an der oben beschriebenen Stelle nach abwärts und be- sinnen allmählich zu arbeiten. Dies ist dann der Augenblick, in welchem die Bewegung mit dem Auge verfolgt werden kann. Die Cilien gehen aus der tiefsten Lage abgebogen langsam in die Ruhelage hinauf, heben sich aus derselben etwas rascher zum Schlage, wobei die Spitze gekrümmt bleibt, im ersten Drittel aber die Wimper gegen das Centrum des Rades sich so- gar überkrümmt. Die Wimper ist jetzt etwa S-förmig gebogen (Fig. 19 und 20). Bei dem nun folgenden Schlage folgt aber die Spitze nicht wie eine Peit- Studien über Räderthiere. 439 schenschnur dem Zuge, sondern bleibt abgebogen, während im ersten Drittel der Wimper die nach abwärts zeigende Krümmung wieder auftritt und um so stärker wird, je tiefer die Wimper herabkommt. Es geht sonach ein die ganze Länge der Cilie in Anspruch neh- mendes Abbiegen mit dem Herunterschlagen Hand in Hand. Die Rad- wimper ist also nicht starr und wird nicht an ihrer Basis als ein Ganzes auf- und abbewegt, sie ist aber auch nicht weich, wie die Schnur einer Peitsche, sondern jedes Theilchen derselben wird bewegt und betheiligt sich an der Formveränderung derselben. Ein nahe liegender und verständlicher Vergleich der Abwärtsbe- wegung dürfte gemacht werden mit der Abwärtsbewegung eines Fin- gers, der zugleich gekrümmt wird. Bestätigt wurden diese Beobachtungen noch durch eine Callidina anderer Species, welche aus mir nicht bekannten Gründen eine so sehr verlangsamte Wimperbewegung besaß, dass sie wie ein Tagschmetter- ling mit seinen Flügeln stoßweise mit ihren Wimpern schlug, in einem Tempo, welches genau dem Ticken einer Taschenuhr mit Sekunden- zeiger entsprach. Bezeichnender Weise waren an diesem Exemplare keine Speichen zu beobachten, vielmehr schwankten die Cilien von oben gesehen in ihrer Gesammtheit etwa wie eine undulirende Membran auf und nieder. Die Entstehung der glänzenden Speichen kann also erst bei rascherer Bewegung erfolgen. Damit ist der Nachweis geliefert einerseits für das Zusammen- gehen der centrifugalen Bewegung der Cilien als Ursache und dem Ringwirbel als Wirkung, andererseits dafür, dass die Radbewegung mit dem Wirbelselbst nichts zu thun hat. Für die letztere ist als eine Begleiterscheinung die Erklärung darin zu suchen, dass sie durch das langsame Zurückgehen der Wimpern aus der tiefsten Lage hervorgebracht wird. Die herabschlagenden Wimpern können, da ihre Bewegung zu rasch ist, nicht gesehen werden, die langsamer zurückgehenden aber sind im Stande, im Auge einen zum Bewusstsein kommenden Eindruck hervor- zubringen und diese sind es, welche durch ihre Bewegung den Ein- druck der glänzenden weiter rückenden und nach rückwärts sehenden Speichen machen. Ich versuchte dies in dem Schema Fig. 26 darzu- lesen. Dieses Schema zeigt einen Theil einer Halbkugel von oben in einer etwas schiefen Projektion. Die roth bezeichnete Peripherie des Kreises wäre als Umfang der Halbkugel zu betrachten, an welchem die Wimpern inserirt sind. Ä Lassen wir die schlagende Bewegung bei A beginnen: Die Wim- 440 Carl Zelinka, per 4 hat soeben rasch nach abwärts geschlagen und zeigt die stärkste | Krümmung. Der unter der Halbkugel liegende Theil der Cilie ist mit Strichelchen gezeichnet. Die Wimper 2, welche einen Augenblick früher ' ‚daran war, zieht sich bereits langsam abgebogen und in der Projektion schlingenförmig aussehend zurück, die Wimper 3 ist darin schon wei- ter gekommen. Noch weiter in der Rückkehr ist die 4. vorgeschritten und so fort bis zur Wimper 8, welche etwa die Ruhelage angiebt, in welcher die Cilien bei Unthätigkeit verweilen würden. Nun beginnen die Cilien von 9 bis 41 sich rascher nach einander zum Schlage zu he- ben, wodurch ein steiles Abfallen der Kurve stattfindet und von 8° —44’ eine konkave Einbiegung erscheinen muss. Die in der Projektion als die Enden der Wimpern erscheinenden Umbiegungsstellen derselben sind also in einer Wellenlinie angeordnet. Jede Welle zeigt einen konvexen gegen das Ende A gerichteten und einen steil abfallenden, daher konkaven, gegen das Ende G des Halb- kreises O hin sehenden Theil. ' Hält man sich vor Augen, dass die Wimper A,, einen Augenblick später die Stelle von B,, die von A,, die Stelle von A,, einnehmen wird, dass weiter A, einen Augenblick später bis 8’, also in die Lage von A, zurückgeht, während in dieser Zeit A, schon nach 9’ und A, nach 2 und A, nach 3’ gekommen ist und so fort, dass also jede Wimper alle Lagen von A,—B, kontinuirlich durchläuft, so wird man den Ein- druck gewinnen, dass die Welle AB als Ganzes weiter gewandert sei. Hält man sich ferner vor Augen, dass mehrere solcher Wellen nur durch kurze Zwischenräume getrennt sich zugleich an der Peripherie befinden, so wird ein Wellenzug von einander folgenden Einzelwellen an dem Umfange des Halbkreises fortwandern und so viele bei A ver- schwinden, werden in @ bei fortdauernder Cilienbewegung entstehen, um in der Richtung der Pfeile nach A zu gleiten. Bei Übertragung dieser schematisch dargestellten Verhältnisse auf das Räderorgan selbst erkennt man, dass jede Welle, erzeugt durch langsam aufwärts ge- hende Radwimpern, eine Speiche darstellen wird und dass so viele Speichen an der Peripherie wandern werden, als Wellen im Wellen- zuge vorhanden sind. Ich versuchte diesin Fig. 39 der Taf. XXIX von der Seite darzustellen, wobei aber der Deutlichkeit wegen nur 5 Wellen ‚auf der ganzen Peripherie angedeutet sind. In Wirklichkeit sind die Speichen nicht so breit im Verhältnisse zu ihrer Länge, weil die Radwimpern nicht so weit von einander in- serirt sind, wie es am Schema der Deutlichkeit halber gezeichnet wer- den musste. Durch die engere Stellung der Radwimpern werden die Speichen schmäler, die Kurven steiler werden und jede Welle um so Studien über Räderthiere. 441 ‘ mehr den Eindruck einer dicken, nach rückwärts sehenden Cilie ‘ machen, als dieser Eindruck an Körperlichkeit noch dadurch gewinnt, - dass die Radwimpern nicht bloß in einer Reihe neben einander, son- dern, wie oben beschrieben (Fig. 36 Rw), von der Halbkugelfurche ein ' Stück aufwärts auch über einander stehen und die in einer Radial- _ ebene befindlichen das gleiche Stadium der Bewegung zu gleicher Zeit durchmachen, so dass in jedem Theile jeder Speiche die Bewegung ‚ eines ganzen Büschels von Haaren zum Ausdrucke gelangt. Jede Speiche | ist von der anderen durch einen leeren Zwischenraum getrennt, an ‚ welchen Stellen die dem Auge nicht erkennbare rasche Bewegung des - Abwärtsschlagens vor sich geht. Dadurch, dass die Radwimpern in der langsameren Aufwärtsbe- ‘ wegung immer abgebogen bleiben, daher von oben nie in ihrer ganzen Länge zu sehen sind, ist auch die geringe Länge der Speichen erklärt, ‚ während die sie bildenden Radwimpern in der That mehr als doppelt so lang sind. An dieser Stelle mögen wenige Worte über das weitere Schicksal der durch das Räderorgan herbeigewirbelten Körnchen eingefügt werden. Die Körnchen gelangen schließlich in den Mund, indem sie in zwei ' diehten Strömen an den Seiten der Stiele durch den unteren Wimper- kranz zu den Wimperpolstern getrieben werden (Taf. XXVII, Fig. 19, 20 s). Der untere Wimperkranz besitzt, wie schon erwähnt, Wimpern, ' welche in der Ruhe derart gekrümmt sind, dass ihre Spitze gegen den Mund hin sieht. Obwohl die Beobachtung nur eine vom Munde weg gegen den Rücken schlagende Bewegung erkennen lässt, lehrt doch die gerade entgegengesetzte Stromrichtung der Nahrungskörperchen, dass man auch hier, wie beim oberen Kranze und aus denselben Gründen nur die vom Schlage zurückkehrenden Gilien sieht, während die viel ‚ rascher erfolgende treibende Bewegung zu schnell ist, um im Auge einen Eindruck zu hinterlassen. Damit stimmt auch die Beobachtung über- ‚ ein, die ich an Strudelwürmern, wie Prostomum u. a., machen konnte, ‚ dass man nämlich die Cilien in derselben Richtung schlagen sieht, in ‚ weleher das Thier sich fortbewegt, während thatsächlich beim nach vorwärts kriechenden Thiere die Cilien gegen das Hinterende schlagen müssen. Nach den Beobachtungen an Räderthieren und Strudelwür- mern kann man daher den Satz aufstellen, dass dort, wo die Flimmer- bewegung durch ein rasches Schlagen mit den Cilien sich äußert, die wirkliche und einen Erfolg hervorbringende Bewegung der dem Auge erkennbaren entgegengesetzt ist. Sind die Körperchen in die Mund- höhle getrieben worden, so werden sie darin heftig hin- und herge- 449 Carl Zelinka, stoßen und in tanzende und wirbelnde Bewegung gebracht, was haupt- sächlich durch die auf den Polstern (Fig. 19, 20 wp) stehenden stär- keren Wimpern bewirkt wird und gleiten hierauf entweder in die enge Mundröhre hinab, durch welche sie durch deren Flimmerbewegung getrieben werden, oder sie strömen an der medianen, scheinbaren Einkerbung der Unterlippe aus dem Munde heraus — durch heraus- schlagende Wimpern (Taf. XXIX, Fig. 36 ul) getrieben — und an dem Bauche hinab, wobei sie sich immer mehr von ihm entfernen. Die Mundhöhle ist demnach funktionell in zwei Theile zu sondern, als deren dorsal gelegener der Raum zwischen den Wimperpolstern und der Rückenwand der Mundhöhle bezeichnet werden muss, und welcher der Aufgabe des Hinabtreibens der Nahrung in das Schlundrohr gerecht zu werden hat, während der vordere, schnabelartige Vorsprung des Mun- des zum Entfernen der unbrauchbaren Körperchen dient. Eine Art Auswahl der zugeführten Theilchen findet unbedingt statt, doch lässt der Umstand, dass doch ein Theil der Karminkörnchen zu den Kiefern geleitet wird, weniger auf eine dem Geschmacksinne entspringende Wahl schließen, als vielmehr die Vermuthung entstehen, dass vornehm- lich der Tastsinn etwa zu große oder zu scharfkantige Körper zu ent- fernen Veranlassung giebt. Specielle Geschmacksorgane wurden nicht gefunden. Oft theilt sich der wegziehende Körnchenstrom schon am Munde in zwei langsam divergirende, was wohl auf die Haltung der Unter- lippe zurückzuführen ist. Die Bewegung in diesem Strome ist langsam und macht den Eindruck, als ob die Körnchen nachdrängend die vor- angehenden weiter schieben würden. In größerer Entfernung vom Körper wird die Form des Stromes ziekzackartig. VergleichenderTheil. Eine historische Übersicht über die all- mähliche Mehrung unserer Kenntnisse bezüglich der Zusammensetzung des Räderorgans aus zwei Wimperkreisen ist bereits von so vielen For- schern gegeben worden, dass es füglich genügen kann, auf Huxızy’s, CLAPAREDE’S, GRENACHER’S, ECKSTEIN’s und PrArte'’s Darlegungen diesbezüg- lich hinzuweisen. Nur Crararipe’s (Nr. 29, I) Beschreibung des unteren Kranzes bei Rotifer, einem Verwandten der Gallidinen, soll, als unsere Arbeit berührend, erwähnt werden. CLararkpe stellt den un- teren Wimperkranz als einen mit feinen Haaren besetzten Kamm dar, der unter dem eigentlichen Räderorgane vom Rücken jederseits gegen den Mund zieht und zeichnet in Taf. III, Fig. 4, 5 diesen Kamm noch auf der Bauchseite über dem Munde verlaufend. Es ist wohl sicher, dass dieser Cilienkamm dem lateralen Theile der Gallidinen-Unterlippe entspricht, welcher an den Stielen vorbeizieht und kurze, dicht hinier Studien über Räderthiere. 443 einander stehende Haare trägt, deren Spitzen in der Ruhe gegen den Mund hin gekrümmt sind. Von dem über dem Munde gezeichneten Theile des Kranzes kann ich jedoch nur vermuthen, dass er den zwei Wimperpolstern in der Mundhöhle der Callidina homolog ist. Über den feineren Bau des Räderorgans bei Gallidina oder Phi- lodiniden im Allgemeinen sind fast keine bemerkenswerthen An- gaben zu verzeichnen. ZacnHarıs (Nr. 274) beschreibt wohl eine mit dem Räderorgane, »im anatomischen Zusammenhange stehende, lappen- föormige Substanzmasse«, über deren Bedeutung er sich ‚jedoch keine Rechenschaft geben konnte. Er beobachtete, dass sie beim Ausstülpen des Räderorgans zur Hälfte in dasselbe aufgenommen werden und stellte die Frage auf, ob wir es etwa hier mit Speicheldrüsen zu thun hätten. Es sind die oben beschriebenen lokalen, zipfelförmigen Verdickungen der Hypodermis in den Halbkugeln. Welchen Theil des Gallidinen- (nicht Galidinen)! Körpers Pıate (Nr. 213) meint, wenn er sagt »bei Galidina, Notommata tardigrada und aurita findet sich eine ventral am Kopfe gelegene und dicht mit kleinen Cilien besetzte Platte, die sich noch hinter die Mundöffnung eine Strecke weit ausdehnt«, war mir leider nicht erfind- lich. Der Ausdruck »Oberlippe « ist, wie ich aus Pıarr’s Arbeit (p. 44) ersehe, bei Synchaeta pectinata Ehr. für den entsprechenden Theil der Mundumrandung angewendet worden, indem PıarE daselbst den dorsalen Rand der Mundöffnung »gleichsam die Oberlippe« nennt. Ich gehe nun zur Besprechung der die Funktion des Räderorgans behandelnden Arbeiten über. Von Interesse dürfte es sein, dass Farınay (Nr. 82), der englische Physiker, lange vor EHnrengerg eine ganz brauchbare Erklärung der Radbewegung gab, indem er sie als eine optische Täuschung durch ein rasches, daher unsichtbares Beugen und ein langsames, daher sicht- bares Heben der Wimpern in steter Reihenfolge entstehen ließ, welche Erklärung von allen damaligen entschieden die wissenschaftlichste war, da sie sich auf die Prineipien der Mechanik stützte. Trotzdem bezeich- nete sie EnrenserG als auf lebende Organismen nicht anwendbar und auch Durrocnzr (Nr. 64) nahm auf sie keine Rücksicht, indem er das Fortrücken der Speichen durch eine wellenförmige Bewegung in einer gefalteten Membran, welche den Rand des Räderorgans zieren sollte, sich entstanden dachte. | Jede Speiche des Rades ließ Eurznsere durch die Drehung einer 1 Ich folge in der Schreibweise der vom Autor EHRENBERG angewendeten, zu- mal die Setzung der zwei l nicht auf einem Druckfehler, sondern auf der bewussten Ableitung vom griechischen Stamme x«AA beruht. 444 Carl Zelinka, einzigen, durch Muskel bewegten, dicken und kurzen Cilie entstehen. An einem Rade nahm er 12—114 solcher Cilien an, die, an ihrer Basis sich drehend, mit ihrer Spitze einen Kreis und mit ihrer ganzen Länge einen Kegel beschreiben sollten. Danach sind auch in seinem Infu- sorienwerke (Nr. 68) die Zeichnungen von Rotifer ausgeführt. Die Wimpern würden demnach nahezu parallel zur Längsrichtung des Thieres stehen, also fast senkrecht auf der Wimperscheibe. Das Gesetz der unsymmetrischen Bewegung der Räder war ihm nicht bekannt, er zeichnete die Räder bald im selben, bald im ent- gegengesetzten Sinne beweglich. Den Wirbel beschreibt und zeichnet er als zwei seitliche Spiralen. Später verbesserte er seine Angabe da- hin, dass nicht 14, sondern wohl 50—60 Wimpern auf jedem Rade vorhanden seien. Nach seinen Zeichnungen ist nicht ersichtlich, in welchem Zusam- menhange er sich die drehende Bewegung jeder Gilie mit der erzeugten Strömung des Wassers dachte und auch im Texte seines großen Infu- sorienwerkes findet man keine Aufklärung darüber. Dusaroın (Nr. 63) kam der Sachlage in so fern näher, als er die Speichen der Räder als eine Kombinationswirkung vieler Wimpern er- klärte und das Herumlaufen durch successives Niederlegen und Auf- richten von am Räderorgane in einer Reihe angeordneter Cilien erklärte. Er gab auf Taf. XIX eine schematische Zeichnung, welche die Stel- lung der Cilien in einem gegebenen Momente der Bewegung darstellen soll. Die Cilien, welche parallel zu einander und gleich weit von ein- ander stehen, sollten die Fähigkeit haben, nach einander gegen ihre nach rechts stehenden Nachbarn eine neigende Bewegung derart aus- zuführen, dass jede als ein fester Stab an ihrem Insertionspunkte nach rechts sich neigend mit ihrer früheren Stellung einen Winkel bildete und mit derselben Schnelligkeit in ihre erste Stellung zurückkehrte. (Zu dieser Auffassung ließ er sich offenbar durch die oben beschriebene optische Täuschung, durch welche man ein Neigen der Gilien gegen ihre Nachbarn zu sehen glaubt, verleiten.) Diese Bewegung sollte sich successive so fortpflanzen, dass jede Cilie der ihr rechts folgenden nur !/ja der Schwingung voraus wäre, daher von 14 zu 14 Gilien sich die- selbe Phase der Bewegung fände. In eben diesen Zwischenräumen entstehen dann dunklere Durchschnittspunkte der sich am meisten senkenden Gilien 7 bis 2 mit der eben in der Ruhelage befindlichen Cilie 1. Diese Cilien 1 bis 7 würden nach Dusarnın’s Ansicht je einen Zahn des Rades vortäuschen, der sich von links nach rechts bewegen müsste. Angenommen, dass die Radwimpern sich überhaupt in der Rich- Studien über Räderthiere. 445 tung der Radbewegung neigen könnten, wobei es nebensächlich ist, ob man die Raddrehung von links nach rechts, oder umgekehrt, wie sie thatsächlich gleitet, gehen lässt, sind zwei sofort in die Augen fallende Mängel der Erklärung vorhanden. Vor Allem darf man aus schon be- sprochenen Gründen das Neigen und Aufrichten einer Cilie am Räder- organe nicht gleich schnell annehmen, zum zweiten müssten bei Du- Jarpın’s Erklärung die Zähne eine ganz andere Form haben, als die, in welcher sie in der That erscheinen. Dusarnın’s Schema erklärt nicht die konvexe Krümmung jeder Speiche, sondern seine Speichen sind auf der zurücksehenden Seite konkav, auf der voraneilenden aber sind sie nicht konvex, sondern besitzen sogar einen scharfen Einschnitt. Diese Betrachtung wurde unter der vorangestellten Annahme durchgeführt, dass eine solche Bewegung den Ringwirbel überhaupt erzeugen könne. Um nicht in Wiederholungen zu verfallen, sei nur bemerkt, dass die bei Dusarpın’s Radtheorie einzig mögliche Wirkung der Cilienbewegung in einem Kreiswirbel zu sehen wäre, der in einer quer zur Körperlängsachse stehenden Ebene um das Räderorgan im Sinne des Uhrzeigers kreisen müsste. Er nahm, im Gegensatze zu EHRENBERG, die Wimpern als in der Ebene der Wimperscheibe stehend an und zeichnete die Speichen auf Taf. XVII, Fig. 4 so, wie sie sich scheinbar präsentiren, gekrümmt und zwar mit der Spitze zurück- 'sehend, also mit dem konvexen Theile voraneilend, wobei er mit seinem eigenen Schema in Widerspruch gerieth. Seine Zeichnungen auf Taf. XVII, Fig. 1, 2, 3 lassen endlich schließen, dass auch er die Bewegung als in beiden Rädern entgegengesetzt ansah. Kein ganz abgeschlossenes Urtheil sprach Leypıs (Nr. 185) aus, indem er bei Lacinularia socialis und Hydatina senta eine hakenförmige Bewegung der Gilien beschreibt, jedoch in der schönen und inhaltreichen Arbeit »Über den Bau und die systematische Stel- lung der Räderthiere« (Nr. 184) sich der später noch zu besprechenden BERGMANN und Leuckarr’schen Ansicht (Nr. 16) anschließt, »dass in einer langen Wimper nur eine kurze Welle sich findet, welche von dem einen Ende zum anderen fortschreitet, während der übrige Theil sich ruhig verhält «. CraPrArkpe (Nr. 29, I), der die Frage um die Entstehung der Rad- bewegung ganz unberührt ließ, wies zuerst in geistreicher Weise auf die Konsequenzen, welche man aus der Radbewegung ziehen müsse, hin. Indem er nicht über die Art und Weise, sondern nur über die Wirkung der Bewegung, wie man sie zu seiner Zeit annahm, seine Be- trachtungen anstellte, kam er zu interessanten Schlüssen. Vor Allem ist aber zu bemerken, dass auch für ihn die Radbewegung eine wirk- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLIV. Ba. 29 446 Carl Zelinka, liche war, dass er sie gleich Dusarpın als in der Ebene der Wimper- scheibe verlaufend ansah, jedoch wie Eurengerc auf das Schwingen einzelner größerer gekrümmter Wimpern zurückführte, welche ver- hältnismäßig diek mit fein zulaufender Spitze sein sollten, wie aus den Figuren der Taf. III zu ersehen ist. Es muss demnach gleich 'hervor- gehoben werden, dass diese seine Betrachtungen nur mehr einen rein akademischen Werth besitzen, aber den genannten Forscher trotz der falschen Prämissen zur wichtigen Entdeckung der Funktion des zweiten Wimperkranzes führten und desshalb eine Besprechung sehr wohl ver- dienen. Wenn, wie Crarıripe überlegte, beide Räder im selben Sinne laufen, wird wohl ein Vorwärtsbewegen des Thieres stattfinden kön- nen, jedoch kein Herbeitreiben der Nahrung, da die von einem Rade herbeigestrudelten Körper vom anderen wieder weit weggetrieben werden; wenn jedoch die Cilien im entgegengesetzten Sinne schlagen, so muss ein zwischen den Rädern hindurch zum Munde führender Strom entstehen, der die Nahrung dahin bringt, die fortbewegende Wirkung des einen Rades aber muss durch die des anderen aufgehoben werden. Nun laufen aber thatsächlich beide Räder im selben Sinne, daher können sie, schloss CLAPAREDE weiter, nicht zur direkten Nahrungszu- fuhr in den Mund dienen. Dadurch geleitet kam Crarırkpve auf die Nothwendigkeit, einen Ausweg zu suchen und fand ihn wirklich in der Entdeckung, dass die Wimpern des äußeren oder unteren Kranzes die Nahrungskörperchen in zwei breiten Straßen in den Mund befördern. So bestechend diese Schlüsse CrLapAarkpr’s auch erscheinen, so liegt doch, abgesehen davon, dass sie jeder Basis entbehren, mehr als ein Widerspruch darin. Vor Allem hat Crararioe die Anwendung des dritten Newrow’schen Prineips unterlassen, welches ausspricht, dass nach dem Grundsatze der Wechselwirkung jede Wirkung auch eine Gegenwirkung verlangt. Nun war ihm thatsächlich bekannt (Nr. 4 a, p- 8), dass die obere Gilienreihe Strömungen erzeugt, welche tangential dem Räderorgane und senkrecht zur Fläche dieses Organs stehen. Die Mechanik lässt aber davon ausgehend keine andere Bewegung der Cilien zu, als ebenfalls in diesen Richtungen. Jede andere ist mecha- nisch undenkbar, da eine horizontale Cilienbewegung keine vertikalen Strömungen im Wasser hervorrufen kann. Aber selbst angenommen, dass die Cilien schlagen, wie es der Augenschein zeigt, sind die daran geknüpften Schlüsse über die Fort- bewegung des Thieres unrichtig. Nehmen wir Crararkpe’s erste Alter- native, dass in beiden Rädern die Wimpern im gleichen Sinne, wie er auch als richtig erkannt hat, schlagen, so kann damit eine Fortbewe- Studien über Räderthiere. 447 gung des Körpers nicht eintreten. Eine in der Ebene der Räder aus- geführte gleichsinnig schlagende Bewegung der Cilien wird nur eine Drehung des Körpers um seine Hauptachse im Sinne der Radbewegung zur Folge haben können. Andererseits kann aber im zweiten Falle, wenn die Wimpern des einen Rades entgegengesetzt schlagen, wie die des anderen, niemals der Körper in Ruhe sein, sondern muss aufrecht schwebend mit der Bauchseite voran schwimmen. 4 B En 4 venlral SR “ N 2—« — | = SR = > ZI. 7 an > dorsal N Holzschnitt A zeigt CLAPARKDE’s erste Alternative, B dessen zweite. Laufen nämlich die Speichen in beiden Rädern im gleichen Sinne (A) in der Richtung der kleinen Pfeile, so werden die beiden Räder sich gegenseitig unterstützen und eine Drehung des ganzen Thieres in der Richtung der großen Pfeile veranlassen. Im zweiten Falle (B) schlagen die Cilien, welche der Medianseite zugekehrt sind in beiden Rädern sowohl ventral als dorsal einander entgegengesetzt, daher sie sich in ihrer Wirkung aufheben müssen. Es bleiben demnach nur die Cilien der lateralen Ränder übrig, welche sich in ihrer Arbeit unterstützen, daher das Thier in der Richtung der großen geraden Pfeile nach vor- wärts treiben werden. Vollkommen richtig ist dagegen die Erklärung Cıarırkoe’s hin- sichtlich der Beobachtung, dass die Cilien des unteren Kranzes vom Munde weg zu schlagen scheinen, was er dadurch zu Stande kommen lässt, dass sie sich langsamer erheben als senken. Ä Die durch Craraırkpe’s Arbeit vermittelten Erweiterungen der Kenntnisse von der Funktion des Räderorgans lassen sich schließlich zusammenfassen in der gewonnenen Erfahrung, dass die Räder im selben Sinne und zwar entgegen dem Uhrzeiger laufen, dass der obere Wimperkranz nicht die Nahrung in den Mund führt und dass die Wim- pern des unteren Kranzes nur scheinbar vom Munde weg schlagen und die Nahrung in den Mund befördern. 29* 448 Carl Zelinka, Bei GrenacHer (Nr. 118) findet sich eine Stelle, welche die Überein- stimmung dieses Forschers mit den Schlüssen CLararkpr's bekundet, am Schlusse aber besagt, dass der motorische Wimperkranz dem nutritiven noch in so fern Vorschub bietet, »als er durch die vertikal zur Ebene des Räderorgans gerichtete Bewegung seiner Wimpern die Nahrungs- theile in den Bereich des letzteren bringt «. Von dem Augenblicke an, wo die vertikale Bewegung der Rad- wimpern erkannt wurde, hätte man Crarırkpe’s Ausführungen fallen lassen müssen, da damit die Radbewegung als das, was sie ist, als optische Täuschung erklärt werden muss und für den Strom im Wasser nur das vertikale Schlagen der Cilien, nicht aber die Stelle, von wo die fort- schreitende Bewegung beginnt, von maßgebender Wichtigkeit ist. Für den Ringwirbel muss es in jeder Hinsicht gleich sein, ob die Radbewegung in beiden Hälften des Organs im gleichen oder entgegen- gesetzten Sinne vor sich geht und die kausale Bedeutung der Thatsache der gleichsinnigen Raddrehung ist eben darin zu suchen, dass der Wimperkranz aus einem kontinuirlichen Wimperreifen der trochosphä- renähnlichen Stammform sich entwickelt hat, in welchem die Bewe- gung gleichmäßig um die ganze Peripherie des geschlossenen Kranzes herumlief. Später wurde der Wimperreifen dorsal und ventral unter- hrochen, die Fortpflanzungsrichtung der Welle aber blieb dieselbe. Eckstein (Nr. 67, p. 408) glaubte zweierlei Arten der Cilienbewe- gung am Räderorgan beobachten zu können. Die eine sollte als normal gelten und in einer fortlaufenden Wellenbewegung in den einzelnen Wimpern bestehen, während die andere für ihn nur eine Krankheits- erscheinung, hervorgerufen durch Wassermangel, war, indem sich die Cilien hakenförmig gekrümmt und steif als Ganzes langsam auf und nieder bewegten, »so dass die einzelnen Theile derselben zu einander immer dieselbe Lage behalten, indem die Cilie nur. von ihrer Wurzel aus bewegt wird «. Die erste Art der Bewegung finden wir in BERGMANN und LEUCKART von Infusorien angegeben. Daselbst (Nr. 16, p. 288 und 289 Anm.) wird an dem Wimperkranze der Triehodina mitra eine Radbewegung beschrieben. Es laufen dunkle Streifen, deren Richtung gegen den Rand und Wimperkranz zwischen der radialen und tangentialen liegt, um die Peripherie herum. Diese dunklen Streifen sind aber nur der optische Ausdruck einer Bewegung in den Cilien selbst, welche in viel größerer Anzahl vorhanden sind als die ersteren. In jeder Cilie beginnt in einigermaßen regelmäßigen Zeitintervallen eine kurze Welle von dem festen Ende an der Länge nach zu verlaufen. Die Stelle, wo sich eine solche Krümmung befindet, erscheint Studien über Räderthiere. 449 dunkel. Aus solchen dunkeln Stellen verschiedener Cilien, welche ein- ander sehr nahe liegen, sind jene dunklen Streifen zusammengesetzt. Diese Theorie ist vollständig hinreichend, die dunklen Streifen bei Tricehodina zu erklären, ich brauche aber wohl kaum hinzuzusetzen, dass sie es für die Radbewegung der Räderthiere nicht ist. Daselbst hat man es nicht mit der Erscheinung dunkler, schiefer Streifen, sondern mit jener dieker, kurzer, glänzender Cilien, welche mit einer Krümmung versehen sind, zu thun. Die von Eckstein (l. c. p. 408) als Krankheitserscheinung beschrie- bene »hakenförmige« Bewegung ist jedoch die eigentlich normale, nur dass die Cilie nicht steif ist und als Ganzes auf- und niederbewegt wird, sondern beim Senken sich abkrümmt. Allerdings wird dieses Senken ‚auch an absterbenden Thieren beobachtet, jedoch sieht man es eben so an frischen Exemplaren, wenn man den Moment des Ausstülpens des Räderorgans zur Beobachtung erfasst, daher die Vermuthung einer bloßen Krankheitserscheinung dadurch ausgeschlossen ist. Rücksichtlich der Bemerkung Ecexkstem’s, es mache die ganze Be- wegungserscheinung des Räderorgans bei Rotifer den Eindruck einer unwillkürlichen, kann ich ihm nur beistimmen, auch bei Callidina ist die Bewegung der Cilien am Räderorgane eine derartige, dass von einer Willkür in derselben keine Rede sein kann, da die Wimperbewe- gung, einmal angefangen, andauert, bis das Räderorgan eingezogen wird. Kap. IV. Rüssel. Das vordere Ende des ausgestreckten Körpers bildet ein Organ von interessantem Baue. Im Leben in steter Bewegung, so lange noch nicht das Räderorgan entfaltet ist, erscheint es als die direkte Fortset- zung des Vorderleibes, als Kopf im eigentlichen Sinne (Fig. 299—35 r); es ist bei allen Bewegungen des Tastens und Kriechens voran und der Körper geht durch Schmälerwerden allmählich in dasselbe über. Im Leben beobachtet man ein rasches Biegen dieses Organs nach allen Seiten, mitunter glaubt man auch eine Querfurche zu sehen, welche dasselbe in zwei Glieder theilt. Das Ende dieses »Rüssels« der Autoren ist quer von oben nach unten und hinten abgestutzt. An dieser Fläche beobachtet man die lebhafteste Flimmerung; oben am dorsalen Theile derselben scheinen symmetrisch zwei Hörnchen zu stehen und gegen die Seiten über die quere Fläche des Rüssels herauszusehen, welche keine aktive Bewegung zeigen. Schickt sich das Thier an das Räder- organ zu entfalten, dann verändert sich die Gestalt des vorderen Körper- endes mit einem Male durch die mächtige Entfaltung des früher fast unsichtbar kleinen Mundes. Dadurch, dass seine Ränder allmählich 450 Carl Zelinka, das vordere Körperende einnehmen, muss der Rüssel seine Lage zur Längsachse ändern. Sein Ansatzrand am Mundsegment, wie alle anderen Furchen der Segmente als Querring senkrecht zur Längsachse stehend, rückt mit der ganzen bis zum Munde reichenden Haut des Mundsegmentes durch die Ausdehnung der Mundöffnung allmählich dorsal, und wenn der Mundrand quer zur Längsachse des Thieres steht, dann ist die ganze frühere vor dem Munde gelegene Haut des Segmentes auf dem Rücken des Thieres angelangt und so zusammengezogen, dass sie wie die Haut am übrigen Körper aussieht und ihre frühere Ausdehnung nicht mehr erkennen lässt. Nun bietet auch der Rüssel einen ganz anderen Anblick, er ist so verändert, dass man ihn für ein anderes Organ halten könnte, hätte man nicht seine Umwandlung verfolgt; denn in demselben Maße, als der Mund Sich erweitert, wird er in sich zusammengezogen und, wenn das Räderorgan endlich in Thätigkeit ist, dann bleibt von ihm nichts übrig, als ein kurzer schief nach vorn abstehender, einen spitzen Win- kel mit der Längsachse bildender dorsaler Zapfen, ein Fortsatz von ovalem Querschnitte am Rücken des Thieres (Taf. XXVII, Fig. 20; Taf. XXIX, Fig. 36 r). Da die Basis größer als das freie Ende ist, so wird man das ganze Gebilde mit einem elliptischen schiefen Kegelstutze ver- gleichen können. Die obere Schnittfläche dieses Stutzes ist nahezu senkrecht zu seiner Achse, sie neigt sich, der Neigung der Achse nach vorn ent- sprechend, ebenfalls nach vorn zur Oberlippe hin. Am lebenden Ob- jekt erkennt man in der Daraufsicht auf diese Endfläche einen trian- gulären Spalt mit in den Raum vorgebuchteten Seitenwänden, der mit dem äußeren Medium Kommunikation besitzt, während man von der Seite im Inneren einen von zwei tiefen Furchen begrenzten bewimper- ten Zapfen beobachtet. So lange das Thier das Spiel mit seinen Rädern treibt, bleibt der Rüssel in diesem Zustande der Ruhe. Über den Bau dieses Organs kann man sich jedoch erst am getödteten gestreckten Thiere Klarheit verschaffen. Vor Allem wird seine Zusammensetzung aus zwei Seg- menten kenntlich (Fig. 40 r,, 75). Sie laufen beide gegen das Rüssel- ende konisch zu und zwar verhält sich der mittlere Durchmesser des Mundgliedes zu dem des ersten und zweiten Rüsselgliedes wie 9:8:7, woraus man das allmähliche Abnehmen des Querschnittes ersieht. Der Aufbau des Rüssels aus diesen zwei Segmenten lässt die Biegungen und Wendungen durch Verschiehung, der Glieder zu einander erklär- lich werden. Studien über Räderthiere. 451 Die Endfläche ist in der Daraufsicht nahezu kreisrund von 0,013 mm Durchmesser und gewölbt (Taf. XXIX, Fig. 40). Sie wird durch zwei Membranen in zwei sehr ungleiche Theile geschieden, in- dem dieselben viel näher dem Rücken- als Bauchtheile ihrer Peripherie gestellt sind. Diese Membranen stehen parallel der Längsachse des Rüssels auf der Endfläche auf, krümmen sich aber bald ein wenig nach vorn abwärts, wie von der Seite (Taf. XXVIIL, Fig. 29 4y) gesehen wer- den kann. Außerdem besitzt aber jede Membran eine Krümmung im Sinne der Krümmung der Seitenfläche des Rüssels (Fig. 40 hy). Die Krümmungen jeder einzelnen Membran gehören jedoch nicht ein und demselben Centrum an, sondern jede hat ihren eigenen Mittelpunkt, . welcher symmetrisch zur Medianebene des Thieres gelegen ist. Dem- nach stoßen die Flächen der Membranen in ihrem optischen Quer- sehnitte in einem sphärischen Winkel zusammen, wie die Peripherien zweier sich schneidender Kreise. Eigenthümlicherweise hören die Membranen nicht an der Medianebene auf, sondern greifen über die- selbe auf die andere Seite hinüber, wobei sie immer niederer werden. Blickt man den Rüssel von der Bauchseite an (Fig. 40 hy), so bemerkt man die Membran, welche zur rechten Hand des Beobachters liegt, an der linken Rückseite beginnen. Ihr Rand steigt in einer Kurve an, kreuzt in der Mitte mit dem der anderen Seite und zieht der Krümmung des Rüssels entsprechend nach seitwärts und vorn, um an den Seiten schließlich steil zur Endfläche abzufallen. Bei der linken Membran ist das Verhalten symmetrisch dazu. Diese Membranen sind hyalin und starr und geben in Folge der eigenthümlichen Krümmung in ihrem optischen Querschnitte sowohl in der Seiten- als Flächenansicht das Bild von zwei gebogenen, glänzen- den Hörnchen, die dem Rüssel aufsitzen. Die Höhe dieser glashellen, starren Häutchen, offenbar Cuticular- gebilde, beträgt 0,0044 mm, wenn der Durchmesser der Endfläche 0,013 mm beträgt. In der Entfernung von 0,004 mm von der Medianebene des Rüssels beginnen sie und reichen seitwärts mit ihrem oberen freien Rande noch etwas über den Querschnitt des Rüssels hinaus. Die Fläche ventral von den Membranen ist dicht mit Cilien besetzt, die aber nur auf der Endfläche selbst stehen und nicht auf die Seiten des Rüssels übergreifen. Dorsal von den Membranen ist keine einzige CGilie vorhanden. Die ventralen Cilien sind die kleinsten, gegen die Membranen hin nehmen sie an Länge allmählich zu (Fig. 40). Alle sind etwas gegen die Bauchseite des Thieres gekrümmt (Fig. 29) und sind 452 ‘ Carl Zelinka, die Urheberinnen der im lebenden Zustande zu beobachtenden Flimmer- bewegung. Die im Inneren des Rüssels verborgenen Organe sind theils Mus- keln, theils Nerven- und Sinneszellen, theils Theile der Hypodermis. Hautmuskeln besitzt jedes Glied des Rüssels in der Form von homo- genen Ring- und Längsfasern. Die Längsmuskeln sind paarig vorhanden und liegen in der Fortsetzung eines ebenfalls paarigen größeren Längs- muskels (Fig. 37 Im), welcher vom 2. Rumpfgliede zum Rüsselanfange verläuft. Ringmuskel ist in jedem Gliede einer vorhanden (rm’, rm). Sie strecken den Rüssel (Ringmuskeln) und verschieben die Glieder des- selben (Längsmuskeln) zu einander. Das Einziehen des ganzen Organs erfolgt durch zwei Paare von Leibeshöhlenmuskeln. Das seitliche Paar entspringt am Ende des 2. Rumpfgliedes und begiebt sich zum Rüssel- anfange (Fig. 38 vr); es wurde schon im Kapitel über die Muskeln kurz erwähnt. Das dorsale Paar hat seinen Ursprung weit rückwärts im Rumpfe (Fig. 38, 39 fr) in dessen 6. Segmente und zieht über das Ge- hirn hin an die abgestutzte Endfläche des Rüssels, woselbst jeder Mus- kel nach mehrfacher Theilung ausstrahlt. Diese letzteren Muskeln haben jedoch noch eine andere Funktion, als das rasche Zurückziehen des Rüssels, zu besorgen. Die Thiere fixiren sich beim Kriechen, wie im Kapitel über die Bewegungen beschrieben ist, mit dem Rüssel. Da ein Ausscheiden eines Sekretes dabei nicht stattfindet, so wird die Erklä- rung dieses Festhaftens darin zu suchen sein, dass mittels der Haut- muskeln durch Pressung der Leibeshöhlenflüssigkeit eine gewisse Starrheit der Leibeswand des Rüssels eintritt, während die dorsalen Muskeln, welche an der Endfläche des Rüssels sich inseriren, diese End- fläche etwas einbauchen. Ist nun der Rand des Rüssels einer Fläche angepresst worden, so wirkt dann das eingebauchte Ende wie ein Saugnapf, dessen Wirkung hinreicht, das Thier zu befestigen, bis es mit dem Fuße einen anderen Haftpunkt gefunden hat. An ihren Insertionen und Ursprüngen sind diese Muskeln verbrei- tert. Ihre Querdimensionen sind sehr gering und ihr Habitus ist der der Leibeshöhlenmuskeln. Sie besitzen aber keine Muskelkörperchen und keine Achse und sind also homogene Fasern. Das Innere des Rüssels ist, wie gleich vorausgeschickt werden soll, in direkter Kommunikation mit der Leibeshöhle, keine Wand tritt tren- nend zwischen beiden auf. Die gewölbte Endfläche ist geschlossen und besitzt eine Cutieula. An der Grenze des Rüssels und des 4. Rumpf- segmentes liegt ein kleines Ganglion (Fig. 37, 38 rgl), bestehend aus etwa 15—20 eng an einander geschmiegten Nervenzellen mit großen Kernen. Das Ganglion ist in der Medianlinie des Körpers länglich aus- Studien über Räderthiere. 453 gezogen, vorn breit, rückwärts mit einer Spitze endend. Diese Spitze wird meist von einer Zelle gebildet. In der Seitenansicht besitzt das Ganglion nach vorn keine bestimmte Grenze, nach rückwärts ragt es als ein zugespitzter gekrümmter Zapfen in die Leibeshöhle hinein und hat oben einen konvexen, unten einen konkaven Kontour. Von der Spitze des Ganglions ziehen zwei feine Fasern (n;) gegen die Basis des Tasters konvergirend hin, welche der Form und Beziehung nach jeden- falls als Nerven zu betrachten sind. Zu. diesem Ganglion begeben sich zwei bedeutende Nervenstränge aus dem Gehirne und enden an seiner Unterseite (ngl). Ihre weiteren Vertheilungen kommen im Kapitel über das Nervensystem zur Sprache. Vorn geht das Ganglion gewissermaßen über in 4—5 wohl von ein- ander geschiedene, mit je einem deutlichen Kerne versehene längliche und etwas verschmälerte Zellen, welche außer dieser Form- und Lage- beziehung noch die Eigenthümlichkeit besitzen, dass ihr Plasma von dem der Hypodermis durch die feinere Granulirung verschieden ist. Sie reichen bis zur schiefen Endfläche des Rüssels (Fig. 37 s). Die zunächst dem Rücken gelegene Zelle entspringt, mehreren Präparaten nach zu urtheilen, mit je einem Zipfel von den beiden dar- unter liegenden und steht durch sie nur indirekt mit dem Ganglion in Verbindung. Den noch übrigen Hohlraum im Rüssel füllen stark gra- nulirte Hypodermismassen aus, deren Plasma ganz dem der übrigen Haut und des Räderorgans gleicht und welche zumeist peripherisch ge- legen sind. Mit der Hypodermis des Räderorgans stehen sie durch einen in jede Halbkugel bogenförmig ziehenden dicken Zipfel Plasmas in Ver- bindung, der sich an die Decke der Halbkugel begiebt (Fig. 37, 38 hb). Gegen das Rüsselende theilen sie sich in unregelmäßige Fortsätze (Fig. 38 si), welche zwischen und außen um die centralen Zellen liegen, oder mit anderen Worten, die centralen Zellen sind gewissermaßen in den anderen eingebettet. Die Wimperhaare des Rüssels haben offenbar eine Sinnesfunction zu erfüllen und werden durch die zwei hyalinen starren Membranen vor Stößen und Verletzungen geschützt, was beim Umstande, dass das vordere Ende des Rüssels bei jeder Kriechbewegung das vor- derste Körperende ist, plausibel erscheinen dürfte. Dem ganzen Wesen der Bewegung des Rüssels nach, die man an und für sich tastend nennen muss, hat man ihn jetzt wohl mit Sicherheit als mit Tast- funktion versehen zu bezeichnen. Der Einwand, welcher gegen die Deutung der centralen Zellen als Sinneszellen, welchen tastende Wim- pern aufsitzen, erhoben werden könnte, dass es nämlich unwahrschein- lich sei, dass ein Tastorgan wie der Rüssel auch zugleich als so ener- 454 Carl Zelinka, gisches Greiforgan benutzt werden könne, sei mit dem Hinweise auf so vielerlei Tastorgane, welche eben so zum Greifen als Tasten dienen (z. B. menschliche Hand mit ihrem feinen Tastgefühle), beant- wortet. Zudem ist der Besitz der hyalinen Membranen und das be- schriebene Kürzerwerden der Cilien gegen die von denselben nicht geschützte ventrale Seite des Rüssels eine hinreichende Einrichtung, um die tastenden Wimpern beim Anpressen des Rüssels vor Druck zu schützen. Es werden die Ränder der Membranen und der ventrale Rand des Rüssels an die Unterlage angedrückt, die Endfläche des Rüs- sels selbst eingebaucht, so dass die Wimpern in dem so gebildeten Hohlraum vollkommen gesichert liegen. Sehen wir uns nach jenen Elementen, welche als Träger des von den Wimpern gezeigten Tastsinnes dienen könnten, nach den Sinnes- zellen um, so scheinen uns die durch das Rüsselganglion und dessen Nerven mit dem Gehirne verbundenen central gelegenen Zellen, die dem Ganglion zugleich unmittelbar aufsitzen, als die einzigen Elemente, welche dabei in Betracht kommen können und als Sinneszellen zu be- zeichnen sind, während die peripherischen Zellen und Fortsätze der Hypodermis als Stützzellen aufgefasst werden müssen. Über dem Ganglion ist die dorsale Körperhaut in ihrem Plasma ver- diekt und befinden sich daselbst etwa sieben gedrängt liegende Hypo- dermiskerne, was wohl als eine gegen Druck dienende Schutzeinrich- tung für das darunter befindliche Ganglion zu erklären ist (Fig. 38 oh). Vergleichender Theil. Der Rüssel, bei den meisten Philo- dinen vorhanden, ist schon von EHRENBERG gezeichnet worden; aller- dings lässt seine Fig. I auf Taf. 60 (Nr. 68) vermuthen, dass er seine Gal- lidina nur mit eingezogenen Räderorganen abgebildet hat, wie schon einmal ausgesprochen worden, obwohl er dessen Cilien außerhalb des Körpers gezeichnet hat. Der Rüssel ist aber so weit vorgeschoben, wie er nur am kriechenden, nicht rädernden Thiere zu sehen ist. In der Mitte dieses »dicken bewimperten Stirnrüssels« zeichnet er einen centralen Hohlraum. Dusarnın (Nr. 63, Taf. XVII, Fig. 3) hat eine CGallidina mit eingezogenem Rüssel beobachtet, dessen Grenzen aber höchst unklar gezogen sind. GicLioLı (Nr. 99, p. 240) giebt an, dass der Rüssel bei seiner Gal- lidina parasitica die Mundöffnung sei, und beschreibt ihn als einen bewimperten, vorstreckbaren, keilförmigen Rüssel, der in der Mitte des Räderorgans an der ventralen Seite gelegen sei. (Wohl ein Beob- achtungsfehler.) Aus den neueren Arbeiten wäre die Beschreibung Ecxstei’s (Nr. 67) vom Rotifer- und Philodinarüssel zu erwäh- nen. Demnach ist der Rotiferrüssel verschieden vom Callidina- Studien über Räderthiere. 455 rüssel gebaut, da er als ein halbkreisförmiger in der Mitte und vorn. umgeschlagener Hautlappen beschrieben und gezeichnet wird, dessen Seitenränder in eine kurze, weite Röhre verlaufen, deren Inneres mit Wimpern besetzt ist. Ähnlich zeichnet ihn auch Zucnarıas Taf. XV, Fig. 3 (Nr. 274). Der Rüssel der Philodina scheint jedoch sich dem von Gallidina mehr anzuschließen, wie Eckstein in Fig. 15 auf Taf. XXIV zeigt, wozu der Autor p. 352 bemerkt, dass man an einem rüsselartigen Gebilde ein Bündel feiner Borsten aufsitzen sehe, welches mit ihm mehr oder weniger hervorgestreckt werden könne. Über den inneren Bau ist mir keine Beobachtung vorgelegen, aus- genommen die kurzen Worte von Zacuarıas über Rotifer. »Außerdem scheint mir eine Verbindung desselben Zipfels (des Gehirns) mit dem retraktilen Organ zu bestehen, welches am vorderen Körperende be- findlich ist und einen Kranz von kurzen Cilien so wie zwei Tasthaare trägt. « Als Funktion des Rüssels wurde allgemein die des Tastens ange- nommen. Kap. V. Fufs. Der Fuß (Taf. XXVIII, Fig. 29, 30 Fu, —Fus) ist ein als axiale Fort- setzung des Körpers erscheinendes Organ, dessen Höhle mit der Leibes- höhle in unmittelbarer Kommunikation steht, dessen Haut ohne Unter- brechung mit der des Körpers zusammenhängt, und welches sich in so fern von dem Rumpfe absetzt, als nicht nur seine Glieder schmäler sind, sondern auch keines der dem Rumpfe specifischen Organe, wie Darm- oder Exkretionsorgane, in dasselbe hinein sich fortsetzt. Der Fuß muss nach dem letzten Gesichtspunkte und wenn man die Rota- torien als Würmer ansieht, als ein eigenes Organ am Gallidinakörper betrachtet werden. Er tritt jedoch am Thiere bei allen seinen Be- wegungen als das Hinterende des Körpers auf und das mehr als bei anderen Rotatorien, da die Differenz seiner Breite von der des Rumpf- endes lange nicht so auffallend ist, als bei anderen Philodiniden oder gar bei Formen, wie Brachionus etc. Er beginnt dort, wo der Darm nach außen mündet; allerdings wäre dieses Merkmal zur leichteren Bestimmung seiner Grenze nicht passend gewählt, da der After am lebenden Objekte nur im Momente der Entleerung des Darmes und sonst nur am konservirten Thiere gut zu sehen ist. Es ist aber dafür außer der geringeren Breite schon seines ersten Gliedes die Eigenthümlichkeit bemerkenswerth, dass dieses erste Fußglied eine Erhöhung wie einen Schildbuckel am Rücken be- sitzt, der, von oben gesehen, als ein gegen das Hinterende des Fußes 456 Carl Zelinka, sehendes Zäpfchen erscheint, von der Seite einem kuppelförmigen Hügel gleicht (Fig. 12, 29, 30, 32, 34 B). Auf dieses 1. Segment des Fußes (Fu,) folgt ein fast eben so großes Segment (Fus), denen sich ein durch zwei Fortsätze ausgezeichnetes anschließt (Fu,). Diese zwei Fortsätze, welche in ihrer Stellung zu einander einiger- maßen das Aussehen einer Zange bieten, deren Arme jedoch nie ein- ander genähert werden, sind kurz und verjüngen sich rasch gegen ihr Ende hin, an der Basis berühren sie sich nicht immer. Ihre Spitzen sind nach außen und hinten gerichtet. In der Seitenansicht zeigen die Zangenarme eine starke Neigung gegen den Körper und eine schwache Krümmung ihrer Enden nach abwärts. Kurz vor der Spitze kann man oft eine Einziehung der Haut bemerken (Fig. 12), so dass sich die Spitze selbst als ein kleiner Kegel schärfer abhebt. Niemals waren diese Spitzen von einer Öffnung durchbohrt, sondern stets geschlossen. Das Glied, welches diese Fortsätze auf seinem Rücken trägt, rundet sich hinter diesen nach unten ab (Fig. 29) und ist, wenn das Thier nicht eben zu kriechen oder sich festzusetzen im Begriffe ist, das letzte äußerlich sichtbare Glied des Fußes. In der Mitte in dem halbkugelig geformten unteren Theile dieses Segmentes, also demnach gegen unten und hinten gerichtet, kann man dann eine kleine, von radiären Falten umstandene Öffnung beobachten (Fig. 11 x). Durch dieselbe wird, indem sie sich vergrößert, das letzte Fußglied zeitweilig hervorgestreckt. Dieses ist von ganz sonderbarer Gestalt (Fig. 17 !); etwas schmäler als der zangentragende Fußtheil, besitzt es von der Mitte seiner Länge von oben gesehen eine kleine Einbuchtung jederseits, nach welcher die Breite eben dieselbe wird, wie am Anfange. Hierauf folgt wieder eine Einziehung, die sich aber rings um das Glied erstreckt und dadurch das eigentliche Ende schärfer absetzt. Dieses Ende ist durch eine Furche in der Mittellinie in zwei Theile ge- trennt. Jeder Theil zeigt am hinteren Ende vier Einschnitte, die einen Saum von fünf kleinen Zäpfchen erzeugen (Fig. 17 r). Von diesen Zäpf- chen besitzt jedes an seiner Spitze einen Porus, als Mündung der von den Klebdrüsen kommenden Ausführungsgänge. Es sind also die Aus- führungsstellen der Drüsen auf zwei bilateral symmetrisch gelegenen sehr kurzen Fortsätzen des letzten Gliedes in Form kleiner Röhrchen vertheilt. Zur Orientirung der Größenverhältnisse möge dienen, dass an einem 0,304 mm messenden Thiere die Länge der Zangen 0,013 mm, die Distanz der Spitzen 0,0166 mm betrug, während die Breite des sie tragenden Gliedes 0,014 mm war. Von der Länge des letzten Gliedes 0,014 mm fallen 0,0024, also der 6. Theil, auf jene kurzen in der Mittel- linie getrennten Abtheilungen, welche die Zäpfchenreihe tragen. Studien über Räderthiere. 457 Betrachtet man nun den Fuß, wenn das letzte Glied eingezogen ist, indem man auf die Unterseite des zangentragenden Gliedes einstellt, so erblickt man unter der vorerwähnten kleinen Öffnung desselben das letzte Glied. Dasselbe kann verschieden weit in den Körper zurück- gezogen erscheinen, je nachdem die vorderen Segmente des Fußes mehr oder weniger tief im Körper verborgen sind. Wählt man eine solche Stellung, in welcher dasselbe gerade unter der faltig geschlos- ‚senen Öffnung liegt, dann zeigt es sich in der Daraufsicht auf die Öff- nung im optischen Querschnitte und man gewinnt die Überzeugung, dass es leicht gefurcht ist, in so fern als es an seiner Unterseite eine schwache Rinne besitzt; am Rücken ist es gewölbt. Zu oberst in dieser Stellung erscheinen dann die zehn Drüsenmündungen als helle Punkte der Krümmung des Gliedes entsprechend in einer Kurve angeordnet, von welchen die zwei äußersten oft größer sind als die übrigen. Durch Verschiebung des Tubus kann man von den Poren nach innen Kanäle verfolgen, zehn an der Zahl, die nach innen zu konvergiren (Fig. 31 !). Andieses letzte Glied setzen sich die Klebdrüsen an (Taf. XX VII, Fig. 31,32,33kdr). Paarig angeordnet, reichen sie je nach dem Kontraktions- zustande des Fußes in das 12. bis 9. Körpersegment hinein; bei jeder Streckung des Fußes bewegen sie sich in der Längsrichtung des Kör- pers und verändern so ihre Lage zu den übrigen Organen. Für sie ist ventral vom Enddarme unter demselben der Raum, in dem sie ihre Verschiebungen ausführen können. Der Drüsenkomplex setzt sich aus zwei Theilen zusammen, einem medianen, unpaaren, aus kleineren Zellen bestehenden (Taf. XXIX, Fig. 4 u), der sich an das letzte Fußglied direkt anschließt, und aus paarigen Zellreihen, die als eigentlicher Drüsenapparat anzusehen sind. Auf jeder Seite besteht dieser Drüsenapparat aus zwei Zellreihen. Die äußere von beiden ist aus kugeligen (Fig. 41 adr, vgl. Fig. 33 kdr), die innere aus länglichen Zellen gebildet. Die kugeligen Zellen grenzen mit ebenen Flächen an einander, die senkrecht zur Längsausdehnung der Reihe stehen. Die ganze Reihe besteht aus vier Zellen, jede mit fein granulirtem Inhalte und einem großen schönen Kerne, der die Mitte der Zelle ein- nimmt. Nicht selten schmiegen sich in den Raum, wo zwei kugelige Zellen an einander stoßen, kleinere Zellen hinein, ein bis zwei an der Zahl, von der gleichen Beschaffenheit, wie die großen, so dass dann fünf bis sechs Zellen in der äußeren Reihe vorhanden sind. Die innere Zellreihe ist aus nicht kugeligen, schmäleren nahezu eylindrischen Zellen gebildet, deren Endzelle wie eine Mütze (Fig. 33 Adr, Fig. 41 ıdr) zugespitzt ist; auffallend ist es, dass die Grenzflächen zwi- schen den einzelnen Zellen nicht immer senkrecht, sondern oft schief 458 Carl Zelinka, zur Längsrichtung der Reihe stehen und dass dies oft unsymmetrisch, bei einer der beiden Reihen der Fall ist, während die andere senk- rechte Grenzwände zeigt. Jede innere Reihe besteht aus zwei bis drei Zellen, die im Aussehen den kugeligen Zellen gleichen. Im unpaaren Theile des Fußdrüsenkomplexes beginnen die Aus- führungskanäle. Sie münden in den beschriebenen zehn Zäpfchen des letzten Fuß- gliedes, und sind die fünf Röhrchen jeder symmetrisch gelegenen Ab- theilung in direktem Zusammenhange mit den zwei Drüsen ihrer Seite, so dass trotz der scheinbaren Vereinigung im medianen, unpaarigen Stücke der Drüsen jede Seite ihre eigenen Kanäle hat. Am unpaaren Stücke inseriren sich auch die Retraktoren des Fußes. Die beiden ventralen Paare inseriren sich an der Unterseite desselben derart (Taf. XXIX, Fig. #1 mp, Ip), dass die beiden Muskel jeder Seite durch Konvergiren sehr nahe zusammenlaufen und an der Grenze der zwei Drüsenzellenreihen in der Mitte zwischen beiden sich festheften. Das Paar der dorsalen Retraktoren inserirt sich am Rücken des medianen unpaaren Theiles (dp). | Die Haut des Fußes ist eben so beschaffen, wie die des Körpers überhaupt; überall ist ein dünner Hypodermisbelag in Form eines Syneytiums unter der Cuticula zu finden. Die Zangen des vorletzten Gliedes sind bis gegen die Spitze hohl, in welcher die Hypodermis einen soliden, die Spitze ausfüllenden Zapfen formirt. An der Basis jedes Zangenarmes liegt in der Plasmaschicht ein Kern mit Kernkörperchen. Wie schon oben gesagt, ist die Spitze immer geschlossen, daher eine Ausmündung irgend eines Organs unmöglich. Das Festsetzen ge- schieht nie mittels der Zangen am vorletzten Gliede, weder durch Um- klammern eines Gegenstandes, noch dadurch, dass die Fußdrüsen in den Spitzen der Zangen mündeten. / Man sieht vielmehr vor jedem Festsetzen das letzte Fußglied unter dem zangentragenden sich vorstrecken, stoßweise einige kurze suchende Bewegungen machen und sich der Unterlage dann anpressen. Indem damit die Poren mit dem Stützpunkte in direkte Berührung gebracht werden, klebt das Sekret, das aus jeder Pore austritt, an. Nun wird das letzte Glied etwas in den Körper zurückgezogen, so weit, dass es von oben nicht mehr gesehen werden kann und die Zangen das letzte Ende des Körpers bilden, dabei wird der Fuß so weit gekrümmt, dass die Öffnung, in welche sich das porentragende Endglied zurück- gezogen hat, unter und sogar vor der Basis der Zangen liegt. Wenn nun bei zufälliger Haltung des Körpers die beiden Zangenspitzen an die Unterlage angedrückt werden, so könnte man bei oberflächlichem Be- Studien über Räderthiere. 459 trachten glauben, es sei dies ein Anheften mittels der Zangen. Aber schon eine einfache Beobachtung überzeugt von der Irrigkeit dieser Auffassung, da man am rädernden Thiere ein gewisses Drehen und Schwanken des Körpers sieht, welche Drehungen um den eigentlichen Befestigungspunkt ausgeführt werden, der vor den Zangen liegt. Die Zangen beschreiben nun beim schwankenden Drehen des Thieres wie der ganze Körper kleine Kreisbogen nach links und rechts in der Hori- zontalebene, was bei einem Festkleben mittels der Zangenspitzen un- möglich wäre. Mit sehr starken Vergrößerungen gelingt es, das Kleb- mittel zu sehen, da beim Kriechen Fußspuren zurückbleiben. Das Sekret der Klebdrüsen ist ein zähes und fadenziehendes. Sobald Kar- minkörnchen in großer Menge im Wasser vertheilt sind und an dem zu Fäden ausgezogenen Sekrete eines hastig kriechenden Thierchens hängen bleiben, kennzeichnen sie dieselben als gerade Reihen von dunkeln Körperchen und man bemerkt dann zwei parallele lange Fäden, aus dem Sekrete der beiden äußersten großen Poren des Fußendgliedes gebildet, welche den zurückgelegten Weg deutlich bezeichnen (Fig. 9) und oft über mehrere Anheftungsstellen auf die drei- bis vierfache Länge des Thieres hin zu verfolgen sind. An den Fixirpunkten be- festigt sind sie zwischen denselben wie Saiten frei ausgespannt. Die den feineren Poren entsprechenden Fäden, welche man zwi- schen den großen zu finden gegründete Vermuthung hätte, sind in solcher Länge nie zu sehen, indem sie bei ihrer Zartheit keine solche Dehnung ertragen zu können scheinen und beim Kriechen bald abge- rissen werden. Ist aber das Thier erst im Begriffe sich loszulösen, dann sieht man, der Porenanzahl entsprechend, bei günstiger Beleuchtung auch eben so viele feine Fäden in einer Geraden an der Unterlage angeheftet (Fig. 10) und noch mit den Poren zusammenhängen. Beim Abreißen schnurren sie zu kleinen unregelmäßigen Körnchen zusammen. Vergleichender Theil. Die vorliegende Beschreibung weicht von der bisherigen anderer Autoren etwas ab, vor Allem darin, dass die Klebdrüsen als zwei paarige Zellreihen erkannt worden sind, von welchen geschlossene Kanäle zu ihren Mündungen führen, während Eckstein p. 419 (Nr. 67) die Fußdrüsen der Rotatorien im Allgemeinen als zwei kolbenförmige Organe, die hier und da etwas eingeschnürt sind, beschreibt. O. Zacuartas (Nr. 274, Taf. XVI, Fig. 1) giebt von den bei Roti- fer in einem Paare erscheinenden Fußdrüsen keine Beschreibung; in seiner Zeichnung aber stellt er sie so dar, als ob er die einzelnen Zellen unterscheiden wollte, wenigstens ist in jeder durch die Ein- 460 - Carl Zelinka, schnürung abgegrenzten Portion ein Zellkern deutlich eingezeichnet. Ferner ist die Mündungsart der Drüsen in zehn, zu je fünf stehenden, Zäpfchen etwas bisher nicht Beschriebenes. Eine augenscheinlich ähn- liche Beschreibung giebt Bartscn p. 46 (Nr. 10) vom Fuße einer Galli- dina, die er auf Callidina bidens Gosse bezieht. Er sagt daselbst: »Auch will es mir scheinen, als ob die großen Klebdrüsen hier nicht in die Spitzen der Fußzangen, sondern in das eigentliche Fußende in kleine Wülstchen münden würden.« Leider wird diese Angabe weder durch eine Zeichnung, noch durch eine genauere Bestimmung der Zahl der Wülstchen unterstützt. Die Beobachtung, die Eexstein (Nr. 67, p. #19) bezüglich des An- heftens bei Rotifer, also eines Verwandten von Gallidina machte, nach welcher dabei der Zweck des Sekretes nicht der ist, »das Thier überhaupt festzuhalten, sondern der, nur als kurzwirkendes Klebmittel zu dienen, bis der Rand des dritten Fußgliedes fest aufgesetzt ist, wor- auf die beiden ersten eingezogen werden«, wobei ein leerer Raum ent- steht, »so dass der Fuß durch den äußeren Druck angepresst hängen bleibt«, konnte ich bei dieser Callidina niemals machen, vielmehr sah ich, dass das Thier nur durch das Sekret der Drüsen angeheftet ist, dass bei der lebhaften Streckung beim Tasten, mitunter auch beim Wirbeln, zu wiederholten Malen der Fuß ganz ausgezogen war und das letzte Glied mit seinen Zäpfchen hervorkam und doch das Thier fest angeklebt blieb, was, wenn der äußere Druck in Wirksamkeit wäre, unmöglich sein würde, da beim Strecken aller Fußglieder der fest- haltende Apparat nicht mehr vorhanden wäre und das Thier seinen Halt verlieren müsste. Der Unterschied, den bezüglich des Sekretes EckstEın macht, »als es bei den einen Arten zum Ankleben des Fußes dient, während es bei anderen zu einem feinen Faden ausgesponnen werden kann«, findet bei der Callidina einen ausgleichenden Übergang, als beim Kriechen nicht selten die Fäden des Sekretes lang ausgezogen werden, bis sie entweder reißen, oder das Thier wo anders sich anheftet. Das von Mösıus (Nr. 199, p. 211, 212) beschriebene einzig da- stehende körnige Sekret bei Brachionus plicatilis könnte vielleicht seine Erklärung darin finden, dass es abgerissene und zusammenge- schnurrte Fäden waren, die den Eindruck von Körnchen machten, wäh- rend die Fäden selbst, nur bei starker Vergrößerung sichtbar, gar nicht beobachtet wurden. Die dem sehnigen Faden, der nach Eckstein jederseits die Drüsen befestigt, entsprechenden Gebilde sind bei Callidina in drei Paaren vorhanden und werden von mir ihrer Beschaffenheit nach, da sie Kerne Studien über Räderthiere. 461 enthalten, den anderen Muskeln vollkommen gleichen und andere Ele- mente zum Zurückziehen des Fußes nicht vorhanden sind, auch für solche gehalten. Bezüglich des Losreißens des Fußendes von der Unterlage liegen Beobachtungen von GRENACHER (Nr. 118, p. 495) über Brachionus vor, wonach durch Anstemmen des vorletzten und Einziehen des letz- ten Gliedes die Fäden abgerissen werden. Diese Beobachtung konnte ich bei Gallidina nicht machen, wohl aber fand ich die Vermuthung Grenacner’s bestätigt, dass bei anderen Rotatorien das Losreißen entweder durch die stärkere Thätigkeit des Räderorgans oder durch wurmförmige Krümmung des Körpers erfolge, in so fern als die Fäden bei Callidina beim blutegel- oder spanner- raupenartigen Kriechen abgerissen werden, sobald, nachdem das Vor- derende sich angeheftet, der Körper eingezogen wird. Zum Schlusse mögen noch die Angaben Pratr’s, dass die Klebdrüsen - der Rotatorien „im Inneren aus einer homogenen nicht in Zellen ge- sonderten Protoplasmamasse mit großen eingestreuten Kernen« (Nr. 213, -p. 101) bestünden und das Syncytium auch für die Klebdrüsen charak- teristisch sei (l. e. p. 103), durch den Hinweis auf meine Beobachtungen ihrer Allgemeinheit entkleidet werden. | Kap. VI. Verdauungskanal. | Die Mundöffnung und der Schlund wurden schon beim Räderorgan ‚ besprochen. Das enge Schlundrohr führt die Speisen in den Schlund- kopf oder Pharynx (Fig. 31, 32, 33 ph), einen Kauapparat, der aus zwei | Kieferplatten und der sie bewegenden Muskulatur besteht. Eine starke elastische Wand umschließt den Pharynx vorn und geht in die Wand ‚ des Schlundspaltes über (Fig. 24, 36 e). Zwischen den sich bewegenden ‚ Platten wird eine Spalte frei, welche die Fortsetzung des Raumes der ‚spaltenförmigen Schlundröhre bildet. Die Kiefer stehen schief von ben oben nach vorn unten (Taf. XXVII, Fig. 32 ki) zur Längsachse ‚des Thieres, wie eine Seitenansicht zeigt; von oben wird man daher | keine reine Flächenansicht von ihnen haben können. Die beiden Kiefer | (Taf. XXVI, Fig. 18) sind in ihren Grenzlinien symmetrisch zu einander | geformt, man wird daher von einem inneren (?) und einem äußeren («) ‚Kontour an jeder Platte sprechen können. Betrachtet man sie im Ruhe- | zustande von ihrer Oberfläche, so ist jede längliche Platte mit einem ‚konvex gekrümmten äußeren Kontour versehen, während der innere ‚dem zweiten Kiefer zugewendete erst gegen das eine Ende hin eine \konkave Einziehung erhält. Dadurch entsteht eine halbmondförmige ‚Spitze (h), welche der des anderen Kiefers entgegensieht, und die man, Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLIV. Bd. 30 | | 462 Carl Zelinka, da sie im Streckungszustande des Thieres gegen den Fuß sieht, als das Hinterende des Kiefers wird bezeichnen können. Gegen das Vorder- ende wird jede Platte breiter durch größeres Entfernen des äußeren Randes von der Symmetrale, um im letzten Viertel der Länge durch stärkeres Fallen der Endkurve rasch schmäler zu werden und mit einem abgestumpften gerundeten Ende aufzuhören. Vorder- und Hin- terende liegen an der Symmetrielinie, das erstere jederzeit dicht an dem des anderen Kiefers und mit demselben verbunden. Jede Platte könnte demnach, wenn man nicht zu genaue Ähnlichkeit verlangt, mit einem Halbmonde verglichen werden. Bei Untersuchung jedes Kiefers auf seine Körperlichkeit macht man die Beobachtung, dass die Oberfläche nicht eben, wie sie von oben betrachtet erscheint, sondern sphärisch ist und eine erhabene Wölbung besitzt, welche in der Querdimension liegt (Taf. XXVII, Fig. 24 ki) und daher im optischen Querschnitte gesehen wird, während der Längs- schnitt nur an den Enden eine schwache Krümmung zeigt (Fig. 21). Im Querschnitte beobachtet man ferner, dass der erhabenen Wölbung der Oberseite eine konkave der Unterseite entspricht, so dass also jede Platte der Quere nach gegen die Unterseite etwas eingerollt ist. Man kann demnach nach der gegenseitigen Lage der Kiefer an jedem einen inneren (Fig. 24 i) und äußeren (a) Randwulst unterscheiden, während die konkave Fläche jeder Platte selbst der Unterseite, die konvexe der Oberseite entspricht, welche Bezeichnung hier festgehalten werden soll. Die eingerollten Ränder sind verdickt. Der innere Randwulst jedes Kiefers ist an der Symmetrielinie, dort wo er an den gegenüber liegenden des anderen Kiefers stößt, steil abfallend und diese Fläche bildet mit der konvexen Oberfläche der Platte einen scharf ausgeprägten Winkel, dass sie sogar von oben gesehen werden kann. In der Daraui- sicht ergiebt sich ein optisches Trugbild; es erscheint bei nicht ein- gehender Betrachtung die Oberfläche selbst wie scharf abfallend gegen die Symmetrielinie und zwar hält man die von der Symmetrielinie außen gelegene Grenzlinie jeder geneigten Ebene für den Ausdruck der Kante, wo der scheinbare Oberflächenabfall beginnt, während man die eigentliche Kante zwischen Ebene und Oberfläche des Kiefers für die Grenzlinie des Abfalls ansieht. Der äußere Randwulst hat eine Längsfurche, die im optischen Querschnitte zu sehen ist. Auf der Oberfläche des Kiefers erheben sich starke Querleisten, auf dem einen Kiefer 2, auf dem anderen 3, im Ganzen also 5. Sie werden als Zähne bezeichnet (Fig. 18 z). Der 3. Zahn des einen Kiefers ist jedoch mitunter weniger scharf als die übrigen. Zwischen den Zähnen sind hohle glatte Furchen (fu), und dort, wo an einem Kiefer Studien. über Räderthiere. 465 Zähne sind, befinden sich am anderen diese Rinnen. Jeder Zahn ist eine Leiste mit abgerundeter Oberfläche, gegen den Raum zwischen beiden Kiefern mit einer kurzen Spitze vorspringend, welche in eine Einbuchtung zwischen den Zähnen des anderen Kiefers passt. Sie ge- hören nur der Oberseite an und setzen sich nicht auf den inneren Randwulst fort. Die übrige Oberseite der Kiefer ist von feinen Riefen durchzogen, welche wie die Zähne quer laufen und die ganze Fläche von den Zähnen bis zu den Enden bedecken (Fig. 18). Im. optischen Querschnitte beobachtet man die Kaumuskel, welche an den Enden der Kiefer als dreilappige Masse (Fig. 24 k) die hintere, beziehungsweise untere Fläche der Platten bedecken. Dort, wo als Fortsetzung der Schlundröhre Raum für die passirende Nahrung sein muss, fehlt der mittlere Muskellappen. Ihre Wirkung ist folgende: die Kiefer liegen in der Ruhe mit ihren Oberflächen nahezu in einer Ebene, dann werden sie energisch zusammengeklappt, wobei der Zahn der ‚einen in die korrespondirende Furche des anderen drückt. Beim Zu- sammenfahren geht die Drehachse der Platte durch die Symmetrielinie ihrer früheren Ruhelage, die inneren Ränder der Kiefer bleiben also beisammen. Während ihres Auseinanderklappens aber weichen sie mit ihren Spitzen aus einander, als wollten sie Platz zwischen sich machen für die zermalmten Körper. Nun hat jeder Kiefer seine eigene Dreh- achse, die seinem inneren Rand entlang läuft; die Drehachsen beider Kiefer bilden einen sehr spitzen Winkel, dessen Schenkel am stumpfen Ende des Kiefers liegen, welche Enden immer beisammen bleiben. Je mehr sich die Kiefer der Ruhelage nähern, desto mehr nähern sie sich wieder mit ihren Spitzen. In der Ruhelage angelangt bleiben sie jedoch nicht stehen, sondern gehen noch darüber hinaus, sie klap- pen nach der anderen Seite, allerdings nur wenig, worauf sie in die Ruhelage zurückkehren und eine Pause machen. Dann beginnt das Zusammenklappen von Neuem. Hat das Thier großen Hunger und mit dem Verschlucken der Nahrung Eile, so fällt die kleine Pause weg und die Bewegung findet in continuo statt. An dem stumpfen Ende trennen sich die Kiefer nie. Ein Gelenk, welches etwa so konstruirt wäre, dass ein Auseinanderfallen unmöglich wäre, konnte ich dort nicht sehen, wahrscheinlich werden sie durch ein festes elastisches Band von wider- standsfähiger Konsistenz zusammengehalten, da an vollkommen mace- rirten Thieren, von welchen nur noch die Cuticula vorhanden war, die Kiefer im Thiere noch immer vereinigt lagen und durch Druck, ohne sich von einander zu lösen, zusammen hinausgepresst werden konnten. Die Kiefer liegen im kontrahirten Thiere verkehrt wie im gestreckten, indem im letzteren Falle die stumpfen Enden der Kiefer gegen das. 30* 464: Carl Zelinka, Fußende, die Spitzen aber nach vorn liegen. Seinen Grund hat dies in der eigenthümlichen Drehung, welche die Kauplatten beim Ein- und Ausziehen des Körpers zu machen genöthigt sind. Vergegenwärtigt man sich die schiefe Lage der Kiefer im ausge- streckten Thiere, wie früher beschrieben worden, und betrachtet es von der Seite (Fig. 21), dann liegt das Hinterende der Kiefer gegen den Rücken des Thieres, die stumpfen Vorderenden bauchwärts, die Zähne: auf der dem Rücken zugewendeten Oberseite. Beim Zurückziehen des Kopfes drehen sich nun die Kiefer wie ein einarmiger Hebel um einen in ihren spitzen (hinteren) Enden gelegten Drehpunkt derart, dass die: verbundenen stumpfen (vorderen) Enden (db) am Bauche einen Kreis- bogen nach hinten und rückwärts beschreiben, bis sie in der Seiten- ansicht eine gerade entgegengesetzte Lage haben als vorher (c), indem jetzt die stumpfen Enden zwar auch noch ventral, aber gegen den Fuß gerichtet liegen, während sie früher zum Kopfe sahen. Die spitzen Kieferenden (a) blieben während der Drehung fix. Nur liegen die Zähne nicht mehr gegen den Rücken, sondern gegen den Bauch gerich- tet, also die Unterseite der Platte nach oben und so werden die Kiefer in dieser Lage weiter in den Rumpf zurückgezogen. Bewirkt wird die Drehung durch die zwei im Kapitel über die Muskel beschriebenen starken Fasern, die sich an der Unterseite des Pharynx ansetzen und als Retractores pharyngis bezeichnet worden sind. Umgeben ist der Pharynx von Drüsen, welche eine ganz bestimmte Lage zu ihm und zu einander haben (Taf. XXVII, Fig. 31, 32,33). Man kann sie in solche theilen, welche vor und solche, welche hinter den Kiefern liegen. Die ersteren sind zwei einzellige Drüsen, ganz dorsal und: auf dem Schlundrohre zu finden (Fig. 32 dsp), die letzteren liegen nur ventral und seitlich und schmiegen sich dem Schlundkopfe dicht an. Es sind dies drei an der Zahl, wovon eine median unter dem Pharynx zu fin- den ist (Fig. 31 vsp,), während die beiden anderen ventral beginnen, um. an den Seiten heraufzusteigen und da zu enden (vsp, und vsp;). Sie sind) länglich und gekrümmt, während die mediane mehr kugelig ist, aber ein zu einer kurzen Spitze ausgezogenes Vorderende hat, mit welchem: sie zwischen die Basis der seitlichen Drüsen hineindrängt, also von den’ letzteren zum Theile eingeschlossen wird. Sämmtliche sind mehrkernig, die Kerne groß und deutlich, das Plasma von dunklen Körnchen er-: füllt (Taf. XXVII, Fig. 24 vs). Alle diese Drüsen, sei es, dass sie ihr‘ Sekret vor oder hinter den Zähnen der eben zermalmten Nahrung bei- mischen, werden als Speicheldrüsen zu bezeichnen sein. Demnach hat: man zwei dorsale und drei ventrale Speicheldrüsen zu unterscheiden. Aus dem Pharynx wird die Nahrung durch eine kurze und enge Röhre, Studien über Räderthiere. 465 dem Ösophagus (oe), in den Darm geleitet. Der Ösophagus, am leben- den Thiere nur bei besonders günstigen Stellungen zu sehen, kann auch am konservirten Materiale nur dann beobachtet werden, wenn es gelingt, das Thier in größter Streckung zu tödten (Fig. 32). Er ist ein innen bewimperter weicher Schlauch, bald gekrümmt, bald gerade, wie es die augenblickliche Lage der übrigen Organe verlangt, und trägt dorsal eine Drüse von Form einer kreisrunden Scheibe, welche von der Seite eiförmig erscheint (Fig. 32 dr). Ihr Plasma ist im Leben ho- mogen; in ihm liegen viele mit kleinen Kernkörperchen versehene Kerne eingebettet, welche in regelmäßigen Abständen von einander sich befinden und heller sind, als das Protoplasma, so dass sie wie die runden Löcher in einem Blechsiebe neben einander liegend erscheinen. Dahinter an der Einmündung des Ösophagus in den Magendarm liegt dorsal noch ein Komplex von drei ellipsoiden Drüsen (Bsp), eine median, die beiden anderen lateral, welch’ letztere sich dieht an die mediane anschließen. In ihrem Habitus erinnern sie an die ventralen Spei- cheldrüsen des Pharynx und dürften als Bauchspeicheldrüsen aufzu- fassen sein. Wenn der Ösophagus nicht ausgedehnt ist, dann liegen alle beschriebenen Drüsen dicht beisammen und bilden einen Ringwall um die Gegend des Pharynx und Magenanfanges. Den nun folgenden Theil des Verdauungstractuskann man in drei Ab- schnitte scheiden: in den Magendarm, den Blasendarm und das Reetum. Der Magendarm, der nächste Abschnitt nach dem Ösophagus, bildet eine mit mächtiger, weicher Wand versehene Röhre, die im fünften bis achten Rumpfsegmente liegt und nur beim Kriechen und Strecken des Thieres, nach ihren äußeren Kontouren zu urtheilen, in der ganzen Länge zu sehen ist (Fig. 31, 32, 33 md). Aber auch dann sieht man das Lumen der Röhre nicht gerade gestreckt, sondern in Schlangenwindungen von vorn nach hinten verlaufen. Von der ven- tralen Seite bietet sich folgendes Bild in einem gestreckten und konser- virten Thiere dar (Fig. 31): Scharf vom Ösophagus abgesetzt beginnt der Magendarm vorn breit und quer abgestutzt, um gegen seine Mitte hin schmäler zu werden und meistens hinter derselben auf beiden Seiten durch die daselbst liegenden Geschlechtsorgane eine starke Ein- buchtung zu erleiden. Dahinter wird er abermals breiter und endet wieder quer abgestutzt, allerdings nicht so breit wie am Ösophagus. Dadurch entsteht den Umrissen nach fast das Bild eines auf den Enden mit Gelenken versehenen Röhrenknochens eines Säugers (Fig. 33). Doch ist die Ähnlichkeit nur bei gestrecktem Darme auffallend, indem sonst immer Biegungen, sei es durch die Haltung, sei es durch größere Ent- wicklung eines Geschlechtsorgans eintreten. In der Seitenansicht ist 466 Carl Zelinka, die Form des ganz gestreckten Magendarmes die einer ziemlich gleich- mäßigen dicken Röhre mit dorsal oder ventral vorspringenden lappen- artigen Vortreibungen. Dadurch dass dieser Darmabschnitt durch paarige, in der Mittellinie des Rückens entspringende Bindegewebs- fasern, die zu seinen Seiten herabziehen, fixirt ist, kann er auch an diesen Stellen dorsale Zipfel besitzen (Fig. 32). Am rädernden Thiere ist er immer in Windungen gelegt, die weniger an den äußeren Grenz- linien als am Lumen erkannt werden. Die Windungen erstrecken sich schlingenartig nach rechts und links, so wie nach oben und unten, so dass mehrfache optische Querschnitte des Darmhohlraumes als glän- zende Kreise sichtbar werden. Die äußeren Kontouren folgen nicht den einzelnen Schlingen, sondern überspringen sie mitunter, indem sie nur schwächere Einbuchtungen und Lappen vorzeichnen. Gegen sein Lumen ist der Magendarm durch eine starke Cuticula von deutlich doppeltem Kontour abgegrenzt (Taf. XXVII, Fig. 23 cu). Sie fällt durch ihre glänzenden Ränder auf und trägt zahlreiche und lebhafte Flim- mern (Taf. XXIX, Fig. 41 md), welche nach hinten schlagen und die Nahrungstheilchen in lebhaft wälzende Bewegung versetzen. An opti- schen Querschnitten des runden Darmlumens zeigt sich demnach das Trugbild einer rotirenden Kugel. An macerirten Exemplaren bleibt die Cuticula lange noch erhalten und kann durch Druck zum Munde herausschlüpfen; sie macht dann in ihrem glänzenden Aussehen den Eindruck wie die Schwimmblase eines Fisches. Zu ihren Eigenschaften gehört die Elastieität, da sie bei vollgepfropftem Zustande des Darmes sich beliebig ausweitet, um nach Entleerung wieder zum früheren Umfange zurückzukehren. Die eigentliche Darmwand ist massig und dick und besteht nach Alkoholbehandlung und Färbung in Alaunkarmin aus einem feinen grauen Plasma, in welchem Zellkerne von ellipsoider Form und 0,0025 mm Durchmesser liegen (Fig. 23 pl, 41 md). Jeder Kern hat einen ovalen Nucleolus, der in seiner Mitte liegt. Im frischen Zustande bietet diese Masse einen ganz anderen Anblick, indem noch zahlreiche Fetttröpfehen dazukommen, die durch Alkohol verschwinden. Am wohlgenährten Thiere ist die ganze Masse durch das Fett röthlich gelb gefärbt, während nach Hungerexperimenten die Farbe viel lichter wird und fast verschwindet. Junge Exemplare haben einen farblosen Darm. Zellgrenzen konnten nie, weder an frischem noch konservirtem Mate- riale, gesehen werden. Die Masse des Magendarmes ist ein Zellsyneytium mit eingestreu- ten Kernen. Intracellulare Verdauung war nicht zu beobachten, weder bei künstlicher Fütterung mit Farbstoffen, noch bei Verfolgung der Studien über Räderthiere. 467 natürlichen Nahrung durch den Darm, da sie fortwährend durch die Flimmerbewegung im Lumen rotirend langsam den Hohlraum des ganzen Magendarmes durchzog. Gegen die Leibeshöhle ist das Zellsyneytium scharf begrenzt, was auf einen Abschluss durch eine Membran schließen lässt, die sich aller- dings nie an lebenden, wohl aber an konservirten Thieren nachweisen lässt, indem sich bei den Aufhängestellen des Darmes durch die dor- salen Bindegewebsfasern Falten derselben konstatiren lassen. Eben so sicher erscheint sie auch durch Maceration im Wasser, nachdem die Plasmamasse schon zersetzt ist; dann erkennt man eine zarte, unmess- bar feine Cuticula als Umhüllung des ganzen Magendarmes. Der Magen- darm ist also ein doppelwandiger Sack, zwischen dessen Doppelwän- den das Zellsyneytium sich befindet. Im Leben ist der ganze Magendarm ungemein weich, fast flüssig zu nennen, er weicht jeder Bewegung, jedem Drucke der anderen Organe aus, und man sieht dann die röth- liche Masse förmlich an die von Druck freien Stellen hinströmen. Auf den Magendarm folgt der Blasendarm. Zwischen beiden sind jedoch zwei Zwischenstücke eingeschoben (Fig. 31, 32, 33), von denen das unmittelbar auf den Magen folgende von demselben scharf abge- setzt erscheint und als ein Zellenring sich darstellt. Nur am ganz ge- streckten Objekte frei zu sehen, ist es sonst im Hinterende des Magen- darmes versteckt (Fig. 42 sph) und erscheint wie ein Theil desselben. Es springt nach außen bald mehr bald weniger vor, und in Verbindung mit dieser Erscheinung zeigt es sich, dass es auch in das Lumen des Darmkanales nicht immer gleich hineinragt. In Fig. A1 sph ist ein Bild fixirt, in welchem dieser Ring das Lumen fast verschließt, während andere Präparate diese Stelle eben so weit wie den übrigen Raum im Darmkanale zeigen. Die Substanz dieses Ringes ist ein homogenes Plasma mit einer Anzahl von Zellkernen. Zellgrenzen waren auch nach Konservirungsmitteln nicht zu sehen. Ich halte den Ring für einen Sphinkter, der die Aufgabe hat, das vorzeitige Durchtreten der Nah- rung zu verhindern und das Plasma mit den Kernen für glatte, mit ihren Zellgrenzen dicht an einander schließende Muskelfasern, wie es ja von glatten Muskeln, welche zu Zügen vereinigt sind, bekannt ist, dass ihre Grenzen nur nach besonderer Präparation zu erkennen sind. Das folgende Zwischenstück ist eine kurze, vom Sphinkter wie vom Blasendarme deutlich abgeschlossene cylindrische Röhre mit dünnen innen bewimperten Wänden (Fig. 41 vr). Der Blasendarm ist ein durch seine Gestalt auffallender Theil des Darmtractus (Fig. 31 bis 33 bd), indem er groß, blasenartig erweitert je nach der Streckung des Thieres kugel- oder birnförmig ist und im letzteren Falle mit dem 468 Carl Zelinka, stumpfen Ende an das Zwischenstück stößt, mit dem spitzen in das letzte Stück das Darmkanales allmählich übergeht. In der Mitte seiner Längsausdehnung verläuft an seiner Oberfläche eine transversale Ring- furche rund herum, die oft mit der Grenze des 10. und il. Segmen- tes koincidirt und welche der Ausdruck des eigenthümlichen Baues ist. Der ganze Blasendarm ist nämlich aus zwei Zellringen zusammenge- setzt, die in den Furchen an einander stoßen. Dort, wo die Ringe zu- sammenstoßen, ist auch innen (Taf. XXIX, Fig. 41 bld) eine seichte aber doch deutliche Furche. Jede Zelle hat ihren großen, flachen, ovalen Kern mit kleinen Kernkörperchen und trägt zahlreiche lange Wimpern, welche im Querschnitte durch den Blasendarm sehr schief auf der Zell- fläche stehen und gekrümmt gegen das Centrum des Lumens (Taf. XXVII, Fig. 22 bild), zugleich etwas gegen unten, in Wirklichkeit also gegen hinten, gebogen sind. Durch diese Stellung machen sie in ihrer Ge- .‚sammtheit den Eindruck einer Art Schraubenmutter, durch deren Be- wegung die Nahrung langsam herumgetrieben wird. Hier wird die Fäcesbildung eingeleitet und vollendet. Die Lage des Blasendarmes im Körper ist nicht konstant, er rückt mitunter in das 10., ist aber meist im 14. Gliede zu finden. An ihm inseriren drei Paare von der Ober- haut entspringender Muskeln, wie im Kapitel über die Muskeln be- schrieben wird. Die nach langem Rotiren formirten Ballen werden endlich durch den letzten Darmabschnitt hinausbefördert. Derselbe verläuft vom Blasendarme in gerader Richtung (Fig. 3I—33 und 41 cl) ohne Biegung zum After (a). Man kann ihn daher Rectum nennen, vielleicht ist er jedoch als Kloake aufzufassen (siehe Kapitel Geschlechtsorgane). Im unthätigen Zustande eng, ist er von Zellen gebildet, unter welchen mehrere besonders in die Leibeshöhle vorspringen. Sie erweisen sich als die Körperchen von Ringmuskeln, deren Funktion sowohl im Ab- schließen des Darmes als in dem Hinauspressen der Fäces zu suchen ist. Flimmerung war im Lumen nicht zu sehen. Der After befindet sich am Ende des 12. Gliedes dorsal und ist am lebenden Thiere sehr schwer zu bemerken. Am leichtesten erscheint er am mace- rirten Präparate als eine sehr flach gewölbte tunnelartige Öffnung. Durch die Elasticität der Cuticula der Oberhaut sowohl als auch der Dehnbarkeit des Rectum können ziemlich große Ballen hindurchge- presst werden. Der ganze Verdauungstractus vom Mund bis zum After lässt im Ganzen und Großen also die drei Hauptabschnitte, wie sie bei den Würmern im Allgemeinen vorhanden sind, erkennen. Der Vorderdarm reicht vom Munde zum Magen- oder Chylusdarm, Studien über Räderthiere. 469 der Mitteldarm ist der Chylusdarm selbst, auf welchen der Enddarm, bestehend aus dem Zwischenstücke, Blasendarm und Rectum, folgt. Der Vorderdarm würde dann in die Mundhöhle oder Mundtrichter, das Schlundrohr, den Schlundkopf und den Ösophagus zerfallen. Vergleichender Theil. Über die Bezeichnung der einzelnen Theile des Verdauungskanales herrschen bedeutende Differenzen. Während z. B. Leyvıe (Nr. 185, p. 408) und Ecksrein (Nr. 67, p. 413) die von mir Schlund oder Pharyngealröhre genannte Partie einfach zum Munde rechnen und den Kanal zwischen Magendarm und Kauapparat als Schlundrohr bezeichnen, bezeichnet Zacnarıas (Nr. 274, p. 431) den ersten Theil als Schlund, während er einen Abschnitt zwischen Kau- apparat und Magen bei Rotifer nicht anerkennt. O. Schmmr (Nr. 229, p- 69) nannte dagegen die vom Munde zum Magen führende Röhre mit allen ihren Theilen einfach Speiseröhre. Hier bin ich auch in der Lage eine Angabe bezüglich einer Galli- dina anzuführen, welche Angabe von Gieioui (Nr. 99, p. 240) über C. parasitica gemacht worden ist. Er unterscheidet eine vomMundein den Schlundkopf oder Pharyngealbulbus führende Sehlundröhre und einen Ösophagus zwischen Pharynx und Magen. Diese Bezeichnung ist desshalb den übrigen vorzuziehen, da sie nicht nur für jedes unterscheidbare Stüek des Vorderdarmes einen Namen hat, sondern diese Benennung der Stücke den Bezeichnungen der ihnen analogen Stücke in der menschlichen Anatomie, woher die Namen ja genommen sind, in ihrer Reihenfolge wenigstens entsprechen. Ich möchte daher vorschlagen, überall wo vom Mundtrichter eine Röhre zum Kauapparat oder Schlundkopfe, Pharynx, auch Mastax ge- nannt, führt, dieselbe als Schlund- oder Pharyngealröhre, und wo vom Kauapparat zum Magendarme eine distinkte Röhre vorhanden ist, diese als Ösophagus zu bezeichnen, um eine konforme Benennung dieser Theile durchzuführen. Drüsen am Verdauungstractus sind bei Callidina bis jetzt noch nicht beobachtet. Gieuiouı (Nr. 99, p. 244) stellt ihr Vorhandensein bei C. parasitica in Abrede. Bei Philodina zeichnet Ecksreın (Taf. XXIV, Fig. 15 s in Nr. 67) zwei Drüsen am Schlundkopfe und bezeichnet sie richtiger Weise als Speicheldrüsen. Es dürften die seitlichen der drei an der ventralen Seite desSchlundkopfes vorhandenen sein, während die dritte, welche sich keilförmig zwischen sie hineinschiebt, ihm entgan- gen sein dürfte. Zacuarus (p. 231) hat diese drei Drüsen bei Rotifer beobachtet und theilt ihnen die Funktion von Magendrüsen zu, dazu be- Stimmt, ein verdauendes Sekret in den Magen abzusondern, wogegen ınan jedoch Einsprache erheben muss, da diese Drüsen am Schlundkopfe 470 Carl Zelinka, und nicht am Magendarme liegen, und weiter der Schlundkopf vom Magen durch den Ösophagus, den ZaıcHArts allerdings nicht gesehen hat, getrennt ist, das Sekret dieser Drüsen also jedenfalls früher in den Schlundkopf und dann erst mit den zermalmten Speisen durch den Ösophagus in den Magendarm kommen kann. Drüsen jedoch, welche ihr Sekret während des Kauens den Speisen zumischen, wird man nach Analogie der Funktion der Speicheldrüsen anderer Thiere ebenfalls als solche bezeichnen müssen. Sehr Unrecht thut Zacuartas EcksTEin, wenn er p. 231 sagt »Eck- STEIN meint p. 415, dass an den Drüsenmassen bei Rotifer- und Phi- lodina keine einzelnen Lappen zu unterscheiden seien. Ich kann mir diese von meinen eigenen Beobachtungen vollkommen abweichende Angabe nur dadurch erklären, dass der Gießener Beobachter den Schlundkopf eines Rotifer lediglich von der Dorsalseite betrachtet hat. In diesem Falle erscheint die zu beiden Seiten heraufquellende Drüsen- masse allerdings ungelappt« ete. ZacHarIs spricht von den Schlund- kopfdrüsen, unseren ventralen Speicheldrüsen, Eckstein, der aber den Schlundkopf p. 413 bespricht, erwähnt dort ohnehin die Speicheldrüsen und beschreibt die zwei seitlichen sogar p. 353 von Philodina ei- trina und bildet sie Fig. 14 und 15 Taf. XXIV ab. Der von ZacHarts eitirte Passus Ecksteiv’s auf p. 415 bezieht sich eben gar nicht auf den Schlundkopf, sondern den Magendarm. Eckstein sagt daselbst, dass die Wand des Darmtractus entweder selbst drüsiger Natur ist, oder an dieselbe große Drüsen sich ansetzen. »Unter diesen kann man zwei Arten unterscheiden, nämlich ein Paar, welches zu beiden Seiten des Magens gelegen ist« — »ferner eine große Drüsenmasse, an der ent- weder keine einzelnen Lappen zu unterscheiden sind (Rotifer, Phi- lodina), oder die in nierenförmige oder traubenförmige Lappen zerfällt (Eosphora, Triophthalmus, Fig. 30, 31). Betrachtet man die Fig. 14 und 15 genauer und vergleicht sie mit der angezogenen Fig. 30 und 31, dann überzeugt man sich, dass in beiden die mit h bezeichneten, in der Erklärung Darmdrüse genannten braunen Gebilde, welche am Magendarme in dessen ganzer Ausdehnung liegen, unmög- lich die von Zacnarıas beobachteten Speicheldrüsen sein können und Eckstein sie richtig als ungelappt beschreiben konnte. Am Darme der CGallidina kann man keine von den gesonderten Drüsen, die EcKSTEIN anführt, erkennen. Es würde also, wie bei Philodina, der Fall vor- liegen, dass die Darmwand selbst drüsiger Natur ist und die Sekretion der verdauenden Säfte nebst der Resorption der verdauten Stoffe be- sorgt. Ich selbst habe sie oben einfach als Wand beschrieben, da ich nur das morphologische Verhalten im Auge hatte. Die Fetttröpfchen, Studien über Räderthiere. 471 welche offenbar Assimilationsprodukte des Darmes sind und bei hun- sernden Thieren nach und nach aufgebraucht werden und gänzlich ver- schwinden, als verdauendes Sekret, welches in den Darmtractus über- treten soll, zu betrachten, wie Eckstein p. 416 will, dürfte doch nicht . zulässig sein. Nach der Beschreibung von ZacHar1as scheint Rotifer einen gleich gebauten Magendarm zu besitzen, wie unsere Gallidina; dass er die Zeilkerne nicht gesehen, ist wohl auf die Methode der Untersuchung zurückzuführen. Eine Muskelschicht an der Wand des Darmes, welche O. Scamipr (Nr. 229 p. 70) allgemein annimmt, scheint nicht vorhanden zu sein, die lebhafte Flimmerung sorgt hinreichend für die Fortbewegung der Nahrung. Kap. Vil. Nervensystem und Sinnesorgane. Die Beschaffenheit der Haut und die große Unruhe des Thieres erlaubt es nicht, im Leben irgend welche bestimmteren Beobachtungen über Nerven zu machen. An Präparaten, durch Konservirung in MüL- rer’scher Flüssigkeit, Chromsäure oder Sublimat erhalten, kann man jedoch leicht das Centralnervensystem und die davon nach vorn aus- gehenden Nerven unterscheiden. Schwieriger sind die Rumpfnerven zu sehen. Das Gehirn ist ein massiger, auf dem Schlundrohre hinter der Mundhöhle liegender Körper (Taf. XX VII, Fig. 32; Taf. XXIX, Fig. 37, 38 ce), vorn zugespitzt endend, hinten abgerundet und nach hinten und seitlich am Schlundrohre herabgreifend, indem er es gegen den Schlundkopf zu vom Rücken und den Seiten umgiebt. An den Seiten ist er von einem gegen vorn und oben aufsteigenden Kontour begrenzt. Vom Rücken gesehen wird er daher birnförmig erscheinen, an den Seiten aber wie ein Zipfel einer Decke herabhängen. Der optische Längsschnitt, gebildet durch die Medianebene des Thieres, zeigt eine ellipsenartige Grenzlinie des Gehirns. Am Bauche ist das Schlundrohr frei von der Nervenmasse, nur an den Seiten erblickt man dieselbe, so weit sie vom Rücken herabreicht, wie einen eng anliegenden Mantel um das erstere. Zusammengesetzt ist das Gehirn aus vielen kleinen, dicht gedrängt liegenden Zellen mit großen Kernen (Fig. 37, 38 ce). Gegen das vor- dere Ende beobachtet man in eben dieser Richtung ausgezogene Zellen, welche in die Fasern übergehen, die das Vorderende des Körpers ver- sorgen. Die Punktsubstanz liegt als ein ellipsoider Körper im Gentrum des Gehirns. Zur unteren Fläche des Rüsselganglions begeben sich vom vorderen Ende des Gehirns zwei nahezu parallel ziehende Nerven 472 Carl Zelinka, (Fig. 37, 38 ngl), von an manchen Stellen faseriger sonst fein granu- lärer Beschaffenheit, welche im letzten Drittel ihres Weges stellenweise | feine Fäserchen (nf) an die bogenförmigen Plasmazipfel (hb), welche ' vom Rüssel zum Räderorgane ziehen, abgeben. An der Krümmung dieser Zipfel liegen nämlich, darin eingebettet, jederseits einige Ner- venzellen von gleicher Beschaffenheit wie im Gehirne (/gl) und bilden | daselbst je ein kleines Ganglion. Ein feiner Nervenfaden (n,) zieht außerdem vom vorderen Ende des Gehirns dorsal entspringend jederseits seitlich direkt zu diesem 'Ganglion, während ein anderes Nervenfaserpaar (Fig. 37 n,) von dem | medianen Theile des Gehirns an die Decke der Halbkugeln läuft und in das Plasma derselben eintritt. Das erwähnte kleine in der Hypodermis der bogenförmigen Plasma- zipfel verborgene Ganglion (lgl) hat die bezügliche Mund- und Räder- organseite zu versorgen und sendet dahin feine Fäserchen, von welchen das zum Munde ziehende am leichtesten sichtbar wird (no), da es aus der Hypodermis heraustritt und, indem es median an den Zipfeln des Räderorgans vorbeistreicht, in die Mundhöhlenhaut sich einsenkt. Die übrigen Nervenstränge sind am besten zu beobachten, wenn man das Thier von der Bauchseite betrachtet. Nach dieser Lage ist auch die folgende Beschreibung verfasst. Auf beiden Seiten tritt am hinteren Rande des Gehirns je ein Nervenstrang hervor (Taf. XXVII, Fig. 32, 33 n), der schräg gegen die Bauchseite zieht, sich aber schon hinter oder neben dem Schlundkopfe in zwei über einander laufende Fasern theilt, die sich durch den ganzen Rumpf bis in das Segment des Blasendarms erstrecken. Der eine Strang (Fig. 33 nv), Nervus ventralis, geht bis zur Bauch- wand heran und läuft an derselben hin, indem er in einer sanften Kurve von der Medianlinie zuerst sich entfernt, gegen das Ende des Rumpfes hin derselben aber wieder sich nähert, und kreuzt schließlich (y) den anderen Strang, Nervus lateralis, der unter ihm liegt, etwa in der Nähe des Darmsphinkters. Dieser ventrale Strang ist breiter als der andere und giebt bald nach seiner Abzweigung vom gemeinsamen Nerven einen feineren Ast zur Haut ab (7); darauf folgt eine ihm bald der Länge nach, bald nur mit einem Stiele aufsitzende Ganglienzelle (gl,), hinter welcher noch ein Ast an die Haut sich abzweigt (//). Nun findet man zwar keine ab- gehenden Nerven mehr, wohl aber noch vier in bestimmten Abständen von einander dem Strange anliegende Ganglienzellen (gl,—gl;), von welchen die vorderste (gl) einen längeren gebogenen Fortsatz durch die Leibeshöhle an die Rückenseite des Thieres sendet. Über die bei- Studien über Räderthiere. 473 ' den letzten Zellen hinaus, welche näher beisammen liegen als die übri- gen (glı, gl,), kann man den Strang nicht verfolgen. Während der an der Bauchfläche hinziehende Nerv zwei Äste ab- ‚ giebt und außerdem fünf Ganglienzellen trägt, zeigt der andere Strang (nl) ein ganz anderes Verhalten. Er zieht als. ein dünner Faden in: geradem Laufe durch die Leibeshöhle, längs des Darmes schief gegen ' die Bauchseite des letzten Rumpfgliedes, an welcher er sich verliert ‚ und besitzt keine anliegenden Ganglienzellen, sondern lässt nur an ‚ vier Stellen seitlich Äste abtreten. Die drei ersten Abzweigungsstellen | zeichnen sich dadurch aus, dass an ihnen die Nervenfasern nur paar- ; weise entspringen. An allen Abzweigungsstellen ist der Strang mit einer Anschwellung versehen. Der erste Ast (1) geht zum Exkretions- ‚ organ und tritt in dessen Wand ein, der mit ihm entspringende (2) zieht ‚ unter dem Exkretionsorgane durch zu einem Leibeshöhlenmuskel, in ‚ welchen er sich einsenkt. Der dritte und vierte Zweig versorgen ver- ‚ muthlich innere Organe, wobei der dritte (ö) sofort nach seinem Ur- ' sprunge, an dem Geschlechtsorgane anliegend, gegen den Rücken des ' Thieres zieht; der fünfte und sechste (3, 6) begeben sich zur Haut, wo . der letztere an einer Theilungsstelle eine ganglienzellenartige Verbrei- terung besitzt, in welcher vielleicht ein Kern zu finden sein wird. Der letzte allein entspringende Ast (7) geht ebenfalls zur Haut. Sowohl der ‚ ventrale oberflächliche, als der mediane tiefe Strang sind von fein ‚ granulärer Beschaffenheit, welche besonders an den Anschwellungen ‚ hervortritt. | Als längst bekanntes Sinnesorgan ist der Rückentaster (Taf. XXVIII, ‚ Fig. 29, 32; Taf. XXIX, Fig. 34, 36, 38 T) anzuführen, bei Callidina. ‚ ein ungegliedertes, am Rücken des vierten Segmentes schief nach vorn ı stehendes griffelartiges Gebilde. ‚Sein Querschnitt ist oval, von der Seite gesehen sind seine Kon- ‚ touren in der Mitte ausgebaucht; die Länge beträgt 0,016—0,019 mm. | Kurz vor seinem Ende besitzt er eine ringförmige Einziehung. Das ‚Ende ist wie ein hyaliner Kragen nach außen divergirend erweitert. ‚ An der Einziehung ist der Taster nach außen abgeschlossen ; auf dieser ‚ Fläche sitzen feine, starre Borsten divergirend auf. Zu diesen Borsten ‚tritt ein vom vorderen dorsalen Ende des Gehirns abzweigender Nerv: (Tn) heran und schwillt im Taster spindelförmig an. Ein Zellkern | konnte im Ende nicht gesehen werden, doch kann man es als sicher: ‚ ansehen, dass diese Anschwellung eine Sinneszelle ist. | | Es scheint, als ob der Tasternerv vom Gehirne ab von einer | | ' scheidenartigen Röhre umschlossen wäre, innerhalb welcher am Ur- ‚ sprunge des Nerven etwa vier Zellen (bz) in einer Reihe liegen. An | | 474 Carl Zelinka, diese Röhre setzen sich etwa in ihrer Mitte zwei Muskelfasern (mT) an, welche etwas vor der Basis des Rüssels an den Seiten des Körpers an der Haut entspringen und die zuckenden Bewegungen des Tasters, die in der Mediane ausgeführt werden und von vorn nach hinten gerichtet sind, zu erzielen haben. Die Bethätigung des Rückentasters als Tastorgan ist keine aktive, er macht keine so ausgiebigen Bewegungen, dass man glauben könnte, er wolle eine Orientirung über die Umgebung anstreben. Am ausge- streckten Thiere wird er nur über die am Rücken vorbeiziehenden Ob- jekte Klarheit verschaffen können, während der Rüssel, als Kopf, die Umgebung aufsucht und betastet. Größere Wichtigkeit hat er für das kontrahirte Thier, indem er da, wenn schon Rüssel und Räderorgan eingezogen sind, noch aus dem sich kugelig gestaltenden Körper oben heraussieht und beim weiteren Ausstrecken das Erste ist, was von diesen drei Organen in die Umgebung hinausragt. Der Taster steht merkwürdigerweise, wie im Kapitel » Rüssel« erwähnt worden, durch zwei feine Nervenfäserchen (n,) mit dem hintersten spitzen Ende des Rüsselganglions in direkter Verbindung, so zwar, dass die Fäserchen zu an der Basis des Tasters befindlichen Zellen (7'’z) herantreten. Dadurch ist ein unmittelbares Leiten eines Reizes vom Taster zu dem Rüssel- ganglion ermöglicht, welches wohl zur Folge hat, dass in dem Falle, als das Rüsselganglion auch motorische Funktionen zu erfüllen im Stande ist, der ausgestreckte Rüssel sofort zum Einziehen gebracht wird, wenn ein Körper an den Taster anstößt, oder dass, da der Taster das erste Organ ist, welches beim Ausstrecken des kontrahirten Thieres in die Außenwelt tritt, bei Reizung desselben das Ausstrecken des Rüssels sofort unterbleibt. Vergleichender Theil. Über das Gehirn der Callidinen sind keine Angaben vorhanden. Wenn GiscrioLı (Nr. 99, p. 244) bei Gallidina parasitica in einer ventral von der Mundröhre gelegenen kleinen Masse an der linken Seite, gerade unter dem Räderorgane, das Gentralnervensystem vermuthet, so kann dasselbe unmöglich das Ge- hirn wirklich gewesen sein. Übrigens spricht GieuioLı ausdrücklich davon, dass er nicht von der Richtigkeit seiner Vermuthung überzeugt sei. Auch für die übrigen Philodinen sind die Angaben nicht sehr ausführlich und meist unklar. Man begnügte sich gelegentlich mit der Konstatirung des Vorhandenseins eines Gehirns, von welchem man Fortsätze zu den Augen und zum Taster ziehen sah. ZACHARIAS (Nr. 274, p. 236) hat das Gentralnervensystem von Ro- tifer vulgaris gesehen und als dreizipfelig beschrieben. Auch sah Studien über Räderthiere. 475 er eine Verbindung desselben mit den Augenpunkten und mit dem Taster. Allerdings ist die davon gegebene Abbildung nicht deutlich genug, wie man sich durch einen Bliek auf Fig. 1, 2 und 3, Taf. XVI überzeugen kann. Seine Vermuthung, dass das Vorderende des Ge- hirns auch mit dem »kontraktilen Organ«, welchem der Rüssel der Callidina homolog ist, eine Verbindung besitze, wird sich als richtig erweisen lassen. Bezüglich des inneren Baues des Tasters von Rotifer ist EckstEin weiter gekommen, als Zacnuarıas, indem er darin einen Nervenfaden und zwei Muskelfasern beschreibt (Nr. 67, p. 357) und zeichnet (Taf. I, Fig. 11). Dass nicht bei allen Räderthieren die Nerven für den dorsalen Taster vom hinteren Ende des Gehirns abgehen, wie Pıarz (Nr. 243, p. 92) in seinem allgemeinen Theile über das Nervensystem ausspricht, mag hierbei unter Hinweis auf unsere Callidinen richtig gestellt werden. Für das peripherische Nervensystem der Philodinen ist auber den erwähnten skizzenhaften Andeutungen von ZacHarus und einer solchen von Eckstein (p. 355 und 410) über den Verlauf zweier Ner- ven im Fuße von Philodina macrostyla keine andere Angabe vor- handen, geschweige von den schwer zu beobachtenden langen Seiten- und Bauchnerven. Aber auch die übrigen Familien der Räderthiere sind nur nebenbei auf ihr Nervensystem untersucht worden, so dass außer wenigen Angaben von Lryvie (Nr. 485) über Hydatinau a,, von Mösıus (Nr. 199) über Brachionus plicatilis, von O. Scamipr (Nr. 229) über Hydatina senta und Brachionus urceolaris, von GRENACHER (Nr. 118) über Triarthra longiseta, von Eckstein (Nr. 67) über Euchlanis dilatata, Philodina, von Pıare (Nr. 213) über Asplachna myrmeleo, Brachionus amphiceros etc. wenig verwendbare Beobachtungen zu finden sein dürften, wodurch eine för- dernde Vergleichung nach dem gegenwärtigen Stande unserer Kennt- nisse nahezu unmöglich ist. So viel allein ist festzustellen, dass vom Gehirn nach vorn zu den Sinnesorganen und zum Räderorgan eine An- zahl von Nerven entsendet werden, wie auch die Seitentaster hinzu- tretende Nerven besitzen, welche allerdings nach Pıarr’s Angabe nicht direkt mit dem Gehirn verbunden sind; dass sie es überhaupt sind, kann wohl nicht bezweifelt werden. Die Bestimmung und der eigen- thümliche Verlauf dieser nach hinten gehenden Tasternerven zeigen uns, dass sie weder mit dem Nervus lateralis noch ventralis der Galli- dina homolog sind, für welche zweifellos aber Homologa bei den übri- gen Rotatorien zu finden sein werden. Dass nämlich außer den Nerven nach vorn und zu den Tastern im Räderthierleibe Nervenfasern und 476 Carl Zelinka, Ganglienzellen vorhanden sind, lässt sich nach einigen zum Theil ver- gessenen, zum Theil zurückgenommenen Beobachtungen vermuthen. O. Scamivor beschrieb bei Hydatina senta und Brachionus urceolaris eine Anzahl von Fasern und Ganglienzellen, welche aller- dings dorsal und nicht, wie bei unserem Thiere, ventral gelegen sein sollten. Die so regelmäßig von den Ganglienzellen gegen den Darm zu laufenden Nerven lassen mich glauben, dass O. Scnmipr den am Darm laufenden Nervus lateralis, von welchem diese Nerven abgehen könn- ten, nicht gesehen hat. Bei Hydatina trüge dann der Nervus latera- lis ebenfalls Ganglienzellen, was ganz gut möglich ist. Auch hat Leyvıc bei Lacinularia (Nr. 183) Ganglienzellen beschrieben, nahm aber diese Angabe später als irrthümlich zurück (Nr. 184) und bestritt zu- gleich die Nervennatur der von O. Scnuipr besprochenen Gebilde, in- dem er sie als Bindegewebselemente bezeichnete. Ich möchte nun der Möglichkeit Raum lassen, es seien jene, oder ein Theil jener von O. Schmipr beschriebenen Ganglienzellen thatsächlich zum Nervensystem gehörig und nicht sämmtlich Bindegewebszellen, wie es die von Lerypie bei Notommata myrmeleo gezeichneten mit Ausläufern versehenen Zellen wirklich sind. Dessgleichen scheinen mir die von EHRENBERG (Nr. 68) bei Notommata clavulata beschriebenen Ganglienpaare mit ihren Fäden nach ihrem eigenthümlichen Habitus und ihrem den ganzen Körper durchziehenden Verlaufe viel eher dem Nervensystem anzuge- hören, obwohl sie Lrypıg zum Bindegewebe rechnet. Ich schließe hier nach den bei Gallidinen vorliegenden Befunden, welche mit denen EurEnBERG’s eine gewisse Ähnlichkeit nicht leugnen lassen, zumal auch hier zwei den Körper durchziehende Paare von Nervensträngen an- gegeben werden, welche als Äquivalente des Nervus lateralis und ven- tralis angesehen werden können. Jedenfalls ist das Nervensystem der Räderthiere, welches in seinem Gentralorgane zwar eine sehr primitive Form bewahrt, in seiner peripheren Vertheilung viel komplieirter als man bisher vermuthete und zeichnet sich durch die Entwicklung zweier Längsstämme jederseits aus, welche den Körper durch- ziehen und von welchen aus Nervenfasern und Nervenzellen für die Organe im Rumpfe des Thieres ihren Ursprung nehmen. Die von Ecxstzin in Fig. 33 auf Taf. XXVI gezeichneten drei eigen- thümlich zipfelförmigen Zellen jederseits unter dem Räderorgane und neben dem Schlunde von Euchlanis dilatata scheinen mir in ihrer angegebenen Form und Struktur jedoch nicht zu den peripheren Gan- glienzellen zu gehören, sondern machen eher den Eindruck von jenen stark granulirten Plasmazipfeln der Haut, welche wir bei vielen Räder- Studien über Räderthiere. 477 thieren bereits kennen, oder von drüsenartigen Gebilden, worüber uns die Zeichnung keine Aufklärung giebt. Kap. VIll. Exkretionsorgan. Das Gebiet, welches vom Exkretionsorgan durchzogen wird, ist der Rumpf und der Hals, also das 3. bis 12. Körpersegment (Taf. XX VIII, Fig. 31, 32, 33 w). Das Organ ist bilateral angeordnet und besteht aus einer median liegenden Blase (Fig. 32 wb) und je einem seitlichen Längsrohre, welches von ihr bis in die Nähe des Räderorgans zieht. Die Blase ist kontrak- til, ihre Zusammenziehung erfolgt normal alle 45 Sekunden einmal. - Die Kontraktion, also Entleerung, ist rasch, von der Zeitdauer etwa einer Sekunde, oft wird der Blasenraum nicht ganz unsichtbar, ein Zeichen, dass die Kontraktion nicht immer vollständig ist. Nach einer kurzen Pause fängt die Blase wieder größer zu werden, sich also zu füllen an. An lebensträgen Individuen konnte ein stundenlanges Aus- bleiben der Zusammenziehung beobachtet werden, worauf eine mehr- malige rasche Kontraktion kurz hinter einander erfolgte. Die Blase ist im Leben oft unregelmäßig kugelig, besonders das Aufblähen erfolgt mitunter zuerst einseitig, doch kann man fast immer einen ovalen Querschnitt in der Daraufsicht erkennen, dessen große Achse quer zur Längsachse des Körpers liegt. An konservirten Exemplaren kann es vorkommen, dass dieses Bild noch auffälliger wird, wenn die Wände theilweise kollabiren. Die Blase liegt hinter dem Blasendarme, dort, wo er in das Rectum übergeht (Fig. 32 wb, 41 Ex), im 12. Körperglied oder an seiner Grenze, und ist immer dorsal dicht dem Enddarme wie reitend angeschmiegt. Im kon- trahirten Zustande ist fast nichts von ihr zu erblicken. An der an die Seite des Darmes etwas herabreichenden Fläche der Blase münden auf jeder Seite die Röhren ein. Die letzten Theile derselben vor der Einmündung sind mehrmals erweitert und ver- engert (Fig. 33 w, 44 x), wie längliche kleine Blasen, und zeigen vor ihrem Übergang in die große mediane Blase mitunter eine scharfe Einziehung, offenbar durch sphinkterartige Einrichtungen hervorgebracht. Von diesen Stellen ziehen die Exkretionsröhren im Bogen an die Seiten- wände des Körpers, zugleich sich etwas der Bauchseite nähernd, um Sich mitunter an die Enden der Retractores pharyngis anzulegen und sie zu begleiten. Sie steigen dann an den Seitenwänden des Schlund- kopfes vorbei zum Mundsegment empor, wo sie aufhören. Im siebenten Rumpisegment findet man die Röhre an der Haut durch ein zipfelför- miges kleines Band angeheftet, wodurch ihre Lage im gestreckten Kör- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLIV. Bd. 34 478 Carl Zelinka, per zu einer konstanten wird (Fig. 33 «). Flimmerlappen sind fünf jederseits. Der erste sitzt an der Röhre, noch bevor sie die Seitenwand des Körpers erreicht hat. Der zweite in der Nähe des Ursprunges des Retractor pharyngis, der dritte etwa in der Mitte des Retraetors, der vierte in der Höhe des Gehirns und der letzte im Mundgliede, mitunter bis zur Unterlippe vorgerückt (Fig. 32). Die Wand der Röhre ist in weiten Abständen mit Zellkernen ver- sehen, das Plasma granulirt. Jeder Flimmerlappen hat eine spitze Basis und verbreitet sich dann; sein Ende ist rundlich abgeschnitten. Die sphinkterartigen Einziehungen der Mündungen an der Blase werden ihren Grund darin haben, das Wiedereintreten der durch die Kontraktion zu entfernenden Flüssigkeit in die Röhren zu verhindern, da ja sonst bei jeder Zusammenziehung die Materie, welche sich in der Blase aus den Röhren langsam angesammelt hat, wieder in diese hin- eingetrieben würde. | Die Blase mündet in den Enddarm an dessen dorsaler Seite ein. Vergleichender Theil. Bei Gallidina parasitica ist von GisrioLi (Nr. 99, p. 244) eine ventrale Blase beschrieben worden, in welche die zwei Exkretionskanäle münden sollten. Obwohl er keine Flimmerlappen gesehen hatte, vermuthete er doch deren Anwesenheit. Man wird letztere fast mit Sicherheit annehmen dürfen, aber eben so sicher auch, dass die kontraktile Blase bei Gallidina Para nicht ventral, sondern dorsal sich befindet. Die Zahl der Flimmerlappen stimmt mit der bei Rotifer vulga- ris überein; auch die Lage der Blase und ferner die Art der Kontrak- | tion scheint eine allgemeine Gültigkeit zu besitzen. Über die Form der Flimmerlappen und darüber, ob sie mit einem Deckel geschlossen oder offen seien, konnte ich der sehr geringen Größe | der Elemente wegen keine Entscheidung treffen. Für Rotifer liegen | bekanntlich in dieser Hinsicht sich widersprechende Angaben vor. Mit der Auffassung Pıarr’s (Nr. 213, p. 15), es sei die kontraktile Blase der Philodinen nicht ein besonderer Anhang der Kloake, son- dern wie bei Gonochilus nur ein Theil derselben, kann ich mich nicht befreunden; die Blase ist an Präparaten, welche die Diastole der- selben zeigen, so deutlich als ein eigenes, quer zum Rectum stehen- des Organ zu erkennen, dass man für Callidina jedenfalls annehmen | muss, es sei die Blase nicht bloß ein den Rectalraum einschließender kontraktiler dorsaler Theil der Reetalwand, sondern ein bis auf die | Kommunikationsöffnung funktionell gesondertes Organ. Studien über Räderthiere. 479 Kap. IX. Weibliche Geschlechtsorgane. Die weiblichen Reproduktionsorgane sind an beiden Seiten des Darmes bilateral gelegen zu trefien (Fig. 31 9, 42). Ellipsoidisch, spindel- oder halbmondförmig aussehend, sind sie immer an ihren Enden, welche bei ihrer parallelen Lage zur Längsachse des Thieres nach vorn und hinten sehen, mehr oder weniger zugespitzt. Im Leben sind sie weich und machen alle Bewegungen des Kör- pers durch ein Hin- und Her-, Vor- und Zurückgleiten mit, wobei sie immer dem Darme so eng anliegen, dass sie ihn an beiden Seiten ein- buchten. An ihnen kann man zwei Theile unterscheiden, der gegen den Darm zu gelegene schmälere Theil ist ausgezeichnet durch kleine stark lichtbrechende, eng an einander und regellos liegende Zellkerne in einem schwach granulirten Plasma (Fig. 42 k), während der seitliche Theil sehr große kreisrunde, in eine Reihe zusammengeschobene helle Kerne mit dunklen Kernkörperchen besitzt (d). Diese Kerne liegen mit ihren Flächen quer zur Längsachse des Organs und so an einander, dass von oben nur ovale Querschnitte zu sehen sind und befinden sich in einer grobkörnigen, dunklen Dottermasse. An der Peripherie dieser stark granulirten Plasmamasse ist eine Membran vorhanden, welche diesen Theil des Reproduktionsapparates scheinbar allseitig umschließt und ihn in diesem Falle als ein besonderes Organ, als Dotterstock vom Keimstock oder Ovarium räumlich und funktionell trennen würde. Für das Ovarium hat man die median befindliche Partie (k) mit den kleinen regellos liegenden Kernen anzusehen. Zellgrenzen konnte ich weder am entwickelten Keim- noch Dotterstocke nachweisen. Vom Keimstocke schnürt sich ein Stück des Plasma mit einem Kerne und Kernkörperchen versehen (e’) ab, um zu einem Eie (e) zu werden, dessen Ernährung und Reifung dem Dotterstocke anheimgegeben ist. Die Abgabe des Dotters aus dem Dotterstocke in das Ei findet, da das Ei wahrscheinlich nirgends mit dem Plasma des Dotterstockes in direkte Berührung tritt, durch die trennende Membran hindurch statt. Je größer das Ei wird, desto stärker füllt es sich mit Dotterkörnehen und desto undurchsichtiger wird es dadurch. Während seiner ganzen Reifung liegt das Ei mit einem Ende dem Dotterstocke dicht an. Mitunter beginnt die Abschnüfttng eines zweiten Eies, bevor das erste seine vollkommene Reife erlangt hat. Das entwickelte Ei über- trifft oft an Größe das Geschlechtsorgan und verdeckt und verdrängt mitunter alle auf seiner Seite liegenden Organe. Selten sind zwei ent- 31* 480 Carl Zelinka, wickelte Eier zu treffen. Bei Schrumpfungen nach Einwirkung von Rea- gentien besitzen die Kernkörperchen der Dotterkerne unregelmäßige, oft eckige Umrisse und zeigen mitunter einen Zerfall in zwei ungleich große Stücke. Auffallend ist es, dass es im Leben des Dotterstockes Zeiten giebt, in welchen die Kerne nicht regelrecht, nahezu in Reih und Glied stehen, sondern durch den ganzen Dotterstock zerstreut sind. Umgeben ist Ovarium und Dotterstock von einer glashellen Haut (u), welche außer einigen sehr flachen runden Kernen mit Kernkörper- chen keine auf eine Struktur hinweisende Momente besitzt. Diese Haut hebt sich an den Enden als spitze, mitunter faltige Zipfel ab und läuft daselbst in je einem Faden aus, von welchen der vom vor- deren Ende an die Seitenwand des Leibes sich ansetzt (b).. Der Faden (a), der vom hinteren Ende abgeht, zieht nach rückwärts, kreuzt die Exkretionsröhre und die Muskeln des Enddarms und verbreitert sich an der Grenze des 41. Gliedes, wobei von da an der Faden körnig er- scheint und das Aussehen eines Protoplasmagebildes hat. Ob die Fäden beider Seiten schließlich in das Reetum münden, konnte ich nicht ent- scheiden, denn die Stelle, wo sie sich an dieselbe ansetzen könnten, zu sehen, gelang mir eben so wenig, als den Moment des Durchtretens eines Eies zu beobachten. Davon, dass die Eier nicht in die Leibes- höhle fallen, glaube ich mich jedoch überzeugt halten zu müssen. Ich muss die Frage, wo die Oviducte beziehungsweise der Uterus münden, offen lassen, da ich es eher für möglich halten muss, dass, wie es an einigen Präparaten zu sehen war, die protoplasmatischen Verbreiterungen der Fäden sich an die Körperwand des 11. Gliedes jederseits anlegten. Vielleicht öffnen sie sich hier nach außen. Diese nach rückwärts gehenden Fäden (a) sind wohl als die Ausführungs- gänge des Innenraumes der Geschlechtsorgane anzusehen und sind in der Ruhe ganz zusammengefaltet und so zusammengezogen, dass ihr Lumen völlig verschwindet. In seiner Jugend ist das Geschlechtsorgan dadurch verschieden von seinem Reifezustand, dass der Dotterstock nach Einwirkung von Chromsäure noch die Zusammensetzung aus den ihn bildenden Zellen erkennen lässt (Fig. 42 d’), welche mit unregelmäßigen, mitunter poly- gonalen Grenzen eng an einander schließen und je eihen stark licht- brechenden Kern ohne Körperchen besitzen. Das Plasma ist schwach granulirt. Dem Dotterstock liegt der Keimstock median als eine flache, plasmatische mit regellos liegenden mattglänzenden Kernen ausgestattete Scheibe (4) dicht an. Mit der Reifung verschwinden die Zellgrenzen im Dotterstocke vollständig, es entsteht ein vollkommenes Syncytium. Studien über Räderthiere. 481 Die Größe der beiden Geschlechtsorgane ist meist verschieden. Eines ist, wenn Eier gebildet werden, in der Entwicklung derselben voraus. Sind beide gleich groß, dann sind auch in beiden keine Eier vorhanden und beide im selben Zustande der Unreife. Durch Hunger konnten bereits gebildete Eier resorbirt werden. Männchen wurden nie beobachtet. Vergleichender Theil. Eine Angabe über die Lage und Zahl der Geschlechtsorgane einer Callidina findet sich bei Gicuiori (Nr. 99, p. 242): Gallidina parasitica hat zwei »Ovarien«, groß, unregel- mäßig, oval und zu beiden Seiten des Darmes gelegen, also wie bei unserer Gallidina. Die Masse des Organs wird als fein granulirt mit Keim-Bläschen und -Fleckchen geschildert. Die übrigen Beschreibungen über Arten aus der Philodinen- familie beziehen sich auf die Genera Rotifer und Philodina. Eck- STEIN (Nr. 67, p. 422) spricht über die Geschlechtsorgane derselben im speciellen Theile seiner Arbeit nicht, sondern nur im allgemeinen Theile und stellt daselbst die Behauptung auf: »Das Ovarium hat eine traubig sackförmige Gestalt und ist unpaar, oft erscheint es hufeisen- oder nierenförmig oder gar in zwei scheinbar getrennte Theile zerlegt.« Das gilt nun für Callidina und wohl auch für alle Philodinen nicht. Größere Differenzen zeigen sich bei der Betrachtung jener Angaben, welche über den inneren Bau und die physiologische Auffassung des- selben handeln. Es zeigt sich da, dass bis auf die jüngste Zeit jene Anschauung die Oberhand zu behalten wusste, welche zu einer gänz- lich falschen Beurtheilung der vorliegenden Verhältnisse geführt hatte. Einer der besten Beobachter der Räderthiere nach EHrENBERG, Levpie (Nr. 184, p. 94) war schon im Jahre 1855 aufmerksam geworden, dass im »Ovarium« bei gewissen Formen eine Partie des Organs dunk- ler erscheint in Folge des Vorhandenseins von Nähr-Dotterelementen und zog daraus folgenden Schluss: »Ich glaube darin eine annähernde Bildung zu jenen Eierstocksformen zu sehen, in welchen die Produktion der Keimbläschen und der Dottermasse räumlich verschiedenen Stellen des Eierstocks übertragen ist. Der Dotter des fertigen Eies würde entstanden sein aus dem ursprünglichen, das Keimbläschen umgeben- den Blastem und zweitens der Hauptmasse nach aus dem, was der einem Dotterstock vergleichbare Abschnitt des Ovariums darein gegeben hat. Diese der Wahrheit so nahe kommende Vermuthung blieb unbe- achtet und die späteren Untersucher hielten an der Anschauung fest, das Geschlechisorgan sei nur Ovarium. So spricht z. B. Conn (Nr. 37, p- #47) nur vom Eierstock und, dass der Eierstock im »unbefruchteten 452 Carl Zelinka, Zustande« klein, aber zum Studium seines Baues sehr geeignet sei, in- dem er durch Wasser in große Zellen zerfalle, aus welcher Beobachtung sich ergebe, »dass in einem sehr frühen Stadium des unbefruchteten Eierstocks, in welchem man anscheinend nichts als Keimbläschen mit Keimflecken wahrnimmt, in Wirklichkeit bereits die jungen Eier in allen ihren Theilen vollständig ausgebildet sind«. Dessgleichen giebt SALENSKY (Nr. 224, p. #65) bei der Entwicklung von Brachionus urceolaris an, dass sich schon im jungen Eierstock junge Eier unter- scheiden lassen und Mrrsennikorr (Nr. 495, p. 350), wie Semrer (Nr. 235, p. 318) sprechen nur von einem Eierstock und schildern den Vorgang der Eibildung im Anschlusse an die erwähnten Forscher dahin, dass aus dem mit Keimbläschen versehenen Blastem des Eierstocks durch Umlagerung eines Kernes mit 'plasmatischen Elementen das: fertige Ei entstehe, ohne dass das Ei von’ anderwärts Dotterelemente Aus führt elhiltk. E. v. BEneDen (Nr. 15, p. 110) like grif auf die Tat ae Beob- achtung zurück und gab seiner Meinung dahin Ausdruck, dass die deutoplasmatischen Elemente des Eies'' an einer anderen Stelle des Ovariums erzeugt würden als die Eier, worin ihm aber Lupwie (Nr. 490, p. 58) mit großer Entschiedenheit entgegentrat und mit aller! Präcision den Satz aussprach, 'er halte daran fest, dass bei. den Rotatorien die Dotterelemente‘’in der Eizelle selbst erzeugt werden und in‘ den vor- liegenden ‘Untersuehungen (Leypre’s und E. v. Bexepen’s) kein Grund gefunden werden könne, diese Ansicht aufzugeben.‘ Damit: war!man bei dem früheren Standpunkte wieder angelangt und Eexsmzıv (Nr. 67), so wie Zacharsas (Nr. 274) boten keine fortschrittlichen Beobachtungen. Erst’ Prare (Nr: 213) erkannte bei einer großen Anzahl ‚von ‚RotaZ torien' den wahren’ Sachverhalt, wie ‚schon seine Aufschrift des be- treffenden Abschnittes seiner sorgfältigen Arbeit beweist. Als Keim- dotterstock ist’ das weibliche Geschleehtsorgan der Rotatorien in der That anzusehen und es freut mich, dass meine Beobachtungen «lie noch übrig gebliebene Lücke in der Untersuchungsreihe PıAtr’s in einer übereinstimmenden Weise zu schließen im Stande sind. ' Die Philo- dinen besitzen zwei Keimdotterstöcke und deren Bau, se wie die Ei- bildung findet sich, wie man jetzt nach Untersuchung ' von Repräsen- tanten sämmtlicher Familien auszuprecehen berechtigt ist, in»nahezu gleicher Weise in der ganzen Klasse der Räderthiere wieder. Das was die früheren Beobachter für Ovarien hielten, sind in Wirklichkeit die Dotterstöcke mit ihren großen lichten Kernen und | dunklen Kernkörperchen, während die Keimstöcke ihnen gänzlich ent- | gangen waren. Trotzdem beruht Conw’s mitgetheilte Beobachtung von | Studien über Räderthiere, 483 dem Zerfalle des jungen »unbefruchteten Eierstocks« nicht auf einer Täuschung, indem der Dotterstock, wie ich oben zeigte, in seinem jugendlichen Zustande ‘aus großen Zellen zusammengesetzt ist, welche durch Wassereinwirkung und den angewandten Druck des Deckgläs- chens leicht als distinkte Zellen: aus dem Eileiter hinausgepresst wer- den konnten und von Gons dann als Bier gedeutet, wurden, III. Zusammenfassung der neuen Angaben. 1) Auf,den Lebermoosen Radula complanata, Lejeunia ser- pyllifolia, Frullania dilatata und Frull. Tamarisci sind kon- stant Räderthiere zu treffen, welche bei Frullania in den kappenartig aufgeblasenen; Unterlappen der Oberblätter zu zwei: und drei Indi- viduen leben. ‚Bei Befeuchtung der Moose mit frischem Wasser strecken die Räderthiere ihre Räderorgane aus ihren Verstecken heraus und wirbeln. sich Nahrung zu. ‚Sie sind keine. echten Parasiten ‚ sondern »freie« Raumparasiten und daher in ihrer Ernährung ‚an zeitweilige Befeuchtung. des Mooses durch Regen und Thau gebunden. Andauernde Trockenheit, tödtet die Thiere nicht, eben so wenig Kälte bis zu 20° C.; noch heißes: Wasser bis zu 70°%.C.. _ Wahrscheinlieh:haben die .Räderthiere direkt; er indirekt an ee Umbildung, der Blattunterlappen zu ‚den ‚kappenförmigen; Ohren dureh ihre, Ansiedlung Theil genommen ‚und ist ein Fall gegenseitiger Anpas- sung, beider, Symbionten, ‚vorliegend. Die Räderthiere sind durch ganz Deutschland und, Österreich zugleich mit den Moosen verbreitet. 1,2), Diese Räderthiere gehören. dem Genus Callidina an und sind zwei;neue Species: fl Gallssymbiotica (m, Ioare Körper aus 16 Segmenten gebildet, Eon kommen .2 auf den Rüssel, 40 auf,den Rumpf, 4 auf, den Fuß, Haut, längsgefaltet. Farbe schwach: roth, Darm intensiver gelblichroth gefärbt., Zähne 2 in der Mitte des einen, 3 in 9 A der Mitte des anderen Kiefers. Formel a Kauapparat im. 6. Körpersegmente, Sehlundisihire ohne a Maxi- mum,der.Länge 0,34:mm.:'Räderorgan groß, kurz gestielt.. Ober- lippe zwei Zäpfchen besitzend. Vorletztes Fußglied zwei kurze Zangen, letztes zehn hohle Zäpfchen tragend. | Gall. Da, (n. sp.): Körper aus 16 Segmenten bestehend, 2 für den Rüssel, 10 für den Rumpf, % für den Fuß. Haut längsgefaltet. Farblos, Darm meist mit grünen Algen gefüllt. Zähne, 484 Carl Zelinka, 5 in der Mitte des einen, 6 in der Mitte des anderenKie- 5 fers. Formel ya Kauapparat im 7. Körpersegmente. Sehlundröhre mit einer Schlinge. Totallänge 0,21—0,19 mm. Räderorgan groß, kurzgestielt. Oberlippe nicht eingeschnitten, sondern mit einem medianen Spitzchen. Vorletztes Fußglied zwei kurze Zangenglieder, letztes zehn hohle Zäpfchen tragend. 3) Das Einziehen des Vorderendes erfolgt rasch, das Ausstrecken langsam. Das Kriechen ist ein spannerraupen- oder blutegelartiges, wobei das Thier sich mit Fuß und Rüssel abwechselnd anheftet. Selten schwimmt das Thier mit ausgestrecktem Räderorgane und eingezogenem Fuße umher, dabei findet eine Drehung um die Längsachse nicht statt. 4) Die Längsfalten, 16 an der Zahl, finden sich am Rücken und an den Seiten des Thieres über bestimmte Segmente verlaufend. Der | Bauch ist frei davon. Unter der Cuticula liegt die Matrix derselben als eine flächenhafte syneytiale Hypodermis. 5) Die Muskulatur gliedert sich in einen Hautmuskelschlauch und in Leibeshöhlenmuskeln. Der Hautmuskelschlauch besteht aus einem weitmaschigen Netze von bandartigen Längs- und Ringmuskeln, welche der Haut dicht anliegen und einen Zerfall in Primitivfibrillen und | hinter einander liegende Stücke zeigen. An den Längsmuskeln sieht | man Verzweigungen. Die Hautmuskeln haben das Ausstrecken und die kriechende und tastende Bewegung auszuführen und zwar sind die | Längsmuskeln des Bauches entsprechend dem blutegelartigen Kriechen zahlreicher entwickelt, als die des Rückens. Die Ringmuskeln sind an der Bauchseite unterbrochen. Die Leibeshöhlenmuskeln entspringen an der Haut und inseriren sich entweder an den Segmenten des Körpers oder an inneren Theilen. Zu den ersteren gehören jederseits ein Retrak- | tor der Rüsselbasis und zwei Paare von Retraktoren des Vorderendes. Zu | den letzteren sind zu zählen die gewaltigen Retraktoren des Pharynx, drei Paare von Muskeln für den Enddarm, drei Paare für den Fuß und ein Paar für den Ösophagus. Die Leibeshöhlenmuskeln sind kontraktile Faser- | zellen mit homogener Rinde und plasmatischer Achse. Die Energie der Leibeshöhlenmuskeln ist bedeutend größer, als die der Hautmuskeln. 6) Das zweitheilige Räderorgan besitzt die zwei bekannten Wimper- | kränze. Die Wimpern des oberen Kranzes (Radwimpern) sind lang und sind wie die Haare eines Rossschweifes gekrümmt. Sie stehen an jeder Halbkugel des Räderorgans von einer Ringfurche an aufwärts | sehr dicht neben einander und über einander. Die Stiele des Räderorgans ragen aus dem viereckigen Munde em- | a Studien über Räderthiere. 485 por, dessen Umrandung eine Ober- und Unterlippe erkennen lässt. Im Munde stehen zwei seitliche Wimperpolster. Die Unterlippe ist schna- belartig vorgezogen. Der untere Wimperkranz besitzt gegen den Mund gekrümmte Wimpern. Die Mundhöhle verengt sich trichterförmig und geht in eine lateral zusammengedrückte Schlundröhre über. Die Hypodermis hängt von der Decke der Halbkugeln in Form großer plasmatischer Zipfel herab. Das Einziehen des Räderorgans be- sorgen drei homogene mehrfach sich theilende Muskelfasern. Die Rad- bewegung hat mit der Wirkung des Räderorgans, die in einem Ring- wirbel besteht, nichts gemein, sondern ist eine optische Täuschung, hervorgebracht durch das successive Heben und Senken der sich dabei abkrümmenden Radwimpern in vertikaler Richtung und periodischem Wechsel, wobei die in derselben Vertikalebene inserirten Wimpern die gleiche Bewegungsphase haben; der Ringwirbel wird durch die vertikale und centrifugale Bewegung der Radwimpern hervorgebracht. Aus der Beobachtung des Räderorgans ergiebt sich das Gesetz, dass eine Gilie, wofern sie im Wasser einen Effekt, sei es einen Wasserstrom oder eine Vorwärtsbewegung des Körpers hervorbringen will, sich nicht gleich schnell heben und senken darf, sondern das Zurückkehren vom Schlage langsamer erfolgen muss, als der Schlag; ferner das Gesetz des schein- bar entgegengesetzten Schwingens, indem die Bewegung, welche den Effekt hervorbringt, gerade jener entgegengesetzt ist, welche dem Auge sichtbar wird (Prostomum, oberer und unterer Wimperkranz der Callidina). Schließlich wird durch die näher erläuterte neue Theorie der Radbewegung nicht nur die Entstehung des Ringwirbels und der Radspeichen sondern auch das Vorwärtsschwimmen und der Umstand erklärt, dass die Radspeichen viel kürzer sind als die Rad- wimpern. Die Mundhöhle ist funktionell in zwei Räume zu sondern, deren dorsaler das Aufnehmen, deren ventraler das Entfernen der im Wasser suspendirten Körperchen besorgt. 7) Der aus zwei Segmenten gebildete Rüssel erscheint beim Krie- chen als das Vorderende des Körpers, beim Ausstrecken des Räder- organs wird er eingezogen und stellt einen dorsal gelegenen Kegelstutz vor. Die Endfläche des Rüssels ist mit lebhaft flimmernden Gilien be- setzt, welche durch zwei gebogene hyaline Membranen geschützt werden. Zur Bewegung sind Hautmuskeln (Ring- und Längsmuskeln) und homogene Leibeshöhlenmuskeln vorhanden. Im Rüssel befindet sich ein Ganglion, das mit dem Gehirn durch zwei starke Nerven in Ver- bindung steht und welchem von Stützzellen umgebene Sinneszellen aufsitzen. Die Stützzellen sind Fortsätze der Hypodermis; letztere steht 486 Carl Zelinka, mit der Hypodermis des Räderorgans durch ein breites Plasmaband: im Zusammenhange. Über dem Ganglion ist die Hypodermis verdickt. 8) Der Fuß enthält keines der dem Rumpfe specifischen Organe, wie Darm- oder Exkretionsorgan, steht aber mit der Leibeshöhle: in direktem Zusammenhange. ı Das erste Fußsegment besitzt eine. sehild- buckelförmige Erhöhung. Das letzte Fußglied wird nur beim Festsetzen, welches nie durch die Zangen erfolgt, hervorgestreckt. Die Klebdrüsen bestehen aus vier Reihen von einkernigen Drüsenzellen und einem un- paaren Stücke, an welches ‚sich. die Zellreihen ansetzen. Die äußeren Drüsenreihen sind aus kugeligen, die inneren aus länglichen Zellen aufgebaut. Zwischen die kugeligen Zellen schmiegen sich Ersatzzellen an. Die Ausführungsgänge münden in zehn hohle kleine Zäpfchen des letzten Fußgliedes. . Das Sekret ist'ein zähes, fadenziehendes, 9). Der Schlundkopf besteht aus zwei Kiefern, der sie'bewegenden Muskulatur und einer den: Apparat vorn begrenzenden. elastischen Membran. ‚Die Kiefer bestehen aus.gebogenen fast halbmondförmigen Platten mit verstärkten Rändern. Die Oberfläche ist mit. feinen Riefen bedeckt. Zahnformel = Die Kiefer machen beim Ausstrecken eine Drehung dureh. | Zwei dorsale. einkernige und dei nktale mehrkernige Speichel) drüsen umgeben den Pharynx. Ä '; Der Verdauungstractus gliedert sich weiter in ‚einen Depphnee mit einer. dorsalen Drüse, in den Magen oder Ghylusdarm mit. drei Bauch- speicheldrüsen, der aus einem syneytialen dicken Rohre mit vielen Zell- kernen besteht, gegen sein‘ Lumen eine siarke bewimperte, GCuticula trägt, durch Bindegewebsfasern an der Rückenhaut des Thieres befestigs ist-und am Ende durceh’einen muskulösen Sphincter geschlossen werden kann,schließlich inden.mit;einer Ringfurche versehenen zelligen Blasen- darm und den sehr erweiterungsfähigen Enddarm, 10) Das Nervensystem besteht. :aus. dem centralen und ae rischen Theile. ‚Der: centrale Theil: ist das längliche birnförmige Gehirn, dessen Punktsubstanz,; umgeben von dicht an einander liegenden Ner- venzellen, im Gentrum liegt. Die 'peripherischen Nerven sind in zwei scharf .abgesonderte. Gruppen für das Vorderende und, für den. Rumpf geschieden. :Die nach vorn 'ziehenden -Nerven sind die Rüsselnerven, die Nerven zu den seitlichen Ganglien, welche Räderorgan und Mund mit Fasern versorgen, ferner Nerven zu dem Räderorgane und zum Taster: An der Basis des Tasters und am Ursprunge des Tastnerven: be- finden sich mehrere rundliche Zellen. Zwischen Tasterbasis und Rüssel- ganglion sind zwei Nervenfasern ausgespannt. | IB BA SO ER TER aaa HRS Ga Bra mm ı Studien über Räderthiere. 487 Von Rumpfnerven sind zwei Paare vorhanden, Nervus lateralis und Nervus ventralis, welche aus einem Hauptstamme durch Theilung entspringen. Der im Bogen an der Bauchseite hinziehende Nervus ven- tralis giebt zwei Nervenfasern ab und besitzt fünf Ganglienzellen. Der Nervus lateralis zieht in geradem Laufe durch die Leibeshöhle nach hinten an den Seiten des Darmes vorbei, und giebt drei Paare von Nervenästen nebst einem unpaaren Ast ab. Der erste Ast ist für das Exkretionsorgan bestimmt. Die Nerven sind fein granulär. Der Taster kann mittels zweier Muskeln zuckende Bewegungen ausführen, ist jedoch nicht wie der Rüssel ein aktives, sondern ein passiyes Tastorgan. | 11), Das Exkretionsorgan besteht aus der kontraktilen Blase, ‚den abgehenden Röhren und den Flimmerlappen. Vor der Einmündung»in die Blase treten an den Röhren Einziehungen auf, welche das Zurück- fließen der Flüssigkeit bei der Kontraktion verhindern, Im 7. Seg- mente sind die Röhren jederseits an der Haut befestigt. | 12) Die weiblichen Geschlechtsorgane sind Keimdotterstöcke, mit einem stark granulirten und mit sehr großen hellen Kernen versehe- nen Dotterstocke, der vom kleineren Keimstocke durch eine Membran getrennt zu sein scheint. Das Ei, welches sich vom Keimstocke gelöst hat, ernährt sich demnach wohl dureh Diosmose aus dem Dotterstocke. Das ganze Organ ist von einer mit Kernen versehenen Membran umge- ben, welche sich in Zipfel auszieht. Von diesen Zipfeln geht nach vorn ein Faden an. die Leibeswand, nach hinten ein Ausführungsgang, dessen Wände zusammengelegt sind, ab. In bestimmten Phasen stehen die Kerne des Dotterstockesii in. einer Längsreihe. Dotter- und Keimstock sind im reifen Zustande ein Syn- eytium, | | Im unentwickelten. Zustande ist- der, Doiterstock aus distinkten Zellen’ gebaut. Gewöhnlich entwickelt sich nur ein Ei und:ist ein Geschlechtsor- gan dem anderen in der Reife voraus. | Männchen wurden nie beobachtet. ... Zum Schlusse spreche ich Herrn Professor Dr. L. v. Gkarr, in des- sen Institut diese Arbeit ausgeführt ist, für die Liebenswürdigkeit, mit welcher er nicht nur die nöthigen Hilfsmittel des Institutes, sondern auch seine Privatbibliothek mir zur Benutzung überließ, meinen ver- bindlichsten Dank aus. Graz, am 1. Juni 1886. 188 Carl Zelinka, Litteraturverzeichnis. Ich lege hier, nachdem ich durch Eckstein’s vortreffliches Verzeichnis die Vorzüge einer wenigstens annähernd vollständigen Litteraturangabe kennen ge- lernt, meinen Fachgenossen ein Verzeichnis vor, in welches außer den EcksTEix- schen Nummern, welche ich, was Genauigkeit betrifft, nach Möglichkeit zu ver- bessern bestrebt war, auch die von Eckstein übersehenen und die seit dieser Zeit erschienenen Arbeiten aufgenommen sind, und bitte meine geehrten Fachgenossen etwaige Unvollständigkeiten oder Mängel mir freundlichst bekannt geben zu wol- len, um so in vielleicht kurzer Zeit die ungemein und mehr als in anderen Gruppen zersplitterte und daher Einzelnen mitunter unzugängliche Litteratur der Rotatorien zu allgemeinem Nutzen zusammenfassen zu können. 4. ArCHER, On a new Species of Rotifer (Polychaetus spinulosus). Quart. Journ, mier. sc. N.S. VIII. p. 72. 1868. — LeuckaArt, Bericht etc. Archiv für Naturgesch. Bd. II. p. 330. 4869. 2. H. F. Arrwoop, Brachionus conium, a new Rotifer. Amer. Monthly Microsc, Journal. Vol. II, No. 6. p. 102. 3. —— New Rotifers. Journ. R. Microsc. Soc. (2.) Vol. I. p. 893—894. 4884, (From : Science II. 4884, p. 335, with 2 fig.). — Zool. Jahresber. Station Neapel. 4. Abth. p. 269, für 4884. 4, J. Bapcock, Eyes in Rotifers. Journal R. Micr. Soc. London. (2.) Vol. II. P. 4. p. 512 u. 593. 4882. — Zool. Jahresber. Station Neapel. 4. Abth. p. 528, für 1882. 5. G. Bausıanı, Observations sur le Notommate de WERNECK et sur son parasi- tisme dans les tubes des Vaucheries. Ann. des sc. nat. Zool. Ser. VI. T. VII. Art. II, p. A—40. 4878. Abstr. in: Journal R. micr. soc. Vol. Il. p. 530—544. 4879. — LEUCKART, Archiv für Naturgesch. p. 676. 4878. — Zool. Jahresber. Station Neapel. Bd. I. p. 349. 4879. 6. Fr. M. Barrour, Handbuch der vergleichenden Embryologie. Übersetzt von B. VETTER. Jena. Bd. I. p. 2413 — 246. 4880. 7. BARkER, Philodina aculeata var. or sp. n. Quart. Journ. mier. sc. N.S. XI. p. 210. 4874. 8. Barroıs, L’embryogenie du genre Pedalion. Revue scientif. XII. p. 303. 4877. — LEUCKART, Archiv für Naturgesch. II. p. 676. 4878. 9. —— Sur l’anatomie et le developpement du Pedalion mira. Assoc. franc. pour l’avancem. des scienc. (Le Havre). Vol. VI. p. 664—663. 4877. 40. S. Bartsch, Die Räderthiere und ihre bei Tübingen beobachteten Arten. Jahres- hefte des Vereins für vaterländische Naturkunde in Würtemberg. Stuitt- gart. p. 307—367. 4870. — LEUCKART, ].c. II. p. 468. 4874. 44. —— Rotatoria Hungariae. Budapest (ungarisch) 4877. — LEUCKART, ]. c. II. p. 679. 4878. | 12. Fr. A. BEpwELt, The building apparatus of Melicerta ringens. Monthly micr. 43. 14, 15. 46. ‚AT, 18. 49, 20, 21. 22. 93; 24, 25. 26. 27. 28. 29. ‚30. Studien über Räderthiere. 489 Journ. XVII. p. 214—223. 1877. — LEUCKART, ]. c. Il. p. 678. 4878. — Carus, Zool. Anzeiger Nr. 412. p. 284. 5. Juni 1882. Fr. A. BEDwELL and S. G. OsBornE, The Mastax-Framework in Melicerta ringens and Conochilus; with further notes on these Rotifers. Journ. R. Micr. Soc. Vol.I. p.476—185. 1878. (2 pl.) P. J. van BENEDEN et C. E. Hesse, Recherches sur les Bdellodes ou Hirudinees et les Trematodes marins. Bruxelles 4863. E. van BENEDEN, Recherches sur la composition et la signification de l’oeuf. Memoires cour. Acad. roy. de Bruxelles. XXXIV. p. 4107—145. 1870. — LEUCKART, 1. c. II. p. 468. 4874. BERGMANN u. LEUCKART, Anatomisch-physiologische Übersicht des Thierreichs. Stuttgart, J. B. Müller 4852. A. BiLLEeT, Sur les moeurs et les premiers phenomenes du developpement de l’oeuf de la Philodina roseola. Bull. Scientif. dept. du Nord (2). 6. Annee, No. 4/2, p. 1—10; No. 3/4, p. 69—84. 4883. — Abstr. in: Journ. R. Micr. Soc. (2). Vol. III. P. 6. p. 847. BRIGHTWELL, Some account ofa dioecious Rotifer, allied to the genus Notom- mata of EHRENBERG. Ann. and mag. of nat. hist. II. ser. No. 9. p. 453 — 158. Sept. 1848. BROTHERS, Appearances presented by thecilia of Melicerta ringens. Quart.Journ. of micr. sc. N. S.. III. p. 213. 4863. 0. Bürscuuı, Studien über die ersten Entwicklungsvorgänge, die .Zelltheilung und Konjugation der Infusorien. Abhandlungen, herausgegeben von der SENCKENBERG. naturf. Gesellsch. Bd. X. p. 214—464. 1876. — LEUCKART, l. c. II. p. 678. 4878, —— Untersuchungen über die freilebenden Nematoden und die Gattung Chaetonotus. Diese Zeitschr. Bd. XXVI. p. 363—444. 4876. BURMEISTER, Noch einige Worte über die systematische Stellung der Räder- thiere. Diese Zeitschr. Bd. VIII. p. 152. 1857. J. V. Carus, Jahresbericht über die in den Jahren 41849—1852 auf dem Gebiete der Zootomie erschienenen Arbeiten. Diese Zeitschr. Bd, VIl. Suppl: P- A —228, 4856. —— Icones zootomicae. Rotatoria auf Taf. VIII, Fig. 23—33. Leipzig 1857. und C, E. A. GERSTÄCKER, Handbuch der Zoologie. II. Bd. Räderthiere, bearb. von J. V. Carus. p. 445—424. 1863, Prodromus Faunae Mediterraneae. Pars I. p. 184, 485. Stuttgart 1884. L. CIENKOWSKY, Bericht über die im Jahre 1880 in das Weiße Meer unternom- mene Exkursion. Russisch. 1882. E. CLAPARkDE, Beobachtungen über Anatomie und Entwicklungsgeschichte eleser Thiere. An der Küste von Normandie angestellt. Beipzis. 1863, Echinoderes p. 90—92. Taf. XVI, Fig. 7—146. —— Miscellanees zoologiques. I. Sur la maniere dont certains Rotateurs introduisent leur nourriture dans leur bouche. II. Sur le Balatro cal- vus nov. gen. et sp. et les Rotateurs entierement de&pourvus de cils vi- bratiles. III. Type d’un nouveau genre de Gasterotriches. Ann. des sc. nat. Zoologie. VIII. 5. Ser. p.1. 1867. — LEUCKART, l.c. Il. p.293. 1867. —— berichtet über seine Miscellanees zool. in den Verh. der Schweizer na- turforschenden Gesellschaft zu Neuenburg. p. 93. Jahresber. 1866. 490 Carl Zelinka, 31. E. CLAPAREDE, On a new Genus of Gastrotrichous Rotatoria (Hemidasys agaso). Ann. and Mag. of Nat. Hist. Ser. 4. Vol. II. p. 214—219. 1868. 32. —— A new Rotifer Balatro calvus by M. CLArarkpe. Quart. Journ. of m. sc. N. S. VII p. 170-174. 1868. 33. —— Onthe mode in which certain Rotatoria introduce food into their mouths. Quart. Journ. of mier. sc. N. S. VIII. p. 174—172. 1868. 34. C. Craus, Über die Organisation und die. systematische Stellung der hm Seison Gr. Festschrift zur Feier des 25jährigen Bestehens der k. k. zo0l.- ‚bot. Gesellsch. in Wien. 1876. — LEUCKART, 1. c. Il. p. 684 und 682. 1878. 35. —— Zur Kenntnis der Organisation von Seison. Zool. Anzeiger. Ill. p. 548— 550. 4880. Ref. von SpENGEL in: Zool. Jahresber. Station. Neapel. 4. Abth. p. 303, für 1880. 36. — Hehalabch der Zoologie. p. 333—337. 3. Aufl. Mar es und Leipzig 1885, 37. F. Coun, Die Fortpflanzung der Räderthiere. Diese Zeitschr. Bd. VII. p. 431— 4186.. 1856. 38. —— Bemerkungen über Räderthiere. Diese Zeitschr. Bd.IX. p. 284—294. 1858. — LEUCKART, |. c. 11. p. 188, .1859. 39. —— Bemerkungen über Räderthiere. III. Diese Zeitschr. Bd. XII. p, 197 — 247. 4863. — LEUCKART, 1. c. Il. p. 176—177. 1.863. ‚40. CorLins, .New:' Species of Rotatoria. Science Gossip, January 4872. — Abstr.: Journ. R. Micr. Soc. Ser. Il. Vol. VI. Part. 2. p.. 78, 79. February 1886. 44. A. J. C. CorpA, CGystophthalmus, eine neue Räderthiergattung. — WEITEN- WEBER, Beiträge zur gesammiten Natur- und Heilwissenschaft. Vol. I. p- 178. 42. C. F. Cox, Reproduction of Rotifer als Monthly mier. Journ. XVII. p. 301 302. A877. — LEUCKART, 1. c. Il. p. 678. 4878. 43. Frank Crısp, New Swiss Rotatoria. Zool, Anz. VI. Jahrg. Nr, 154..p.564. 1883. 44. CHARLES CuBItT, Observations on some points in the economy of Stephanoceros. Monthly micr. Journ. Vol. III. p. 240. 4870. 45. —— Floscularia Cyclops; a new Species. Monthly micr. Journ. Vol. V1.p.83. 1874. (A pl.) 46. —— A rare Melicertian ; with Remarks on the homological position of this Form, and also on ine previously recorded new species Floscularia coro- netta. Monthly micr. Journ. 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Mit 4 Taf. Prag 1883. 80 (8 p.). Aus: Sitzgsber. k. böhm. Gesell. der Wiss. Studien über Räderthiere, 501 p. 391—398. 1882—1883. — Zool. Jahresber., Station Neapel. 4. Abth. p- 191, für 1883. | 352. K. Vost, Einige Worte über die systematische Stellung der Räderthierchen. Diese Zeitschr. Bd. VII. p. 193—200. 1856. 953. J. F. Weisse, Verzeichnis von 455 in St. Petersburg beobachteten Infusorien- arten nebst Bemerkungen über dieselben. Bull. math.-phys. Acad. St. Petersbourg. III. p. 19—26. 4845. 954. —— Zweites Verzeichnis Petersburger Infusorien. 1.c. III. p. 333—345. 1845. 355. —— Drittes Verzeichnis Petersburger Infusorien. l. c. V. p. 39—47, 1847. -956.. —— Dorococcus Globulus E, nebst Beschreibung dreier neuer Infusorien. l. c. V. p. 225—230. 1847. 957. —— Viertes Verzeichnis Petersb. Infusorien. 1. c. VI. p. 106—112. 1848. — LEUCKART, 1. c. II. p. 362. 185%. 958. —— Fünftes Verzeichnis Petersb. Infusorien. 1. c. VI. p. 353—364. 4848. — LEUCKART, 1. c. p. 262. 1854. 359. —— Erste Nachlese Petersb. Infusorien. 1. c. VII. p. 310—313. 4849. 260. —— Zweite Nachlese Petersb. Infusorien. 1. c. VII. p. 297—304. 14850. — LEuckART, |. c. II. p. 363. 4854. 364. —— Dritte Nachlese Petersb. Infusorien. 1. c. IX. p. 76—80. 1854. 362. —— Über Kuckucks- und Wintereier der sogenannten Wappenthierchen.' 1. c. XI. p. 346—352. 1854. — LEUCKART, 1. c. II. p. 361. 4854. 2363. —— Beitrag zur geographischen Verbreitung der Infusorien. l.c. XII. p. 378 | — 380. 4854. — LEUCKART, 1. c. II. p. 363. 4854. 264. —— Eine infusorielle Selbstbeurtheilung. Diese Zeitschr. Bd. VII. p. 340— 342. 1856. 265. —— Zur Oologie der Räderthiere. Mem. de l’Acad. de St. Petersbourg. VII. Ser. Tom IV. No. 8. p. 4—40. (4 pl.) 1862. — LEuckKART, ].c. II. p. 177. 1863. 366. —— Über die Entwicklung der Eier der Floscularia ornata Ehr. Diese Zeit- schr. Bd. XIV. p. 107, 408. 4864. — On the Development of the Eggs of Floscularia ornata. Quart. Journ. micr. sc. N. S. Vol. IV. p. 279—281. 186%. — LEUCKART, 1. c. II. p. 262—263. 1865. 2367. —— Zur Oologie der Räderthiere. Zweiter Beitrag. Bull. de l’Acad. St. Peters- bourg. VIII. p. 203—244. (I pl.) 1865. 268. —— Zwei nachträgliche Bemerkungen zu einigen meiner Aufsätze in der Zeit- schrift f. w. Zool. Diese Zeitschr. Bd. XV. p. 373—374. 1865. 269. WERNECK, Sur l’organisation des Rotiferes. L’Institut. X. No. 437, p. 174. 4842. 270. J. Weston, On the Actinophrys Sol. Quart. Journ. of mier. sc. Vol. IV. p. 116 —123. 1856 | 274. W.C. WirLıamson, On the anatomy of Melicerta ringens. Quart. Journ. of micr. se. .Vol. I. p. 3—8 u. 68— 74. 4852 u. 41853. — LEUCKART, 1. c. Il. p. 358. 1854. 272. A. W. Wırrs., Note on Oecistes pilula. Midland Natural. Vol. I. p. 302, 303. 1878. 273. —— Note ona Thecated Rotifer from Sutton Park (Oecisteslongipes). Midland Natural. Vol. I. p. 347. 1878. (A pl.) 274. F. WoLe, Rotifer Nests. Amerik. Monthly micr. Journ. Vol.III. No.6. p.404 —102. 1882. — Zool. Jahresbericht, Station Neapel. 4. Abtheil. p. 258, für 1882. 502 Carl Zelinka, 275. R. Worıny, Parasitism of Notommata on Vaucheria. Hedwigia. XVII. p.5u. 97. 1878. — Abstr. in: Journ. of R. micr. soc. Vol. Il. p. 291. 1879. 976. O. ZACHARIAS, Über Fortpflanzung und Entwicklung von Rotifer vulgaris. Diese Zeitschr. Bd. XLI. p. 226—251. On the Reproduction and Develop- ment of Rotifer vulgaris. With Figg. in: Annals of Nat. Hist. (5). Vol. XV. Febr. p. 425—148. Abstr. in Journ. R. Micr. Soc. (2).. Vol. V. P. 2. p. 249—250. — Sur la reproduction et le developpement du Rotifer vulgaris. Extr. in: Arch. Zool. Exper. (2). T.3. No. 3. p. XLII—XLIM. Ole Vorläufige Mittheilung über das Ergebnis einer faunistischen Exkursion ins Iser-, Riesen- und Glatzer erbirse Zool. Anzeig. Bd. VIII. Nr. 206. p. 575—577. 1885. 9378. —— Über die Bedeutung des Palmform-Stadiums in der Entwicklung von Rotatorien und Nematoden. Biolog. CGentralbl. Bd. V. Nr. 8. p. 228— ‚233. 4885. Relationship of Rotifers and Nematodes. Abstr. in: Journ. R. Microsc. Soc. (2). Vol. V. P. 6. p. 1006. 1885. 379. —— Studien über die Fauna des Großen und Kleinen Teiches im Riesenge- birge. Diese Zeitschr. Bd. XLI. p. 483—513. 1885. 980. —— Ein neues Räderthier (Stephanops Leydigii). Zool. Anzeig. IX. Jahrg. Nr. 223. p. 318 —320. 4886. 28. any Ergebnisse einer zoologischen Exkursion in das Glatzer-, Iser- und Riesengebirge. Mit Taf. IX und X. (Mit Beiträgen von F. Könıke und S. A. Poppe.) Diese Zeitschr. Bd. XLII. p. 252—270. 4886. Die der Vollständigkeit halber hier angeführten Arbeiten Nr. 154 und Nr. 91% konnten, da sie erst nach Fertigstellung der Arbeit mir bekannt wurden, nicht mehr berücksichtigt werden; ich werde jedoch bei der nächsten Publikation eingehend darauf zurückkommen. Das Litteraturverzeichnis wurde am 4. Juni 1886 abgeschlossen. Erklärung der Abbildungen. Alle Figuren beziehen sich auf Callidina symbiotica n. sp. Die Linsensysteme sind nach Wınker in Göttingen. Tafel XXVI. Fig. 4. Frullania dilatata, von der Unterseite. Die Räderthiere sind aus,den Kappen hervorgestreckt. Bei r kontrahirtes Räderthier, /, Luftblasen. Oc.I, Obj. 4. Fig. 2. Radula complanata, von der Unterseite. Aus den Winkeln zwischen Unter- und Oberlappen der Blätter sehen die Räderthiere hervor. Oc. I, Obj.'4. Fig. 3. Frullania dilatata, von der Unterseite. O, ohren- oder kappenartig auf- geblasene Unterlappen des Oberblattes ob; ub, Unterblatt oder Stipula, die Rhizoi- den daran sind, wie auch in Fig. 4, 6 und 7, nicht gezeichnet; si, Stylus auriculae; r, kontrahirte Räderthiere;; l, Luftblase. Oc. I, Obj. 5 Fig. 4. Frullania dnalatı Unterseite. Aus der Kanne tritt eben ein Theil der Luft (l) an einem immer dünner werdenden Stiele heraus. Oc. I, Obj. 5 Studien über Räderthiere. 503 Fig. 5. Stücke von zwei Ring- und einem Längsmuskel des Hautmuskelschlau- ches nach Chromsäureeinwirkung. q, Quermuskel; !, Längsmuskel; f, Fibrillen derselben; v, Verdickungen an den Enden der Fibrillen. Oc. II, hom. Imm. 1/14. Ä Fig. 6. Einige Segmente des Körpers, etwas aufgebläht. q, Ringmuskel; k, Kerne der Haut; fa, Falten der Haut. Oc.II, Obj. 8. Fig. 7. Frullania dilatata. Eindringen der Luft in die mit Wasser gefüllte Kappe. 1, Luft. Oc. I, Obj. 5. Fig. 8. Frullania Tamarisci, Unterseite. Unentwickelt gebliebene (atavistische?) Ohren (o). Oc. I, Obj. 4. | Fig. 9. Fußspuren von Callidina symbiotica. Auf lange Strecken ausgespannte, mit angeklebten Karminkörnchen versehene Fäden aus den beiden äußersten Poren des letzten Fußgliedes. Oc. I, Obj. 7. Fig. 40. Die Fußspuren auf kurze Entfernung. Sekretfäden der Porenanzahl ‚entsprechend. Oc. I, hom. Imm. 1/44. Fig. A4. Das vorletzte Fußglied von hinten. z, Zangen; x, die von radiären Falten umstandene Öffnung, durch welche das letzte Fußglied hervorgestreckt wird. 0c. II, Obj. 7. | Fig. 12. Der Fuß mit seinen drei gewöhnlich sichtbaren Gliedern 4, 2,5. B, ‚Buckel am ersten Gliede; z, Zangen des vorletzten dritten Gliedes. Oc. II, Obj. 7. Fig. 43. Ein Ringmuskel bei Oc. IV, hom. Imm. 4/44 gezeichnet und vergrößert. cu, Cuticula der Haut; Ay, Hypodermis; f, Fibrillen mit ihren optischen Quer- schnitten. | Fig. 44. Kontrahirte Callidina symbiotica. a, Vorderende; b, Hinterende. Oc. I, 0bj.:7. Fig. 45. Kontrahirte Callidina symbiotica. Am Hinterende (b) erscheinen viele feine Falten. Oc. I, Obj. 7. Fig. 16. Kontrabirte Callidina symbiotica in ihrer natürlichen Farbe. a, Vorder- ende; b, Hinterende; %k, Kiefer; d, Darm, kenntlich durch etwas intensivere Farbe. Oc. I, Obj. 7. Fig. 17. Letztes und vorletztes Fußglied. z, Zangen am vorletzten Gliede; I, letztes Fußglied;; r, die Röhrchen, durch welche das Klebmittel nach außen tritt. Oc. II, hom. Imm. 4/44. ! Fig. 18. Kiefer. z, die Zähne; fu, Furche; x, der äußere Kontour des medianen Randwulstes der Kieferplatte; a, der äußere, i, der innere Kontour jeder Platte; h,halbmondförmige Spitze = Hinterende; s, stumpfes Ende = Vorderende. Oc.IIl, hom. Imm. 4/44, vergrößert gezeichnet. Tafel XXVIL Fig. 49. Der Ringwirbel und die Strömungen der Karminkörnchen von der Bauchseite gesehen. Die Pfeile geben die Richtungen der Strömungen an. Von den Radwimpern sind nur je zwei in ihren äußersten Stellungen in der Ebene des Ring- wirbelquerschnittes, dessen Centren 00 sind, gezeichnet. s, die seitlichen Ströme zum Munde durch den unteren Wimperkranz erzeugt; u, der vom Munde ventral wegziehende Strom mit den zu entfernenden Körperchen. F, Ringfurche; wp, Wimper- polster. Oe. IL,hom. Imm. 4/14. BR Fig. 20. Dasselbe von der Seite gesehen. r, der eingestülpte Rüssel; ul, die schnabelartig vorgestreckte Unterlippe. Da.die Zuleitung der Körnchen aus dem Ringwirbel zu den seitlichen Strömen seitlich außen an jeder Hälfte des Räderor- gans erfolgt, so erblickt man in dieser Ansicht einen breiten, von der Halbkugel- 504 Carl Zelinka, furche zur Unterlippe herabziehenden Körnchenstrom, der direkt in den seitlichen (s) übergeht. wp, Wimperpolster. Oc. II, hom. Imm. 1/44. | Fig. 21. Halbschematische Darstellung der Kieferbewegung beim Einziehen | ö des Vorderendes. a, der Drehpunkt = halbmondförmige Spitze des im Längs- schnitte dargestellten Kiefers; b, sein Vorderende bei gestrecktem Körper; bc, die | Kurve, welche das Vorderende beim Kontrahiren des Thieres beschreibt. ro, das eingezogene Räderorgan; r, Rüssel. Fig. 22. Der Blasendarm (bild) im optischen Querschnitte, mit seinen spiralig angeordneten, gekrümmten Cilien. d, stellt den von der Cuticula cu begrenzten, wimpernden Innenraum des Darmes vor. Oc. I, hom. Imm. 4/14. Fig. 23. Ein Stück des Darmes ohne seine Cilien. cu, Cuticula; pl, seine plas- matische syncytiale Wand mit den Zellkernen; h, die den Darm gegen die Leibes- höhle begrenzende Membran. Oc. I, hom. Imm. 1/14. Fig. 24. Halbschematische Darstellung des Kauapparates mit den unteren Speicheldrüsen vs. k, Kaumuskulatur; ki, Kiefer ; e, elastische Wänd des Pharynx, übergehend in das Schlundrohr phr; i, innerer, a, äußerer Randwulst. Fig. 25. Die Grenzen des Mundes von oben in der Längsachse des gestreckten 'Thieres gesehen; sämmtliche Cilien sind weggelassen. Die gestrichelten Linien geben die Kontouren der darüber liegenden Theile an. o, Mund; w, Wimperpol- ster; s, die zwei nicht konstanten seitlichen Einkerbungen ; ro, Räderorgan; r, Rüs- ‚sel. Oc. II, hom. Imm. 1/44. Fig. 26. Schema der Radbewegung. Die Wimpern sind nicht in einer senkrech- ten, sondern etwas schiefen Projektion gezeichnet, um die Umbiegungsstellen der Wimpern darstellen zu können. Ein Theil der Radwimpern von 1—6 ist gestrichelt gezeichnet, da sie in diesen Stadien unter die Kreisebene o, welche durch die ringförmige Insertionsfurche gelegt zu denken ist, gelangt sind, in welcher Lage z. B. die nach abwärts gebogenen Wimpern in den Fig. 49 und 20 sich befinden. Die Wimpern 7—17 sind ganz ausgezogen, da sie in ihrer Aufwärtsbewegung über den Horizont, welcher durch den rothen Halbkreis angegeben ist, sich zu erheben beginnen. Die Pfeile geben die Richtung, in welcher die Wellen gleiten, an. Fig. 27. Mund und Räderorgan mit Weglassung aller Wimpern, von oben ge- sehen. ul, Unterlippe mit den zwei Einkerbungen; ol, Oberlippe mit ihren zwei Zäpfchen (z); r, Rüssel; ro, Räderorgan. Oc. III, hom. Imm. 4/44. Fig. 28. Der Ringwirbel in den über dem Thiere befindlichen Wasserschich- ten. Von allen Seiten ziehen in der Richtung der Pfeile die Körnchen in Kurven herbei. Tafel XXVIL. Fig. 29. Callidina symbiotica, von der Seite. r}, ra, die beiden Rüsselglieder; Ruw—Ru;o, die zehn Rumpfglieder, von welchen Ru, das Mundglied, Ru, das Taster- glied, Ru, das die Kiefer enthaltende ist; ro, eingezogenes Räderorgan; T, Taster; Fw—Fus, erstes bis drittes Fußglied; B, Höcker am ersten Fußgliede; dFı—dFs, dorsale Falten der Haut; vFR—vF;, ventrale Falten der Haut; hy, die hyalinen Mem- branen am Rüssel. Oc. I, hom. Imm, 1/44. Fig. 30. Callidina symbiotica, von der Rückseite gesehen. Bezeichnung und Vergrößerung wie in Fig. 29. Fig. 34, 32 und 33 stellen die topographische Anatomie des Rumpfes dar. braun = Verdauungstractus; roth = Leibeshöhlenmuskel; blau — Exkretionssy- stem und in Fig. 31 und 32 gelb = Nervensystem. Oc. I, hom. Imm. 4/14, Studien über Räderthiere. 505 Fig. 34. Callidina symbiotica, eben so wie in Fig. 32 und 33 etwas aufgebläht, nach Behandlung mit Mürrer’scher Flüssigkeit, von der Bauchseite. r, Rüssel; hy, hyaline Membranen; o, Mund, halb geöffnet mit dem noch nicht ganz ausgestreckten Räderorgane (ro); ol, Oberlippe; ul, Unterlippe; Zi, plasmatische Zipfel des Räder- organs; phr, Schlundrohr oder Pharyngealröhre; ph, Pharynx; ki, Kiefer; vspı, mediane ventrale Speicheldrüse; vsps, vsp3, die lateralen der ventralen Speichel- drüsen;; oe, Ösophagus; md, Magendarm; sph, Sphinkter; bd, Blasendarm;; Cl, Rec- tum; kdr, Klebdrüsen; w, Exkretionssystem; rc, Rückzieher des Vorderendes; rph, Rückzieher des Pharynx; mp, medialer Fußmuskel; Ip, lateraler Fußmuskel; g, Geschlechtsorgan;; 1, letztes Fußglied. Fig. 32. Rumpfanatomie von der Seite. Bezeichnung und Präparation wie in, Fig. 34. rr, Retractoren des Rüssels; fr, Muskel, welcher die Einbauchung der Rüs- selendfläche und damit die Fixirung des Vorderendes bewirkt; mph, Muskel, welcher dieSchlundröhre beim Ausstrecken des Thieres nach vorn in ihre Lage zu ziehen hat; T, Taster; ce, Gehirn; n, Nervenhauptstrang, dessen weiterer Verlaufin dieser Figur nicht weiter eingezeichnet ist; vsp, ventrale Speicheldrüsen; dsp, dorsale Speichel- drüsen ; ml, lateraler Muskel zur Verschiebung des vierten und sechsten Rumpfglie- des;dr, Drüse am Ösophagus; Bsp, die drei ‚Bauchspeicheldrüsen (die rechte laterale ist verdeckt); im, innerer, mm, mittlerer, am, äußerer Muskel zur Verschiebung und Fixirung des Blasendarmes; wb, Exkretionsblase; dp, dorsaler Fußmuskel, unter- stützt die beiden ventralen Paare im Einziehen des Fußes; B, Buckel am ersten Fußgliede; a, After. Fig. 33. Peripherisches Nervensystem des Rumpfes von der Bauchseite, nach einem frischen Objekte. Bezeichnung wie Fig. 34. Die übrigen Organe mit Ausnahme des Nervensystems sind halbschematisch behandelt. r, Hauptstrang; nv, Nervus ventralis; nl, Nervus lateralis, zieht an den Seiten des Darmes hin; 9h—gl;, die fünf Ganglienzellen des N. ventralis; /, II, die zwei Nervenäste des N. ventralis; 1—7, die sieben von dem Nervus lateralis abzweigenden Nervenfasern;, x, die Anheftungs- stelle desExkretionsgefäßes;; y, die Kreuzungsstelle desNervus lateralis und ventralis. Tafel XXIX. Fig. 34. Hautmuskelschlauch des Rumpfes von der Rückenseite. rm —rm;ı, die elf Ringmuskeln, von denen einige die Einschnürungen und quer durchlaufenden Linien zeigen, wie z. B. rmg oder rmg; Imd, dorsaler Längsmuskel; ki, Lage der Kiefer; T, Taster; ro, Räderorgan, eingezogen. Oc. I, hom. Imm. 4/44, Fig. 35. Hautmuskelschlauch des Rumpfes von der Bauchseite. 0, Mund; Imvy bis Imv;, die fünf ventralen Längsmuskeln; a, Theilungsstelle des Imvs ; die ubeisen Bezeichnungen und Vergrößerung wie in Fig. 34. Fig. 36. Seitenansicht des Vorderendes mit ausgestrecktem Räderorgan, nach einem Chromsäurepräparate. Schlundrohr und die vordere Hälfte des Räderorgans Sind in ihren bezüglichen optischen Längsschnitten gezeichnet. Am Räderorgan erkennt man den Hügel H, die pferdeschweifartig herabhängenden Radwimpern Rw und die plasmatischen Zipfel zö; II, der zweite Wimperkranz, dessen Wimpern mit ihren Spitzen gegen den Mund sehen; Wp, Wimperpolster ; oy, dessen Grenzlinien, in welchen er sich in die Mundhaut ol z, Zäpfchen der Oberlippe; ul, Unter- lippe mit ihrem schnabelartigen Vorsprunge ; phr, Schlund oder Pharyngealröhre; e, elastische Wand des Pharynx; ki, Kiefer; r, der eingezogene Rüssel; T, Taster; ce, Umriss des auf dem Schlundrohre liegenden Gehirns. Oc. II, hom. Imm. 4/14. Fig. 37, Anatomie des aufgeblähten Vorderendes, vom Rücken aus gesehen 506 Carl Zelinka, Studien über Räderthiere. (Sublimat). Die Hautmuskeln sind roth angelegt. r, Rüssel; rm’ und rm”, dessen Ringmuskel; Im, Längsmuskel; rm, rma und rmz, Ringmuskeln des Rumpfes; s, Sinneszellen; rgl, Rüsselganglion; st, Stützzellen, erzeugt durch Fortsätze der Hypodermis; Igl, seitliche Ganglien in der Hypodermis; Rw, Radwimpern; ro, Räderorgan, welches durch die Aufblähung des Leibes ausgestülpt wurde und da- her ausnahmsweise zugleich mit dem Rüssel sichtbar ist; fr, Muskel, welcher die Rüsselendfläche einzieht; mph, Muskel zur Schlundröhre; ce, Gehirn; ngl, Nerv zum Rüsselganglion; nı, Nerv zum seitlichen Ganglion ; na, Nerv zur Decke des Räderorgans; n3, Nerv von der Spitze des Rüsselganglions zur Basis des Tasters; zi, Zipfel des Räderorgans; hb, das vom Rüssel | in die Halbkugeln ziehende Hypo- dermisband. Oc. II, hom. Imm. 4/14. Fig. 38. Vorderende von der Seite. Präparation und Bezeichnung wie in Fig. 36. Mehrere Einzelheiten, welche in Fig. 37 der Klarheit des Bildes halber nicht ent- halten sind, haben folgende Bezeichnung: mT, die zwei Tastermuskel; Tz, Zellen am Ursprunge des Tasternerven Tn; phr, Pharyngealröhre,, mro,, mro3, mro3, die drei Muskeln des Räderorgans; ul, Unterlippe; vh, Hypodermisverdickung mit Kernen; nf, Nervenfäserchen vom Rüsselnerv zu den Seitlichen Ganglien ; no, Nerv vom seit- lichen Ganglion zum Munde. Oc. Il, hom. Imm. A/i4. | Fig. 39. Räderorgan von vorn, dessen rechte Hälfte die Radwimpern zeigt, wie sie in ihrer Thätigkeit sich wechselnd heben und senken ; nur ist die Zeichnung, um das Bild nicht zu verwirren, so gehalten, dass nur fünf Speichen vorhanden sind. Die linke Hälfte lässt die Wimpern herabhängen. wp, Wimperpolster; II, unterer Wimperkranz; ul, Unterlippe; z, Zäpfchen der Oberlippe; s, schnabelartiger Vor- sprung der Unterlippe; F, Furche am Räderorgane. Oc. II, hom. Imm. 1/14. Fig. 40. Rüssel, von der Bauchfläche. hy, hyaline Membranen; re, Rüsselend- fläche, mit gegen die Bauchseite hin immer kürzer werdenden Wimpern besetzt; rj, erstes, ra, zweites Rüsselglied; o, Mundglied. Oc. IV, hom. Imm. A/1, Fig. 41. Die letzten drei Rumpfglieder, von unten seitlich gesehen (Chromsäure, Alaunkarmin). Der Darmtractus ist im Längsschnitte gezeichnet. md, Magendarm; sph, Sphinkter; bild, Blasendarm ; Ol, Rectum a, After, Ex, Exkretionsblase, hinter dem Rectum sichtbar; bei o ihre Mündung; Exr, Exkretionsröhre, über dem Blasen- darm gezeichnet; bei x Einziehungen an der Exkretionsröhre; w, Wimperlappen; idr, innere Klebdrüsenreihe; adr, äußere Klebdrüsenreihe; u, unpaarer Theil des ganzen Klebapparates; I, letztes Fußglied; dp, dorsaler Fußmuskel; mp, medialer Fußmuskel; Ip, lateraler Fußmuskel; vr, Verbindungsröhre zwischen pink und Blasendhfih Oc. II, hom. Imm. 1/ah. Fig. 42. Geschlechtsorgane (Chromsäure, Alaunkarmin). Das linke ist noch unentwickelt und mit zelligem Dotterstocke versehen. K, Keimstock; D, Dotter- stock; %k', unentwickelter Keimstock ; d’, unentwickelter Dotterstock; e, junges Ei: el, Ei, sich eben vom Keimstock abschnürend; m, Membran, welche am Dotter- stocke zu sehen ist; u, kernhaltige Membran, welche das ganze Geschlechtsorgan umgiebt und bei a in den Ausführungsgang übergeht; b, Faden, mittels welchem das Organ an der Leibeswand befestigt ist; md, Magendarm; sph, Sphinkter; Did, Blasendarm. Oc. III, hom. Imm. 4/14, Berichtigung: auf p. 405, Zeile 15 von oben soll es statt Fig. 1 und 4] heißen Fig. 4 und 3 .. | ee _— ——— Inhalt. unnnnron Seite EilOiKImE. 5 ee ee \. Nolszischer. lnallası a a 2%) Kap. I. Bau der Pflanze und Verhalten des Thieres. . . . . . . 398 Kap. II. Charakteristik der auf den Lebermoosen symbiotisch lebenden raderthieres 2. u 2 nen Kaps Wln Bewerungens. 2 5. ee ne een 416 . Snalomlseher Nina asien ae ee ii Kap. 1. Körperform und Beschaffenheit der Haut. ....... 47 Kap cl Muskelsystem. . ...,.. „2.2.2... N 1022 Kaps Bi Raderoreanund Mund. 2 2 2.2.2. ..2..2.....428 Baal Hüssela a oe ne neue nee Kap. "Ne IRB Ver ee ee Pepe Verdauuneskanal nr „2... 2.222.220... 346i Kap. VII. Nervensystem und Sinnesorgane . . . 2. 2.2.2220. ATA Kap VII. Eskretionsorgan . » 2» ...... BE RER Kap. IX. Weibliche Geschlechtsorgane. . . . . 2... elle) Bi Zusammenfassung der neuen Angaben . . .»...... 2.2 .2..220° 483 .Litteraturverzeichnis . . . 2... ee ee a RAN) TH A Korallenstudien. Von Dr. A. R. Ve Heider, Docent für Zoologie in Graz. Mit Tafel XXX—XXXI und 5 Holzschnitten. Im Laufe der letzten Jahre erhielt ich durch die freundliche Ver- mittlung einiger Personen, denen ich hierfür zu großem Danke ver- pfliehtet bin, eine Anzahl von Anthozoenformen zur Untersuchung, welche ich Anfangs nur in der Absicht bearbeitete, mich selbst in das Studium der Korallen weiter einzuweihen. Wenn ich nun die Resul- tate meiner Arbeiten doch veröffentliche, so geschieht es hauptsächlich desshalb, weil ich es nicht für unnütz halte, durch die Beschreibung einzelner Korallenformen, und insbesondere der Weichtheile derselben, die Kenntnis der feineren Struktur der ganzen Gruppe einer Erweite- rung zuzuführen, deren sie noch sehr bedürftig ist. Indem ich zunächst zwei zur Familie der Eupsammiden gehörige Formen bespreche, hoffe ich, diesen bald die Beschreibung von Ange- ‚hörigen anderer Familien folgen lassen zu können. Astroides calycularis Blainv. (Taf. XXX). Das Skelett dieser zusammengesetzten und immer flächenförmig ausgebreiteten Koralle zeichnet sich dadurch aus, dass die die einzel- nen Kelche verbindende Kalkmasse, das Coenenchym, in genügender Menge vorhanden ist, dass die Kelche sich mehr oder minder kreisrund aufbauen können. Zwar grenzen die letzteren meist so eng an einander, dass eine Trennung der Mauerblätter kaum möglich ist (Taf. XXX, Fig. 3), aber die Lücken zwischen drei und vier einander anliegenden Kelchen sind breit und mit Coenenchym erfüllt!. Der durch Kelchknospung sich 1 Im Sinne Dana’s haben wir es hier nicht mit Kelchen, sondern mit »Zellen « zu thun, da die einzelnen Kelchränder meist nur wenig über die Coenenchymober- fläche hervorsehen. Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. XLIV. Bd. 33 508 | A. R. v. Heider, ausbreitende Stock überzieht die Oberfläche von Steinen in einer etwa % cm dieken Schicht, die einzelnen Kelche erreichen dieselbe Höhe, in- dem sie sich auf Längsschliffen meist durch die ganze Dicke des Stockes als nach oben schwach divergirende Röhren verfolgen lassen (Fig. 3). Das Skelett ist durchgehends porös, der Stock demnach verhältnismäßig leicht. Die den Rand der Kolonie bildenden Kelche zeigen auf der freien Oberfläche ihres Mauerblattes häufig eine dünne, a Kalk- lamelle, die sogenannte Epitheka. Am Kelche, der beim ausgewachsenen Polypen eirca 6—7 mn im Durchmesser hat, fällt zunächst die wohl ausgebildete Columella in die Augen. Von einem »Säulchen« kann allerdings hier nicht leicht ge- sprochen werden; dieser den wirklich säulenartigen axialen Gebilden anderer Korallen entsprechende Skeletttheil hat bei Astroides die Ge- stalt einer den Kelchboden fast ausfüllenden, über diesen meist nur imm sich erhebenden schwammigen Masse, die mit ihren unregelmäßi- gen Poren scharf abgegrenzt ist gegen die, dem unbewaffneten Auge mehr kompakt erscheinende Umgebung (Fig. !). Von der Kelchwan- dung reichen die kompakten dünnen Septen nicht weit nach innen gegen die Kelchachse. Alle Septen beginnen am freien Kelchrande un- scheinbar mit kleinen, vorspringenden Zacken des Coenenchyms oder Mauerblattes und erlangen erst in den tieferen Querschnitten eine ver- schieden starke Ausdehnung, wodurch die einzelnen Cyklen zu Stande kommen. Astroides hat deren vier, und zwar verbinden sich die 12 Septen erster Ordnung konstant, die 12 zweiter Ordnung sehr häufig mit der Columella im Kelchgrunde. Während diese 24 Septen in ihrer größten Ausdehnung kaum 1,5 bis Qmm breit sind, bleiben die zwi- schenliegenden 24 Septen dritter Ordnung viel schmäler (kaum 0,5 mm) und verlieren sich eben so, wie die nur mehr niedere Vorsprünge bil- denden, oft kaum sichtbaren Septen vierter Ordnung, in der Tiefe der von den Septen erster und zweiter Ordnung gebildeten Kammern. Nicht konstant, aber häufig findet man eine Krümmung der Septen vier- ter Ordnung gegen die von ihnen eingeschlossenen Septen dritter Ord- nung und ein Verwachsen derselben unter einander, wie dies regel- mäßig bei der weiter unten zu beschreibenden Dendrophyllia vorkommt, Die Septen zeigen bei Lupenbetrachtung kleine senkrecht vorstehende Zähnchen und Spitzchen und sind nicht porös. Sie sind, wie uns Quer- schliffe belehren (Fig. 2), die Fortsetzungen der das Mauerblatt bilden- den, dichten, spröden Kalktrabekel. / Aus Quer- und Längsschliffen ersehen wir, dass das Kalkskelett zum größeren Theile aus dünnen, meist 0,15mm in der Dicke nicht übersteigenden Balken und Bälkchen einer aus sehr fest gefügten Na- Korallenstudien. 509 deln zusammengesetzten harten Kalkmasse besteht. Das Mauerblatt und das zwischen den Kelchen vorhandene Coenenchym wird aus- schließlich von einem System solcher, in allen möglichen Richtungen gekrümmten und mit einander verschmolzenen Balken gebildet. Die durch das Balkensystem erzeugten Lücken münden frei nach innen in die Kelchhöhle und in einzelnen Abständen setzen sich einzelne der Balken als Septen gegen die Kelchachse zu fort. Die Septen sind als in vertikaler Richtung flächenartig verbreitete Balken, die ebenfalls die Dicke von 0,15mm kaum überschreiten, anzusehen und als morpho- logisch gleichwerthig sehe ich die Columella an, welche dadurch ent- standen ist, dass die flächenartig ausgebreiteten Lamellen sich in ver- schiedenen Richtungen krümmen und mit einander vereinigen. Obwohl also sowohl Mauerblatt und Coenenchym, wie Columella gleich porös erscheinen, bieten doch diese Skeletttheile dem unbewaffneten Auge nicht zu verkennende Unterschiede; erstere erscheinen viel dichter, feinmaschig, die Columella mehr schwammig, weil bei den einen die sie bildenden Kalktrabekel im Querschnitte rundlich oder schwach breitgedrückt, bei der CGolumella dieselben lamellenartig verbreitert sind. — Auch die Epitheka wird dort, wo sie vorkommt, von einer dünnen Flächenausbreitung der Kalkmasse gebildet und hängt direkt innen mit dem Mauerblatt-Balkensysteme zusammen. Man wird an den in Fig. 2 und 3 gegebenen Schliffen diese, meines Erachtens bisher zu wenig beachteten Verhältnisse in Verbindung mit der Betrachtung der Kelchansicht leicht erkennen. Besonders deutlich‘ wird der nur scheinbare Unterschied zwischen Mauerblatt und Colu- mella in dem Längsschliffe (Fig. 3), an welchem zu sehen ist, dass die letztere aus Kalklamellen besteht, welche mehr oder minder der Achsen- richtung folgen, während im Mauerblatte kein vorherrschender Zug der Kalktrabekel zu erkennen ist. Die Columella ist durch die ganze Höhe des Stockes zu verfolgen; der Übergang zwischen ihr und dem Mauer- blatte wird durch das Septum vermittelt. — An dem Längsschliffe sind die sog. Böden(Tabulae t) gut zu sehen. Sie theilen die Höhe des Poly- pars von oben nach unten in eine Anzahl von Stockwerken und geben uns ein Bild von dem successiven Vorschreiten des Polypen nach oben. Aus Fig. 3 sehen wir auch, dass die beiden neben einander gestandenen Polypen nicht gleichmäßige Wachsthumsperioden hatten; der linke zeigt fünf, der rechte nur drei Stockwerke, in die mittlere Periode des ‚rechten fallen zwei Perioden des linken, und während der linke Polyp zuletzt neuerlich um ein Stockwerk nach oben vorgerückt war, hat der - rechte noch den früheren Boden behalten und zeigt eine tiefe Kelch- höhle. 33 510 A. R. v. Heider. Den Polypen selbst habe ich in zahlreichen Schnitten durch- studirt; ich will mich aber auf die Histologie desselben hier nicht ein- lassen, weil ich nichts gefunden habe, was von schon Bekanntem be- sonders abwiche. Das Studium der Chalicoblasten nahm besonders meine Aufmerksamkeit in Anspruch, indess fand ich auch hier die nämlichen Verhältnisse, die gleichen Bilder, wie ich sie schon bei Cla- docora! beschrieben habe und später von Dendrophyllia genauer be- schreiben will. Nachdem auch v. Kocn? das Vorhandensein des Chali- coblastenlagers bei Astroides konstatirt hat, kann ich füglich von einer eingehenden Beschreibung desselben absehen. Ich möchte dagegen an der Hand einiger Zeichnungen von Quer- und Längsschnitten durch den ganzen entkalkten Polypen über die gröbere Anatomie von Astroides calycularis einige Worte sagen; nicht sowohl, weil ich dabei Neues zu bieten habe, als vielmehr zur Orientirung für fernere Korallenuntersuchungen. Ich finde nämlich gerade in Bezug auf das Verhalten der Korallenpolypen gegen die zur Tödtung und Konservirung verwendeten Reagentien in unserer Litte- ratur nur wenige Angaben und doch ist für die Untersuchung der An- thozoen und besonders der mit einem zusammenhängenden Skelett aus- gerüsteten Hexakorallen wichtig, sich an jedem Schnitte über das Maß der immer vorhandenen Kontraktion des Polypen genau zu orientiren, um sich vor irrigen Deutungen bezüglich der Lagerung der Organe zu bewahren. Mir lagen zwei Partien von Astroides calycularis zur Unter- suchung vor. Die eine derselben bestand aus einigen Stöckchen, welche direkt von ihrem Fundorte an den Felsen von Capri in 70%/,igen Alko- hol geworfen wurden und ihre Polypenleiber so tief in die Kelchhöhle zurückgezogen hatten, dass an eine Orientirung, so weit sie den beim ausgestreckten Thiere aus der Kelchhöhle hervorsehenden Theil des Polypen betrifft, nicht zu denken war. Bei Astroides ist die über den Kelchrand ragende Partie des lebenden Polypen, im Vergleich zu an- deren Korallen, sehr lang und nimmt ungefähr das Doppelte der Tiefe des Kelches ein. Es ist nun der sehr ausgedehnte skelettlose Theil der Körperwand, welcher bei der vollen Kontraktion des Thieres zuerst eingeschlagen wird und sich dabei so tief in den Kelchgrund hinab- zieht, dass der kreisförmig eingezogene obere Rand der Körperwand auf die Columella zu liegen kommt. In den Raum zwischen dieser und 1 Die Gattung Cladocora. Sitzungsber. k. Akad. Wiss. Wien. Math.-naturw. Klasse. LXXXIV. 1884. p. 634—667. 2 v. Koch, Über die Entwicklung des Kalkskeletts von Astroides calycularis. Mitth. Zool. Stat. Neapel. III. 4882. p. 284—290. Korallenstudien. 511 dem Mauerblatte werden alle übrigen Weichtheile des Polypen ge- drängt, und zwar erscheint das Schlundrohr ungemein ausgedehnt und gegen die Septen gepresst, die Mesenterien ! sehr verkürzt in die Inter- septalräume gezogen, die Mundplatte mit den zu fast unsichtbaren Knöpfchen verkürzten Tentakeln ebenfalls gegen die Kelehwandung gedrückt und von der darüber gelegten Körperwand vollständig be- deckt. — So konservirte Polypen waren natürlich für die Anfertigung von Situationspräparaten ganz untauglich und ich konnte diese Stöcke nur für das Studium der innerhalb des Kalkgerüstes, welches der Kon- traktion rasch eine Grenze setzt, befindlichen Weichtheile benutzen. Dagegen erhielt ich von der Zoologischen Station in Neapel Astroi- desstöckchen, die zum Theil mit ganz ausgestreckter Körperwand ge- tödtet worden waren und desshalb sich zu Schnittserien besser eigneten. Aber auch hier vollzog die Mundplatte noch vor dem Tode Einziehungen, wahrscheinlich durch Kontraktion der Mesenterien hervorgebracht, die an Querschnitten der oberen Polypenhälfte Anfangs die Meinung auf- kommen ließen, dass die Tentakel selbst bei der Kontraktion des Thieres eingestülpt würden, zumal an konservirten Polypen dieselben mit freiem Auge nur in ganz geringer Anzahl aufzufinden sind. An dem in Fig. 8 wiedergegebenen Schnitte erscheinen in den Me- senterialtaschen die Querschnitte von breitgedrückten oder rundlichen Schläuchen (Mu), deren Wandung vollständig die Zusammensetzung der Tentakel zeigt, wie wenn dieselben nach einwärts gestülpt wären, d. h. man findet als innerste Zellenlage Ektoderm mit einer großen Menge charakteristischer Nesselkapseln, auf dieses folgt Längsmuskulatur, nach außen von der Mesodermlamelle Ringmuskulatur, weiche von einem Entodermlager bedeckt ist. Die Entscheidung, ob wir es hier thatsächlich mit Tentakelquerschnitten zu thun haben, wäre demnach nicht so unwichtig, da ja die Annahme, dass bei Kontraktion des ge- sammten Polypen die Tentakel in die unter ihnen liegenden Taschen eingestülpt werden, wohl denkbar ist, wenn für diese Arbeit eine eigene Vorrichtung, etwa ein Musculus retractor, der die Tentakel- spitze mit dem Körperinneren verbände, gefunden würde. Es scheint auch konstant die Längsmuskulatur der Mesenterien direkt mit zahl- ! Dader Vorschlag Haaxr’s (Jenaische Zeitschr. 1879. p. 277), die Kalkscheide- wände des Kelches von den weichen Scheidewänden des Polypen durch die Be- nennung Sclero- und Sarcosepten zu trennen, keinen Anklang zu finden scheint, werde ich im Nachfolgenden, wie es FOwLER (Quart. Journ. Mier. Sc. XXV. 1885. p. 578) gethan, erstere einfach mit Septen, letztere mit Mesenterien bezeich- nen, obwohl zu erwarten ist, dass auch diese, ausschließlich aus Bequemlichkeits- rücksichten gewählte Bezeichnung manche Gegner finden dürfte. 512 A. R. v. Heider, reichen Faserbündeln sich in die Längsmuskelschicht der entspre- chenden Tentakel fortzusetzen!, diese können jedoch im äußersten Falle ihre Wirkung nur bis zu einer knopfförmigen Verkürzung des Tentakels äußern, ohne denselben einzustülpen. | Ich habe nun einen entkalkten Polypen von seiner Basis aus in eine Anzahl von Querschnitten zerlegt, und nachdem ich in einer Höhe angelangt war, in welcher die angegebenen rundlichen Querschnitte innerhalb der Mesenterialtaschen sichtbar wurden, aus dem oberen Reste des Polypen Frontalschnitte, welche also senkrecht auf die Ebene des letzten Querschnittes geführt wurden, angefertigt. Von zweien solcher Frontalschnitte, die ich wiedergebe, entspricht Fig. 4 etwa der Richtung ab, Fig. 5 der Richtung a b' des Schnittes Fig. 8. Man wird bei Betrachtung der ersteren leicht über die Lage der Weichtheile im Querschnitte (Fig. 8) orientirt und findet, dass die Tentakel zwar stark verkürzt, aber alle noch nach aus- wärts von der Mundplatte gerichtet sind; wohl aber macht die letztere bedeutende Einbuchtungen gegen die Kelchhöhle, was man besonders an dem mehr peripheren Frontal- schnitte (in der Region der Ten- takel) in Fig. 5 deutlich sieht. Diese Einbuchtungen der Mundplatte sind es nun ausschließlich, welche mei- nes Erachtens auf Querschnitten, wie Fig. 8, innerhalb der Mesenterialtaschen getroffen werden und ich erkläre mir jene Faltungen mit der Wirkung einerseits der Muskel- wülste, welche längs der Mesenterien schief von unten und außen nach oben und innen zur Tentakelbasis ziehen, andererseits der Kreis- und Längsmuskelfasern der Mundplatie selbst. Es bedeuten die Linien im beistehenden Schema die Kreisfasern der Mundplatte (mu) so wie die Längsmuskelzüge der Tentakel (fe) und Mesenterien (me) im Zustande der vollen Expansion. Wird nun der Polyp irgend wie gereizt, so ist eine Kontraktion aller muskulösen Elemente die Folge, welche bestrebt ist, das innerhalb der Mesenterialtaschen und der Tentakelhöhlen befindliche Wasser möglichst rasch auszupressen. il Auch MoseLey beschreibt bei Flabellum (Report on certain Madreporarian eorals. Rep. voy. Challenger. Zool. II. 4881. p. 463) ähnliche Verhältnisse. Korallenstudien. 513 _ Wenn nun auch die Tentakelspitzen mit Poren versehen sind (solche sind bekanntlich bei manchen Formen beobachtet worden), so sind diese jedenfalls so klein, dass die Höhle des Fangarmes durch sie nur langsam entleert werden kann; die Hauptmasse des darin, so wie in der Körperhöhle enthaltenen Wassers wird durch die bei der ‘Kontraktion weit geöffnete Mundspalte entfernt. Während nun durch Zusammenziehung der Ringfasern der Tentakelbasis diese selbst ver- _ engt und dadurch der raschen Entleerung ein Hindernis entgegengesetzt wird, können sich die zwischen und neben den Tentakelursprüngen befindlichen Partien der Mundplatte in radiärer, wie in darauf senk- rechter Richtung fast ungehindert zusammenziehen, und dies geschieht bei der Tödtung des Thieres in so starkem Maße, dass durch die Wir- kung der Radiärmuskulatur die Mundplatte in Falten nach einwärts ge- drückt wird (vgl. Schema). Die sich kontrahirenden Mesenterien werden die gesammte Mundplatte gegen das Kalkskelett zu drücken bestrebt sein und dadurch der Entleerung der Tentakel ebenfalls ent- gegenarbeiten. Selbstverständlich kann diese Erklärung nur für die ersten Momente der Kontraktion gelten, in welchen, will man den Po- Iypen nur halbwegs ausgestreckt erhalten, auch schon der Tod eintre- ten muss. Die Schnitte Fig. 5 bis 7 beweisen, wie ich glaube, die Richtigkeit meiner Erklärung. In dem Fig. 6 dargestellten Querschnitte nahe dem oberen Rande der Mundscheibe kommt die faliig eingezogene Mund- scheibe zwischen den Tentakelbasen sehr deutlich zur Darstellung. In der Mitte ist die rüsselartig vorgestreckte centrale Partie der Mund- "platte mit dem breitgedrückten Schlundrohre getroffen. In dem durch die Längsachse gehenden Schnitte eines ganzen Polypen (Fig. 7) ist die Hervortreibung der Mundpartie und die knopfförmige Auftreibung eines zufällig mitgetroffenen Tentakels an der linken Seite zu sehen. Indess sind Polypen in so ausgestrecktem Zustande, wie der zu dem Schnitte Fig. 7 benutzte, an den mir zur Untersuchung vorgelegenen Astroidesstöcken sehr selten. Die Mehrzahl der Polypen hat den über ‚den Kelch vorragenden, also durchaus weichen Theil der Körperwand mehr oder minder in eine dem Kelehrande parallele Falte eingezogen, wie es die Frontalschnitte (Fig.4 u. 5) zeigen. Diesebei vielen Korallen- polypen in den ersten Stadien der Kontraktion entstehende kreisförmige Einziehung der Körperwand ist beim Studium von Querschnitten der vorderen Körperpartien in Rechnung zu ziehen, weil sie hier, wie Fig. 8 zeigt, komplicirtere Bilder giebt. Innerhalb des durch die Ab- sonderung des Mauerblattes charakterisirten unteren Theiles der Kör- perwand wird der weiche Theil derselben mit allen ihren Schichten 514 A, R. v. Heider, noch zweimal getroffen und die von jener zum Schlundrohre ziehenden Mesenterien erscheinen durch die eingezogene Falte innerhalb eines koncentrischen Kreises unterbrochen. Der Bau der Mesenterien ist bei Astroides ein sehr regelmäßi- ger. In den bei Lupenvergrößerung wiedergegebenen Querschnitten (Fig. 8 u. 9) erkennt man fast durchgehend deutlich die an je einer Me- senterialfläche hervortretenden Muskelwülste, wodurch die Mesen- terien selbst sich paarweise ordnen. Bei R sehen wir deren Richtungs- paar der einen Polypenhälfte, welche gezeichnet wurde, und finden im inneren (den oberen Körperpartien entsprechenden) Abschnitte von Fig. 8, dass zwischen je zwei vollständige ein unvollständiges Mesen- terienpaar fällt. Bei dem Umstande, dass ich an den konservirten Stöcken drei Tentakelkreise des Polypen konstatiren konnte, von denen die zwei inneren durch je 12, der äußere durch 24 Fangarme gebildet wird, und an Querschnitten des entkalkten Polypen fast konstant 24 Mesenterienpaare, und zwar 42 vollständige und 12 unvollständige ge- funden habe, glaube ich erstere dem innersten Tentakelkreise als Hauptmesenterien zusprechen zu sollen, während die unvollständigen Paare dem zweiten Kreise entsprechen und den 24 Tentakeln des äußersten Kreises keine Mesenterien zukommen. Auch in den tieferen Schichten der Körperhöhle (Fig. 9) sind die Mesenterien durch ihre relative Länge nur in zwei paarweise alter- nirende Kreise gesondert, so dass wir wohl annehmen können, dass die dem jüngsten oder äußersten Tentakelkreise entsprechenden Mesen- terien hier vollständig fehlen. — Ich habe bei Astroides den Eindruck gewonnen, dass die dem jüngsten Tentakelkreise zukommenden Mesen- terien nur in der Gegend des oberen Randes der Körperwand zu sehen sind, während sie in der mittleren und unteren Region ganz fehlen. Sollte sich dieser Befund durch weitere Untersuchungen nicht nur bei dieser, sondern auch bei anderen Formen bewahrheiten,, so hätten wir hiermit einen auffallenden Unterschied im Auftreten der Mesenterien bei den Korallen und den Aktinien zu konstatiren, bei welch’ letzteren die jüngsten Septen zuerst an der Basis der Körper- höhle hervorwachsen. Die 12 Septen erster Ordnung entsprechen dem innersten, die 12 zweiter Ordnung dem mittleren Tentakelkreise; auf den dritten Kreis kommen die Septen des dritten CGyklus, die unscheinbaren Sep- ten vierter Ordnung haben keine entsprechenden Fangarme auf der Mundscheibe. Die Septen erster und zweiter Ordnung sind nach der Fowrer’schen Bezeichnung! entocoel, die Septen dritter und vierter 1 Fowser, Anatomy of the Madreporaria. Quart. Journ. Micr. Sc. XXV. 1885. Korallenstudien. 915 Ordnung exocoel. — Wie schon früher erwähnt wurde, findet bei Astroides oft ein Verwachsen der exocoelen Septen dritter und vierter Ordnung statt. In Fig. 8 und 9 habe ich die im Mesoderm durch die Entfernung des Kalkes mit Säure erzeugten Lücken wieder schwarz ausgefüllt, um die Vertheilung der Kalksubstanz innerhalb der Körperwand mehr zu veranschaulichen. In Fig. 9 ist auch die Columella zum Theil getroffen. Ich verkenne nicht, dass bei derartigen theoretischen Einzeichnungen des verloren gegangenen Kalkgerüstes der Phantasie immer mehr oder minder Spielraum gelassen ist, da die in den Schnitten entkalkterPolypen vorhandenen Lücken wegen des Mangels einer festen Stütze sich jeden- falls in gewissem Maße verändern; während einzelne Lücken durch sich bildende Kohlensäureblasen ausgedehnt werden und in diesem ‚Zustande durch die Einbettungsmasse erhalten bleiben, werden andere benachbarte Lacunen verengt, so dass wir in dem, durch schwarze Farbe hervorgehobenen Balkensysteme nicht den genauen Abdruck der thatsächlich vorhanden gewesenen Kalksubstanz im lebenden Thiere sehen können. Immerhin wird aber das Verhältnis zwischen Kalksub- stanz und Weichtheilen im Allgemeinen beibehalten und durch diese Zeichnungsmethode meines Erachtens gut veranschaulicht. Man findet bei Astroides das Mesoderm von Kalktrabekeln voll- ständig durchsetzt, und zwar reicht die Kalkablagerung so weit gegen die äußere Peripherie, als überhaupt Mesoderm vorhanden ist, welches an der Oberfläche des Stockes und am Rande der Kolonie von Ekto- derm begrenzt wird. In den über den Stock hervorsehenden Polypen- leibern hört die Kalkabsonderung mit einer scharfen Grenze, dem Kelchrande, auf. Wie der Längsschliff (Fig. 3) zeigt, ist das Mauerblatt zwischen je zwei benachbarten Polypen gemeinsam, d. h. das Mauer- blatt zeigt keine, auch nur angedeutete Grenze, welche erlauben würde, gewisse Partien dem einen, andere dem benachbarten Poly- pen zuzusprechen und vielleicht dazwischen liegende Streifen als p. 577—597. — Ich benutze die hier vorgeschlagene Bezeichnung der Septen, weil deren Lage in Bezug auf die Weichtheile damit kurz ausgedrückt wird. Ein ähn- licher Versuch, die Mesenterien in zwei Kategorien zu trennen, wurde schon früher von Gebrüder Herrwıc (Die Actinien. Jena 1879. 80) gemacht. Fowrer nennt den, von einem (durch einander zu sehende Muskelwülste charakterisirten) Mesenterial- paare eingeschlossenen Raum entocoel (Binnenfach, Herrwie), den Raum zwi- schen zwei Mesenterialpaaren exocoel (Zwischenfach, Herrwisc). Da zwischen je zwei Mesenterien ein Septum liegt, kann dieses entweder ento- oder exocoel sein. ‘Während alle Septen erster Ordnung entocoel sind, macht das Richtungsseptum als exocoeles eine Ausnahme, da es zwischen den zwei, mit abgewendeten Muskeln versehenen Richtungsmesenterien liegt. 516 A. R. v. Heider, Coenenchym zu bezeichnen. Man findet auch an Schnitten durch meh- | rere noch zusammenhängende Polypen, dass die Mesodermbindesub- | stanz der Körperwand des einen Individuums direkt in die des anderen | übergeht und in sich überall in gleicher Weise Kalktrabekel erzeugt, so dass alle Polypen eines Stockes unter einander zusammenhängen. Sie thun dies aber nur innerhalb ' einer dünnen, der Stockober- | fläche folgenden Schicht; im | Verhältnis zum skelettlosen | oberen Polypentheile reichen | die Weichtheile nicht weit in | die Tiefe des Kalkskelettes. Im | Bereiche der Kelchröhre selbst | wird die Grenze für den Poly- | pen durch den, meist nach oben | konvexen Boden (Tabula) gegeben, über welchem an guten Längs- | schnitten entkalkter Polypen {Fig. 7) das Mesoderm mit einer dünnen | Lamelle die Körperhöhle des Polypen abschließt. Zwischen den ein- | zelnen Polypen reichen die Weichtheile des sie verbindenden Coeno- | sarks im Maximum so weit in die Tiefe, wie die Tabulae, und an jenen | Stellen, wo zwei Polypen weiter von einander abstehen, also mehr | Zwischensubstanz ausgebildet ist, finden wir ein Zurückweichen der | Weichtheile, so dass an einem Längsschnitte durch den Stock die | Oberflächenlinie des Kalkskeletts (s im Holzschnitte) etwa in I—2 mm | Tiefe von der unteren Grenze der Weichtheile (w im Holzschnitte) ge- | folgt wird. | Der Längsschnitt Fig. 7 ist aus einem Randpolypen angefertigt und | hatte nur an seiner linken Seite Nachbarn, mit denen er verbunden | war. Auf der rechten Seite kam das Mauerblatt diesem Polypen allein | zu, wesshalb das Ektoderm der Körperwand hier bis tief hinab zu ver- | folgen ist; auf der linken Seite reicht die Körperwand bis x und ging | hier in das Coenosark, resp. in die Körperwand des Nachbarpolypen | über. Allerdings ist bei dieser Figur durch, während der Anfertigung des Schnittes aufgetretene Verschiebung die Columella etwas zu sehr | nach oben gerückt; diese Verschiebung ist indess nicht groß und der | Schnitt zeigt im Übrigen ziemlich richtig das Verhältnis zwischen | skelettlosem und skelettführendem Theile des Polypen, welcher letztere | an den die Weichtheile durchbrechenden Lücken nach dem Vorher- | gehenden leicht zu erkennen sein wird. | I, IQ NW TS a 1. Korallenstudien. 517 Dendrophyllia ramea Linne& (Taf. XXXI). In Fig. 4 gebe ich den Endast einer Dendrophyllia, welcher mir von Herrn Dr. C. Keırer in Zürich in liberaler Weise zur Verfügung gestellt worden, in natürlicher Größe wieder. Aus der Länge des Astes und den wenigen Seitenknospen zu schließen, muss der ganze Stock ziem- lich groß gewesen sein. Dem entsprechend ist auch der Polyp selbst von für die mikroskopische Untersuchung günstigen Dimensionen und im Laufe derselben beklagte ich nur den Mangel einer größeren Anzahl von Knospen. Bei der äußeren Betrachtung konnte man sehen, dass der Weich- körper des Polypen an der Oberfläche des Polypars weit hinabragte "und an letzterem endlich mit scharfbegrenztem Rande aufhörte. Die Länge zwischen Kelchrand und unterem Ende des Polypen betrug durchschnittlich 3,5 em, der Querdurchmesser des fast kreisrunden Polypen 12 mm. Zwischen mittlerem und unterem Dritttheil ragte eine kleine elliptische Knospe von 1,5 em Länge hervor. Die Oberfläche des Polypenkörpers erhielt durch parallele Längswülste ein regelmäßig streifiges Ansehen. Auch das Polypar selbst erschien vom unteren Rande des Polypen an der ganzen Länge nach fein längsgerieft. Die Mundscheibe war durch die Alkoholkonservirung unregel- mäßig verzogen, die eine Hälfte derselben, nach einwärts geschlagen, verdeckte die Tentakel, an der anderen Hälfte zählte ich mit der Lupe ungefähr 18 Fangarme in verschiedenen Kontraktionsstadien. Die Ge- stalt der Mundspalte war nicht mehr zu erkennen, diese und das Schlundrohr tief in den Kelchraum gezogen und an die Kalksepten an- gedrückt. Da ich, wie erwähnt, nur über dieses eine Exemplar verfügte, blieb mir Behufs mikroskopischer Untersuchung nichts übrig, wie den entkalkten Polypen durch einen Längsschnitt in zwei Hälften zu theilen, und die eine derselben in eine Reihe von Querschnitten zu zerlegen, dagegen die andere für Frontalschnitte zu benutzen. Ich entkalkte vorsichtig mit Citronensäure und färbte die Schnitte hauptsächlich mit Eosin; zum Theil leistete auch Hämatoxylin gute Dienste, immer ist aber eine lange Auswässerung vor der Färbung und eine Neutralisirung der von der Entkalkung etwa noch vorhandenen Säurespuren nöthig, wenn man irgend welche zum Ziele führende Tinktion erreichen will. Der den Polypen in zwei Hälften theilende Axialschnitt (Fig. 2) belehrt uns, dass der eigentliche Polypenkörper im Inneren nur etwa die Hälfte der Masse einnimmt, die man ihm bei der äußeren Besich- tigung zugesprochen hätte. Etwa 1,75 cm unter dem Kelchrande hören 518 A. R. v. Heider, die Weichtheile innen ganz auf und das von hier an vom Polypen nicht | mehr durchzogene Kalkgerüst ist nur an seiner äußeren Fläche von | einer direkten Fortsetzung der Körperwand überzogen, welche also | hier ebenfalls, wie ich es bei Cladocora gefunden habe, eine sog. | Randplatte bildet. Von dieser letzteren ging auch die erwähnte | kleine Knospe aus. Über das Skelett selbst kann ich nichts berichten, da ich auf die | obere Hälfte des Astes in Folge der Entkalkung des Polypen verzichten | musste, und Querschliffe der unteren Hälfte nicht viel Erwähnens- | werthes boten. Ich gebe einen Querschliff in der Höhe des Abganges | des unteren Seitenastes (Fig. 1) in Fig. 4. Außer den auffallend dünnen | Kalksepten kann man daran auch an verschiedenen Stellen das Ver- | wachsen einzelner Septen mit ihren inneren Rändern erkennen und | sieht, dass die Columella aus einem unregelmäßigen Gebälke besteht, | das durch Aneinanderstoßen und Verwachsen der innersten Ränder | der Septen erster und zweiter Ordnung entstanden ist. Wären mir | mehrere Äste zur Verfügung gestanden, so hätte ich vielleicht durch | eine Serie von Querschliffen des mit den Weichtheilen noch verbun- | denen Skeletts einen Aufschluss über die, übrigens bei verschiedenen | Korallen vorkommende Verwachsung der Septen zu V- oder Y-förmigen | Figuren erhalten ?. — Sowohl Septen, wie Mauerblatt werden übrigens, wie ich mich an unserem Sammlungsexemplar überzeugen konnte, gegen die Basis des Stockes bedeutend dieker und kompakter. Besonders das Mauerblatt zeigt in dieser Beziehung starke Differenzen. Es ist zwar in der ganzen Ausdehnung des Korallenstockes von zahlreichen Öffnungen durchbrochen, die in der Tiefe der Längsrinnen reihenweise angeordnet sind und in unregelmäßige Kanäle führen, welche das Mauerblatt durchziehen; aber diese Öffnungen, so wie die Kanäle sind in der Gegend des Polypen bedeutend weiter, die zwischenliegende Kalk- masse demnach schwächer; erst gegen die Basis der Äste und noch mehr an den Hauptstämmen von Dendrophyllia überwiegt die Kalk- masse, so dass das Mauerblatt eine ganz bedeutende Dicke erreicht, von sehr feinen, mit freiem Auge kaum sichtbaren Kanälen durch- brochen erscheint und die davon abgehenden Septen ebenfalls bedeu- tend stark verdickt sind. An Querbrüchen der Hauptäste von Dendro- phyllia findet man gewöhnlich nur in der Achse noch einige wenige ! Die Gattung Cladocora. Sitzungsber. k. Akad. Wiss. Wien. LXXXIV. 1881. p. 637. 2 Nach Fowrer (The anatomy of the Madreporaria. Quart. Journ. Micr. Sc. AÄXV. 1885. p. 590) gehen die Septen dritter Ordnung Verwachsungen mit von den Septen erster und zweiter Ordnung gebildeten Abzweigungen ein. 2 T a Korallenstudien. 519 radiäre Spalten als Überreste der früheren Interseptalräume, alle kleineren Spalten und Kammern sind ausgefüllt von nachträglich auf- gelagerter Kalksubstanz, wodurch der Korallenstock massiv und schwer wird!. Am Kelche sind nach M. Epwaros theoretisch vier Septencyklen zu unterscheiden. Bei unserem Museumsexemplar ist mir diese Unter- scheidung an den meisten ganz er- haltenen Kelchen gut gelungen. Ver- hältnismäßig selten bleiben ein oder mehrere Septen der letzten Ordnung aus und nur die eigenthümliche Ver- wachsung derselben verursacht bei der Deutung der Rangordnung zu- weilen Irrthümer. In beistehender schematisirten Kopie eines der regel- mäßigsten Kelche sind die 12 Septen erster und zweiter Ordnung in fast Fi. IM. gleichen Abständen vertheilt und i innerhalb dieser erscheinen die Septen des dritten und vierten Cyklus vollzählig. Die Kelchperipherie hat so ein vollständig radiär symme- trisches Aussehen, dagegen weist die Columella konstant mehr oder weniger deutlich die Lage der Hauptebene des Polypen an, indem sie sich in Form einer plattenförmigen Erhebung aufbaut und den Kelch- "raum in zwei symmetrische Hälften theilt (Fig. 3). Die Columella zeigt 1 Da sich der Polyp selbst mit dem Längerwerden des Astes, an dessen Spitze er sich immer befindet, successive von der Basis des Stockes entfernt, das Kalk- Skelett aber ausschließlich vom Polypen abgesondert wird, so kann die auffallende Differenz zwischen Hauptstamm, größeren Ästen und Endzweigen, sowohl was den Durchmesser, als was die Kalkmasse selbst betrifft, nur davon herrühren, dass der den späteren Stock begründende Polyp bedeutend größere Dimensionen hat (an dem Museumsexemplar beträgt der Stammdurchmesser das Dreifache der Durch- messer der Endäste) und viel mehr Kalksubstanz aufbaut, wie die später durch Kno- spung aus ihm entstehenden ungeschlechtlichen Generationen. Daraus lässt sich aber schließen, dass der geschlechtlich erzeugte Stammpolyp die größte Energie im Wachsthum wie in allen übrigen Lebensfunktionen besitzt und diese sich suc- cessive mit der Erzeugung von Knospen vermindere. Es wäre wohl von Interesse, das Wachsthum von Dendrophyllia-Stammpolypen (oder auch von anderen dendri- tisch sich verzweigenden Korallen) am lebenden Objekte zu verfolgen. Ich nehme hier an, dass die Lebensperiode solcher Korallen durch die rasche Abnahme der Wachsthumsenergie verhältnismäßig bald ein Ende findet und jene ihren Abschluss bei jedem Stocke darin findet, dass zuletzt die Endpolypen kein Skelett mehr weiter bauen, sondern höchstens noch eine Zeit lang an den Zweigenden zu dem Zwecke leben, um auf geschlechtlichem Wege neue Stammpolypen zu erzeugen. 520 AR. v. Heider, auch die Lage der Mundspalte an und viele Kelche sind in deren Rich- tung verlängert, so dass ihr Querschnitt elliptisch wird. Wie schon erwähnt, gehen die Septen zum Theil mit ihren inneren Rändern mehr im Grunde des Kelches gegenseitige Verwachsungen ein, wodurch Längskanäle entstehen, die im Querschnitt ein mit der Spitze gegen die Kelchachse gewendetes Dreieck bilden. Wir finden nun, dass immer nur die Septen vierter Ordnung paarweise mit ein- ander verwachsen und je zwei aus solchen Verwachsungen entstan- dene sekundäre Scheidewände gegen die Columella zu sich noch ein- mal vereinigen, um endlich mit der letzteren sich zu verbinden (vgl. Holzschnitt und Fig. 4). Während die im Querschliffe Y-förmigen pri- mären Septenpaare vierter Ordnung mit ihren Schenkeln die Septen dritter Ordnung einschließen, liegen die Septen zweiter Ordnung innerhalb der dreieckigen Lücken der durch Verwachsung entstande- nen sekundären Scheidewände (im Holzschnitte bezeichnen die punk- tirten Linien die Fortsetzungen der Septen vierter Ordnung gegen die Achse des Kelches). Anatomie des Polypen. Über die grobe Anatomie erhielt ich wegen der starken Verzerrung der Weichtheile wenig Aufschlüsse; immerhin kann man aber aus den einzelnen Schnitten ersehen, dass der Aufbau der Weichtheile vom Aktinienschema in keinem Punkte wesentlich abweicht. Wir finden auch hier eine äußere Körperwand, von welcher radiär nach innen die Mesenterien verlaufen und sich mit dem Schlundrohre vereinigen. Die nach oben die Körperhöhle ab- schließende Mundscheibe trägt eine Anzahl (so weit ich zu zählen im Stande war, 36) einfacher Tentakel, von welchen die innersten die längsten zu sein scheinen. | Die Anwesenheit des Kalkskeletts und die unregelmäßige Kontrak- tion des Polypen bereitete mir große Schwierigkeiten bei der Orien- tirung in den verschiedenen Quer- und Längsschnitten. Ich war schließlich auf den Ausweg verfallen, eine Anzahl in gewissen Abstän- den auf einander folgender Querschnitte nach der Natur zu zeichnen und diese Zeichnungen zu schematisiren. Es dürfte genügen, hier zwei Querschnitte, und zwar einen durch die konisch eingezogene Mundscheibe (Fig. 5), den anderen durch die Mitte des Polypen (Fig. 6) zu geben. Fig. 7 zeigt den letzteren im Schema. Erst an der Hand der einzelnen Schemata, in welche ich die durch die Entkalkung verloren gegangenen Skeleittheile (schwarz) wieder eintrug, glaube ich ein rich- tiges topographisches Verständnis erlangt zu haben. Zunächst ist es die Körperwand des Polypen, welche uns durch ihr Lückensystem interessirt. Die unregelmäßigen, verschieden großen Korallenstudien. 521 Lücken im Mesoderm nehmen die ganze Breite der Körperwand ein und bilden am Querschnitte eine periphere Zone von 0,3 bis 0,4 mm. Bei genauerer Betrachtung finden wir als äußere Begrenzung der Kör- perwand die bekannten drei Schichten des Ekto-, Meso- und Ento- derms (Fig. 7 und 8). In Absätzen und zwar, wie mir scheint, den parallelen Längsfurchen der äußeren Oberfläche entsprechend, sendet das Mesoderm nach innen Fortsätze, die sich theilen und mit benach- barten Mesodermzügen vereinigen, so dass nach innen von der eigent- lichen Körperwand unregelmäßige, nach verschiedenen Richtungen ziehende, verzweigte und unter einander kommunicirende Hohlräume entstehen, die jedenfalls im lebenden Thiere von dem Chylus der Kör- perhöhle durchflossen werden. Diese Hohlräume sind mit Entoderm- zellen ausgekleidet und stehen hin und wieder mit der eigentlichen Körperhöhle nach innen vom Kalkskelette in Verbindung. Man muss sich demnach vorstellen, dass das Mesoderm, begleitet vom Entoderm, in der Peripherie des Polypen an Stelle der einfachen Körperwand der Aktinien ein grobbalkiges, unregelmäßiges Netz bildet und innerhalb dieser Balken feste Kalksubstanz abscheidet; diese letz- tere erzeugt für sich ebenfalls ein unregelmäßig netzartiges Gerüst, von welchem aus nach innen die Septen abgehen. Dieses Verhältnis zwischen Chylus-Kanalsystem und Kalkgerüst in der Körperwand von Dendrophyllia wäre am richtigsten an Schliffen des nicht entkalkten Polypen zu demonstriren; indess sind mir die Versuche, Schliffe sammt den Weichtheilen an anderen Korallenformen so wenig gelungen, dass ich solche nicht auch mit dem einzigen mir vorliegenden Dendrophyllia- aste machen wollte. Entkalkt man aber den Polypen, so verschwindet die Kalkmasse und es bleibt nur die sie umhüllende Mesoderm-Binde- substanz in Form von meist sehr dünnen Lamellen übrig, welche jetzt ein weitmaschiges Netz in der Körperwand erzeugen, das ohne die vorhergegangene Betrachtung nicht richtig gedeutet werden kann. Der am Querschnitte des entkalkten Polypen in die Augen fallende Komplex von größeren und kleineren Lacunen besteht also aus zwei in einander verschlungenen (aber mit einander nicht kommunieiren- den) Kanalsystemen; das eine derselben besteht auch im intakten Poly- pen, ist mit Entoderm ausgekleidet und kann als Fortsetzung der Kör- perhöhle angesehen werden. Das zweite System von Kanälen ist durch Behandlung mit Säuren im Polypenleibe künstlich erzeugt worden, es ist der Abdruck des festen Kalkgerüstes, welches jenen im intakten Zustande durchzieht und, wie die mikroskopische Untersuchung zeigt, mit einer dünnen Zellenlage, den Chalicoblasten, ausgekleidet. Da nach dieser Vorstellung stets neben einem Chylusraume eine Kalklücke liegt, 522 A. R, v. Heider, so muss die, beide trennende, Mesodermlamelle immer auf jener Seite echten Entodermzellen-, auf dieser Chalicoblastenbelag aufweisen (Fig. 7, 8, 9). | Vom porösen Mauerblatte aus reichen die Septen nach innen gegen die Kelchachse. Ihr Ursprung ist an ersterem ‚nie so streng ange- deutet, wie bei den aporosen Korallen; sie erscheinen vielmehr als in regelmäßigen Abständen auftretende Fortsetzungen des das Mauerblatt bildenden Balkensystems. Gegen den Kelchrand zu sind die Septen bezüglich ihrer Größe so ungleich entwickelt, dass ihre Rangordnung an Querschliffen meist schwer zu bestimmen ist. Erst in der Höhe, wo die Septen vierter Ordnung mit einander zu verwachsen beginnen, sind die einzelnen Kreise deutlich charakterisirt. Es genügt dann die paarweise gegen einander neigenden Scheidewände mit 4, die von ihnen eingeschlossenen einzelnen Septen mit 3 zu bezeichnen, um so- fort orientirt zu sein. Dies gelingt bei der regelmäßig gebauten Den- drophyllia sowohl an Querschliffen (Fig. 4), wie, wenn auch etwas schwerer, an Querschnitten entkalkter Polypen (Fig. 6 und 7). — Es darf dabei nicht auffallen, dass an solehen tieferen Querschnitten die dem Range nach jüngeren Septen stärker ausgebildet sind, wie die nächst höheren Septen dritter Ordnung. Man muss eben bedenken, dass letztere am Kelchrande, wo die Septen überhaupt klassifieirt wer- den, merklich die zu beiden Seiten liegenden Septen vierter Ordnung überragen und erst in der Tiefe von diesen in Folge rascheren Wachs- thums überflügelt werden. Die Weichtheile, welchen das Skelett zur Stütze dient, zeigen in ihrer Anordnung ein gleiches Verhalten, wie es von neueren Unter- Fig. IV. suchern an anderen Korallenpolypen beschrieben wurde. In der Höhe des Schlundrohres zerfallen die Mesenterialpaare ! in zwei unter ein- ander alternirende Gruppen: solche, die aus vollständigen und andere, die aus unvollständigen Mesenterien bestehen. Bei genauerer Betrach- ! Über die Bezeichnung der Paare nach Fowrer vide Anm. p. 514. Korallenstudien. 523 tung des in Fig. 6 und 7 gegebenen Querschnittes finden wir, dass die vollständigen Mesenterialpaare ausschließlich Septen der ersten und zweiten Ordnung einschließen und den Entocoelen aller unvollstän- digen Mesenterien Septen dritter Ordnung entsprechen. Dagegen liegen die Septen vierter Ordnung in allen exocoelen Zwischen- räumen. Durch diese Regelmäßigkeit in der Lagerung der Septen- und Mesenterialpaare bekommt die Eintheilung der letzteren in ento- und exocoele jedenfalls eine gewisse Bedeutung, welche vielleicht noch ver- mehrt wird durch den Umstand, dass (bei Dendrophyllia) nur die in den exocoelen Räumen sprossenden Septen mit einander verwachsen. Es ist fast unnöthig, darauf aufmerksam zu machen, dass in den von den verwachsenden Septen vierter Ordnung gebildeten Längskanälen die Bildung von (unvollständigen) Mesenterien eben so vor sich geht, wie in den anderen, gegen die Achse zu offenen Septalkammern. Der Aufbau des Polypenkörpers erscheint eben durch die Ausbildung des Skeletts innerhalb der Mesodermsubstanz keineswegs behindert. Was die mikroskopische Anatomie betrifft, so möchte ich hiervon nur das erwähnen, was, wenn es auch nicht von schon Bekann- tem abweicht, doch einen weiteren Beitrag zur näheren Kenntnis der Korallenstruktur liefern könnte. In dieser Beziehung habe ich mein Hauptaugenmerk auf die Chalicoblasten gelegt und, wie ich glaube, einige weitere Eigen- thümlichkeiten derselben aufgefunden. Wie schon erwähnt, fand ich auf den Quer- und Längsschnitten von Dendrophyllia alle jene Meso- dermlamellen, welche von der Behandlung mit Säure den verschiede- nen Kalkskelettitheilen anlagen, mehr oder weniger deutlich, mit einer Schicht von Zellen bedeckt, denen ich die Bildung des Kalkes zuspreche. Allerdings sind diese Zellen, die Chalicoblasten, an manchen Stellen undeutlich, zuweilen auf längere Strecken hin gar nicht zu sehen; diesen Mangel stelle ich jedoch auf Rechnung der mannigfachen Un- bilden, die ein Stück Weichkörper des Polypen zu erdulden hat, bis es als Präparat unter das Mikroskop gelangt. Schon durch die bei der Entkalkung sich entwickelnden Gasblasen muss ein Theil der immerhin zarten und auf der Mesodermgrundlage nicht besonders fest ‚aufsitzenden Zellen hinweggeschwemmt werden und dasselbe dürfte bei der zur nachträglichen Tingirung nothwendigen Auswaschung des entkalkten Polypen, vielleicht auch bei der Einbettung in die Schnitt- masse der Fall sein. 1 Als Schnittmasse erwies sich mir ganz besonders vortheilhaft das Celloidin, welches wohl schon so bekannt ist, dass ich seine guten Eigenschaften allen ande- ren Einbettungsmassen gegenüber nicht weiter aufzuzählen brauche. Zeitschrift£. wissensch, Zoologie, XLIV. Bd. 34 5924 A. R. v. Heider, Beim Durchsuchen vieler Schnittpräparate fand ich im Allgemeinen zwei Formen von Chalicoblasten, die zugleich zwei Stadien der Skelett- absonderung entsprechen dürften. Zunächst sieht man, und zwar in der Mehrzahl der Präparate, die Chalicoblasten in der Gestalt, wie ich sie in Fig. 10 wiedergegeben habe. Es ist hier eine Umschlagstelle des Mesoderms mit dem daran haftenden Zellenbelage gezeichnet und man sieht, dass jede der polygonalen, mit ihren Rändern dicht an einander schließenden Zellen mit einem deutlichen Kerne ausgestattet ist. Die Zellen sind mehr plattenförmig, circa 0,01 mm breit und 0,006 mm hoch, ihr Inneres ist schwach granulirt und birgt in der Mitte den run- den, meist stark hervortretenden, 0,004 mm messenden Kern, inner- halb welchem zuweilen noch ein Kernkörperchen sichtbar ist. In Fig. 10 bilden die Chalicoblasten deutlich zwei Schichten. An anderen Stellen, und besonders häufig in jenen Gegenden, wo das Mesoderm der Körperwand sich nach innen wendet, um sich in Lamellen zu spalten (Fig. 5 bei «a, 8 bei b), fand ich eine zweite Form von Kalkzellen, die mehr oder weniger keilförmig, mit ihrem spitzen Ende gegen das Mesoderm gewendet waren, einen Kern gewöhnlich nicht mehr zeigten und deren Inneres von äußerst feinen Stäbchen er- füllt schien (Fig. 9 und 11). Diese Stäbchen sind fast eben so lang, wie die Zelle selbst, welche sie einschließt und strahlig neben einander gelagert, so dass sie gegen die Zellspitze konvergiren. Die Gruppen solcher Chalicoblasten gehen in die benachbarten Zellen der früher beschriebenen Form in der Weise über, dass die Stäbchenzeichnung undeutlich wird und dagegen der feinkörnige Zellinhalt, so wie der Kern mehr hervortritt. Wenn man an feinen Schliffen von Korallenskeletten bei starker Vergrößerung das strahlige Gefüge der Kalksubstanz betrachtet, wie es schon von verschiedenen Untersuchern (von mir bei Cladocora) be- schrieben wurde, und damit die eben erläuterten Chalicoblasten ver- gleicht, so wird meines Erachtens der Zusammenhang zwischen beiden unverkennbar und man kann sich ungefähr ein Bild machen von der Art und Weise, wie die Kalksubstanz abgelagert wird. In der That glaube ich auf Grund der mikroskopischen Präparate den Schluss ziehen zu dürfen, dass die anfänglich protoplasmatischen Chalicoblasten in ihrem Inneren feine Kalknadeln ausscheiden, welche sich an be- nachbarte, schon gebildete Nadeln in dem Maße anlagern, als das Proto- plasma der Zellen schwindet. Allerdings muss diese Darstellung so lange Hypothese bleiben, bis es gelungen ist, die innerhalb der Chalicobla- sten auftretenden Stäbchen genauer zu analysiren. Es müsste konstatirt werden, dass sie aus kohlensaurem Kalke bestehen und dass sie kry- Korallenstudien, 525 stallinischer Natur sind. Bei der Kleinheit des Objektes sind diese Fragen vorläufig noch nicht zu lösen gewesen. Vom Ektoderm der Körperwand ist zu erwähnen, dass es bis an die untere Grenze der Randplatte mit Nesselkapseln versehen ist, welche zwischen den, den Hauptbestandtheil der Ektodermschicht bildenden Drüsenzellen liegen (Fig. 8). Ich fand hier zweierlei Formen von Nesselorganen. Neben kleinen, schlanken, 0,02mm langen, 0,003 mm breiten Kapseln mit regelmäßig spiralig aufgewundenem Fa- den sind, gegen jene in der Minderzahl, bedeutend größere Nessel- zellen vorhanden, welche sich dadurch auszeichnen, dass von einem Faden in ihrem Inneren nichts zu erkennen ist (Fig. 16). Statt des Fa- dens wird die Kapsel von einer grobkörnigen Masse erfüllt, in welcher zuweilen auf eine kurze Strecke hin zarte Querstreifung zu erkennen ist. Ich fand diese Nesselkapseln, welche 0,01mm breit und 0,05 mm lang gewöhnlich die ganze Breite der Ektodermschicht einnehmen, in ver- schiedenen Stadien der Entladung. Das Ende des mehr oder minder weit ausgestülpten Nesselfadens zeigt deutlich die nach einwärts geschlage- nen Ränder, und an, wie ich glaube, vollkommen ausgestülpten Fäden (Fig. 18) findet man bei starker Vergrößerung das Ende des kurzen und dieken Fadens rasch verjüngt zu einer feinen Spitze und hinter der- selben die Fadenoberfläche mit feinen, nach rückwärts stehenden Här- chen bis etwa !/, der Fadenlänge besetzt. Von da an ist der Faden mit noch zarteren, kaum sichtbaren Haaren bedeckt und das Innere mit der srobkörnigen, stark lichtbrechenden Masse erfüllt, die auch die Kapsel selbst enthält. An der Basis der Ektodermzellen findet sich durchgehends jene granulirte oder netzförmige Schicht, welche von Gebr. Hrrrwıc bei den Aktinien als zum Nervensystem gehörig angesprochen wird (Fig. 8 u. 17). Von Muskelfasern konnte ich in der unteren Hälfte der Körper- wand keine Spur finden; die Nervenschicht liegt scharf abgegrenzt, direkt auf der Mesodermsubstanz. Gegen den Kelchrand zu erscheint dagegen zwischen den beiden Gewebsschichten eine einfache Lage kontraktiler Fasern. Noch wäre zu erwähnen der große Kernreichthum des Ektodernis, wenn die Schnitte mit Hämatoxylin gefärbt werden. Eine Anzahl der Kerne kann man als zu den Stütz- und Drüsenzellen gehörig erkennen; dagegen bleiben noch immer viele rundliche Körper von verschiedenen Dimensionen übrig, welche selbständig über und innerhalb der Ner- venschicht liegen und welche ich als zum Ersatz der ausgestoßenen Nesselzellen bestimmte embryonale Zellen betrachte. Mundplatte und Tentakel haben die bekannte histologische 34* 526 A. R. v. Heider, Zusammensetzung. Ich gebe nur von einem, allerdings stark kontra- hirten, Tentakel einen Längsschnitt (Fig. 12). Wie schon von verschie- denen Korallenpolypen angegeben wurde, sind auch bei Dendrophyllia die Nesselzellen an den Tentakeln in isolirte größere Gruppen, sog. Batterien geordnet. In einer Batterie sind diese Organe ungemein dicht gedrängt, so dass für die anderen Ektodermelemente fast kein Raum vorhanden ist. Die Nesselzellen selbst zeigen durchgehends dieselbe schlanke Gestalt und im Inneren den spiralig aufgewundenen Faden. Von den übrigen zelligen Bestandtheilen des Ektoderms waren an mei- nen Präparaten nur die Flimmer- oder Stützzellen zu erkennen, aber auch an diesen war durch die Alkoholwirkung der Flimmersaum ver- schwunden. Noch weniger waren die Herrwıs'schen Sinneszellen dar- zustellen. — Da es mir nicht möglich war, die sonst leicht durch Tink- tion ersichtlich zu machenden Drüsenzellen zu finden, glaube ich, dass solche im Tentakel- und Mundplatten-Ektoderm überhaupt nur sehr spärlich vorkommen. — Das Entoderm zeigt (Fig. 12) die großen, fein granulirten Zellen mit zahlreichen, rundlichen Körperchen (gelbe Zel- len) als Einschluss. Ob sie Geißeln oder Flimmern tragen, war nicht zu konstatiren. Das Schlundrohr (Fig. 13) zeichnet sich durch ungemein hohe und schlanke Ektodermzellen aus, welche hauptsächlich aus Drüsen- und Stützzellen bestehen dürften. Charakteristisch ist die Anwesen- heit von zahlreichen, scharf begrenzten, elliptischen Kernen, welche an der Grenze zwischen oberem und mittlerem Dritttheil der Zellen liegen und in ihrer Gesammtheit den Schnitt bandartig durchziehen. Die Nesselkapseln sind im Schlundrohrektoderm äußerst spärlich vorhan- den und im Verhältnis zur ganzen Schicht sehr klein und unscheinbar. Während die Ektodermschicht, und demnach auch deren Zellen, in der größten Breite fast 0,Imm misst, sind die Nesselkapseln 0,02 mm lang. — Die Nervenfaserschicht ist im Schlundrohr sehr wohl ausgebildet, dagegen besteht die zwischen dieser uud dem Mesoderm liegende Längsmuskelschicht aus spärlichen, dünnen Fasern. Die dem Entoderm zugewendete innere Quermuskelschicht, welche in Fig. 13 schief ge- troffen erscheint, ist stärker ausgebildet. _ Die Mesenterien. Ich habe hier nur anzuführen, dass ich in den Schnitten aus der Polypenbasis mehrere Mesenterien fand, welche durch Geschlechtsprodukte ungemein ausgedehnt waren. Das Bild, wie ich es in Fig. 14 gebe, ähnelt ungemein den Querschnitten der Genital- septen von Cerianthus. Auch hier erscheinen die Geschlechtszellen zu- erst als kleine Auftreibungen der dünnen Mesodermlamelle des Mesen- teriums, innerhalb welcher sie sic‘ weiter entwickeln. Zur Zeit der Korallenstudien. 327 Reife hängen die Eier und Spermakapseln, von einer feinen Mesoderm- fortsetzung umhüllt, traubenförmig an einander. Das Entoderm be- deckt das ganze Konvolut in Form einer mehr schwammigen Masse, in der ich keine Zellgrenzen unterscheiden konnte. — Ich muss es zwei- felhaft lassen, ob ich es in meinem speciellen Falle mit Eiern oder Spermakapseln, oder mit beiden zu thun hatte. Die direkt dem Meso- derm aufsitzenden, stark in die Länge gezogenen Ballen sind 0,19 bis 0,02mm lang und etwa 0,06mm breit, zeigen bei Eosinfärbung einen stark granulirten Inhalt und in der Längsachse eine hellere, körnchen- freie Spalte. Einen Kern konnte ich in diesen länglichen Ballen nie finden. Dagegen sah ich ab und zu, scheinbar nicht im Zusammenhang mit den erst erwähnten Ballen und nur in Entoderm eingebettet, rund- liche, etwa 0,05mm im Durchmesser haltende Klümpchen mit centra- lem, stärker lichtbrechenden, großen Kerne. Dieser Unterschied, so- wohl betreffs der Form, wie auch des Inhaltes, zwischen neben einan- der liegenden Geschlechtszellen würde dafür sprechen, dass wir es im ersten Falle mit Spermakapseln, im letzteren mit Eiern zu thun haben und daraus würde folgen, dass Dendrophyllia Zwitter sei. Ein feiner, isolirter Schnitt aus einem länglichen Ballen bot ein Bild wie Fig. 15; es erwies sich dessen Inhalt als aus rundlichen, hellen Körperchen be- stehend, die meist einen kleinen Kern einschließen. Dieser letzte Um- stand bewegt mich, auch die länglichen Klumpen für Eier anzusehen, welche die Furchung schon durchgemacht haben. Der helle Längs- streif in deren Achse wäre dann der Ausdruck der Furchungshöhle. Übrigens ist es nicht unmöglich, dass der Inhalt der Körper auch für Spermazellen ohne Geißel angesprochen werden kann; wird ja doch bei der Entwicklung der Spermaballen das Centrum derselben eben- falls durch Zerfall der Spermatoblasten hell und durchscheinend. — Ich gestehe gern ein, dass auf den Befund an einem einzigen Polypen hin noch keine positiven Schlüsse gemacht werden dürfen. Die Frage, ob die Korallen insgesammt getrennt geschlechtlich oder Zwitter sind, ist noch viel weniger ventilirt worden, wie dieselbe Frage für die Ak- tinien, wo sie auch noch keineswegs gelöst ist. In Fig. 19 gebe ich den Querschnitt eines Filamentes haupt- sächlich desshalb, weil dessen vordere Fläche dicht mit Nesselzellen erfüllt ist, welche bei den Aktinien nach Gebr. Herrwıc nur den Acon- tien in so großer Menge zukommen sollen. Dass hier kein Irrthum vorlag, glaube ich desshalb, weil ich in verschiedenen Präparaten den verti- kalen Schenkel der T-förmigen Mesodermlamelle direkt bis in das Me- senterium verfolgen konnte, dem das Fiiament angehörte. Der histolo- gischen Zusammensetzung nach hatte ich es also mit einem Acontium, 528 | A. R. v. Heider, der Lage im Polypen nach mit einem Filamente zu thun. Dem Acon- tiumschema entspricht auch das spärliche Vorkommen von Drüsenzellen im ganzen Querschnitte. Zwischen den Nesselzellen konnte ich nur Stütz- oder Flimmerzellen erkennen, welche in rückwärtigen Partien beinahe ausschließlich den Epithelbelag der Stützlamelle bilden und schließlich in das gewöhnliche Entoderm übergehen. Die 0,036—0,04mm langen Nesselkapseln zeigen in den meisten Fällen den spiralig aufgewundenen Faden im Inneren. Zuweilen ist derselbe, besonders bei in der Entladung begriffenen Kapseln, in un- regelmäßigen Windungen vorhanden. Am ausgestülpten Faden der letzteren sah ich sehr schön die längs desselben in einer doppelten Spirale hinablaufenden feinen Härchen (Fig. 22 «) und bemerkte an vollständig ausgestülpten Nesselkapseln, dass die nach rückwärts ab- stehenden Härchen des Fadens noch einer bedeutenden Ausdehnung fähig sind, indem sie sich zu dünnen Borsten verlängern, die das Drei- fache des Fadendurchmessers erreichen und dann mit dem Faden als Spindel das Bild einer Eprouvettenbürste geben (Fig. 225). Durch die Arbeiten von Mösıus wurde konstatirt, dass die Nesselfäden bei der Entladung durch allseitigen Druck auf die Kapsel aus sich selbst her- vorgestülpt werden; es scheinen nun auch die den Faden meist spiralig umgebenden Härchen für sich ausgestülpt und bei genügender Pression von innen zu langen Borsten nach außen gewendet zu werden. Zwischen den Nesselkapseln des Filamentes sieht man einzelne, durch Hämatoxylin und Eosin homogen dunkel gefärbte, flaschenförmige Drüsen zerstreut (Fig. 19 dr) und unter der Region der Nesselzellen zahlreiche elliptische, dunkle Körper, welche ich, wie am Ektoderm der Mundplatite, als Ersatzzellen ansehe. — An einem sehr dünnen Querschnitte eines Filamentes (Fig. 20) konnte ich die die engen Räume zwischen den Nesselzellen ausfüllenden Flimmer (Stütz-)zellen zur Ansicht bringen. Sie haben nur gegen die Oberfläche des Filamentes eine Verbreiterung, auf welcher die Flimmern aufsitzen. Nach unten zu werden sie rasch fadenförmig dünn und entziehen sich dadurch dem Blicke. Am unteren Ende der Nesselkapseln sahen außerdem die stark gefärbten abgerundeten Enden einzelner Drüsenzellen hervor. — Die Nervenfaserschicht konnte ich an der Basis des vorderen Epithelbelages der Filamente sehr deutlich erkennen. Noch habe ich der in der Mitte der Mesodermstützlamelle des Querschnittes Fig. 19 vorgefundenen, mit Ausläufern versehenen Zelle zu erwähnen, welche ich in Fig. 21 vergrößert wiedergebe. Sie ist je- denfalls zu den im Mesoderm der Anthozoen so häufig zu beobachten- den amöboiden Bindegewebszellen zu rechnen, ist von unregelmähiger Korallenstudien. 529 Form und hat einen stark granulirten Inhalt mit deutlichem runden Kerne. Die zarten, verzweigten Ausläufer verlieren sich in der umge- benden Bindesubstanz, welche im Umkreise der Zelle durchsichtiger war, wie in den anderen Partien. Es sei mir gestattet, hier den Befunden der Untersuchung von Astroides und Dendrophyllia einige Ansichten über die Korallenstruk- tur von mehr allgemeinen Gesichtspunkten aus mitzutheilen; Mei- nungen, welche nur den Zweck haben sollen, die in letzter Zeit erfreu- licherweise vermehrte Anzahl der Anthozoenbearbeiter auf einzelne noch ungelöste Fragen aufmerksam zu machen. Während die Thatsache ziemlich feststeht, dass der Bau des Po- Iypen eines Korallenstockes nicht nur in seinen gröberen Verhältnis- sen, sondern auch in Bezug auf die feinen histologischen Details voll- ständig das Schema der Aktinien nachahmt, sind wir gezwungen, die durch M. Epwırps und Hammer aufgestellten und, wie diese Forscher glaubten, für die gesammte Gruppe geltenden Entwicklungsgesetze für das Skelett der Anthozoen bedeutend zu modificiren. Mit derZunahme der sich auf einzelne Familien erstreckenden genaueren Forschungen erhalten wir auch in eine von den ersten Untersuchern nicht geahnte Gesetzlosigkeit (wenn man die zahlreichen Unregelmäßigkeiten so nen- nen darf) Einblick, die sogar! zum Ausspruche verleitete, dass jede Korallenart ihr besonderes Gesetz habe. Erscheint dieser Satz auch zu weitgehend, so kann es, glaube ich, schon jetzt ausgesprochen werden, dass die einzelnen Formentypen der Madreporarier in verschiedener Weise ihr Ziel, eine feste Stütze für ihren Weichkörper zu erzeugen, erreichen, ohne sich dabei an wenige, allgemein geltende Normen zu halten. Dies gilt besonders für die Entstehung des sog. Mauerblattes (Theea), welches nach der Beschreibung M. Epwırps’ bisher durch- gehends alsselbständige Bildung betrachtet wurde, an welche sich, gewissermaßen als Anhänge, die nach innen ragenden Septen an- setzen. Durch die Untersuchungen von Lacazz Durusers?, wonach das Mauerblatt zuerst als von den primitiven Septen getrennter Ring selb- ständig auftritt, erhielt diese Ansicht noch eine weitere Stütze, bis v. Kocu, gegenwärtig der maßgebendste Forscher auf dem Gebiete der feineren Anthozoenstruktur, auf Grund seiner Untersuchungen die Be- 1 SEmPER, Über Generationswechsel bei Steinkorallen. Diese Zeitschr. Bd. XX1. 1872. p. 236. 2 Developpement des Coralliaires. Arch. zool. exp. Il. 1873. p. 269—348. 580 A. R. v. Heider, hauptung aufstellte, dass jedenfalls bei den Eporosen ! und wahrschein- lich auch bei den Perforaten? das Mauerblatt sekundär aus der Verschmelzung der peripheren Enden der Septen hervorgehe. Diese Ansicht erscheint allerdings durch die von v. Kocu gegebe- nen Schliffe von Garyophyllia, Musca, Cladocora, Dendrophyllia ete. begründet, und auch Prarz? pflichtet ihr bezüglich der von ihm unter- suchten paläozoischen Korallen bei. Indess halte ich die Ausdehnung obiger Theorie über alle Madreporarier für verfrüht, da der größere Theil derselben in dieser Beziehung noch gar nicht untersucht ist und einige von Moszı£y ? gezeichnete Schliffe ein so selbständiges Mauer- blatt zeigen, dass man sich dessen sekundäre Entstehung schwer vor- stellen kann. Auch die Thatsache, dass bei Leptopenus u. a. nach Moszıey die Costae auljen mit den innen liegenden Septen alterni- ren, so wie, dass bei Flabellum patagonicum5 an Stelle der Costae Längsrinnen vorhanden sind, würde die v. Kocn’sche Theorie nur dann zulassen, wenn man annähme, dass hier die die peripheren Septen- enden verbindenden Kalktheile sich weiter nach außen fortsetzen, wie es die Septen selbst thun. Ich glaube, dass in solchen Fällen dem Mauerblatte eine größere Selbständigkeit zugesprochen werden muss, wie bei den vorher erwähnten Formen. Eine Klarlegung erfordern ferner jene Fälle, wo nach einigen Be- obachtern bei der lebenden Koralle die äußere Oberfläche des Mauer- blattes in verschieden großer Ausdehnung von Weichtheilen bedeckt wird. Fowzer, welcher® selbst bei Rhodopsammia solche Verhältnisse beschreibt, meint, dass in der Mehrzahl der Fälle (bei GCaryophyllia, wo äußere Weichtheile von v. Kocu, bei Flabellum, wo sie von MoseLky, bei Gladocora, wo sie von mir beschrieben wurden) ein solches, seines Erachtens dem natürlichen Zustande nicht angemessenes Verhalten da- durch zu Stande komme, dass der Polyp bei der Tödtung durch plötz- liche Kontraktion einen Theil seiner Körperwand über den Kelchrand auf die Maueroberfläche presse und dadurch die Täuschung aufkom- men lasse, als greife die Körperwand auch im normalen Zustande über den Kelchrand nach abwärts. { Bem. über das Skelett der Korallen. Morph. Jahrb. Bd. V. 1879. p. 317. 2 Mittheilungen über das Kalkskelett d. Madreporaria. Morph. Jahrb. Bd. VII. 1833. p. 98. ® Verwandtschaftliche Beziehungen einiger Korallengattungen. Palaeontogr. Bd. XXIX. [(8) V.] 1882. p. 83. * Report. voy. Challenger. Zool. II. 1881. 5 Anatomy of the Madreporaria. Quart. Journ. Micr. Sc. XXV. 1885. p. 577— 597. 6 The anatomy of the Madreperaria. 1. c. Korallenstudien. . 531 Ich bin indess fest davon überzeugt, dass bei den Formen, welche ich zu untersuchen Gelegenheit hatte, d. i. bei Cladocora, Dendrophyl- lia, Balanophyllia und Astroides thatsächlich die äußere, weiche Hülle des Mauerblattes auch bei der intakten, lebenden Koralle existire. An Cladocora und Balanophyllia, die ich lebend häufig beobachten konnte, sah ich oft den Polypen vollständige Kontraktionen in den Kelch so rasch ausführen, dass die Körperwand in der Gegend des Kelchrandes einriss und nun die entblößten Septenränder hervorsahen; ich konnte jedoch nie beobachten, dass der Polyp bei langsamem Einziehen seiner Mundscheibe in den Kelch die untere Grenze der Körperwand am Mauerblatte auch nur um eine Spur verschoben hätte. Dagegen habe ich gefunden, dass gerade der die Theca bedeckende Theil der Körper- wand äußerst dünn und hinfällig ist und bei Korallen, die einige Wochen im Aquarium gehalten werden, meist verschwindet. — Bei stockbildenden Korallen, deren Kelche eng an einander liegen und, durch Coenenchym verbunden, nicht weit über dessen Oberfläche her- vorsehen (Astroides, Madrepora etc.) geht die Polypenkörperwand sehr bald in das die Einzelindividuen verbindende Coenosark über und ein die wenig erhobenen Kelchränder bedeckender Theil der Körper- wand ist, wenn auch theoretisch immer, doch oft in Wirklichkeit schwer - zu unterscheiden. Anders ist es aber bei den solitären Formen, wie Balanophyllia, Caryophyllia und jenen verästelten Korallenstöcken, welche, wie Dendrophyllia, Cladocora u. A. kein Coenenchym ausschei- den und deren Kelche meines Erachtens immer an der Außenfläche eine Hülle von Weichtheilen besitzen, die meist eben so tief über den Kelchrand hinabreicht, als sich der Polyp im Kelche nach abwärts er- streckt. Bei Dendrophyllia, die mir zur Untersuchung vorlag, übertrifft sogar die äußere Hülle bedeutend die Länge des Polypen selbst. Die äußere Thekalbedeckung oder die Randplatte, wie ich sie ‚bei Cladocora genannt habe, zeigt nicht bei allen Korallen dieselbe Zu- sammensetzung. Bei Gladocora, Dendrophyllia, Rhodopsammia (nach Fowrer), Caryophyllia (nach v. Koch), zeigt sie alle drei Schichten der Polypenwand und sie ist von der mit Meso- und Entoderm über- zogenen Kelchwand durch eine, mit der eigentlichen Leibeshöhle kom- munieirende und wie diese durch Mesenterien abgetheilte Höhle ge- schieden. Bei Astroides und nach Moszıey auch bei Flabellum wird die äußere Oberfläche des Skeletts von einer einfachen Lage Meso- und Ektoderm direkt überlagert und wir finden keine Fortsetzung der Körperhöhle zwischen Theca und Körperwand. Dies ist nun eine morphologisch wichtige Thatsache, welche mir zu beweisen scheint, dass bei der einen Gruppe von Korallen, welche 992 M&R, v. Heider, nach der jetzt üblichen Eintheilung verschiedenen Familien angehören, die Theca ganz unabhängig und nach innen von der unverändert bleibenden Körperwand gebildet wird, in der anderen Gruppe aber die Körperwand in so fern von der der Aktinien abweicht, als sie die Theea in ihrer Mesodermschicht aufnimmt. Falls sich also meine An- sicht als richtig erweist, wären die gesammten Madreporaria in Bezug auf die Mauerblattbildung in zwei Abtheilungen zu bringen: Euthe- calia, bei welchen die Körperwand (body wall) selbst innerhalb ihrer Mesodermlamelle Kalksubstanz abscheidet, die dann ein selbständiges Mauerblatt, eine Eutheca bildet, mit welcher sich die Septen nachträg- lich verbinden; und Pseudothecalia, wo die Körperwand selbst mit ihren drei Schichten unverändert bleibt und kein Mauerblatt abschei- det, dagegen die, immer selbständig sprossenden Septen mit ihren peripheren Enden durch Kalksubstanz sich verbinden und dadurch eine Pseudotheca erzeugen, außerhalb welcher sich noch die Fort- setzung der Körperhöhle befindet, deren Abschluss, wie bei den Akti- nien, durch die einfache Körperwand gebildet wird. Als euthecal wären nach den bis jetzt bekannten Untersuchungen Astroides und vielleicht Flabellum, als pseudothecal Cladocora, Den- drophyllia, Rhodopsammia ete. zu bezeichnen. Ich war leider bisher nicht in der Lage, verschiedenen Familien angehörige Korallenstöcke, an denen die Weichtheile noch erhalten waren, zur Untersuchung zu bekommen und damit die Richtigkeit einer Ansicht zu kontrolliren, welche sich mir bei der Bearbeitung einiger weniger Formen und bei der Durchsicht der Korallenlitteratur aufgedrängt hat. Immerhin scheint mir meine Folgerung wichtig genug, um sie schon jetzt zu veröflent- lichen und vielleicht andere, mit günstigerem Material versehene Korallenforscher zu Nachuntersuchungen in dieser Beziehung zu ver- anlassen. Am von Weichtheilen entblößten Skelette ist es allerdings schwer und in vielen Fällen unmöglich, zu entscheiden, ob das Mauerblatt in oder außerhalb der Körperwand, selbständig oder durch Fusion der Septen entstanden war, obwohl man aus der Ab- oder Anwesenheit von Costae einigermaßen sichere Schlüsse in dieser Beziehung machen kann. Ich glaube, dass, wenn ausgesprochene Costae vorhanden sind, auch nur eine Pseudotheca zu konstatiren sein wird. Vielleicht wird die Ausbildung einer Epithek hier besonders zu berücksichtigen sein. Am sichersten werden freilich immer Querschliffe durch Skelett und Weichtheile, oder Querschnitte durch den entkalkten Polypen führen; beides mühsame und zeitraubende Operationen, deren Werth aber um so mehr in die Wagschale fällt, als ja bei der Beschreibung und syste- Korallenstudien. / 939 matischen Eintheilung verschiedener Formen nicht bloß das Skelett, sondern auch dessen Erzeuger in Betracht gezogen werden soll. Bei Gelegenheit der Bearbeitung von Cladocora! habe ich die Mei- nung vertreten, dass die Chalicoblasten vom Mesoderm, richtiger von in demselben zu beobachtenden Zellen geliefert werden. Seitdem hat v. Kocn? an der Hand embryologischer Präparate von Astroides den direkten Beweis geliefert, dass die Kalksphäroide, aus denen die erste - Skelettanlage besteht, am freien Rande der Ektodermzellen der Polypen- - basis auftreten, dass demnach das Skelett als Ektodermausscheidung zu betrachten sei. Der genannte Untersucher fand innerhalb der Ekto- dermzellen keine Kalkkrystalle, wogegen ich bei Dendrophyllia und Astroides die direkte Umwandlung des Inhalts der Chalicoblasten in Stäbchen beobachtet zu haben glaube. Die von v. Kocu gegebene Ab- bildung der Sphäroide der ersten Skelettanlage zeigen gegen den Mittel- punkt konvergirende Nadeln und es ist nicht unwahrscheinlich, dass diese Sphäroide durch Zusammenfügen mehrerer der oben beschrie- benen Chalicoblasten in deren letzten Stadien entstehen. Die wesent- liche Differenz zwischen den Ergebnissen meiner und v. Kocn’s Unter- suchungen besteht eigentlich nur darin, dass Letzterer den Kalk aus den, wie ich mir vorstelle, persistirenden Ektodermzellen sich aus- scheiden lässt, während ich annehme, dass die Zellen selbst sich in Kalk umwandeln, also als solche zu existiren aufhören. Abgesehen von den mikroskopischen Präparaten, auf welche sich meine Ansicht stützt, würde für dieselbe auch der Umstand sprechen, dass schon von früheren Untersuchern die Anwesenheit einer geringen Menge organi- scher Substanz innerhalb, oder zwischen den Elementen der Kalkmasse der Korallen konstatirt wurde. Ich halte diese organischen Reste für die Überbleibsel der Chalicoblasten. | Wenn man den Kocn’schen Befund an Astroides-Embryonen mit den Verhältnissen, wie sie am ausgewachsenen Polypen bestehen, ver- 1 Sitzungsber. k. Akad. Wiss. Wien. Math.-naturw. Klasse. LXXXIV. 1881. p. 634. — Bei dieser Gelegenheit sei mir die Berichtigung eines p. 634 gemachten Ausspruches gestattet. Ich sage dort, dass man sich nach v. Koca# ein Stillstehen im Wachsthum der Koralle in Folge der Einklemmung der Mesenterien durch die verschmelzenden peripheren Septenenden vorstellen müsse. Wie ich nachträglich aufgeklärt wurde, habe ich v. Kocu missverstanden, welcher thatsächlich der An- sicht ist, dass der Polyp in dem Maße nach aufwärts rückt, als unter ihm das Ske- lett ausgebildet wird, die Mesenterien werden dann in gleicher Weise innerhalb der Verschmelzungszone der Septen nach aufwärts gedrängt, also nicht eingekeilt, und festgehalten. 2 Über die Entwicklung des Kalkskeletts von Astroides calycularis. Mitth. Zool. Station Neapel. Bd. III. 1882. p. 284. 594 A, R, v. Heider, einen will, muss man annehmen, dass die den Kalk ausscheidende Ektodermschicht des jungen Polypen durch das unter ihr entstehende Skelett gleichsam in die Mesodermmasse eingestülpt werde und schließ- lich ein vom Mesoderm ganz umschlossenes und mit Kalksubstanz er- fülltes Kanalsystem erzeuge, wie es am ausgewachsenen Polypen der Perforaten thatsächlich vorhanden ist. Gerade in dieser Beziehung fehlen aber Untersuchungen und es ist sehr zu wünschen, dass wir durch geeignete Formen darüber aufgeklärt würden, in welcher Weise die embryonale Kalkscheibe des jungen Polypen successive in den aus- gebildeten Kelch des erwachsenen Polypen sich umwandelt. Dieser besteht aus mannigfachen Gebilden, welche alle auf die ursprüngliche einfache Anlage zurückgeführt werden müssen und vor der Hand stelle ich mir vor, dass die einzelnen Skeletttheile bei den Madreporariern auf analoge Weise, wie bei den Aleyonarien, zu Stande kommen, indem gewisse Zellen, die allerdings vom Ektoderm abstammen können, an die Grenze der Mesodermlamelle, welche dem Kalke anliegt, wandern und sich zu Chalicoblasten umwandeln, also hier eine zusammenhän- gende Kalkschicht erzeugen, während die analogen Zellen im Alcyo- narienkörper bekanntlich die zeitlebens isolirt bleibenden Kalkspicula bilden. Graz, im Juli 1886. Erklärung der Abbildungen. Tafel XXX. Astroides calycularis. c, Columella; K, Körperwand; mes, Mesenterium; mt, Mesenterialfilament; Mu, Mundplatte; Sch, Schlundrohr; s, Septum; t, Boden (Tabula); te, Tentakel; th, Mauerblatt (Theca). Fig. 1. Ein von den Weichtheilen befreiter Kelch von oben gesehen. Vergr.5:1. Fig. 2. Querschliff in der Höhe der Columella. Vergr. 7:4. Fig. 3. Längsschliff durch zwei Kelche. Vergr. 5:4. Fig. 4. Längsschnitt durch den oberen Theil eines entkalkten Polypen, dessen untere Partie zur Anfertigung der Querschnitte Fig. 8 und 9 benutzt wurde. Ver- srößerung 12:4. Fig. 5. Frontalschnitt parallel dem vorigen, so dass das Schlundrohr nicht mehr getroffen ist. Vergr. 12:1. Fig. 6. Querschnitt eines entkalkten Polypen in der Höhe des äußeren Ten- takelkreises. Der vorgestülpte Mund in der Mitte quer getroffen. Vergr. 42:1. Fig. 7. Längsschnitt durch einen entkalkten Polypen. Vergr. 12:1. Korallenstudien. 535 Fig. 8. Querschnitt durch einen entkalkten Polypen in der Höhe des Kelch- randes, mit Eosin tingirt. Die durch Entfernung des Kalkes im Mesoderm entstan- denen Lücken schwarz hervorgehoben. ab entspricht der Richtung der Schnitt- ebene (ab) in Fig. 4, a’b’ der (a’b’) in Fig. 5. AR, Richtungspaar der Mesenterien. Vergr. 9:4. Fig. 9. Querschnitt wie in voriger Figur, aber in der Höhe der Columella. Ver- größerung 9:1. Tafel XXX1. Dendrophyllia ramea. Ch, Chalicoblasten; Ec, Ektoderm; En, Entoderm; M, Muskulatur; Me, Meso- derm. Fig. 1. Ein Ast mit dem Endkelche in natürlicher Größe mit dem Polypen. Fig. 2. Schnittfläche des in der Längsachse durchschnittenen Soypen nach der Entkalkung des Astes Fig. 4. Nat. Größe. Fig. 3. Ein Endkelch des macerirten Korallenstockes. Auf der vorderen Seite das Mauerblatt entfernt. Ansicht schief von oben. Vergr. 5:1. Fig. 4. Querschliff eines Hauptastes, 8 cm unter dem Kelchrande, mit rechts abgehender Knospe. Vergr. 6:1. Fig. 5. Querschnitt des entkalkten Polypen 3 mm vom Kelchrande. Vergr. 9:4. Fig. 6. Querschnitt des entkalkten Polypen 4mm vom Kelchrande. Etwas schief geschnitten, und zwar ist die rechte Seite dem Kelchrande näher. Vergr. 44:4, Fig. 7. Schema von Fig. 6. Ektoderm grau, Mesoderm blau, Entoderm roth. Die durch die Entkalkung verloren gegangenen Skeletttheile schwarz. Die Septen mit ihren Ordnungszahlen bezeichnet. Fig. 8. Region a von Fig. 5. Die vor der Entkalkung vorhanden gewesene Kalk- masse blaugrau eingezeichnet, Fig. 9. Region b von Fig. 8. Chalicoblasten. Vergr. 850: 1 Fig. 10. Lager von Chalicoblasten. Vergr. 1062:A. Fig. 44. Chalicoblasten. Vergr. 850 :1. Fig. 412. Längsschnitt durch die Spitze eines (stark kontrahirten) Tentakels. Vergr. 458:4, Fig. 43. Schnitt durch die Mundscheibe. n, Nervensubstanz. Vergr. 850:1. Fig. 44. Querschnitt durch ein Mesenterium mit Geschlechtsprodukten (Sperma- ballen?). Entoderm halb schematisch. Vergr. 222 :4. Fig, 15. Ein Theil einer Spermakapsel (?) aus voriger Figur. Vergr. 850:4. Fig. 46. Ektodorm der Randplatte mit Nesselkapseln. Vergr. 584:4. Fig. 17, Ektoderm der Randplatte. n, Nervensubstanz. Vergr. 850:4. Fig. 18. Große Nesselkapsel aus dem Ektoderm der Randplatie. Vergr. 850:4. Fig. 19. Querschnitt eines Mesenterialfilaments. dr, Drüsenzelle; en, Nessel- .kapsel. Vergr. 584:4. Fig. 20. Stück der Vorderseite eines Mesenterialfilaments. Vergr. 850:4. Fig. 21. Zelle im Mesoderm des Mesenterialfilaments Fig. 16. Vergr. 850:1. Fig. 22. Nesselkapsel aus Mesenterialfilamenten. «a, ganze Kapsel mit wenig ausgestülpten Haaren; b, diese ganz ausgestülpt. Vergr. 850:1. Beiträge zur Anatomie der inneren männlichen Geschlechts- organe und zur Spermatogenese der Cypriden. Von Dr. Franz Stuhlmann in Hamburg. (Aus dem zoologischen Institut zu Freiburg i. B.) Mit Tafel XXXII. I. Einleitung. Der erste Autor, welcher uns über die Fortpflanzung der Gypriden berichtet, ist LepermüLzer!. Er hatte die Thiere in der Begattung beobachtet und setzte demzufolge die Eingeschlechtigkeit derselben vor- aus. Auf eine anatomische Darstellung lässt er sich aber nicht ein. Diese erhalten wir zuerst von F. A. Rampour?. Er beschreibt das Ovarıum und daneben ein Organ, das er »Samengefäß« nennt. Er scheint dabei den Ausführungsgang des Receptaculums vom Weibchen mit dem Vas defe- rens identifieirt zu haben, indem er durch die aus beiden herauspräpa- rirten Spermatozoen, welche er als »haarförmige Gefäße« deutet, getäuscht wurde. Außerdem aber giebt er noch eine Abbildung und Beschrei- bung des Ejaculationsapparates (Schleimdrüse Zexker’s), den er aller- dings als Hoden deutet, und bemerkt ausdrücklich, dass er denselben nur da gefunden, wo kein Ovarium vorhanden war. Entgegen dieser Beobachtung hat er aber doch die Ansicht, dass die Thiere Zwitter seien, festgehalten, denn er sagt kurz darauf: »dies beweist bei so er- staunlich kleinen Geschöpfen noch gar. nicht, dass jene Theile dann nicht vorhanden gewesen wären«. Er ist der Erste, der den Herma- phroditismus der Cypriden behauptete; trotzdem hat er aber die Männ- chen richtig gesehen und ihre Organe nur falsch gedeutet. Srraus? konnte niemals Männchen auffinden und wusste für diese 1 M. F. LEDERMÜLLER, Mikroskopische Gemüths- und Augenergötzungen. Nürn- berg 1761. 2 F. A. Ranpour, Über die Gattung Cypris und drei zu derselben gehörige neue Arten. in: Gesellsch. naturforschender Freunde zu Berlin. Magazin. Il. Jahrg. 1808. 3 Sıraus, Memoire sur les Cypris de la classe des Crustacees. in: Mem. du Musee a’histoire naturelle. Tom VII. Paris 1824. Beiträge zur Anatomie der inneren männlichen Geschlechtsorgane ete, 537 Beobachtungen nur die beiden Erklärungen, dass entweder die Thiere Zwitter seien oder dass die Männchen nur zu bestimmten Zeiten auf- treten. Er scheint aber mehr zu der ersten Ansicht zu neigen. Die Organe, die wir seit Zenker’s Untersuchungen als Leberschläuche ken- nen, deutet er als Speicheldrüsen oder Hoden. — Eben so wie Straus haben Trevıranvus ! und Jurıne ? niemals Männchen beobachtet. R. Wasner 3 hat im Jahre 1836 die Spermatozoen als solche er- kannt. »Die Samenflüssigkeit dieser kleinen Crustaceen enthält sehr große, fadenförmige, gewundene Spermatozoen«. Dieselben konnten aber eben so gut von einem Weibchen als von einem Männchen her- stammen, so dass sein aus dieser Beobachtung gezogener Schluss auf die Eingeschlechtigkeit der Gypriden wohl nicht stichhaltig ist. Der Erste, welcher ganz klar bewies, dass die Gypriden getrenn- ten Geschlechtes sind, war Zenker!. Er beschreibt die Anatomie der weiblichen und männlichen Geschlechtsorgane, die stets auf verschie- dene Individuen vertheilt waren. Ein vorderer und vier hintere Ho- denschläuche vereinigen sich zu einem Samenleiter, der in eine »Be- gattungstasche« mündet, in welcher die »Spermatophoren« bis zur Begattung aufbewahrt werden. Die Spermatozoen hält er nämlich, wohl durch ihre Größe getäuscht, für Spermatophoren. Die von ihm so ge- nannte »Schleimdrüse« soll mit einem besonderen Ausführungsgang in den Penis münden. — An den weiblichen Geschlechtsorganen be- schreibt und deutet er auch das Receptaculum seminis vollkommen richtig. Sep. FISCHFR 5 steht wieder auf dem Standpunkt, dass die Cypriden Hermaphroditen seien. Er hält nicht weniger als drei verschiedene Organe für Hoden, nämlich die Schleimdrüse, das Receptaculum semi- nis und den unteren Theil der wirklichen Hoden. Die Ovarien und die Enden der vier Hodenschläuche sieht er für die Eierstöcke an. Die Stacheln der Schleimdrüse identifieirt er mit den Spermatozoen und hält sie für Samengefäße. Weil er nun aber die Begattung bei Gypris dispar beobachtet hat, behauptet er, dass bei ! Trevıranus, Vermischte Schriften anatomischen und physiologischen Inhalts. A846. 2 Jurine, Histoire des Monocles. Geneve 1820. 3 R. Wacner, Briefliche Mittheilungen. in: WıEsMmAnn’s Archiv. 2. Jahrg. 1836. p- 369. 4 W. ZEnker, De natura sexuali generis Cypridis. 1850 und Über die Ge- schlechtsverhältnisse der Gattung Cypris. in: Müruer s Archiv für Anat., Physiol. und wissensch. Medicin. Jahre. 1850. ? Se». Fischer, Abhandlungen über das Genus Cypris und dessen in der Um- gebung von St. Petersburg und vom Fall bei Reval vorkommende Arten. in: Mem. presentes a l’acad. imper. de St. Petersbourg. Tom VII. 1854. p. 140. 538 Franz Stuhlmann, einigen Arten eine wechselseitige Befruchtung nöthig sei, während bei anderen »die Befruchtung ohne Zuthun eines zweiten Individuums von statten geht«. Litsegorg ! berichtigt ZEnker’s Angaben in einigen Punkten. Er weist nach, dass das Vas deferens die Schleimdrüse durchsetzt und letztere nicht mit gesondertem Ausführungsgang in den Penis mündet. Die Zen- KEr’schen Spermatophoren sind auch nach ihm echte Spermatozoen. Im Jahre 1854 erschien die große »Monographie der Ostracoden« von ZENKER?, eine für die damalige Zeit ganz ausgezeichnete Arbeit, die die ganze Grundlage unserer heutigen Kenntnis bildet. Er beschreibt an den männlichen Geschlechtsorganen vier hintere und zwei vordere Schläuche, die alle in das vielfach geschlungene Vas deferens einmün- den sollen. Die Existenz der »Begattungstaschen« seiner ersten Ar- beit giebt er hier auf. Die »Schleimdrüse« soll aber noch mit einem besonderen Gang in den Penis münden. Auf die Entwicklung und Struktur der Spermatozoen geht er sehr genau ein und macht ebenfalls einige Angaben über die Entwicklung des ganzen Geschlechtsapparates. Er hat schon damals die höchst seltsame Thatsache beobachtet, dass die einzelnen Spermatozoen im Receptaculum des Weibchens sich häuten. Auf die speciellen Punkte der Zenker’schen Arbeit werden wir an den betreffenden Stellen zu- rückkommen. Fischer 3 bestätigt in einer späteren Arbeit die Eingeschlechtigkeit der Ostracoden, geht aber auf den Bau der Geschlechtsorgane nicht näher ein. Die Schleimdrüse von Cyprois monacha wird von Lryvie * kurz beschrieben, ohne dass er sich über ihre Funktion näher auslässt. Die Arbeit von Pıareau5 förderte die Kenntnis von den männlichen Geschlechtsorganen nur sehr wenig. Er beschreibt noch immer die sechs Hodenschläuche und die gesonderte Einmündung der Schleim- drüse in das Vas deferens. Die Schleimdrüse soll ein Sekret zur Um- hüllung der Spermatozoen bilden; letztere sollen in sie hineindringen und dort die undulirende Membran bekommen. Im Receptaculum 1 LiLIEBORG, De crustaceis ex ordinibus tribus: Cladocera, Ostracoda et Cope- poda in Suevia occurentibus. Lund 4853. 2 W. ZEnKER, Monographie der Ostracoden. in: Archiv für Naturgeschichte. 20. Jahrg. Bd. I. 1854. 3 Ses. Fischer, Beitrag zur Kenntnis der Ostracoden. in: Abh. d. bair. Akad. der Wissensch. Math.-phys. Klasse. Bd. VII. 4855. * Fr. Levis, Naturgeschichte der Daphniden. Tübingen 1860. p. 72. 5 F. PLATEAU, Recherches sur les Crustacees d’eau douce de Belgique. in: Mem. couronnes de Belgique. Tom XXXIV. 4867. Beiträge zur Anatomie der inneren männlichen Geschlechtsorgane etc. 539 seminis des Weibchens fand Pıartzau die Überreste der »Spermato- phoren.«!. Seit Prateau wurden die Geschlechtsorgane eine lange Zeit nicht mehr untersucht. Erst im Jahre 1880 veröffentlichte WEısmanx? eine kurze Notiz, deren Hauptzweck der Nachweis der Parthenogenese bei den Ostracoden war. Doch wurden derselben einige Bemerkungen angeschlossen über den Bau und die Funktion der sog. »Schleimdrüse «. Dieselbe hängt nicht seitlich dem Vas deferens an, sondern ist in den Verlauf desselben eingeschaltet. Sie wird als komplicirter Ejaculations- apparat gedeutet, der besonders dazu dient, die im Vas deferens massig beisammen liegenden Spermatozoen zu ordnen, indem eine so feine Öffnung in den Apparat hineinführt, dass zur Zeit nur ein einziges Spermatozoon eintreten kann. Die in demselben Jahre erschienene Arbeit von Wırn. MüLLer 3 er- weitert kaum unsere Kenntnisse. Der Verfasser beschreibt die schon durch Zenker bekannten sechs Hodenschläuche. »Bei Cypris ovum und punctata« sollen »sich zwischen den Schalenlamellen, im Zusam- menhang mit den Hodenschläuchen, drei oder vier Blasen« finden, von denen die kleineren »samenbildende Zellen, die größeren Samenfäden enthalten«. »Sie sind vermuthlich durch Verwachsung der vier hinteren Hodenschläuche entstanden« (p. 232). Die »Schleimdrüse«, deren Funk- tion als solche er in einem Nachtrag gegen Weısmann aufrecht erhält, soll gesondert in den Penis münden. Die Verbindung des Vas deferens mit dem oberen Theile derselben bei Cyprois monacha soll nur eine appositionelle sein. — In den Eiern von Candona candida sah Mürzer Samenfäden, und zwar in jedem Ei nur einen einzigen. H. Resgerg! unterwirft nur die »Schleimdrüse« einer näheren Untersuchung, er glaubt nicht, dass sie ein Ejaculationsapparat sei, son- dern hält sie vielmehr für ein »außerordentlich festes Schutz- und Auf- bewahrungsorgan der Spermatozoen«, ein »Receptaculum seminis « (!), eine Hypothese, für die sich wohl wenig anführen lässt. In einer neueren Arbeit vertheidigt Wırs. Mürzer® noch einmal ! METSCHNIKoFF (Arb. erst. Vers. russ. Naturf. 4868. Abth. d. Anat. u. Physiol. p. 56) soll, wie ich aus einem Citat ersehe, die Entwicklung des Samenfadens von Cyprois beschreiben, Leider steht mir die Arbeit nicht zu Gebote, ? A. Weısmann, Parthenogenese bei den Ostracoden. in: Zool. Anz. 1880. p. 84. 3 W. Müuzer, Beitrag zur Kenntnis der Fortpflanzung und der Geschlechtsver- hältnisse der Ostracoden. in: Zeitschr. f. d. gesammte Naturw. (GieEser). III. Folge, Bd. V. 1880. p. 221—246. * H. Reusere, Beiträge zur Naturgeschichte niederer Crustaceen. Inaug.-Diss. Bremen 1884. 5 W. MÜLLeEr, Zur näheren Kenntnis der Cytheriden. in: Archiv f. Naturgesch. 50. Jahrg. 1884. p. 1—18. Zeitschrift f, wissensch. Zoologie. XLIV. Bd. 35 540 Franz Stuhlmann, die drüsige Natur der »Schleimdrüse« gegen Weısmann und homologisirt sie mit einem räthselhaften Organ, das er in der Nähe der Vagina bei verschiedenen Cytheridenweibchen gefunden hat, eine Homologie, die dadurch hinfällig wird, dass die Schleimdrüse eben nicht gesondert in den Penis mündet, wie er es annimmt. Die neueste Arbeit, welche sich mit den männlichen Geschlechts- organen der Cypriden beschäftigt, geht vom Freiburger zoologischen Institute aus und ist von O. Norpovist! verfasst. Das Hauptresultat derselben ist der Nachweis, dass der Hoden nur aus vier Schläuchen besteht, und dass außerdem noch ein, sich in der Mitte spaltender Schlauch vorhanden sei, der aber nicht als Hoden funktionirt. Der Verfasser meint, dass derselbe gesondert ins Vas deferens einmündet und bezeichnet ihn mit dem indifferenten Namen »Nebenschlauch«, da er über seine Funktion nicht ins Klare kommen konnte. Außerdem wird der Ejaculationsapparat einer genaueren Untersuchung unterworfen. Aus der vorstehenden historischen Übersicht unserer Kenntnisse vom Bau und der Funktion der inneren männlichen Geschlechtsorgane ist wohl ersichtlich, dass noch Manches dort aufzuklären und genauer zu untersuchen ist. Besonders ist die Natur des sog. fünften Hoden- schlauches (Nebenschlauch), die Verbindung von Vas deferens mit dem Ejaculationsapparate und vor Allem auch die specielle Genese der so außerordentlich großen Spermatozoen zu eruiren. Hauptsächlich die letzteren regten zu vorliegender Untersuchung an. Der Ejaculationsappa- rat soll unberücksichtigt bleiben, derselbe ist so außerordentlich kompli- eirt, dass seine genaue Untersuchung einer eigenen Arbeit vorbehalten bleibt. Ä Herr Prof. Wrısmann begann die Untersuchung über die Spermato- genese bereits im Winter 1879—80 an Gyprois monacha und CGan- donacandida, musste sie aber dann längere Zeit liegen lassen. Auf seine Anregung nahm ich dieselbe im Frühjahr 4886 wieder auf und führte sie bis zu dem vorliegenden Abschluss durch. Herr Prof. Wrıs- MANN war so liebenswürdig, mir seine sämmtlichen früher angefertigten Präparate und Zeichnungen, so wie seine Beobachtungen zur Verfügung zu stellen, wofür ich ihm großen Dank schuldig bin. Zur Untersuchung diente hauptsächich eine kleine Art der Gattung Cypris, die am meisten mit Cypris punctata (Jurine) übereinstimmt. Bei den verhältnismäßig ungenauen alten Beschreibungen, in denen meist nur auf die variable Schalenstruktur Rücksicht genommen ist, lässt sich die Art nicht mit Sicherheit feststellen. Überhaupt liegt unsere 1 Osc. Norpgvist, Beiträge zur Kenntnis der inneren männlichen Geschlechts- organe der Cypriden. in: Acta Societatis Scientiarum Fennicae. Tom XV. 1885. Beiträge zur Anatomie der inneren männlichen Geschlechtsorgane etc, 541 systematische Kenntnis der Cypriden noch sehr im Argen und es wäre gewiss eine dankbare, wenn auch etwas mühselige Arbeit, einmal die Arten dieser Familie einer genauen Revision zu unterwerfen. — Nächst Cypris punctata Jur. diente noch die wohlcharakterisirte Gyprois monachaMüll.([Notodromas monacha) als Untersuchungsmaterial!. Candona candida wurde nur beiläufig berücksichtigt. Die Thiere wurden theilweise frisch in physiologischer Kochsalz- lösung zerzupft und eventuell noch in lebendem Zustand mit Pikrokar- min, Methylgrünessigsäure oder Scuneiper'schem Essigkarmin gefärbt, theilweise wurden sie konservirt und gehärtet untersucht. Am meisten hat sich dabei heißes Wasser von 60—65° bewährt, nächstdem aber auch heißer 30°/,iger Alkohol, bei dessen Anwendung die Gewebe je- doch bisweilen etwas spröde wurden. Die besten Färbungsresultate erzielt man mit dem Ranvıer’schen Pikrokarmin, doch wurden außerdem noch Boraxkarmin, Lithionkarmin, Hämatoxylin, Eosin ete. angewandt. Um den Kalk aus den Schalen herauszuziehen, muss man vor der Färbung die Thiere in koncentrirter Pikrinsäurelösung ca. 34—48 Stunden, wenn möglich im Wärmekasten belassen und dann die Säure mit viel Wasser eben so lange, auch in der Wärme, herausziehen. Damit die Farbstoffe ete. besser eindringen, kann man, sobald es sich nicht darum handelt, genau die Lage der einzelnen Theile zu einander zu erhalten, die Thiere mit einer feinen Nadel anstechen oder einen leichten Druck auf sie ausüben, bis ihre Schalen Sprünge erhalten. Die Behandlung mit Fremming’scher Lösung hat keine besonders guten Resultate ergeben, da dieselbe zu langsam eindringt. II. Die Anatomie der inneren männlichen Geschlechtsorgane. Die inneren männlichen Geschlechtsorgane der Cypriden bestehen 1) aus den vier Hodenschläuchen, 2) dem Vas deferens und 3) dem Ejaculationsapparat mit seinem Ausführungsgange in den Penis. Der sogenannte fünfte Hodenschlauch oder Nebenschlauch Norpovısr’s ist nichts Anderes als ein Blindsack des Vas deferens. Bei Cyprois monacha beginnen die vier Hodenschläuche unge- fähr in der Mitte oder in der unteren Hälfte des hinteren Schalenran- des? in der Schalenduplikatur; dann laufen sie parallel mit einander ! Die Beobachtungen an Cyprois konnten leider nur an alten Präparaten semacht werden. Ich weiß desshalb nicht, ob es sich nicht bisweilen um Artefakte handelt. ? Bei allen nachfolgenden Beschreibungen denken wir uns das Thier so gelegt, dass der freie Schalenrand nach unten und der Augen tragende Rand nach oben sieht. Dann ist, sobald man wie in Fig. 4 und 2 die linke Schale von innen an- sieht, der vordere Schalenrand rechts und der hintere links. 357 542 Franz Stuhlmann, an dem hinteren Schalenrand hinunter bis sie ungefähr die tiefste Stelle des unteren Randes erreicht haben, um sich endlich im spitzen Winkel umbiegend quer über die Schale zu erstrecken (Taf. XXXI, Fig. i hI—h4)1, Sie vereinigen sich nun bei a zu dem ersten Theile des Vas deferens, den wir als »Ausführungsgang des Hodens« bezeichnen wollen (b), welcher sich vom hinteren Ende des oberen Schalenrandes nach vorn bis ungefähr zum vorderen Theile des unteren Randes entlang zieht. Hier (bei c) ist die Stelle, wo der »Blindsack« beginnt, der sich mit seinem spitz auslaufenden Ende bis zum hinteren Schalenrande erstreckt (d). Bei c, der Anfangsstelle des Blindsackes, wendet sich das Vas defe- rens in ganz spitzem Winkel wieder um, um als »drüsiger Theil des Vas deferens« (e) parallel mit dem »Ausführungsgang des Hodens« wieder am Schalenrand entlang zurückzulaufen bis zum hinteren Theil des oberen Schalenrandes; die Lage der beiden Schläuche zu einander in der Schalenduplikatur kann variiren, meistens liegt der » Ausfüh-- | rungsgang« außerhalb (cf. Fig. I), doch kann das Verhältnis auch um- gekehrt sein. Der Drüsenschlauch geht direkt in das »Vas deferens i. e. S.« über, welches aber nicht mehr in der Schalenduplikatur liegt, sondern mit zahllosen Windungen im hinteren Theile des Körpers ver- läuft (Fig. I g). Das Vas deferens mündet nun bei : in den oberen Theil des »Ejaeulationsapparates« (k), welcher in einer schrägen Linie das Thier durchsetzt, wie Fig. 1 zeigt. Aus dem unteren Ende des Eja- | culationsapparates kommt dann der »Ausführungsgangc desselben (}) heraus, um sich in ziemlich gerader Linie in den Penis (p) zu begeben. Ein wenig komplieirter gestalten sich die Verhältnisse bei der kleinen Cypris punctata {Fig. 2). Zwei von den Hodenschläuchen (A! und A2) liegen am hinteren und zwei am unteren Schalenrand (h3 | und h®), beide Theile biegen dann im spitzen Winkel um, wie Fig. 2 | zeigt, laufen eine Strecke parallel, um sich schließlich bei a zu vereini- gen. Der gemeinsame »Ausführungsgang« (b)? geht nun an den | | oberen Schalenrand und läuft an demselben entlang nach vorn bis zum hinteren Ende des unteren Randes (c). Hier beginnt der enorm lange | »Blindsack«, der sich ein ganzes Mal um den Schalenrand herum zieht | (bis d). Er ist im größten Theil seines Verlaufes sehr dünn. Bei c beginnt nun wieder der rückwärts laufende »Drüsenschlauchc« (e), der an derselben Stelle wie bei Cyprois monacha aus der Schalenduplika- | tur heraustritt, um sich nach vielen Windungen als »„Vas deferens i. e. S.« bei i in den oberen Theil des »Ejaculationsapparates«zu | ! BeiCandonacandida liegen die Schläuche eben so wie bei Cyprois. 2 Der wirkliche Zusammenhang mit dem »Ausführungsgang« wurde hier nur erschlossen, nicht gesehen, doch ist er wohl als vollkommen sicher zu betrachten. | Beiträge zur Anatomie der inneren männlichen Geschleehtsorgane etc. 543 begeben. An der Einmündungsstelle ist das Vas deferens außerordent- lich dünnwandig und weit. Aus dem unteren Ende des Ejaculations- apparates tritt dann der »Ausführungsgang« desselben (l), mit einer retortenförmigen Anschwellung beginnend, heraus und in den Penis ein. Es ist also bei Gypris punctata nur eine Komplikation in Folge der bedeutenderen Länge des Vas deferens und seines Blindsackes einge- treten. Wie wir sehen werden, hängt diese Verlängerung mit der bedeu- tenderen Größe der Spermatozoen bei Cypris punctata zusammen. Bei Cypris laufen also am größten Theil des Schalenrandes drei Schläuche neben einander, von denen einer, der »Blindschlauch«, in seinem größten Verlaufe außerordentlich fein ist. Die Lage derselben zu einander ist gewöhnlich so, dass der äußere der »Blindschlauch « ist, während in der Mitte der » Ausführungsgang des Hodens« und innen der »Drüsenschlauch« liegt. Doch können letztere auch ihre Stelle tauschen, wie in Fig. 2, was jedoch ziemlich selten ist. Diese kurze halbschematische Übersicht möge dazu dienen, die genauere Beschreibung der einzelnen Theile verständlicher zu machen. Der Hoden. Der Hoden von Cyprois monacha (Fig. 3) besteht, wie bereits oben gesagt, jederseits aus vier blindgeschlossenen parallelen Schläu- chen, deren allgemeine Lagerungsverhältnisse schon oben geschildert wurden und aus Fig. I ersichtlich sind. Der einzelne Schlauch besteht aus einer sehr dünnen, bei Anwendung von Reagentien ungefärbt bleibenden Membran, an welcher nur äußerst wenige Kerne (Fig. 3 a) liegen. Letztere wurden bis jetzt von allen Autoren übersehen, sind aber ganz sicher vorhanden, wie man an Stellen des Hodens sehen kann, wo durch die Einwirkung von Reagentien der Inhalt der Schläuche sich etwas retrahirt hat (Fig. 4 a). Die Kerne, die, wie ge- sagt, sehr zerstreut liegen, färben sich mit Boraxkarmin intensiv roth und zeigen einen oder mehrere Nucleolen. Diese Membran ist wahr- scheinlich die Tunica propria eines Zellschlauches, von dem sich ein- zelne Zellen nicht zu den großen Hodenzellen umgewandelt haben. Weil die betreffenden Kerne stets innen liegen, so können sie wohl kaum einer Peritonealhülle angehören. Die Hülle läuft am unteren Ende des Hodens in einen äußerst feinen Schlauch aus (Fig. 3 b), der sich mit denen der anderen Hodenschläuche verbindet. Der Inhalt der Schläuche besteht aus den Keimzellen, aus welchen sich die Spermatozoen bilden. Die nähere Bildungsweise der Sperma- tozoen soll weiter unten in einem besonderen Kapitel geschildert wer- 944 Franz Stuhlmann, den. Es lassen sich im Inhalt eines reifen Hodenschlauches fünf Regionen unterscheiden, welche alle in einander allmählich übergehen. An der Spitze jedes Schlauches liegt I) ein Syneytium (Fig. 37), aus dem alle folgenden Zellen sich rekrutiren. Die Kerne dieses Syney- tiums umgeben sich mit Protoplasma, werden heller und bekommen einen Nucleolus. Die so gebildeten Zellen, die den Eiern des Ovariums entsprechen, erreichen eine bedeutende Größe, wesshalb wir die Region des Hodens, in welcher sie liegen, nennen wollen 2) die Region der großen Zellen (Fig. 3 II). Die keimbläschenartigen Kerne dieser Zellen beginnen nun sich mehrmals zu theilen und die Zellen mit ihnen. Wir erhalten so im Hoden 3) die Region der kleinen Zellen (Fig. 3 IJJ). In der k. Region beginnen die Kerne der kleinen Zellen eine merkwürdige Metamorphose, hier geschieht die allmähliche Umwand- lung in die Spermatozoen — »Region der Spindelzellen«. Endlich der unterste Theil jedes Schlauches ist im geschlechts- reifen Thier nur mit Spermatozoen erfüllt, die allerdings später noch bedeutend umgewandelt werden: 5) die Region der Sperma- tozoen. Diesen fünf Regionen des Hodenschlauches entsprechend, werden wir auch bei der Spermatogenese fünf Hauptstadien unterscheiden. Bei Gypris punctata sind die Verhältnisse ein wenig anders dadurch, dass in demselben Hoden nicht alle fünf Stadien neben ein- ander vertreten sind. Dies rührt, wie weiter unten gezeigt werden soll, daher, dass die Bildung von Spermatozoen nicht kontinuirlich, sondern von Zeit zu Zeit, ruckweise erfolgt. Wir geben also hier nur die Beschreibung des ruhenden Hodenschlauches, wie man ihn gewöhn- lich antrifft. Die Lagerungsverhältnisse, die sich von Cyprois mo- nacha unterscheiden, wurden bereits oben erwähnt (p. 542, ef. Fig. 2). Der ganze Hodenschlauch (Fig. 5) wird auch bei dieser Form aus einer dünnen Membran gebildet, welche sich am unteren Ende in den | Ausführungsgang fortsetzt (Fig. 5 b). Bei dieser Art haben wir keine Kerne beobachtet, doch ist wohl nicht zu zweifeln, dass sie hier eben- falls vorhanden sind. Der Inhalt gliedert sich meistens nur in drei Re- gionen, die wir aber mit den Zahlen bezeichnen wollen, wie sie oben bei Gyprois angewandt wurden. An der Spitze ist wieder 1) das Syneytium (Fig. 5 /), welches allmählich in 2) die großen Zellen | (/{/) übergeht. Der Kern dieser großen Zellen zeichnet sich durch seine ' unregelmäßige Form, die wohl auf amöboide Bewegung hinweist, und | auch durch die unregelmäßige Vertheilung des Chromatins aus (Fig. 5). | Am oberen Ende dieser Region aber sind stets einige Zellen, deren — Beiträge zur Anatomie der inneren männlichen Geschlechtsorgane etc. 545 Kern noch die Keimbläschenform bewahrt hat (Fig. 5 «). An die großen Zellen schließt sich meist unmittelbar das 5. Stadium an, das der Sper- matozoen (Fig. 5 V). Dieselben sind, wie die Fig. 6 zeigt, immer zu einem länglichen Knäuel aufgewickelt und meist so zahlreich vorhanden, dass sie die Wand des Hodenschlauches auftreiben. Es sind hier ge- wissermaßen Reservoirs, in welchen die Spermatozoen bis zu ihrer weiteren Umwandlung aufbewahrt werden. Dies sind offenbar die »drei oder vier Blasen, von denen die kleineren samenbildenden Zellen, die größeren Spermatozoen enthalten«, welche W. MüLzer gesehen !, aber falsch gedeutet hat. Zu gewissen Zeiten fehlen in einem oder mehreren der vier Hoden- schläuche die großen Zellen und die Spermatozoen vollständig und es sind dann nur die »kleinen Zellen« und die »Spindelzellen« vorhanden oder sogar nur eine der beiden Entwicklungsformen. Alle große Zellen sind dann auf einmal umgewandelt. Die Zellen hängen be- sonders im Stadium der Umwandlung durch die »Hülle« nur so lose zu- sammen, dass dieselben durch die leiseste Berührung isolirt werden. Auf die näheren Details verweisen wir weiter unten. Der Übergang der Hodenschläuche in das Vas deferens. Wie bereits erwähnt wurde, läuft jeder einzelne Hodenschlauch in eine feine, zarte Röhre aus. Die Länge derselben variirt naturgemäß je nach der Füllung des Hodens mit Spermatozoen; bei Gyprois monacha sind diese Röhren gewöhnlich relativ bedeutend länger als bei Cypris punctata. Die vier Ausführungsgänge der Hoden vereinigen sich unter dem »Ejaeulationsapparate«, meistens mitten zwischen den Windungen des Vas deferens. Aus diesem Grunde und wegen ihrer außerordentlichen Zartheit ist es sehr schwer, den Vereinigungspunkt und den Anfang des Vas deferens aufzufinden. Nur einmal war dies ganz klar bei Cyprois in einem Präparat von Prof. Wrısmann zu sehen, bei Gypris punc- tata konnte ich wohl die Vereinigung sehen, aber der obere Theil des Vas deferens war abgerissen. Fig. 6 ist eine Abbildung des Präparates von Gyprois monacha. Die Enden der vier Hodenschläuche (ht! — h#) laufen je in die feine Röhre (p! — pt) aus und vereinigen sich bei a mit einander (unter dem vierten Schlauche). Von hier be- ginnt das zuerst ebenfalls sehr zarte Vas deferens (b), um sich nun nach vorn zu wenden und am oberen Schalenrand entlang zu laufen. Hier waren die Verhältnisse gerade besonders günstig, weil der 1 W. Mürrzr, Beitrag zur Kenntnis der Fortpflanzung etc. p. 232. 946 Franz Stuhlmann, obere Theil des Vas deferens stark mit Spermatozoen gefüllt war, welche sich unregelmäßig in Schlangenlinien durch einander wanden. Fig. 7 zeigt die unteren Enden der Hodenschläuche bei Cypris punctata, welche mit ihren zarten Ausführungsgängen in einem Punkte (bei «) zusammenführen. Die Einmündungsstelle selbst war nicht zu sehen, da eine Zellmasse dieselbe verdeckte, doch ist wohl sicher anzunehmen, dass der Zusammenhang hier ganz ähnlich wie bei Gyprois ist. Das Vas deferens im weiteren Sinne. Das Vas deferens im weiteren Sinne gliedert sich, wie schon Ein- gangs erwähnt wurde (p. 542), in mehrere Abschnitte, welche wir der besseren Übersicht wegen mit verschiedenen Namen belegen wollen. 4) Der Ausführungsgang des Hodens (Fig. I u.25), 2) der Blind- schlauch (Fig. i und 2c—d), 3) der Sekretionsschlauch (Fig. 1 und 2e), 4) das Vas deferens i.e.S. (Fig. 1 und 29), 5) der Ejaculationsapparat. Der Ausführungsgang des Hodens beginnt am hinteren Ende des oberen Schalenrandes und zieht sich von da nach vorn, bei Gy- prois bis zum vorderen Theil (Fig. 1) und bei Gypris punctata (Fig. 2) bis zum hinteren Ende des unteren Schalenrandes. Er ist in seiner ganzen Ausdehnung ein ziemlich dünnwandiger Schlauch, in dessen Wänden einzelne Kerne zerstreut liegen; Zellgrenzen sind nicht zu unterscheiden. Seine Breite variirt etwas je nach der Anfüllung mit Spermatozoen, bei Gyprois beträgt sein Durchmesser circa 0,008 —0,015 mm, bei Gypris punctata ist er etwas geringer (circa 0,006 — 0,0910 mm). Fig. 8 stellt den Schlauch von Cyprois dar in einem ziemlich stark gefüllten Zustande; bei Cypris punctata hat er ge- nau dieselbe Struktur. Der Blindschlauch besteht aus denselben Zellelementen, wie der Ausführungsgang der Hodenschläuche, sein Durchmesser ist jedoch Anfangs etwas größer als der des letzteren, allmählich verringert das Lu- men sich aber, um endlich ganz spitz auszulaufen. Fig. 9 zeigt den Blind- schlauch bei Cyprois ziemlich prall gefüllt; in Fig. 40 ist das letzte Ende desselben noch einmal bei stärkerer Vergrößerung gezeichnet, um zu zeigen, wie das Lumen sich allmählich verjüngt und endlich ganz aufhört. Bei Cypris punctata ist der Blindschlauch bedeutend länger und dünner, im größten Theil seines Verlaufes so fein, dass höchstens ein bis drei Spermatozoen in demselben neben einander liegen können. In Fig. 41 ist ein Stück von dem dünnen Theile dieses Blindschlauches abgebildet. Beiträge zur Anatomie der inneren männlichen Geschlechtsorgane etc. 547 Es fragt sich nun, welche Funktion dieses merkwürdige Gebilde hat. Wir hatten es einfach mit einem ganz spitz auslaufenden Blindschlauch des Vas deferens zu thun. Am nächsten liegt wohl die Annahme, dass derselbe dazu dient, den langen Spermatozoen auf ihrem Wege durch das Vas deferens die Umkehr zu ermöglichen. Dieser Schluss liegt nahe, wenn man die Lage des Gebildes zu dem Ausführungsgang des Hodens und dem Drüsenschlauch ins Auge fasst. Die letzteren beiden konver- giren in einem äußerst spitzen Winkel und gehen dann direkt in den Blindschlauch über. Man kann dies Verhalten wohl am besten mit einer Weiche auf den Eisenbahnschienen vergleichen. Wenn ein Eisenbahn- zug von einem Geleise auf ein anderes hinübergeführt werden soll, so muss er nach Passirung der Weiche erst auf einem unpaaren Schenkel ein Stück vorwärts fahren, ehe er rückkehrend auf das zweite Geleise gelangen kann, um dann auf ihm rückwärts seinen Weg antreten zu können. Wenn diese Annahme des Umkehrens der Spermatozoen rich- tig ist, so muss auch der Blindschlauch mindestens so lang wie ein Spermatozoon des Thieres sein: Bei Gyprois ist der Schlauch, ent- sprechend den kürzeren Spermatozoen, thatsächlich bedeutend kürzer als bei Gypris punctata, wo die Spermatozoen fast zweimal so lang als das Thier sind. Demgemäß geht bei letzterer Art der Blindschlauch einmal rings um den Schalenrand herum. Die Spermatozoen können gar nicht anders im Vas deferens vor- rücken, als dass sie in dem Blindschlauch umkehren. Sie müssten denn schon an der Übergangsstelle gekniekt werden, was niemals der Fall ist. Wir können also behaupten, dass sämmtliche Spermatozoen hier umkehren müssen; warum dies aber erforderlich, und warum das Vas deferens nicht so gebaut, dass eine rückläufige Bewegung nicht nöthig ist, das können wir freilich nicht sagen. Außer dieser Funktion scheint der Blindschlauch noch eine wei- tere Bedeutung, wenigstens bei Cyprois zu haben, nämlich die eines Reservoirs (Samenblase) für die Spermatozoen, welche den Drüsen- schlauch entschieden nur sehr langsam und in geringer Anzahl passiren dürfen. Fig. 9 zeigt, wie der Blindschlauch stark gefüllt ist. Bei Cy- pris punctata ist an dieser Stelle entschieden ein längeres Auf- speichern von Spermatozoen nicht nöthig, da dies schon in den unteren Enden der Hodenschläuche in ausgiebigster Weise geschieht. Der Drüsenschlauch!, in welchem die Spermatozoen ja nun in entgegengesetzter Richtung, wie im » Ausführungsgang der Hoden« vor- wärts wandern, hat bedeutend dickere Wände und ein engeres Lumen als ! Wir haben diese Bezeichnung gewählt, obgleich das Vas deferens i. e. S. wahrscheinlich auch ein Sekret absondert. 48 Franz Stuhlmann, letzterer. Es liegen in ihm nur sehr wenige Spermatozoen (zwei bis fünf) neben einander. Am frischen, nur mit physiologischer Kochsalz- lösung behandelten Präparate bemerkt man an dem Schlauch eine eigenthümliche Querstreifung, breitere granulirte Streifen wechseln mit schmalen hyalinen ab. In den breiteren Streifen sind bei Ein- stellung auf die Oberfläche auch noch hyaline Flecke zu sehen (Fig. 12). Bei konservirtem Material sind, wie in Fig. 13 zu sehen ist, diese ver- schiedenen Streifen ebenfalls zu erkennen und in jedem der granulir- ten, dunkel gefärbten Streifen lässt sich ein Kern nachweisen. Es liegt also sehr nahe, die dunklen Streifen für secernirende Drüsenzellen zu halten und die hellen für Intercellularsubstanz. Kontraktil ist die helle Substanz nicht, es lassen sich überhaupt im ganzen Verlaufe des Vas deferens keine Muskeln nachweisen. Die eine Seite des Drüsen- schlauches ist immer etwas stärker als die andere (cf. Fig. 13). Von außen sind dem Schlauch vereinzelte Kerne angelagert, die wohl einer äußerst zarten Peritonealhülle angehören (Fig. 13, 14 a). Überhaupt ist, wie sich aus Befunden an jüngeren Exemplaren schließen lässt, das ganze Vas deferens i. w. S. mit einem Peritonealepithel bekleidet, wenn sich dies auch im Alter nicht immer nachweisen lässt. An einigen Stel- len, so z. B. dem Ausführungsgang des Ejaculationsapparates, schwindet es sicherlich später vollständig, ist aber in der Jugend vorhanden. Es scheint, als ob je nach der augenblicklichen Funktion der Drüsenzellen, ihre Struktur sich etwas ändern kann, denn bisweilen sieht man von den hyalinen Zwischenschichten gar nichts und die Kerne treten dann viel deutlicher und größer hervor (Fig. 15). Welche Erscheinung aber im Stadium der Sekretion und welche in dem der Ruhe sich findet, können wir nicht sagen. Der Drüsenschlauch ist bei Gyprois und bei Gypris punctata ganz gleich gebaut. In dem Anfangstheil des Drüsenschlauches, dort wo er aus dem Blindschlauch heraustritt, ist die Struktur noch nicht so deutlich, auch sind seine Wandungen hier noch nicht so dick und sein Lumen so eng als weiter unten, jedoch sieht man gleich einen sehr großen Unterschied zwischen ihm und dem Ausführungsgang des Hodens (ef. Fig. 8 und 9 e). In diesem Drüsenschlauch sind die Spermatozoen noch ganz glatt, aber erleiden, wie wir später sehen werden, bedeutende Veränderungen. Das Vas deferensi.e. $S. Der Drüsenschlauch geht, wie Fig. 14 zeigt, ganz allmählich in das Vas deferens i. e. S. über, die dicken Wandungen werden dünner und die Streifen verlieren sich. Wir haben dann wieder einen ziemlich dünnwandigen Schlauch vor uns, in dem entweder keine oder doch nur sehr undeutliche Zellgrenzen zu sehen Beiträge zur Anatomie der inneren männlichen Geschlechtsorgane ete. 549 sind, wie auf dem Querschnitt einer Schlinge vom Vas deferens von Cyprois gezeichnet ist (Fig. 19). Seine Füllung mit Spermatozoen wechselt sehr. In dem ersten Theil des Vas deferens, der noch in der Schalen- duplikatur am oberen Rande entlang läuft (Fig. I und 2 f), bekommen die Spermatozoen ihre Spiraldrehung. Fig. 16 zeigt ein Stück desselben, frisch mit Pikrokarmin gefärbt, bei a sind die Spermatozoen noch ganz glatt, bei b sieht man die erste Spur der Drehung und bei cc sind die Spiralen schon vollständig deutlich, wenn auch noch nicht so eng gedreht wie beim reifen Spermatozoon. Nie habe ich eine Spur von Musku- latur in den Wandungen des Vas deferens entdecken können, wie sich denn auch niemals beim ganz frisch herauspräparirten Schlauch irgend welche peristaltische Bewegungen zeigten. Das Vas deferens begiebt sich nun aus der Schalenduplikatur her- aus und macht zwischen den beiden Ejaculationsapparaten eine große Anzahl von Windungen, von denen in Fig. 17 ein Bild gegeben ist (Cyprois). Mitten zwischen diesen Windungen geht der Darm (d) hindurch. Die Füllung des Vas deferens mit Spermatozoen, und demnach auch sein Durchmesser ist äußerst variabel. Fig. 18 u. 20 stellen Stücke des- selben von Gyprois und Fig. 21 von Gypris punctata dar, letztere nach einem frischen Präparat (Essigsäurebehandlung). Man sieht also, dass entweder nur ein Spermatozoon (Fig. 21) oder auch eine sehr große Anzahl derselben (Fig. 20) im Vas deferens liegen können. Sehr wahrscheinlich wird im Vas deferens noch ein Sekret abge- sondert, das die Spermatozoen, nachdem sie ihre Spiraldrehung erhalten haben, ganz einhüllt (Zexker’s Spermatophore); wo dies jedoch ge- schieht, vermögen wir nicht anzugeben. Das Vas deferens mündet in das proximale Ende des Ejaculations- apparates (Fig. 17 :) ein. Bei Cyprois ist diese Verbindung ziemlich leicht zu sehen, weil hier das Vas deferens sich oft stark erweitert und die Spermatozoen, welche wahrscheinlich nur einzeln den Ejaculations- apparat passiren können, sich hier, wie in einer Art von Samenblase anhäufen (Fig. 22 s); man sieht dann deutlich, wie dieselben in einem dicken Bündel in den oberen Trichter des Ejaculationsapparates hin- eindringen (Fig. 22 bei i). Diese Verbindung ist sicher keine apposi- tionelle, wie Wırn. MÜLLER meint. Bei Cypris punctata findet nie eine Anhäufung der Spermato- zoen im letzten Theil des Vas deferens statt. Diese Form hat ja ihre Samenreservoirs schon im Hoden. Wohl aber erweitert sich auch hier das Vas deferens sehr und seine Wandung wird äußerst dünn, so dass die Verbindung sehr schwer zu konstatiren ist. Sie ist aber vorhanden. 550 Franz Stuhlmann, Der Ejaceulationsapparat soll hier nicht im Einzelnen be- handelt werden, da er demnächst von anderer Seite genau geschildert werden wird; er ist wahrscheinlich keine Drüse, sondern ein Apparat, der zur Ordnung der Spermatozoen dient, welche vorher in Massen bei- sammen lagen, zum Behuf der Begattung aber einzeln hinter einander aufmarschiren müssen. Aus dem distalen Ende des Ejaculationsapparates gelangen die Spermatozoen durch einen dünnen, chitinigen Ausführungsgang (Fig. 17 und 22 {) in den Penis jederseits hinein. Bei Gypris punc- tata beginnt der Gang mit einer retortenförmigen Auftreibung, wäh- rend er bei Cyprois ganz glatt verläuft. Häufig findet man in jedem der Ausführungsgänge ein einziges Spermatozoon. An der Stelle, wo der Gang abgerissen ist, tritt oft ein kleiner Schleimtropfen heraus, ein Zeichen, dass das Spermatozoon in einem Schleim eingebettet liegt. Wenn man die Samenfäden aus diesem Ausführungsgang herauszieht, so zeigen sie fast gar keine Beweglichkeit; diese erlangen sie erst nach längerem Verweilen im Receptaculum seminis des Weibchens. Sie strecken sich hier nur gerade und haben höchstens eine ganz geringe, langsam undulirende Bewegung, deren Ausschlag aber nur etwa so groß wie die Dicke des Spermatozoons ist. Wir sahen also, dass die Spermatozoen der beiden Antimeren des Thieres bis zu ihrem Eintritt in die beiden Penes, also bis zur Über- führung in das Weibchen vollständig getrennt bleiben, und auch hier liegen sie noch in den beiden Receptacula getrennt. Das Merkwürdige ist nun, dass die Spermatozoen der verschiedenen Seiten in entgegen- gesetztem Sinne gedreht sind, worauf schon Zuxker hingewiesen hat (l. ec. p. 55), die der linken Körperhälfte sind rechts gedreht und umge- kehrt (im Sinne der Conchyliologen). Welche physiologische Bedeutung diese Verschiedenheit hat und wodurch sie zu Stande kommt, ist uns unklar geblieben. III. Entwicklungsgeschichtliches über die inneren männlichen Geschlechtsorgane, Einige Beobachtungen über die Entwicklung der männlichen Geschlechtsorgane wurden an Gyprois monacha angestellt. Das jüngste beobachtete Stadium ist in Fig. 23 abgebildet. Die vier Hodenschläuche (k!—h*) sind vollkommen ausgebildet und ver- einigen sich alle bei a. Ihr Inhalt besteht im Gegensatz zum reifen Thier nur aus dem Syneytium (/) an der Spitze und den allmählich daraus entstehenden »großen Zellen« (//). Wenn nicht die anatomi- schen Verhältnisse zeigten, dass wir hier ein junges Männchen vor uns Beiträge zur Anatomie der inneren männlichen Geschlechtsorgane etc. 551 haben, so würde man sicher diese großen Zellen für junge Eier halten; sie sind durch nichts von denselben zu unterscheiden. Das gesammte Vas deferens i. w. S. (vd) ist noch vollkommen undifferenzirt. Es ist ein gleichartiger eng gewundener Schlauch, an welchem noch keine beson- deren Partien zu unterscheiden sind und welcher in den Penis (p) ein- mündet. In dem folgenden Stadium sind die Hodenschläuche schon bedeu- tend länger geworden und zu den großen Zellen sind noch die »kleinen Zellen« (Fig. 24 IIT) und die »Spindelzellen (IV) gekommen. Die letz- teren spindelförmigen Zellen mit den Fäden sieht man bis an das untere Ende des Hodenschlauches reichen; eine Region, in welcher nur Sper- matozoen vorhanden sind, ist hier noch nicht ausgebildet. Das Vas deferens ist bedeutend in die Länge gewachsen, man kann an ihm bereits zwei verschiedene Abtheilungen unterscheiden, die eine (Fig. 26, 29 b) hat dünne Wände und keine Zellgrenzen, und wird zu dem Theil, welchen wir oben den » Ausführungsgang des Hodens« ge- nannt haben. Der andere Theil des Schlauches hat bedeutend dickere Wandungen und zeigt eine ähnliche, wenn auch viel feinere Querstrei- fung, wie der Drüsenschlauch des ausgewachsenen Thieres (Fig. 25). Beide Theile des Vas deferens sind scharf von einander abgesetzt. An der Übergangssstelle (c) bildet sich früh ein Knick aus (Fig. 26). Bei dem Individuum, von dem dies Präparat entnommen war, lag der Knick gerade am Auge, er rückt also im Laufe der Entwicklung noch be- deutend nach vorn vor am Schalenrand entlang. Von dem Blindschlauch ist noch keine Spur vorhanden. Ein Unterschied zwischen dem Drüsenschlauch und dem Vas defe- rens i. e. S. ist noch nicht zu sehen. Der Ejaculationsapparat bestand hier aus zwei dicken Epithelschichten und einem feinen inneren Zell- schlauch. Von Chitinisirung war nichts in demselben. Der Ausfüh- rungsgang desselben war hier ein Zellschlauch (Fig. 27), entgegen dem Befund beim erwachsenen Individuum, wo wir nur ein dünnes Chitin- rohr antreffen. Bei dem nächsten Stadium, welches in Fig. 28 bei schwacher Ver- größerung abgebildet ist, sind im Hoden bereits die Spermatozoen vor- handen, die Spiädelzellen reichen nicht mehr bis an sein unteres Ende, so dass hier also der erwachsene Zustand erreicht ist (h'—h*). Der Aus- führungsgang des Hodens (b) ist etwas länger als im vorigen Stadium, hat aber noch lange nicht seine definitive Ausdehnung erreicht. An seiner Übergangsstelle in den Drüsenschlauch (c), welche in Fig. 29 noch einmal vergrößert abgebildet ist, beginnt schon der erste Anfang des Blindschlauches hervorzusprossen. Letzterer ist also thatsächlich 552 | Franz Stuhlmann, nichts Anderes als eine einfache Aussackung des Vas deferens, welche sich, wie auch Zenker (l. c. p. 59) von seinen beiden »vorderen Schläu- chen« angiebt, verhältnismäßig spät entwickelt. Das Vas deferensi. e. S. hat schon eine bedeutende Länge erreicht und sich in vielfache Windungen gelegt (Fig. 28 g), doch unterscheidet es sich noch nicht scharf von dem »Drüsenschlauch«. Zu bemerken ist noch besonders, dass es hier in seinem ganzen Verlaufe mit einer zar- ten Peritonealhülle umgeben ist, deren Kerne sehr zerstreut liegen (ef. Fig. 29). In dem Ejaculationsapparate, der aus zwei hohen Epithelschichten besteht, sind hier schon die Chitinringe des »inneren Cylinders« deut- lich ausgebildet, auch sein Ausführungsgang zeigt bereits das Chitin- rohr, welches aber noch vom Epithel umgeben ist. Diese wenigen entwicklungsgeschichtlichen Daten rechtfertigen also meine Auffassung des Zusammenhanges von Vas deferens mit Hoden und Ejaculationsapparat, so wie des »Nebenschlauches« als Blind- sack des Vas deferens. IV. Die Spermatogenese,. Bekanntlich übertreffen die Spermatozoen der Gypriden das ganze Thier an Länge bei fast allen Arten, bei Cypris ovum sind sie sogar fast doppelt so lang, so dass sie geradezu als die größten bekannten Samenelemente überhaupt dastehen. Bei der folgenden Darstellung soll die komplieirte Nomenclatur, wie sie von LA VALETTE, BLOOMFIELD u. A. in die Wissenschaft eingeführt wurde, nicht angewandt werden, da sie kaum zu größerer Klarheit dienen würde und jedenfalls hier sehr wohl entbehrt werden kann. Wie Weısmann schon vor einiger Zeit vorschlug und wie Bıonpı! vor Kurzem in einem bestimmten Falle es ausgeführt hat, sollen einfach die Zellgenerationen, welche von der Urkeimzelle bis zu den Spermato- zoen hinführen, in ihrer Aufeinanderfolge beschrieben werden. Wir werden von diesem Gesichtspunkte aus bei den Cypriden drei Ab- schnitte machen: 1) Die Veränderungen im Hoden von den Urkeimzellen des Syneytiums an der Spitze der Hodenschläuche bis zur Ausbildung des Samenfadens, der aber noch nicht seine definitive Form bekommen hat. 2) Die Veränderungen der Samenfäden im Vas defe- rens, wodurch dieselben ihre Drehung etc. bekommen. 3) Die Veränderungen im Receptaculum seminis des 1 Bıonpı, Die Entwicklung der Spermatozoiden. in: Arch. für mikr. Anatomie. Bd. XXV. 4885. p. 594. Beiträge zur Anatomie der inneren männlichen Geschlechtsorgane etc. 553 Weibchens, wo die Spermatozoen eine Hülle abstreifen und ihre Be- weglichkeit erlangen. In den Veränderungen im Hoden, die Spermatogenese im engeren Sinne, kann man dann wieder fünf Phasen unterscheiden, wie schon oben p. 544 gezeigt ist. 1) Syneytium, 2) die großen Zellen, 3) die kleinen Zellen, 4) die Spindelzellen, 5) die Sper- matozoen. Von diesen stellen aber nur die drei ersten Generations- folgen der Keimzellen vor, denn im vierten Stadium sind nur noch Zel- len vorhanden, die durch Umwandlungen zu den definitiven Spermato- zoen werden. ‚Sie entsprächen also den Spermatiden Voıcr's!, den »Gellules spermatiques« Girson’s?. Wenn die großen Zellen sich durch mehrfach auf einander folgende Theilungen in kleine verwandelt haben, so werden aus diesen letzteren durch eine Reihe von komplicir- ten Umwandlungen die fertigen Spermatozoen gebildet. 1) Die Veränderungen im Hoden. lassen sich am leichtesten bei Gyprois monacha übersehen, weil hier alle Stadien in ein und demselben Hodenschlauch hinter einander liegen, die Details der einzelnen Veränderungen sind jedoch am besten bei Cypris punctata der Größe der Elemente wegen zu studiren. Wie bereits oben erwähnt wurde, liegt an der Spitze jedes Hoden- schlauches ein Syneytium; in eine gemeinsame Plasmamasse sind einzelne Kerne eingebettet, die alle zu den großen Zellen heranwachsen. Fig. 30 zeigt eine Hodenspitze von Cyprois; dieselbe endigt blind mit einer stumpfen Spitze, wie auch Norpovist angiebt. Bei a haben wir ziemlich stark gefärbte Kerne in einer Plasmamasse, sie sind alle voll- kommen gleich. Weiter unten sind sie etwas herangewachsen, ihre Grundsubstanz ist heller, bis sie in den »großen Zellen« ganz farblos er- scheint (Fig. 30 b). Zugleich bildet sich ein einziger runder stark färb- barer Nucleolus heraus und der ganze Kern umgiebt sich mit einer Plasmahülle. Wie aus der Figur ersichtlich ist, gehen diese Verände- rungen nicht mit sämmtlichen Kernen gleichzeitig vor sich, es wandeln sich aber wohl trotzdem alle um, denn weiter unten im Schlauch findet man ausschließlich nur noch die großen, hellen, bläschenförmigen Kerne. Hier sind also keine Nährzellen oder Follikelzellen wie im Ovarium vorhanden, wenn man nicht die vereinzelten Kerne an der 1 W. Vorsr, Über Ei- und Samenbildung bei Branchiobdella. in: Arbeiten des Würzburger zool.-zoot. Instituts. Bd. VII. p. 300. 1885. 2 G. GiLson, La Spermatogenese chez les Arthropodes. in: »La Cellule«. I, 2 u. U, 4. 1885, 4886. Der Autor sucht nach Möglichkeit die komplicirte Nomenklatur zu vermeiden. 554 Franz Stuhlmann, Tunica propria, die oben erwähnt wurden, als solche ansehen will. Sonst aber gleicht die Spitze des Hodens der des Ovariums vollständig, wie auch die großen Zellen genau das Ansehen von jungen Eiern haben. Bei c in Fig. 30 sind schon die meisten Kerne in die »Keimbläschen- form « (v. WIELOwWIEJSKI) übergegangen. Wo der Vermehrungsherd der Kerne ist, habe ich nicht ausfindig machen können. Er wird wohl ganz an der Spitze oder wenigstens in ihrer Nähe liegen. Dass hier überhaupt eine Kerntheilung stattfinden muss, ist wohl unzweifelhaft. Das Syneytium bei Cypris punctata ist bedeutend kürzer als bei Cyprois (Fig. 5 I). An der äußersten Spitze liegen nur wenige dunkel gefärbte Kerne, die dann in die Bläschenform übergehen (bei «). Im Grunde genommen ist hier der Process derselbe, wie bei CGyprois, nur dass Alles auf einen viel kleineren Raum beschränkt ist. Die aus den Kernen des Syneytiums entstandenen Zellen mit den bläschenförmigen Kernen wachsen allmählich zu bedeutender Größe heran, so dass schließlich eine Zelle oft die ganze Breite des Schlauches einnimmt. Bei Cyprois behalten sie unter Größenzunahme ihre Form vollständig bei (cf. Fig. 3, 24 I/), sie haben das Aussehen von Eiern mit großem Keimbläschen und rundem Nucleolus. Bei Gypris punctata jedoch geht ihr Kern sehr bald eine Metamorphose ein (Fig. 6). Er ver- liert vollständig die Bläschenform und wird amöboid, von sehr unregel- mäßiger Gestalt; sein Chromatin (Nuclein), das vorher im Centrum als runder, einheitlicher Nucleolus gelegen hatte, vertheilt sich in größeren oder kleineren Brocken über den ganzen Kern. Von einer Kernmem- bran ist keine Spur nachzuweisen (Fig. 5 £). Wenn die »großen Zellen« ungefähr ihre definitive Größe er- reicht haben, so treten häufig, nicht immer, Vacuolen in ihnen auf. Bei Gyprois findet man &ewöhnlich mehrere derselben (Fig. 31 a u. b, v). Dieselben liegen ziemlich nahe unter der Oberfläche der Zelle und sind etwas flach gedrückt. Fig. 31 a stellt eine solche vacuolenhaltige Zelle bei tiefer und Fig. 31 b bei hoher Einstellung des Tubus dar. Bei Gypris punctata findet man nur eine einzige Vacuole und zwar gewöhnlich erst in einem etwas späteren Stadium, wenn der Kern sich schon bedeutend verändert hat. Sie ist dann hier weniger scharf begrenzt als bei Cyprois und meistens nur als ein etwas hellerer Fleck im Zellplasma zu erkennen. Der Kern der großen Zellen beginnt jetzt sich mehrmals hinter einander zu theilen. In der Fig. 24, die von einem noch nicht ganz reifen Hoden entnommen ist, sieht man deutlich in vielen Zellen zwei Kerne. Sofort fällt in diesen Zellen der Mangel des Chromatins ins Beiträge zur Anatomie der inneren männlichen Geschlechtsorgane ete. 555 Auge. Die näheren Details der Veränderungen in ihnen sollen weiter unten bei Cypris punctata beschrieben werden. Fig. 32 stellt einige isolirte Zellen mit getheiltem Kern von Gy- prois dar; wahrscheinlich sind diese aber schon durch Theilung aus einer großen Zelle entstanden, wie sich aus dem Größenverhältnis zwi- schen den ungetheilten Zellen (Fig. 32 a) und den mit den zwei Kernen (Fig. 32 b) schließen lässt. Die Theilung geht jetzt immer weiter vor sich, und zwar theilen sich die Kerne bedeutend schneller als die Zellen, so dass man in einer noch ziemlich großen Zelle schließlich eine Menge von ganz winzigen Kernen findet (Fig. 33). Es liegen häufig größere und kleinere Kerne in einer solchen Zelle neben einander, was wohl beweist, dass die Theilungen nicht völlig gleichzeitig stattfinden. Die Zellen sind nicht durch eine Membran scharf begrenzt; sie senden häufig amöboide Fortsätze aus!. Allmählich scheinen sich nun die einzelnen »kleinen Kerne« von einander zu trennen, jeder von einem Plasmahof umgeben, wo- bei sich vielleicht die große Zelle bandförmig in die Länge zieht (?). Die kleinen Kerne bilden dann Anschwellungen in diesem Bande, und die Zwischenstücke zwischen den Kernen verdünnen sich immer mehr, bis sie sich gänzlich trennen. Auf diese Weise kommt es, dass die ein- zelnen kleinen Zellen eine Spindelform bekommen. Die Kerne sind aber fürs Erste noch rund und lassen meistens in ihrem Inneren ein kleines Kernkörperchen erkennen. Fig. 34 zeigt ein Präparat, das durch Zerklopfen eines Hodenschlauches von Cyprois gewonnen ist. Man sieht darin neben den großen Zellen (a) auch kleine, spindelförmige, mit rundem Kern (b). Fig. 35 zeigt ebenfalls ein Klopfpräparat, in dem sehr deutlich die langen Fäden zu sehen sind, in denen die Kerne spindelförmige Anschwellungen bilden. In vielen Fäden sind die Kerne noch ganz rund (bei &), in anderen (bei b) aber haben sie selbst auch die Spindelform angenommen. Sie sind hier schon in dem Stadium der Metamorphose befindlich, wodurch das Spermatozoon aus ihnen gebildet wird. Fig. 36 zeigt einen Faden mit drei Kernanschwellungen, in denen man deutlich die Spindelform sehen kann. Die Verbindungsfäden sind hier schon außerordentlich dünn geworden. Man könnte nun durch Bilder, wie sie sich uns in den eben be- schriebenen Fäden darbieten, auf den Gedanken kommen, dass in die Bildung eines Spermatozoids mehrere Kerne eingingen, oder dass der Kern in eine Anzahl von kleinen Stücken zerfiele, etwa wie bei einem vielkernigen Protozoon. Wenn man z. B. einen solchen Faden vor sich ! Es scheint also hier eine »endogene« Kernvermehrung stattzufinden, wie sie GiLson So vielfach für die Arthropoden beschreibt. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLIV. Bd. 36 556 Franz Stuhlmann, sieht, wie er in Fig. 37 abgebildet ist, so macht es allerdings ganz den Eindruck, als wenn hieraus ein einziges Spermatozoon hervorgehen würde. Auch die enorme Größe der Samenelemente könnte zu dieser Vermuthung führen. Trotzdem aber glaube ich nicht dies annehmen zu dürfen, denn erstens sprechen allgemeine theoretische Gründe sehr dagegen, dann aber bildet sich bei Cypris punctata, wie wir weiter unten sehen werden, das Spermatozoon ganz sicher aus nur einem einzigen Kern. Es wäre gewiss höchst merkwürdig, wenn bei zwei doch nahe ver- wandten Arten die Bildung der Samenelemente auf so fundamental verschiedene Weise vor sich gehen würde. Wenn die Größe der Samenfäden von Einfluss auf ihre Entstehungs- weise aus einem oder mehreren Kernen wäre, so müssten sie doch bei Cypris punctata, welche sogar absolut größere Spermatozoen als Cyprois monacha hat, erst recht aus vielen Kernen entstehen, was aber nicht der Fall ist. Wir müssen an der Meinung festhalten, dass auch hier nur ein Kern zur Bildung eines Samenfadens verwandt wird. Wahrscheinlich ziehen sich also die langen Zellfäden aus einander und die einzelnen Theilprodukte wachsen zu den langen Spermatozoen aus, wie sie im unteren Theil des Hodens liegen !. Wie dies speciell ge- schieht, haben wir bei dieser Art nicht beobachtet, eben so wenig wie die specielle Struktur dieser Samenelemente. Dies Alles soll genauer bei Cypris punctata beschrieben werden, wie denn überhaupt auch die weiteren, zahlreichen Veränderungen, welche die Spermatozoen noch erleiden, bei dieser Art näher verfolgt werden sollen. Die nach- folgende Schilderung bezieht sich also, wenn nicht besonders Anderes erwähnt ist, auf Gypris punctata. Wir wollen hier nur noch erwähnen, dass sich auch in den Spermatozoen von Gyprois, welche im Hoden liegen, ein stärker lichtbrechender Centralfaden und zu beiden Seiten desselben ein Plasmasaum befindet. Fig. 38 stellt ein Stück eines solchen Sperma- tozoons dar. Wie bereits bemerkt wurde, verändert sich bei Cypris punctata 1 Sicher beweisen kann ich das zwar nicht, es scheint mir aber erstens die vollständige Übereinstimmung der kleinen Kerne in den großen Zellen (cf. Fig. 33) mit den runden Kernen in. den Bändern (cf. Fig. 35 ©) und zweitens auch das Verhalten beiCypris punctata dafür zu sprechen. Nichtsdestoweniger bestreite ich die Möglichkeit der anderen Annahme nicht vollständig. Es kommt eben auf die Deutung der Bilder an. Da, wie oben bemerkt, diese Bilder nach alten Präparaten gewonnen wurden, ist auch nicht ganz ausgeschlossen, dasses sich hier um Kunstprodukte handelte. Die Kontrolle am frischen Material ließ sich bei dem Mangel desselben im Winter nicht ausführen. Beiträge zur Anatomie der inneren männlichen Geschlechtsorgane ete. 557 der Kern der großen Zellen sehr bald. Er verliert seine Bläschenform und sein Chromatin zerfällt in unregelmäßige Brocken (Fig. 5). Gleich an diese großen Zellen schließen sich im ruhenden Hoden die zu einem Bündel zusammengedrehten Spermatozoen an. Zu gewissen Zeiten aber finden sich letztere nicht im Hodenschlauch, sie sind wohl alle in das Vas deferens übergetreten. Alle großen Zellen eines solchen Schlau- ches ! gehen eine Metamorphose ein. Ihr Chromatin ballt sich zunächst in mehreren großen Brocken im Gentrum des Kernes zusammen (Fig. 39). Es kann dort sehr verschiedene Formen annehmen. Hier verliert es nun seine frühere intensive Färbbarkeit, wird aber anstatt dessen sehr stark lichtbrechend. Mit Pikrokarmin behandelt, nimmt es nur sehr wenig Farbe an. Jetzt beginnen die großen Zellen sich zu theilen und zwar findet man fast sämmtliche Zellen des Hodenschlauches auf demselben Stadium. Kernfiguren habe ich nicht mit Sicherheit beobachten können, jedoch ist wohl nicht daran zu zweifeln, dass dieselben überhaupt vorkommen. Die Schwierigkeit ihrer Erkennung liegt eben hauptsächlich in dem Um- stand, dass die Konservirungsmittel schwer eindringen und dass außer- dem sich das Chromatin mit Pikrokarmin nicht färbt; mit anderen Farb- stoffen wurden nur sehr schlechte Resultate erzielt. Die Zelltheilung findet wahrscheinlich, wie sich aus dem Größenverhältnis vermuthen lässt, ungefähr vier- bis fünfmal nach einander statt. Fig. 40 zeigt eine Zelle mit Vacuole (vo), deren Kern anscheinend sich im Knäuelstadium befindet. Es ist aber in demselben gar nichts gefärbt, die gezeichneten dunklen Punkte sind nur Lücken zwischen einer stark lichtbrechenden Substanz. Fig. A1 zeigt uns eine Zelle, welche zwei Kerne enthält. Dieselben hängen noch zusammen und im Inneren von jedem sind Ge- bilde zu sehen, welche man für die letzten Stadien der Karyokinese halten könnte. Die Membran dieser Kerne ist enorm verdickt und stark lichtbrechend. Man könnte aber auch vermuthen, dass sich das unge- färbte und stark lichtbrechende Nuclein an der Peripherie des Kernes angesammelt hätte. In der Fig. 42, welche nach einem Hämatoxylin- präparat gezeichnet ist, sind die großen Zellen offenbar in der ersten Theilung begriffen. Der Kern der obersten Zelle (a) ist noch ganz un- getheilt, ungefähr auf dem Stadium von Fig. 39, die unteren zeigen aber den Kern langgezogen und sein Chromatin in zwei Ballen ver- einigt. Wahrscheinlich sind dies die beiden nicht gut konservirten Kernplatten. Der Kern der untersten Zelle (b) hat sich schon voll- kommen getheilt. Die Theilung findet anscheinend stets in derselben ' Es sind höchstens ein bis zwei der vier Hodenschläuche derartig umge- wandelt. 36* 5995 Franz Stuhlmann, Richtung und zwar senkrecht zur Längsachse des Hodenschlauches statt. Es liegt die Vermuthung nahe, dass dies geschieht, weil nach dieser Richtung hin am meisten Platz ist. In der Längsrichtung des Schlauches sind die Zellen dicht an einander gedrängt. Bıonpı behauptet ebenfalls, dass die Theilung der Hodenzellen bei Säugern in der Richtung erfolgt, in welcher am meisten Platz ist. Bei Gyprois erfolgt die Theilung in der Längsachse des Schlauches, also anders wie bei Cypris punc- tata. Es wäre denkbar, dass dieser Unterschied durch die größere Länge der Schläuche bei Gyprois hervorgerufen ist. Nachdem nun eine Anzahl von hinter einander folgenden Theilun- gen stattgefunden hat, beginnt im Kern eine höchst eigenthümliche Metamorphose. Die Membran desselben ist noch eben so stark licht- brechend wie in Fig. 41. Eine ähnliche ungefärbte, lichtbrechende Masse tritt nun im Centrum des Kernes auf. Gewöhnlich ist es ein Band, welches sich von einer Seite der Kernmembran zur anderen zieht; es kann zuerst sehr wechselnde Formen haben, wie Fig. 43 a und b zeigt, wo einige Kerne in diesem Stadium abgebildet sind; schließlich aber bildet sich immer ein Band oder eine Membran, welche den Kern quer durchsetzt, heraus. Aus diesem Bande wird wahrscheinlich der Centralfaden des Spermatozoons, und zwar auf folgende Weise!. In Fig. 44 ist eine durch Theilung der großen Zelle hervorge- gangene kleine Zelle mit dem Kern, dessen Chromatin |?) stark licht- brechend geworden ist, gezeichnet. Der Kern ist hier noch ziemlich rund und zeigt deutlich die starke Membran und das Band im Inneren. In der Fig. 45 hat sich der Kern etwas spindelförmig in die Länge gestreckt, die Zelle selbst aber zeigt noch die ursprüngliche runde Form. Noch mehr ist der Kern in Fig. 46 gestreckt und hier hat auch der Zellkörper schon Spindelform angenommen. Dieser Process schreitet, wie die Fig. 46 und 47 zeigen, immer weiter fort und in letzterer Figur ist schon deut- | lich eine Bandform des Spermatozoons zu erkennen. Man sieht, dass sich hier der Kern als langer fadenförmiger Körper durch die ganze Zelle hindurchzieht und so wohl höchst wahrscheinlich zum Central- | faden des Spermatozoons wird ?. Alle diese hier abgebildeten Stadien fand ich in ein und demsel- ! ZExker scheint diese Kernmetamorphose auch gesehen zu haben, hält aber | das lichtbrechende Band für das in Bildung begriffene Spermatozoon, das dann | später aus der Zelle herausplatzen soll. 2 Gıuson (Spermatogenese des Arthropodes) giebt ebenfalls in mehreren Fällen Bilder, die ein in die Länge gezogenes Nucleinband zeigen, das in die Bildung einer Art Centralfadens eingeht. So bei Geötrupes, Taf. IV, Fig. 77, Oniscus, | Taf. VIII, Fig. 322, Idotea, Taf. XI, Fig. #44 etc. \ | Beiträge zur Anatomie der inneren männlichen Geschlechtsorgane etc. 559 ben Hodenschlauch, in welchem die sämmtlichen länglichen Zellen quer lagen (Fig. 48) (nur bei Cypris punctata). Aus dieser Lage erklärt es sich wohl, dass die Spermatozoen am !inde des Hodenschlauches stets umgeknickt und aufgerollt liegen. Wenn die Zellen eben noch mehr in die Länge wachsen und im Hodenschlauch herabgleiten, so rückt ihr mittlerer Theil den beiden Enden voran oder nach. Höchst eigenthümlich ist, dass man alle Zellen eines Schlauches immer in demselben Entwicklungsstadium antrifft. Entweder findet man nur große Zellen mit unregelmäßig vertheilten Chromatinbrocken, oder das Chromatin koncentrirt sich bei allen im Kerncentrum und wird lichtbrechend, oder alle Kerne sind in Theilung begriffen, oder endlich findet in allen Zellen die Kernmetamorphose und das Längenwachsthum statt. Offenbar wachsen nun die langen Zellen immer mehr in die Länge; oft findet man im unteren Theil des Hodens noch recht breite Samenfäden, die sich vor den übrigen auszeichnen. Die meisten derselben bestehen aus einem zarten, im frischen Zu- stande hyalinen Plasmabande mit einem feinen, stark lichtbrechenden Centralfaden (Fig. 49 zeigt ein Stück eines Fadens, der breiter als die meisten ist). Der Plasmasaum verjüngt sich nach hinten allmählich, während der Centralfaden noch fortläuft (Fig. 50). Niemals ließ sich bei Gypris punctata im Leben auch nur eine Spur von Bewegung der Fäden in den Hodenschläuchen sehen. Die Flimmerbewegungen, welche Zenzer hier im Hoden beschreibt, konnten nicht wahrgenommen werden. An der vorderen Spitze sind die Fäden leicht abgerundet, ihr Cen- tralfaden hat bisweilen, jedoch nicht konstant, eine kleine Anschwel- lung (Fig. 51), eben so häufig läuft er in eine feine Spitze aus (Fig. 52). Die Substanz des Plasmabandes wird schon im Hoden etwas fester und lichtbrechender, welcher Process sich nachher im Vas deferens fortsetzt. Das Band hat erst annähernd die halbe Breite des reifen Spermatozoons, aber schon fast seine volle Länge erreicht. Recht häufig findet man an dem vorderen Ende ein kleines, stark lichtbrechendes -Plasmakörnchen (Fig. 51, 53 &), welches aber wohl nicht als Nebenkern anzusehen ist, weil es durchaus keine konstante Bildung ist'!. Seine Entstehung konnte nicht nachgewiesen werden. Es ist wohl als irgend _ ein zufällig anhängendes Plasmatröpfehen anzusehen. — In diesem Zu- stande gelangen die Samenfäden in das Vas deferens hinein. Bisweilen scheint es auch so, als ob sich an der äußersten Spitze ! Ich konnte im Laufe der ganzen Spermatogenese kein Auftreten eines Neben- kernes konstatiren. 560 Franz Stuhlmann, des Samenfadens eine Art Kappe aus stark lichtbrechender Substanz befindet (Fig. 52 a und b). Bei näherer Untersuchung stellt sich dann aber heraus, dass diese Erscheinung nur durch eine Umbiegung des äußersten Fadenrandes hervorgerufen ist. In Fig. 52 b ist deutlich zu sehen, wie diese »Kappe«, welche man vielleicht für den Kern hätte ansehen können, allmählich in den Rand des Spermatozoons verläuft. An den Samenfäden kann man also, wie aus vorstehender Be- schreibung erhellt, nicht wie bei den meisten Spermatozoen ein Kopf-, Hals- und Schwanzstück unterscheiden. Sie sind nur ein Band, durch welches sich der Kern als Faden der Länge nach hindurchzieht. Den letzten Theil, dem der Plasmasaum fehlt, könnte man vielleicht als Schwanz bezeichnen. Ob der Kern auch noch in den Schwanz sich fortsetzt, konnte ich nicht entscheiden. 2) Die Veränderungen im Vas deferens. Im ersten Theil des Vas deferens, der zu dem Blindschlauch führt, erleiden die Samenfäden nur sehr geringe Veränderungen. Ihre Sub- stanz wird ein klein wenig stärker lichtbrechend und, wie es scheint, auch etwas fester. Der Gentralfaden ist immer noch deutlich erkennbar. In einem Falle waren durch die Präparation die äußeren Plasma- säume abgespalten, so dass am »Schwanztheil« der Gentralfaden (?) isolirt wurde. In Fig. 53 5 ist der untere Theil dieses Samenfadens ab- gebildet, in welchem sich der Centralfaden direkt in den Schwanzfaden fortzusetzen scheint (9). Fig. 53 « stellt den vorderen Theil desselben Fadens vor, an dessen Spitze noch der kleine Plasmatropfen hängt; der Rand ist an der linken Seite etwas umgeklappt. Der ganze Faden hatte hier eine Länge von 1,125 mm erreicht, er hat also schon die Länge des fertigen Fadens, aber noch nicht dessen Breite. In diesem Zustande liegen die Fäden auch im Blindschlauch. In dem »Drüsenschlauch«, in welchen die Spermatozoen jetzt ge- langen, wird irgend ein Sekret abgeschieden, mit Hilfe dessen die ' Samenfäden bedeutend breiter und auch etwas stärker lichtbrechend werden!. Sie machen dann den Eindruck, als ob sie aus vier feinen, | parallelen Bändern beständen, die aber bei verschiedener Tubusein- | stellung sehr verschieden aussehen. Fig. 54 stellt ein Stück eines sol- | chen Fadens vor, wie er im letzten Theil des Drüsenschlauches sich befindet. Der dunkle Streif ist sehr wahrscheinlich nicht mehr der Centralfaden, sondern eine feine Längsrinne. Der optische Querschnitt führt zu dieser Vermuthung, denn bei der großen Schwierigkeit des | ! Es ist wohl anzunehmen, dass die Samenfäden durch aktive Assimilation des | Sekretes anwachsen und nicht durch passive Umhüllurg mit demselben. Beiträge zur Anatomie der inneren männlichen Geschlechtsorgane etc. 561 Objektes lassen sich die genauen Strukturverhältnisse aus den Flächen- bildern nicht mit Sicherheit entscheiden. In dem jetzt folgenden ersten Abschnitt des Vas deferens i. e. S. (Fig. 1 und 2 f) erfolgt nun die Drehung des Samenfadens, und zwar geschieht dieselbe offenbar in einem ganz kurzen Stück desselben, das in Fig. 16 abgebildet ist. Bei « sind die Samenfäden noch ganz glatt, bei b ist die erste Spur der Spiraldrehung zu sehen und bei c ist die- selbe schon nahezu vollständig. Es ist sehr schwer zu entscheiden, durch welche Kraft diese Drehung zu Stande kommt. Eine Art von peristaltischer Bewegung des Vas deferens, an welche man denken könnte, wurde niemals, auch nicht am ganz frisch in Kochsalzlösung zerzupften Thier, beobachtet. Es sind auch gar keine Muskeln in der Wandung des Schlauches, welche diese Bewegung hervorrufen könnten. Wir sind also gezwungen eine Eigenbewegung der Fäden anzunehmen, und zwar scheint ein auf den hinteren Theil der Fäden beschränkter, äußerst feiner Spiralsaum diese Bewegung hervorzurufen. In dem drüsigen Theil des Vas deferens war niemals etwas von die- sem Spiralfaden zu sehen, wohl aber konnte er in dem folgenden Ab- sehnitt meistens beobachtet werden. Die Entstehungsweise desselben konnte ich nicht eruiren, wie denn überhaupt seine Beobachtung wegen seiner großen Zartheit außerordentlich schwierig ist. Der Saum war noch vorhanden bei Spermatozoen, welche schon im Ausführungsgang des Ejaculationsapparates sich befanden (Fig. 61). Eine Bewegung des Spiralsaumes habe ich niemals gesehen, zwei- fele aber nicht daran, dass thatsächlich eine solche vorhanden ist. Fig. 55 zeigt ein Stück des unteren Theiles von einem Samenfaden, dessen oberer Theil erst schwach gedreht war. Der Spiralfaden war an ihm deutlich zu sehen. Es ist ein einfacher, äußerst dünner, hya- liner Faden, der sich in einer Spirale um den noch bandförmigen Samenfaden legt. Die Spiralwindungen sind oben etwas enger als unten, wo sie allmählich auslaufen. Die Spiraldrehung des ganzen Samenfadens findet nun statt, in- dem sich derselbe wahrscheinlich durch Bewegung des Spiralsaums getrieben, um seine Achse dreht. Dadurch erfolgt eine zuerst weitere, allmählich immer enger werdende Drehung nach Art eines Taues. Es entsteht so der definitive Samenfaden, der im Inneren einen gedrehten Centralfaden enthält, der seinerseits außen von zwei breiten, stark licht- _ brechenden Plasmabändern umgeben ist. Fig. 56 zeigt die Spitze eines Fadens, an dem sich der erste Anfang der Drehung bemerkbar macht. Es sind an ihm der Centralfaden und die beiden äußeren Plasmasäume 562 Franz Stuhlmann, zu erkennen. Fig. 57 zeigt halbschematisch ungefähr dasselbe. Der Centralfaden scheint sich hier der Länge nach getheilt zu haben oder er ist von Anfang an bandförmig gewesen; durch beide Annahmen lässt sich seine jetzige Form erklären. Später wird derselbe ganz von den äußeren Plasmabändern verdeckt, so dass man nichts mehr von ihm sehen kann. Ein einziges Mal nur konnten wir an einem abge- rissenen Samenfaden den Centralfaden beobachten, der hier auch wie aus zwei Fäden zusammengedreht erscheint (Fig. 58 a). Außerdem war an diesem Präparat noch eines der äußeren Bänder (b) und der Spiral- faden (c) abgelöst. Die Windungen schreiten von der Spitze des Spermatozoons nach hinten fort. Während vorn schon eine ziemlich dichte Drehung zu sehen ist, ist dieselbe hinten noch ziemlich weit. Fig. 59 zeigt die Spitze («) und ein Mittelstück (b) eines Samenfadens, an welchem bei ersterer die Drehung viel stärker als bei letzterem ist. Schließlich sind die Windungen so eng wie Fig. 60 zeigt. Der hier abgebildete Samen- faden befindet sich schon im Ausführungsgang des Ejaculationsappa- rates. Sein hinteres Ende mit dem Spiralsaum, der sich jedoch nicht immer beobachten ließ, ist in Fig. 64 abgebildet!. Die Samenfäden erhalten nun noch, nachdem die Drehung vollen- det ist, eine feine, hyaline Hülle, welche sie ganz einschließt und an welcher sich alle Drehungsverhältnisse derselben wiederholen. Fig. 60 bei «a ist dieselbe etwas abgehoben. Wir werden weiter unten noch ein- mal auf sie zu sprechen kommen. An welcher Stelle des Vas deferens sie gebildet wird, darüber konnte ich nicht ganz ins Klare kommen. Vielleicht entsteht sie in den Schlingen des Vas deferens, vielleicht aber auch erst in dem Ejaculationsapparate. Wie bereits früher erwähnt wurde, sind die Samenfäden der bei- den Antimeren des Thieres in verschiedenem Sinne gedreht, und zwar die der rechten Seite links und umgekehrt (im Sinne der Conchyliolo- gen). Also stammen die in den Fig. 58—60 abgebildeten Fäden aus der linken Seite des Thieres, während z. B. Fig. 57 der rechten Seite entnommen ist. Das Zustandekommen und die physiologische Bedeu- tung dieser verschiedenen Drehung sind noch offene Fragen. Die Art der Drehung ist, wie auch ZENnkEr angiebt, sehr schwer zu beobachten, weil das Bild der Rückseite des Samenfadens äußerst leicht Anlass zu Täuschungen giebt. Nur durch eine sehr scharfe Ein- stellung des Tubus kann man über dieselbe ins Klare kommen. i Die Figuren können immer nur sehr annähernd ein Bild der Fäden geben, da sich das enorme Lichtbrechungsvermögen nicht darstellen lässt. Man kann sich am besten eine Vorstellung machen, wenn man sich die Fäden aus Glasstreifen zu- Sammengedreht denkt. Beiträge zur Anatomie der inneren männlichen Geschlechtsorgane etc. 563 Die Samenfäden haben im männlichen Körper noch fast gar keine Bewegung. Ein aus dem Ausführungsgang befreiter Faden zeigte nur eine sehr schwache Bewegung nach der Seite, deren Ausschlag kaum die Breite des Samenfadens selbst erreichte. | In diesem Zustande werden die Spermatozoen jeder Seite geson- dert in das Receptaculum seminis des Weibchens übergeführt. 3) Die Spermatozoen im Receptaculum seminis. Wenn man ein Receptaculum in 3/,/,iger Kochsalzlösung zerreißt, so strecken sich manchmal die in ihm aufgerollten Spermatozoen nur gerade, manchmal aber beginnen sie eine außerordentlich lebhafte Be- wegung. Sie schlagen dann kräftig, machen Wellenbewegungen und drehen sich auch peitschenförmig um sich selbst. Wenn zufällig ein- mal ein Faden an beiden Seiten festgeklemmt ist, so dreht er sich fort- während vor und zurück um seine eigene Achse, etwa wie die Unruhe einer Uhr. Aus diesem verschiedenen Verhalten der Samenfäden geht hervor, dass sie sich in verschiedenen Zuständen befinden. Es muss noch eine Veränderung mit ihnen vorgegangen sein, damit sie die Beweglichkeit erlangen und dies ist die Abstreifung der oben erwähnten hyalinen Hülle. | Diese Hülle lässt sich an vielen der Spermatozoen leicht kon- statiren, besonders wenn eines durchgerissen ist (Fig. 62). Dieselbe ragt dann bisweilen noch über den Stumpf des Samenfadens heraus. Einmal war durch irgend eine Maceration oder eine Einwirkung von Reagentien der Samenfaden verändert, so dass sich die Hülle etwas ab- gehoben hatte (Fig. 63). Dieselbe zeigte deutlich dieselbe spiralige Struktur wie der Samenfaden selbst. An der äußersten Spitze der Samenfäden scheint die Hülle über denselben hervorzuragen, wenigstens sieht dieselbe aus wie ein etwas aufgedrehtes Tau (Fig. 64) und färbt sich mit Eosin auch nicht so in- tensiv wie der Faden. Bei vielen Samenfäden fehlt diese Spitze ganz; sie enden dann vorn stumpf (Fig. 65). Höchst wahrscheinlich sind das diejenigen, welche ihre Hülle schon abgeworfen haben. Von dem Centralfaden kann man im reifen Spermatozoon nichts mehr sehen, er ist in der stark lichtbrechenden Masse dem Auge ent- schwunden. Bei Gandona candida konnte er jedoch verschiedentlich wahr- genommen werden, besonders bei Samenfäden, die durch langes Ver- weilen im Wasser verändert waren (Fig. 67), oder bei getrockneten Fäden (Fig. 68). 564 Franz Stuhlmann, Nach hinten verjüngt sich der Samenfaden allmählich, um in den Schwanztheil überzugehen. Die vorher dichten Windungen werden hier weiter, bis sie endlich ganz aufhören. Der Schwanzfaden färbt sich mit Eosin sehr wenig. Er ist ziemlich lang und leicht wellenför- mig geschlängelt. Fig. 66 stellt schließlich noch ein Bild dar, wie man es beim Zer- reißen eines Receptaculums (R) erhält. Wir sehen dort die steifen, stark lichtbrechenden Spermatozoen (sp), so wie die abgeworfenen Hüllen (R). Letztere sind hyalin und färben sich mit Eosin nur sehr wenig. Man kann an ihnen deutlich die spiralige Struktur wie auch die oben erwähnte Spitze sehen (a). In den Schläuchen lagen im Präparat Körnchen und Tropfen einer stark lichtbrechenden Substanz, die beim Zusatz von Alkohol verschwanden. Außer diesen beiden Elementen findet sich noch eine große Anzahl leicht gewellter, hyaliner, stark lichtbrechender Fäden im Recepta- culum, die beim Zerreißen des letzteren meistens in demselben liegen bleiben (Fig. 66 f). Woher diese Fäden stammen, vermögen wir nicht zu sagen. Vielleicht sind es abgeworfene Schwanzfäden (?). Das Abstreifen der Hülle haben wir niemals selbst beobachtet, doch ist wohl kein Zweifel, dass diese Gebilde wirklich die abgewor- fenen Hüllen der Samenfäden sind. Es drängt sich uns nun die Frage nach der Bedeutung dieser Hülle auf. Die vollkommene Häutung des einzelnen Spermatozoons ist doch gewiss eine im Thierreich einzig dastehende Thatsache, über deren physiologische Funktion sich natürlich nur Vermuthungen aufstellen lassen. Man kann annehmen, dass die Bewegungen der Spermatozoen durch die Umhüllung gehemmt werden, weil ja erst nach der Abstrei- fung die Beweglichkeit beginnt. Wenn diese riesigen Spermatozoen schon früh so beweglich wären wie nachher, so würde gewiss ihre Übertragung vom Männchen in das weibliche Receptaculum sehr schwer fallen. Aus diesem Grunde würden sie also vor ihrer Übertragung mit einer Hülle umgeben, welche ihre Bewegungen hemmt und die erst abgestreift wird kurz vordem sie die Befruchtung des Eies vollziehen sollen. Wenn desshalb einige der früheren Autoren von Spermatophoren sprachen, so hatten sie in gewissem Sinne Recht, nur dass eine solche Spermatophore ein einziges Spermatozoon enthält. — Unter einer Sper- matophore versteht man jedoch in der Regel ein Gebilde, durch welches eine größere Anzahl von Samenfäden eingeschlossen und als höhere Einheit übertragen wird. Wir wollen desshalb für die Cypriden den Namen Spermatozoen beibehalten. Beiträge zur Anatomie der inneren männlichen Geschlechtsorgane etc. 565 Nachträglich fand ich bei der Untersuchung einer kleinen, länglichen, hell- erün gefärbten Cypride von 0,984 mm Länge und 0,474 mm Breite, welche ihren anatomischen Merkmalen nach sich an dieGruppeGyprois-CGandonaanschließt, in mancher Beziehung (Spermatogenese) aber Übergänge nach Cypris aufweist, dass eine Anzahl der im Receptaculum seminis aufgespeicherten Samenfäden auf das lebhafteste flimmerten. Bei genauer Untersuchung zeigte sich eine zarte Wellenbewegung, die auf den beiden breiten Spiralbändern entlang, von hinten nach vorn verlief. Ein abstehender Flimmersaum (ZENKER) ist nicht vorhanden, sondern die protoplasmatische Oberfläche der Spiralbänder bewegte sich in fast ihrer ganzen Breite. Die 0,3604 mm langen Samenfäden, die äußerlich denen von Cando.na sehr ähnlich waren, zeigten einen ziemlich scharf von dem 0,2176 mm langen »Kopf« oder »Körper« abgesetzten Schwanztheil, um dessen hinterstes Ende sich ein starker Spiralfaden schlang, welcher sich an der äußersten Spitze des Schwanzes noch ein und einhalb Windungen um denselben wieder zurückbewegte. Mit Methylgrün färbte sich der Körper des Samenfadens gleichmäßig, aber ziemlich schwach, und auch der Schwanzfaden nahm eine leichte Färbung an. Durch länge- res Verweilen in koncenirirter Salzsäure, Kalilauge und Pottasche werden die Spermatozoen kaum merkbar verändert. Resume. 1) Die vier Hodenschläuche jederseits vereinigen sich zum Vas deferens. 2) Der sogenannte fünfte Hodenschlauch (Nebenschlauch Norv- Qyısr’s) ist nur ein Blindschlauch des Vas deferens, der zur Umkehr der Samenfäden dient. 3) Das Vas deferens durchsetzt den Ejaculationsapparat (Schleim- drüse). 4) Der Blindschlauch entsteht erst relativ spät in der Entwicklung. 5) Die Hodenschläuche von ganz jungen Thieren enthalten nur Syneytium und große Zellen. Erst später kommen die kleinen Zellen, Spindelzellen und endlich die Samenfäden hinzu. 6) Das gesammte Vas deferens i. w. S. inklusive Ejaculationsapparat differenzirt sich erst allmählich aus einer einzigen gleichförmigen Schlauchmasse heraus. 7) Die Kerne des Syneytiums an der Spitze der Hodenschläuche werden zu den keimbläschenartigen Kernen der großen Zellen. 8) Die großen Zellen theilen sich mehrmals, bei Cyprois öfter als bei Cypris punctata. 9) Der Kern der so entstandenen kleinen Zellen wird spindelförmig. Bei Gyprois hängen mehrere solche Spindelzellen oft zusammen (?). Der Kern wird zum Centralfaden des Samenfadens. In die Bildung eines Samenfadens geht nur ein Kern ein. . 10) Im Drüsenschlauch wächst der Samenfaden in die Dicke. Der Centralfaden wird unsichtbar. 566 Franz Stuhlmann, 14) Durch die Bewegung eines Spiralsaumes bekommt der Samen- faden allmählich im oberen Abschnitt des Vas deferens i. e. S. eine Spiraldrehung. 12) Endlich wird um den Samenfaden noch eine hyaline Hülle ab- geschieden. Der Samenfaden ist jetzt zur Übertragung reif, aber noch fast unbeweglich. 13) Die Beweglichkeit erlangt der Samen erst im Receptaculum seminis des Weibchens durch Abstreifung der hyalinen Hülle. Obgleich ich mir wohl bewusst bin, dass in Betreff der Spermatogenese noch einige Fragen offen geblieben sind, so entschließe ich mich doch dazu, diese kleine Arbeit der Öffentlichkeit zu übergeben, da ich durch äußere Gründe von deren weiterem Verfolg abgehalten wurde und nun fürchten muss, in den nächsten Jahren auf diesen Punkt nicht zurückkommen zu können. Freiburg i. B., Anfang Juni 1886. Erklärung der Abbildungen. Die Figuren wurden mit der Camera lucida gezeichnet, wo nichts Anderes an- gegeben. Tafel XXXII, Fig. 4. Innere Ansicht der linken Schale von Gyprois monacha mit den männlichen Geschlechtsorganen. Halbschematisch. Vergr. SEIBERT I, Oc. 0. hi—h#, die vier Hodenschläuche; a, Vereinigungsstelle der Hodenschläuche; b, Ausfüh- rungsschlauch der Hoden; c, Anfangsstelle des Blindschlauches; d, spitzes Ende desselben; e, Drüsenschlauch;; f, Übergang desselben ins Vas deferensi. e. S. (Stelle, wo die Spermatozoen ihre Spiraldrehung erhalten), g, Schlingen des Vas deferens; i, Einmündung in den Ejaculationsapparat k; l, Ausführungsgang aus demselben in den Penis p; oe, Auge; m, Schließmuskeleindruck in der Schale. Fig. 2. Innere Ansicht der linken Schale von Cypris punctata. Halbsche- matisch. Buchstabenbezeichnung wie in Fig. A. Vergr. SEIBERT III, Oc. 0. Fig. 3. Hodenschlauch einer geschlechtsreifen Cyprois monacha. a, Kerne der Hülle; b, Ausführungsgang; c, Hülle; I, Syncytium; II, große Zellen; III, kleine Zellen; IV, Spindelzellen; V, Spermatozoen. Boraxkarmin. Vergr. Harrnack VII, 0e. 3. Fig. 4. Stück eines solchen Schlauches aus der Region der großen Zellen. a, Kern der Hülle. Boraxkarmin. Vergr. SEIBERT V, Oc. 0. Fig. 5. Ein ruhender Hodenschlauch von Cyprispunctata. b, Ausführungs- gang; c, Hülle; /, Syncytium; II, große Zellen; V, Spermatozoen; «, große Zellen mit keimbläschenförmigem Kern; ß, große Zellen mit amöboidem Kern. Heißes Wasser. Pikrokarmin. Vergr. SEIBERT V, Oc. 0. Fig. 6. Übergang der vier Hodenschläuche (h'—h4) ins Vas deferens (db) von Cyprois. p)— pa, Ausführungsgänge der Hoden; a, Einmündung derselben ins Vas deferens. SEIBERT III, Oc. 0. Beiträge zur Anatomie der inneren männlichen Geschlechtsorgane etc. 567 Fig. 7. Einmündung der vier Hodenschläuche bei Cyprispunctata. Fig. 8. Anfangsstelle (c) des Blindschlauches (d) bei Cyprois. b, Ausführungs- gang des Hodens; e, Drüsenschlauch. SEIBERT V, Oc. 0. Fig. 9. Blindschlauch bei Cyprois. SEIBERT III, Oc. 0. Fig. 10. Ende des Blindschlauches bei Cyprois. SEIBERT V, Oc. 0. Fig. 41. Stück vom Blindschlauch bei Cypris punctata. Seierr hom. Imm. 1/12. Oc. 0. Fig. 42. Stück vom Drüsenschlauch von Cypris punctata. Frisches Präpa- rat. Hohe Einstellung. SEısert V, Oc. 0. Fig. 43. Drüsenschlauch vonCyprois. a, Kerne der Tunica peritonealis. Kar- minpräparat. SEIBERT V, Oc. 0. Fig. 44. Übergang des Drüsenschlauches ins Vas deferensi. e. S. bei Cyprois. SEIBERT V, Oc. 0. Fig. 15. Stück vom Drüsenschlauch bei Cyprois. Hämatoxylin. SEIBERT hom. Imm. 1/42, Oc. 0. Fig. 416. Stück vom Vas deferens i. e. S., in dem die Spermatozoen gedreht werden. Pikrokarmin. SEIBERT V, Oc. 0. Fig. 17. Schlingen des Vas deferens, Ejaculationsapparat und Penis (p) von Cyprois. i, Einmündung des Vas deferens in den Ejaculationsapparat; I, Aus- führungsgang des letzteren; d, Darm; f, Furca. SEIBERT I, Oc. 0. Fig. 48. Stück des Vas deferens i. e. S. beiCyprois. Hämatoxylin. SEIBERT 4/12, Oc.0. Fig. 49. Querschnitt desselben. Harrnack VIII, Oc. 3. Fig. 20. Vas deferens bei Cyprois. Stark gefüllt. SEiert 1/42, Oc. 0. Fig. 24. Vas deferens bei Cypris punctata. SEIBERT V, Oc. 0. Fig. 22. Übergangsstelle (i) des Vas deferens in den Ejaculationsapparat bei Cyprois. /, Ausführungsgang desselben ; s, Erweiterung des Vas deferens (Samen- blase). SEIBERT III, Oc. 0. (Auf ein Drittel reducirt.) Fig. 23. Geschlechtsorgane einer ganz jungen Cyprois. hl—ht, Hoden- schläuche; I, Syncytium; I/II, große Zellen; vd, Vas deferens i. w. S.; p, Anlage des Penis. Linke Seite, vom Rücken gesehen. SEIBERT V, Oc. 0. Fig. 24. Stück vom Hodenschlauch einer etwas älteren Cyprois. HARTNACK VII, Oe. 3. Fig. 25. Stück vom Vas deferens i. e. S. einer jungen Cyprois. SEIBERT V, 0c.d. Fig. 26. Übergangsstelle (c) vom Ausführungsgang des Hodens (b) in den Drü- senschlauch (e), der aber noch nicht vom Vas deferens i. e. S. abgesetzt ist. Cyprois juv. Der Knick liegt am Auge. Seıserr V, Oc. 0. Fig. 27. Ausführungsgang des Ejaculationsapparates. Cyproisjuv. SEIBERT V,0e.V0. Fig. 28. Geschlechtsorgane bei einer Cyprois juv. hl—4#, Hoden; a, deren Ausmündung; b, Ausführungsgang der Hoden; c,erste Anlage des Blindschlauches ; e, Drüsenschlauch; g, Schlingen des Vas deferens i. e. S.; !, Ausführungsgang des Ejaculationsapparates. Seıserrt 11, Oc. 0. Der Zusammenhang von Hoden und Vas deferens wurde hier nicht gesehen, wohl aber auf der anderen Seite des Thieres. Fig. 29. Erste Anlage des Blindschlauches (c). Vergrößerung des Präparates von Fig. 28. SEIBERT V, Oc. 0. Fig. 30. Hodenspitze von Cyprois. a, Syncytium; b, Stelle, wo sich die Kerne 568 Franz Stuhlmann, umwandeln; c, die meisten haben sich schon in große Zellen verwandelt. SEIBERT hom. Imm. 41/142. Oc. 0. Fig. 34. Große Zelle von Cyprois. a, tiefe, b, hohe Einstellung; v, Vacuolen. Harrtnack VIII, Oc. 3. . Fig. 32. Hodenzellen von Gyprois. a, große Zellen; b, mit getheiltem Kern. HaArTNAcK VII, Oc. 3. Fig. 33. Hodenzellen mit vielfach getheilten Kernen. HArTNACcK IX, Oc. 3. Fig. 34. Umwandlung der großen Zellen (a) in die kleinen und in die Spindel- form (b). Hartnack VIII, Oc. 3. Fig. 35. Stück vom Hodenschlauch von Cyprois. Zerklopft. &, Spindelzel- len mit rundem Kern; b, Spindelzellen mit langem Kern. Harrnack VIII, Oc. 3. Fig. 36. Drei zusammenhängende Spindelzellen. SEIBERT 1/12, Oc. d. Fig. 37. Mehrere zusammenhängende Spindelzellen. Es ist unsicher, ob die Zelle a mit den anderen in Verbindung steht. Harrnack IX, Oc. 3. Fig. 38. Stück eines Samenfadens aus dem Hoden von Cyprois. Das Innere röthlich, das Äußere bläulich gefärbt. Harrnack VIII, Oc. 3. Fig. 39. Große Hodenzelle von Cypris punctata mit zusammengeballtem und stark lichtbrechendem Chromatin. Pikrokarmin. SEIBERT 1/42, Oc. 0. Fig. 40. Zelle, die sich wohl schon einmal getheilt hat. Knäuelstadium des Kernes. v, Vacuole. Pikrokarmin. Seıserr 4/42, Oc. 0. Fig. 44. HodenzellevonCyprispunctata mit getheiltem Kern. SEıBERT 4/12, Oe. 0. Fig. 42. Stück vom Hodenschlauch mit sich theilenden Kernen. Hämatoxy- lin. SEIBERT V, Oc. ©. Fig. 43 a—d. Kernmetamorphose bei Cypris punctata. SEIBERT 1/12, Oc. 0. Dreimal aus freier Hand vergrößert. Fig. 44—47. Metamorphose des KernesbeiCyprispunctata zur Ausbildung des Samenfadens. Pikrokarmin. SEIBERT 4/42, Oc. 0. Fig. 48. Hodenschlauch von Cyprispunctata, in dem alle Zellen sich um- bilden. a, Ende eines Nachbarschlauches. SEIBERT V, Oec. 0. Fig. 49. Stück eines Samenfadens aus dem Hoden von Cypris punctata. Frisch in Pikrokarmin. SEIBERT V, Oc. 0. Fig. 50. Ende desselben Fadens. Fig. 51 und 52. Spitzen von Samenfäden aus dem Hoden von Cypris punc- tata. x, Plasmarest. Aus freier Hand vergrößert. SEIBERT 1/42, Oc. 0. Fig. 53. Kopf (a) und Schwanz (b) eines Samenfadens aus dem Ausführungsgang des Hodens. Länge circa 1,425 mm. Schwanz aufgespalten. Aus freier Hand. Fig. 54. Stück eines Samenfadens aus dem Drüsenschlauch. Aus freier Hand. Fig. 55. Stück vom hinteren Theil eines Samenfadens aus dem Anfangstheil des Vas deferens i. e. S. mit Spiralfaden. SEiBErT 4/42, Oc. 0. Fig. 56. Kopf eines Samenfadens, an dem sich die erste Drehung bemerkbar macht. Aus freier Hand. Fig. 57. Die Drehung ist weiter fortgeschritten. Halbschematisch. Stark ver- größert. Aus freier Hand. Fig. 58. Ziemlich stark gedrehter Faden, der durch die Präparation zerfasert war. a, Centralfaden; b, äußere Hülle theilweise; c, Spiralfaden. SEIBERT 1/12, Oe. d. Fig. 59. Spitze (a) und Mittelstück (d) eines noch nicht ganz fertig gedrehten Beiträge zur Anatomie der inneren männlichen Geschlechtsorgane etc. 569 Samenfadens. Linke Seite. Aus freier Hand stärker vergrößert als SEıBert 4/42, dc. 0. Fig. 60 und 61. Kopf (60) und Schwanz (61) eines Spermatozoons im Ausfüh- rungsgang des Ejaculationsapparates. Letzterer mit Spiralfaden. a, hyaline Hülle. SEIBERT 4/42, Oc. 0. Fig. 62. Stück eines Spermatozoons aus dem rechten Receptaculum seminis, das so abgerissen ist, dass noch die hyaline Hülle darüber heraussieht. SEIBERT 4/42, Oc. 0. Fig. 63. Ein durch Konservirung oder sonst veränderter Samenfaden, an dem die Hülle sichtbar ist. Seisert 1/12, Oc. 0. Fig. 64. Spitze eines Samenfadens mit Hülle, die am Kopf aufgedreht ist, aus dem linken Receptaculum. SEIBERT 4/12, Oc. 0. Fig. 65. Spitze ohne Hülle. Aus demselben Receptaculum. SEıBErT 1/12, Oc. 0. Fig. 66. Samenfäden (sp) und Hüllen (R) aus dem zerrissenen rechten Re- ceptaculum (R). a, Köpfe der Hüllen; f, hyaline Fäden (Schwanzfäden?). SEIBERT 1/42, Oc. 0. Fig. 67. Spitze eines Samenfadens aus dem Receptaculum von Candona candida nach 24stündiger Wassereinwirkung. Hartnack VIII, Oc. 3. Fig. 68. Dasselbe getrocknet. Harrnack VII, Oc. 3. In beiden Figuren ist der Centralfaden zu sehen. NB. Die Figuren 3, 19, 24, 34, 32, 33, 34, 35, 37 und 38 sind von Herrn Prof. WEISMAnN, doch übernehme ich selbst allein die Verantwortung für die Auswahl aus den Zeichnungen, so wie auch die Deutung und Verwerthung derselben von mir ausgeht, Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia. Von Dr. C. K. Hoffmann, Professor an der Reichsuniversität zu Leiden. Mit Tafel XXXII—XXXV und 4 Holzschuitten. Amphibien. Die Urogenitalorgane der Amphibien gehören wohl zu den bestbe- kannten und gründlichst untersuchten Theilen dieser so höchst interes- santen Wirbelthierabtheilung, besonders durch die ausgezeichneten Arbeiten von Bıpper (4), Leypie (5) und SpenseL (17). Nicht weniger reich an Untersuchungen als der Bau ist die Entwicklungsgeschichte dieser Organe und ich hebe hier in erster Linie die eingehende Arbeit von FÜRBRINGER (21) hervor. Von SpenseL und FÜrBrIngEr ist außerdem die betreffende Litteratur so gründlich gesammelt, dass ich, um nutzlose Wiederholungen zu vermeiden, einfach auf diese beiden Autoren ver- weise. Die Entwicklung der Urogenitalorgane bei den Amphibien beginnt bekanntlich mit der Anlage eines Ganges — dem Vornierengang, pri- mären Urnierengang oder Segmentalgang, wie ich ihn in Anschluss an Bırrour nennen werde. Derselbe entsteht schon in einem sehr | frühen Stadium der Entwicklung als eine nach oben und lateralwärts | gelegene faltenförmige Ausstülpung der Somatopleura, die sich bald abschnürt und so in einem mit deutlichem, wenn auch engem Lumen | versehenen Kanal umgebildet wird. In diesem Stadium sind Splanchno- | pleura und Somatopleura beide nur eine Zellenschicht dick, dem- | nach scheint es mir besser den Segmentalgang als eine Ausstülpung der Somatopleura als des parietalen Peritoneum zu betrachten, indem j letzteres, wie das viscerale Peritoneum sich erst später aus der Somäato- m Zur Entwieklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia. 571 pleura, resp. Splanchnopleura differenzirt. Wie Gosrre (12) und Für- BRINGER (21) schon beschrieben haben, lagert sich das distale Ende des Segmentalganges an den Enddarm an, verbindet sich mit ihm und | mündet nach Resorption der trennenden Wand frei in die Kloake. ‘ Pronephros mit seinem Ausführungsgang Das vordere Ende des betreffenden Ganges windet sich knäuel- förmig und bildet so jederseits ein gleich distal neben den Kiemen ge- legenes kleines, drüsenähnliches Organ, die Vorniere, Kopfniere oder den Pronephros, auch wohl den Mürrer’schen Knäuel genannt. Der Pronephros steht bei den Urodelen (Triton, Salamandra, Siredon) durch zwei, bei den Anuren (Rana, Bufo, Bombinator, Alytes, Hylodes) durch drei offene Kommunikationen oder Peritonealtrichter mit dem Coelom in Zusammenhang. Während einer längeren Zeit des Larvenlebens repräsentirt der einzige der Exkretion dienende Organ. Erst später beginnt die Ent- ‚ wicklung eines zweiten Organs, der Urniere oder Mesonephros, das in ' seiner weiteren Ausbildung sich mit dem Segmentalgang verbindet und ‘nun die Hauptverrichtung der Exkretion übernimmt, so wie auch zu ‚ den inzwischen ebenfalls angelegten Geschlechtsorganen in nähere Be- ' ziehung tritt. Da die Verhältnisse des Pro- und Mesonephros, die ‚ Spaltung des Segmentalganges in einen Mürzzr’schen und Worrr'schen (Leypig’schen) Gang, so wie die Entwicklung der Geschlechtsorgane ‚ bei Urodelen und Anuren nicht unwesentliche Unterschiede zeigen, werde ich beide Amphibienabtheilungen getrennt betrachten und fange ' mit den Urodelen an. Als Untersuchungsmaterial standen mir nur Embryonen von Tri- ton eristatus zur Verfügung. Pronmephros. Wie schon erwähnt, besteht der Pronephros aus dem knäuelförmig gewundenen Segmentalgang, der mittels zweier ‚ offener Trichter frei mit der Leibeshöhle kommunieirt. Das Epithel des eigentlichen Knäuels ist aus breiten, platten, oft mehr oder weniger ‚ polygonalen Zellen aufgebaut, deren körniges Plasma einen großen, ‚ runden, sich stark färbenden Kern einschließt. Das Epithel der Peri- ‚ tonealtrichter unterscheidet sich von dem des Knäuels, indem es nie- , driger ist und das Zellplasma oft schwach pigmentirt erscheint. Am ‚ Trichterrande wird das Epithel etwas höher, aber bedeutend schmäler l | (siehe Fig. 1, 2, 3), nähert sich dadurch mehr dem Cylinderepithel und \ biegt dann ziemlich plötzlich in das jetzt ebenfalls differenzirte, schmale, | platte Peritonealepithel um. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLIV. Ba. 37 572 C. K. Hoffmann, Die Zellen der Trichterscheibe und des Trichterstieles sind mit langen Geißelhaaren versehen, deren Länge den Durchmesser der: Lichtung des Kanals bedeutend übertreffen und sich desshalb im Inneren des Kanals parallel seiner Längsachse anordnen, die Basis dieser Gei- Bein ist der Leibeshöhle zu-, ihre Spitze derselben abgewendet; sie schwingen also in den Trichterstiel hinein. Der hinterste Peritoneal- trichter des Pronephros liegt am hinteren Umfang, der vorderste Trich- ter am vorderen Theil desselben. Anfangs liegt der Pronephros mit seinen beiden Trichtern mehr oder weniger lateral- und ventralwärts, später dagegen mehr medial- und dorsalwärts; so lange derselbe in erstgenannter Lage verharrt, liegt in dem Zwischenraum zwischen den neiden Trichtern der sogenannte Glomerulus der Vorniere. So wenig- stens nennen die meisten Autoren dieses vor Jon. Müzer (4) entdeckte, von Bipper (3) zuerst als Glomerulus bezeichnete Körperchen. Dagegen deutet Semrer (15) dasselbe als Nebenniere. Der Bau und die Bedeu- tung dieses eigenthümlichen Körperchens, das ich, an Mangel eines besseren Namens nach seinem Entdecker, das Mürzer’sche Körperchen nennen werde, ist außerordentlich schwer zu verstehen. Bei den Urodelen (Triton) bildet es ein von der sogenannten Radix mesenterii ausgehendes, vom Peritonealepithel überkleidetes Organ, welches eine Zeit lang frei in die Leibeshöhle hineinragt und in gar keiner Beziehung zu dem Pronephros steht. In seiner ersten Anlage bildet das in Rede stehende Körperchen eine jederseits lateralwärts in die Leibeshöhle vorspringende faltenförmige Verlängerung des Meso- | blast, dort wo die Splanchnopleura in die Somatopleura übergeht (Fig. 4); dasselbe besteht also in diesem Stadium der Entwicklung aus zwei einschichtigen Lagen großer, mit zahlreichen Dotterkügelchen sehr stark gefüllter, unregelmäßig rundlicher Zellen, die durch ihre bedeu- tende Größe und ihren größeren Reichthum an Dotterkügelchen von den übrigen Zellen der Splanchnopleura und Somatopleura sich unterschei- den. Beide Zellblätter sind durch einen deutlichen Spaltraum von ein- ander getrennt. Bei etwas älteren Embryonen findet man dagegen | zwischen diesen beiden Zellenschichten — die man jetzt schon wohl | mit dem Namen »Peritonealepithel« bezeichnen kann, indem das Meso- blast der Seitenplatten sich überall bereits weiter differenzirt hat — dicke, solide, auf dem Querschnitt rundliche Stränge, welche eben- | falls aus großen, dotterkörnchenreichen Zellen bestehen (Fig. 5). In | jedem Körperchen findet man auf Schnitten von 0,015 mm Dicke, ein Bi bis zwei solcher durchgeschnittener Stränge sund dazwischen verein- | I zelte Blutkörperchen. Gleich den Zellen dieser Stränge sind auch die | des sie bekleidenden Peritonealepithels reichlich mit Dotterkörnchen | — — nn — u AT ee re - lin En en — | Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia, 573 gefüllt. Wie diese Stränge sich bei Triton gebildet haben, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, es scheint mir aber wohl kaum anders möglich, als durch Einstülpung des sie bekleidenden Peritonealepithels, um so mehr als unter den Anuren bei Bufo dieselben ganz bestimmt durch Einstülpung angelegt werden. Bei noch älteren Embryonen aus demselben Entwicklungsstadium, aus welchem die Peritonealtrich- ter des Pronephros in Fig. I—3 abgebildet sind, zeigen diese Stränge eine deutliche Lichtung, mit anderen Worten haben dieselben sich in Kanälchen umgebildet, die jedoch überall blindgeschlossen sind. So lange die Zellen, welche die Wände dieser Kanälchen bilden, mit Dotterkörnchen reichlich gefüllt sind, ist es oft schwierig das Lumen zu erkennen, je mehr indessen die Dotterkörnchen verschwinden, um so deutlicher wird die Lichtung (Fig. 6). Die Zellen des Peritoneal- epithels unterscheiden sich an dieser Stelle durch ihre bedeutende Größe. In diesem Zustande bleibt nun das Mürrer’sche Körperchen fort- bestehen, nur mit dem Unterschiede, dass es später vollständig von der Leibeshöhle abgekapselt wird und retroperitoneal zu liegen kommt. Lange nachdem der Pronephros sich zurückgebildet hat und von dem- selben nichts mehr übrig ist, findet man immer noch das genannte Körperchen in dem letztbeschriebenen Zustande; ich komme darauf gleich noch näher zurück. Mesonephros. Die erste Anlage des Mesonephros besteht in der Bildung einer Anzahl auf einander folgenden Einstülpungen des Peri- tonealepithels, lateralwärts von der sich fast gleichzeitig entwickelnden Genitalfalte. In dieser Beziehung weiche ich von Fürsringer (21) ab und stimme Gorrte (12) und Spencer (10) vollständig bei. Diese Ein- stülpungen, welche bei ihrer Anlage solide sind, stellen uns die ersten Bildungsstufen der Nephrostomen vor, die bekanntlich auch bei den ausgewachsenen Thieren fortbestehen bleiben. Die Kenntnis ihres Baues (beim ausgewachsenen Thier) verdanken wir besonders den trefflichen Untersuchungen von Sprenger (17). Anfangs sind diese Peritonealeinstül- pungen rein segmental angeordnet; so fand ich z. B. vier Myocommata hinter dem hintersten Peritonealtrichter des Pronephros, sechs Myocom- mata, von welchen jedes einer Peritonealeinstülpung entsprach. Später aber, und zwar schon recht frühzeitig, verschwindet dies. Wohl besteht für den vordersten Theil des Mesonephros, den vorderen Theil der späte- ren sogenannten Geschlechtsniere, die metamere Anordnung noch eine Zeit lang fort, aber bald findet man mehr nach hinten zu zwei und noch mehr nach hinten zu — in der sogenannten Beckenniere — drei bis vier Peritonealeinstülpungen auf einem Myocomma. Dort wo das 37* 814 6. K. Hoffmann, Peritonealepithel sich nach innen einstülpt (Fig. 7), ändert es seinen Charakter, anstatt platt spindelförmig, werden seine Zellen mehr eylin- derförmig und sind mit einem sehr großen, fast die ganze Zelle ein- nehmenden Kern versehen. Einmal angelegt, schlängelt sich das blinddarmförmig geschlossene Ende jeder Peritonealeinstülpung unter rechtem Winkel lateralwärts, biegt sich nach hinten und stellt so die erste Anlage eines primären Harnkanälchens dar (Fig. 8), sein blindes Ende legt sich der dorsalen Wand des Segmentalganges an, um kurz darauf mit diesem in freie Kommunikation zu treten (Fig. 9). Kaum ist dies Stadium erreicht, so findet man, dass die Zellen an der Ein- stülpungsöffnung der Nephrostomen große, lange Geißelhaare zur Ent- wicklung bringen, während die Wände des Trichterganges noch dicht auf einander liegen; sobald die Lichtung deutlicher wird, entwickeln sich auch die Geißelhaare an den Zellen des Trichterganges (Fig. 10, 41). Das obere Ende des ursprünglichen Trichterganges weitet sich nun ımnedialwärts kugelförmig aus und bildet die erste Anlage des MarrıcHi- schen Körperchens (Fig. 12, 43). Die mediale Wand dieser blindsack- artigen Erweiterung stülpt sich ein, in die Einstülpung wachsen Meso- blastzellen hinein — wie mir schien von der Gefäßwand der Aorta ausgehend — und bilden die erste Anlage des Gefäßknäuels des Marpienrschen Körperchens. Der Anlage desselben gegenüber setzt sich das kugelförmig angeschwollene obere Ende des Trichters röhren- förmig in das primäre Harnkanälchen fort und bildet den späteren sogenannten Hals des Marrıeurschen Körperchens. Das primäre Harn- kanälchen wächst sehr schnell, wobei es sich mehrfach schlängelt, zu- gleich nimmt das Marrienrsche Körperchen bedeutend an Größe zu und mehr und mehr seine definitive Gestalt an; mit dem Halse bleibt be- kanntlich das Nephrostom in freiem Zusammenhang. Ebenfalls werden die verschiedenen Abtheilungen des Harnkanälchens, nämlich des zweiten Abschnittes, der aus großen polygonalen Zellen mit trübem Protoplasma, und des vierten Abschnittes, welcher aus den von HEıDennHaAnn (9) entdeckten Stäbchenzellen gebildet wird, schon ziemlich frühzeitig deutlich erkennbar, während die allmählich sich ausbildende Gefäßschlinge des Marrisur'schen Körperchens mit der Aorta in freie Kommunikation tritt. Die anfänglich rein segmentale Anlage der Marrıscarschen Körper- chen, in welcher auf ein Myocomma nur ein Nephrostom kommt, dauert nur kurze Zeit, denn sehr schnell nimmt die Zahl der Nephro- stomen, Marrisnr’schen Körperchen und primären Harnkanälchen, be- sonders in dem sogenannten Beckentheil der Niere bedeutend zu. In dem obersten Theil der Geschlechtsniere bleibt die segmentale Anlage Zur Entwieklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia, 575 noch am längsten bestehen, doch verschwindet sie auch hier ziemlich bald, wie wir denn schon durch Spexser wissen, dass der ausgewach- sene Triton in der Regel auf je einem Wirbel drei Segmente des Ge- schlechtsabschnittes der Niere besitzt. Am interessantesten verhalten sich nun die eben seitaitiiteh Glo- meruli der Geschlechtsniere.. Kaum nämlich sind sie zur Ausbildung gekommen, so schickt der Theil derselben, der dem Ansatz des »Halses« gegenüber liegt, eine hohle Sprosse in die noch vollständig indiffe- rente Geschlechtsdrüse hinein (Fig. 14, i4a, 145). Ich werde diese Sprossen »Genitalkanäle« nennen. So weit die Geschlechtsanlage sich erstreckt, entwickelt allmählich ein Marricursches Körperchen einen Genitalkanal. Diese Genitalkanäle kommen zur Ausbildung schon lange bevor der Mürrer’sche Gang sich anlegt, in einem Stadium, wenn der Pronephros noch in vollkommenster Ausbildung vorhanden ist. Entwicklung des Mürser’schen Ganges, Rückbildung des Pronephros. Über die Entwicklung des Mürtrr’schen Ganges bei den Urodelen liegt bis jetzt nur eine Mittheilung vor, und zwar von FÜRBRINGER (21). Nach ihm entwickelt sich bei Salamandra maculata der Mürrzer’'sche Gang durch Abschnürung von der ventralen Wand des Segmentalganges (des primären Urnierenganges der Autoren, früher Vornierenganges: FÜRBRINGER) als ursprünglich solider Strang, der sich (proximälwärts beginnend) bald aushöhlt und an seinem vorderen Ende mit der Bauchhöhle in offene Kommunikation tritt, wobei sowohl seine ‚Wand als das an diese Stelle angrenzende hohe Peritonealepithel durch- brochen werden (Bildung des abdominalen Ostiums). Indem die Ab- sechnürung und Aushöhlung sich weiterhin distalwärts fortsetzt, kommt es nach ihm zu einem immer länger werdenden hohlen Mürzer’'schen Gang, welcher zunächst nach hinten in einen Strang übergeht und sich schließlich in der ventralen (resp. lateralen) Wand des Segmental- ganges (primären Urnierenganges: Fürsrınger) verliert, aber auch selbständig daneben mit stumpfem Ende aufhören kann; letzteres Ver- halten fand Fürsrınger indessen nur einmal. Diese wichtige Ent- deckung Fürsrınger’s kann ich im Allgemeinen vollständig bestätigen. Bei Triton sind die Verhältnisse folgende: Ich habe schon er- wähnt, dass der mit seinen beiden Peritonealtrichtern versehene, an- fänglich etwas lateral- und ventralwärts gelegene Pronephros später mehr medial- und dorsalwärts zu liegen kommt. Gleichzeitig rücken die Ausmündungen beider Trichter näher an einander, dadurch kommt auch das zuerst zwischen den beiden Trichtern gelagerte Mürzer'sche Körperchen jetzt gegenüber der Ausmündung des obersten 876 C. K. Hoffmann, Trichters zu liegen. Noch bevor der Mürzer’'sche Gang sich angelegt hat, bildet sich das Peritonealepithel des Pronephros, das sich lateral- wärts neben und zwischen den beiden Trichtern befindet, in ein hohes Cylinderepithelium um. Mit der eintretenden Rückbildung der Kiemen fällt die Anlage des Mürter’schen Ganges ungefähr zusammen. In diesem Stadium theilt sich bei Triton der Segmentalgangin zwei Gänge, dereine ventral- und lateralwärts verlaufende ist der Mürzer’sche Gang, derandere dorsal- und medialwärts verlaufende ist der Wourr’sche Gang (Levpıc- sche Gang), mit letzterem bleiben die Harnkanälchen des Mesonephros in Verbindung. — Die Spaltung fängt am vorderen Ende des Segmen- talganges an; einmal angelegt entwickelt sich der Mürer’sche Gang, allmählich fortschreitend von vorn nach hinten weiter. In einem Punkt bin ich trotz wiederholter Untersuchung zweifel- haft geblieben, nämlich wie sich der Pronephros zu beiden Gängen ver- hält. Es scheint mir, als ob gleichzeitig mit der Spaltung des Segmen- talganges in einen Mürrer’schen und Worrr’schen Gang der Pronephros sich ebenfalls gleichzeitig vollständig abschnürt, aber ich kann nicht mit Bestimmtheit sagen, ob dies wirklich der Fall ist, oder dass der- selbe anfänglich noch mit dem Mürzer’schen Gang in Verbindung steht; kommt letzteres vor, so dauert es jedenfalls nur sehr kurze Zeit, denn sehr bald ist er vollständig isolirt. Der Mürzzr’sche Gang entwickelt sich erst in einem Stadium, in welchem das Geschlecht sich schon sehr deut- lich differenzirt hat; bei beiden Geschlechtern findet die erste Anlage in ähnlicher Weise statt, und zwar durch Abspaltung von dem Segmental- gang, dessenrestirender Theil dann Worrr’scher Gang wird; seine weitere Entwicklung verläuft beim Weibchen in etwas anderer Weise als beim Männchen. Beim Weibchen nämlich bleibt der Mürızr’sche Gang, in seiner ganzen Ausdehnung sich anlegend, als ein am lateralen Rande des Segmentalganges durch Ausbuchtung sich bildender und darauf sich abschnürender Kanal, wie Fig. 15, 16, 17 verdeutlichen mögen. Der erste dieser drei Schnitte (Fig. 15) zeigt den Woırr'schen Gang und den Mürzer’schen Gang, beide als zwei selbständige Kanäle; auf Fig. 16 sind beide Gänge mit einander noch im kontinuirlichen Zusammenhang und Fig. 17 endlich zeigt nur den Worrrschen Gang. Auf mehreren Schnitten finde ich Mürzer’schen und Worrr'schen Gang mit einander in offener Verbindung, nach hinten zu verschwindet erstgenannter dann allmählich vollkommen. Noch zu erwähnen ist, dass die Mürzzr’schen Gänge sich nicht vollkommen symmetrisch entwickeln, sondern dass derselbe an der einen Seite oft eine bedeutende Strecke weiter als an der anderen sich ausgebildet hat. Beim Männchen dagegen gliedert sich der Mürter’sche Gang schon BE u m ng ne me Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia. DIL sehr frühzeitig vollständig von dem Segmentalgang — von jetzt an Worrrscher Gang — ab, um als ein mit blinder Spitze endigender, selbständiger Kanal neben dem Worrr'schen Gang distalwärts weiter zu wachsen, wie Fig. 18, 19, 20, drei auf einander folgende Schnitte (von 12 u Durchmesser), verdeutlichen mögen. Auch hier tritt dieselbe Eigenthümlichkeit auf als beim Weibchen, dass der Mürzer’sche Gang sich nicht vollkommen symmetrisch entwickelt, sondern an der einen Seite oft eine bedeutende Strecke länger als an der anderen Seite ist. Kurz nachdem sich der Müırrr’sche Gang angelegt hat, findet man, dass sein oberes Ende sich mit dem lateralwärts von den Peritoneal- trichtern des Pronephros gelegenen hohen Peritonealepithel verlöthet und nach außen durchbricht, — Bildung des Ostium abdominale tubae. Fig. 21, 22, 23 stellen drei Querschnitte eines Embryo aus dem jüng- sten Entwicklungsstadium dar, in welchem das Ostium abdominale tubae schon vorhanden war. Die Durchbruchsstelle des letztgenannten liegt gewöhnlich in gleicher Höhe oder etwas unterhalb des zweiten (hintersten) Peritonealtrichters des Pronephros (Fig. 22), zuweilen dagegen liegt sie mehr proximalwärts zwischen den beiden Trichtern (Fig. 2% und 25). Mit der Bildung des Ostium abdominale tubae fängt die Rückbildung des Pronephros an; dieselbe wird durch die Schließung des obersten Trichters eingeleitet, wie Fig. 26, ein Schnitt, demselben Embryo als Fig. 21, 22, 23 entnommen, zeigt. Gleichzeitig wird das Mürrer’sche Körperchen vollständig von der Leibeshöhle abgeschnürt, indem die Radix mesenterii jederseits einen Fortsatz abschickt, der - sich der Peritonealumhüllung des Pronephros, in der unmittelbaren Umgebung des sich schließenden vordersten Peritonealtrichters anlegt und mit dieser verwächst. Die Stelle des schon geschlossenen vorder- sten Trichters bleibt noch eine Zeit lang durch die Anwesenheit der hohen Geißeln erkennbar. Von jetzt an abortirt der Pronephros sehr schnell, sein oberer Theil zerfällt zuerst in mehrere von einander iso- lirte Stücke, die allmählich vollständig verschwinden, während dagegen der hinterste Peritonealtrichter noch fortbestehen bleibt. Das obere Stück des Worrr'schen Ganges bis zum Mesonephros abortirt ebenfalls, indem es gleichfalls in mehrere isolirte Stücke zerfällt, die allmählich vollkommen sich zurückbilden, so dass auf der ganzen Strecke zwi- schen Pronephros (jetzt nur allein noch sein hinterster Trichter) und Mesonephros, wo erst zwei Kanäle — Mürzzr’scher Gang und Worrr- scher Gang — angetroffen werden, nur ein Kanal — der Müuzer’sche Gang — sich vorfindet. Erst etwas oberhalb des vorderen Randes des Mesonephros bleibt der Worrr’sche Gang fortbestehen, wo er als ein blindgeschlossener, spitz zulaufender Kanal seinen Anfang nimmt. 578 3 C. K. Hoffmann, In diesem Stadium begegnet man dem Worrr'schen Gang schon, wenn der vorderste Peritonealtrichter des Pronephros noch in vollkommener Ausbildung vorhanden ist (Fig. 28, 29). Das anfänglich nur sehr seichte Ostium abdominale des MürLer- schen Ganges wird bald größer und deutlicher, die Art und Weise, in welcher dies stattfindet, zeigt, dass an ihrer weiteren Bildung das hohe Peritonealepithel des Pronephros sich mit betheiligt (Fig. 27), denn so weit dasselbe reicht, stülpt es sich medial- und lateralwärts von dem Ostium abdominale in die Leibeshöhle ein und trägt also unmittelbar zur Vergrößerung der Tubenöffnung mit bei. Hand in Hand mit dem so sich ausbildenden Ostium des Mürzer’schen Ganges faltet der Gang selbst sich mehr und mehr ab und führt so zu der Entstehung des Me- sometriums (Fig. 27). Von dem ganzen Pronephros ist nun allein noch der hinterste (zweite) Trichter übrig, schließlich schließt auch dieser sich, um darauf ebenfalls vollständig zu abortiren. Das Mütter’sche Körperchen besteht aber noch unverändert fort. Erst bei viel älteren Thieren, bei welchen die Geschlechtsdrüsen schon mit dem bloßen Auge zu erkennen sind, scheint es in so weit einer Rückbildung an- heimzufallen, als seine Röhrchenstruktur weniger deutlich wird, so dass es dann mehr einem Haufen indifferenter Zellen gleicht (Fig. 30). Selbst bei mehr als mittelgroßen Thieren lässt sich das Mürzer’sche Körperchen noch nachweisen, es liegt dann vollständig innerhalb der Radix mesenterii eingeschlossen, wie Fig. 31 zeigt, und besteht, wie in dem vorher erwähnten Stadium, aus einem Haufen indifferenter Zellen. Aus dem Mitgetheilten geht also hervor, dass Semper (15) vollkom- men Recht hat, wenn er sagt: »Es ist endlich das sogenannte MaArPıcaI- sche Körperchen, welches zu dem Mürzer’'schen Knäuel (Pronephros) gehören soll, sicherlich kein solches; es liegt in der Leibeshöhle und nicht in einem Abschnitt der Kanäle der Vorniere; es besitzt zwar einen Gefäßknäuel, wie die Glomeruli der Nieren, aber auch noch Zellen, welche diesen nie zukommen; es erinnert vielmehr in seiner Struktur durchaus an die Nebennieren der Plagiostomen; sie liegen genau da, wo auch das sogenannte Marricursche Körperchen des MÜLLER- schen Knäuels liegt und zwar an einer Stelle, wo sich bei den Plagio- stomen die sogenannten Axillarherzen finden.« In wie weit das Mürzer- | sche Körperchen der Urodelen den sogenannten Axillarherzen der Plagiostomen homolog ist, wie SEmPER vermuthet, kann ich nicht sagen, : denn ich kenne die Entwicklungsgeschichte dieser Theile bei den Pla- | giostomen nicht. Es scheint mir wohl nicht zweifelhaft, dass das von Leynıc (5) bei | erwachsenen Exemplaren von Salamandra und Menopoma beschriebene Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia. 579 linsengroße, helle Körperchen, das vom Bauchfell ausgeht, in die Bauch- höhle vorspringt, nach ihm aus Bindegewebe besteht, einige vereinzelte Pigmentzellen haben kann und in seinem blinden Grunde einen knäuel- förmig gewundenen Kanal liegen hat, dem ebengenannten Mürzrr’schen Körperchen entspricht, wie dies GorrreE (12) schon vermuthet hat. Entwicklung der Geschlechtsdrüsen. Indifferentes Stadium. Ungefähr zur selben Zeit, oft selbst noch etwas früher als die Nephrostomen sich anzulegen anfangen, treten schon die ersten Spuren der Geschlechtsanlage auf, als eine lateralwärts von dem (jetzt noch) Segmentalgang, medialwärts von der Aorta und Vena renalis revehens gelegene faltenförmige Verlängerung des Peritonealepithels, die man als Genitalfalte bezeichnen kann. Die Peritonealzellen werden hier be- deutend größer, was besonders von ihrem Kern gilt, einzelne derselben schlagen bald eine höhere Differenzirung ein und bilden sich zu Ureiern oder Vorkeimen um (siehe Fig. 32, 33). Lateralwärts von der Geschlechts- falte und medialwärts von dem Segmentalgang stülpt sich das Peri- tonealepithel nach innen ein und bildet so, wie schon beschrieben, die erste Anlage der Nephrostomen; man kann die in Rede stehende Falte also wohl mit vollem Rechte als »Urogenitalfalte« bezeichnen. Dieselbe hat mir in ihrem allerfrühesten Entwicklungsstadium oft den Eindruck gemacht, als ob sie mehr oder weniger segmental angelegt wird. An bestimmten Stellen findet man nämlich noch keine Spur dieser Falte vorhanden, während sie dagegen an anderen Stellen, wenn auch noch in sehr geringem Grade, dennoch deutlich entwickelt angetroffen wird. Die eben genannten Stellen wechseln nicht willkürlich mit einander ab, sondern scheinen ziemlich genau an die Anlagen der Nephrostomen gebunden zu sein, in der Art, dass zwischen zwei auf einander folgen- den Peritonealeinstülpungen die Genitalfalte fehlt, dagegen in der Um- gebung der Einstülpung selbst wohl vorhanden ist. Diese segmentale Anlage der Genitalfalte — falls sie wirklich vorhanden ist — dauert aber nur sehr kurze Zeit, denn sehr bald zeigt sich die Anlage der Ge- schlechtsdrüse in der Gestalt einer kontinuirlichen Falte. Die Ureier haben ein ganz charakteristisches Aussehen, nicht allein unterscheiden sie sich durch ihre sehr bedeutende Größe von den an- grenzenden Peritonealzellen, sondern auch durch ihr blasses Aus- sehen und ihren sehr großen Kern. Das Fadenwerk im Zellkörper (Gytomitom: Fremnnse, Protoplasma: Kurrrer, Cytomikrosomen: Srras- BURGER) ist überaus schwach entwickelt. Von bedeutender Größe ist, wie gesagt, der Kern. Das Kerngerüst (Karyomitom: Frermmixe) enthält 580 C. K. Hoffmann, wenigChromatin, Nucleoli sind gewöhnlich nicht vorhanden; während die Kerne der angrenzenden Peritonealzellen sich intensiv färben, nimmt da- gegen der Kern der Ureier immer nur eine äußerst schwache Farbe an. Kaum sind die Ureier zur Anlage gekommen, so fangen sie auch an sich zu theilen. Nach Nusssaum (24) haben wir hier eine sogenannte maulbeer- förmige Kerntheilung vor uns, d.h. eine direkte Kerntheilung. So sehr ich Anfangs geneigt war Nusssaum ganz beizupflichten, so schwankend bin ich nachher doch wieder geworden. Wenn hier wirklich direkte Kern- theilung vorkommt, so ist sie jedenfalls doch nur auf die allerersten Stadien der Ureierzelltheilung beschränkt; schon sehr früh, bevor noch die ebenfalls schon recht frühzeitig eintretende Differenzirung des Ge- schlechtes nachweisbar ist, kommt unzweifelhaft nur indirekte Kern- theilung vor. Zwei- und selbst dreikernige Ureierzellen, deutliche Einschnürungsformen, ganz der sogenannten maulbeerförmigen Kern- theilung der Autoren entsprechend, trifft man allerdings — wie Nuss- Baum dies ganz richtig beschreibt — in den jüngsten Anlagen der Geni- taldrüse oft genug an, aber ich bin mehr und mehr zweifelhaft gewor- den, ob wir hierin wirklich den Ausdruck einer direkten Kerntheilung zu sehen haben. Denn schon in den allerjüngsten Entwicklungs- stadien, wenn die Genitalfalte kaum angelegt ist und noch mehr oder weniger deutlich eine segmentale Anlage zeigt, begegnet man schon den unverkennbarsten Bildern von Karyomitosis, wie Fig. 34 dies verdeut- lichen mag. Der vorhergehende Schnitt zeigt, was die Kernform be- trifft, fast vollkommen dasselbe Bild, daraus geht also hervor, dass beide Schnitte (bei einer Dicke von 12 «) gerade die beiden Tochter- sterne getroffen haben. Wie schon erwähnt, enthalten die Ureier wenig Chromatin und so zeigen auch hier die beiden chromatischen Tochter- figuren eine nur äußerst schwache Färbung. Vielleicht liegt hierin der Umstand, dass die verschiedenen Stadien der Karyomitosis in den jüng- sten Anlagen der Genitaldrüsen so schwer aufzufinden sind. In älteren Ureiern nimmt das Chromatin zu und Hand in Hand damit fallen denn auch Knäuelform, Sternform der Mutterzellen und der Tochterzellen, wie Knäuelform der Tochterzellen auch deutlicher ins Auge, ja selbst noch bevor das Geschlecht sich differenzirt hat zeigen sich in allen Ureiern die Bilder indirekter Kerntheilung und dies hat mich zweifel- haft gemacht, ob je in den Genitalanlagen wohl direkte Kerntheilung vorkommt. Mit vollem Recht hat schon Fremming eine Zelltheilung mit direkter Kerntheilung, wie sie in den jugendlichen Geschlechtsdrüsen beschrieben werden, in Zweifel gezogen. Auf zweierlei Weise vermehren sich nun die Ureier, und zwar durch Theilung, es möge diese nun anfänglich vielleicht auch noch neben | Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia. 581 der indirekten Kerntheilung auf direkte Weise stattfinden, und _ zweitens durch Umbildung neuer bevorzugter Peritonealzellen in Ur- eier. Die auf dem Querschnitt Anfangs mehr kegelförmige Gestalt der Genitaldrüse, resp. des Ureierlager, wird später mehr birnförmig (Fig. 35). Allmählich hat sich jetzt auch das Marpicnrsche Körperchen entwickelt und schickt eine hohle Sprosse — die Anlage der Genitalkanäle — in den Hals, oder, wenn man will,.in die Radix (das spätere Mesovarıum oder Mesorchium) des Ureierlagers hinein (Fig. 14, 12a, 1b). Zu dieser Zeit differenzirt sich schon das Geschlecht. Beim Weibchen rücken die Ureier aus einander, der dadurch gebildete Hohlraum stellt die Anlage des bei allen Urodelen bekanntlich ungekammerten Hohlraumes des Ovarium dar (Fig. 36). Die Bildung dieses Hohlraumes scheint nicht daher zu rühren, dass die in die Genitaldrüse hineinwachsenden Geni- talkanäle, die Ureier aus einander drängen, sondern vielmehr auf dem eigenen Wachsthum der Ureier selbst zu beruhen. Dafür sprechen folgende Gründe: Die Genitalkanäle wie die Marricurschen Körper- chen sind segmentirt, der in der Genitaldrüse — von jetzt an Ova- rium — sich ausbildende Hohlraum ist nicht segmentirt, sondern von vorn herein ununterbrochen. In den jüngsten Stadien, in welchen man sehon einen Hohlraum findet, haben die Genitalkanäle noch kaum den Halstheil der Genitaldrüse erreicht, die Wände des Hohlraumes werden durch die Ureier selbst gebildet, erst später wachsen die Genital- kanäle, den einander zugekehrten Wänden der Ureier folgend, in den Hohlraum hinein und bilden so für denselben eine eigene Wand, wobei dann zugleich die auf einander folgenden Genitalkanäle ver- wachsen, die Zwischenwände resorbirt werden und so der Zustand entsteht, in welchem man das Ovarium in späteren Stadien kennt. Beim Männchen dagegen entsteht ein solcher Hohlraum nicht, son- dern hier bleiben die Ureier, die man von jetzt an, nach 1a VALzrTE (16), »Spermatogonien« nennen kann, dicht auf einander gehäuft liegen, während sie sich schnell vermehren. Vergleichend-embryologische Untersuchungen werden jetzt er- geben müssen, ob die Erkennung des Geschlechtes bei den Urodelen schon früher möglich ist. Der innerhalb der Geschlechtsdrüse sich aus- bildende Hohlraum ist ein ausgezeichnetes Mittel, die zum Ovarium sich entwickelnde Genitaldrüse von der zum Hoden sich ausbildenden zu unterscheiden, aber hierin liegt wahrscheinlich doch das Hauptmerkmal nicht, sondern vielmehr in dem Verhalten der Ureier selbst. Beim Männchen, wo die Ureier Spermatogonien — Ursamenzellen — werden, bleiben diese Ursamenzellen den ursprünglichen Ureiern noch mehr oder weniger ähnlich. Beim Weibchen dagegen, wo die Ureier sich zu Eiern 582 C. K. Hoffmann, entwickeln, unterscheiden sich die letzteren durch ihr schnelles und bedeutendes Wachsthum schon sehr frühzeitig von den Ureiern, aus welchen sie hervorgegangen sind. Bei den Tritonen ist dieser Unter- schied in den Ureiern schon in geringem Grade vorhanden, wenn der in der Geschlechtsdrüse sich ausbildende Hohlraum nachweist, dass die Genitalanlage sich zu einem Ovarium entwickeln wird. Schon in den jüngsten Entwicklungsstadien findet man zwischen den Ureiern Zellen, welche ebenfalls in reger Theilung sich befinden, und sowohl von den Ureiern als von den Peritonealepithelzellen ver- schieden sind; durch ihre bedeutendere Größe unterscheiden sie sich von den letztgenannten, mit welchen sie die Eigenschaft gemein haben, sich intensiv zu färben, dagegen sind sie viel kleiner als die Ureier. Dieselben sind höchst wahrscheinlich als Keimepithelzellen zu betrach- ten, welche sich nicht zu Ureiern entwickeln, sondern welchen nur die untergeordnete Rolle zugetheilt wird, später, wenn das Ge- schlecht sich differenzirt, beim Weibchen die zu Eierstockeiern sich umbildenden Ureier mit einer Granulosa und die beim Männchen zu Spermatogonien sich entwickelnden Ureier mehr oder weniger follikel- artig zu umhüllen. Wie die Eier und Spermatogonien, so sind auch die Granulosa- und die so eben genannten Umhüllungszellen Derivate des Keim- resp. des Peritonealepithels. Auf die die Spermatogonien um- hüllenden Zellen komme ich gleich beim Hoden noch näher zurück. Ovarium. Die weitere Entwicklung des Ovariums bietet wenig Bemerkenswerthes, die zu »Eiern« sich entwickelnden Ureier wachsen sehr schnell, und dies gilt besonders von ihrem großen Kern, der im Verhältnis zu der Eizelle wirklich ganz riesenhaft groß wird. In ganz jungen Eiern finde ich noch keine Nucleoli, erst bei etwas älteren sind sie, wenn auch Anfangs noch in geringer Zahl, vorhanden. Einen ganz eigenthümlichen Anblick gewährt das Kerngerüst junger Eizellen, dasselbe ist ungemein zierlich und im Querschnitt zeigen die Gerüst- stränge das Bild eines Sterns mit’ dunkler Mitte und blassen Strahlen. | Auf diesen höchst eigenthümlichen Bau des Kerngerüstes junger Eier- stockeier von Siredon und Salamandra hat Fremnıng schon aufmerksam | gemacht. Ganz ähnlichen Bildern, wie dieser hervorragende Histologe in Fig. G aufp. 135 seines überaus interessanten Buches, »Zellsubstanz, Kern- und Zelltheilung«, abgebildet hat, begegnete ich auch wieder- holt beim Triton, aber nur in ganz bestimmten Stadien der Entwiek- | lung der Eierstockeier fand ich diese zierlichen Bilder deutlich vorhan- | den. Wie auch schon Frenmıng bemerkt, sind die wahren Nucleoli total | verschieden von dem im Querschnitt sich zeigenden Gerüststrang des | J Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia, 583 Kernes, sie bleiben auch bei Alaunkarminfärbung blässer als die Ge- rüststränge (siehe Fig. 38, 39). Schon sehr frühzeitig wird das Ei von einer Granulosa umgeben, von welcher oben schon die Rede war. Der im Inneren des Ovarium gelegene Hohlraum, den man den Ovarialkanal nennen kann, nimmt mit dem Wachsthum der Eier ebenfalls sehr schnell bedeutend an Größe zu. Nach Spencer (17) ist dieser Kanal bei allen Urodelen stets ununter- brochen; die Wand desselben besteht nach ihm aus einem schwach entwickelten bindegewebigen Stroma, das in dünnen Zügen die darin eingebetteten Eier umfasst und wird von einem einschichtigen Platten- epithel ausgekleidet, während die äußere Oberfläche des Eierstockes von dem Peritonealepithel überzogen ist. Den Ursprung des Platten- epithels des Ovarialkanals haben wir oben schon besprochen, derselbe ist, wie wir gesehen haben, die unmittelbare Fortsetzung der epithelia- len Wand der Marricurschen Körperchen, welche sprossenförmig als Genitalkanäle in die Genitaldrüse hineingewachsen sind; ob das von SpengeL (17) beschriebene bindegewebige Stroma ebenfalls aus diesen Zellen oder aus den das Ovarium bekleidenden Peritonealzellen hervor- geht, oder ob beide sich daran betheiligen, kann ich nicht sagen. In letzter Instanz ist der Ovarialkanal also nichts Anderes als ein Theil der allgemeinen Leibeshöhle, mit welcher sie aber nicht in kontinuir- lichem Zusammenhang steht, indem das Lumen des Ovarialkanals dort, wo er an der Basis der Geschlechtsdrüse in die Niere (in die Mauricnt- schen Körperchen) übertritt, schon sehr frühzeitig obliterirt (Fig. 38, 39). Bei Triton finde ich von dem eben erwähnten Stroma fast nichts vor- handen, hier liegt auf der Granulosa unmittelbar die epitheliale Wand des Ovarialkanals.. Auch beim Weibchen, welches schon im Januar und Februar sehr große Eierstockeier besitzt, finde ich zwischen diesen großen Eiern, sowohl junge Eierstockeier, wie auch Ureier resp. Keim- zellen (Fig. 37). Ob nun diese Ureier Theilungsprodukte der ursprüng- lichen Ureier sind, oder dadurch entstanden, dass an bestimmten Stellen Peritonealzellen des Ovariums sich höher differenziren, sich in Ureier umbilden und so wieder die Mutterzellen für die späteren Eierstockeier werden, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Aber ganz bestimmt kann ich angeben, dass ich an keiner Stelle eine Unter- brechung des Peritonealepithels gefunden habe, so dass bei den Uro- delen, wenigstens bei den Tritonen, von einer Einstülpung des Peri- tonealepithels zur Bildung der Eier neben dessen Granulosa wohl schwerlich die Rede sein kann. Iwakıwa (35) lässt bei Triton pyrrho- gaster Boie die Eier ebenfalls aus dem Keimepithel sich entwickeln, 584 ©. K. Hoffmann, den Ursprung des Follikelepithels lässt er unentschieden, neigt sich je- doch der Ansicht zu, dass dasselbe gleichfalls vom Keimepithel aus- gehe. Zu Gunsten dieser Ansicht spricht jedenfalls wohl die Thatsache, dass die Zellen, welche unmittelbar dem Urei anliegen, wie Fig. 37 zeigt, sich bedeutend von den angrenzenden Peritonealepithelzellen des Ovarium unterscheiden und vielleicht als Keimepithelzellen zu be- trachten sind, welchen nur die untergeordnete Rolle zugetheilt werde, das zum Eierstockei sich entwickelnde Urei als Granulosa zu um- hüllen. Der Hoden. Der Hoden ist ursprünglich dem Ovarium vollkom- men gleichförmig, dies dauert indessen nur kurze Zeit, denn während in dem Falle, in welchem die Geschlechtsdrüse Ovarium wird, die sich zu Eierstockeiern entwickelnden Ureier sehr schnell bedeutend an Größe zunehmen und der Ovarialkanal sich anlegt, behalten in dem Falle, in welchem die Geschlechtsdrüse Testis werden soll, die Ur- eier ihren ursprünglichen Charakter noch mehr oder weniger bei und kommt es nicht zu der Anlage eines centralen Hohlraumes. Wohl entwickelt sich in dem Hoden, durch Verwachsung der einzelnen Genitalkanäle, ein von vorn nach hinten verlaufender Gang, der so- genannte Sammelgang des Hodens, aber das Lumen dieses Ganges ist bei jungen Thieren noch so eng, dass es kaum auf einen solchen Namen Anspruch machen kann (Fig. 40). Die Ureier, von jetzt an besser Spermatogonien (Spermatogonien: LA VALETTE, Nusspaum; ovules mäles: Rosın, Swarn et MAsouzLin) ge- nannt, vermehren sich schnell und zwar, wie schon erwähnt, auf dem Wege der indirekten Kerntheilung. Wie die Eier von einer Granu- losa, so werden die Spermatogonien und deren Theilungsprodukte, die Spermatocysten, von Zellen umgeben, welche sich überall zwischen letztgenannten einschieben und um dieselben eine Art Umhüllungs- haut bilden (Follikelzellen: ı4 VALETTE, Nusssaum; cellules follieu- laires: Swarn et Masgquzuin). Sowohl von den Spermatogonien selbst, als von den die Hoden bekleidenden Peritonealzellen, sind diese Um- hüllungszellen, wie gesagt, deutlich verschieden (Fig. 42, A3), sie sind kleiner als die Spermatogonien, größer dagegen als die Peritoneal- zellen, mit letzteren haben sie aber das gemein, dass sie sich intensiv färben. Die Gestalt dieser Zellen ist eine sehr wechselnde und richtet sich, wie es scheint, nach den Lücken, welche zwischen den an einander grenzenden Spermatogonien übrig bleiben. Besonders in sehr jungen Hoden sind sie im Verhältnis zu den Ureiern ungemein zahlreich. Der aus der Verwachsung der einzelnen Genitalkanäle entstandene _ Sammelgang fängt an sich in den schnell wachsenden Hoden zu ver- Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia, 585 zweigen und bildet so die Anlage der Hodenkanäle. Dabei kommen dann die Spermatogonien sammtihren Umhüllungszellen innerhalb der Hoden- kanäle zu liegen (Fig. 42). Ob dies auf dem Wege der Einwanderung geschieht, oder in der Art, dass die blinden Endäste der Hodenkanäle sich für eine kurze Zeit öffnen und so die Spermatogonien umwachsen, kann ich nicht sagen. Auf Querschnitten untersucht, zeigt der Hoden jetzt schon einen lappigen Bau (Fig. 41), dadurch hervorgerufen, dass die Spermatogonien mit ihren Umhüllungszellen, in Gruppen zusammen- gehäuft, innerhalb der Hodenkanäle liegen (Fig. 42); dieselben sind aber durch die sie füllenden Spermatogonien Anfangs noch vollkommen solide, erst später bildet sich ihre Lichtung, indem die Spermatogonien aus einander weichen. Bei jungen Thieren, bei welchen ich zuerst einem deutlichen Lumen der Hodenkanäle begegnete, liegen die Spermato- gonien nur noch in zwei Schichten, sie vermehren sich indessen sehr schnell und bilden schließlich Haufen kleiner Zellen (Spermatoeysten), welche durch die zwischen denselben wachsenden Umhüllungszellen von einander getrennt werden (Fig. 43, %%). Die Kontouren der die Spermatocysten zusammensetzenden Zellen sind gewöhnlich nicht zu sehen, dadurch macht jede Spermatocyste den Eindruck einer vielker- nigen Zelle (Fig. 44). Nur in dem Stadium der Kerntheilung (Knäuel- form) lassen sich die Kontouren der einzelnen Zellen deutlicher nach- weisen. Wie wir durch Frrmnine (26) schon wissen, vermehren sich alle eine Spermatocyste zusammensetzenden Zellen gewöhnlich gleich- zeitig. Ich kann mich also vollständig den Ansichten von LA VALFTTE und Nusssaum anschließen, dass der Binnenraum der zur Bereitung der Samenelemente bestimmten Hohlräume der männlichen Geschlechts- drüse zwei Arten von Zellen enthält, wovon die einen als Ursamenzellen oder Spermatogonien bestimmt sind die Samenkörperchen — Sperma- tosomen — zu entwickeln, die anderen, welche Nussgaum als Follikel- zellen bezeichnet hat, unter sich zu einem Gewebe verbunden sind, welches die Spermatogonien und Spermatoeysten einbettet und mehr ' oder weniger umhüllt. Aber nur in der von MasgurLin et Swazn (42) ‚ schon hervorgehobenen, etwas modifieirten Weise sind diese Umhül- lungszellen — die Follikelhaut — dem Follikelepithel des Eies homolog. | Schon in verhältnismäßig sehr jungen Stadien entwickelt sich in dem Mesorchium zwischen Niere und Hoden der sogenannte Längs- kanal und zwar durch Sprossung und Verwachsung der Genitalkanäle; | dieser Längskanal steht durch eben so viele Querkanäle als ursprüng- lich Genitalkanäle vorhanden sind, sowohl mit der Niere als mit dem Hoden in Zusammenhang, das so entstandene Netz von feinen Kanälen 586 | 0. K. Hoffmann, ist das Hodennetz. Nach Srenseı zerfällt das Hodennetz (bei Triton und anderen, nicht aber bei allen Urodelen) in einen segmentalen und in einen nicht segmentalen Abschnitt, letzterer, welcher dem Hoden zu- nächst liegt, besteht nach ihm aus querverlaufenden Kanälen in unbe- ständiger Zahl und einem in bald größerer, bald geringerer Ausdehnung parallel der Niere ziehenden Längskanal. Dieser hängt dann seinerseits durch die segmentalen Querkanäle oder Vasa efferentia mit der Niere zusammen. Indem aber sowohl die vom Längskanal zum Hoden, als die zur Niere gehenden Querkanäle ursprünglich dieselbe segmentale. An- ordnung zeigen, scheint mir eine Vertheilung des Hodennetzes in einen segmentalen und nicht segmentalen Abschnitt nicht gerechtfertigt, und thut man meiner Meinung nach besser, einfach zu sagen, dass die zwi- schen Niere und Hoden gelegenen Theile der Genitalkanäle sich zu den Vasa efferentia umbilden, welche durch Sprossung und Verwachsung bei verschiedenen Urodelen-Gattungen einen Längskanal zur Entwick- lung bringen. Dem Hodennetz des Männchens entsprechende Kanäle kommen nach Spencer in rudimentärer Form auch im weiblichen Geschlecht vor. Dass der Sammelgang des Hodens dem Ovarialkanal homolog ist, geht aus der Entwicklungsgeschichte beider Gebilde deutlich hervor. Geschlechtsniere und Beckenniere. Der vordere Theil der Niere tritt, wie wir gesehen haben, sowohl beim Weibchen als beim Männchen in sehr nahe Beziehung zu der Geschlechtsdrüse. Beim Männchen bleibt das ganze Leben hindurch ein unmittelbarer Zu- sammenhang zwischen Niere und Testis fortbestehen;; der Ausführungs- gang der Niere, der Worrr'sche Gang, funktionirt beim Männchen so- wohl als Harnleiter wie als Samenleiter. Beim Weibchen dagegen besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Niere und Ge- schlechtsdrüse nur während einer kurzen Zeit des embryonalen Lebens, schon frühzeitig obliterirt das Lumen der Genitalkanäle bei ihrem Ein- tritt in die Geschlechtsdrüse. Hier fungirt der Worrr'sche Gang denn auch allein als Harnleiter, während der Mürzsr’sche Gang die Sorge für die Entleerung der Eier auf sich nimmt. Die nahe Beziehung, in welcher aber, sowohl beim Männchen wie beim Weibchen, ein Theil der Niere zu der Geschlechtsdrüse tritt, rechtfertigt vollkommen die Trennung der Niere in zwei Abtheilungen, von welchen Sprenger die eine (die obere) die Geschlechtsniere, die andere (die untere) die Beckenniere genannt hat. Betrachten wir erst die Verhältnisse der Geschlechts- niere noch etwas näher. Einmal angelegt, wächst die Geschlechtsdrüse | in zwei Richtungen, in geringem Grade nach vorn, am meisten aber | Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia. 587 nach hinten, weiter. Dadurch wird es deutlich, dass bei jungen Thieren die vordersten Marrieursschen Körperchen noch nicht mit der Ge- schleehtsdrüse in Zusammenhang getreten sind, wenn dies bei den mehr nach hinten gelegenen wohl schon der Fall ist. So fand ich z. B. bei einem jungen Weibchen, von welchem ein Schnitt durch das Ova- rium auf Fig. 39 abgebildet ist, dass nach vorn zu zwei Marpıcursche Körperchen noch nicht mit der Geschlechtsdrüse im Zusammenhang standen, bei den dreizehn folgenden dies dagegen der Fall war. Bei einem jungen Männchen, bei welchem der Mürzer’sche Gang schon vollständig zur Ausbildung gekommen war, stand das oberste Marrieui- sche Körperchen noch nicht mit der Geschlechtsdrüse im Zusammen- hang. Ob nun beim Weibchen auch die beiden vordersten Marricnrschen Körperchen später ebenfalls noch mit dem Ovarium in Verbindung treten, habe ich nicht weiter untersucht; beim Männchen ist das Entsprechende aber sicher der Fall, was Speneer beim ausgewachsenen Thier schon nach- gewiesen hat und was ich ganz eben so finde. Beim Weibchen scheinen die Nephrostomen das ganze Leben hindurch fortbestehen zu bleiben, wie aus Spenger’sBeschreibung deutlich hervorgeht. Beim Männchen dagegen sind die Verhältnisse anders. Hier finde ich mit Sreneer wohl bei jungen Thieren, bei welchen die Spermabildung noch nicht angefangen ist, die Nephrostomen vorhanden; später aber beim geschlechtsreifen Thier vermisse ich dieselben regelmäßig, obgleich ihre Überreste oft noch deutlich nachweisbar sind, wie dies auch SpenxeeL erwähnt. Wenn auch ursprünglich jedes Marpıcur’sche Körperchen durch ein hohles Vas deferens mit dem Hoden in Verbindung steht, so scheint doch gewöhnlich eine bedeutende Zahl später wieder theilweise zu obliteriren. So sagt z. B. SpengeL: »Bei Salamandra, Triton und Siredon, die ich frisch untersuchen konnte, habe ich ausnahmslos nur in den vordersten zwei bis drei Nierensegmenten, ganz besonders aber in dem ersten, Sperma gesehen.-Die übrigen Vasa efferentia waren immer durch mehrfache Querwände versperrt und gestatteten dem vom Längs- kanal aus andringenden Samen den Durchgang nicht. Zu einer völligen Obliteration des Lumens dieser Vasa efferentia scheint es indessen nicht zu kommen.« Der Worrr'sche Gang liegt bei jungen Thieren beiderlei Geschlech- tes unmittelbar der Geschlechtsniere an; beim Weibchen bleibt dies ursprüngliche Verhältnis das ganze Leben hindurch fast nahezu fort- bestehen, die einzelnen Sammelröhren bleiben hier wenigstens in dem vorderen Abschnitt sehr kurz und werden nur nach hinten etwas länger Beim Männchen dagegen liegt der Worrr’sche Gang gewöhnlich in Zeitschrift f, wissensch. Zoologie. XLIV. Bd. 38 988 C.K. Hoffmann, einiger Entfernung von der Geschlechtsniere und sind demnach auch hier die Sammelröhren länger. Die einzelnen Elemente der Geschlechts- niere sind also einander vollkommen gleichwerthig; ein jedes besitzt ein Marpicursches Körperchen, ein Nephrostom, ein Sammelrohr und einen von dem Marrisurschen Körperchen in die Geschlechtsdrüse hinein- wachsenden Genitalkanal. Anders dagegen verhält sich die Beckenniere. Von derselben sagt SPENGEL Folgendes: Schon eine makroskopische Betrachtung lehrt, dass die Zahl der Marrisnrschen Körperchen in diesem Abschnitt bedeutend diejenigen der am lateralen Rande austretenden Sammelröhren über- trifft. Ganz entsprechend verhalten sich die Nephrostomen. Verfertigt man einen mäßig dünnen Schnitt von der Oberfläche der Beckenniere, so findet man fast Nephrostom an Nephrostom. Hierin befinde ich mich aber zum Theil in Widerspruch mit Speneer. Ich finde zwar mit ihm, dass die Zahl der Marrıcur'schen Körperchen diejenige der am lateralen Rande austretenden Sammelröhren bedeutend übertrifft, aber ich finde nicht, dass dies auch von den Nephrostomen gilt; ihre Zahl stimmt so ungefähr mit der der Sammelröhren überein und beträgt zwischen 24—28, genauer kann ich die Zahl nicht angeben, indem es besonders in dem hintersten Theil der Beckenniere ungemein schwer ist dieselben genau zu zählen. Die nahe an der ventralen Oberfläche gelegenen Marrisurschen Körperchen sind alle in dem Besitz eines Nephrostom, aber ich vermisse dieselben an denjenigen MArrıcursschen Körperchen, die mehr dorsalwärts gelegen sind. Wohl trägt ihr Hals ebenfalls ein Wimperepithelium, aber derselbe nimmt kein Nephrostom auf, sondern setzt sich unmittelbar in den zweiten Abschnitt des Harnkanälchens fort. Auf welche Weise diese sekundären Harnkanälchen — oder Harn- kanälchen zweiter Ordnung — sich anlegen, wage ich nicht zu ent- scheiden, aus dem Faktum aber, dass sie nicht mit Nephrostomen in Verbindung stehen, auch nicht bei jungen Thieren, geht wohl mit Be- stimmtheit hervor, dass dieselben sich nicht durch Einstülpung des Peritonealepithels angelegt haben, sondern höchst wahrscheinlich durch Sprossung und Abschnürung aus den primären Harnkanälchen hervor- gegangen sind; damit steht auch die Zahl der Sammelröhren in der Beckenniere im Einklang, welche der der Nephrostomen ungefähr ent- spricht, und nach SpenGeL einige zwanzig beträgt. Beim Männchen 1 beginnen die Sammelröhren der Beckenniere an der Stelle, wo sie aus | der Niere heraustreten, mit sehr geringem Durchmesser, während sie |’ in der Mitte als stattliche Schläuche erscheinen, deren Umfang nach |” den Enden zu wieder auf den ursprünglichen zurückschrumpft. Dort | wo sie aus der Niere heraustreten, besteht ihre Wand aus einem hellen | u Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia. 589 Plattenepithel, weiter nach hinten, wo ihr Lumen bedeutend größer wird, wandelt dasselbe sich allmählich in ein erst niedrigeres, später höheres Cylinderepithelium um, dessen Plasma ein eigenthümliches glänzendes grobkörniges Aussehen darbietet. Noch mehr nach hinten wird das Lumen wieder viel kleiner, das Epithel aber immer höher, so ‘dass die Sammelröhren kurz vor ihrem Eintritt in den Worrr'schen Gang kaum eine Lichtung zu haben scheinen. Die Zellen behalten das eigenthümliche grobkörnige Aussehen bei, an ihrer Basis enthält jede derselben einen großen, runden Kern. Wie Spencer finde ich in den Sammelröhren niemals Spermatozoiden, sondern nur eine Flüssigkeit in der zahllose feinste Körnchen suspendirt sind. Jede dieser Sammelröhren besitzt außer ihrer epithelialen Wand eine zarte bindegewebige Hülle; von ihrem Anfang aus der Niere bis zu ihrem Eintritt in den Worrr' schen Gang, verlaufen sie alle vollständig frei, nur bemerkt man, dass zuweilen zwei dieser Röhren, bevor sie in den Worrr’schen Gang einmünden, sich unter spitzem Winkel ver- einigen. In der Nähe der Kloake angelangt, rücken nach SpexGer in beiden Geschlechtern die Woırr'schen Gänge (Harnleiter des Weibchens, Harn- samenleiter des Männchens) an die ventrale Nierenfläche und gegen die Mittelebene des Körpers hin, ohne sich indessen jemals zu vereinigen, obgleich sie einander oftmals sehr nahe kommen. Ganz anders aber sind die Verhältnisse bei jungen Thieren. Selbst bei solchen, deren Kiemen schon einer bedeutenden Reduktion anheimgefallen sind, liegen die Worrr’schen Gänge noch vollständig lateralwärts und erst bei noch älteren Individuen rücken sie allmählich ventralwärts. So lange erst- genannter Zustand besteht, liegen alle Sammelröhren der Beckenniere noch innerhalb derselben; erst wenn die Worrr'schen Gänge nach der ventralen Nierenfläche rücken, treten die erstgenannten allmählich aus der Niere heraus, um den Worrr' schen Gängen zu folgen. Durch ein | bindegewebiges Stroma werden dann sowohl die Sammelröhren als der Worrr'sche Gang mit einander verbunden (Fig. 45), später bildet sich , dies Stroma wieder zurück und verlaufen Sammelröhren und Worrr'sche , Gänge vollständig frei. Anuren. Als Untersuchungsmaterial standen mir zur Verfügung Embryonen von Bufo ecinereus, Rana temporaria, Rana esculenta und . mehrere Stadien von Alytes obsietricans. Pronephros. Wie bei den Urodelen besteht der Pronephros bei den Anuren aus dem stark gewundenen Segmentalgang, der hier aber 38* 590 6. K. Hoffmann, nicht durch zwei, sondern durch drei Peritonealtrichter mit der Leibes- höhle kommunicirt. Bei jungen Embryonen, wo der Pronephros noch sehr wenig gewunden ist, besteht er, ähnlich wie der Segmentalgang, aus hohen, ziemlich schmalen, dotterkörnchenreichen Cylinderzellen, die später, wenn die Windungen sich mehr entfalten, und Hand in Hand damit die Dotterkörnchen allmählich schwinden, in gleichem Grade in ein Plattenepithel umgewandelt werden; dasselbe gilt auch von dem Segmentalgang. Die anfänglich einander gleichförmigen Zellen des Pronephros nehmen später einen verschiedenen Charakter an. In einem Theil der Windungen werden nämlich die Zellen kubisch, das Plasma erhält ein trübes und körniges Aussehen und umschließt einen großen, runden, sich stark färbenden Kern, während dagegen in einem anderen Theil der Windungen die Zellen mehr denen eines Platten- epithels gleichen, deren Plasma hell und feinkörnig ist und einen ovalen Kern trägt. So deutlich der Unterschied in beiden Zellenarter ist, so schwierig lässt sich mit Bestimmtheit sagen, welcher Theil des Pronephros aus der einen, welcher aus der anderen Kategorie von Zellen besteht; das Faktum aber, dass solche deutliche Unterschiede vorhanden sind, macht es höchst wahrscheinlich, dass die von einem kubischen Epithel ausgekleideten Windungen desselben als drüsiger Theil funktioniren, während die mit einem Plattenepithel versehenen Windungen mehr die Rolle eines Ausführungsganges auf sich nehmen und dies erscheint um so wahrscheinlicher als die Trichter und der Seg- mentalgang selbst einen ähnlichen Bau wie der letztgenannte Theil des Pronephros zeigen. Das Epithel der Peritonealtrichter ist bei Rana und Bufo schwach, selten intensiv pigmentirt, bei Alytes dagegen ist es vollständig hell; bei allen untersuchten Amphibien trägt es sehr | lange Geißelhaare, die sich hier ganz ähnlich wie bei den Tritonen verhalten. In jungen Entwicklungsstadien liegt der Pronephros der Anuren ähnlich dem der Urodelen lateral und ventral, später rückt er wohl dorsal- nicht aber gleichzeitig medialwärts, wie dies bei den Urodelen stattfindet, sondern er bleibt hier lateralwärts liegen und in dieser | Lage verharrt er bis zu seinem vollkommenen Schwunde. Mürrzer’sches Körperchen. Als Mürzer’sches Körperchen will | ich auch bei den Anuren das eigenthümliche Gebilde bezeichnen, | welches gewöhnlich als »Marricur'sches Körperchen der Vorniere« be- schrieben wird. In den jüngsten Entwicklungsstadien stimmt dasselbe in Bau und Lage vollkommen mit dem der Urodelen überein, nur in so fern ist ein | kleiner Unterschied vorhanden als es hier nicht unter, sondern neben TE Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia. 591 der Aorta liegt. Wie bei den Urodelen besteht es aus einer lateral- wärts in die Bauchhöhle vorspringenden faltenförmigen Verlängerung des Mesoblast an der Stelle, wo an der Radix mesenterii die Splanchno- pleura in die Somatopleura umbiegt. Der Raum zwischen beiden Blättern ist bei Rana ziemlich groß und in demselben gewöhnlich ein Theil der Aorta eingelagert. Ob dies jedoch der natürliche Zu- stand ist, kommt mir fraglich vor, gewöhnlich ist nämlich die Aorta in dorso-ventraler Richtung stark zusammengedrückt und ich habe mehrere Male den Eindruck bekommen, als ob dies durch starke Kontraktion der Gewebe hervorgerufen wird, bei welcher die dünne Gefäßbwand in der Richtung sich ausgedehnt hat,. in welcher sie den geringsten Widerstand findet (siehe Fig. 46). Bei Bufo sah ich einen ähnlichen Zustand nicht. Derselbe röhrige Bau, wodurch das Mürer’sche Körperchen der Urodelen sich auszeichnet, kehrt auch bei den Anuren wieder, beson- ders ist dies bei Bufo der Fall. Hier lässt sich mit aller Klarheit nachweisen, dass die Röhrchen durch Einstülpung entstehen (Fig. 47) und auch hier in ihrem frühesten Zustand als solide Stränge sich zeigen. Bei älteren Embryonen ist die Röhrchenstruktur zuweilen noch gut zu sehen. Später wenn in und zwischen den Zellen derselben Pigment, oft in großer Menge abgesetzt wird, geht der ursprüngliche Bau verloren. Ungemein groß sind die Mürrrr’schen Körperchen bei Alytes, wo sie sehr gefäßreich sind, ihr Bau ist aber nicht so deutlich röhrenförmig, wie bei Bufo; mit einem wirklichen Lumen versehene Kanäle sah ich nicht, nur solide Zellstränge, in welchen sich bei Alytes kein Pigment abzusetzen scheint, wenigstens in den Entwicklungsstadien, welche ich untersuchen konnte, fehlte es durchaus. Bei Rana dagegen sind die in Rede stehenden Körperchen so stark pigmentirt, dass ihr Bau kaum zu enträthseln ist. In späteren Entwicklungsstadien zeigen die Mürrer'schen Körper- chen der Anuren in ihrer Lage einen nicht unwichtigen Unterschied von dem der Urodelen. Bei den letzteren bleiben sie in der Achse unter der Aorta liegen, bei den ersteren rücken sie aus einander und nach vorn. So findet man denn auch bei älteren Embryonen jederseits neben dem rechten und linken Aortabogen ein Mürzer’sches Körperchen. Noch später ändern sie noch etwas ihren Platz und kommen nicht neben, sondern unter den Aortenbogen zu liegen. Besser wie eine aus- führliche Beschreibung zeigt ein Blick auf Fig. 30 und 31 sowie auf Fig. 48 und 49 den Unterschied in der Lage der genannten Körper- chen bei Anuren und Urodelen. Bis zu ihrer Rückbildung, welche mit der des Pronephros Hand in Hand geht, ragen sie bei den Anuren frei 592 ©. K. Hoffınann, in die Leibeshöhle hinein, eine Abkapselung findet nicht statt. Erwähnen will ich noch, dass bei den geschwänzten Amphibien — wenigstens bei den Tritonen — die Mürrer’schen Körperchen verhält- nismäßig kleiner sind als bei den ungeschwänzten, hier wie dort ist mir aber ihre morphologische Bedeutung durchaus unbekannt ge- blieben. Mesonephros. Die erste Entwicklung des Mesonephros bei den Anuren stimmt vollkommen mit der der Urodelen überein. Auch hier lässt sich die ursprüngliche segmentale Anlage der Nephrostomen ganz deutlich nachweisen. Bei sehr jungen Embryonen fehlen dieselben an dem mittleren Theil des Segmentalganges noch vollkommen, während sie dagegen an dessen hinterem Theil bis unmittelbar vor ihrer Ein- mündung in die Kloake schon zur Ausbildung gekommen sind. So z.B. waren bei einem sehr jungen Bufo-Embryo fünf Nephrostomen vorhanden, von diesen entsprachen die drei hintersten jeder einem Myocomma, während die zwei vordersten miteinem Myocommaüberein- stimmten. Diese segmentale Anordnung der Nephrostomen dauert aber nur sehr kurze Zeit, indem die Zahl derselben schon frühzeitig sehr bedeutend zunimmt. Wie bei den Urodelen sind die Peritonealein- stülpungen oder Nephrostomen der Anuren Anfangs ebenfalls solide, und stellen ähnlich wie bei diesen die ersten Anlagen der (primären) Harnkanälchen vor (Fig. 50), ihr hlinddarmförmig geschlossenes Ende schlängelt sich lateralwärts, lagert sich der dorsalen Wand des Segmentalganges auf, um bald mit diesem in freien Zusammenhang zu treten (Fig. 51 und 52). Einmal angelegt, wachsen die primären Harnkanälchen, sich mehrfach schlängelnd, sehr schnell, die Zellen der Trichtermündung bringen lange Geißelhaare zur Entwicklung, die, so- bald die Trichterstiele ebenfalls ein Lumen bekommen haben, sich auf die Zellen der letzteren fortsetzen. Die weitere Entwicklung der primären Harnkanälchen ist aber bei den Anuren ungemein schwer zu verfolgen, so weit dies mir möglich war, finde ich die Verhältnisse ganz eben so wie bei den Urodelen. Das obere Ende des Trichterganges buchtet sich medialwärts aus, die mediale Wand derselben stülpt sich‘ ein und stellt so auch hier die erste Anlage des Marricnr'schen Körper- chens dar (Fig. 53). Schon sehr frühzeitig tritt der Mesonephros in enge Beziehung zu den inmittelst ebenfalls angelegten Genitaldrüsen, indem von ihm sprossenförmige Verlängerungen in die genannte Drüse hineinwachsen, wie wir dies gleich noch näher betrachten werden. So leicht es ist, sich von dieser Thatsache zu überzeugen, so ungemein schwierig ist es za entscheiden, von welchem Theil der Segmentalkanälchen diese Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia. 593 Sprossen, die ich auch hier als »Genitalkanäle« bezeichnen werde, abgehen. Da bei den Anuren die Nephrostomen zeitlebens fortbestehen bleiben und man bei älteren Thieren mit Sicherheit nachweisen kann, dass bestimmte Marrıeursche Körperchen mit den Vasa efferentia (in gleich näher zu beschreibender Weise) in Zusammenhang stehen, so scheint es mir wohl kaum anders möglich, als dass es diese Marpıcmı’schen Körperehen sind, welche, wie bei den Urodelen, die sprossenförmigen Verlängerungen in die Genitaldrüsen hineinschicken; aber ich schließe dies nur aus den späteren Verhältnissen, wirklich gesehen habe ich es in jungen Entwicklungsstadien nicht. Zum Theil rührt dies wahrschein- lich daher, dass diejenigen Marrıcursschen Körperchen, welche mit den Vasa efferentia in Zusammenhang stehen, rudimentär bleiben und dass ihr Glomerulus den Hohlraum fast vollständig füllt, zum Theil wird es auch wohl dem zuzuschreiben sein, dass am medialen Nierenrande die Segmentalkanälchen und die Blutgefäße so dicht auf einander ge- drängt liegen, dass auch an den feinsten Schnitten die Verhältnisse kaum zu enträthseln sind. In einem wichtigen Punkt aber unterscheiden sich die Anuren schon recht frühzeitig von den Urodelen, bei den letztgenannten bleibt ein jedes Nephrostom mit dem Halse des Marrıcnrschen Körperchens eines jeden primären Harnkanälchens das ganze Leben hindurch in freiem Zusammenhang. Bei den Anuren dagegen löst der Trichter- stiel, sobald das Marricnr’sche Körperchen zur Ausbildung gekommen ist, seinen Zusammenhang mit dem primären Harnkanälchen, er schnürt sich von diesem immer vollständig ab, um dann, wie es scheint, als blindgeschlossene Röhre selbständig weiter zu wachsen. Denn nur auf diese Weise glaube ich die oft beträchtliche Länge erklären zu können, durch welche bei Larven und jungen Thieren die Trichterstiele sich auszeichnen. So z. B. finde ich dieselben bei Alytes-Larven 0,25 mm lang und bei ganz jungen Thieren beträgt ihre Länge selbst mehr als 0,3 mm. Auf die Verhältnisse der Nephrostomen des ausgewachsenen Thieres komme ich später zurück. Dass die Nephrostomen bei den vollkommen entwickelten unge- schwänzten Amphibien nicht mit dem Halse der Marrıcuvschen Körper- chen in Zusammenhang stehen, hat bekanntlich SrenGeu (17) schon nachgewiesen; er ließ aber die Möglichkeit offen, dass sie vielleicht mit dem vierten Abschnitt eines Harnkanälchens in Verbindung ständen. Ähnliches glaubte Anfangs Nusssaum (24) auch; in einer späteren Arbeit 594 C. K. Hoffmann, jedoch theilt dieser Forscher mit (25), dass zwar bei den Larven der anuren Batrachier die Wimpertrichter mit dem Halse der Harnkanälchen kontinuirlich zusammenhängen, im Laufe der Entwicklung jedoch von demselben abgedrängt werden, sobald nämlich der Glomerulus entfaltet ist, und das Harnkanälchen fertig ausgebildet funktionirt. Ich stimme Nusspaum hierin vollständig bei, aber in einem anderen Punkte weiche ich von ihm ab. Nach ihm münden die Wimpertrichter beiRana, Bufo und Bombinator in die Pfortadervene der Nieren, nachdem sie kurze Zeit in der Larve mit dem Halse der Harnkanälehen zusammien- gehangen haben. Einer solchen Verbindung bin ich nie begegnet, weder bei Rana, noch bei Bufo, noch bei Alytes, sondern ich sah die Nephrostomen immer blind enden. Anlage des Müller’schen Ganges, Rückbildung des Pronephros. Die Entwicklung des Mürzer’schen Ganges bei den un- gesch wänzten Amphibien gehört zu einer der schwierigst zu verstehen- den Bildungen in der Entwicklungsgeschichte des Urogenitalapparates; über ihre Anlage liegen meines Wissens noch keine Angaben vor. Bei jungen Embryonen zeigt der Segmentalgang seiner ganzen Länge nach einen ziemlich gleichförmigen Bau, er besitzt ein weites Lumen und seine Wand besteht aus einem Plattenepithel. Nachdem der Prone- phros seine größte Entfaltung erreicht hat, treten allmählich in dem zwischen Pro- und Mesonephros gelegenen Theil des Segmentalganges eigenthümliche Veränderungen ein. Das Lumen, welches z. B. beiBufo anfänglich einen Diameter von 30— 35 u besitzt, wird immer enger und enger und zeigt zuletzt eine kaum messbare Lichtung; Hand in Hand damit wandelt sich das Plattenepithel in ein niedriges, schmales Cylinderepithelium um (Fig. 54), an der Stelle, wo der Segmentalgang in den Mesonephros tritt, weitet sich seine Lichtung ziemlich plötzlich wieder aus und nimmt das Cylinderepithel auch wieder den Charakter eines Plattenepithels an. Mit der eintretenden Metamorphose fallen die ersten Erscheinungen der Rückbildung des Pronephros zusammen, zuerst schließt sich der oberste, dann der zweite Peritonealtrichter, während der untere noch offen bleibt. Mit der Schließung dieser Peritonealtrichter gehen eigenthümliche Veränderungen in den Zellen des Pronephros vor, sie schrumpfen stark, verlieren ihre Kontouren, während in und zwischen sie schwarzes Pigment (Rana, Bufo) in großer Menge sich anhäuft, was die Untersuchung sehr erschwert. Wenn der Schwanz der Thiere sich zum größten Theil zurückgebildet hat, schnürt sich der Zur Eutwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia. 595 Segmentalgang vollständig von dem Pronephros ab; es ist auch mög- lich, dass dies schon früher stattfindet, was ich mit Bestimmtheit nicht sagen kann. In diesem Stadium steht der unterste Trichter noch offen, der größte Theil des Pronephros ist jedoch bereits atrophirt. Der Mürzer’sche Gang ist jetzt noch nicht zur Anlage gekommen, bevor dies stattfindet, zeigt das Peritonealepithel, welches den noch bestehenden Theil des Pronephros bekleidet, eigenthümliche Veränderungen, indem es sich in ein hohes, schmales Cylinderepithelium umbildet; diese Um- wandlung der platten Peritonealzellen in hohe Cylinderzellen dehnt sich lateralwärts noch eine bedeutende Strecke weiter aus als der Pronephros reicht und setzt sich selbst ventralwärts noch fort. Es ist verständlich, dass der Segmentalgang, wenn der Pronephros sich von ihm abgeschnürt hat, eine nach vorn blindgeschlossene Röhre darstellt, obgleich er in diesem Stadium auf den Namen einer » Röhre« kaum Anspruch machen kann, da er fast kein Lumen besitzt. Das blinde Vorderende legt sich nun dem erhöhten Peritonealepithel des fort- während mehr und mehr sich zurückbildenden Pronephros an und verlöthet sich mit ihm. Erst nach vollkommener Metamorphose, wenn von einem äußeren Schwanz nichts mehr zu sehen ist, kommt es zu der Anlage des Mürzer’schen Ganges, der auf folgende Weise entsteht. Etwas oberhalb dem Mesonephros spaltet sich der Segmentalgang in zwei. Der eine, vorn mit blinder Spitze anfangende Kanal, der nach hinten zu die Sammelgänge der Harnkanälchen aufnimmt, ist der Worrr'sche Gang (Harn-Samenleiter des Männchens, Harnleiter des Weibchens); der andere, welcher lateralwärts von dem blinden Anfangstheil des Woırr- schen Ganges endigt, nach vorn sich bis zum Pronephros fortsetzt und mit seinem ebenfalis blindgeschlossenen Vorderende mit dem erhöhten Peritonealepithel des Pronephros sich verlöthet hat, ist der Mürzer’sche Gang, beide Gänge gliedern sich vollständig von einander ab. Nur ein kleines Stück des Mürrer’schen Ganges entsteht also durch Abspaltung von dem ursprünglichen Segmentalgang, der übrige bei Weitem größere Theil, d. i. das ganze Ostium abdominale tubae so wie der ganze nach hinten bis zur Kloake sich fortsetzende Theil, legt sich durch Neu- bildung an. Sehen wir erst wie der Mürrer’sche Gang sich in seinem oberen Einde verhält. Ungefähr zur gleichen Zeit, in welcher derselbe sich durch Spaltung des Segmentalganges anlegt, bricht sein vorderes, schon mit dem erhöhten Peritonealepithel des Pronephros verlöthetes, blindes Ende in die Leibeshöhle durch und diese so entstandene neue freie Kommunikationsöffnung des Mürızr’schen Ganges liegt in der unmittel- 596 6. K. Hoffmann, baren Nähe des noch vorhandenen letzten (untersten) Peritonealtrichters des Pronephros, der sich kurz darauf ebenfalls schließt. Die so ent- standene neue Öffnung ist aber noch nicht das Ostium abdominale tubae, wie man leicht glauben möchte; dieselbe hat eine ganz andere Bedeutung, denn sie bereitet nur die Anlage des Ostium vor. Durch sie tritt nämlich die epitheliale Wand des Mürter’schen Ganges lateral- wärts in unmittelbare Fortsetzung mit dem erhöhten Peritonealepithel des Pronephros, während sie medialwärts in das wie sonst gebaute Peritonealepithel der Leibeshöhle übergeht (siehe Fig. 56). Aus dem erstgenannten baut sich nun das vordere Ende des Mürzzr’schen Ganges durch Einfaltung weiter auf, die mit der Leibeshöhle freie Kommuni- kationsöffnung, die, wie Fig. 57 zeigt, anfänglich dorsalwärts liegt, rückt damit in gleichem Grade mehr ventralwärts, und so findet man denn auch bald an der Stelle des früheren erhöhten Peritonealepithels des Pronephros jetzt einen Kanal — die unmittelbare Fortsetzung des Mürrer’'schen Ganges, welche durch eine ventralwärts gelegene spalt- förmige Öffnung frei mit der Leibeshöhle kommunieirt. Die Umbildung des Peritonealepithels in hohe, schmale Cylinderzellen ist aber nicht auf die Gegend des Pronephros beschränkt, sondern dehnt sich von hier erst ventralwärts und später nach hinten weiter aus und öffnet somit dem Mürzzr’schen Gang die Gelegenheit sich immer weiter einzu- falten. Was von dem Pronephros jetzt noch übrig ist, abortirt mehr und mehr, verschwindet schließlich vollständig und mit ihm das MürLrer’sche Körperchen, durch den Schwund des letzteren findet das obere Ende des Mürzer’schen Ganges gleichzeitig die Gelegenheit mehr medialwärts zu rücken. So entsteht allmählich das eigenthümliche Bild, welches der Mürzer’sche Gang bei jungen Anuren (Rana, Bufo) zeigt und sich folgenderweise kennzeichnet. Der Mürzer’sche Gang bildet einen Kanal, der medial- und dorsalwärts nach vorn verläuft, in der Nähe der Lungenspitze schlägt er sich über die laterale Wand der Lunge hin, kommt so ventralwärts zu liegen, läuft in dieser Lage wieder eine Strecke nach hinten zurück, um schließlich mit einer spaltförmigen Öffnung frei in die Leibeshöhle auszumünden, seine epitheliale Wand besteht aus eylindrischen Zellen, die an der Kommunikationsöffnung allmählich in das platte Peritonealepithel der Leibeshöhle übergehen. Besser wie eine ausführlichere Beschreibung mögen Fig. 60 — 67 diese 'eigenthümlichen Verhältnisse des Mürrer’schen Ganges verdeutlichen; dieselben sind einer Querschnittserie durch einen vollkommenen, wenn auch noch sehr jungen Bufo entnommen. Am bequemsten ist es mit der Betrachtung von Fig. 60 zu beginnen. In derselben ist der Mürrer'sche Gang, der in-seinem vorderen | RR rn Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia, } 597 Theil schon bedeutend an Umfang zugenommen hat, zweimal durch- schnitten, einmal dorsalwärts und einmal ventralwärts; verfolgt man die Serie nach vorn, so nähern sich die beiden Stücke mehr und mehr, um schließlich lateralwärts in einander überzugehen. In Fig. 61 ist der dorsal, in Fig. 62 der ventral durebschnittene Theil des Mürzer’schen Ganges bei starker Vergrößerung abgebildet. Verfolgt man die Schnitt- serie nach hinten, so findet man, dass das ventrale Stück sich allmählich in das Bauchfell verliert, nur das dorsale Stück bleibt übrig, welches, wie Fig. 63 zeigt, schon an einem verhältnismäßig langen Mesometrium aufgehängt ist. Seine Wand besteht aus Cylinderzellen, von einer zarten Bindegewebshülle umgeben. Von jetzt an nimmt der Mürrer’sche Gang nach hinten ziemlich schnell an Umfang ab (siehe Fig. 64), und noch mehr nach hinten tritt medialwärts von ihm der Worrr'sche Gang auf (siehe Fig. 65), wir kommen also jetzt in die Gegend des Mesone- phros. An der lateralen Seite des Worrr'schen Ganges bleibt der Mürıer’sche Gang noch eine ziemlich große Strecke sichtbar, bald aber verschwindet sein Lumen vollständig, er zeigt sich dann auf dem Quer- schnitt nur als ein aus einem Paar Zellen bestehender Strang, besonders dadurch zu erkennen, dass das Peritonealepithel an seiner ventralen Fläche plötzlich seinen Charakter verändert undin ein Gylinderepithelium- sich umbildet. So verschwindet am Ende der Mürrer’sche Gang voll- ständig, das erhöhte Peritonealepithel setzt sich aber noch eine Strecke weit nach hinten fort (siehe Fig. 66), um endlich ebenfalls wieder in gewöhnliches Peritonealepithel überzugehen. Ich habe mehrere Embryonen untersucht, bei welchen sich der Mürrer’sche Gang neben dem Mesonephros über eine oft bedeutende Strecke angelegt hatte, aber weder beim Männchen (Rana, Bufo), noch beim Weibchen (Rana, Bufo, Alytes), habe ich je eine Ver- schmelzung des Mürzer’schen Ganges mit dem Worrr'schen Gang gesehen. _ Einmal angelegt, entwickelt sich also der Mürzzn’sche Gang nach hinten ‚ selbständig weiter, und zwar höchst wahrscheinlich unter direkter ‚ Betheiligung des Peritonealepithels, er ist aber an seinem hinteren Ende so überaus dünn, dass es selbst bei Anwendung sehr starker ‚ Vergrößerungen nicht möglich ist mit Bestimmtheit zu sagen, ob er ‚ sich einfach in dem erhöhten Peritonealepithel verliert, oder dadurch entsteht, dass das erhöhte Peritonealepithel sich als ein solider Strang einstülpt, um später erst ein Lumen zu bekommen; letzteres kommt mir am wahrscheinlichsten vor, aber sicher weiß ich es nicht. Bei noch etwas weiter entwickelten jungen Thieren kommt zuerst ‚ ein deutliches Ostium abdominale vor; das ventrale, nach hinten zu- rücklaufende Stück des Mürıer’'schen Ganges bildet sich schnell wieder 598 6. K. Hoffmann, zurück, ich finde es nämlich immer kürzer und kürzer, die spaltförmige Öffnung, durch welche dasselbe mit der Leibeshöhle kommunicirt, fängt an sich zu entfalten und bildet so die Anlage des Ostium abdominale (siehe Fig. 67—68); die Entfaltung setzt sich auf die nach der Leibes- höhle gekehrte mediale Wand der schlingenförmigen Umbiegung und so auf die ventrale Wand des dorsalwärts verlaufenden Theiles fort, der jetzt eigentlich allein den in Rede stehenden Gang darstellt, indem mit dieser Entfaltung das noch restirende ventrale, wie das laterale Stück desselben mehr und mehr zu verschwinden scheint. So entsteht schließlich die Gestalt des Ostium abdominale tubae, wie wir es bei dem ausgewachsenen Thiere kennen und das z. B. Wirpesssem (A) folgenderweise beschreibt: »Um das vordere Ende des Eileiters zu sehen, muss man den Magen mit dem Ösophogus nach vorn schlagen, worauf es im vordersten, blindsackartigen Raum des Cavum pleuro- peritoneale dicht neben der Lungenwurzel erscheint. Die hier liegende, von Flimmerepithel umsäumte Öffnung (Ostium abdominale tubae) stellt einen halbmondförmigen, ventralwärts in den Leibesraum geöfl- neten Schlitz dar und dieser führt in das trichterartig erweiterte Ende des Oviducts hin. Dorsalwärts von dieser Öffnung strahlt die Oviduetwand ohne deutliche Grenze in das wandständige Bauchfell aus. « Welche Bedeutung das bei jungen Thieren (sowohl bei Weibchen als Männchen von Rana und Bufo) ventralwärts gelegene, nach hinten zurücklaufende Stück des Mürzer’schen Ganges hat, das sich später wieder zurückbildet, ist mir durchaus unerklärbar geblieben. Für die Verhältnisse der Mürzer’schen Gänge bei ausgewachsenen Anuren verweise ich auf die schon mehrfach eitirte Arbeit von Spexeer (17). Aus dem Mitgetheilten geht also hervor, dass bei den unge- schwänzten Amphibien der Mürzzr’sche Gang nur für einen sehr kleinen Theil aus dem ursprünglichen Segmentalgang sich anlegt und zwar ist es nur ein Stück des zwischen Pro- und Mesonephros gelegenen Theiles des Segmentalganges, welches Mürrer’scher Gang wird, während dagegen der ganze übrige und zwar größte Theil desselben durch Neu- bildung sich anlegt, unter direkter Betheiligung des Peritonealepithels. Und so sehen wir denn bei den höchst entwickelten Amphibien in der Entwicklung des Mürzer’schen Ganges schon Alles vorbereitet von dem, was uns die Reptilien zeigen, bei welchem bekanntlich der Mürrer’sche Gang gänzlich durch eine lokale Einstülpung des Peri- toneums entsteht, welche mit solider Spitze in eine vorher ent- standene Falte, die sich.im Verlauf fast ganz an den Verlauf des Worrrschen Körpers anschließt, hineinwächst und bis zur Kloake GE ee fr * Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia . 599 vordringt, mit anderen Worten über seine ganze Länge durch Neu- bildung entsteht, wie Braun (18) dies in seinen sehr schönen Unter- suchungen zuerst nachgewiesen hat. Entwicklung der Geschlecehtsdrüsen. Indifferentes Stadium. Die erste Anlage der Geschlechtsdrüsen der Anuren stimmt durehaus mit der bei den Urodelen überein und besteht in einer lateral- wärts von dem (jetzt noch) Segmentalgang, medialwärts von der Aorta und Vena renalis revehens gelegenen faltenförmigen Verlängerung des Peritonealepithels, welche man auch hier als Genitalfalte bezeichnen kann. An dieser Stelle werden die Peritonealzellen bedeutend größer, einzelne derselben erfahren bald unter noch bedeutender Vergrößerung eine höhere Differenzirung, bilden sich zu Ureiern oder Vorkeimen um und werden schon frühzeitig von angrenzenden Peritonealzellen mehr oder weniger vollständig umwachsen (s. Fig. 68a). Nusssaun (24) unterscheidet in der Geschlechtsdrüsenanlage der Anuren (bei Rana fusca) zweierlei Zellen, von denen beide einen Vermehrungsprocess durchmachen, wobei dann schließlich die eine Art von Zellen » Ge- schlechtszellen« durch die andere Art Zellen »Peritonealzellen« aus einander gedrängt und umhüllt werden. Beide Arten von Zellen haben aber nach meiner Meinung einerlei Ursprung, denn beide sind Derivate des Peritonealepithels und nicht verschiedenen Ursprunges (siehe auch Fig. 69 und 70). | Ob bei den Anuren die Genitalfalte oder Urogenitalfalte, wie man sie auch nennen kann, in den allerjüngsten Entwicklungsstadien die Andeutung einer segmentalen Anlage besitzt, ist äußerst schwierig zu entscheiden. Die Entwicklung der Nephrostomen beginnt nämlich an dem hinteren Ende des Segmentalganges, die Anlage der Genitalfalte liegt Anfangs mehr nach vorn, sobald letztgenannte sich so weit nach hinten ausgedehnt hat, dass sie in den Bezirk der allmählich gleich- falls weiter nach vorn sich entwickelnden Nephrostomen gekommen ist, lässt sich eine segmentale Anordnung der Nephrostomen nicht mehr nachweisen, indem sie die Myocommata an Zahl schon bedeutend übertreffen und das macht die Entscheidung dieser Frage so überaus schwierig. Die Ureier oder Vorkeime sind in ihren jüngsten Entwicklungsstadien oft so strotzend von Dotterkörnchen gefüllt, dass es nicht gut möglich ist ihren Bau näher zu erforschen, besonders gilt dies für die Frage nach der Art, wie sie sich theilen, ob nämlich durch direkte oder indirekte Kerntheilung. Sobald aber die Dotterkörnchen mehr geschwunden sind und dadurch ein Blick in die inneren Strukturverhältnisse möglich wird, überzeugt man sich leicht, dass selbst in noch sehr jungen Ent- 600 CK. Hoffmann, wicklungsstadien Karyomitosis, d. h. indirekte Kerntheilung vorkommt. Unter reger Theilung und Umbildung neuer Peritonealzellen in Ureier nimmt die Anlage der Geschlechtsdrüse schnell an Umfang zu. Auf dem Querschnitt zeigt sie dann eine birnförmige Gestalt, der Stiel der Birne stellt die Anlage des späteren Mesovarium resp. Mesorchium vor. Deutliche Einschnürungsformen, maulbeerförmige Kerntheilung, zwei-, drei-, ja selbst mehrkernige Zellen sind auch in jungen noch ganz in- differenten Geschlechtsdrüsen keine Seltenheit, aber eben so wenig wie hei den Urodelen, kann ich in diesen Gebilden den Beweis einer direk- ten Kerntheilung finden; kommt eine solche wirklich vor, so ist sie jedenfalls nur auf die allerjüngsten Entwicklungsstadien der Genital- anlage beschränkt; ich bezweifle ihr Vorkommen aber gänzlich. Be- sonders in späteren Entwicklungsstadien, wenn sogenannte vielkernige Zellen den Hauptinhalt der Geschlechtsdrüsen bilden, überzeugt man sich leicht, dass man es hier nicht mit solchen, sondern mit Zellnestern zu thun hat; die Kontouren der ein solches Nest zusammensetzenden Zellen sind gewöhnlich nicht, oder nur äußerst schwierig zu sehen und dadurch entsteht das Bild einer vielkernigen Zelle. Begegnet man da- gegen den Elementen eines Nestes in Theilung, dann treten oft die Grenzen der einzelnen Zellen in überraschend deutlicher Weise zum Vorschein und man überzeugt sich leicht, dass man es nicht mit einer vielkernigen Zelle, sondern mit einem Zellnest zu thun hat. Sobald die Marrısurschen Körperchen zur Entfaltung gekommen sind, treten einzelne derselben, und zwar die medialwärts in der Niere gelegenen und so weit natürlich, als die Geschlechtsdrüse reicht, durch sprossenförmige Verlängerungen mit der in Rede stehenden Drüse in Verbindung, ich werde diese Sprossen wie bei den Urodelen »Genital- kanäle« nennen. Sehr schön und deutlich lässt sich dies bei Bufo nach- weisen, wo die epitheliale Wand der genannten Kanäle innerhalb der Geschlechtsdrüse sich in ein schönes, hohes Cylinderepithelium ent- faltet, wie Fig. 73, ein Querschnitt durch die Genitaldrüse eines Bufo mit rudimentären Hinterbeinen, zeigt. Bei diesem Embryo standen 12 Marrisursche Körperchen mit der Geschlechtsdrüse in Verbindung, ich zählte wenigstens 12 Genitalkanäle, ob an dem vorderen und dem hin- teren Ende der Genitaldrüse auch noch ein solcher vorhanden war, ließ sich nicht mit Sicherheit entscheiden. Unter starker Vermehrung und Vergrößerung bilden sich die Ureier in Zellnester um, die, wie ge- sagt, oft den Eindruck vielkerniger Zellen machen, indem die Kontouren der Elemente, welche ein Nest zusammensetzen, nur in bestimmten Pha- sen der Zelltheilung deutlich zum Vorschein treten. Sowohl in den Fällen, in welchen die Genitaldrüsen zu Hoden, als in den, in welehen Zur Entwieklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia. 601 sie zu Ovarien werden sollen, entstehen aus den Ureiern diese Zellnester und dadurch wird es ungemein schwierig, auch bei schon vollkommen entwickelten, aber noch sehr jungen Thieren zu entscheiden, ob man ein Männchen oder ein Weibchen vor sich hat. Den einzigen Unter- schied finde ich darin, dass in der Geschlechtsdrüse, welche Ovarium werden soll, die Genitalkanäle, welche man hier »Ovarialkanäle« nennen kann, schon frühzeitig innerhalb der Genitaldrüse sich entfalten, da- durch tritt ein gekammerter Bau des Ovarıium — besonders bei sehr jungen Thieren — recht schön hervor. Wird dagegen die Geschlechts- drüse zum Hoden, dann entfalten sich die Genitalkanäle — die sich hier später in das intratesticuläre Hodennetz umbilden — nicht, son- dern die Wände bleiben fast unmittelbar mit einander in Berührung und von einem segmentalen Bau ist hier nichts oder nur spurweise ‚etwas zu sehen. Dass die oben genannte »Segmentirung« des jungen Ovarium nicht mit derjenigen der Wirbelsäule und der Muskulatur übereinstimmt, ergiebt sich aus der oben angeführten Zahl von selbst, es wird hiermit auch einfach gesagt sein, dass die Zahl der Ovarial- fächer ursprünglich mit der von den Marrıcarschen Körperchen in die Genitaldrüse hineinwachsenden Genitalkanäle übereinstimmt. Ovarıum. In dem Falle, in welchem die Geschlechtsdrüse sich zu einem Ovarium entwickelt, wird eine der Zellen eines Nestes als bevorzugie zum Eierstockei, während die anderen sich in die Granu- losazellen umbilden. An jungen Ovarien überzeugt man sich leicht, dass die Entwicklung von Zellnestern in Ovarialeiern sammt deren Granulosa von innen nach außen fortschreitet; an der Peripherie be- gegnet man nur noch Zellnestern, medialwärts dagegen schon gut entwickelten Eierstockeiern. Jedes so entstandene Eierstockei wird allmählich von dem Ovarialkanal umwachsen, an feinen Querschnitten findet man denn auch jedes Ei wie bei den Urodelen von zwei Epithe- lialhüllen umgeben, von welchen die eine, die äußere, die unmittel- bare Fortsetzung der epithelialen Wand des Ovarialkanals darstellt, während die andere, die innere, das Granulosaepithel bildet (Fig. 7i und 75). Auf die weitere Entwicklung der Eierstockeier brauche ich hier nicht weiter einzugehen. Von dem jüngsten Stadium an, in welchem die Geschlechtsdrüse deutlich als Ovarium zu erkennen ist, bis zum vollkommen geschlechtsreifen Zustande, findet man immer noch wieder alle möglichen Entwicklungsstadien von Eierstockeiern vorhan- den; kleine Eierstockeier, Zellnester und Ureier, resp. Keimzellen, welche in ziemlich bedeutender Zahl, vereinzelt oder in kleinen Häuf- chen zwischen den Peritonealepithelzellen eingestreut liegen, trifft man 692 (. K. Hoffmann, in jedem Eierstock an und ich kann mich vollkommen mit Nusspaun vereinigen, wenn er sagt, »die Eier der erwachsenen Batrachier ent- wickeln sich in derselben Weise wie im Embryo «. In dem Bau der Eierstöcke junger und fortpflanzungsfähiger Thiere kommen kleine Unterschiede vor. Bei den ersteren liegen die Eier in mehreren Schichten, bei den anderen gewöhnlich nur in einer einzigen Schicht; in jungen Ovarien ist noch kein Stroma vorhanden, dage- gen fehlt dasselbe in dem ausgebildeten Eierstock nicht, obgleich es nur spärlich entwickelt ist. Bei Alytes dagegen besitzt auch schon der Eierstock noch sehr junger Thiere ein reiches bindegewebiges Stroma. Das Ovarıum ausgewachsener Thiere zeigt einen deutlich gekam- merten Bau; die Zahl der Ovarialfächer ist bei den verschiedenen Arten verschieden, innerhalb einer und derselben Art indessen nach SpEnGEL ziemlich beständig. Nach ihm kommt bei Pelodytes punctatus ein ein- facher, ungetheilter Hohlraum vor, das Ovarium von Alytes besitzt drei bis vier Fächer, bei Discoglossus zählte er 5, bei Ixalus und Polypeda- tus 6—8, bei Pelobates 9—12, bei Hyla 9, bei Rana 45 und bei Bufo bis zu 30 Fächer. Ob die Zahl der Ovarialfächer beim ausgewachsenen Weibchen mit derjenigen der ursprünglichen Genitalkanäle überein- stimmt, kann ich nicht sagen. Die Thatsache, dass in jungen Ovarien die Eier in mehreren Schichten liegen, macht, dass bei ihrem schnellen | Wachsthum die früheren Hohlräume zeitweilig wieder fast vollständig | verschwinden und der ebenfalls dann noch vollkommene Mangel an Stroma macht es ungemein schwierig, wenn nicht unmöglich, in be- | stimmten Phasen der Entwicklung die Ovarialkanäle zu zählen. Bei jungen Bufonen, wo die Umbildung der Zellnester in Eierstockeier an- gefangen hatte, zählte ich 12—14 Ovarialkanäle, resp. Fächer; bei dem erwachsenen Thier beträgt ihre Zahl, wie erwähnt, nach Spenge bis zu | 30; bei jungen Weibchen von Alytes zählte ich 9—10 Fächer, wäh- | rend das Ovarium des ausgewachsenen Thieres nur 5 besitzt. Dies macht es bei dem Umstande, dass die Zahl dieser Hohlräume sehr schwankt (von 1—30), sehr unwahrscheinlich, dass wir in der Anzahl | der isolirten Taschen des Ovarıum beim ausgewachsenen Thiere noch F den Ausdruck einer Segmentirung zu erblicken haben. | Hoden. Ich habe schon erwähnt, dass selbst bei vollkommen ausge- ( bildeten, aber noch sehr jungen Thieren, Hoden und Ovarium einander F durchaus ähnlich sind, und dass ich den einzigen Unterschied darin finde, | dass in dem Falle, in welchem die Genitaldrüse Ovarium werden soll, | die in dieselbe hineingewachsenen Genitalkanäle sich entfalten und so einen deutlichen segmentalen Bau hervorrufen, während anderer- | Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia. 603 seits, wenn die Genitaldrtise Hoden wird, die Genitalkanäle sich nicht entfalten, sondern mit einander in fast unmittelbarer Berührung blei- ben (Fig. 72). Mit der eintretenden Differenzirung des Geschlechts entwickeln sich die bis jetzt,einander ähnlichen Zellen eines Nestes zu zweierlei Arten von Zellen um, die einen werden Spermatogonien, die anderen zu den Spermatogonien umhüllenden Zellen. Die an einander gekehrten Enden der Genitalkanäle verwachsen mit einander und bil- den auf diese Weise die Anlage des intratesticularen Hodennetzes, welches den Ovarialkanälen demnach vollkommen homolog ist. Die aus einem jeden Zellneste hervorgegangenen Spermatogonien und deren Umhüllungszellen kommen ähnlich wie bei den Urodelen innerhalb der Hodenkanäle zu liegen, und werden so die ersten Bildungsstufen der Hodenkapseln resp. Hodenschläuche. In den jüngsten Entwicklungs- stadien sind diese Hodenschläuche solide, erst später entsteht durch Auseinanderweichen der Spermatogonien nebst ihren Umhüllungszellen die anfänglich noch sehr kleine Lichtung. Die weitere Entwicklung der Spermatogonien, Spermatocysten etc. verläuft in ähnlicher Weise wie bei den Urodelen. Am schönsten und deutlichsten finde ich das intratesticuläre Netz bei Rana entwickelt, nicht allein durch das be- deutende Lumen der dasselbe zusammensetzenden Kanäle, sondern auch durch die verhältnismäßig hohen Zellen, aus welchen ihre epi- theliale Wand besteht. Bei Bufo und Alytes ist dagegen die Lichtung der in Rede stehenden Kanäle überaus gering und die epitheliale Wand besteht aus Zellen, die sehr stark abgeplattet, fast spindelförmig sind, dadurch wird die Erkennung des Verlaufes des intratestieulären Netzes hier viel schwieriger als es bei Rana der Fall ist. Die Entwicklung der Spermatozoiden habe ich nicht untersucht, sondern verweise auf die Abhandlungen von ı1 VaLrrre Sr. George, der sich eingehend damit beschäftigt hat. Obgleich die Entwicklung der Geschlechtsprodukte bei den Anuren _ der Hauptsache nach mit der bei den Urodelen übereinstimmt, so kom- / men zwischen beiden doch kleine Unterschiede vor. Bei den Anuren ent- stehen aus den Ureiern nach wiederholten Theilungen große Zellnester und das Geschlecht bleibt sehr lange Zeit indifferent. Entwickelt sich I | | ‚später aus der Geschlechtsdrüse ein Ovarium, so wird aus jedem Neste | eine Zelle als die bevorzugte zum Ovarialei, welches durch die übrigen ‚als Granulosa umhüllt wird. Entsteht aus der Geschlechtsdrüse ein Hoden, so bilden sich die Elemente eines Nestes zum Theil in Spermato- ‚ gonien, zum Theil in die Spermatogonien umhüllenden Zellen um. Bei den Urodelen dagegen differenzirt sich das Geschlecht schon Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLIV. Ba. 39 604 6. K. Hoffmann, sehr frühzeitig, von Zellnestern kann man hier kaum reden, denn schon nach verhältnismäßig wenigen Theilungen bilden sich beim Weibchen die Ureier zu Eierstockeiern um, während dieselben beim Männchen Spermatogonien werden. Zwischen den Ureiern liegen Zellen, welche sich sowohl von dem Peritonealepithel wie von den Ureiern selbst unterscheiden; dieselben sind als Keimepithelzellen zu betrachten, welchen nur die untergeordnete Rolle zugetheilt ist, bei der Differen- zirung des Geschlechts das in ein Eierstockei sich umbildende Urei als Granulosa, und das in ein Spermatogonium sich entwickelnde Urei mehr oder weniger follikelartig zu umhüllen. Zwitterbildung. Zwitterbildung scheint bei den anuren Ba- trachiern nicht selten zu sein, am ausgeprägtesten und allgemeinsten kommt sie bei den Bufonen vor. Betrachten wir zuerst das eigenthüm- liche Organ, welches sowohl beim Krötenweibchen, wie beim Kröten- männchen dem vorderen Ende der wirklichen Geschlechtsdrüse aufsitzt. Es war Jacopson (2), der zuerst auf das Vorkommen eines eigenthüm- lichen Organs an der Spitze des Hodens beim erwachsenen Männchen aufmerksam machte, und dieses als rudimentären Eierstock beschreibt. von Wiırricn (6) wies ferner nach, dass der obere Theil der Ge- schlechtsdrüse sich schon äußerst frühzeitig zu einer vollkommen weib- lichen Geschlechtsdrüse bei allen Larven entwickelt. Schon in sehr frühen Zeiten findet man nach ihm sowohl bei den sich zu Männchen, wie hei den sich zu Weibchen ausbildenden Thieren in dieser vorderen An- schwellung mit Dottermasse und Eikapseln umgebene Keimbläschen mit ihren Flecken. Später wurde dasselbe von Bınper (%), Leyvic (5), LA VA- LETTE ST. GEORGE (48), SPENGEL (17), Nussgaum (24), MARSHALL (43) und Bourxz (2%) noch genauer untersucht. vox Wırrich und SPENGEL wiesen sein Vor- kommen auch beim erwachsenen Weibchen nach, Letzigenannter giebt an, dass nicht allein bei jungen Weibchen, sondern auch noch später bei fortpflanzungsfähigen weiblichen Thieren Reste davon sich erhalten, während Nusssaum seine Entwicklung genauer untersuchte. Über die Be- deutung des in Rede stehenden Organs herrscht noch Zweifel. von Wır- rıcH (6) bezeichnet es als »rudimentäres Ovarium«, Bipper (4) als » acces- sorisches Organ«. SrenGer (17) nennt es das »Bınper’sche Organ«, nimmt aber auch keinen Anstand, die von Wırricn herrührende Bezeichnung des- selben als »rudimentäres Ovarium« beizubehalten, betrachtet es aber als ein Hindernis dieser Auffassung, dass man gezwungen sein würde, auch dem Weibchen ein »rudimentäres Ovarium« außer dem typischen Eier- stock zuzuschreiben, ein Umstand, der ihm auch noch später Schwierig- | keiten bereitet (45). Nusssaun (24), der dasselbe »rudimentären Eierstock | oder Hodeneierstock« nennt, erklärt sich der von Wiırricu herrühren- | "um 222 107 Zn li Tr Be a = Ken | | \ Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia. 605 den Deutung anschließen zu können. Auch die beiden englischen Forscher MarsHarL (43) und Bourne (44) sind der Ansicht, dass die Exi- stenz des genannten Organs beim Weibchen nicht gegen die Deutung desselben als »rudimentäres Ovarium« sprechen könne oder wenigstens zu sprechen brauche, denn man kann sagen, hier schlage in beiden Geschlechtern der vordere Abschnitt der indifferenten Geschlechtsdrüse eine weibliche Entwicklungsrichtung ein. Meiner Meinung nach ist das in Rede stehende Gebilde nichts An- deres als eine wirkliche Zwitterdrüse und ich werde versuchen den Beweis dafür zu liefern. In seinem ersten Entwicklungsstadium unter- scheidet es sich in nichts von dem übrigen Theil der noch vollständig indifferenten Geschlechtsdrüse, man findet dieselben Zellnester, von welchen schon oben die Rede war, nur finde ich, dass diese Nester be- ziehungsweise aus wenigen Zellen bestehen. Bildern sogenannter maul- beerförmiger Kerntheilung, worauf Nusspaun schon hingewiesen hat, begegnet man hier recht zahlreich, ob sie aber wirklich der Ausdruck direkter Kerntheilung sind, kommt mir hier eben so fraglich vor, als in den übrigen Theilen der Geschlechtsdrüse, um so mehr als ich in etwas älteren Entwicklungsstadien deutliche Karyomitose gesehen habe. Schon frühzeitig aber tritt in dem Abschnitt der Genitaldrüsenan- lage, welcher sich zu der Zwitterdrüse umbilden wird, eine eigenthüm- liche Differenzirung auf, denn sowohl beim Weibchen als beim Männ- chen entstehen aus den hier gelegenen Zellnestern zweierlei Art Gebilde. Die eine, echten Eierstockeiern durchaus ähnliche, und wie diese von einer Granulosa umhüllt, werde ich, im Gegensatz zu den wirklichen, reifungsfähigen Eierstockeiern »rudimentäre Eier« nennen, denn zur Reifung und Ausstoßung derselben kommt es nie, die anderen bilden rudimentäre Hodenschläuche, die kein Lumen besitzen und in welchen es niemals zur Reifung und Entwicklung von Spermatozoiden kommt. Die Anlage beiderlei Art Gebilde tritt schon auf, wenn der weiter nach hinten gelegene Theil der Geschlechtsdrüse sich noch in einem vollkommen indifferenten Zustande befindet. Sehen wir erst wie die Verhältnisse beim Männchen sind. Die rudimentären Eier wachsen ziemlich schnell und werden wie die echten’Eierstockeier von einer Fortsetzung der Genitalkanäle umwachsen, so dass auch hier jedes Ei eine doppelte epitheliale Hülle besitzt. Die Genitalkanäle ent- falten sich hier jedoch nicht, sondern die einzelnen Eier berühren ein- ander fast unmittelbar, dadurch wird es so ungemein schwierig zwi- schen den schnell zu ziemlicher Größe heranwachsenden rudimentären Eiern die kleinen rudimentären Hodenschläuche zu finden; erst nach- dem ich dieselben bei erwachsenen Männchen, wo die Verhält- 39* 606 6. K. Hoffmann, nisse günstiger sind, gesehen hatte, war es mir möglich sie auch bei jungen Männchen aufzufinden. Bei den ausgewachsenen Männ- chen nämlich liegen die rudimentären Eier mehr lose in einem an Blutgefäßen sehr reichen, bindegewebigen Stroma, das bei jungen Thieren noch fast vollständig fehlt. Außerdem ist es hier zu der An- lage eines üungekammerten centralen Hohlraumes gekommen, dessen Vorkommen schon MarsnaLL erwähnt. Hier begegnet man nun zwi- schen den rudimentären Eiern ganz deutlichen, rudimentären Hoden- schläuchen, die jedoch, wie gesagt, kein Lumen besitzen und in welchen es nie zur Entwicklung und Reifung von Spermatozoiden kommt (siehe Fig. 74). Sowohl die rudimentären Eier wie die rudi- mentären Hodenschläuche erfahren eine fortwährende Neubildung und Rückbildung. Ureier, Zellnester, von einer Granulosa umgebene rudi- mentäre Eier in verschiedener Größe und Ausbildung, so wie kleine rudimentäre Hodenschläuche, wie man sie auch noch bei fortpflanzungs- fähigen Männchen findet, geben das Zeugnis einer fortwährenden Neu- bildung ab. Die Zwitterbildung ist aber nicht auf den vorderen Theil der Geschlechtsdrüse beschränkt, sondern dehnt sich über den ganzen Hoden hin aus. Fast in jedem Hoden findet man hier und dort zwischen den Hodenschläuchen selbst vollständig geschlechtsreifer Männchen große und wieder in Rückbildung sich befindende rudimentäre Eier. Zum Theil werden dieselben wohl von dem oberen so eben beschrie- benen Abschnitt zwischen die Hodenschläuche eingewandert sein, zum Theil haben sie jedoch ganz bestimmt einen anderen Ursprung. Das Peritonealepithel des Hodens zeigt nämlich vereinzelte, aber sehr deut- lich erkennbare Ureier resp. Keimzellen, die sich in Zellnester und rudimentäre Eier umbilden, welche in Bau und Größe vollkommen mit den genannten oberen Abschnitten übereinstimmen. An der Peripherie gebildet, rücken diese rudimentären Eier nachher unter allmählicher Größenzunahme zwischen die Hodenschläuche, um darauf wieder einer regressiven Metamorphose anheimzufallen. In dem oberen Theil des Hodens, der sowohl rudimentäre Eier wie rudimentäre Hodenschläuche | enthält, und den man also vielleicht am besten mit dem Namen »rudi- mentäre Zwitterdrüse« bezeichnet, sind die letztgenannten bedeutend weniger zahlreich als die rudimentären Eier, die außerdem, wie er- wähnt, durch den ganzen Hoden hin verbreitet vorkommen. Mit diesem Zwitterzustande des Hodens steht die mächtige Ausbildung, welche die Tube bei den Krötenmännchen erhält, in vollem Einklang. Die Verhältnisse beim Weibchen sind, was die früheren Entwick- lungsstadien betrifft, denen des Männchens vollkommen ähnlich. Auch hier erweist sich das Bıpprr’sche Organ als eine wahre Zwitterdrüse. Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia. 607 Zwischen den rudimentären Eiern begegnet man Zellhaufen, die ganz den rudimentären Hodenschläuchen des Männchens entsprechen (siehe Fig. 55). Wenn sich das Geschlecht differenzirt hat und die wahren Eierstockeier zu einer gewissen Größe herangewachsen sind, entsteht allmählich ein Stadium, in welchem die rudimentäre Zwitterdrüse sich in nichts von dem wahren Eierstock unterscheidet, um so weniger als man auch im letzteren ganz ähnliche rudimentäre Hodenschläuche an- trifft, als oben für die Zwitterdrüse beschrieben sind. Die rudimen- tären Eier bleiben aber auf einer gewissen Bildungsstufe stehen, wäh- rend die wahren Eier fortwährend an Größe zunehmen, so dass später wieder ein deutlicher Unterschied zwischen Zwitterdrüse und Ge- schlechtsdrüse entsteht, erstgenannte bildet sich dann, wie schon er- wähnt, bei zwei- und dreijährigen Thieren wieder zurück, ohne indessen je vollkommen zu verschwinden. Bei letztgenannten zeigt dieselbe aber einen ganz eigenthümlichen Bau, wie aus Längsschnitten am besten hervorgeht. An der Peripherie derselben begegnet man — unmittelbar unter dem Peritonealepithel — mehreren Reihen großer Zellen, zwi- schen welchen Zellnester zerstreut liegen (Fig. 79). Nach hinten zu gehen diese Zellen allmählich in das einschichtige Peritoneal- resp. Keimepi- thel des echten Ovariums über. Die meisten dieser Zellen machen den Eindruck sehr junger Eierstockeier, sie besitzen einen großen Kern, der ein oder einige wenige Kernkörperchen einschließt, und werden durch andere kleinere Zellen follikelartig umhüllt. Hier und dort ist eine derselben zu einer bedeutenden Größe angewachsen und unter- scheidet sich dann in nichts von einem wahren jungen Eierstockei und wird wie dieses von einer Granulosa umgeben. Andererseits findet man aber auch Zellen, die bedeutend kleiner als die eben erwähnten sind, sie werden ebenfalls durch schmalkernige Zellen follikelartig umhüllt, liegen sammt ihren Umhüllungszellen in kleinen Häufchen bei einander und machen ganz den Eindruck rudimentärer Hodenschläuche; ich ' werde dieselben auch als solche bezeichnen. Beiderlei Gebilde gehen aber sehr bald an Ort und Stelle wieder zu Grunde, die am meisten centralwärts gelegenen (Fig. 79 bei «) zeigen nämlich schon eine fettige Degeneration und der ganze centrale Theil der Zwitterdrüse besteht hier aus Häufchen gelber Fettkörnchen, welche durch ein schwaches bindegewebiges Stroma von einander getrennt werden. Aus dem Mitgetheilten dürfte demnach wohl hervorgehen, dass das , Bipper'sche Organ sowohl beim Weibchen, wie beim Männchen als eine rudimentäre Zwitterdrüse zu betrachten ist. Rudimentäre Hodenschläuche habe ich in dem Ovarium vollkom- men ausgewachsener Weibchen nicht mehr angetroffen. Zwitterbildung 608 CK. Hoffinann, ist aber nicht auf Bufo beschränkt, sie kommt — und wie es scheint recht häufig — auch bei den Fröschen vor. Nach E. Prrücer (41) sind bei den alten braunen Grasfröschen in Utrecht, Königsberg und Bonn Männchen und Weibchen in gleicher Zahl vertreten, während bei den jungen überall ein bald größeres, bald geringeres Zurücktreten des männlichen Geschlechts bemerkt wird. Der Procentgehalt für das männliche Geschlecht bei den jungen scheint von Null bis 50%, zu schwanken, 50°/, aber nie zu übersteigen. Es giebt — wie PFLüGer hervorhebt — bei den jungen Fröschen dreierlei Art von Thieren: Männ- chen, Weibchen und Hermaphroditen. Im Laufe der Entwicklung ver- wandeln sich die Hermaphroditen in definitive Weibchen oder Männ- chen. Wenn nun bei einem Hermaphroditen, der später ein Männchen wird, das Eierstockgewebe sehr stark entwickelt ist, so nimmt die Geschlechtsdrüse in ihrem äußeren Habitus, und natürlich auch bei mikroskopischer Untersuchung ganz den Charakter eines Eierstocks an. Das Thier ist trotzdem später ein Männchen. Da also schon diejenigen Hermaphroditen, welche später sich in Männchen verwandeln, für weiblich hei der Untersuchung angesprochen werden, ist es für die Hermaphroditen, aus denen später wirklich Weibchen entstehen, natür- lich auch der Fall. Je nach dem Grade der Entwicklung des Herma- phroditismus scheint dann das männliche Geschlecht bald mehr, bald weniger zurückgedrängt. Prrüger hat mit solch großen Zahlen gearbeitet, dass meine Re- sultate, die nur an einer sehr spärlichen Zahl von Fröschen gewon- nen sind, gar kein Gewicht in die Schale legen. Ich habe die Hoden von eirca 20 braunen Grasfröschen untersucht, welche noch im ersten Lebensjahr standen und zwar Brut im September, Oktober, November und December desselben Jahres. Unter diesen befand sich nur ein Individuum, dessen Geschlechtsdrüse als eine Zwitterdrüse sich erwies, aber mit hervorragendem männlichen Charakter. Die Untersuchung | aller genannten Hoden geschah auf feinen Schnittserien (Schnitten von höchstens 0,015 mm Dicke). Bei der eben erwähnten Zwitterdrüse be- gegnete ich zahlreichen rudimentären Eiern, die größten hatten einen | Durchmesser von 0,070 mm und lagen überall zwischen den Hoden- schläuchen zerstreut. Bei der Präparation der Urogenitalorgane war | der eine Hoden abgerissen, so dass ich nicht sagen kann, ob die Zwit- terbildung symmetrisch oder nur auf den einen untersuchten Hoden beschränkt war. Wie gesagt ist die Zahl der untersuchten Thiere eine | zu geringe, um irgend ein Gewicht in die Schale zu legen, aber sie ist, wie mir scheint, doch groß genug, um nachzuweisen, dass die Zwitter- | bildung bei den Fröschen sehr variabel ist. Zur Eutwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia. 609 Hodennetz. Sowohl beim Männchen wie beim Weibchen steht die Geschlechtsdrüse in direkter Verbindung mit der Niere, indem, wie wir gesehen haben, bestimmte Marricurssche Körperchen sprossenför- mige Verlängerungen in die Genitaldrüse hineinschicken, die beim Weibchen zu den Ovarialkanälen, beim Männchen zu den Hodenkanä- len — dem intratestieulären Netz — sich entwickeln. Wenn in späte- ren Stadien die Genitaldrüse zu größerer Entfaltung gekommen ist und Hand in Hand damit das Mesovarium resp. Mesorchium sich angelegt hat, kann man den in dem Mesovarium resp. Mesorchium verlaufenden Theil der Geschlechtskanäle als das extraovariale, resp. extratesticuläre Netz bezeichnen. Bei jungen Weibchen ist das erstgenannte noch sehr deut- lich nachzuweisen, die Wände der Kanäle liegen aber unmittelbar an einander, eine Lichtung ist nicht vorhanden, später scheint es zum srößten Theil wieder zu abortiren. Beim Männchen dagegen bleibt das extratesticuläre Netz fortbestehen, bildet die schon von Bınper in ganz trefflicher Weise beschriebenen, durch Anastomosen zu,einem Netzwerk verbundenen Querkanäle, welche er als »Vasa efferentia« bezeichnet und stellt den Abführungsweg des Samens dar. Schon in sehr frühen Entwicklungsstadien, noch bevor das Ge- schlecht sich differenzirt hat, entsteht aus dem innerhalb der Niere ge- legenen Theil der Genitalkanäle durch Sprossung und Verwachsung ein am medialen Nierenrande verlaufender Kanal, der sogenannte Längs- kanal, der also dem zwischen Hoden und Niere gelegenen Längskanal der Urodelen vollkommen homolog ist. Bei Bufo und Rana streckt dieser Kanal sich durch die ganze Länge der Niere hin aus. Betrachten wir erst die Verhältnisse bei dem männlichen Rana etwas genauer. ' Was von dem intratesticulären Netz gesagt ist, gilt auch von dem extra- testiculären — den Vasa efferentia —, dass dieselben nämlich eine sehr deutliche Lichtung haben. Der Längskanal ist sehr dünn, er be- sitzt ebenfalls eine sehr deutliche Lichtung, seine Wand besteht, wie ‚ die des Hodennetzes, aus niedrigen Cylinderzellen. SrenseL beschreibt ihn folgendermaßen: »der eigentliche Längskanal ist nur sehr dünn, von seiner lateralen Wand entspringen in großer Anzahl Kanäle, welche ‚ quer durch die Niere hindurchziehen, sich zum Theil mit einander ver- ‚ einigen und endlich in den Harnleiter eintreten. An der Stelle, wo | diese Kanäle den Längskanal verlassen, besitzen sie eine ampullenartige _ Erweiterung, wodurch das varicöse Aussehen des Längskanales bedingt wird. Ob diese Ampullen ursprünglich Marpicnrsche Körperchen ge- wesen sind, deren Glomerulus sich zurückgebildet oder gar nicht ent- wickelt hat, muss die Untersuchung der Entwicklungsgeschichte lehren. Beim erwachsenen Thiere ist jedenfalls kein Glomerulus vorhanden, 610 C. K. Hoffmann, auch ist das diesen auskleidende Epithel eylindrisch und nicht pflaster- förmig, wie in den Marriscnr’schen Körperchen. Die aus den Ampullen hervorgehenden Kanäle endlich gleichen nicht einem Hals, sondern charakterisiren sich in mehrfacher Beziehung als Sammelröhren. Sie besitzen nicht nur dasselbe Epithel wie diese, sondern nehmen in der That von der ventralen Nierenfläche her eine Anzahl von Harnkanälchen auf«. Dieser ausgezeichnet korrekten Beschreibung kann ich noch Folgen- des hinzufügen. Die ampullenartige Erweiterung ist wirklich nichts Anderes als ein Marrisnur’sches Körperchen, dessen Glomerulus sich zu- rückgebildet hat. Untersucht man junge, im ersten Lebensjahr stehende Frösche, so sieht man, dass von dem Längskanal kurze Querzweige ab- gehen, welche in Marricnische Körperchen ausmünden. Man kann dieselben die »intrarenalen Vasa efferentia« nennen. Der Glomerulus dieser Körperchen, der Anfangs den Hohlraum fast vollständig füllt, wird später sehr rudimentär, er enthält äußerst wenig Blutgefäße, be- steht der Hauptsache nach nur aus dicht auf einander gedrängten Zel- len und färbt sich viel intensiver als der Glomerulus der anderen Marricurschen Körperchen (siehe Fig. 76). Schon sehr frühzeitig, selbst schon bei einjährigen Fröschen, abortirt dieser rudimentäre Glomerulus vollständig, nur äußerst selten bleibt er in einzelnen Marrıcnr’schen Körperchen fortbestehen, was selbst noch bei fortpflanzungsfähigen Thieren der Fall sein kann, obgleich er dann winzig klein ist. Das die Marpisursche Kapsel auskleidende Pflasterepithel bildet sich ebenfalls frühzeitig — aber wie es scheint ganz unabhängig von der Rückbildung des Glomerulus — in ein niedriges, schmales Gylinderepithelium um, was auch in den Fällen stattfindet, in welchen der rudimentäre Glome- rulus nicht vollständig verschwindet, sondern fortbestehen bleibt (Fig. 77). Schon bei ganz jungen Thieren, wenn die Erkennung des Geschlechts oft noch kaum möglich ist, unterscheiden sich die von diesen rudimen- tären Marrpicurschen Körperchen entspringenden und hauptsächlich für | die Abfuhr des Samens dienenden Harnkanälchen von den wirklichen ' Harnkanälchen, mit denen sie sonst völlig homolog sind, indem sie ein Epithel besitzen, welches aus dicht an einander gedrängten, schma- len Cylinderzellen besteht, die besonders durch die sehr starke Färbung ihrer großen länglichen Kerne sich ganz auffallend von den eigentlichen Harnkanälchen unterscheiden. Diese Harnsamenkanälchen münden in die oben genannten Querkanäle aus, welche bei jungen Thieren noch ganz ähnlich den sonstigen Sammelröhren sich verhalten. Bei älteren | Thieren weitet sich dann das Lumen dieser Querkanäle sehr stark aus, | ihr Epithel ändert sich ebenfalls in sehr dicht gedrängte Cylinderzel- | len um, und die genannten Harnsamenkanälchen, welche von Anfang an | onen | Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia, 611 nur sehr kurze, wenig geschlängelte Röhrchen bilden, verkürzen sich spä- ter noch bedeutend mehr, indem sie sich fast vollständig zurückbilden. Bekanntlich verdanken wir Hzıpenxnain (9) die wichtige Mittheilung, ‚dass in dem zweifellos den Harn bereitenden Theile der Niere von einer Verbindung der Marrıcurschen Körperchen mit den Samenwegen nicht die Rede ist, sondern dass sie erst in den großen Ausflussröhren des Harns stattfindet, was SpENGEL später, wie wir gesehen haben, bestätigt hat. Der verhältnismäßig kolossale Durchmesser der Querkanäle beim ausgewachsenen Thier gestattet dem Sperma unmittelbar aus dem Längskanal in den Worrr'schen Gang sich zu ergießen, und auf diesem Wege findet es den geringsten Widerstand; dies erklärt denn auch, warum das Sperma niemals in die mit den Querkanälen zusammen- ‚hängenden Harnkanälchen übergeführt wird. An sehr jungen Fröschen lässt sich am besten nachweisen, dass das aus dem Längskanal in das (rudimentäre) Marrısnsche Körperchen eintretende kurze intrarenale Vas efferens nicht — wie bei den Tritonen — gegenüber dem aus der Kapsel hervorgehenden »Hals« hervorgeht, sondern dass beide einander näher gerückt sind. Die Verhältnisse bei Bufo weichen nur in so weit von Rana ab, als ‚sie so zu sagen einen Zustand bleibend repräsentiren, welcher bei Rana nur vorübergehend beim jungen Thier beobachtet wird. Die Kanäle, welche das extratesticuläre Netz bilden, besitzen ein sehr enges Lumen, bei jungen Thieren liegen die Wände fast unmittelbar an ein- ander. Der Longitudinalkanal ist selbst bei geschlechtsreifen Männchen schwierig nachzuweisen, bei jungen Thieren war es mir selbst durchaus unmöglich, erst bei ganz ausgewachsenen Individuen, bei welchen die epitheliale Wand des Längskanals, so wie die Vasa efferentia — das extratesticuläre Netz — deutlicher den Charakter eines Cylinderepithels angenommen hat, gelingt es leichter. Von dem Längskanal entspringen wie bei Rana kurze Querkanälchen — intrarenale Vasa eflerentia —, die in bestimmten Marrıcuischen Körperchen ausmünden (Fig. 80). Der Glomerulus dieser Kapseln bleibt auch beim geschlechtsreifen Männchen fortbestehen, er ist aber rudimentär, besteht wie bei Rana fast nur aus einem Häufchen dicht an einander gedrängter Zellen, besitzt nur wenig Blutgefäße, füllt aber den Hohlraum der Kapsel fast völlig aus, indem die in Rede stehenden Marricur’schen Körperchen selbst im Ver- hältnis zu den anderen bedeutend kleiner sind. — Der Hals dieser Marpicarschen Körperchen liest gerade gegenüber der Einmündungs- stelle des so eben genannten aus dem Längskanal entspringenden intrarenalen Vas efferens, die Verhältnisse sind hier also ähnlich wie bei Triton. Der Hals der genannten rudimentären Marrisarschen 612 C. K. Hoffmann, Körperchen setzt sich in das schlingenförmig gewundene Harnsamen- 'röhrchen fort, dessen Epithel hier ebenfalls aus schmalen eylindrischen Zellen besteht (s. Fig. 80), welche durch ihre viel intensivere Färbung sich sofort von denen der eigentlichen Harnkanälchen unterscheiden, Diese Harnsamenkanälchen münden in Kanäle aus, welche die Niere in aquerer Richtung durchsetzen, ganz ähnlich wie bei Rana von der ven- tralen Nierenfläche her eine Anzahl von Harnkanälchen aufnehmen und nur hierin von den Querkanälen der Froschniere sich unterscheiden, dass sie nur ein sehr enges Lumen haben und sich in fast gar nichts von anderen Sammelröhren unterscheiden. Demnach ergiebt sich also, dass die Ausführungswege des Samens bei Bufo und Rana der Hauptsache nach vollkommen mit einander übereinstimmen. Bei beiden entsteht durch Sprossung und Verwach- sung der Genitalkanäle innerhalb der Niere der genannte Längskanal. Die Marpısursschen Körperchen, von welchen die Genitalkanäle abgehen, entwickeln sich rudimentär; bei Bufo bleiben sie in diesem Zustande zeitlebens fortbestehen, bei Rana bilden sie sich gewöhnlich vollständig wieder zurück, und die Höhlung des ursprünglichen Marrientschen Kör- perchens stellt später, unter Umwandlung seines Pflasterepithels in ein Cylinderepithel, die ampullenartige Erweiterung dar, welche dem Längs- kanal aufsitzt. Bei Bufo setzen sich die für die Abführung des Samens dienenden Marricnui’schen Körperchen in schlingenförmig gewundene Harnsamenröhrchen fort, deren Epithel durch ihren eigenthümlichen Bau und besonders durch ihre intensive Färbung sich sofort von dem der eigentlichen Harnkanälchen unterscheidet; sie münden in quer durch die Niere ziehende Kanäle aus, welche Sammelröhren durchaus ähnlich sind und von der ventralen Nierenfläche her eine Anzahl Harn- kanälchen aufnehmen. Ä Bei Rana scheint sich der größte Theil des aus dem rudimentären Marriscnrschen Körperchen entspringenden und für die Abfuhr des Samens dienenden nur kurzen und wenig gewundenen Röhrchens wie- der zurückzubilden, denn die ampullenartigen Erweiterungen — die früheren rudimentären Marpicnrschen Körperechen — setzen sich fast unmittelbar in die Querkanäle fort, die eben so wie bei Bufo von der | ventralen Nierenfläche eine Anzahl Harnkanälchen aufnehmen und da- durch als wirkliche Sammelröhren sich erweisen, die aber durch ihr verhältnismäßig sehr weites Lumen und das sie auskleidende Epithel von den übrigen Sammelröhren sich wieder unterscheiden. In dieser Beziehung scheint demnach Rana höher organisirt als Bufo. Bei Rana und Bufo setzt sich der Längskanal und die genannten Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia. 613 Querkanäle durch die ganze Länge der Niere hin fort, obgleich der Hoden niemals so weit nach hinten reicht, selbst nicht bei jungen Thieren. Es sind also nicht allein diejenigen Marrıcur'schen Körper- chen, von welchen die Genitalkanäle abgehen, die, durch Sprossung und Verwachsung der genannten Kanäle, an der Bildung des Längs- kanales sich betheiligen, sondern an derselben nehmen auch die am medialen Nierenrande gelegenen Marricnrschen Körperchen Theil, welche weiter nach hinten reichen als der Hoden sich ausstreckt und in keine Beziehung zu der Geschlechtsniere treten. Vielleicht deutet dies darauf hin, dass ursprünglich bei den anuren Batrachiern die Ge- schlechtsdrüse eben so weit nach hinten als die Niere reichte, und beiderlei Organe über ihrer ganzen Länge mit einander in Verbindung traten. Dass bei Rana der Längskanal auch beim Weibchen nicht fehlt, hat Bınper bereits nachgewiesen und wurde nachher durch Spencer be- stätigt. Ein Zerfall der Niere in zwei Theile, eine Geschlechtsniere und eine Beckenniere, wie dies bei den Urodelen’ vorkommt, fehlt be- kanntlich bei den Anuren. Das Fortbestehenbleiben der Nephrostomen in der Beckenniere beim Männchen und Weibchen der erstgenannten giebt ein vortreffliches Mittel an die Hand, selbst beim ausgewachsenen Thiere die primären Segmental- (Harn-) Kanälchen von den sekundären zu unterscheiden. Bei den Anuren ist dies unmöglich, indem schon in sehr jungen Entwicklungsstadien, die Nephrostomen oder lieber gesagt die Trichterstiele, von den Marricnrschen Körperchen, mit welchen sie in Zusammenhang standen, abgedrängt werden, die primären und sekundären Harnkanälchen unterscheiden sich demnach in nichts von einander. Schon bei den Urodelen ist durch Srenser hervorgehoben, dass nicht selten zwei Trichterstiele sich zu einem gemeinsamen Nephrostom vereinigten, während umgekehrt ein Trichterstiel sich theilte und mit zwei Nephrostomen sich verbände. Ganz dasselbe kommt nach ihm bei den Anuren vor und zwar so oft, dass diese Bildungen fast die Regel sind. Auch können — wie er sagt — drei oder vier Trichterstiele eine Mündung besitzen und eben so viele Nephrostomen sich mit ihren Stielen in einen Kanal öffnen. Nicht selten vereinigen sich zwei aus einem gemeinsamen Nephrostom entsprungene Trichterstiele mit einan- der. Die Verbindung benachbarter Kanäle kann ferner bald in größerer, ‚ bald in geringerer Ausdehnung erfolgen, so dass man eine Verschmel- ‚, zung der Trichter und eine solche der Trichterstiele unterscheiden ‚ könnte. Die Form der verschmolzenen Nephrostomen ist danach eine | verschiedene ; bald sind sie mehr kegelförmig, bald mehr glockenförmig 4 | 614 C. K, Hoffmann, und bauchig aufgetrieben mit oft enger, wie eingeschnürter Öffnung, Obgleich ich über die Bildung dieser sonderbaren Formen von Trichter- stielen und Trichteröffnungen nichts zu sagen vermag, so scheint es mir dennoch unzweifelhaft, dass dieselben sich erst sekundär herausbilden, indem — wie gesagt — die Trichterstiele schon in sehr frühen Ent- wicklungsstadien sich abschnüren und die so eben genannten ünd von Spenge beschriebenen Formen bei ganz jungen Thieren nur ausnahms- weise angetroffen werden. Knorpelfische. Es sind bekanntlich Semrer’s bahnbrechende Untersuchungen »über das Urogenitalsystem der Plagiostomen und seine Bedeutung für das der übrigen Wirbelthiere« (15) gewesen, welche die Grundlage unserer jetzigen Kenntnis der Urogenitalorgane bilden; mit wenigen und jedenfalls nur untergeordneten Differenzen sind dieselben später durch Barrour (20) vollkommen bestätigt. Vergleicht man die Resultate, zu welchen Srmrer in seinen oben- genannten berühmten Untersuchungen für die Selachii gekommen ist, mit denen, welche wir bei den Amphibien gefunden haben, so sehen wir neben großer Gleichförmigkeit auch einige, zum Theil selbst nicht un- wichtige Unterschiede, und besonders gilt dies für die Anlage der Geni- talkanäle, welche beim Männchen sich später zu den Vasa efferentia umbilden. Nach Semper entstehen nämlich bei den Selachiern sowohl die Vasa efferentia, wie der Centralkanal des Hodens und der Längskanal (Nierenrandkanal: Semper) unmittelbar aus den Segmentalkanälchen resp. Nephrostomen (Segmentalgänge: Srmper) selbst, während diesel- ben bei den Amphibien nicht Produkte der Nephrostomen, sondern der Marrıicnrschen Körperchen und demnach nicht unmittelbare, sondern nur mittelbare Derivate der Segmentalkanäle sind. Nachdem SpEnGEL die interessante Entdeckung gemacht hat, dass bei jungen Urodelen- männchen jedes Marrısursche Körperchen der Geschlechtsniere ein Nephrostom, ein Sammelrohr und ein Vas efferens besitzt, hat BaLrour schon auf den wichtigen Unterschied hingewiesen, welcher in dieser Beziehung zwischen Selachiern und Amphibien besteht. Er sagt: »1 myself at first unhesitatingly accepted Srmrer’s views, and it was not till after the study of the paper of Dr. Spencer on the Amphibian kidney that I come to have my doubts as to their accuracy. The arrangement of the parts in most Amphibians is strikingly similar to that in Elasmo- | branchs. From the testis come transverse canals corresponding with | my vasa efferentia; these fall into a longitudinal canal of the kidneys, from which again, as in Squatina, Mustelus and Centrina, canals (the Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia. 615 Vasa efferentia of SpEnGEL) pass off to Malpighian bodies. So far there is not diffieulty, but Dr. Spenge has made the extremely important dis- covery, that in young Amphibians each Malpighian body in the region of the generative ducts, in addition to receiving the vasa efferentia, is connected with a fully developed segmental tube opening into the body- cavity. In Amphibians, therefore, it is improbable that the vasa effe- rentia are products of the open extremities of the segmental tubes, considering that these latter are found in their unaltered condition at the same time as the vasa efferentia. When it is borne in mind, how strikingly similar in most respects is the arrangement of the testicular duets in Amphibia and Elasmobranchs, it will not easily be credited that they develope in entirely different methods. Since then we find in Amphibious fully developed segmental tubes in the same segments as the vasa efferentia, it is difficult to believe that in Elasmobranchs the same vasa efferentia have been developed out of the segmental tubes by the obliterations of their openings. I set myself to the solution of the origin of the Vasa efferentia by means of surface views, after the parts had been made transparent in ereosote, but I have met with great difficulties, and so far my researches have only been partially successful.«e Und etwas weiter theilt er mit: »I am thus compelled to leave open the question of the real nature of the vasa efferentia, but am inclined to regard them as outgrowths from the anterior segmentaltubes, though not from their open terminations.« Es schien mir sehr wünschenswerth, die in Rede stehende Frage nochmals zu untersuchen. Leider stand mir nur ein sehr spärliches Material zur Verfügung, aber doch groß genug um nachzuweisen, dass auch in dieser Beziehung Srnper’s Angaben vollkommen korrekt sind. Die ganze Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Sela- chiern ist erst durch Semrer und später durch Barrour so erschöpfend behandelt, dass sie ihren Nachfolgern kaum noch etwas der Erwähnung ‚ Werthes übrig gelassen haben. Die Anlage des Segmentalganges (Segmental duet: BALrour; pri- | märer Urnierengang: Senrer) und die Bildung der segmentalen Ein- ‚ stülpungen, der Segmentalkanälchen und ihrer Einstülpungsöffnungen, _ der Nephrostomen (Segmentalgänge und Segmentaltrichter: Semrer; ‚ segmental tubes and segmental openings: BıLrour) sind durch die bei- ‚ den genannten Autoren so vollkommen untersucht, dass ich einfach ‚ auf ihre Mittheilungen verweise. Nach Barrour entsteht der Segmen- | talgang bei den Knorpelfischen als ein solider Zellstrang, welcher erst ‚später hohl wird und nicht, wie bei Amphibien und Knochenfischen | durch Einstülpung angelegt wird. 616 0. K. Hoffmann, Bei jungen Embryonen (Scyllium) liegt der vorderste Segmental- trichter im gleichen Niveau mit der Kommunikationsöffnung, durch welche das Vorderende des Segmentalganges mit der Leibeshöhle in freien Zusammenhang getreten ist (Fig. 81). Ich zählte bei diesem Em- bryo 33 Nephrostomen, ob am hinteren Ende auch noch ein oder zwei mehr waren, ließ sich nicht mit Bestimmtheit sagen; diese genannte Zahl stimmt aber gut mit der von Semrer gegebenen überein, indem er bei Acanthias 32—34 Segmentaltrichter beschreibt. Die vordersten Nephrostomen abortiren später wieder, ohne je, wie es scheint, mit dem Segmentalgang in freie Verbindung zu treten. Bei einem älteren Em- bryo von Pristiurus nämlich finde ich, dass die beiden vordersten Myo- commata, welche auf die freie Kommunikationsöffnung des Segmental- ganges mit der Leibeshöhle folgen, keine Nephrostomen mehr besitzen und bei einem noch älteren Pristiurusembryo gilt dies für die vier vor- dersten Myocommata. Sernper fand (am vorderen Ende des Segmental- ganges) bei Acanthias zwei oder drei, bei Mustelus dagegen mindestens drei oder vier rudimentär bleibende Segmentalkanälchen. Bildung des Mürzer'schen Ganges. Die Entwicklungsge- schichte des MüLtrr'schen Ganges hat Semper zuerst richtig erkannt, nach ihm theilt sich der Segmentalgang (primärer Urnierengang: Sen- PER) wenigstens im weiblichen Geschlecht vollständig in zwei andere Kanäle, deren einer (der ventrale) als Mürzzr’scher Gang oder Tube, den vorderen Trichter des Segmentalganges sich aneignet, sich aber gänzlich von der Niere trennt, deren anderer (der dorsale) aber den dem Worrr’schen Gang entsprechenden Lrypie’schen Kanal darstellt, Bei dem Männchen wird nach ihm dagegen diese Trennung des Seg- mentalganges in Tube und Worrr'schen (Leypıe’schen) Gang nur ange- deutet, wirklich ausgeführt bei der einzelnen Ordnung der Chimaera. BaLrour, der später Srmper’s Angabe vollkommen bestätigt fand, ' wies nach, dass beim Männchen die Spaltung des Segmentalgangesim | zwei viel weiter nach vorn anfängt als es beim Weibchen der Fall ist. Die Anlage des Mürırr’'schen Ganges findet bei den Selachiern schon in einem sehr frühen Stadium der Entwicklung statt, wenn die | Geschlechtsdrüse sich noch in einem durchaus indifferenten Zustande befindet; ihre vollständige Ausbildung beim Weibchen und ihre rudi- mentäre beim Männchen machen es möglich beide Geschlechter schon | recht frühzeitig zu unterscheiden. AufFig. 82, 83, 84 sind drei Schnitte | abgebildet, bei welchem sich der Segmentalgang schon fast über seiner | IE | h Gang getheilt hat. Die Spaltung des genannten Ganges beim Weib- | einer Querschnittserie durch einen 27 mm langen Embryo von Torpedo ganzen Länge in zwei Kanäle, den Mürrer’'schen und den Lryvig’schen 2 dere en, : Zur Entwieklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia. 617 chen fängt gewöhnlich nach vorn in der Gegend des ersten, gut ausge- bildeten und mit dem Segmentalgang in Verbindung getretenen Seg- mentalkanälchens (primären Hodenkanälchens) an. Anlage der Geschlechtsorgane. Die erste Anlage der Keim- drüsen, die Bildung der Ureierfalte und Epigonalfalte, die Entwicklung der Ureier und der Ureiernester ist in vollkommenster Weise schon von Super beschrieben. Wenn noch Zweifel bestehen könnten, ob die Ureier sich ebenfalls durch indirekte Kerntheilung vermehren, so geben die Selachier dafür die besten Beispiele ab. Schon in den frühe- sten Entwicklungsstadien der Ureier begegnet man den deutlichsten Bildern von Karyomitosis. Auch dies hat Semper schon in trefflicher ‘Weise beschrieben, was um so mehr Erwähnung verdient, indem seine Untersuchungen aus einer Zeit stammen, in welcher man eben ange- fangen hatte der Zelltheilung eine genauere Würdigung zu schenken. Ich lasse Szursr’s Angabe hier wörtlich folgen: »Die so entstandenen primären Ureier, welche in beiden Geschlechtern, Struktur und Her- kommen, vollkommen gleich sind, scheinen sich auch ihrerseits theilen zu können, obgleich sie dies wohl selten genug (oder vielleicht nie) in der bisher als typisch angenommenen Weise durch vorherige Kernthei- lung thun. Thatsache ist jedoch, dass sie sich vermehren und schließ- lich in der Ureiernestzone in mehr oder minder scharf von einander unterschiedenen Gruppen ansammeln, welche ich als Ureiernester be- zeichnet habe. Gleich bei Beginn der Ausbildung dieser letzteren be- merkt man unter den Ureiern mit den gewöhnlichen, großen, runden - Kernen, welche sich nur schwach in Hämatoxylin färben, hier und da ‚ in isolirten Gruppen bei einander liegende Zellen, deren Kerne viel ‚ kleiner sind als jene ersten, sich recht stark in Hämatoxylin färben und ‚ aus kleinen oft regelmäßig radiär auf ein Centrum zustrebenden Körn- ‚ chen zu bestehen scheinen. Sie erinnern aufs lebhafteste an die von ‚ Bürscuus, Aversacn und Fremnine publieirten Abbildungen von den in Umbildung und Theilung begriffenen Eiern der Nematoden, so dass ich glaube annehmen zu dürfen, dass die später wieder runden körnigen Kerne der Ureiernestzellen entstanden sind in ähnlicher Weise, wie solche nach den eitirten Untersuchern bei der Furchung des Nema- ‚ todeneies wohl zweifellos eintritt. Es theilen sich somit die primären ) Ureier auf eine, allerdings von dem bisher angenommenen Vorgang | sehr ae Weise, und ich glaube desswegen die in den Ureier- ‚ nestern noch vor deren Hot ihdung im Eifollikel liegenden Ureierzellen | | \ als sekundäre Ureier bezeichnen zu müssen. « Zweifellos hat also Sen- ‚rer schon die indirekte Kerntheilung in den Ureiern gesehen und ‚ erkannt. 618 6. K. Hoffmann, Während nun bei den Amphibien bestimmte Marpıcursche Körper- chen hohle sprossenförmige Verlängerungen in die Genitaldrüse hinein- schicken, welche wir als »Genitalkanäle« bezeichnet haben, sind es nach Semrer bei den Selachiern die Segmentaltrichter selbst, welche die in Rede stehenden Kanäle zur Entwicklung bringen, beim Männ- chen zu den Vasa efferentia sich ausbilden und beim Weibchen früh- zeitig wieder zurückgebildet werden. So sehr ich Anfangs glaubte, dass Barrour’s Angabe die richtige wäre, es seien'nicht die Segmental- trichter, sondern Verlängerungen (outgrowths) der Segmentalkanäl- chen, welche die Vasa efferentia erzeugen, so bestimmt habe ich mich an Embryonen von Acanthias und Torpedo überzeugt, dass Semrer’s Mittheilungen auch hier vollkommen korrekt sind. Er sagt: » Während die Trichter im ganzen hinteren Bereich der Leibeshöhle mit den um- gebenden Theilen gleichmäßig wachsen, ohne sich weiter sonderlich umzuformen, und höchstens ihre Richtung mehr oder minder stark verändern, werden sie im vordersten Theil der Genitalfalte zuerst immer kleiner und schließen sich schon bei +—5 cm langen Embryo- nen vollständig gegen die Leibeshöhle hin ab. Dadurch wird der Trichtergrund zu einer mehr oder minder großen, mit dem Segmental- gang in Verbindung bleibenden länglichen Blase, welche wegen ihrer mehr und mehr sich sagittal wendenden Richtung auf Querschnitten als durchschnittener Kanal erscheint. Diese so entstandene Trichter- hlase liegt immer an der Basis der Genitalfalte, und es giebt deren bei Acanthias eine größere Anzahl hinter einander. — In dem frühesten Stadium finden sich ungefähr 34 Trichter in der Leibeshöhle; von diesen gehen die 27 hintersten in die persistirenden Segmentaltrichter über, von denen vier beim erwachsenen Thiere auf dem Mesorchium stehen. Die übrigen sieben schließen sich vollständig ab zu den er- wähnten länglichen und später mannigfach auswachsenden varicösen Trichterblasen, von diesen sind es wiederum drei bis vier, welche unter einander in der Längsrichtung verwachsen und dadurch den in die Basis der Hodenfalte verlaufenden Centralkanal des Hodens bilden. Ehe aber diese Verwachsung zu einem mehr oder minder geschlängel- ten Centralkanal vollständig wird, hat sich einmal das Lumen der Trichterblasen fast vollständig geschlossen und außerdem von ihnen aus durch Verwachsung und Knospung die erste Anlage des Rete 7 vasculosum Halleri gebildet. Es erstreckt sich nämlich mehr oder min- | der weit in die Genitalfalte hinein ein unregelmäßiges, von kleinen Ib Zellen begrenztes Kanalnetz, welches zweifellos mit dem noch nicht ganz vollständigen Centralkanal des Hodens in Verbindung steht. Von | diesem letzteren aus gehen in regelmäßigen Abständen die Segmental- ! - Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia. 619 gänge gegen die Niere hin; da sie meist stark geneigt oder selbst ge- schlängelt gegen die Niere zu verlaufen, wo sie sich an die primären Marrıcarschen Körperchen und deren Bildungsblasen ansetzen, so kann ein vertikaler Querschnitt auch nie einen solchen nun zum Vas eflferens gewordenen Segmentalgang seiner ganzen Länge nach trefien. Gegen die Trichterfurche zu aber steht, namentlich am hinteren Theil der Geni- talfalte, der Gentralkanal häufig noch durch einen kurzen Zellstrang mit dem Keimepithel der Trichterfurche in Verbindung; mitunter findet sich hier sogar noch eine kleine Höhlung, Rest des ursprünglich hier vor- handenen weiten Trichters.« Ich weiß nichts Besseres als diese Angabe Semper’s nochmals durch ein Paar Figuren zu verdeutlichen. Fig. 87 ist ein Kombinationsschnitt dreier auf einander folgender Schnitte einem 9,5 em langen männlichen Embryo von Acanthias entnommen. In dem in Rede stehenden Schnitt, der durch den vorderen Theil der Genitalfalte geht, hat sich die Trichteröffnung vollständig gegen die Leibeshöhle hin abgeschlossen und sich in eine, von Semper sogenannte Trichterblase umgebildet, die- selbe schickt eine sprossenförmige Verlängerung in die Genitalfalte hinein, welche die erste Anlage der Genitalkanäle — des Rete vascu- losum Halleri — bildet. Einen Schnitt weiter durch den hinteren Theil der Genitalfalte genommen, zeigt Fig. 88; hier steht die ursprüngliche Triehteröffnung durch einen kurzen Zellstrang noch mit dem Keimepi- thel in Verbindung. Fig. 89 ist ein Querschnitt durch die Genitalfalte eines weiblichen _ Embryo desselben Mutterthieres. Auch hier schickt die Trichteröffnung ‚ eine sprossenförmige Verlängerung in die Genitalfalte hinein, es kommt _ hier also wohl zur Anlage, aber nicht zur Ausbildung von Genitalkanä- len, denn schon in diesem Stadium der Entwicklung haben letztge- ' nannte sich in mehrere, von einander vollkommen isolirte Stücke auf- ‚ gelöst. Schließlich gebe ich auf Fig. 85 und 86 noch zwei auf einander | ‚ folgende Querschnitte durch einen 27 mm langen weiblichen Embryo ‚ von Torpedo; der erste Schnitt geht durch den zweiten vordersten ‚ Segmentaltrichter, der nächstfolgende zeigt, wie es die Trichteröffnung | ist, welche eine sprossenförmige Verlängerung in die Genitalfalte hin- ‚ einsendet, ungefähr ein ähnliches Bild zeigt der vorderste Segmental- ‚ trichter. Das Vorkommen rudimentärer Genitalkanäle, die Homologa ‚ der Vasa efferentia und des centralen Hodenkanals beim Männchen hat | Senper ebenfalls schon nachgewiesen; »beim Weibchen (von Acanthias) , aber — sagt er — bilden sich die vordersten sechs bis acht Segmental- ‚ gänge in rudimentäre, im Mesovarium Mesende ganz unregelmäßig ge- | wordene Kanäle um«. Zeitschrift £. wissensch. Zoologie. XLIV. Bd. 40 | 620 6. K. Hoffmann, Was schließlich die Entstehung und Ausbildung der männlichen und weiblichen Keimdrüsen bei den Plagiostomen betrifft, so verweise ich hier wieder einfach auf Semper’s meisterhafte Untersuchungen. Nur bei einem Punkte will ich einen Augenblick verweilen, essind dies näm- lich die eigenthümlichen Zellstränge, welchen man in der jugendlichen weiblichen Keimdrüse in großer Zahl begegnet. Srmrer beschreibt sie folgendermaßen: »Neben den Zellgruppen, welche durch eine cen- trale, größere und zahlreiche kleinere, jene umgebende Zellen deutlich als Eifollikel gekennzeichnet sind, finden sich mitten zwischen den Fol- likeln, diesen selbst anhängend oder direkt auch mit dem Keimepithel verbunden, Zellgruppen der verschiedensten Gestalt, deren einzelne Zellen größer sind, als die primären Ureier des Keimepithels. Sie haben immer eine ziemlich konstante Größe von etwa 0,03 mm Durchmesser; sie liegen in sehr verschieden großen Mengen beisammen, meistens dem Epithel dicht an, mitunter aber auch tief im Stroma, ja selbst in der Wand eines ein echtes Ei umschließenden Follikels. Dass es keine umgewandelten Stromazellen sind, beweist ihre Verbindung mit dem Ovarialepithel oder mit dem der Eifollikel; dass sie aber eben so wenig. in Bildung begriffene Eifollikel sein können, geht daraus hervor, dass echte Follikel, deren centrale Eizelle dieselbe Größe hat, wie die ein- zelnen Zellen dieser Zellgruppen, längst schon umgeben sind von ziem- lich zahlreichen schmalkernigen platten Follikelepithelzellen. In den erwähnten Zellgruppen finden sich nun zwar auch solche schmalkernige Zellen, aber doch nie in der typischen für den sich bildenden Follikel charakterisirenden Anordnung. Sie müssen also auch eine andere Be- deutung haben.« | Es liegen hier nun nach Sruprr verschiedene Möglichkeiten von | Man könnte sie einmal als abortirte Eifollikel ansehen, bei denen es zur Ausbildung eines solchen nicht gekommen wäre. Sie lassen sich aber zweitens auch mit gewissen in jungen Hodenfalten vorkommenden Zellnestern vergleichen. Es liegt endlich nach ihm auch die dritte Möglichkeit vor, dass diese Zellgruppen nämlich nur Ureiernester seien, also durch weitere Umbildung zur Ausbildung von echten Follikeln dienen mögen. Die erste Alternative, in jenen Zellgruppen degenerirte Eifollikel zu sehen, hat nach Semper am wenigsten Wahrscheinlichkeit für sich, die beiden anderen stehen sich — wie er sagt — so ziemlich gleichberechtigt gegenüber. Die eben genannten Zellgruppen zeigen sich unter der verschiedensten Gestalt, wie Fig. 90, 94, 92 verdeutlichen | mögen, zum Theil sind es wirkliche Einstülpungen, wie Fig. 91 zeigt, | zum Theil sind es solide Stränge (siehe Fig. 90 und 92). Ich finde die- selben in der weiblichen Keimdrüse vollständig ausgebildeter Em- Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia. 621 bryonen von Acanthias fast in jedem Querschnitt vor. “Wie SEMPER schon hervorgehoben hat, ist es schwer oder unmöglich zu entschei- den, ob diese Zellgruppen als männliche Vorkeime — also als rudimen- täre Zwitterbildung — oder als Ureiernester zu betrachten sind, welche durch weitere Umbildung zur Ausbildung von echten Follikeln dienen mögen. Für das Weitere verweise ich auf die schon oftmals genannte Srmper’sche Arbeit. Knochenfische, Von Knochenfischen habe ich nur Embryonen des Salmens unter- sucht und die erhaltenen Resultate sind in mehrfacher Beziehung lückenhaft. In zweierlei Hinsicht unterscheiden sich die Knochenfische nicht allein von allen anderen Anamnia (die Ganoiden zum Theil vielleicht ausgenommen), sondern auch von allen anderen Wirbelthieren; erstens kommt es nämlich bei ihnen niemals zu der Anlage eines Mürrrr’schen Ganges und zweitens tritt die Geschlechtsdrüse in keine Verbindung mit der Niere, die Entleerung der Geschlechtsprodukte muss hier also beim Männchen so wie beim Weibchen auf eine ganz andere Weise als bei allen übrigen Wirbelthieren stattfinden. | Segmentalgang und Pronephros. In ähnlicher Weise wie bei den Amphibien entsteht der Segmentalgang bei den Knochen- fischen als eine Ausstülpung der Somatopleura, die sich successive ab- schnürt und in einen Kanal verwandelt, wie RosengerG (7) zuerst nach- gewiesen hat, OELLACHER (8), GOETTE (12) und Verfasser dieses (31) spä- ter bestätigt haben. Der Segmentalgang besitzt hier also gleich bei seiner Anlage ein Lumen, die unmittelbare Fortsetzung der Leibeshöhle (Fig. 93), welches besonders an seinem vorderen Ende deutlich ist, nach hinten zu dagegen mehr und mehr verschwindet, indem auch die Aus- stülpung hier mehr einer soliden als einer mit wirklicher Lichtung ver- sehenen Falte gleicht. Das vordere Ende des Segmentalganges schnürt sich anfänglich nicht ab, sondern steht während einer kurzen Zeit des embryonalen Lebens durch eine verhältnismäßig weite Öffnung mit der Leibeshöhle in freiem Zusammenhang. Es ist wohl nicht zweifelhaft, dass diese Öffnung mit derjenigen homolog ist, durch welche der Segmental- gang bei den Selachiern in freier Kommunikation mit der Leibeshöhle steht. Noch bevor der in Rede stehende Gang zur vollständigen An- lage gekommen ist, schließt sich die genannte Öffnung wieder (Fig. 9%), zugleich fängt der Gang selbst in seinem vordersten Theil an sich knäuelförmig zu winden und bildet so die Anlage der Kopfniere, Vor- niere oder des Pronephros. Indem nun bei den Knochenfischen der 40* 622 6. K. Hoffmann, Segmentalgang sich niemals in zwei andere Kanäle spaltet, auch nie- mals an der Entleerung der Geschlechtsprodukte sich betheiligt, son- dern sowohl beim Weibchen wie beim Männchen nur für die Abfuhr des Harns dient, können wir ihn von Anfang ab »Harnleiter« nennen. Rosenger@ scheint die Öffnung, durch welche der Segmentalgang an seinem vorderen Ende mit der Leibeshöhle frei kommunieirt, nicht ge- sehen zu haben, nach ihm erweitert sich das vordere blinde Ende des Ganges und wird durch einen vielleicht von der Aorta aus sprossenden medialen Glomerulus eingestülpt, der gleich darauf folgende Abschnitt beginnt nach ihm nun unter Verlängerung mannigfach sich zu winden und bildet die Vorniere (Worrr’scher Körper: RosENBERG), die also einen medialen Glomerulus besitzt; der übrige weniger gewundene Abschnitt des Kanals wird zum Vornierengang (Worrr'schen Gang). Nach GoErTE lagegen schließt sich der Segmentalgang (Vornierengang: GoETTE) nicht vollständig von der Bauchhöhle ab, sondern bleibt zunächst noch — ähnlich wie bei Selachiern und Amphibien — durch eine vordere Peri- tonealöffnung mit der Bauchhöhle in Kommunikation; dieser gegenüber, wie bei den Amphibien, entwickelt sich der Glomerulus als Hervor- ragung des visceralen Peritoneums, liegt also frei in der Bauchhöhle. Durch die Verschmelzung vorspringender Falten des parietalen und vis- ceralen Peritoneums wird also die ganze, den Glomerulus und die Peri- tonealöffnung der Vorniere beherbergende Region von der übrigen Bauchhöhle abgeschnürt und bildet nun einen geschlossenen Raum, dem medial der Glomerulus anliegt und der lateral in die Peritonealöffnung. hineinführt. Fürsrınger schließt sich auf Grund von Beobachtungen, allerdings — wie er sagt — älterer, Exemplare von Alburnus lu- cidus und aus vergleichend-anatomischen Gründen GoETTE an. Abgesehen von dem Umstand, dass Rosenserg zufälligerweise die allerdings nur sehr kurze Zeit bestehende Öffnung, durch welche der Segmentalgang mit der Leibeshöhle kommunicirt, nicht gesehen hat, finde ich aber seine weitere Beschreibung vollkommen treffend, es möge dies aus Folgendem hervorgehen. Wenn der Segmentalgang nach vorn noch frei mit der Leibeshöhle kommunieirt und sich noch nicht zu winden angefangen hat, liegt in der Achse, unter dem Subchordalstrang und über dem schon abgefalte- ten und geschlossenen Darm, ein Haufen runder, indifferenter Zellen (Fig. 94), über deren Ursprung ich für den Augenblick nichts Genaueres zu sagen vermag. Die Zellen gleichen am meisten embryonalen Blut- zellen und es ist wohl nicht zweifelhaft, dass sie zum Theil wirklich solche sind, zum Theil aber das Material bilden, aus dem die endo- theliale Aortenwand sich aufbaut und höchst wahrscheinlich auch das Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia. 623 Ivmphoide Gewebe entsteht, welches Anfangs noch spärlich, später aber den Hauptbestandtheil des Pronephros bildet. Kaum hat sich der Gang zu knäueln angefangen, oder schließt sich die Peritonealöffnung, so findet man, dass die einander zugekehrten Wände der genannten Gänge eingestülpt werden durch einen Haufen Zellen (Fig. 94 x), welche denen vollkommen gleichen, aus welchen die endotheliale Aorten- wand und die in ihrer Liehtung gelegenen Blutkörperchen sich ent- wiekeln und die wahrscheinlich wohl mit diesen denselben Mutterboden haben. Dieser Zellhaufen ist ursprünglich unpaarig, aus ihm bildet sich ein Gefäßknäuel, der alsbald durch eine mediale Zwischenwand in eine rechte und linke Hälfte getheilt wird und dessen Gefäße unmittelbar mit der Aorta in Verbindung treten. Der so entstandene paarige Glo-- merulus stülpt jederseits die mediale Wand des Segmentalganges mehr und mehr in die Liehtung des Ganges vor sich aus (Fig. 95), die Zellen der.eingestülpten Wand, die ursprünglich von denen des übrigen Theiles des Ganges in nichts verschieden sind, platten sich stärker ab und bilden schließlich ein sehr niedriges Plattenepithel, welches den Ge- fäßknäuel allseitig bekleidet (Fig. 96), kurz, wir sehen hier einen durchaus ähnlichen Process sich vollziehen wie bei der Bildung der echten Marpisurschen Körperchen in der Niere, und ich werde denn auch dieses so eben beschriebene Gebilde bei den Knochenfischen als Glomerulus des Pronephros bezeichnen. Eine Vergleichung desselben mit dem gleichnamigen Körperchen der Amphibien zeigt, dass zwischen beiden ganz bedeutende Unterschiede bestehen. Bei den Knochen- fischen liegt es, wie der Segmentalgang selbst, extra cavum peritonei, bei den Amphibien dagegen innerhalb der Leibeshöhle; bei den erst- genannten verhält es sich zu der Wand des geknäuelten Segmental- ganges — des Pronephros — vollkommen ähnlich wie in der Niere die Glomeruli sich zu den Wänden der Harnkanälchen verhalten, bei den Amphibien dagegen steht es in gar keiner Beziehung zu dem Prone- phros; außerdem ist seine Entwicklungsweise bei den Knochenfischen eine ganz andere als bei den Amphibien. Es ist möglich, dass spätere Untersuchungen nachweisen werden, dass der sogenannte Glomerulus des Pronephros bei den Amphibien wirklich von dem der Knochen- fische sich ableiten lässt oder dass zwischen beiden doch ein genetischer Zusammenhang besteht; im gegenwärtigen Augenblick aber scheinen mir die Unterschiede so groß, dass ich die Gebilde nicht als homologe Organe betrachten kann, wesshalb ich dieselben auch mit verschie- denen Namen bezeichnet habe. Sobald die Segmentalgänge zu vollständiger Ausbildung gekom- 624 C. K. Hoffmann, men sind, legen sie sich der oberen Wand des Darmes an, um bald mit diesem in freien Zusammenhang zu treten. Bei der fortschreitenden Entwicklung nimmt der Pronephros be- deutend an Größe zu, indem der Segmentalgang unter Verlängerung sich immer mehr und stärker windet, er bildet während einer geräu- migen Zeit das einzige für die Exkretion dienende Organ. Nach seiner ganzen Ausdehnung zeigt er überall einen gleichförmigen Bau und be- steht aus ziemlich langen, schmalen, feinkörnigen Cylinderzellen. Die beiden Segmentalgänge, welche anfänglich bei jungen Embryonen, jede für sich in den Darm ausmünden, vereinigen sich schon ziemlich früh- zeitig mit einander und die so gebildete unpaarige Röhre stellt die erste Anlage der sogenannten Harnblase dar. Mesonephros. Die Entwicklung des Mesonephros ist besonders. bei den Knochenfischen ungemein schwierig zu verfolgen und was ich hierüber mittheilen kann, ist denn auch sehr lückenhaft. Die erste An- lage desselben besteht in der Bildung von soliden Peritonealeinstül- pungen, die streng segmental angeordnet sind und in einiger Entfernung hinter dem Pronephros anfangen. Es ist wohl nicht zweifelhaft, dass dieselben den Peritonealeinstülpungen (s. Nephrostomen der Knorpel- fische und Amphibien) homolog sind, obgleich sie sich von diesen in mehrfacher Weise unterscheiden, hauptsächlich wohl dadurch, dass sie niemals offene Trichtermündungen zeigen. Zweierlei Umstände sind es nun, welche die Erforschung der weiteren Entwicklung des Mesone- phros so überaus erschweren und diese sind folgende. Schon bei jun- gen Embryonen liegt unterhalb der Aorta und zwischen den beiden Segmentalgängen ein Haufen kleiner runder indifferenter Zellen, denen ähnlich, welche wir schon früher bei der Anlage des Marricurschen Körperchens des Pronephros beschrieben haben. Aus diesen Zellen, welche, wie gesagt, mit embryonalen Blutzellen am meisten Ähnlich- keit haben, scheinen sich zum Theil die Venae cardinales posteriores (von welchen die eine zum Theil frühzeitig wieder abortirt), wahrschein- lich auch die Venae renales zu bilden, während sie anderentheils sich zu den genannten lymphzellenähnlichen Gebilden zu entwickeln scheinen, welche überall zwischen den sich anlegenden Segmentalka- nälchen zerstreut angetroffen werden. Der zweite Umstand, der die Untersuchung so erschwert, findet darin seinen Grund, dass schon sehr frühzeitig die soliden Peritonealeinstülpungen von ihrem Mutterboden sich lösen. Schon bei jungen Embryonen findet man nämlich, dass das Peritonealepithel durch eine Schicht zarter, rundlicher, später mehr spindelförmiger Zellen von dem sich entwickelnden Mesonephrosund von den Segmentalkanälchen abgedrängt wird, und bei älteren Embryonen Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia. 625 schiebt sieh am vorderen Ende die Schwimmblase und nach hinten die Harnblase zwischen Peritonealepithel und Niere hinein. Segmental- trichter können demnach bei den Knochenfischen nicht vorhanden sein, denn das Peritonealepithel wird schon frühzeitig durch eine Schicht zarten, lockeren Gewebes, das spätere subperitoneale Bindegewebe, von dem Mesonephros getrennt. Was ich nun über die Entwicklung der Segmentalkanälchen zu sagen vermag, beschränkt sich auf Folgendes: dieselben entstehen, wie erwähnt, als solide Einstülpungen des Peritonealepithels (Fig. 97) und sind segmental angeordnet. Unter Verlängerung schlängelt sich das so entstandene Kanälchen, legt sich der dorsalen Wand des Segmental- ganges an und verlöthet sich mit demselben, in seiner ganzen Länge ist es dann noch vollkommen solide (Fig. 98). Unter stätiger Schlänge- lung und Verlängerung entsteht allmählich in den Segmentalkanälchen eine Lichtung und entwickeln sich durch Einstülpungen die MaArricai- schen Körperchen (Fig. 99), ob dann noch Residuen der ursprünglichen peritonealen Einstülpungen vorhanden sind, ist wegen des umgebenden Iymphoiden Gewebes ungemein schwer mit Bestimmtheit zu sagen, ich komme darauf noch sogleich näher zurück. Wie FürBrıngEer schon an- gegeben hat, entwickeln sich die einzelnen (primären) Harnkanälchen des Mesonephros (Urnierenkanälchen: Fürsrınger) nach und nach zu immer größerer Länge und in immer reicheren Windungen und zwar verläuft diese Differenzirung schon in früher Zeit asymmetrisch, indem rechtseitig Kanälchen in den Bezirk der linkseitigen »Urniere« und um- gekehrt übergreifen. Eine Zeit lang bestehen nun Pronephros und Mesonephros neben einander fort; sobald der Dottersack vollständig verschwunden ist, tre- ten in dem Pronephros eigenthümliche Veränderungen ein, welche auf eine regressive Metamorphose desselben hindeuten. Das Iym- phoide Gewebe, welches anfänglich nur in geringer Menge zwischen den Windungen desselben zerstreut liegt, nimmt allmählich mehr und mehr zu und drängt dieselben immer weiter aus einander, gleichzeitig bemerkt man, dass die Kontouren der Cylinderzellen, welche die epi- theliale Wand des Pronephros bilden, undeutlicher werden, oft voll- ständig verschwinden, während ihr Plasma aus mattglänzenden, sehr kleinen Kügelchen besteht, und so den Eindruck machen, dass diese Zeilen einer fettigen Degeneration anheimfallen. Der scheinbar un- paarige Glomerulus ist noch vollständig erhalten. Durch den Segmen- talgang steht der Pronephros aber noch in kontinuirlichem Zusammen- hang mit dem Mesonephros, zwischen beiden begegnet man auf einer gewissen Strecke nur dem genannten Gang, der ringsum durch Iym- 626 C. K. Hoffmann, phoides Gewebe umgeben ist. Das letzte Stadium, welches ich noch untersuchen konnte, stammte von jungen Thieren, welche drei bis vier Monate nach dem Ausschlüpfen alt waren. Der Pronephros zeigt dann noch wenig Veränderungen, der Glomerulus ist noch vollkommen er- halten, das Iymphoide Gewebe zwischen den Windungen hat aber be- deutend zugenommen. An der Stelle, wo der Pronephros sich in den Segmentalgang fortsetzt, hatte letztgenannter sich in einen soliden Zellenstrang verwandelt, der aus einem Haufen fettig degenerirter Zel- len besteht, deren Kontouren nicht mehr zu unterscheiden sind, es ist dies also wahrscheinlich das Stadium, in welchem sich der Pronephros von dem Mesonephros abschnürt. Die späteren Veränderungen des Pronephros bei dem Salmen konnte ich nicht mehr untersuchen, aus dem Mitgetheilten geht aber genügend hervor, dass auch bei den Knochenfischen das in Rede stehende Gebilde ein Larvenorgan dar- stellt. Über die Verhältnisse des Pronephros bei jungen und alten erwachsenen Thieren verweise ich auf die Abhandlungen von Barrour (0), Emery (23, 37, 50), Parker (33) und Groseuiık (49), für die der Ga- noiden und Cyclostomen auf die Arbeiten von W. MüLrer (1#), Bar- Four und Parker (39) und Weıvon (47), ich hoffe darauf später noch näher zurückzukommen. Die Angabe Enery’s (37), dass die Segmental- kanälchen und das Iymphoide Gewebe aus ein- und demselben Blastem sich entwickeln, habe ich nicht bestätigen können. In den jüngsten Entwicklungsstadien sind die Segmentalkanälchen rein segmental, indem mit einem Myocomma eine Peritonealeinstülpung, ein MarrisHrsches Körperchen und ein Sammelrohr zusammenfällt; diese Anordnung dauert aber nur kurze Zeit, denn schon bei Embryo- nen, deren Dottersack zum größten Theil resorbirt ist, treten andere Verhältnisse auf. Man findet dann nämlich, dass mit jedem Myocomma _ nicht allein mehrere Marrıisursche Körperchen, sondern mehrere Sam- melröhren korrespondiren, letztgenannte können medial-, lateral- und dorsalwärts in den Segmentalgang ausmünden, ich erwähne dies ein- fach, da ich nicht weiß, ob dies vielleicht auch noch von einiger Be- deutung ist. Wie die sekundären Harnkanälchen sich entwickeln, ist mir durchaus unbekannt geblieben, und dasselbe gilt auch von den sekundären Marrısnrsschen Körperchen, ich habe aber mehrere Mal den Eindruck bekommen, als ob die letzteren durch Sprossung und nach- herige Abschnürung der primären Marriscurschen Körperchen ent- stehen. Öfters nämlich bin ich zwei Marrisur’schen Körperchen be- gegnet, die sehr dicht neben einander lagen, einige Mal solchen, die zwar deutlich zusammenhingen, aber doch noch durch eine Scheide- wand von einander getrennt waren (Fig. 103) und ein paar Mal auch solchen, die als ein einziges Marrienrsches Körperchen sich zeigten, Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia. 69237 dennoch im Besitze zweier »Hälse« waren. Welches von diesen zwei das primäre Marpieursche Körperchen war, ließ sich in keiner Weise mehr mit einiger Bestimmtheit sagen; das überall zerstreute Iymphoide Ge- webe macht es nämlich unmöglich mit einiger Sicherheit zu entschei- den, ob die ursprünglichen Peritonealeinstülpungen oder Reste von diesen später auch noch fortbestehen bleiben oder frühzeitig schon vollständig verschwinden. Einige Mal habe ich zwar ganz bestimmt von dem Marrisnr’schen Körperchen, dem Halse gegenüber, einen soliden Fortsatz abtreten sehen, welcher sich bis zu der bindegewebigen Hülle des Mesonephros verfolgen ließ und der in seiner Lage auch mit der ursprünglichen Peritonealeinstülpung übereinstimmte (Fig. 100), aber mit Bestimmtheit darf ich doch nicht behaupten, dass dies wirklich so ist; vielleicht dass bei anderen Knochenfischen die Verhältnisse gün- stiger sind. Noch weniger kann ich sagen, auf welche Weise der Gaudaltheil der Niere sich entwickelt, die denselben zusammensetzenden Segmen- talkanälchen können nicht durch Einstülpung des Peritonealepithels entstehen, es ergiebt sich dies schon aus dem Faktum, dass die inmit- telst immer länger und umfangreicher werdende Harnblase genanntes Epithel fortwährend weiter von der Niere abdrängt, sie können also entweder nur durch Sprossung von dem am meisten nach hinten ge- legenen, durch Einstülpung gebildeten Segmentalkanälchen oder durch Neubildung entstehen. Einen segmentalen Bau zeigt — so weit ich ge- sehen habe — der Caudaltheil der Niere nie; bei jungen Thieren (drei bis vier Monate nach dem Ausschlüpfen) besteht der hinterste Theil der Gaudalniere nur aus stark gewundenen Harnkanälchen, überall durch Iiymphoides Gewebe umhüllt, dagegen fehlen die Marricurschen Körperchen vollständig; auch dann, wenn man aus dem Bezirk der Caudalniere heraus ist, sieht man, dass das Iymphoide Gewebe sich Ina eine bedeutende Strecke weiter nach hinten fortsetzt. | Die beiden Segmentalgänge vereinigen sich, wie wir gesehen \haben, in ihrem hinteren Ende zu einer Er ehalichn unpaarigen |Röhre, der sogenannten Harnblase, welche dorsalwärts in den Darm lehnt bei jungen Embryonen ist also eine Kloake vorhanden, \obgleich dieselbe dann noch nicht mit der äußeren Welt kommunicirt. |Schon frühzeitig aber kommt es zu einer Trennung und mündet sowohl lder Darm, wie die Harnblase jede für sich nach außen aus, die beiden /Ausmündungsöffnungen liegen fast unmittelbar hinter einander, um später mehr aus einander zu rücken, wie dies auch aus den Mitthei- ‚ungen von Ayers (52) hervorgeht und mit der Anlage der Pori abdomi- aales in naher Beziehung zu stehen scheint. 628 C. K. Hoffmann, Die Verhältnisse, in welchen die beiden Segmentalgänge in den verschiedenen Entwicklungsstadien zu der Harnblase stehen, lassen sich besser als durch eine ausführliche Beschreibung aus unten stehen- den Holzschnitten verdeutlichen, dieselben sind aus Querschnittserien projektirt. Fig. I stellt die Verhältnisse bei jungen Embryonen vor; in späteren Entwicklungsstadien sieht man, dass die Harnblase nach vorn in einen blindsackartigen Fortsatz sich verlängert, wie Fig. II zeigt, Sobald der Caudaltheil der Niere sich anzulegen angefangen hat, giebt jeder Segmentalgang an der Stelle, wo er in die Harnblase einmündet, / \ ; = | ee 1] Fig. 1. lu Biss Il. Fig. II. Fig. IV. hb, Harnblase; h.b.f, blinder Fortsatz der Harnblase; st.g, Segmentalgang; st.g’, | blindsackartige Verlängerung, welche der Segmentalgang links und rechts abgiebt | und in die Caudalniere hineinschickt ; x, unpaarige Röhre, durch welche in späteren | ] Stadien der Entwicklung die beiden Segmentalgänge in die Harnblase ausmünden. "7 | lateralwärts einen kleinen Fortsatz ab, wie auch aus Fig. 101 und 102 | hervorgeht; die erste dieser beiden Figuren stellt die Einmündung des 7 Segmentalganges in die Harnblase vor, in der anderen, einen Schnitt | weiter nach hinten genommen, sieht man jederseits den querdurch- 1 schnittenen Fortsatz, welchen der Segmentalgang abgegeben hat und der später die Harnkanälchen der Caudalniere seiner Seite aufnimmt. Fig. IV endlich zeigt die Verhältnisse bei jungen Thieren, drei bis vier) Monate nach dem Ausschlüpfen. | se Eh rn En er Bar, ad Fi Fe Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia, 629 Entwicklung der Geschlechtsorgane. Indifferentes Sta- dium. Schon in einer sehr frühen Periode der Entwicklung, wenn von der Anlage eines Mesonephros noch nichts zu sehen ist, begegnet man den ersten Bildungsstufen der Genitaldrüsen. Dieselben be- stehen in der Anlage der Ureier oder Vorkeimzellen, welche man am häufigsten dort findet, wo die Somatopleura in die Splanchnopleura übergeht; man trifft sie aber medialwärts auch in dem dorsalen Theil des Mesenteriums an und lateralwärts bis zur Leibeswand. Wie bei den Amphibien und Knorpelfischen kann ich in den Ureiern der Knochenfische nichts Anderes als umgebildete und höher differenzirte Peritonealzellen erblicken, welche in den jüngsten Entwicklungssta- dien sich schon ganz bestimmt durch indirekte Kerntheilung vermehren (siehe Fig. 105). Bei etwas älteren Embryonen, bei welchen der Mesonephros sich zu entwickeln angefangen hat, finde ich die Ureier auf eine ganz be- stimmte Stelle beschränkt und zwar nur medialwärts von den Peri- tonealeinstülpungen und lateralwärts von der Radix mesenterii, sie ragen hier als eine sehr niedrige, winzige Falte in die Leibeshöhle hin- ein und stellen so die erste Anlage der Genital- resp. Urogenitalfalte vor, denn auch bei den Knochenfischen geht die in Rede stehende Falte an den Stellen der Peritonealeinstülpungen unmittelbar in diese über. Ob diejenigen Ureier, welche bei jungen Embryonen medialwärts bis in die Radix mesenterii und lateralwärts bis über den Segmentalgang, ja selbst bis zur lateralen Leibeswand liegen, später nach der Gegend - der Urogenitalfalte hineinwandern, oder an Ort und Stelle sich wieder zurückbilden, kann ich nicht sagen. In ihrer Lage stimmt die Genitalfalte mit der bei den Knorpel- fischen und Amphibien überein, indem sie medialwärts von den Seg- mentalkanälchen liegt. Auf zweierlei Wegen vermehren sich nun die Ureier, nämlich durch Theilung und Umbildung neuer bevorzugter _ Peritonealzellen in Ureier. Anfänglich eine sehr niedrige Falte, nimmt dieselbe allmählich an Größe und Umfang zu (Fig. 106 und 107) und wächst gleichzeitig nach vorn und hinten weiter; schon frühzeitig kann man an ihr eine mediale und eine laterale Seite unterscheiden (Fig. 108 und 109), die letztere besteht aus etwas höheren und größeren Zellen als die, welche an der lateralen Seite angetroffen werden und bethei- ligt sich hauptsächlich an der Bildung neuer Ureier; wir können die- selbe also als die Keimseite bezeichnen. Die Regio germinativa be- - findet sich hier demnach eben so wie bei den Knorpelfischen nur auf der | lateralen Wand der Geschlechtsdrüse, eine Eigenthümlichkeit, auf welche schon Brock (29) bei den Knochenfischen hingewiesen hat. Die 630 C. K. Hoffmann, mediale Wand kann man als die sogenannte Blutgefäßseite bezeichnen. In jungen Entwicklungsstadien liegen zwischen dem Keimepithel der lateralen Seite und dem Peritonealepithel der medialen Seite, zahl- reiche noch ganz indifferente Zellen — aus welchen sich später wahr- scheinlich das bindegewebige Stroma entwickelt —, abwechselnd mit Ureiern, welche durch andere Zellen allseitig umhüllt werden, wie Fig. 108 und 109 zeigen. Bei jungen Thieren, deren Dottersack schon vollständig resorbirt ist, sind die Geschlechtsdrüsen noch sehr wenig entwickelt und bilden nur winzige Fäden, wie Querschnitte, abgebildet auf Fig. 108 und 109, am besten zeigen. Die Größenzunahme in den späteren Entwick- lungsstadien beruht nun hauptsächlich auf Theilung der schon vorhan- denen und in der Anlage neuer Ureier aus dem Keimepithel und ihrer Einwanderung nach innen, so wie in der Entwicklung des bindege- webigen Stroma, welches besonders an der medialen Seite zu ziemlich mächtiger Ausbildung kommt. Aus den Ureiern entwickeln sich so all- mählich Nester von Zellen, welche, wie gesagt, durch andere Zellen follikelartig umhüllt und durch spärliches Bindegewebe mehr oder weniger vollständig von einander getrennt werden, wie Fig. 113, ein Schnitt durch das vorderste Drittel der Geschlechtsdrüse eines jungen Thieres, verdeutlichen möge. Was aus den Zellen, welche die Ur- eiernester follikelartig umgeben, später wird, ist kaum zu entscheiden, ja ich kann selbst nicht einmal sagen, ob es Bindegewebszellen sind, oder dass dieselben dem Peritoneal- resp. Keimepithel entstammen. Wenn ich mich zu letztgenannter Ansicht neige, so geschieht dies ein- fach aus dem Umstand, dass schon in den jüngsten Entwicklungssta- dien, wenn von differenzirtem Bindegewebe in der Geschlechtsdrüse noch keine Rede ist, die Ureier, welche nicht mehr im Keimepithel liegen, sondern schon eingewandert sind, bereits mit solchen Um- hüllungszellen versehen sind (Fig. 108); wir werden dieselben gleich noch näher zu betrachten haben. Im Allgemeinen bietet die Unter- suchung der Entwicklung der Geschlechtsdrüsen bei den Knochen- fischen ungemein große Schwierigkeiten dar. Beim so eben genannten jungen Thier reichte die Geschlechts- drüsenanlage vom Pronephros ab bis fast unmittelbar in die inmittelst ebenfalls entstandenen Pori abdominales, ohne indessen nach ihrer ganzen Ausdehnung einen gleichförmigen Bau zu zeigen. Nur im obe- | ren Drittel findet man nämlich Ureier resp. Ureiernester, weiter nach |’ hinten fehlen dieselben vollständig und besteht die Genitalfalte einfach aus erhöhten Peritonealzellen, welche sich einstülpen und so durch i Rinnenbildung einen Kanal zur Entwicklung bringen, der den Aus- | Zur Entwicklungsgeschiehte der Urogenitalorgane bei den Anamnia. 631 führungsgang der Geschlechtsdrüse bildet; der so entstandene Kanal gleicht aber mehr einem soliden Strang als einer wirklichen Röhre, indem eine Lichtung anfänglich noch fast vollständig fehlt (Fig. 111 und 112). Ich habe zwar die Anlage des Ausführungsganges nur in diesem einen Falle gesehen und untersuchen können, aber ich glaube doch um so weniger an ihrer Richtigkeit zu zweifeln, als Mac Leo» (28) eine ähnliche Bildungsweise des Ausführungsganges bei Belone und Hippocampus nachgewiesen hat und ein Hineinwuchern von Seg- mentalsträngen oder von Marrisursschen Körperchen vom Mesonephros aus in das Stroma der Geschlechtsanlage vollständig fehlt, wie auch von Brock (29) hervorgehoben ist und hier, wie wir gesehen haben, auch nicht stattfinden kann. Bei dem in Rede stehenden jungen Thier war es mir durchaus unmöglich mit einiger Bestimmtheit zu sagen, ob es ein Männchen oder ein Weibchen wäre. Aus der Thatsache aber, dass es in dem indiffe- renten Stadium schon zu der Anlage eines Ausführungsganges kommt, dürfen wir also höchst wahrscheinlich schließen, dass sowohl beim Weibchen wie beim Männchen ein Ausführungsgang angelegt wird, beim letztgenannten jedoch nur zur Ausbildung kommt, beim Weib- chen sich aber bald wieder in einen soliden Strang umbildet, um in der Gegend, wo er in die eigentliche Geschlechtsdrüse übergeht, sich in eine offene Falte fortzusetzen, was aber noch näher zu untersuchen ist. Zu Gunsten dieser Meinung spricht aber auch eine Mittheilung von Ratuke (1), auf welche in der jüngsten Zeit GEGENBAUR (5) ebenfalls wieder aufmerksam gemacht hat und die folgendermaßen lautet: »Dass den Lachsen ein eigentlicher Eileiter fehle, ward schon mehrmals bemerkt, zugleich aber auch, dass sie demungeachtet ein Analogon desselben besäßen. Dieses nun besteht in einem platten Bande, das gewöhnlich an der oberen und hinteren Ecke des tafelförmigen Eier- stockes entsteht, nur schmal ist, je weiter nach hinten an Breite immer mehr abnimmt und sich am Ende der Bauchhöhle gänzlich verliert; bei dem eigentlichen Lachse verschwindet dasselbe auf der Schwimmblase, da wo etwa das letzte Fünftel der Bauchhöhle anfängt, bei den Forel- lenarten an der Seite des Darmes, unfern dem After, bei den Maränen an dem Darme, dicht vor dem Ende desselben.« Auf die eigenthümlichen Veränderungen in der Lage der Ge- schlechtsdrüsen im Laufe der Entwicklung hat MAcLerop schon hinge- wiesen und ich kann seine Angaben durchaus bestätigen. Ovarium. Das jüngste Stadium des Eierstockes, welches ich Gelegenheit hatte zu untersuchen, war in der Entwicklung schon ziem- lich vorgeschritten, indem die Faltenbildung bereits zu verhältnis-. 632 6. K. Hoffmann, mäßig mächtiger Ausbildung gekommen war. Histologisch hatte aber die Differenzirung nur wenige Fortschritte gemacht, denn die Ge- schlechtsdrüse bestand neben sehr jungen Eierstockeiern nur aus einer überaus großen Zahl Zellnester. Den Anuren und Knorpel- fischen ähnlich scheint in jedem Nest eine Zelle als die bevorzugte sich zu dem Eierstockei zu entwickeln, während die übrigen um dieselbe die Granulosa bilden, denn ich weiß nicht, auf welche Weise ich sonst die Bilder interpretiren wollte, von welchen auf Fig. 114 eins abge- bildet ist und auf welche Art anders, als auf die oben genannte, die Granulosazellen entstehen sollen. Ich habe Hunderte von Schnitten durch junge Ovarien untersucht, um mir über die so ungemein schwierige Bildung der Granulosa eine so weit als möglich richtige Vorstellung zu machen und bin zu keinem anderen Resultat gekommen. Brook er- klärt in seinen letzten schönen Untersuchungen, dass er auf die Frage nach der Abstammung des Follikelepithels eine positive Antwort durch- aus schuldig bleiben muss, nach seinen Beobachtungen, insbesondere | nach den an jungen Ovarien von CGonger gemachten, ist es ihm kaum | zweifelhaft, dass die oben genannten Zellhaufen nichts als junge Eier | sind, welche der ersten rasch wiederholten Theilung der eingewan- | derten Geschlechtszellen innerhalb ihres Follikels ihren Ursprung ver- danken und er lässt die Möglichkeit offen, dass das Follikelepithel | bindegewebigen Ursprungs sein kann. | Die Untersuchung junger Ovarien ist durch das dichte Aufein- | andergedrängtliegen der Zellnester und die schon zur Entwicklung gekommenen jungen Eierstockeier ungemein erschwert, sobald aber die letzteren einigermaßen zu starker Ausbildung und die Blätterbil- dung durch Einfaltung des Keimepithels und Hand in Hand damit die Spalten zu mächtiger Entwicklung gekommen sind, findet man, dass | auch bei den Knochenfischen wie bei den Amphibien jedes Eier- | stockei von einer doppelten Hülle umgeben wird; von diesen bil- | det die innere die Granulosa, während die äußere nicht leicht mit ' Sicherheit zu deuten ist. Denn während dieselbe bei den Amphi- | bien von den in die Genitaldrüse hineingewucherten Genitalkanälen | herrührt, muss sie natürlich bei den Knochenfischen einen anderen Ursprung haben. Es liegen nun zwei Möglichkeiten vor, entweder rührt die in Rede stehende Hülle von den Zellen her, welche schon in den | jüngsten Entwicklungsstadien die Ureier und die Ureiernester follikel- 7 artig umhüllen oder sie bildet sich erst später, im letzteren Fall kann sie nur von bindegewebiger Natur sein. Stammt dieselbe aber von 7 den Zellen, welche schon die Ureier follikelartig umgeben, so ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass sie auch dann noch — wie schon Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia. 633 früher erwähnt — aus Bindegewebszellen besteht, indem ich nicht im Stande bin zu sagen, ob diese Umhüllungszellen dem Bindegewebe oder dem Peritoneal- resp. Keimepithel entstammen. Es wird jeden- falls wohl interessant sein, dies genauer zu untersuchen, denn ließe sieh wirklich nachweisen, dass die zweite Hülle auch bei den Knochen- fischen dem Keim- resp. Peritonealepithel entstammt, so wäre sie in letzter Instanz doch wieder mit der der Amphibien homolog. Vielleicht dass bei anderen Knochenfischen die Verhältnisse günstiger sind. Zwi- schen den Eiern begegnet man ferner feinen Zügen von Bindegewebe, welche die Blutgefäße tragen. g Die weitere Entwicklung und die Regeneration der Eierstockeier habe ich jetzt nicht untersucht. Aus der Thatsache jedoch, dass in den verschiedenen Entwicklungsstadien des jungen Ovariums zwischen den schon größeren Eierstockeiern, Ureier und Ureiernester in ähnlicher Weise wie bei der Anlage der Geschlechtsdrüse angetroffen werden, scheint wohl mit Bestimmtheit hervorzugehen, dass die Eier der er- wachsenen Knochenfische sich auch in derselben Weise wie im Em- bryo entwickeln und dass Einstülpungsvorgänge, Bildung sogenannter Prrüczr’scher Schläuche — wie ich sie auch selbst früher beschrieben habe, bei den Knochenfischen ebenfalls nur scheinbar, nicht aber in Wirklichkeit vorkommen. Owsiannıkow (53), einer der letzten Autoren, welcher über den Bau des Eies bei den Knochenfischen gearbeitet hat, erklärt auch, dass er eine Unterbrechung oder Einsenkung der (Keim-) Epithelschicht (beim Barsch) nie wahrgenommen hat. Hoden. In den Fällen, in welchen sich die Geschlechtsdrüse in einen Hoden umbildet, entwickeln sich die Zellen eines Nestes zum Theil in Spermatogonien, zum Theil in die Spermatogonien umhül- lenden Zellen (Fig. 146). Beiderlei Art Gebilde gleichen anfänglich einander noch sehr und auch in den späteren Entwicklungsstadien sind die Unterschiede viel weniger groß als es bei den Amphibien der Fall ist. Die so entstandenen Hodenschläuche sind auch hier ursprüng- lich solide und werden erst später — durch das Auseinanderweichen der Spermatogonien und ihrer Umhüllungszellen — hohl (Fig 117). Wie beim Weibchen die Zellnester und die aus diesen sich entwickeln- den Eier mit ihrer Granulosa, so werden auch die Zellnester und die aus diesen sich bildenden Hodenschläuche beim Männchen durch platte, spindelförmige Zellen scheidenartig umhüllt. Über den Ursprung dieser Zellen kann ich eben so wenig mit Sicherheit etwas mittheilen, als ich _ dies für die Eier im Stande war. Baısıanı (22) hat diese zarte Hülle ebenfalls gesehen und beschrieben, denn er sagt: »la paroi de chaque tube seminifere est une mince membrane form6e de petites cellules 6934 C. K. Hoffmann, aplaties«. Dagegen kommt nach Brock (29), wenn ich ihn recht ver- stehe, eine solche Hülle nicht vor; nach ihm werden die Drüsenhohl- räume durch ein. Gerüst von vielfach verzweigten Scheidewänden, welche dem Vas deferens einerseits, der Tunica propia (tunique externe ou albuginee: Bausıanı) andererseits zum Ansatz dienen, von einander getrennt. Das Material dieser Septa, eben so wie der Tunica propria beschreibt er als ein vollkommen homogenes strukturloses Bindegewebe. Nusspaum (24) hat das Vorkommen der die Spermatogonien um- hüllenden Zellen zuerst auch bei den Knochenfischen nachgewiesen. »Wir neigen — so sagt er — auch für die Forelle zu der Annahme, dass aus jeder Zelle eines Ureiernestes, abgesehen natürlich von den Zellen, welche zu Grunde gehen, ein Ei mit seinem Follikelepithel oder eine Spermatogonie mit ihrer Follikelhaut sich bilde.« Brock (29) hat diese Beobachtungen von Nusssaum später bestätigt und fügt dann zu, dass diese Stützsubstanz — so nennt er die Follikelhaut von Nusssaum — hier (bei Muraena) allerdings sehr verbreitet vorkommt, nur weicht er in seiner Auffassung in einigen Punkten von der Nusssaum’schen Dar- stellung ab. »Ich muss — so fährt er fort — nämlich entschieden her- vorheben, dass die Follikelhäute keine isolirten Kapseln um die Samen- mutterzellen, für welche ich die Bezeichnung Spermatogonien adoptire, bilden, sondern ein feines, überall von der Tunica propria entspringen- des und durch den ganzen Hodenacinus unter einander zusammen- | hängendes Fachwerk darstellen, wie solches aus Zerzupfungspräparaten | oder auch aus Schnitten, welche so fein sind, dass die Spermatogonien stellenweise herausfallen und das leere Follikelgerüst übrig bleibt, mit Evidenz hervorgeht. In einem Paar nur untergeordneter Punkte weiche ich von Nusssaum ab, schließe mich aber sonst ihm völlig an; ich finde nämlich, dass in jedem Ureierneste nicht eine, sondern meh- rere Zellen sich zu Spermatogonien umbilden, welche durch die übri- gen follikelartig umhüllt werden, ohne dass diese jedoch geschlossene Kapseln bilden; was aber den Ursprung dieser letztgenannten Zellen betrifft, so stimme ich hierin Nussgaum vollständig bei. Die Verhältnisse | bei den Knochenfischen sind denen der Amphibien ganz ähnlich, nur mit | dem Unterschiede, dass bei den letztgenannten die Grenzen der Wände | der Hodenkanälchen und der die Spermatogonien umhüllenden Zellen i deutlich zu sehen sind, während bei den Knochenfischen die letzteren I" den platten spindelförmigen Zellen, welche die Hodenschläuche schei- | denartig umhüllen, so dicht anliegen, dass sie von diesen zu entspringen | scheinen. N Die Spermatozoidenbildung habe ich auch bei den Knochenfischen | nicht untersucht, nur will ich hervorheben, dass bei jungen Salmen, Zur Entwicklumgsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia, 635 die selbst noch nicht einmal ein Jahr alt sind und kaum eine Länge von 12—14 em erreicht haben, der Samengang schon strotzend von Spermatozoen gefüllt war, während bei Weibchen, welche unter ganz ähnlichen Verhältnissen gezüchtet waren, das Ovarium sich äußerlich noch kaum von den Hoden unterscheiden ließ. Der Samengang tritt durch zahlreiche, in den verschiedensten Rich- tungen von ihm abgehenden blindsackförmigen Verlängerungen mit den Hodenschläuchen in Verbindung. Für so weit er selbst an der äußeren Oberfläche des Hodens verläuft, besteht seine epitheliale Wand aus niedrigen, platten Cylinderzellen, was besonders bei jungen Thieren sehr deutlich ist, die Kontouren der einzelnen Zellen sind außerordent- lich schwer zu sehen; nach innen zu, wo die blindsackförmigen Ver- längerungen von ihm abtreten, bildet sich dies Epithel allmählich zu platten, spindelförmigen Zellen um (Fig. 110), die schließlich ebenfalls successive in die platten spindelförmigen Zellen übergehen, welche die Hodenkapseln scheidenartig umhüllen. Wenn es sich wirklich ergiebt, dass diese letztgenannten Zellen dem Keim- resp. Peritonealepithel entstammen, was ich jedoch nicht zu entscheiden wage, so würde dar- aus hervorgehen, dass diese durch die in Rede stehenden Zellen ge- bildete Hülle in letzter Instanz auch wieder der Wand der Hoden- kanälchen bei den Amphibien homolog ist. Durch feine Züge fibrillä- ren Bindegewebes, die Träger von Blutgefäßen, werden die einzelnen Hodenschläuche fest mit einander verbunden. | Wenn also zwischen Nusssaum, Brock und mir noch manche Punkte bestehen, in welchen wir von einander abweichen, so stim- men wir doch in der Hauptsache mit einander überein, indem wir alle zu dem Schluss gekommen sind, dass, trotz der großen Unter- schiede, welche zwischen den Urogenitalorganen der Knochenfische und den übrigen Wirbelthieren bestehen, die Geschlechtsanlage auch hier ursprünglich eine indifferente ist und dass sowohl die Eier wie die Spermatozoiden aus Ureiern, Vorkeimzellen oder Geschlechtszellen, gleichgültig, wie man dieselben nennen will, ihren Ursprung nehmen. Für den Augenblick unterlasse ich es, die für die Anamnia erhal- tenen Resultate mit denen bei Amniota bekannten zu vergleichen, indem ich jetzt auch mit einer Untersuchung über die Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei Vögeln und Reptilien beschäftigt bin. - Leiden, 18. Juni 1886. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLIV. Bd. di 636 C. K. Hoffmann, Litteraturverzeichnis. 4) C. RATHkE, Beiträge zur Geschichte der Thierwelt. 2. Abth. Halle 1824. 2) Jacosson, Det kongelige Danske Videnskabernes Selskabs Naturvidenskabelige og mathematiske Afhandlinger. T. III. 4828. (Nach von Wırrick eitirt.) 3) Jon. MÜLLER, Entwicklungsgeschichte der Genitalien. 1830. 4) F. H. Bıpper, Vergleichend-anatomische u. histologische Untersuchungen über die männlichen Geschlechts- u. Harnwerkzeuge der nackten Amphibien. 1846. 5) Fr. Levpig, Anatomisch-histologische Untersuchungen über Fische und Repti- lien. 1853. 6) von WırticH, Beiträge zur morphologischen und histologischen Entwicklung der Harn- und Geschlechtswerkzeuge der nackten Amphibien. in: Diese Zeit- schrift. Bd. IV. 1853. 7) A.Rosenserg, Untersuchungen über die Entwicklung der Teleosteerniere. 1867. 8) J. OELLACHER, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Knochenfische nach Beobachtungen am Bachforellenei. in: Diese Zeitschr. Bd. XXIII. 1873. 9) R. HEiDEnHAIN, Mikroskopische Beiträge zur Anatomie u. Physiologie der Niere. in: Archiv für mikr. Anatomie. Bd. X. 1874. 40) J. W. SpENGEL, Die Segmentalorgane der Amphibien. in: Verh. d. physik.-med- Gesellsch. zu Würzburg. T. X. 1874. 44) A. EcKkEr und R. WIEDERSHEIM, Die Anatomie des Frosches. 4864—1882. 412) A. GoETTE, Entwicklungsgeschichte der Unke. 4875. C. Kuprrer, Über Differenzirung des Protoplasma in den Zellen thierischer Ge- webe. in: Schriften des naturw. Vereins für Schleswig-Holstein. Bd. 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Owsıannıkow, Studien über das Ei der Knochenfische. in: M&em. de l’Acad. imperiale des Sciences de St. Petersbourg. VII Serie. T. XXXIlI. 1885. Erklärung der Abbildungen. Für alle Figuren gültige Bezeichnungen. 4, Siehe p. 607; | ag, Anlage des Ausführungsganges der Geschlechtsdrüse ; aMpK, Anlage der Marpıscur'schen Körper- sachen; ao, Aorta; a.o.s, Aorta Sinistra; bg, big, Blutgefäß; ch, Chorda; d, Darm; e, epitheliale Wand des Ovarialkanals; .E, Eierstockei; fk, Fettkörper; gc, Genitalkanal; ge (v.d), Genitalkanal (Vas deferens); gd, Geschlechtsdrüse; gd (o), Geschlechtsdrüse (Ovarium); gd (t), Geschlechtsdrüse (Testis); gf, Genitalfalte; gl, gm, gMpk, Glomerulus eines MALPIGEI- schen Körperchens des Mesonephros; gl’, Glomerulus des MaArricar schen Kör- perchens des Pronephros; gr, Granulosa; h, Hoden; h.b, Harnblase; h.c, Wand des Hodenkanales; he, Halstheil eines Harnkanälchens; hf, Hodenfollikel ; ‚h.s, Hodenschläuche; hsc, Harnsamenkanälchen; hyp, Hypoblast; ke, Keimepithel; L, Lunge; 1, l\ymphoide Zellen; Ic, Längskanal; ic’, ampullenartige Erweiterung des Längskanals; l.s, laterale Seite der Keimdrüse ; m, Mesovarium resp. Mesorchium ; m’, Mesorchium; mes, Mesonephros; Mg (mg), Mürrer'scher Gang; mg', ventrales Stück des Mürter’schen Ganges; mk, Mürrer’sches Körperchen ; MK, Marpıchrsches Körperchen ; MpK (mpK), Marrıcar'sches Körperchen; MpKT’, rudimentäres MaLpıchr'sches Kör- perchen; | ms, mediale Seite der Keimdrüse; n, Nephrostom ; n’, Nephrostom so geschnitten, dass die Ausmündungsöffnung nicht mehr ge- troffen ist; 0.a.t, Ostium abdominale tubae; oc, Ovarialkanal; pe, Peritonealepithel; en pe (rm), Peritonealepithel der Radix mesenterii; Zur Entwieklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia, e (mg), erhöhtes Peritonealepithel, in welches das hintere Ende des MÜLLER- schen Ganges sich verliert; pe’, hohes Peritonealepithel des Prone- phros; pe", mit einem MaArrısurschen Körper- chen zusammenhängender Zellstrang, vielleicht der Rest eines Trichterstieles; ph, primäres Harnkanälchen ; ph’, Ausmündung des primären Harnka- nälchens in den Segmentalgang; pro, Pronephros; 1pi, 2pt, erster, zweiter Peritonealtrichter; gc, Querkanal; r.e, rudimentäre Eier; rh, rudimentärer Hodenschlauch ; rm, Radix mesenterii; sb, Segmentalblase; sch, Subchordalstrang ; sg, Segmentalgang; sld, Schlunddarm; sig, Sammelgang des Hodens; sm. Somit; som, Somatopleura; som.pe, Peritonealepithel der Somato- pleura; sp b, subperitoneales Bindegewebe; 639 spc, Spermatocyste; spg, Spermatogonie; spl, Splanchnopleura; spl (pe), splanchnopleures Peritonealepi- thel ; sr, Sammelröhren;; 1st, 2st, erster, zweiterSegmentaitrichter; ste, Segmentalkanälchen; sig, Segmentalgang ; sig’, in die Caudalniere gehender Fort- satz des Segmentalganges; stg (pror), zum Pronephros gewordener Theil des Segmentalganges ; u, Urei; ud, Urdarm: ugf, Urogenitalfalte; u.z, Umhüllungszellen der Spermatogo- nien; v.c, Vena cardinalis; vd, Vas deferens; ve, Vas efferens; e', interrenales Vas efferens; vra, Vena renalis aflerens; vre, Vena renalis efferens; Wg, Wourr'scher Gang; x, siehe p. 622; z, Umhüllungshaut. Tafel XXXIII. Alle Figuren von Triton cristatus. Fig. A. phros. Vergr. 125/1. Querschnitt durch den vordersten (ersten) Peritonealtrichter des Prone- Fig. 2. Querschnitt durch den hintersten (zweiten) Peritonealtrichter des Prone- phros. Vergr. 125/1. Fig. 3. Querschnitt durch denselben Trichter, stärker vergrößert. Vergrößerung 280/A. Fig. 4. Querschnitt durch die früheste Anlage des Mürrer’schen Körperchens. Vergr. 280/1. Fig. 5 und 6. Querschnitte durch das Müruer'sche Körperchen aus älteren Sta- dien der Entwicklung. Vergr. 280/4. Fig. 7 und 8. Zwei auf einander folgende Querschnitte durch die jüngste An- lage eines Nephrostoms. Vergr. 280/1. Fig. 9. Querschnitt durch die Anlage eines Nephrostoms aus einem späteren Stadium der Entwicklung; das primäre Harnkanälchen ist schon mit dem Segmen- talgang in Verbindung getreten. Vergr. 280/1. Fig. 10 und 44, Querschnitte durch ein Nephrostom und ein primäres Harnka- nälchen aus einem noch späteren Stadium. Vergr. 280/1. ( folgt unmittelbar auf den in Fig. 10 und zeigt noch die Trichteröffnung in Fig. 14, des Nephrostoms.) (Der Schnitt, abgebildet 640 6. K. Hoffmann, Fig. 12, 43. Zwei auf einander folgende Querschnitte aus einem noch etwas späteren Stadium. Vergr. 280/4. Fig. 14, A4a, AAb. Drei verschiedene Querschnitte durch die Anlage der Geni- talkanäle. Vergr. 280/14. - Fig. 45, 46, 47. Drei Schnitte einer Querschnittserie von einem Weibchen um die Anlage des Mürzer’schen Ganges zu verdeutlichen. Vergr. 280/1. Fig. 18, 19, 20. Drei auf einander folgende Schnitte einer Querschnittserie von einem Männchen, um die Entwicklung des Mürrrr’schen Ganges zu verdeutlichen. Vergr. 280/41. Fig. 21, 22, 23. Drei Schnitte einer Serie durch den vorderen Theil des Mür- Ler’schen Ganges in seinem jüngsten Entwicklungsstadium. Vergr. 280/1. (Fig. 23 liegt am meisten nach vorn.) Fig. 24, 25. Zwei Querschnitte einer Serie durch den Pronephros und den Mür- LER’Schen Gang. Vergr. 280/14. (Fig. 25 liegt am meisten nach vorn.) Fig. 26. Querschnitt durch den vordersten Peritonealtrichter des Pronephros, der in Begriff steht sich zu schließen und. das eben abgekapselte MüLLEr’sche Körperchen. Vergr. 280/41. (Dieser Schnitt ist demselben Embryo entnommen als die Schnitte in Fig. 21, 22, 23 abgebildet.) Fig. 27, 28, 29. Drei Schnitte einer Querschnittserie durch ein junges Thier, bei welchem die Kiemen schon zum größten Theil atrophirt sind. Fig. 27 geht durch den untersten (zweiten) Trichter des Pronephros und das Ostium abdominale; Fig. 28 ist weiter nach hinten genommen und noch mehr nach hinten ist Fig. 29, wo der Schnitt neben dem Mürter’schen Gang auch das obere, blindgeschlossene Ende des Worrr'schen Ganges getroffen hat. Vergr. 280/1. Fig. 30. Querschnitt durch das MürLer’sche Körperchen eines jungen Thieres, bei welchem die Kiemen schon atrophirt sind. Vergr. 75/1. Fig. 31. Querschnitt durch das Mürer’sche Körperchen eines halb erwachse- nen Thieres. Vergr. 65/1. Fig. 32, 33, 34. Drei verschiedene Querschnitte durch die jüngste Anlage der Urogenitalfalte. Vergr. 450/1. Fig. 35. Querschnitt durch die Geschlechtsdrüse noch in dem indifferenten Stadium. Vergr. 280/14. Fig. 36. Querschnitt durch ein sehr jugendliches Ovarium. Vergr. 280/4, Fig. 37. Querschnitt durch eine Keimzelle (Urei) eines erwachsenen Triton im Januar. Fig. 38 und 39. Zwei Querschnitte durch noch junge Ovarien (der Querschnitt abgebildet in Fig. 39 ist einem älteren Embryo entnommen als Fig. 38). Fig. 38 Vergr. 260/1, Fig. 39 Vergr. 160/1. Fig. 40. Querschnitt durch einen noch sehr jungen Hoden. Vergr. 280/14. Fig. 44. Querschnitt durch den ganzen Hoden aus einem viel älteren Stadium. Vergr. 65/1. Fig. 42. Querschnitt durch einen Follikel dieses Hodens. Vergr. 280/1. Fig. 43. Querschnitt durch einen Hodenkanal aus einem früheren, Fig. 44 aus einem späteren Stadium der Entwicklung. Vergr. 280/1. Fig. 45. Querschnitt durch die Sammelröhren der Beckeniere, den Worrr’schen und den Mürrer’schen Gang, eines jungen Thieres (Männchen), bei welchem die Worrr’schen Gänge schon an die ventrale Nierenfläche gerückt sind. Vergrößerung 160/. Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia. 641 Tafel XXXIV. Fig. 46. Querschnitt durch den ersten (vordersten) Peritonealtrichter und die früheste Anlage des Mürrerschen Körperchens von Rana temporaria. Vergr, 160/4. Fig. 47. Querschnitt durch eine sehr frühe Anlage des Mürrer’'schen Körper- chens von Bufo cinereus. Vergr. 160/1. Fig. 48. Querschnitt eines Embryo von Bufo cinereus aus einem späteren, und Fig. 49 aus einem noch späteren Stadium der Entwicklung, um die verschie- dene Lage des Mürzer’schen Körperchens zu verdeutlichen. Vergr. 60/1. (Siehe p- 591.) Fig. 50. Querschnitt durch einen sehr jungen Embryo von Bufo cinereus für die erste Anlage der Nephrostomen. Vergr. 280/1. Fig. 51. Querschnitt durch einen etwas älteren Embryo, das primäre Harnka- nälchen steht mit dem Segmentalgang noch nicht in freier Kommunikation. Vergr, 280/. Fig. 52. Querschnitt durch einen noch etwas älteren Embryo, das primäre Harnkanälchen ist mit dem Segmentalgang in offene Verbindung getreten. Vergr. 280/A. Fig. 53. Querschnitt durch einen noch etwas älteren Embryo von Bufo cine- reus. Vergr. 280/4. Fig. 54. Querschnitt durch den Segmentalgang zwischen Pro- und Mesonephros eines Embryo von Bufo cinereus mit rudimentären Vorderbeinen. Vergröße- rung 480/A. Fig. 55. Rudimentärer Hodenschlauch aus der rudimentären Zwitterdrüse eines jungen Weibchens von Bufo cinereus. Fig. 56. Querschnitt ‘durch eine sehr junge Rana eben nach der Metamor- phose, um die weitere Entwicklung des MürLLer’schen Ganges zu verdeutlichen. Vergr. 280/4, Fig. 57. Ein ähnlicher Schnitt desselben Embryo, 0,025 mm weiter nach vorn genommen. Vergr. 60/1. Fig. 58. Ein ähnlicher Schnitt desseiben Embryo, aber etwas mehr nach hinten genommen. Vergr. 60/1. Fig. 59. Der querdurchschnittene Mürter’sche Gang desselben Schnittes stärker vergrößert. Vergr. 280/1. Fig. 60—66. Sieben Querschnitte durch ein junges Thier von Bufo cinereus, kurz nach der Metamorphose. Siehe p. 596. Fig. 60, Vergr. 601/. Fig, 61, 62, 63, 64, 65, 66, Vergr. 280/. Fig. 67, 68. Zwei Querschnitte durch ein etwas älteres Thier von’ Bufo cine- reus. Siehe p. 597. Fig. 67, Vergr. 60/1. Fig. 68, Vergr. 280/4. Fig. 68a. Querschnitt durch einen sehr jungen Embryo von Rana temporaria, um die früheste Anlage der Ureier zu verdeutlichen. Vergr. 480/A. Fig. 69. Querschnitt durch die Ureierfalte eines etwas älteren Embryo von Ranatemporaria. u, Urei. Vergr. 480/A. Fig. 70. Querschnitt desselben Embryo, aber mehr nach vorn genommen, wo die Ureierfalte allmählich in das Peritonealepithel sich fortsetzt. Vergr. "480/41. Fig. 71. Querschnitt durch ein junges Ovarium von Bufo cinereus. Vergr. 10/1. 642 6. K, Hoffmann, Fig. 72. Querschnitt durch einen jungen Hoden von Bufo cinereus. Vvergr. 180/1. Fig. 73. Querschnitt durch die noch vollkommen indiiferente Geschlechtsdrüse eines Embryo von Bufocinereus. Vergr. 280/1. | ‚Fig. 74. Querschnitt durch einen rudimentären Hodenschlauch der Zwitter- drüse von Bufocinereus. Vergr. = 200/i. Fig. 75. Theil eines Querschnittes durch ein junges Ovarium von Ranatem- poraria. Vergr. 280/41. | Fig. 76. Querschnitt durch die Niere eines jungen Thieres von Rana tem- poraria, er zeigt den Längskanal, das interrenale Vas efferens und das mit diesem zusammenhängende rudimentäre MarpıcHl'sche Körperchen. Vergr. 280/4. Fig. 77. Querschnitt durch den Längskanal und eine mit diesem zusammen- hängende ampullenartige Erweiterung einer ausgewachsenen Rana temporaria. Vergr. 280/1. | Fig. 78. Aus einem Querschnitt einer Niere einer ausgewachsenen Rana tempo- raria. Vergr. 280/A. Fig. 79. Peripherischer Theil eines Querschnittes durch die (rudimentäre) Zwitterdrüse eines Weibchens von Bufo cinereus. Vergr. 280/A. Fig. 80. Aus einem Querschnitt einer Niere eines jungen Thieres von Bufo cinereus. Vergr. 280/14. - Fig. 81. Querschnitt durch den ersten (vordersten) Segmentaltrichter und die Ausmündunssöffnung des Segmentalganges von Scyllium catulus. Vergr. 160/1. a Fig. 82, 83, 84. Drei Querschnitte durch den sich entwickelnden Mürrer'schen und Worrr'schen Gang durch Spaltung des Segmentalganges eines weiblichen Em- bryo von Torpedo. Vergr. 280/14. Fig. 85, 86. Zwei Querschnitte desselben Embryo, um die Bildung der Geni- talkanäle zu verdeutlichen. Vergr. 75/1. Fig. 87, 88. Zwei Querschnitte durch einen männlichen Embryo von Acan- thias. Fig. 87, Vergr. 50/1. Fig. 88, Vergr. 160/4. Fig. 89. Querschnitt durch einen weiblichen Embryo von A canthias. Vvergr. 75/4. Fig. 90, 94, 92. Aus Querschnitten eines Ovariums eines fast vollkommen ent- wickelten Embryo von Acanthias. Siehe p. 620. Vergr. 20/1. | Tafel XXXV. Alle Figuren von Salmo salar. Fig. 93. Querschnitt durch das vordere Ende des Segmentalganges von einem sehr jungen Embryo. Vergr. 160/A. Fig. 94. Ein ähnlicher Schnitt durch einen etwas älteren Embryo. Vergr. 460/1. Fig. 95. Ein ähnlicher Schnitt durch einen noch eiwas älteren Embryo. Vergr. 160/A. Fig. 96. Ein ähnlicher Schnitt eines Embryo aus einem noch etwas späteren Stadium der Entwicklung. Vergr. 160/1. Fig. 97, 98. Zwei auf einander folgende Querschnitte um die jüngste Anlage der Segmentalkanälchen zu verdeutlichen. Vergr. 280/1. Fig. 99. Aus einem Querschnitt eines etwas älteren Embryo. Vergr. 280/14. Fig. 400. Aus einem Querschnitt eines Embryo, bei welchem der Dottersack zum größten Theil schon resorbirt war. Vergr. 280/4. Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia. 643 Fig. 404, 102. Zwei auf einander folgende Querschnitte durch das hintere Ende des Segmentalganges und das vordere Ende der Harnblase. Vergr. 160/4. Fig. 103, 104. Aus einem Querschnitt durch die Niere eines sehr jungen Thieres. Vergr. 140/1. - Fig. 405. Querschnitt durch einen sehr jungen Embryo, für die jüngste Anlage der Ureier. Vergr. 480/1. Fig. 406, 407. Zwei Querschnitte durch die Anlage der Genitaldrüse in einer späteren Periode der Entwicklung. Sehr stark vergrößert. ‚Fig. 408, 4109. Zwei Querschnitte durch die Genitaldrüse eines Embryo, bei welchem der Dottersack schon vollständig verschwunden war. Sehr stark ver- erößert. Fig. 140. Querschnitt durch das Vas deferens eines noch jugendlichen Hodens. Vergr. 320/1. Fig. 144, 412. Zwei Querschnitte durch die jüngste Anlage des Ausführungs- sanges einer noch indifferenten Geschlechtsdrüse. Vergr. 360/A. Fig. 443. Querschnitt durch die noch indifferente Geschlechtsdrüse eines jungen Thieres, vier Monate nach dem Ausschlüpfen. m, Mesenterium. Vergr. 200. (NB,. Fig. 144, 442 und 4143 sind einem und demselben Embryo entnom- men.) | Fig. 4144, 445. Aus Querschnitten durch junge Ovarien. Vergr. 420/A. Fig. 446, A447. Aus Querschnitten durch junge Hoden. Sehr stark vergrößert. (Fig, 146 ist einem jüngeren, Fig. 447 einem älteren Thier entnommen.) Der feinere Bau des Knochengewebes. Von A. Kölliker. Mit Tafel XXXVI—XRAIX. I. Von dem Baue der Knochenlamellen. Unter allen Sätzen, welche die vorzügliche Arbeit von v. EBNER über den feineren Bau der Knochensubstanz enthält, ist wohl keiner, der so sehr die Kritik herausfordert, wie der, „dass die Knochensub- stanz aus leimgebenden, nicht verkalkten Fibrillen zu- sammengesetzt sei, welche durch eine Kittsubstanz, die die Knochenerde enthält, zusammengehalten werden« (p. 18), und zwar vor Allem aus dem Grunde, weil die leimge- bende Substanz in solcher Menge in dem Knochengewebe sich findet, dass nicht abzusehen ist, wo dann die 66°/, Erdsalze sonst ihren Sitz haben sollten. Neue Untersuchungen über den Bau der Knochen, die ich in diesem Winter 1885/86 begann, führten mich bald auch auf diese Frage und will ich dieselbe nun in erster Linie zum Gegenstande der Besprechung machen. Die Beweisführung v. Esner’s ist folgende. Nachdem er die von SHARPEY zuerst gesehenen feinen Fäserchen der Knochengrundsubstanz ausführlich beschrieben hat und zu dem Ergebnisse gelangt ist (p. 13), dass es in hohem Grade wahrscheinlich sei, dass die Knochenfibrille ein mit der Bindegewebsfibrille identisches Formelement darstelle, erklärt er, dass wenn diese Vermuthung richtig sei, »dann natür- lich die Knochenfibrille eben so wenig als die Bindege- websfibrille Knochenerde enthalten dürfe«. Gegen diesen a prioristischen Schluss möchte ich in erster Linie mein großes Beden- ken aussprechen, denn einmal ist nicht zu bezweifeln, dass an vielen Orten, wie z. B. in den Wirbeln vieler Fische, in der Säge des Säge- fisches, in den Sehnen der Vögel, Bindegewebsfibrillen verknöchern, Der feinere Bau des Knochengewebes. 645 und zweitens würde, selbst für den Fall, dass gewöhnlich solche Fibril- len keinen Kalk aufnehmen, hieraus noch lange nicht folgen, dass die Fibrillen der Knochensubstanz sich eben so verhalten. - v. Esner hat nun aber auch Thatsachen ins Feld geführt, die alle Beachtung verdienen. In erster Linie sagt er, dass an Knochenschliffen, nach Zerstörung der leimgebenden Substanz, an der Stelle der Fibrillen lufterfüllte Röhrchen in der Grundsubstanz des Knochens sich nach- weisen lassen, was beweise, dass die Fibrillen nicht verkalkt seien. Verasche man auf dem Platinbleche möglichst dünne polirte Knochen- schliffe, welche, trocken untersucht, sehr durchsichtig erscheinen, so falle zunächst auf, dass dieselben, nachdem alle organische Substanz verbrannt sei, so weiß und undurchsichtig werden, wie es unveraschte Schliffe nur bei viel bedeutenderer Dicke sind. Ein solcher Schliff trocken unter das Mikroskop gebracht, erscheine bei durchfallendem Lichte im größten Theile seiner Ausdehnung völlig schwarz und un- durchsichtig. Nur an den allerdünnsten Stellen, die nicht dicker sind, als etwa die Distanz zweier Knochenkanälchen beträgt, könne man noch die Knochenkanälehen und Knochenkörperchen unterscheiden; in der dazwischenliegenden Knochensubstanz sehe man aber jetzt dicht ge- drängte lufterfüllte Röhrchen, welche in ihrer Form und Anordnung den am unveraschten Schliffe sichtbaren Fibrillen vollständig entspre- chen. An geglühten Querschliffen sehe man eben so an der Stelle der Fibrillen tiefschwarze Punkte. Noch viel klarer werden nach v. Ever die Bilder, wenn man die veraschten Schliffe in harten Kanadabalsam einschließe, wobei der Eintritt des Harzes in die lufterfüllten Röhrchen großentheils vermieden werde. An den mit dem Harze infiltrirten Stellen dieser Schliffe stelle sich übrigens ein ganz ähnliches Ansehen her, wie es vor dem Veraschen bestand, nur dass die Punktirung und Streifung der Grundsubstanz viel deutlicher sei als vorher. Ganz ähnliche Erfahrungen wie an verbrannten Schliffen kann man nach v. Esner auch an Schliffen machen, welche entweder kurze Zeit in Alkalien gekocht oder durch einige Stunden mit Wasser bei 120° digerirt, oder endlich mehrere Tage in Wasser gekocht wurden. Durch alle diese Proceduren werde die leimgebende Substanz aufge- löst und müsse man daher ähnliche Bilder bekommen, wie durch das Kaleiniren, wenn wirklich die Knochenfibrillen keine Erdsalze enthal- ten. In der That sehe man auch an den ausgekochten Schliffen, wenn sie trocken untersucht werden, ein dichtes lufterfülltes Röhrensystem, das dieselben fast eben so undurchsichtig mache wie verbrannte Schliffe, nur seien die Röhrchen feiner. In Betreff der von v. Esner angenommenen Kittsubstanz, 646 A. Kölliker, welche die Erdsalze enthalten solle, sind die Angaben sehr dürftig. Dieselbe sei so innig mit den Erdsalzen verbunden, dass veraschte und ausgekochte Schliffe dasselbe Bild gewähren, obschon in der ersten die organische Grundlage (Esner meint mit Inbegriff der Kittsubstanz) zer- stört sei. Behandle man einen ausgekochten Schliff unter dem Mikro= skope mit sehr verdünnter Salzsäure, so bleibe die Kittsubstanz als ein sehr durchsichtiger Rest zurück, der freilich mit sehr zarten Kontouren noch die Knochenkörperchen mit ihren Ausläufern, ferner Streifen und Punkte zeige, welche gewissermaßen den Matrizen der Knochenfibril- len entsprechen, also noch die ganze Knochenstruktur. Dieser Rest quelle durch die Säure kaum merklich auf, werde aber nach länge- rem Liegen oder in stärkerer Säure völlig unsichtbar. Bemerkenswerth ist noch, was v. Esner über die Polarisationser- scheinungen der in verschiedener Weise behandelten Knochenschliffe beobachtete. Knochen, die ihre normale Beschaffenheit besitzen, zei- gen unter allen Umständen deutliche positive Doppeltbrechung, welche durch Nelkenöl, Terpentinöl, Glycerin kaum merklich geschwächt wird. Sind dagegen die Knochen kaleinirt oder ausgekocht (Esner sagt »die leimgebenden Fibrillen zerstört«, da er dies als Folge des Glühens und Kochens ansieht), so zeigt sich der Charakter der Doppeltbrechung ge- radezu von der Zusatzflüssigkeit abhängig und wird je nach der Be- schaffenheit derselben bald positiv, bald negativ. Entkalkte Knochen wirken wie Knochenschliffe. Zu meinen eigenen Untersuchungen übergehend bespreche ich in erster Linie den Bau der Knochenlamellen und in zweiter Reihe die Frage, ob gewisse Theile derselben unverkalkt seien und welche. Die Zusammensetzung der Knochenlamellen anlangend, so hat schon vor Jahren Suarrry das Richtige getroffen, als er die Zusam- mensetzung derselben aus sich kreuzenden Fäserchen beschrieb, doch gebührt v. Ener das Verdienst, diese Angelegenheit nahezu endgültig erledigt zu haben. Meine eigenen neuen Erfahrungen stimmen nämlich in allen wesentlichen Punkten mit denen dieses Forschers überein, wie das Folgende ergeben wird. Wie v. Esner unterscheide ich in der Grund- substanz der Knochenlamellen feinste Fäserchen oder Fibrillen, und Bündelchen von solchen. Die letzteren bilden, indem sie in einfacher Schicht neben einander sich legen, dünne Platten oder Blätter, welche von den ungemein zahlreichen Knochenkanälchen durchbohrt werden und so wie porös aussehen. So gewinnt es den Anschein, als ob die Fibrillenbündel unter einander anastomosirten oder ein Flechtwerk bildeten, während der wahre Sachverhalt wahrscheinlich der ist, dass Der feinere Bau des Knochengewebes. 647 dieselben einfach neben einander verlaufen und zum Durchtritte der Knochenkanälchen stellenweise aus einander weichen. Der Grund, warum ich diese Auffassung für die richtige halte, ist der, dass die frei vorstehenden Enden der Bündel, die man häufig in ziemlicher Länge zu Gesicht bekommt, niemals sich theilen oder Seitenäste ab- geben, wie denn auch v. Ener in seinen Fig. 5, 6, 9, 10 nichts Derartiges zeichnet. Dieselbe Ansicht wie ich vertritt auch Brösıke (Archiv für mikr. Anat. 1882. p. 760). Die Bündel der Knochenfibrillen, deren Breite im Mittel 3,0—3,5 u beträgt, sind an Präparaten von Knochenknorpel und zwar am besten an abgerissenen Blättchen desselben oder an zerzupften Lamellen mit Leichtigkeit in einer gewissen Länge frei zu erhalten (Fig. 1) und kann auch ich wie v. Esner für solche Untersuchungen den Zusatz von Koch- salzlösungen von 5—10°/, empfehlen. In situ sieht man die Bündel an feinen Flächenschnitten von Knochenknorpel überall, ferner sehr schön an isolirten Havzrsischen Lamellensystemen, den sogenannten »Qlavi- culi von GA6LIARDI«, wie man sie von lange Zeit in dünnem Spiritus oder dünner CGhromsäure macerirten entkalkten Stücken der Sub- stantia compacta von großen Röhrenknochen gewinnt (m. Mikr. Anat. I, 1. p. 387), ein Objekt, das den neueren Beobachtern wenig bekannt zu sein scheint. Ungemein deutlich treten diese Bündel endlich auch hervor an dünnen Theilen der Wandungen angeschnittener Havzrsischer Kanäle, wie sie an feinen Längsschnitten von Knochenknorpel so häufig einem zu Gesicht kommen. Was den Verlauf dieser Bündel oder der Knochenfasern anlangt, so finden sich bei v. Esner eine Reihe von An- gaben über denselben, die sich theils auf das verschiedene Aussehen der Knochenlamellen, die punktirte und streifige Beschaffenheit derselben, theils auf die Polarisationserscheinungen, endlich auf das Verhalten abgerissener Blätter von Knochenknorpel (Fig. 5—10) stützen. Als End- resultat giebt dieser Forscher an (p. 23), dass außer dem extremen Falle von abwechselnden Schichten längs- und querdurchschnittener Fibrillen alle möglichen Fälle sich finden von abwechselnden Bändern (es sind die Lamellen gemeint) mehr oder weniger schief durchschnittener Fi- brillen bis zum anderen Extreme, wo auf größere Strecken alle Fibril- len nahezu dieselbe Richtung einschlagen. Diese Angaben sind voll- kommen richtig und lässt sich der Verlauf der Knochenfibrillen und ihrer Bündel, der Knochenfasern, noch genauer feststellen durch Ver- folgung derselben in situ, wie dies an isolirten Haversischen Lamellen- systemen und an isolirten Hauptlamellen macerirter Knochenknorpel- Stücke möglich ist. An den ersteren, die sowohl in Kochsalz, als auch nach Zusatz von Essigsäure hübsche Bilder geben (Fig. 2), findet man 6485 A. Kölliker, einen großen Wechsel des Faserverlaufes nicht nur an verschiedenen Systemen, sondern auch an einem und demselben Systeme. Als häufigstes Vorkommnis glaube ich das bezeichnen zu dürfen, bei dem die Fasern der verschiedenen Blätter mit der Achse des Havzssischen Kanales einen Winkel von beiläufig 45° bilden und unter einander in rechtem Winkel sich kreuzen. Sehr selten scheint dagegen der Fall zu sein, dass die einen Fasern longitudinal, die anderen transversal verlau- fen, dagegen finde ich sehr häufig die einen Fasern quer, oder nahezu quer und die anderen sehr steil ansteigend unter Winkeln von 20 bis 30° zur Achse der Kanäle. Auch dem queren sich nähernde schiefe Fasern kommen vor, die unter Winkeln von 10—-20° sich kreuzen. Nimmt man nun noch hinzu, dass an der Oberfläche und: in der Tiefe eines Lamellensystemes der Faserverlauf oft verschieden ist, und dass derselbe auch an verschiedenen Stellen wechselt, so ergiebt sich eine große Mannigfaltigkeit des Verhaltens und begreift man, dass das Ver- hältnis der punktirten zu den streifigen Lamellen im Längs- und Quer- schnitte ein so verschiedenes ist. Ein ganz eigenthümliches Verhalten zeigen die Lamellen, die dicht um die Gefäßkanäle herum liegen, indem hier der Verlauf der Knochen- fasern ein so unregelmäßiger ist, dass er jeder Beschreibung spottet. Ich bemerke daher nur so viel, dass hier die Knochenfasern in kleinen Bezirken die sonderbarsten stern-, wirtel-, fächer- und federartigen Figuren bilden. In den Hauptlamellen verlaufen die Knochenfasern wie in den Havsrsischen Lamellen, nur finden sich hier in einer und derselben großen Lamelle die mannigfachsten Wechsel. Die Knochenfibrillen sehe ich im Querschnitte an Schliffen und an Schnitten von Knochenknorpel bei den verschiedensten Behand- lungsweisen, Zusätze von Säuren und kaustischen Alkalien natürlich ausgenommen, und finde dieselben feiner und dichter stehend als beim weichen Bindegewebe, z. B. an Sehnen, zahlreicher als v. Esner diesel- ben zeichnet, ohne bestimmt nachweisbare Zwischensubstanz (Fig. 3). Eine Kittsubstanz mag in minimaler Menge zwischen den Fibrillen, ihren Bündeln und den Lamellen da sein, so lange jedoch dieselbe weder durch das Mikroskop noch durch chemische Behandlung sicher nachgewiesen ist, wird man gut thun, dieselbe nicht besonders zu be- tonen. Ich möchte daher auch das, was v. Esner »Kittlinien« der La- mellensysteme nennt, lieber als Grenzlinien bezeichnen, da von diesen Linien, die nicht selten auch innerhalb der Lamellensysteme zu einer oder mehreren vorkommen (Köruiker, Mikr. Anat. II, 4. Fig. 84 und alle Aufl. der Gewebelehre; v. Esner, 1.c.p.49; Brösıke, 1.c.p. 761), Der feinere Bau des Kuochengewebes. 649 in keinem Falle nachgewiesen ist, dass sie aus einer besonderen Sub- stanz bestehen. Im Übrigen hat v. Esner die Lamellen vortrefflich be- schrieben und möchte ich nur folgende Punkte besonders hervorheben. Wie v. Esner finde ich Stellen, die gar keine Lamellen darbieten, an denen an Querschnitten nur Fibrillenquerschnitte erscheinen (Fig. 3). In solehen Gegenden verlaufen entweder die Fibrillen alle longitudinal oder kreuzen sich schief unter gleichen Winkeln. Dann folgen Stellen, die schwache zarte Andeutungen von Blättern zeigen (Fig. 4), die sehr dünn sind, und diese deute auch ich als Gegenden, in denen Faserlagen auf einander folgen, deren Fasern in einfacher Schicht Blätter bilden und in wenig abweichender Richtung verlaufen. Endlich giebt es noch deut- liche dünnere und dickere Lamellen, die einen entschieden punktirt, die anderen streifig. Hier ist der Faserverlauf in dünnen oder dicke- ren Lamellen (einfachen und zusammengesetzten Lamellen v. Esner’s) abwechselnd ein wesentlich verschiedener. Im Allgemeinen bestehen die Hauptlamellen aus dünneren Lamellen, die jedoch fast ohne Aus- nahme gut ausgeprägt sind, während die Havzrsischen Lamellen eine wahre Musterkarte aller möglichen Formen darstellen. Noch bemerke ich in Betreff eines Bildes (Fig. 101) und einer Be- schreibung von Ranvier (Trait& technique, p. 314), dass, was dieser Autor als gestreifte Lamellen beschreibt, unsere punktirten Lamellen sind. Die dunklen Balken (ponts), die Ranvırr’s homogene (unsere ge- streiften) Lamellen unter einander verbinden sollen, sind nichts als die Theilchen der Knochensubstanz, die zwischen den Knochenkanälchen liegen und die bei gewissen Behandlungsweisen im Quer- und Längs- schnitte wie besondere Fasern erscheinen. Zu der Frage mich wendend, ob gewisse Theileder Knochen- srundsubstanz unverkalkt seien, bemerke ich in erster Linie, dass meine Xrfahrungen an kalcinirten Knochenschliffen nicht mit denen von v. EBner stimmen, was möglicherweise damit in Zusammenhang steht, dass v. Esxer vorwiegend stark und lang geglühte Schliffe untersuchte, ich dagegen solche aus den verschiedenen Stadien der Einwirkung der Hitze. Glüht man Schliffe nur bis zu dem Zeitpunkte, in dem der zu- erst kohlschwarz gewordene Knochen wieder weißlich erscheint, d. h. etwa '/,—!/s Minute im rothglühenden Platintiegel über einer Gas- flamme, so erhalten sich sehr dünne Schliffe noch theilweise durch- sichtig und sind stärkeren Vergrößerungen zugängig. Glüht man da- gegen länger — ich glühte 4 Minute bis 4 Stunde — so werden die Schliffe kreideweiß und meist ganz undurchsichtig. Doch habe ich, und das verdient alle Beachtung, auch in solchen Fällen häufig noch dünnste Stellen gefunden, die noch mit einem System 7 von Leitz unter- 650 A, Kölliker, ss sucht werden konnten und dasselbe zeigten wie die anderen Schliffe, so dass man nicht wird einwenden können, dass !/, Minute lang ge- glühte Präparate nicht hinreichend lang der Einwirkung der Hitze aus- gesetzt waren. An solchen durchsichtigen Theilen länger oder kürzer geglühter Schliffe (Fig. 5) sieht man nun keineswegs überall mit Luft erfüllte Röhrchen, wie es der Fall sein müsste, wenn die Substanz der Kno- chenlamellen unverkalkte leimgebende Fäserchen enthielte, vielmehr fehlen solche Röhrchen in den Haversischen Lamellensystemen ganz und gar, und finden sich nur in den interstitiellen und Hauptlamellen, woselbstsie an der Stelle der SnarrryY’schen Fasern auf- treten, wie eine Vergleichung der geglühten Schliffe mit unverän- derten solchen und mit entkalkten Präparaten unwiderleglich beweist. Nach meinen neueren Erfahrungen gehören alle lufterfülltenlanggestreck- ten deutlichen Röhrchen, die an geglühten und ungeglühten Schliffen in der Knochengrundsubstanz zum Vorschein kommen, den Suarpry'schen Fasern an, deren noch lange nicht hinreichend untersuchtes Verhalten weiter unten ausführlich zur Darlegung kommen soll. Hier bemerke ich mit Hinsicht auf die Frage, die ich zunächst bespreche, nur so viel, erstens dass durchaus nicht alle oder auch nur die Mehrzahl dieser Fasern die Knochenlamellen quer durchsetzt, vielmehr eine große An- zahl derselben auch schiefund der Länge nach verläuft und zweitens dass die meisten Snarpey'schen Fasern theilweise oder ganz unver- kalkt sind und daher an geglühten Knochen hohle Räume zurücklassen, die mit Luft sich füllen. Diese Fasern erscheinen daher an solchen Knochen als mit Luft erfüllte Röhrchen, die in vielen Fällen so dicht stehen und eben so fein sind, wie v. Esner die lufterfüllten Kanälchen zeichnet (Taf. II, Fig. 13, 14), die er auf Rechnung der ver- brannten leimgebenden Fibrillen setzt. Hiermit bin ich jedoch nicht gemeint zu behaupten, dass Alles, was v. Erner beschreibt und abbil- det, Snarpzy’sche Fasern waren, nur so viel, dass ich an geglühten Knochenschliffen keine anderen deutlichen Röhrchen sah. Nicht unwichtig für die richtige Auffassung dieser Verhältnisse ist ferner der Umstand, dass die Snarrry’schen Fasern beim Erwachsenen viel häufiger sind, als man bisher gewusst hat, so wie dass dieselben in keiner Weise besser zur Anschauung gebracht werden können, als durch das Glühen. Am Knochenknorpel sind diese Elemente im Allge- meinen nicht leicht zu erkennen und nur schwer gewinnt man an sol- chen eine richtige Vorstellung über ihre Menge. Von trocknen Schliffen gilt dies noch in viel höherem Grade. Manche solche zeigen keine Spur dieser Elemente, andere eine gewisse Zahl derselben in Gestalt von Der feinere Bau des knochengewebes, 651 lufterfüllten feineren oder gröberen Röhrchen und nur seltener, be- sonders in gewissen pathologischen Knochen und bei jungen Geschöpfen habe ich diese Snarrzy’schen Röhrchen an Schliffen in größerer Menge gefunden. Aber auch in diesem Falle steht das, was der Schliff zeigt, in keinem Verhältnisse zu dem, was die geglühten Präparate darbieten. Befeuchten der Schliffe mit Wasser, Glycerin, Terpentinöl, Kanadabal- sam etc. bringt dagegen die betreffenden Fasern gut zur Anschauung, worüber unten mehr. ' Bei der Untersuchung geglühter Schliffe auf die von v. Ener be- schriebenen lufthaltigen Röhrchen erwiesen sich mir als sehr wichtig die dünnen Stellen, die man an Schliffen sehr häufig an halb ange- schliffenen Haversischen Kanälchen findet. Hier zeigt ein ungeglühter Schliff die von v. Esser beschriebenen Bündel von Fibrillen oder die Knochenfasern in einfachen oder doppelten sich kreuzenden Lagen und „wischen denselben rundliche oder längliche Lücken von den Knochen- kanälchen herrührend, so dass das Ganze wie ein feines Gitterwerk aussieht. (Man vgl. die Fig. 5—10 von v. Esner über diese Bildungen am Knochenknorpel und meine Fig. 21.) Danun diese Knochenfasern nach v. Esner’s Auffassung, der ich, wie ich oben darlegte, ganz bei- pflichte, aus Bündeln feiner leimgebender Fibrillen bestehen, so müsste am geglühten Knochen jede Faser ein Bündel lufthaltiger Röhrchen zei- gen, wenn v. EBNEr's Ansicht richtig wäre, dass die Fibrillen unverkalkt sind. Allein kein geglühter Knochen zeigt jemals etwas der Art, viel- mehr verhalten sich an solchen Stellen die Knochenfasern genau wie an ungeglühten Knochen, was ich in einigen Fällen durch Untersuchung einer und derselben Stelle vor und nach dem Glühen direkt ermittelt habe. Dieselben Erfahrungen, wie an kaleinirten Knochenschliffen, machte ich auch an Schliffen, die in Kali caustieum von 10°, und von 20%, längere Zeit (2—3 Tage) in der Brütmaschine digerirt oder ganz kurze Zeit gekocht worden waren. Solche Schliffe werden, auch wenn sie noch so dünn waren, sehr undurchsichtig und bieten trocken nur an den Rändern oder hier und da im Innern, in der Nähe der Gefäßkanäl- chen einzelne kleine Stellen dar, an denen sie für starke Vergrößerun- gen zugängig sind. Immerhin genügen dieselben, um den Beweis zu leisten, dass auch hier keine lufterfüllten Röhrchen an die Stelle der Fibrillen getreten sind, vielmehr die Grundsubstanz um die Knochen- zellen noch wesentlich dieselbe Beschaffenheit besitzt wie früher. Zu demselben Ergebnisse führt auch eine sorgfältige Betrachtung eines solchen Schliffes, während des Zusatzes beliebiger leichter oder schwe- rer eindringender Flüssigkeiten und überzeugt man sich auch auf die- Zeitschrift f, wissensch. Zoologie. XLIV. Bd. 49 652 A, Kölliker, sem Wege, dass solche Präparate keine anderen lufterfüllten Theile be- sitzen, als die Knochenhöhlen, Knochenkanälchen und die Gegenden der SHarPpEY’Sschen Fasern. Da selbst beim Zusatze von so leicht eindringen- den Stoffen, wie Terpentinöl, Chloroform ete., Anfangs immer viele Zellen und Knochenkanälchen ihre Luft bewahren, so ist der dicke von v. Esner empfohlene Kanadabalsam für eine solche Prüfung durchaus keine Conditio sine qua non und führt vor Allem Wasser mit Glycerin, das ich gewöhnlich anwandte, eben so sicher zum Ziele. Nicht anders als solche Schliffe verhalten sich endlich auch in Wasser gekochte, sei es dass höherer Druck dabei angewandt oder längere Zeit bei gewöhnlichem Drucke gekocht wurde und finden sich auch hier keine anderen mit Luft gefüllten gut ausgeprägten Röhrchen, als diejenigen, die von den Suarrev’schen Fasern eingenommen worden waren. Von solchen Schliffen standen mir durch die Freundlichkeit von v. EBxer mehrere von ihm angefertigte Präparate zu Gebote, in Betreff welcher ich in erster Linie anmerke, dass v. Esner an denselben auf kei- nen Fall feine Suarrry’sche Fasern für gelöste Fibrillen angesehen hat. Was dieser Forscher als Beweis für die Annahme, dass die leimgebenden Fibrillen aufgelöst seien, ansieht, sind, wie er sich ausdrückt, eine Un- zaht äußerst feiner punkt- und strichförmiger lufthaltiger Räume, welche nach Zahl und Anordnung mit den Knochenfibrillen übereinstimmen. v. EBner ist ferner der Ansicht, wie er mir brieflich mittheilt, dass die weiße Farbe, welche geglühte und gekochte Schliffe trocken darbieten, wenn hierfür nicht eine andere annehmbare Erklärung gegeben wer- den könne, nur auf Luft in feinsten Räumen zu beziehen sei. — Meine Anschauungen über diese Verhältnisse gehen auf Folgendes hinaus. Erstens die weiße Farbe geglühter, gekochter und mit Kali behandelter Schliffe anlangend, so könnte dieselbe, wenn die Kalksalze, wie ich glaube, an die leimgebende Substanz gebunden sind, eben so gut wie von Luft, daher rühren, dass die Knochentheilchen durch Entziehung der leimgebenden Substanz ihren Aggregatzustand ändern und nun die Beschaffenheit annehmen, welche z. B. die Kalkkrümel zeigen, die an Ossifikationsrändern in die Knorpelgrundsubstanz sich ablagern, welche auch intensiv weiß erscheinen. Unter dieser Voraussetzung würde die weiße Farbe der betreffenden Knochen, die übrigens, beiläufig be- merkt, in der Knochensubstanz selbst niemals so intensiv ist, wie an den Knochenkörperchen und ihren Ausläufern, durchaus nichts zu Gunsten der Ansicht von v. Ener beweisen und ist die Hauptfrage die, ob die von v. Esner als lufthaltige strichförmige Räume und Punkte be- zeichneten Theile wirklich so zu deuten sind, wie er annimmt. In dieser Der feinere Bau des Knochengewebes. 653 Beziehung bemerke ich Folgendes. Erstens habe ich, wie oben schon bemerkt, eine bedeutende Zahl in verschiedener Weise behandelter Knochenschliffe untersucht, ohne solche lufthaltigen Räume zu finden wie die genannten Präparate v. Esnxer's sie enthalten, mochte ich nun trockene Präparate untersuchen oder dieselben während des Eindringens von Flüssigkeiten prüfen. Eben so habe ich auch ganz dieken Kanada- balsam nur mit negativem Erfolge angewendet. Ich kann daher nicht zugeben, dass das Auftreten solcher lufthaltiger Theile eine regelmäßige und nie fehlende Erscheinung sei, obschon auch ich solche in gewissen Fällen sehe. Zweitens finde ich, und zwar nicht nur an meinen, son- dern auch an v. Esner’s Präparaten, dass die fraglichen lufthaltigen Striche und röhrchenähnlichen Bildungen an geglühten und gekochten Knochen niemals so fein sind und so dicht stehen, wie es der Fall sein müsste, wenn dieselben den ungemein zarten Fibrillen der Knochen- fasern entsprächen. Man bedenke, dass die Bündel der Knochenfibril- len oder die Knochenfasern, wie v. Esner selbst angiebt (p. 30) nur 2 bis 3 u messen. Wie unmessbar fein müssten da die Fibrillen selbst sein und wie fein die lufthaltigen Röhrchen, die an ihre Stelle treten sollen? Nach Allem was ich gesehen habe, halte ich die fraglichen Räume einmal für Spältchen zwischen den Fibrillenbündeln und zwei- tens für Zerklüftungen zwischen den einzelnen Knochenlamellen. Erstere erscheinen an Flächenbildern von Lamellen am deutlichsten und kreuzen sich in diesem Falle die Lücken oft gerade wie die Knochenfasern, während sie an Querschnitten und senkrechten Schnit- ten von Lamellen wie Punkte sich zeigen, die je nach dem Längsspal- ten oder bogenförmige, einem Gefäßkanale koncentrische Lücken dar- stellen. Außer diesen Bildungen enthalten übrigens die Präparate von v. Esser und die meinen noch eine Menge von gröberen und feineren Spalten und Rissen und auch verschiedenartige rundliche Lücken und scheinen mir alle diese Gebilde nichts als durch das Kochen und Glühen erzeugte Kunstprodukte zu sein. Wie man sieht komme ich von demselben Ausgangspunkte aus, wie v. EBNER, zu einem ganz entgegengesetzten Resultate und frägt es sich nun weiter, wie es sich mit der von v. Esner angenommenen Kittsubstanz verhält, die allein die Kalksalze enthalten soll. Offen gestanden vermisse ich bei v. Esner jeden Beweis der Existenz einer solchen Kittsubstanz und doch müsste eine solche, wenn sie, wie dieser Forscher annimmt, die 66°/, Erdsalze der Knochen enthielte, in sehr großer Menge vorhanden sein. Was lehren nun die bisherigen Er- fahrungen und die Thatsachen mit Bezug auf diese Frage? Die chemischen Analysen der Knochen ergeben, dass dieselben 42* 654 A, Kölliker, nur eine einzige, nicht im gelösten Zustande befindliche organische Verbindung erhalten und zwar Collagen und außerdem nur sehr ge- ringe Mengen löslicher solcher Substanzen. Wird hieraus schon von vorn herein klar, dass in die Zusammensetzung der Knochen keine irgend nennenswerthe Menge einer Kitisubstanz eingeht, so wird dies noch weiter dadurch erhärtet, dass wenn man den von seinen Erd- salzen befreiten Knochen bei gewöhnlichem Drucke in Wasser kocht, schließlich der Knochenknorpel ganz und gar sich löst und gar nichts zurücklässt, als die elastischen Elemente der Blutgefäße und der Kno- chensubstanz selbst und möglicherweise nicht ausgezogenes Fett. Allerdings zeigen nicht alle Theile dieselben Löslichkeitsverhältnisse. Am leichtesten löst sich die fibrilläre Grundsubstanz, während die Kapseln der Knochenhöhlen und Knochenkanälchen, dann die Ausklei- dungen der Havzrsischen Kanäle und der Räume des spongiösen Kno- chengewebes ! längeren Widerstand leisten. Doch lösen sich schließlich auch diese zum Beweise, dass sie doch wohl wesent- lich auch aus Collagen bestehen. Somit bleibt nach längerem Kochen des Knochenknorpels nichts übrig, was als Kittsubstanz zu deuten wäre. Ich füge nun noch bei, dass geglühte Knochen, ferner gekochte solche, endlich mit Kali causticum behandelte Knochen nach dem Aus- ziehen der Kalksalze durch starke Salzsäure keinen Rückstand hinter- lassen, was zu beweisen scheint, dass diese Vornahmen die organischen Bestandtheile der Knoehen ganz und gar zerstören. Untersucht man ! Ich erinnere hier daran, dass ich schon vor langer Zeit (Mikr. Anat, II, 2. p. 83) gezeigt habe, dass die Auskleidungen der Havzrsischen Kanäle im Gemente des Pferdezahnes nach Behandlung mit Salzsäure sich erhalten, während die übrige Knochensubstanz bis auf die Knochenzellen sich löst. Später (Würzburger naturw. Zeitschr. I. 1860. p. 314. Fig. 2, 3) wies ich nach, dass auch in den Knochen von zwei Fischen (Aulacostoma und Amia) durch Maceration in koncentrirter Salzsäure und Salpetersäure oder in Kali causticum die Auskleidungen der Haversischen Kanälchen mitsammt den Scheiden der Zahnröhrchen dieser Knochen sich isoliren lassen. Endlich zeigte Neumann (Beiträge zur Kenntnis des norm. Zahnbein- und Knochengewebes. 4863. p. 46), dass auch in menschlichen Knochen die Wandun- gen der Hıvzrsischen Kanäle durch Salzsäure sich darstellen lassen, was seither Viele bestätigten, unter denen ich vor Allem Langer und Brösıke (l. s. c.) namhaft mache. Ich finde bei neuen Untersuchungen, wie LANGER, dass bei einer solchen Behandlung auch eine häutige Auskleidung der Räume der spongiösen Substanz sich isoliren lässt, die wohl ebenfalls dieselbe Bedeutung einer dichteren Grenz- schicht hat. Am ausführlichsten handelt Brösıke über die Einwirkung verschiede- ner Reagentien auf die Isolirung der genannten Theile und der Knochenkapseln, welche Theile er als Grenzscheiden bezeichnet, doch kann ich nicht mit dem- selben übereinstimmen, wenn er diese Scheiden als aus Keratin bestehend be- zeichnet, da dieselben nach meinen Erfahrungen schließlich beim Kochen in Was- ser auch sich lösen. Der feinere Bau des Knochengewebes. 655 beim Kaleiniren dünner Schliffe diesen Vorgang genauer, so findet man im ersten Stadium der Einwirkung der höheren Temperatur, wenn der Schliff eben anfängt sich zu bräunen, dass die Färbung eine über den ganzen Schliff gleichmäßig vertheilte ist, mit dem Bemerken jedoch, dass die Snarrzv’schen Fasern jetzt schon viel intensiver gefärbt sind, da ihre unverkalkten Elemente rascher angegriffen werden als die übrige Grundsubstanz. In dieser ist in allen Lamellenarten die Bräu- nung eine ganz gleichmäßige, was ebenfalls mit als Beweis dienen kann, dass hier nicht zweierlei Elemente, verkalkte und unverkalkte, vorkommen, indem sonst die letzteren die Spuren der Einwirkung der Hitze deutlicher zeigen müssten, als die anderen. Wendet man schwächere Salzerine von 10°/, auf die oben ge- nannten Präparate an, so ist das Ergebnis ein anderes als bei Einwir- kung starker Säure. Von mit Kali causticum behandelten Knochen bleibt eine ungemein zarte, äußerst feinkörnige Substanz übrig, deren An- wesenheit man leicht übersieht, weil dieselbe häufig durch die sich entwickelnden Gasblasen von den Knochenstückcehen getrennt wird. Geglühte Schliffe werden durch 10°/,ige Salzsäure unter Entwicklung von Gasblasen erst ganz hell, dann schmelzen die intermediären La- mellen ein, so dass die Havzrsischen Systeme frei werden, endlich vergehen auch diese bis auf kleine, fein punktirte zusammenhängende Reste, die lange sich erhalten. Am größten sind die Überreste, wenn gekochte Schliffe mit der genannten Säure zusammengebracht werden und zeigen dieselben lange Zeit die Lamellen ganz deutlich, hier und da auch eine Punktirung derselben. Die Knochenkörperchen und Kanälchen lassen sich auch noch erkennen, jedoch mit sehr unbestimmten Umrissen. Nach und nach wird Alles sehr unbestimmt, doch tritt eine wirkliche Lösung nicht ein. Ähnliches hat, wie wir oben sahen, v. Esser an gekochten Schliffen beobachtet und hält er den Rest für Kittsubstanz, aus welchem Grunde, ist mir nicht ersichtlich; viel näher liegt es denselben als nicht ganz gelöste leimgebende Substanz anzusehen, da ja nachgewiesen ist, dass Wasser den gesammten Knochenknorpel zur Auflösung bringt. Hier ist nun der Ort auch noch einiger Angaben von BrösıkE zu Gunsten einer Kittsubstanz zu gedenken. Wenn dieser Forscher ja; —1 cm große Stücke entkalkten Knochens auf 24 Stunden in 1P/,ige Überosmiumsäure, darauf ebenfalls 24 Stunden in koncentrirte ge- sättigte Oxalsäurelösung (1 : 15) legte, so zeigten sich die Knochen- fibrillen leicht glänzend und ungefärbt, die zwischen ihnen gelegene Kitisubstanz hellkarmoisinroth (l. e. p. 709). Ferner fand Brösıke an kıffeebraun geglühten Schliffen die Fibrillen als braune Punkte oder 656 A. Kölliker, Streifen in einer schwach gelblichen interfibrillären Substanz überall so deutlich sichtbar, dass sie leicht bei Harrnack S. 9, Oc. 3 bei ausge- zogenem Tubus gesehen werden konnten (l. c. p. 755). Ich für mich kann weder in dem einen noch in dem anderen Falle das sehen, was Brösıke beschreibt. Glühte ich Schliffe (siehe oben), so fand ich sowohl vor dem Schwarzwerden derselben als nachher, in welchen beiden Fällen die Schliffe braun erscheinen, die Bräunung ganz gleichmäßig über die punktirten und streifigen Theile der Lamellen vertheilt und keine mit Sicherheit nachweisbare Zwischensubstanz, lichte Stellen abge- rechnet, die auf Rechnung der Knochenkanälchen und von Lichtreflexen kommen. Und was Überosmiumsäurepräparate anlangt, so ist es mir bei Behandlung von Schnitten entkalkter menschlicher Knochen genau nach Brösıke’s Methode nicht gelungen, das von ihm Beschriebene zu sehen, indem die Knochenlamellen durch und durch gelb bis braun wurden. Das Ergebnis dieser Prüfung auf eine Kittsubstanz der Knochen ist somit das, dass eine solche bis jetzt gar nicht nachgewiesen ist. So- mit besteht entweder der gesammte Knochenknorpel aus leimgebender Substanz oder es findet sich eine Kittsubstanz nur in ganz minimaler Menge. Gegen die erstere Möglichkeit scheint zu sprechen, dass die leimgebende Substanz der Knochen besondere Formelemente, die Kno- chenfibrillen, zeigt und es somit wahrscheinlich ist, dass dieselben durch eine chemisch anders beschaffene Substanz von einander ge- trennt sind. Immerhin wäre es denkbar, dass die leimgebende Sub- stanz in zwei besonderen Aggregatzuständen vorhanden ist, von denen der eine die Rolle einer Kittsubstanz übernimmt. Sei dem wie ihm wolle, so ist mein Hauptargument gegen v. Esner das, dass eine Kittsubstanz, bis anhin in den Knochen nicht nach- gewiesen ist, und dass somit vorläufig keine andere Mög- lichkeit besteht, als die, die Kalksalze an die leim- gebende Substanz gebunden zu erachten. Am Schlusse dieser Auseinandersetzungen, die sich wesentlich mit der Frage beschäftigten, ob die Fibrillen der Knochengrundsubstanz verkalkt oder unverkalkt seien, möchte ich nun noch einen Thatbestand verzeichnen, der, so viel mir bekannt, bis jetzt keine Beachtung gefun- den hat. Ich finde an manchen Knochen, am schönsten an den platten Schädelknochen, an Schliffen in Kanadabalsam Hauptlamellen und Haversische Lamellen, die auf größere oder kleinere Strecken bei auf- fallendem Lichte weißlich, bei durchfallendem gelblich erscheinen. An diesen Stellen enthalten die punktirten Lamellen eine Menge kleiner Luftpunkte und die streifigen Lamellen eine große Zahl kürzerer und Der feinere Bau des Knochengewebes. 657 längerer lufthaltiger Röhrchen. Mit einem Worte es finden sich an solehen Schliffen Zustände, wie sie vorhanden sein müssten, wenn die Fibrillen entweder zerstört oder gar nicht ausgebildet wären. Da solche Stellen auch täuschend dem Zustande ähnlich sehen, den v. Esner als Folge der Zerstörung der leimgebenden Fibrillen durch Glühen und Kochen in Wasser beschreibt, so erwecken dieselben ein noch größeres Interesse und habe ich mir auch die Frage vorgelegt, ob in denselben nicht etwa die Fibrillen in weichem Zustande vorhanden sind und in Schliffen schrumpfen und Luft an ihre Stelle tritt. Wäre diese Deutung die richtige, so könnte es kein besseres Argument gegen v. Epner geben, als diese Stellen und wäre sichergestellt, dass in den Knochen nur aus- nahmsweise unverkalkte Fibrillen vorkommen. Ich komme nun noch auf die Polarisationserscheinungen zu sprechen, die v. Esner ebenfalls zu Gunsten seiner Hypothese ver- werthet. Ohne den Anspruch zu erheben, die vorliegende Frage nach dieser Seite so im Einzelnen geprüft zu haben, wie v. EBner, stehen mir doch einige Thatsachen zu Gebote, die nicht ohne Bedeutung sein möchten. Ich habe meine Beobachtungen in der Art angestellt, dass ich Schliffe geglühter Knochen und Schnitte von Knochenknorpel vom Menschen ganz gleich behandelte und mein Hauptaugenmerk auf etwaige Abweichun- gen richtete. Die hierbei erhaltenen Ergebnisse sind folgende: Brachte ich ein geglühtes Querschnittsegment eines Femur und ein anderes nicht geglühtes Segment desselben Schliffes, dem ich die Kalksalze durch 100/,ige Salzsäure entzogen hatte, in Wasser zwischen die gekreuzten Nikols, so zeigten beide Schnitte das bekannte dunkle Kreuz und abwechselnd helle und dunkle Lamellen in fast gleicher Schönheit und Intensität, so jedoch, dass der geglühte Schliff um etwas matter war als der andere, was auf Rechnung seiner geringeren Durebsichtigkeit gesetzt werden konnte. Nahm ich statt Wasser Ter- pentinöl oder Alkohol, so war der Effekt derselbe und der Unterschied noch geringer. Wurde nun die Gipsplatte Roth I. O. eingeführt, so war beim Alkohol- und Terpentinöl-Präparat der Effekt an beiden Schnitten wesentlich derselbe und zeigten die Schliffe die Farben Blau und Gelb mit einem gewissen Antheil von Roth, so jedoch, dass der entkalkte Knochen intensivere Farben darbot, namentlich im Blau. Wurden zwei gleiche Präparate wie vorhin mit Nelkenöl behan- delt, so verhielien sich beide über der Gipsplatte Roth I. O. ganz gleich und zeigte auch der geglühte Schliff kein Sinken der Farben auf Null, wie v. Esner dies angiebt (p. 16), oder Farben in negativem Sinne. Die an solchen Präparaten auftretenden Farben stimmen ferner 658 A. Kölliker, auch mit denen überein, die bei Zusatz von Wasser, Alkohol und Ter- pentinöl erhalten wurden. Ich füge nun noch bei, dass auch mit Kali causticum behandelte Präparate, ferner in Wasser gekochte Schliffe häufig, wenn auch nicht in allen Fällen, in Wasser und Glycerin zwischen den gekreuzten Nikols mit und ohne die Gipsplatte Roth I. O., sich eben so verhielten, wie unveränderte Schliffe Ja selbst trocken untersuchte gekochte Schliffe zeigten die typischen Farben normaler Knochen. Eine gewisse Unbeständigkeit in dem Auftreten der Farben an Schliffen, denen die organische Substanz entzogen ist, kann auch ich zugeben, so wie dass die Intensität der Färbungen nicht immer so groß ist wie an unveränderten Schliffen. Diese Thatsachen genügen jedoch wie mir scheint nicht, um den Satz von v. Esner zu beweisen, dass die Polarisationserscheinungen an unveränderten Knochenschliffen wesent- lich von den leimgebenden Fibrillen abhängen. II. Von den Sharpey’schen oder durchbohrenden Fasern der Knochen. Während Suarpry, der erste genaue Beschreiber der durchbohren- den Fasern!, und H. Mürzer, dem wir ausführlichere sorgfältige Unter- suchungen über diese Elemente verdanken, dieselben für mehr unbe- ständige und daher minder wichtige Theile des Knochengewebes hiel- ten, kam Gegensaur bei seinen berühmten Untersuchungen über die Entwicklung des Knochengewebes zu dem Ergebnisse, dass man im Gegensatze zu dem geringen Werthe, den man bisher den-SuArpry’schen Fasern beigelegt habe, doch nicht umhin könne, ihre Bedeutung für den Aufbau bestimmter Knochen als von größerer Wichtigkeit zu er- achten (Jenenser Zeitschr. Bd. III. 1867, p. 235), ein Ausspruch, dem später Ranvier im Wesentlichen sich anschloss (Trait€ technique p. 460). Um so auffallender erscheint es, dass v. EBner in seiner oben citirten Arbeit zu dem Ausspruche gelangt (p. 55): »Im Ganzen bilden die Suar- pry’schen Fasern in den Knochen des erwachsenen Menschen einen sehr untergeordneten und inkonstanten Bestandtheil und sind namentlich in den Havzrsischen Systemen ziemlich selten.« Zum Beweise dessen dient v. Esner vor Allem der Vergleich der Tibia des Neugeborenen mit der des Erwachsenen (Taf. III, Fig. 19 und 20). »In der letzteren findet sich überall, mit Ausnahme der Anlagerungsflächen (es sind die- 1 CLEMENTI hat geglaubt, die Entdeckung der SmArpzy’schen Fasern GAGLIARDI (4689) und TrosA (4844) zuschreiben zu dürfen (La scoperta delle fibre dello SHAR- pey rivendicata all’ Italia. Catania 1875), in welcher Beziehung ich auf SHARPEY'S Auseinandersetzung im Quart. Journ. of Micr. sc. 1878. p- 142 verweise, der zu- folge möglicherweise Trosa Andeutungen derselben sah, Der feinere Bau des Knochengewebes. 659 jenigen des endochondralen Knochens gemeint) und der wenig ent- wickelten Suarpry’schen Fasern, eine Anordnung der Knochenfibrillen in Lamellen, ferner eine Zerfällung des ganzen Knochens — — — in verschiedene Lamellensysteme. Im kindlichen Knochen dagegen bildet ein Netzwerk von gröberen Faserbündeln die Grundlage der periostalen Knochenbalken; deutliche Lamellen sind nirgends entwickelt und durch Kittlinien abgegrenzte Lamellensysteme fehlen (l. c. p. 59). An v. Esner schließt sich auch ScuwALsE an, in so fern als er angiebt, dass die Bein- haut vom 4. Lebensjahre an, abgesehen von den Muskelkanten und Muskellinien (Azsy) kein fötales Knochengewebe mehr, sondern nur Grundlamellen liefere (Jenenser Sitzungsberichte in Jen. Zeitschr. Bd. Il. 1877), während Azsy schon vor ScHwALBE seine im Ganzen übereinstim- menden Anschauungen mit folgenden Worten ausspricht, die ich in extenso beifüge, da die betreffende Notiz im Beiblatte der Hamburger Naturforscherversammlung p. 126 nur wenig bekannt geworden ist. »Redner untersuchte das Knochenwachsthum an Schliffserien verschie- denalteriger Knochen des Menschen und zahlreicher Wirbelthiere aller Klassen. Die korrespondirenden Stellen entnommenen Schliffe gestat- ten die unmittelbare Vergleichung einander entsprechender Knochen- massen auf verschiedenen Stufen der Entwicklung. Apposition und Resorption war dabei durch den leicht zu verfolgenden Wechsel der Architektur mit aller Sicherheit nachzuweisen. Des Ferneren ergab sich, dass zwei ganz verschiedene Formen des Knochengewebes existiren, eine mehr homogene, in Lamellen gegliederte mit reihenweise geord- neten Zellen und eine lamellenlose, grobfaserige, mit äußerst zahlrei- chen, dichtgedrängten, unregelmäßig liegenden mächtigen Zellen. Beim Neugeborenen bildete letztere die Hauptmasse des Knochens; erstere ist nur spärlich in der Umgebung der Gefäßkanäle vorhanden. Mit zu- nehmendem Alter gewinnen sie an Ausdehnung. Das lamellenlose Ge- webe wird mehr und mehr eingeschränkt und verliert sich schließlich vollständig. Von gewissen nach den verschiedenen Thieren wechseln- den Altersstufen an bildete sich an den meisten Stellen überhaupt nur noch das lamellirte Gewebe. Immerhin ist die Bildung des nicht lamel- lirten Gewebes nicht vollständig ausgeschlossen. Dasselbe tritt viel- mehr an all den Punkten auf, die sich durch besonders reges Wachs- thum auszeichnen, wie namentlich die Muskelkanten und Muskellinien. Es unterliegt daher keinem Zweifel, dass die beiden Formen des Kno- chengewebes mit einer verschiedenen Energie desKnochenwachsthums in Verbindung zu bringen sind. Die genauere Erörterung der Verhält- nisse und namentlich der gegenseitigen Beziehungen beider Gewebe- 660 A. Kölliker, formen bleibt der bevorstehenden Publikation der ganzen Arbeit vor- behalten.« Weiter gehend bemerke ich in erster Linie, dass v. EBner vollkom- men im Rechte ist, wenn er den periostalen Ablagerungen des Fötus oder neugeborenen Kindes einen besonderen Bau zuschreibt, der von demjenigen der Knochen des Erwachsenen in vielen Punkten abweicht. In so fern diese Abweichungen auf den Mangel echter Havzrsischer La- mellensysteme und besondere Anordnungen der Gefäßkanäle sich be- ziehen, waren dieselben bereits Tomes und DE MoRGAN, SHARPEY und mir bekannt, was dagegen den feineren Bau dieser Periostablagerungen be- trifft, so verdanken wir die ersten genauen Angaben Heinrich MÜLLER und GEGENBAUR. Ersterer beschrieb zuerst und zwar am Metatarsus eines erwachsenen Säugers, des Ochsen, die eigenthümlich angeord- neten Suarpey’schen Fasern dieser Ablagerungen (Würzb. naturw. Zeitschr. Bd. I, 1860, p. 300, Holzschnitt Fig. 2) und GEGEnBAurR gab dann eine noch vollkommenere Schilderung derselben von einem jungen Geschöpfe, dem Kalbe, der ich in allem Wesentlichen beistimme. Diesen Schilderungen zufolge bestehen beim Kalbe die jungen perio- stalen Ablagerungen in allen Theilen des von ihnen gebildeten Netz- werkes, mit Ausnahme der allerjüngsten eben in Bildung begriffenen, aus zwei Elementen, einem Achsentheile oder dem Wurzelstocke von GEGENBAUR und lamellösen Auflagerungen, den primitiven Lamellen. Der Wurzelstock besteht aus einem eigenthümlichen Knochengewebe, das meines Erachtens zufolge wohl am besten als Faserknochen be- zeichnet wird und eine ungemeine Menge Suarpery’scher Fasern in nicht lamellöser, mit unregelmäßigen Knochenzellen versehener Knochensub- stanz enthält, während die primitiven Lamellen regelmäßigere Zellen, ziemlich deutliche Lamellen, aber auch noch Snarrzy’sche Fasern dar- bieten. v. Esner schloss sich dieser Schilderung für den Menschen an, irrte aber darin, dass er glaubte, dass solche Bildungen, die er ge- flechtartiges Knochengewebe nennt, auch noch beim Er- wachsenen vorkommen, welcher Annahme auch ScuwALBE und Arsy huldigen. Ich gehe nun zu meinen eigenen Erfahrungen über den Bau der Periostablagerungen und das Vorkommen der Sparpry’schen Fasern über und schildere in erster Linie die Knochenarten, die beim Menschen Suarrpey’sche Fasern enthalten. Es sind dies: A) der lamellöse Faserknochen, welcher die äußeren vom Perioste aus gebildeten Hauptlamellen aller Knochen bildet. B) die grobfaserige Knochensubstanz oder die geflecht- artige Knochensubstanz von v. Ener, die die Periostablagerun- Der feinere Bau des Knochengewebes, 661 gen der knorpelig vorgebildeten Knochen von Neugeborenen und Kin- dern der ersten Lebensmonate und die Hauptmasse der häutig sich an- legenden Knochen derselben bildet. Keine Suarpzy’schen Fasern enthalten beim Menschen a) die echten ausgebildeten Haversischen Lamellensysteme, b) die inneren vom Marke aus gebildeten Hauptlamellen. v. Esner giebt an, dass auch in Havenrsi- schen Lamellen, wenn auch selten, Snarrzy’sche Fasern vorkommen und verdanke ich ihm einen Schliff von unbestimmter Herkunft, der in Einem Systeme solche Fasern zeigt. Ich vermuthe, dass dieser Schliff von einem großen Säuger stammt, bei denen nach H. Müıer’s oben eitirter Abbildung etwas der Art sich finden könnte. A. Der lamellöse Faserknochen besteht aus echten typi- schen Knochenlamellen und Snuarpry’schen Fasern. Von den ersteren ist hier nur so viel zu bemerken, dass dieselben sich eben so verhalten, wie die Lamellen der Havsrsischen Systeme, was dagegen die Suarpey’schen Fasern anlangt, so verdienen dieselben eine ausführ- liche Schilderung. In erster Linie bespreche ich die Art und Weise, wie diese Ele- mente zur Anschauung zu bringen sind. Das Verfahren von SHARrPEY, Schnitte entkalkter Knochen zu zerzupfen, führt, da wo diese Elemente sich finden, mit Leichtigkeit zum Nachweise derselben, giebt aber keine sicheren Anhaltspunkte über ihre Verbreitung, Menge und den genaue- ren Verlauf derselben. Die Methoden, die ich anwandte und empfehle, sind folgende: 4) Nachweis der Suarpev’schen Fasern am Knochen- knorpel. Ich begann meine Untersuchungen mit entkalkten Knochen, da ich anfänglich der Meinung war, dass Schliffe hierzu sich nicht eignen, was jedoch, wie wir später sehen werden, nicht richtig ist. Untersucht man Knochenknorpel an feinen Schnitten in Wasser oder verdünntem Alkohol, so erhält man an Präparaten von Individuen aus dem zweiten Decennium und von Erwachsenen, von denen hier allein die Rede ist, meist nur sehr unvollkommene Bilder der betreffenden Elemente und ist in keinem Falle im Stande, ihr Gesammtverhalten zu verfolgen. Dagegen wirken gewisse Reagentien mehr oder weniger günstig. Als solche empfehle ich einmal Kochsalz von 5—10%),, welches, wie wir sahen, v. Esner zur Untersuchung der Knochenfibrillen benutzt. Dasselbe bringt auch die Suarprv’schen Fasern sehr schön zum Vorschein und zeigt dieselben im Querschnitte (Fig. 6) als runde oder länglichrunde Bündel feinster Fibrillen, die von einem scharfen 662 A. Kölliker, dunklen Kontour begrenzt erscheinen, wie wenn sie eine besondere Hülle besäßen, und in und zwischen den Knochenlamellen so gelagert sind, dass sie wie Theile derselben erscheinen und den Verlauf der- selben nicht stören. Längsansichten der perforirenden Fasern zeigen dieselben ebenfalls als Bündel von Fibrillen, deren Verlauf bald gerade, bald leicht gebogen erscheint, aber sonst nichts Eigenthümliches zeigt. Eine scharfe Begrenzung der Bündel wird auch in diesem Falle manch- mal wahrgenommen, fehlt jedoch in anderen Fällen. Am Querschnitte findet man häufig zwei, drei und mehr Snuarrey’sche Fasern dicht bei- sammen liegend und wie kleine sekundäre Bündel darstellend. Beim Ändern des Focus fließen diese Fasern häufig in eine einzige zusammen und sind daher wenigstens zum Theil als Verästelungsstellen auf- zufassen. Ein zweites Mittel zur Darstellung der Suarpry’schen Fasern ist Essigsäure in verschiedener Koncentration. Dieselbe macht den Knochenknorpel durchsichtig, und bringt die Fibrillen zum Verschwin- den, nichtsdestoweniger treten die Snarpry'schen Fasern, die eben- falls ganz hell werden, deutlich hervor und sind namentlich die Quer- schnitte derselben in Gestalt von scharf begrenzten gelben Feldern sehr zierlich (Fig. 7). Aber auch die Längsansichten dieser Elemente sind sehr klar gezeichnet und giebt es wohl kein anderes Reagens, das den nur etwas mit der Sache Vertrauten so schnell und sicher über die Menge und Lagerung dieser Elemente orientirt. Doch wirken wahr- scheinlich noch manche andere Säuren in ähnlicher Weise und kann ich jetzt schon die Oxalsäure als eine solche bezeichnen, eben so die koncentrirte Salzsäure. Von Farbstoffen habe ich verschiedene angewendet, um die Suar- pry’schen Fasern zu färben, aber nur von Einem solchen in gewissen Fällen einigermaßen befriedigende Resultate erhalten und zwar vom Indigo- karmin. Die gewöhnliche Anwendungsweise mit Extraktion der ge- färbten Präparate durch koncentrirte Oxalsäure ergab mir kein Resul- tat, dagegen kam ich zufällig auf folgendes Verfahren. Ein Schnitt vom Knochenknorpel ‚wird mit Ac. acet. conc. durchsichtig gemacht und sofort auf kurze Zeit, 1/„—!/a— Minute, in die unverdünnte Farbstoff- lösung gebracht, hierauf in destillirtem Wasser ausgewaschen und dann entweder in Glycerin oder in Kanadabalsam aufgehoben. Wirkt der Farbstoff ein (Fig. 8), was leider sehr vom Zufall abhängt, so dass ich den Erfolg noch nicht in meiner Hand habe, so sind die Suarpry’schen Fasern auf große Strecken oder ganz und gar blassrosa bis dunkelroth, die übrige Knochensubstanz blau und giebt nichts eine so klare An- schauung über die große Menge der Snarrzv’schen Elemente und ihre Der feinere Bau des Knochengewebes, 663 Verbreitung. Bei weiteren Versuchen wird sich diese Methode sicher besser ausbilden lassen, als es mir bis jetzt gelungen ist. Von anderen Farbstoffen habe ich versucht: - a) Lithionkarmin. Macht stellenweise die Suarrry’schen Fasern röthlich, dunkler als die übrige Knochensubstanz, an anderen Orten lässt es dieselben dadurch vortreten, dass es nur die Grundsubstanz färbt. b) Safranin. Wirkt ungefähr wie Lithionkarmin, jedoch weni- ger günstig. Ohne Wirkung waren: Neu Solidgrün 32, Tartrazin, Viktoriablau B, Viktoriablau 4R und Auramin, die ich der Güte der Herren Dr. BinpscHEDLER und GNEHN in Basel verdanke, ferner Hämatoxylin, Osmiumsäure, Palladiumchlorür, Pikrinsäure, Fuchsin. Endlich erwähne ich, dass auch, wie schon v. Ener angiebt (p. 52), das Polarisationsmikroskop die Suarpery'schen Fasern sehr deut- lich zur Anschauung bringt. Da dieselben, wie Bindegewebe, positiv einachsig doppeltbrechend sind, so erscheinen sie bei gekreuzten Nikols an reinen Querschnitten dunkel, in Längsansichten hell. Da jedoch sehr häufig kurze, schief verlaufende solche Fasern in Schnitten von Knochenknorpel vorkommen, so hat es oft den Anschein, als ob die Querschnitte hell wären und muss man in solchen Fällen genau ein- stellen, um das reine Querschnittsbild zu erhalten. Elastische Fasern, durch Acidum aceticum an Knochenknorpel- schnitten sichtbar gemacht, erscheinen in Längsansichten unter ge- kreuzten Prismen dunkel. Von Querschnitten derselben gelang es mir auch bei stärkeren Vergrößerungen nicht deutliche Bilder zu erhalten. Ich bespreche nun noch im Anschlusse an das, was die Untersu- chung der Snarpry’schen Fasern im Knochenknorpel ergiebt, die ela- stischen Fasern der Knochen. Nachdem Heınrıch MüLLer dieselben zuerst und schon vor langer Zeit wahrgenommen und als eine Art der Snarpzy’schen Fasern beschrieben hatte, wurden dieselben nur von wenigen Autoren, wie von GEGENBAUR (Jen. Zeitschr. III. p. 257), kurz er- wähnt und erst viel später durch v. Esner der Vergessenheit entrissen und genauer untersucht (l. c. p. 53 u. f.). Nach diesem Autor finden sich elastische Elemente als ein ziemlich dichtes Netzwerk von ver- ästelten, stark glänzenden, an den Rissenden rankenförmig gewundenen Fäserchen in den Schichten unter dem Perioste und da und dort in den innersten Lamellen, welche das Lumen Haversischer Kanäle zunächst umgrenzen. Diese Fäserchen sind der Längsrichtung der Röhrenknochen parallel gerichtet; biegen aber in der oberflächlichsten Schicht direkt ins 664 A, Kölliker, Periost ab, indem sie die letzten Lamellen fast senkrecht durchsetzen. In den Havsrsischen Lamellen haben die Fasern einen theils longitu- dinalen, theils eirkulären Verlauf. Gefunden wurden diese elastischen Fasern nur in den Knochen Erwachsener, vorzüglich an Röhrenknochen (Tibia, Phalangen), während sie in den platten Schädelknochen ver- misst wurden und betont v. Esner außerdem noch (p. 55), dass sie nur an wenigen Stellen vorkommen. Zum Nachweise dieser Fasern dienten H. Mürrer Säuren und Alka- lien. v. Ener hält diese Reagentien nicht für zuverlässig, da auch binde- gewebige Suarrry’sche Fasern von Knochen, die einfach in Salzsäure ohne Salzzusatz entkalkt wurden, in Säuren und Alkalien nicht mehr quellen und für elastische Elemente gehalten werden könnten. Für entscheidend hält v. Esser nur kurzes Kochen der Schnitte in Natron- lauge, tagelanges Kochen in Wasser und Färbung mit diluirtem Fuchsin, welches gestattet an Schnitten die genaue Lage der elasti- schen Fasern zu bestimmen. Dieselben liegen immer im Bereiche der äußersten umfassenden Lamellen, nur an einzelnen Havzrsischen Syste- men in der innersten Lamelle. Die Methoden, die ich zum Studium dieser Elemente, welche die Fig.9 und 10 darstellen, anwandte, waren 1) Behandlung von Schnitten von Knochenknorpel mit Essigsäure, Oxalsäure und Salzsäure und finde ich es im Ganzen sehr leicht, wahre elastische Elemente von nicht auf- quellenden bindegewebigen Snuarrzy’schen Fasern zu untercheiden; 2) Zerstörung von solchen Schnitten durch Kali und Natron caust. conc. in der Kälte; 3) Färbung der elastischen Fasern durch Fuchsin (v. Esser)! oder Safranin?. Was ich in dieser Weise ermittelte, ist Folgendes: a) Die elastischen Fasern sind konstante Bestandtheile der äußeren Grundlamellen, dringen bis in die innersten Theile derselben hinein und finden sich auch in verschiedenen Tiefen in den interstitiel- len Lamellen. b) Ein bedeutender Theil dieser elastischen Fasern liegt in binde- gewebigen Suarpzv'schen Fasern (Fig. 10), bildet einen Bestandtheil 1 v,. Esner entdeckte 1870, dass Anilinroth (Fuchsin) die elastischen Fasern der Gefäße färbt (RoLLerr’s Untersuch., 1870, Heft 4, p. 36) und in seiner Knochenarbeit meldet er dasselbe von diesen Fasern in Knochen. Später verwandte ScHÄrrFErR Ma- genta (Anilinblau und Fuchsin) zu demselben Zwecke (Quart. Journ. of micr. Sc. 1878. p. 135). 2 Meine Kollegen, Professor Stönr und Prosektor Dr. OscAr SCHULTZE, haben un- abhängig von einander gefunden, dass Safranin nach der Methode von FLEmaing für Kernfärbung angewendet, auch elastische Fasern der Haut und der Gefäße roth färbt, was ich für diese Elemente der Knochen bestätigt finde. Der feinere Bau des Knochengewebes,. 665 derselben und verläuft mit ihnen longitudinal, schiefund quer, doch ent- halten bei Weitem nicht alle Suarrrv’schen Fasern elastische Elemente. c) Andere dieser Elemente verlaufen selbständig für sich und be- gleiten namentlich die perforirenden Vorkmann’schen, von keinen La- mellen begrenzten Gefäßkanäle der Grundlamellen, oft in dichten Zü- gen dieselben umgebend. Solche elastische Suarrryische Fasern finden sich, so viel ich ermitteln konnte, auch sonst in den Grund- lamellen, doch ist es in vielen Fällen sehr schwer zu bestimmen, ob dieselben für sich allein oder mit bindegewebigen Elementen zusam- men verlaufen. d) In Havsssischen Lamellensystemen wollte es mir bis anhin nicht gelingen, elastische Fasern zu finden. Allerdings gleicht die die Havsrsischen Kanäle zunächst auskleidende Knochenschicht, die, wie wir oben sahen, in Salzsäure sich isolirt, aber bei langem Kochen in Wasser sich auflöst, in ihrem Aussehen manchmal einem zarten elasti- schen Netze, doch glückte es mir bis anhin noch nicht, wirkliche ela- stische Fäserchen in derselben nachzuweisen. 2) Nachweis der Suarpry'schen Fasern an Knochen- schliffen. Außer am Knochenknorpel lassen sich die Suarpry’'schen Fasern sehr leicht an Knochenschliffen nachweisen, wenn man dieselben in einer bestimmten Weise behandelt und bemerke ich in erster Linie, dass diese Möglichkeit damit zusammenhängt, dass diese Elemente in ihrer großen Mehrzahl unverkalkt sind oder wenigstens unver- kalkte Theile enthalten, und daher an Schliffen als einfache oder haufenweise beisammenliegende lufthaltige Röhrchen erscheinen, die ich die Suarrev’schen Röhrchen nennen will. Von dieser wichtigen Thatsache hat zuerst H. MürLzr Kenntnis gehabt, der, wie bekannt, von den Suarrzv’schen Fasern behauptet (Würzb. naturwiss. Zeitschr. Bd. I. 1860 p. 302), dass dieselben zum Theil wenigstens nicht oder nur unvollkommen verkalkt seien und die von Tomss und DE Morgan beschriebenen lufthaltigen Röhrchen (Phil. Trans. 143 p. 116) für solche Fasern erklärt. Auch ich hatte schon bei meinen ersten Un- tersuchungen (ibid. p. 305) gefunden, dass die schon vor Tomes und DE MorGAan von Wırzıauson als »lepidine tubes« bezeichneten, lufthal- tigen Röhrchen gewisser Knochen Spältehen in den Suarpey'schen Fa- sern sind, war aber durch meine anderweitigen Erfahrungen an Fischen dazu gelangt, die perforirenden Fasern der Mehrzahl nach für verkalkt anzusehen. In nahezu ähnlicher Weise drückt sich viel später v. Esner aus, der die betreffenden Fasern an Schliffen oft als lufterfüllte Kanäle 666 A. Kölliker, sah, und ihnen eine unverkalkte Kittsubstanz zuschreibt, vielfach je- doch dieselben auch verkalkt fand. Ranvırr dagegen bezeichnet alle perforirenden Fasern als verkalkt, was meinen neueren Untersuchungen zufolge ganz unrichtig ist, wie das Weitere lehren wird. Trockene gut polirte Schliffe zeigen, auch wenn sie sehr dünn sind, die perforating fibres nur schwer und muss man genau mit denselben vertraut sein, um sie zu erkennen, namentlich wenn es sich um feinere Fasern handelt. Setzt man dagegen einem solchen Schliffe Flüssigkeiten zu, die in die Knochenzellen und Kanälchen eindringen, so gestalten sich die Verhältnisse ganz anders und treten nun die Suarprv’schen Elemente meist ungemein deutlich hervor. Am günstigsten wirken Terpentinöl und Kanadabalsam entweder für sich allein oder nach einander zugesetzt, weniger Wasser und Glycerin, doch lassen auch diese die Suarrpev’schen Elemente erkennen. Im Übrigen ist hervorzu- heben, dass der Erfolg bei allen genannten Flüssigkeiten doch in so fern ein zweifelhafter ist, als dieselben häufig auch in die Snarrzy’schen Röhrchen eindringen und dieselben ganz oder theilweise zum Erblassen bringen. Immerhin habe ich noch keinen Fall gesehen, in dem nicht die große Mehrzahl dieser Elemente doch deutlich sichtbar geblieben wäre und verweise ich zum Belege dessen auf die Fig. 11, welche nach einem in Dammarlack aufgehobenen Querschnitte des Femur des Erwachsenen gezeichnet ist. Sicherer als alle Flüssigkeiten und am schönsten wirkt kurzes Glühen dünner Knochenschliffe, so dass dieselben starken Vergröße- rungen zugängig bleiben und stellt die Fig. 12 eines der schönsten Präparate dieser Art dar, die mir zu Gesicht kamen. Von Wichtigkeit ist auch, dass ein geglühter Schliff mehr Snarpzy’sche Röhrchen zeigt als ein ungeglühter, was beweist, dass ein trockener Schliff eine Menge unverkalkter Fasern enthält, die nicht schrumpften und somit auch nicht durch lufthaltige Röhrchen ersetzt wurden. In der Fig. 8 ist ein und derselbe Schliff ungeglüht (A) und geglüht (B) dargestellt und lehrt die Vergleichung leicht, dass der letztere viel mehr Röhrchen ent- hält als der andere. Gehen wir nun zur Betrachtung des feineren Verhaltens der Suar- pzy’schen Fasern an Schliffen über, so ist die wichtigste Frage die, ob dieselben weiche Elemente desKnochens darstellen oder theilweise we- nigstens verkalkt sind, eine Frage, die, wie ich schon oben darlegte, von den Autoren sehr verschieden beantwortet worden ist. Nach meinen neueren Erfahrungen, die vor Allem an geglühten Schliffen gemacht wurden, halte ich dafür, dass diese Elemente wesentlich in zwei Formen vorkommen, und zwar einmal als ganz und gar weiche Der feinere Bau des Knochengewebes. 667 unverkalkte Fasern, und zweitens als theilweise weiche, einem anderen Theile nach verkalkte solche Gebilde. Zu den unverkalkten Fasern gehört die große Mehrzahl der feineren Fasern, deren Durchmesser von demjenigen einer Bindegewebsfibrille bis zu dem von 1—-2 u geht. Solche Fäserchen sind stellenweise unge- mein häufig, jedoch die feinsten derselben nicht immer leicht von Kno- chenkanälchen zu unterscheiden. Am Knochenknorpel erkennt man dieselben vorzüglich wenn sie in Längsansichten sich darstellen, in wel- chem Falle sie oft an elastische Fasern erinnern, im Querschnitte dage- gen sind nur die breitesten derselben wahrnehmbar, die anderen kaum. Alle diese Gebilde nun stellen sich an Schliffen wie einfache lufthaltige Röhrchen dar (Fig. 13)undsind somit unverkalkt. Ein Theil derselben rührt wohl von den oben besprochenen elastischen Fäserchen her, doch sind diese Kanälchen viel zu zahlreich, um nur auf solche Elemente bezogen werden zu können, und stammen dieselben somit einem guten Theile nach von leimgebenden Fäserchen ab. Noch bemerke ich, dass diese Röhrchen im Querschnitte manch- mal wie von einem hellen Hofe umgeben sind, wie dies auch RanvIEr darstellt (Trait@ technique Fig. 161), ohne eine Erklärung desselben zu geben. Ich halte diesen Hof, der selten schärfer begrenzt ist, für ein optisches Phänomen, wie dasselbe auch an den Knochenzellen und Zahnkanälchen erscheint, und vermochte ich keine besondere Bildung als Veranlassung desselben nachzuweisen. Die zweite Art der Snarpev’'schen Elemente ist theilweise verkalkt und gehören zu diesen alle stärkeren Elemente der Art, die bis zu 20 und 30 u messen. Dieselben erscheinen an Schliffen als Bündel luft- haltiger Röhrchen, die von einer verkalkten Substanz umgeben und durch eine solche von einander getrennt sind, wie die Fig. 15 dies darstellt. Querschnitte solcher Fasern (Fig. 16) zeigen sich oft von einer schmalen hellen Zone begrenzt und zeigen im Inneren, wenn die Fasern dick sind, einen lufthaltigen Punkt am anderen, durch dünne helle Züge von einander geschieden, während bei dünneren Elementen die lufthaltigen Röhrchen nur zu wenigen, 2,3 bis 5, im Querschnitte sich zeigen. Da solche dicke Srarrrv’sche Fasern am Knochenkorpel im Querschnitte (Fig. 6) und isolirt (Fig. 17) wie Bündel von Bindege- websfibrillen erscheinen, so scheint mir die Deutung der Bilder an Knochenschliffen die zu sein, dass an den stärkeren Suarrry’schen Fasern die Fibrillen unverkalkt, die Zwischensubstanz oder Kittsubstanz dagegen verkalkt ist, mit anderen Worten, dass hier der Zustand vor- kommt, den v. Esxer, wie wir oben sahen, der Knochengrundsubstanz im Allgemeinen zuschreibt. Gerade die Leichtigkeit, mit der es gelingt, Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLIV. Bd. 43 668 A. Kölliker, an gewissen Suarpey'schen Fasern verkalkte und weiche Elemente von einander zu unterscheiden, zeigt, dass eine solche Erkenntnis auch bei der lamellösen Knochensubstanz möglich sein müsste, wenn hier die Verhältnisse eben so lägen. Im Übrigen ist hier noch eine andere Mög- lichkeit gegeben, nämlich die, dass die Suarprvy’schen Fasern aus verkalkten und unverkalkten Fibrillen bestehen, für welche Vermuthung besonders der Umstand spricht, dass die verkalk- ten Theile derselben oft so ansehnlich sind, dass es unmöglich er- scheint, dieselben auf die jedenfalls in geringster Menge vorhandene Kittsubstanz der Fibrillen zu beziehen. In demselben Sinne spricht auch noch Folgendes. An den eben beschriebenen dickeren Snarprv’schen Fasern erschei- nen die lufthaltigen Röhrchen nicht immer als Kanälchen, sondern auch nicht selten als Reihen lufthaltiger kleinster Vacuolen oder rosenkranz- förmig aufgereihter, mit Luft erfüllter kleiner Hohlräume. Solche Bil- der (s. Fig. 15) scheinen zu beweisen, dass in manchen Fällen auch die unverkalkten Fibrillen der Snarpey’schen Fasern einzelne verkalkte Stellen besitzen. Ich bespreche nun noch die Frage, ob Suarrry’sche Fasern auch ganz verkalkt vorkommen. An Schliffen hat noch Niemand Suar- prv'sche Fasern nachgewiesen, die keine Luft enthielten, mithin ganz verkalkt waren, und so bleibt zur Entscheidung dieser Angelegenheit nur der Weg offen, einen und denselben Schliff erst trocken und dann nach seiner Entkalkung auf die Menge Suarrzy’'scher Fasern zu unter- suchen und zu sehen, ob im letzteren Falle ein Überschuss solcher vor- handen ist. Auf eine solche Untersuchung gestützt, bemerkt schon H. Mürzer (l.c. p.303), dass an denselben Stücken nach der Entkalkung die Zahl der Fasern größer zu sein schien als vorher. Mir ist es bis jetzt noch nicht gelungen, eine entscheidende Beobachtung der Art zu machen, immerhin möchte ich bemerken, dass es mir an den Schädel- dachknochen des Erwachsenen nur selten vorgekommen ist, an Schlif- fen zahlreichere und stärkere Suarrrv'sche Fasern zu sehen, während entkalkte Präparate beim Zerzupfen solche stets deutlich und in Menge zeigen, so dass hier vielleicht am ehesten an eine größere Zahl verkalk- ter solcher Elemente zu denken wäre. Im Allgemeinen liegt ja auch die Möglichkeit sehr nahe, dass gewisse Suarpzy'sche Fasern verkalken, da ja eine Verkalkung an manchen bindegewebigen Elementen der Knochen, wie an den Einpflanzungsstellen von Sehnen, an den Sehnen der Vögel und dem Faserknochen der Fische sich findet. Zur Betrachtung der Verbreitung und des genaueren Verhaltens der Suarrey’schen Fasern im lamellösen Faserknochen übergehend Der feinere Bau des Knochengewebes. 669 erwähne ich zuerst folgendes Allgemeine über diese Knochenform. An den großen Röhrenknochen zeigt der lamellöse Faserknochen oder die Periostablagerungen, was ja dasselbe ist, eine ganz bestimmte Verbreitung, mit deren genaueren Untersuchung ich im Interesse chirurgischer und pathologischer Verhältnisse noch beschäftigt bin und bemerke ich daher nur so viel, dass an vielen Stellen die äußeren Grundlameilen ganz fehlen und man daher nicht erwarten darf, überall perforirende Fasern in guter Entwicklung zu finden. Eine besondere Eigenthümlichkeit dieser Grundlamellen ist das Vorkommen von Ge- fäßkanälen, die von keinen Lamellensystemen umgeben sind, welche ich nach ihrem Entdecker die VorLxmann’schen Kanäle heiße. Bei einer vasculösen Ostitis des Os metatarsi I fand R. v. Vorkmann! eine große Zahl von meist engen Gefäßkanälen, die von keinen La- mellen umgeben waren und deutet er dieselben als durch Hinein- wachsen von Blutgefäßen in fertigen Knochen entstanden. Ähnliche Gefäße beschreibt später v. Esner (l.c. p. 61) aus der Tibia eines 6- und eines 14jährigen Individuums in den äußeren und inneren Grundlamel- len so wie in den Schaltlamellen, schließt sich der Deutung von v. VoLk- MANN über ihre Entstehnng an und nennt sie perforirende Gefäße (p- 66). Anders Rinprzeisen ? und Lossen®, welche die Bildung dieser Ka- näle in pathologischen Knochen, eben so wie Vırcnow die Knochen- resorption, von den Knochenzellen ableiten, ferner ScuwALsE, welcher die Vorkmann’schen Kanäle in normalen Knochen eben so entstehen lässt, wie die anderen Gefäßkanäle #. Meine Erfahrungen über diese auffallenden und von den Anatomen früher ganz übersehenen Vorkmann’schen Kanäle sind folgende. Ich finde dieselben an allen Röhrenknochen von jüngeren und älteren In- dividuen und auch beim Erwachsenen vor Allem in den äußeren Grund- lamellen, aber auch in den interstitiellen Blättern und in den inneren Hauptlamellen, ferner in den Periostablagerungen der Schädelknochen und stellen die Fig. 18 und 19 dieselben aus dem Humerus des Er- wachsenen bei ganz schwacher und etwas stärkerer Vergrößerung dar. Doch ist die Zahl dieser Kanäle eine sehr wechselnde und finden sich manchmal auf größeren Strecken gar keine, an anderen Orten wiederum sehr viele, wie namentlich die Fig. 18 zeigt. Den Verlauf anlangend, so ziehen dieselben z. Th. quer oder schief durch die La- ! LAngens. Arch. Bd. IV. 1863. p. 460—470, Taf. IV, V und Handb. der Chir. v. PırsA und BırLrorn. Bd. II, 2, Abth, p. 257. 2 Path. Gewebel. 2, Aufl, p. 520. 4. Aufl., p. 512. 3 VırcHow’s Arch. 55, p. 45. * Jenaische Zeitschr. Bd. XI. 43* 670 A. Kölliker, mellen, z. Th. auch longitudinal, was eher noch häufiger sich findet und giebt die Fig. 20 ein gutes Beispiel von dem letzteren Verlaufe. Viele dieser Vorkmansw’schen Kanäle münden an der äußeren oder in- neren Oberfläche der Substantia compacta und vergleicht man Quer- schliffe mit longitudinalen tangentialen oder radiären Schliffen, so überzeugt man sich, dass dieselben in den äußeren Grundlamellen wenigstens ein weitmaschiges unregelmäßiges Netz bilden, von dem einzelne Abschnitte auch schon an den einzelnen Schliffen sich er- kennen lassen. Die Beziehungen dieser Gefäbkanäle zu den mit Lamel- len versehenen Havzrsischen Röhrchen sind so, dass dieselben aus- nahmslos da und dort mit solehen zusammenhängen und somit kein für sich abgeschlossenes System darstellen. Den Bau der Vorxmann’schen Kanäle haben bereits v. VOLKMANN und v. Esner gut geschildert und kann ich mich der Schilderung dieser Autoren ganz anschließen. Die einen Vorkmanv’schen Kanäle sind glatt- wandig, andere im Profil wie gezackt mit nach innen vortretenden Wöl- bungen und äußeren Spitzen, wie sie v. VoLKMAnN in seinen Fig. 6—10 gut darstellt. Howsnir’sche Lacunen habe ich an solchen Kanälen noch nicht gesehen, doch ist es leicht möglich, dass sie an den weiteren der- selben unter gewissen Verhältnissen vorkommen. Der Inhalt der Voıkmann’schen Kanäle ist je nach der Weite sehr verschieden und be- merke ich in erster Linie, dass diese innerhalb weiter Grenzen schwankt (Fig. 19). Die weitesten haben den Durchmesser kleinerer Haversian spaces und die engsten messen nicht mehr als 10—20 u, ja es kommen neben diesen noch engere und selbst ganz obliterirte solche vor, welche wie dicke helle Ringe mit engster Lichtung oder als kreisförmige Gebilde ohne Lumen von eigenem Glanze erscheinen in ähnlicher Weise, wie das Centrum ganz obliterirter echter Haversi- scher Systeme, wie sie Tomes und DE Morsan zuerst beschrieben ha- ben (Phil. Trans. 1853 Vol. 143 p. 148, 423 Fig. I c) und die im Gan- zen nicht seltene Erscheinungen sind. In den weiteren VoLkmann’schen Kanälen nun findet sich der gewöhnliche Inhalt Haversischer Kanäle, Gefäße, selbst Fettzellen und Markzellen (Osteoblasten ?), in den engeren Gefäße und Markzellen, in den engsten eine Masse, die ich nicht zu deuten vermochte, wie denn überhaupt noch nicht klar ist, wie diese und die echten Haversischen Kanäle obliteriren. Da jedoch das Cen- trum solcher obliterirter Kanäle meist eine Knochenzelle enthält, so erscheint es als wahrscheinlich, dass die Verschließung wesentlich durch Osteoblasten und ein von diesen und den angrenzenden Kno- chenzellen geliefertes ossificirendes Blastem geschieht. Was nun die Bedeutung und Entstehung der Vorkmann’schen Ka- Der feinere Bau des Knochengewebes. 671 näle betrifft, so stehen sich, wie wir oben sahen, wesentlich zwei An- sichten gegenüber, die von v. VOLKMANN, der v. Esner sich anschloss, und die von Scuwaıse. Nach sorgfältiger Prüfung der Frage glaube ich für den vonv. VoLkmann beschriebenen pathologischen Fall demselben Recht geben zu müssen und kann auch ich nach der ausführlichen Schilderung und den Abbildungen dieses Autors nicht bezweifeln, dass es sich hier um Neubildungen von Gefäßkanälen handelte, die durch eine sekundär auftretende Resorption gebildeter Knochensubstanz zu erklären wäre, wie sie bei der Bildung der Haversian spaces statt hat. Was dagegen die Vorxmann’schen Kanäle in normalem Knochen betrifft, so halte ich dieselben unbedingt für Gebilde, die bei der ersten Entstehung oder Ablagerung der periostalen Bildungen gegeben sind und somit gleichzeitig mit den umgebenden Grundlamellen entstehen. Wie die Knochen von Kindern des ersten Jahres in ihrer Substantia compaeta Anfangs einzig und allein aus Gefäßkanälen ohne Lamellen bestehen (Fig. 21, 22), so findet sich dies auch später bei der Ent- stehung der ersten inneren und äußeren Grundlamellen, indem auch hier Gefäße der Beinhaut mit den umgebenden Weichtheilen in die von Osteoblasten abgelagerte lamellöse Knochensubstanz eingeschlos- sen werden. An normalen Knochen habe ich bis anhin keinerlei Spuren einer Neubildung von Vorkmann'schen Kanälen zu finden vermocht und schließe ich mich somit für diese der Auffassung von ScHwALsE an. Zu den Suarrey’schen Fasern selbst übergehend kann man im Allgemeinen sagen, dass in den Knochen Erwachsener alleäußeren Grundlamellen und alle interstitiellen Lamellen, die genetisch mit den ersteren zusammenhängen, d.h. aus Periostablagerungen entstanden sind, Suarrzv’sche Fasern ent- halten; doch ist die Menge dieser Elemente und die Stärke derselben vielen Wechseln ausgesetzt. Als Belege mögen folgende Zeichnungen dienen. Fig. 23 stellt die äußere Hälfte eines Abschnittes eines geglühten Querschliffes des Femur des Erwachsenen dar, der in den äußeren Grundlamellen eine bedeutende Anzahl Snarpey’scher Fasern enthält und solche auch in den interstitiellen Lamellen zeigt. Die Mehrzahl dieser Elemente gehört zu den feinen und verläuft longitudinal oder schief, keine auf größere Längen transversal. Ganz anders beschaffen sind diese Elemente in einem Querschliffe eines Humerus von 30 em Dia- physenlänge (Fig. 20), indem dieselben durch kolossale Dieke sich aus- zeichnen und auch zum Theil auf größere Strecken mehr quer verlaufen. Von mittlerer Stärke endlich, aber in größerer Anzahl zeigt Fig. 12 die SuarpeY'schen Fasern aus den interstitiellen Lamellen des Femur eines Erwachsenen. Mit diesen Beispielen sind jedoch lange nicht alle Mög- 672 A. Kölliker, lichkeiten erschöpft und betone ich besonders noch folgende Ver- hältnisse: 1) In dicken äußeren Grundlamellen verlaufen die fraglichen Elemente oft in großer Länge transversal, die Lamellen quer durch- bohrend und giebt schon H. MüLzer die Länge solcher Fasern auf 3 mm an, was ich nur bestätigen kann. An solchen Fasern ist dann auch wahrzunehmen, dass sie hier und da sich verästeln und wie Bäumchen bilden, deren Zweige gegen die Oberfläche des Knochens gerichtet sind. Andere solche Fasern verbinden sich netzförmig und umgeben dann häufig longitudinal verlaufende solche Elemente. | 2) Kommen häufig in den interstitiellen Lamellen, aber auch in den äußeren Grundlamellen ganze Nester longitudinal verlaufender dickerer Suarpey’scher Fasern vor, deren Menge so groß ist, dass die übrige Knochensubstanz auf ein Minimum reducirt erscheint und so zu sagen keine Lamellen, sondern nur vereinzelte Knochenzellen zeigt. Sind in solchen Fällen die Suarpzy’schen Fasern besonders dick, was die Regel ist, so entsteht mitten in der Compacta eines Röhrenknochens ein Ge- webe, das täuschend einer verknöcherten Sehne gleicht (Fig. 7). Die schönsten Bilder der Art gewinnt man übrigens von der Oberfläche der Diaphyse der großen Röhrenknochen, wenn hier longitudinal verlau- fende Snarrev'sche Elemente vorkommen. Das eben Geschilderte er- innert sehr an die bekannte Geeznsaur’sche Abbildung (Jen. Zeitschr. III, Fig. 13), die eine kugelige Intercellularsubstanz mit Interglobular- räumen darstellt und kann ich nicht umhin zu bemerken, dass ich weder an jungen noch an älteren Knochen etwas Derartiges gesehen habe, was nicht auf Snarpery’sche Fasern zu beziehen gewesen wäre, und empfehle ich besonders Entkalken der Schliffe und Behandlung des Knochenknorpels mit Essigsäure zur Aufklärung. Da die SuarpEy- schen Elemente zum Theil quer, zum Theil longitudinal verlaufen, so erhält man an Quer- und Längsschnitten unter Umständen ähnliche Bilder. 3) Suarpey’sche Fasern finden sich bereits in den Knochen von | Embryonen und in den Knochen aller Lebensalter. Wie dieselben ın | früheren Lebensperioden sich verhalten, wird sofort zu beschreiben sein. In späteren Zeiten vom dritten oder vierten Jahre an zeigen dieselben | die nämlichen Verhältnisse, wie beim Erwachsenen, bei dem sie noch | bei älteren Leuten in den 60. Jahren sich vorfinden. B. Die grobfaserige Knochensubstanz der fötalen und jungen Knochen (Fig. 24—26) unterscheidet sich in mehrfachen Be- | ziehungen von dem echten lamellösen Faserknochen und verdient auf jeden Fall eine besondere Beschreibung. Was dieselbe vor Allem aus- | | Der feinere Bau des Knochengewebes. 673 zeichnet, ist I) der Mangel gut ausgeprägter Lamellen, dann 2) das Vor- kommen großer unregelmäßiger Knochenzellen, endlich 3) die sehr zahlreiehen und zum Theil sehr starken Suarpzy’schen Fasern. Quer- schliffe der Diaphysenmitte eines solchen Knochens (Femur, Tibia, Humerus) vom Neugeborenen bieten folgendes eigenthümliche Bild 'Fig. 21, 22). Das Innere des Knochens zeigt eine große Anzahl Hı- versischer Kanälchen, welche zum Theil quer, zum Theil der Länge nach verlaufen und durch im Ganzen dünne Knochenbalken von ein- ander getrennt sind. Zu innerst liegen da und dort größere zum Theil angefressene Markräume ohne alle Gesetzmäßigkeit und fehlt jede Spur von Knochenansatz, während unter der Beinhaut die bekannten Bilder von schmalen Knochenbalken und offenen und sich schließenden Mark- räumen sich finden. Alle Knochenbalken nun bestehen aus einem mitt- leren Zuge großer Knochenzellen untermengt mit groben Suarrzry’schen Fasern, und erscheinen an Schliffen sehr dunkel, während gegen die Haversischen Kanäle zu helleres Gewebe auftritt, in dem nur feinere Ausläufer der Snarpey’schen Elemente und kleinere mehr typisch ge- formte Knochenzellen sich finden, so wie schwache Andeutungen von Knochenlamellen. Betrachten wir nun die Verhältnisse im Einzelnen, so sind die Knochenzellen, welche in der Achse der Knochenbalken liegen, wie bereits v. Esner dies beschreibt, durch ihre absonderlichen unregel- mäßigen Formen, ihre bedeutendere Größe und außerdem dadurch ausgezeichnet, dass oft mehrere derselben unter einander zusammen- hängen und so größere buchtige Räume bilden. Diese Zellen liegen in einem Gewebe, das wesentlich aus Suarpry'schen Fasern gebildet wird, die dicht verfilzt den Haupttheil der Achse der Knochenbalken bilden und zum Theil der Achse der Havsssischen Kanälchen parallel verlau- fen, zum Theil dieselben ringförmig umgeben, zum Theil schief ver- laufen. Von diesen Fasern sind viele von mächtiger Stärke (15—30 «) und bilden eine unentwirrbare Verflechtung, die Grernsaur mit dem passenden Namen Wurzelstock bezeichnet hat. Einzelne Fasern dieses Geflechtes treten in besondere Beziehungen zu den Knochen- zellen, indem sie wie an dieselben sich ansetzen (s. GEGENBAUR |. c. Fig. 6—9) oder dieselben scheinbar in Verbreiterungen aufnehmen, ich möchte jedoch dieses Verhältnis nicht so auffassen, als ob die Zellen Verbreiterungen der Fasern darstellten und zwischen beiden ein inni- ger Zusammenhang bestände, vielmehr bin ich der Meinung, dass der Ausdruck, dass gewisse Snarrzy’sche Fasern an Knochenzellen sich an- setzen, ohne mit denselben zu verschmelzen, mehr der Wahrheit ent- spricht. Außer diesen Beziehungen der Suarrzv'schen Fasern zu den 674 A. Kölliker, Zellen, finden sich im Wurzelstocke auch häufig Stellen, an denen, wie beim Erwachsenen, longitudinal verlaufende Fasern Knochenzellen be- grenzen, die dann, wie in Interglobularräumen zu liegen scheinen. Von dem Wurzelstocke aus geht eine große Zahl meist feinerer Fasern in die die Havzrsischen Kanälchen umgebenden Schichten aus und ver- läuft in der Regel bis an die unmittelbare Begrenzung derselben heran. Meist theilen sich diese Fasern an ihrem Ende mehrfach in feinere Ele- mente, während andere im ganzen Verlaufe einfach bleiben. Neben diesen Elementen kommen hier und da auch noch andere vor, die un- getheilt von einem Havsrsischen Kanal zum anderen ziehen und den Wurzelstock einfach durchsetzen. Die Knochenzellen um die Haversi- schen Kanälchen herum zeigen nichts Auffallendes, und bemerke ich nur, dass ihre Ausläufer namentlich nach Essigsäurezusatz in großer Menge sehr deutlich zum Vorschein kommen und für feine SuARPEY- sche Fasern gehalten werden könnten. Von Lamellen zeigen solche Knochen sehr wenig. Am deutlich- sten sieht man Anklänge an solche um einzelne Gefäßkanäle herum, seltener auch im Wurzelstocke, und nur ausnahmsweise treten diesel- ben am erstgenannten Orte bestimmter auf. Eine nicht unwichtige Bemerkung ist nun noch die, dass die Ver- gleichung von Schliffen von Knochen Neugeborener, die geglüht wur- den, mit Schnitten von entkalkten solchen Knochen unzweifelhaft lehrt, dass in den letzteren mehr Suarpzy'sche Fasern sichtbar sind. Es muss somit ein Theil der Suarpry’schen Fasern dieser Knochen verkalkt sein. Namentlich gilt dies von den seitlichen Ausläufern des Wurzelstockes, die inSchliffen weniger zur Anschauung kommen und auch der Veräste- lungen entbehren. Aber auch die Gegend des Wurzelstockes erscheint am entkalkten Knochen reicher faserig. Im Ganzen sind übrigens Schliffe immerhin so reich an lufthaltigen Suarrry’schen Fasern, wie die Fig. 18 u.19 zeigen, dass man, auch wenn man dieselben mit entkalkten Kno- chen (Fig. 26) vergleicht, immer noch zu der Behauptung berechtigt ist, dass auch an Knochen von Neugeborenen die Suarpry’schen Elemente größtentheils unverkalkt sind. Die Verbreitung der grobfaserigen Knochensubstanz, wie sie eben geschildert wurde, anlangend, so kenne ich dieselbe von allen Röhren- knochen des Neugeborenen und von Kindern der ersten Wochen, die alle im Wesentlichen sich gleich verhalten, doch hebe ich als bemer- kenswerth hervor, dass schon bei Neugeborenen an den Diaphysenen- den dieser Knochen bis auf 2 em Entfernung von den Epiphysen sich gut entwickelter lamellöser Knochen vorfindet, und zwar an zwei Stellen, einmal auf den Resten der Knorpelbalken im Inneren als echter Der feinere Bau des Knochengewebes. 675 lamellöser Knochen und zweitens an der äußeren Oberfläche als lamellöser Faserknochen mit Vorkmann’chen Kanälen an bestimmten Stellen, an denen typische Periostablagerungen mit Snarrzv’schen Fasern sich bilden. Diese Stellen erkennt man schon mit bloßem Auge leicht an ihrer Glätte, während die Gegenden, wo grobfaserige Kno- chensubstanz entsteht, rauh und porös aussehen, eben so wie die Re- sorptionsflächen. Die deutlichsten Bilder der Art gab mir der Hume- rus, aber auch Tibia und Femur ließen diese Verhältnisse erkennen und läuft bei ersterem eine solche glatte Zone sogar an der ganzen me- dialen Kante herab. Außerdem habe ich von Knochen von Neugeborenen untersucht: das Darmbein, Schulterblatt, Schlüsselbein, Wirbel, Rip- pen, Unterkiefer, Jochbein, Schläfenbein, Hinterhaupts- bein, Keilbein, Scheitelbein, die Gehörknöchelchen und fand ich folgendes allen Gemeinsame: 1) Alle auf Knorpelreste abgelagerte Knochensubstanz ist, wenn sie nur etwas mächtiger auftritt, schöner lamellöser Knochen. 2) Die von der Beinhaut aus gebildete Knochensubstanz knorpelig präformirter Knochen ist schöne grobfaserige Substanz mit meist un- verkalkten Suarpzy’schen Fasern. 3) Die nicht knorpelig angelegten Knochen des Schädels bestehen an den Stellen, an denen sie in die Fläche wachsen, aus schöner, grob- faseriger Knochensubstanz mit mächtigen, mehr oder weniger unverkalk- ten Bindegewebsbündeln (Suarpzy’schen Fasern) und findet sich dasselbe Gewebe auch im Inneren an vielen Stellen. Außerdem zeigen diese Knochen auch lamellösen Faserknochen an der Oberfläche in gewisser mäßiger Entwicklung und echten lamellösen Knochen um die Gefäß- räume. Im Einzelnen erwähne ich noch Folgendes: a) Darmbein. Ein Querschnitt vom Gelenktheile bis zur Crista zeigt an der lateralen (glutealen) Lamelle des Knochens die schönste grobfaserige Knochensubstanz mit mächtigen, einem guten Theile nach unverkalkten, quer und schief verlaufenden Snarrzv’schen Fasern, die mir noch vorgekommen ist. An der Crista finden sich viele lamellöse Ablagerungen auf Knorpelbalken, an der medialen Lamelle (Lam. iliaca) stellenweise etwas lamellöser Faserknochen oberflächlich, sonst auch viel grobfaseriges Gewebe. b) Scapula. Ein Schliff parallel dem Margo lateralis unter dem Acromion vom Gelenktheil bis zum Margo medialis durch die Fossa in- fraspinata zeigt ebenfalls an bestimmten Stellen in beiden Gruben lamellösen Faserknochen, dann gegen die überknorpelten Stellen zu O7 A. Kölliker, lamellösen Knochen ohne Fasern, sonst viele und sehr schöne grob- faserige Substanz wie das Darmbein mit gleichem Verhalten der Fasern. c) Rippen zeigen an Querschnitten in großer Ausdehnung grob- faserige Substanz mit longitudinal verlaufenden feineren Suarpzy’schen Fasern, daneben auch schiefe und transversale solche. Lamellöse Sub- stanz an einzelnen Stellen im Inneren. dA) Schlüsselbein. An Einer Stelle gute äußere und innere Lamellen. Sonst schöne grobfaserige Substanz. e) Unterkiefer. Stellenweise grobfaserig, stellenweise lamellös. f) Wirbel. Die Bogen enthalten in den oberflächlichen Lagen schöne grobfaserige Substanz. Die Körper bestehen nur aus endo- chondral gebildeten Knochen. e) Zygomaticum. Besteht äußerlich aus grobfaserigem Knochen, innen in großer Ausdehnung aus lamellösem Knochen. h) Oceipitale basilare. Äußere Lagen besonders an der dista- len Seite grobfaserig. Innen Lamellen endochondralen Knochens. i) Keilbein. Der Körper des hinteren und vorderen Keilbeines longitudinal durchschnitten zeigt an beiden Flächen eine dünne Kruste von grobfaserigem Knochen, innen nur lamellöse Substanz mit Aus- nahme der überknorpelten Endflächen. Ein Querschnitt durch die Sella tureica und Ala magna bietet die- selben Verhältnisse dar. k) Os petrosum. Ein Querschnitt durch Paukenhöhle, Vesti- bulum und Schuppe zeigt an der Pyramide oberflächlich in großer Aus- dehnung, an der Schuppe ganz und gar grobfaserige Knochensubstanz. Im Bereiche der Pyramide ist das Innere kompakter und spongiöser endochondral gebildeter Knochen mit schönen Lamellen. Ein Quer- schnitt durch die Gegend der Cochlea zeigt imInneren dasselbe, im Um- kreise dagegen in dicker Lage den schönsten grobfaserigen Knochen. l}) Die Gehörknöchelchen bestehen ganz und gar aus endochon- dralem Knochen mit vielen lamellösen Auflagerungen. m) Scheitelbein. Besteht fast durchweg aus grobfaseriger Substanz mit Anfängen von Lamellenbildung an den Oberflächen. Ich füge nun noch Einiges über die Entwicklungsverhält- nisse der Suarrry’schen Fasern und der dieselben enthaltenden Knochensubstanz bei. Heınrıcn MüLser ist der Erste, der in seiner vorzüglichen Abhandlung über Snarpry’s Fasern den Satz aufstellte (p.-. 297): »Ich glaube die durchbohrenden Fasern als Züge ver- dichteter Bindesubstanz ansehen zu müssen, deren Bildung der Anlagerung der Knochenlamellen entweder vorherging oder wenigstensmit derselben zugleich fortschritt, indem Der feinere Bau des Knochengewebes. 677 sie sich mit der zunehmenden Dicke der Lamellen immer weiter ver- längerten.« An demselben Orte kam ich selbst am Schlusse einer ver- gleichenden Untersuchung über die fraglichen Elemente zu dem Er- gebnisse (p. 315), »dass die Suarpzy’schen Fasern nichts als ossifieirte Bindegewebsbündel sind und mit weichen Bindegewebsbündeln im Perioste direkt zusammenhängen und gab dann in meiner Gewebelehre (5. Auflage Fig. 168) eine Abbildung solcher Bündel. GEGENBAUR und v. Esner schlossen sich später der genannten Auffassung der Suar- pzy’schen Fasern an, die jetzt wohl kaum noch einen Gegner hat. Die grobfaserige Knochensubstanz verdankt allerwärts einem ge- wöhnlichen Bindegewebe mit Zellen ihren Ursprung wie SuArPEY und ich dies schon vor Jahren behauptet, bevor der Bau derselben genauer bekannt war, und findet sich daher überall, wo ein solches Gewebe direkt ossifieirt, wie z. B. bei den Periostablagerungen junger Röhren- knochen, bei der ersten Anlage und dem Randwachsthume der nicht knorpelig präformirten platten Schädelknochen, bei den Periostablage- rungen der Gesichtsknochen in frühen Stadien. An gewissen Orten wandelt sich später das genannte ossificirende Gewebe so um, dass das- selbe in eine mit zellenfreien Bindegewebsbündeln untermengte Lage von Osteoblasten übergeht und dann giebt dasselbe dem lamellösen Faserknochen den Ursprung, eine Umwandlung, die bei den Röhren- knochen und den knorpelig präformirten Knochen überhaupt sehr früh auftritt. Die bisherigen Autoren drücken sich über den Zeitpunkt die- ser Umwandlung und die Art derselben sehr unbestimmt aus. So Azsy, der jedoch nur zwei Arten von Knochengewebe unterscheidet, grobfaseriges und lamellöses, welcher nur »von gewissen, nach den verschiedenen Thieren wechselnden Altersstufen« spricht, jedoch an- nimmt, dass auch noch später nicht lamellirtes Gewebe an all den Punkten auftrete, die sich durch besonderes reges Wachsthum aus- zeichnen, wie namentlich den Muskelkanten und Muskellinien. v. EBner bemerkt nur: »dass die fötale Knochenstruktur nur kurze Zeit bleibe und dass an der Tibia eines 31/,jährigen Kindes nichts mehr davon zu sehen war«, abgesehen von kleinen Inseln im Bereiche der Diaphysen- mitte. SchwaLse endlich lässt die Knochen etwa bis zum 6. Monate nach der Geburt nach embryonalem Modus vom Perioste aus weiter wachsen. Dann aber beginne die Ablagerung lamellösen Knochenge- webes von Seite des Markes und auf die Wandungen der nun ent- stehenden Havzrsischen Räume (es sind die Haversian spaces von Tonzs und pz Morgan gemeint), so dass schon bei 2jährigen Kindern nur la- mellöse Knochensubstanz vorhanden sei, an deren Bildung bis zum. 4. Jahre das Periost keinen Antheil nehme. Dasselbe bilde vielmehr zu 678 A. Kölliker, dieser Zeit Anfangs nur Spuren geflechtartiger Knochensubstanz, später auch wohl lamellöse Substanz von geringer Dicke. Erst vom 4. Jahre an nehme die Thätigkeit des Periostes wieder zu und liefere nun, ab- gesehen von den Muskelkanten und Muskellinien, zunächst Grund- lamellen. Meine Erfahrungen über diese Frage sind folgende. Sehr bald, jedenfalls im Verlaufe der ersten Jahre nach der Geburt, hört die An- bildung grobfaserigen Knochengewebes auf und bildet nun die Bein- haut lamellöses Gewebe mit zahlreichen Snarpery'schen Fasern (lamel- lösen Faserknochen). Zugleich wird der Knochen von innen nach außen resorbirt und enthält schon ein Femur eines 3jährigen Kindes nichts oder fast nichts mehr von der Knochensubstanz des Femur des Neuge- borenen, während im Inneren die Gefäßkanäle durch Resorption in Haversian spaces übergehen und Havzrsische Lamellensysteme in sich entwickeln. Somit findet sich schon im 3. Jahre keine geflechtartige oder grobfaserige Knochensubstanz mehr und besteht der Knochen von nun an aus lamellösem Faserknochen und echtem lamellösem Knochen. Auch die andern Knochen verhalten sich im Wesentlichen eben so mit Ausnahme gewisser Stellen. Als solche bezeichne ich 1) die Naht- gegenden der Schädelknochen, an denen so lange als die Kno- chen in der Fläche wachsen, grobfaserige Knochensubstanz gebildet wird; 2) die Stellen, wo Sehnen, Bänder oder Lig. intermusecularia direkt an die Knochen sich ansetzen, wo ebenfalls Faserknochen gebildet wird. Meine Erfahrungen stimmen somit nicht mit denen von SchwaAusE über- ein, der bei jungen Röhrenknochen den Periostablagerungen keine größere Rolle zuschreibt. Würzburg, den 10. Juni 1886. Erklärung der Abbildungen. Tafel XXXVI-—XXXIX. Fig. 4. Einige Lamellen von den äußeren Hauptlamellen eines entkalkten Hu- merus des Menschen. Starke Vergr. Die Knochenfasern oder Bündel von Fibrillen kreuzen sich unter rechten Winkeln. Die Punkte in den Lamellen sind Querschnitte von Knochenkanälchen. Fig. 2. Theil eines isolirten HAversischen Lamellensystemes von einem erweich- ten Femur von der Oberfläche gesehen. Starke Vergr. Man sieht die unter rechten Winkeln sich kreuzenden Knochenfasern. Der Gefäßkanal und einige Knochenzel- ien schimmern undeutlich durch. Der feinere Bau des Knochengewebes. 679 Fig. 3. Von einem Schliffe eines Humerus von 30 cmLänge. Starke Vergr. Keine Lamellen, nur Querschnitte von Fibrillen sichtbar. Fig. 4. Theil eines Lamellensystemes aus demselben Schliffe mit dichtstehen- den undeutlichen Lamellen. Starke Vergr. Links gröbere Suarpry’sche Fasern. Die feinen dunklen Linien sind feinere solche Elemente oder Spalten. Fig. 5. Theil eines geglühten Schliffes des Femur des Menschen, trocken unter- sucht. Starke Vergr. Fig. 6. Von einem Querschnitte des entkalkten Humerus des Menschen.: Starke Vergr. Es sind dargestellt eine Reihe äußerer Grundlamellen, ein perforirender Ge- fäßkanal g ohne Lamellensysteme, viele Querschnitte Suarpzy’scher Fasern s und Knochenzellen. Fig. 7. Suarpey’sche Fasern in einem kleinen Felde interstitieller Lamellen von einem mit. Essigsäure behandelten Querschnitte desselben Humerus. Starke Vergr. Die Fasern laufen fast alle longitudinal und begrenzen Lücken, die die Knochen- zellen enthalten. Manche Fasern bilden kleine Bündel und sind von feinen faser- artigen Zügen begrenzt, die horizontal verlaufende SuArrry’sche Fasern zu sein scheinen. Fig. 8. Snarpey’sche Fasern durch Indigokarmin roth gefärbt. Vom Humerus des Erwachsenen. Geringe Vergr. Fig. 9. Elastische Fasern aus den äußeren Grundlamellen des entkalkten Hu- merus des Menschen mit Safranin gefärbt. Starke Vergr. g, perforirende Gefäß- kanäle. Fig. 10. Dieselben aus dem nämlichen Knochen durch Essigsäure dargestellt. Starke Vergr. s’s’s’, Suarpey’sche Fasern, die elastische Fäserchen enthalten; ss, Suarpey’sche Fasern ohne elastische Elemente; g, perforirender Gefäßkanal. Fig. 44. Theil eines Querschliffes aus der Mitte der Diaphyse des Femur des Erwachsenen in Dammarlack. Geringe Vergr. Fig. 42. Dasselbe wie vorhin von einem anderen Femur, geglüht und in Lack aufgehoben, etwas mehr vergrößert als das vorige Präparat. Alle Striche bedeuten lufthaltige SuArprv’sche Fasern. Fig. 13. Aus dem geglühten Schliffe eines Femur. Oberflächliche Grundlamel- len mit feinen SuArpry’schen Fasern. Starke Vergr. Fig. 44. Ein und derselbe tangentiale oberflächliche Längsschliff des Femur eines A6jährigen. A vor und B nach dem Glühen dargestellt. Geringe Vergr. Fig. 15. Starke Saarpey’sche Fasern in Form von Bündeln lufthaltiger Röhr- chen aus einem Flächenschliffe einer menschlichen Rippe mit Osteoporose. Starke Vergr. Fig. 46. Ein Theil der oberflächlichen Grundlamellen aus einem in Lack auf- gehobenen Schliffe aus der 30 cm langen Diaphyse eines noch nicht ausgewachse- nen menschlichen Humerus. Die Gefäßkanäle sind perforirende. Starke Vergr. Viele lufthaltige Röhrchen der Suarpzy'schen Fasern sind durch Eindringen von Balsam hell geworden, aber doch noch als Lücken zu erkennen. Fig. 17. Durch Zerzupfen isolirte Suarprv’sche Fasern aus einem erweichten Parietale des Erwachsenen. Starke Vergr. Fig. 18. Querschnitt aus der Mitte der Diaphyse eines entkalkten Humerus des Menschen bei geringer Vergrößerung. Die äußeren Grundlamellen ng enthalten eine große Zahl längsverlaufender und quergetroffener Vorkmann’scher Kanäle. Fig. 19. Ein Theil dieses Querschnittes stärker vergrößert. v, VoLKMANN’scher Kanal. 680 A. Kölliker, Der feinere Bau des Knochengewebes. Fig. 20. Querschliff aus der Mitte der 30 cm langen Diaphyse eines Humerus in Lack. Geringe Vergr. gs, oberflächliche Grundlamellen mit meist quer durch- schnittenen VoLKMAnn schen Kanälen und sehr vielen lufthaltigen SHArPEyY’schen Fasern ; i, interstitielle Lamellen, die auch noch solche Fasern enthalten und ein- zelne VoLKkmAnn’sche Kanäle, wie bei o, Fig. 21. Segment eines Schliffes aus der Mitte der Diaphyse des Femur eines Neugeborenen. Geringe Vergr. Fig. 22. Ein ebensolcher Schliff vom Schienbein eines Neugeborenen, Fig. 23. Theil eines Querschliffes eines geglühten Femur des Erwachsenen von der Mitte der Diaphyse. gr, äußere Grundlamellen mit besonderen hellen Zonen, die Ansatzlinien bezeichnen, und VoLKmAnn’schen Kanälen; i, interstitielle Lamellen, Beide mit SuArpey’schen Fasern. Fig, 24. Segment eines Querschliffes des Femur eines Neugeborenen. Mittlere Vvergr. Fig, 25. Theil eines solchen. Stark vergr. Fig. 26. Ein Theil eines entkalkten Querschliffes der Tibia eines Neugeborenen. Stark vergr. w, Wurzelstock mit den ausstrahlenden SuArrev’schen Fasern. Fig. 27. Einige Lamellen von den äußeren Grundlamellen eines entkalkten Hu- merus,. Starke Vergr. Die Knochenfasern oder Bündel von Fibrillen kreuzen sich unter rechten Winkeln, die Lücken zwischen denselben sind Knochenkanälchen, Zur Zeichnung der Vogelfeder. Eine vorläufige Mittheilung von Phil. et Med. Dr. Ludwig Kerschner, Assistenten am anatomischen Institute in Graz. \ Darwın’s Theorien einer Zuchtwahl, die der natürlichen eben so wie die der geschlechtlichen haben das Gemeinsame, dass sie auf denselben widerstreitenden Principien fußen: der Vererbung und der Anpassung (an die Lebensbedingungen oder an den Geschmack des andern Ge- schlechtes). Außer diesem schon innerhalb des Processes einer jeden der beiden Arten von Zuchtwahl vorhandenen Widerstreite, müsste da, wo die beiden Processe mit ihren entgegengesetzten Zielen zu- sammenwirken sollen, ein neuer, potenzirter Widerstreit entstehen; diesen zu studiren schien mir von besonderem Interesse. Ich unter- nahm dies in der Hoffnung, mir über die Berechtigung beider Dar- wın’scher Theorien ein Urtheil zu bilden, überdies vielleicht zur Klä- rung der Begriffe, auf denen sie sich aufbauen, beitragen zu können. Als passendstes Objekt erschien mir die Feder, in erster Reihe die der Hühnervögel, unter denen wir ja unbestreitbare Beispiele der Anpas- sung, wie das Gefieder der Feldhühner, des Schneehuhns, auf der einen Seite, auf der anderen den komplieirtesten und schönsten Schmuck an- treffen, wie beim Pfau und dem Argusfasan. Die Federn der letzteren hatte ohnehin bereits Darwın selbst zum Nachweise benutzt, dass eine phylogenetische Entwicklung der Schmuckfeder möglich sei, und ich konnte also zugleich dessen Angaben an diesen Objekten prüfen. — Die bisherigen grob morphologischen Vorarbeiten haben mir bereits einige Ergebnisse geliefert, die ich einer kurzen Mittheilung werth erachte. Die erste Frage, mit der ich mich beschäftigte, war die nach dem Verhältnis der der Umgebung entsprechenden, unscheinbaren Feder zur auffälligen Schmuckfeder. Ich suchte daher nach Abstufungen, wie 682 Ludwig Kerschner, sie Darwın für den Argusfasan nachgewiesen, auch bei anderen Hühner- vögeln und verfolgte dieselben möglichst weit zurück. Beim alten Pfau- hahn erhielt ich auf diese Weise eine Reihe, die ich im Folgenden und ‘zwar der Einfachheit der Beschreibung wegen unter dem Bilde einer Entwicklungsreihe, daher mit der einfachsten Stufe, auf welche ich gestoßen, beginnend, kurz skizziren will. Den Ausgangspunkt bildet eine beim Pfauhahn ziemlich verbreitete, röthlich gelb und schwarz gebänderte Feder. An diese schließt sich eine gleich gezeichnete, deren äußerstes vollständiges schwarzes Band einen schwachen grünen Metallschimmer zeigt; dieser wird stärker, so dass wir statt des ersten schwarzen Bandes ein — bis auf einen schmalen schwarzen Saum — metallischgrün glänzendes erhalten. Dasselbe nimmt an Breite zu und zeigt proximal eine schmale allmählich jedoch breiter werdende Bronzezone. Unter Verdrängung des folgenden hellen breitet sich das Pigment des dunklen Bandes und mit ihm die beiden metallischen Zonen immer weiter abwärts aus. Hierbei wird die Feder spitzer, die Bronzezone nimmt in der Mitte, zu beiden Seiten des Schaftes, rascher an Höhe zu als an den Seiten, wo sie sogar gänzlich verschwindet. Der Metallglanz erstreckt sich weiterhin auch über das folgende dunkle Band und verdrängt auch noch das letzte helle. Das ursprüngliche bronzefarbene Querband hat durch allmähliche Ein- schränkung von den Seiten her, Ausbreitung längs des Schaftes, und Verjüngung peripheriewärts Dreieckgestalt angenommen. Die Feder ist inzwischen größer und noch spitzer geworden. Am Bronzedreieck runden sich zuerst die Ecken an der Basis, die verhältnismäßig schmaler wird, ab, dann auch die Spitze, und wir erhalten statt der- selben eine eiförmige nunmehr gegen den grünen Untergrund scharf abgegrenzte Scheibe. Diese wird durch Verbreiterung des oberen Endes zuerst elliptisch, dann verkehrt eiförmig und nimmt weiter die Ge- stalt eines mit der Spitze nach abwärts gerichteten Dreiecks an. Die Ecken an der Basis runden sich ab, diese selbst wölbt sich vor und wir erhalten so eine nahezu kreisförmige Figur, der nach unten zu ein kleines Dreieck aufgesetzt ist. Knapp am Schafte unterhalb des Gentrums der Bronzescheibe, wo schon in manchen (allen) früheren Stadien das Grün persistirte, erscheint nun ein schmaler grüner Streif, der sich all- mählich etwas verlängert, hauptsächlich aber und zwar besonders im mittleren Antheil an Breite zunimmt und so nach und nach zu einem gegen die Längsachse der Feder um 45° gedrehten Rechteck mit etwas abgerundeten Ecken heranwächst. Nahe der oberen Ecke, beiderseits vom Schafte tritt hierauf ein verwaschener dunkelblauer Punkt auf, der sich allmählich zu einem kleinen Kreise heranbildet. Die Feder ist in- Zur Zeichnung der Vogelfeder. 683 zwischen wieder länger, durchüberwiegendes Wachsthum der untersten, Metallschimmer aufweisenden Äste jedoch vorzüglich breiter gewor- den. Der periphere schwarze Saum hat ebenfalls an Breite zugenom- men; die ihm angrenzende Partie der folgenden grünen Zone weist nun einen purpurnen Schimmer auf, die in die Bronzescheibe stoßende Partie einen blaugrünen, der Rest ist gelblich grün geblieben. Von den letzten der Äste, die metallisch schimmern, nehmen einzelne noch weiter an Länge zu, wobei sie an den Spitzen zart bleiben und sich ein- wärts biegen und so gleichsam das bereits in allen wesentlichen Theilen fertige Auge von der Seite her umwachsen. Dabei nehmen sie, dem Bereich des ursprünglichen schwarzen Saumes entsprechend, einen olivengrünen, darüber hinaus einen röthlichen Glanz an. Bei weiterer Größenzunahme der Feder und gleich zu erwähnender Formänderung der Bronzescheibe und ihres Inhalts, wächst von den Seiten her nach und nach der ganze Saum in der angegebenen Weise aus. Die Bronze- scheibe selbst wächst inzwischen in die Länge, die grüne Scheibe in die Breite, der centrale blaue Fleck Anfangs ziemlich gleichmäßig nach allen Richtungen; später jedoch bleibt der untere Pol im Wachsthume zurück und es entsteht so der »zahnförmige Einschnitt« Darwıw’s. Die gegenseitigen Lagebeziehungen der drei Zonen bleiben auch weiterhin ungefähr dieselben, die Färbung der braunen und blauen wird jedoch dunkler, in der letzteren vertieft sich das Blau im Bereich einer fast central gelegenen, annähernd kreisförmigen Stelle zu dunklem Violett. Die Verlängerung der Äste ist inzwischen noch weiter vorgeschritten, hat auch die innersten betroffen und so für das Auge einen breiten Untergrund hergestellt. Die Zone desselben, welche an die schon vor- handene olivengrüne grenzt, gewinnt eine gelbgrüne Färbung. Diese neue Zone bildet jedoch, eben so wie die beiden nach innen folgenden, meist keinen geschlossenen Ring, derselbe bleibt vielmehr nach unten zu in größerer oder kleinerer Ausdehnung offen. Über derselben ver- lieren die Äste für eine Strecke weit die Strahlen und dadurch kommt die letzte, die durchscheinende Zone zu Stande. Die noch folgenden Veränderungen bestehen bloß in einer Vergrößerung des Auges, wobei dasselbe entweder die Form des Längsovals behält (bei dieser Varietät hat der Untergrund purpurfarbigen Metallschimmer) oder aber sich wieder dem Queroval nähert (Varietät mit goldfarbenem Untergrund). An den größten Augenfedern brechen schließlich die medialen Äste von der durchscheinenden Zone an ab. Die Bezeichnung der Interferenz- farben bezieht sich auf die direkte Aufsicht. | Es lässt sich demnach die komplieirte Radfeder des Pfauhahns durch ganzallmähliche Übergänge auf eine ver- Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLIV. Bd. 44 684 Ludwig Kerschuer, hältnismäßig einfach gezeichnete Feder zurückführen. Dasselbe gilt auch von jeder anderen Schmuckfeder des- selben: eine jede führt uns direkt oder indirekt zu der röthlich gelb und schwarz gebänderten zurück. Auch beim jungen Pfauhahn wiederholt sich im Allgemeinen dieser Entwicklungs- gang, erreicht jedoch das Ziel nicht und weist auch sonst, so hauptsäch- lich durch die viel längere Persistenz der Bänderung immer verhältnis- mäßig niedrigere Stufen auf. Die gebänderte Feder, zu welcher wir bisher gelangt sind, ist jedoch an sich zu komplicirt, andererseits über die Arten und Federfluren zu wenig verbreitet, als dass wir bei derselben Halt machen dürften. Wir können dieselbe vielmehr mit Zuhilfenahme vollständiger Reihen aus dem ersten Jugendgefieder und dem Gefieder der Henne, schon beim Pfauhahn selbst an denFedern der Schenkelflur und der Zeichnung der Schwingen aufeine gelbbraune, schwarzgrau gespren- keltezurückführen. Der Weg ist aus der weiter unten folgenden gedrängten Zusammenstellung der Entstehung der häufigsten Zeich- nungsarten ersichtlich. Ganz das Gleiche, was sich für den Pfauhahn ergab, lässt sich auch für jeden anderen mir bisher zugänglich gewesenen Hühnervogel nachweisen. So kann man den »Sockelfleck« des Argusfasans nicht nur mit Darwın bis auf das »ellip- tische Ornament« und einen einfachen Fleck, sondern noch weiter bis zur Bänderung und besonders vermittels des Gefieders des Weibchens bis zur Sprenkelung zurück verfolgen. Auch bei vielen anderen Ord- nungen führt uns dieser Weg zur gleichen Zeichnungsart; dieselbe kommt durch die Aneinanderlagerung der auf verschieden lange Strecken hin abwechselnd licht und dunkel gefärbten, gegen die Achse verschieden geneigten Äste zu Stande. Bei anderen Ordnungen gelangen wir bei Zurückführung der Schmuckfedern auf einfachere zu einer ein- farbigen Feder, in deren Ästen das Pigment ganz oder nahezu gleich- mäßig vertheilt ist; auf eine solche ist übrigens vielleicht auch die gesprenkelte Feder zurückzuführen. Hier will ich nur die aus der letzteren ableitbaren häufigsten Zeichnungsarten in einem Schema, das zugleich deren Entwicklungsgang andeuten soll, aufzählen. Die Klammern enthalten bekanntere Beispiele der betreffenden Zeich- nung (s. nebenstehend). Bei dieser kurzen Aufzählung der häufigsten Muster sind die Über- gänge, ferner die Kombinationen, welche sich dadurch ergeben, dass ein Theil diese, der andere jene Zeichnung aufweist, die durch Asym- metrie und Struktureigenthümlichkeiten bedingten Formen, die Fülle 685 (ugaypıog) (moxgoordkfog) (sudıy) (sn3ıy) (sn3ıy) (ommazotoryog) zIaH Yydeljsı9a.ıy usbog zuemyuasoy uBJIauJS 1aydny (es P Sn — —— T1eJ19z NOYYaHLSoM €) Sunzpougasao‘ (OyTrJwmyL) (uroyuray) A ee sopunısıogun Deere joyunp 1oy (uesv7P[09) sep [OsyooM Een - er (nyn ‘ueseg) [Iogtougos] (snSıy 'neyg) A Sun SERIE NEREN er en RE ala, = Japupgshu u9 d 9pugqyo 4 ısyanı 19913 219914 J9P9J 94DRS > BERN En ne A! az 0704 op soFoH sop ‘Sun Zunz[owyosıon SUNZEWNISIOA -OYILIIS 19p punmyag N ee Er Be nn —yr (nrJq) — 49914 49914 ıydnı Aar}oyoß Frgeu Syn any ZIgewfeserun SITeWIOSHL -19391 -[79391un A 19T THNTOS UHP UOA a Sn AU UOOS uUop UOA (neJg) sOUO], USUro Sop Sunyuzaydsury IIeptoz (opıessng "uynygay) teJ1oz SOUO] UHULO SIP SUNYUFIUISUIT ZUELSITTIOM 5 m —u a yaydıqıeuıg —_—- — = (sn3ıy ‘I930Agney) Aa9purqıond I9p punayag | = (STQX1BFIOIP) SOUOT, UAILIP SHUId Emm N —— (guuayIonYy 'neJg) uogaıyyny A9po Sunjoyuerds 19p Zungeyim dostomfrayg (STY1EFIOMZ) UTOL o yruu Es) (SunFtoagsıond) A9p Tag HLM | -NIIg 'ugeyaony) = uoyeqy ‘punısıstun Topyunp A9po ıo][ey) Bunsapueg Juanb zue]s][eI9 N a \ = | (ugeyıony) (uynyeouyog) S OUILIIS AHY1R ZIEMUOS TIOM = eine en 19po (ugeygnap) (uoroordifog) sıq sıq NS uoFIrorgstond, uoA Zundtursror zuejspjegN zZuepsjpegem TeNunp 49T = SUNAIHFOLLIOA y».np A N N — (AIezyoLz wı ‘3turıoF (oyuogneig) (ouuey (uyey (uyny (uomoord yoybıquezug (TrydeM) (aoyTpwusseLz) -uadoq ‘ıonb urer ‘Feıyas 11y -NeJg) -MAL) -ıKyes) -410g) A 110q Toxunp "puo1t31roAuoN) pun joyunp Jfey Teyunp ey oyunp : | ——— — mm — ————— ——— 70 — -- - 2 (ugegieny — uynygoy) (yOLı4SIF2y9S) Jaayssbue7 Jojeıpaw Bunyaysıand Bunyıaysıaong Bunwepiguaa 499] sapun4ßaojun sap I9Sy9aaM 9UQ] AOPL2q SOSSTUNELLAA J9po 7 ep ofley] weoute ne 1opeg uszurS op ne -u93uoM SOp Suuyjeyim doıgejosun : —— — m 194 Joyuerdg ıop Junupıoun SOUO,L SUITE uPWMyEUPuey.IegqN (299 ToSoagneyg “eSgAdouyny) UHUMNUEAIEH TOMZ UI Bunjoyuauds 686 Ludwig Kerschner, von Farbenänderungen mit oder ohne Erhaltung der Zeichnung, die Menge der durch Strukturfarben erzeugten neuen Zeichnungen gar nicht berücksichtigt; und doch lassen sich auch für Art, Größe, Form, Färbung, Struktureigenthümlichkeiten (die rothen Blättchen des Sei- denschwanzes z. B.) ganz ähnliche Reihen wie für die Zeichnung zu- sammenstellen. Nachdem es mir gelungen war eine Anzahl solcher Reihen aus losen Federn zu erhalten, musste sich mir die Frage aufdrängen, wie sich denn die Stufen der Zeichnung, Färbung etc. im Balge zu ein- ander, zu den Federfluren verhalten? Bei Verfolgung dieser zeigte mir der erste Balg eines Vogels mit abgestuftem Gefieder, dass ich mir viele Mühe, manches Bedenken und was wichtiger ist, manchen Irrthum er- spart hätte, wenn ich von dieser Frage ausgegangen wäre. Die Federn sind nämlich von Natur aus so angeordnet, dass eine jede mit jeder ihrer Nachbarinnen hinsichtlich der Form, Zeichnung etc. in einer ganz bestimmten Beziehung steht. Es lässt sich für eine jede Flur, ja für den ganzen Balg ein Koordinatensystem er- richten, innerhalb dessen sowohl die auf den Abseissen (Querreihen) als die auf den Ordinaten (Längsreihen) ge- legenen Glieder Übergangsstufen mit bestimmten Dif- ferenzen bilden. Ein näheres Eingehen auf diese interessante Thatsache ist mir hier, wegen des Mangels erläuternder Abbildungen nicht möglich. Ein weiteres Ergebnis der Berücksichtigung der Federstellung ist die Erkenntnis, dass die Sonderentwicklung einzelner Federfluren in Färbung und Zeichnung immer mit einer Vermehrung der Elemente in der Flur oder, was schon Warrice hervorhebt, mit einer großen Varia- bilität und ungewöhnlichen Entwicklung (Größe, Form) Hand in Hand geht. So konnte ich aus Nirzscnr’s vortrefflichen pterylographischen Abbildungen selbst bei mir unbekannten Gattungen nicht nur die An- wesenheit, sondern auch den Ort der höchsten Entwicklung der Schmuck- federn bestimmen. Schon die vorgebrachten Thatsachen, die ich übrigens durch weitere Untersuchungen mit den bereits vorliegenden Arbeiten über die Entwicklung, Mauser, Struktur, Strukturfarben, Pigmente, Ver- färbung, Farbenvarietäten in Beziehung zu bringen suche, dürften an sich als ornamentale Studie, als Hilfsmittel der Systematik gelten, da sie uns z. B. gestatten, die verschiedenen Schmuckfedern des Pfauhahns, des Argusfasans, des Polypleetron, des Satyrhuhns, des Frankolins, der verschiedenen Fasanarten etc. auf ein und denselben Ausgangspunkt zurückzuführen, überdies auch den Verwandtschafts- Zur Zeichnung der Vogelfeder. 687 grad der verschiedenen Zeichnungsarten zu ermitteln; vielleicht wäre es dankbar auch andere multiple organische Gebilde (z. B. die Blatt- formen) in ähnlicher Weise zusammenzustellen. Ich glaube jedoch, dass sich die angeführten Ergebnisse auch schon zur Beantwortung allgemeiner Fragen heranziehen lassen. Eine der ersten, die sich uns bei der Betrachtung der Formenfülle der Feder auf- drängt, ist dieselbe, die sich an die Mannigfaltigkeit der organischen Formen überhaupt knüpft: Besteht sie seit jeher oder ist sie entstanden? Gegen die erstere Annahme sind heut zu Tage Argumente wohl über- flüssig, für die Zulässigkeit der letzteren sind die oben erwähnten voll- ständigen Reihen ein neuer Beleg. Durch die Annahme der Evolution haben wir jedoch keine Erklärung der Mannigfaltigkeit, sondern nur eine Vermehrung der Fragen erzielt, da sich nunmehr dem Problem nach der Art und dem Grund der ontogenetischen Entwicklung, das sonst das alleinige bliebe, noch jenes nach dem Wie und Warum der phylogenetischen Entstehung hinzugesellt. Ersteres ist nur durch exakte Forschung zu lösen, bleibt übrigens für beide Annahmen dasselbe. Das zweite Problem, das sich mit der phylogenetischen Entwicklung be- fasst, ist wohl nur auf Vermuthungen, welche für einen bestimmten Entwicklungsgang die Möglichkeit, höchstens die Wahrscheinlichkeit erbringen können, angewiesen, doch lässt sich ein annehmbarer Grad der letzteren durch thatsächliches Material, in unserem Falle durch die Reihen, auch hier erzielen. Bezüglich der ersten Frage nach dem Wie? der phylogenetischen Entwicklung beweist uns die große Zahl der möglichen Reihen zu- erst im Allgemeinen die Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit des Vorherrschens einer allmählichen Entwicklung im Gegensatz zu einer sprunghaften, für welche der Erythrismus, Me- lanısmus und Albinismus herangezogen werden könnte; ferner lehren sie uns, dass die Entwicklung auch hier in einer zunehmenden Differenzirung, einem sogenannten »Fortschritt« besteht. Doch auch im Besonderen werden wir bezüglich des phylogenetischen Entwicklungsganges durch die Reihen aufgeklärt. Die Endprodukte der phylogenetischen Entwicklung sind uns bekannt, als Anfangsglied können wir unter Voraussetzung der Richtigkeit der Entwicklungslehre und des einheitlichen Ursprunges einer Gruppe (Hühnervögel, Raub- vögel) die allen Gattungen gemeinsame einfachste Zeichnungsart an- sehen, dies um so mehr als uns alle Reihen auf dieselbe zurückführen. Die Reihen selbst als die Summe der zwischen unserem Anfangs- und Endglied einschaltbaren Zwischenstufen dürfen wir dann als die Zu- sammenfassung einer Anzahl von Ahnenstufen angehörigen Endgliedern 688 Ludwig Kerschner, der Zeichnung, also als phylogenetische Entwicklungsreihe des Endgliedes betrachten. Bei dieser nicht allzu gewagten An- nahme — es ist nicht wohl denkbar, dass ein so komplieirtes Objekt wie die Pfaufeder z. B. in zweifacher Weise entstanden sein sollte — können wir uns auch den ganzen Balg der Ahnenstufen mit annähern- der Sicherheit rekonstruiren, indem wir an dem Ende der Reihe ein Glied wegnehmen, dafür am Anfange eines mit entsprechender Dif- ferenz anfügen, falls nicht die Federflur eine Verringerung der Glieder- zahl verlangt. Die phylogenetische Entwicklung stellt sich uns demnach als eine Verschiebung dar. Eine solche können wir nun thatsächlich auch heute noch beobachten: Untersucht man eine größere Zahl von Bälgen ein und derselhen Art (z. B. des Rebhuhns) genauer, dann wird man außer der großen Variabilität der Federzeich- nung noch konstatiren können, dass homotope Federn, was die Zeich- nung anlangt, sogar die Differenz eines ganzen Gliedes der natürlichen Reihe aufweisen, dass also die Zeichnungsstufen gegen einander ver- schoben sind. — Nach dem Gesagten halte ich auch die Reihe der Pfau- federn für eine phylogenetische und trotzdem sie Darwın’s eigenen Resultaten widerspricht, für die richtige. Darwın! schlug bekannt- lich für den Pfau einen anderen Weg ein; er suchte nicht an dieser Gattung selbst, sondern bei den nächsten Verwandten derselben nach Übergängen, und gelangte so zur Meinung, dass das Auge der Radfeder durch Konfluenz zweier Augenflecke entstanden sei, wozu ihn haupt- sächlich der oben erwähnte zahnförmige Ausschnitt so wie die An- bahnung der Konfluenz beider Augenflecke innerhalb der Gattung Poly- pleetron veranlasste. Er hält daher letztere auch für einen genau intermediären Zustand zwischen dem jetzt lebenden Pfau und einem gewöhnlichen hühnerartigen Vogel. Bezüglich anderer Charaktere mag dies richtig sein, bezüglich der Zeichnung der Feder kann ich dies nicht zugeben, trotzdem es unter den Schwanzdeckfedern des Pfau- hahnes sogar welche mit paarigem Augenfleck giebt, die von Darwin, falls er sie gekannt hätte, sicherlich als Hauptstütze seiner Beweisfüh- rung verwerthet worden wären. Ich erwähne hier nur beiläufig, dass. ich diese interessanten Federn für Rückbildungsstadien halten muss. Für meine Reihe spricht deren Vollständigkeit und das oben angeführte Argument; gegen die Einschaltung der Polypleetronfeder in die Phylo- genie der Pfaufeder, also gegen die Ableitung Darwin’s, die Reihe, die sich bei Polypleetron selbst vorfindet, und zwar an der Hals- und Flügelflur des Weibehens: Sprenkelung — quere (Zickzack-) Streifung — 1 Ca. Darwın, Die geschlechtliche Zuchtwahl und die Abstammung des Men- schen. Deutsch von J. Vıcror Carus 4874, II. p. 448 fi. Zur Zeichnung der Vogelfeder. 689 Verschmelzung der medialen Antheile der Querstreifen zu einem Fleck; oder: Sprenkelung — Querstreifung — quere Bänderung — Verschmel- zung der medialen Antheile einiger in Tüpfel zerfallender oder zerfallener Querbänder zu einem Fleck — Auftreten des Metallglanzes — an den Schwanzfedern und Schwanzdeckfedern des Weibchens und allen augentragenden Federn des Männchens. Der Augenfleck des Poly- pleetron und das Auge des Pfauhahns sind also gar nicht homolog, ersterer ist schon durch die Zeichnung bedingt, letzteres eine Differen- zirung des an einem anderen Orte auftretenden, durch Struktureigen- thümliehkeiten bedingten metallisch glänzenden Abschnittes. Wenn auch der letztere ebenfalls durch Verschmelzen von Querbändern entstan- den ist, so besteht Polyplectron gegenüber der große Unterschied, dass bei diesem nur der mediale Abschnitt weiter centralwärts gelegener Querbänder und zwar im oder nach dem Zerfall in Tüpfel verschmilzt. Der Weg, den beide Gattungen in der Zeichnung zusammen zurückge- legt, ist also sehr kurz: er führt bloß zur Querstreifung, höchstens zur queren Bänderung. Von hier ab nehmen beide Gattungen ihren eigenen Weg. — Polyplectron, das noch eine weitere Stufe einfacher Zeichnungerreicht (Zerfall in Tüpfel), bildet den Augenfleck früher, erhält den Metallglanz später; beim Pfau ist gerade das Umgekehrte der Fall. Anschließend an seine Studien über die Zeichnung der Eidechsen hat Eimer! auch diejenige der Vögel zum Gegenstand seiner Unter- suchung gemacht und gelangte bezüglich der Phylogenie der Zeichnung zu Ergebnissen, die den meinen gerade entgegengesetzt sind. Die Längsstreifung soll die ursprüngliche, die Querstreifung eine aus der ersteren durch Vermittelung der Netzzeichnung abgeleitete Zeichnungs- art sein. Wiewohl sich Eımer zumeist mit der Zeichnung des ganzen Thieres beschäftigt, so zieht er doch in einzelnen Fällen auch die Zeich- nung der einzelnen Feder heran, und wendet auch auf diese die für die Zeichnung des Gesammtgefieders gewonnenen Resultate an (z. B. beim Uhu). Diese beiden Begriffe sind vorerst streng aus einander zu halten und ich will vorläufig, da ich mich bisher vorzüglich mit der Zeichnung der Einzelfeder beschäftigt habe, die Zulässigkeit der Folge- rungen Eımer’s für einzelne Fälle (Daunenkleid, Vögel mit diffus pig- mentirten Federn) nicht gerade in Abrede stellen. In den von ihm auf- geführten Beispielen der Raubvögel aber und in sehr vielen anderen fällt jedoch der Gesammteindruck mit der Zeichnungsart des Elementes zusammen und für diese Fälle muss ich meine obige Ableitung aufrecht 1 Te. EINER. Untersuchungen über das Variiren der Mauereidechse etc. 14884. p- 202 ff. — Über die Zeichnung der Vögelund Säugethiere. Jahresh.d. Ver. f. vaterl. Naturkunde in Württemberg 1883. p. 556. 690 Ludwig Kerschner, halten. Es ist nicht leicht in einer kontinuirlichen Reihe Anfangs- und Endglied ohne weitere Anhaltspunkte herauszufinden. Letztere sind in unserem Fall jedoch in Folgendem gegeben: 1) Das oben gegebene Schema gestattet die quere Bänderung (Streifung) auf noch einfachere, weiter verbreitete Stufen zurückzuführen und leitet auch alle anderen neben und außer der Querstreifung vorkommenden Zeichnungen unge- zwungen ab, was bei den Eımer’schen nicht der Fall ist. 2) Die Quer- streifung ist sowohl über die Arten als auch über die Fluren viel mehr verbreitet als die Längsstreifung. 3) Der Umstand besonders, dass all- gemein neben der Längsstreifung gerade an den gedeckten also der natürlichen Zuchtwahl unzugänglichen Antheilen des Gefieders sowohl wie der einzelnen Feder Querstreifung anzutreffen ist, spricht ent- schieden gegen die Entstehung der letzteren aus der ersteren ver- mittels der Auslese. Auch anderen Folgerungen Eımzr’s kann ich, was ich schon in dieser Mittheilung bemerken will, nicht beipflichten. Sein »Gesetz der postero-anterioren Entwicklung« sollte, wenn auf die Zeichnung der Feder anwendbar, bei Vertauschung des Anfangs- und des Endgliedes zu einem »Gesetz der antero-posterioren Entwicklung« werden. Doch selbst auf den Kopf gestellt lässt sich dieses Gesetz weder auf das Gesammtgefieder noch auf die einzelne Feder anwenden. Das Gesammtgefieder entwickelt (verändert, sich gewöhnlich von einem Punkte aus nach mehreren und zwar auch entgegengesetzten Rich- tungen hin; und selbst wenn man hieraus die Regel ableiten wollte, dass Veränderungen immer centrifugal vorschreiten, so würde auch diese schon desshalb nicht allgemein gültig sein, weil oft zwei neue - Charaktere gleichzeitig entstehen, jedoch gerade in entgegengesetzter Richtung vorschreiten. Was die Einzelfeder anlangt, so konnte ich auch für diese vorläufig keine Regel auffinden; wiewohl gewöhnlich neue Charaktere nahe der Spitze entstehen, während diese selbst die älteren beibehält, die gedeckten Antheile ferner die ursprünglichere Zeichnung aufzuweisen pflegen, giebt es Beispiele genug (Seidenschwanz, Argus- fasan) die gegen eine Verallgemeinerung sprechen. Dem »Gesetz der wellenförmigen Entwicklung« oder »Undulations- gesetz« liegen offenbar ähnliche Thatsachen zu Grunde, wie ich sie bei der Besprechung der gegenseitigen Beziehung der Stufen im Balge an- geführt. In der gesetzmäßigen Aufeinanderfolge der Stufen, wie sie jetzt vorliegt oder entstehend gedacht werden kann, finde ich jedoch nirgend das Bild einer Welle; die Entwicklung der neuen Charaktere einer Reihe, als Bewegung betrachtet, ist immer eine geradlinige. | Das »Gesetz der männlichen Präponderanz« besagt nichts weiter als die alte Regel, die jedoch wegen ihrer Ausnahmen (die schöner gefärbten Zur Zeichnung der Vogelfeder. 691 Weibchen von Turnix, Rhynchaea, Phalaropus, CGasuarius) nicht zu einem unbedingt gültigen Gesetz erhoben werden kann. Wie endlich die »Genepistase«, d. h. »das Stehenbleiben der Formen auf verschiedenen Stufen der naturnothwendigen Entwicklung«, der wichtigste Faktor für die Entstehung neuer Arten sein soll, ist mir un- verständlich. Damit wir das Warum? der phylogenetischen Entwicklung, d. i. der Verschiedenheit der Ontogenesen, welche die phylogenetische In- dividuenreihe hervorgebracht, ergründen könnten, müssten uns eigent- lich spurlos verschwundene Entwicklungsprocesse noch irgend wie zu- gänglich sein. Dies ist trotz der scheinbaren Unmöglichkeit in einer gewissen Beziehung der Fall. Fassen wir nämlich die oben erwähnten Reihen als phylogenetische auf, dann können wir durch entwicklungs- geschichtliche und physiologische Untersuchung vielleicht den Grund der Verschiedenheit zweier benachbarter Stufen an einem Individuum noch jetzt lebender Gattungen erforschen; derselbe ist zugleich der Grund der Verschiedenheit der entsprechenden phylogenetischen Stufen. Ich halte es für wichtig, dass die zeitlichen (phylogenetischen) Dif- ferenzen auch heute noch örtlich weiter bestehen und dadurch der ex- akten Forschung zugänglicher werden. Will man jedoch auch noch auf einem anderen Wege einigen Aufschluss über den Grund der phylo- genetischen Veränderung zu erhalten suchen, dann wird es sich zuerst darum handeln, die Entstehung der Verschiedenheit (Abwei- chung in der Ontogenese überhaupt, dann diejenige dieser Ver- schiedenheit, endlich die Erhaltung dieser Verschieden- heit zu erklären. Fassen wir den ersten Punkt ins Auge: Die einfachste Onto- genese, bei welcher wir volikommene Gleichheit der auf einander folgenden Generationen also der phylogenetischen Reihe am ehesten erwarten können, ist die Zweitheilung eines einzelligen Wesens. Hier sind die Bedingungen der Vererbung d. h. der Erscheinung, dass sich aus Gleichem unter gleichen Verhältnissen Gleiches entwickelt, an- scheinend vollkommen erfüllt, sowohl was das Material als auch was die Verhältnisse anlangt. Und doch finden wir bereits hier, im Falle als die Individuen zweiter Generation zur Größe des ursprünglichen Organismus heranwachsen sollen, in der nothwendigen Neubildung von Protoplasma (Assimilation) die Quelle der Abweichung der beiden Tochterorganismen vom mütterlichen, was molekulare Struktur, Größe, Form anlangt, und weiter macht schon die nothwendigerweise ver- änderte Beziehung der beiden Theilstücke zum Raume eine vollkom- mene Identität der Verhältnisse unmöglich. Der Grund der Gleichheit 692 Ludwig: Kerschner, bedingt also zugleich die Möglichkeit der Ungleichheit (Variabilität) be- reits bei der einfachsten Entwicklungsart; sie steigert sich mit der Zahl der Generationen. Bei den vielzelligen Organismen, deren einzelnes Individuum schon eine große Anzahl von Generationen der Keimzelle umfasst, besteht für eine Änderung der oben angeführte Grund in vollem Maße, überdies wird gerade die Vielzelligkeit zu einer neuen Quelle von Abänderungen, derjenigen nämlich, die auf architektonischer Labilität beruhen. Die Variabilität erscheint somit als eine im Wesen der Zelle wurzelnde und daher jedem organischen Wesen anhaftende Eigenschaft. Besonders für die Feder kommen noch einzelne begünsti- gende Momente in Betracht, so z. B. das multiple Auftreten (die ver- schiedene Stellung, also die abweichenden örtlichen Existenzbedin- gungen), die periphere Lage, die Komplieirtheit der Struktur, für die Zeichnung nicht allein die der zelligen, sondern auch die der moleku- lären. Sehr geringe Abweichungen in der Zeichnung sind schon dem bloßen Auge zugänglich und es ist die Feder daher auch ein für das Studium der Variabilität sehr günstiges Objekt. Fragen wir nun weiter, wesshalb sich gerade diese Änderung phylo- genetisch entwickelt hat, so wird es sich vorerst darum handeln, zu bestimmen, worin dieselbe eigentlich besteht. Ganz im Allgemeinen lässt sich sagen, sie bestehe in Zunehmen der Komplicirtheit und man wird so sowohlden Veränderungen der Einzelfeder alsauch des Gesammt- gefieders und selbst der Verschiedenheit dieses nach Geschlecht und Altersstufe Rechnung tragen. Die Komplicirtheit erreicht bei den Männchen in der Regel den höchsten Grad und wir können, da es sich. hier, wie die kontinuirlichen, divergirenden oder nahezu parallelen Reihen zeigen, um graduelle, nicht aber um prinzipielle Unterschiede han- delt, gerade das Schmuckgefieder zur Ergründung der phylogenetischen Entwicklung der Komplizirtheit heranzienen. Für eine Korrelation zwischen dem Geschlechtsleben und dem Schmuckgefieder scheint schon die Thatsache, dass dieses meist ein sekundärer männlicher Geschlechtscharakter ist, so wie auch das Hoch- zeitsgefieder zu sprechen. Die Vermittelung dieser \Wechselbeziehung könnte bestimmten Eigenschaften der männlichen Geschlechtsdrüse selbst obliegen; zur Begründung dieser Meinung könnte die Unvoll- kommenheit oder das Fehlen der Schmuckfedern bei Kastraten, un- fruchtbaren Bastarden so wie der Umstand herangezogen werden, dass die Gefangenschaft gleichzeitig auf die Fruchtbarkeit und das Schmuck- gefieder abträglich einwirkt. Die Thatsache jedoch, dass Hennen in Folge ihres Alters oder anatomisch nachweisbarer Veränderungen der Eierstöcke hahnenfiedrig werden, spricht gegen einen innigeren Zu- Zur Zeichnung der Vogelfeder. 693 sammenhang zwischen Hoden und Schmuckgefieder und ließe einen solchen höchstens zwischen dem Fehlen, beziehungsweise der Erschöpf- ung oder sonstiger Funktionsuntüchtigkeit der weiblichen Geschlechts- drüse und dem Schmuckgefieder vermuthen. Auch diese Annahme er- weist sich jedoch als unzulässig in Anbetracht derjenigen Weibchen, welche, trotzdem sie der auffälliger befiederte Theil der Art sind (wess- ‘halb sie von Darwın auch für den auslesenden gehalten werden), dennoch die Arterhaltung genügen. besorgen. Da jedoch in diesen letzteren Fällen die Sorge für die Brut den weniger auffälligen Männ- chen überlassen bleibt, so liegt der Gedanke nahe, dass die Färbung des Gefieders nicht so sehr mit dem Geschlechte als im Interesse der Art mit der Brutpflege zusammenhängt; hierfür spricht auch das Ver- hältnis zwischen der Färbung der Weibchen und dem Nestbau. Diese Beziehung zwischen dem Fehlen des Schmuckgefieders und der Brut- pflege kann uns jedoch nur die Erhaltung einer bestimmten Färbung erklären, für die Entstehung brauchen wir eine innere Ursache, die unszugleich auch die Fähigkeit und Neigung zum Brutgeschäfte beim ein- facher gefärbten Geschlechte erklärt. Ich glaube eine solche in einer ge- ringeren Erregbarkeit des Nervensystems zu sehen: so verlieren die Kastraten mit dem Schmuckgefieder auch ihre Lebhaftigkeit und unterziehen sich der Brutpflege; auch in allen den übrigen oben ange- führten Fällen finden wir dieselbe Beziehung zwischen der Schmuckfeder und dem Temperamente. Andere Betrachtungen fülıren auf denselben Weg: Eine direkte Einflussnahme auf die Abänderung der fertigen Fe- der, ja auch der Anlage derselben, ist der Außenwelt nicht möglich; die Ursache der Änderung ist eine innere und zwar eine nicht nur örtlich . wirkende, sondern eine allgemeine, wie wir aus der Gesetzmäßigkeit der Zeichnungsstufen, ihrem gegenseitigen Verhältnis, und der Gleich- mäßigkeit der Abänderung an der ganzen Flur, selbst dem ganzen Balge ersehen können; auch der Erythrismus, Melanismus etc. könnte, wenn er auch nicht ganz hierher gehört, als Beispiel eines Excesses dieser Art von Abänderung herangezogen werden. Die innere, allge- meine Ursache könnte nun einzig und allein in der Keimzelle liegen, oder aber, abgesehen von der immer nöthigen Veranlagung der letzteren erst im Laufe der Entwicklung auftreten. Für die letztere Alternative spricht das beiden Geschlechtern meist gemeinsame Jugendkleid so wie einerseits die Kastraten, andererseits die hahnenfiedrigen Hennen. Die Erscheinungen bei diesen beiden Fällen lassen sich nur als Hem- mungen, beziehungsweise als Wegfall solcher denken. Hemmungen werden, in so fern sie nicht architektonisch (mechanisch) sind, allgemein vom Nervensystem besorgt. Die mechanischen sind in den letzten bei- 694 Ludwig Kerschner, den Fällen, wenn sie auch vorhanden wären, gewiss nicht die letzte Ursache, da ihr plötzliches, allgemeines Auftreten oder Schwinden nur unter Vermittelung des Nervensystems gedacht werden kann. Das letztere müssen wir also auch von diesem Standpunkte aus oder aber noch von einem anderen, nämlich vom Verhältnis der Schmuckfeder zur Polygamie ausgehend, für die Verschiedenheit des Gefieders, für dessen weitere Änderungen verantwortlich machen. Seinen Angriffs- punkt an der Feder verrathen uns vielleicht gerade die nackten Haut- stellen, die zu sekundären Geschlechtscharakteren umgestaltet sind, die Hautlappen (Truthahn), Kämme (Haushahn), erektilen Hörner (Satyr- huhn) und andere Schwellgewebe (Auerhahn z. B.). Dafür, dass wir diese Art von sekundären Geschlechtscharakteren mit Federgebilden von demselben Standpunkt aus betrachten und auf dieselbe Ursache zurückführen dürfen, scheint deren gegenseitige Stellvertretung zu sprechen (Schopf und Kamm bei verschiedenen Hühnerrassen). Ich glaube demnach in den Vasomotoren und zwar in dem Grade der Erregbarkeit ihrer Gentren eine der Ursachen sowohl der phylogenetischen als auch der geschlechtlichen Verschieden- heit der Federzeichnung vermuthen zu sollen. Ich gelangte durch diese Folgerungen, bei denen ich vorläufig Halt machen will, zu einem ganz ähnlichen Ergebnis wie es andere Erwä- gungen z. B. WaıricE! aufgedrungen, welcher in der intensiveren Färbung. der Männchen eine direkte Folge erhöhter Lebensthätigkeit sieht, oder v. RricHenau?, der dieselbe auf ein leider nicht glücklich formulirtes »Gesetz« zurückführt, »welches die überschüssige Lebens- energie in die mit den Geschlechtstheilen in Korrelation befindlichen und mit ihnen vornehmlich gereizten Theile des peripherischen Orga- nismus hineintreten und sich ihnen anpassen lässte. Übrigens sagt chon Darwın® selbst bezüglich der Entstehung der geschlechtlichen Färbung: »Die Ursache hiervon« (dass nämlich durch das ganze Thier- reich das Männchen hauptsächlich modifieirt ist) »scheint darin zu liegen, dass die Männchen beinahe aller Thiere stärkere Leidenschaften haben als die Weibchen.« Das genauere Studium der Federzeichnung hat uns eine ungeahnte Anzahl von Möglichkeiten derselben ergeben; sie finden sich auch fast alle vor. Aus den Kombinationen dieser mannigfachen Formen würde sich 1 ArrreD R. WaALLAcE, Die Tropenwelt. Deutsch von Davınp Brauns 1879. p. 213— 224. 2 WILHELM v. REICHENnAU, Die Nester und Eier der Vögel. 1880. p. 106. 3 CH. Darwın, Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl. Deutsch von J. V. Carus 1874. II. p. 240. Zur Zeichnung der Vogelfeder. 695 eine Anzahl von Gefiederarten konstruiren lassen, denen gegenüber die große Anzahl von existirenden Vogelarten noch immer verschwindend klein wäre. Freilich sind der Willkür der Kombination von vorn herein Schranken gesetzt: Die Abhängigkeit der Zeichnung von der Stellung und Zahl der Federn, der Zusammenhang dieser mit sonstigen Organi- sationsverhältnissen (z. B. Raine unter den Zungenbeinhörnern der Spechte, Straußflügel) vermindert die Zahl der Möglichkeiten um ein Bedeutendes. Immerhin bleibt eine große Zahl von Formen zurück, die nicht nur Phantasiegebilde sind: Aus den als phylogenetisch aufge- fassten Reihen können wir uns für jede Gattung, wenigstens was die Feder anlangt, eine Ahnenreihe von so viel von einander abweichenden Gliedern konstruiren, als die Zahl der in jenen Reihen enthaltenen Stufen anzeigt. Ihre Entstehung müssen wir wegen des Weiterbe- stehens einzelner Charaktere in den Reihen der Schmuckfeder der Männchen und in höherem Maße im Jugendgefieder und dem der Weibchen als möglich ansehen; warum entwickeln sich dann heut zu Tage nur die wenigen Endglieder? Warum blieben die Zwischenglieder nicht erhalten? Wollten wir auch zur Lösung dieser Fragen eine pro- gressive Tendenz annehmen, so bliebe uns doch noch das Stehenbleiben der Weibchen auf einer tieferen Stufe unerklärt. In Anbetracht der Menge der Möglichkeiten und der verhältnismäßig spärlichen Verwirk- lichung derselben bleibt uns wohl keine andere Annahme übrig als die Darwın’sche, die einer Auslese. Es ist Darwın’s unsterbliches Ver- dienst, uns durch dieselbe nicht nur die beiden obigen Fragen beant- wortet, sondern auch dieZweckmäßigkeit, inso fern dieselbe nicht schon durch die Koincidenz der Nützlichkeit mit der unbedingten Nothwendig- keit begreiflich ist, erklärt zu haben. Das Vorhandensein der Bedin- gungen für die Wirksamkeit einer Auslese ist, wie ich glaube, oben dar- gethan; für ihr thatsächliches Walten auch auf unserem Gebiete spricht, außer dem Mangel der Übergänge, das Vorkommen von Varietäten im wilden Zustande (jedoch nicht über einen gewissen Grad hinaus), das Überhandnehmen derselben im Zustande der Domestikation. Die Schutzfärbung (Schneehuhn, Schneeeule, Feldhühner), die Trutzfär- bung (Kuckuck), das Auftreten dieser neuen Färbungen gerade an den sichtbaren Theilen der Oberseite u. A. Es wird sich jedoch darum handeln zu bestimmen, wie weit sich die Wirksamkeit der Auslese auf unser Objekt erstreckt. Die Existenz eines Organismus beweist die Möglichkeit von dessen Bestehen unter den gegebenen Verhältnissen; dieselbe ist durch die Gesammtorganisation bedingt. Wollen wir nur einen Theil derselben, einen Charakter, eine Eigenschaft auf ihren Werth für die Erhaltung der Art prüfen, so haben wir zwischen drei 696 Ludwig Kerschner, Möglichkeiten zu entscheiden: Die Art besteht durch diese Eigenschaft, oder aber letztere ist für die Erhaltung gleichgültig, oder endlich die Art besteht trotz derselben. Die Entscheidung ist nicht immer so leicht wie beim wandelnden Blatt. Immerhin sprechen auch bei der Feder- zeichnung und Färbung die Fälle der Schutz- und der Trutzfärbung dafür, dass die mit ihnen begabten Arten ihre Existenz vorzüglich dieser Eigenschaft verdanken. Doch auch für die zweite Möglichkeit scheinen gewisse Umstände zu sprechen, so z. B. die theilweise Ent- fernung der Weibchen von der ursprünglichen Zeichnung in der Rich- tung der Männchen, die Zulässigkeit der Variabilität innerhalb einer gewissen Breite, die Thatsache, dass Arten und Gattungen, die unter ähnlichen Verhältnissen leben und einen gemeinsamen Ausgangspunkt haben, dennoch ein ziemlich verschiedenartiges Gefieder aufweisen. Schon die große Differenz der Zeichnung der einzelnen Federn im Balge beweist, dass es bei der Anpassung mehr auf den Totaleindruck als auf das Detail ankommt. Wenn wir auch einerseits nicht jeder Zeich- nung, deren Bedeutung (z. B. als Erkennungszeichen) wir vorläufig nicht kennen, eine Bedeutung für die Erhaltung der Art absprechen dürfen, so liegt für uns andererseits wieder die Gefahr nahe, die Wirk- samkeit der natürlichen Zuchtwahl zu überschätzen. Wir werden da- her am besten thun, die Frage in allen nicht genügend aufgeklärten Fällen offen zu lassen. Entschieden für die dritte Möglichkeit, scheint jedoch das auffällige Gefieder mancher Männchen, zumal der Schutz- färbung der Weibchen derselben Art entgegengehalten, zu sprechen. Letztere erweist sich ja durch das Vorhandensein hahnenfiedriger Hennen als Hemmung, die wohl durch die natürliche Auslese erhalten worden sein dürfte. Die freie Entwicklung, wie sie die Männchen auf- weisen, scheint somit eine Gefahr für die Individuen eventuell für die Art zu involviren; wieso kann dieselbe trotzdem erhalten bleiben? Die unmittelbare Bedingung der Erhaltung und der Steigerung des männlichen Schmuckes ist, bei Ausschliebung progressiver Tendenz einerseits, beim Fehlen von Zwischenstufen und dem Vorhandensein einer gesetzmäßigen stufenweisen Steigerung der sekundären Ge- schlechtscharaktere andererseits, die Auslese der schönsten unter den gleichzeitig vorhandenen mit verschieden weit entwickeltem Schmuck versehenen Männchen; durch die Polygamie bei Erhaltung einer über- großen Zahl von Männchen ist die Möglichkeit einer aktiven oder pas- siven Auslese der letzteren auch wirklich vorhanden. Hierbei haben wir an zwei Möglichkeiten zu denken: entweder erfolgte eine Wahl von Seiten der Weibchen (Darwın) oder aber die schönsten Männchen gelangten aus einem anderen Grund in Folge ihres Schmuckes oder Zur Zeichnung der Vogelfeder. 697 einer mit deinselben innig verbundenen Eigenschaft — durch eigene Kraft — zur Zucht (Wausice z. B.). Gegen die erste Annahme sprechen außer den besonders von WaırAcz vorgebrachten Argumenten, — dem Mangel eines sicheren Nachweises einer Wahl, der komplicirten, selbst vielen Menschen nicht verständlichen Schönheit des vermeintlich ge- züchteten Schmuckes, der Schwierigkeit der Annahme einer stets gleich gebliebenen Geschmacksrichtung, — jedenfalls auch meine Re- sultate, die Geringfügigkeit und strenge Gesetzmäßigkeit der Abstu- fungen, für die zweite Möglichkeit legt das bei Besprechung der Ent- stehung des Schmuckes Gesagte Zeugnis ab. Die Anwesenheit des letzteren hängt — wie dies Warracz ! auch schon des Näheren für die Kolibris dargethan — mit größerer Erregbarkeit, mit Kampflust zusam- men und wir müssen eben wegen dieser Beziehung den bei der Be- werbungderMännchen vorkommenden allgemein anerkannten Kämpfen eine größere Bedeutung beimessen als dem den Weibchen imputirten Wahlakte. Der Schmuck brauchte ja nicht einmal, wie dies WALLAcE für die aufrichtbaren Federn anzunehmen geneigt ist, ein Kampfmittel zu sein, wie es andere Hautbildungen, die mit der Entwicklung des Federschmuckes Hand in Hand gehen, unbestritten sind (Sporen, »Zähne«) und trotzdem wird uns deren Erhaltung verständlicher, wenn wir nur das Hauptgewicht der Auslese der Männchen auf deren Kämpfe legen. Aus denselben geht ja doch gewöhnlich das stärkste, muthigste Männchen, welches, wie die Beobachtung lehrt, zugleich das lebhafteste ist, als Sieger hervor; und ist dieses, wie nach der oben dargelegten Beziehung zwischen Temperament und Schmuckfärbung wahrschein- lich, zugleich auch das schönste, so haben wir den Fortschritt in der Entwicklung des Schmuckes ungezwungen erklärt. Auch dessen Er- haltung wird uns nunmehr verständlicher. Der Nachtheil, den die auf- fallende Färbung den einzelnen Individuen bringt, kann theilweise durch die mit derselben nothwendig verknüpften vortheilhaften Eigen- schaften (Muth, Stärke) aufgewogen werden; die Übertragung dieser Eigenschaften auf die Nachkommenschaft bringen der Art direkten Nutzen ohne andererseits ihre Existenz besonders zu gefährden, da ja bei dem Umstand, als die in Frage kommenden Arten polygam sind, leicht eine größere Anzahl von Männchen geopfert werden kann. Ich glaube daher, dass eine besondere Theorie zur Erklärung der ge- schlechtlichenSonderentwicklung wie die Darwın’sche der »ge- schlechtlichen Zuchtwahl« überflüssig ist, da durch die letztere die Entstehung der differenten Färbung und Zeichnung ohnedies nicht 12.0. p. 234 fi. 698 Ludwig Kerschner, Zur Zeichnung der Vogelfeder. verständlicher wird, deren Erhaltung aber, wie aus dem Gesagten her- vorgeht, ebenfalls von der natürlichen Zuchtwahl geregelt wird. Dem Bedürfnis beide Arten der Zuchtwahl auf ein und dasselbe Prineip zurückzuführen, entspringt auch Storzmann’s! Erklärungsver- such des Schmuckgefieders, dem zufolge das letztere dazu dienen soll, die Überzahl der Männchen, welche die Rechnung der Art unnütz be- lastet, auszurotten. Gegen diese Annahme spricht vor allem Anderen schon das schönere Gefieder einzelner Weibchen, für dessen Entstehung und Erhaltung wir kein anderes Princip anzunehmen berechtigt sind; eine Eigenschaft aber, die mit den Weibchen auch die Art dem Unter- gange weihen soll, kann doch nicht gezüchtet sein! | Wenn ich hier noch die Eingangs gestellte Frage nach dem Ver- hältnis der natürlichen Zuchtwahl zur geschlechtlichen Sonderentwick- lung und dieser beiden Processe zur Vererbung kurz berühren will, so _ muss ich nach den bisherigen Ergebnissen sagen: für jede einzelne Reihe erweisen sich Vererbung und Anpassung (beide als Kräfte gedacht) als Parallelkräfte entgegengesetzterRichtung. Das- selbe gilt vondernatürlichenund»geschlechtlichen Zucht- wahl« Beide Kräftepaare aber sind, wie wir aus dem Um- stande, dass die Entwicklungsreihe der Feder der Männchen, wenn auch nicht immer in die Kontinuität, so doch in die Richtung der Ent- wicklung der als angepasst zu betrachtenden Weibchen fällt, gleich oder nahezu gleich gerichtet. Zum Schlusse dieser vorläufigen Mittheilung richte ich an die Herren Direktoren von Museen, Instituten und Thiergärten, Ornitho- logen und Züchter die Bitte, die Fortsetzung meiner Untersuchungen durch Zusendung schadhafter oder sonst unbrauchbar gewordener Bälge, einzelner Federn oder während der Aufzucht umgekommener junger Thiere fördern zu wollen. | 1 Proceedings of the Zoological Society of London 4885. P. III. p. 421. Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. Zeitschrift f wıss. Zoologte Bd MV AN I . « UN RN” zn) 5 RR | N 2 f - ai h ge - ze Yan Dirk AnstwWämerkWinter Frankfürt UM l . Verlagu. Wilh. Engelmann, Leipzig. ’i Bun ;. |, Ga Kir SR in u Br } \ N F= ae Se Te Es SS x S, > \ ’ So ES I aece © re SZ S®® Zoologie BdXLiV. 122 Winter-Frankfürt = LithinstvWerner& . Verlag vWilh.Engelmann Leinz:g. Kleinenberg del. SR. NEE 2,8= [i @ ” = = Engelmann Domain, z | T rfunstirner£lhnterBankfürt IM. ah En Si " = 5 EX He ER N Ar EUR in KR Jay vWilk Engelmann, Leinzig, Lith.AnstrWemer&Winter, Eranklürt/M. | u % Verlagv.Wilk Engelmann, Leipz1g. Zıth AnstuWerner &Winter-Hankfürl Di Taf: VII Lit; AnstuWerner& Winterkrarnkliure 5 Mir n Welh Engelmann, Leipzig a = u ) a \ l N Ih. Engelmann, Leinzig. j / DihAnstuWarer 2. Wenter Bankfürt m ithAnsteWernerkWinter Frankfurt U. he nn: Klnnenb y L Innenberg del, ; Verlag w Wilk Engelmann, Lemz:g. Ar el u } : mpd — = — — _ = ” SM Klanemberg del. j b 2 EBENE OS eGE EB r w I Eu 1 fi! RE! I OR, TE Be er i 2 (( 24 7 0) ei N ee ee | Kleinenberg del. u % i Verlag v. Wilk. Engelmann, Leinzig. . 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XVII und XVIIL).. „u Das rer A 239 Über Eibildung und Entwicklung der Rotatorien. Von G. Tessin. (Mit Dat: RIX und RX) N ee La rs 273 Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Geschlechtsorgane der Regenwürmer. Von’R. S Bevceh. (Mia Xp er 303 Mittheilung. Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen. Die Verlagshandlung Die Herausgeber W. Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis; eine grössere Zahl auf Wunsch und gegen Erstattung der Herstellungskosten. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Grundzüge der Anatomie der wirbellosen Thiere. Thomas H. Huxley. Autorisirte Deutsche Ausgabe von Dr. J. W. Spengel. Mit 179 Holzschnitten. 8. 1878. 4 1A. er Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Ms Zur Histologie der Radiolarien. Untersuchungen über den Bau und die Enwicklung der a, und Thalassioolliden Dr. Richard Hertwig Privatdocent an der Universität Jena. Mit 5 lithographirten Tafeln. 4. 1876. .# 10. Hydra.- Eine anatomisch-entwicklungsgeschichtliche Untersuchung von Dr. Nicolaus Kleinenberg. Mit 4 lithographirten Tafeln. gr. 4. 1872. X 9 Eintwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere von Albert Kölliker. Zweite, ganz umgearbeitete Auflage. Mit 606 Figuren in Holzschnitt. gr. 8. 1879. geh. .% 30; geb. 4 32. Fauna der Kieler Bucht H. A. Meyer und K. Möbius, 1. Band. Die Hinterkiemer oder Opisthobranchia der Kieler Bucht. Mit 26 lithogr. und zum Theil color. Tafeln. Fol. 1865. cart. .% 30. 2. Band. Die Prosobranchia und Lamellibranchia nebst einem Supplement zu den Opisthobranchia. Mit 24 lithogr. Tafeln. Fol. 1872. cart. X 30. Der Organısmus der Infusionsthiere nach eigenen Forschungen in systematischer Reihenfolge bearbeitet von Dr. Friedr. Ritter v. Stein k. K. Hofrathe u. o. ö. Professor der Zoologie a. d. k. k. Universität in Prag. I. Abtheilung. Die hypotrichen Infusionsthiere. Mit 14 Kupfertafeln. Fol. 1859. geb. 4 48. II. Abtheilung. Die heterotrichen Infusionsthiere. Mit 16 Kupfertafeln. Fol. » 1867. geb. 4 66. III. Abtheilung. Die Naturgeschichte der Flagellaten oder Geißelinfusorien. 1. we Mit 24 Kupfertaf. Fol. 1878. geb. .4 80. — Hälfte. Die Naturgeschichte der arthrodelen Flagellaten: Einleitung ind Erklärung der Abbildungen. Mit 25 Tafeln. gr. Fol. 1883. geb. .4 60. Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. Zeitschrift für WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE begründet von Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers Professor a. d. Universität zu Würzburg Professor a. d. Universität zu Göttingen. Vierundvierzigster Band Drittes Heft j G p > x N Sr 12% y h \ Yr e = N b I \.4g ae 0, 47 Dr URAN Te LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann 1856. Ausgegeben den 23. November 1856. Inhalte Seite Die Entwicklung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pulmonaten nebst Bemerkungen über die Anatomie und Entwicklung einiger anderen Örgansysteme. Von J. Brock. (Mit Taf. XXI-XXV.)......2.333 Studien über Räderthiere. I. Über die Symbiose und Anatomie von Rota- torien aus dem Genus Callidina. Von C. Zelinka. (Mit Taf. XXVI bis XXIX und.t Holzsehn..... . a... le er Mittheilung. Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte Zeichnungen sind auf besonderen Blättern beizulegen. Die Verlagshandlung Die Herausgeber W. Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis; eine grössere Zahl auf Wunsch und gegen Erstattung der Herstellungskosten. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Vollständig ist erschienen: Japan nach Reisen und Studien im Auftrage der Königl. Preussischen Regierung dargestellt von J. J. Rein Professor der Geographie in Bonn. N Zwei Bünde. gr. 8. 1881 u.86. geh. #4 44.—, geb. 4 50.— Erster Band: Natur und Volk des Mikadoreiches. Mit 5 Lichtdruckbildern, 12 Holzschnitten, 3 lithogr. Tafeln und 2 Karten. 1881. geh. 4 20.—, geb. 4 23.—. a Ira ü Zweiter Band. Land- und Forstwirthschaft, Industrie und Handel. Mit 24 zum Theil farbigen Tafeln, 20 Holzschnitten im Text und 3 Kärtehen. 1886. zeh. 4 24.—, seb. U 27.—. Verlag von Wilkelm Engelmann in Leipzig. Soeben erschien: Die Versteinerungen des Gambrischen Schichtensystems der Insel Sardinien nebst vergleichenden Untersuchungen über analoge Vorkommnisse aus anderen Ländern von Dr. Joh. Georg Bornemann, M. A. N. Erste Abtheilung. Mit 33 Tafeln. 4. cart.” X. 20.—, (Nova Acta der kaiserl. Leop.-Carol. Akademie der Naturforscher. Band LI. Nr. 1.) Soeben erschien: | Die Entwickelunes- und Lebensgeschichte Chaitophorus aceris Koch, Chaitophorus testudinatus Thornton und Chaitophorus Iyropietus Kessler. Drei gesonderte Arten. (Bisher nur als eine Art, Aphis aceris Linne, bekannt.) Von Dr. H. F. Kessler, M. A.N. Mit 1 Tafel. 4. 4. 4.50. (Nova Acta der kaiserl. Leop.-Carol. Akademie der Naturforscher. Band LI. Nr. 2.) Soeben erschien: Die geschichtliche Entwickelung des Bewegungsbegrilfes und ihr voraussichtliches Endergebniss. Ein Beitrag zur historischen Kritik der mechanischen Principien von Dr. av u 6 ir Or Separatabdruck a. Wundt, en Studien. III. Band. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leip zig. Soeben erschien: _ Bibliotheca zoologiea I. Verzeichniss der Schriften über Zoologie, welche in den periodischen Werken enthalten und vom Jahre 1861 — 1880 selbständig erschienen sind. Mit Einschluss der allgemein - naturgeschichtlichen, periodischen und palaeontologischen Schriften. Bearbeitet von Dr. O. Taschenberg Docent an der Universität Halle. Erste Lieferung: Signatur 1—40, gr. 8. 4. T,—; auf Velin in größerem Format «4° 12,—: ' Inhalt: Naturwissenschaften im- Allgemeinen. I. Litteratur. A. Bücher- kunde. B. Periodische Schriften. — II. Hilfsmittel. — A. Acelimatisation (im Allgemeinen), Aquarien; Museen; Öffentliche ‚und Privat - Sammlungen ; Zoologische Gärten; Zoologische Laboratorien und Stationen. _B, Das Sammeln und Aufbewahren naturhistorischer und vergleichend-anatomischer Gegenstände. €: Mikroskop und mikroskopische Technik. Die vorliegende »Bibliotheca zoologica« bildet die Fortsetzung zu der im Jahre 1861 von Carus und Engelmann herausgegebenen »Bibliotheca zoologica«. Auch diese Fortsetzung soll nicht nur den Zoologen, Biologen, ver- gleichenden Anatomen, überhaupt dem Naturforscher dienen, sondern auch für den Bibliothekar und Buchhändler ein zuverlässiger Rathgeber sein; letzteren Zweck versucht sie namentlich auch durch möglichst vollständige Preis- angabe zu erreichen. Die »Bibliotheca zoologica II« wird in etwa 12 Lieferungen, je 40 Signa- turen (a 8 Seiten),. oder in 4 starken Bänden erscheinen und- voraussichtlich An- fang 1888 vollendet vorliegen. Die zweite Lieferung (Sign, 41—-80) wird noch vor Ende d. J. ausgegeben. Die Lieferungen können zur Ansicht durch jede Buchhandlung bezogen werden; Prospecte gratis. Rrüher erschien: Bibliotheca zoologica. Verzeichniss der Schriften über Zoologie, welche in den periodischen Werken enthalten und vom Jahre 1846— 1860 selbständig erschienen sind. Bearbeitet von .J. Victor Carus Professor in Leipzig a und VV ilhelm Engelmann. 3 Bände. er.8A:1861. @e5” Herabgesetzter Preis .2 16. mZ Der Preis hierfür. wird von jetzt..an und .bis auf Weiteres von U 33,— auf .4 16,— herabgesetzt. Soeben erschien: Zn Kenntnis der Mammarorgane der Monotremen von Carl Gegenbaur. Mit 1 Tafel und 2 Figuren im Text. 49, 24. Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. ir BE rtschrift WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE Car! Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker herausgegeben von Ernst Ehlers Professor a. d. Universität zu Göttingen und Albert v. Kölliker Professor a. d. Universität zu Würzburg Vierundvierzigster Band Viertes Heft Mit 10 Tafeln und 9 Holzschnitten. LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann 1856. ' Ausgegeben den 14. December 1856. Inhalt. Korallenstudien. Von A. R. v. Heider. (Mit Taf. XXX—XXxXI und 5 Holzsehn. 2... ae... 2.2 ee 507 Beiträge zur Anatomie der inneren männlichen Geschlechtsorgane und zur Spermatogenese der Cypriden. Von F. Stuhlmann. (Mit Taf. XXXII.) 536 Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamnia. Von C. K. Hoffmann. (Mit Taf. XXXIII—-XXXV und 4 Holzschn.). . . 570 Der feinere Bau des Knochengewebes. Von A. Kölliker. (Mit Taf. XXXVI biSIRARIX 0 2. ee 644 Zur Zeichnung der Vogelfeder. Eine vorläufige Mittheilung. Von L. Kerschner 681 Mittheilunge. Beiträge für die Zeitschrift bitten wir an Herrn Prof. Ehlers in Göttingen einzusenden. Im Interesse einer raschen und sicheren Veröffentlichung liegt es, dass die Manuskripte völlig druckfertig eingeliefert werden, da mit nachträglichen Einschüben und aus- gedehnten Abänderungen während der Korrektur Zeitverlust und sonstige Unzuträglichkeiten verbunden sind. Bei der Disponirung der Zeichnungen ist darauf zu achten, dass der Raum des in der Zeitschrift üblichen Tafelformates nicht überschritten wird. Für Holzschnitt bestimmte eu en sind auf besonderen Blättern beizulegen. Die Verlagshandlung Die Herausgeber W. Engelmann. v. Kölliker. Ehlers. Die Herren Mitarbeiter der »Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie« erhalten von ihren Abhandlungen und Aufsätzen 40 Separat- abzüge gratis; eine grössere Zahl auf Wunsch und gegen Erstattung der Herstellungskosten. Verlag von Eduard Besold ın Erlangen. Soeben wurde vollständig: Lehrbuch der Anatomie der Sinnesorgane von Dr. Gustav Schwalbe, 0. Professor der Anatomie an der Universität Straßburg i. E. Mit 199 Holzschnitten. Preis 19 X. — In eleg. Halbfranz 21 #. Früher erschien von demselben Verfasser: Lehrbuch der Neurologie. Mit 319 Holzschnitten. Preis: 21 .%. — In eleg, Halbfranz 23 M. 1 bi A BN Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. 3 Soeben erschien: Zur e Kenntnis der Mammarorgane der Monotremen Son Carl Gegenbaur. ji Mit 1 Tafel und 2 Figuren’im Text. 4°. 1886. a A Soeben erschien: Lehrbuch der pathologischen Gewebelehre. Mit Einschluss der pathologischen Anatomie von Dr. Eduard Rindfleisch Professor in Würzburg. Sechste, völlig umgearbeitete Auflage. . | Mit 306 Figuren in Holzschnitt und 1 og Mafel, or. 8. 1886. geh. «4 16, geb. (Halbfr.) .# Ss Soeben erschien: Untersuchungen uber die Gesichtsmuskulatur der Primaten von Br Georg huge ao. Professor an der Universität zu Heidelbeie. Mit 8 lithogr. Tafeln. Fol. cart. 4 24. 2 = % Soeben erschien: Arbeiten aus dem Zoologischen Institut zu Ge, I. Band, No. 2: i Studien über Räderthiere. I. Über die Symbiose und Anatomie von Rotatorien aus dem’ Genus Callidina. “Von Dr...Carl Zelinka Privatdocent.a, d. Universität Graz. Mit 4 Tafeln u. 1 Holzschn. gr. 8. % 6. Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. A IR. KaTeN wen >, ee ee - Br “ < ei a "r 17% BB r - Yu o . rn n 4 Fee “ “ a ’ re en sn Leer - ee > u T vn WE a e 5 Rn See uenerak ne nl iemedee rt sn tn Ir ha ee De vn nn nn n a N * wi 5 Dre ae ren u en I