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2 &ENTRALBLATT

für

Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten

In Verbindung mit

Prof. Dr. R. Abel, Prof. Dr. M. Braun, Prof. Dr. R. Pfeiffer Oeh. Obermed.-Rat in Jena Geh. Reg.-Rat in Königsberg Geh. Med.-Rat in Breslau

herausgegeben von

Prof. Dr. O. Uhlworm, Präsident Dr. A. Weber

Geh. Reg.-Rat in Bamberg in Dresden und

Prof. Dr. E. Gildemeister,

Ober-Reg.-Rat, Berlin-Lichterfelde-W.

Erste Abteilung. 97. Band

Medizinisch-hygienische Bakteriologie und tierische Parasitenkurae

Originale

Mit 97 Abbildungen im Text und 5 Tafeln

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Jena Verlag von Gustav Fischer 1926

z Rontralbl. £ Bakt ete. I. Abt Originale. Bd, 97. Heft.

Ausgegeben am 12. Dezember 1925.

Ist Bakteriophagie eine Funktion von Bakterien, die von der Temperatur abhängig ist?

[Aus dem Institut für tropische Heilkunde in Leiden.) Von Professor P. C. Flu, Leiden.

Fast alle Untersucher, die sich für das Problem der Bakteriophagie interessiert und Untersuchungen über den Bakteriophagen angestellt haben, suchten Beweismaterial zu sammeln, das für oder gegen die Meinung d’Herelles, als sollte der Bakteriophag ein lebendes Wesen sein, verwendet werden könnte.

Viele gingen dabei sehr einseitig zu Werk und wählten für ihre Untersuchung eines der vielen Charakteristika des Bakteriophagen. Eine bestimmte Eigenschaft wurde mehr oder weniger genau unter- sucht und verglichen mit entsprechenden Eigenschaften bei lebenden und leblosen Substanzen. Man fand Analogien oder Abweichungen, und je nach dem Ergebnis derartiger Untersuchungen erklärte man sich für oder gegen die von d’Herelle bezüglich der Erscheinung der Bakteriophagie gegebene Erklärung.

d’Herelle hatte anfangs selbst diesen verkehrten Weg einge- schlagen, kam aber schon bald hiervon zurück.

In einem Artikel in der Revue de Pathologie comparée über den Bakteriophagen bemerkt er, daß die indirekten Beweise und das Studium einer Eigenschaft des Bakteriophagen ohne Zusammenhang mit anderen uns nicht viel weiter bringt. Das Problem der Natur des Bakteriv- phagen ist nach ihm nur eine Frage der Logik.

Besteht, so fragt er, eine charakteristische Eigenschaft des Lebens, welche uns befähigt zu entscheiden, ob ein Wesen lebend oder leblos ist, je nachdem diese Eigenschaft bei solchem Wesen zu finden ist oder nicht? Gibt es eine solche oder verschiedene solcher Eigenschaften, und trifft man sie beim Bakteriophagen an, so ist der Bakteriophage schon auf Grund der Definition, welche man vom Leben gibt, ein lebender Organismus!).

Nun ist es nicht leicht, das Leben zu charakterisieren und eine Definition desselben zu geben.

Nach Claude Bernard?) beruht der Lebensprozeß auf einem fortwährenden Ineinandergreifen organischen Zerfalles und organischen Aufbaues.

O. Hertwig?) charakterisiert einen lebenden Organismus, wie

folgt:

i Da d ae F., Le bactériophage. (Rev. de Pathol. compar. et d’Hyg. génér. EX Claude Bernard. Leçons sur les phénomènes de la vie commune aux animaux et aux vegetaux. 1885. 3) Hertwig, O., Allgemeine Biologie. 5. Aufl. S. 62.

Erste Abt. Orig. Bd. 97. Heft 1. 1

2 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 1.

1. Er kann sich ernähren, Stoffe aufnehmen, diese umwandeln und wieder ab- eben, wobei Substanz gebildet wird, welche zum Wachstum und zur Bildung neuer ubstanz sowie für die spezifischen Lebensverrichtungen dient.

2. Ein lebendes Wesen kann seine Form verändern und sich bewegen.

7 3. Ein lebendes Wesen reagiert auf bestimmte Reize der AuBenwelt und ist also reizbar.

4) Schließlich kann ein lebendes Wesen sich durch Fortpflanzung vermehren.

Daß es verkehrt ist, ein Wesen als leblos zu betrachten, weil eines dieser Charakteristika sich nicht nachweisen läßt, möge aus einem ein- zigen Beispiel aus der Bakteriologie erhellen:

Kein Bakteriologe wird die lebende Natur von Dysenterie-, Milz-- brand-, und Pestbakterien bezweifeln, noch weniger diejenige von Sta- phylo-, Strepto- und vielen Diplokokken, und doch gelingt es nie zu sehen, daß diese Organismen sich bewegen. Es ist möglich, daß ihr Plasma sich in Bewegung befindet; aber dies ist von niemand gesehen. Doch zweifelt man nicht daran, daß sie leben, und zwar weil es so besonders leicht ist, sich davon zu überzeugen, daß sie sich teilen und daß sie einen eigenen Stoffwechsel haben. Auch weisen sie andere, von Hertwig für den lebenden Organismus als charakteristisch ge- nannte Kennzeichen auf.

Mit dem Bakteriophagen ist dies alles viel schwieriger. Man ist sich einstimmig darüber einig, daß die Substanz, der man den Namen Bakteriophage gibt, zunimmt in den Medien, in welchen man diese Substanz weiterzüchtet. Ob man nun annimmt, daß der Bakteriophage sich auf Kosten der Bakterien vermehrt, oder auch von lebenden, sich teilenden und vermehrenden Bakterien produziert wird, oder sezerniert, oder ob man annimmt, daß der Bakteriophage eine Art Zersetzungs- produkt von Bakterien ist, oder ein Bailscher ‚Splitter‘, immer muß man zugeben, daB die Substanz zunimmt. Man kann indessen diese Zu- nahme, sagen wir diese Teilung, nicht sehen. Denn obwohl alle Unter- sucher darin einig sind, daß der Bakteriophage korpuskulär ist, ist es auch bekannt, daß er eine Dimension hat, die zwischen 20 und 30 bis 40 uu schwankt. Dies bedeutet, daß wir auch mit unseren am stärksten vergrößernden Mikroskopen nicht imstande sind, etwas von dem Bak- teriophagen zu sehen, da seine Größe kleiner ist als diejenige der halben Wellenlänge des Lichts. Außerdem muß angenommen werden, daß Bakteriophagen als lyophile Kolloide hydratiert sind und also einen Brechungsindex besitzen, der wenig von dem sie umgebenden und durchdringenden Dispersum abweicht. Daher kommt es auch, daß die Untersuchung mit dem Ultramikroskop uns nicht viel weiter bringt.

Man ist also genötigt, sich von der Zunahme der Bakteriophagen bei der Kultur auf indirekte Weise zu überzeugen, und die einzige Methode, welche wir hierzu besitzen, ist das Zählen der Bakteriophagen in Kulturen, in denen sie sich zusammen mit jungen, sich vermehrenden Keimen befinden. Nun behaupten diejenigen, welche meinen, daß der Bakteriophage „etwas“ aus den Bakterien ist, daß der Bakteriophage sich in solchen Kulturen nicht selbständig vermehrt hat in dem Sinne, wie z. B. ein Staphylococcus oder eine ungeschlechtliche Form eines Tertianparasiten sich durch Teilung oder Sporulation vermehren würde, sondern daß die Bakterien bei ihrem Wachstum zu einer erhöhten Sekretion des Bakteriophagen angerest sind.

Gegen diese Erklärung könnte vielerlei angeführt werden; aber dies würde mich, wenn ich dazu überginge, zu weit von dem Gegenstand, den ich gleich behandeln ‘werde, abführen.

Flu, Ist Bakteriophagie eine Funktion von Bakterien usw. 3

Jedenfalls wird es schwierig sein, jemanden, der behauptet, daß in Kulturen, von denen soeben die Rede war, der Bakteriophage sich nur scheinbar vermehrt, aber. daß es in Wirklichkeit lebende Bakterien sind, die ihn als Zeichen ihrer Aktivität produzieren, von der Unrichtigkeit seiner Meinung zu überzeugen. Dazu müßte man imstande sein, Bak- teriophagen sich vermehren zu lassen in Medien ohne lebende Bakterien, oder lieber ganz ohne Spur von Bakteriensubstanz, und dies ist nicht möglich. Es ist sogar völlig ausgeschlossen, daß es jemals gelingen sollte, eine Methode zu finden, um den Bakteriophagen sich frei von Bakterien entwickeln zu lassen, wenn sich die Auffassung d’Herelles, daß der Bakteriophage ein obligater Parasit der Bakterie ist, als die richtige erweisen sollte.

Wir sehen also, daß das 2. Charakteristikum Hertwigs für unser Problem keinen Wert hat, während das 4. sowohl von den Befürwortern als den Gegnern der d’Herelleschen Ansicht zugegeben wird; wenn es denn auch wahr ist, daß die Gegner behaupten, daß von selbständiger Vermehrung keine Rede ist, aber daß die Bakterien diese produzieren. So hat auch das 4. Charakteristikum für unseren Zweck selır wenig Nutzen. In Kombination miteinander und mit den beiden anderen sind sie jedoch eine starke Waffe in den Händen der Befürworter.

d’Herelle hat die von Hertwig unter 1, 2 und 3 genannten Charakteristika etwas anders formuliert.

Ein lebendes Wesen, sagt er, kann in einem heterogenen Medium assimilieren. Es baut seine Substanz aus den Stoffen auf, welche es in diesem Medium vorfindet und verändert die Stoffe in seine eigene Körpersubstanz.

Durch die geringen Dimensionen des Bakteriophagen stoßen wir auch hier auf große Schwierigkeiten und müssen wir, ehe wir folgern, daß die Stoffe aus dem Medium in Körpersubstanz des Bakteriophagen umgewandelt werden, den Beweis führen, daß der Bakteriophage bei Züchtung in einem heterogenen Medium seine Individualität behält und ein autonomer Organismus bleibt.

Ferner muß nachgewiesen werden, daß der Bakteriophage imstande ist, auf Reize zu reagieren und das Vermögen der Variabilität besitzt.

Nun ist der absolut sichere Nachweis gelungen, und nicht nur d’Herelle, sondern auch vielen anderen!) (siehe hierüber seinen Artikel in der Revue de Pathologie comparce), daß der Bakteriophage wirklich ein autonomes Wesen ist und daß er wirklich die Fähigkeit, sich an- zupassen und das Vermögen der Variabilität besitzt.

Ich werde nur auf eine der Variabilitätsmöglichkeiten eingehen, und zwar auf die Erscheinung der „Virulenzzunahme‘. Es ist nicht zu leugnen, daß es nicht selten vorkommt, daß ein Bakteriophage, der zu Anfang einer Ueberimpfungsserie sehr schwach ist und sogar in den stärkeren Konzentrationen schlecht wirkt, nach wiederholten Ueber- impfungen sich in einen Bakteriophagen verändert, der in sehr starken Verdünnungen eine maximale Virulenz aufweist.

Diejenigen, welche den Bakteriophagen nicht als ein lebendes Wesen betrachten (und ihre Anzahl ist schr groß im Vergleich zu den Ver- tretern der d’Herelleschen Auffassung) behaupten, daß es in solchen Fällen, die auch sie beobachtet haben, nicht die Bakteriophagen sind,

1) Schuurman, C. J., Der Bakteriophage, ein lebender Organismus. (Centralbl. t. Bakt. Abt. 1. Orig. Bd. 95. 1925. S. 97—103.) 1*

4 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 1.

die virulent, werden, sondern daß die Bakterien, auf denen man sie weiterzüchtet, durch fortwährenden Kontakt mit dem Bakteriophagen stets zur Produktion von immer mehr aktiv wirkenden Bakteriophagen angeregt werden. |

Die Befürworter dieser Ansicht haben gewiß nicht tief durch- gedacht: Was ist nämlich der Fall? Was tun wir, wenn wir einen Bakteriophagen, der wenig virulent ist, in einen virulenten verändern wollen ?

Wir züchten den Bakteriophagen auf einem gut lysablen Bakterien- stamm. Zu diesem Zweck werden junge, vorzugsweise erst 18 Std. alte Kulturen solch eines Stammes mit einer geringen Menge, nämlich 0,1 ccm des Bakteriophagen in Kontakt gebracht. Nach einem Verbleib von 24 Std. bei 379 C wird die Bouillonkultur der Bakterien, in welcher sich auch der Bakteriophage befindet, filtriert. Man scheidet also die Bakterien von den Stoffen, die wir Bakteriophagen nennen. Es sind also im Filtrat keine Bakterien mehr vorhanden, die mit dem Bakterio- phagen in Kontakt gewesen sind. Von diesem Filtrat bringen wir wieder eine kleine Menge, nämlich 0,1 ccm, mit jungen Bakterien desselben Iysablen Stammes zusammen. Man behalte hierbei gut im Auge, daß diese Bakterien nie mit dem Bakteriophagen in Kontakt kamen; und so fährt man fort, stets eine geringe Menge vollkommen bakterienfreien Filtrats mit jungen Bakterien, die vorher niemals mit dem Bakterio- phagen in Berührung gewesen sind, zusammenzubringen.

Man wird zugeben müssen, daß es wohl unmöglich sein wird, mit diesen Tatsachen zu beweisen oder auch nur glaubwürdig zu machen, daß die Zunahme der Virulenz nicht eine Eigenschaft des Bakterio- phagen, sondern der jungen Kulturen ist, die man doch immer wieder frisch mit dem stets an Virulenz zunehmenden Bakteriophagen zu- sammenbringt.

Ist diese Tatsache an sich schon hinreichend, um es für uns an- nehmbar zu machen, daß Bakteriophage und Bakterie zwei voneinander unabhängig bestehende Organismen sind, so würde es doch für unser Problem von sehr großem Wert sein, wenn der Nachweis gelingen könnte, daß man imstande ist, bei sog. lysogenen Kulturen den Bakteriophagen von der Bakterie zu scheiden und beide in getrenntem Zustande weiter- zuzüchten.

Solche lysogenen Stämme werden, wie als bekannt angenommen werden darf, nicht selten unter den Stämmen von Laboratoriumsamm- lungen angetroffen. Stämme, die seit Jahren aus pathologischen Pro- dukten isoliert sind, erweisen sich bei einer speziell darauf eingestellten Untersuchung als imstande, bei Züchtung in Bouillon, zuweilen erst mit Anwendung bestimmter Vorsorgemaßnahmen, einen Bakteriophagen zu produzieren, der auf lysable Stämme sehr kräftig einwirken kann. Der Prozentsatz der lysogenen Stämme unter denjenigen einer Labo- ratoriumsammlung ist nicht groß. Unter 70 untersuchten Stämmen traf ich nur zweimal einen lysogenen an, und zwar einen Dysenterie- stamm Y 14 und einen Choleravibrio.

Es gelang mir, den Y 14 mit der Methode der isolierten Kolonien von dem Bakteriophagen zu reinigen und nachzuweisen, daß Bakterio- phage und Y 14 zwei voneinander unabhängige Wesen sind!).

1) Flu, P. C., Die Natur des Bakteriophagen und die Bildung von Bakterio- phagen in alten Bouillonkulturen pathogener Mikroorganismen. (Centralbl. f. Bakt. Abt. 1. Orig. Bd. 90. S. 362—373.)

Flu, Ist Bakteriophagie eine Funktion von Bakterien usw. 5

Gildemeister!) bespricht diese Versuche und auch diejenigen d’Herelles, welche zu dem Zwecke angestellt wurden, die lysogenen Stämme von den Bakteriophagen zu reinigen. Er weist darauf hin, daß Bordet?) im Gegensatz zu d’Herelles und meinem Befund be- obachten konnte, daß man bei Benutzung der Agarplatte Kolonien erhalten kann, von denen die Bakterien anfangs keinen Bakteriophagen bilden, aber deren Abkömmlinge dies wohl konnten.

Nun vermögen die Versuche Bordets nichts gegen die meinigen zu beweisen. Sie zeigen uns nur, daß es nicht leicht ist, die lysogenen Bakterien von dem Bakteriophagen zu scheiden, und daß man, ehe man auf eine gelungene Scheidung schließt, erst gründlich untersuchen muß, ob der sog. „reine Stamm“ wirklich rein ist, d. h. nach wiederholten Ueberimpfungen mit lysablen Stämmen in Bouillonkulturen auch wirklich nicht mehr imstande ist, Bakteriophagen zu bilden.

Nun hatte ich bei meiner Isolierung des Y 14 erst bei der 7. Isolierung eine Reinigung erhalten. Vor dieser Zeit hatte sich mir gezeigt, daB die Bakterien der zweiten Isolierung bei der ersten Unter- suchung keinen Bakteriophagen bildeten.

Nach der 2. Isolierung wurde noch weiter isoliert und wurden die Kolonien der folgenden Isolierungen in Bouillon weitergezüchtet, worauf nach wiederholten Ueberimpfungen auf lysable Stämme Untersuchung auf Bakteriophagenbildung hin stattfand. Es stellte sich nun heraus, daß erst nach der 7. Isolierung Kulturen erhalten wurden, die keinen Bakteriophagen bildeten, auch nicht wenn die Bouillonkultur zwei Wochen bei 370 C stehen blieb und nach dieser Zeit wiederholt mit lysablen Stämmen infiziert, gezüchtet und filtriert und reinfiziert wurde.

Dasselbe Verfahren ward 4—5mal wiederholt; mit jedesmal nega- tivem Resultat. Auf Grund dieses negativen Ergebnisses glaubte ich wohl zu dem Schluß berechtigt zu sein, daB mir die Reinigung ge- lungen war.

Daß eine Reinigung nicht immer leicht durchführbar ist und mit- unter überhaupt nicht gelingt, zeigte sich mir bei Versuchen, den Cholerastamm 101, der stark lysogen ist, zu reinigen. Auch nach der 50. Isolierung bekam ich immer Kolonien, die sich als lysogen er- wiesen.

Gildemeister und Herzberg?) verfügten über einen lysogenen Coli-Stamm, der einen Bakteriophagen lieferte, welcher auf einen Shiga-Stamm aus der Sammlung Gildemeisters kräftig einwirkt.

Die spontane Bildung des Bakteriophagen war in jeder Kultur- passage nachweisbar und betrug durchschnittlich 30000 Lysinteilchen per 0,05 ccm, könnte aber bei sehr kräftiger Entwicklung der Bakterien is auf 60000 per 0,05 ccm steigen.

Sowohl für das Zählen als für das Nachweisen der Bakterio- phagen wandte Gildemeister und Herzberg ihre im Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 91. S. 13 und 228 beschriebene Platten- methode an.

1) Gildemeister, E., u. Herzberg, K., Zur Theorie der Bakteriophagen (d’Herelle-Lysine). Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 93. 1924. S. 402—420.)

2) Bordet, J., Apparition Bun du pouvoir lysogène dans les cultures pures. (Compt. Rend. Soc. de Biol. T. 90. 1924 p. 96—98.

3) Gildemeister, E., u. Herzberg, K., Zur Theorie der er pe (d’He relle- Lysine). (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 93. 1924. S. 402—420.)

6 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 1.

Bei ihrer Untersuchung variierten sie drei Faktoren, und zwar den Nährboden, die Temperatur und die Zeit.

Für unser Problem sind namentlich die Untersuchungen über den EinfluB der Temperatur von Wichtigkeit, weil Gildemeister u. Herzberg glauben, dabei Verhältnisse angetroffen zu haben, welche eine unzweideutige Antwort auf die Frage geben, ob die Weise, in welcher sich die Bakteriophagen vermehren, in jeder Phase den Regeln entspricht, welche von der allgemeinen Bakteriologie erfordert werden, um zu entscheiden, ob ein gegebener Prozeß durch einen lebenden Organismus verursacht wird oder nicht. Es zeigte sich ihnen nun, daß der lysogene während 24 Std. bei 150C gezüchtete Stamm keine Bakteriophagen bildet, obwohl die Bakterien bei dieser Temperatur wolıl wachsen und an Anzahl zunehmen. Untersucht man nach einem Ver- bleib von 48 Std. bei 150 C, dann sind in jeder Tropfenspur einige Bakteriophagen nachweisbar. Bei einer Temperatur von 10,50 C unter- bleibt bis zu einer Keimzahl von 100 Millionen Bakterien per ccm all und jede Bakteriophagenbildung. Wenn Gildemeister und Herz- berg eine derartige Kultur sich so weit entwickeln ließen, bis das Wachstum der Bakterien zum Stillstand kam, dann zeigte sich, daß die Bakteriophagen sich auch bei dieser niedrigen Temperatur ver- mehrt hatten, und zwar konnte man dann in jeder Tropfenspur 1—3 Bakteriophagen finden. Es gelang jedoch, eine vollkommene Unter- drückung der Bakteriophagenbildung dadurch zu erreichen, daB man die Entwicklung der Kulturen bei 8,75—9° C stattfinden ließ. Wenn man nun solche Kulturen bei Temperaturen unter 90 C, und zwar von Bouillon auf Bouillon überimpft, dann ist die 2. Passage beim Beginn des Versuches schon bakteriophagenfrei.

Gildemeister und Herzberg!) hielten nun diese Kulturen ö Wochen lang bei 8,75°C, ohne daß es zu einer Bakteriophagenbildung kam, obwohl eine Vermehrung der Bakterien von z. B. 100000 auf eine Milliarde per ccm zu konstatieren war. Von großer Wichtigkeit war es nun, daß der Nachweis gelang, daß der Bakteriophage aus den Kulturen, die während so langer Zeit in der niedrigen Temperatur er- halten sind, sofort anfängt sich zu entwickeln, sobald man den Bakterien aus diesen Kulturen Gelegenheit verschafft, bei einer höheren Tem- peratur zu wachsen.

Eine Kultur des lysogenen Coli-Stammes, die 4 Wochen hin- durch bei 8,75—90C gehalten war, wurde mit gewöhnlicher Bouillon so weit verdünnt, bis auf jedes ccm 10-6 Keime entfielen, worauf die infizierte Bouillon auf 370 C gebracht wurde. Nach 30 Min. ist die Anzahl Keime konstant geblieben und haben sich keine Bakteriophagen gebildet. Nach 45 Min. erscheinen die ersten Bakteriophagen und nach 75 Min. beträgt ihre Anzahl 700 per 0,05 ccm, während die Anzahl Keime auf 20000000 gestiegen ist.

Gildemeister und Herzberg sagen anläßlich dieses Resultates folgendes: „Wir halten dieses Ergebnis für entscheidend. Die Coli- Ausgangskultur war im bakteriologischen Sinne als bakteriophagen- steril anzusehen, weil Bakteriophagen nie auftraten, ihr Nachweis aber mit einer Leichtigkeit gelingt, die unter Krankheitserregern viel- leicht nur noch bei hochvirulenten Pneumokokken im Mäuseversuch ein Analogon findet. Treten in einer solchen Kultur nach mehreren

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bakteriophagensterilen Passagen doch wieder Bakteriophagen auf, wie es durch Temperaturerhöhung gesetzmäßig erzwungen wird, so kann dies nur als Beweis dafür angesehen werden, daß die Bakteriophagen keine Parasiten sind, d’Herelles Theorie mithin unrichtig ist.“

In einer hierzu gehörenden Fußnote bemerken die beiden Unter- sucher noch folgendes:

„Es ist vorläufig nur von theoretischem Interesse, für die Ent- scheidung über die Virustheorie jedoch gleichgültig, ob die Lysin- bildung ausschließlich bei höheren Temperaturen oder vielleicht auch bei niedrigeren nach extrem langen Zeiträumen beobachtet wird. Wichtig ist, daß der Virulenzsteigerungsversuch nach d’Herelle im Anfang der Kultur ein negatives Resultat liefert. Es kommt allein darauf an: eine mit Sicherheit bakteriophagensterile Kultur spontan zur Lysin- bildung anzuregen.“

Wer die Untersuchungen Gildemeisters und Herzbergs in der von ihnen befolgten Weise vornehmen wollte, würde also ermitteln müssen, ob es beim Folgen einer anderen als der von diesen beiden Unter- suchern angewandten Technik nicht gelänge, Bakteriophagen in einer Kultur nachzuweisen, die unter dieselben Verhältnisse gebracht wurde wie diejenigen, in denen sich die der genannten Untersucher befand.

Und zwar war es darum von Wichtigkeit, den Mitteilungen dieser Untersucher alle Aufmerksamkeit zu schenken, weil, im Falle es nicht gelang, Bakteriophagen nachzuweisen, in den Kulturen, welche 6 Wochen lang und kürzer bei 80 C gewachsen waren, während eine Brutzeit von noch keiner Stunde für Bakterien aus einer solchen Kultur genügte, um doch zu einer maximalen Produktion von Bakteriophagen zu führen, der Theorie d’Herelles der Gnadenschlag gegeben war und weite Perspektiven für ein ganz anderes Untersuchungsfeld eröffnet wurden.

Die Untersucher selbst weisen mit den folgenden Worten auf die Bedeutung dieses Umstandes hin: |

„Man hat‘, sagen sie, „die Ansicht gehört, daß das d’Herelle- sche Phänomen nie die ihm zuteil gewordene Beachtung gefunden haben würde, wenn nicht die Behauptung von der Virusnatur aufgestellt worden wäre. Diese Einstellung bedeutet wohl eine Unterschätzung der Bedeutung des unbelebten Zustandes der d’Herelleschen Lysine. Sollte es sich erweisen, daß diese Uebertragbarkeit krankhafter Zell- vorgängc durch unbelebte Materie sich auch auf das Protozoen- und Metazoenreich erstreckt, dann werden die Perspektiven ebenso weite sein, als wenn der Bakteriophage ein ‚‚eEtre vivant gewesen wäre.“

Professor Gildemeister war so freundlich, mir den lysablen Coli-Stamm 88 und 2 Shiga-Stämme 1 und 3 aus seiner Sammlung, die durch den von Coli 88 produzierten Bakteriophagen ausgezeichnet gelöst werden, zur Verfügung zu stellen. Ich kam hierdurch in die Lage, mit diesen Stämmen Untersuchungen vorzunehmen, deren Er- gebnisse ich nachstehend mitteilen werde. |

Vorher erachte ich es für meine Pflicht, Herrn Professor Gilde- meister für seine Freundlichkeit meinen herzlichsten Dank auszu- sprechen.

Der Stamm Coli 88 erwies sich als ein kräftiger Lysin- bildner. Unter den lysablen Stämmen, welche ich bis jetzt habe unter- suchen können, kommt ihm in dieser Fähigkeit nur der Cholera- stamm 101 gleich.

8 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 1.

Der Bakteriophage wirkt auf den Shiga 1 Gildemeisters besser ein als auf den Shiga 3, aber beide Shiga-Stämme lassen sich gut für das Nachweisen der Bakteriophagenbildung verwenden, obwohl sich mir später zeigte, daß für das Nachweisen schwacher Bakteriophagen aus dem Coli 88 der Shiga 1 besser zu gebrauchen war als der Shiga 3, da auf dem ersteren sich die Löcher deutlicher bildeten, eher auftraten und auch zahlreicher waren als auf Röhrchen, die mit einer Suspension von Shiga 3 bestrichen wurden.

Die Technik, welche ich zur Ermittlung des gebildeten Bakterio- phagen befolgte, wich von derjenigen Gildemeisters und Herz- bergs ab, und da, wie sich gleich zeigen wird, auch die von mir er- zielten Itesultate anders sind, als die der beiden Untersucher, sei es mir gestattet, die Methode hier ausführlich zu beschreiben:

Die Nährböden.

Alle Nährböden werden aus Bouillon Martin hergestellt. Sie wurde in der klassischen, von Martin beschriebenen, Weise bereitet.

Kurz werde ich hier die im Institut zu Leiden von mir befolgte Methode beschreiben:

500 g Pferdefleisch werden nach Entfernung von Fett und Sehnen in einer Mühle gemahlen und die Masse während einer Nacht in 1000 ccm Wasser mazeriert. Die Masse wird durch ein Tuch koliert und durch Filtrierpapier fitriert, worauf das Filtrat 20 Minuten lang bei 1200 C sterilisiert wird.

Dieser Fleischbrühe setzt man eine ebenso große Menge „Extract de panse“ hinzu. Diesen erhält man dadurch, daß man einen Schweinemagen, der von Häuten und Fett möglichst gereinigt ist, zermahlt und darauf mit einer Mischung von 10 cem konzentrierter Salzsäure und 1000 ccm Wasser übergießt. Dieses Gemisch wird 16 Stunden hindurch auf einem Wasserbad bei konstanter Temperatur von 500 C ge- halten, danach kurz aufgekocht, wieder bis 50° C abgekühlt und darauf wieder drei nacheinander folgende Tage auf dieser Temperatur gehalten. Es bildet sich ein Niederschlag, und die Flüssigkeit, welche sich über diesem Niederschlag befindet, wird vorsichtig abgegossen, mittels konzentrierter Natronhydroxydlösung schwach alkalisch

enüber Lackmus gemacht und durch Papier filtriert. Man erwärmt kurz bis

° C und bringt die Wasserstoffionenkonzentration auf 7,5. Das Gemisch von Bouillon und Extract de panse wird daraut während 10 Minuten bei 1209 C sterilisiert. Man läßt abkühlen, filtriert und sterilisiert die Bouillon, die in Kolben und Röhrchen gefüllt wird, 15 Min. bei 110° C. Der PH der Bouillon wird kontrolliert und Se ae unter Beachtung von Vorsorgemaßnahmen für Sterilität bis auf 7,5 ge- racht.

Sowohl der Coli-Stamm 88 als die beiden Shiga-Stämme wurden weitergezüchtet auf 3proz. Agar, das mit dieser Bouillon bereitet war.

Für das Nachweisen der Löcher wurde ein Nährboden mit 1proz. Agar und mit einem Pr von 8,5 benutzt, weil, wie eine von Schuur- man!) in meinem Institut ausgeführte Untersuchung gezeigt hatte, die Löcherbildung auf einem derartigen Agar nicht nur viel deutlicher ist als auf 3proz. Agar, aber auch weil ein Agar von solcher Konzen- tration es ermöglicht, in denjenigen Fällen Löcher zu sehen, wo der ge- wöhnliche 3proz. Agar uns völlig im Stich läßt.

Die Temperatur, bei welcher gezüchtet wurde.

Nachdem ich durch Ueberimpfung bei allmählich stets niedrigeren Temperaturen den Coli 88 an eine Temperatur von 120 C gewöhnt hatte, und er dabei ausgezeichnete Kulturen ergab, wurden Kolben,

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1) 1. c.

Flu, Ist Bakteriophagie eine Funktion von Bakterien usw. 9

welche je 20 ccm Bouillon de panse enthielten, mit einer Ocse des 18 Std. alten und bei 120 C gezüchteten Coli infiziert.

Die infizierte Bouillon war in Kolben von 100 ccm Inhalt gebracht und bedeckte, ebenso wie dies bei den Versuchen Gildemeisters und Herzbergs der Fall war, den Boden des Kölbchens in einer noch keinen cm dicken Schicht. Die Kolben kamen dann in ein Schränkchen, das in ein nicht erwärmtes Zimmer gestellt wurde. Durch Eis sorgte ich dafür, daß an den Tagen, wo die Temperatur der Außen- luft dicht bei 100 C kam, die Temperatur in dem Brutschrank nicht über 90C steigen konnte.

Ein zur Kontrolle der Temperatur in den Schrank gebrachtes Maxi- mum- und Minimumthermometer zeigte, daß während des ganzen Ver- suches die Temperatur nicht über 90C stieg, sondern zwischen und 90 C schwankte. Auch brachte ich einige auf gleiche Weise infi- zierte Kolben in einen nur mäßig mit Eis gefüllten Eisschrank, in welchem, wie das Maximum- und Minimumthermometer erkennen ließ, die Temperatur zwischen + und + 6°C schwankte.

Vom 12. Januar bis zum 1. April wurde von mir bei diesen niedrigen Temperaturen von Kolben auf Kolben übergeimpft und zwar stets durch Hinzusetzen von 0,1 ccm des Inhalts des alten Kölbchens zu der Flüssigkeit des Kolbens, der an Stelle des alten kommen sollte.

Für das Nachweisen des Bakteriophagen wurde der Inhalt der Kolben, nachdem diese einige Tage bei der niedrigen Temperatur ge- gehalten waren und nachdem 0,1 ccm der Flüssigkeit in einen andern mit Bouillon von 80 C gefüllten Kolben überpipettiert war, in einer Zentrifuge mit einer Tourenzahl von 6—7000 per Min. zentrifugiert. Die klare Flüssigkeit wurde nun durch eine Chamberlandsche Kerze L 3 filtriert und das Filtrat über 2 Kolben, gefüllt mit je 25 ccm Bouillon, verteilt.

Von jedem der Kolben wurden nun Mengen von 2 ccm bis insgesamt 10 ccm über Bouillonröhrchen verteilt und diese bei 370 C auf Sterilität des Filtrats hin kontrolliert. Dies war nötig, da in seltenen Fällen einige Bakterien durch den Filter passieren können. Ein einziger lebender „Coli-Bazillus 88“ .würde, bei einem Wachstum bei 370 C Bakteriophagen produzieren und das Ziehen verkehrter Schlüsse zur Folge haben können.

Zu Anfang der Untersuchung wurde jedoch auch nach der Methode Gildemeisters und Herzbergs verfahren, indem nämlich die Kulturflüssigkeit aus den Kolben zwecks Tötung der Coli-Bakterien 40 Min. lang auf 57,50 C erhitzt wurde.

Bald zeigte sich mir indessen, daß nicht immer alle Coli -Bakterien bei diesem Verfahren getötet werden. Namentlich bei einer gut ge- wachsenen Coli-Kultur bleiben noch verschiedene Coli-Bakterien am Leben. Diese Tatsache steht übrigens völlig mit meiner Erfahrung bei der Bereitung verschiedener Vakzine im Einklange. Zwecks Tötung der Bakterien in solchen Vakzinen wird die Flüssigkeit, in denen sich die Bakterien befinden, während einer Stunde bei 580 C erhitzt, während nach der Erhitzung ein Teil der Flüssigkeit teils auf Agar, teils ın Bouillon geimpft wird. Es kommt dabei häufig vor, daß sowohl auf dem Agar als auf der Bouillon Wachstum von Bakterien zu konstatieren ist, weshalb wir denn auch die erwärmten Vakzine stets mit soviel Phenol mischen, daß eine O,5proz. Karbollösung entsteht.

10 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 1.

Gildemeister und Herzberg sehen bei der Filtration einen Nachteil darin, daß von dem Filtermaterial Bakteriophagen absorbiert werden, während, wie sie nachweisen, die Erwärmung während 40 Min. auf 57,50C zu keinem Bakteriophagenverlust Anlaß gibt. Dies mag bei Anwendung der Berkefeld-Filter der Fall sein, gilt aber sicherlich nicht für die Filter aus Porzellanerde, welche ich im Institut benutze.

Diese, von der Firma Leune in Paris gelieferten Kerzen absor- bieren überhaupt keine Bakteriophagen und sind, wie ich bereits früher beschrieb, ausgezeichnet zu sterilisieren und zu regenerieren.

Vergleichende Untersuchungen, die in meinem Institut von Pond- man!), von Schuurman?), von d’Herelle selbst und auch von mir angestellt wurden, haben gezeigt, daß, während es für den Nachweis stark wirkender Bakteriophagen nicht darauf ankommt, ob man für die Weiterzüchtung des Bakteriophagen die Bouillon vor der Ueberimpfung filtriert oder erwärmt, es für schwache Bakteriophagen lange nicht gleich- gültig ist, welche Methode man anwendet. Es hat sich uns wiederholt gezeigt, daß, während es nicht möglich war, schwache Bakteriophagen aus der erwärmten Bouillonkultur zu züchten, dies wohl aus dem Filtrat derselben Bouillonkulturen möglich .war.

Auch bei Untersuchung des von dem Gildemeister-Herzberg- schen Coli 88 gelieferten Bakteriophagen stellte sich heraus, daß bei zunehmendem Schwächerwerden des Bakteriophagen sehr oft die Bak- teriophagen nicht aus den erwärmten Bouillonkulturen gezüchtet werden n während dies wohl aus dem Filtrat derselben Bouillonmasse gelang.

Ich filtrierte daher also das Zentrifugat der Bouillon, in der sich Coli 88 bei 80 C entwickelt hatte. Nachdem ich mich von der Sterilität des Filtrats überzeugt, wurde dasselbe mit dem Shiga, den ich von Gildemeister erhalten hatte, und zwar stets mit Shiga 1, infiziert und in den Brutofen bei 370 C gebracht.

Vorher war von dem Gemisch Bakteriophagen (?), Shiga-Bak- terien und Bouillon eine Menge (3 große Platinösen, eine Oese mit einem Durchmesser von 0,5 cm) genau über die Oberfläche von Röhrchen Schrägagar von 1 Proz. mit einem Pr von 8,5 ausgestrichen.

Nach einem Verbleib von 24 Std. bei 379 C wurde die Oberfläche des Agargläschens auf Löcherbildung nachgesehen und der Inhalt des Kolbens nach Filtrierung durch eine Chamberland-Kerze mit einer Suspension von Jungen Shiga 1 gemischt und ausgestrichen auf 1proz. Agar, um auf die Anwesenheit von Bakteriophagen hin geprüft zu werden.

Zwecks Kontrolle der Bouillon auf Fehlen des Bakteriophagen, welche bei 89 C geblieben war, verfuhren Gildemeister und Herz- berg folgendermaßen: „Die 10 ccm enthaltende Kultur (wurde) in Dmal 2 ccm aufgeteilt und 40 Min. auf 57,59 C erhitzt.“

„Filtrationsverfahren‘“, sagen sie, „kommen nicht in Frage, weil die Gefahr des Bakteriophagenverlustes hierbei groß ist, wie in unserer 4. Mitteilung gezeigt wurde. In jedes Reagenzglas wurden zu den 2 ccm erhitzten Coli-Kultur 8 ccm Bouillon und 0,05 ccm einer frischen Aufschwemmung des Stammes Shiga (1 Oese Schrägagarkultur auf

1) Pondman, B. F., Proeven tot het verkrijgen van het verschijnsel vau d’Herelle uit reinculturen. (Academ. Proefschr.) Leiden.

2) Schuurman, C.J., De bacteriophaag een ultramicrobe. (Academ. Proefschr.) Leiden.

Flu, Ist Bakteriophagie eine Funktion von Bakterien usw. Li

10 ccm Bouillon) gegeben, 24 Std. bebrütet, sodann 40 Min. auf 57,50 C erhitzt, die abgetôteten Kulturen im Plattentropfversuch auf Bakterio- phagen geprüft.“

Ich kontrollierte die Bakteriophagenfreiheit der Bouillon auf andere Weise, und zwar nicht nur, wie schon mitgeteilt, dadurch, daß ich die Bakterien von der Bouillon abzentrifugierte und die Flüssigkeit über dem Zentrifugat durch Chamberland-Kerzen filtrierte und die Bak- teriophagenbildung nicht auf Platten von 3proz. Agar, sondern auf Röhrchen von 1proz. Agar mit einem Pa von 8,5 prüfte, sondern außer- dem gab ich mich nicht mit nur einmaligem Infizieren und Untersuchen . des Filtrats zufrieden. Erwies sich das Filtrat nach der ersten In- fektion als negativ, so wurde ein 2. und 3. Mal reinfiziert und filtriert.

Es hatte sich mir nämlich gezeigt, daß schwache Bakteriophagen nicht selten erst nach einer 2. und zuweilen erst nach einer 3. Filtration nachgewiesen werden können.

Ich möchte nunmehr zu einer Beschreibung der von mir angestellten Untersuchungen übergehen.

Zunächst interessierte es mich, zu ermitteln, ob die Erhitzung bei 57,50 C während 40 Min. wohl immer imstande war, den Coli 88 Gildemeisters zu töten, und wie groß die Anzahl Coli 88 sein mußte, um zu der. Entwicklung eines Bakteriophagen zu führen.

Von einer 24 Std. alten Agarkultur von Coli 88 werden 2 Oesen in 10 ccm steriler, 0,9proz. NaCl-Lösung suspendiert. In einer Serie von 7 Röhrchen, deren jedes mit 5 ccm steriler Kochsalzlösung gefüllt ist, werden progressive Verdünnungen dieser Suspension in der Weise hergestellt, daß dem 1. Röhrchen 5 ccm der Suspension hinzugesetzt und hiervon nach gründlicher Mischung jedem folgenden Röhrchen 5 ccm hinzupipettiert werden.

Die Anzahl Bakterien in der 1. Suspension wird mit Hilfe der Thomas Zeißschen Zählkammer bestimmt.

Suspension 1 enthält per Kubikzentimeter 32 000 000

j A a ï 16 000 000 i a 5 8 000 000 LE 9? 39 4 000 000 ?? ?9 LA 2 000 000 p j 5 1 000 000 . i m 500 000 n x a 250 000

O0 J Or à CD

Jede dieser Suspensionen wird 40 Min. lang bis 57,59 C erhitzt, wobei Sorge getragen werden muß, daß die ganze Flüssigkeit gut unter- getaucht ist.

Von jedem der Röhrchen werden 2 ccm in 10 ccm Bouillon über- pipettiert, wobei dafür gesorgt wird, daß die Pipette nicht mit den Wänden des Röhrchens in Berührung kommt. Danach wird die Bouillon mit einer jungen Kultur von Shiga 1 infiziert.

Von jeder Suspension wurden 2 Serien von Verdünnungen angelegt, von denen die eine mit jungen Bakterien von Shiga 1 und die andere mit jungen Bakterien von Shiga 3 infiziert wird.

Von jedem der Bakteriengemische werden mittels der großen Platin- öse 3 Oesen über die Oberfläche von 1proz. Schrägagar verteilt.

Das Resultat ist nach 24 Std. folgendes:

12 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 1.

1. Suspension 1 mit Shiga l = viele Löcher 2 1 ie 11

3 »» 2 1 = 11 n

4. . AREA : 3 = einige ,,

5. 3 n l= LE

6. D X 3 = keine

7. 4 1 =

8. 4 3 =

9. 5 1 = n 9 10. 5 3 = 11. ii 6 , , ll ein Loch 12. A 6 3 = keine Löcher 13. 7 l= 1 14. 7 3 = n” ) 15. 8 l= 16. 5 8 3

Auch aus dieser Tabelle ist deutlich ersichtlich, daß sich der Shiga 1 viel besser für den Nachweis des von Coli 88 gelieferten Baktcriophagen eignet als der Shiga 3.

Auf den Agarröhrchen 1, 2, 8, 9, 10 und 14 sieht man auf der Agarschicht inmitten des typischen Shiga-Wachstums einige weiße undurchsichtige Kolonien, die wohl etwas an Coli-Kolonien erinnern und, wie sich bei näherer Untersuchung herausstellt, auch aus Coli bestehen. Um jede dieser Kolonien hat sich ein Halo gebildet, und dieser Halo enthält, wie eine Untersuchung lehrt, Bakteriophagen.

Wir sehen schon hieraus, daß nicht alle Coli-Bakterien aus der Suspension durch die Erwärmung während 40 Min. bei 57,50 C ge- tötet sind, was noch deutlicher zutage trat, als der Agar und die Bouillonröhrchen, die mit einer geringen Menge der Suspensionen ge- mischt waren, untersucht wurden.

Allein diejenigen Röhrchen, die mit den Suspensionen aus den Röhrchen 6 und 8 bestrichen oder geimpft waren, blieben steril; in allen anderen hatten sich Kolonien oder Kulturen von Coli-Bazillen gebildet. |

Der Inhalt der Rôhrchen 1—16, nämlich die Gemische von Sus- pensionen und Shiga- Bakterien, die 24 Std. lang bei 370 C bebrütet waren, würden filtriert und das Filtrat auf Bakteriophagen untersucht. Alle ergaben ein positives Resultat. :

Daher erhitzte ich in denjenigen Fällen, wo ich nicht filtrierte, nicht 40 Min. auf 57,50 C, sondern 1 Std. lang auf 580 C, weil man allein dann einige Sicherheit hat, daß die Bakterien getötet sind.

Nunmehr wurden 2 Kolben von je 100 ccm Inhalt, deren jeder mit 10 ccm Bouillon gefüllt war, mit einer Oese des Coli 88 infiziert, der an Wachstum bei einer Temperatur von 120 C gewöhnt war. Der eine Kolben wurde mit A bezeichnet, der andere mit B. Beide waren mit demselben Gemisch gefüllt und mußten somit ein gleiches Resultat er- geben, was sich bei der folgenden Untersuchung auch wirklich heraus- stellte.

Kolben A enthielt laut Zählung mit dem Thoma-Zeißschen Apparat bei der 1. Infektion 76000000, Kolben B 50000000 Keime pro Kubikzentimeter.

Darauf wurden die Kolben in eine Temperatur von 80 C gebracht. Vorher war von dem Inhalt jedes Kolbens 0,5 ccm mit 5 ccm Bouillon gemischt, danach 1 Std. auf 580 C erhitzt und auf Bakteriophagen

Flu, Ist Bakteriophagie eine Funktion von Bakterien usw. 13

hin untersucht. Es zeigte sich, daß der Bakteriophage in jedem der Kolben vorkam.

Die Kulturen wurden am 12. Jan. eingesetzt. Am 14. Jan. wurde sowohl der Inhalt von Kolben A als derjenige von B, nachdem 0,1 ccm für die Infektion von Kolben A 2 und Kolben B2 verwendet war, filtriert und das Filtrat auf Bakteriophagen untersucht. Das Resul- tat war positiv.

Am 23. Jan. wurde der Inhalt der Kolben A 2 und B 2 in der- selben Weise behandelt. Das Ergebnis der Untersuchung des Fil- trates auf Bakteriophagen war positiv.

N.B. Es zeigte sich schon jetzt, daß die Röhrchen, bei denen ich Shiga 3 für das Nachweisen des Bakteriophagen verwendet hatte, ein weniger deutliches Resultat ergaben als die mit Shiga 3 geimpîten. Die gebildeten Löcher sind auf den ersteren Röhrchen klein, und viele hatten nicht die ganze Agarschicht durchfressen. Erst bei der 2. Fil- tration und Reinfektion gelang es, im Filtrat sowohl aus A 2 als B2 deutliche schöne Löcher zu erhalten.

Am 31. Jan. wurde der Inhalt der Kolben A 3 und B3 (eingesetzt am 23. Jan. und bei 80 C gelassen) in derselben Weise untersucht. Das Filtrat ward mit einer ebenso großen Menge Bouillon gemischt und infiziert mit Shiga 1. Das sofort untersuchte Filtrat wies keine Löcher auf. Nach 24stünd. Verbleib bei 370 C und Filtrierung zeigte sich bei Untersuchung dieses Filtrates, daß sich auf keinem der Agar- röhrchen Löcher fanden. Zwar scheint die Agarschicht an einigen Stellen etwas angefressen zu sein; aber niemand würde auf Grund des Aspektes der Schicht die Diagnose Löcher zu stellen wagen. Das zweite Filtrat wurde nun in derselben Weise behandelt wie das erste, also wieder mit Bouillon gemischt und mit Shiga 1 infiziert. Nach einer Brutzeit von 24 Std. wurde wieder filtriert. Die Untersuchung des 2. Filtrats zeigte in dem mit Filtrat A 3 geimpften Agarröhrchen deutliche Löcher; das mit Filtrat B 3 geimpfte Röhrchen ließ noch stets keine Löcher erkennen; erst bei der 3. Filtration traten auf demselben deutliche Löcher zutage.

Hieraus geht deutlich die Superiorität der von mir befolgten Me- thode hervor. Wäre ich nach der Untersuchungsweise Gildemeisters und Herzbergs verfahren, so hätte ich fraglos ein negatives Resultat erhalten, und hätte ich ihre Ergebnisse völlig bestätigen Können.

Nun war dies nicht der Fall und fuhr ich mit den Ueberimpfungen bei 80 C fort. Dabei wollte ich zu beweisen suchen, daß das von Gildemeister und Herzberg erhaltene negative Resultat vielleicht nur der von ihnen befolgten Technik zugeschrieben werden mußte.

Der Inhalt der Kolben wurde nämlich nicht mehr filtriert, sondern erhitzt. Auch würde ein solches negatives Resultat zu erklären sein, wenn sie für das Nachweisen der Löcher den Stamm Shiga 3 statt Shiga 1 benutzt hätten.

Es stellte sich nun heraus, daß, wenn ich zum Nachweis des eventuell in der Bouillon gebildeten Bakteriophagen die Bouillon er- hitzte, von der 5. bis zur 9. Passage das Ergebnis absolut negativ war.

Daß jedoch die Bakteriophagen in keinem Fall aus den bei C gezüchteten Kulturen verschwunden waren, zeigte sich deutlich aus dem Umstande, daß gleich, als ich nach der 10. Passage bei 80 C wieder filtrierte und für den Nachweis der Löcher Shiga 1 benutzte, die Resultate wieder positiv wurden.

14 Centralbl. f. Bakt etc. I. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 1.

Bei der 12. Passage wurde die Serie unterbrochen. Es zeigte sich, daß sowohl in Kolben A 13 als in Kolben B 13 von dieser Passage der Bakteriophage vorhanden war, und zwar ließ dieser sich schon bei der ersten Filtration nachweisen.

Der Bakteriophage, der während so langer Zeit ge- zwungen war, sich bei der niedrigen Temperatur zu ent- wickeln, hatte sich den veränderten Umständen angepaßt!

In nachstehender Tabelle findet man die Zeiten der Infektion und Reinfektion der Kolben angegeben:

Daten an denen die Kulturen von Coli 88 in Bouillon bei 80 C eingesetzt und übergeimpft wurden.

Eingesetzt Uebergeimpft Eingesetzt Uebergeimpft A 1 12. Januar 14. Januar B 1 12. Januar 14. Januar A 2 14. Bi 23. is B2 14. a 23. j A 3 23. 3 31. R B 3 23. : 31. i A 4 31. 5 7. Februar B 4 31. 3 7. Februar A 5 7. Februar 9. = B5 7. Februar 9. R A 6 5 11. ; B6 9. i 11. x A 7 1L , 14. , B 7 11 , 14. , A 8 14 $ 17. ss B 8 14 3 17. ; A 9 17 a 21. x B9 17 5 21. i A10 21. ,, 24. B10 21 . 24. All 24. z 28. : B11 24. a 28. ji A12 28. x 5. März B12 28. . 5. März A13 5. März 1. April B13 5. März 1. April

Außerdem wurde noch der folgende Versuch ausgeführt. Von dem Inhalt der Kolben A 2 und B 2 ward 0,1 ccm in 10 ccm Bouillon geimpft. welche sich in Kolben von 100 ccm Inhalt befand. Diese Kolben kamen in einen Eisschrank, wo die Temperatur zwischen + und + C schwankte. Nach einem Verbleib von 3 Wochen bei jener Temperatur war der Inhalt beider Kolben trübe, obwohl lange nicht in dem Grade wie eine normale Bouillonkultur. Der Inhalt wurde in der oben beschriebenen Weise auf Bakteriophagen hin untersucht. Es gelang erst nach der 3. Filtration, nachzuweisen, daß sich in jedem der Filtrate ein Bakteriophage befand.

Eine 2. Serie Kolben, welche je 10 cem Bouillon enthielten, waren geimpft mit 0,1 ccm des Inhaltes der Kolben, die bei dieser niedrigen Temperatur gehalten waren. Nach 3 Wochen war der Inhalt nur leicht trübe, aber nach einer weiteren Woche war die Trübung deutlich. In derselben Weise wurde der Inhalt dieser Kolben auf Bakteriophagen hin untersucht. Auch zeigte sich, daß jede der Flüssigkeiten einen Bak- teriophagen enthielt.

Daß sich auch in Kulturen von Coli 88, die sich auf festen Medien bei Temperaturen zwischen + und + 109 C entwickeln, ein Bak- teriophage nachweisen läßt, wurde von mir wie folgt bewiesen. Von dem Inhalt der Kolben A 2, A 3 und A war jedesmal eine kleine Menge auf 3proz. Agar ausgestrichen. Die Röhrchen wurden auf eine Temperatur von + 80 C gebracht. Nach 2—3 Wochen war eine deut- liche Bakterienschicht auf der Oberfläche zu sehen. Diese wurde in eine O,9proz. NaCl-Lösung suspendiert und die Suspension 1 Std. lang bei 580 C erhitzt. Erst nachdem eine Untersuchung gelehrt hatte, daß alle Bakterien in dieser. Suspension durch die Erhitzung getötet waren, wurde sie auf Bakteriophagen untersucht. Zu diesem Zwecke wurde sie in ungefähr 50 ccm Bouillon gebracht und mit einer jungen Kultur von Shiga 1 infiziert. Nach einer Brutzeit von ein- oder zweimal

Flu, Ist Bakteriophagie eine Funktion von Bakterien usw. 15

24 Std. ward der Inhalt der Kolben filtriert und auf Bakteriophagen untersucht, wobei Shiga 1 als Indikator des Bakteriophagen diente. Das Resultat war stets positiv.

Ein Anhänger der Lehre, daß Bakteriophagen normale, gleichsam physiologische Sekretionsprodukte von Bakterien sind, die unter uns unbekannten Umständen eine pathologische Wirkung auf die Bakterien zu entfalten vermögen, würde auch behaupten können, daß die Bakterien die bei 80 C gezüchtet wurden, die Fähigkeit bekommen haben, auch bei jener niedrigen Temperatur das für sie pathogene Sekretionsprodukt zu produzieren. Es wäre mir dann unmöglich, ihm zu beweisen, daß seine Meinung unrichtig ist. Wohl würde man bei einigem Nachdenken zu dem Schluß gelangen müssen, daß dieses Phänomen sich durch die Annahme, daß der Bakteriophage lebt und Parasit der Bakterie ist, viel ungezwungener erklären läßt.

Aus allem geht nämlich hervor, daß der Endzustand, den man in Bakteriophagenkulturen antrifft, das ‚Resultat eines Versuches der Bak- terie einerseits und des Bakteriophagen andererseits ist, in Gleichgewicht. zu kommen. Einerseits die lysogenen Bakterien, die sich, wie zahl- reiche Untersuchungen mich lehrten, gegen den Bakteriophagen wehren, andererseits der Bakteriophage, der sich trotz aller ungünstigen Fak- toren, welche auf ihn einwirken, zu behaupten sucht. |

Gildemeister und Herzberg haben durch ihre Untersuchung nachgewiesen, daß die Bildung des Bakteriophagen aus dem lysogenen Coli 88 bei 150 C ein Minimum hat. Bei 109 C wird er erst nach langer Zeit, frühestens nach 72 Std., gebildet, und bei 809 C ist das Verhältnis für den Bakteriophagen noch ungünstiger. Der lysogene Coli kann sich indessen bei noch niedrigerer Temperatur entwickeln. Ich beobachtete, wie vorstehend schon beschrieben, bei einer Temperatur zwischen + und +6° C noch Wachstum. Auch ist der lysogene Coli 88 mehr oder weniger resistent gegen den Bakteriophagen. Dies zeigt sich u. a. aus der Tatsache, daß eine Bouillonkultur von Coli 88 auch wenn sie reich an Bakteriophagen ist, nicht klar wird, sondern trübe bleibt. Dies kann nicht anders als durch die Annahme erklärt werden, daß Coli-Bakterien in einer solchen Kultur der Wirkung des Bakteriophagen Widerstand geboten haben. Mit anderen Worten, sie haben sich dem Einfluß des Bakteriophagen widersetzen müssen. Als Folge dieses Widerstandes muß bei Wachstum von Coli 88 bei 89 C wenn also der Bakteriophage sich unter noch ungünstigeren Um- ständen befindet, als dies bei 370 C der Fall ist der Bakteriophage schwächer werden. Wir sehen denn auch völlig in Uebereinstimmung mit dieser Anschauung, daß das Filtrat des Kolbens A 3 und B 3 erst nach der dritten Filtration ein positives Resultat erkennen läßt. Der Bakteriophage hat an Virulenz abgenommen, ein schwacher Bakterio- phage hat sich aufs neue dem ihm gebotenen Shiga anpassen und in Virulenz zunehmen müssen, um nachweisbar zu werden.

Es würde doch allzu töricht sein, anzunehmen, daß ein von einer Bakterie produziertes Toxin, eine leblose Materie, also imstande wäre, seine Virulenz zu ändern und sich bald als schwach virulent, bald wieder als stark virulent zu erweisen. Dies würde bedeuten, daß ein Toxin imstande ist, sich Veränderungen der Umgebung anzupassen, und dieses Anpassungsvermögen ist doch gerade eine Eigenschaft des Lebens. -

Es ist wohl möglich, daß eine Bakterie unter bestimmten Umständen viel, unter anderen wenig Toxin produziert; aber es ist doch niemals

16 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 1.

nachgewiesen, daß unter dergleichen Umständen die Virulenz einer gleichen Anzahl Moleküle des Toxins zu- oder abnimmt.

Wohl weiß man, daß die größere oder geringere Giftigkeit eines Bouillonfiltrats auf die größere oder geringere Konzentration des Toxins in einer solchen Bouillon zurückzuführen ist. Nicht also einer Zunahme der Virulenz des Toxins, sondern einer Zunahme der Eigenschaft der Bakterien, viel oder wenig Toxin zu produzieren, muß die Erscheinung der wechselnden Giftigkeit der Filtrate vieler Toxin produzierenden Bakterien zugeschrieben werden, und die Experimente Gildemeisters und Herzbergs zeigen in überzeugender Weise, daß, bei je niedrigeren Temperaturen man Coli 88 züchtet, desto geringer die Mengen ge- bildeter Bakteriophagen sind.

Es ist deshalb absurd, die schwankende Virulenz des Bakterio- phagen. die auch hier noch einmal von mir konstatiert wird, nicht als eine Eigenschaft des Bakteriophagen, sondern als diejenige der Bakterie zu betrachten.

Es zeigt sich also, daß ich mit der von mir befolgten Technik die Beobachtung Gildemeisters und Herzbergs, daß Bakterio- phagen von dem lysogenen Stamm Coli 88 bei Züchtung der Bakterien bei Temperaturen zwischen 89 und 9,59 C nicht gebildet werden, und daß eine bestimmte bakteriophagensterile Kultur durch Züchtung bei 370 C spontan zu Bakteriophagenbildung angeregt werden könne, nicht bestätigen kann.

Meine Untersuchung zeigt, daß eine Kultur von Coli 88 bei 89 C nicht bakteriophagensteril ist, aber daß der Bakteriophage in einer latenten, geschwächten Form darin persistiert.

Durch Anwendung einer Technik, wie ich diese im Obenstehenden beschrieben habe, gelingt es, einen Bakteriophagen stets dann nachzu- weisen, sobald die Coli-Bazillen Gelegenheit haben, sich zu vermehren.

Es war nun für mich vom allergrößten Interesse, zu versuchen. den Coli 88 von dem Bakteriophagen zu reinigen. Ich suchte dies mittels isolierter Kolonien zu erreichen. Von einer jungen Kultur von Coli 88 wurde eine Suspension angelegt und diese so weit verdünnt, daß auf einem Agarröhrchen, welches mit dieser Verdünnung bestrichen wurde, einige gut isolierte Kolonien sich bildeten. Von einer dieser Kolonien ward in derselben Weise eine Suspension gemacht und von dieser wieder Verdünnungen hergestellt, die nach Ausstreichen auf Agarröhrchen wieder isolierte Kolonien hervorrriefen, und so wurde fortgefahren.

Von jeder Kolonie wurde, ehe sie zu einer Suspension verarbeitet ward, ein Teil in Bouillon gebracht, und dieselbe Bouillon außerdem noch mit Shiga 1 reinfiziert. Befanden sich in den Bakterien der Kolonien noch bakteriophagenhaltige Bakterien, dann würde der Bak- teriophage sich auf dem Shiga entwickeln können, und man hätte somit die größte Aussicht, einer vereinzelten Bakterie, die sich noch als imstande erwies, Bakteriophagen produzieren zu können, auf die Spur zu kommen.

Es sollte mir indessen nicht gelingen, eine Kolonie zu erhalten, welche in der Kultur nicht zur Bildung eines Bakteriophagen anregte. Denselben Mißerfolg hatte ich auch mit einem Cholerastamm, nämlich dem Cholera 101, der schon früher von mir beschrieben wurde Auch hier gelang es mir nicht, Vibrionen zu erhalten, die keinen Bakterio-

Michailowsky, Einfluß von Lipoidauflösern auf die Sporenbildung usw. 17

phagen lieferten, trotzdem ich die Kolonien der 40. Isolierung einer Untersuchung auf Bakteriophagen hin unterzog. |

Ich suche noch stets sowohl den Coli 88 Gildemeisters, als meinen Cholera 101 zu reinigen, und werde auch andere Methoden an- wenden, um schließlich zu einer Reinigung zu Kommen.

Ich erachte das Gelingen einer solchen Reinigung von sehr großer Bedeutung, weil erst dann bewiesen sein wird, daß auch bei diesen Bakterien die Eigenschaft, spontan zur Bildung von Bakteriophagen zu führen, auf dem Umstande beruht, daß sie mit Bakteriophagen infi- ziert sind.

Leiden, August 1925.

Nachdruck verboten.

Ueber den Einfluss von Lipoidauflösern auf die Sporen- bildung bei aëroben Bakterien.

[Aus dem Mikrobiologischen Laboratorium des Staatsinstituts für Medi- zinische Wissenschaften in Leningrad (Vorstand Prof. Dr.B.P.Ebert).)

Von Dr. S. Michailowsky.

Dank zahlreichen Untersuchungen sind wir im Besitze einer Reihe von Methoden, die Sporenbildung bei den Bakterien zu unterdrücken bis zur Umwandlung von sporogenen Kulturen in asporogene. Zu diesen Methoden gehören Temperatur, gewisse chemische Reagentien, Züchtung auf verschiedenen Seris usw.

Was aber den Förderungsprozeß der Sporenbildung anbetrifft, der nicht nur ein großes theoretisches Interesse für die Erklärung des Wesens der Sporenbildung selbst, sondern auch für eine ganze Reihe praktisch wichtiger Fragen, wie z. B. Herstellung von Standardvak- zinen von Testobjekten für Desinfektionsversuche usw. bietet, so ist er bis jetzt wenig untersucht worden.

Zur Verstärkung wird vielfach vorgeschlagen, Seidenfäden oder Gipsplatten (Strasburger) oder Karton (Eberle, Reinhold, 1) mit Bakterienemulsion zu durchtränken, wobei die Verstärkung der Sporenbildung bei Austrocknung und freiem Sauerstoffzugang vor sich geht. Taranuchin (2) beobachtete, daß der Zusatz von Eigelb zum Nährboden die Sporenbildung verstärkt. Omeltschenko (3) sah eine Verstärkung der Sporenbildung unter dem Einfluß einer Reihe von Aether- ölen. Fitzgerald (4) hat eine vortreffliche Sporenbildung erhalten, indem er Bakterien auf Nährböden mit Zusatz bis zu 1 Proz. Mannit oder Amygdalin züchtete. Aus seinen Untersuchungen geht hervor, daß die Sporenbildung auch durch Zusatz von Arabinose, Raffinose, Inulin, Dulzit und Isodulzit verstärkt wird. Indessen hält W. Kruse (5) für sehr zweifelhaft, ob es überhaupt Nähr- oder Reiz- stoffe gibt, die zu einer Verstärkung der Sporenbildung führen können. |

Der Zweck vorliegender Arbeit war eine Untersuchung der Bedin- gungen, die imstande wären, die Sporenbildung bei aëroben Bakterien zu beschleunigen oder zu verstärken. Die Untersuchung wurde mit Kulturen von Bac. anthracis-Pferdestamm, mit Milzbrand-Vakzine I u. II (aus dem Leningrader Veterinär-bakteriologischen Laboratorium), mit Bac. subtilis, Bac. megatherium und Bac. mesentericus ausgeführt.

Erste Abt. Orig. Bd. 97. Heft 1. 2

18 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 1.

Unsere speziell für diesen Zweck ausgearbeitete Methodik ist folgende: die Bakterien waren auf Agar in Tartakowskyschen Kolben von !/, Liter Inhalt gezüchtet. Die Impfung selbst wurde mit den- selben Quantitäten gleich dichter Bakterienemulsion obengenannter Stämme ausgeführt, um gleichmäßiges Bakterienwachstum zu erhalten. Die Kulturen wuchsen bei 32—34°. Nach einem bestimmten Zeitraum, je nach der Versuchsanordnung, wurde aus den Kolben das Kondenswasser ausgegossen, die Kolben mit der Agarschicht nach oben umgekippt und auf die untere agarfreie Fläche verschiedene Mengen bestimmter che- mischer Stoffe eingeführt. Hierauf wurden die Kolben mit einem Gummi- pfropfen luftdicht verschlossen und wieder in den Brutschrank gebracht, woselbst die Kulturen unter der Wirkung der Dämpfe chemischer Stoffe bei verschiedenen Konzentrationen, bei Brutschranktemperatur verblieben. Die Kontrolle wurde unter denselben Bedingungen ausgeführt, d. h., das Kondenswasser ausgegossen und die Kolben mit Gummikorken luftdicht geschlossen. Nach verschiedenen Versuchszeiträumen wurden die Kolben geöffnet, aus dem Bakterienrasen der ganzen Agaroberfläche Emul- sionen präpariert und daraus Ausstrichpräparate angefertigt (Doppel- färbung nach Klein).

Zur Verwendung kamen tolgende chemische Stoffe: Haloidderivate der Kohlen- wasserstoffe: Chloroform, Bromoform, Jodoförm; Alkohole: Methyl-, Aethyl-, Propyl-, Amyl- und Allylalkohol; Aldehyde: Formaldehyd; Ketone: Azeton; Säuren: Ameisen- und Essigsäure; Phenole: Karbolsäure, Guajakol; Benzolkohlenwasserstoffe: Beuzol, Xylol. Toluol; Aether: Schwefeläther; Estere: Acthylazetat, Salizylmethyläther ; „ge sättigte Kohlenwasserstoffe: Petroläther; Aetherische Oele: Ter pentin, inöl, mianöl, Anisöl und Kampferöl. Außerdem noch: Schwefelkohlenstoff, a. Wasserstoffsuperoxyd 33proz. und kristallinisches Jod

Die unter gewöhnlichen Verhältnissen gezüchtete Agarkultur wurde dann der Einwirkung von Dämpfen ‘obengenannter Stoffe ausgesetzt. Anfangs waren die Versuche mit 36stünd. Kulturen gemacht. Nimmt man den Milzbrandbazillus, so sieht man, daß in einer solchen Kultur die Zahl der Sporen etwa ein Drittel der Gesamtzahl der bakteriellen Formen ausmacht, wie man sich durch einfaches Nachzählen unter dem Mikroskop ungefähr vergewissern kann. Eine 2mal 24stünd. Kultur ent- hält fast gleiche Mengen von Sporen und Bakterien, während in einer 4—Dmal 24stünd. Kultur das Verhältnis der Sporen zu den Bakterien gleich 5:1 ist. Sogar in dreimonatigen Kulturen sind nicht alle Bazillen in Sporen verwandelt, und man kann in jedem Gesichtsfelde auf Aus- strichpräparaten einzelne Stäbchen beobachten. Es hat sich heraus- gestellt, daß bei Einwirkung einiger der aufgezählten chemischen Stoffe auf eine 36stünd. Agarkultur nicht nur eine verstärkte Sporenbildung im Vergleich mit der Kontrolle, sondern eine Umwandlung aller vege- tativen Formen in Sporen stattfindet. In den Ausstrichpräparaten (Färbung nach Klein mit Nachfärbung mit heißem Methylenblau zum Hervorheben der vegetativen Formen) war das ganze Gesichtsfeld mit gut ausgebildeten Sporen (rot gefärbt) und kleinem Detritus (diffuse blaue Färbung) ausgefüllt. Zwischen dem Detritus waren von Zeit zu Zeit, nicht in jedem Gesichtsfelde, kaum blau gefärbte Schollen von Stäbchen und Schatten ganzer Stäbchen zu sehen. Diese stets sich wieder- holende Erscheinung gab Veranlassung, die unter dem Einfluß dieser Stoffe cintretende Sporenbildung als „vollkommene Sporenbil- dung“ zu bezeichnen. In der Kontrolle, in der die Sporenbildung normal verlief, hat sich nach Ablauf von 2mal 24 Std. nur die Hälfte aller vegetativen Formen in Sporen umgewandelt.

Unsere Versuchsresultate sind aus folgender Tabelle ersichtlich:

Michailowsky, Einfluß von Lipoidauflösern auf die Sporenbildung usw. 19

Tabelle I. Resultate der Einwirkung verschiedener chemischer Stoffe auf die „vollkommene Sporenbildung“ der Bakterien.

Chemische Verbindungen, Dosis

Anmerkungen

Vertreter D. ma

Bac. anthrac.

an y Vakzine 1L

In Kolben mit Zusatz

Chloroform 0,5 und mehr bis +’) + | + | + | + | + ; von 02-05 die Sporen- loidderi- zur Sättigung _ zahl mehr als ted.Koh-J|Bromoform 0,1 und mehr bis! + | + | + | + | + | + 0,05—0,1 lin der Kontr. n Wasser - zur Sättigung | | | Jodoform MAN site).

Methylalkoh. 0,05 —5,0 | | | | | | (Die Anzahl der Sporen mehr

Aethylalkoh. 0,05 —5,0 —|—|—|—|— | als in der Kontrolle Lohc Propylalkoh. 0,05—5,0

Result. nichtimmer die gleich.:

Amylalkohol 1,0—3,0 +) +! + Häuf. vollkommene Sporen-

Allylalkohol 0,3—3,0 | £!+ bild., selt. in Ausstrichpräp.

einzelne Stäbchen Lands JlFormalde- (0,01 und mehr bis | | | | | | Die Zahl der Sporen weniger E hyd 35 Proz.| zur Sättigung als in der Kontrolle, viele Stäbchen im Involutions- stadium | 3,0—5,0 +++. . | + | Einige Sporen blau gefärbt

Ameisensäure 0,01—0,3 ee (Url \Viele Stäbchen im Involu-

Essigsäure 0,01—1,0 |—|—|. | tionsstadium, selteneSporen

nn 0,01 = mehr bs! | | | . . | up

üssig zur Bättigung gl. Guajacol 0,01 und mehr bis | | | . í 5 zur Sättigung 0,5—2,0 +| +| +| +| +| + ||Bei Dosen weniger als 0,5 0,5—2,0 +++ +++ und mehr als 2,0 keine voll- 0,5—2,0 +++ ++ |+ kommene Sporenbildung 0,1—0,75 |+| +]. Bei Dosen mehr als 0,75 cem latzten die Kolben zuweilen, i Dosen weniger als0,75cem vollkommene Sporenbild. 0,3—1,0 SEAE: 0,3—1,0 + |. + | + | + ‚1 und mehr bis) | | lätherı zur Sättigung 0,1 und mehr bis + | + | + | + | + | + zur Sättigung Dosen weniger als niedere t. de- 0,3 und mehr bis + | + | + | + + Grenze geben eine größere zur Sättigung | ee als in der 5 und mehr bis + | + | +|. i+ ontrolle zur Sättigung I. Anisi (0,1 und mehr bis | | |, sihn zur Sättigung |

Pr, und mehr bis! | | |. ; à

rae 20proz. | zur Sättigung | |

1) Das Zeichen (+) bedeutet eine vollkommene Sporenbildung. 2) Das Zeichen (—-) bedeutet A t von vollkommener Sporenbildung. 3) Das Zeichen (+) bedeutet ein schwankendes Resultat, 4) Da, wo ein . steht, war kein Versuch angestellt.

9+

20 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 1.

Chemische Verbindungen, Dosis __ Bakterienart HHE f 3189/25 lge 5 Anmerkunge a Vertreter Menge auf g à = EE E a E A n ngen ruppen x B s X s S FE S Q a PAPAA JE Schwefel- 0,1—0,3 + |+/]+/l. |... | Resultat inkonstant, einze kohlenstoff | | Stäbchen im Involutio | | | stadium | Amm. wäss. 0,05- 0,1 | | | . . . . | Sporen weniger als in d. K: ro. Lös. spezif. | | | trolle, Stäbchen im Dege ss Gew. 0,910 | | rations- u. Involutionsst Wasserstoff- 0,1—1,0 |-|— Bei Dosen mehr als 1,0 « ee | | platzten die Kolben proz. | | i | Krystallini- 0,01—02 | | ur ae Sporen weniger als in | | | ontrolle

|8 es Jod

S Aus der Tabelle ist zu ersehen, daß unter dem Einfluß bestimmter

. Dampfmengen von Chloroform, Bromoform, Amylalkohol, Allylalkohol,

Azeton, Benzol, Xylol, Toluol, Petroläther, Aethylazetat, Terpentin de- purat., ol. Pini und ol. Thymi eine vollkommene Sporenbildung statt- findet; die übrigen Stoffe üben entweder keinen Einfluß auf die Sporen- bildung aus oder unterdrücken sie, indem sie eine Auflösung und In- volution der vegetativen Formen hervorrufen.

Alle angewandten Stoffe gehören mehr oder weniger zu den bakteri- ziden Mitteln. Wie wir ersehen, üben verschiedene einzelne Repräsen- tanten einer und derselben chemischen Gruppe, und ebenso die Verbin- dungen, die chemisch absolut nicht verwandt sind, dieselbe Wirkung auf die Sporenbildung aus. Daher nehmen wir an, daß die Ursache einer solchen elektiven Einwirkung dieser Stoffe auf die Sporenbildung nicht in ihrer schädlichen Wirkung auf die Bakterien liegt, sondern in der Eigenschaft, die sie untereinander nähert, Fette, Oele und Wachse in Lösung zu bringen. Aus der Chemie und einer speziellen Arbeit von Hans Wolff (6) wissen wir, daß alle Stoffe, die eine vollkommene Sporenbildung hervorrufen, zu den Lipoidlösern gehören. Man ist aber nicht berechtigt, umgekehrt zu sagen, daß alle Lipoidlöser eine voll- kommene Sporenbildung bewerkstelligen. Aus der Tabelle sieht man, daB Stoffe, wie Formaldehyd, Ammoniak, Jod, Karbolsäure, die eben- falls zu den Lipoidlösern gehören, dabei aber keine vollkommene Sporen- bildung, sondern umgekehrt Auflösung und Zerfall von vegetativen Formen hervorrufen. Die Erklärung dieses Umstands müssen wir in den vernichtenden Eigenschaften dieser Stoffe auf das lebende Proto- plasma suchen. Da diese Stoffe dank ihrer lipoidlösenden Einwirkung leicht durch die Bakterienhüllen eindringen, wirken sie umsomehr ver- nichtend auf die Bakterien, als sie den lebenswichtigen Eiweißteil der Zellen zerstören.

Eine ganz besondere Stelle nehmen die niederen Alkohole, sowie der Schwefeläther ein. Obwohl die niederen Alkohole zu den Lipoid- lösern gezählt werden, ist das Tripalmitin sogar im siedenden Aethyl- alkohol wenig löslich; das Tristearin ist in starkem heißem Alkohol löslich, scheidet sich aber nach Abkühlung fast gänzlich aus; Triolein ist, in schwachem Alkohol unlöslich; Wachs ist in kaltem Alkohol auch fast unlöslich [N.N, Ljubawin (7)]. Infolgedessen müssen wir in den

Michailowsky, Einfluß von Lipoidauflösern auf die Sporenbildung usw. 2]

Versuchen, wo man kleine Mengen von Alkoholen im kalten Zustande anwendet, darauf achten, daß niedere Alkohole, speziell Aethylalkohol, nicht imstande sind, die Lipoide der Bakterien zu lösen und dadurch die Sporenbildung zu befördern. Was nun den Schwefeläther anbelangt, so waren die Versuchsresultate nicht konstant, da die Kolben im Brut- schrank explodierten, sobald die zugefügte Aethermenge mehr als 0,75 ccm ausmachte. Zuweilen gelang es, bei Mengen von weniger als 0,75 ccm eine vollkommene Sporenbildung zu erhalten, zuweilen glich unter diesen Bedingungen die Sporenbildung der Kontrolle.

Auf diese Weise tritt unter dem Einfluß einer ganzen Reihe von Lipoidlösern, die zu verschiedenen chemischen Gruppen gehören, dabei aber auf den Eiweißbestandteil der Zelle keine zerstörende Wirkung ausüben, eine vollkommene Sporenbildung ein.

Die Menge des zugesetzten Stoffes, d. h. die Konzentration der auf die Kultur einwirkenden Dämpfe ist von wesentlicher Bedeutung. Es wurden auf einen Kolben Mengen von 0,01 ccm an und mehr bis zu der Grenze genommen, bei der nicht die ganze Menge des zugescetzten Stoffes verdampft, d. h. bis zur Sättigungsgrenze. Dabei wurde ge- funden, daß für die vollkommene Sporenbildung eine bestimmte mini- male Konzentration, verschieden für die verschiedenen Stoffe und abhängig von der Art und Rasse der Bakterien, erforderlich ist. Diese mittlere minimale Dosis ist in der Tabelle angegeben, bei kleineren Dosen tritt keine vollkommene Sporenbildung ein, größere geben eine Beschleunigung der vollkommenen Sporenbildung. Für: einige Stoffe, wie Benzol, Xylol, Toluol, Azeton, gibt es auch eine höchste Kon- zentrationsgrenze, wo eine vollkommene Sporenbildung eintreten kann. Besonders schnell tritt sie unter Einwirkung von minimalen Quanti- täten Chloroform, Bromoform, Terpentin depur. und Ol. pini ein.

Die oben angeführte Tabelle bezicht sich auf Versuche mit einer 36stünd. Agarkultur. Lassen wir aber die erwähnten Stoffe, die im- stande sind, eine vollkommene Sporenbildung hervorzurufen, auf jüngere Kulturen, etwa bis 24stünd. Wachstum einwirken, so ändern sich die Resultate bedeutend: es entsteht keine Sporenbildung, sondern eine Auflösung und Vernichtung der Mikroben. Nur von 24stünd. Kulturen an, noch besser von 36stünd. an, je nach den Besonderheiten der Mikrobenart, tritt unter dem Einfluß der genannten Stoffe eine voll- kommene Sporenbildung ein.

Es ist augenscheinlich eine bestimmte Reife der Kulturen not- wendig, um sie für die Sporenbildung geeignet zu machen. Daß hier weder der Mangel an Nährstoff, noch die Anhäufung im Agar von Stoff- wechselprodukten der Bakterien eine Rolle spielt, kann man daraus schließen, daß die Kolonien sich weiter entwickeln und eine noch große Menge von Stäbchenformen nach 4mal 24 und 5mal 24 Std. beobachtet wird. Daß die Sporenbildung nicht vom Mangel des Nährstofts ab- ` hängt, geht aus einer Arbeit von A. Gärtner (8) hervor, ın der nachgewiesen ist, daß die Sporenbildung beim Bac. anthracis umso erfolgreicher vor sich geht, je besser das Bakterienwachstum und je reicher der Nährboden an Eiweiß ist.

In den Nährböden bei unseren Versuchen blieb nach 24—36stünd. Wachstum der Bakterien noch genügend Nährstoff zur weiteren Bil- ‘dung von Kolonien, d. h. die Konzentration der Stotfewchselprodukte ist noch weit von der Sättigungsgrenze entfernt. Indessen häufen die Bakterien, von diesem Alter an, anscneinend schon den Komplex von

22 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 1.

Stoffen, die notwendig sind zum Aufbau der künftigen Spore, als End- ziel des Entwickelungszyklus, und sind nun imstande, unter dem Ein- fluß der genannten Stoffe, alle Stäbchen in Sporen überzuführen.

Die zur Verwandlung der vegetativen Formen in Sporen nötige Zeit wird bei dem beschriebenen Versuchsverfahren wesentlich abge- kürzt. In der klassischen Schilderung von R. Koch (9), der den Vorgang der Sporenbildung beim Milzbrandbazillus im hängenden Tropfen der Flüssigkeit der vorderen Augenkammer mit Zusatz bak- terienenthaltenden Milzgewebes beobachtete, finden wir folgendes: ein gut entwickelter Bakterienfaden, der mehrere Gesichtsfelder lang war, erschien schon nach 10—15 Std. fein granuliert und bildete nach weiterem Verlauf einiger Zeit stark lichtbrechende eiförmige Sporen, bis schließ- lich die an den Enden zerbröckelnden Fäden zerfielen und die Sporen nun frei wurden.

Fischoeder (10) beobachtete eine Sporenbildung in Bouillon bei 370 C nach 10 Std., im Serum nach 24 Std.

Bei Einwirkung der erwähnten Stoffe auf eine 36stünd. Milz- brandkultur trat eine vollkommene Sporenbildung innerhalb 5—6 Stunden ein. |

Dazu ist zu bemerken, daß die Sporenbildung unter Ausschluß des freien Zutritts von Sauerstoff stattfand, da nach dem Zusatz der er- wähnten Reagentien der Wattekork durch einen Gummikork ersetzt wurde, wodurch die Kolben luftdicht verschlossen wurden und die im Kolbeu zurückgebliebene Sauerstoffmenge für die Sporenbildung aus- reichte. Dies steht im Einklang mit der Arbeit von Kuylen- stierna (11), der bei einem Luftdruck von 200 mm Hg dieselbe Sporenbildung wie bei normalem Druck auftreten sah, bei 150 mm war die Sporenbildung dürftig und. unter 200 Proben bei einem Vakuum von 2—4 mm Hg trat letztere 4mal ein. Daraus folgt, daß für den Eintritt der Sporenbildung fast 1/, des normalen Partialdruckes des Sauerstoffs vollständig ausreicht. |

Eine beschleunigte Sporenbildung beobachtet man auch dann, wenn nach 1stünd. Einwirkung der Dämpfe die Gummikorken mit Watte- korken ersetzt wurden. Somit ist eine dauernde Einwirkung von Dämpfen der genannten Stoffe für die vollkommene Sporenbildung nicht notwendig.

Außer dem erregenden Einfluß auf die Sporenbildung entfalten die erwähnten Stoffe noch eine verstärkende Wirkung, indem sie den Uebergang aller vegetativen Formen in Sporen begünstigen. Mit anderen Worten, die Menge der sich unter dem Einfluß von Dämpfen der Lipoidflüssigkeit bildenden Sporen ist absolut größer als in der Kontrolle. Eine Reihe von gleichartigen Kolben wurde mit einer Milzbrand- emulsion von einer bestimmten Dichte geimpft. Nach 36stünd. Wachs- tum wurde ein Teil dieser Kulturen der Einwirkung von Chloroform und Terpentin ausgesetzt. Nach 18 Std., d. h. 54 Std. nach Beginn des Versuchs, wurde in jedem Kolben mittels gleicher Mengen von physio- logischer Kochsalzlösung eine Emulsion der ausgewachsenen Bakterien gemacht. Die erhaltenen Emulsionen wurden bis zu 80°C während b Min., zur Abtötung aller vegetativen Formen, erwärmt und mit genau gleichen Mengen solcher durchwärmter gleichmäßiger Emulsion in Petri-Schalen geimpft. Nach 24stünd. Aufenthalt im Brutschrank wurden alle ausgewachsenen Kolonien gezählt. Dabei stellte sich heraus, daß in den Kulturen, die der Einwirkung von Chloroform

Michailowsky, Einfluß von Lipoidauflösern auf die Sporenbildung usw. 93

und Terpentinöl ausgesetzt waren, die Zahl der auf den Petri- Schalen ausgewachsenen Kolonien durchschnittlich um 80 Proz. größer war, als in der Kontrolle. Das kann so erklärt werden, daß zur Zeit, als _ die Impfung der Petri-Schalen ausgeführt wurde, d. h. nach 54 Std. vom Anfang des Versuchs, in der Kontrolle durchschnittlich in einer Einheit des Volumens die Sporenbildung nur soweit vorgeschritten war, daß die Zahl der Stäbchen und der Sporen fast gleich war und nach 5 Min. Durchwärmung bei 800 C die vegetativen Formen alle zugrunde gingen und nur die Sporen imstande waren, auf den Petri-Schalen ein Wachstum zu geben. In den Kolben aber, die unter dem Einfluß von Chloroform und Terpentin standen, sind alle bakteriellen Formen in Sporen übergegangen, die Menge der Sporen war fast doppelt so groß, als in der Kontrolle, und infolgedessen war auch die Zahl der ausgewach- senen Kolonien fast zweimal.so groß, als in der Kontrolle.

Auf diese Weise findet unter dem Einfluß der Lipoidlösung eine wirklich verstärkte Umwandlung der vegetativen Formen in Sporen statt, und die Menge der Sporen in den Kulturen, die dem Einfluß der Dämpfe der Lipoidlösung ausgesetzt waren, entspricht der Summe der Zahlen der vegetativen Formen und der Sporen in der Kontrolle.

Die Resistenz der unter diesen Versuchsbedingungen gebildeten Sporen wurde mittels Antiformin untersucht, das zur Gewinnung einer gleichmäßigen Emulsion von Milzbrandsporen angewandt wurde, da die vom Agar abgeschwemmten Kulturen keine gleichmäßige fümulsion gaben infolge der Anwesenheit von Schleim und Eiweißdetritus. Anderer- seits begünstigte das Antiformin im Verhältnis zur Emulsion 2:5 eine Auflösung der Stäbchenformen und damit die Anfertigung von reinen Sporenemulsionen. Es hat sich herausgestellt, daB die Resistenz der Sporen, die unter dem Einfluß der Lipoidlösungen gewonnen wurden, der der Kontrolle gleich war. |

Was nun die Virulenz der Sporen, die unter dem EinfluB der Lipoidlösung erhalten wurden, anbetrifft, so haben die Versuche mit der Milzbrandvakzine II an Kaninchen und Meerschweinchen bewiesen, wie es Verfasser (12) auf dem ersten Kongreß der Veterinär-Bakterio- logen 1912 gezeigt hat, daß die Virulenz der Sporen in der Vakzine II, gezüchtet unter normalen Bedingungen und in den Bedingungen des er- wähnten Versuchs (Anwendung von Chloroform), immer gleich blieb: Meerschweinchen gingen nach ein und derselben Dosis zugrunde, Kanin- chen überlebten.

Die angeführte Art der Sporentreibung ist von großem praktischen Wert für die Gewinnung von Standardvakzinen und Testobjekten für Desinfektionsversuche. |

Die von uns beobachteten Tatsachen erlauben, einige allgemeine Betrachtungen über den Mechanismus und das Wesen des Sporen- bildungsvorgangs selbst anzuknüpfen!). Da weder die Aufzehrung des Nährmaterials, noch die Anhäufung der Stoffwechselprodukte in den

1) Nebenbei sei bemerkt, daß in unserem Laboratorium von Dr. Gorodkowa angestellte Vorversuche über die Wirkung der Lipoidlöser auf die Sporenbildung bei Hefen und Aktinomyzeten keine Resultate, analog der Wirkung der Lipoidlöser auf Bakterien, ergeben haben.

Die Wirkung der Lipoidlöser als Stimulanten der vitalen Prozesse auf ganz anderem Gebiete, wurde von Reinke (13) und Askanazy (14, 15) beobachtet. Letztere haben die reizende Wirkung von Aether auf die Entwicklung sämtlicher Embryonalgewebe konstatiert.

. 24 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 1.

Bedingungen unserer Versuche einen entscheidenden Einfluß auf den Eintriti der Sporenbildung gezeigt haben, und da die Sporenbildung unter dem Einfluß der Dämpfe der Lipoidlöser stattgefunden hat, so ist man berechtigt, den Schluß zu ziehen, daß im Bakterienleibe eine ge- nügende Anhäufung solcher Stoffe, die der Einwirkung von Lipoidlösern zugänglich sind, d. h. Stoffe, die zur Klasse der Lipoide gehören, vor sich geht. Dies findet eine Bestätigung auch darin, daß die Lipoid- lösungen, die auf eine junge Kultur einwirken, die Vernichtung der Mikroben, aber nicht der Sporenbildung zur Folge haben, wenn im Körper eines jungen Bakteriumindividuums noch nicht genügend Material, aus welchem die Spore sich bildet, vorhanden ist; der Prozeß der Kultur- reifung in bezug auf Sporenbildung besteht augenscheinlich in der An- u im Bakterienkörper der zum Aufbau der Sporen notwendigen ipoide.

Im Zusammenhang damit steht eine Anzahl von Arbeiten von A. Meyer (16, 17) und seiner Schüler, besonders von Arn. Grimme (18, 19), ebenso von Arbeiten von Eisenberg (20, 21), die gezeigt haben, daß einige sporenbildende Bakterien vor der Sporenbildung Fett als Reservestoff anhäufen, und daß dieses Fett nach der Sporenbildung verschwindet.

Unter den Bakterien, mit welchen vorliegende Arbeit ausgeführt wurde, ist die Anwesenheit von Fett nur bei Bac. anthracis und Bac. megatherium konstatiert worden, während bei Bac. subtilis kein Fett entdeckt werden konnte. Das Fett wird im Bakterienkörper in Form von Schollen abgelagert und durch spezielle Färbemethoden nachgewiesen. Aber das Fett, über welches die Schule von Arth. Meyer berichtet, d. h. in Schollenform, befindet sich nach Aschoff im Zustande der Dekomposition. Dieses Fett, das nach A. Meyer als Reservestoff dient, ist nicht mit lebenswichtigen Lipoiden zu identifi- zieren, da die letzteren in der Struktur der lebenden Zellen einge- schlossen sind und wie alle plastischen organischen Stoffe in dem bio- kolloidalen und nicht in dem Aggregatzustande sich befinden müssen. Daraus folgt, daß, obwohl die Fettanhäufung im Bakterienleibe des Bac. anthracis und Bac. megatherium bewiesen ist, jedoch die Li- poidlöser bei unseren Versuchen nicht auf dieses, sozusagen tote Fett ein- wirken, sondern auf das lebende kolloidale, dessen Vorhandensein wir nicht nur im Bac. anthracis und Bac. megatherium, sondern “auch im Bac. subtilis und Bac. mesentericus und anderen sporen- bildenden aöroben Bakterien, annehmen müssen. Sobald solche an- gehäuft sind, gibt die Einwirkung von Lipoidlösungen, die eine Affinität zu Lipoiden besitzen und mehr oder weniger indifferent zu Eiweiß- stoffen, Kohlenwasserstoffen und anderen Zellbestandteilen sind, einen Anstoß zum Eintritt einer schnellen und vollkommenen Sporenbildung. Daraus erk'ärt sich das Wesen des Sporenbildungsprozesses bei aëroben Bakterienarten.

Literatur.

1) Eberle, Reinhold, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Ref. Bd. 43. S. 702. 2) Taranuchin, Russ. Arch. d. Pathol. Bd. 6. 3) Omeltschenko, Centralbl. f. Bakt. Bd. 9. Nr. 25. 4) Fitzgerald, Journ. of Pathol. a. Bact. Vol. 15. 1910. Nr. 2. 5) W. Kruse, Allgemeine Mikrobiologie. Leipzig 1910. Kap. IX. $ 39. S. 137—133. 6) Wolff, H., Chemiker-Kalender. 1923.— 7) Ljubawin, N. N.. Technische Chemie. Bd. 6. S. 652 [russ.], 656, 668, 822. 8) Gaertner, A, Festschrift z. 60. Geburtstag v. Robert Koch. 9) R. Koch, Gesammelte

Hoen, Zur Frage über die Bedingungen der An- u. Aëérobiose d. Bakterien. 25

Werke. Bd. 1. Leipzig 1912. 8. 10—11. 10) Fischoeder, F., Centralbl. f. Bakt. Abt. 1. Orig. Bd. 51. 1909. H. 4 11) Kuylenstierna, K. G., Ref. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Ref. Bd. 34. S. 57. 12) Michailowsky, S. M., Arbeiten d. Kongr. f. Bakt. im Vet.-Labarat. des Minister. d. Inn. Lief. 1. 1912 [russisch]. 13) Reinke , Arch. f. Entwicklungsmech. Bd. 23. u. 26. 14) Askanazy, Wien. med. Wochenschr. 1909. Nr. 43—44. 15) Derselbe, Dtsche Pathol. Gesellsch. 1906. S. 111; 1907. S. 11. 16) Meyer, A., Flora. Bd. 86. 1899. Derselbe, Die Zelle der Bakterien. Jena 1912. 18) Grimm, Arn., Centralbl. f. Bakt. Abt. 1. Bd. 32. 1902. 19) Derselbe, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 36. 1904. 20) Eisenberg, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 48. 1909, und Bd. 51. 1909.

Nachdruck verboten.

Zur Frage über die Bedingungen der An- und Aërobiose der Bakterien.

Von E. Hoen, Privatdozent an der medizinischen Hochschule in Odessa.

Nach den Angaben von Chudiakow und I. Porodko schwankt die Anpassungsfähigkeit der Mikroorganismen an Sauerstoff in breiten Grenzen. So z. B. entwickeln sich solche Aöroben wie Bac. subtilis, Aspergillus niger und Penicillium glaucum noch bei 5 mm Sauerstoffdruck. Dagegen entwickelt sich ein so absoluter Anaërobe, wie Bac. tetani gut noch bei 20 mm Sauerstoffdruck.

Auf diese Weise ist der Begriff von An- und Aërobiose der Bak- terien ein relativer, und im Grunde existiert kein prinzipieller Unter- schied zwischen ihnen.

Aber ein Optimum des Bedürfnisses an Sauerstoff besteht bei ihnen immerhin, was von Beijerinck in folgendem, von ihm aufgestellten Versuch demonstriert worden ist:

Wenn man einige Tropfen von Nähragar oder Nährgelatine, die mit einer kleinen - Menge irgendwelcher beweglicher Bazillen beimpft sind, auf den Boden eines Probier- lases bringt und sie nach Erkalten des Agars oder der Gelatine mit sterilisiertem asser oder einer sterilisierten Agarwasserlösung (1: 1000) überschichtet, so beobachtet man folgendes: Zunächst entwickelt sich dicht am Boden neben den Nährstoffen eine bakteriellle Trübung, welche sich allmählich hebt und schließlich auf irgendeinem Niveau, in Form einer dünnen, innerhalb der Flüssigkeit schwebenden Bakterienplatte stehen bleibt. Nach Ansicht von Beijerinck sind dort, wo die Platte stehen bleibt, die besten Wechselbeziehungen der Konzentration des von unten steigenden Stromes der Nährflüssigkeit mit der von oben diffundierenden Sauerstoffluft.

Bei Vergrößerung der Menge der Nührsubstanz am Boden des Probierglases hebt sich die Bakterienplatte auf ein höheres Niveau; ebenso kann man beim Ersetzen der Luft durch Wasserstoff oder reinen Sauerstoff das Steigen oder Sinken der Platte beobachten. Auf diese Weise zeigt sich, daß die Bakterienplatte leicht beweglich ist, und daß ihre Lage auf dem einen oder dem anderen Niveau von der Menge des Nährstoffes und von dem Sauerstoffpartialdruck abhängt.

Beijerinck und Miodowsky zeigen die Möglichkeit einer Bildung von

mehreren Schichten innerhalb der Flüssigkeit. Lehmann und Curschod geben aut Grund ihrer eigenen Untersuchungen an, daß mit Zunahme des Nährstoffes sich auch das spezifische Gewicht der Flüssigkeit vergrößert, was das Aufsteigen der Platte befördert. Beide Verff. haben auch eine Ausmessung der Nährstoffmenge über der Platten pret wobei sich ergab, daB über der Platte eine 80 geringe Menge von Nährstoff sich befindet, daß es ganz begreiflich wird, warum die Bakterien sich nicht bis zur Oberfläche heben. Durch Ueberschichten dieser Kultur mit Oel wird nach denselben Autoren ein rasches Aufsteigen der Platte erzielt, was die Bedeutung

26 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 1.

des Sauerstoffes noch mehr bestätigt. Dabei aber wird die Frage nicht erörtert, warum bei mangelhaftem Gehalt an Sauerstoff die Platte bei ihrem Aufstieg nach oben dennoch eine genügende Menge von Nährstoff dort vorfindet.

Die sich bildenden Platten sind sehr dünn, was auf ein streng spezifisches Ver- hältnis der Bakterien zu einem bestimmten Partialdruck des Sauerstoïfes hinweist.

Nach Beijerinck, Lehmann und Curschod hängen die Bedingungen, unter welchen sich die betreffenden Platten bilden, und ihre Lage auf einem höheren oder niedrigeren Niveau 1) von der Beweglichkeit der Bakterien ab (denn ohne Eigen- a A sind derartige Niveaus undenkbar nn und Curschod]), 2) von der Dichtigkeit der Substanz (dieselbe muß flüssig oder halbflüssig sein, so daß die freie Bewegung der Bakterien nicht gestört = 3) von der Konzentration des Nährstoffes, und 4) von der Konzentration des gelösten Sauerstoffes. Auf diese Weise bilden die Bakterienplatten ein sehr bequemes Objekt zur Erforschung des Verhält- nisses der Konzentration der Nährstoffe zum Sauerstoffbedürfnis der Bakterien, indem sie die eine oder die andere Lage annehmen, welche von der Konzentration der Nähr- stoffe und derjenigen des Sauerstoffes abhängt. Dieses Verfahren hat den Vorzug, das die Platte fixiert ist.

Die Bildung einer Platte auf einem festen Nährboden, nach den Angaben von Beijerinck und anderen Autoren, scheint zunächst doch unmöglich zu sein, da die Bedingung der Eigenbewegung der Bakterien obligatorisch ist. Jedoch bildet sich nach unserem Verfahren auf 11/,proz. Nähragar eine Platte, ohne von der Beweglichkeit oder der Unbeweglichkeit der Bakterien abzuhängen.

Wir erlangten die Bakterienplatten auf folgende Weise: wir stellten einen 11/,proz. Agar an, der im Verhältnis zum gewöhnlichen Nähr- agar nur eine geringe Menge von Nährstoffen enthielt, und zwar mit einem Gehalt an Bouillon, der 10 bis 100mal geringer war, als bei einem gewöhnlichen Nähragar. Dieser Agar wurde in Probiergläser gegossen und in der üblichen Weise sterilisiert. Zum Beimpfen der Kultur wird der Agar in einem Wasserbad gelöst und danach bei 48—50° mit der Kultur so besät, daß die Bakterien gleichmäßig in der ganzen Masse des Agars verteilt sind. Dann läßt man den Agar bei senkrechter Lage des Probierglases erkalten.

Bald darauf, mit Beginn des Wachstums, kann man folgendes be- obachten: wenn der Agar in seiner ganzen Schicht besät war, so be- merkt man das Wachstum nicht in der ganzen Masse des Probier- glases, sondern nur auf einem gewissen Niveau, in Form einer Platte, die 0,5 bis 1 mm dick und von unten scharf begrenzt war; von oben war die Grenze weniger scharf und ging allmählich in eine Schicht vollständig reinen Nähragars über, die ganz frei vom Wachstum war. Nach einigen Tagen, nach Beendigung der Entwicklung der betreffenden Platte, bildete sich von unten, in einer gewissen Entfernung von der ersten, eine zweite Platte, während die Agarschicht zwischen der ersten und zweiten Platte vollständig rein blieb. Nach Beendigung der Ent- wicklung der 2. Platte entwickelte sich unter ihr eine dritte usw. In einigen Fällen ist es uns gelungen, die Bildung von 21 Platten zu be- obachten. |

Besonders klar wurde uns der Prozeß der Entstehung der Bakterien- platten, als wir in den verflüssigten Nähragar eine sehr verdünnte Bakterienemulsion einsäten, um die Entwicklung einzelner Kolonien zu ermöglichen. In diesem Falle entwickeln sich die einzelnen Kolo- nien fast zu gleicher Zeit in der ganzen Schicht des Agars, mit Aus- nahme einer gewissen Entfernung von seiner Oberfläche. Nach einigen Tagen wurde folgendes beobachtet: Die Kolonie, die sich auf dem Niveau befindet, das demjenigen entspricht, auf welchem sich die Platte bei dichter Beimpfung entwickelt, fängt an, sich stark zu entwickeln,

Hoen, Zur Frage über die Bedingungen der An- u. Aëérobiose d. Bakterien. 27

dehnt sich streng parallel zur Oberfläche des Agars aus und bildet in kurzer Zeit eine feine Scheibe.

Bald darauf bleiben alle Kolonien, die sich unterhalb der betreffenden Kolonie gebildet haben, in ihrer Entwicklung stehen, bis das Wachs- tum der oberen Platte aufgehört hat. Gleich darauf fängt die nächste tiefer liegende Kolonie sich zu entwickeln an; sie dehnt sich auch, eine zweite Scheibe bildend, sehr rasch nach allen Seiten aus.

Bei größerem Reichtum der Substanz an Nährstoffen geht die Entwicklung der ersten Platte näher der Oberfläche vor sich; bei noch größerem Reichtum an Nährstoffen entwickeln sich die Bakterien. bereits auf der Oberfläche des Agars.

Auf diese Weise zeigt uns der vorstehende Versuch in anschau- licher Form, daß mit der Vergrößerung der Nährstoffmenge auch das Bedürfnis der Bakterien nach Sauerstoff sich vergrößert.

Die Bildung der Platten auf festem Nährboden blieb bis jetzt unbe- merkt, da zur Kultivierung der Bakterien fast ausschließlich voll- wertiger Nähragar verwendet wurde, auf dem ausschließlich nur das oberflächliche und kompakte Wachstum der Bakterien zur Beobach- tung kam.

Wie schon gesagt, ist die Bakterienplatte nach unten scharf abge- grenzt, hat dagegen nach oben einen mehr ausgedehnten Charakter; dieses Auseinanderfließen aber dehnt sich nur höchstens bis auf 1 mm aus; darüber ist der Agar vollständig klar.

Beim Beobachten der Entwicklung dieser Platten fällt das streng spezifische Verhältnis der verschiedensten Bakterienarten zum Sauer- stoff auf. In dieser Hinsicht untersuchten wir aus dem Wasser isolierte Bakterienkulturen, reine Wasserbakterien und auch verschiedene patho- gene Bakterien, wie: Bac. typhi abd., Bac. paratyphi A und B; Bac. enteritidis Gärtner, Bac. coli, Bac. Flexner, Bac. pyocyaneusu. a. m.

Wir sehen also, daß die Bildung von Platten in festem Nähr- boden sich mit derselben Genauigkeit vollzieht, wie in flüssigen Kul- turen und, was von großer Wichtigkeit ist, daß die Entwicklung der Kultur nur an einem bestimmten Orte geschieht, dort, wo der Partial- druck des Sauerstoffs streng dem Bedürfnis nach Sauerstoff der be- treffenden Kultur bei entsprechenden Nahrungsverhältnissen entspricht. Wenn daher Lehmann und Curschod es bewunderungswürdig fanden, daß die Platte bei flüssigen Kulturen so dünn erscheint, so ist die Entstehung der Platte in festem Nährboden noch viel staunenswerter.

Als Nährmaterial benutzen wir eine ‘Bouillon von folgenden Be- standteilen: Liebig-Extrakt 1 Proz., Witte-Pepton 1 Proz.

Die Bouillon wurde in steigenden Portionen dem 11/,proz. Agar bei solcher Berechnung zugeführt, daß die Gesamtmenge des Agars 10 ccm bildete.

Die folgende Tabelle zeigt das Niveau der Entwicklung der ersten Platte in Abhängigkeit von der Menge des Nährmaterials.. Zum Be- impfen wurde eine aus reinem Wasser der Wasserleitung genommene Bakterienkultur genommen.

Die Bouillonmenge betrug:

28 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 1.

Auf 10 ccm der Substanz: Wachstum: 0,0 ccm kein Wachstum Eine Platte bildete sich in einer Entfernung von:

0,01 9,7 mm von der Oberfläche

» » » » 0,5 >) 2,2 » » n

10 13 » » >

25. Es trat Wachstum auf der Oberfläche selbst ein

Dieses Experiment zeigt uns also, daß mit Vergrößerung der Bouillonmenge die Entwicklung der ersten Platte immer näher der Oberfläche geschieht.

Da die Konzentration der Substanz sich hauptsächlich als Konzen- tration des Nährstoffes und nicht des Salzes ergibt, so kann man daraus den Schluß ziehen, daß, je mehr Nährstoffe wir den Bakterien bieten, um so größer wird ihr Bedürfnis nach Sauerstoff beim Ausnutzen der. Nährstoffe zu ihrer Entwicklung. Die Salzkonzentration wirkt aber "immerhin auf das Niveau der Plattenlage. So z. B. bildet sich, als die Nährsubstanz 0,15 Proz. NaCl enthielt, die Platte in einer Ent- fernung von 2 mm von der Oberfläche, dagegen beim Gehalt von 0,3 Proz. NaCl in einer Entfernung von 1,7 mm von der Oberfläche. In einem anderen Falle, mit einer anderen Kultur, bei einem Gehalt der Nähr- substanz von 0,1 Proz. NaCl entwickelt sich die Platte in einer Ent- fernung von 3,5 mm von der Oberfläche; bei einem Gehalt von 0,3 Proz. NaCl in einer Entfernung von 2,8 mm von der Oberfläche.

Es scheint uns klar, daß die tiefere oder oberflächlichere Lage der Platte nicht von dem spezifischen Gewicht abhängig ist, da in einem festen Nährboden dieses Faktum keinen Einfluß auf die Lage der Platte haben kann, sondern von dem rein aktiven Prozeß eines größeren Bedürfnisses der Bakterien nach Sauerstoff. Ganz ebenso hängt die Lage der Platte auf dem einen oder dem anderen Niveau in einer flüssigen Nährsubstanz nicht von dem spezifischen Gewicht der Substanz (wie Lehmann und Curschod meinten), sondern ebenfalls nur von dem aktiven Prozeß eines größeren Bedürfnisses der Bakterien nach Sauerstoff ab.

Ein paar Tage darauf, nach Beendigung des Vermehrungsprozesses in der entstandenen Platte, entwickelte sich unter der 1. Platte eine 2., die von der 1. durch eine Schicht vollständig klaren Agars getrennt war.

Die Entstehung dieser 2. Platte hat in folgendem ihre Erklärung: Da der Vermehrungsprozeß der 1. Platte schon vollzogen ist, so ver- braucht sie daher jetzt weniger Sauerstoff, als zur Zeit ihrer leb- haften Vermehrung. So verbrauchen nach Müller 17—35 Millionen sich nicht vermehrende Bakterien während 1Std. fast ebensoviel oder so- gar weniger Sauerstoff als 4 Millionen Bakterien, die sich in derselben Zeit bis 5 Millionen vermehren. Also verbrauchen Bakterien in ruhendem Zustande nur 1/,.,—!/, der Sauerstoffmenge, welche für sich vermehrende Bakterien erforderlich ist. Daher hat der Sauerstoff der Luft nach Beendigung des Vermehrungsprozesses in der 1. Platte die Möglichkeit, durch die Platte in die tieferen Schichten des Agars zu dringen, in welchen sich lebende, aber aus Mangel an Sauerstoff sich nicht entwickelnde Bakterien befinden.

Durch entstandene Produkte des Stoffwechsels und die Abnutzung des Nährmaterials können sich neue Kolonien in unmittelbarer Nähe der 1. Platte nicht bilden, sondern nur in einer gewissen Entfernung von

Hoen, Zur Frage über die Bedingungen der An- u. Aërobiose d. Bakterien. 29

ihr, daher bleibt zwischen der 1. und 2. Platte eine Schicht von voll- ständig klarem Agar bestehen.

Auf diese Weise beobachten wir die Entstehung einer ganzen Reihe von Platten.

Bei einer geringeren Konzentration der Nährstoffe bemerken wir in den tieferliegenden, von uns eingeimpften Bakterien eine größere Lebensdauer, als in höher konzentriertem Nährboden, was die Bildung einer größeren Anzahl von Platten bei einer geringeren Konzentration bewirkt. Folgende Tabelle illustriert das Gesagte:

Als Nährboden nahmen wir 10 ccm eines 11/,proz. Agars, dem 1/,% und 1/,, ccm Nährbouillon beigefügt wurde. Zum Beimpfen dieser Nährboden wurden verschiedene aus Leitungswasser gewonnene Bak- terien genommen.

Zahl der Platten

Zahl der Platten Fons bei !/,. Bouillon

bei :/, Bouillon

Nr. 1 8 14 » 2 2 9 » à 1 4 Ale i 5 , D | 7 17

Die verschiedenen Platten bilden sich jeweils in mehr oder weniger gleicher Entfernung von der anderen.

Um die Möglichkeit zu haben, das Vorhandensein des freien Sauer- stoffes und dessen Verbrauch in verschiedenen Schichten des Agars, je nach dem Entstehen der Platten, beurteilen zu können, haben wir Methylenblau angewandt, welches in kleinen Mengen der Nährsubstanz beigemischt wurde; dabei ging, je nach Verbrauch des Sauerstoffes, in denjenigen Schichten, in denen kein Zutritt von frischem Sauerstoff stattfand, das Methylenblau in die Leukoverbindung über und entfärbte sich. An und für sich stellt das Methylenblau einen nicht ganz in- differenten Stoff dar und hemmt bei größerer Konzentration die Ent- wicklung der Bakterien; hierbei tritt die bakterizide Wirkung des Me- thylenblaus in den Aussaaten, welche weniger Nährmaterial enthielten, stärker hervor. In solchen Probiergläsern wurde beim Hinzufügen von Methylenblau ein sichtbares Wachstum nicht bemerkt, die Lebens- tätigkeit der Bakterien äußerte sich jedoch im Verbrauch des Sauer- stoffes, wobei auch in diesem Falle eine gewisse Gesetzmäßigkeit wahr- genommen wurde.

So z. B. nahmen wir 4 Probiergläser mit 1!/,proz. Agar, welcher mit Methylenblau bis zur intensiv blauen Färbung versetzt war.

1. Probierglas, gewöhnlicher 1'/,proz. Agar, ohne Bouillonzusatz 2. s 5 » + 0,1 cem Bouillon 3. » » » » + 1,0 » 4, » » » + 3,0 » »

Als Material zum Beimpfen wurde Bac. dysenteriae Flexner genommen.

Ein mit bloßem Auge erkennbares Wachstum zeigte sich nur in dem mit 1,0 ccm Bouillon versetzten 3. Probierglase.

Wenn auch in den beiden ersten Probiergläsern kein sichtbares Vor- kandensein von Wachstum wahrgenommen werden konnte, so bemerkten wir indes folgendes: In einer bestimmten Schicht von der Oberfläche

30 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 1.

ist der Nährstoff blau gefärbt; nach unten grenzt sie mit einer dünnen Schicht von intensiv blaugefärbtem Agar. Dieser letztere ist scharf abgegrenzt durch eine 2—3 mm breite Schicht vollständig farblosen Agars, der wiederum in den übrigen, darunter liegenden, hellblau ge- färbten Nähragar recht scharf übergeht.

Wenn man in dem 1. Probierglase auch kein Vorhandensein von sichtbarem Wachstum beobachten kann, so liegt der scharfe Uebergang der farblosen Schicht in einer Entfernung von 27 mm von der Ober- fläche; in dem 2. beträgt diese Entfernung 17 mm, in dem 3. 1,5 mm, und in dem 4. liegt die farblose Schicht ganz an der Oberfläche. In dem letzten Probierglase bildete sich nach ein paar Tagen eine Wachs- tumsplatte, welche besonders stark blau gefärbt war, was durch eine vitale Färbung der Bakterien erklärt werden kann.

In den Probiergläsern mit einer kleinen Menge von Nährmaterial bemerkte man häufig, ohne ein sichtbares Wachstum wahrzunehmen, daß die obere, intensiver gefärbte Schicht, scharf begrenzt, sich rasch zum Boden des Probierglases senkte.

Aus diesen Untersuchungen ist zu ersehen, daß die Lebenstätigkeit der sich in tieferen Schichten befindenden Bakterien nicht sogleich er- lischt, sondern erst nach dem fast vollständigen Verbrauch des freien Sauerstoffes. Wenn uns die Abwesenheit des Wachstums in den tieferen Schichten des Agars, bei Entstehung der oberen, als Barriere dienenden Platte, welche den ganzen, von oben eindringenden Sauerstoff ver- braucht, klar ist, so scheint uns die Abwesenheit des Wachstums in den höheren Schichten des Agars, über der Platte, ganz unverständlich; um so mehr, da beim Besäen der Kultur auf der Oberfläche des Agars, bei sehr geringem Bouillongehalt, wir doch ein schwaches Wachstum beobachten Konnten; dagegen ist bei der eben geschilderten Ausführung des Versuchs ein Wachstum in den oberflächlichen Schichten des Agars gar nicht vorhanden. Die Untersuchungen zeigen, daß in jeder Kultur das Wachstum des größten Teiles der Bakterien sich einer bestimmten Konzentration des Sauerstoffes anpaßt, in Abhängigkeit von der Art der Bakterien und der Beschaffenheit der Nährsubstanz.

Bei Durchsicht der einschlägigen Literatur fand ich zwei Arbeiten, die hier von Interesse sind: die eine von R. Müller über die Eigen- tümlichkeiten des Bazillenwachstums der Vogeldiphtherie, und die andere von Gräf u. Wittneben über das vorzügliche Wachstum ciniger Streptokokkenarten. Beim Vorbereiten einer im Agar durchgeschüt- telten Kultur von Vogeldiphtherie erlangte Müller ein Wachstum in bestimmten, meistenteils in 2, seltener in 3 Zonen, zwischen welchen der Agar vollständig. klar blieb. Die 1. Zone des Wachstums befand sich gewöhnlich in einer Entfernung von 10 mm von der Oberfläche. Die Größe und die Verteilung der Zonen waren in jedem Probierglase verschieden; eine Gesetzmäßigkeit konnte von Müller nicht beobachtet werden. Zuweilen näherte sich die Zone sehr stark der Oberfläche. Interessant ist es, daß bei dem Besäen dieser Kulturen auf Blut- oder Serumagar man ein Wachstum auf der Oberfläche bemerkte, was die beiden Verfasser damit erklären, daß das Hämoglobin und das Serum. die Rolle eines Vermittlers des Sauerstoffes spielen. Gräf and Witt- neben beobachteten auch in einer Streptokokkenkultur die Bildung von mehreren Wachstumszonen; dabei erlangten sie ein Wachstum auf der Oberfläche nur in denjenigen Fällen, in denen der Nährboden zu gleicher Zeit Zucker und Serum enthielt. Ä

Fujita, Die Wirkung von Wirbeltierhormonen auf das Bakterienwachstum. 31

In Uebereinstimmung mit der von uns klargelegten Abhängigkeit zwischen der Konzentration des Nährstoffes und des Verhältnisses der Bakterien zum Sauerstoff kommt dem oberflächlichen Wachstum der Bakterien durch Zugabe von Blut und Serum zum Nährboden nicht, wie Müller meint, die Bedeutung eines Vermittlers des Sauerstoffes zu, sondern nur die Bedeutung einer Vergrößerung der Nährsubstanz, ganz ebenso wie im Falle Gräf u. Wittneben der gleichzeitige Zusatz von Serum und Zucker.

In dieser Hinsicht ist die Arbeit von Lorenti ganz besonders inter- essant, dem es gelungen ist, strenge Anaëroben aërob zu kultivieren, indem er zur Substanz 20 Proz. Pepton hinzufügte. Es ist ihm auch gelungen, zu zeigen, daß in einer Substanz, die aus Bouillon und 21/, Proz. Stärke besteht, die Bac. oedematis maligni, Botu- linus und Bac. tetani bei Zutritt der Luft sich üppig entwickeln.

Aus dem Gesagten folgt, daß bei einem geringen Gehalt des Nähr- bodens an Nährstoff die Entwicklung der Bakterien sich mehr den Wachstumsverhältnissen der Anaëroben nähert; daß jedoch bei Vor- handensein größerer Nährstoffmengen sogar anaërobe Bakterien bei freiem Zutritt des Sauerstoffes anfangen, sich zu entwickeln.

Nachdruck verboten.

Ueber die Wirkung von Wirbeltierhormonen auf das

Bakterienwachstum.

[Aus der Bakteriologischen Abteilung des Rudolf-Virchow-Kranken- hauses (Direktor: Dr. Kurt Meyer).]

Von Dr. Koshiro Fujita (Tokio).

Durch die bekannten Untersuchungen von Gudernatsch!) wurde zuerst die allgemeine Aufmerksamkeit auf den Einfluß gelenkt, den die Produkte der Drüsen mit innerer Sekretion auf die tierische Ent- wicklung ausüben. Gudernatsch fand, daß bei Kaulquappen, die mit Schilddrüse gefüttert wurden, die Metamorphose um Wochen früher begann als bei den Kontrolltieren, während die Verfütterung von Thymus zwar ein schnelles Wachstum der Tiere bewirkte, aber die Metamor- phose immer weiter hinausschob oder sie gänzlich unterdrückte. Bei anderen innersekretorischen Drüsen war ein Einfluß nicht mit gleicher Sicherheit nachweisbar.

Die Angaben von Gudernatsch wurden von den verschiedensten Seiten bestätigt und der Ausgangspunkt einer großen Zahl von Arbeiten, auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll, soweit sie sich mit der Wirkung der endokrinen Drüsen auf die Entwicklung von Wirbel- tieren befassen.

Von allgemein biologischem Interesse sind jedoch noch die an Wirbellosen angestellten Untersuchungen, deren Ergebnisse allerdings zum Teil widerspruchsvoll sind.

l) 1. F. Gudernatsch, Arch. f. Entwicklungsmechan. Bd. 35. 1912. S. 456.

32 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 1.

Hankó?) fand bei Versuchen an Asellus aquaticus, daß der Extrakt der Hypophyse nicht bloß auf die Häutung und Regeneration beschleunigend wirkt, sondern gleichzeitig auch das Körperwachstum günstig beeinflußt.

Romeis u. v. Dobkiewicz?) beobachteten bei Maden, die sich auf Schild- drüsensubstanz entwickelten, ein Zurückbleiben der Entwicklung und auch des Wachs- tums, das sich später jedoch wieder ausglich. Jedenfalls war aber, im Gegensatz zu den Wirbeltieren, eine Entwicklungsbeschleunigung nicht festzustellen.

Abderhalden?) verfütterte bei Raupen von Wolfsmilchschwärmern verschie- dene innersekretorische Drüsen. Die auskriechenden Schmetterlinge waren bei den mit Schilddrüsensubstanz behandelten Tieren zum Teil auffallend klein und dabei wohl ausgebildet.

Van Herwerdent) stellte fest, daß Nebennierenrinde das Wachstum junger Limnaea stagnalis fördert. Auch bei Daphnia pulex fördert sie das he tum, läßt die Geschlechtsreife früher eintreten und vermehrt öfter die Zahl der Bruten und der Jungen in jeder Brut.

Terao und Wakamori?°) fanden bei Seidenraupen, die mit Schilddrüse ge- füttert waren, die Metamorphose in der 1. Generation nicht beschleunigt, doch blieben die Tiere im Wachstum zurück. Bei den Nachkommen dieser Tiere trat allmählich auch eine Beschleunigung der Entwicklung zutage. Außerdem waren Raupen, Puppen und Schmetterlinge kleiner als bei den Kontrolltieren.

Soweit die uns aus der ‘Literatur bekannten Angaben. Einen sicheren Schluß bezüglich eines Einflusses der Hormone der Wirbel- tiere auf die Entwicklung der wirbellosen Metazoen scheinen sie noch nicht zuzulassen.

Schon ger üble Zeit vor den Untersuchungen Gudernatschs hatte Nowi- koff) die Wirkung von Schilddrüsen-, Nebennieren- und Hypophysenextrakten auf Paramäzien untersucht. Er fand bei den Schilddrüsenextrakten eine Steigerung der Vermehrungsgeschwindigkeit auf das Hundertfache, während bei den anderen Extrakten eine merkbare Wirkung nicht festzustellen war.

Shumway’) kam einige Jahre später zu einem ähnlichen Ergebnis. Auch er fand eine Steigerung der Vermehrungsintensität durch Schilddrüse um 63 Proz., wäh- rend Thymus und andere innersekretorischen Drüsen keinen Einfluß ausübten.

Woodruff und Swingle?) stellten zwar ebenfalls eine Beschleunigung der Teilung von Paramäzien durch Thyreoidea fest. Da sie aber die gleiche Wirkung auch durch Zusatz von Muskelgewebe erzielten, so erklären sie sie für unspezifisch. Sie führen sie auf eine Vermehrung der in der Kultur enthaltenen Bakterien zurück, die ihrerseits eine bessere Ernährung und damit eine beschleunigte Teilung der Paramäzien zur Folge habe. Reines Thyroxin, das wichtigste wirksame Prinzip der Schilddrüse, das bei Wirbeltieren stark entwicklungsbeschleunigend wirkt, setzte die Teilungs- geschwindigkeit der Paramäzien sogar deutlich herab.

Cori”) fand gleichzeitig, daß Thvroxin die Teilungsgeschwindigkeit der Para- mäzien in weit geringerem Grade beschleunigt. als Schilddrüsenextrakt. Sie niınmt daher an, daß in der Schilddrüse außer dem Thyroxin noch eine andere, die Ent- wicklung beschleunigende Substanz enthalten ist.

Zu einem ganz ähnlichen Ergebnis kamen kürzlich Torrey, Riddle und Brodie'®). Auch diese Forscher fanden zwar Beschleunigung der Teilungen durch u ker konnten aber beim reinen Thyroxin eine hemmende Wirkung

eststellen.

1) B. Hankó, Arch. f. Entw.-Mech. Bd. 34. 1912. S. 477. 2) B. Romeis u. L. v. Dowkiewicz, Ibid. Bd. 47. 1920. S. 119. 3) E. Abderhalden, Pflügers Arch. ges. Physiol. Bd. 176. 1919. S. 236.

4) M. A. Van Herwerden, Biol. Centralbl. Bd. 42. 1923. S. 119; Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 98. 1923. S. 220, 505. | 5) A. Terao u. N. Wakamori, Japan Med. World. Bd. 4. 1924. S. 68. 6) M. Nowikoff, Arch. f. Protistenk. Bd. 11. 1908. S. 309. 5 W. Shumway, Journ. exp. Zool. Vol. 22. 1917. p. 529; Vol. 17. 1914. p. 297.

8) L. L. Woodruff u. W. W. Swingle, Proc. Soc. Exper. Biol. a. Med. Vol. 20. 1922—23. p. 386; Amer. Journ. of Physiol. Vol. 69. p. 21, 24.

9) G. Cori Amer. Journ. of Physiol. Vol 65. 1923. p. 295.

10) H. B. Torrey, M. C. Riddle and J. L. Brodie, Journ. of Gen. Physiol. Vol. 7. 1925. p. 449.

Fujita, Die Wirkung von Wirbeltierhormonen auf das Bakterienwachstum. 33

Aus der Gesamtheit der angeführten Arbeiten kann man wohl den Schluß ziehen, daß die Schilddrüse einen beschleunigenden Einfluß, an- scheinend spezifischer Natur, auf die Vermehrung der Paramäzien aus- übt, daß dieser aber nicht, wie bei den Wirbeltieren, auf das Thyroxin oder aui das Thyroxin allein zurückzuführen ist. Den anderen endo- krinen Drüsen scheint ein gleicher Einfluß nicht zuzukommen.

Ueber die Einwirkung der Hormone auf das Bakterienwachstum sind uns aus der Literatur keine Angaben bekannt’ geworden. Zu er- wähnen ist nur, daß Torrey, Riddle und Brodie auch die Frage erörtern, ob das Thyroxin seine Wirkung auf die Paramäzienvermehrung auf dem Wege der Beeinflussung des Bakterienwachstums und damit der Ernährung der Paramäzien ausübe. Sie stellten einige Versuche mit Bacillus fluoreszens und Bac. subtilis an, schlossen aber eine Wirkung aus, da sie einen Unterschied in der Trübung zwischen den mit Thyroxin versetzten und den Kontroll-Bouillonkulturen nicht feststelien konnten.

Auch die Angabe von Pesch!), daß Nebennierenrinde das Wachs- tum von Diphtheriebazillen hemmen soll, wäre hier wohl zu erwähnen.

Uns schien die Frage, ob die Hormone der Wirbeltiere eine Wir- kung auf das Bakterienwachstum ausüben, aus mehrfachen Gründen eine Prüfung zu verdienen. Einmal ist es von allgemeinbiologischem Interesse, festzustellen, ob es sich bei der Wirkung der innersekretori- schen Produkte um eine ganz allgemeine Zellwirkung handelt, oder ob diese auf tierische Zellen oder auf den Wirbeltierorganismus im be- sonderen beschränkt sind.

Sodann könnte von dieser Seite her vielleicht ein Licht auf das dunkle Gebiet der Disposition zu Infektionskrankheiten fallen. Sollte den Hormonen ein Einfluß auf die Bakterienvermehrung zukommen, so könnte durch die wechselnde Tätigkeit der endokrinen Drüsen auch die Ansiedlung und Vermehrung der Infektionserreger begünstigt oder gehemmt, somit also die Disposition zur Infektion beeinflußt werden.

Endlich würde die Beeinflußbarkeit der Bakterien durch die Hor- mone darauf schließen lassen, daß ein Verbrauch dieser Stoffe von ihrer Seite aus stattfindet. Bei rapider Bakterienvermehrung könnte dieser Verbrauch in einem Maße erfolgen, daß seine Auswirkungen sich ım Haushalt des Wirtsorganismus bemerkbar machen und so zur Aus- gestaltung des Symptomenbildes der Infektion beitragen.

Wir beabsichtigten daher, die Einwirkung einiger besonders wichtiger Wirbeltierhormone auf die Bakterienvermeh- rung zu prüfen. Aus äußeren Gründen konnten die Versuche nicht in dem ursprünglich beabsichtigten Umfange durchgeführt, sondern mußten vorzeitig abgebrochen werden. Trotzdem glaubten wir, die bisherigen Ergebnisse veröffentlichen zu sollen, da auch das vorliegende Material gewisse Schlüsse zuläßt.

Wir arbeiteten zunächsi nur mit einem Stamm von Bacillus coli, der für alle Versuche Verwendung fand. Von den Hormonen konnten wir nur das Suprarenin in chemisch reinem Zustande ver- wenden, da Thyroxin uns nicht zur Verfügung stand und die übrigen Hormone ja bisher in reinem Zustande noch nicht dargestellt sind. Wir waren daher vorwiegend auf die Verwendung von Organextrakten angewiesen. Damit war aber die Möglichkeit gegeben, daß eine etwa

l) K. Pesch, Biochem. Zeitschr. Bd. 140. 1923. S. 353. Erste Abt. Orig. Bd. 97. Heft 1. 3

34 Centralbl. f. Bakt. ete. T. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 1.

zu beobachtende wachstumsbegünstigende Wirkung nicht durch das spezi- fische Hormon bedingt wurde, sondern einfach auf das vermehrte An- gebot von Nährstoffen zurückzuführen war. Um diese Fehlerquelle zu vermeiden, verwendeten wir die von den Chemischen Werken Grenzach hergestellten „Glandole‘‘, die uns von dieser Firma in liebenswürdigster Weise überlassen waren und die bei starker Wirksamkeit verhältnis- mäßig arm an organischer und anorganischer Substanz sind. Wir fanden den Gehalt an organischer Substanz z. B. beim Thymoglandol zu 13 mg in 1 ccm, beim 30proz. Paraglandol zu 4 mg in 1 ccm. Diese Menge scheint unter den von uns gewählten Versuchsbedingungen im Verhältnis zu der ganzen organischen Substanz des Nährmediums so gering. daß sie als Nährsubstanz ohne spezifische Wirkung keine nennenswerte Rolle spielen würde. Außerdem arbeiteten wir noch mit Insulin ,,Brand.

Im einzelnen gestaltete sich die Versuchsanordnung so, daß die zu untersuchenden Flüssigkeiten in fallenden Mengen zu 5 ccm Bouillon zugesetzt wurden. Volumenunterschiede wurden durch Kochsalzlüsuns ausgeglichen. Vor der\Beimpfung wurden die Röhrchen auf 37° an- gewärmt.

Für die Impfung gingen wir, um das Latenzstadium der Vermehrung möglichst abzukürzen, von 15stünd., also noch in lebhaftem Wachs- tum befindlichen Bouillonkulturen aus. Die Impfung wurde so bemessen, daß die Einsaat möglichst 40—100 Keime pro Kubikzentimeter betrug. Anfangs nahmen wir die Impfung mit der Oese, später mit der Meß- pipette (0,5 ccm) vor. Trotz aller darauf verwandten Sorgfalt gelang es, wic sich aus den Protokollen ergibt, nicht immer, die Einsaat in allen Röhrchen einer Versuchsreihe genau gleich zu gestalten.

Die Röhrchen kamen in ein Wasserbad von 370. Bestimmt wurde die Keimzahl sofort, nach 2, 4 und 6, und meist auch 8 Std., also in der Zeit der lebhaftesten Entwicklung, während deren Unterschiede in der Vermehrungsgeschwindigkeit am deutlichsten hervortreten mußten.

Für die Bestimmung der Keimzahl entschlossen wir uns zum Plattenverfahren, da die direkte Auszählung oder die Bestimmung der Trübung durch Nephelometric wegen der geringen Einsaatmengen nicht in Frage kamen. Es wurden stets 0,5 ccm mit 10 ccm Agar, und zwar immer in 2 Parallelplatten, ausgegossen. Die Verdünnungen wurden so gewählt, daß gut zähibare Kolonienmengen auf den Platten wuchsen. Gezählt wurde mit Hilfe der Lupe. Zur Verdünnung benutzten wir grobe Volumina von NaCl- oder Ringerscher Lösung, um den bei serienweisen Verdünnungen unvermeidlichen Pipettierfehlern möglichst zu entgehen. Auf sehr sorgfältige Durchmischung wurde besonders geachtet. l

Trotz aller dieser Vorsichtsmaßregeln waren häufig genug recht beträchtliche Unterschiede zwischen den beiden zusammengcehörigen Platten festzusteilen. Gingen diese über 50 Proz. hinaus, so wurden die Versuche nicht berücksichtigt. Sonst wurde in die Tabellen das Mittel der Doppelbestimmungen aufgenommen. Es ergibt sich hieraus, daß die Zahlen nur mit Kritik verwertbar und daß nur erhebliche Unter- schicde zu berücksichtigen sind.

Da es, wie oben schon hervorgehoben wurde, nicht immer gelang, die Einsaat in den Röhrchen eines Versuches völlig gleichmäßig zu gestalten, so sind die Einzelzahlen der Parallelreihen nicht ohne weiteres untereinander vergleichbar. Man kann vielmehr nur die auf die Ein-

Fujita, Die Wirkung von Wirbeltierhormonen auf das Bakterienwachstum. 35

saatmenge bezogenen Vermehrungsgeschwindigkeiten miteinander ver- gleichen. Ein Maß der Vermehrungsgeschwindigkeit ist die Generations- zeit, die bekanntlich nach der Formel von Buchner, Longard und Riedlin!)

T. log 2

Ar log b log a

wo G die Generationszeit, T die Versuchszeit, b und a die Bakterien- zahl amı Schluß und am Beginn der Versuchszeit bedeuten, berechnet werden kann. Da nun unsere Zahlen aus den oben erörterten Gründen schon an sich mit einer recht erheblichen Unsicherheitsbreite behaftet sind, so glaubten wir, von der etwas umständlichen Berechnung nach der Buchnerschen Formel absehen zu können, und haben uns darauf beschränkt, die Vermehrung einfach auf die Einsaatmenge zu beziehen und die nach 2, 4, 6 und 8 Std. bestimmte Bakterienzahl durch die Einsaatmenge zu dividieren. In den Tabellen ist der so gefundene Wert als Vermehrungsfaktor eingetragen.

Wir lassen nunmehr die Versuchsergebnisse folgen:

Suprarenin. Es 10cm | Ocem | Kontrolle Zeit . Vermeh- Vermeh- : Vermeh- | Keimzahl m Keimzahl rungsfaktor Keimzahl rungsfaktor osa å x] I 2 - | 9 2 4 410 29,2 10 44 000 540 28,4 4 | 496100 29 000 65200 29 500 792 000 42 700 6 | 7760000 447 000 9 680 000 440 000 13 440 000 707 000 Thyreoglandol. Versuch 1. | En | | 0,5 cem Kontrolle s Keimzahl | Vermehrungsfaktor | Keimzahl An Vermehrungsfaktor 0 Std. | 220 = 20 = Zu, À 620 2,82 510 2,13 4 , 12 900 58.6 11 900 49,6 6 , 35 000 159 ' 33000 | .138 Versuch 2. o 0,5 cem . u 0,2 cm E 1 u Kontrolle a Zeit ; Vermeh- : Vermeh- ; Verm eh: | Keimzahl rungsfaktor Keimzahl rungsfaktor Keimzahl rungsfaktor 0 Std. 15 4 a TE 2 , 35 2,33 40 2,86 40 2,35 4, 660 44,0 780 55.7 1 140 67,1 6 , 38 000 2 530 3310 2710 38 090 2 240 8, 190 000 13 700 210 000 15 OUO | 240 000 14 500

1) H. Buchner, K. Longard u. G. Riedlin, Centralbl. f. Bakt. Bd. 2. 1889. S. 1.

3%

36 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 1.

Versuch 3. _ 10 ccm | 05cm | __. _Kontrolle Zeit Vermeh- | p; | Vermeh- Vermeh- Keimzahl rungsfaktor | Keimzahl | rungsfaktor Keimzahl rungsfaktor | a 21 es { 9,29 370 | 17,6 | 1 550 38 000 | 18 100 | 241 000 8 860 000 422 000 Thymoglandol. Versuch 1. Zeit 0,5 ccm Kontrolle OR re EEE TE SCHE u E EA E O ý . Keïrazabl _Vermehrungsfaktor Keimzahl | _Vermehrungsfaktor 0 Std. 51 | | 65 2 360 7,06 | 290 4,46 4 , 30 800 604 | 35 600 548 6 , 4760 000 | 933 000 | 4 420 000 680 000 8 203 610 000 3 990 000 | 211 280 000 3 250 000 Versuch 2 Zeit | 0,2 ccm Kontrolle T ae ee I A nen en es me a ur ze nn Keimzahl zahl | Verm Vermehrun gsfaktor Keimzahl IR Vermehrungsfaktor 0 Std. 97 _ | 64 = 2 190 1,96 210 3,48 4, 11 200 116 | 13 600 | 197 6 2 160 000 | 22 200 . 1320000 ` 19 100 8 , 57 760 000 | 596 CUO | 53160 000 770 000 Pituglandol. Versuch 1. 0,5 cem Jo Rem | Kontrolle Zeit ; Vermeh- Vermeh- Vermeh- Keimzahl (TUN gatAKtOT rs] Keimgahi SE rungsfaktor Keimzahl rungsfaktor 0 Std. | al | 24 | Tu 24 2 200 9,09 130 5,42 | 220 9,17 Rs 26 800 1 220 16 400 | 683 18 000 750 6 , 2 720 (00 124 000 2 040 000 | 85000 : 2120 000 88 310 8 | 185000 000 | 8410000 | 145 000 000 | 6 017 000 ' 150000000 | 6 250 000 Versuch 2. a Ra 22 0 Glen D ka Zeit Vermeh- Vermeh- Vermeh- Keimzahl mL Keimzahl Bar Sem rungsfaktor ostal 52| | el 2 à 1 900 | 3,61 1 740 3, 36 1 980 3,59 4, 87 600 168 76 100 115 84 400 153 6 9 440 000 18 100 10 920 (00 | 21 100 7 810 000 14 200 8 , [1032000000 1980000 | 222 000 000 | 429 000 185 000 000 335 000°

Fujita. Die Wirkung von Wirbeltierhormonen auf das Bakterienwachstum. 37

Paraglandol. Versuch 1. 0,2 cem Kontrolle 5 . Vermeh- . Vermeh- Keimzahl | rungsfaktor Keimzahl rungsfaktor 2 A GE 3 440 000 47 100 5 | 130 000 000 : 1 780 000 | 331 000 000 Versuch 2. | O2cem | Oleem | Kontrole Zei : Vermeh- Vermeh- . Vermeh- Keimsabl | dus | Keimzahl | rungsfaktor Keimzahl rungsfaktor 0 Btd. 522 = sas) I | 2 I 1 900 3,64 1 740 3,36 1 980 3,59 4, . 87 600 168 76 400 145 84 490 153 6 > ; 9440000 18 100 10 720 000 21 100 7 840 000 14 200 8 , : 132000 000 | 1 980 000 ! 222 000 000 | 429 000 185 000 000 335 000 Insulin. Versuch 1. o o a |. 0,2 ccm | Kontrolle Zeit . Vermeh- . Vermebh- b Vermeh- Keimzahl rungsfaktor Keimzahl rungsfaktor Keimzahl rungsfaktor

5,50

3080000 | 77000 | 6.480.000 113000 000 | 3580000 | 117 000 000

Versuch 2.

+ 05cm Lo 0,2 ccm Kontrolle u

| . ; Vermeb- ; Vermeh-

= Eungelantor Keimzahl rungsfaktor

0 ; 226 235 PIE ur

are 1030 4,56 1 290 5,58 1 400 5,96

4 „| 67 200 814 80 400 348 74 000 323 6 : 6680000 29 600 6 720 000 29 100 9 360 000 39 800 8, | Z | = 204 000 000 | 883000 | 182000000 | 775.000

Ueberblicken wir die Gesamtheit unserer Versuche, so tritt uns als einwandfreies Ergebnis entgegen, daß Suprarenin die Vermehrungs- geschwindigkeit der Bakterien deutlich hemmt. Ob diese toxische Wir- kung auf das Suprarenin als solches oder auf ein Me Le zu beziehen ist, muß vorläufig dahingestellt bleiben.

Eine Hemmungswirkung übt ferner in großer Dosis auch Thyreo- glandol aus. Bei geringeren Dosen ist ein solcher Einfluß nur in ein-

38 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 1.

zelnen Versuchsreihen nachweisbar. Eine entwicklungsbeschleunigende Wirkung tritt nirgends hervor.

Eine entwicklungssteigernde Wirkung scheint mit einiger Sicher- heit nur beim Pituglandol, dem Extrakt aus dem Hinterlappen der Hypo- physe, vielleicht auch noch beim Paraglandol, dem Extrakt aus Epithel- körperchen, vorhanden zu sein.

Beim Insulin und Thymoglandol ist eine konstante Wirkung im Sinne einer Beschleunigung oder Hemmung nicht erkennbar.

Wir sind uns bewußt, daß unsere Versuchsergebnisse die oben auf- geworfenen Fragen in keiner Weise entscheiden und nur als Vorstudien anzusehen sind. Einmal wäre es nötig gewesen, die quantitativen Ver- hältnisse in weiterem Umfange zu variieren, da mit der Möglichkeit von Optimumwirkungen durchaus zu rechnen ist. Sodann wäre es not- wendig, die Versuche mit anderen Präparaten der gleichen Drüsen zu wiederholen, um festzustellen, inwieweit tatsächlich organspezifische Wirkungen in Frage kommen. Endlich wäre noch zu prüfen, ob gerade die spezifischen Hormone die Wirkung der Organpräparate bedingen.

Wenn somit erst von künftigen Untersuchungen ein klarer Einblick in die hier vorliegenden Verhältnisse erwartet werden darf, so scheint doch schon aus den bisherigen Versuchen hervorzugehen, daß die bei der Entwicklung der Wirbeltiere so wirksam befundenen Hormone auf die Bakterienvermehrung jedenfalls nicht Wirkungen von gleicher Inten- sität ausüben.

Zusammenfassung.

Bei der Untersuchung einiger Wirbeltierhormone bezüglich ihres Einflusses auf die Vermehrung von Bacillus coli ergab sich, daß Suprarenin und in geringerem Grade Thyreoglandol einen hemmenden, Pituglandol und anscheinend auch Paraglandol einen beschleunigenden EinfluB auf die Bakterienvermehrung ausüben, während beim Thymo- glandol und Insulin eine sichere Wirkung nicht festzustellen war.

Nachdruck verboten.

Ein Aktinomyces aus chronisch entzündetem Tränenkanal.

[Aus dem Hygiene-Institut der Universität Greifswald (Stellv. Direktor: Prof. Dr. Carl Prausnitz).]

Von Dr. Karl Koch,

Assistent am Institut.

Mit 3 Abbildungen im Text.

Im April dieses Jahres wurde von der Universitäts-Augenklinik ein etwa linsengroBer Eiterpfropf übersandt, der aus dem linken oberen ‘Tränenröhrchen eines 65jährigen Mannes stammte, der seit 2 Jahren an Tränenträufeln und Schwellung des linken oberen Augenlides litt. Die ausführliche Veröffentlichung der Krankengeschichte wird durch Herrn Dr. Wegner erfolgen.

Koch, Ein Aktinomyces aus chronisch entzündetem Tränenkanal. 39

| Im Originalausstrich (Fig. 1) des Flöckchens fanden sich zahlreiche polymorphkernige Leukozyten und sehr viele mehr oder weniger ausgesprochen geschlängelte Fäden von einer Länge von 10 bis 37 u, die zum großen Teil echte Verzweigungen aufwiesen und an den freien Enden vielfach knopfförmig, hie und da auch ausgesprochen keulenförmig verdickt waren. Die Mehrzahl der Fäden war gram- positiv, viele aber auch gramnegativ; bei einigen war ein Teil ein und desselben Fadens grampositiv, der andere gramnegativ. Neben diesen Gebilden enthielt das Präparat auch kürzere Fäden und Stäbchen, die beiderseits zugespitzt und grampositiv waren, außerdem vereinzelte Kokken.

Die Reinzüchtung gestaltete sich sehr schwierig, da das Ma- terial außer mit Kokken auch mit rasch wachsenden Sporenbildnern verun- reinigt war. Es wurden an- aërobe und aërobe Kulturen auf Agar, 2proz.Glyzerinagar, Kochblutagar, Bierwürzagar angelegt. Die'Isolierung ge- lang nach vielen vergeblichen Versuchen von der aëroben Kochblutagarplatte über eine größere Anzahl von 2proz.

Glyzerinbouillonkulturen. Auf den anaöroben Kulturen ist von vornherein wie auch später Wachstum unseres Mikroorganismus niemals be- obachtet worden.

Es wurden Reinkulturen auf folgenden Nährböden an- b gelegt: Agar, 2proz. Glyzerin- # agar, Bierwürzagar, Koch- | 110% ra blutagar, Glyzerinkartoffel, Mn TE gt Glyzerinserum, Löffler- | Serum, Gelatine (als Stich- Fig. 1; Eiter. Originalausstrich. Zeiß kultur), 2proz. Glyzerin- Phoku x 1250 lin. bouillon:

Auf Kochblutagar erkennt man nach 2tägiger Bebrütung bei 37° etwa 1 mm große, kreisrunde, wie weißes Porzellan glänzende Kolonien, die auf der Oberfläche glatt sind und fest am Nährboden haften. ‘Im Laufe einer Woche erreichen die Kolonien die maximale Größe von 2 mm Durchmesser; ihre Form verändert sich nicht; die Farbe geht bei den meisten Kolonien in Zitronengelb über, während einige weib bleiben. Nach mehrwöchiger Aufbewahrung der Kulturen bei Zimmer- temperatur zeigen einige der gelben Kolonien auf der Oberfläche, teils auf der Kuppe, teils am Rand ein feines Gewirr verfilzter Fädchen, die von der Kolonienkuppe mit der Nadel leicht abstreifbar sind. Mikroskopisch bestehen die Kolonien aus grampositiven verzweigten Fäden von 18—37 u Länge und 0,35 u Breite, die vereinzelt knopfförmige Verdickungen der Spitzen aufweisen. In den verfilzten Haaren sieht man die knopfförmigen Verdickungen von 2,8—3,7 u Durchmesser häufiger, daneben hie und da ausgesprochen keulenförmige Verdickungen von 0,9X1,9 Ausdehnung (Fig. 2).

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40 Centralbl. f. Bakt. ete. I. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 1.

Das Wachstum auf Agar, Glyzerinagar, Bierwürzagar, Glyzerin- serum ist ganz ähnlich dem eben beschriebenen. Auf Glyzerin- kartoffel ist das Wachstum sehr spärlich. Die Kolonien, die trotz reich- licher Beimpfung nur vereinzelt- angehen, zeigen auf diesem Nährboden eine gewellte Oberfläche von graugelblicher Farbe und haften fest an. Auf Löffler-Serum zeigen alle Kolonien nach 1 Woche‘ eine matte Oberfläche. Am zentralen Teil der Kuppe sind dann schon die ersten hervorsprießenden Härchen deutlich zu erkennen. Einige Kolonien weisen bereits das oben beschriebene Fadengewirr auf der ganzen Oberfläche auf; es sind das besonders die Kolonien, welche an den dünnsten, bereits in der Austrocknung begriffenen Teilen des Nährbodens gewachsen sind (Fig. 3). Alle auf Löffler-Serum ge- wachsenen Kolonien sind ganz besonders fest im Nährboden verankert. Gelatine wird nicht verflüssigt. In 2proz. Glyzerinbouillon wuchs der Mikroorganismus als Bodensatz von ziemlich plümper Körnelung und gelblicher Farbe. Die überstehende Flüssigkeit blieb klar.

Fig. 2. Fig. 3. Fig. 2. Reinkultur auf Kochblutagar, 3 Tage 37°, 4 Wochen 20° (Ausstrich von Oberflächenhärchen.) In der Mitte eine Keule. Zeiß Phoku X 1250 lin. Fig. 3. Kolonien auf Loeffler-Serum, 3 Tage 37°, 4 Tage 20°. (In auffallen- dem Lichte photographiert.) Zeiß Phoku X 11 lin.

Milch wurde in den ersten Tagen gar nicht verändert, aber im Ver- lauf von etwa einer Woche schied sich das Kasein als graugelbliche Masse am Boden des Reagenzglases ab, während die stark trübe, schleimige Molke darüber stand; die Reaktion: war schwach alkalisch.

Für Kaninchen und Meerschweinchen war der Mikroorganismus nicht pathogen.

Das morphologische und biologische Verhalten des aus dem Eiter gezüchteten Mikroorganismus zeigt uns, daß wir es mit einer Akti- nomyces-Art zu tun haben. Gegenüber allen bisher beschriebenen Arten weist diese Spezies kleine Unterschiede auf; doch besteht die größte Aehnlichkeit mit Aktinomyces hominis Boström. Ein Unter- schied gegenüber dieser Spezies besteht jedoch im Wachstum auf Kar- toffel, das Boström als flächenhaft sammetartig angibt, und in dem Wachstum in Bouillon: Boström beobachtete ein Wachstum auf der Oberfläche und in der Tiefe, während bei unserm Stamm kein Wachs- tum an der Oberfläche zu erzielen war. Außerdem wurde durch den Boströmschen Stamm Milch nicht verändert.

Lange, Ueber die Muchsche granuläre Form des Tuberkelbazillus. 41

Nachdruck verboten.

Ueber die Muchsche granuläre Form des Tuberkelbazillus').

[Aus dem Tuberkuloselaboratorium der Bakteriologischen Abteilung des Reichsgesundheitsamts.]

Von Prof. Dr. Ludwig Lange.

Seit vielen Jahren habe ich mich bemüht, mir über die Frage der Muchschen Granula ein endgültiges Urteil zu verschaffen. Durch Färbung von Ausstrichen Tb-haltigen Materials zunächst nach Ziehl?2), Festlegung der so gefundenen Bazillen, dann Umfärbung nach Much, Aufsuchen des gleichen Gesichtsfeldes und Feststellung der nunmehr vorhandenen grampositiven Formen suchte ich die Frage zu lösen. Ich kam dabei aber nicht zum Ziel, und zwar wohl aus folgenden Gründen: Zunächst hielt ich es für angezeigt, für den Vergleich nur solche Ge- sichtsfelder zu wählen, in denen nur wenige Ziehl-Formen vorhanden waren, denn nur die Verfolgung der Einzelformen versprach ein Er- gebnis. Nun ist das mikroskopische Bild des Untergrundes, d. h. des Gewebes mit seinen Zellkernen, sonstigen Zellbestandteilen und des Ge- webssaftes ein äußerst verschiedenes, je nachdem man die Methylen- blaugegenfärbung für Z. oder die Fuchsin- bzw. Bismarckbraunfärbung bei Much bzw. Gram anwendet. Hierdurch wird die Orientierung sehr erschwert. Aber auch die Einstellung mit dem Kreuztisch unter Be- nutzung der Nonius-Zahlen ist, wenn inzwischen das Präparat vom Mikroskop entfernt werden mußte, nicht immer leicht, zumal wenn sonstige größere „Leitgebilde‘‘, wie Zellkerne, oder andere auffällige Be- standteile oder Konfigurationen fehlen. So kam ich denn in den Jahren vor dem Kriege bei Versuchen, die Vergleichsbilder im Mikrophotogramm genau festzuhalten, nicht recht zustande. Daß auch anderen Unter- suchern hierbei Schwierigkeiten entgegengetreten sind, glaube ich daraus entnehmen zu dürfen, daß mir Mikrophotogramme identischer Ge- sichtsfelder, einmal nach Z., dann nach M. gefärbt, nicht wenig- stens nicht an hervorragender Stelle bekannt geworden sind. Auch M. selbst: hat meines Wissens solche nicht veröffentlicht.

Fehlt nun im M.-Bild ein Bazillus, oder umgekehrt, läßt sich die zur grampositiven Erscheinungsform gehörige oder zu erwartende Z.- Form nicht nachweisen, so treten immer wieder Bedenken auf, ob nicht bei dem Umfärben vereinzelte Tb. trotz aller Fixierung weg- gerissen werden, und schließlich, ob nicht durch die beim Umfärben nötige Behandlung der Präparate mit stark fettlösenden Mitteln: Xylol, abs. Alkohol, der Fettwachsgehalt eines einzelnen Stäbchens derart geschädigt oder sogar weggelöst wird, daß die Z.-Färbung aus dieser an sich sekundären Gründen versagen muß.

Andererseits ist gerade für die feinsten M.-Granula, die „Einzel- körnchen“, auch wenn 2 derartige Körnchen zufällig in Tb-Stäbchen- länge liegen, die Möglichkeit nicht auszuschließen, daß es sich um Farb- stoffrückstände handelt, die ab und zu auch dem geübtesten Techniker begegnen, mit großer Häufigkeit aber bei einem etwaigen größeren Lipoidreichtum des ausgestrichenen Materials sich reichlicher finden

dose 1) Vortrag, gehalten in der Berliner Mikrobiologischen Gesellschaft am 15. Juni 2) Im folgendem abgekürzt als Z. = Ziehl, ebenso M. = Much, Tb -- Tuberkelbazillen, Tbe = Tuberkulose.

42 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 1.

als sonst. Es ist ja auch ganz bekannt und stets leicht absichtlich zu erweisen, daß aus dicken Präparatschichten der schwarzblaue Farbstoff fast nie vollständig auszuziehen ist. Geht man von einem derartigen Niederschlags- oder besser gesagt ,,Rest“-Zentrum nach der Peripherie, so wird man die einzelnen Partikelchen und Granula immer dünner ge- sät antreffen, und mit Sicherheit Bilder erblicken auch bei Material, für das Tbc überhaupt nicht in Betracht kommt —, die von echten M.schen Tb-Granulis durchaus nicht zu unterscheiden sind. Ein anderer Weg, den ich zu manchen Zeiten wochen- bis monatelang eingeschlagen, dann aber immer wieder verlassen habe, war der, bei allen aus den Tbc-Untersuchungen anfallenden Meerschweinchensektionen die Organe, meist Drüsen, Lunge, Leber, Milz, unmittelbar nacheinander auf 2 Objektträger auszustreichen und dann den einen nach Z., den an- deren nach M.gefärbt zu untersuchen. Bei dieser Art der Doppelprüfung bin ich, wie ich kurz zusammenfassen möchte, nicht zu einer durch- gängigen quantitativen Ueberlegenheit der Muchschen Ausstriche ge- langt, denn die Befunde schlugen nach beiden Richtungen hin gleich- mäßig aus.

So war ich denn bis etwa vor Jahresfrist nicht zu einer bestimmten . Stellungnahme gegenüber den M.schen Granulis gekommen.

Damals wurde ich durch das Fehlen von Tb in den Ausstrichen von Drüsen und Leber eines nach 85 Tagen an hochgradiger generali- sierter Tbc gestorbenen Tieres veranlaßt, mit diesem zunächst Tb-frei erscheinenden Material quantitative Verimpfungen auf Meerschweinchen vorzunehmen, wobei ich von folgender Ueberlegung oder Ar- beitshypothese ausging:

Nach der Begründung, die Much seiner granulären Form der Tb gab, mußte in einem nach Ziehl Tb-freien, aber auch in einem nur wenige ziehlfärbbare Tb enthaltenden Material weit mehr gra- nuläre als Ziehl-Formen vorhanden sein. Wenn ich also in dem zu verimpfenden Material den Gehalt an Z.-Stäbchen möglichst genau feststelle und dann die zu verimpfende Menge durch Verdünnungen immer geringer gestalte, so muß ich zu Impfmengen kommen, in denen rechnerisch keine Z.-Stäbchen mehr enthalten sein konnten, wohl aber noch etwas von den annahmegemäß ja an Zahl überwiegenden Granulis. Es war also die Frage: Erkranken nur die Abimpflinge, denen eben noch genügend Z.-Formen eingeimpft worden waren, oder tritt ein positiver Impfausfall auch noch bei den Tieren ein, die rechnerisch keine Z.-Formen mehr erhalten haben können? In diesem Falle war man dann berechtigt, auf das Vorhandensein von zahlenmäßig die Z.- Stäbchen überwiegenden Granulis zu schließen. Im 1. Falle jedoch war nur der Schiuß auf folgende Möglichkeiten zulässig: 1) Die Much- Formen überwiegen zahlenmäßig nicht die Z.-Formen. 2) Die Much- Formen überwiegen zahlenmäßig wohl, sind aber nicht virulent, d. h. infektionstüchtig. 3) In vorliegendem Material sind außer den Z.- Formen keine M.-Formen vorhanden.

Möglichkeit 1 und 2 widerspricht, wie schon erwähnt, unmittelbar der ganzen Begründung für die M.-Granula. Gegen die Möglichkeit 3 spricht, daß es sich um makroskopisch stark tuberkulös veränderte Or- gane handelt, mit zunächst nach Ziehl negativem Befund. Gerade für solche Fälle hat Much seine Theorie aufgestellt.

Sollten die auf diese Ueberlegung hin angestellten Versuche Beweis- kraft erlangen, so mußten einige sich für jeden Sachkenner sofort

Lange, Ueber die Muchsche granuläre Form des Tuberkelbazillus. 43

aufdrängende Einwände bzw. Schwierigkeiten in Rechnung gesetzt und möglichst vermieden werden.

Ich möchte hier nur auf die ungleichmäßige Verteilung der Tb im Impfmaterial und auf die Frage der Sicherheit der quantitativen Feststellung der Tb in ihm hinweisen.

Um eine gleichmäßige Verteilung 'sowohl der Z.- wie auch der M.- Formen zu erhalten, wurden beim 1. Versuch kleine Organstückchen im sterilen Mörser nach Zerkleinerung mit der Schere zerrieben und mit wenig Kochsalzlösung aufgeschwemmt. Dann wurde zur Entfernung der gröberen Bröckel leicht zentrifugiert; die obenstehende, homogen trübe Flüssigkeit wurde einer erneuten Ausschleuderung unterworfen.

Für die M.-Granula könnte man bei ihrer Kleinheit annehmen, daß sie sich nicht völlig ausschleudern ließen, zumal eine Wasserzentrifuge mit 1600 Umdrehungen benutzt wurde. Es wurde also auch 1 Oese dieser klaren Flüssigkeit auf je 2 Meerschweinchen subkutan verimpft.

Der Bodensatz wurde, nachdem der größte Teil des Ueberstehenden abgegossen war, aufgewühlt. Da sich dann wıeder stärkere Bröckel zeigten, wurde durch ein steriles feines Drahtnetz filtriert. Es ergab sich eine sehr gleichmäßig deutlich trübe Aufschwemmung. In dieser wurde für 1 Oese der Gehalt an Z.-färbbaren Stäbchen bestimmt.

Die Feststellung der Z.-Formen geschah folgendermaßen: 1 Oese wurde auf einer rechtwinkligen Fläche des Objektträgers möglichst gleichmäßig ausgestrichen, fixiert und ‘gefärbt. Dann wurden mittels des Kreuztisches Länge und Breite des Ausstriches bestimmt. Vorher war festgestellt worden, daß bei homogener Immersion 1/, und Okular 4 auf die Strecke zwischen 2Teilstrichen der Grundmaßstäbe (=1mm) ge- rade 5 Durchmesser des Gesichtsfeldes trafen. Wenn also bei einer Ver- schiebung des Präparates von oben nach unten (d. h. in vertikaler Rich- tung) eine ganze Säule oder ein „Band“ des bestrichenen Feldes unter- sucht war, so mußte man nach rechts oder links um 0,2 Teile des Nonius = 0,2 mm verschieben, um das benachbarte Band eingestellt zu erhalten. So hätte das ganze Präparat lückenlos untersucht werden können, das wäre aber zu zeitraubend gewesen. Ich habe mich meist damit begnügt, immer etwa jedes 5. „Band“ zu untersuchen und die Gesamtzahl der gefundenen Tb dann zu errechnen. Oder es wurde die ganZe Breiten- ausdehnung der bestrichenen Fläche bestimmt; mit 5 vervielfacht, ergab - sich die Zahl der „Bänder“. Diese mußte, mit dem Durchschnitt der in einem Band gefundenen Z.-Formen vervielfältigt, die Gesamtzahl der Z.-Tb ergeben. Weniger als !/, der Gesamtbänder, das ist der Ge- samtfläche des Ausstriches wurde fast nie, wenigstens nie bei den Verimpfungsversuchen, untersucht, meist, namentlich bei sehr geringem Tb-Gehalt, mehr. |

Manchmal wurde auch von den zur Impfung benutzten Aufschwem- mungen aus der !/,oo cem-Pipette 0,01 auf den mit Serumbouillon vorbereiteten Objektträger fließen und über Nacht antrocknen gelassen.

Die auf Grund der erwähnten Ucberlegung angestellten Versuche finden sich auf möglichst knappe Form gebracht in der Tabelle I.

Bei Versuch I war die sorgfältigste Vorbereitungstechnik angewandt worden. Er zeigt, daß nicht weiter, als dem Ziehl-Gehalt ent- sprach, bei den Impftieren eine Tbc ausgelöst werden konnte. Man sieht aber auch, daß in der „obenstehenden Flüssigkeit‘ (s. oben), in der isolierte feinste Granula angenommen werden konnten, solche wenigstens infektionsfähige nicht vorhanden waren.

44 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 1.

ee 7. a TE TA

I 85 | Leber 20 01-02 | 00,1—0,02 (898) | + 0 ò | 0 0 bis 15. 6. 25. Pe (314) (117) | Drüse —80 0,7—0,8 0,07 —0,08 | + 0 0 0 0 | | | (242)

u 72 | Milz 100 | 10 1 0,1 (172) + + | + + ++ ++ ill | = | Sputum 286 28,6 2,9 157) | (1330) (133) (13,3) (1,3)

| | ++ + + + ++ IV 150 | Milz 23,2 23 002 | (156) + + + 0 0 | | (X156) V 134 Leber 25 2,5 0,25 (143) + + + + + + ++ VI 131 Drüse 300 30 3 (83) ++ + + + 0 VII | 29 | Leber 130—143 13—14 1,3—1,4 (79) i i I+ | | (9) (11) (11)

Spalte 1: Nummer der Versuchsreihe, in Klammern Zahl der Tage, die seit der Tierimpfung bis zum 15. Juni 1925 vergangen waren. |

Spalte 2: Lebensdauer p. inf. der Meerschweinchen, aus denen die verarbeiteten Organe stammten.

Spalte 3: Bezeichnung dieser Organe.

Spalte 4—7: „oben“ nur bei Versuch I, s. Text. Die in den Reihen oben- stehenden arabischen Zahlen geben die Zahl der verimpften Ziehl-Formen an (bei Versuch IIl in Klammern die nachträglich festgestellten Zahlen, s. Text!). Jedes +-, 0- oder i-Zeichen bedeutet je 1 Meerschweinchen. 0 = Tier frei von Tbc, Z. = Tier tuberkulös geworden, i = Tier interkurrent gestorben. Die eingeklammerten

ahlen unter einigen O- und i-Zeichen geben die Lebensdauer p. inf. an. x = Tier etötet. O allein bedeutet, daß das Tier am 15. Juni 1925 noch lebt und frei von rüsenschwellungen ist.

Von den Versuchen II—VI hat Versuch IV ein einigermaßen den Ziehl-Befunden entsprechendes Ergebnis geliefert. Eigentlich dürften schon 2,3 Tb nicht mehr mit Sicherheit infizieren. Aber wir müssen uns bei Versuch IV und noch mehr bei den Versuchen II, III und V—VII bewußt sein, daß trotz aller Mühe die festgestellten Zahlen für die Ziehl-Formen der tatsächlichen Menge nur schwierig nahe kommen, daß es sich also um Minimalzahlen handelt.

Zur Begründung dieser Annahme sei folgendes angeführt:

1) Die Aufschwemmung für den Versuch II wurde zwar nach leichten Zentrifugieren von oben entnommen, aber dann nicht mehr zentrifugiert; die Aufschwemmungen zu IV—VII waren durch einfache Mörserung gewonnen, zunächst ziemlich dicht, und dann wurde zum Teil, so bei Versuch III, auf Grund der Zählung dieser dichten Auf- schwemmung durch berechnete Verdünnung auf den gewünschten Tb- Gehalt. neu eingestellt.

In dichten Ausstrichen lassen sich da, wo mehr Gewebe liegt, mit

Lange. Ueber die Muchsche granuläre Form des Tuberkelbazillus. 45

HCI-Alkohol diese dickeren Stellen nicht völlig entfärben. In diesen rot gebliebenen Teilen müssen rote Tb dem Nachweis entgehen.

2) Man trifft hier und da nur ganz schwach gefärbte, dünnste Tb an. Derartige Formen werden leicht, besonders bei beginnender Er- müdung, übersehen.

3) Trotz aller Sorgfalt mag es vorgekommen sein, daß in den Rand- teilen der senkrechten Bänder die Einstellung nicht immer so scharf war, um in ihnen mit Sicherheit alle Tb zu entdecken.

Selbst jeder geübteste Untersucher weiß, daß trotz peinlichster Mühe sozusagen 4 Augen mehr sehen als 2, d. h. daß ein zweiter Untersucher oft noch Tb findet, die dem ersten entgangen sind.

4) Ein Vorkommnis ist mir besonders lehrreich: Nachdem bei dem Ausstrich für die Aufschwemmung zu Versuch V schon 16 Bänder mit zusammen 1122 Gesichtsfeldern durchgezählt waren, und zwar mit folgenden Zahlen für die Bänder:

3000 0002 0041 0000 mes, PT +1) i+1+2)

kam bei der nachträglichen Größenfeststellung der bestrichenen Fläche plötzlich in einem Gesichtsfeld ein Haufen von 48 Tb zutage. Im Versuchsprotokoll habe ich sofort vermerkt, daß bei der Möglichkeit, daß auch sonst noch derartige Haufen im Material vorhanden sind, bei den stärkeren Verdünnungen nur der negative Ausfall des Tierversuches beweisend wäre.

5) Bei Versuch III wurde aus einer „gezählten““ Aufschwemmung durch Rechnung eine solche mit 286 Tb in 0,1 ccm hergestellt. Durch die nachträgliche Zählung von 0,01 ccm dieser einspritzfertigen Lösung wurde für 0,1 ccm ein Gehalt von 1330 Tb ermittelt.

6) Zur Genauigkeitsprüfung der Zählmethode und für die Frage der Gleichmäßigkeit der Verteilung wurden vom gleichen Material 3 Oesen nebeneinander ausgestrichen. Es fanden sich die 3 Werte: 93, 172, 103 Tb in 1 Oese, also Abweichungen von 50 = 35 Proz., + 30 = + 21 Proz., + 20 = + 14 Proz vom Mittelwert von 143 Tb.

Die doppelte Zählung des gleichen Ausstriches mit Unter- suchung von sehr vielen Bändern ergab in einem anderen Falle 130 und 140 Tb, also eine ziemlich geringe Abweichung (s. aber oben unter 4).

Man erkennt also, daß die Ermittelung des tatsächlichen Gehaltes an Z.-Formen auf große Schwierigkeiten stößt. Die gefundenen und aus ihnen weiter berechneten Zahlen stellen also, wie schon erwähnt, Mi- nima dar.

Unter diesen Umständen und aus den sonstigen soeben ange- führten Gründen halte ich mich für berechtigt, auf den Versuch I und auch noch auf den Versuch IV, die keine weitergehende Infektiosität als den Z.-Gehalt entsprach, ergeben hatten, einen ungleich größeren Wert zu legen als auf die fünf anderen Versuche, ja ich spreche Ver- such I unmittelbar eine Beweiskraft zu.

Abgesehen vom Sputum in Fall III wurden zu allen Versuchen nur Organe genommen, die bei der gewöhnlichen Art der Unter- suchung der Ausstriche frei von Tb waren.

Da war es nun von Interesse, zu sehen, wie so gut wie regelmäßig nach Mörserung bei genauer Auszählung Tb zum Nachweis gelangten und zu berechnen, wie viele Tb in Organen sein können, ohne daß man sie bei der gewöhnlichen Art des Ausstriches findet. Die Umrechnung von

46 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 1.

Gewicht einer Oese = 2 mg mit bestimmtem Tb-Gehalt auf Organ- gewicht ergab so für direkt untersucht stets Tb-frei!

1 Leber 90 600 Tb 520

1... 000 1 Milz 2160000 >, 1 1130000 >;

Gleiche Verteilung der Tb vorausgesetzt, würden also Tausende bis Hunderttausende von Meerschweinchen mit je einem dieser Organe erfolgreich geimpft werden können. | Ich habe auch das Verhältnis zu bestimmen versucht, in dem die zum gewöhnlichen Ausstrich verbrauchte Organmenge zum Ge- wicht des gebräuchlichen, meist erbsengroßen Impfstückes steht. Es ergab sich z. B. für die Milz des Tieres, aus dem die Leber zu Ver- such V stammte, daß das Impfstück 0,122 g wog, die angetrocknete Ausstrichmasse 0,0004 g, daß also 306mal die Masse des trockenen Ausstriches oder 100—150mal die Masse des feuchten zum Färben und Untersuchen ausgestrichenen Materials verimpft wurde. Daraus folgt: Selbst wenn man bei genauester nur theoretisch möglicher Unter- suchung erst in 10 oder 15 solche gebräuchlichen Ausstriche 1 ziehl- gefärbten Tb finden würde, würde ein positiver Impferfolg verbürgt sein. Tatsächlich war in 1 Ausstrich nach langem Suchen 1 Tb ge- gefunden worden. Angenommen, dieser sei der einzige vorhandene ge- wesene. dann wären mit dem Impfstück 100—150 Tb verimpft 'worden.

Für die Leber von Versuch V wog ein gewöhnlicher Ausstrich nach dem Trocknen 0,8 mg. Hier betrugen die Zahlen für das Impf- stück das 136fache für trockenen Ausstrich, das 40—G8fache für die feuchte Masse. Hier würde also 1 Tb auf zusammen 4—6 restlos uhter- suchten Ausstrichen genügen, um bei Verimpfung des gebräuchlichen Impfstückes eine Infektiosität in die Erscheinung treten zu lassen. | Bei einer Wägung des ausgeschleuderten Bodensatzes derjenigen Menge Aufschwemmung, die in Versuch IV als höchste Dosis verimpft wurde, ergab sich, daß 0,3 mg (also ungefähr 1/, Oese) verimpft wurden. Diese enthielten 23 Tb. Für die ganze Milz von ungefähr 5g Gewicht ergeben sich 1,13 Millionen Tb; dabei war, wie immer wieder hervorgehoben sei, im direkten Ausstrich nichts nachzuweisen!

Im ganzen habe ich bisher an rund 30 verschiedenen Meerschwein- chenorganen, die makroskopisch tuberkulös verändert waren, aber bei der gewöhnlichen Art des Ausstriches als Tb-frei bezeichnet werden mußten, durch die Mörserung, aber auch oft schon durch Zerschneiden und Zerquetschen Tb nachweisen können, manchmal in direkt über- raschender Menge, z. B. in 1 Oese 66 oder 111 Tb. Grund: 1) Un- gleiche Verteilung der Tb im Organ, gute Durchmischung durch die Vorbehandlung. 2) Genauere, eingehendere Untersuchung.

Man sieht also, wie die quantitative Verfolgung des Tb-Gehaltes es als durchaus nicht mehr so verwunderlich herausstellt, wenn bei Verimpfung von anscheinend Tb-freien, aber tuberkulös veränderten Organen das Impftier an Tbc erkrankt. Meine Beobachtungen und Be- rechnungen bestätigen und beweisen meines Erachtens die Einwände, die schon früher, u. a. mit besonderem Nachdruck von Loewenstein gegen die Muchschen und Wirthschen Verimpfungsversuche erhoben wurden.

Auch über die Züchtung auf Nälrböden habe ich mir, allerdings bis jetzt nur mehr nebenbei und in wenigen Beobachtungen, ein Bild über die quantitativen Verhältnisse zu verschaffen gesucht.

Lange, Ueber die Muchsche granuläre Form des Tuberkelbazillus. 47

In einer Milz (Mw. 1832, Versuch II), wurden in einer Oese 65 Tb nach Ziehl ermittelt. Auf 2 Glyzerinserumröhrchen, mit je 1 Oese bestrichen, wuchsen je 161 Kolonien (Zufall der gleichen Zahl), auf 2 mit je 3 Oesen bestrichenen, aber nur 129 bzw. 8 Kolonien. : Hierzu möchte ich einmal auf die Mängel der Zählmethode hinweisen, dann darauf, daß sehr viel von noch unbekannten Faktoren abhängt. Bei einem anderen Tier wurden in der Milz bei gewöhnlichem Ausstrich nur sehr wenige, in der Portaldrüse keine Tb nachgewiesen. Auf Serumröhrchen wachsen aus der Milz sehr reichlich Tb, aus der Portaldrüse etwa 200—300 Kolonien auf 3 Röhrchen. Das scheint zunächst unbedingt für Much zu sprechen. Aber, sehen wir uns die quantitativen Verhältnisse genauer an! Wir haben oben gehört, daß in 1 Oese der mit Kochsalzlösung āā verdünnten Verreibung von „primär“ negativen Organen 66—120 Tb (Minimum) gefunden werden können; das würde in 1 Oese nicht mit Kochsalz verdünnten Ma- terials 120—240 Tb entsprechen, in 3 Oesen, wie sie bei Züchtungs- versuchen mindestens ausgestrichen werden, wären das 360—720 Tb, also mehr als oben gefunden worden, und zwar, ohne daß man bei direkter Untersuchung Tb zu finden brauchte.

Das so überraschende zahlenmäßige Züchtungsergebnis wird also oder kann es zum mindesten seines Geheimnisses entkleidet, sowie man sich ihm mit quantitativen Ueberlegungen nähert.

Schließlich habe ich meine Mörserungspräparate vergleichsweise nach Ziehl und die gleiche Menge auf anderen Objektträgern nach Much, II. Methode, gefärbt und ausgezählt.

Hierüber nur einige Zahlen: |

In einer Milz in 1 Oese 117 Ziehl-Formen, dagegen 44 sichere und 56 fragliche, zusammen 100, also weniger Much-Formen: in 1 Oese Leberverreibung 57 Tb nach Ziehl, 52 Tb nach Much.

Ein Kniefaltendrüsenausstrich, der direkt sowohl nach Ziehl wie nach Much negativ war, ergab nach Verreibung im Mörser in 1 Oese 300 Ziehl-Stäbchen (nach Much nicht untersucht).

Eine erst vor kurzem gemachte Beobachtung erscheint besonders lehrreich: Hier waren in einer Leberverreibung in 1Oese 114 Tb gefunden (beim Differenzieren mit HCl-Alkohol trat eine Störung auf). Das Präparat wurde nach Much umgefärbt. Da fanden sich für die gleiche Fläche 905 Tb, darunter viele in Haufen. Die Stellen dieser Haufen wurden markiert; das Präparat wieder umgefärbt nach Ziehl. Die Bazillen der einzelnen Haufen wurden gezählt und die Zahlen verglichen. |

Ergebnis: 1. Färbung nach Much 2. Färbung nach Ziehl 24 18 6 6—8 8 6—7 20 18—20

Eine Zählung der Stäbchen ist bekanntlich an M uch -Präparaten sehr erschwert, da man aus den Körnchen die Zugehörigkeit zu Stäbchen nur ausnahmsweise entnehmen kann; besonders schwierig ist dies bei Vereinigung der Stäbchen zu Haufen.

In vorliegendem Falle handelte es sich um die Leber eines 180 Tage p. inf. gestorbenen Tieres, das seinerseits mit der Leber eines erst 1212 Tage nach der Infektion gestorbenen Tieres geimpft war. Im

48 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 1.

Ziehl-Präparat waren die Stäbchen oft nur schwach gefärbt, es fanden sich unbestreitbare Körner- und Spenglersche Splitterformen. Die Ausstriche wurden, nachdem von einigen Ziehl-Bildern Zeichnun- gen gemacht waren, wiederum nach Much gefärbt (2. Färbung nach Much). Davon wurden Mikrophotogramme angefertigt!). Es ergab sich, daß nicht alle Ziehl-Formen nach Much färbbar waren. Schlief- lich wurde wieder nach Ziehl umgefärbt (3. Ziehl-Färbung). Hier zeigte sich in 2 Fällen wieder gute Färbung. An 2 anderen Stellen Versager, doch möchte ich angesichts der viermaligen Umfärbung, Be- handlung mit den Lipoidlösungsmitteln (Xylol, Alkohol), keine bin- denden Schlüsse ziehen. Die Hauptaufgabe meiner Untersuchungen war ja auch, ganz unabhängig von den so schwierig zu entscheiden- den Färbungen, durch ein neues, meines Wissens von anderen bis jetzt nicht angewandtes Verfahren experimentell die Frage zu behandeln.

Ich glaube, daß die quantitative Betrachtung, verbunden mit kriti- scher Auswertung der Befunde, keine Stütze für die Muchschen Granula als wesentliches, die Infektiosität anscheinend Tb-freien Materials bedingendes Agens erbracht hat.

Meine Versuche werden fortgesetzt; vielleicht beteiligen sich auch andere an dieser Art der Nachprüfung.

Wenn Much in seiner erst jüngst erschienenen Selbstbiographie auf S. 194 schreibt: „Inzwischen hatte mich die Frage nicht ruhen lassen, wie es kommt, daß wir in so vielen Fällen von Tuberkulose den Tuberkel- bazillen nicht finden können. Ich war nicht geneigt, ganz umstürzleri- schen Ideen zu fröhnen und fand dann auch in der granulierten, nach mir benannten Form eine andere Form des Erregers. Das gehört jetzt zu den Tatsachen der Wissenschaft‘, so kann ich auf Grund meiner Untersuchungen dem letzten Satz nicht beistimmen.

Nachdruck verboten. Untersuchungen über Virulenz des Influenzabazillus Pfeiffer

im Glaskörper. [Aus dem Hygienischen Institut (Direktor: Geheimrat Pfeiffer und der Universitäts-Augenklinik zu Breslau (Direktor: Geheimrat A.Biel- schowsky).]

Von P. A. Jaensch und Werner Kollath, Assistent an d. Univ.-Augenklinik Assistent am Hyg. Institut.

Dem Pfeifferschen Influenzabazillu (IB) und dem Koch- Weeks-Bazillus (KWB) sind in ihren Beziehungen zum Sehorgan von bakteriologischer und ophthalmologischer Seite zahlreiche Arbeiten gewidmet worden. Während früher beide Bazillen als getrennte Arten angesprochen wurden, haben die neueren Arbeiten Knorr (1), Schneider (2), Wissmann (3) ergeben, daß IB und KWB die gleichen biologischen und serologischen Merkmale haben, und daß es feinere Methoden zu ihrer Unterscheidung z. Zt. nicht gibt. Die meisten Forscher sehen daher heute IB und KWB als identisch an.

Betrachten wir unter diesem Gesichtspunkt die Feststellungen Axenfelds (4) und die neueren und neuesten Arbeiten, so finden wir,

U) Die betreffenden Bilder wurden projiziert.

Jaensch u Kollath, Untersuchungen üb. Virulenz d. Influenzabazillus usw. 49

daß hämoglobinophile, gramnegative Stäbchen, die wir als IB bezeichnen müssen, verhältnismäßig oft auf der Bindehaut angetroffen und für deren Erkrankung verantwortlich gemacht werden müssen. Wir sehen hier ab von den klinischen Beobachtungen einer metastatischen Oph- thalmie, Orbitalphlegmone oder Tenonitis im Verlauf einer Grippe und beschränken uns auf die Fälle, in denen der IB kulturell mit Sicherheit nachgewiesen werden konnte. So oft auch Infektionen der Bindehaut mit IB beobachtet sind!), so selten sind die intraokularen Erkran- kungen?). Bei der Wertung der einschlägigen Mitteilungen müssen wir bedenken, daß in den meisten Fällen eine Mischinfektion angetroffen wurde. Wenn aber für das Auge so hochvirulente Keime wie Pneumo: und Streptokokken in auffallender Menge neben den IB aus dem Glaskörperpunktat gezüchtet sind, ist nur schwer zu sagen, welcher Keimart die Erkrankung zuzuschreiben ist. Als beweisend dürften nur die Fälle betrachtet werden, in denen Abstrich und Kultur einwandfreies Ueberwiegen der IB über alle anderen Keime ergaben. Das trifft zu für die Beobachtungen von Fischer (6), Oertzen (7), Tschirkowski (8) und Unna (9).

Einwandfrei klären läßt sich die Rolle der Pathogenität des IB nur durch den Tierversuch, den Fischer und Tschirkowski für das Auge schon anstellten. Durch Uebertragungsversuche läßt sich selten Bindehautentzündung hervorrufen. Subkonjunktivale Injektionen werden meist gut vertragen. Bei Verimpfung von IB in die vordere Kammer oder den Glaskörper kommt es zu schwerster Erkrankung des betreffenden Auges, Iritis, Seclusio pupillae, Glaskörperabszeß, Pan- ophthalmie mit Ausgang in Pseudogliom, Phthisis oder Spontanruptur. Bei den älteren Arbeiten wurden aber Mengen in das Auge eingeführt 3), die in keinem Verhältnis zu den natürlichen Infektionsmöglichkeiten beim Menschen stehen. Die Pathogenität eines Bakteriums läßt sich nach bakteriologischen Grundsätzen nur aus der dosis infectionis minima folgern, da anderenfalls durch Endotoxinwirkung der zerfallenden Bak- terien eine solche vorgetäuscht werden kann. Nach diesen Gesichts- punkten wurde die Mindestmenge für verschiedene Keimarten bereits ermittelt [Kuffler (10)]*), aber noch nicht für den IB. Aus den Arbeiten von Ulbrich (11) und Salus (12) hat sich ergeben, daß jeglicher, für die Bindehaut noch so harmlose Keim bei Impfung in den Augapfel schwerste Infektion unter dem Bilde des Glaskörper- abszesses bis zu dem der Panophthalmie hervorrufen kann.

Folgende klinische Beobachtung gab uns Veranlassung, den Einfluß der IB auf das Auge erneut zu prüfen:

1) Die IB wurden am Auge zuerst von L. Müller (5) beim Trachom als Zu- fallsbefunde festgestellt. Auch im Material der Breslauer Augenklinik wurden sie wiederholt nicht nur bei Bindehautentzündungen verschiedenster Schwere, sondern auch bei der indolenten Randfurchenkeratitis und bei oberflächlichen Hornhautentzündungen angetroffen. Wir lassen es für diese Fälle dahingestellt, ob die IB das Leiden tnittel- bar oder unmittelbar verursacht haben, oder ob ihre starke Vermehrung im Binde- hautsack durch lange Zeit getragenen Verband begünstigt war.

2) Wagenmann, Verletzungen, Gr. S. Handb. 3. Aufl. I. S. 110 ff., führt z. B. in der Reihe der Erreger bei traumatischen, intraokularen, infektiösen Entzündungen den IB nicht an. |

3) Tschirkowski impfte 005 bis 0.1 cem einer 24stünd. Kultur.

4) Von Bac. acidi lactiei genügen 950, Vibrio Metschnikoff 460, Vibrio Dunbar 200, Thyrothrix 500, Alkaligenes 600 Keime, um bei Ver- impfung in den Glaskörper eine schwere eitrige Entzündung des ganzen Bulbus her- vorzurufen. j

Erste Abt. Orig. Bd. 97, Heft 1. 4

50 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 1.

60jähr. Frau. 1903 Ulcus serpens an = 1915 Sehverschlechterung links. Sn en 1924 Entzündung des R. A., die mit Umschlägen behandelt

“is. 2. 1925 R. A.: Bindehautkatarrh, Maculae corneae, einzelne zerfallene punkt- förmige Trübungen. Irisatrophie, Pupille rund mit prompter Reaktion. Brauner Kernstar, der in geringem Grade subluxierten Linse. Kein Einblick.

i L. A. reizlos. Cataracta nuclearis. S. bds. Fingerzählen in 0,5 m Lichtprojektion sicher.

27. 2. 1925. Links Starextraktion mit Iridektomie.

13. 3. Rechts Starextraktion mit Iridektomie.

29. 4. Rechts dichter Nachstar. Bindehautabstrich zeigt vereinzelte Leuko- zyten, keine Keime.

Diszision des Nachstars rechts mit der Weckerschere; dabei Austritt verflüssigten Glaskörpers.

3. 5. R. A. stark gereizt, Hornhaut leicht matt mit viel Präzipitaten, Kammer- wasser trüb, Nachstarmassen geblich (Milchinjektion).

; Wegen Zunahme des Reizzustandes rechts Lanzenpunktion der vorderen Kammer.

6. 5. R. A. Panophthalmie. Exenteratio bulbi. Abstrich und Kultur: Neben wenigen Staphylokokken massenhaft IB.

11. R. reizlose Bindehauthöhle. Prothese.

L. viel große flottierende Glaskörpertrübungen, zentrale myopische Dehnungen der Netzhaut. S. + 6,0 sph. = + zyl. 6,0 A 150 ° = 2/36.

Die mit den vom berichteten Falle stammenden Kulturen infizierten Kaninchenaugen zeigten schwersten Glaskörperabszeß. Kultureller Nach- weis der IB gelang.

Diese Beobachtung führte uns dazu, experimentell zu untersuchen, ob für den IB in gleicher Weise wie für die von Kuffler geprüften Keime eine dosis infectiosis minima sich feststellen läßt. Ferner gingen wir der Frage nach, ob es für den IB durch Passage im Tierglaskörper eine Virulenzsteigerung gibt, wie sie von Kikuchi (13) dem Meer- schweinchen gegenüber durch Peritonealpassage nachgewiesen ist. Es sei ausdrücklich hervorgehoben, daß wir uns auf die Beziehungen des IB zum Schorgan beschränkten, da die Berücksichtigung der von Pfeiffer, Blake und Cecil u. a. angestellten Tierversuche, die die Klärung des Grippeproblems bezweckten, den Rahmen dieser Arbeit über- schreiten würde. Es handelt sich hier lediglich um eine Untersuchung des IB als Eitererreger.

Zunächst untersuchten wir die Rolle des steril entnommenen Glas- körpers (GK) für das IB-Wachstum. Es zeigte sich, daß Aufstrich von unverdünntem GK auf Iproz. Kochblutplatten eine so intensive Wachstumsförderung der IB-Kultur hervorrief, daß sie die Wirkung der sonst optimalen Lewinthal-Platten fast übertraf, mit anderen Worten, daß der GK einen ausgezeichneten Nährboden für den IB abgeben kann.

Die weiteren Versuche stellten wir am lebenden Kaninchen an. Mit Lanzenkanüle wurde möglichst am hinteren Pol die Sklera durchbohrt und dic Impfflüssigkeit langsam injiziert.

Auge 1: Impfung mit 1/2000 Normalöse einer 24stünd. Kultur eines typischen IB-Stammes (Stamm Kinderklinik) in GK aufge- schwemmt. Nach 4 Tagen durch Skleralpunktion trüber, dünnflüssiger GK gewonnen mikroskopisch und kulturell massenhaft IB und davon 0,1 ccm auf Auge 2 verimpft. Punktion des Auges 2 nach 2 Tagen und Uebertragung von 0,1 ccm GK in Auge 3, das wieder nach 2 Tagen punktiert wird. Der hierbei gewonnene GK wird mit NaCl auf 1/100 und 1/1000 verdünnt. Mit ersterem wurde Auge 4 infiziert (0,1 ccm); im Plattenzählverfahren wurden aus der gleichen

Jaensch u. Kollath, Untersuchungen üb. Virulenz d. Influenzabazillus usw. 5]

Menge Impfflüssigkeit etwa 500 Kolonien gezüchtet. 0,1 ccm der Verdünnung 1/1000 wurde in Auge 5 eingebracht.

Klinisch zeigten die Augen 1—4 starke Infektion: Die Lider waren geschwollen, die Bindehaut sezernierte mächtig und war von Eiterfäden bedeckt. Protrusio bulbi, Andeutung von Beweglichkeits- beschränkung, starke Schmerzhaftigkeit bei Berührung. Oedem der Bulbusbindehaut (Chemosis), Ciliarinjektion. Hornhaut nicht getrübt, aber massenhaft Beschläge bis zur Bildung eines ausgesprochenen Hypo- pyons. Iritis und Glaskörperabszeß. Mit dem Augenspiegel schon nach 12 Std. nur noch schmutzig-gelbes Licht zu erhalten. Die Pupillen waren stark. verengt und lichtträge, am Ende des 2. bis zum 5. Tage ganz oder teilweise durch derbes Exsudat verschlossen, so daß sich mehr oder minder ausgeprägt das Bild der Napfkucheniris fand. Beim Auge 5 Verdünnung 1/1000 hingegen wurde die Impfung reizlos vertragen; wir fanden nur in den ersten 2 Tagen bewegliche, klumpige Glaskörpertrübungen, die dann resorbiert wurden. Auch die mit der gleichen Impfflüssigkeit beschickte Kontrollplatte blieb steril. Diese Erscheinung dürfte auf unregelmäßige Verteilung des IB-haltigen Eiters in der NaÜl-Lösung zurückzuführen sein. Bei den Augen 1—4 fanden wir auf der Bindehaut zahlreiche Staphylokokken,imGK. jedoch nur IB.

Augc 4 wurde am 4. Tage auf der Höhe der Infektion punktiert. Wir gewannen 0,2 ccm dicken, gelben Eiters, der die Lanzenkanüle (2 mm Lumen) verstopfte. Dieser Eiter wurde auf Levinthal-Platten ausgestrichen. Nach weiteren 24 Std. wurde von einer Einzelkolonie eine Rasenkultur angelegt. Nach weiteren 24 Std. haben wir von dieser IB Passagekultur 1 n-Oe in 0,8-proz. NaCl aufgeschwemmt, davon 1/,, in das rechte Auge und ebensoviel der fortgezüchteten gleichalten Aus- gangskultur in das linke Auge des Tieres 6 gebracht. Schon nach 24 Std. war ein starker Unterschied im klinischen Bilde beider Augen festzustellen, der sich am nächsten Tage höchst eindrucksvoll steigerte. ‚Während das linke Auge nur das Bild des Glaskörperabszesses mit mäßiger Chemose und Iritis, ähnlich bezw. etwas geringer als bei den ersten Beobachtungen auf der Höhe der Infektion bot, fanden wir am rechten (Passagekultur) die Zeichen einer enorm schweren Orbital- phlegmone: Die prall geschwollenen Lider können kaum geöffnet werden, chemotische Bindehaut wulstet sich hervor, die perikorneale Injektion ist blaurot. Die Hornhaut ist glatt und spiegelnd; ihrer Hinterfläche liegt im untersten Fünftel vorgebuckelte Iris mit derben Gefäßen und völlig verwaschener Zeichnung an. Mehr als 2/, der vorderen Kammer ist erfüllt von einem grauweißen Hypopyon, das die Pupille kaum noch erkennen läßt. Im oberen Teil der vorderen Kammer finden wir eben- falls Eiter in Klumpen und Strängen, teils frei, teils als Exsudatauf- lagerung der Iris oder als Beschläge der Hornhauthinterfläche. Die Pupille ist eng (2X3 mm) und lichtstarr. Kein Einblick.

Von diesen beiden Augen wurde am Tage nach der Impfung durch Punktion je 0,3 ccm GK entnommen und auf 1:100 verdünnt. Hier- von wurde 0,1 ccm (wiederum etwa 450—500 Keime enthaltend) in die gleichnamigen Augen des Kaninchens 7 injiziert. Das entsteliende klinische Bild war, der wesentlich geringeren eingebrachten Keimmenge entsprechend, ungleich leichter als beim Tier 6, aber auch beim Kanin- chen 7 zeigt sich die erheblich schwerere Erkrankung des rechten Auges (Passagekultur). Hier fanden wir schon nach 24 Std. starke Iritis mit Exsudat in der vorderen Kammer, während das linke Auge nur

4*

52 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 1.

einen Glaskörperabszeß und erst nach 48 Std. leichte iritische Reizung aufwies.

Die von uns vorgenommene histologische Untersuchung der infizierten Bulbi und des Orbitalinhalts zeigt starke Entzündungs- vorgänge im Bereiche des GK, der Iris und des Corpus ciliare, weit- gehende Zerstörung bis zur völligen Auflösung der Netzhaut, Verdickung der Aderhaut durch Vergrößerung der prall gefüllten Gefäße und durch mäßige Leukozyteninfiltration. An den Strudelvenen, vor allem aber im episkleralen Gewebe und im Tenonschen Raum finden sich Eiter- zellen in ungeheurer Menge. Die retrobulbären Gebilde, die Harder- sche Drüse, die Muskeln und das orbitale Fett sind verhältnismäßig wenig verändert, weisen aber diffuse Zellinfiltration ohne Abszeb- bildung auf.

Die Lebensdauer des IB im GK haben wir nicht besonders be- rücksichtigt. Wir erhielten bei verschiedenen Augen bei Punktion am 1. wie am 4. Tage nach der Impfung reichliches Wachstum und sahen keine Verminderung der Kolonienzahl. Wiederholte Punktionen des gleichen Auges haben wir tunlichst vermieden, weil sie bei dem schweren Reizzustand bekanntlich oft zu ausgedehnten Blutungen führen und so die Versuchsbedingungen unerwünscht und unkontrollierbar verändern. Aus klinischen Beobachtungen ist außerdem bekannt, daß die Punktionen eine erhebliche Heilwirkung bei der Infectio bulbi u. a. durch den vermehrten Uebergang von Schutzstoffen in den GK haben.

Wir haben untersucht, ob die am Kaninchenauge gefundene Viru- lenzsteigerung auch für den Meerschweinchenversuch Geltung hat. 0,1 ccm des infizierten GK wurde dem Meerschweinchen intraperitoneal einverleibt. Die IB blieben 2 Tage lebensfähig und konnten aus dem Peritonealexsudat durch Abstrich und Kultur nachgewiesen werden: eine Erkrankung der Meerschweinchen trat aber nicht ein.

Zusammenfassung.

Auf Grund der klinischen Beobachtung einer durch IB hervor- gerufenen Panophthalmie nach Nachstardiszision haben wir im Kanin- chenversuch die Virulenz der IB für den Glaskörper geprüft. Es fand sich, daß die Einbringung von 450—500 Keimen eine schwere eitrige Erkrankung des ganzen Augapfels hervorruft. Die Vermehrung der IB im Glaskôrper ist sehr stark sowohl in vitro wie in vivo. Die Virulenz läßt sich durch Passage im lebenden Kaninchenglaskörper er- heblich steigern. Der Nachweis wird durch die klinische Beobachtung erbracht.

Literatur.

1) Knorr, De Ergebn. Bd. 6. 1923; Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 92. 1924. S. 371 339. 2) Schneider, Vers. O. G. Jena 1922. S. 234; Arch. f. Hyg. Bd. 93. 1923. S. 26. 3) Wissmann, Vers. O. G. Heidelberg 1925; Ztschr. f. O. Bd. 15. S. 205. 4) Axcufeld, Bakteriologie. Jena 1907. S. 122— 143. 5) Müller, Arch. f. Augenheilk. Bd. 40. 1900. 5. 13. 6) Fischer, Kl. M. f. Augenheilk. Bd. 46. 2. 1903. S. 374. 7) Oertzen, [Diss.] Rostock 1598. 8) Tschirkowski. Kl. M. f. Augenheilk. Bd. 49, 2. 1911. S. 467. 9) Unna, Ebendort. Bd. 45. 1907. Beilageh. S. 283. 10) Kuffler, Vers. O. G. Heidelberg. 1912. S. 277. 11) Ulbrich, Arch. f£. O. G. Bd. 58. 1904. S. 243. 12) Salus, Ebendorrt. Bd. 88. 1914. S. 477. 13) Kikuchi, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Ref. Bd. 43. 1909. S. 292.

Quast, Zur Frage des Verbleibes des durch die Wutschutzimpfung usw. 53

Nachdruck verboten.

Ein Beitrag zur Frage des Verbleibes des durch die Wutschutz-Impfung a pis Körper einverleibten irus fixe.

[Aus der Wutschutz-Abteilung des Hygienischen Instituts der Universität Breslau (Direktor: Geh. Med.-Rat Professor Dr. R. Pfeiffer).]

Von Dr. Gerhard Quast.

Die Beobachtung eines eigenartigen Falles in der hiesigen Wut- schutz-Abteilung gab Veranlassung, der Frage näher zu treten, was mit dem durch die Wutschutz-Impfung dem Körper subkutan einverleibten Virus fixe geschieht. Diese Frage ist bisher in der Literatur noch nicht bearbeitet worden. Wohl liegen Veröffentlichungen verschiedener Autoren vor, in denen bei Gebissenen, die nach Ansicht dieser Forscher an einer Passagewut infolge der Impfung zugrunde gingen, das Virus fixe im Zentralnervensystem nachgewiesen wurde (Bareggi, Franca u. a.). In ihren jüngsten Arbeiten stellen allerdings Kraus und Schwein- burg eine Schädigung des Organismus durch das Virus fixe in Abrede und behaupten, daß die Noxe in der Einverleibung des artfremden Zentralnervensystems zu suchen ist. Stellt man sich auf den Stand- punkt von Kraus und Schweinburg, so hat die von mir zu schil- dernde Beobachtung bereits seine Vorläufer in den oben erwähnten Ar- beiten. Alle diese Fragen bedürfen aber noch einer Klärung, so daß der zu schildernde Fall und die sich daran schließenden Tierversuche bis heut etwas Neues in der ganzen Lyssafrage darstellen.

Am 4. 4. 1925 meldete sich in der Wutschutz-Abteilung Breslau ein 33jähriger Kaufmann S. Er war ungefähr eine Woche vorher von seinem eigenen Hunde, der laut kreistierärztlichem Gutachten an Toll- wut eingegangen war, mehrfach intensiv an unbckleideten Körperstellen beleckt worden. Eine Untersuchung des Hundegehirnes auf Negrische Körperchen konnte nicht stattfinden, da das Gehirn nicht eingesandt worden war. Nach den geschilderten Symptomen mußte man aber bei dem Hunde an eine Lyssa denken. Da eine Infektionsmöglichkeit nicht auszuschließen war, wurde am gleichen Tage mit der Impfbehandlung begonnen. Die Injektionen wurden ohne Beschwerden gut vertragen. Am 18. 4. 1925 abends erkrankte S. plötzlich mit starken Kopf- schmerzen, Magenbeschwerden und Erbrechen. S., der in einer Privat- pension wohnte, rief einen Arzt, der zunächst an eine Gallensteinkolik dachte. Dieser Zustand dauerte bis zum 20. 4. vormittags. Die Impfung war inzwischen ausgesetzt worden. Als ich am 20. 4. gerufen wurde, fand ich außer den bereits geschilderten Symptomen bei dem Patienten eine erhebliche Nackensteifigrkeit. Außerdem traten in kurzen Inter- vallen Schüttelfröste auf. Ich ordnete sofort die Ueberführung in die medizinische Universitäts-Klinik an. Der Aufnahmebefund und der Verlauf waren laut Krankenblatt der Medizinischen Univ.-Klinik, das mir von dicser freundlichst überlassen wurde, folgende:

Großer, kräftiger Mann in mittlerem Ernährunszustand. Haut und Schleim- häute gut durchblutet. erz: Töne rein, langsam (54 pro Min.). Lungen: Vesikuläratmen und voller Klopfschall beiderseits. Abdomen: Gespannt, kein ausgesprochener Kahnbauch, keine Resistenz palpabel. Extremitäten: o. B. Hals und Rachen gerötet, Gebil

54 Centralbl. £f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 1.

mangelhaft. Pupillen reagieren prompt auf Licht und Konvergenz. Reflex sehr lebhaft. Babinskı negativ.

Patient ist bei vollem Bewußtsein und klagt über starke Schmerzen im Nacken. Opisthotonus. Die Drehbewegungen des Kopfes sind frei. Kernig stark ausgebildet. Tremor des Unterkiefers, zeitweise nachlassend. Patient vermag Wasser zu schlucken. Es treten danach aber heftige Brech- und Würgebewegungen auf und das Wasser wird, mit Speichel vermengt, erbrochen. Völlige Anurie. Perforation des Nasen- septums.

Verlauf.

20. 4. Sofortige Lumbalpunktion (10 ccm), Druck 180, Nonne-Apelt positiv, Pandy stark positiv, Zellen 700 pro 1 cmm. Keine Spinnwebgerinnsel, Liquor ganz leicht getrübt. Nach der Punktion ist. Patient erregt, fühlt sich aber wohler. Kernig nicht mehr vorhanden, starker Temperaturabfall. Nachmittags erhält Patient 5 ccm 40proz. Urotropin intravenös. Gleichzeitig wird Blut für WaR, Galleröhrchen und Widal abgenommen. Leukozyten 14 500.

Abends ‘ist Patient ruhig, klagt über Appetitlosigkeit und geringe Kopfschmerzen. Nachts stellen sich Krämpfe aller Extremitäten ein. Gegen 7 Uhr morgens ver- schlechtert sich der Puls sehr, kurz darauf Exitus letalis.

Es handelt sich um eine stürmisch verlaufende Meningitis ungeklärter Genese.

WaR in Blut und Liquor negativ.

Bakteriologische Untersuchung des Liquors: Original: polymorphkernige Leuko- zyten, keine Bakterien, Tb. negativ. Kulturell steril.

Widal für Typhus und Paratvphus negativ.

Die Temperatur betrug bei der Einlieferung 39,69, nach der Lumbalpunktion 37°, am 21. 4. früh 40,4 ..

Blutbild: Poly. 83 Proz., Eos. 3 Proz., Lymphozyten 13 Proz., Ueberg. 1 Proz.

Die am 21. 4. vorgenommene Sektion (Pathol. Institut der Univ. Breslau) ergab:

Atherosklerosis initiens. Tuberculosis caseosa lymphogland. hil. pulm. Tuber- culosis apicis pulm. utr. progrediens, partim Caseosa. been in venam perforans. Cystitis. Stat .post op. ves. urin.

Meningitis tuberculosa.

Die Tuberkelknötchen waren sehr klein und fast ausschließlich in der Gegend des Temporallappens. Im mikroskopischen Schnitt waren Tuberkelbazillen nachweisbar.

Aus rein wissenschaftlichem Interesse wurden am 23. 4. 1925 4 Kaninchen mit einer Emulsion des Ammonshornes in phys. Koch- salzlösung geimpft und zwar erhielten Kaninchen 87 und 92 ca. 0,1 ccm subdural, Kaninchen 85 und 88 ca. 2,0 ccm intermuskulär. Am 5. Tage nach der Injektion, also am 28. 4., zeigten sich bei Kaninchen 92 Erscheinungen, wie sie bei den mit Virus fixe infizierten Kaninchen typisch sind: Apathie, starrer Blick, Zähneknirschen, Verweigern der Nahrung und beginnende Lähmung der Hinterhand. Am 29. 4., früh, lag das Tier vollkommen paralytisch in seinem Käfig. Abends wurde das Tier getötet. Am 30. 4. wurden mit einer Emulsion des Gehirns dieses Kaninchens 2 weitere Kaninchen 96 und 97 subdural infiziert. Am 4. 5. traten auch bei diesen Tieren die gleichen Symptome auf. Am 5. 5. wurden die Tiere, nachdem bei beiden vollkommene Paralyse ein- getreten war, getötet. Am gleichen Tage wurde ein weiteres Kaninchen, Nr. 98, mit einer vom Kaninchen 96 stammenden Gehirnemulsion sub- dural infiziert. Dieses Tier zeigte am 9. 5. genau die gleichen Symptome, war am 10. 5. vollkommen paralytisch und ging am 11. 5. spontan ein. Weitere Ueberimpfungen wurden nicht vorgenommen. Bei Kaninchen 87 traten am 29. 4. die gleichen Symptome auf, am 30. 4. dann voll- kommene Paralyse und abends wurde das Tier getötet. Von diesem Kaninchen wurden keine weiteren Passagen gemacht, da das Krankheits- bild vollkommen mit dem bei Kaninchen 92 beobachteten übereinstimmte. In allen Fällen wurden die Gehirne auf das Vorhandensein von Negri- schen Körperchen untersucht und jedesmal mit negativem Ergebnis.

Quast, Zur Frage des Verbleibes des durch die Wutschutzimpfung usw. 55

Die intramuskulär gespritzten Tiere 85 und 88 blieben auch nach dreimonatiger Beobachtungszeit gesund.

Die bei den Kaninchen beobachteten Krankheitsbilder Apathie, Zähneknirschen, Nahrungsverweigerung, Schwäche der Hinterhand, schließlich vollkommene Paralyse die in jedem Falle fast nach der gleichen Inkubationszeit auftraten und die gelungenen Uebertragungs- versuche sprechen meines Erachtens so eindeutig für eine Virus fixe- Infektion, daß nur anzunehmen übrig bleibt, daß in dem Gehirn des S. Virus fixe enthalten war.

Es können auf diesen eigenartigen Befund hin folgende Fragen auf- geworfen werden: Ist das Vorkommen von Virus fixe im Gehirn ge- impfter Personen konstant ob es in jedem Falle in der Menge vor- handen ist, daß es durch den Tierversuch nachgewiesen werden kann, bleibe dahingestellt oder hat die bestehende tuberkulöse Meningitis das Gehirn zu einem locus minoris resistentiae gemacht, so daß das Virus fixe besser haften konnte. Die letztere Frage zu beantworten, ist sehr schwierig und nicht versucht worden. Für die Beantwortung der ersten Frage kann man theoretische Erwägungen auf Grund einer Paltaufschen Arbeit und die im folgenden zu schildernden Versuche an Hunden heranziehen. Paltauf gelang es, mit dem Gehirn von 4 Personen, die von tollwütigen Hunden gebissen waren, und inter- kurrent während und nach der Impfung starben, und zwar an Lungen- embolie, Encephalomalacie und Delirium tremens, Kaninchen zu infi- zieren, so daß sie unter dem Bilde der konsumptiven Wut eingingen. Eine Weiterimpfung gelang nur in einem Falle. Die gestorbenen Per- sonen hatten nicht die geringsten Symptome von Lyssa oder Paralyse gezeigt. Aus diesen Versuchen folgert Paltauf, daß das Lyssavirus sich längere Zeit latent im Zentralnervensystem halten kann, ohne irgendwelche Krankheitssymptome zu machen. Der Unterschied zwischen Straßenwutvirus und Virus fixe liegt aber nur in der verschiedenen Virulenz gegenüber manchen Tierspezies. Die Affinität zum Zentral- nervensystem besitzen beide Virusarten in gleicher Weise. Ist Paltauf der Nachweis von Straßenwutvirus im Gehirn interkurrent gestorbener Personen gelungen, ist naheliegend, anzunehmen, daß unter Umständen auch der Nachweis des Virus fixe im Gehirn solcher Personen gelingen müßte. Dazu kommt noch, daß die durch die Impfung einverleibte Menge des Virus fixe ungleich größer ist, als die durch den Biß übertragene des Straßenwutvirus.

Die Versuche an den Hunden wurden auf folgende Weise angestellt: 3 gesunde Hunde wurden mit den gleichen Mengen Virus fixe, wie sie zur prophylaktischen Behandlung gebissener Personen verwandt werden, 20mal subkutan gespritzt. 2 Hunde wurden am Tage der letzten In- jektion getötet, der dritte 2 Tage nach Beendigung der Impfkur. Je 2 Kaninchen wurden mit einer dicken Emulsion des Ammonshornes in Kochsalzlösung subdural geimpft. Es 'hatte sich nämlich gezeigt, dab Kaninchen, die nur mit einer dünnen Gchirnemulsion infiziert waren, gesund blieben. Der Verlauf ist aus nachstehenden Tabellen ersichtlich:

1. Hund.

30. 5. Beendigung der Impfkur. Tötung. 2 Kaninchen (Nr. 3 und 4) mit dünner Gehirnemulsion subdural geimpft. Gesund geblieben.

9. 6. 2 Kaninchen Nr. 8 und 9 mit dicker Emulsion subdural injiziert.

15. 6. Kaninchen Nr. 8 erkrankt: Zähneknirschen, Nahrungsverweigerung, Läh- mung der Hinderhand.

56 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 1.

16. 6. Vollkommene Paralyse, nachmittags Tötung, Negrische Körperchen nicht nachweisbar. Gehirnemulsion subdural verimpft an Kaninchen Nr. 10 und 11. 5 i 6. Beı beiden Kaninchen die gleichen Symptome wie bei Kaninchen 8 am 15. 6.

21. 6. Kaninchen Nr. 10 (stärker ln) getötet. Negri negativ.

22. 6. 2 Kaninchen Nr. 12 und 13. subdural mit Gehirnemulsion von Kaninchen Nr. 10 infiziert.

23. 6. Kaninchen Nr. 11 spontan unter dem Bilde völliger Paralyse gestorben. Negri negativ. Keine weitere. mpn

24. 6. Kaninchen Nr. 12 und 13 die gleichen Symptome. Tötung. Negri negativ. Von Kaninchen 12 weiter verimpft auf Kaninchen 14.

2. 7. Spontaner Exitus von Kaninchen 14. Negri negativ unter dem gleichen Krankheitsbilde. Keine weiteren Passagen.

Kaninchen Nr. 9 blieb bis heutigen Tags gesund.

2. Hund.

30. 5. Beendigung der Impfkur. Tötung. Zwei Kaninchen Nr. 5 und 6 mit dünner Gehirnemulsion subdural infiziert. Gesund geblieben.

9. 6. Kaninchen Nr. 21 und 22 mit dicker Gehirnemulsion infiziert.

23. 6. Kaninchen Nr. 21 erkrankt mit dem Anfangsbild einer Virus fixe- Infektion.

- 24. 6. Kaninchen Nr. 21 getötet. Negri negativ. Gehirn weiter verimpft an

Kaninchen Nr. 23 und 24.

30. 6. Kaninchen Nr. 23 und 24 unter den gleichen Symptomen getötet. Negri

negativ.

2. 7. Gehirn von Kaninchen 23 weiter verimpft an Kaninchen 25.

7. 7. Kaninchen Nr. 25 getötet. Negri negativ. Das gleiche Krankheitsbild. Keine weiteren Passagen.

Kaninchen Nr. 22 bis heutigen Tags gesund geblieben.

3. Hund. 19. 5. Beginn der Behandlung. 7. 6. Beendigung der Behandlung. 9. 6. Tötung. Kaninchen Nr. 30 und 31 subdural mit Gehirnemulsion in- fiziert. Bis zum 28. 6. keinerlei Veränderungen.

28. 6. Bei Kaninchen Nr. 30 Schwäche der Hinterhand. Freßlust, Schwankende Bewegungen des Kopfes. Anhalten dieses Zustandes bis zum 1. 7. Tötung. Negri negativ. Verimpfung des Gehirns subdural an 2 Kaninchen Nr. 40 und 41. Beide Tiere gesund geblieben, ebenfalls Tier Nr. 21. |

Aus diesen Tierversuchen können wir nun 2 Tatsachen ersehen: 1) daß Virus fixe im Gehirn von zweien der 3 Hunde nachweisbar war anders kann man wohl die Erkrankung der Kaninchen nicht deuten —, und 2) daß die Menge des bis ins Gehirn gedrungenen Virus fixe nicht immer ausreicht, in jedem Falle eine Infektion bei Kaninchen hervorzurufen.

Es ist also in hohem Maße wahrscheinlich, wenn ich mich vor- sichtig ausdrücken darf, daß das durch die Impfung einverleibte Virus fixe seinen Weg in das Zentralnervensystem nimmt, sich dort eine Zeitlang latent hält und allmählich abgebaut wird. Man kann vielleicht aus diesen Umständen eine Erklärung für den Immunisierungsvorgang bei Lyssa finden, indem nämlich durch das ins Zentrainervensystem ge- drungene Virus fixe die Bildung von Antikörpern in diesem Organ an- geregt wird, die dann ihrerseits imstande sind, das Straßenwutvirus zu binden. Ä

Literatur.

Bareggi u. França, zitiert nach Simon, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 65. 1913. S. 72.— Kraus, Wien. klin. Woch. 1924. Nr. 2”.—Schweinburg, Ibid. 1924. Nr. 33. Paltauf, Ibid. Bd. 22. 1909.

Trenti Wassermannsche Reaktion im Serum nach seiner Filtration usw. 57

Nachdruck verboten.

Die Wassermannsche Reaktion im Serum nach seiner Filtration durch Kollodiumsäckchen.

‘Aus der Medizinischen Klinik der Universität Rom (Direktor: Prof. Ascoli).]

Von Dr. Enrico Trenti, Oberarzt.

Mutermilch (1911) und dann Kopaczewski (1920) haben zu- erst zum Studium der komplementablenkenden Substanzen und des Wesens der Wassermannschen Reaktion die Dialyse luetischer und normaler Seren durch Kollodiummembranen angewandt. Die genannten Autoren berichten, daß ein solches Dialysat von luetischen Seren immer negative Wassermannsche Reaktion gibt. Der Rückstand bei der Dialyse vermag aber das Komplement bei Gegenwart von Antigen zu binden. Dabei stimmen die Beobachtungen von Sanarelli, Marbé, Arrheniusu. Madsen, Frouin u. Gates überein. Sie sahen, daß die im Serum enthaltenen, als Antikörper bezeichneten Substanzen nicht durch die Kollodiummembran hindurchgehen. Ferner stellte Kopa- cezewski fest, daß der Rückstand bei dieser Dialyse luetischer Seren einen ın physiol. Kochsalzlösung lösbaren Niederschlag darstellt, der, wie das ursprüngliche Serum, noch eine positive Wassermannsche Reaktion gibt. Er zog daraus den Schluß, daß es sich bei der Wasser- mannschen Reaktion um eine Reaktion zwischen den flüchtigen Kolloid- substanzen des Serums und den im Antigen suspendierten handelt, die sich miteinander verbinden. Fast gleichzeitig mit dieser Theorie er- schienen ein Zeichen, wie mannigfaltig die Ansichten der zahlreichen Untersucher sind die Angaben Wassermanns über das Vor- handensein eines besonderen Komplexes in luetischen Seren, den er die Wassermannsche Substanz nannte. Sie bildet bei Anwesenheit von Antigen mit diesem einen neuen Wassermann-Komplex oder Aggre- gat, dem er den positiven Ausfall der Reaktion zuschreibt. Die Wassermannsche Beobachtung ließ aber eher daran denken, daß zwischen der Substanz des Serums und der des Antigens eine echte und eigene Verbindung im Sinne einer Immunreaktion stattfände. Es sei noch erwähnt, daß die letzten Untersuchungen von Wassermann und Citron die Möglichkeit ergaben, das Wassermannsche Aggregat durch Filtration mit Kieselgurfilter in seine Komponenten zu zer- legen. Das war nur bei luetischen Seren möglich, nicht aber bei nor- malen Seren nachweisbar, da diesen Seren das genannte Wasser- ınannsche Aggregat fehlt.

Diese letzteren Untersuchungen von Wassermann und Citron wurden von Prausnitz und Stern einer strengen Nachprüfung unter- worfen. Die beiden stimmen der Ansicht von einer Spaltung des Wassermannschen Aggregats in seine Komponenten nicht bei, son- dern erklären die Ergebnisse von Wassermann und Citron als durch einen Serumüberschuß in dem filtrierten Gemisch bedingt.

Um festzustellen, wie das Zustandekommen der Wassermann- schen Reaktion erklärt werden könne, habe ich eine Untersuchungsreihe mit Ultrafiltration von luetischen und normalen Seren durch Kollodiunr- membranen angestellt. Ich benutzte zu diesem Zweck Kollodiumsäckchen, die nach der von Sanarelli schon angegebenen Methode hergestellt wurden. Auf diese Weise gelingt die Ultrafiltration der Seren hin-

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reichend schnell. Sorgt man ferner dafür, daß die Kollodiumsäckchen immer auf dieselbe Weise hergestellt werden, so kann man mit ganz gleichmäßig vorbehandeltem Material arbeiten, das gut vergleichbare Resultate ergibt. Zur Herstellung der Kollodiumsäckchen benutzte ich das 10proz. Kollodium Merck, das zu gleichen Teilen mit absolutem Alkohol verdünnt wurde, so daß eine 5proz. Lösung entsteht. Durch den Alkoholzusatz wird die Durchlässigkeit der Membran erhöht. Die Säckchen, durch Uebereinanderschichtung von 3 Lagen Kollodium auf einem Glasstab hergestellt, lassen sich leicht durch Umkehrung von dem Glasstabe ablösen, werden in destilliertes Wasser gebracht und dann an einer Glasröhre befestigt. Mittels eines Gummistopfens wird diese mit einem Kollodiumsäckchen versehene Glasröhre in einen Glastubus ein- geführt, der in halber Höhe eine Oeffnung für den Anschluß an die Aspirationspumpe trägt. Kollodiumsäckchen und Glasbehälter werden mit destilliertem Wasser gefüllt und im Autoklaven mit strömendem Dampf sterilisiert. Zum Gebrauch dieser Filter wurde das Wasser innen und außen entfernt, das Serum in die Säckchen eingefüllt, die Wasserstrahlpumpe angeschlossen und so die Ultrafiltration des Serums vorgenommen. Nach meiner Erfahrung ertragen derartig hergestellte Säckchen von 2—3 ccm Inhalt einen Aspirationsdruck von 60 mm Hg und reichen für die Ultrafiltration von ca. 20 ccm Serum aus. Wird in dieser Weise die Ultrafiltration eines Serums ausgeführt, so tritt eine Scheidung in 2 Portionen ein. Die eine, das Filtrat, ist klar, ungefärbt und besteht aus Wasser, Salzen in gleichem Verhältnis wie im Serum, und aus Albuminen, deren Menge zwischen 2—3 0/,, schwankt. Die andere, der Rückstand, ist leicht getrübt, von der Farbe des ehemaligen Serums, wenn auch intensiver, von fast gelatinöser Beschaffenheit, besteht aus den Substanzen, die durch die Wand des Kollodiumsäckchens nicht hindurchgegangen und die in der Hauptsache die ganzen Globu- line, ein Teil der Albumine und Lipoide sind. Die Tatsache, daß die Globuline durch die von mir verwandten Säckchen nicht hindurchgehen, erlaubte mir jedesmal eine Kontrolle auf die Durchlässigkeit der Säck- chen und so immer ein Arbeiten unter möglichst gleichen Bedingungen. Ich habe sowohl Filtrat wie Rückstand von jeder weiteren Unter- suchung ausgeschlossen, so oft sich in dem flüssigen Filtrat eine posi- tive Globulinreaktion nachweisen ließ. Die Ultrafiltration wurde immer bis zur gleichen Volumeinengung des Serums auf 1/; fortgesetzt, also bis zu einer Konzentration des Rückstandes, die trotz seiner gelatinösen Beschaffenheit noch zu den weiteren Manipulationen verwendbar war. ‚Wenn die Trennung der luetischen und normalen Seren in die genannten beiden Teile erreicht war, wurde sowohl mit dem Filtrat als auch mit dem Filterrückstand die Wassermannsche Reaktion angestellt. Hier- zu benutzte ich die Originalmethode mit insgesamt 2,5 ccm und zwei Antigenen, einem wässerigen, aus hereditär-luetischer Fötenleber, und einem alkoholischen, aus cholesteriniertem Rinderherzen (nach Sachs). Verwendet wurden 0,5 ccm Komplement 1:10, die doppelte Menge hämolytischen Ambozeptors, und 0,5 ccm einer 5proz. Hammelblut- körperchenaufschwemmung.

Der hämolytische Ambozeptor wurde in dieser Menge dosiert, damit eine komplette Hämolyse in 15—20 Min. eintrat. Die Seren wurden bei 30— 50° inaktiviert.

Mit dieser Versuchsanordnung ließ sich feststellen, daß das durch die Kollodiumsäckchenwand hindurchgetretene Filtrat der Juetischen

Trenti, Wassermannsche Reaktion im Serum nach seiner Filtration usw. 59

wie der normalen Seren regelmäßig eine negative Wassermannsche Reaktion ergab. Der Filterrückstand der luetischen Seren ergab dagegen immer eine komplette positive Reaktion. Im Filterrückstand der nor- malen Seren war aber die Reaktion immer negativ.

Das Filtrat ergab auch bei Verwendung von 1,0 negative Reaktion. Von dem Filterrückstand wurden 0,10 benutzt.

Ferner wurde der Rückstand der Ultrafiltration mit physiol. Koch- salzlösung bis zum ursprünglichen Serumvolumen verdünnt. Von dieser Lösung wurden 0,10 verwendet. Auch in dieser Weise wurden die Reaktionen stets völlig positiv oder negativ, je nach der Herkunft des Rückstandes, genau wie in dem ursprünglichen Serum.

Hierdurch ist nachgewiesen, daß die Substanzen, die in den lueti- schen Seren den positiven Ausfall der Wassermannschen Reaktion bedingen, nicht durch die Wand der Kollodiumsäckchen hindurchtreten.

Verwendet man zur Verdünnung des Filterrückstandes anstatt der physiol. Kochsalzlösung destilliertes Wasser, so erhält man in gleicher ‚Weise komplette positive bzw. negative Reaktionen. Diese Feststellung scheint mir gewisse theoretische Schlüsse nahezulegen, die ich erst nach Schilderung meiner weiteren Untersuchungen erörtern möchte.

Führt man die Reaktion mit dem Filterrückstande von luetischen Seren ohne weitere Verdünnung mit Kochsalzlösung oder Aq. dest. aus, so läßt sich nachweisen, daß auch die Kontrolle bzw. 0,10 ccm des ge- nannten Rückstandes mit dem ganzen hämolytischen System und physiol. Kochsalzlösung allein eine mehr oder weniger ausgeprägte, zuweilen ein komplette Hemmung der Hämolyse zeigen.

Diese Erscheinung läßt sich nicht nachweisen, wenn man den Filterrückstand bis zu dem ursprünglichen Volumen des filtrierten Serums verdünnt. Ferner auch dann nicht, wenn man 0,10 ccm des un- filtrierten Serums oder den Filterrückstand normaler Seren verwendet. Vermag schon die höhere Konzentration der den luetischen Seren eigenen Substanz oder deren Anwesenheit in einem bestimmten Mengenverhältnis allein das Komplement abzulenken ? In dieser Hinsicht sei an die Beob- achtungen von Dreyer, Müller und Rubinstein erinnert. Nach ihnen besitzen die luetischen Seren eine besondere antikomplementäre Eigenschaft, die leicht nachweisbar ist, wenn Komplement und Hämo- lysin in ihrer Grenzdosis verwendet werden.

Bei meinen Untersuchungen wurden Komplement und Hämolysin in höheren als den Grenzdosen verwendet. Bei den angestellten Kontroll- proben, bei denen das Serum in toto in der Dosis von 0,5 ccm (ent- sprechend 0,10 ccm des Filterrückstandes) verwendet wurde, habe ich sowohl bei Seren mit positiver als auch negativer Wassermannscher Reaktion weder eine Verzögerung noch komplette Hemmung der Hämo- lyse beobachtet. Man könnte deshalb vielleicht denken, daß durch die Ultrafiltration der Seren mit positiver WaR. nicht allein eine Konzen- tration der diesen Seren eigenen Substanz, die das Komplement abzu- lenken vermag, erreicht wird, sondern daß durch die Entziehung der Salze und eines Teiles der Albumine ihre Fähigkeit auch deutlicher wird. Ueber das Resultat einer gleichen Untersuchungsreile mit Seren, die zwar nicht von luetischen Individuen stammen, aber eine positive WaR. geben, kann ich noch nichts aussagen. Die diesbezüglichen Unter- suchungen sind noch im Gange.

Auf Grund der Beobachtung, daß der Rückstand der Ultrafiltration von Seren mit positiver WaR. die Komplementablenkung viel deutlicher

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zeigt, habe ich in gleicher Weise Seren von sicher luetischen Indivi- duen untersucht, die kurz vorher eine spezifische Behandlung durch- gemacht hatten und bei denen die WaR. mit der gewöhnlichen Technik negativ oder schwach positiv geworden war. Bei den einen dieser Seren blieb die WaR. auch bei Wiederholung mit dem Rückstand der Ultra- filtration negativ. Bei den anderen, und zwar meistens bei denen, die vorher eine schwach positive Reaktion oder nur leichte Hemmung der Hämolyse gezeigt hatten, wurde die Reaktion mit dem Filterrückstand stark positiv. Auch trat bei diesen letzteren eine Komplementablenkung in der Kontrolle auf. Diese Tatsache hat praktische Bedeutung. Sie ge- stattet eine genauere Serumkontrolle der behandelten Luetiker. Durch diese Methode erhält die Reaktion eine größere Empfindlichkeit, ohne deshalb gleichzeitig gegenüber der gewöhnlichen Technik an Spezifität zu verlieren.

Zur weiteren Kontrolle der bisherigen Resultate habe ich gleich- zeitig mit der WaR. die Flockungsreaktion nach der Originalmethode von Sachs-Georgi ausgeführt. Die Ergebnisse waren folgende:

Nach der Ultrafiltration der Seren durch Kollodiumsäckchen bis zur Volumeinengung auf 1/, blieb die Flockungsreaktion sowohl im Filtrat als auch im Rückstand normaler Seren, auch bei höheren Dosen als 1, stets negativ. Ebenso war die Flockungsreaktion im Filtrat von Seren mit positiver WaR. negativ, inihrem Rückstand jedoch stark positiv mit dicken Flocken. Ferner ließ sich feststellen, daß die Flockungsreaktion, wenn sie in unfiltrierten luetischen Seren mit posi- tiver WaR. negativ war, bei Verwendung von 0,10 ccm des Rückstandes der Ultrafiltration dieser Seren einwandsfrei positiv wurde. Diese Tat,- sache zeigt nicht nur, daß die Antikörper nicht durch die Dialysier- membran hindurchgehen, sondern auch, daß durch ihre Konzentration die Reaktion eine größere Empfindlichkeit erlangt, was sich ja auch bei der Komplementablenkung nachweisen ließ. Bei Verdünnung des Filterrückstandes mit physiol. Kochsalzlösung oder destilliertem Wasser bis zur ursprünglichen Serumkonzentration blieben die Flockungsreak- tionen in gleicher ‚Weise positiv, wenn sie in dem ursprünglichen un- filtrierter Serum positiv waren. Hatte das unfiltrierte Serum mit posi- tiver WaR. negative Flockungsreaktion, so war diese auch bei ent- sprechender Verdünnung seines Filterrückstandes mit physiol. Kochsalz- lösung oder Aq. dest. negativ. Sie wurde dagegen bei Verwendung von 0,10 ccm des unverdünnten Filterrückstandes einwandsfrei positiv.

Schon diese Ergebnisse könnten zu einigen Betrachtungen über das Wesen der WaR. verleiten. Es dürfte jedoch zweckmäßiger sein, darauf erst nach Schilderung einer weiteren Untersuchungsreihe einzugehen. Sie bezweckte die Feststellung, an welche Komponenten in Seren mit positiver WaR. die Fähigkeit gebunden ist, in Gegenwart von Antigen Komplement abzulenken.:

Die Ultrafiltration mit Kollodiumsäckchen erlaubt eine mannigfal- tige Anwendungsweise. Die Leichtigkeit, mit der es gelingt, einem bestimmten Körper Wasser, Salz und lösliche Albumine zu entziehen, legt schon die Richtung der Anwendung nahe. Ich suchte daher die Globuline aus dem Serum zu isolieren, um mit ihnen die WaR. zu unter- suchen. Zu dem Zweck bin ich in folgender Weise verfahren: Zu einer bestimmten Menge Serum von Luetikern mit stark positiver WaR. und von normalen Personen mit negativer WaR. wurde die gleiche Menge gesättigter Ammoniumsulfatlösung hinzugesetzt. Nach Fällung der Globuline wurde durch einen Papierfilter filtriert, der Filter mit.

Trenti, Wassermannsche Reaktion im Serum nach seiner Filtration usw. 61

dem ganzen Niederschlag in einen Kolben gebracht und so lange dest. Wasser hinzugefügt, bis der Niederschlag völlig aufgelöst war. Es er- wies sich weiterhin als notwendig, das Ammoniumsulfat vollständig zu entfernen und die Globulinlösung bis auf das ursprüngliche Volumen des verwendeten Serums zu konzentrieren. Zu diesem Zwecke ließen sich die Kollodiumsäckchen in der oben angegebenen Modifikation aus- gezeichnet verwenden. Die Globulinlösung wurde also in das Innere der Säckchen gebracht, um unter Aspiration das destillierte Wasser und das Ammoniumsulfat zu entfernen. Während der Filtration wurde immer wieder neues Aq. dest. dem Säckcheninhalt zugefügt, bis die Flüssigkeit im Innern der Säckchen keine Reaktion auf Ammonsulfat mit BaCl, mehr gab. War das erreicht, so wurde die Ultrafiltration bis zu einer Volumeinengung des Filterrückstandes auf wenige ccm fortgesetzt. Der Rückstand der Ultrafiltration besteht jetzt aus Flüssig- keit und einem Niederschlag, dem so lange physiol. Kochsalzlösung von 0,91 Proz. zugefügt wird, bis die Flüssigkeit opalesziert. Diese Flüssig- keit gibt mit Ammonsulfat eine starke Globulinreaktion. Es ist nun leicht. eine dem ursprünglichen Serumvolumen, das zur Fällung der Giobu:ine diente, entsprechende Flüssigkeitmenge herzustellen. Mit dieser Lösung wurde wiederum die WaR. angestellt. Durch zahlreiche Proben ließ sich feststellen, daß die Lösungen, die aus luetischen Seren mit positiyer WaR. stammten, eine stark positive WaR. behielten, daß aber in den Lösungen, die aus Seren von normalen Individuen mit nega- tiver WaR. stammten, die WaR. immer ganz negativ war. Im Filtrat des Ammoniumsulfatniederschlages war die WaR. stets völlig negativ.

Logischerweise mußte man deswegen annehmen, daß die komple- mentab.enkende Eigenschaft luetischer Seren an den Niederschlag ge- bunden ist, der bei Zusatz von Ammoniumsuifat zum inaktivierten Serum entsteht. Enthält nun dieser Niederschlag nur ausschließlich Globuline, oder sind darin noch andere im Serum enthaltene Stoffe eingeschlossen ? Die Beantwortung dieser Frage ist nur in beschränktem Maße mögiich, da bci einer chemischen Analyse der Seren die Natur der vermuteten Antikörper vielleicht eine Veränderung erfahren kann. Nach mannig- faltigen vorausgegangenen Versuchen habe ich mich bei meinen Unter- suchungen darauf beschränkt, vor der Fällung der Globuline alle ın Aether und Petroläther löslichen Stoffe, dic, wie bekannt, in der Haupt- sache Cholesterin sind, aus den Seren zu entfernen. Luetische und einige normale Seren wurden also wiederholt mit Aether oder Schwefel- äther extrahiert. Das so vorbehandelte Serum wurde dann in 2 Cor- tionen geteilt. Mit der einen wurde sofort die WaR. angestellt, in der anderen wurden die Globuiine gefällt und durch Zusatz von Aq. dest. gelöst. Nach Ultrafiltration dieser Lösung wurde schließlich der Filter- rückstand wieder in physiol. Kochsalzlösung aufgelöst. Mit diesen aus Serum, das mit Aether extrahiert und mit Ammoniumsuifat versetzt worden war, gewonnenen Lösungen wurde ebenfalls die WaR. ange- stellt. Der Ausfall der Reaktion war immer ganz entsprechend dem Ausgangsmaterial, also immer positiv bei Verwendung von luetischem Serum mit positiver WaR. und negativ bei Verwendung von normalem Serum mit negativer WaR. Diese:ben Resultate erhielt ich mit den Seren nach Aetherextraktion ohne Globulinfällung. Der durch Ver- dampfung gewonnene Rückstand des Aetherextraktes ergab sowohl bei Juetischen wie bei den normalen Seren immer negative WaR.

Es ist andererseits bekannt, daß nicht alle Lipoide in Acther und

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und Petroläther löslich sind. Einige (Lezitin) sind nur löslich in Azeton. Ich habe deshalb meine Untersuchungen auch auf diesen Stoff ausgedehnt und positive und negative Seren lange und wiederholt mit reinstem Azeton extrahiert, das dann unter Aspiration bei 25° wieder abgedampft wurde. Der so erhaltene Rückstand wurde dann mit so viel physiol. Kochsalzlösung, wie der zur Extraktion verwendeten Serum- menge entsprach, aufgeschwemmt. Hiermit wurde wieder die WaR. nach der Originalmethode angestellt. Das Ergebnis war bei den Seren mit positiver und negativer Reaktion negativ.

Auf Grund dieser Ergebnisse glaube ich annehmen zu dürfen, daß die komplementbindende Fähigkeit der Seren von luetischen Individuen eher an die Globuline, als an die in Aether, Petroläther und Azeton löslichen Lipoide gebunden ist.

Diese Theorie entspricht der Annahme von Landsteiner und Müller, Groß und Volk, Better, Hisch, Rubinstein und Radossavlievitch. Auch sie suchten das Serumglobulin auf mannig- faltige Weise zu isolieren (Durchströmung mit CO,, Aq. dest.).

Andererseits soll nach zahlreichen Untersuchungen nicht das Serun- globulin an sich, sondern seine besondere Konstitution bei der Erklärung der WaR. eine Rolle spielen. Viel weniger übereinstimmend sind die An- sichten über die Bedeutung der Serumlipoide und auch über die Methode der Darstellung und Isolierung dieser Substanzen. Die verschiedenen Untersucher beschränken sich auf die Feststellung des Lipoidgelaltes positiver und negativer Seren, ohne einen Unterschied zwischen dem einen und anderen beweisend nachweisen zu können. Nur Rosovsky hat die WaR. mit dem Rückstand von Aetherextrakten ausgeführt und negative Resultate erhalten.

Bei meinen Untersuchungen war das Ergebnis mit dem Rückstand des Aetherextraktes wie auch des Azetonextraktes immer negativ. Wenn demnach auch die komplementbindende Eigenschaft luetischer Seren an die Serumglobuline gebunden zu sein scheint, so läßt sich doch nicht sagen, ob dabei eine besondere Konstitution aller dieser Globuline oder eines Teiles von ihnen, oder ob nicht noch andere besondere Stoffe dabei eine Rolle spielen, die zusammen mit den Globulinen gefällt werden und die Eigenschaft spezifischer Antikörper haben.

Ich halte es nach meinen Untersuchungen für wenig wahrschein- lich, daß die WakR. als eine Kolloidreaktion zwischen den labilen Kolloiden des Serums und den im Organextrakt suspendierten auf- gefaßt werden kann. Man kann nämlich meines Erachtens von einer Kolloidreaktion sprechen, wenn man ohne Unterschied das Serum in toto, seinen Rückstand nach der Ultrafiltration mit Entfernung des größten Teiles des Wassers, aller Salze und eines Teiles der Albumine und endlich eine Lösung dieses Rückstandes in physiol. Kochsalzlösung oder Aq. dest. benützen kann. Ferner erhält man die ganz gleichen Er- gebnisse, wenn man die Globuline mit Ammonsulfat fällt, sie wieder vollständig von Ammoniumsulfat reinigt und dann ihren Filternieder- schlag in Aq. dest. mit physiol. Kochsalzlösung aufschwemmt.

Auf Grund der Beobachtung, daß der Rückstand der Ultrafiltration luetischer Seren mit positiver WaR. häufig schon allein ohne Antigen- zusatz eine Komplementablenkung bewirkt, könnte man die Vorstellung gewinnen, daß beim Zustandekommen der WaR. eine Summierung der komplementablenkenden Stoffe im Serum und im Antigen mitspielt. In der Technik der WaR. sind nun in der Tat das Serum und das Antigen

Trenti. Wassermannsche Reaktion im Serum nach seiner Filtration usw. 63

in einer solchen Menge dosiert, daß jedes für sich allein zur Inakti- vierung des Komplementes nicht hinreicht. Wenn man konzentriertes Serum, wie nach Ultrafiltration, benutzt, so läßt sich eine Komple- mentablenkung nachweisen, die man ebenso leicht erhält, wenn man höhere Dosen des Antigens verwendet. Erreicht man vielleicht so, daß man bei Verwendung von Serum und Antigen in einer Menge, die für jedes allein keine Komplementablenkung bewirkt, durch die einfache Addition der beiden die Fähigkeit der Komplementbindung ?

Eine solche Vermutung ist auch neuerdings von Prausnitz und Stern auf Grund ihrer Studien über das Wassermann -Aggregat geäußert worden. Ich glaube aber nicht, daß man den Mechanismus der WaR. auf solch einfache Weise erklären kann. Schon ein sehr einfacher Versuch zeigt die geringe Wahrscheinlichkeit dieser Vermutung. Wenn in der Tat die einfache Summierung der komplementablenkenden Stoffe des luetischen Serums und des Antigens das Zustandekommen der WaR. verursachen würde, so müßten Verminderung der Serumdosis und Ver- größerung der Antigendosis einerseits und Vergrößerung der Serum- dosis und Verminderung der Antigendosis andererseits gleichen Reak- tionsausfall ergeben. Man erhält aber mit kleinen Serum- und hohen Antigendosen negative und mit kleinen Antigen- und hohen Serumdosen positive Reaktionen. Wenn es sich also um einfache Summierung han- delte, müßten die Resultate in dem einen oder anderen Falle gleich sein.

Es ist demnach kaum anzunehmen, daß die WaR. auf einer Aende- rung des Kolloidzustandes des Serums beruht, die durch die mit dem Organextrakt zugesetzten suspendierten Kolloide hervorgerufen wird und so zu einer das Komplement inaktivierenden Präzipitation führt. Auch ist die Annahme einer einfachen Summierung der komplement- ablenkenden Stoffe des Serums und des Antigens nicht haltbar.

Deshalb scheint es mir mehr wahrscheinlich, daß das Zustande- kommen der WaR. von chemischen Faktoren abhängt und die Reaktion vielleicht im Wesen einer Immunreaktion entspricht. Auch Wasser- mann hat neuerdings noch an dieser Vermutung auf Grund seiner Theorien über die Bildung des Wassermannschen Aggregates, das sich nach seiner Ansicht nur bei der Mischung von luetischen Seren mit Antigen nachweisen läßt, festgehalten. Bei unseren heutigen Kennt- nissen läßt sich nichts Sicheres darüber sagen; welcher Art die Stoffe im Scrum und Antigen sind, die die WaR. zustandebringen. Man kann nur annehmen, daB im Organextrakt bestimmte Lipoide, im Serum die Globuline, besondere Bedeutung haben. Dabei können diese Lipoide in den verschiedensten Extrakten vorhanden sein, da sie für die Re- aktion nicht spezifisch sind. Die Stoffe des Serums aber, die mit dem Antigen den Komplex bilden, der für den positiven Ausfall der Reaktion maßgebend ist, scheinen streng an die Globuline luetischer Seren ge- bunden zu sein. Die jüngsten Beobachtungen von Pontano über den positiven Ausfall der WaR. mit Serum von Scharlachkranken und mit wässerigem Leberextrakt von hereditär-syphilitischen Föten stützen die Annahme der Spezifität der WaR. für die Syphilis. Die positiven Reaktionen mit Scharlachserum beruhen nämlich auf einem besonderen Gehalt des verwendeten Antigens an Lipoiden, die mit Scharlachserum das Komplement eher zu inaktivieren vermögen als mit luetischem ‘Serum. Mit gut ausgewähltem Antigen erhält man mit luetischem Serum posi- tive, mit Serum von Scharlachkranken aber negative Reaktionen. Weiter- hin suchten die letzten Untersuchungen Wassermanns und die Ver-

64 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 1.

suche von Saches, Klopstock und Weil den Nachweis von Anti- körperbildung in luetischen Seren zu erbringen. Diese Antikörperbildung soll durch Stoffe hervorgerufen werden, welche sich im kranken Orga- nismus durch die Einwirkung der Spirochäte in der Zelle und in den Geweben bilden. Die genannten Autoren veränderten beim Kaninchen durch Injektion .von Organextrakt und Schweineserum das Serum so, daß es sıch bei der WaR. wie ein luetisches Serum verhielt.

Wenn also die WaR. zwischen dem luetischen Serum und einem Organextrakt zustandekommt, der Stoffe (meistens Lipoide) enthält, welche den durch die schädliche Wirkung der Spirochäte in den Ge- weben gebildeten entsprechen, so ist sie eine Immunreaktion im strengsten Sinne. Doch das bleibt heute noch eine, allerdings sehr ver- lockende Theorie. Es fehlt der endgültige Beweis. Es ist jedoch zu hoffen, daß weitere Studien dieses wichtige Problem der modernen Sero- logie noch weiter klären werden.

Zusammenfassung.

1) Die Kollodiumsäckchen sind sehr geeignet zum Studium der Eigenschaften luetischer Seren, die beim Zustandekommen der Wak. eine Rolle spielen. 2) Die Ergebnisse der Ultrafiltration von lueti- schen Seren mit positiver WaR. durch Kollodiumsäckchen sowie das Studium der Eigenschaften des Filtratrückstandes berechtigen dazu, die WaR. als eine chemische oder Immunreaktion zu betrachten. Die Mitwirkung von physikalischen Faktoren kolloidaler Natur läßt sich . ausschließen. 3) Die besondere Eigenschaft luetischer Seren, in Gegenwart von Organextrakt Komplement zu binden, scheint eng an die Serumglobuline gebunden zu sein. 4) Die Ultrafiltration kann für die Praxis der WaR. von Nutzen sein. Sie bringt den sicheren Nachweis der Lues in Seren, die bei der gewöhnlichen Technik nur zweifelhafte oder unvollständige Reaktionen ergeben. Sie ist eine ver- feinerte und empfindlichere Methode zur Untersuchung der Serum- veränderungen bei Syphilitikern. Sie erlaubt eine schärfere Kontrolle des Erfolgs einer spezifischen Kur.

Literatur.

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Kollath u. Leichtentritt, Den V-Faktor schädigende Serumsubstanz usw. 65

Nachdruck verboten.

Ueber eine den V-Faktor schädigende Serumsubstanz im Blut avitaminotischer Tiere, gemessen an den bio-

logischen Veränderungen des Infiuenza-Bazillus‘).

[Aus dem Hygienischen Institut (Geh. Rat Pfeiffer) und der Kinder- klinik (Prof. Stolte) der Universität Breslau.]

Von W. Kollath und B. Leichtentritt.

In den letzten Jahren ist die Tatsache offenbar geworden, daß die Vitamine nicht nur von Bedeutung für die Biologie der Pflanzen und höheren Tiere sind, sondern man hat sich auch mit der Frage beschäftigt, wieweit das Wachstum der niederen Lebewesen, der Bak- terien, durch diese Stoffe zu beeinflussen ist. Ohne an dieser Stelle näher auf die Literatur einzugehen, die bei Funk für die Arbeiten älteren Datums angegeben ist und die bei den Autoren, die sich neuer- dings mit diesen Fragen beschäftigt haben (Leichtentritt und Zie- laskowski, Knorr, Davidsohn, Kollath, Kuroya und Ho- soya), ergänzt worden ist, ist die Auffassung über diese Frage dahin auszusprechen, daß ein Teil der Bakterien ohne Vitaminzufuhr leben und wachsen kann, daß eine zweite Gruppe ausreichend nur mit Vitaminzufuhr gedeiht und schließlich eine dritte das Vitamin als unum- gängliches Nährsubstrat notwendig hat. Dabei ist es bei der 1. Gruppe der Bakterien bisher noch nicht auszuschließen, ob nicht die Bakterien selbst imstande sind, sich ihr Vitamin zu produzieren, eine Tatsache, die nicht nur von höchster theoretischer, sondern auch praktischer‘ Be- deutung wäre, da wir auf diese Weise in die Lage versetzt würden, in der Klinik z. B. Bakterien als Vitaminproduzenten zu verwenden. Leichtentritt und Zweig suchten dieser Fragestellung von einer anderen Seite beizukommen. Sie stellten sich die Aufgabe, den Einfluß der Vitaminverarmung des kindlichen Organismus und hier besonders des Serums, auf das Bakterienwachstum zu studieren; als Testobjekt verwendeten sie das Wachstum des Diphtheriebazillus auf dem Serum alimentär geschädigter Kinder, die hochgradige Oedeme aufwiesen. Es ließ sich feststellen, daB das Wachstum der Bakterien auf dem Serum der so geschädigten Kinder typische Degenerationsformen aufweist (auf- fallend lange Formen, gequollene und Keulenformen), die verschwanden, wenn sich-der Organismus in der Heilung befand. Dabei war es charak- teristisch, daß nicht etwa die Erstarrungszeit, Erstarrungsform des Serums, der Eiweiß- und Wassergehalt von ausschlaggebender Be- deutung für diese Wuchsform war: Bei einer großen Anzahl ödematöser Zustände bei jugendlichen Individuen (bei Herzerkrankungen, nephri- tischen, nephrotischen Zuständen, bei kachektisierenden Prozessen z. B., bei Tuberkulose) sahen die Autoren völlig normale Wuchsformen des Diphtheriebazillus, so daß hier der Gedanke auftauchen mußte, daß die Minderwertigkeit der Sera mit der Verarmung des Organismus an diesen Stoffen parallel geht. Es lag nahe, an Versuchstieren experi- mentell sich Krankheitsbilder vom Typ der menschlichen Avitaminosen zu erzeugen und das Wachstum besonders empfindlicher Bakterien zu studieren. Als Versuchstier erschien uns in erster Linie das Skorbut-

1) Diese Arbeit wurde mit den Mitteln der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft ausgeführt, der wir hierdurch unseren Dank aussprechen.

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meerschweinchen geeignet. Das Blut dieses kranken Tieres wurde als Nährsubstrat auf seinen Gehalt an Vitaminsubstanzen geprüft; als Bakterium verwandten wir den Influenzabazillus Pfeiffer. Kol- lath war es geglückt, die beiden wachstumsfördernden Substanzen, den sogenannten X- und V-Faktor (Thjötta und Avery), die meistens zu- sammen im Blut und in Früchten vorkommen, zu trennen und dadurch die Untersuchungen jeder Substanz für sich zu ermöglichen. Als V-Spender für die Nährböden benutzte er Kartoffelwasser, das für sich allein nicht wachstumsfördernd war, sondern nur in Gemeinschaft mit geringen Mengen der sogenannten X-Substanz, die er aus Blutfarbstoff herstellte. Wenn sich bei Versuchen auf dem Blut skorbutkranker Meerschweinchen ergab. daß ein eventuell nachlassendes Wachstum durch Zusatz des Kartoffelwassers reaktiviert werden konnte, war damit ein Anhalts- punkt gewonnen, das Nachlassen des Wachstums auf eine Verminderung des Vitaminbestandteils im Blut zurückzuführen. Die Rolle der Vitamine wird noch nicht von allen Autoren für den Stoffwechsel des IB aner- kannt (Weichardt, Wyon u. a.). Wir hofften, auf diesem Wege ein eindeutiges Resultat zu erlangen. Auch die Frage, inwiefern die Vitaminproduktion durch Bakterien eine Rolle spielt, sind wir ange- gangen; wir werden in der nächsten Arbeit über diese Resultate be- richten, zumal sie geeignet sind, die hier gewonnenen zu stützen.

Technik: Zur Erlangung des notwendigen Materials ernährten wir Meerschweinchen von 200—500 g Gewicht in verschiedenen Serien mit skorbuterzeugender Diät (steriler Hafer und sterile Trockenmilch, beide auf 160° 2 Std. erhitzt). Die Tiere wurden in Einzelkäfigen ohne Heu gehalten. Für die Gewinnung des Blutes entschieden wir uns zur Herz- punktion, da nur bei ihr eine größere Menge von Blut den Tieren steril entnommen werden konnte. Ein großer Nachteil bei dieser Methode war allerdings die hohe Sterblichkeit der Tiere (ca. 70 Proz.) nach dem Eingriff, da nur wenige schwerkranke Meerschweinchen die Punktion länger als einen Tag überlebten. Insgesamt haben wir für diese Ver- suche 30 Meerschweinchen und 6 Tauben verwendet und über 3000 Präparate von den Kulturen hergestellt. Die Verarbeitung des Blutes erfolgte derart, daß unmittelbar nach Entnahme von 0,5 ccm mit der Spritze das Blut mit 4,5 ccm destillierten sterilen Wassers hämolysiert wurde. In Vorversuchen hatte Kollath festgestellt, daB auf diese Weise die größtmögliche Wachstumsintensität erreicht wurde. Diese 10proz. Blutlösung wurde dann mit der Pipette in Mengen von 0,05 0,1—0,2—0,4—0,8 und 1,6 zu 10 ccm peptonfreiem 2proz.. Nähragar zugesetzt. Es resultierten daraus Blutverdünnungen von 1:2000 steigend bis 1:62,5. Zur Beimpfung verwendeten wir den Stamm John aus unserer Sammlung, von dem wir festgestellt hatten, daß er auch bei An- wendung weniger günstiger Nährböden als dem Levinthal-Agar die kokkobazilläre Form ziemlich hartnäckig beibehielt und nur selten ver- einzelte kürzere Fadenbildungen zeigte. Als Vergleich haben wir außer- dem noch 3 weitere Stämme (Stamm Pfeiffer, Stamm 14 und Stamm Kinderklinik) verwendet, von denen sich nur der letztere neben dem Stamm John als für diese Versuche geeignet erwies. Die 10proz. Blut- lösung wurde teils sofort verarbeitet, teilweise zwecks besserer Hämolyse 3 Std. im Eisschrank gehalten.

Beimpfungstechnik: Die mit dem Blut beschickten Agar- röhrchen wurden sorgfältig gemischt und dann 1 Min. in kochendem Wasser erhitzt (Methämoglobinbildung), dann in Petri-Schalen ge-

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gossen und nach 3stünd. Stehenlassen mit einer 24stünd. Levinthal- Agarkultur des IB in Form eines Verdünnungsausstriches auf der oberen Plattenhälfte beimpft. Nach 24 Std. wurden Präparate gefertigt und gleichzeitig von der 1. Generation eine Oese auf dem unteren Teil der Platte ausgestrichen. Dies wiederholte sich 6 Tage, so daß wir schließlich von der 1. Generation je 6 Präparate erhielten, die das Verhalten der Bakterienformen im Laufe dieser 6 Tage demonstrierten, während von den späteren Generationen immer nur 1 Präparat nach 24stünd. Be- brütung angefertigt wurde. Leider wurden durch das häufige Oeffnen bei der Präparatanfertigung Luftkeime auf die Platten gebracht, die dann ihrerseits ein Ammenwachstum des IB herbeiführten. In solchen Fällen wurde das Resultat nicht berücksichtigt, wenn die Keime nicht rechtzeitig herausgeschnitten werden konnten. Auch eventuelle Ein- trocknungserscheinungen wurden bei der Beurteilung der Wachstums- intensität und der Wuchsformen genau berücksichtigt solche Platten fielen dann für die Beurteilung fort. Es wurde durch diese strenge Auslese eine zwar geringere Zahl von Platten brauchbar, doch waren dafür die Resultate einwandfreier. Die Beurteilung der Wachstums- intensität durch Messung der Koloniengröße im Sinne Teradas wäre nur angängig gewesen, wenn auch in der 2.—6. Generation nur Einzel- kolonien, wie bei dem Verdünnungsausstrich der 1. Generation, zur Verfügung gestanden hätten und nicht Rasenkulturen. Infolgedessen beurteilten wir die Stärke des Wachstums in etwas roherer Weise, indem wir den Gesamthäbitus berücksichtigten und an gleichzeitig angelegten Kontrollplatten von Normalblut die relative Abschwächung oder Ver- stärkung feststellten. Es war damit in diese Versuche zwar ein durch- aus subjektiver Maßstab eingeführt, der sich aber doch bei der Größe des Vergleichsmaterials als brauchbar erwies. Folgende Zusammen- stellung gibt einen Ueberblick über die Punkte, nach denen wir die Wachstumsintensität beurteilten.

++++ üppig, Einzelkolonien 1!/,—2 mm Durchmesser +++ hr gut, Einzelkolonien etwa 1 mm j ut, Einzelkolonie etwa '/, mm

inselkolonie mit bloßem Auge gerade noch erkennbar (+) » lOfacher Lupe gut erkennbar ((+)) gerade noch erkennbar

Für die Beurteilung der Wuchsformen des IB bedarf es eines Hin- weises über die in der Literatur bekannten morphologischen Verände- rungen dieses Bakteriums. Bereits Pfeiffer hat in seinen ersten Veröffentlichungen Wuchsformen beschrieben, die von dem kokkobazil- lären Typus völlig abwichen und nur durch das Verhalten auf den Nährböden (Hämoglobinophilie) und durch das Wiederauftreten normaler Formen bei gutem Nährboden als IB gedeutet werden konnten. Von Grasberger sind diese Formen, in neuerer Zeit von Levinthal ausführlich beschrieben. Levinthal teilt die Wuchsformen des IB in 3 Gruppen: 1) die reine kokkobazilläre Form, 2) eine ausgesprochene Stäbchenform und 3) ein völliges Gemisch von Kügelchen und langen Fäden mit allen Uebergängen in der Färbbarkeit.

In unserer Arbeit bedienen wir uns der Kürze wegen einer anderen Nomenklatur: Kokkobazillen = n (normal), gebogene Stäbchen als Vi- brionenformen = v; lange gewundene Fäden als Spirochätenformen = sp. Unter den Zerfallsformen bezeichneten wir mit k=Kügelchen, wenn eine bestimmte Formgebung zu erkennen war; als Detritus, den völligen Zerfall = d. Bei der Anfertigung der Protokolle trugen wir diese Ab- 5*

+ + I I

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kürzungen, mit Zahlen bezeichnet, ein, und zwar bezeichnete 5 ein Vor- herrschen der fraglichen Wuchsform, und O das gänzliche Fehlen der- selben; dazwischen lagen die Uebergänge. Auf diese Weise gewannen wir Protokolle, die mit einem Blick eine Uebersicht und die Beziehung zur Wachstumsintensität gestatteten. Aus räumlichen Gründen sind wir leider nicht imstande, die zahlreichen Tabellen unserer Protokolle, die zur Einsichtnahme gern zur Verfügung stehen, zur veröffentlichen; wir müssen uns im folgenden mit einer Zusammenfassung der Resultate begnügen.

Versuche.

I. Verhalten des Influenzabazillus bei Anwendung von Blut gesunder Meerschweinchen.

Das Blut von gesunden Meerschweinchen (5 Tiere) weist in der 1. Generation am 1. Tage gutes bis üppiges Wachstum auf, das am 2. Tage meist ansteigt, um sich dann auf gleicher Höhe zu halten, ohne wesentliche Eintrocknungserscheinungen zu zeigen. Das Wachstum nimmt in gleichem Verhältnis zu den Blutverdünnungen ab. Die 2.—6. Generation zeigt durchweg ein geringeres Wachstum, das mit der Zu- nahme des Alters schwächer wird und in der 6. Generation über ++ nicht mehr hinauskommt.

Die Wuchsformen der Influenzabazillen (Stamm John bezw. Kinderklinik) zeigen bei der 1. Generation, wie bei den folgenden, ausschließlich normale Formen. Nur ganz vereinzelt, besonders in den höheren Verdünnungen, wie mit zunehmendem Alter, treten etwas größere Formen auf, die zum Teil gequollen, zum Teil in Fäden gezogen sind; auch findet sich häufiger Detritus, ab und zu Kügelchen, während Vibrionen- und Spirochätenformen hierbei gänzlich fehlen (M. 6a, 7a, 8a, 4a). Bei 4a machte sich Detritus und Kügelchenform etwas ge- häufter bemerkbar. Da in diesem Fall das hämolysierte Blut vor der Verarbeitung 3 Std. im Eisschrank aufbewahrt wurde, wodurch mög- licherweise eine Schädigung im Sinne des „Alterns‘‘ gesetzt sein konnte (Terada), haben wir Kontrollen mit Blut, das kürzere und längere Zeit im Eisschrank gehalten wurde, angesetzt (Näheres s. im Kapitel „Eisprobe‘“). Ganz anders fielen die Versuche bei Verwendung anderer Influenzabazillenstämme aus. Während die Intensität des Wachstums die gleiche war wie bei den Stämmen John und Kinderklinik, zeigten die Stämme Pfeiffer und 14, die auf Levinthal-Agar durchweg völlig typisch wuchsen, auf den Meerschweinchenblutplatten eine ausge- sprochene Neigung zu Degenerationsformen (Fadenbildung, Kügelchen). Doch zeigten sich hier normale Formen bis zum höchsten Alter in mehr oder weniger großer Menge. Wir haben hier eine Erscheinung vor uns, wie man sie häufig in der Bakteriologie findet, daß manche Stämme, unter bisher noch nicht sicher zu kennzeichnenden Bedin- gungen, zu degenerativen Wuchsformen neigen. Die gleiche Erscheinung fand sich u. a. bei der Züchtung von Diphtheriebazillen auf Menschen- serum, wie Versuche von Leichtentritt und Zweig in der Arbeit zum Nachweis alimentär geschädigter Kinder zeigten. Es ist klar, daß solche Stämme zu unseren Versuchszwecken ungeeignet sind; man wird vielmehr Stämme verwenden müssen, bei denen man in Vorversuchen festgestellt hat, daß sie mit großer Hartnäckigkeit unter ungünstigen äußeren Bedingungen die typische Wuchsform beizubehalten pflegen, also bei Diphtherie leicht gebogene, schlanke Stäbchen in typischer Lagerung, ohne ausgesprochene Neigung zur Keulenbildung, bei In- fluenza die typische Kokkobazilläre Form (Gruppe 1, Levinthal).

Kollath u. Leichtentritt, Den V-Faktor schädigende Serumsubstanz usw. 69

IL Züchtung des Influenzabazillus auf dem Blut präskorbutischer Meerschweinchen.

Meerschweinchen 6 wurde am 8. und 14. Tage, M. 8 am 10. und M. 17 am 22. Tage der Skorbutnahrung punktiert. Nur das letzte zeigte auch pathologisch-anatomisch leichte Skorbutsymptome, bei den anderen handelte es sich um Tiere, bei denen nur aus dem klinischen Befunde (gesträubtes Fell, Durchfall usw.) der Skorbutverdacht aus- gesprochen wurde (Präskorbut). Das Wachstum bleibt in der 1. Gene- ration üppig bis gut, zeigt aber schon ein Nachlassen in den Verdün- nungen 1:1000 und 2000 gegenüber dem normalen Verhalten. In den späteren Generationen ist das Wachstum bei dem Tiere, das am 8. Tage punktiert ist, noch am kräftigsten und nimmt bei den Tieren, die später punktiert sind, gleichmäßig ab. Es bleibt durchweg ein wenig hinter dem normalen Wachstum zurück. Am 8. Tage sehen wir nicht allein in der 1., sondern auch in den folgenden Generationen normale Formen; dabei fällt ein Verhalten auf, wie wir es öfter gesehen haben: daß man in den ersten Tagen mehr Fadenformen und Detritus, ja ab und zu Vibrionen und Kügelchen sieht, die an den folgenden Tagen, speziell in der 2. und 6. Generation, vollständig fehlen. Es ist aus der Literatur bekannt, daß Influenzabazillen bei Ueberimpfung auf einen wenig optimalen Nährboden am 1. Tage mit Degenerationsformen reagieren und sich erst bei weiterer Züchtung an die neuen Verhältnisse gewöhnen; es scheint sich auch hier um einen derartigen „Gewöhnungs- vorgang‘ zu handeln. Die Wuchsformen verhalten sich aber schon anders bei dem gleichen Tiere, das erst 6 Tage später, also am 14. Tage der Skorbutnahrung, punktiert ist. Hier spielen die Degenerationsformen und vor allem Vibrionen immerhin eine beträchtliche Rolle. Bei Tier 8c sehen wir ein sehr ähnliches Verhalten: wenn auch noch reichlich Normalformen vorhanden sind, drängt sich hier die Vibrionenform, be- sonders in den späteren Generationen, mit aller Deutlichkeit vor.

IH. Züchtung des Influenzabazillus auf dem Blut schwerkranker Skorbuttiere.

Eine sinngemäße Steigerung der in dem vorigen Versuche nur an- gedeuteten Symptome sehen wir bei den Tieren (1, 3, 22 und 23) mit manifestem Skorbut. Klinisch und pathologisch-anatomisch zeigten die stark abgemagerten Tiere zum Teil Zahnfleisch-, Darm- und Gelenk- blutungen, ein trockenes struppiges Fell, sie saßen fast unbeweglich in ihrem Käfig und fühlten sich, als besonders charakteristisches Zeichen für den Skorbut, eiskalt an; sie wiesen also eine beträchtliche Störung der Oxydationsvorgänge des Organismus auf. Diese Tiere wurden auf der Höhe ihrer Erkrankung (1 und 3 am 22. Tage, 22 am 20. und 23 am 22. Tage) punktiert. Der klinische Unterschied gegenüber den ge- sunden bzw. präskorbutischen Tieren dokumentierte sich makroskopisch sehr deutlich bei dem Wachstum des Influenzabazillu, das nur in der Verdünnung 1:62,5 mit ++ zu bezeichnen war; in den höheren Verdünnungen wurde es immer dürftiger, um schließlich bei den späteren Generationen und höchsten Verdünnungen völlig zu sistieren. Auch das sonst bei den gesunden Tieren beobachtete Nachwachstum trat kaum in Erscheinung. Am besten dürfte dies der Vergleich der beiden fol- genden Protokolle zeigen (Tab. I u. II):

Nicht ganz so dürftig wie das Wachstum bei den Tieren 1 und 3 fällt es bei 22 und 23 aus, bei denen das schon oben erwähnte Symptom des Nachwachsens an den späteren Tagen in Erscheinung trat. Besonders

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Tabelle I.

Meerschweinchen I, an Skorbut erkrankt am 8. Juli 1924. Herzpunktion 0,5 Blut zu 4,5 dest. Wasser. Blutlösung 3 Stunden im Eisschrank.

CE Spaga] e,o EM ITS TETE LC 0,05 |! (( (+>) (+) )| | | eo MD | = | = [= 0,2 aT? (+) LOC) LC) (+) (+ + | + | | 0,4 +) | (+) | (+) H a +) (+) + a (+ H 0,8 (+ + +) | (+ + +) (+) | (+) | (+ + +) BEE A i + + | + + + + 30

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instruktiv für die Rolle des Vitaminstoffwechsels erscheint auch der Vergleich zwischen dem Wachstum des Influenzabazillus auf dem Blut des schwerkranken Tieres 1 am 2. Tage, und auf dem Blut desselben Tieres nach 22tägiger Behandlung mit Zitronensaft (s. Tab. 2) und klinischer Heilung: Das Wachstum entspricht in der Inten- sıtät auf allen Platten wieder durchaus dem normalen Verhalten. Die Störung ist also nicht nur klinisch be- seitigt, sondern die Heilung findet ihren Ausdruck auch in dieser biologischen Funktionsprüfung. Setzt man dem Blut der kranken Meerschweinchen Kartoffelwasser zu 2 ccm pro Platte dann wird auf allen Platten das Wachstum gleichmäßig stark und läßt keinen Unterschied mehr zwischen den einzelnen Blutverdün- nungen erkennen, ein deutlicher Beweis dafür, daß nur durch den V- Gehalt die verschiedene Wachstumsintensität bedingt is. Dem Tier 3 wurde nach dem 22. Tage der Skorbutfütterung, dem Höhe- punkt seiner Erkrankung, Zitronensaft zugelegt. Trotzdem ging das Tier 11 Tage später an der skorbutischen Störung zugrunde. Bei der Gewichtskurve machte sich bemerkbar, daß der prämortale, für den Skorbut so charakteristische Gewichtssturz nicht in Erscheinung trat. Da sich hier gleichzeitig eine leichte Zunahme der Wachstums-

1) Zu wenig Material zur Beurteilung oder verunreinigt.

Kollath u. Leichtentritt, Den V-Faktor schädigende Serumsubstanz usw. 7]

Tabelle II.

Meerschweinchen I, nach Heilung des Skorbuts (22 Tage Zitronensaft). Herzblut 0,5:4,5 Aqu. dest.

der folgenden Generationen 6. Tag) 2. | 3. | 4 | 5. \6.Gen.

(+) (+) + | (+

| Verhalten der 1. Generation am

i

wf > > bd bd > bd © O i | 0,05 nl n4 n3 | n3 n4 n4 | n3 n3 n4 n 3 n 4 w4 (ge- quoll.) 0,1 n2 | n5 | n2 | n4 | n4 | n4 in5|n2|n8ļ| n4 | n4 w2 (ge- | quoll.) 02 n5 n 5 n2 n4 n4 n3 n 5 n 4 n 5 n 5 n 4 (Fäd.) di (blaß) 0,4 n5 | n5 | n4 | n5 | n4 | n5 | n5 | n5 | n5 | n4 | n4 (Fäd.) 0,8 n5 n4 n 5 n5 n4 n5 n5 n 5 D 4 n 4 n 5 (Fäd.) 1,6 n5 n5

4 | n4 | n4 | n5 | n5 | n5 | n5 | n5 1 kleine Form. :

intensität des Influenzabazillus fand das Wachstum bleibt bis in die höchsten Verdünnungen kräftiger als bei demselben Tier in schwer- krankem Zustande sehen wir in dem Hungerzustand und nicht in dem chronischen Skorbut die Todesursache. Allerdings kann es auch in diesem Falle eine andere Erklärung der Wachstumssteigerung geben. Denn dieses Tier wurde nicht unmittelbar vor dem Tode, sondern erst einige Minuten nachher punktiert, so daß bereits postmortale Ver- änderungen eintreten konnten. Auf diese eigentümliche postmortale Blut- veränderung, die sich in einer Steigerung der Wachstumsintensität kundgibt, kommen wir später bei den Taubenversuchen zurück.

In gleich anschaulicher Weise, wie sich das Wachstum der In- fluenzabazillen beim normalen vom kranken Tier unterscheidet, traten in den Wuchsformen sehr auffällige Veränderungen auf. Selbst in den niedrigsten Verdünnungen, bereits in der 1. Generation, imponierte ein fast völliges Fehlen der Normalform. Das sonst relativ eintönige mor- phologische Bild des Influenzabazillus wurde hier durch eine Poly- morphie abgelöst, wie sie dem Typus 2 und 3 (Levinthal) entspricht (s. Tab. 1). Im mikroskopischen Bilde sehen wir neben dem Detritus kürzere und längere, zum Teil gequollene Stäbchen, verdickt, nur un- vollkommen tingiert. Teils ist die Stäbchenform völlig verloren ge-

n5 n (Fäd.) k

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gangen, wir sehen hier Kügelchen (Zerfallsformen, gequollen), anderer- seits völlig bizarre Formen bis zur grotesken Knäuelbildung, bei der das einzelne Individuum mehr oder weniger geschlängelt ist und sich dem Spirochätentyp nähert. In anderen Präparaten werden Formen ge- sehen, die denen der Vibrionen gleichen. Solche Befunde ließen sich bei 3 schwerkranken Skorbuttieren (1, 3 und 23) erheben. Ihr Vorhanden- sein erscheint uns deshalb charakteristisch. Bei Tier 11 besserte sich nach 22tägiger Zitronensaftgabe und klinischer Heilung nicht alleın das Wachstum, wie oben erwähnt, sondern auch die Polymorphie der Bakterien trat gleichzeitig wieder völlig in den Hintergrund, nur ganz vereinzelte Fadenformen machten sich noch bemerkbar, sonst aber be- herrschte wieder das monotone Bild der Kokkobazillen das Feld. In diesem Falle sahen wir also eine Trias: klinische Skorbuterschei- nungen, Verminderung der Wachstumsintensität des In- fluenzabazillus bei Züchtung auf dem Blut des kranken Tieres und Polymorphie zusammen auftreten; nach Heilung des Tieres mit Zitronensaft dagegen wieder normale Wachstumsintensität und normale Bazillenform; und so kamen wir zunächst zu der Ver- mutung, daß allein der Vitaminmangel im Nährboden mit dem schlechten Wachstum und der Degeneration in engstem Zusammenhang steht. In dieser Auffassung wurden wir besonders noch durch einen Kontroll- versuch bestärkt: nach Zusatz von Kartoffelwasser zu den Blutplatten eines anderen Skorbuttieres erhielten wir völlig normale Formen, selbst bei leichtsaurer Reaktion des Nährbodens. Gleichzeitig trat üppigstes ‚Wachstum auf. Die geringe Wachstumsintensität beim Skorbut schien also lediglich von der Vitaminkomponente in weitestem Sinne abhängig, da X-Substanz und ernährende Stoffe ausreichend vorhanden waren. Die pathologischen Wuchsformen schienen danach nur ein Ausdruck des gestörten Vitaminstoffwechsels zu sein. Leichtentritt sprach des- halb beim Kongreß der deutschen Kinderheilkunde im September 1924 bereits von der „avitaminotischen Form‘ des Influenzabazillus. Als praktischen Fortgang dieser Ansicht hofften wir nicht allein die klinisch ausgesprochenen Symptome des menschlichen Skorbuts bestätigen zu können, sondern auch in die Lage versetzt zu werden, eine Frühdiagnose des noch klinisch uncharakteristischen präskorbutischen Stadiums beim jungen Kinde herauskristallisieren zu können. Weitere Versuche er- gaben, daß dieser Befund der avitaminotischen Wuchsformen zwar sachlich richtig war, aber durch unsere Versuche mit Skorbutserum eine andere nicht vermutete Erklärung fand. Ueber die klinische Seite dieser Versuche soll noch an anderer Stelle berichtet werden.

Wir haben oben bereits erwähnt, daß wir bei Versuchen an Meer- schweinchen, die zwischen dem 12. und 22. Tage der Skorbutnahrung unspezifisch erkrankten, nicht in der gleichen Weise die oben be- schriebene Trias fanden. Bei einem Tier z. B. (7), das zum erstenmal am 12., ein zweites Mal am 18. Tage der Skorbutnahrung punktiert wurde, weil es klinisch einen schwerkranken Eindruck machte, stand die Wachstumsintensität in der Mitte zwischen dem Normal- und Krankenblut, und es zeigten sich bis zuletzt normale Wuchsformen, wenn auch Vibrionen überwogen. Zur Erklärung dieser Befunde, die uns zu einer mehrfachen Nachprüfung veranlaßten, weil sie den früheren scheinbar widersprachen, müssen wir jetzt aber annehmen, daß die Verarmung des Organismus an Vitaminen noch nicht hochgradig ist, weil die Punktion und die klinischen Krankheitszeichen vor dem nor-

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malen Auftreten des Skorbuts liegen. Eher ist es möglich, daß diese Tiere zugleich den Erscheinungen des Allgemeinhungers und nicht denen des „inneren Zellhungers“ (Bickel) die klinische Schwere des Krankheitsbildes verdankten (s. hinten).

Eine willkommene Ergänzung zu diesen experimentellen Ergeb- nissen stellt die Beobachtung der Klinik dar. Bei einem Kinde, das an schwerer Möller-Barlowscher Erkrankung (kindlicher Skorbut) litt, waren wir in der Lage, das Blut in der gleichen Weise zu ver- arbeiten wie bei unseren Meerschweinchen. Als Kontrolle diente nor- males Menschenblut von einem gleichalten Kinde. Während auf diesem das Wachstum ganz ausgezeichnet war, sahen wir eine erhebliche Ab- schwächung auf dem Blut des kranken Kindes, das selbst in der niedrigsten Verdünnung in der 1. Generation kaum mit dem bloßen Auge zu erkennen war. Im mikroskopischen Bilde werden auch hier Normalformen fast völlig vermißt, ab und zu sieht man etwas blasse, gequollene Stäbchen, durchschnittlich ist das Bild fast nur vom Detritus be- herrscht; allerdings fehlen mit Ausnahme von wenigen Präparaten Vibrionen und Spirochätenformen völlig. Wir fanden also bei dem schwerkranken Kinde eine ganz ähnliche Wachstumsbehinderung wie beim Skorbuttier.

IV. Versuche, den Mechanismus der Wachstumsverminderung zu klären.

a) Züchtung auf dem Blut hungernder Meerschweinchen.

Es galt nun, die Frage zu klären, ob diese Wachstumsverminderung eine spezifische Erscheinung beim skorbutischen Meerschweinchen dar- stellt, oder ob sie sich in gleicher Weise bei Tieren findet, die durch einfachen Hunger, d. h. infolge einer quantitativen Schädigung durch Mangel jeglicher Nahrungsaufnahme die Tiere erhielten als Nahrung einzig und allein Wasser auszulösen wäre. Es zeigte sich, daß das Wachstum auf dem Blut dieser Tiere durchweg ausgezeichnet war. Bis in die höchsten Verdünnungen (1:2000), selbst bis zur 6. Generation ließ sich das Wachstum mit bloßem Auge feststellen; in den niedrigsten Verdünnungen war der Wachstumseffekt geradezu als üppig zu be- zeichnen. Hiermit stimmte völlig das mikroskopische Bild überein. Ueberall sahen wir ein Vorherrschen normal tingierter und normal geformter Bakterien, ganz vereinzelt etwas Detritus und gequollene Formen, so daß diese Bilder und dieses Wachstum nicht von dem eines normalen Tieres zu unterscheiden waren. Dieser Versuch erscheint von höchster Bedeutung, weil er uns den Unterschied zwischen 'dem allgemeinen Hunger und der Avitaminose offenbart; auch klinisch sehen wir weitgehende Unterschiede. Trotzdem die Hungertiere 1/,—1/, ihres Gewichts eingebüßt hatten, zeigten die sehr abgemagerten Tiere aber ein völlig glattes Fell, schonten ihre Extremitäten nicht, sondern liefen ım Käfig umher, vielleicht sogar etwas erregt: ein völlig anderes Bild als beim Skorbutmeerschweinchen.

b) Züchtung auf normalem Blut, das bei Eisschrank- temperatur aufbewahrt wurde.

Bereits unter Ia haben wir darauf hingewiesen, daß wir aus äußeren Gründen oft nicht in der Lage waren, das Blut unserer Versuchstiere unmittelbar nach der Gewinnung zu verarbeiten. Es mußte für kürzere oder längere Zeit (3—12 Std.) im Eisschrank auf- bewahrt werden. Nach den Arbeiten von Terada, Knorr und Gehlen

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und auch eigenen Beobachtungen büßt hämolysiertes Blut bei Zimmer- temperatur leicht seine Wirksamkeit für das Wachstum des Influenza- bazillus ein; deshalb mußten wir bei diesen Versuchen ausschließen, daß durch die Aufbewahrung im Eisschrank allein das Phä- nomen der Wachstumseinschränkung hervorgerufen wurde. Es kann sich dabei um eine Verminderung des V-Faktors oder um ein Neuauftreten hemmender Stoffe handeln (Terada). Bei den Vitaminen spielt das Alter und die Lagerung eine so große Rolle, daß ohne diese Kontrolle im Eisschrank unsere Versuche leicht zu falschen Schlüssen hätten führen können. U. a. konnten Leichtentritt und Zielaskowski den Nachweis erbringen, daß Zitronensaft, der 4 Tage lang in offener Schale bei Zimmertemperatur gestanden hatte, seine antiskorbutische Kraft vollständig einbüßt und somit nicht imstande ist, Meerschweinchen vor Skorbut zu schützen. Aehnliche Beobachtungen wurden mit Mohr- rübensaft von Gralka aus der Breslauer Kinderklinik angestellt. Funk, Givens, Cohen, Holst u. Fröhlich, Kollath, Knorr und Gehlen erbringen den Nachweis, daß auch in getrockneten Kar- toffeln das Vitamin zum Verschwinden kommt. Es mußte somit aus- geschlossen werden, daß die 3stünd. Aufbewahrung den wachstums- fürdernder Faktor so weit zerstörte, daß die gleiche Wachstumsverminde- rung wie bei dem schweren Skorbut eintrat. Zu diesem Zwecke wurden einem gesunden Meerschweinchen 3 ccm Blut entnommen, mit 27 ccm sterilem, destilliertem Wasser hämolysiert und derart verarbeitet, daß die erste Plattenserie sofort, eine zweite nach 21/, Std., eine dritte nach 18 Std. und eine vierte nach 3 Tagen Aufbewahren des Blutes im Eisschrank angelegt wurde. Es zeigte sich, daß erst bei 18 Std. Auf- bewahrung eine leichte Abschwächung des Wachstums eintrat, die nach 3Tagen etwas deutlicher wurde. In den niedrigsten Verdünnungen aller- dings blieb das Wachstum auch bei 3 Tagen Aufbewahren noch sehr üppig. Eine merkbare Herabsetzung des V-Faktors innerhalb der 3 Std., die wir das Blut gewöhnlich im Eisschrank halten mußten, kann somit nicht erfolgt sein. Auch die Wuchsformen blieben in diesen 4 Serien bis zum Schluß normal, nur trat, wie in alten Kulturen meist, Detritus und ab und zu leichte Zer- fallserscheinungen (Kügelchen) in Erscheinung. Mit Terada muß man annehmen, daß bereits im Blutserum eine nicht hitzebeständige, ferment- ähnliche Substanz vorhanden ist, die die aus dem vom Blutkörper- chen ins Serum oder bei der Hämolyse ausgetretene vitaminähnliche Substanz schädigt. Bei Eisschranktemperatur geht dieser Schädigungs- prozeß wesentlich langsamer vor sich, braucht mindestens 3 Tage, wäh- rend bei Brutschranktemperatur (Knorr, Terada)schon in 2 Std. eine wesentliche Schädigung erfolgt. Eine Rolle spielt dabei die Wasser- stoffionenkonzentration und das Lösungsmittel (Wasser, Serum, Gela- tine, Agar). Daß wesentlich die Serumkomponente die schädigende Substanz enthält, geht auch aus der Beobachtung Kollaths hervor, daß er seine konzentrierten Blutkörperchenlösungen über 1!/ Jahre wachs- tumsfördernd fand.

c) Versuche über den Einfluß des Serums der Skorbutmeer- schweinchen auf die Wachstumsverminderung. Ausgehend den diesen Ueberlegungen, haben wir uns die Frage vor- gelegt, ob das Nachlassen des Wachstums lediglich als eine Folge der Vitaminverarmung im Blut aufzufassen ist, oder ob nicht auch gleich-

Kollath u. Leichten tritt, Den V-Faktor schädigende Serumsubstanz usw. 75

zeitig während der Erkrankung der Skorbuttiere schädigende Stoffe im Serum auftreten, die erst mittelbar zu unseren Beobachtungen führten. Zu diesem Zwecke haben wir verschiedene Versuche ange- stellt, in denen das Blutserum von skorbutkranken Meerschweinchen, gewaschene rote Blutkörperchen von denselben Tieren sowohl in ihrer Beziehung zueinander wie zum normalen Blut untersucht wurden. Von Skorbuttieren (43 und 32) wurden dazu durch Herzpunktion etwa 3 ccm Blut entnommen und Serum und Blutkörperchen durch Absetzen- lassen und Waschen getrennt und gereinigt. Nachträglich wurden dann die roten Blutkörperchen mit destilliertem Wasser bis zur anfänglichen Serummenge im Röhrchen aufgefüllt, so daß anzunehmen war, daß sie in der gleichen Konzentration vorhanden waren wie im frisch gewonnenen Blut. Von dieser Blutkörperchenlösung ebenso wie von dem Serum wurden 1Oproz. Lösungen hergestellt. Bei der folgenden Versuchsanord- nung handelt es sich also, wenn nichts anderes gesagt ist, immer um 10proz. Blutkörperchen- bezw. Blutserumlösungen.

Zu 10 cem Agar wurden zugesetzt: ` Wachstum

1. Serum 43 (0,8 ccm) + rote Blutkörperchen 43 (0,6 cem): ++ bis +++ 2 „.3(08ccm+ , j 32 (0,6 ccm): ++, +++ 3. „..43(0,8cem) + , = 32 De ccm): ++

4. 32(08ccm) + ii 43 (0,6 cem): ++, +++ 5. Rote Blutkörperchen 43 allein (0,8 ccm ; ++++

6. 5? eX) 32 (0,6 ccm : +++ +

7. Normales Meerschweinchenblut (10proz.) 1,6 ccm + Serum 43 1,6 cem: ++ bis +++ 8 16cem + , 3216cem: ++ „+++

9. Serum 43 (0,8 ccm) . l ((+)) 10. » 32 (0,8 ccm) : ((+))

Entsprechend den verhältnismäßig hohen Dosen, die im allgemeinen der Konzentration der oben verwendeten niedrigsten Blutverdünnung (1:62,5) entsprachen, war das Wachstum bei den Gemischen von Skorbutblutkörperchen + Skorbutserum ++ bis +++. Es entsprach in der Intensität dem Gemisch von normalem Blut + Skorbutserum. Dagegen war das Wachstum bei den gewaschenen roten Blutkörperchen der Skorbutmeer- schweinchen weit kräftiger als bei allen Platten, bei denen Skorbutserum zugesetztwar. Skorbutserumallein gab kein Wachstum, ebensowenig wie. normales Serum. Mit diesem Versuch kann man ausschalten, daß die Wachstumshemmung allein an dem ver- minderten V-Gehalt der roten Skorbutblutkörperchen liegt. Vielmehr geht deutlich hervor, daß durch den Zusatz von Skorbutserum die Wachstumsverminderung eintritt.

Auf Anregung von Herrn Geh. Rat Pfeiffer und Herm Prof. Stolte, denen wir an dieser Stelle unseren Dank aussprechen, haben wir versucht, genauere Kenntnis über die Natur und Wirkungsweise dieser hypothetischen Substanz zu erlangen.

In einem Versuch stellten wir, um einen zahlenmäßigen Ueber- blick über den Gehalt der roten Blutkörperchen an wachstumsfördern- den Stoffen zu erhalten, Platten her, in denen hämolysierte gewaschene rote Blutkörperchen von normalen und kranken Meerschweinchen ver- wendet wurden. Die Blutkörperchen wurden derart gelöst, daß die gewaschenen Körperchen bis zur ursprünglichen Blutmenge mit destil- liertem Wasser versetzt wurden. Von dieser konzentrierten Lösung wur- den 0,5 ccm zu 10 ccm Agar zugesetzt. Außerdem wurden noch 0,5 cem des zu untersuchenden Serums hinzugefügt und das Gemisch sofort verarbeitet: und mit. Influenzabazillen beimpft. Nach 24 Std. war der

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Koloniendurchmesser bei normalem Meerschweinchenblut + Serum (nor- mal) = 30 Teilstriche, bei Skorbutblut + Serum = 11—17 Teilstrich:. Der gleiche Unterschied bestand bei den Blutkörperchen allein, bei sofortiger Verarbeitung. Die Koloniengröße wurde bestimmt, indem 10 der größten gewachsenen Kolonien mit dem Mikrometer Okular 3 und Objektiv 3 Zeiß gemessen wurden und dann der Durchschnitt be- rechnet wurde. Es ergab sich also, daß der Gehalt der Skorbutblut- körperchen etwa die Hälfte gegenüber dem Normalblut herabgesetzt war. Um diese Fehlerquellen bei der Verwendung von Blutkörperchen- lösung zur Prüfung der Serumsubstanz zu vermeiden, verwendeten wir in dem folgenden Versuch eine 10proz. Menschenblutkörperchen- lösung, die auch leichter zu beschaffen war.

Der ausschlaggebende Versuch wurde folgendermaßen angestellt: Zu 1,5 ccm 10proz. Menschenblutkörperchenlösung wurden 0,5 ccm Meerschweinchen-Normal- bzw. -Skorbutserum zugesetzt. Ein Teil des Serums war vorher 1/ Std. im Wasserbad bei 56° gehalten. Diese Mischungen wurden im Brutschrank bei 370 aufbewahrt, nach 11/,, nach 18 und 48 Std. je 0,5 ccm zu 10 ccm peptonfreiem 9proz. Nähr- agar zugesetzt und die fertige Lösung 1 Min. aufgekocht. Den höheren Serumgehalt (25proz.) gegenüber der 10proz. Blutkörperchenlösung ver- wendeten wir, um die Wirkung deutlicher hervortreten zu lassen, da Vorversuche gezeigt hatten, daß 10proz. Serumlösungen nur geringe Wirkungen auszulösen vermögen. Die fertigen Platten wurden mit einer Oese einer 24stünd. Influenza-Kultur, Aufschwemmung in NaCl- Lösung (Stamm Kinderklinik) beimpft. Nach 24 Std. wurden wie oben die Kolonien mit dem Mikrometer ausgemessen. Vor dem Agarzusatz im Brutschrank bei 37°.

Nach 1!/,stünd.| Nach 18stünd. | Nach 24stünd. | Nach 48stünd.

Zusatz von

_ Bebrütung Normalserum | ormalserum 2,3 Rn 73 l 150 15,0 | 9,0 Skorbutserum 1 ie 2 | 7,0 | 5,0 II 9,0 | 4,5

Derselbe Versuch nach AE E E des gleichen Serums im Wasserbade.

Bei Fi H äi

Normalserum | | 4,0 Skorbutserum I 4, 1 À | ; | 3,5 x E 3, ‚4 3 i 3.5

Der Versuch zeigt, daß unverändertes Skorbutserum eine 10-proz. Menschenblutkörperchenlösung bereits nach 18 Std. in seiner wachs- tumsfördernden Wirkung erheblich schädigt gegenüber dem normalen Meerschweinchenserum, und daß nach Erhitzung auf 56° diese schädi- gende Wirkung aufgehoben ist, daß mit anderen Worten eine anscheinend fermentartige hitzelabile Substanz in vermehrter Menge im Skorbut- serum vorhanden ist. Ob diese Substanz identisch ist mit der von Terada im Normalblut nachgewiesenen, ob es sich also bloB um eine Vermehrung einer normalen Substanz handelt, oder ob eine Neubildung unter dem Einfluß der skorbutischen Stoffwechselstörung auftritt, läßt sich aus diesen Versuchen nicht sagen.

Zur weiteren Untersuchung der Wirkungsweise dieser Substanz wurde auf Agar, dem 5proz. Blutkörperchenlösung unter Aufkochen zugesetzt war, je 1 Tropfen frisches Normal- und Skorbutserum ge-

Kollath u. Leichtentritt, Den V-Faktor schädigende Serumsubstanz usw. 77

bracht. Je 2 Platten waren vorher mit Influenza-Kultur beimpft, 2 andere wurden erst 24 Std. in den Brutschrank gestellt. Es traten weder eine Wachstumshemmung noch pathologische Wuchsformen auf. Eine direkte Hemmung des Influenzabazillus durch das Serum ist so- mit ausgeschlossen, ebenso wie eine Zerstörung der V-Substanz in der hochprozentigen Blutplatte. Aus allen diesen Versuchen scheint es uns zwingend, die Existenz einer besonderen fermentähnlichen Sub- stanz im Skorbutserum anzunehmen, die aber nur in der wässerigen Blutkörperchenlösung dem wachstumsfördernden Faktor gegenüber eine zerstörende Wirksamkeit entfaltet.

Von diesen Erfahrungen aus gewinnen die Versuche Leichten- tritts und Zweigs eine neue Bedeutung und Erklärung, die vor diesen Feststellungen noch nicht zu übersehen war. Die Diphtheriebazillen wachsen auf dem Serum alimentär geschädigter Patienten deshalb in Degenerationsförmen, weil sich in deren Serum diese von uns nunmehr anzunehmende Substanz gebildet hat unter dem Einfluß der Avita- minose des Wirts. Daß dagegen die Rolle des Vitamins einen günstigen Einfluß auf den Diphtheriebazillus ausübt, ließ sich durch Zusatz von Zitronensaft zum schädigenden Serum nachweisen: Es traten wieder normale Wuchsformen auf. Der Vitamingehalt des Nährbodens bewahrt also die Bakterien vor dem Einfluß der schädlichen Serumsubstanz und hindert das Auftreten der Degenerationsformen!).

V. Versuche mit dem Blut von Beri-Beri-Tauben (B—Vitaminmangel).

Wenn wir uns in den bisherigen Versuchen ausschlieBiich mit Skorbuttieren beschäftigten, also dem Mangel an Vitamin C in der Na- rung, so haben wir doch auch in Erwägung gezogen, ob nicht auch bei anderen Avitaminosen ähnliche Erscheinungen zu beobachten wären. Der gegebene Versuch hierfür schien uns die Züchtung auf Taubenblut zu sein, da einerseits die Tauben das beste Versuchstier für Beri-Beri sind, andererseits das Taubenblut in bester Form die wachstumsfördern- den Stoffe für den Influenzabazillus enthält (Pfeiffer).

Da nach den Literaturangaben (Funk und Dubin) nahe Be- zichungen zwischen dem Vitamin B und dem hefewachstumsfördern- den Vitamin D bestehen, andererseits eine Klarheit über die Identität zwischen den hefe- und bakterienwachstumsfördernden Vitaminen noch nicht erreicht ist, war es vielleicht auch möglich, auf dem von uns ein- geschlagenen Wege Aufschluß über etwaige Zusammenhänge zu erhalten.

1) Das Auftreten der teratologischen Formen soll keineswegs lediglich auf Vitaminmangel im Nährboden zurückgeführt werden. Es ist bekannt, daß auch auf gutem Nährboden beim Hinzutreten äußerer Reize, wie Austrocknen, Temperatur- erhühurgen, Ammenwachstum, Verschiebung im Salzgehalt usw. diese Fadenbi.dung beim lufluenzabazilius auftritt. Andererseits finden wir Detritus und Kügrlchen als Zerfallserscheinuigen in älteren, sonst typisch wachsenden Kulturen. In allen Fäl:n läßt sich als gemeinsames Moment der Entstehung der Wuchsformen ein äußerer Reiz auffiiden, was mit unserer Annahme einer hemmenden Serumsubstanz auf dem Hungernährboden und der daraus resultierenden Neigung zu Fadenformen: in Eiaklang steht. In diesem Zusammenhang können wir auch erwähnen, daß auch bei pathologischen Verhältnissen, die durch den Infiuenzabazillus hervorgerufen sind, im Mersche..körper die Influenzabazilien in atypischen Formen wachsen können und erst bei der Züchtung auf Levinthal-Agar nach mehreren Generationen die typischen Formen annehmen; so beobachtete z. B. Leichtentritt erst kürzlich bei Influenza-Me..ingi.is diese atypischen Formen. Man darf vieleicht annehmen, dal das Zustandekommen dieser Forme: ia der eatzünd!ichen Zerebrospinalflüssigkeit dem Wachstum auf einem Hungernährboden (vgl. Braun) entspricht.

18 Centralbl. f. Bakt. etc. I. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 1.

Die Wachstumsergebnisse auf dem verdünnten Taubenblut zeigten nun ein vollkommen anderes Bild als auf dem Meerschweinchenblut.

Technik: Zwecks Erkrankung an Beri-Beri wurden die Tauben mit ausgesuchtem poliertem Reis und Wasser gefüttert. Alle Tiere erkrankten innerhalb 21—28 Tagen an den typischen Beri-Beri-Er- scheinungen. Das Blut von 4 kranken Tieren wurde durch Venen- punktion aus der Flügelvene gewonnen und in gleicher Weise wie bei den früheren Versuchen, mit sterilem destillierten Wasser aufgefüllt. so daß eine 10proz. Blutlösung entstand. Die Verarbeitung auf Platten erfolgte gleichfalls wie beim Meerschweinchenblut.

Auch die Beimpfungstechnik war die gleiche. In Kontrollen verarbeiteten wir das Blut von 2 gesunden Tauben. Das Wachstum war bei diesen in allen Verdünnungen durchweg sehr gut bis üppig und ließ nur bei den letzten Generationen in den höchsten Verdünnungen etwas nach. Es zeigte gegenüber dem normalen Meerschweinchenblut eine gewisse Ueberlegenheit. Die Wuchsformen waren nicht in gleicher Weise normal wie bei dem gesunden Meerschweinchenblut. Schon frühzeitig trat Detritus auf, auch lange Formen von Vibrionencharakter und körniger Zerfall wurde beim Stamm John beobachtet, so daß wir bei diesen Versuchen die Degenerationsformen nicht in gleicher Weise in den Vordergrund steilen können. Auch auf normalen Taubenblutplatten (in der Technik Pfeiffers) findet man häufiger diese Neigung des Infiuenzabazillus, atypisch zu wachsen. Bei den erkrankten Tauben war das Wachstum im Gegensatz zu dem Blut der kranken Meerschweinchen durchweg nur gering in der Intensität herabgesetzt, wenigstens was die 1. Generation be- traf, und nur in den foigenden Generationen trat eine Wachstumsab- schwächung bei 2 Tieren ein; bei 2 weiteren war auch hier das Wachs- tum + bis +++. Die Wuchsformen verhielten sich ähnlich wie bei dem gesunden Blut, ein gewisses Hervortreten der langen Formen von Spirochätencharakter ‘war allerdings auch hier zu konstatieren.

Eine auffallende Beobachtung machten wir bei den Beri-Beri-Tauben deren Blut nach dem Tode des Tieres aus dem Herzen entnommen wurde, 1—2 Std. post mortem. Das Wachstum war intensiver als bei dem gesunden Taubenbiut und dementsprechend viel stärker als bei dem Blut, das ante mortem entnommen war. Eine ähnliche Erscheinung hatten wir schon bei dem Biut toter Meerschweinchen (s. oben) beobachtet: doch war bei diesen die Untersuchung nicht in gleicher Weise zeitlich durchzuführen, weil das Blut der Meerschweinchen im Herzen zu schnell gerinnt, als daß man es 2 Std. nach dem Tode noch gewinnen könnte. Man bekam beim Meerschweinchen etwa 10 Minuten nach dem Tode nur wenige Tropfen, die einen großen Reihenversuch nicht ermöglichten. Bei den Tauben dagegen erhielten wir noch 2 Std. post mortem bis zu 3/, ccm fiüssigen Biutes aus dem Herzen, so daß ein Verarbeiten in den Verdünnungsreihen schr leicht möglich war. Die Wuchsformen unterschieden sich nicht von den sonst bei Taubenbiut gefundenen (s. oben). Es kann danach scheinen, als ob auch aus den Zellen des Körpers und nicht nur aus den Biu‘körperchen wachstums- fördernde Stoffe postmortal in das Blut diffundieren und dadurch zu einer Vitaminanreicherung und deutlichen Wachstumsverstärkung führen. Der Mechanismus dieses Vorgangs ist experimentell nicht ganz leicht zu klären. Kollath will später ausführlicher darauf eingehen.

Unter Berücksichtigung unserer Taulenversuche können wir über die

Kollath u. Leichtentritt, Den V-Faktor schädigende Serumsubstanz usw. 79

Erkenntnis der einzelnen Vitamine und der Abgrenzung voneinander folgendes sagen: Bei der Tauben-Beri-Beri beobachteten wir, daß keine Wachstumsverminderung eintritt, daß also weder primär eine Ver- minderung bakterienwachstumsfördernder, noch sekundär eine Neu- bildung hemmender Stoffe vorhanden ist. |

Beim Skorbut der Meerschweinchen finden wir eine Verminderung wachstumsfördernder oder höhere Intensität baktterienwachtumshemmen- der Stoffe.

Also weder das Vitamin B noch das Vitamin C läßt sich direkt in Verbindung bringen mit dem bakterienwachstumsfördernden Faktor, so daß wir eine Identität dieses letzteren mit dem Vitamin B und C nicht anerkennen können. Daß das Vitamin C sich von dem wachs- tumsfördernden Vitamin auch durch eine große Menge anderer bio- logischer, chemischer und physikalischer Eigenschaften unterscheidet, ist durch die Untersuchungen von Leichtentritt und Zielaskowski und Davidsohn wahrscheinlich gemacht. Wir können jetzt nach diesen Versuchen diese Behauptung mit noch größerer Sicherheit unterstreichen.

| Nach Abschluß dieser Arbeit erschien das Referat über die Arbeit von Thjötta (Centralbl f. Bakt. Abt. I. Ref. Bd. 79. Nr. 11/12. S. 272), deren Original uns zurzeit leider nicht zur Verfügung steht. Thjötta hat, von gleichen Ueber- legungen wie wir ausgehend, das Blut Vitamin B-frei ernährter Tiere (Meerschwein- chen, Hühner und Tauben) auf die Wachstumsbeeinflussung für die IB untersucht, konnte aber keinen Unterschied gegenüber dem normalen Blut feststellen, sowohl bei Tauben wie bei Meerschweinchen. Unsere Untersuchungen bei Tauben führten zu demselben Ergebnis. Auch Thjötta schließt aus seinen Versuchen auf eine grund- eätzliche Verschiedenheit der bakterienwachstumsfördernden Substanz von dem be- kannten Vitamine B.

Zusammenfassung.

1) In dieser Arbeit werden Versuche beschrieben, bei denen In- fluenzabazillen auf Blutverdünnungsplatten gesunder und kranker Meer- schweinchen und Tauben gezüchtet wurden. <— 2) Voraussetzung für diese Versuche ist die Verwendung von Influenzabazillen-Stämmen, die die kokkobazilläre Form hartnäckig beibehalten. 3) Auf dem Blut gesunder Meerschweinchen wachsen Influenzabazillen üppig in typischen Formen. 4) Bei leichtkranken Tieren (Praeskorbut) findet sich eine leichte Wachstumsverminderung und Auftreten einzelner Degenerations- formen. 5) Bei schwerkranken Tieren (ausgebildeter Skorbut) ist die Wachstumsintensität sehr stark herabgesetzt, gleichzeitig treten massenhaft Degenerationsformen auf. 6) Der Befund ist reversibel: bei Heilung des Skorbuttieres sind Wachstumsintensität und Wuchsform wieder normal. 7) Durch Zusatz von Kartoffelwasser (vitaminhaltig) wird das fast unwirksame Blut wieder reaktiviert (Schutzwirkung des Vitamins?). 8) Beträchtliche Wachstumscinschränkung und Degene- rationsformen finden sich nicht auf dem Biut völlig hungernder "Tiere. 9) Bei Aufbewahrung des hämoiysierten Skorbutb'utes im Eisschrank tritt erst nach 3 Tagen eine Abschwächung des Wachstums mit De- generationsformen auf. Die öfters notwendige Aufbewahrung des Blutes (3 Std. Eisschrank) vor Verarbeitung ist aïso ohne Einfluß auf unsere Befunde. 10) Als Ursache für die Influenzabazillenschä-

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digung muß man eine unter dem Einfluß der zum Skorbut führenden Avitaminose auftretende schädliche ferment-

ähnliche, hitzelabile Serumsubstanz verantwortlich machen. 11) Auf dem Blut beri-beri-kranker Tauben war das ‚Wächstum kaum eingeschränkt. 12) Durch diese Versuche wird

das Bestehen einer besonderen bakterienwachstumsfördernden Substanz, die nicht mit Vitamin B und C identisch ist, in höherem Maße be- wiesen, als es bisher möglich war.

Benutzte Literatur.

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Inhalt.

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Fujita, Koshiro, Ueber die Wirkung von Wirbeltierhormonen auf das Bakterien- wachstum, 8. 31.

Hoen, E., Zur Frage über die Bedingungen der An- und Aërobiose der Bakterien, S. 25.

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Koch, Karl, Ein Aktinomyces aus chro- nisch entzündetem Tränenkanal. Mit 3 Abbildungen im Text. 8. 38.

Kollath, W., u. Leichtentritt, B., Ueber eine den V-Faktor schädigende Serum- substanz im Blut avitaminotischer Tiere, gemessen an den biologischen Verände- rungen des Influenza-Bazillus, S. 65.

Lange, Ludwig, Ueber die Muchsche granuläre Form des Tuberkelbazillus, S. 41.

Michailowsky, S., Ueber den Einfluß von Lipoidauflösern auf die Sporenbildung bei aéroben Bakterien, S 17.

Quast, Gerhard, Ein Beitrag zur Frage des Verbleibes des durch die Wutschutz- impfung dem menschlichen Körper ein- verleibten Virus fixe, 8. 53.

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Frommannsene Bucnaruckerei (Hermann Pohle) in Jena 5398.

Centralbl. f. Bakt etc. 1. Abt

Ausgegeben am 30. Januar 1926.

Nachdruck verboten.

Ueber den Nachweis des Bakterienkerns und seine chemische Zusammensetzung‘).

Von Dr. Josef Schumacher, Berlin. Mit 1 Abbildung im Text und 2 Tafeln.

Bekanntlich ist die Frage, ob die Bakterien einen Kern besitzen, oder nicht, bis heute noch nicht zufriedenstellend beantwortet. Auch die Methoden zur Darstellung der Bakterienkerne sind noch mangelhafte, fast gar nichts wissen wir über die chemische Zu- sammensetzung der Bakterienkerne. Ferner kann die Frage, ob bei dem Desinfektionsvorgang physikalisch-chemische oder rein che- mische Vorgänge in Betracht kommen, jedenfalls noch nicht als rest- los beantwortet gelten. Sofern bei der Abtötung der Mikroorganismen chemische Prozesse dabei in Frage kommen, wissen wir ferner noch nicht, ob diesem Vorgang beispielsweise bei den Schwermetallsalzen und vielen organischen Basen chemisch eine Salzbildung zugrunde liegt oder nicht. Große Lücken treffen wir ferner noch bei der Be- trachtung der Frage nach den Beziehungen zwischen chemischer Kon- stitution und pharmakologischer Wirkung. Auch auf die theoretisch wichtigste Frage können wir noch keine hinreichende Antwort er- teilen: Zu welcher chemischen Verbindung muß es zwischen welchen Zell- inhaltsstoffen und dem Desinfektionsmittel kommen, damit der Zelltod eintritt. In den nachfolgenden Ausführungen möchte ich den Versuch unternehmen, einen bescheidenen Beitrag zu der Beantwortung der soeben vorgelegten Fragen zu liefern, soweit wir dazu mit der heutigen Metho- dik bereits in der Lage sind.

In der Kernfrage der Bakterien stehen sich bekanntlich die ex- tremsten Ansichten gegenüber. Während einige Autoren (Fischer, Migula und Massart) annehmen, daß die Bakterien kernlos seien, da eine Differenzierung des Bakterienleibes in Kern und Protoplasma nicht möglich sei, vertreten wieder andere (Ruzicka, Zettnow) den Standpunkt, daß der ganze Bakterienleib, wie er sich bei der Färbung mit basischen Farbstoffen darstellt als Analogon des Kerns höherer Zellen, kurz als „nackter Kern‘ aufzufassen sei. Wieder andere ‘Mencl u. a.) vermuteten im Volutin der Bakterienzelle deren F.ern. Bezüglich der ausführlichen historischen Darstellung verweise ih auf Arthur Meyer?) und auf meine bereits 1918 gegebene :rarstellung 3).

1) Vortrag, gehalten mit Demonstrationen der beiliegenden Tafeln vor d. Berl. krobiol. Ges. 17 Nov. 1924. Vorläufige Mitteilung (Centralbl. f. Bakt. Abt. 1. Ref. (8.8. 333 und Schumacher, Das Ektoplasma der Bakterien, zur G ra m schen } «rbung und zum Kern der Bakterien. Ebenda Abt. I. Orig. 1926 (im Druck). 2) Die Zelle der Bakterien. Jena (Gustav Fischer) 1912. S. 40 ff. Te Ueber den Nachweis des Bakterienkerns. Dermat. Woch. Bd. 66. 1918.

‚Erste Abt. Orig. Bd. 97. Heft 2/3. 6

82 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

Nachdem wir nun schon recht lange wissen, daß die Zellkerne der tierischen Zellen sich aus Nukleoproteiden aufbauen, ferner wissen, daß diese aus einer chemischen Verbindung von Nukleinsäure mit einem basischen Eiweißkörper bestehen, wobei sowohl die chemische Zu- sammensetzung der Nukleinsäure als auch diejenige des basischen Kern- eiweißanteiles im einzelnen Falle eine wechselnde sein kann, wir ferner genügend Methoden zur morphologischen Darstellung der Nukleoproteide besitzen und sogar makrochemisch aus vielen Bakterienarten Nukleo- proteide und deren Spaltprodukte von Galeotti, Nishimura, Vannod, u. a. isoliert worden waren, lag nichts näher, als anzunehmen, daß auch die Kerne der Bakterien aus Nukleoproteiden bestehen müßten, wenngleich die färberische Darstellung des Bakterienkerns mit den Methoden zur Darstellung der tierischen Zellkerne fast ausnahmslos nicht gelungen war. Diesem Irrtum unterlagen sämtliche Forscher!). Demgemäß bedienten sie sich zur Auffindung des Bakterienkerns auch aller derjenigen drei Methoden, die hauptsächlich zur Darstellung der Kernsubstanz im Gebrauch waren. Wir sehen die einen basische Farbstoffe gebrauchen, die anderen Hämatoxylin verwenden, die dritten endlich nach Romanowsky (Ziemann) färben, ohne daß dabei im wesentlichen daran gedacht wurde, daß damit die hetero- gensten Dinge zur Darstellung kamen. Um nurein Beispiel anzuführen, stellen wir mit den basischen Farben, Methylenblau, Pyronin oder Methylgrün den sauren Anteil der tierischen Kerne, deren Nuklein- säure dar. Das läßt sich ja ohne weiteres beweisen. Wir kamen darauf bereits bei der Aufklärung der chemischen Prozesse zu sprechen, die sich bei der Zellfärbung abspielen?). Nukleinsäurefrei gemachte Zellen färben sich mit den erwähnten drei basischen Farben nicht mehr, wohl aber können wir beispielsweise den basischen Eiweißanteil des Hefenukleoproteids noch mit Erythrosin und anderen sauren Farben lärberisch schr gut zur Darstellung bringen, wenn wir sowohl die Nukleinsäure und Nukleoproteide (durch 1:10 verd. Salpeter- säure) als auch die Lipoide (durch 1:4 verd. Salzsäure-Alkohol)?), die sich ja teilweise ebenfalls in chemischer Bindung mit dem basi- schen Eiweiß als Lipoproteide vorfinden, restlos entfernt haben. Beim Gonokokkus und den tierischen Zellkernen liegen die Verhältnisse ähnlich. Auch an Hautschnitten läßt sich der Nukleoproteidabbau demon- strieren. Behandeln wir beispielsweise einen Hauschnitt längere Zeit mit verdünnter Schwefelsäure, so färben sich seine Zellkerne nicht mehr mit Methvlenblau, da sie ihrer Nukleinsäure durch hvdrolytische Auf- spaltung des Nukleoproteids verlustig gerangen sind. Bringen wir aber einen solchen Hautschnitt jetzt in eine Hämatoxylinlösung (Boehmer), so sind wie in cinem gänzlich unvorbehandelten Schnitte die Kerne violett tingiert. Schluß: Das Hämatoxvlin muß hier also etwas anders gelärbt haben als das Methylenblau.

À) Auch von mir wurde, nachdem die Darstellung eines nukleoproteidhaltigen Kerns sowchl in einem Wasserkokkus als auch im Gonokokkus gelungen war, noch 1922 (Vortrag v. d. Berl. Mikrobiol. Ges. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Ref. Bd. 73. S. 337 ff.) der Standpunkt vertreten, daß wir die ganze IlIefezelle als aus Kern- masse bestehend betrachten müßten und den von anderen Forschern beschriebenen Kern als Nukleolus ansehen müßten, da er eine andere chemische Zusammensetzung habe, jedenfalls keine Nukleoproteide enthalte.

2) Vortr. v. d. Berl. Physiol. Ges. 1922; Klin. Woch. 1922. S. 498.

3) Schumacher, Zur Gra msehen Färbung; voreetr. auf der 10. Tagung der Dtsch. Ver. f. Mikrobiologie Göttingen 1924. (Uentralbl. f. Bakt. Abt. I. Örig. Bd. 93. S. 266.) |

Schumacher, Nachweis d. Bakterienkerns u. seine chem. Zusammensetzung. 83

Wir brauchen uns daher nicht zu wundern, wenn beispielsweise Ernst die ‚„metachromatischen Körnchen‘‘ als Kernäquivalente an- sprechen zu müssen glaubte, färbten sie sich doch noch intensiver mit basischen Farben als die Kernsubstanz der tierischen Zellen und glaubte Meyer ferner darauf hinweisen zu können, daß das Volutin, die Substanz der ,metachromatischen Körnchen‘ mit höchster Wahrschein- lichkeit eine Nukleosäureverbindung sei. Viele Beobachtungen sprachen aber dagegen, daß im Volutin der Kern der Bakterien vorliegt. Heute wissen wir, daß es lediglich als Reservestoff der Zelle angesehen werden kann und daß es chemisch aus freier Nukleinsäure besteht).

Aus ähnlichen Gründen, weil sich sehr oft der ganze Bakterienleib mit den basischen Farben färbt, wurde angenommen, daß die ganze Bakterienzelle als nackter Kern anzusehen ist. Hierbei hätte eine Täu- schung schon eher vermieden werden können, denn man hätte daran denken können, daß man mit den basischen Farben nur saure Zell- inhaltsstoffe zur Darstellung bringen kann und daß dadurch sehr leicht verschiedene chemische Individuen nebeneinander gefärbt waren, die sich aber durch ihr verschiedenes Verhalten verschiedenen Re- agentien gegenüber möglicherweise hätten unterscheiden lassen. Mit dieser Ueberlegung hatte man auch in zwei Fällen Erfolg. Einmal eclang es in dem bereits oben erwähnten Wasserkokkus, der sich mit. basischen Farben gleichmäßig in toto färbte, mit neuen Nukleinsäure- reagentien die Kernsubstanz different vom Protoplasma darzustellen, da dieses nukleinsäurefrei war. Dadurch war es möglich, die Kern- substanz braun zur Darstellung zu bringen und das saure Protoplasma mit Pyronin nachzufärben. Als fernerhin die Darstellung des Gono- kokkenkernes möglich war und man in diesen Präparaten erkannte,

1) Wenn ich auch aus äußeren Gründen erst in kurzem in der Lage sein

werde, alle die in der Berl. Mikrobiol. Ges. und den Mikrobiol. Tagungen vor- getragenen Befunde ausführlich zu publizieren, so sollen bei dieser Gelegenheit noch- mals die Hauptgründe wenigstens erwähnt werden, die beweisen, daß das Volutin aus freier Nukleinsäure besteht. Dafür sprechen in erster Linie die damals (Berl. Mikrobiol. Ges. Okt. 1921 und März 1922) bereits bekannt gegebenen Reaktionen: Seine äußerst leichte Löslichkeit in essigsaurem Natrium, einem guten Lösungsmittel für Nukleinsäure, ferner seine Löslichkeit in Ferrocyankalium und Essigsäure und in Quecksilberjodidjodkalium, Reaktionen, die die Nukleinsäure auch außerhalb der Zeile zeigt. Durch die Löslichkeit des Volutins in Ferrocyankalium und Essigsäure scheidet eine Eiweißverbindung von vornherein aus. Ferner spricht auch das fürberische Verhalten des Volutins für freie Nukleinsäure, da es sich innerhalb und außerhalb der Zelle mit der Methylenblau-Phosphinmethode grün färbt, wie freie Nukleinsäure, und nicht gelb wie Nukleinsäure-Eiweißverbindungen. Die be- treffenden chemischen Vorgänge, die dieser Färbung zugrunde liegen, sind jetzt ebenfalls bekannt, worauf bei anderer Gelegenheit schon hingewiesen wurde (s. Schu- macher, Zur Chemie der Zellkerne und einiger Nukleinsäureeiweißverbindungen, Chemie der Zellen und Gewebe (Ztschr. f. d. Probleme d. Gärung ete. Bd. 12. 1925. S. 175 ff.). Ich schließe also nicht auf Grund des Ausfalls einer Färbung auf die chemische Natur einer Substanz, wie das irrtümlicherweise immer noch an- An wird, sondern auf Grund deren chemischer und physikalischer „igenschaften. Die noch bestehende oder verschwundene Färbung eines Zell- ırıhaltsstoffes ist für mich nur der Maßstab, ob ein bestimmtes Mittel diese Sub- stanz aus der Zelle entfernt hat oder nicht. Aber auch damit begnüge ich mich noch nicht, sondern halte meine diesbezüglichen Schlüsse mit Unna erst dann für bewiesen, wenn ich in der Lage bin, einen Zellinhaltsstoff, dessen Fehlen nach einer bestimmten Behandlung der Zellen mir die negative Färbung jetzt verrät, alsdann auch makrochemisch aus dem betreffenden Lösungsmittel resp. der betreffenden Hydrolysenflüssigkeit zu isolieren. Hierauf bin ich alsdann in der Lage. seine chemischen Eigenschaften und seine chemische Zusammensetzung zu beschreiben. Wir werden das noch an zahlreichen Beispielen zu erörtern vermögen.

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84 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 23.

daß mit der Albargin-Pyrogallolmethode der Gonokokkus ganz erheb- lich kleiner aussah als beispielsweise bei einer gewöhnlichen Methylen- blaufärbung, so war es klar, daß der Kern des Gonokokkus in dem eben- falls sich mitfärbenden sauren Gonoplasma bei der Methvlenblaufärbung untertauchte und daher nicht zu sehen war. Er war daher voraussichtlich auch färberisch in derselben Kleinheit, wie bei den Silbermethoden darstellbar, wenn es gelang, das saure Gonoplasma aus dem Gonokokkus zu entfernen, mit Mitteln, die das Gononukleo- proteid schonten. Da ersteres den Reaktionen nach zu urteilen wahr- scheinlich eine Albumose war, diese im UeberschuB von Salpeter- säure aber löslich ist, das Gononukleoproteid aber ein genuiner Eiweiß- körper sein mußte, weil noch ein Eiweißanteil nachweisbar war, und genuine Eiweißkörper durch Salpetersäure gefällt werden, so schien damit die Trennung möglich, wie das bereits beschrieben wurdel). Da es in beiden Fällen gelungen war, das Nukleoproteid von dem übrigen Zellinhalt abzugrenzen, wurden diese beiden Nukleinsäure führenden Körper der genannten Bakterienzellen als deren Kern angesprochen. Wir müssen auch heute noch an der Behauptung festhalten, daB der Kern des Gonokokkus aus einem Nukleoproteid besteht, ebenso wie das in dem Falle des beschriebenen Wasserkokkus der Fall sein dürfte. Auch Zettnow gelang mit der Albargin-Pyrogallolmethode die Dar- stellung der Nukleoproteide in einigen größeren Bakterien?).

Mit dieser Feststellung unterlag ich derselben Täuschung wie alle übrigen bisherigen Forscher und war der Meinung, daB alles, was nicht nukleinsäurchaltig in der Bakterienzelle ist, als Kern derselben nicht in Frage kommen könne. Ich vertrat daher, wie schon erwähnt, auch 1922 noch den Standpunkt, daß wir die ganze Hefezelle als aus Kernmasse bestehend betrachten müßten, zumal es inzwischen gelungen war, das Hefenukleoproteid mit 1:10 verdünnter Salpetersäure in der Kälte abzubauen und durch Nachbehandlung mit einer Lösung von Heienukleinsäure in essigsaurem Natrium wieder zu regenerieren. Da wir auch bei den tierischen Zellen oft den Nukleolus chemisch anders aufgebaut finden als den Kern und wir bei der Hefenzelle denselben Befund erhoben hatten für das von den früheren Forschern als Hefe- kern beschriebene Gebilde, so war ich geneigt, dieses als Nukleolus der Hefe anzusehen, da es, wie bereits damals erwähnt, bestimmt nicht nukleinsäurchaltig war, wie sich aus seinen chemischen Reaktionen und der Unmöglichkeit ergab, es nach Hydrolysierung der Hefezelle wicder aufzubauen. Denn entschloB man sich, dieses Gebilde ohne weiteres als Kern der Hefezelle anzuerkennen, so mußte man dann zu- gcben, daß es auch Nukleinsäure führende Protoplasmen gab und Zellkerne die keine Nukleinsäure enthalten. Zu diesem Schritt, der uns zwingen mußte, unsere ganzen Ansichten über den Auf- bau des Protoplasmas und der Kerne zu revidieren, konnte ich mich da- mals noch nicht entschließen, obgleich mir der Entschluß gar nicht so schwer hätte zu fallen brauchen, da wir ja bei den Amöben und Trypa- nosomen bereits Zellen kennen, deren Kerne sicher keine Nukleinsäure enthalten, wohl aber Lipoide. Die neueren Forschungsergebnisse lassen diese Zurückhaltung aber nicht mehr gerechtfertigt erscheinen.

Ehe wir zur Methodik der Darstellung der Bakterienkerne und ihrer chemischen Eigenschaften schreiten, müssen wir kurz der vor-

1) Dermat. Woch. Bd. 75. 1922. S. 1174 ff. 2) Briefl. Mitteilung. 1924, November.

Schumacher, Nachweis d. Bakterienkerns u. seine chem. Zusammensetzung. 85

liegenden Befunde gedenken. Die Darstellung des Hefckerns geschah bis jetzt fast ausschließlich mit den Hämatoxylinmethoden und nach- nachfolgender Differenzierung. Die Differenzierung war nötig, da auch der übrige Zellinhalt der Hefezelle bei diesen Methoden außer dem Kern mitgefärbt wurde und sonst nicht genügend hervortrat. Die Methode kann keine glänzende genannt werden, da hierbei nicht in allen Hefe- zellen der Kern zu erkennen ist. In gewissen Entwicklungsstadien der Hefezelle verhalten sich die Bausteine des Kerns und der übrigen Teile der Hefezelle färberisch ziemlich gleich und werden daher ent- weder zusammen entfärbt oder sind zusammen noch gefärbt. Da wir gleich weiter sehen werden, daß die Kerne der Bakterien in vielen Fällen chemisch aus Lipoideiweißverbindungen bestehen, so haben nach meiner Ueberzeugung, vom Hefekern abgesehen, mit Sicherheit nur A. Meyer den Kern der Bakterien gesehen bei Bac. tumescens mit seiner Formolfuchsinmethode und sein Schüler Ellis bei Sarcina ureae, da sie gerade das auch Lipoide stark färbende Fuchsin verwendeten.

Warum ist bei den meisten Bakterien, einschließlich der Hefe, der Kern färberisch nicht ohne weiteres darstellbar? Nachdem wir die che- mische Zusammensetzung, besonders der Hefezelle jetzt ziemlich genau kennen, ist diese Frage nicht schwer zu beantworten. Der Hefekern, sclbst mit Methylenblau oder noch besser mit Fuchsin färbbar, liegt als außerordentlich kleines Gebilde in der ihn umgebenden verhältnismäßig großen Nukleoproteidmasse, die sich mit den genannten Farben ebenfalls stark färbt. Der Kern taucht daher bei der Färbung der unvorbehandelten Hefezelle im übrigen Zellinhalt unter. Vermeiden wir aber bei der Färbung die Entstehung von nukleinsaurem Methylenblau und nukleinsaurem Fuchsin, indem wir vor- her die Hefezelle durch Methoden nukleinsäurefrei machen, die den Hefekern noch nicht wesentlich angreifen, so können wir ihn alsdann schr leicht mit diesen Farben färberisch in allen Zellen zur Dar- stellung bringen !).

2. Methodik zur Darstellung nukleinsäurefreier Bakterienkerne.

Wir nehmen als Material Hefezellen mit Begleitbakterien (Bäcker- hefe) und stellen uns davon Objektträgerausstriche her, die wir durch Durchziehen in der Flamme fixieren?) Hydrolysieren wir in einem Präparat die Nukleoproteide durch Einstellen der Präparate in eine im Verhältnis von 1:10 verdünnte Salpetersäure (HNO, 65 Proz. sp. G. 1,40, 10 ccm, Aquae ad 100) 24 Std. lang und färben alsdann die so behandelten Präparate nach Abspülen mit Wasser mit Methylenblau nach, so erkennen wir, daß sich die so nukleinsäurefrei gemachten Zellen nicht mehr färben. Besonders eklatant tritt das in Erscheinung, wenn wir uns hierzu einer schwach mit Essigsäure angesäuerten wässerigen Methylenblaulösung bedienen, die normale Hefezellen noch intensiver färbt als gewöhnliche Methylenblaulösung. Eine Fuchsinnachfärbung ge- lingt noch, da die Hefelipoproteide noch zugegen sind. Von dem Kern

1) Dieser für die Darstellung der Bakterieukerne entscheidende Schritt wurde von mir bereits 1921 getan. (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Ref. 73. 337 u. Kiin. Woch. 1922. 498).

2) Da wir auch die chemische Zusammensetzung der Bakterien- kerne untersuchen wollen, müssen wir die Nachteile der Ilitzefixation mit in Kauf sehmen, denn auch die schonenderen Fixatoren setzen bereits chemische Ver-

änderungen.

86 Centralbl. t. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

istaber bei der Methylenblaufärbung meist nichts mehr zu sehen, da die Hydrolyse mit der oxydierend wirkenden Salpetersäure zu eingreifend ist und auch sehr oft den Hefekern abbaut. Wir gelangen aber sofort zum Ziel, wenn wir die Präparate 8—12 Std. lang bei Zimmertemperatur in 5proz. Schwefelsäure bringen. Auch Salz- säure eignet sich hierzu, im Verhältnis 1:4 verdünnt!). Hierbei er- scheinen die Kerne ebenfalls bereits nach 4—6 Std., manchmal sogar nach 2 Std. Bei Hydrolyse in Großem im Schüttelapparat genügen stets 2 Std.

Technik der Kerndarstellung.

Die hitzefixierten Präparate kommen:

1) über Nacht, also ca. 8—12 Std. in 5proz. HSO, (Schwefelsäure konz. 5,0, Aquae ad 100,0) oder 2—4 Std. in 1:4 verd. HCl.

2) Nach gründlichem Abspülen mit Aq. dest. werden die Präparate 10 Sek. lang in einer Sodalösung *) gebadet (zur restlosen Entfernung der Säure, da sonst das Farb- salz nachher zerstört wird und die Präparate sich andernfalls schlecht halten).

3) Nach abermaligem Abspülen färbt man mit einer 1proz. wässerigen Methylen- blaulösung L nach. Noch bessere Bilder erhält man, wenn man mit einer lproz. wässerigen Lösung von Methylenazur nachfärbt, wobei aber bereits das Lipoproteid sich etwas anfärbt, oder mit lproz. Karbolmethylenblau.

Bei dieser Behandlung wird, soweit erkennbar, nur das Hefe- nukleoproteid hydrolysiert. Wir benutzen jetzt zu unseren Betrachtungen das etwas weniger farbkräftige Kernbild der einfachen Methylenblau- färbung ohne Sodazwischenbehandlung. Dabei erkennt man alsdann den Hefekern in allen Zellen als tiefblau gefärbtes Gebilde °), das teilweise Mitosen zeigt, die Gonokokken in der Form und Größe nicht unähnlich sind, während der übrige Teil der Hefezelle bei der Methvlenblaufärbung farblos ist, Wi der Nachfärbung mit Methylen- azur aber schwach angefärbt ist). Nimmt der übrige Teil der Hefe- zelle noch eine schwache hellblaue Färbung an, so hätten die Präparate etwas länger in der Säure stehen bleiben müssen bis zur völligen Hydrolyse des Nukleoproteids. Die einzelnen Zellen verhalten sich bezüglich der Dauer des Freiwerdens von Nukleinsäure etwas ver-

1) HCl konz. 37proz., sp. Gew. 1,19 für forensische Zwecke von Kahl- baum. 25 ccm werden mit 75 cem Aq. dest. verdünnt.

2) Die Zwischenbehandlung mit Sodalösung erhöht außerordentlich die Tink- tionsfähigkeit des Kerns, da sie ebenfalls wie der schwache Alkaligehalt des Löfflerschen Methylenblaus als Beize wirkt, aus welchem Grunde sich nach dieser Behandlung auch die sonst mit Methylenblau nicht färbbaren Lipoproteide etwas anfärben. Irgendwelche Schlüsse aus dieser Färbung über die chemische Zu- sammensetzung des Hefckerns vermöchten wir hieraus aus diesem Grunde nicht zu ziehen, wenn uns die Darstellung des Hefekerns bei der Säurevorbehandlung auch ohne Sodazwischenbehandlung nicht ebenfalls gelingen würde. Wir be- Een also in diesem Falle die Soda lediglich zur Erzielung eines farbkräftigeruu

ildes.

3) Methylenblau mediz. Die anderen im Handel erhältlichen Methylenblau- präparate sind oft noch mit anderen auch die Lipoide mitfärbenden Farben ver- unreinigt. Bei der Darstellung von Leukomethylenblaulüsungen durch Erhitzen in salzsaurer Lösung mit Rongalit liefern diese Methylenblausorten kein honigzelb

aussehendes Leukomethylenblau, sondern dieses ist rotstichig. (Bioch. Ztschr. Bd. 134.

S. 397 ff.) 4) Taf. I, Abb. 1 (Vergr. 1:555) und Taf. II, Abb. 5 (Vergr. 1 : 1000).

| 5) Demonstriert in der Berl. Mikrobiol. Ges. März 1922 (Centralbl. f. Bakt. Bd. 73 1. c.) und auf dem Würzburger Mikrobiol. Kongreß 1922 (Centralbl. f. Rakt.

Abt. I. Orig. Bd. 89. S. 206).

Schumacher, Nachweis d. Bakterienkerns u. seine chem. Zusammensetzung. 87

schieden !. Färben wir mit Fuchsin ein so behandeltes Präparat nach, so erkennen wir den Hefekern als tief fuchsinrot gefärbtes Gebilde neben dem etwas schwächer fuchsinrot sich färbenden Zelleib (Tafel I, Abb. 4)2). Dieser selbst färbt sich schwächer mit Fuchsin als in den normalen Zellen, weil durch die Behandlung mit Schwefelsäure die Nukleinsäure entfernt ist und kein nukleinsaures Fuchsin mehr entsteht, andererseits fehlt die Fuchsinfärbung nicht vollständig, da das noch in den Zellen vorhandene Lipoproteid eine Affinität zu dem Fuchsin besitzt und sich noch lipoidsaures Fuchsin bildet. Wir wollen uns erinnern, daß nach Entfernung auch der gebundenen Lipoide durch Salzsäure-Alkohol dann die Fuchsinfärbung ausbleibt ®).

Betrachten wir die Hefebegleitbakterien, so erkennen wir, daß in einigen von ihnen nach Entfernung der Nukleoproteide, Details zutage getreten sind, die vorher nicht zugegen waren, viele kleiner aus- sehen als früher, ihr Kern jetzt nachweisbar ist.

Mit derselben Methodik lassen sich auch die Kerne von Oidium lactis darstellen, die dieselbe Größe ungefähr zeigen, wie die Hefe- kerne (Tafel I, Abb. 3 (1:555) u. Taf. IL Abb. 6 Vergr. 1:1000) Auch hier müssen durch Behandlung mit Schwefelsäure zuerst sowohl das sich stark färbende Volutin als auch die Nukleinsäure der Nukleo- proteide entfernt werden, die in älteren Zellen, hauptsächlich an deren Polen angeordnet sind. Ihre Nukleoproteidnatur läßt sich leicht durch die entsprechenden histochemischen Reaktionen als auch durch Hydro- lvse und Wiederaufbau des Nukleoproteids beweisen. Innerhalb dieses Nukleoproteids liegt der Kern, der deshalb vor Entfernung der Nukleo- proteide nicht sichtbar ist, da das sich dabei mitfärbende Nukleoproteid ihn verdeckt. In jungen Kulturen von Oidium lactis findet man ın den Stäbchen nach Entfernung der freien Nukleinsäure aus ihnen durch einfaches Aufkochen runde Gebilde, die, ihren Reaktionen nach zu urteilen, ebenfalls Nukleoproteide sind, in denen die Kerne eingebettet und daher auch hier noch nicht sichtbar sind), wohl aber auch hier nach Säurehydrolyse sichtbar werden (Tafel II. Abb. 7).

Weiterhin können wir den Kern von Oidium lactis und der Hefe auch nach Giemsa darstellen (Tafel I, Abb. 2), wobei er sich violett färbt und der übrige Zellinhalt rosa. Auch hierbei ist die Giemsa- Färbung launisch, indem sie manchmal auch den übrigen Zeliinhalt nicht rosa, sondern mehr hellviolett färbt. Manchmal findet man beides in einem und demselben Präparat an verschiedenen Stellen. Wir haben den Hefekern außerdem von dem übrigen Zellinhalt different dargestellt, indem wir die mit Schwefelsäure vorbehandelten Präparate mit Pyronin-

1) Die Nukleoproteide der Leukozyten setzen ihrer Hydrolyse mit verd. Mineralsäuren erheblich größeren Widerstand entgegen als die Bakteriennukleoproteide, während das Gononukleoproteid bereits bei Siedehitze ohne Säurezusatz zerfällt.

2) Färbetechnik für Abb. 4, Taf. I: Sporenhaltige Hefe wurde über Nacht in 1:4 verdünnte HCl gestellt und nach Abspülen mit Wasser heiß mit Karbol- methylenblau gefärbt. Nach abermaligem Abspülen der Präparate wurde mit wässe- riger Fuchsinlüsung nachgefärbt. (Sporenkerne blau, weil das Fuchsin bei kalter Anwendung nicht in das Sporeninnere gelangen kann, Iefekerne rot, weil sie durch die Fuchsinnachbehandlung umgefärbt werden.) Demonstriert: Berlin und Würzburg 1922.

3) Centralbl. f. Bakt. Abt. 1. Orig. Bd. 93. 1924. S. 266. 4) S. auch Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 93. Kongreßbericht der 10. Tagung der Dtsch. Ver. f. Mikrobiol. Göttingen 1924. Diskussion zuDahmen.

88 Ceutralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

Guineagrün !) färben, wobei der Hefekern rot erscheint, der übrige Zelleib schmutzig-grünlich.

Es gelingt naturgemäß auch den Kern und Zellinhalt in zwei Farben darzustellen, wenn man beispielsweise den Kern mit Karbolmethylenblau vorfärbt, zur Fixierung des Methylenblaus eine Tanninbeize dazwischen- schaltet und dann mit einer sauren oder basischen Farbe nachfärbt.

Technik: Einstellen der Präparate 2—4 Std. in 1:4 verd. HCl. Darauf werden die Ausstriche 5 Sek. lang in Sodalösung 1:500 gebadet, mit Karbolmethylen- blau 2 Min. lang gefärbt. 1 Min. lang in 5proz. Tannin gestellt und darauf 10 Sek. lang mit pror Eosin nachgefärbt. Zwischen jeder Prozedur mit dest. Wasser abspülen. Kerne blau, der übrige Zellinhalt rot. An Stelle von Tannin kann mit Vorteil auch eine Lösung von Quecksilberjodidjodkalium (HgCl 1 g. KJ 5 g, H,O 100) genommen werden.

Auch die direkte Kerndarstellung gelingt, aber leider ohne Ent- fernung der Nukleinsäure durch HCl oder HSO, wie bei den früheren Methoden nicht in allen Zellen, wenn man beispielsweise die Präparate mit Toluidinblau vorfärbt und mit Glyzerinäther diffe- renziert, wobei die Kerne und die Sporenzwischensubstanz metachro- matisch gefärbt sind (Tafel I, Abb. 10). Bei dieser Färbung werden aber noch andere Zellinhaltsstoffe, höchstwahrscheinlich andere Lipoide metachromatisch mitgefärbt. Dasselbe beobachtet man auch bei anderen Mikroorganismen. Stets sind neben den Kernsubstanzen noch andere Lipoide mitgefärbt. Geeignete Objekte hierzu sind Ausstriche von Mundbakterien und Diphtheriebazillen, bei denen sich außerdem die Polkörnchengrundlage metachromatisch mitfärbt.

Ebenfalls nur in einigen Zellen ist der Kern sichtbar, wenn man mit Karbolmethylenblau oder Karboltoluidinblau vorfärbt, mit Pikrin- säure beizt und mit 25proz. Tannin hinterher differenziert. Dabei färben sich Hefesporen violett und die Zellen blaugrün. Bei Vor- färbung mit Toluidinblau und Differenzieren mit 25proz. Tannin ist der Kern in einigen Zellen ebenfalls sichtbar. Die Methoden dieses letzten zun bilden aber keinerlei Vorteil vor der älteren Hämatoxylin- methode.

Micrococcuscandicans.

Färben wir Ausstriche einer 12 Std. alten Kultur von Micrococcus candicans?), so finden wir die bekannten Kokken von ansehnlicher Größe tiefblau gefärbt (Tafel I, Abb. 5). Hydrolysieren wir jetzt aber ebensolche Ausstriche 12 Std. lang in 5proz. Schwefelsäure nach der oben für die Kerndarstellung gegebenen Technik und färben mit 1proz. Methylenblau nach, ohne Sodazwischenbehandlung °), so erhalten wir folgendesBild. Die Kokken erscheinen erstens stark verkleinert und zweitens viel weniger intensiv blau gefärbt, weil jetzt die Nuklein- säure in ihnen fehlt und sich bei der Färbung nicht mehr das nuklein- saure Farbsalz des Methylenblaus bilden kann. Es sind nur die Kerne gefärbt (Tafel I, Abb. 6).

Der objektiven Darstellung halber war ich bemüht, beide Kokken-

1) Rezept für die Farbmischung: Man mischt 4 ccm 1Iproz. Pyronin mit 1 ccm 2proz. Guineagrün und 3 Teilen Alkohol. Von dieser Stammlösung gibt man 1 ccm auf 10 ccm dest. Wasser und färbt 1/, Std. (Farblösung jedesmal frisch bereiten.)

2) Die Kultur sowohl als auch die simtlichen ausgezeichneten Mikrophoto- gan verdanke ich der großen Liebeuswürdigkeit von oo Prof. Zettnow,

em ich auch hier an dieser Stelle meinen besten Dank dafür aussprechen möchte.

3) Diese also nur, wenn man ein sehr schönes, farbkräftiges histologisches Bild will.

Schumacher, Nachweis d. Bakterienkerns u. seine chem. Zusammensetzung. 89

formen, die normal großen und die durch Hydrolyse verkleinerten auf einem Bild darzustellen. Das war voraussichtlich dadurch mög- lich, weil ich beobachtet hatte, daß der Micrococcus candicans späterhin sehr rasch Lipoide resp. Lipoproteide bildet, die durch die Schwefelsäure nicht mehr hydrolysiert werden. Bei der Färbung der Lipoproteide, die nur durch Fuchsin, nicht durch Methylenblau möglich ist, werden als- dann die Kerne verdeckt und sind nicht sichtbar, aus demselben Grund, weshalb sie im unvorbehandelten Kokkus dort infolge des Nuklein- säuregehaltes nicht sichtbar sind. Es bestand aber weiterhin die Mög- lichkeit, dab in einer frischen Kultur nicht alle Exemplare sofort Lipoproteide bilden. Dann mußten aber bei einer Fuchsinnachfärbung in dem mit Schwefelsäure hydrolysierten Präparat in jenen Exemplaren, die noch kein Lipoproteid gebildet hatten, die Kerne mit Fuchsin dar- stellbar sein, diese Exemplare aber gleichzeitig auch kleiner erscheinen als die schon lipoproteidhaltigen Kokkenexemplare, die sich ihres Lipo- proteidgehaltes wegen alsdann in toto (Kokkennormalgröße) färben mußten. Das ist in der Tat der Fall. Damit ist gleichzeitig der Ein- wand hinfällig, daß die Kokken etwa durch die Säurebehandlung ge- schrumpft wären (Tafel I, Abb. 7., dasselbe Präparat als Mikro- photogramm Tafel II, Abb. 8). Man erkennt dort in der vorliegenden Reinkultur! in den noch nicht lipoproteidhaltigen Exemplaren nur den Kern gefärbt. In den lipoproteidhaltigen größeren Exemplaren (in der Minderheit) ist der Kern aus den oben erörterten Gründen nicht zu sehen und der Kokkus ebenfalls aus oben erörterten Gründen in toto gefärbt, während eine Methylenblaufärbung eines ebenso behandel- ten Präparates derselben Kultur alle Kokken in gleicher Größe er- scheinen läßt, da die Lipoproteide durch Methylenblau bekanntlich nicht gefärbt werden. Darum sind auch in den lipoidproteidhaltigen Exemplaren bei Methylenblaufärbung! dort die Kerne sichtbar. Durch kombinierte Karbolmethylenblau-Tannin-Eosinfärbung erhält man die Kerne blau, den übrigen Zellinhalt rosa.

Der besseren Uebersicht halber stelle ich die Befunde nochmals in einer Tabelle (S. 90) zusammen.

Mit der oben beschriebenen Methodik zur Darstellung der Kerne gelangen wir aber nicht bei allen Mikroorganismen zur Darstellung ihres Kerns, nämlich dann nicht, wenn dieser sich nicht aus denselben Bestandteilen, die wir gleich noch kennen lernen werden, chemisch zusammensetzt, wie der Hefekern und derjenige vieler anderer Bakterien, sondern wenn der Kern bei solchen Bakterien aus Nukleoproteiden besteht. Denn diese werden durch die erwähnte Behandlung mit Salz- oder Schwefelsäure hydrolytisch aufgespalten. In den Fällen also, wo uns mit der Methode der Säurebehandlung der Nachweis des Bak- terienkerns nicht gelingt, dürfen wir annehmen, daß in diesen Fällen die Bakterien entweder gleich Lipoproteide bilden oder Nukleoproteide am Aufbau des Bakterienkerns beteiligt sind. Da wir die Lipoproteide bis jetzt nicht aus der Zelle zu entfernen vermögen ohne gleichzeitig auch die Lipoideiweißverbindungen des Bakterienkerns mit zu ent- fernen, so vermögen wir bis jetzt in solchen Mikroorganismen deren Kern färberisch noch nicht darzustellen!). Baut sich in den Fällen, wo

1) Zusatz Februar 1925: Das ist inzwischen gelungen, beispielsweise bei dem Kern der Milzbrandspore, worauf wir noch zurückkommen. Dort vermögen wir durch HCI-Alkoholhydrolyse das Lipoproteid zu entfernen, worauf alsdann der Kern isoliert färbbar wird. Das geschieht aus dem Grunde, da der Kern der Milzbrandspore sich

Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

Micrococcus candicans.

normale, |Karyoproteide (Kern

frische Kultur

Chemische Zusammen- setzung blau

Nukleoproteide (Pro- toplasma)

Verhalten bei der Färbung |Verhalten bei der Färbun mit Methylen-

).| Totalfärbung Totalfärbung

mit Fuchsin

8 Ursache der Färbung

Entstehung von karyonin-

saurem Methylenblau und Fuchsin im Kern. von nukleinsaurem Me- thylenblau und Fuchsin im Protoplasma, je nach

Wahl der Farbe frische |Karyoproteide (Kern).|Verkleinernng Verkleinerung Entstehung v. nur karyo- Kultur | Die Nukleinsäure des ninsaurem Methylen-

nach Hy-| des Nukleoproteids blau und Fuchsin. Nu- drolyse ist entfernt, das ba- kleinsaures Farbsalz mit verd.| sische Eiweiß des kann wegen Entfernung H,80, | Nukleoproteids ist der Nukieinsäure nicht noch zugegen, aber mehr entstehen, daher

nur mit sauren Verkleinerung

ältere |Karyoproteide (Kern).

Farben darstellbar

Totalfärbung Totalfärbung

Entstehung von karyonin-

Kultur, | Nukleoproteide (Pro- saurem und nuklein- normal | toplasma), daneben saurem Methylenblau. in letzterem noch Kräftigere Tinktion eini- Lipoproteide in eini- ger Exemplare bei Fuch- gen Exemplaren sinfärbung, weil in die- sen außerdem noch li- poidsaures Fuchsin ent-

steht ältere |Karyoproteide (Kern).|Verkleinerung, Verkleinerung in den Bei Färbung mit Methy- Kultur | Nukleinsäure ist ent-) da Methylen-| nichtlipoproteidhaltigen| lenblau entsteht nur af. I | fernt. Daneben in| blau die Li-| Exemplaren, Totaltär-| karyoninsaures Methr- Abb.7und| einigen Exemplaren| poproteide d.| bung der lipoproteid-| lenblau (daher Verkiei- Taf. II noch Lipoproteide okkusnicht| führenden Exemplare) nerung). Bei Färbung Abb. 8) färbt und die! weil Fuchsin im Gegen-| mit dem lipoidlöslichen nach Hy- Nukleinsäure|l satz zu Methylenblau Fuchsin entsteht da- drolyse durch Hy-| dasLipoproteidebenfalls| gegen karyonin- und mitH,SO, drolyse ent-| färbt und dieses durch Nnoideanres Fuchsin in fernt ist die verdünnte H,SO,| in den Lipoproteid füh-

zwar hydrolytisch auf- gespalten wird, die Li- poidsäure dabei aber die Zelle nicht verläßt

renden Exemplaren. (Daher dort Totalfär- bung). Taf. I, Abb. 7

wir bei der Säurehydrolysierung die Bakterienkerne nicht nachweisen können, dieser aber aus Nukleoproteiden (Gonokokkus) auf, so

nicht aus einem Lipoproteid, sondern aus einem Plasteoproteid aufbaut. TLipoproteide E und Plasteoproteide können wir dadurch unterscheiden, daß erstere bereits durch HCl-Alkoholbehandlung in der Kälte hydrolvsiert werden und ihre Färbbarkeit verlieren infolge Austritts der in kaltem Alkohol leicht löslichen Lipoidsäure, weshalb beispielsweise gram positive Lipoproteide hierdurch gram negativ werden. Die Plasteoproteide dagegen widerstehen dieser Behandlung und werden erst durch Salzsäure-Alkohol in der Siedehitze hydrolysiert. Darum sind auch nach der Salzsäure-Alkohol-Behandlung in der Kälte die Hefezellen gram negativ, färben sich aber noch mit Viktoriablau. Nach Entfernung der Plastinsäure aus ihnen durch Salzsäure-Alkoholhydrolyse in der Siedehitze, wobei man die am Aufbau der Plastinsäure beteiligte Fettsäure aus der Hydrolvsenflüssigkeit isolieren kann, verlieren die Hefezellen jetzt auch ihre Färbbarkeit mit Viktoriablau, da sich jetzt kein pla- stinsaures Viktoriablau mehr bilden kann. Wir kommen am Schluß der Arbeit hierauf nochmals zurück.

Schumacher. Nachweis d. Bakterienkerns u. seine chem. Zusammensetzung. 91

vermögen wir ihn alsdann zur Darstellung zu bringen. Wir dürfen hier- zu naturgemäß nicht die Methode der Säurehydrolyse wählen, da diese zwar die lipoidhaltigen Bakterienkerne zur Darstellung bringt, die nu- kleoproteidhaltigen Kerne aber hydrolytisch aufspaltet, weshalb der Kern in diesen Bakterien unsichtbar wird. Wir erhalten ihn aber sofort bei Anwendung der zum Nachweis der Nukleoproteide dienenden Methoden.

3. Die Darstellung nukleinsäurehaltiger Bakterienkerne.

Wir wählen als Beispiel den Kern des Gonokokkus. Da wir über die chemische Zusammensetzung des Gonokokkus bereits orientiert!) sind, können wir zu seiner Darstellung uns zweier Prinzipien bedienen. Einmal, indem wir uns die Tatsache zu nutze machen, daß das nuklein- säurefreie Gonoplasma sich mit der Silber-Pyrogallolmethode nicht bräunt, der Kern sich aber isoliert färbt, das andere Mal den Umstand benutzten, daß das Gonoplasma als Albumose in Salpetersäure 2:1002) löslich ist, der Kern dagegen nicht, worauf derselbe alsdann bei ein- facher Färbung mit Methylenblau oder Pyronin isoliert gefärbt wird.

a) Technik der Darstellung des Gonokokkenkerns mit Albargin-Pyrogallol.

Man stellt hitzefixierte Ausstriche frischen Gonorrhoeeiters 5 Min. lang in 2proz. Essigsäure, spült mit Wasser gründlich ab und bringt sie alsdann 1 Std. lang in eine lproz. Albarginlösung, der man auf 100 ccm 3 Tropfen konzentriertes. Ammoniak zugesetzt, und die man vor Gebrauch filtiert hatte. Darauf wird gründlich mit destilliertem Wasser abgespült und die Präparate 30 Sek. lang mit einer 3proz. Pyrogallolleitungswasserlösung nachbehandelt, worauf die Präparate nach Abspülen mit Wasser in der Flamme getrocknet werden.

Anmerkung: Die Vorbehandlung mit Essigsäure ist erforderlich, da andern- falls das Leukozytenprotoplasma zuviel Silber bindet und die winzig kleinen Gono- kokken schwer in ihm zu erkennen sind. Der Ammoniakzusatz zu dem Albargin ist erforderlich, da die Reduktion des Silbers in alkalischer Reaktion rascher und inten- siver erfolgt. Die Entfernung des überschüssigen Silbers muß mit destilliertem Wasser erfolgen, da das kochsalzhaltige Leitungswasser das entstandene gononukleinsaure Silber aus der Zelle sonst entfernt. Zur Lösung des Pyrogallols muß Leitungswasser verwendet werden, da man bei Gebrauch von dest. Wasser diesem Kalziumchlorid, Kochsalz und Natriumkarbonat zusetzen muß und die Verwendung von Leitungs- wasser einfacher ist.

In einem so hergestellten Präparat erkennt man die Gonokokken innerhalb der Leukozyten an ihrer typischen Lagerung als äußerst kleine schwarzbraun tingierte Gebilde (Tafel I, Abb. 8 u. Mikrophotogramm hierzu Tafel II, 'Abb. 2. Vergr. 1:555), ungefähr 1/, so groß er- scheinend als dieselben Gonokokken bei einer Gentianaviolett-Phosphin- färbung (Tafel I, Abb. 9 und Mikrophotogramm hierzu Tafel II, Abb. 1. Vergr. 1:555), mit der sich die Gonokokken bekanntlich sehr kontrast- reich tiefviolett, die Leukozyten dagegen rein gelb färben?). Der GrüBenunterschied#) entsteht, wie schon betont, dadurch, daß sich in erstem Falle nur das Gononukleoproteid färbt, im letzteren Falle

1) Dermat. Woch. Bd. 75. 1922. S. 1174.

2) HNO, (von Kahlbaum, 65 Proz., spez. Gew. 1,4) 2.0 Wasser ad 100.

3) Dermat. Woch. 65, 1917, S. 841. Dort Technik der Färbung.

4) Von Herrn Prof. Zettnow genau bestimmt, wofür ich ihm ebenfalls herz- lichst danke. Die Kerne des Gonococcus sind im Durchschnitt 0,5 p groß, die in toto gefärbten Gonokokkenexemplare durchschnittlich 1 p.

92 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

aber das Gononukleoproteid und das Gonoplasma t). Auch sielt man sehr oft, daB nicht jeder Gonokokkus Nukleoproteid führt, was man an seiner viel helleren Bräunung erkennen kann. Bei genauem Zu- sehen erblickt man nicht allzu selten auch Stellen, wo in einem Diplokokkenpaar der eine Gonokokkus Nukleoproteid führt, also schwarz- braun gefärbt ist, der andere nukleoproteidfrei ist und nur ganz blab hellgelb erscheint (Tafel II, Abb. 4. Vergr. 1:30002).

b) Technik der Darstellung des Gonokokkenkerns mit basischen Farbstoffen.

Die hitzefixierten Ausstriche frischen Gonorrhoeeiters kommen über Nacht in 1:50 verdünnte Salpetersäure *). Nach ordentlichem Abspülen mit Wasser färbt man 2 Min. lang mit lproz. gewöhnlicher Methylenblau- oder Pyroninlösung nach. Da das Gonoplasma durch Salpetersäurebehandlung gelöst ist, erscheint der Gono- coccus wie on erwähnt, le erheblich kleiner, wie bei solchen Exemplaren, die nicht mit Salpetersäure vorbehandelt worden waren.

Durch die üblichen Reaktionen läßt sich das mit Methylenblau oder Pyronin färbbare Gebilde als Nukleoproteid identifizieren. Dafür sprechen seine Beständigkeit gegenüber Pepsin-Salzsäure, seine Lös- lichkeit in Alkalien, die positive Methylgrünfärbung und das positive Albargin-Pyrogallolbild und die Möglichkeit der Regeneration des Gono- kokkennukleoproteids mit Hilfe einer Lösung von Hefenukleinsäure in essigsaurem Natrium unter Zuhilfenahme von Gonokokken, deren Nukleoproteid man vorher durch Salpetersäure eingehender als durch einfaches Aufkochen hydrolysiert hatte.

4. Die chemische Zusammensetzung des Bakterienkerns.

Da wir bisher bei den pathogenen Bakterien mit Sicherheit nur beim Gonokokkus einen Bakterienkern vor uns haben, der aus Nu- kleoproteid besteht, und über dessen Zusammensetzung an anderer Stelle (l. c.) bereits berichtet wurde, die Kerne der größeren Mehrzahl der Bakterien sich aber sicher nicht aus Nukleoproteiden aufbauen, so wollen wir uns hier über die chemische Zusammensetzung der Bak- terienkerne am Beispiel des Hefckerns näher zu orientieren versuchen. Vorersı müssen wir noch erwähnen, was über die Eigenschaften des Bakterienzellkerns bekannt ist. A. Meyer schreibt darüber +).

Er ist ein ungefähr 0,3 u im Durchmesser messendes, also in demselben Größen- verhältnis zu den Bakterien zellen wie der Zellkern z. B. der Askomyzeten zu deren Hyphenzellen stehendes, farbloses, etwas stärker als das Zytoplasma das Licht brechendes, rundliches Gebilde. Im Dunkelfelde erscheint der Kern optisch leer. Er wird beim Absterben der Zelle zerstört; er läßt sich mit den Kernfixierungsmitteln fixieren, auch durch Kochen mit Wasser. Er läßt sich mit den Kernfarbstoffen, welche die Membran durchdringen, färben. Er unterscheidet sich mikrochemisch und färberisch streng von Zytoplasma, Fett, Glykogen und Volutin.

1) Außerdem hat auch noch das Gonolipoproteid Anteil an der Färbung, dessen Vorhandensein in einer besonderen Arbeit noch bewiesen werden wird. (Fuchsin- färbbarkeit des Gonococcus nach Salzsäurebehandlung, Verschwinden dieser nach Behandlung mit HCI-Alkohol.)

2) Zum Vergleich der Größenunterschiede siehe Tafel I, Abb. 3 die dieselben Gonokokken mit Gentianaviolett-Phosphin gefärbt wiedergibt, ebenfalls Vergr. 1 : 3000, worin die Gonokokken, um nochmals zu betonen, ca. doppelt so groß erscheinen als im ersten Fall, weil hier durch das Gentianaviolett auch das den Kern umlagernde Gonoplasma mitgefärbt wird.

à ee a 65 Proz. spez. Ges. 1,40 von Kahlbaum 2 ccm, Aqua ad 100.

. c. 72,

Schumacher, Nachweis d. Bakterienkerns u. seine chem. Zusammensetzung. 93

Diesen letzten Satz Arthur Meyers können wir in jeder Hinsicht unterschreiben. Ich befinde mich mit ihm in der Hinsicht in völliger Uebereinstimmung, wenn er erwähnt, dab der Zellkern in ausgetrock- neten und fixierten Präparaten durch kein Mittel sichtbar zu machen ist. Wir kennen jetzt den Grund und wissen, daß das in vielen Bak- terien gleichzeitig vorhandene, mit den basischen Farben sich eben- falls mitfärbende Nukleoproteid oder in einigen auch Lipoideiweiß- verbindungen den Kern verdecken. Auch die Beobachtung Arthur Meyers, daß sich mit Methylenblau Kerne und ‚Volutin‘ färben, erstere durch Schwefelsäure entfärbt werden, letztere nicht, können wir vollauf bestätigen. Wir kennen auch dafür heute die chemischen Gründe, indem wir bereits früher zeigen konnten, daß sich die Farbsalze der Nukleinsäure und Lipoide durch Mineralsäuren entfärben lassen unter Abspaltung der Farbbase, welcher Vorgang auch bei dem gefärbten „Volutin“ eintritt, nur daß es hierbei nicht zu einer völligen Ent- färbung kommt, wie bei der an Eiweiß gebundenen Nukleinsäure, da sich ein Teil des Farbstoffes bei der freien Nukleinsäure in anderer Bindung vorfindet, in welcher der Farbstoff alkohol- und essigsäurefest ist, durch Mineralsäuren aber ebenfalls, allerdings erst bei viel längerer Einwirkung abgespalten wird, was wir auch an Ausstrichen von freier Nukleinsäure außerhalb der Zelle bereits demon- strieren konnten!). Ferner können wir bestätigen, daß Aufkochen das „Volutin‘ löst, den Kern dagegen fixiert.

Wir gehen nun zur Analyse der chemischen Zusammensetzung des Hefekerns. Wir benutzten dazu Präparate, die vor der weiteren Behandlung sich 8 Std. lang in Dproz. Schwefelsäure befunden haben, da in diesen der Kern gut färberisch darstellbar ist, wie wir bereits gesehen haben.

Unsere 1. Frage lautet: Enthält der Hefekern saure Sub- stanzen? Diese Frage beantwortet uns ohne weiteres eine Färbung mit gewöhnlicher wässeriger 1proz. Methylenblaulösung. Wir erkennen dabei der Kern tiefblau gefärbt, während das ihn umgebende Zellmilieu seine Färbbarkeit mit Methylenblau vollständig verloren hat. Wir erkennen die Anwesenheit einer sauren Komponente im Hetekern ferner daran, daß er sich besonders gut mit den Farbstoffen der Fuchsin- reihe tingiert. Er hebt sich bei dieser Färbung als etwas kräftiger tingiertes Gebilde von den sich in der Umgebung befindenden, sich ebenfalls mit Fuchsin mitfärbenden Lipoproteiden ab, woran wir einmal erkennen, daß er eine viel stärker saure Komponente enthält als die Lipoproteide des Zelleibes, des weiteren erkennen wir an seiner be- sonders großen Vorliebe für die jetzt bekannten Lipoidfärber?) (Farb- stoffe der Fuchsinreihe), daß aller Voraussicht nach Lipoide an seinem Aufbau beteiligt sind. Dafür spricht ferner die Tatsache, daß wir ihn mit dem nur Nukleinsäure färbenden Methylgrün nicht darstellen können, ebenso nicht isoliert mit der Albargin-Pyrogallolmethode, mit der er sich von den ebenfalls noch Silber bindenden Lipoproteiden durch ein

1) Vortr. v. d. Berl. Physiol. Ges. Jan. 1922 (Klin. Woch. 1922. S. 498). Die betreffenden ,,Farbstoffnukleinsäuren" sind bereits seit längerer Zeit bekannt (erste Publikation hierüber Arch. f. Derm. u. Syph. 1921. Bd. 178. S. 132). Eine ausführliche neue Publikation erscheint noch. Die makrochemisch dargestellte „Pyronukleinsäure“ und ihr Natriumsalz habe ich bereits in meinen Vorträgen v. d. Physiol. u. Mikrobiol. Ges., sowie in Würzburg 1922 demonstriert.

2) Derm. Woch. Bd. 79. 1924. Nr. 45.

94 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 23.

viel kräftigeres Braun abheben müßte, als das der Fall ist, wäre Nuklein- säure an seinem Aufbau beteiligt. Daß diese als saure Komponente des Hefekerns nicht in Frage kommt, Jäßt sich einmal dadurch mit Sicher- heit ausschließen, daß ja gerade in allen Präparaten stets sowohl die freie Nukleinsäure hydrolvtisch aufgespalten und aus der Zelle entfernt wird als auch diejenige der Nukleoproteide, wenn die Präparate einige Stunden lang in 5proz. Schwefelsäure sich befunden haben. Dieser Behandlung widersteht aber gerade der Hefekern!). Auch sein Verhalten zu Ammoniak spricht gegen einen etwaigen Nuklein- säuregehalt.e. Denn durch Einstellen von Hefepräparaten in 1:4 ver- dünntes 25proz. Ammoniak (24—48 Std. lang) kann man ihn dann ebenfalls mit Methylenblau darstellen, weil die ihn umgebenden Nukleo- proteide jetzt größtenteils gelöst?) sind und ihn bei der Färbung nicht verdecken. Absolut sicher kann man einen Nukleinsäuregehalt des Hefekerns aber durch die Synthese ausschließen. Wir konnten früher bereits zeigen, daß gerade die in der Zelle mit Mineralsäuren hydro- lysierten Nukleoproteide (zur Mitentfernung des Hefekerns nahmen wir damals zur Hydrolyse 2proz. heiße Salpetersäure) sich wieder regenerieren und wieder färben ließen, wenn man die so behandelten Zellen mit einer Lösung von Hefenukleinsäure in essigsaurem Natrium behandelte. Stellt man ein so gewonnenes Präparat wieder mehrere Stunden in 5proz. Schwefelsäure, so sind auch die regenerierten Nukleo- proteide wieder verschwunden, die Zellen färben sich abermals nicht mehr mit Methylenblau, der Hefckern ist aber ebenfalls nicht regene- riert worden. Alle Reaktionen deuten vielmehr auf einen Lipoid- gehalt des Hefekerns hin. Wir haben 1922 die Frage eines etwaigen Lipoidgehaltes des Hefekerns dahin beantwortet, daB Lipoide für seinen Aufbau nicht in Frage kämen, weil in Hefezellen, die längere Zeit in Aether standen und dann mit Salzsäure hydrolysiert und mit Methylenblau gefärbt wurden, der Hefekern noch darstellbar war. Damit sind freie Lipoide als Hauptbaustein des Hefekerns sicher ausgeschlossen. Wir kannten damals aber noch nicht die Gruppe der Lipoideiweißverbindungen, die wir erst bei der Aufklärung der Gramschen Färbung?) kennen gelernt haben. Von diesen wissen wir jetzt, daß sie gegen Salzsäure beständig sind, von Salpetersäure dagegen angegriffen und langsam hydrolysiert werden (allmähliches Ver- schwinden der Gramschen Färbung bei Behandlung mit Salpetersäure in der Wärme), rascher noch zerlegt werden durch Salzsäure-Alkohol. Behandeln wir ein Hefepräparat aber statt mit Salzsäure, die bekannt- lich die Nukleoproteide bydrolysiert, den Hefekern aber bei nicht zu langer Einwirkungsdauer völlig intakt läßt, mit Salzsäure-Alkohol, wodurch wir dem etwa abgespaltenen Lipoid Gelegenheit geben, in Lösung zu gehen, so sehen wir alsdann, daß jetzt in der Tat der Hefe- kern mit Methylenblau nicht mehr darstellbar ist, Salzsäure- Alkohol die Hefekernsubstanz also hydrolytisch aufzuspalten vermag. Gegen das Vorliegen einer freien Säure im Hefekern spricht seine Beständig- keit gegenüber Ammoniak, sowie das verschiedene Verhalten seiner

1) Sogar der Einwirkung 10proz. Schwefelsäure, wenn diese nicht länger als { Std. einwirkt.

2) Zum Unterschied von der Behandlung mit Mineralsäuren, die das Hefe- nukleoproteid hydrolytisch aufspalten, wobei alsdann nur die Nukleinsäure die Zelle verläßt, indem sie langsam in ihre löslichen Bausteine aufgespalten wird.

3) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 93. S. 266.

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Schumacher, Nachweis d. Bakterienkerns u. seine chem. Zusammensetzung. 95

sauren Komponente Alkohol (Unlöslichkeit) und HCI-Alkohol gegen- über (Löslichkeit).

Haben wir mit diesen Methoden bisher nachgewiesen, daß am Aufbau des Hefekerns eine saure Substanz beteiligt ist, die sicher keine Nukleinsäure, sondern höchstwahrscheinlich ein Lipoid ist, so müssen wir jetzt noch nachzuweisen versuchen, ob auch eine basische Substanz am Aufbau des Hefekerns beteiligt ist. Das können wir untersuchen, indem wir ein mit Schwefelsäure behandeltes Hefepräparat mit sauren Farben färben, wobei wir uns erinnern wollen, daß sich nur basische EiweiBe mit sauren Farben darstellen lassen (die nukleinsäure- und gramfreie Hefe färbt sich noch glänzend mit sauren 'Farben, ebenso das aus der Zelle isolierte basische Eiweiß). Bisher ist es aber nicht gelungen, das basische Eiweiß des Hefekerns färberisch von dem- jenigen des nicht mit Methylenblau färbbaren Hefelipoproteids zu unter- scheiden. Der Nachweis eines basischen Eiweißanteils im Hefekern ge- lingt uns bisher nur mit der Hämatoxylinmethode, mit der ja gerade die älteren Forscher den Hefekern zur Darstellung brachten, da gerade mit dieser Methode, wie schon erwähnt, in gewissen Entwicklungs. stadien der Hefezelle, das basische Eiweiß des nicht methylenblautärb- baren Hefelipoproteids von demjenigen des Hefekerns durch Diffe- renzierung zu unterscheiden ist.

Fassen wir zusammen, so erkennen wir jm Hefekern eine saure Substanz, die imstande ist, mit basischen Farben, Farbsalze zu bilden, vorwiegend eine Affinität für diejenigen basischen Farben besitzt, die auch eine große Affinität zu den Lipoiden besitzen, selbst wie die Unter- suchungen an Lezithinätherlösungen zeigten, stark lipoidlöslich sind. Dicse saure Substanz des Hefekerns ist ferner durch Salz- und Schwefel- säure schwer, durch Salpetersäure leichter hydrolysierbar und in Ammo- niak unlöslich. Ihr chemisches Verhalten sowohl Salz- und Schwefelsäure als auch Ammoniak gegenüber, die Nukleinsäure und Nukleoproteide hydrolytisch aufzuspalten, resp. zu lösen (Ammoniak) vermögen, sowie die Unmöglichkeit, in hydrolysierten Hefezellen durch Behandlung mit einer Hefenukleinsäurelösung in essigsaurem Natrium die Hefekernsub- stanz zu regenerieren, schließt das Vorliegen von Hefenukleinsäure aus. Die Eigenschaft der Hefekernsubstanz dagegen nach hydrolytischer Spal- tung mit Salzsäure bei gleichzeitiger Alkoholgegenwart rascher in Lösung zu gehen, ebenso wie ihr grampositives Verhalten!), sprechen mit höchster Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Säure aus der Lipoidreihe, die wir als Karyoninsäure bezeichnen wollen?). Che-

1) Daß der Hefekern grampositiv ist, erkennt man einmal daran, daß er in einigen Zellen sichtbar wird, wenn man gegen Ende der Hydrolyse der Lipoproteide die Präparate untersucht, wobei man erkennt, daß er offenbar etwas schwerer abgebaut wird als das Hefelipoproteid. Solche Präparate erhält man, wenn man in großem Hete- zellen mit 1:4 verdünnter HCI nukleinsäurefrei macht und diese Zellen dann der HCl-Alkoholhydrolyse unterwirft. Während nach tünd. Schütteln die Zellen alsdann restlos gramnegativ geworden sind, erkennt man nach ca. 5—6 Std. den Abbau des grampositiven Lipoproteids an einer teilweisen Ungefärbtheit der Hefezelle, in die violette Pünktchen eingestreut sind, zwischen denen oft alsdann der grampositiv ge- färbte Hefekern als ein etwas größer aussehendes Gebilde hervortritt, dus fust stets von einem hellen ungefärbten Hof umgeben ist. Weiterhin kann man die Giram- »ositivität des Hefekerns beim biologischen Abbau der Hefe im Tierkörper beobachten. licrauf kommen wir noch zurück.

2) Von to xap:os der Kern, da der Name Nukleinsäure schon vergeben ist und diese saure Substanz der Bakterienkerne ihren oben soeben aufgezählten Reaktion nach zu urteilen sicherlich keine Nukleinsäure ist.

9 Centralbl. f. Bakt. ete. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2 3.

misch dürfte die Karvoninsäure den Säuren des Lezjthins nahe stehen. da sie viele Eigenschaften des Lezithins und der Glvzerinphosphorsäure auch im Verhalten basischen Farben gegenüber zeigt. Die Unlöslichkeit der sauren Komponente in Aether und Alkohol, aber ihre eintretende Alkohollöslichkeit bei Salzsäuregegenwart und der Nachweis !) eines basischen Eiweißanteiles im Hefekern zeigen, daß im Hefekern die Karyoninsäure an Eiweiß gebunden vorliegt, offenbar ähnlich wie die Nukleinsäure an Eiweiß im Nukleoproteid. Wir lernen damit eine neue Gruppe von Zellinhaltsstoffen kennen, die Karyoproteide*), chemisch karyoninsaures Eiweiß darstellend, denen bei dem Kern vieler Bakterien offenbar dieselbe Rolle zufällt, wie den Nukleoproteiden, den Nukleinsäureeiweißverbindungen bei den tierischen und pflanzlichen Zellen. Wie die Nukleoproteide sind auch die Karyoproteide beständig gegenüber Pepsinverdauung, unbeständig aber gegenüber Trypsin.

Ehe ich mich dazu entschloß, die saure Komponente des llefekerns mit einem neuen Namen zu belegen, habe ich mir natürlich die Frage vorgelegt, ob an seinem Aufbau möglicherweise doch nicht Nukleinsäure beteiligt sein könnte. Man hätte ja daran denken können, daß gerade das hypothetische Hefekernnukleoproteid durch die Mineralsäuren deshalb schwerer hydrolysiert werden würde als die übrigen Zell- nukleoproteide, weil die Mineralsäuren vielleicht infolge einer etwa vorhandenen Kernmembran schwerer in die supponierten Hefekernnukleoproteide hätten ein- dringen können. Auch hätte man mit Annahme dieser hypothetischen Membran vielleicht die Unmöglichkeit der Regenerierung des Hefekernnukleoproteids mit einer Hefenukleinsäurelösung in essigsaurem Natrium erklären können. Dagegen spricht aber die Tatsache, daß sowohl die Säuren, als besonders auch das Ammoniak, gegen die der Hefekern gerade so beständig ist, so außerordentlich leicht selbst die Membran der Sporen zu durchdringen vermögen, wie das aus unseren früheren Untersuchungen und der Möglichkeit der Darstellung der Sporenkerne hervorgeht). Ob der Hefe- kern eine Kernmembran besitzt ist wahrscheinlich, aber bis jetzt: wenigstens noch nicht bewiesen ®).

Wir kennen damit jetzt in der Hefe außer den Nukleoproteiden auch die Karyoproteide, die wir soeben durch ihr verschiedenes Verhalten gegenüber Mineralsäuren und Ammoniak zu unterscheiden vermochten. Außerdem haben wir früher bereits in der Hefe noch Lipoproteide als Träger der Gramschen Färbung in der Hefe- zelle nachgewiesen, wobei wir nochmals betonen wollen, daß die Ursache der Gramschen Färbung nicht stets auf ein Lipoproteid zurückgeführt zu werden braucht, sondern sicherlich auch viele Fälle vorkommen, in denen man die Bakterien durch einfache Entfettung gramnegativ machen kann, nämlich dann, wenn das die Gramfärbung verursachende Lipoid

1) Den Nachweis eines basischen Eiweißanteils im Hefekern erblicken wir in seiner Fähigkeit, sich mit sauren Farben zu färben. Würde er nämlich diese Eigenschaft. vermissen lassen, so müßte er in nukleinsäurefrei gemachten und mitsauren Farben gefärbten Hefezellen stets als weiße Lücke ausgespart bleiben, was aber nieht der Fall ist. Auch seine Fähigkeit, sich mit Hämatoxylin zu färben, spricht für die (zegenwart einer basischen Komponente. Das differente Verhalten des Hefekerns Salzsäure und Salzsüure-Alkohol gegenüber spricht jedenfalls gegen das Vorliegen freier Karvoninsäure, wie schon betont.

2) Inzwischen (Februar 1925) habe ich nach noch mitzuteilender Technik die freie Karyonin- und Lipoidsäure auakrochemisch isoliert. Sie stellen braune, aro- matisch riechende, syrupöse, wasserunlösliche, fettige Substanzen mit niedrigem Schmelzpunkt dar. Ausführlichere Mitteilungen über die genaue Zusammensetzung dieser Säuren erfolgen noch.

. u Centralbl. f£. Bakt. Abt. I. Ref. Bd. 73. S. 337 ff. und ebenda Orig. Bd. 89. A‘ .

4) Zusatz Mai 1925: Membran darstellbar an nuklein- und Jipoidsäurefr«i

gemachter Hefe mit Viktoriablaubase (hängender Tropfen).

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Schumacher, Nachweis d. Bakterienkerns u. seine chem. Zusammensetzung. 97

nicht an Eiweiß gebunden, sondern frei in der Zelle vorliegt. Wir haben daher jetzt noch die Karyoproteide von den Lipoproteiden abzugrenzen, Bekanntlich bleiben die Lipoproteide in der Hefezelle zurück. wenn wir die Hefezellen längere Zeit mit 1:10 verdünnter Salpetersäure in der Kälte behandeln !, während die Nuklein- und auch die Karyoninsäure zum größten Teil bei dieser Behandlung die Zellen verlassen. Wir er- kannten bereits früher, daß die Lipoproteide sich jedenfalls aus einer sauren und basischen Komponente zusammensetzen ; zum Unterschied von der Nuklein- und Karyoninsäure haben wir diese saure Substanz bereits Lipoidsäure genannt. Ihre Gegenwart konnten wir bereits dadurch nachweisen, daB wir sie nach bereits mitgeteilter Technik ?2) makro- chemisch aus der Hefe durch deren Behandlung mit Salzsäure-Alkohol isolieren konnten. Die Lipoidsäure ist jedenfalls diejenige Substanz, die die Gramsche Färbung bedingt und die bei der Fuchsinfärbung der nukleinsäurefrei gemachten Hefezellen deren Färbbarkeit mit Fuch- sin ermöglicht durch Entstehung von lipoidsaurem Fuchsin, deren Ent- fernung aus der Hefezelle aber zur Folge hat, daß dann die Gram- und Fuchsinfärbung ausbleibt, da sich alsdann kein lipoidsaures Fuchsin und kein jodiertes lipoidsaures Gentianaviolett in der Zelle mehr zu bilden vermag. Von den Nukleoproteiden unterscheiden sich die Lipoproteide durch ihre Unlöslichkeit im Ammoniak und ihre Beständig- keit gegenüber verdünnter Salz- und Schwefelsäure, auch bei längerer Einwirkung, die bekanntlich die Nukleoproteide weitgehend hydrolytisch aufzuspalten vermögen, während das bei der Lipoidsäure nur in unter- geordnetem Maße der Fall sein kann, da ihr gramfester Bestand- teil dieser Behandlung widersteht, wie die Färbung beweist. Gegen- über den Karyoproteiden sind die Lipoproteide dadurch abgegrenzt, daß erstere durch Salzsäure zwar nicht spielend, aber dennoch hydrolytisch aufgespalten werden, letztere dagegen nicht. Salpetersäure hvdrolvsiert auch in der Kälte bei längerer Einwirkung die Karyoproteide, greift. aber die Liproprotcide fast nicht an. (Erhaltenbleiben der Grampositivi- tät.) Hier tritt die Hydrolyse erst bei Siedetemperatur ein. Auch färberisch unterscheiden sich die Karyo- von den Lipoproteiden, indem erstere sich gut mit Methylenblau färben, letztere dagegen gar nicht. Chemisch dürfte die Lipoidsäure?) den Fettsäuren am nächsten stehen, da sie auch eine gewisse Säurefestigkeit besitzt®).

In der folgenden Tabelle seien der Uebersichtlichkeit wegen das färberische Verhalten der Nukleo-, Karyo- und Lipoproteide zusammen- gestellt. Aus ihr gehen auch die chemischen Veränderungen hervor, die die Hydrolyse setzt (siehe Tabelle S. 98).

Auf den Nachweis des basischen Fiweißanteiles des Hefelipoproteids

1) 12 Std. lang im Schüttelapparat.

2) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Kongreßbericht der Fr. Ver. d. Mikrobiol. (Göttingen. Bd. 93. 1924. S. 266ff. Dort noch mit freien Lipoiden verunreinigt. Ver- besserte Technik wird noch veröffentlicht.

3) Die Aufklärung ihrer chemischen Zusammensetzung dürfte nur eine Frage der Zeit sein. Nicht unerwähnt wollen wir lassen, daß die Bezeichnung ,,Lipoidsäure nur einen Namen für den sauren Anteil des Hefelipoproteids bezeichnet, ebenso wie der Name „Nukleinsäure“ für den sauren Anteil des Ilefenukleoproteids gebraucht wird, daß also am Aufbau der Lipoidsäuren, von denen wir übrigens grampositive und gramnegative kennen, nicht unbedingt „Lipoide“ beteiligt zu sein brauchen, das Vorliegen einer Substanz aus der Fettsäurereihe sehr viel wahrscheinlicher ist.

4) Schlußwort zu meinem Vortrag v. 17. 11. 1924. Dies. Centralbl. Abt. 1. Ref. Bd. 78 (Sitzungsbericht).

Erste Abt. Orig. Bd 97. Heft 2,3. 7

98 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

` Nukleo- Lipo-

| Karyo- Der chemische Ein- | proteide | proteide | proteide griff fübrt:

1) Verhalten zu mit CHCI, +!) | = l- | | ereinigtem Methylgrün | are e Zellen) | | |

2) Verhalten bei Methylen- 4 + blaufärbung (normale Zel- len)

3) Verhalten bei Methylen- + = zur Entfernung der Nu- blaufärbung nach HCl- kleinsäure des Nukleo- Hydrolyse | proteids

4) Verhalten bei Meth ll = zur Entfernung der Nu- blaufärbung nach HNO,- kleinsäure und Karyo- Hydrolyse | ninsäure

5) Verhalten bei Fuchsin- + | + | + färbung (normale Zellen) |

6) Verhalten bei Fuchsin- + | + zur Entfernung der Nu- ie nach HCI-Hydro- | kleinsäure yse |

7) Verhalten zu Fuchsinfär- + zur Entfernung der Nu- bung nach HNO,-Hydro-, klein- und Karyonin- lyse säure

8) Verhalten zu Fuchsin bei -— -— zur Entfernung der Nu- HCl-Alkoholhydrolyse klein-, Karyonin- und

der alkohollöslichen Li- | poidsäure

Aus dem Verhalten unter 4 erkennt man, daß die mit Salpetersäure nukleinsäurefrei gemachte Hefezelle sich nicht mehr mit Methylenblau färben kann, wohl aber noch mit Fuchsin, wie aus 7) hervorgeht und auch die Fuchsinfärbung ausbleibt nach HClI-Alkoholhydrolyse (Spalte 8).

sind wir bereits an anderer Stelle eingegangen ?). Unsere weitere Auf- gabe muß nun sein, auch den chemischen Aufbau der Karyoninsäure auf- zuklären, wobei wir unsere Forschung vorerst wohl auf die Auffindung der Bausteine beschränken müssen. Hier stehen aber der weiteren

1) + bedeutet stattfindende Färbung, bedeutet Unfärbbarkeit. 2) Dermat. Woch. Bd. 79. 1924. S. 1458.

Schumacher, Nachweis d. Bakterienkerns u. seine chem. Zusammensetzung. 99

makrochemischen Erforschung vorerst (Nov. 1924) noch größere Hinder- nisse im Wege).

Im Zusammenhang mit diesen Ergebnissen halte ich es für wichtig, wenn wir anschließend einmal kurz den Aufbau des Gofokokkus und der Hefezelle betrachten. Fig. la versinnbildliche halbschema- tisch einen normalen, unvorbehandelten Gonokokkus. Wir erkennen in dem hellgrau dargestellten Teil (äußerer Halbkreis) seine saure Albu- mose in dem weißen kleineren Kreis sein Nukleoproteid und in den resistierenden schwarz gezeichneten, quer verlaufenden Strichen sein gramnegatives Lipoproteid, aus der dunkelgrau gezeichneten Lipoid- siure und dem schwarz gezeichneten basischen Eiweiß bestehend.

AbbaudesGonokokkus.

Einstellen der Präparate in verdünnte Salpetersäure (2:100) auf 12 Std., wie oben beschrieben, führt zur Entfernung der Gonokokken- albumose, des Gonoplasmas. Die Zusammensetzung des Gonokokkus nach dieser Behandlung gibt Fig. 1b wieder. Nach Aufspaltung des Gonokokkennukleoproteids mit verdünnter Salpetersäure 1:10 restiert, vom basischen Eiweiß des Kerns abgesehen, nur das gramnegative Lipoproteid desselben. Es besteht jetzt nur noch Färbbarkeit mit den als Lipoidfärbern bekannten Farbstoffen der Fuchsinreihe. Me- thylenblau und Methylengrün, auch Pyronin, versagen jetzt. Diese Ver- hältnisse gibt Fig. 1c wieder?). Entfernen wir aber jetzt auch hier die Gonokokkenlipoidsäure durch Einstellen der Präparate über Nacht in Salzsäure-Alkohol, dann ist auch die Fuchsinfärbbarkeit verschwun- den. Es bleibt die basische Grundsubstanz zurück. Die Zusammen- setzung des Gonokokkus nach dieser Behandlung gibt Fig. 1d wicder. Die Entfernung der Gonokokkenalbumose und der Gononukleinsäure ge- lingt beim unvorbehandelten Gonokokkus auch in einem Zuge, nämlich durch einfaches Aufkochen, da sich hierbei sowohl das Gonoplasma löst als auch das Gononukleoproteid hydrolvsiert wird, des weiteren, wenn man gleich von vornherein Salpetersäure 1:10 verwendet.

Im folgenden seien diese Verhältnisse nochmals tabellarisch zu- sammengestellt, wobei man etwas übersichtlicher erkennt, welche Folgen für die nachfolgende Zellfärbung die vorher vorgenommenen chemischen Eingriffe haben. (Siehe Tabelle S. 100.)

Abbau der Hefezelle.

Auch der Abbau der Hefezelle sei hier schon geschildert, wenn ich auch die ausführlichen Arbeiten über die einzelnen Abbau- prozesse aus äußeren Gründen erst später zu publizieren in der Lage bin.

1) (Anmerkung 1925): Inzwischen ist auch die makroch«mische Gewinnung des Karyonin-Lipoidsäuregemisches gelungen, wie bereits erwiduit, sowie- die Trennung beider, die auch außerhalb der Zelle dieselben chemischen und .tärberischen Eigen- schaften zeigen wie an Eiweiß gebunden .in’ der Zelle, * womit natufgemäß noch keineswegs gesagt sein soll, daß durch die Metuode der Gewinnung nicht fa einige chemische Veränderungen am Molekül »hdreifs eingetrese sind, “etwa durch Ab- spaltung des einen oder anderen Bau:teine. Hachzradig könn diese Veränderungen aber sicherlich nicht sein, sonst müßter aie cnemischen und färberischen Eigenschaften weitgehender beeinflußt sein, als ‘ds Wer‘, Fail‘ist. Wir kommen darauf bei anderer Gelegenhei* noch zurück.

2) Lediglich zur Demonstration sind hier die Lipoidsäure und das basische Eiwei etrennt nebeneinander gezeichnet, während sie naturgemäß in Wirk- lichkeit in der Zelle chemisch miteinander verbunden sind.

7*

100 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

Chemische Zusammensetzung des Gonokokkus: Nukleoproteid (Kern) Albumose ee

& Lipoproteid als unterste Schicht.

bei Methylenblau- | bei Fuchsinnach-

führt chemisch: nachfärbung zu: färbung zu:

| Î |

|

Behandlung mit verd.zur Entfernung der Verkleinerung des Totalfärbung , weil HNO,2:100(Fig.1b) Albumose ' Gonokokkus Fuchsin im Gegen- | satz zu Methylen- | | blau auch das Lipo- | | | proteid färbt

Behandlung mitHNO, zur Entfernung der Unfärbbarkeit. Totalfärbung') wie | bei 1

1:10 (Fig. lc) Albumose und der | Nukleinsäure des, Kerns | | Behandlung mit HCl beide Male wie bei HNO, | Behandlung m. 25proz.|zur Entfernung auch Unfärbbarkeit :Unfärbbarkeit |

HCI-Alkohol 24 Std. der mit Fuchsin nach Hydrolyse mit| färbbaren Lipoid- verd. Salpetersäure säure des Lipopro-i ' 1:10 (Fig. 1d) teids | |

Mit sauren Farben (Erythrosin) ist der so our Gonokokkus in voller Größe fürbbar, da auch nach dieser Behandlung das basische Eiweiß seines Kerns und seines Lipoproteids noch zugegen sind.

Ausdrücklich sei hier aber schon betont, daß der jetzt zuschildernde künstliche Abbau der Hefezelle fast eben- sobeim natürlichen Abbau der Hefezelle im Organismus erfolgt, wie inzwischen gefunden wurde Auch dort werden die Hefezellen auf fermentativem Wege zuerst nukleinsäurefrei gemacht, worauf der Kern sichtbar wird. Nach Abbau der Karyoproteide folgt zuletzt durch die Einwirkung lipoproteolytischer Fermente auch der Abbau der Lipoproteide?).

Wird normale, unvorbehandelte Hefe mit einer 3proz. wässerigen Lösung von essigsaurem Natrium behandelt, darauf gewaschen, so wird aus der Hefe dadurch die freie Nukleinsäure entfernt, da sie be- kanntlich in essigsaurem Natrium gut löslich ist. Beweis: Freie Hefe- nukleinsäure ist darauf mit den üblichen Methoden in dem essigsauren Natrium nachweisbar. Histochemisch fällt die Färbung der freien Nukleinsäure mit Methylenblau-Phosphin jetzt negativ aus. Zweite Phase des Abbaues: Durch eine in geeigneter Weise darauf vor- genommene..Alkohol- und Aetherbehandlung sind alsdann alle freien Linoide aus: dcr: Hefezelle entfernbar. Beweis: Nach Verdampfen der Auszüge bicibeh die: Fipoide als grampositiv sich färbende N-, P-, und: .-Fettsäure "enthaltende Substanzen zurück. Dritte Phase des Abbaües.:Behandlimg ler so .gewonnenen Hefe mit kalter

+” . è hs e ° o e e ° ° .

1) Infolge des Vertustes des sich sonst ebenfalls mit Fuchsin färbenden Gonoplasmas und seines Nukleinsäurever!ustes, der ebenfalls an der Zellfürbung Anteil hat, färben sich naturgemäß die so behandelten Gonokokken schlechter mit Fuchsin als normale.

2) Siehe auch Schumacher und Liese, Ueber den Abbau der Mikro- organismen in vivo. I. Mitteilung. (Ztschr. f. Hyg. u. Inf.,; im Druck.)

Schumacher, Nachweis d. Bakterienkerns u. seine chem. Zusammensetzung. 101

Salpetersäure 1:10 im Turbinenrührwerk 6 Std. Das Nukleo- proteid wird hierdurch hydrolytisch aufgespalten!) und die wasser- löslichen Nukleinsäurebruchstücke der vorher an das Eiweiß gebun- denen Hefenukleinsäure verlassen die Zelle. Beweis: In der Hydro- lvsenflüssigkeit sind die größeren Nukleinsäurebruchstücke auffindbar. Die so erhaltene Hydrolysenflüssigkeit gibt jetzt noch keine Fällung mit ammon. AgNO,-Lösung und reduziert noch nicht Fehling- sche Lösung. Nach weiterer Hydrolyse der salpetersauren Hydrolyse- flüssigkeit mit heißer Salzsäure sind alsdann auch die einfachen Bau- steine der Nukleinsäure nachweisbar, worauf ich 1922 1. c. schon hin- wies. Die Phosphorsäure ist alsdann durch Ammonmolybdat in salpeter- saurer Lösung fällbar. Die Purinbasen können durch ammon. AgNO.- Lösung gallertig flockig abgeschieden werden, die Gegenwart der Pentose wird bewiesen durch starkes Reduktionsvermögen der Hydrolysen- flüssigkeit gegenüber Fehlingscher Lösung, positiver Phlorogluzin- HCI-Probe mit Uebergang des roten Farbstoffes in Amylalkohol und der Möglichkeit der Darstellung eines Osazons. Färberisch fällt nach dieser Behandlung und Entfernung der Nukleinsäure jetzt auclı die Methvlenblaufärbung der Zelle weg. (Mit konz. HCl im Verhältnis 1:4 verdünnt, wird dieser Punkt schon nach 2 Std. im Schüttelapparat erreicht.) Dem entspricht chemisch der große Phosphorsäureverlust so veraschter und vorbehandelter Zellen. Da die Hefelipoidsäure aber noch zugegen ist, fällt die Gramfärbung noch positiv aus, ebenso die auf demselben Prinzip beruhende Viktoriablau-Pyroninfärbung?). Vierte Phase des Abbaues: Die so behandelten Zellen werden jetzt mit alkoholischer Salzsäure3) im Schüttelapparat geschüttelt. Die wasserunlösliche, aber alkohol- und ätherlôsliche Karyoninsäure®) und die grampositive Lipoidsäure befinden sich jetzt im Alkohol und sind aus diesem zu isolieren, während die Kernfärbung und die Gram- positivität der Hefezellen jetzt verschwunden ist. Die so behandelten Zellen färben sich jetzt nur noch mit. Viktoriablau, was darauf schließen läßt, daß sie noch eine saure Substanz enthalten, worauf schon früher hingewiesen wurde (Dermat. Woch. 79. 1458. Fußn. 2). Das sollte sich bestätigen. Diese saure Substanz, die Plastinsäure, ist ın den so vorbehandelten Zellen nur mit Viktoriablau färbbar, was wiederum auf die Lipoidnatur derselben hinweist. Fünfte Phase des Abbaues5): Wir hydrolysieren jetzt die nukleinsäure-, karyonin- säure- und lipoidsäurefreie Hefe, nachdem wir sie gründlich mit heißem Alkohol am RückfluBkühler ausgekocht und im Heißwassertrichter gründlichst mit heißem Alkohol nachgewaschen haben 6), alsdann 1 Std.

y Klin. Woch. 1922. 8.498. u. dieses Centralbl. Abt. I. Ref. Bd. 73. 1922. S. 337 ff. 2) Dieses Centralbl. Abt. I. Orig. Bd. 94. S. 397.

3) Auch durch Einwirkung 25proz. wässeriger HCl plus Aether im Schüttel- apparai sind die Zellen gramnegativ zu erhalten, wobei sich die Lipoidsäure als- dann in der ätherischen Lösung befindet, aus der sie, wohl noch nicht ganz rein, durch Verdampfen des Aethers als braune, fettige grampositiv sich färbende Masse zu erhalten ist.

4) Die Karyoninsäure nur, wenn mit HCl hydrolysiert wurde zur Entfernung der Nukleinsäure. Bei Verwendung von HNO, wird sie bereits bei wässeriger Hydro- lyse aufgespalten, wie schon betont.

5) V. Phase in dem hier wiedergegebenen Vortrag damals noch nicht ver- öffentlicht.

6) Das ist nötig, um ein bei den vorhergehenden Operationen (HCl-Behandlung) durch Hydrolyse freiwerdendes, vorher am Eiweiß gebunden vorliegendes Lipoid zu entfernen, das nur in heißem Alkohol löslich ist. Wir kommen darauf noch näher zurück.

102 Centralbl. t. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

Abbau der Hefe.

N achbehandlung|zurEntfernung auch _

mit heißem Al-| der letzten sauren kohol mit fol-| Substanzen des

ME: EB ap] ' %3 | alas |S | | = 32285335 | | Su |2 z 4.216 : hat färberiseh| <= = =3#2 ;5 Z| Giemsa führt: zur = le = S|82 £| Färbung Folge HE E EE A ~ AIEEE + ENP SE | DR as ben e 2m Behandlung mit zur physikali- ma +?) |+ ++ + |+/Zelle violett essigsaurem Na-- schen Entfer- bei der Me- | gefärbt trium | nung der freien EN: | Nukleinsäure hosphin- | | färbung | fehlt | | | jetzt | | Nachbehandlung zur physikali-dgl + [+++] + |+/Zelle violett mit Alkohol- schen Entfer- | | gefärbt äther nung der freien | Lipoide | Nachbehandlung zur chemischen Ent-| = IFPRI + + 'Kern violett, mit verd. HCl | fernung der an nur | | | “| Zellleib rosa Eiweiß gebun- Kern | | denen Nuklein- noch | | säure färb- | || | | bar | | | Nachbehandlung zur chemischen Ent- |+ ++ + PUEY rosa ge- mit verd. HNO, fernung der Nuk- | DR | | färbt 1:10 | lein- und Karyo- | ninsäure | Lo | | | Nachbehandlung jetzt auch zur Ent- = |—|+|—| |+[Zellen rein- mit 2Öproz. fernung der al-| | | rot gefärbt, HCI-Alkohol kohollöslichen | | | | wie Trypa- Lipoidsäure | somenkerne beispiels- weise

gender HCI-| Zellinhaltes, des

sone rent: nur in heißem |

lyse der | Alkohol lôslichen

Siedehitze Lipoids und der | Plastinsäure | |

Die zurückbleibenden Zellen sind dann nur noch mit sauren Farben färbbar, da die basischen Eiweiße der Nukleo-, Karyo-, Li und Plasteoproteide noch zu- gegen sind. Man erkennt wie bei fortschreitender ntfernung der sauren Zellinhalts- stoffe durch die hydrolytischen Prozesse die Zellfärbung mit basischen Farben in der Tabelle von links oben nach rechts unten gradatim wegfällt und die Zelle zuletzt sich nur noch mit sauren Farben färbt. Die auch Lipoide färbenden Farbstoffe (Fuchsin, Gentianaviolett) behalten dabei ihre Tinktionsfähigkeit am längsten, am allerlängsten der Lipoidfärber kat exochen : das Viktoriablau. Abe auch sie vermögen nichts mehr auszurichten, wenn die Lipoide sämtlich auf hydrolytischem Wege vorher aus der Zelle entfernt wurden.

1) Dieses Centralbl. Abt. Ong: Bd. 94. S. 397. 2) + bedeutet eintretende Zelte ung. Tre Unfärbbarkeit.

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(entralblatt für Bakterioloyie Abt. / Orig Ba .97. Schumacher, Nachweis des Bakterienkerns Ta£L

Verlag von Gustav Fischer ın Jena F weise, Lith , Jena

Schumacher, Nachweis d. Bakterienkerns u. seine chem. Zusammensetzung. 103

lang mit 25proz. HCI-Alkohol am RückfluBkühler. Die Plastinsäure wird hierdurch aus ihrer Eiweißverbindung hydrolytisch abgespalten. Beweis: Aus der dabei braun werdenden HCl-alkoholischen Hydrolysen- flüssigkeit läßt sich die Plastinsäure resp. ihr durch Hydrolyse frei gewordener Fettsäureanteil als braune Masse isolieren. Nach dieser Behandlung sind die Zellen auch bei der Viktoriablaufärbung als solche kaum mehr zu erkennen, wenn das Präparat auch noch einen ganz schwach hellblauen Ton annimmt. Zur Entfernung adsorptiv gebundenen Viktoriablaus müssen die Zellausstriche nach der Färbung 10 Min. lang in eine Küvette mit dest. Wasser gestellt werden. Entnimmt man die Hefe von !/,Std. zu 1/, Std., so sieht man, wie die Blaufärbung der Hefe gradatim abnimmt, um nach 1 Std. verschwunden zu sein. Man er- kennt aber die Zellform der Hefe noch sehr gut bei der Nachfärbung des restierenden basischen Eiweißes mit sauren Farben, beispielsweise mit Erythrosin, wobei man sieht, daß die Hefezellen teilweise ge- schrumpft sind. Gut erhalten bleiben die Zellen allerdings nur, wenn man die Hydrolyse nicht über 1 Std. ausdehnt. Nach der Hydrolyse reduziert jetzt die Flüssigkeit Fehlingsche Lösung sehr stark im Gegensatz zu ihrem Verhalten vor der Hydrolyse. Dieser einen Zucker oder Glukosamin führende Komplex !) entstammt der Zellmembran, wie noch bewiesen werden wird. Bereits nach Entfernung der Lipoid- säure läßt sich das plastinsaure Eiweiß der Hefe durch NaOH in Lösung bringen, wobei die reinen schneeweiB aussehenden Zellmembranen zu- rückbleiben. Durch Essigsäurefällung kann man die Substanz in großem wieder gewinnen. Nach hydrolytischer Entfernung der Plastinsäure hieraus durch HCl in alkoholischer Lösung erhält man dann allerdings ebenfalls zum Teil schon hydrolytisch aufgespalten das reine, basische Hefeeiweiß, das am Aufbau der Nukleo-, Karyo-, Lipo- und Plasteo- proteide beteiligt ist. (Siehe Tabelle S. 102.)

Erklärung der Tafelabbildungen °’). Tafel I.

r: > 1. Hefe, vorbehandelt 3 Std. mit 1:4 verd. HCl. Methylenblaufärbung °) inute.

Abb. 2. Ebenso vorbehandelt, Giemsafärbung.

Abb. 3. Oidium lactis, Behandlung wie bei Abb. 1. Karbolmethylenblau.

Abb. 4. Sporenhaltige Hefe über Nacht mit 1:4 verd. HCl vorbehandelt. Karbolmethylenblau heiß 1 Min., gewöhnl. wäss. Fuchsinlösung 2 Min.

Abb. Micrococcus candicans, unvorbehandelt. Methylenblaufärbung.

Abb. 6. Ebenso, aber 3stünd. Vorbehandlung mit 1:4 verd. HCl.

Abb. 7. Micrococcus candicans, 3—&stünd. Vorbehandlung mit 1:4 verd. HCI. Fuchsinfärbung (die bereits lipoidhaltigen Zellen besonders intensiv und in normaler Größe Be in den anderen Zellen nur die Kerne tingiert).

Abb. 8. Gonorrhoeeiter. 5proz. Essigsäure 2 Min., Iproz. ammon. Albargin- lösung Pa Std., 3proz. Pyrogallolleitungswasser 15—30 Sck. fa: = ; a A Gentianaviolett-Phosphinfärbunńg (Derm. Woch. Bd. 65.

= Abb. 10. Hefe. Karboltoluidinblau 2 Min., Differenzierung in U nnas Glyzerin- äther bis Präparat makroskopisch kornblumenblau. Ueberall Vergrößerung 1:555.

1) Die Reaktionen auf Pentosen ergeben ein negatives Resultat.

À Gezeichnet von C. Schumacher.

. 3) Soweit nicht anders angegeben, wurde stets hitzefrei und mit 1proz. wässerigen Farblösungen gefärbt. Zwischen jeder Prozedur wurde mit dest. Wasser abgespült. (Sämtliche Präparate wurden in dem angegebenen Vortrag demonstriert, mit Ausnahme von Abb. 10.)

104 Centralbl. t. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

Tafel II.

1. Mikrophotogramm Vergr. 1:555 von Abb. 9. Tf. 2. Mikrophotogramm Vergr. 1:555 von Abb. 8. Tf. Abb. 3. Mikrophotograınm Vergr. 1:3000 von Abb. 9. Tf. 4. Mikrophotogramm Vergr. 1:3000 von Abb. 8. Tf. 5 1:1000 von Abb. 1. Tf. 1:1000 von Abb. 3. Tf. 1: 1000 einer jungen mit 1:4 verd. Salzsäure

wur...

. Mikrophotogramm Vergr. Abb. 6. Mikrophotogramm Vergr. Abb. 7. Mikrophotogramm Vergr.

vorbehandelten Oidiumkultur.

Abb. 8. Mikrophotogramm Vergr. 1:1000 von Abb. 7. Tf. I.

Nachdruck verboten.

Zur Kenntnis der „azidophilen“ Bakterien.

[Aus dem Hygienisch-bakteriologischen Institut der Universität Er- langen (Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. L. Heim). ]

Von Dr. med. Karl Schlirf, Assistenten am Institut. Mit 1 Tafel.

Als „azidophile‘‘ Bakterien hat man grampositive, nicht sporen- bildende, unbewcgliche Stäbchen bezeichnet, die Säure bilden und Säure bis zu einem gewissen Grade ertragen können. Als erster hat Moro im Jahre 1900 derartige Keime im Säuglingsstuhl festgestellt. Neben dem Bac. acidophilus fand Tissier im Säuglingskot einen ähn- lichen, aber doch verschiedenen Organismus: den Bacillus bifidus. den Rodella mit dem Bac. acidophilus und dem von Boas- Oppler beschriebenen Stäbchen als gleich erklärte.

Schon 1892 hatte Döderlein im sauren Scheidensekret gesunder Schwangerer Stäbchen gefunden, die sich beim späteren Vergleich den von Moro beschriebenen als ähnlich, aber als dicker und länger er- wiesen. Er nannte sie nach ihrem Fundorte Scheidenbazillen. Sie wurden dann später von Kruse mit dem Namen Bac. vaginalis belegt, während Lipschütz die Bezeichnung Bac. crassus dafür forderte. Maunu af Heurlin hat sechs verschiedene Arten der Vaginalbazillen aufgestellt, worunter nach Naujoks der als Bac. vaginalis lon- gus bezeichnete Keim als gleich mit dem Döderleinschen Scheiden- bazillus, und der Bac. vaginalis minor als gleich mit dem 'Bac. acıdophilus Moro anzuschen ist. Weiterhin stellte Naujoks die Gleichheit der grampositiven Stäbchenflora des Säuglingsdarmes mit der der Scheide fest. Er fand, daß der Bac. acidophilus in °/, aller Fälle im Scheidensekret der Schwangeren nachzuweisen ist, und daß er nach der Geburt frühestens am 4., spätestens am 7. Tage jim Rektum des Säuglings, im Munde nie vor dem 7. Tage erscheint.

Die „azidophilen” Bakterien kommen im ganzen Verdauungskanal vor und spielen hier wegen ihrer Säurcbildung eine Rolle. Auch die langen Milchsäurestäbchen Bact. gastrophilum Lehmann und Neumann die sich besonders bei Stauungszuständen gehäuft im Magen ae können zur Gruppe der hier in Rede stehenden Keime gerechnet werden

Centralblatt für Bakteriologie Abt. I. Orig. Bd. 97. Schumacher, Nachweis des Bakterienkerns, Taf. II.

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Fischer in Jena.

Verlag von Gustav

Schlirf, Zur Kenntnis der „azidophilen“ Bakterien. 105

Bei der Untersuchung von 20 kariösen Zähnen fand Goadby ein stark säurebildendes grampositives Stäbchen, das er auf Vorschlag von Perry Bac. necrodentalis nannte (1900). 11 Jahre später züchtete es Kantorowicz neben zwei anderen ähnlichen ebenfalls aus den tiefen Schichten kariösen Dentins und forderte weitere Untersuchungen, um ihr Verhältnis zu den im Säuglingsstuhl vorkommenden aufzuklären. In neuerer Zeit sahen immer mehr Untersucher die von ihnen bei Karies gefundenen Stäbchen als entsprechend dem Bac. acidophilus Moro an, so Kligler, Howe und Hatch, James Mc. Intosh und La- zarus Barlow, Rodriguez sowie Sierakowsky und .Zajdel. Die letzteren nannten die ihrigen Bac. acidophilus odontolyti- cus I und II, Rodriguez die seinen Lactobacillus odonto- lyticus I, II und III. Hilgers endlich stellte den Bac. necro- dentalis als gleich dem Bac. acidophilus mit dem Bac. vagi- nalis in eine Gruppe, für die Jötten den Sammelnamen Bac. lacti- cus Kruse vorgeschlagen hatte.

Zu den „azidophilen‘“ Bakterien gehörige Keime finden sich nach Kuntze, Löhnis, Weigmann u. a. auch in der Milch, vor allem bei den orientalischen Sauermilcharten (Kefir, Yoghurt, Mazun, Leben), in der Maische, im Bier, in Rübenschnitzeln usw., ferner sollen sie bei der Käsebereitung von großer Bedeutung sein. Es wurden mit Namen belegt und näher beschrieben: Bac. bulgaricus und der Körnchen- bazillus Luerssen und Kühn in der Yoghurtmilch, Bact. Mazun (Düggeli) Huss im Mazun, Bact. sardous Grixoni in dem ägvp- tischen Lebenraib, Bac. caucasicus Beijerinck im Kefir, Bac. lactis acidi Leichmann, und Bac. acidificans longissimus Lafar in der Milch, Bact. casei s Freudenreich im Käse, Bac. Del- brücki Leichmann in der Brennereimaische. Inwieweit die Sonder- stellung der zahlreichen, zuletzt genannten Formen sich aufrechterhalten läßt, kann mit Bestimmtheit nicht festgestellt werden. Manche unter ihnen scheinen nach den Angaben von Kuntze, Wolff, Hohen- adel, Rodella u. a. einander gleich zu sein.

Diese einleitenden Angaben zeigen bereits, wie wenig einheitlich die Feststellungen der verschiedenen Autoren über ein und dasselbe Gebiet sind, und welche Verwirrung durch die große Zahl verschiedener u für ähnliche oder gleiche Bakterienbefunde geschaffen werden

ann.

Eigene Untersuchungen.

Wachstumsbedingungen. Die von uns über sog. „azidophile“ Stäbchen erhobenen Befunde nahmen ihren Ausgang von Kariesunter- suchungen 1), erstreckten sich aber späterhin auch auf andere Fund- orte, wie die Mundhöhle, Entzündungen der Pulpa, den Stuhl von Säug- lingen, die Scheide von Schwangeren und den in der Yoghurtmilch vor- kommenden Bac. bulgaricus.

Die Herauszüchtung aus den Keimgemischen geschah gewöhnlich durch Einimpfung in Leber-Leberbrühe mit 1 Proz. Traubenzucker ohne Paraffinüberschichtung und gleichzeitig durch Aussaat auf Trauben- zuckeragar, dem wir öfters noch Lackmustinktur zusetzten. Die üb-

1) Ueber das Vorgehen bei diesen Untersuchungen und die neben diesen Stäbchen gefundenen anderen Keime soll an anderer Stelle in einer Arbeit „Ueber das Wesen und Wirken der bei der Zahnkaries tätigen Kleinwesen‘ näher berichtet werden.

106 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

liche, schwach alkalische Reaktion der Nährmittel, die zu 60 Proz. zum Phenolphthaleinpunkt alkalisiert sind (etwa Pu 7,6—7,8), ist nach unseren Erfahrungen, im Gegensatz zu den von anderen Autoren ge- machten Angaben, auch für diese Untersuchungen gut anwendbar. Die Züchtung auf anderen Nährmitteln, insbesondere angesäuerten, hat sich als nicht notwendig erwiesen. Wir haben diese Erfahrung dann auch durch Versuche über die Wachstumsbreite und das Wachstumsoptimum dieser Keime bestätigt gefunden.

Es wurden zu diesem Zwecke je 10 ccm Fleischnährbrühe mit 1 Proz. Trauben- zuckerzusatz verwendet, die bis zum Phenolphtaleinpunkt alkalisiert war. Ueber den Phenolphthaleinpunkt wurde je 0,5 und 1,0 ccm n/10 Lauge gegeben. Ferner zu anderen Proben je 0,5—0,8—1,4 ccm n/10 Säure und 0.2—0,3—0,7 ccm Normal- säure. Die so vorbereiteten Röhrchen wurden mit „azidophilen“ Keimen, die wir aus Karies gewonnen hatten, geimpft und bebrütet. In den beiden über den Phenol- phthaleinpunkt alkalisierten Röhrchen war das Wachstum mangelhaft, doch noch vorhanden. Das beste Wachstum sahen wir ungefähr in der Mitte zwischen dem Phenolphthaleinpunkt und dem Lackmuspunkt, also etwa bei PH 7,7, was der ge- wöhnlichen Reaktion unserer Nährböden entspricht. Bei einem Zusatz von 0,2 ccm Normalsäure auf 10 cem Brühe nahm die Stärke des Wachstums mehr und mehr ab und war bei einem Zusatz von 0,7 cem Normalsäure ganz kümmerlich, doch fanden sich in den betreffenden Röhrchen die lebenden Keime noch nach 5 Tagen.

Zu den gleichen Ergebnissen gelangte auch Rother am hiesigen Institut bei seinen Untersuchungen über den Döderleinschen Scheidenbazillus und Basten in seiner Arbeit über die Bakterienflora des Säuglingsstuhles. Letzterer berichtet : „die zur Züchtung verwendete essigsaure Traubenzuckerbrühe ist nur ein elektiver, aber kein idealer Nührloden für den Bac. acidophilus. Während die übrigen Bakterien durch den Säurezusatz nach 72 Std. abgetötet wurden, ist der Acidophilus resistenter gegen Säure, aber keineswegs gauz unempfi.dlich”. Aehnlich lauten die Berichte von Kühl, Rodella u. a.

Anreicherungsverfahren. In der Leber-Leberbrühe mit 1 Proz. Traubenzuckerzusatz (s. Lehrbuch Heim), in der die meisten Keime besser wachsen als in den sonst üblichen Nährbrühen, und die außerdem auch, wie Würcker am hiesigen Institute ermittelte, gute anaörobe Bedingungen gewährt, haben wir ein ausgezeichnetes Verfahren zur Anreicherung der hier in Frage stehenden Stäbchen kennen ge- lernt. Wir fanden nämlich, daß sie darin nicht nur sehr gut wuchsen und in ihr die höchsten Säurewerte gaben, sondern daß sie in ihr auch trotz der gebildeten hohen Säurewerte länger am Leben blieben als die übrigen Begleitkeime. Es ergab sich ferner im Laufe der Unter- suchungen, daß diese Stäbchen, wenn wir sie aus der Originalaussaat auf Zuckeragar nicht zu isolieren vermochten, in der mehrere Tage bebrüteten Leber-Leberbrühe angegangen waren. Das zeigte sich be- sonders deutlich bei Stühlen von vier normalen, 8—14 Tage alten Brust- kindern. © Wir verwendeten bei letzteren anfangs nach der Vorschrift von Heymann essigsaure Zuckerbrühe, daneben auch unsere gewöhnliche leicht alkalische 1proz. Traubenzucker-Leber-Leberbrühe und solche, der stufenweise Essigsäure bis zu 1 Proz. zugesetzt war. Es ergab sich, daß es zwar mit Hilfe der nach Heymann an- gesänerten Zuckerbrühe gelingt, die grampositiven Stäbchen herauszuzüchten, daß aber in der schwach alkalischen L.-L.-Brühe nach 4-6tägiger Bebrütung die grainpositiven Stäbchen noch viel reichlicher und sicherer angingen. Nebenbei konnte auch das Kommen und Gehen der unter gewöhnlichen Bedingungen züchtbaren Stuhlkeime beobachtet werden. So waren nach 24stünd. Bebrütung der L.-L.-Brühe auf der Plattenaussaat aus ihr wie auf der Originalaussaat trotz der im gefärbten Stuhlausstrich vorherrschenden grampositiven Stäbchen nur Coli- Bakterien vor- handen. Nach 48 Std. traten neben ihnen noch Streptokokken und Mikrokokken auf. Am 4. Tage zeigten sich auf der aus der Brühe angelegten Agarplatte bereits einige Kolonien Ba Stäbchen, die bei noch längerer Bebrütung der L.-L.-Brühe immer mehr die Oberhand gewannen.

Schlirf, Zur Kenntnis der „azidophilen“ Bakterien. 107

Die gleichen Erfahrungen machten wir bei Aussaaten aus Karies, Pulpitis, Mundschleim und der Yoghurtmilch. Bei letzterer ist allerdings die Verwendung von Milchzucker als Zusatz zur Leber-Leberbrühe zu empfehlen.

Gewinnung und Prüfung der Reinzuchten. Von den mit dem Ausgangsstoff unmittelbar oder nach der Anreicherung in Leber-Leberbrühe angelegten Agarplatten wurden einzelstehende, auf „azidophile“ Keime verdächtige Ansiedlungen unter dem Mikroskop bei schwacher Vergrößerung abgeimpft und meist auf Scktoren von Agarplatten ausgestrichen. Nach 48stünd. Bebrütung bei 370 wurden nach einer nochmaligen eingehenden mikroskopischen Durchmusterung verschieden aussehende Ansiedelungen wiederum einzeln unter Führung des Mikroskopes abgeimpft und fortgezüchtet. Auf diese Weise war es uns meist möglich, schon jetzt zu sicheren. Reinkulturen zu gelangen. Die erhaltenen Stämme wurden dann weiter verfolgt, in vielen Fällen photographiert und an Seidenfäden im Exsikkator aufbewahrt.

Zur sicheren Gewinnung von Reinkulturen ist es unbedingt erforderlich, die Plattenaussaaten unter dem Mikroskop zu untersuchen und zwar mit einem schwachen Svetem von nicht zu geringer Brennweite, das die Ansiedelungen noch plastisch genug erscheinen läßt und gestattet, mit der Platinnadel unter Führung des Mikro- skopes bequem abimpfen zu können. Dies ermöglicht eine Linse mit Gfacher Eigen- vergrößerung wie Leitz 2 oder das ihm entsprechende Objektiv Zeiß aa 6. ZeiB A8 und vollends Zeiß AA10 oder das ihm entsprechende System Leitz 3 (mit 10facher Eigenvergrößerung) haben schon einen zu geringen Fokalabstand und liefern Bilder von für unsere Zwecke zu flächenhafter Zeichnung.

Für bakteriologische Untersuchungen wie die vorliegenden ist ferner die Be- herrschung der mikrophotographische n Technik unerläßlich, denn nur dadurch gelingt es, die verschiedenen Typen festzuhalten, um sie auch späterhin vergleichen zu können. Wir haben allmählich über 70 Aufnahmen der einschlägigen Ansiede- lungen, von denen einige in der nachstehenden Tafel enthalten sind, gewonnen. Man glaube nicht, daß dazu eine große mikrophotographische Einrichtung, wie sie uns zur Verfügung stand, unbedingt erforderlich ist. Es genügt eine gewühuliche photographische Kamera mit nieht zu kurzem Balg, die an das aufrechtstehende oder umgelegte Mikroskop lichtdicht angeschlossen wird. Nur muß man bei den üblichen Kamer alängen ein geeignetes Okular verwenden, unter Umständen das Leitz periplanatische 12x.

Die zahlreichen Stämme, die wir uns auf diese Weise gezüchtet hatten, wurden nun in ihrem Ausschen und züchterischen Verhalten eingehend geprüft.

Allgemeine Merkmale. Die hier in Frage stehenden Stäbchen bilden keine Sporen und zeigen zwar geringe Molekular-, aber keine Eigenbewegung. Geißeln besitzen sie nicht. Sie sind alle nach Gram färbbar. Ihre Ansiedelungen auf Agarplatten erinnern an die mancher Streptokokken und lassen sich vor allem in Ausstrichen aus Mund- schleim oder kariösem Zahnbein nicht leicht von ihnen unterscheiden. Die Stäbchen haben kein Hämolysierungsvermögen und bilden kein Indol. Sie wachsen nach unseren Beobachtungen aërob etwas besser als an- aërob. Traubenzuckerhaltige Brühe wird anfangs trüb, am Boden bildet sich gewöhnlich ein dicker Satz und an der Wand ein Belag von gröberen und feineren Stippchen. In den folgenden Tagen klärt sich die Brühe, wenn auch nicht vollkommen. Am besten gedeihen sie in Leber-Leberbrühe mit 1 Proz. Traubenzucker, schlecht oder überhaupt. nicht in zuckerfreier Brühe. Das wichtigste gemeinsame züchterische Merkmal ist die erhebliche Säurebildung in zuckerhaltigen Nährmitteln.

Für die Trennung und Festlegung der einzelnen Arten war für uns die verschiedene Größe, die Form der Ansiedelungen auf Agar,

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das Wachstum auf Gelatine, das Verhalten in der Lackmusmilch, der Grad der Säurebildung und die fehlende oder vorhandene Gasbildung in zuckerhaltigen Nährmitteln maßgebend.

Fundorte. Wir untersuchten zunächst 25 Proben aus kariösem Dentin und fanden hier 20mal derartige Stäbchen, die 10mal nahezu in Reinkultur vorhanden waren. Der weitaus größere Teil glich dem von Goadby als Bac. necrodentalis bezeichneten Keim. Daneben fanden sich aber auch andere ähnliche Stäbchen, die vorläufig mit dem Buchstaben K (Karies) a—e bezeichnet wurden [Heim (3)]. Den Bac. necrodentalis Goadby züchteten wir in 14 Fällen, darunter war er mal allein vorhanden; mit oder ohne ihn fand sich Stäbchen Ka in 8 Fällen, davon 3mal in der Ueberzahl, Kb in 2, Kc in 1, Kd in 2. Ke in 3 Fällen von Dentinkaries. Aus zwei schlechten Mundhöhlen, die reichlich Karies und mehrere schmierige Wurzelstümpfe aufwiesen in dem einen Falle handelte es sich um eine typische, sehr ausgedehnte Bäckerkaries wurde Stäbchen Ka gezüchtet, das wir ebenfalls wıeder- holt in einer zahnlosen Mundhöhle vorfanden, während in drei Mund- höhlen mit guten Zähnen grampositive Stäbchen nicht gefunden wurden. Ein von Herrn M. Knorr aus Zungenbelag gezüchtetes Stäbchen erwies sich nach unseren Untersuchungen als identisch mit dem von Goadby als Bac. necrodentalis bezeichneten Keime. Ferner wurde vor Jahren bereits am hiesigen Institut (Heim, Lehrbuch, S. 476) im Zungenbelag ein Kettenstäbchen gefunden, das damals für ähnlich dem Stamm II von Kantorowicz angesprochen wurde. Nach unseren Befunden ist Stamm I Kantorowicz gleich dem Bac. necrodentalis Goadby, Stamm II unserem mit Ka, und Stamm III dem mit Ke be- zeichneten Stäbchen ähnlich.

Weiterhin fanden wir bei der Untersuchung der Stühle von vier Brustmilchkindern im Alter von 8—14 Tagen 2mal Stäbchen, die mit dem Bac. necrodentalis, je einmal welche, die mit Kc und ke gleich erschienen. Der Oberarzt der hiesigen Untersuchungsanstalt, Herr Privatdozent Dr. M. Knorr, gab uns in dankenswerter Weise drei aus Stühlen Erwachsener gezüchtete Stämme, von denen der eine dem Kc, die beiden anderen dem Bac. necrodentalis glichen. Die Unter- suchung von drei Stämmen des Döderleinschen Scheidenbazillus, von denen wir zwei aus der Frauenklinik Herrn Dr. Rother ver- danken, erwicsen sich als gleich mit Ke. Ebenfalls drei aus Pulpitis isolierte Stämmel). In einem mit Katheter entnommenen Urin eines Mädchens mit Zystitis war Stäbchen Ke in Reinkultur vorhanden.

Ucber einen ähnlichen Befund berichtete Rudinger, der jedoch damals seine im Urin gefundenen Keime als die von Boas und Oppler zuerst beschriebenen langen Milchsäurcbazillen ansprach. Derartige Befunde sind deswegen von Belang,

weil sie darauf hindeuten, daß Zystitiden auch durch „azidophile“ Keime hervor- gerufen werden können.

Die aus Yoghurtmilch gezüchteten Stäbchen erinnerten hinsichtlich ihrer Größe und der Form ihrer Ansiedelungen auf Agar ebenfalls

1) In der Arbeit von Heim?) wird Stäbehen Ke und der Döderleinsche Scheidenbazillus noch getrennt aufgeführt, da der damals von uns untersuchte Stamm des Scheidenbazillus eine geringgradige Gasbildung zeigte. Die weiteren Unter- suchungen und ausgedehntere Erfahrungen führten zur Ansicht, daß das Stäbchen Ke mit dem Döderleinschen Scheidenbazillus gleichzusetzen ist. Es hat sich auch die Sonderstellung des bei Heim?) als Stäbchen aus Pulpitis aufgeführten Keimes nicht mehr aufrecht erhalten lassen. Durch die weiteren Ausführungen und die bei- gegebenen Lichtbilder wird das noch näher erläutert.

Schlirf, Zur Kenntnis der „azidophilen‘“ Bakterien. ` 109

an das Stäbchen Ke bzw. den Scheidenbazillus, veränderten die Lackmus- milch aber in ganz anderer Weise.

Kritische Vergleichung unserer Ergebnisse mit denen anderer Forscher. |

Durch unsere Untersuchungen stellte sich zunächst heraus, daB sich die in der Karies vorkommenden Stäbchen auch anderwärts finden, und daß mit dem Bac. necrodentalis Goadby allein die Flora der gram- positiven Stäbchen bei der Zahnkarics ebensowenig erschöpft ist, wie die des Säuglingsdarmes mit dem Bac. acıdophilus Moro. Die Uebereinstimmung des Bac. necrodentalis Goadby mit dem von Moro unter seinen säureliebenden Bazillen des Säuglingsdarmes als Bac. acidophilus zuerst beschriebenen Keime wurde von uns be- stätigt. In ähnlicher Weise wie Maunu af Heurlin in der Scheide haben wir in der Karies sechs verschiedene Arten der hier in Frage stehenden Stäbchen festgestellt. Die gleichen fanden wir im Darm, in der Vagina usw., und konnten dadurch ihre Zusammengehörigkeit nach- weisen. Die bei manchen Sauermilcharten und bei der Käscbereitung verwendeten Keime gehören jedenfalls auch in diese Gruppe, wenn- gleich sie sich in ihrem züchterischen Verhalten von den eben be- schriebenen abgrenzen lassen, worauf die Berichte von Löhnis, Weig- mann und Kuntze hinweisen.

Widersprüche in den Ergebnissen. Die bisherigen Unter- sucher haben unseres Erachtens nur Teilarbeit geleistet. Die meisten beschränkten sich auf einen Fundort; einige haben zwar auch an mehreren Orten, z. B. in der Scheide oder in karıösen Zähnen und im Darm nach solchen Keimen gesucht und sie untereinander verglichen, die cinzelnen Arten aber nicht einwandfrei getrennt. Unterschiede in der Untersuchungsweise und im bakteriologischen Können haben zu oft schr widersprechenden Ergebnissen geführt. So berichtet Kuntze, daB die einen angeben, der Bac. acidophilus Moro wachse auf Gelatine, während andere ihm das Gelatinewachstum absprechen. Jötten beschreibt bei der Vergleichung des Vaginalbazillus Dôder- leıns mit dem Bac. acidophilus des Säuglingsdarmes hinsichtlich des Verhaltens in Milchröhrchen, daß nad Schweitzer die Milch sowohl vom Bac. vaginalis wie vom Bac. acidophilus zur Ge- rinnung gebracht werde, vom Bac. acidophilus langsamer als vom >3ac. vaginalis. Jötten konnte sich dagegen in zahlreichen Ver- suchen überzeugen, daß das mit Bestimmtheit für beide Arten nicht ausgesprochen werden kann. Er sah nach 20tägiger Bebrütung unter 52 verschiedenen Vaginalstämmen bei 18, und unter 24 Acidophili bei 8 eine Gerinnung der Milch nicht eintreten.

Die Verwirrung, die hinsichtlich der Gruppenzugehörigkeit der azidophilen Keime herrscht, ist besonders groß. So hält z. B. Sper- ling, gestützt auf die Untersuchungen von Hilgers und Seitz, seine bei Karies gefundenen ‘Stäbchen für eine Stäbchenvariante des Streptococcus lacticus Kruse. Ganz abgesehen davon, daß der Streptococcus lactis nach unseren Befunden in der Karies für gewöhnlich nicht vorkommt, liegt hier ein grober Fehler vor, indem kokkoide Formen dieser Stäbchen offenbar mit Streptokokken ver- wechselt und die neben den Stäbchen aus Karies gezüchteten Strepto- kokken nicht genügend von ihnen getrennt wurden.

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Wir fanden bei dem bisher als Bac. necrodentalis bezeichneten Keine vor allem in zuckerfreier Brühe oft Ketten von so kurzen Stäbchen, daß ein un- befangener Beobachter hätte glauben können, Streptokokken vor sich zu haben (Abb. 9). Wenn man aber wegen solcher Erscheinungen, die jedem Bakteriologen bekannt sind, von einer Umwandlung von Stäbchen in Kokken sprechen will, so ist das gänzlich verfehlt, denn bei der Ueberimpfung in ein gut zusagendes Nährmittei tritt die Stäbchennatur wieder klar zutage.

Den Höhepunkt in der Schaffung von Durcheinander erreicht No- guchi, wenn er vom Bac. bifidus, den er in die Gruppe der hier in Rede stehenden Keime stellt, sagt, er sei bloß die halb anaërobe Stufe von einem sporenbildenden Aörobier, der zur heubazillenähnlichen Gruppe gehört und vielleicht in Verbindung gebracht werden müsse mit dem Bac. mesentericus fuscus. Diese letztere Behauptung wird auch von Howe und Hatch wiedergegeben. Es ist diesen Untersuchern gar nicht zum Bewußtsein gekommen, daß sich in ihre Kulturen offen- bar Sporenbildner eingeschlichen hatten, worauf die von ihnen bei- gegebener Lichtbilder einwandfrei hindeuten. Die „azidophilen“ Keime mit der Heu- bzw. Kartoffelbazillengruppe in Zusammenhang zu bringen, ist unbedingt abzulehnen. Diese sporenbildenden Erdkeime, die bei Unachtsamkeit infolge der hohen Widerstandsfähigkeit ihrer Sporen die Nährböden verunreinigen können, haben mit unseren Stäbchen nichts gemein als höchstens das, daß ältere Ansiedelungen gewisser Arten „azidophiler“ Stäbchen mit ganz jungen, eben aussprossenden Wuche- rungen der Heu- und Kartoffelbazillen auf der Agarplatte bei schwacher Vergrößerung in der Zeichnung eine gewisse Aehnlichkeit bieten (vgl. die Abbildungen). Bei einem aus Pulpitis gezüchteten Stamme des Stäbchens Ke haben wir auf Blutglyzerolatagar Ansiedelungen gefunden, die sogar jungen Milzbrandkolonien ähnelten, was übrigens auch Kan- torowicz von seinem aus Karies gezüchteten Stamm III berichtet und auch von anderen angegeben wird.

Zu falschen Auffassungen und Verwechslungen hat auch die „Körnchenfärbung‘ und die Lagerung der Stäbchen untereinander Anlaß gcgeben. So finden sich oft beim Bacillus bulgaricus Körnchen, die wie die der Diphthericbazillen ausschen; sie färben sich aber nach Kuntzes und unseren Beobachtungen nicht nach Neißer. Gelegent- lich haben wir sie auch bei den anderen der hier zu beschreibenden Arten gesehen. In einem Falle zeigte der mit Loefflerblau gefärbte Aus- strich einer älteren Agarkultur des sog. Bacıllus necrodentalis Körnchen, die dadurch an Diphtheriebazillen erinnerten. Auch die schlanke Gestalt und die Lagerung der Stäbchen untereinander kann in Klatschpräparaten etwas an Diphtherie- und Xerosebazillen erinnern. Es war verfehlt, wegen dieser im ganzen nicht sehr deutlich aus- geprägten Erscheinungen eine Verwandtschaft oder sogar eine Gruppen- zugehöriskeit zu den Diphtherie- bzw. Xerosebazillen anzunehmen.

Manche Untersucher sprechen auch von einem aktinomyces- artigem Wachstum. Wir haben Verzweigungen bei den zahlreichen von uns untersuchten Stämmen nie gesehen.

Unklarheiten in der Benennung. Wolff, Hohenadel und andere wollen die ursprüngliche Bezeichnung Bac. acidophilus deshalb nicht anerkennen, weil diese Bakterien nicht azidophil, sondern azidotolerant seien. Lehmann und Neumann sind der Ansicht, daß die Stellung dieser Stäbchen trotz mancher schönen Arbeit noch nicht ganz klar sei und behielten sie deshalb als Gruppe der „langen Milch- säurcebakterien“ vorläufig noch bei den Milchsäurebakterien. Dieser

Schlirf, Zur Kenntnis der „azidophilen‘“ Bakterien. 111

Name paßt jedoch nicht für alle hier einschlägigen Kleinwesen, da auch kürzere und dünnere Formen innerhalb der Gruppe vorkommen. Der von Hohenadel geforderte Sammelname Bacillus lactis com- munis ist von keinem der nachfolgenden Autoren angenommen worden. In der neuesten Zeit fordern Jötten und Hilgers, wie eingangs erwähnt, den Sammelnamen Bacillus lacticus Kruse. Aber nach Heim (5) ist das, was Kruse seinerzeit als Bacillus lacticus in der 3. Auflage von Flügges „Mikroorganismen“ (1896, S. 356) auf- führte, der von Günther und Thierfelder aus saurer Milch ge- züchtete, von Kruse selbst als Streptococcus erkannte Erreger der Milchsäuregärung.

Es muß ferner auch die im Endbericht des Komitees der ameri- kanischen Bakteriologen zur Charakterisierung und Klassifizierung der Bakterientypen hierfür eingeführte „Nova Tribus Lactobacilleae“ als nicht entsprechend angesehen werden, weil der größere Teil der in diese Gruppe gehörenden Stäbchen die Milch nicht zur Gerinnung bringt und nicht vorherrschend Milchsäure aus Kohlehydraten bildet.

Bezeichnungen, wie Bac. necrodentalis, Bac. vaginalis usw. können ebenfalls nicht aufrechterhalten werden, weil sie nur einzelne bestimmte Fundorte berücksichtigen, während doch mehrere verschiedene vorhanden sind. Noch unzweckmäßiger sind Namen wie Bac. acido- philus odontolyticus I und II, da das Beiwort weggelassen werden kann, wenn Gleichheit mit dem Bac. acidophilus festgestellt ist; außerdem wird dabei gegen den Grundsatz der Zweinamengebung ver- stoßen.

Die zahlreichen Benennungen, die früher namentlich in der Milch- und Gärungsbakteriologie für wahrscheinlich hierher gehörige Keime ge- geben wurden, können ebensowenig aufrechterhalten werden, wie die eben erwähnten Sonderbezeichnungen. Sie sind auf oft recht unklare Unter- suchungsbefunde zurückzuführen, so daß sich schwer erkennen läßt, was die einzelnen Untersucher in Wirklichkeit vor sich gehabt haben.

Gruppeneinteilung und Beschreibung der einzelnen Arten.

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß wir in der bakterio- logischen Namengebung eine wissenschaftlich begründete Festlegung unserer Stäbchen durch einen allseitig anerkannten Sammelbegriff bis heute noch nicht besitzen. Um diesen zahlreichen und verwirrenden Be- nennungen ein Ende zu bereiten, schlägt Heim vor, für alle hier in Rede stehenden Kleinwesen den Gruppennamen „Acidobacterium“ zu wählen, ähnlich wie Lehmann und Neumann den Namen Co- rynebacterium oder Mycobacterium aufgestellt haben. Dadurch wird die hervorstechendste Eigenschaft dieser Keime ausgedrückt, denn sie sind anerkanntermaßen im wahrsten Sinne des Wortes Säurebakterien, die sich vor allem durch die Bildung von Säure und die Lebensfähig- keit in den von ihnen gesäuerten Nährmitteln auszeichnen.

In dieser Gruppe sind dann die einzelnen Arten mit passenden Beinamen zu unterscheiden. Durch die von uns angewendeten Unter- suchungsmethoden, in denen wir jeden einzelnen reingezüchteten Stamm zunächst für sich allein untersuchten, um zu ermitteln, inwieweit die zahlreichen Stämme miteinander übereinstimmten oder nicht, war die Feststellung und Vergleichung der an verschiedenen Stellen gefundenen Arten besser und sicherer möglich als bisher.

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Die erste unter ihnen, die wir bei Karies, im Zungenbelag und im Darm feststellen konnten, zeichnet sich, wie Heim (3) nachgewiesen hat, vor allem durch ein dem Streptococcus lactis ähnliches Ver- halten in der Lackmusmilch aus. Er schlägt daher den Namen „Acido- bacterium lactis“ vor. Es ist jedenfalls gleich mit dem Bac. necrodentalis Goadby.

Ein zweites, morphologisch dem ersteren nahestehendes Stäbchen, das in den Verölfentlichungen von Heim mit dem Buchstaben Ka belegt wurde, benenne ich ,,Acidobacterium aërogenes". Es unter- scheidet sich vom Acb. lactis besonders durch sein Gasbildungs- vermögen, eine Eigenschaft, die bei diesen Bakterien bisher kaum be- achtet wurde. Es ist wahrscheinlich gleich mit dem von Kantorowicz bei der Karies beschricbenen Stamm II und wurde von uns nicht nur in der Karies, sondern auch in der Mundhöhle und im Darm gefunden.

Eine andere, ebenfalls hierher gehörige Art, die wir zuerst im Stuhl fanden, und die charakteristische Ansiedelungen auf Gelatine bildet, die denen des Acidobacterium lactis ähneln, aber keine Ausläufer zeigen, benenne ich „Acıdobacterium Moroi“, zu Ehren von Moro, der als erster die Gruppe dieser grampositiven Stäbchen erkannt hat. Es wurde von uns bisher als Stäbchen Kc geführt.

Der Scheidenbazillus Döderleins, den Lipschütz Bac. cras- sus und Maunu af Heurlin Bac. vaginalis longus genannt hat, soll nach Heim ‚„Acidobacterium Doederleinii‘ heißen. Von uns wurde das entsprechende, bei Karies gefundene Stäbchen bis- her mit dem Buchstaben Ke bezeichnet.

Für das zuerst von Luerssen und Kühn aus der Yoghurtmilch gezüchtete Stäbchen schlage ich die Bezeichnung „Acidobacterium bulgaricum‘ vor. Neben den Diplostreptokokken ist es wohl der hauptsächlichste Erreger der bulgarischen und nach Kuntze auch der übrigen orientalischen Sauermilcharten. so daß die bisher unter ver- schiedenen Namen beschriebenen Stäbchen wahrscheinlich mit der hier festgelegten Art identisch sind.

Weitere Arten, die sich nach den hier angegebenen Richtlinien künftig noch abgrenzen lassen, wird man mit entsprechenden passenden jeinamen zwanglos eingliedern können.

Für die bei Heim (4, 5) mit Kb und Kd bezeichneten Stäbchen soll von einer eigenen Namengebung im Sinne der vorliegenden Einteilung abgesehen werden. Beide wurden von uns bis jetzt nur je 2mal in der Karies festgestellt. Erst weitere Untersuchungen und ausgedehntere Erfahrungen missen ergeben, inwieweit ihre Sonderstellung berechtigt ist.

Bei der folgenden Beschreibung sollen nur die wichtigsten Er- kennungsmerkmale aufgeführt werden, die gemeinsamen Merkmale sind schon eingangs beschrieben. Zur Orientierung diene die nachstehende Tabelle (S. 113).

Vor allem haben wir zweierlei Ansiedelungen auf Agar zu unter- scheiden: 1) geschlossenere, granulierte bis glatte Formen, die kürzere und schlankere Stäbchen zeigen, und 2) lockig-zerfaserte Formen mit langen und dicken Stäbchen. Für die weitere Unterscheidung ist das Verhalten in der Lackmusmilch, das Angehen und gegebenenfalls die Form der Ansiedelungen auf Gelatine, der Grad der Säurebildung und die fehlende oder vorhandene Gasbildung in zuckerhaltigen Nährmitteln von Bedeutung.

Schlirf, Zur Kenntnis der .azidophilen‘“ Bakterien. 113

|

a = Lackmusmilch | Säurewerte?) PTER ma E a Acido- = 3 S 25. ao | Æ mit ı Proz. a nen s T RE i BE NE au bacterium o 34 &5 sie ler: sed Farbe Saj =a |2% Ei)sy Zuckeragar à PASS SES SP A 7e __ a à er OS | lactis | 0,7: | + weiß, dann rot 2.Tag 13.8 10,0 | 7.2 | 6,3 granuliert aérogenes 07: + | + | blau 36 RO 3,0 | 2,4 | s Moroi mr 0,7. | + | rötlich | 6,4 12,0. 4,0 | 1,5 glattrandig Doederleinii | 1,2 | (F)! | blau 29. 83! 69 38 lockig-zerfasert bulgaricum 1.2: | =i rot 2.Tag 210 12,7 3,2 50 ii

Die Lackmusmilch, mit der sich der Streptococcus lacti s von anderen, namentlich den pathogenen Streptokokken, unzweideutig abtrennen läßt und die sich nach unseren Beobachtungen auch zur Unterscheidung in der Typhus-Coli-Gruppe eignet, hat sich auch bei den in Rede stehenden Keimen bewährt. Das Vermögen vieler Bakterienarten, darunter besonders der Sporenbildner, die Milch zur Gerinnung zu bringen oder nicht, das Kasein aufzulösen oder nicht, Zucker zu spalten, den Lackmusfarbstoff in der verschiedensten Weise zu verändern, wird hier leichter und sicherer erkannt. Die Lackmusmilch sollte deshalb in größerem Umfange als bisher zu bakteriologischen Untersuchungen herangezogen wen. Ueber ihre Herstellung siehe Heim (2).

Acidobacterium lactis Heim.

Die Stäbchen sind klein und schlank (Dicke 0,7 u) und liegen oft in Reihen und Ketten (Fig. 8). Zuchten in Nährbrühe mit oder ohne Zuckerzusatz zeigen meist früher oder später neben den schlanken Stäbchenformen Ketten mit so kurzen Stäbchen, daß sie wie Strepto- kokken ausschen (Fig. 9). Auch in alten Gelatinezuchten finden sich derartige kurze Stäbchen, aber nicht in Reihen. Andererseits sahen wir besonders lange Scheinfäden auf Agar mit Blutzusatz (Fig. 10).

Die Ansicdelungen auf Zuckeragar sind gewöhnlich klein, zart, fein granuliert und farblos. Der Rand ist nie ganz scharf, sondern fein gezähnelt, gelegentlich auch etwas buchtig (Fig. 1, 2, 3). Nach öfterer Umzüchtung werden gut getrennt stehende Ansiedelungen 0,2—0,4, ja selbst bis über 1 mm groß. Oft ist eine dickere Innenzone von einer zarten äußeren umgeben. Zuckerhaltige Nährböden sind im Umkreise der Ansicdelungen meist mehr oder weniger getrübt.

Wenn auch langsam, so doch sehr bezeichnend ist das Wachstum auf der Gelatineoberfläche. Bei Zimmerwärme unter 220 kann es 5 Tage dauern, bis die Ansiedelungen deutlich werden. Sie wachsen in der Folge langsam weiter und können nach mehreren Wochen bis über 1 mm (Fig. 25), ja sogar über 2 mm groß werden. Man sieht in der Regel eine dichtere Innen- und eine mehr gekörnte, flachere Außen- zone. Von hier breiten sich oft faserige oder hörnchenartige, manchmal verästelte Ausläufer aus (Fig. 24). Doch kommen auch Stämme vor, bei denen die Ausläufer wenig (Fig. 28) oder fast gar nicht (Fig. 27) ausgebildet sind. Ganz im Innern sieht man bei schwacher Vergrößerung

1) Die Stäbchendicke wurde mit dem Okularschraubenmikrometer gemessen, nachdem das Ektoplasma mit dem Zettnowschen Verfahren dargestellt war. 2) Die Säurewerte sind nach etwa Gtägiger Bebrütung festgestellt; sie geben die auf 10 cem Kultur bis zum Phenolphthaleinpunkt erforderliche Menge n/10 NaOllI an. Bei der Milch ist der ursprüngliche Säurewert, der gewöhnlich 2,5 be- trug, nicht abgezogen. i Erste Abt. Orıg. Bd. 97. Heft 23. 8

114 Centralbi. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

manchmal ein gelbliches undurchsichtiges Knöpfchen (Nabel) (Fig. 24 und 26).

Die Lackmusmilch blaßt im Laufe der ersten 24 Std. der Be- brütung ab. Am nächsten Tage beginnt die Milch von unten nach oben weiß zu werden, ganz oben ist sie entweder bläulich oder schwach rosa und flüssig, oder wenigstens unten bereits kleisterig. Am 2. Tage ist sie geronnen. Eine schmale obere Zone ist rot, die größere untere Schicht ist weiß. Die Rötung schreitet im Laufe der folgenden Tage mehr und mehr nach unten, bis die Probe in der 2. Woche im ganzen rot ge- worden ist. Geringe Abweichungen bei schwächer säurebildenden Stäm- men kommen vor.

Die mit Acidobacterium lactis beimpfte Lackmusmilch erinnert wie bereits erwähnt, in ihrem Aussehen und Verhalten sehr an eine mit Strept. lactis besäte. Die Entfärbung zu Weiß tritt jedoch beim Acb. lactis immer später ein, als beim Strept. lactis. Dieser macht die blaue Lackmusmilch längstens nach 17 Std. völlig weiß [s. Heim (2)]. Beim Acb. lactis ist die weiße Farbe nicht ganz rein, sondern hat einen Ton ins bläuliche oder rötliche; die von oben nach unten fortschreitende Rötung setzt später ein und steigt langsamer nach abwärts.

Gasbildung in traubenzuckerhaltigen Nährmitteln wurde nie beob- achtet.

Säurewerte: s. Tabelle.

Lebende Keime wurden in der Lackmusmilch noch nach 10 Wochen, in zuckerhaltiger Brühe nach 4 Wochen gefunden. An Seidenfäden angetrocknet, hält sich Acb. lactis im Exsikator etwa 1 Jahr, aber nicht wesentlich länger am Leben. Die Hitzebeständigkeit, in Nähr- brühe geprüft, schwankte zwischen 15 und 20 Min. bei 60°.

Acidobacterium aörogenes Schlirf.

Die Stäbchen gleichen in ihrer Größe denen des Acb. lactis. Sie können ebenfalls Scheinfäden bilden, kurze kokkenähnliche Formen sind bei ihnen nicht häufig (Fig. 11).

Die Ansiedelungen auf Zuckeragar unterscheiden sich wenig von

denen des Acb. lactis (Fig. 4, 5, 6). Auf Gelatineplatten trat anfangs keine Entwicklung ein. Nach längerer Ueberzüchtung oder nach Antrocknung an Seidenfäden wuchsen 4 von 8 Stämmen auch bei Zimmerwärme. Die Ansiedelungen waren meist recht kümmerlich, nur einige Male gelang es, nach 5 Tagen recht bezeichnende Formen zu: erzielen, die in ihrem Bau an Knochenkörper- chen erinnerten (Fig. 29).

Gasbildung aus Traubenzucker wurde sowohl in Gärröhrchen als auch in hoher Schicht nachgewiesen. Auch in der Leber-Leberbrühe zeigten sich nach 24—48stünd. Bebrütung bei frisch herausgezüchteten Stämmen aufsteigende Gasblasen. Das Gasbildungsvermögen läßt bei länger überzüchteten älteren Stämmen merklich nach. Auch ist, um die Gasbildung in Gärröhrchen sicher nachweisen zu können, statt Fleischbrühe besser Leberbrühe mit Zuckerzusatz zu verwenden.

Die Lackmusmilch wird nicht wesentlich verändert, sie bleibt blau, wird höchstens blasser blau.

Säurewerte: siehe Tabelle.

Acidobacterium Moroi Schlirf. In der Gestalt entspricht es den beiden eben aufgeführten Arten. Die Ansiedelungen auf Agar sind gewöhnlich größer und dicker. Sie sind scharfrandig, etwas erhaben und weißlich, haben eine glatte

Schlirf, Zur Kenntnis der „azidophilen“ Bakterien. 115

Oberfläche und sind im ganzen undurchsichtig bis auf einen schmalen Rand (Fig. 7). In der Umgebung der Kolonien wird der Zuckeragar getrübt wie beim Acb. lactis.

Die Stäbchen wachsen gut auf Gelatine, die Ansiedelungen sind hier meist rundlich (Fig. 30), manchmal auch etwas unregelmäßig, hier und da sogar gelappt (Fig. 32). Die Innenzone ist etwas dichter, in der Mitte befindet sich gewöhnlich ein Nabel (Fig. 30 und 31). Sie ähneln solchen Kolonienformen des Acb. lactis, bei denen die Ausläufer auf der Gelatine nicht ausgebildet sind (Fig. 27).

Die Lackmusmilch bleibt in den ersten Tagen unverändert. Sie wird später blaßblau mit einem Stich ins Rötliche, bleibt jedoch flüssig und gerinnt nicht, auch nicht nach 3—4wöchiger Bebrütung.

Gasbildung wurde nicht festgestellt.

Säurewerte: siehe Tabelle.

Den 3 beschriebenen Arten steht das Kariesstübchen Kb nahe. Es gleicht in

der Gestalt den beiden vorigen. Die Ansiedelungen auf Zuckeragaresehen de des

Acb. aerogenes sehr ähnlich, bleiben aber meist kleiner. Es wächst nicht bei

Zimmerwärme. Die Lackmusmilch wurde in deu ersten Tagen blasser blau, bekam

einen Stich ins rötliche, wurde vom 4. Tage an rosa und in der Folge zähflüssig

und nr, Erst nach 2—3 Wochen war die im ganzen rosa gefärbte Milch 118

erstarrt. bildung wurde nicht beobachtet. Säurewerte: In der l«ber-Leber-

brühe mit 1 Proz. Traubenzucker 8,9, in Fleischbrühe mit Traubenzucker 2,8, mit Milchzucker 2,8, in Milch 5,0.

Acidobacterium Doederleinii Il eim.

Die Stäbchen sind groß und lang (Dicke 1,2 u). Sie neigen zu Scheinfadenbildung auf festen Nährböden (Fig. 18). In Brühekulturen sind sie meist kürzer und plumper, hier und da kommen auch kokken- ahnliche Stäbchen vor (Fig. 17).

Auf Zuckeragar wachsen nach 24—48 Std. bei 370 meist kleine farblose Ansiedelungen, die mit bloßem Auge kaum zu erkennen sind und bei schwacher Vergrößerung teils kleine Schnörkel und Schlieren (Fig. 14 u. 15), teils flache, maschentörmige oder lockige Ansiedelungen darstellen (Fig. 12 u. 13). Acltere Ansiedelungen zeigen im Inneren ott ein undeutliches Fadengewirr und am Rande mehr oder weniger zahlreiche faserige Ausläufer (Fig. 15, 16).

Auf Gelatine kein Wachstum.

Gasbildung aus Traubenzucker wurde bei 2 Stämmen anfangs beob- achtet, bei späteren Prüfungen nicht mehr.

Die Lackmusmilch wird nicht wesentlich verändert, höchstens blaßt die blaue Farbe leicht ab und bekommt ausnahmsweise einen geringen, rötlichen Farbton. Gerinnung der Milch beobachteten wir bei dieser Art nie. Säurewerte siehe Tabelle.

An Seidenfäden im Exsikkator aufbewahrt, blieben die Stäbchen nahezu 1 Jahr am Leben.

Dem Acb. Doederleinii steht das Kariesstäbchen Kd nahe. Es gleicht ihm in seiner Gestalt, auch ähneln die Ansiedelungen auf Agar in den ersten Tagen der Bebrütung den maschigen Kolonieformen des Acb. Doederleinii, nur sind die Maschen hier schon von Anfang an enger. Nach mehreren Tagen verschwinden jedoch die Maschen vollkommen, die Ansiedelungen werden lappig und die Zeichnung undeutlich. Es wächst nicht auf Gelatine und bildet kein Gas. Die Lackmusmilch blieb in den ersten Tagen unverändert, wurde nach 5 Tagen blaßrosa und war nach 3 Wochen erstarrt. Säurewerte: in der Leber-I«berbrühe mit Traubenzucker 12,0, in Fleischbrühe mit Traubenzucker 3,2, mit Milchzucker 1,0, in Milch 6,4.

8*

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Acidobacterium bulgaricum Schlirf.

Die Stäbchen sind in der Brühekultur fast ebenso dick wie die des Acb. Doederleinii (Fig. 19), in der Yoghurtmilch erscheinen sie dicker. In der Leber-Leberbrühe, in der sie zusammen mit den Diplo- kokken gewachsen waren, hatten sie dieselbe Dicke wie in der Yoghurt- milch (Fig. 20). Die von verschiedenen Untersuchern beschriebene Körnchenbildung haben auch wir beobachtet. Andere Stäbchenarten haben wir in der von einer hiesigen Milchhandlung bezogenen Yoghurt- milch nicht gefunden.

Die Ansiedelungen auf Zuckeragar erinnern mit ihren Locken (Fig. 21), feinen Maschen, Schnörkeln und Zerfaserungen (Fig. 22,23) an die des Acb. Doederleinii.

Milchzucker fördert das Wachstum hier mehr als Traubenzucker. Für die erste Gewinnung empfiehlt es sich daher, die Yoghurtmilch auf Agar mit 5 Proz. Milchzucker auszusäen. Es gelingt auch die Anreicherung .in Leber-Leberbrühe mit Milchzuckerzusatz sicherer als durch die von anderen Autoren angegebene Ueberzüchtung in Milch bei 37—400,

Auf Gelatine bleibt das Wachstum aus.

Gas wird nicht gebildet.

Durch sein Verhalten in der Lackmusmilch unterscheidet sich A cb. bulgaricum von den anderen Arten am leichtesten. Es bringt sie binnen 20—28 Std. unter Rotfärbung zur Gerinnung. Nach weiteren 24 Std. hellt sich die Lackmusmilch in der unteren Hälfte auf und zeigt eine gelbweiße Farbe, die nach einigen Tagen wieder in Rot zurück- schlägt.

Säurewerte: siche Tabelle.

Schlußsätze.

Ucber die aus Mund, Karies, Darminhalt, Scheide, Milch usw. ge- züchteten, nichtsporenbildenden, unbeweglichen, grampositiven Stäbchen herrschte bisher hinsichtlich ihrer Verschiedenheit oder Zusammen- gehörigkeit, sowie in der Namengebung beträchtliche Verwirrung, die in der vorliegenden Arbeit zu klären gesucht wird.

Die Bezeichnung dieser Bakterien als azidophil ist nicht gut, besser war der Vorschlag, sie azidotolerant zu nennen. Zu ihrer Züchtung erwies sich eine saure Reaktion der Nährmittel nicht notwendig, nicht einmal besonders vorteilhaft. Zur Anreicherung wird die Ein- saat des Ausgangsstoffes in Leber-Leberbrühe und darauffolgende mehr- tägige Bebrütung empfohlen.

Grundbedingung für die richtige Auseinanderhaltung ist eine sorg- fältige Keimtrennung, die beschrieben wird, kaum entbehrlich die An- wendung der Mikrophotographie zur Festhaltung der verschiedenen Typen behufs späterer Vergleichung und Wiedererkennung. 24 Licht- bilder von Ansiedelungen bei 35facher Vergrößerung und 8 Bilder von gefärbten Ausstrichen der Stäbchen bei 1000facher Vergrößerung sind beigegeben.

Für die ganze Gruppe wird der Name Acidobacterium vor-

Schlirf, Zur Kenntnis der „azidophilen‘“ Bakterien. 117

geschlagen. In sie werden die bisher bekannten und als verschieden er- mittelten Arten als Acidobacterium lactis, a&rogenes, Moroi, Doeder- leinii und bulgaricum eingereiht.

Für die Unterscheidung war maßgebend das Aussehen, insbesondere die Dicke der Stäbchen, die Form ihrer Ansiedelungen auf Agar und gegebenenfalls auf Gelatine, das Verhalten in der Lackmusmilch, die fehlende oder vorhandene Gasbildung und der Grad der Säurebildung in zuckerhaltigen Nährmitteln (s. Tabelle).

Literaturverzeichnis.

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Erklärung der Tafelabbildungen.

Die Ansiedlungen sind durchweg bei 35facher, die Bakterien selbst bei 1000facher

Vergrößerung aufgenommen.

Fig. 1. Acidobacterium lactis, unmittelbare Aussaat von kariösem Zahnbein auf

Zuckeragar, 1 Tag alt.

Fig. 2. Acb. lactis, mehrmals überzüchtete Reinkultur aus Karies auf Zucker- agar, 2 Tage alt.

Fig. 3. Acb. lactis, mehrmals überzüchtete Reinkultur aus Karies auf Zucker- agar, 2 Tage alt.

Fig. 4. Acb. aörogenes, aus Karies, 5 Tage alte Reinkultur auf Lackmuszucker- agar, davon 2 Tage bei 37°.

Fig. 5. Acb. aërogenes, aus Karies, 5 os auf Zuckeragar.

Fig. 6. Acb. aërogenes, aus Karies, 2 auf Zuckeragar.

Fig. 7. Acb. Moroi, aus Karies, 3 Tage auf ee

Fig. 8. Acb. lactis, aus Karies, Ausstrich aus 3 Tage alter Teber-Leberbrühe,

Gramfärbung. Fig. 9. Acb. lactis, aus Karies, Ausstrich aus Nährbrühe ohne Zucker nach

ln Bebrütung. ung

ig. 10. Acb. lactis, aus Karies, Abklatsch aus 3 Tage alter Blutagarplatte

(Meersc weinchenblut). Gramfärbung.

Fig. 11. Acb. aërogenes, aus Rates, Ausstrich aus 3 Tage alter Leber-Leber- brühe. "Gramtärbun

Fig. 12. Acb. Doederleinii, aus Säuglingsstuhl (Brustkind), 1 Tag auf Zucker-

Fig. 13. Acb. Doederleinii, aus Pulpitis, 24 Std. auf Zuckeragar.

Fig. 14. Acb. Doederleinii, aus Karies, 2 Tage auf Zuckeragar.

Fig. 15. Acb. Doederleinii, aus der Scheide einer gesunden Schwangeren, 4 Tuge auf Zuckeragar.

Fig. 16. Acb. Doederleinii, aus Pulpitis, 6 Tage auf Zuckeragar.

Fig. 17. Acb. Doederleinii, aus der Scheide einer gesunden Schwangeren, Aus- strich aus 3 Tage alter Leber-Leberbrühe. Gramfärbung.

. 18. Acb. Doederleinii, aus Pulpitis, Abklatsch von 1 Tag alter Agarkultur.

Gran ung.

Fig. 19. Acb. bulgaricum, aus Yoghourtmilch, Ausstrich aus 3 Tage alter Rein- kultur in Leber-Leberbrühe. Gramfärbung. Fig. 20. Acb. bulgaricum, nebst Diplokokken, Einsaat von RE in

Leber- Leierbrühe, Ausstrich nach 2tägiger Bebrütung. Gramfärbung.

21. Acb. bulgaricum, unmittelbare Aussaat von Yoghourtmilch auf 5 Pros.

Milcheuckeragar. 2 Tage alt.

E nee Acb. bulgaricum, aus Yoghourt, Reinkultur auf Traubenzuckeragar, ag alt Pig, 23. A Acb. bulgaricum, aus Yoghourt, Reinkultur auf 5 Proz. Milchzucker-

agar, ag a Fig. 24. A; lactis, aus Karies, 11 Tage auf Gelatine.

Fig. 25. Acb. lactis, aus Karies, 76 Tage auf Gelatine.

Fig. 26. Acb. lactis, aus Karies, 20 Tage auf Gelatine.

Fig. 27. Acb. lactis, aus Säuglingsstuhl (Brustkind) 7 Tage auf Gelatine. Fig. 28. Acb. lactis, aus Zahnbelag, 7 Tage auf Gelatine.

Fig. 29. Acb. aërogenes, aus Karies, 5 "Tage auf Gelatine.

Fig. 30. Acb. Moroi, aus Säuglingsstuhl (Brustkind), 6 Tage auf Gelatine. Fig. 31. Acb. Moroi, aus Karies, 8 Tage auf Gelatine.

Fig. 32. Acb. Moroi, aus Säuglingsstuhl (Brustkind), 8 Tage auf Gelatine.

agar.

Centralblatt für Bakteriologie Abt. I. Orig. Bd. 97. Schlirf, Acidophile Bakterien.

Verlag von Gustav Fischer in Jena.

Kollath u. Leichtentritt, Fragliche Bildung von Vitamin durch Bakt. 119

Nachdruck verboten.

Ueber die fragliche Bildung von Vitamin durch Bakterien.

“Aus dem Hygiene-Institut (Geh. Rat Pfeiffer) und der Kinderklinik (Prof. Stolte) der Universität Breslau.]

Von Werner Kollath und Bruno Leichtentritt. Mit 7 Kurven im Text.

Grassberger hat durch das Phänomen des Riesenwachstums ge- zeigt, daß eine Anzahl von Bakterien auf schwachprozentigen Blut- nährböden eine Förderung des Influenzabazillenwachstums herbei- zuführen imstande sind. Diese Erscheinung hat in den letzten Jahren von neuem die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt, seit bekannt wurde, daß als Ursache der Wachstumsförderung unter anderem eine Pro- duktion vitaminähnlicher Substanzen anzusehen ist (Davis, Knorr, Thjötta und Avery, Kollath). Zu den wachstumsfördernden Bak- terien gehören die meisten Darmbakterien. Diese Beobachtungen er- öffneten interessante Möglichkeiten für die eventuelle Entstehung von Vitaminen im Körper selbst. Wir wissen, daß der tierische Organismus stets auf Zufuhr von Vitaminen von außen durch die Nahrung an- gewiesen ist; diese muß fortlaufend erfolgen, sollen nicht schwere Stoff- wechselstörungen eintreten. Dabei ist auffallend, daß verschiedene Tier- spezies an bestimmten Avitaminosen eher erkranken als andere; daraus wird geschlossen, daß die einzelnen Tiergruppen verschiedene Vitamine für ihren Zellbedarf benötigen. Man könnte daran denken, daß in der Tätigkeit der Darmbakterien jene Funktion zu suchen ist, die einen solchen spezifischen Umwandlungsprozeß der Vitamine zur Folge hat, wobei der Anreiz zur Produktion durch die von außen zugeführten Nahrungsvitamine zu sehen wäre (denn wenn lediglich die Vitamin- produktion durch Darmbakterien ausreichen würde, für den Körper die notwendige Vitaminmenge zu produzieren, könnte es nicht zu einer Avitaminose kommen).

Aus diesen Ueberlegungen heraus war es von Interesse, festzu- stellen, ob bestimmte Darmbakterien auf vitaminfreiem Nährboden für sich Vitamine zu produzieren in der Lage ’sind, oder ob es dazu eines Vitamingehaltes im Nährboden bedarf oder ob Vorgänge zu beobachten sind, die auf eine durch Bakterien stattfindende Speicherung hinweisen. Untersuchungen in dieser Richtung sind mit verschiedenen Ergebnissen von mehreren Autoren bereits unternommen worden. Pacini und Russel gelang es als ersten, die Bildung des Vitamins B durch Typhus- bazillen nachzuweisen. Scheunert und Schieblich haben den Ba- cillus vulgatus (Flügge) an beriberikranken Tauben in Mengen von 2—3 g Bakterientrockenmasse täglich verfüttert und dann steilen Gewichtsanstieg und Wiedererlangung normaler Körpertemperatur bei den vorher bereits schwer kranken Tieren erzielt. Aus späteren Ver- suchen zogen sie den Schluß, daß die von ilınen untersuchten Bazillen Vitamine aufzubauen imstande sind, und zwar nicht aus der Nährsub- stanz, in der sie gezüchtet wurden, sondern aus den eigenen Bakterien- leibern. Eine Diffusion des innerhalb der Bakterien gebildeten Vita- mins wurde nicht beobachtet, im Gegensatz zu dem Verhalten der Bak-

120 Centralbl. t. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

terien beim Ammenwachstum, das zum Teil gerade auf der Diffusion der vitaminähnlichen Substanz in die Umgebung beruht. Diese Ver- suche sind in ähnlicher Anordnung mit verschiedenen Bakterien mit widersprechenden Ergebnissen ausgeführt (Goy, Weill, Arloing und Dufour, Wollman, Valiano, Damon, Leichtentritt und Zielaskowski). Meist bestanden die Erfolge nur in einer geringeren Verlängerung der Lebensdauer der kranken Tiere.

Bei dem hohen biologischen Interesse, das diese Frage zweifellos einnimmt, war eine möglichst eindeutige Beantwortung wünschenswert. Die Hauptaufgabe unserer -Arbeit bestand darin, über folgende Fragen Klärung zu schaffen: Können Bakterien so viel Vitamin produzieren, daß eine Avitaminose verhütet oder geheilt wird? Durch einen posi- tiven Ausfall unserer Untersuchung wäre damit der Beweis erbracht, daB z. B. bei der Heilung des Skorbuts durch Bakteriengaben diese Bakterien imstande sind, das dem kranken Organismus fehlende Vita- min C zuzuführen. Fiel der Versuch aber negativ aus bei Bakterien, an denen der Nachweis erbracht war, daß sie selbst bakterien-(in- . [luenza)-wachstumsfördernd (Ammenversuch Kollath) waren infolge Produktion einer vitaminähnlichen Substanz, so hätten wir einen weiteren Beweis für unsere schon früher ausgesprochene Annahme, daß wachs- tumsfördernde Substanz und Vitamin C grundsätzlich verschieden sind.

Während unsere Versuche bereits im Gange waren, erschien eine Mitteilung von Bieling über die gleiche Frage, zu deren Beantwortung er aber eine grundsätzlich andere Methodik (synthetischer. Nährboden, getrocknete Bakterien) als wir verwendete. Er kam zu einem negativen Resultat. Mit der von uns angewandten, veränderten Technik haben wir unsere Versuche auf breiterer Basis zu Ende geführt.

Wir gingen dabei so vor, daB wir Meerschweinchen uns standen 60 Tiere zur Verfügung mit einer Skorbutnahrung fütterten und durch Bakterienzulage den Einfluß auf den Ablauf dieser Stoffwechsel- störung studierten. In den unten mitgeteilten Kurven haben wir nur die Tiere angeführt, bei denen klinisch oder pathologisch-anatomisch die Skorbutdiagnose gesichert war. Versuchstiere, die interkurrent an ver- schiedenen Krankheiten, z. B. Schluckpneumonie, starben, wurden von uns aus der Beurteilung des Versuchs ausgeschieden.

Als Skorbutnahrung wurde sterilisierter Hafer und sterilisierte Trockenmilch, wie bei unseren früheren Versuchen gegeben. Als Bak- terien verwendeten wir vom gesunden Meerschweinchen gezüchtete Stämme, 1) Bact. coli aus Dickdarm, 2) ein Gemisch von Darm- bakterien aus dem Gesamtdarm; ferner besonders den Bac. pneu- moniae Friedländer, der sich vorher im Ammenwachstum als intensiv wachstumsfördernd für den IB. gezeigt hatte. Auch bei dem Gemisch wurden nur influenza-wachstumsfördernde Stämme gewählt. Die Stämme wurden in großen Petri-Schalen auf gewöhnlichem Nähragar ge- züchtet. Nach 48stünd. Bebrütung wurden die Kulturrasen mit einem Kupferspatel abgeschabt, in einem Perlenkölbchen gewogen und dann nach Zugabe der gleichen Gewichtsmenge Kochsalzlösung zu einer gleichmäßigen dicken Aufschwemmung verrührt. Diese Aufschwemmung wurde teils in diesem unveränderten Zustande, teils nach Erhitzen (1/2 Std. auf 560) an die Tiere mittels einer Pipette verfüttert. Die Tiere wurden täglich vor der Fütterung gewogen.

Als Vorversuche mußten wir, um eine Anwesenheit von Vitamin C

Kollath u. Leichtentritt, Fragliche Bildung von Vitamin durch Bakt.

121

im Nährboden ausschließen zu können, den verwendeten Agar an Meer- schweinchen verfüttern (Kurve 1).

Meerschweinchen von 250—400 g starben bei Zu- lage von dem verwendeten Agar in 20—28 Tagen an typischem, schwerem Skor- but. Der terminale Ge- wichtssturz war bei hohen Dosen (bis 150 g Agar im Verlauf des Versuches) auf 7 Tage verlängert, woraus wir nur auf eine Folge der Zulagen von Eiweiß, Kohle- hydraten und Salzen, aber nicht von Vitaminen schlie- Ben. Der verwendete Agar (bis zu 10 g tägl.) erwies sich also als nicht skorbut- schützend und somit als geeignet zur Züchtung un- serer Versuchtbakterien, weil den Bakterien keine nachweisbare Vitaminmenge im Nährboden zur Ver-

400

100

«14 ? Zulage von Nähragar.

Kurve 1.

fügung stand und somit eine schützende Wirkung im Tierversuch nur auf Selbstproduktion beruhen konnte.

In einer zweiten Versuchsreihe (Kurven 2 u. 3) haben wir dann versucht, festzustellen, ob sich die Bakterien in der Vitaminproduktion ähnlich verhalten wie die Hefezellen. Diese produzieren das Vitamin B

500 400 N N o Sn o m _ `~ u ~ 300 00000 0%e°°

200

100

5 10 15 20 = M 47 0000006 = ı 81 ———— =. 54 = ı 52

No ons ae

o æ -g= —— -

25 30 35 55 60 65 70 Tage

Zulage von täglich 40 ccm Kartoffelwasser.

Kurve 2.

122 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

nur, wenn das hefewachstumsfördernde Vitamin D im Nährboden vor- handen ist (Funk). In dem bakterienwachstumsfördernden Kartoffel- wasser (Kollath) stand uns nur ein solches Substrat zur Verfügung, das in Mengen von 1—2 ccm auf 10 ccm Agar bei gleichzeitiger An- wesenheit geringer Mengen gekochten Blutfarbstoffs intensiv wachstums- fördernd auf Influenzabazillen wirkte. Die Versuchstiere erhielten davon bis zu 40 g täglich (Kurve 2).

Erst diese letzte Dosis zeigte eine deutliche Vitaminwirkung durch eine Verhütung der Erkrankung bis zum 60. Tage. Dann wurde die Zulage fortgelassen; alle Tiere starben dann innerhalb spätestens 5 Tagen. Deise Tiere boten klinisch ein anderes Bild als das des gewöhn- lich akut verlaufenden Skorbuts; sie nahmen an Gewicht ab, stellten sich dann auf eine ziemlich gleichlaufende Kurve ein, hatten ein trockenes Fell’ und zeigten nur geringe Agilität. Zahnfleischblutungen wurden aber nicht beobachtet, Durchfall trat nur vorübergehend ein. Pathologisch - anatomisch zeigten sich die Brustbein- knorpel glasig und aufge- trieben. Die sonst beim akut verlaufenden Skorbut an der Knorpel-Knochen- grenze sich hinziehende verdickte, ausgezackte, gelbliche Linie war höch- stens angedeutet. Die Ne- bennieren waren sehr groß. In den Rippen sah man einzelne punktförmige Blu- tungen, größere flächen- hafte Blutungen fehlten aber völlig. Gleichzeitig

400

300

200

RE z Zulage von Nähragar + 10proz. bestand hochgradige Ab- ee, ad Kartoffelwasser. magerung. Es will uns erh 8 scheinen, als ob sich hier | unter dem Einfluß einer

Kurve 3. zwar geringen, aber nicht

voll ausreichenden Vita- minmenge, auf die man aus dem langen Aufschub der Erkrankung und der ganz geringen Dauer bis zum Tode nach Fortlassen der Zulagen schließen muß, ein Zustand entwickelt hat, der sich wohl als unvollkommener oder chronischer Skorbut bezeichnen läßt. Einen Bruchteil dieses gerade noch schwache Vitaminmengen enthaltenden Kartoffelwassers verwendeten wir, wie oben gesagt, als Nährbodenzusatz.

Tägliche Gaben von 10 g dieses Agar-Kartoffelwassergemisches führten bei schweren Tieren nach 32, bei leichten nach 25 Tagen zum schweren Skorbut mit tödlıchem Ausgang. Da die Verlängerung dem Anfangsgewicht der Versuchstiere parallel ging, vermuteten wir auch hier in der dem Durchschnitt gegenüber eingetretenen Verlängerung auf 32 Tage nicht eine Vitaminwirkung, sondern den Einfluß der Nährstoff- zulage als solcher. Dieser 10proz. Kartoffelwasserzusatz, der für Bak- terien als wachstumsfördernd ausreicht, zeigte sich also im Tierversuch unwirksam, d. h. die in dem Kartoffelwasser enthaltene Vitaminmenge ist zu gering. Auf dieser Eigenschaft beruhte aber für unsere Versuche

Kollath u. Leichtentritt, Fragliche Bildung von Vitamin durch Bakt. 123

der Hauptwert: den Bakterien war Gelegenheit gegeben, die geringe V-Menge aus dem Nährboden in sich anzureichern oder sie konnten neues V produzieren; mit andern Worten: es mußte sich zeigen lassen, ob unter dem Einfluß des bakterienwachstumsfördernden Faktors ein bestimmtes Vitamin C gebildet wurde, wie bei den Hefearten das Vitamin B.

Nachdem so in diesen Vorversuchen die Bedingungen, unter denen wir die Bakterien zwecks Erlangung täglicher größerer Dosen züchten wollten, näher erforscht waren, konnten wir an die eigentlichen Versuche gehen. Da sämtliche Versuche eindeutig ausgefallen sind, geben wir hier nur die Resultate an Hand der Kurven.

3,5 g Gesamtmenge (Feuchtgewicht) von Bact. coli aus Meer- schweinchendarm schützten nicht vor Skorbut. Tod der Tiere in

400 Hao,

400 300

300 200

200 100

= 2 19 “2 -- --- 2.12 )Zulage von Bakterienge- əM 8 ) Zulage von °6000e::24 | misch aus dem Darm- ee = 2 Bac. coli —.—.— 2.136 traktus von Meerschwein- coo oe = ‘O aus Meer- + + 0.2.38 chen. Kollath. - - -- : 2 schwein- ------ = »40 chendarm. “xxxn = + 41 Kurve 4. Kurve 5.

20 Tagen an typischem Skorbut. Ein Resultat, das dem von Bieling entspricht.

29 g Darmbakteriengemisch (Gesamtmenge) führten innerhalb von 29 Tagen zum Tode an Skorbut. Bei geringeren Gaben (18,6) trat der Tod bereits nach 24 Tagen ein. Aus dieser geringen Verlängerung bis zum Ausbruch der Erkrankung möchten wir aber ebensowenig, wie bei den früher mitgeteilten Kurven einen Schluß auf eine Vitamin- wirkung ziehen, da in gleicher Weise wie früher die längste Lebens- dauer der Tiere ihrem höchsten Anfangsgewicht entspricht. Unsere Versuche wurden auch hier durch die Arbeit von Bieling ergänzt und die Ergebnisse stimmten überein.

Unser Hauptinteresse wendeten wir dem Bazillus Friedländer zu, der besonders wachstumsfördernd auf den Influenzabazillus wirkte und gleichzeitig selbst durch das Kartoffelwasser intensiv in seiner Wachstumsintensität und Schleimproduktion gestärkt wurde.

124 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

13 g lebende Kultur (Gesamtmenge) schützte nicht vor Skorbut; Tod in spätestens 24 Tagen an typischem Skorbut. Normal ernährte Tiere, die während 8 Tagen 30 g 400 lebende Kultur erhielten, zeigten keine Krankheitserscheinungen. Aus dem Dickdarm der toten Skorbut- tiere, ebenso wie aus dem Dünn- darm und Magen konnten Fried- länder- Bazillen gezüchtet werden, vom Magen aus gerechnet in fallen- den Mengen.

Verfütterung von Bazillus F rie d- länder, erhitzt auf 56°.

2—5,7 g (Gesamtmenge) führten bei 300 g schweren Tieren in 20 Tagen, 23,9—61 g in 27—30 Ta- gen, 125--323 g in 16—28 Tagen

5 1018 20 25 zum Tode an Skorbut. Auch hier

Zulage von Bac. entsprach dem höheren Anfangsge-

22" | Friedländer, lebend. wicht die längere Lebensdauer. Einen

Einfluß der Bakterienernährung konn-

Kurve 6. ten wir nur insofern feststellen, als bei

den höchsten Gaben scheinbar eine

Verkürzung der Lebenszeit eintrat, also doch wohl eine gewisse Schädi-

gung durch die verfütterten Bakterien zu beobachten war. Einen

Nutzen, der irgendwie auf die spezifische Vitaminwirkung hätte zurück- geführt werden können, konnten wir aber niemals beobachten.

400 400 |

100

200

. = 9 s.. esso 39 . 2. .00000=: + Zulage von Bac. Fried- ++ ++ Zulage von re 5 à länder; abgetôtet I. ade ge TIEREN = « 62 ES ES ai Reese. 17 ss æeEesz== Kurve 7a. Kurve 7b.

Auch bei der Verfütterung des Bac. Friedländer machte es keinen Unterschied aus, ob die Bakterien auf gewöhnlichem Agar oder auf dem mit 10proz. Kartoffelwasser versetzten gezüchtet wurden.

Sdrodowski u. Brenn, Aktive Immunisierung gegen Diphtherie usw. 125

Folgerungen.

Die Versuche, durch Verfütterung von frischen oder bei 56° ab- getöteten Bakterien (Bac. coli, Darmbakteriengemisch aus Meer- schweinchen, und Bac. Friedländer) skorbutverhindernd auf Meer- schweinchen zu wirken, sind sämtlich ohne Erfolg geblieben; eine Pro- duktion oder eine Aufnahme von Vitamin aus dem Nährboden hat sich also nie feststellen lassen. Unsere Ergebnisse entsprechen somit denen von Bieling. Als Folgerung für die Erkenntnis von den Vitaminen müssen wir aus diesen Versuchen entnehmen, daß der Gehalt und die Produktion von wachstumsfördernder Substanz für den Influenza- bazillus und von echten, im Tierversuch wirksamen Vitaminen nicht übereinstimmen, ein neuer Beweis für die Verschiedenheit beider Sub- stanzen (Leichtentritt, Zielaskowski, Kollath).

Benutzte Literatur.

Außer der in der 1. Veröffentlichung angegebenen Literatur vurde benutzt:

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Nachdruck verboten.

Ueber die aktive Immunisierung ‚gegen Diphtherie mittels Anatoxin').

(Erste Mitteilung.) \Aus dem Bakteriologischen Reichsinstitut in Baku (Aserbeidshan).|

Von Dozent Dr. med. P. Sdrodowski und Dr. Helene Brenn, Assistentin am Institut.

Eine Mischung von Toxin und Antitoxin ist Keine - vollkommene Diphtherievakzine. Die als Vakzine vorgeschlagenen T + A-Mischun- gen sind nach ihrer Zusammenstellung von relativem Wert, was be- sonders von den hyper- und hypo-neutralen Lösungen gilt, die nach Belieben zubereitet werden und deshalb schwer zu charakterisieren und standardisieren sind. Die besser definierbaren neutralen Mischungen

1) Nach einem ru gehalten auf dem IX. Allrussischen Bakteriologen- kongreß in Moskau, Mai 1925.

126 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

sind ebenfalls nur von relativer Sicherheit, da die Neutralität selbst ganz konditionell ist und nur für bestimmte Spezies von Tieren und nur bei bestimmter Dosierung zuverlässig ist. Der Komplex T + A ist nur bedingungsweise giftfrei und nur unter dem £influß ver- schiedener Faktoren (Temperatur, Säure, Base) zur Dissoziation fähig (s. Bächer, Kraus und Löwenstein, 1925), was bei der Vakzination kaum zu berechnen wäre und daher für die Unschädlich- keit der T + A-Mischungen keine Garantie bieten würde. Endlich geht die Immunisierung bei der Vakzination mit T + A-Mischungen nur sehr langsam vonstatten, was wahrscheinlich auf die hemmende Wirkung des Antitoxins zurückzuführen ist (s. unten).

Die erwähnten Nachteile der T + A-Mischungen rechtfertigen das Bestreben der Forscher, sie durch ein vollkommenes Präparat eines modifizierten Toxins zu ersetzen. Eine Lösung dieser Aufgabe gelang in letzter Zeit am ehesten Ramon (1924--1925), der eine Umwand- lung von Diphtherietoxin in Anatoxin erzielte, unter Einwirkung von Formalin (0,3—0,4proz.) und einer Temperatur von 40—420 C. Das Anatoxin ist nach Ramon vollständig ungiftig, konstant bei Aufbewah- rung und durchaus vollwertig bezüglich seiner antigenen Eigenschaften.

Als Bestätigung der Angaben Ramons ergaben auch unsere zahl- reichen Experimente über die Umwandlung von Diphtherietoxin in Ana- toxin, die nach Ramon mit verschiedenen Arten des Giftes (D.L.M. von 0,025—0,0015) ausgeführt wurden, daß eine Bearbeitung von Toxin mit Formalin bei 40—420 C stets zur Unschädlichkeit des Giftes führte.

Systematische Beobachtungen über die Wandlungen des formalini- sierten Toxins (es wurden verschiedene Konzentrationen von Formalın angewandt: ln: 0,2, 0,3, O,5proz. mit verschiedener Wirkungsdauer

= 1, 2, 3, 4, 6, 10, 20, 30 Tage), an Meerschweinchen unter Kon- trolle eh zeigten, daB der Ucbergang von Toxin in Anatoxin cine allmähliche Umwandlung des Giftes in ein nicht giftiges Produkt ist, und daß unter gleichen Verhältnissen die Schnelligkeit und Voll- ständigkeit dieses Prozesses der Konzentration des Formalins und der Wirkungsdauer entspricht. Gleichzeitig konnten wir feststellen, daB sich nicht alle Arten von Toxin gleich leicht in Anatoxin verwandeln, was auch Bächer, Kraus und Löwenstein in ihrer letzten Arbeit angegeben haben (1925).

Die vollständigste und konstanteste Umwandlung von Toxin in Anatoxin erzielten wir im Laufe von 30 Tagen nach Bearbeitung des Toxins mit einer 0,5proz. Konzentration gewöhnlicher (40proz.) For-

malinlösung bei 40—420 C. Das auf diese Weise gewonnene Ana- toxin wurde von Meerschweinchen, die 250—300 g wogen, in einem Quantum von 2000—6000 D.L.M. ursprünglichen Toxins ohne weiteres vertragen, ebenso auch von Tauben, Ziegen und Pferden.

Das nach Ramon zubereitete Anatoxin behielt in unseren Experi- menten nach Zugabe von antitoxischem Serum in vollem Maße seine Flockulationsfähigkeit, nur erschien die Flockulation etwas später als mit den ursprünglichen Proben; nach Hinzufügung von 0,5proz. Kar- bolsäure aber blieb die Klockulation ganz aus.

Versuche einer aktiven Immunisation, die an 70 Meerschweinchen mittels Anatoxin unter Anwendung von verschieden hergestellten Prä- paraten unternommen wurden (Formalin 0,15, 0,2, 0,3 u. 0,5proz. Dauer der Bearbeitung 5 bis 30 Tage bci 40—420 C), zeigten, daß

Sdrodowski u. Brenn, Aktive Immunisierung gegen Diphtherie usw. 127

ein gut flockulierendes Anatoxin sehr hohe vakzinierende Eigenschaften besitzt: die ein-, zwei und dreimalige Vakzination der Meerschweinchen mit Antitoxin führte immer (in 100 Proz.) zu dauernder Unempfäng- lichkeit gegen Toxin (z. B. Ueberwindung von 400 D.L.M.), die je nach der Art des Anatoxins, seiner Dosierung und Vakzinationsweise ge- wöhnlich im Verlaufe von 14—17, ja in 30—45 Tagen eintrat, nur ausnahmsweise erst nach 50—52 Tagen.

Was das Anatoxin betrifft, welches aus karbolisiertem Gifte bereitet und zur Flockenbildung nicht fähig war, so sind seine vakzinierenden Eigenschaften bedeutend niedriger, und die mit diesem Anatoxin auf dieselbe Art und Weise vakzinierten Meerschweinchen erwiesen sich als immun nur in 63,6 Proz. aller Fälle, und zwar erst nach Verlauf von 66—95 Tagen, während nach einmaliger Vakzination auch nach 80 bis 96 Tagen keine Immunität erzielt wurde.

Unsere Experimente bestätigen hiermit Ramons Angaben, daß die vakzinierenden Eigenschaften des Anatoxins von seiner Flocku- lationsfähigkeit abhängig sind, was jedoch die Möglichkeit nicht aus- schließt, daß auch andere individuelle Eigenschaften des Anatoxins (vielleicht seine Avidität), die bei der Flockulation nicht in Betracht kommen, möglicherweise dabei von Bedeutung sind.

Unsere Beobachtungen führen uns zu der Schlußfolgerung, daß gut flockulierende und möglichst giftfreie, also unschädliche Anatoxin- präparate im höchsten Grade vakzinierende Eigenschaften besitzen, denn die Giftigkeit eines nicht ganz unschädlichen Präparates übt auf die den Immunitätsfaktor produzierenden Zellen und Gewebe des Orga- nismus eine depressive Wirkung aus. Also eine vollkommene Vak- zine muB auch vollständig unschädlich sein.

Die Vakzination von Meerschweinchen mittels Anatoxin gelingt vorzüglich nicht nur bei Anwendung großer Dosen des Präparates, wie Ramon dieses tat (z. B. 1 ccm Anatoxin mit 800 D.L.M. ursprüng- lichen Toxins), sondern auch nach kleinen Dosen, die nach Zehnteln (0,1—0,3) und sogar Hundertsteln (0,0125—0,05) berechnet wurden und die regelmäßig zur Entwicklung einer dauernden Unempfindlichkeit führten, dazu in verhältnismäßig kurzen Zeiträumen. So erzielte man z. B. bei solcher Dosierung eine Immunität nach zwei- und dreimaliger Vakzination mit Intervallen von 7 Tagen in 21—26—31—45 Tagen nach der 1. Impfung. Große Dosen (0,5—1,0—2,0) haben nur den Vorteil, daß sie schon nach einmaliger Vakzination in kürzester Zeit (14—19 Tage) den Organismus zu immunisieren vermögen. Das Gesagte läßt sich am besten durch folgende Serie von Experimenten illustrieren: 17 Meerschweinchen wurden mittels Anatoxin immunisiert, das in 1 ccm 400 D.L.M. ursprünglichen Toxins enthielt; 8 Meerschweinchen, einmal mit Dosen 0,5 (200 T), 1,0 (400 T) und 2,0 (800 T) geimpft, erwiesen sich nach 14—17—19 Tagen immun. 5 Meerschweinchen, zweimal mit einem Intervall von 7 Tagen geimpft, mit Dosen von 0,05 (20 T)—0,1 (40 T)—0,2 (80 T)—0,3 (120 T) waren in 21 bis 24—26 Tagen nach der ersten Impfung immun; endlich wurden 4 Meer- schweinchen mit Ttägigen Zwischenräumen 3mal geimpft und erhielten Dosen von 0,0125 (5 TJ)—0,025 (10 TJ—0,05 (20 T) und alle waren nach 21—26—31 Tagen nach der 1. Impfung immun. Doch wäre noch hinzuzufügen, daß zu kleine Dosen von Anatoxin, z. B. 0,0025 (1 T)

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bis 0,005 (2 T) auch bei dreimaliger Impfung nicht einmal in 2—2!/, Monaten zu immunisieren imstande sind!).

Unsere Versuche haben des weiteren gezeigt, daß eine Zugabe von Antidiphtherieserum zum Anatoxin in einer, der neutralen Zone der ‚Flockulation entsprechenden Menge die Aktivität des Präparates in bedeutendem Grade vermindert, und daß bei der Vakzination von Meer- schweinchen mit der Mischung von Anatoxin + Antitoxin die Immu- nität ungefähr zweimal langsamer erzielt wird. Das Antitoxin, als Bestandteil der Diphtherievakzine, wirkt also hemmend, wodurch aller Wahrscheinlichkeit nach -die wenig aktive Wirkung der Mischungen Toxin-Antitoxin zu erklären ist. Der Wurf von Meerschweinchen. die während der Trächtigkeit mittels Anatoxin immunisiert wurden, zeigte in unseren Versuchen eine bedeutende Unempfindlichkeit gegen Diphtherietoxin (40 Beobachtungen), in einigen wiederholt kon- trollierten Fällen sogar 2—3 Monate lang, was aller Wahrscheinlich- keit nach wohl mit der aktiven plazentaren Immunisation zusammen- hängen mag. (Weitere Beobachtungen sind im Gange.)

Die Ergebnisse der experimentellen Untersuchung des Diphtherie- Anatoxins führten uns in letzter Zeit auch zu Immunisationsversuchen an Menschen. Zur Immunisation wurden Anatoxinpräparate verwendet, die aus frischem Toxin 400—600 D.L.M. auf 1 ccm durch Bearbeitung mit O,5proz. Formalinlösung bei 40—420 C im Laufe von 30 Tagen erhalten wurden.

Jede Vakzination wurde 2mal vorgenommen, in Intervallen von 1—12 Tagen; dabei wurden verschiedene Dosierungen geprüft: 0,1 bis 0,2, 0,2—0,3, 0,3—0,5—10; in einigen Fällen auch imalige Vak- zination mit Dosen von 0,1—0,5. Im ganzen wurden 200 Menschen (Kinder und Erwachsene) immunisiert, die alle Schick-positiv waren.

Was die Reaktion auf diese Vakzine anlangt, so konnte bis jetzt folgendes festgestellt werden: die Vakzination mit Anatoxin kann eine Reaktion von verschiedener Intensität zur Folge haben, nämlich Röte, Infiltration, Schmerzhaftigkeit, die in 2—3 Tagen wieder verschwindet; eine allgemeine Temperaturreaktion war nur ausnahmsweise zu beobachten.

Unsere verschiedenen Versuche ließen erkennen, daß die lokale Re- aktion auch vom Alter des Patienten abhängig ist; Kinder im Alter von 7 Mon. bis zu 3, 4 Jahren vertrugen Dosen von 0,2—0,3, 0,3 bis 0,5, ja sogar 0,5—1,0 sehr leicht und gewöhnlich ohne jegliche Reaktion. Schulkinder und Erwachsene dagegen wiesen eine schwache oder mittlere Reaktion auf nach Dosen von 0,3—0,5, und nur ein unbedeutender Prozentsatz zeigte fast gar keine Reaktion nach Dosen von 0,1—0,2 und 0,2—0,3. Dosen von 0,5—1,0 hatten immer eine starke Reaktion zur Folge, die aber bald verschwand. In einigen Fällen endlich beob- achteten wir bei Erwachsenen eine hohe individuelle Sensibilität gegen Anatoxin?) und eine sehr starke Reaktion schon nach einmaliger Injektion von Dosen von 0,2—0,3.

Betrachtet man die verschiedenen Dosierungsschemata vom Stand- punkt der lokalen Reaktion aus, so kommen wir zu dem Endresultat, daß die Dosierung dem Alter anzupassen ist, wobei jüngeren Kindern

1) In unseren Versuchen kontrollierten wir die Ergebnisse der Impfung durch intrakutane Reaktion nach Schick (1/59 D.L.M.), die nach Schick negativ re- agierten, erhielten eine zweite D.L.M. des Toxins.

2) Keine Pseudoreaktion nach Schick.

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größere Dosen (0,3—0,5 und sogar 0,5—1,0) gegeben werden können, Schulkinder und Erwachsene dagegen kleinerer Dosen (z. B. 0,2—0,3) bedürfen.

Die Dosierung 0,5—1,0, die französische Autoren für jedes Alter empfehlen, kann keine allgemeine Anwendung finden, da sie schon bei Schulkindern eine sehr unangenehme, wenn auch nicht gefährliche Reaktion zur Folge hat. Die Experimente an Meerschweinchen haben bewiesen, daß auch sehr kleine Dosen von Anatoxin in verhältnismäßig kurzer Zeit eine sichere Immunität hervorrufen können, weshalb man auch a priori annehmen kann, daß auch bei der Impfung von Menschen keine großen Mengen von Anatoxin zu verwenden sind.

Ueber die Vakzination von Menschen mittels Anatoxin können wir noch nichts näheres mitteilen, denn die Immunisation wurde erst in letzter Zeit in größerem Maßstabe vorgenommen und ist in den meisten Fällen nicht durch die Schick-Reaktion kontrolliert worden. 20 kon- trollierte Fälle versprechen indes schon gute Resultate. In 2 Fällen z. B., wo Erwachsene mittels Dosen von 0,2—0,3 und 0,5—1,0 be- handelt wurden, stellte die Schick -Reaktion schon nach 15 und 22 Tagen die Immunität fest. Von 9 Kindern (1—7 Jahre alt), denen Anatoxin von 0,3—0,5 injiziert wurde, waren 7 im Laufe von 26—33, 39—45 Tagen immun. In einem Fall von Vakzination eines Erwach- senen war sogar nach einmaliger Dose von 0,1 (!) die Schick-Re- aktion nach 55 Tagen negativ. Bei der Schnelligkeit, mit welcher sich Immunität einstellt, könnte auch die Individualität eine wichtige Rolle spielen; von 2 Erwachsenen, die mittels Dosen von 0,5—1, geimpft wurden, war der eine schon nach 15 Tagen immun, der andere erst nach 3 Monaten (systematische Untersuchungen mit der Schick- Reaktion). In einem Falle wurde eine einmalige Injektion von 0,1 vorgenommen, Immunität stellte sich nach 55 Tagen ein; ın 2 anderen Fällen zweimalige Vakzination mittels Dosen von 0,1—0,2 mit Immu- nität nach 3 Monaten; von 3 Fällen einer gleichzeitigen Immunisation von Erwachsenen mit 0,2—0,3 führte der eine nach 22 Tagen zur Immunität, ‘der zweite nach 60 Tagen, während beim dritten am 60. Tage die Reaktion nach Schick noch positiv ausfiel. Die Versuche wurden gleichzeitig an Personen beiderlei Geschlechts vorgenommen, doch wurde Verzögerung des immunen Zustandes hauptsächlich bei Frauen wahrgenommen. Ferner zeigte sich auch bei systematischer Kon- trolle durch Schick-Reaktion in Fällen von Verspätung der Im- munität eine allergische Verstärkung der letzteren nach Vakzi- nation (gleichzeitig keine ,,Pseudorcaktion‘ mit erhitztem Toxin). Darauf erfolgte allmähliche Verminderung dieser Reaktion bis zum negativen Zustande. Auch bei jüngeren Kindern (3—7 Jahre alt) stellte sich die Immunität individuell verschieden ein: in einem Fall trat nach zweimaliger Impfung mit 0,3—0,5 die Immunität nach 26 bis 33 Tagen ein, im anderen positive Schick-Reaktion nach 2 Mon. Bei verzögertem Eintritt der Immunität zeigte sich auch bei diesen Kindern die oben erwähnte allergische Verstärkung der Schick-Re- aktion.

Die ausgezeichneten Resultate der Vakzination mittels Anatoxin, die Ramon veröffentlicht hat, und die auch in unseren Beobachtungen ihre Bestätigung geffunden haben, machen die Prognose der Anatoxin- Methode um so zuverlässiger, als alle Experimente an Meerschweinchen die hohen vakzinierenden Eigenschaften des Anatoxins mit Sicherheit

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ergeben haben. Die Vakzination mittels Anatoxin sollte prinzipiell zu weiterer Vakzination an Menschen empfohlen werden; mit Recht kann behauptet werden, daß Anatoxin den T + A-Mischungen bei weitem überlegen und deshalb auch vorzuziehen ist. Doch möchten wir darauf hinweisen, daß die Dosierungsfrage des Anatoxins noch besonders er- forscht werden müßte, auch wäre cine Vervollkommnung des Anatoxins an und für sich nicht auszuschließen. Da die vakzinierenden Eigen- schaften des Anatoxins allem Anschein nach individuell verschieden sein können und nicht immer mittels der Flockulationsprobe nach Ramon mit Sicherheit bestimmbar sind, so sollte man dieselben in jedem Falle durch experimentelle Vakzination von Meerschweinchen kontrollieren. Für die Vakzination von Menschen wären nur solche Präparate ver- wendbar, welche bereits eine sichere Immunität bei Meerschweinchen von 250—300 g Gewicht erzielten, und zwar in kurzer Zeit (d. h. nicht später als in 3—4 Wochen) bei Impfung mit mittleren Dosen (z. B. 0,5 (200 T) bei einmaliger Vakzination und 0,1 (40 T)}—0,2 (80 T) bei zweimaliger Impfung) (Kontrolle der Immunität bei Meerschweinchen durch Injektion von mindestens 2 tödlichen Dosen des Toxins). Eine solche resp. ähnliche Kontrolle des Anatoxins wäre zuverlässiger, als die einfache Bestimmung seiner Flockulationsfähig- keit nach Ramon. Selbstverständlich muß das Anatoxin ganz un- schädlich und bei der Injektion auch in großen Mengen (z. B. 5 ccm 2000 T) für Meerschweinchen indifferent sein. Die ganze Frage über die Standardisierung des Anatoxins als Vakzine bedarf jedenfalls noch eingehenden Studiums.

Unsere Untersuchungen über die vakzinierenden Eigenschaften des Anatoxins ermöglichten uns gleichzeitig einige Beobachtungen über die Bedingungen und den Mechanismus der antidiphtherischen Immunisation.

Unsere Experimente zeigten z. B., daß, wenn man einem Meer- schweinchen im Laufe von 14—15 Tagen wiederholt nicht ganz ent- giftetes Anatoxin einimpft in Dosen, die an und für sich ertragen werden, summarisch aber toxischen Dosen entsprechen, das betreffende Tier immer zugrunde geht, wobei der Eintritt des Todes genau von dem Giftigkeitsgrade des Präparates abhängig ist. Dieser Umstand läßt uns vermuten, daß das Anatoxin, wenn es fraktionsweise in den Orga- nismus eingeführt wird, sich in seiner Wirkung summiert, was zur Annahme einer Ansammlung und verhältnismäßig langen Konservierung des Anatoxins im Organismus führt.

Folgende Beispiele illustrieren das eben Gesagte:

Anatoxin „A“ 80T (ursprünglichen Toxins) indifferent; 100 T tötete ein Meerschweinchen von 250 g Gewicht am 28. Tage; Meer- schweinchen Nr. 41 (Gewicht 260 g), das im Laufe von 14 Tagen 30T x 3=90T erhalten hat, stirbt am 52. Tage.

Anatoxin „B“: 20 T indifferent, 30 T tötete Meerschweinchen am 23. Tage; bei dreimaliger Impfung des Meerschweinchens Nr. 32 im Laufe von 14 Tagen 5T + 5T + 5T + 10T = 25T erfolgte der Tod am 30. Tage. Dasselbe Anatoxin „B“: dreimalige Impfung des Meer- schweinchens Nr. 33 im Laufe von 14 Tagen 10T x 3 = 30 T bewirkt Tod am 22. Tage.

Anatoxin „C“: 60 T indifferent; 80 T tötet Meerschweinchen am 28. Tage; nach zweimaliger Impfung des Meerschweinchens Nr. 43 mit Unterbrechung von 14 Tagen 40T + 40T = 80T Tod am 35. Tage. Dasselbe Anatoxin „C“: nach zweimaliger Impfung des Meerschwein-

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chens Nr. 44 mit Zwischenraum von 14 Tagen 60T + 60 T = 120T Tod am 10. Tage.

Die Versuche einer Immunisation der Meerschweinchen mittels Emulsionen aus der Milz und der Gland. suprarenalis von vorher vakzinierten Tieren ergaben bisher noch keine bestimmten Resultate (nur Abschwächung der Schick-Reaktion) und werden noch fort- gesetzt.

Weiter stellten wir fest, daß Meerschweinchen, die mittels Ana- toxin vakziniert waren, jedoch den Immunitätszustand nicht erreichten, Diphtherietoxin gegenüber besonders empfindlich waren. Wie schon oben erwähnt, wiesen auch Menschen, die mit Anatoxin vakziniert waren, im Laufe der auf die Vakzination folgenden Wochen eine scharfe und eigenartig verstärkte Schick-Reaktion auf, die in der Folge allmählig schwächer wurde und endlich schwand. Dieser Umstand berechtigt zu der Annahme, daß in Fällen von Diphtherie-Vakzination der Immuni- tät eine allergische Zustandsphase des Organismus vorangehe (letztere kann von individuell verschiedener Dauer sein s. oben); diese Tatsachen entsprechen auch vollständig den Angaben von Bieling, Bieling und Gottschalk (1923—1924), die die Absorptionsverhält- nisse des Diphtherietoxins (sowie Tetanustoxins) nach wiederholter Einführung in die Organe eingehend prüften und feststellen konnten, daß bei wiederholter Einführung des Giftes die Absorptionsfähigkeit der Zellen sich allergisch steigere, und daß diese Allergie eine Vorstufe der darauffolgenden Immunität sei.

Diese anscheinend rein zelluläre Allergie des Organismus als Vor- stufe der Immunität widerspricht nicht der „humoralen‘‘ Natur der antitoxischen Immunität bei Diphtherie, da es wohl denkbar wäre, daß auch die sogenannten antitoxischen Eigenschaften des Immunserums vielleicht nur der Ausdruck eines eigenartigen Allergiezustandes dieses „flüssigen Gewebes“ wären, im Sinne einer erhöhten Absorptions- fähigkeit gegenüber dem Toxin.

Anhang.

Im Zusammenhang mit den erwähnten Angaben über das Anatoxin und seine vakzinierenden Eigenschaften erlaube ich mir, zugleich auch die Resultate einer vergleichenden Schätzung der aktiven Immunisation gegen Diphtherie mittels der T + A-Mischungen und Anatoxin mit- zuteilen, nach experimentellen Untersuchungen meiner Assistentin, Dr. K. Chalapina.

Vergleichende Versuche, an 20 Tauben gleichzeitig ausgeführt, er- gaben folgendes:

Tauben, die mittels einer hyponeutralen (in bezug auf Flocku- lation) T+A-Mischung immunisiert waren (das Charakteristische des hyponeutralen Zustandes ist ein Defekt von ungefähr 1 AE. auf 1 ccm von Toxin im Vergleich zu einem neutralen Gemisch; Toxin 600T auf 1 ccm) zeigte nach zweimaliger Vakzination mit Intervallen von 7—8 Tagen unter Benutzung von Dosenserien von 0,01 bis 0,0025, ja bis 0,5—1,0 eine Immunität nach 2—4 Monaten in 50 Proz. der Ver- suche bei Benutzung einer 2stünd. Mischung (vor dem Erscheinen der Flockulation) und in 86 Proz. der Versuche bei Benutzung einer 7stünd. Mischung (nachdem die Flockulation beendet war). Zweimal unter denselben Bedingungen mittels Anatoxin in Dosen von 0,025—0,05

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bis 0,05—0,1 gegen Diphtherie immunisierte Tauben waren nach Ver- lauf von 18—30 Tagen nach Beendigung der Vakzination in allen 100 Proz. der Fälle vollständig immun.

Aus den obigen Versuchen ist zu ersehen, daß das Anatoxin be- deutend mehr aktive vakzinierende Eigenschaften besitzt, verglichen mit der hyponeutralen T + A-Mischung.

Literatur.

1) Bamon, Ann. de l’Inst. Pasteur. 1924—1925. 2) Sdrodowski et Brenn, Trav. de l'Inst. de Microbiol. d'Aserbeidjan. T. 1. 1924. [russisch |. 3) Bächer, Kraus u. Löwenstein, Ztschr. f. Immunitätsforschung. 1925. 4) Boeckel, v., The Prophylaxis ot Diphtherie. Geneva 1924. 5) Bieliug, Ztschr f. Immunitätsf. Bd. 38. 1923/24. 6) Bieling u. Gottschalk, Ztschr. f. Hyg. Bd. 99. 1923. |

Nachdruck verboten. Ueber Lebensäusserungen von Corynebakterien. °

[Aus dem Untersuchungsamt für ansteckende Krankheiten beim Hy- gienischen Institut in Kiel (Leiter: Prof. Dr. L. Bitter).]

Von L. Bitter, M. Gundel und T. Garcia Sancho.

Unsere Kenntnisse von den Lebenseigenschaften und Lebens- äußerungen der verschiedenen Bakteriengruppen sind verhältnismäßig gering. Besonders sind die Widersprüche, die wir in den vielen Ar- beiten über die Stoffwechselvorgänge der Diphtheriebakterien finden, so zahlreich, daß nähere Untersuchungen über die diesbezüglichen Ver- hältnisse bei den Diphtherie- und diphtherieähnlichen Bakterien wün- schenswert erscheinen. Darüber hinaus versprachen Untersuchungen über das Abhängigkeitsverhältnis zwischen irgendwelchen chemischen Leistungsfähigkeiten und der Pathogenität bzw. der fehlenden Patho- genität die Möglichkeit, Hilfsmittel zu gewinnen, um unter Um- ständen Ordnung in die große Diphtheriegruppe zu bringen. Es gehört ja bekanntlich zu den größten Schwierigkeiten, die Diphtheroiden als apathogene von den echten Diphtheriebakterien als pathogene Ver- treter unabhängig vom Tierversuch zu unterscheiden.

Es ist schon lange bekannt, daß die Diphtheriebakterien in verschiedenen Nähr- flüssigkeiten Säure bzw. Alkali zu bilden vermögen. Schon in den Arbeiten vonLöffler (1), Zarnikow (2), Roux und Yersin (3), Babes (4) u. a. wurde diese Tat- sache betont. doch begnügten sich diese Forscher mit der Feststellung einer beträcht- lichen N; (Lackmuspapier) der Diphtheriebakterien in Fleischbouillon in den meisten Fällen, ohne jedoch den Chemismus besonders zu prüfen. Esche- rich (5), Fränkel (6), Peters (7), Neißer (8) u. a. bearbeiteten dieses Gebiet weiter, zum Teil mittels verfeinerter Methode (Normalnatronlauge gegen Phe- : nopi alen) aber wiederum ohne den qualitativen und quantitativen Gehalt an Kohlehydraten in der Nährbouillon zu berücksichtigen.

Erst Spronk (9), dessen Arbeit über die Toxinbildung von Diphtherie- bakterien in Fleischbouillon auf den Beobachtungen von Roux und Yersin fult, sah die Ursache der verschiedenen intensiven Toxinbildung in dem wechselnden Zuckergehalt des Fleisches. Roux und Yersin hatten nämlich gefunden, daß die Diphtheriebouillonkultur, solange sie sich im sauren Stadium befindet, ungiftig, sobald sie jedoch, was nach einiger Zeit geschieht, ins alkalische übergeht, giftig rd Spronk konnte nun feststellen, daß in alterndem Fleische der Muskelzucker sich

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Bitter, Gundel u. Sancho, Lebensäußerungen von Corynebakterien. 133

zu zersetzen beginnt. Eine Bouillon, die z. B. aus leicht verdorbenem Kalbfleisch her- gestellt ist, enthält von dem Zucker nur noch Spuren. Es ist so ohne weiteres zu ver- stehen, daß diese Bouillon, beimpft mit Diphtheriebakterien. bald in das alkalische Stadium mit lebhafter Toxinbildung übergeführt wird. Auf Grund seiner Unter- suchungen empfiehlt er daher, für die Toxinbildung eine Diphtheriekultur in einer Bouillon anzusetzen, die aus leicht verdorbenem Fleisch hergestellt wurde.

Smith (10) stellte weitere Versuche zur Gewinnung maximäier Toxinmengen an, indem er zunächst die Fleischbouillon mit Coli- Bakterien beimpfte, wodurch der Bouillonzucker vergoren wurde, um die Brühe dann mit Diphtheriebakterien zu beimpfen. Er erhielt auf diese Weise eine Toxinbildung von konstanter Stärke.

Schließlich maß Lubeuau (11) in den Versuchen zu seiner Arbeit „Zur Säurebildung des Diphtheriebazillus“ die Säure- bzw. Alkalibildung in flüssigen Nährmedien und in Fleischbouillon, die vorher mit Hilfe von Coli- Bakterien vergoren und dann gegen Phenolphthalein neutralisiert war. Wir müssen auf die Ergebnisse der Arbeit von Lubenau etwas ausführlicher eingehen. Lubenau konnte feststellen, daß sowohl die Diphtherie- als auch die diphtherieähnlichen Bakterien in kohlehydrathaltigen Nährflüssigkeiten Säure bilden und daß die Säüure- mengen bei den verschiedenen Kohlchvdraten verschieden groß waren, wobei er die Reihe fand: Traubenzucker, Dextrin, Maltose, Lävulose und am wenigsten Säure aus Laktose und Saccharose. Weiter beobachtete er, daß in zuckerfreier Nährbouillon die Säurebildung sistiert und vielmehr hier Alkali gebildet wird. Diese Alkali- bildung zeigen aber nur die Diphtheriebakterien, nicht dagegen diphtherieähnliche. Besonders auffällig sind die folgenden Beobachtungen von Lubenau: die Säure- bildung in zuckerhaltiger und die Alkalibildung in zuckerfreier Nährbouillon geht unabhängig von der Ausgangsreuktion der Nährmedien vor sich. Weiter ist in die Augen springend seine Ben daß die diphtherieähnlichen Bakterien keine nennenswerten Mengen von Alkali Bilden, sondern die zuckerfreie Bouillon unver- ändert lassen. Da nun seine Untersuchungen sich nur auf 4 echte Diphtherie- und 3 diphtherieähnliche Stämme stützen, können wir mit Hilfe seiner Ergebnisse die hier bestehende Lücke nicht ausfüllen. Es mußte einmal die Zahl der Stämme er- heblich vermehrt und andererseits eine Untersuchungsmethode gewählt werden, die möglichst geringe Fehlerquellen aufweist.

Weiterhin hat Schmitz (12) über die Diphtherie- und die „sogenannten Pseudodiphtheriebazillen“ gearbeitet. Schmitz bringt in seiner Arbeit keine neuen Fingerzeige. Er glaubt, daß es zwischen den beiden Gruppen fließende Uebergänge ibt, ohne aber selbst Beispiele für seine Annahme erbringen zu können. Van tiemsdijk (13) hat recht sorgfältig über die Diphtherie- und die diphtherieähn- lichen Bakterien Untersuchungen angestellt und glaubt, eine sichere Diphtherie- diagnose abhängig machen zu müssen von dem Ausfall des Tierversuches sowie der Säurebildung aus Glukose (die Diphtheriebakterien bilden Säure, die Pseudodiphtherie dagegen nicht). Aber auch diese Untersuchungen halten kaum einer ernsthaften Kritik stand, da sie die Arbeit von Lubenau nicht berücksichtigt hat.

Wir haben für unsere Untersuchung 31 Stämme isoliert und zwar sind hiervon 22 echte tierpathogene und 9 avirulente Stämme. Die Technik war die folgende: die Wattebäusche, teils als Abstriche vom Rachen und teils aus der Nase stammend, wurden auf Traubenzucker- blutagarplatten verstrichen. Nach 24stünd. Bebrütung wurden Präparate angefertigt, die nach Gram und Neißer gefärbt und dann mikro- skopisch untersucht wurden. Bei Verdacht auf Anwesenheit von Di- phtheriebakterien wurde mit Hilfe von Plattenverfahren eine Rein- züchtung versucht und die Reinkulturen zum Tierversuch verwendet.

Die 22 als echte Diphtherie- und die 9 als diphtherieähnliche Bakterien erkannten Stämme wurden auf ihr Säurebildungsvermögen in ,,Diphtherie-Molke‘ (1 Proz. Pepton, 1 Proz. Traubenzucker, 0,5 Proz. Natriumchlorid in 100 Teilen Wasser sowie Chinablau als Indikator) geprüft. Wir erhielten nach 24, 48, 72 Std. Bebrütung folgende Re- sultate (s. Tab. I, S. 134),

Es geht aus der Tabelle I hervor, daß die Stämme I—XII sowie a, b, c und g die Chinablaumolke säuern, woraus resultiert, daß 26 Stämme nach dem Vorschlag von van Riemsdijk als Diphtherie- und 5 als diphtherieähnliche Bakterien angesehen werden müssen.

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Tabelle I. Nr. des | = Nah N Nr. des ' Nach = Stammes: | 24 , 48 | 72 Std. ; Stammes: | 21 48 | 72 Std. I ++ ++ | ++ | XVu + + + II + | + + i XVIII + + + LI +, + + | XIX + + + 1V E., 4 o + | XX I + T + V F + + | XXI + + | + VI + + ++ ++ | XXU + + + VII + + + a + Un VIII | + + + b 4 + | + IX + + | + c + | + X + + + d - | - i XI + + + Da - | | XII ı + + + of i XIL | + + + g + |} + XIV H + + = 2 z XV | + + + i —- XVI ; + + + | Anmerkung zur Tabelle I: —: farblos = Säure negativ. +: blau Säure positiv.

+ +: tiefblau = Säure stark positiv.

Wie weiter oben ausgeführt worden ist, muß die Pathogenitäts- prüfung zur sicheren Erkennung herangezogen werden, da zweifellos feststeht, daß nicht alle Corynebakterien, die aus Traubenzucker Säure bilden, durch Giftbildungsvermögen ausgezeichnet sind. Man muß 3 Gruppen unterscheiden, nämlich 1) echte Diphtherie- (Säure- und Toxinbildung positiv), 2) diphtherieähnliche (Säure- positiv, Toxin- bildung negativ). 3) Pseudodiphtheriebakterien (Säure- und Toxinbildung negativ). Sämtliche 31 Stämme wurden auf ihre Pathogenität an Meer- schweinchen geprüft. Den Tieren wurden je 1 ccm einer 48 Std. alten Blutagarkultur in die Gegend des Schwertfortsatzes subkutan eingeimpft. Die Meerschweinchen, die mit den Stämmen 1 bis 22 infiziert worden waren, starben innerhalb von 24 bis 144 Std. Die Sektion zeigte die typische sulzige, ödematöse, blutiggefärbte Schwellung des Unterhaut- bindegewebes, in der Brusthöhle eine klare wässerige Flüssigkeit, Herz und Lungen ohne Befund, in der Bauchhöhle keine Flüssigkeitsan- sammlung, Milz, Leber und Nieren ohne Befund; die Nebennieren waren stark geschwollen und tief gerötet. Diejenigen Tiere, die mit den Stämmen a—i geimpft waren, starben nicht und hatten keinerlei Krank- heitserscheinungen gezeigt.

Wir hatten es also mit 22 pathogenen Diphtheriestämmen, 4 nicht- pathogenen, denn sie hatten die Traubenzucker-Chinablaumolke gesäuert, und 5 Pseudodiphtheriestämmen zu tun.

Hier dürfen die Ergebnisse der Neißerschen Körnchenfärbung und der Gramfärbung angeführt werden: sämtliche Stämme sind gram- positiv, alle tierpathogenen sind durch positive Körnchenfärbung (in verschiedener Stärke) ausgezeichnet, die Lagerung ist bei allen Stämmen durchaus typisch, von den apathogenen haben 2 (a und c) spärliche Kôrnchen im Neißerpräparat. Besonders darf hervorgehoben werden, daB der Stamm I als der am stärksten virulente die meisten Körnchen aufweist, der Stamm XIII als der am schwächsten virulente die wenigsten Körnchen und daß man zwischen den beiden Extremen die

Bitter, Gundel u. Sancho, Lebensäußerungen von Corynebakterien. 135

Uebergänge an Zahl der Körnchen findet. Man kann also im allgemeinen sagen, daB in der Mehrzahl der ‚Fälle eine einwandfreie Diagnose auf Grund des morphologischen Verhaltens gestellt werden kann, daß es aber auch diphtherieähnliche Stämme gibt, die unter Umständen eine positive Neißerfärbung haben.

Aus Untersuchungen von Bitter, die nicht veröffentlicht worden sind, soll ein größeres Material für diese Mitteilung verwertet werden. Von den in Frage stehenden 101 Stämmen sind 75 auf ihre Pathogenität geprüft worden. Gleichzeitig wurde die Säuerung in der Diphtherie- Chinablaumolke beobachtet. Die in der folgenden Aufstellung an- gegebenen Diagnosen sind auf die morphologisch-kulturelle Untersuchung gegründet und sind in Anführungsstrichen angegeben. Tabellarisch ergibt sich dann folgendes:

1. 35 „Di.Stämme* mit positiver Pathogen. und pos. Säuerung nach 24 Std. 2. 1 negativer Se y 5 „24

» » 2 » 5. : a 48 , 4. 8 ,Ps.DiStämme“ g positiver ; : z g 24 5.10 , , z negativer Fe $ » 24 , 6. 14 $ » í » neg. i 7. 3 „Di. Stämme“ 5 5 m en k

Wir sehen aus dieser Aufstellung, daß eine sichere Diagnose -— auch bei Geübten nicht möglich ist. Es sind also 14 Pseudodiphtherie- stämme unter 32 Pseudodiphtheriediagnosen richtig erkannt worden: 8 zeichneten sich durch positive Tierpathogenität und 10 durch positive Säurebildung aus. Die Annahme von Schmitz, daß eine Diagnose auf Diphtherie oder Pseudodiphtherie auch ohne Tierversuch gestellt werden kann, muß daher mit Entschiedenheit abgelehnt werden, um so mehr als auch 3 Stämme als Diphtherie nach ihrem morphologisch- kulturellen Verhalten bezeichnet wurden und nachher sich als Pseudo- diphtheriebakterien herausstellten. Was die Wunddiphtherie anbetrifft, so ist ja schon von verschiedenen Autoren darauf hingewiesen, wie außerordentlich schwer die Stellung einer richtigen Diagnose ist.

Nach den oben besprochenen Versuchen zur Gewinnung eines ge- nügend großen Materials hielten wir es für nötig, einen Teil unserer Stämme mittels der gewöhnlichen Titrationsmethode auf ihr Säure-

I. Gruppe. II. Gruppe. „Diphtherie* Stämme. „Diphtherie* Stämme. T+, S+. T —, S +, nach 24 Std. - Nr. ccm NaOH “Nr. ccm NaOH Nr. ccm NaOH 1 1,40 33 1,30 18 1,10 3 0,70 39 1,20 6 1,20 40 1,20 7 1,00 16 1,00 9 1,30 49 1.20 10 ; 2 X 3 N nn = en III. Gruppe. 15 120 5 130 „Diphtherie* Stämme 16 1,30 63 0,90 SD ro 17 1,10 65 1.00 n „+ 2) 0,80 66 1.40 Nr. cem NaOH. 22 1,30 67 1,30 17 0,15 23 1,20 69 1,3 60 1,00 25 1,20 70 1,20 62 0.10 27 0,70 71 1,00 68 0,30 29 1,30 72 1.30 3N 1,20 75 1.3 31 1,20

136 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

bildungsvermögen zu prüfen. Wir hielten es um so mehr für nötig, als die anderen Messungen in dieser Richtung mit Hilfe der Gaskette durchgeführt werden sollten und so kein genügendes Vergleichsmaterial mit älteren Arbeiten zur Verfügung stand. Bitter hatte schon vor Jahren an 101 Stämmen titrimetrische Bestimmungen (N/10 Natron- lauge gegen Phenophthalein) vorgenommen. Wir möchten nun in der vorstehenden Darstellung die Messungen an den 75 in Tierversuchen ge- prüften oben erwähnten Stämmen besprechen. Hervorzuheben ist, daf Titrierungen nur nach 48 Std. Bebrütung ausgeführt worden sind!ı.

IV. Gruppe. V. Gruppe. VI. Gruppe. „Pseudodiphtherie“ „Pseudodiphtherie“ „Pseudodiphtherie*“ T+,S+. T— S+. | T —, 8 —. Nr. ccm NaOH Nr. ccm NaOH Nr. ccm NaOH 5 1,20 19 0,40 2 0,30 11 1,3) 47 0,15 21 0,30 12 1,30 4 1,10 24 0.30 14 1,30 8 0,80 28 0.30 DG 1,30 26 0.90 31 0,30 57 1,20 38 0,50 34 0,30 ‚9 1,10 41 0,70 35 0,30 17 0,30 42 0,40 36 0,30 43 0,40 37 0,30 44 0,40 45 0,30 48 0,30 VIL Gruppe. T o » Diphtherie“. ni 0 30 T—, 5 —. Nr. ccm NaOH 50 0.30 51 5,30 55 0,30 Anmerkung: T Tierpathogenität. S = Säurebildung aus Glukose. + = positiv. = negativ.

Als Diagnose finden wir in der Aufstellung die nach der morpho- logisch-kulturellen Untersuchung sich ergebenden Bezeichnungen. Es geht aus den Bestimmungen hervor, daß die als echte Diphtherie richtig erkannten Stämme der Gruppe 1 am meisten Säure bilden, als nächste Gruppe folgt die 4., deren Angehörige aber sämtlich als echte Diphtherie bezeichnet werden müssen. Was die Säurebildung anbetrifft, folgt dann die 5. Gruppe, die wir nach ihrem Verhalten jedoch als ,,un- echte“ (avirulente) Diphtherie ansprechen müssen. Der Vertreter der Gruppe 2 ist als solcher richtig erkannt, wenn er auch apathogen ist, die Vertreter der 3. Gruppe müssen wegen ihrer geringen Säurebildung als Uebergang aufgefaßt werden zu der Gruppe der Pseudodiphtherie- bakterien, sind aber richtig als Diphtherie angesprochen worden. Die Vertreter der 6. Gruppe sind als Pscudodiphtherie erkannt und die Vertreter dieser Gruppe bilden auch nach 48 Std. Bebrütung keine Säure. Die 7. Gruppe ist fälschlicherweise als Diphtherie diagnostiziert sie müssen wegen ihrer negativen Tierpathogenität und fehlenden Säure- bildung als Pseudodiphtherie bezeichnet werden.

1) Die von Abel (Bakt. Taschenbuch. 1918. 21. Aufl.) gefundenen Werte wurden in frischem, leicht alkalischem Fleischwasser nach 24—48 Std. festgestellt.

Bitter, Gundel u. Sancho, Lebensäußerungen von Corynebakterien. 137

Kommen wir jetzt zu unseren Untersuchungen: die Stämme I-XV und a bis i wurden in Röhrchen, enthaltend je 10 ccm Molke, die aus 1 Proz. Pepton, 1 Proz. Traubenzucker und 0,5 Proz. Natriumchlorid in 100 Teilen dest. Wasser bestand, verimpft. Die Säurebildung wurde jede 24 Std. bis zu 144 Std. Bebrütung bei 370 durch Titration mit n/10 Natronlauge und Phenophthalein als Indikator gemessen. Bei jeder Titration wurde als Kontrolle ein unbeimpftes Molkenröhrchen

gemessen. | Wir erhielten die aus der Tabelle II ersichtlichen Werte. Tabelle II.

Nr. des

Stammes

I 0,54 1,10 1,10 1,10 1,00 0,98 cem n,10 NaOH u 0,34 070 00 00 05 0,60 p, n č III 0,34 0,70 0,75 0,90 0,78 0,70 ,, = i IV 0,42 0,80 0,76 0.80 0,80 0,60 , ; 7 V 0,32 0,70 0,50 0,74 0,80 0,80 ,, j : VI 0,33 05 00 02 10 092 , Š VIL 0,36 08 09000 090 090 , , E VIII 035 0,70 050 040 040 038 , 0 IX 0,22 042 050 045 040 040 5 so, X 0.28 0,55 0,683 070 058 On XI 0,25 050 060 048 647 04 o, XII 0.18 0,35 050 0,40 0,40 0,39 ,, z = XILI 010 020 00 020 020 08 00 XIV 04 040 05 03:02 02 Won XV 0,20 0,60 0,52 0,50 0,50 O,18 ,, FR a a 0,20 022 022 026 028 025 en i b 0,05 0,05 0,03 0,00 0,00 0,00 ,, m c 0,10 015 020 025 028 On d 0,00 0,00 0.00 0,00 0,05 0,00 ,, A Fe e 0,00 0,00 0.02 0.03 0,05 000 ,, en à f 0,00 00 00 002 0,02 00 | , g 0.02 013 020 025 020 08 „p,

0,00 00 002 04 0,04 006; p

Nach 4 8 12 6 120 144 Std. bei 37°. NAO NaOH |

TITI EU ERBENEENE BI AENEBERTIE

Nach 24 48 72 96 120 144 Stunden

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Zur besseren Uebersicht der in der Tabelle II festgelegten Zahlen diene die Kurve 1, in der graphisch die maximalen und minimalen Werte der Säuerung für Diphtherie- und diphtherieähnliche Bakterien eingetragen worden sind. Auf der Abszisse des Koordinationssystems sind die Stunden und auf der Ordinate die Mengen an verbrauchter n/10 Natronlauge in ccm angegeben.

In diesem Bilde stellen die ausgezogenen Linien die beiden Grenz- werte maximaler und minimaler Säuerung der Diphtheriemolken dar, wihrend die gestrichelten Linien die Werte der Säuerung der mit diphtherieähnlichen Bakterien beimpften Molken angeben.

Ganz allgemein geht ja aus dem Bilde außerordentlich deutlich der Unterschied im Säurebildungsvermögen der beiden Gruppen hervor. Auch aus der Tabelle 3, in der wir die Mittelwerte der Säuerung der beiden Gruppen zusammengefaßt haben, resultiert die starke Säure- bildung der Diphtherie- und das geringe Säurebildungsvermögen der diphtherieähnlichen Stämme.

Tabelle III.

Mittelwert | der Säurebildung in den + 0,16 0.62 065 062 0,64 0,58 ccm n/lO NaOH mit Diphtherie- | diphtherieähnlichen | Bakterien beimpften 0,03 0,06 007 010 010 009 , > D

Molken Nach 24 48 72 96 120 144 Std.

Die graphische Darstellung zeigt also, daß eine sichere Unter- scheidung der Diphtherie von den diphtherieähnlichen Bakterien auf Grund der Menge der von ihnen gebildeten Säure schwierig ist, weil es wohl ganz wenige (bei uns 1 von 9, bei Bitter 4 von 24) diphtherie- ähnliche Stämme gibt, die in 48 Stunden etwas mehr Säure bilden als der am wenigsten Säure produzierende Diphtheriestamm.

Wir dürfen an dieser Stelle und das gilt für sämtliche Unter- suchungen hinzufügen, daß an jedem Tag vor der Messung eine Ocse der zu prüfenden Molke auf Blutagarplatten ausgesät wurde, um das Vorhandensein lebender Bakterien in Reinkultur festzustellen.

Durch die Einführung der Messung der Wasserstoffionenkonzen- tration von Nährmedien in die Bakteriologie ist uns eine Methode in die Hand gegeben, die uns erlaubt, weit sichere und genauere Werte der Säurung bzw. Alkalisierung eines Nährsubstrats zu erhalten. Wir können weit feiner als bisher die Veränderungen studieren, die durch die Einimpfung von Bakterien in Substraten ziemlich gleich welcher Zu- sammensetzung ausgelöst werden. Für unsere Untersuchungen wurde die Gaskette nach Michaelis benutzt. Die gefundenen Werte sind in Pır ausgedrückt.

In Röhrchen von 10 ccm Inhalt, bestehend aus 1 Proz. Pepton, 1 Proz. Traubenzucker und 0,5 Proz. Natriumchlorid in 100 Teilen Wasser, wurde jeder Stamm eingeimpft und nach je 24 Std. Be- brütung (370) gemessen. Die Ausgangs-Pr war 6,90. Die Messungen ergaben die aus der Tabelle IV, S. 139, ersichtlichen Werte.

Zur besseren Erläuterung dieser Tabelle soll wiederum die Kurve 2 dienen, die die maximalen und minimalen Werte der An- nn seitens der Diphtherie- und diphtherieähnlichen Bakterien angibt.

139

Bitter, Gundel u. Sancho, Lebensäußerungen von Corynebakterien.

2SORESSELS (SBARBS RSSA |j | I 1 1 1 ı 8

m 1,3 A LS LS A a m A La Lei A m LS

10 CO CO DO CO AD LCD LI DD) OO DO OO © OO Oooo

CS = an ap © LS æ Lo a Co an mn Ca Ca CS CS = Ces oa = Li e

O 9 © & © © © © D = m Ce O0 19 ei, IR DEE EEE EEE

a . o~ Ca m an Cas a Le] a Ca [> Ca a CS CS a Ca Can Ca m a nen â e o. +

N 10 Q M = NO D N O HE 10 ON N LR SZERTZAILRÄANALREZFESHRET (°° RER.

C a LS LS [> ° Les a Cad Ca) Col a CS a CS Q CS on A kas A a

a ÉRSABRRRONSRNIABARCNSERS Ba à

Le] Les ~ ka) Led on on Lol an Kal Ka) ai Led Lel Le] m Led Lol on Led Led on m a man en en en āū OA

Tabelle IV.

POASZISZSRZOIHSIRSLZOSSTAZTZERLBSOZEZEENDR oe ee on ee

neir {æi Seer a un RSR EST DE A EELE DOBBRS À

on Ca a m on -~ Led a kad Ka CS a on a La a N on oa Cas Ca CS [5 = = a Ca A Can CS

LALSARRAAMEDSHLTONFSZABRSEIRR

Les Led a Led Le) La Ce [5 A m Cas La) Les nn a e H © om e- on > en Ca e a an m

ZEZLFELRRASSRLALEZTBEALLARLALER N

- = Le an Las an nm on Kal Kai rn e - e Q a a Ca a Aa an e m = A Ka Kas a m

9 DO DO CO CO 9 DO DO D DO DO LEO GO LO LD © DO DO SS DO DO OO OS OS CO DO OD 3 7

SO oT u U.

ystems sind die Stunden und auf

-Werte eingezeichnet.

Auf der Abszisse des Koordinatens

der Ordinate die gefundenen Pa

TITI DUO ELF RTE QUAD HALTEN

120

72

Nach

eor 980 -..nwnn‘4e980o9r 00 FN or a

5 6 7

z Q.

Kurve 2.

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Aus der Tabelle IV und der Kurve 2 geht hervor, wie wir auch bereits weiter oben gesehen haben, daß die Säurebildung der Diphtheriestämme erheblich intensiver ist, als die der diphtherieähn- lichen Stämme. Wir müssen aber feststellen, daß es wenn auch selten Grenzstämme gibt, so daß eine einwandfreie Differenzierung nicht möglich erscheint. Unter Berücksichtigung der Mittelwerte (s. Tabelle V) darf man nur sagen, daß im allgemeinen die Diphtherie- sich von den diphtherieähnlichen Bakterien durch ihre größere Säureproduk- tion unterscheideı

Tabelle V. Mittelwert der Säuerung in den | 632 6,18 645 5,92 593 6,02 596 603 6,17 px „nit Diphtherie- | iphtherieähnlichen Bakterien beimpften 1685 6,79 6,79 676 6,76 682 6,84 ,

Molken Nach 24 48 72 96 120 144 168 192 216 Std.

Um nun die Alkalibildung der Diphtherie- und diphtherieähnlichen Bakterien zu untersuchen, wurden folgende Versuche angestellt: In Röhrchen mit 10 ccm Inhalt, der aus 1 Proz. Pepton und 0,5 Natrium- chlorid in 100 Teilen bestand, wurden von der Ausgangs-Pa 7,07 eine Reihe von Stämmen eingeimpft und bis 144 Stunden Bebrütung bei 37° alle 24 Std. gemessen. Die Messungen ergaben folgende Werte:

Tabelle VI.

Nr. des

Stammes I 7.09 7,22 7,34 7,59 7,44 7,43 PH II 7.07 7,27 7,42 7,44 7.44 7,33 IV 7 08 7.25 741 7,43 7,35 7,32 ,, VIII 7,08 7.25 7,46 7,46 7,44 7,39 7,11 7,20 7,37 7,40 7,44 7,36 XIII 713 7.16 7,32 7,32 7,28 7,20 ,, XXI 7.09 7,28 7,30 7,46 7,51 7,90 XII 7.08 7,20 7,44 7,44 7,42 7,39 VII 7,16 7,16 7,34 7,37 7.49 745 £ 7.22 7,22 7,23 7.20 7,20 718 c 7,11 7,10 7,12 7,20 7,25 7.20 ,, b 7,11 7,11 7,24 7,20 7,22 7,16 a 711 713 709 715 715 715, d 21 7,23 7,35 7,20 7,15 7,15 p e ‚14 7,35 7.29 7,22 7,18 7,18 ,, f 7,18 7,30 7,18 7,15 7.15 7,11 ,, i 7.21 1.23 7,21 7,20 7,18 7,14 ,, Nach 24 48 72 96 120 144 Std

Tabelle VII. Mittelwert der Alkalisierung in den 7,09 1,22 7,35 7,43 7,43 7,35 pg mit Diphtherie- diphtherieähnlichen | Bakterien beimpften 17,16 7,20 7,21 7,19 7,18 HiS 5

Molken Nach 24 48 12 96 120 144 Std.

Wir sehen aus den Tabellen VI und VII, sowie der folgenden Kurve 3, daB die diphtherieähnlichen Bakterien das Maximum ihrer Alkalibildung in den ersten 3 Tagen erreichen, während wir bei den

Bitter, Gundel u. Sancho, Lebensäußerungen von Corynebakterien. 141

Diphtheriestämmen maximale Werte erst am 4.—5. Tage iinden, die, was die Menge des Alkali in Beziehung zu der der diphtherieähnlichen Bakterien anbetrifft, erheblich höhere Werte darstellen.

Nach 24 48 72 96 120 144 Stunden ->

Kurve 3. Anmerkung: Die Kurvenzeichnung ist wie bei der Darstellung 1.

Fassen wir die Ergebnisse unserer bisherigen Untersuchungen zu- sammen, dann können wir folgendes feststellen:

Die Diphtheriebakterien erreichen den maximalen Wert der Säure- bildung schneller als die Pseudo- und diphtherieähnlichen Bakterien und bilden auch mehr Säure, wohingegen die letzteren bei der Alkali- bildung fast immer eher ihren maximalen Wert erreichen als die Diphthe- riebakterien, die im allgemeinen aber auch mehr Alkali produzieren. Die früheren Vorschläge der Unterscheidung der Diphtherie- von den diphtherieähnlichen Bakterien auf Grund der von ihnen gebildeten Säure- bzw. Alkalimenge erweisen sich nach unseren Untersuchungen als nicht zureichend.

Auf Grund unserer Ergebnisse glauben wir folgende Unterschei- dungsmethode vorschlagen zu können:

Wir impfen eine Oese Kultur von dem zu prüfenden Stamm in ein Röhrchen von folgendem Inhalt (10 ccm): 1 Proz. Pepton, 1 Proz. Traubenzucker und 0,5 Proz. Natriumchlorid in 100 Teilen Wasser von einer Ausgangs-Pr 6,90. Nach 96 Std. Bebrütung messen wir die Kultur mittels einer Gaskette. Erhalten wir dann einen Wert von Pu 6,50 abwärts (nach der sauren Seite), so ist der Stamm als ein Diphtheriestamm zu diagnostizieren. Dagegen, wenn nach 120stünd. Bebrütung ein Wert Pu 6,56 aufwärts (nach der alkalischen Seite erhalten wird, ist der Stamm als ein diphtherieähnliches bzw. Pseudo- diphtheriebakterium anzusehen.

Zur Kontrolle dieser Untersuchungsmethode wurden, abgesehen von den bereits auf diese Art geprüften 32 Stämmen, 4 diphtherieverdächtige. Stämme in der angegebenen Form verimpft und die Kulturen nach den nu Zeiten gemessen, wobei als Resultat folgende Werte heraus- amen :

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Nr. des Stammes 1 6,81 6,90 PH 2 6,08 6,22 3 6,73 6,75 4 6,60 6,64 ,, Nach 96 120 Stunden.

Aus dieser kleinen Aufstellung ginge demnach hervor, daß der Stamm 2 als Diphtherie- und die Stämme 1, 3 und 4 als diphtherie- ähnliche bzw. Pseudodiphtheriebakterien angesehen werden müßten.

Um diese Resultate auf ihre Richtigkeit zu prüfen, wurde von jedem Stamm ein Tierversuch angesetzt. Es ergab sich, daß die Stämme 1,3 und 4 nicht pathogen, dagegen der Stamm 2 pathogen war.

Variationsversuche.

Von den 31 Stämmen zeigten sich bei den Tierversuchen die Stämme I—XXII als pathogen, doch war ihre Virulenz verschieden stark. So tötete der Stamm I, der wie oben schon erwähnt, auch am stärksten Säure bildete, ein Tier schon innerhalb 24 Std., der Stammll nach 48, der Stamm XII nach 72 Std. usw. Der Stamm XIII, der am wenigsten Säure bildete, tötete ein Tier erst in 144 Std.

Es zeigte sich, daß, wenn auch nicht immer eine direkte Proportio- nalität zwischen der Säurebildung und der Pathogenität festgestellt werden konnte, man aber doch bei vielen Stämmen den Grad ihrer Pathogenität mit der Stärke ihrer Säurebildung zusammenfallend fand.

Von der Beobachtung ausgehend, daß der Stamm XIII wohl patho- gen, da er in 144 Std. das Tier tötete, aber die Menge der von. ihm gebildeten Säure sehr gering war, so gering, dab er als Grenzstamm zu den diphtherieähnlichen Bakterien angesprochen werden konnte, kamen wir zu der folgenden Fragestellung: Kann es gelingen, die Pathogenität eines solchen Diphtheriegrenzstammes durch Züchtung in möglichst alkalischem Medium zu verringern bzw. aufzuheben und gelingt es umgekehrt, einen Grenzstamm der diphtherieähnlichen Bakterien durch Züchtung in einem möglichst sauren Medium in einen pathogenen Stamm umzuwandeln?

Zuerst versuchten wir festzustellen, bei welcher Wasserstoffionen- konzentration ein Diphtheriestamm noch zu leben vermag. Zu diesem Versuch wählten wir den am stärksten pathogenen Stamm I. Dieser Stamm wurde in Röhrchen von 10 ccm folgenden Inhalts: 2 Proz. Pepton, 1 Proz. Traubenzucker und 0,5 Proz. Natriumchlorid in 100 Teilen Wasser eingeimpft. Durch Zusatz von verschiedenen Mengen n/10 NaOH wurden die Ausgangs-Pu-Werte variiert. Nach 24stünd. Bebrütung wurde 1 Oese der verschiedenen Kulturen auf Blutagar- platten ausgesät zur Feststellung, ob der Stamm noch lebte. Auf diese Weise wurde beobachtet, daß der Stamm I in Pu 9,50—9,21— 8,50—8,30 —8,00— 7,70 und 7,58 nicht lebensfähig war. Aus der Tabelle 6 ist ersichtlich, daß der Stamm: I bei den Untersuchungen zur Prüfung der Alkalibildung in einer Versuchsreihe (1 Proz. Pepton und 0,5 Proz. Natriumchlorid in 100 Teilen Wasser) eine Alkaleszenz von Pau 7,59 erreichte und sich in diesem Medium vermehrte. Die Erklärung dieses Unterschiedes in den Versuchsreihen ist in dem Umstand zu erblicken, daB in diesem Fall die Bakterien selbst ihre bestimmte Wasserstoff-

Bitter, Gundel u. Sancho, Lebensäußerungen von Corynebakterien. 143

ionenkonzentration schufen, während in der jetzt zu besprechenden Reihe die Bakterien in ein Medium von einer bestimmten Anfangs-Pu ein- geimpft wurden. Da die gewöhnliche Wasserstoffionenkonzentration der Molke mit 6,58 Pr bestimmt war, blieb eine Versuchsgrenze von Pa 6,58 7,58. Jetzt wurden wiederum Röhrchen mit derselben Molke wie oben genommen und das Substrat durch tropfenweisen Zusatz von n/10 NaOH auf eine Pu von 6,58—7,58 gebracht. Nun konnte festgestellt werden, daß der Stamm I bei dieser Art der Versuche nur bei einer Pu von 6,58—7,06 lebensfähig war.

Um die Lebensfähigkeit der Diphtheriebakterien nach der sauren Seite festzulegen, wurde der Stamm I in dieselbe, aber durch Zusatz von n/10 Essigsäure angesäuerte und auf eine Pu von 6,55—6,10—5,54 bis 5,19 und 5,04 gebrachte Molke eingeimpft. Es zeigte sich, daß der Stamm I bei einer Pu von 6,55—5,54 lebensfähig war. Danach konnte also der Stamm I seine Lebens- wie Vermehrungsfähigkeit nur in den Molken von den Pu 7,06—5,54 bewahren unter Berücksichtigung der hier in Frage stehenden Versuchsanordnung.

Was die Grenzwerte nach der alkalischen bzw. sauren Seite an- betrifft, so können wir feststellen, daß ein Diphtheriestamm den Aufent- halt in saurem Medium bevorzugt und daß sich der Grenzwert in der Pu-Konzentration auch relativ erheblich weiter von dem Neutralpunkt entfernen kann als es auf der alkalischen Seite der Fall ist.

Wir wählten weiterhin den Stamm a als Vertreter der avirulenten Stämme und verimpften ihn in dieselbe Molke, die durch Zusatz von Essigsäure auf Pu von 3,96—3,93—3,90— 3,87 —3,80—4,11— 4,15 4,24 bis 4,35—4,87 und 4,66 gebracht war. (Es darf an dieser Stelle auf das bei dem Stamm I Gesagte aufmerksam gemacht werden.) Bei allen diesen Werten erwies sich der Stamm a als nicht lebensfähig. Erst von einer Pu von 6,21 ab war er lebens- und vermehrungsfähig. Jetzt brachten wir dieselbe Molke durch Zusatz von n/10 NaOH auf Pa von 6,72--7,03—7,15—7,23 und 7,32. Nach Einimpfung des Stammes in die Röhrchen stellte sich heraus, daß der Stamm a bis zu einer Pu von 7,15 lebensfähig war (bei Pa von 7,23 bzw. 7,32 waren die Aus- saaten steril).

Danach konnten also die diphtherieähnlichen Bakterien in einem alkalischen Nährmedium leben, wo die Diphtheriebakterien nicht mehr lebensfähig waren.

Nachdem wir zu diesen Feststellungen gelangt waren, wurden die Hauptversuche über eventuell vorkommende Variationserscheinungen an- gestellt.

Zuerst wurde der Diphtheriestamm I in eine Molke von Pu 7,06 geimpft und nach dreitägiger Bebrütung in eine Molke von Pu 7,15 gebracht. Der Zweck dieser Untersuchung war, festzustellen, ob der Stamm, nach längerem Aufenthalt in einem Substrat, dessen Wasser- stoffionenkonzentration als Grenzwert gerade noch lebensfähige Be- dingungen schuf, übergeimpft in ein Medium, das mehr nach der alka- lischen Seite lag, etwa doch noch in letzterem lebensfähig wäre. Der Versuch fiel jedoch negativ aus: die Aussaaten waren nach 24 und 28 Std. Brutschrankaufenthalt steril.

Bei dem Stamm der diphtherieähnlichen Bakterien wurde ein ähn- licher Versuch angestellt und zwar zuerst mit einer Nährflüssigkeit von Pu 6,21. Nach 3tägiger Bebrütung wurde der Stamm in eine Molke

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von Pu 6,10 übertragen, in der er sich aber gleichfalls als nicht lebens- fähig zeigte.

Bei dieser Versuchsanordnung erwies sich also das oben dargelegte Ziel als unerreichbar. Es wurde jetzt ein anderer Weg versucht: wir impften den Stamm I in eine Molke von Pu 7,07 und nach 24stünd. Bebrütung brachten wir hieraus 1 Oese in ein anderes Röhrchen der gleichen Molke und von derselben Wasserstoffionenkonzentration. Dieser Versuch gelang 3mal, bei der 4. Uebertragung erwiesen sich die Kul- turen als steril,

Stellten wir den gleichen Versuch nicht mit täglicher, sondern ätägiger Ueberimpfung an, dann konnte man ihn unbegrenzt lange machen. Das läßt darauf schließen, daß bei einer alle 3 Tage erfolgenden Ueberimpfung die Bakterien das Medium ansäuern und so sich günstige Lebensbedingungen schaffen, ein Schluß, dessen Berechtigung durch Pn-Messungen nachgewiesen werden konnte. Erfolgt die Ueberimpiung aber täglich, so sind die Bedingungen für die Bakterien allem Anschein nach ungünstig und die Ansprüche an ihre Arbeitsleistung übersteigen das Maß des Möglichen.

Jetzt wurde eine Oese aus dem Röhrchen der 3. Uebertragung auf Blutagarplatten ausgesät. Nach 24stünd. Bebrütung wurde mit physio- logischer Kochsalzlösung eine Abschwemmung gemacht und 1 ccm der- selben einem Meerschweinchen subkutan eingespritzt. Dieses Tier, wie auch ein mit dem unbehandelten Stamm gespritztes Kontrolltier ver- endeten innerhalb 24 Std. Demnach war also keine Veränderung in der Virulenz des Stammes eingetreten.

Mit einem Stamm der diphtherieähnlichen Bakterien wurde der- selbe Versuch angestellt, der aber auch negativ ausfiel.

Die Resultate des Versuches mit dem Stamm I waren ja wohl zu erwarten, da gerade dieser Stamm sich durch seine besonders starke Pathogenität auszeichnete. Zur Wiederholung des Versuches wurde darum der Stamm XIII gewählt. Wie schon oben erwähnt wurde, hatte dieser Stamm eine schr geringe Virulenz und ein derart geringes Säurebildungsvermögen, daß er als Grenzstamm zu den Diphtherie- ähnlichen Bakterien bezeichnet wurde. Er konnte deshalb wohl als bestes Objekt für diese Versuche dienen, wenn es überhaupt gelingen würde, in einem künstlichen Nährmedium einen pathogenen Diphtheriestamm in einen nichtpathogenen umzuwandeln.

Von diesem Stamm wurde 1 Oese in 10 ccm Molke von Pa 7,06 gebracht, 24 Std. bebrütet und dann wieder in eine Molke von der- selben Pu eingeimpft. Nach dreimaliger Wiederholung wurde von der 3. Kultur 1 Oese auf Blutagarplatten ausgesät, nach 24 Std. Bebrütung eine Abschwemmung gemacht, von der 1 ccm einem Meerschweinchen subkutan eingespritzt wurde. Das Versuchstier starb in derselben Zeit (144 Std.) wie das Kontrolltier. Es fiel also auch dieser Versuch negativ aus.

Der Grund für das Mißlingen dieses Versuches liegt wahrscheinlich in der Tatsache begründet, daß die Veränderungen in der Virulenz, die vielleicht durch die wiederholten Uebertragungen in den Molken erlangt waren, nach Aussaat auf Blutagarplatten vernichtet wurden, da die Bakterien sich auf dem Blutnährboden wieder erholen konnten. Um diese Annahme auf ihre Richtigkeit zu prüfen, wurde der folgende Versuch angestellt: Die Meerschweinchen wurden jetzt direkt mit je 1 ccm der Peptonmolkenkulturen infiziert. 1 Oese von dem Stamm XIII

Bitter, Gundel u. Sancho, Lebensäußerungen von Corynebakterien. 145

wurde in ein Röhrchen von 10 ccm Inhalt (2 Proz. Pepton, 1 Proz. Traubenzucker und 0,5 Proz. Natriumchlorid in 100 Teilen Wasser) und einer Pu von 7,07 gebracht, 24 Std. bebrütet und dann an 2 aufeinander- folgenden Tagen in neue Molken derselben Zusammensetzung und Pa verimpft. Von der drittten Kultur wurde 1 Oese auf einer Glyzerin- agarplatte ausgesät, da ja, wie wir oben gesehen haben, cine vierte Kultur in dieser Weise in Molken mißlingt. Nach 24 Std. Brutschrank- aufenthalt wurde wiederum 1 Oese in die oben genannte Molke ein- geimpft. Nach 24stünd. Bebrütung wurde 1 ccm dieser Molkenkultur eincın Meerschweinchen subkutan eingespritzt. Das Versuchstier wurde 20 Tage beobachtet und zeigte keinerlei Krankheitserscheinungen, während das Kontrolltier in 96 Std. an der Diphtherieinfektion ge- storben war. Parallel mit diesem Versuch wurden 2 weitere in ganz ähnlicher Form angestellt, nur mit dem Unteischied, daß zwischen je einer Molkenkultur eine Aussaat auf Glyzerin- bzw. Blutagarplatten gemacht wurde. Von der jeweils dritten Molkenkultur wurde 1 ccm einem Meerschweinchen subkutan eingeimpft. Das Kontrolltier, in- fiziert mit einer Oese der normalen Diphtheriemolke, starb innerhalb von 96 Std., während die beiden Versuchstiere über 20 Tage beobachtet keinerlei Krankheitserscheinungen zeigten.

Diese 3 Versuche scheinen zu beweisen, daß wir die oben dargelegte Fragestellung im positiven Sinne beantworten können. Es ist uns gelungen, den Beweis zu erbringen, daß ein schwach virulenter Diph- theriestamm durch geeignete Behandlung in einen apathogenen ver- wandelt werden kann. Auf die Bedeutung dieses Versuches wird weiter unten eingehend zurückzukommen sein.

Um aber die Resultate auf ihre Richtigkeit zu prüfen, wurde eine neue Reihe von Versuchen angestellt:

Stamm XIII BZ Tv. + 96 Std. BI. . GI. | | 1. Reihe. M. Tv. + 96 St. M. > Tv.—. 2. Reihe. à. Tv.— Gl. | | M. > Tv.-- M. Tv—.

Bi. Tv. + 96 Std.

| = überimpft in. . M. = Molke, (1 Proz. Traubenzucker, 2 Proz. Pepton, 5 Proz. NaCl, 100 T Wasser)

PH ‘, GI. = Glyserinagar. Kl. = Biutager.

Tr - Tierversuch t = gestorben, lebend. Zwiseben jeder Überimpfung liegen 24 stunden Brutschrankaufenthalt.

Aus dem Bilde geht hervor, daß die erste Blutkultur voll virulent war, die 1. Molkenkultur in der 1. Reihe noch ihre Virulenz behalten hatte, dagegen eine Injektion von der 2. und 3. Molkenkultur den Tieren keinen Schaden brachte.

Aus der 2. Reihe geht hervor, daß beide 1. Molkenkulturen avirulcnt waren, dagegen die Blutkultur, die von der letzten Molke überimpft war, sich voll virulent zeigte.

Erste Abt. Orıg Bd. 97. Heft 2/3. . 10

146 Centralbl. t. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

Durch den Versuch der 1. Reihe wurde eine Bestätigung der früheren Resultate erzielt. Aus der 2. Reihe resultiert, daß der Auf- enthalt auf einem Blutagar den Diphtheriebakterien ihre volle Viru- lenz zurückgibt. Das kulturelle Bild der letzten Kultur der 1. Reihe auf Blutagar zeigte kleine, graue, zarte Kolonien. Bei mikroskopischer Untersuchung handelte es sich um grampositive typische keulen- und auch bogenartige Stäbchen, die nach Neißer gefärbt keine Babes-Ernstschen Körnchen hatten.

Ausgehend von der letzten Blutagaraussaat der 1. Reihe (Stamm XIII) wurde ein neuer Versuch angestellt, dessen Anlage aus dem folgenden Schema hervorgeht:

BI... wen an M. M. ~~ B]. | } | | t | Reihe 1. M. M. Reihe 2. BI. Reihe 3. $ . > Tv. + 96 Std. à. Tr. —. Bl. Tv. + 9% Std.

Für die Reihe 1 dieses Versuches wurde eine Molke genommen, die aus 1 Proz. Pepton, 1 Proz. Traubenzucker und 0,5 Proz. NaCl in 100 Teilen Wasser hergestellt war, und eine Pu von 6,80 hatte. In dieser Reihe sind ja, wie wir oben gesehen haben, optimale Bedingungen für die Diphtheriebakterien vorhanden. Diese Kulturen wurden nach je 24 Stunden überimpft und gemessen. Es wurden folgende Werte er- halten: 7,09—7,12—7,38. Diese Werte zeigen, daß der Stamm XIII, der wie jeder andere pathogene Diphtheriestamm in glukosehaltiger Nährflüssigkeit Säure zu bilden vermochte, : jetzt, vorsichtig gesagt, mindestens gleichzeitig auch Alkali produzierte, sodaß das Gesamtbild einer Alkalisierung resultierte. Derartige Verhältnisse sind uns aus der Biologie der Choleravibrionen bekannt, die ja Milchzucker säuern können, gleichzeitig aber so viel Alkali bilden, daß sie auf der Drigalski- Platte z. B. meistens blau wachsen. Aus der 3. Molkenkultur dieser Reihe 1 wurde 1 ccm einem Meerschweinchen subkutan eingespritzt und das Tier starb, da die Molke offenbar wie eine Blutkultur günstig- ste Lebensbedingungen schuf, innerhalb 96 Std.

Für die Reihe 2 wurde eine Molke von 2 Proz. Pepton, 1 Proz. Traubenzucker und 0,5 Proz. Natriumchlorid in 100 Teilen Wasser und einer Pu von 7,06 verwandt. Nach je 24 Std. Bebrütung wurde der Stamm in ein neues Röhrchen derselben Molke überimpft und von der 3. Molkenkultur wurde 1 ccm einem Meerschweinchen subkutan eingeimpft. Das Tier starb in Bestätigung unserer früheren Versuche nicht.

In der Reihe 3 wurde, wie aus dem Schema zu ersehen ist, der Stamm von Blutagar- auf Blutagarplatten nach je 24 Std. Bebrütung übertragen. Von der 3. Blutkultur wurde 1 ccm der üblichen Auf- schwemmung einem Meerschweinchen subkutan verimpft: das Tier ist nach 96 Std. an typischer Diphtherie gestorben. Die Versuche der Reihe 3 bestätigten also vollauf die Beobachtung, daß der Aufenthalt des geschwächten Stammes auf einem Blutagar ihm wieder seine ver- lorene Virulenz zurückgibt.

Als wichtigste Ergebnisse dieser letzten Versuchsreihen darf das Folgende hervorgehoben werden: Der Aufenthalt eines schwach patho-

Bitter, Gundel u. Sancho, Lebensäußerungen von Corynebakterien. 147

genen Diphtheriestammes in einer Molke, die für ihn günstige Pu-Werte hatte, entspricht einer Kultur auf Blutagar. Der Stamm behält auch bei längerer Kultivierung seine Virulenz bei. Bringt man den gleichen Stamm in ein Substrat von anderer für ihn bei der betreffenden Pa un- günstigen Zusammensetzung, so ändert sich schnell seine Pathogenität derart, daß nach der zweiten Uebertragung die Tierversuche negativ ausfielen. Wir glauben durch diese Versuche den Nachweis erbracht zu haben, daß es zwischen pathogenen und apathogenen Diphtheriestämmen fließende Uebergänge gibt, die wir mittels geeigneter Methoden Jederzeit selbst entstehen lassen können.

Dieser erstmalig erhobene experimentelle Befund ist unseres Er- achtens von ganz besonderer Bedeutung. Vergegenwärtigen wir uns, daB nach überstandener Diphtherie ein Patient, ohne nennenswerten Schaden anzustiften, nach 6 Wochen bei noch positivem Diphtherie- befund wieder in den Verkehr treten darf, so können wir wohl annehmen, daß im allgemeinen der Stamm apathogen ist. Diese Annahme ist außer von anderer Seite auch von uns wiederholt experimentell bestätigt. Andererseits ist es aber auch möglich, daß dieser Stamm unter uns unbekannten Bedingungen bei einem anderen Men- schen seine alte Virulenz wieder erlangen kann. Zum 3. fernerhin müssen wir doch wohl annehmen, wenn wir die Epidemiologie der Diphtherie berücksichtigen, daß urplötzlich ein apathogener Diphtheriestamm oder vielleicht sogar ein Pseudodiphtheriestamm wieder „wild“ wird und wir plötzlich epidemisch eine Reihe von Diphtherieerkrankungen in einem Ort zu sehen bekommen, wo seit Jahren keine Diphtherie mehr auf- getreten war. Bei der Influenza in ihren etwa alle 30 Jahre crfolgenden Zügen können wir ähnliche Verhältnisse vermuten.

Zusammenfassung.

1) Die Diagnose, Diphtherie- oder Pscudodiplitheriebakterien, auf Grund morphologisch-kultureller Beobachtungen gelingt zweifellos in sehr vielen Fällen. In vielen anderen mißlingt sie dagegen wegen des häufigen Vorkommens von Grenzstämmen. 2a) Sowohl bei den titri- metrischen als auch Gaskettenbestimmungen wurde gefunden, daß die Diphtheriebakterien im allgemeinen aus Glukose mehr Säure bilden als die Pseudodiphtheriebakterien, daB es aber einzelne avirulente gibt, die etwas mehr Säure zu bestimmten Zeiten zu bilden imstande sind als die am schwächsten Säure produzierenden Diphtheriestimme. Hier- aus resultiert, daß eine Differenzierung auf Grund der im allgemeinen gebildeten Säure nicht zulässig erscheint. 2b) Die Diphthericbakterien bilden mehr Alkali als die Pseudodiphtheriebakterien, aber es gibt auch Pseudodiphtheriebakterien, die ebensoviel oder mehr Alkali bilden als die am wenigsten produzierenden Diphtheriestämme 3) Die Di- ohtheriebakterien erlangen schneller ihr Säuremaximum als die Pseudo- diphtheriebakterien, während die Pseudodiphtherie- ihr Alkali-Maximum eher erreichen als die Diphtheriebakterien. 4) Es wird eine Unter- scheidungsmethode vorgeschlagen, die auf der Tatsache beruht, daß die Diphtheriebakterien schneller ihre maximalen Säurewerte erreichen als

die Pseudodiphtheriebakterien. 5) Untersuchungen über die Ver- 10*

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änderlichkeit der Diphtherie- und Pseudodiphtheriebakterien mit Hilfe einer großen Reihe von Tierversuchen unter Verwendung geeigneter Nährmedien von bestimmter Wasserstoffionenkonzentration ergaben, daB es innerhalb von 48 Std. gelingt, einen pathogenen Diphtherie- in einen apathogenen Stamm und wieder zurück zu verwandeln. Es ist an- zunehmen, daß auch in der Natur diese Vorgänge von Bedeutung sein dürften, dergestalt, daß Diphtheriebakterien in avirulente Formen, wahrscheinlich sogar in Pseudodiphtheriestäbchen übergehen und unter bestimmten Verhältnissen dann wieder virulent werden können.

Literatur.

1) Loeffler, Mitteil. a. d. Kaiserl. Gesundh. Amt. Bd. 2. 1884. 2) Zar- nikow, Centralbl. f. Bakt. Bd. 2. 1887 u. Bd. 6. 1889. 3) Roux und Yersin, Annal. de I’Inst. Pasteur. 1888 u. ff. 4) Babes, Ztschr. f. Hyg. Bd. 20. 1895. 5) v. Escherich, Berl. Klin. Woch. 1893. 6) Fränkel, cbenda. 1897. 7) Peters, Dtsch. Med. Woch. 1897. 8) Neißer, Ztschr. f. Hyg. 1397. 9) Spronk, Ann. de l'Inst. Pasteur. 1895. 10) Smith, Centralbl. f. Bakt. Bd. I. 1907. 11) Lubenau, Arch. f. Hyg. Bd. 66. 1908. 12) Schmitz, Ztschr. f. Hyg. Bd. 75. 13) v. Riemsdijk, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 75.

Nachdruck verboten.

Ueber Mutationserscheinungen der Dysenteriebazillen Shiga-Kruse.

[Aus dem Bakteriologischen Staatsinstitut und Universitätslaboratorium zu Smolensk (Direktor: M. Isabolinsky).]

Von M. Isabolinsky und W. Gitowitsch.

Die Frage über die Mutation der Bakterien gehört zu den inter- essantesten Fragen der Biologie. Die klassischen Arbeiten von de Vries, Beijeringk, Baerthlein, Toenniessen, Eisenberg, und die letzthin erschienene Arbeit von van Loghem und seiner Schüler eröffnen neue Wege auf dem Gebiete der Biologie der Bak- terien. Wir wollen hier nicht auf die reiche und mannigfache Literatur über diese Frage näher eingehen, sondern können nur kurz sagen, daß von einer Stabilität der Bakterien im morphologischen und biologischen Sinne, wie es Cohn meinte, keine Rede sein kann. Alle Mikroorganismen sind bestimmten biologischen Mutationsgesetzen, die entweder unter normalen Verhältnissen oder unter der Einwirkung künstlicher, äußerer Bedingungen verlaufen, unterworfen.

Diese Mutation äußert sich in Bildung einerseits labiler Varianten, die bei gewissen Bedingungen wieder ihre Anfangsform annehmen können, andererseits findet eine Bildung stabiler Formen Mutanten statt, die nach bestimmten Gesetzen vor sich geht. Dieser Variations- prozeß geht desto tiefer und schneller vor sich, je schärfer die äußeren Einflüsse ausgeprägt sind.

In letzter Zeit ist die Frage über den möglichen Uebergang von saprophytischen Bakterien in pathogene, und umgekehrt, der pathogenen

Isabolinsky u. Gitowitsch, Mutationserscheinungen d. Dysenteriebaz. 149

in saprophytische, in den Vordergrund getreten. Dieser Meinung sind viele russische Forscher (Zlatogoroff, Pamlow, Minkewitsch).

Die meisten Arbeiten sind den Darmbakterien, und zwar haupt- sächlich der Gruppe Typhus- Coli, gewidmet. Wir erlauben uns, nach- stehend die Resultate unserer Beobachtung über die Mutations- erscheinungen der Dysenteriebazillen Shiga-Kruse mitzuteilen:

Die . Versuche wurden an Dysenteriekulturen, die keine Ab- weichungen im biologischen Sinne darstellten, angestellt. Es wurden Bouillon- und Agarkulturen studiert, die paraffiniert oder mit Watte- pfropfen verstopft waren und während 11/, Monate bzw. 4 Monaten und 11 Tagen im Dunkelschrank bei Zimmertemperatur gestanden hatten.

Aus diesen Kulturen wurden Agarplatten beimpft (I. Generation). Es entwickelten sich auf den Platten: 1) kleine Kolonien, 2) mittel- große Kolonien, 3) große Kolonien mit radiär gestreiftem Rand. Die letzteren Kolonien vergrößerten sich und nahmen nach 2—3 Tagen Aufenthalt bei Zimmertemperatur teils eine runde Form, teils eine viereckige Form an, der Rand war breit mit einer ausgeprägt radiären Streifung.

Die Aussaat auf Petri-Schalen mit Endo-Agar (I. Generation) ergab: 1) mittelgroße Kolonien mit dunklem, metallglänzendem Zentrum mit hellem, radiärgestreiftem Rande, der etwa 1/, der Kolonie beträgt; 2) kleine Kolonien mit dunklem, metallglänzendem Zentrum; 3) kleine durchsichtige, rosarote Kolonien; 4) rosarote Kolonien mit kaum merk- lichem, dunklem Zentrum. Alle Kolonien auf den Endo- Agarplatten wurden in Bouillon emulgiert und von neuem auf Agar- und Endo- Platten ausgestrichen. Die auf diese Weise erhaltenen neuen Kolonien haben wir als II. Generation bezeichnet. Die Kolonien der II. Gene- ration von den Agarplatten beobachteten wir 3mal mit unbewaffnetem Auge und mit Lupenvergrößerung am 2. und 7. Tage nach der Be- impfung. Die großen und mittelgroßen Kolonien bekommen eine gelb- liche Nuance und sahen glänzend bei durchfallendem Lichte aus; kleine Kolonien teils mit gelber, teils mit hellblauer oder schwarzblauer Nuance.

Zwei Typen von großen Kolonien.

1) Große Kolonien mit radiärer Streifung, die von einem dunklen Zentrum ausgeht. Der breite helle Rand mit sehr feiner Radiär- streifung sieht bei Betrachtung mit unbewaffnetem Auge körnig aus. Große Kolonie unregelmäßiger Form mit zackigen Rändern und glatt- glänzendem, gelblichem, hervorragendem Zentrum, das von einem matt- weißem radiären Gürtel umrandet ist; an der Peripherie ist noch ein ganz feiner durchsichtiger Rand zu bemerken.

2) Große Kolonie von unregelmäßiger Form. Das Zentrum einer solchen Kolonie besteht aus 2 Teilen: glänzendem, hervorragendem Punkt, von einem körnigen, glänzenden, eingedrückten Ringe umgeben. Die Peripherie mit radiärer Streifung tritt in einem Teil der Kolonie wall- artig hervor. Die mittleren Kolonien haben einen radiären Rand. Auf den Endo-Platten (II. Generation) zeigten alle 3 Kolonietypen ein ähnliches Bild: 1) kleine rosarote und fast farblose, durchsichtige Kolonien; 2) kleine rosarote Kolonien mit dunklem Punkte im Zentrum; 3) kleine metallisch aussehende Kolonien mit eingedrücktem Zentrum; 4) mittelgroße und große Kolonien von unregelmäbiger Form mit glän- zendem, glattem, etwas hervorragendem, metallisch aussehendem, kein

150 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

Licht durchlassendem Zentrum mit radiär gestreiftem, rotem, rauhem Rande, der wenig durchsichtig ist; 5) große und mittelgroße Kolonien mit metallisch aussehendem Zentrum und rotem, feuchtem, wallartig hervorragendem, radiär gestreiftem Rande. 6) Man beobachtet auch Kolonien mit punktartigem, glänzendem Zentrum und breitem Rande. Alle Kolonien der I. und II. Generation wurden mikroskopisch kon- trolliert; die Ausstrichpräparate nach Gram gefärbt.

Färbung der Kolonien.

Die Bouillonkulturen der I. Generation enthielten nach 11/, Monaten kurze und lange gramnegative Stäbchen; nach 4 Monaten und 11 Tagen wird eine durchsichtige Hülle bemerkt. Die Bouillonkulturen in paraf- finierten Reagenzröhrchen zeigen noch weitere Degenerationserschei- nungen: man beobachtet gramnegative Fädchen und stellenweise gram- positive Stäbchen. Die paraffinierten Reagenzröhrchen mit Agarkulturen zeigen in der I. Generation nach 1!/, Monaten gleichzeitig mit typischen Stäbchen: 1) Reihenweise gelagerte Stäbchen, die an Streptobazillen erinnern, 2) Fäden, 3) Kügelchen, 4) dicke Stäbchen, oft paarweise in durchsichtigen Hüllen gelagert (alle Arten gramnegativ). Nach 4 Monaten sind die Degencrationserscheinungen noch ausgeprägter.

In derselben Kolonie findet man 1) dünne und dicke, kurze und lange Stäbchen, 2) Stäbchen mit Verdickungen an einem oder an beiden Enden, 3) spindelförmige, fuchsingefärbte Stäbchen, 4) kurze Stäbchen, die ihrer Form und Färbung nach den Fränkelschen Diplokokken ähnlich sind, 5) körnige, schwach mit Fuchsin gefärbte Stäbchen, 6) Stäbchen mit Vakuolen und Färbung an den Polen, 7) kurze Stäb- chen, paarweise gelagert, Diplokokken ähnlich; stellenweise grampositive Stäbchen. Eine Hülle ist an dicken Stäbchen zu beobachten.

Die II. Generation der Agarkulturen erwies annähernd ähnliche Degencrationserscheinungen. Auf Endoagar äußern sich diese Er- scheinungen durch die Dicke der Stäbchen, große Zahl von Fäden verschiedener Dicke und Länge und intrabazilläre Vakuolen.

In den metallisch aussehenden Kolonien mit breitem Saum sind die Stäbchen länger als in den Kolonien mit einem schmalen Saum.

Hängender Tropfen.

Im hängenden Tropfen ist in allen Koloniearten eine für die Dysenteriebazillen typische Molekularbewegung zu beobachten.

Die Kolonien der I. und II. Generation wurden von dem Platten- agar und Schrägagar von letzterem auf farbige Nährboden und Pepton- wasser, überimpft. Alle Kolonialarten der I. Generation aus Bouillon- kulturen nach 11/, monatiger Aufbewahrung bei Zimmertemperatur im Schranke äußern auf Klopstocks Nährbuden Anwesenheit von Säure, auf Rothbergers Nährboden Gasentwicklung. Nach 2 Wochen Aufbewahrung bei Zimmertemperatur (in Kartonschachteln bei Zutritt von Licht) konnte man auf Rothbergers Nährboden eine Entfärbung und Fluorescenz beobachten; auf Peptonwasser eine schwach ausgeprägte Reaktion auf Indol (vorher keine Indolreaktion). Auf Klopstocks und Capaldi-Nährboden keine Veränderungen.

Nach 4 Monaten 11 Tagen ergab die I. Generation ein ganz anderes Bild: große und mittelgroße Kolonien verändern die Farbe auf Klop-

Isabolinsky u. Gitowitsch, Mutationserscheinungen d. Dysenteriebaz. 151

stocks Nährboden in rot, die kleinen Kolonien bilden keine Säure. Auf Capaldi- und Proskauer- Nährboden ist eine Entfärbung zu beobachten; auf Rothberger Neutralrotagar schwache Gasentwicklung. Nach einer Woche konnte man in Reagenzröhrchen, die bei Zimmer- temperatur standen, einige Veränderungen beobachten: auf Klopstocks Nährboden rufen große und mittelgroße Kolonien außer der Säurebildung Nutrosegerinnung hervor; die kleinen Kolonien verändern die Farbe des Nährbodens in rot-violett; auf Rothbergers Nährboden konnte man eine Entfärbung und Fluorescenz beobachten. Bouillonkulturen in paraffinierten Reagenzröhrchen, die bei Zimmertemperatur in dunklem Schrank 4 Monate und 11 Tage aufbewahrt waren, zeigten in der I. Generation: 1) auf Klop stocks Nährboden eine starke Säure- bildung mit Opalescenz, nur die mittelgroßen Kolonien äußerten keine Opalescenz, 2) auf Capaldi Entfärbung, 3) auf Rothbergers Neutralrotagar mäßige Gasentwicklung (in Röhrchen mit mittelgroßen Kolonien schwache Gasentwicklung).

Die eine Woche aufbewahrten Röhrchen äußerten auf Klopstock- Nährboden Nutrosegerinnung, die am wenigsten intensiv in den mittleren Kolonien ausgeprägt war; auf Rothbergers Neutralrotagar Ent- färbung und Fluorescenz, außer den mittleren Kolonien.

Indolreaktion negativ.

Die Agarkulturen in paraffinierten Röhrchen äußerten nach 1!/, Mo- naten Aufbewahrung im Dunkelschrank bei Zimmertemperatur in der I. Generation: 1) auf Klopstocks Nährboden Säurebildung und Nu- trosegerinnung, 2) auf Capaldi-Proskauer-Nährboden keine Ver- änderungen, 3) auf Rothbergers Neutralrotagar starke Gasentwick- lung und Entfärbung, 4) auf Peptonwasser negative Indolreaktion.

Nach 2wöchiger Aufbewahrung bei Zimmertemperatur Fluo- rescenz auf Rothbergers Nährboden.

Nach 4 Monaten und 11 Tagen konnte man auf Klopstocks Nährboden eine Säurebildung beobachten, außer den kleinen Kolonien, bei denen die Farbe von blau in rötlich-violett überging; auf Capaldi- Proskauer- Nährboden erwiesen Entfärbung nur die großen Kolonien; auf Rothberger Neutralrotagar schwache Gasentwicklung mit Aus- nahme der kleinen Kolonien.

Nach einer Woche Aufbewahrung bei Zimmertemperatur auf Roth- bergers Nährboden Entfärbung und Fluorescenz.

Die Kolonien der II. Generation zeigen Abweichungen im Sinne der Annäherung ihrer biologischen Eigenschaften an die Typhusgruppe, während die Kolonien der I. Generation solche Abweichungen im Sinne einer Annäherung an die Colibazillen erkennen ließen. Auf Klop- stock- Nährboden nur Säurebildung.

Mittelgroße und kleine Kolonien entfärben Capaldi- und Pros- kauer- Nährboden; große Kolonien rufen eine Rötung (Säurebildung) hervor. Auf Rothbergers Neutralrotagar schwache Gasentwicklung nur nach 2tägiger Thermostatenaufbewahrung.

Indolreaktion negativ.

In Reagenzröhrchen, die 2 Wochen bei Zimmertemperatur aufbe- wahrt waren, keine Nutrosegerinnung auf Klopstock- Nährboden; auf Rothbergers Neutralrotagar riefen die mittelgroßen und kleinen Kolonien Entfärbung und Fluorescenz hervor; große Kolonien bewirkten weder Entfärbung noch Fluorescenz.

Unsere Shiga-Kruse-Kultur agglutinierte mit dem betreffenden

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agglutinierenden Serum, dessen Titer 1/8000 war, nur bei einer Ver- dünnung von 1/100.

Fast alle Kolonien agglutinierten in der gleichen Weise mit Aus- nahme der großen Kolonien, die aus den paraffinierten Agarkulturen stammten; die I. Generation, Typus a (nach 1!/, Monaten) agglutinierte bei einer Serumverdünnung von 1/500, die I. Generation, Typus b “nach 4 Monaten und 11 Tagen) agglutinierte bis zum Ende des Titers (1/8000).

Die Kolonien der I. Generation aus Bouillonkulturen, die alle 2 Wochen auf Schrägagar während 2!/, Monaten überimpft waren, äußerten, wie vor der Ueberimpfung, auf Klopstocks Nährboden Säurebildung ohne Nutrosegerinnung; große Kolonien zeigten außer- dem nach der Ueberimpfung Nutrosegerinnung auf Capaldi-Pros- kauer-Nährboden und rosa-violette Nuance des Nährbodens. Auf Rothbergers Nährboden verminderte sich die Gasentwicklung.

Die Kolonien der I. Generation aus den paraffinierten Agar- kulturen, die auf Schrägagar alle 2 Wochen während 11/, Monate über- impft waren, ergaben auf Klopstock-Nährboden sofort nach der Impfung und nach 2 Wochen nur Säurebildung mit dem Unterschiede, daß die großen Kolonien schon nach 4 Tagen, die kleinen dagegen etwas später Nutrosegerinnung hervorriefen.

Auf Capaldi-Proskauer-Nährboden Entfärbung mit rosa-vio- letter Nuance (vor Ueberimpfung bewirkten die großen Kolonien Säure- bildung, die mittelgroßen und kleinen entfärbten den Nährboden).

Gasentwicklung auf Rothbergers Neutralrotagar vor wie nach der Impfung unwesentlich.

Wir sehen also, daß die Dysenteriebazillen Shiga-Kruse eine ganze Reihe von Varianten ergeben, die ihrer morphologischen, biologischen und kulturellen Eigenschaften nach entweder den Typhus- oder den Coli-Bazillen nahe stehen. Diese Varianten stellen wahrscheinlich Anpassungsformen dar, die bei veränderten äußeren Bedingungen neue Eigenschaften erwerben, um Austrocknungen und verschiedenen schäd- lichen Einwirkungen widerstehen zu können. Einzelne Varianten ver- lieren ihre agglutinierenden Eigenschaften bei hohen Verdünnungen des spezifischen Serums (Agglutination in der Verdünnung 1/100 bei einem Titer des Serums von 1/8000).

Nachdruck verboten. Der experimentelle Scharlach').

(Vorläufige Mitteilung.) [Aus dem Bakteriologischen Institut zu Charkow (Direktor: Professor Dr. S. J. Zlatog oroff).]

Von Professor S. J. Zlatogoroff, Dr. W. S. Derkatsch und Dr. S. J. Nasledyschewa.

Mit 5 Kurven.

Die aus verschiedenen Quellen stammenden Nachrichten über die Entdeckung des Scharlacherregers (die amerikanischen Autoren sprechen

1) Vortrag, gehalten auf der IX. Allrussischen Tagung der Bakteriologen und Epidemiologen zu Moskau am 28. 5. 1925.

Zlatogoroff, Derkatsch u. Nasledyschewa, Der experim. Scharlach. 153

von einem hämolytischen Streptococcus, die italienischen von einem Diplococcus) erfordern eine Nachprüfung dieser Angaben durch experi- mentellen Scharlach, da das Experiment am Menschen bis jetzt selbst von den amerikanischen und italienischen Forschern nur in geringem Maßstabe ausgeführt worden ist und keine erschöpfenden Resultate ergab, während es unter den bei uns obwaltenden Bedingungen völlig ausgeschlossen ist. In der älteren Literatur finden sich bereits Angaben über erfolgreiche Versuche, einen experimentellen Scharlach zu erzeugen, wobei sämtliche Autoren bemüht waren, bei den Tieren ein solches klinisches Bild hervorzurufen, welches mit demjenigen des mensch- lichen Scharlachs identisch wäre. Und obwohl es verschiedenen Autoren gelang, bei Kaninchen und besonders bei menschenähnlichen Affen und bei niederen Rassen Erscheinungen hervorzurufen, die dem klinischen Bilde nach an den klinischen Scharlach erinnerten, wurden dennoch diese Erscheinungen bestritten (Klimenko und die amerikanischen Autoren Dick). In der letzten Zeit befaßten sich nur die italienischen Autoren, insbesondere Sindoni und Nasso, sowie Bürgers und Bachmann wiederum mit dem experimentellen Scharlach, wobei sie bald ein typisches Bild erhielten (Sindoni), bald ein solches, das an den Scharlachschock erinnerte (Bachmann).

Zur Infizierung der Tiere bedienten sie sich sowohl des von Kranken isolierten Streptococcus als auch verschiedener pathologischer Produkte. Als erster stellte Grünbaum (1904) den Versuch an, Schimpansen mit Scharlachmaterial zu infi- zieren und rief so eine Angina sowie ein nichtcharakteristisches Exanthem hervor. Ferner haben Hektoen und Weaver (1911), indem sie 13 Macacus-Affen Nasen- Rachensekret in Milch verabreichten, bei 10 derselben keine Erkrankung erzielt. während bei einem der Tod nach 37 Tagen unter Nephritiserscheinungen eintrat und zwei ohne irgendwelche Scharlachsymptome eingingen. Einen typischen Scharlach bei Schimpansen erzeugten zuerst Landsteiner, Levaditi und Prasek (1911), indem sie dieselben mit Scharlachmaterial (mittels der kombinierten Methode: sub- kutane Blutinjektionen und Einreibung von Schleim in die Mundschleimhaut) infi- zierten : bei einem trat nach zweimaliger Applikation typischer Scharlach auf, bei 5 nur eine Angina. Cantacuzene (1911) erhielt bei Kaninchen, die er mit Scharlachmaterial infizierte. in 13 von 83 Fällen einen Scharlach in Form von Fieber (Polynukleöse), diffuser Rötung und Hautabschuppung. Derselbe Autor er- hielt, indem er niedere Affen (Macacus rhesus, sineusis, Cercopithecus und griseo-viridus) mit Material von Scharlachkranken, die keine Streptokokken hatten, infizierte, in 4 von 9 Fällen einen typischen Scharlach (Exanthem, Des- gan Polynukleose, Eosinophilie und Drüsenschwellungen, bei einem Tiere

eme).

Als Infektionsmaterial wurde verwandt: Blut von Scharlachkranken in den ersten Eruptionsstunden, perikardiale Flüssigkeit und eine Emulsion aus den Tracheo- Brouchialdriüsen, die 3—4 Stunden nach dem Tode des Kranken entfernt wurden; 4 positive Resultate entfallen auf das Blut (2mal), auf die Perikardialflüssigkeit und die Ernulsion je eins. Weder das Blut noch die Perikardflüssigkeit enthielt Strepto- kokken. Die besten Resultate wurden erzielt bei subkutaner Blutinjektion mit gleich- zeitiger subkutaner Verabreichung von 10proz. Kochsalzlösung. Die Inkubationszeit dauerte 5 (bei Cercopithecus cephus) bis 37 Tage (bei Macacus rhesus). Bernhardt (1911) experimentierte mit niederen Affen (Macacus cynomolgus, rhesus, Cercopithecus griseus und Cercopithecus fuliginosus), in- dem er ihnen den Zungeubelag Scharlachkranker subkutan einverleibte, sowie den- selben in die Mundschleimhaut einrieh. Die Affen erkrankten, auf der Höhe der Temperatur wurden ihnen die Lymphdrüsen entfernt und mit denselben die nächst- folgenden Affen infiziert. Bei der 3. Passage mit filtriertem, keine Streptokokken enthaltenden Material erzeugte dieser Autor bei 2 von 4 Affen typischen Scharlach (Ausschlag, Hautabschuppung und Drüseuschwellung). Durch Einreibung des Zungen- belags in die Mundschleimhaut des Affen wurde typischer Scharlach erzeugt.

Eben solche Versuche, die mit dem von Scharlachkenuken und Nichtscharlach- kranken isolierten Strektococcus angestellt wurden, ergaben negative Resultate. Verf. betont, daß nicht immer solche typische Erscheinungen erzielt wurden. Die Ab-

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schuppung war bald groß-, bald kleinblätterig und trat entweder 6—8 Tage nach Beginn des Exanthems oder bedeutend früher auf. Der Verfasser beobachtete gleich- zeitig Himbeerzunge und Hautabschuppuug, im Harn—Eiweiß, Blut und Zylinder. Die Inkubationsperiode war in dem einen Fall kurz, in dem anderen Fall länger- dauernd (7 Tage und mehr). Im ganzen ergaben von 19 infizierten 14 Versuchs- objekte einen positiven Effekt.

Ein Jahr früher (1910) hatte Casagrandi bei Kaninchen und Hunden durch Verabfolgung von aus der Mundschleimhaut und Milz Scharlachkranker gewonnenen Filtraten Temperaturerhöhung und Tod hervorgerufen.

Draper und Hanford (1913) erzeugten bei niederen Affen durch Infizierung derselben mit Scharlachmaterial von Kranken Scharlacherscheinungen. Dieselben Re- sultate ae auch Hlava bei intravenöser Infektion von Affen mit Scharlach- material.

In demselben Jahre stellte Klimenko Versuche mit niederen Affen an, indem er die Bernhardtschen Experimente wiederholte, konnte jedoch dieselben nicht bestätigen, und ist der Ansicht, daß sämtliche vor ihm angestellten Versuche über experimentellen Scharlach mit Ausnahme derjenigen, die an menschenähnlicheu Affen ausgeführt wurden keine Beweiskraft haben.

Dochez und Sherman (1914) riefen mit Streptokokkenkulturen typischen Scharlach bei Hunden, Schweinen und Meerschweinchen hervor.

Auch Schleißner (1916) konnte bei niederen Affen Scharlach erzeugen, in- dem er sie mit von Scharlachkranken isolierten Streptokokken infizierte.

Wie bereits erwähnt, haben G. H. Dick und G. F. Dick, indem sie die Versuche, verschiedene Tiere (sowohl niedere Affen als auch Laboratoriumstiere) mit Streptokokken zu infizieren, nachprüften, keine befriedigenden Resultate erzielt und in der Folge die Anstelluug von Versuchen an Tieren aufgegeben. Dagegen trugen die von den italienischen Autoren di Christina, Caronia und Sindoni (1922 bis 1924) erzielten Resultate einen viel konstanteren Charakter; indem sie junge weiße Kaninchen mit Blut von Scharlachkranken, sowie mit Kulturen aus Mikroben, die sie von denselben isoliert hatten, intravenös infizierten, konnten sie typische Er- scheinungen beobachten (Ausschlag, Hautabschuppung). Nasso und Auriechio bestätigten auch histologisch, daß, nach der italienischen Methode, die Versuchs- kaninchen ein Bild darbieten, das (besonders in bezug auf die Nieren) an den mensch- lichen Scharlach erinnert.

Eigene Untersuchungen.

In Anbetracht der Unklarheit der Frage nach der Möglichkeit, einen experimentellen Scharlach hervorzurufen und infolge der Un- einigkeit, welche auf dem Gebiete der Scharlachätiologie unter den Autoren herrscht, haben wir uns folgende Aufgabe gestellt. Zunächst mußte aufgeklärt werden, ob es möglich sei, bei Tieren eine Erkrankung hervorzurufen, die klinisch mit dem menschlichen Scharlach völlig übereinstimmte und falls dies nicht möglich sei, ob es vielleicht gelänge, durch Verabfolgung von Scharlachmaterial bei Tieren eine typische Krankheit „sui generis“ zu erzeugen, ähnlich wie es beim Flecktyphus der Fall ist. Ferner war cs von Wichtigkeit aufzuklären, welche Merk- male beim experimentellen Scharlach als ‚typisch‘ für den Scharlach und als dem Wesen des Prozesses beim Menschen entsprechend anzu- sehen sind. Hierher gehören die Blutveränderungen, ‚die Immunreaktion und die histologischen Veränderungen. Schließlich mußten auch die “rage nach dem Scharlacherreger, sowie die Nachprüfung der italie- nischen Arbeiten in den Kreis unserer Betrachtungen gezogen werden.

Da einerseits die zahlreichen Arbeiten früherer Autoren (siehe die oben angeführten, zu welchen noch die Jochmannsche Arbeit hinzu- zufügen ist) wenig Hoffnung ließen auf die Erzeugung eines wirk- lichen experimentellen Scharlachs durch reine Streptokokkenkulturen, andererseits das Scharlachmaterial von Kranken en masse (sei es in Form des Zungenbelags oder einer Organemulsion) bereits einige Re- sultate ergab, so wählten wir für unsere Versuche vorzugsweise dieses

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letzte Infizierungsverfahren der Tiere. Unsere (Zlatogoroff) früheren Petersburger Versuche an Ferkeln berechtigten uns zur Hoff- nung, bei denselben einen experimentellen Scharlach erzeugen zu können, die besondere Empfindlichkeit dieser Tiere jedoch gegen verschiedene Arten von Hauterythemen, sowie das wenig typische der nach Infi- zierung derselben erhaltenen Reaktion veranlaßte uns, auf dieselben zu verzichten und sämtliche weiteren Versuche ausschließlich an Kaninchen und Affen auszuführen.

Von den letzteren waren uns nur diejenigen aus der Familie Ma- cacus cynomolgus zugänglich. Von den früheren Autoren arbeitete mit uns nur Bernhardt; gewöhnlich verwandten die früheren Autoren für ihre Versuche Macacus-Affen und zwar einer etwas höher stehenden Rasse (rhesus, Ceropithecus u. a.), oder menschenähnliche Affen. Die auf einer niederen Stufe stehenden Affen hatten in unserem Klima ihre Vorteile, da sie sich widerstandsfähiger erwiesen: von 20 Affen verloren wir nur 5 an Tuberkulose, 1 an Pneumonie und 1 an Colitis acuta, während die am Leben gebliebenen nunmehr im Laufe von 9 Monaten völlig gesund sind und fortwährend eine negative Tuberkulin- reaktion aufweisen.

Die Versuche an den Affen wurden angestellt mittels Infizierung derselben durch subkutane Verabfolgung, sowie durch Einreibung in die Mundschleimhaut folgender Materialien: des hämolytischen (Schar- lach-) Streptococcus der 1. Generation, des Filtrates aus demselben, des Streptokokken enthaltenden Scharlachblutes, des Filtrats aus dem- selben, des Zungenbelags von Scharlachkranken und des Filtrats aus demselben. Außerdem wurde ein Versuch (Nr. 92) angestellt, die Affen mit den Organen eines an Nephritis krank gewesenen Affen zu in- fizieren, der seinerseits ein Filtrat von Zungenbelag bekommen hatte. Und schließlich wurden in den Käfig des Affen Nr. 92 zwei Affen untergebracht, um die Möglichkeit einer Ansteckung infolge unmittel- barer Berührung aufzuklären.

Das Zungenmaterial wurde den Scharlachkranken in den ersten Krankheitstagen vor dem Auftreten der Himbeerzunge entnommen, mit physiologischer Kochsalzlösung verrieben und in Form einer dicken Emulsion verwandt. Zur Filtration wurde das Material mit physiol. Kochsalzlösung 1:50 und das Blut mit destilliertem Wasser verdünnt, während die Bouillonkulturen per se durch das Chamberlan dsche und Berkefeldsche Filter unter Beachtung sämtlicherr Einzelheiten Druck, Zeit und Kontrollversuche (für letztere wurde der B. pro- digiosus verwandt) durchgelassen wurden.

Die Tiere wurden vor dem Versuch im Laufe von 2 Monaten beob- achtet, gewogen, die Temperatur wurde (im Laufe von mehreren Tagen) wiederholt gemessen, ebenso wurde das Blut morphologisch wiederholt untersucht!). Nach dem Versuche wurde den Tieren die Temperatur täglich morgens und abends gemessen; das Blut wieder- holt sowohl morphologisch als auch auf das Auslösch-Phänomen und die Bordet-Gengousche Reaktion hin untersucht.

Bei den verendeten Tieren wurden die Organe bakteriologisch und histologisch untersucht. Die bakteriologische Untersuchung wurde unter aëroben und anaëroben Bedingungen angestellt; letztere nach der von Noguchi-Tarozzi angegebenen und von Caronia und Sin- doni modifizierten Methode, d. h. mit menschlichen Erythrozyten.

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Im ganzen wurden 14 Affen infiziert, von denen 3 im Laufe des nächsten, der Infizierung folgenden Monats an Tuberkulose eingingen. 2 überhaupt nicht reagierten und 3 nur Temperaturreaktionen und un- bestimmte Erscheinungen aufwiesen, während bei 6 neben Temperatur- steigerungen klinische Erscheinungen an der Haut, der Zunge und dem Rachen zu beobachten waren (von diesen wiederum ging einer 31/, Mo- nate nach der Infektion an Tuberkulose ein).

Wir geben uun kurz die Versuchsprotokolle wieder.

Affe Nr. 52, Weibchen, Gewicht 2030 g Am 12. 12. wurden 2,0 einer 4Sstündigen Bouillonkultur vom Streptococcus der I. Generation subkutan injiziert (aus dem Herzen des an Scharlach verstorbenen 2jährigen Pat. J. P.). Gleichzeitig wurden 4,0 einer 10proz. NaCl-Lösung subkutan injiziert. Die Temperatur betrug vor der Infektion 38,2 —38,5; am 12./12. 39,2, 13./12. 39,9—39,4, vom 14./12. bis zum 18./12. war sie normal: am 19./12. 39,3—38,7. 20./12. 39.0—38,3, 21./12. 39,8, 22./12. 38,8—39,2, 23./12. 39,3, 24./12. 39,5—39,5, 25./12. und weiter normal.

Am 19./12. betrug das Gewicht 1940, 4./1. 1910, 19./1. 1880 gr.

Am 18. 12. Himbeere

Am 20. 12. Hauterythem am oberen und unteren Teile des Körpers. Am 24./12. verschwindet das Ervthem.

Blutuntersuchung vor der Infektion: Erythrozvten 4980000, Leukozyten 6000. Ds 64 Proz., Lymphozyten 34 Proz., eosinophile 0,6 Proz., Uebergangstormen

roz.

Blutbild nach der Infektion 4700000, 12500, 58 Proz., 36 Proz., 0,4 Proz.. 4 Proz. und am 9./l. 4000000, 24200, 60 Proz., 24 Proz., 8 Proz., 6 Proz. Keine Bandwürmer. 1./4 wurde dem Affen eine Emulsion von Scharlachzungen- belag aubkutan einverleibt. Temperatur vor der Infektion normal. 3./4. abends 398, am 4./4. und 5./4. normal, 6./4. 40.1 und 7./4. 39,3. Darauf Temperatur re en Erscheinungen sind nicht vorhanden. Bordet-Gengousche

caktion = 0.

Affe Nr. 53, Weibchen, Gewicht 2605 g. Am 12./12. wurden 4,0 eines Kulturfiltrats wie beim Affen Nr. 52 und 4.0 einer 10proz. NaCl-Lösung subkutan injiziert. Vom 12./12. bis zum 29./12. Temperatursteigerungen. Am 18./12. an Brust und Schultern diffuses Erythem. An der Lidhaut erythematöse Flecken. Am 23./12. ist das Erythem verschwunden. 6./1. Gesichtsödem, 14./l. Oedem ver- schwunden. Am 23./1. Tod an Tuberkulose.

Affe Nr. 54, Männchen, Gewicht 3530 g. Am 12./12. wurden 5,5 eines Kulturfiltrates wie bei Affen Nr. 53 verabreicht. Vom 12./12. bis zum 28./12. Temperaturerhöhung, darauf normal. Am 17./12. Erythem der Schulter und des oberen Rumpfteiles, Papeln. Am 18./12. dasselbe am Gesicht. Am 22./12. Erythen; verschwunden. Körpergewicht am 4./l. 3410, Bordet-Gengousche Reaktion

== 4 -+

Affe Nr. 55, Männchen, Gewicht 3450 g. Am 12./12. Infizierung wie bei Nr. 52. Vom 21./12. an Temperatursteigerung. 18./12. leichtes Erythem. 20.12. Erythem verschwunden. Am 18./ l. Tod an Tuberkulose.

Affe Nr. 86, Weibchen, Gewicht 2460 g. Am 16./1. Infizierung mit Zungen- belagemulsion. Am 8./2. Tod an Tuberkulose.

Atfe Nr. 87, Weibchen, Gewicht 2470 g. Am 16./1. subkutane Einverleibung eines Filtrats von Scharlachblut und Rois der Mundschleimhaut mit dem- selben (dasselbe Material wie im Versuch Nr. 88). Vom 19./1. bis zum 23.1. Temperaturerhöhung, Vom 8./2. bis zum 13./2. zweiter Temperaturanstieg. Gewicht am 26./1. 2200, am 4./2. 2310. Am 23./2. Angina; am 8./2. Hyperämie der Haut der unteren Extremitäten. Blutuntersuchung am 16./1.: Leukozyten 10 100, neutro- phile 52 Proz., Lymphozyten 44 Proz., cosinophile 0.4 Proz., Uebergangsformen 3.6 Proz. Am 28./1. 14900, 74 Proz., 21 Proz, 1 Proz. und 4 Proz. Am 5.2. 10000, 83 Proz.. 9 Proz., 3 Proz. und 5 Proz.

Affe Nr. 88, Männchen, Gewicht 3310 g. Wurde am 16./1. durch sub- kutane Injektion von Streptokokken enthaltendem Scharlachblut (siche Affe Nr. 57) gleichzeitige Bepinselung der Mundschleimhaut mit eben diesem Material infiziert. Am 18./1, 19./l. und dann am 30./1. Temperaturanstieg, dieser Zustand hält bis zum 4./2. an. Nächstfolgende Welle vom 12./2. bis zum 17./2. Körpergewicht am

1) Die Blut- und ITarnuntersuchungen wurden in der chemisch-mikroskopischen Abteilung des Instituts ausgeführt.

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13./2. 3750. Am 1./2. Oedem der Schnauze, das bis zum 8./2. zunimmt, worauf es abfällt. Im Harn Spuren von Eiweiß. Am 1./4. subkutane Injektion eines Filtrate von Scharlachzungenbelag und Bepinselung der Mundschleimhaut. Am 2./4. und 3./4. Temperaturaustieg; sonstige Erscheinungen nicht vorhanden.

Affe Nr. 92, Männchen, Gewicht 2600 g. Am 16./1. subkutane Einverleibung eines Fitrats von Zungenemulsion (dieselbe Emulsion wie in Nr. 86) und Bepinselunng der Mundschleimhaut mit demselben Material. Temperaturanstieg vom 1./2. bis zum 3.:2., darauf Norm und am 13.—15. wiederum Temperaturanstieg. Am 27./1. be- gannen Gesichtsödeme aufzutreten, die bis zum 15./2. zunahmen (über den ganzen Körper und Gelenke) und etwa am 21./2. verschwanden. Am 8./2. Ausschlag auf der Stirn, auf dem Nasenrücken Erythem. Am 14./2. verschwand der Ausschlag. Am 21./2. wurde der Affe mit Chloroform getötet. Gewicht am 20./2. 2320. Die Sektion ergab: in den Nieren Anäinie, Zeichnung verwischt. Leber fettig degeneriert, Knochenmark bla. Die Aussaaten aus den Organen und dem Blute ergaben unter anaëroben Bedingungen ein Stäbchen (siehe weiter unten am Ende der Arbeit), keine Streptokokken. In den Knochenmark- und Leberausstrichen kleine Kokken vom Typus Caronia. Die histologische Untersuchung stellte fest: in den Nieren par- enchvmatôüse Veränderungen in den Kanälchen und Glomerulis, in der Leber stark ausgesprochene Fettinfiltration. Die Sera des Tieres vom 21./2. ergaben ein schwach ausgeprägtes Schultz-Charltonsches Phänomen. Blutuntersuchung: vou 8600 vor der Infektion auf 11800 und 16000 nach der Infektion, wobei die Neutrophilie von 63 Proz. auf 82 Proz. stieg. Die Eosinophilie stieg von 1 Proz. vor der In- fektion auf 6 und 8 Proz. nach derselben. Bandwürmer nicht vorhanden.

Affe Nr. 139, Männchen, Gewicht 329) g. Wurde am 12./2. zum Affen Nr. 92 in den Käfig gebracht. Vom 23./2. bis zum 26./2. Temperaturerhöhung. Am 1./3. Temperaturanstieg (39,4), darauf Norm. Am 1./3. Erythem des oberen Rumpfteiles. Gewicht am 11.2. 3200. Blutuntersuchung vor dem Versuch: Leuko- zyten 11000, neutrophile 54 Proz., Lymphozyten 43 Proz., eosinophile 0,5 Proz. und Uebergangsformen 2 Proz. Nach dem Versuche 10400, 64 Proz., 28.5 Proz. eosino- phile 2 Proz., Ucbergangsformen 5,5 Proz. Bordet-Gengousche Reaktion = 0.

Affe Nr. 140, Männchen, Gewicht 3370 g; wurde um 12.2. in den Käfig zum Affen Nr. 92 gebracht. Vom 23.2. bis zum 1./3. Temperaturerhöhung. Am 26./2. trat an der Schnauze ein leichtes Exanthem auf, das am 27./2. verschwand.

Affe Nr. 145, Weibchen, Gewicht 2320 g. Am 21./2. wurde eine Emulsion aus den Organen (Lymphdrüsen, Kuochenmark, Milz und Leber) des Affen Nr. 92 subkutan injiziert. Vom 23./2. an Temprraturerhühuug, die bis zum 2./3. anhielt. Am 24./2. Exanthem an der Schnauze, das am 27./2. verschwand. Am 3./3. klein- blätterige Schuppung am ganzen Körper, die am 26./3. aufhôrte. Am 28./2i Pirquetsche Reaktion auf Tuberkulose negativ. Am 3./6. Exitus an Tuberkulose. Blutuntersuchung auf Eosinophilie: am 21./2. 0,5 Proz., 5./3. 5 Proz. Baudwürmer nicht vorhanden. Bordet-Gengousche Reaktion = 4--.

Affe Nr. 144, Männchen, Gewicht 3330 g. Am 21./2. subkutane Injektion wie in Nr. 143. Vom 23./2. bis zum 1./3. Teinperaturerhöbung. Am 27./2. Exauthem an der Schnauze.

Affe Nr. 230, Männchen, Gewicht 3440 g. Am 1./4. wurden 4,5 Emulsion von Zungenbelag subkutan injiziert. Die Temperatur schwankte vom 1./4. bis zum nd 39,0 und 40,2°, darauf wurde sie normal. An der Injektionsstelle Abszeß.

Affe Nr. 231, Männchen, Gewicht 3340. Am 1./4. subkutane Injektion eines Filtrats von Zungenbelagemulsion und Bepiuselung der Mundschleimhaut. Tempe- raturerhöhung vom 1./4. bis zum 8./4., darauf wird die Temperatur normal und auch sonst sind keine Erscheinungen zu beobachten.

Die Hauterscheinungen bestanden in einem konfluierenden Ery- them, das gewöhnlich den oberen oder unteren Rumpfteil, selten das Gesicht befiel. Auf letzterem fanden sich außer dem Erythem ein- zelne Extravasate und sehr kleine Flecken und Papeln. Das Ervthem bestand 2—3 Tage und verschwand dann. Die Schuppung war äuberst kleinblättrig und hielt 3—6 Tage an. Seitens des Rachens wurden einmal eine Hyperämie und eine Anschwellung der Tönsillen, sowie eine Angina catarrhalis notiert, die 3 Tage lang anhiclten; eine deutlich ausgeprägte Himbeerzunge wurde einmal notiert, wobei sie 4 Tage bestand. Ein allgemeines Oedem wurde einmal notiert, und zwar trat

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es 15 Tage nach der Infektion auf und bestand 18 Tage, ein partielles Oedem (der Schnauze allein) einmal.

Das klinische Bild nahm folgenden Verlauf: 4—27 Tage nach der Infektion stieg die Temperatur (in der Norm 38—38,50) auf 39,5—40° an und hielt sich unter Schwankungen von konstantem Typus auf dieser Höhe im Laufe von 3—6—-7 Tagen, worauf sie schnell zur Norm ab- sank, um in einigen Fällen cine zweite Welle zu geben (siehe die Kurve 1 des Affen Nr. 92). Das Hauterythem trat 6—8 Tage nach der Infek- tion auf, gewöhnlich am 2.—3. Tag nach dem Temepraturanstieg. In dem Falle, wo eine Angina notiert, ‚wurde (Nr. 87), trat letztere am 1. Tag nach der Infektion und am 2. nach dem Temperaturanstieg auf. Bei diesem Affen trat der Ausschlag (zum zweiten Mal) am 17. Tag nach der Erkrankung auf. Die Himbeerzunge (Nr. 52) trat am 2. Krank heitstag auf.

-In den 2 mit Oedem komplizierten Fällen dauerte die Inkubations- zeit am längsten, nämlich 15 und 27 Tage, die Temperaturerhöhung fiel mit dem Beginn der Oedeme zusammen.

Abgesehen von einer leichten Gewichtsabnahme ertrugen die Tiere im allgemeinen die Injektion gut, keiner der Affen ging von selbst ein.

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mit Ausnahme derjenigen, welche an Tuberkulose zugrunde gingen. Der Affe Nr. 92 mit allgemeinen Ocdemen wurde 35 Tage nach der In- fektion getötet.

Wenn wir nun zur Analyse der bei den Affen erhaltenen Lrschei- nungen übergehen, so sehen wir, daß die oben erwähnten Erscheinungen sowohl bei denjenigen Tieren, die ein Streptokokken enthaltendes Material, als auch bei denjenigen, die ein streptokokkenfreies Material (Filtrate) bekamen, auftraten. Dabei ist zu betonen, daß das Material, welches Streptokokken enthielt, keine besseren Resultate ergab als das- jenige, welches keine Streptokokken enthielt (siehe die Versuchsproto- kolle der Affen Nr. 87 u. 88). Ein ausgesprochenes Krankheitsbild bot Affe Nr. 92, der ein Filtrat von Zungenbelag (ohne Streptokokken) bekommen hatte,

Zum Affen Nr. 92 wurden, als die Oedeme desselben auf ihrem Höhepunkt sich befanden, die Affen Nr. 139 und 140 gesetzt, welche nach 11 Tagen zu fiebern anfingen und das uns bekannte Bild durch- machten, wobei bei beiden ein Exanthem 3—7 Tage nach der Erkrankung auftrat. Beide Affen erholten sich schnell.

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Kurve 1. Affe Nr. 92.

Zlatogoroff, Derkatsch u. Nasledyschewa, Der experim. Scharlach. 159

Die aus den Organen des Affen Nr. 92 bereitete, keine Strepto- kokken enthaltende Emulsion wurde den beiden Affen Nr. 144 und Nr. 145 subkutan mjiziert. Beide begannen zu fiebern und beim Affen Nr. 145 war 4 Tage nach der Infektion das Exanthem deutlich aus- geprägt. Die bei ihm beobachtete Eosinophilie stieg von 0,5 Proz. auf 5 Proz. Affe Nr. 92 war auch histologisch untersucht worden, wobei parenchymatöse Veränderungen in den Nieren (Erkrankung der tubuli contorti und zum Teil der Glomeruli) und eine stark ausgesprochene Fettinfiltration in der Leber. festgestellt wurden.

Wenn wir nun die Frage aufwerfen, was für eine Krankheit die Affen hatten, und ob es möglich sei, zwischen dem bei ihnen beob- achteten klinischen Bilde und der Erkrankung beim Menschen eine Analogie zu ziehen, so drängt sich hinsichtlich des Erythems, der Him- beerzunge und der Oedeme die Analogie von selbst auf. Eine deutlich ausgesprochene Schuppung sahen wir selten, in dieser Beziehung stimmen also unsere Beobachtungen mit denjenigen der früheren Autoren nicht überein. Um die Frage nach der Natur der Erkrankung der Tiere endgültig zu entscheiden, studierten wir nicht nur das klinische Bild, sondern auch die histologischen Organveränderungen, die Blutverände- rungen sowie die Immunreaktionen. Bei der Besprechung der Versuche an Kaninchen werden wir noch auf diese Punkte zurückkommen. An dieser Stelle sei nur festgestellt, daß bei einer Reihe von Affen nach der Infektion eine Eosinophile beobachtet wurde, und zwar nicht nur bei denjenigen, welche Streptokokken bekamen, sondern auch bei den Passage-Tieren. Von den Immunreaktionen wandten wir die Bordet- Gengousche Reaktion mit dem Antigen von Caronia (aus Scharlach- schuppen an und erhielten eine positive Reaktion mit dem Blut von Passage- und Filtrataffen. Unsere an den Affen gemachten Beobach- tungen stimmen in vieler Beziehung mit derjenigen von Bernhardt. und Cantacuzene sowohl in bezug auf die Inkubationszeit als auch auf die klinischen Erscheinungen überein (siehe oben die Literatur- angaben).

Die Versuche an den Kaninchen wurden nach demselben Typus ausgeführt, nur mit dem Unterschiede, daß diesen Tieren das Material auch intravenös injiziert wurde. Außerdem wurden an den Kaninchen zahlreiche Kontrollversuche über die Einverleibung von Material von Nichtscharlachkranken und von Organen normaler Tiere angestellt.

Für die Versuche wurden gewöhnlich Kaninchen von 800—1200 x Gewicht von weißer Farbe verwandt, und was den Infektionsmodus an- betrifft, so wurden sie hauptsächlich mit ‘dem Belag der Scharlach- zunge und mit dem Filtrat von demselben infiziert. Außerdem wurden Tiere mit der Emulsion aus den Organen Scharlachkranker, sowie mit dem Filtrat von denselben infiziert. Im ganzen wurden mit Emulsionen 39, mit Filtraten 40 Kaninchen infiziert. Ferner wurden mit den Or- ganen der eingegangenen und getöteten Kaninchen neue Kaninchen infiziert und mit den Organen dieser wiederum neue, so daß man eine Reihe von Passage-Tieren erhielt. Es wurden an ihnen dieselben Beob- achtungen angestellt wie an den Affen. u

Die bei den Kaninchen erhaltenen Erscheinungen lassen sich in zwei Gruppen einteilen. Zur 1. Gruppe gehören diejenigen Tiere, welche Haut- und sonstige Erscheinungen hatten, zur 2. diejenigen, die solche Erscheinungen nicht aufwieBen. Die Hauterscheinungen traten 2—3 Tage nach der Erkrankung auf und bestanden in einer

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Gefäßinjektion, in punktförmigen Hämorrhagien und Papeln, die sich schnell mit einer schuppenden Epidermis bedeckten. Ein solches Bild bot die Haut des ganzen Rumpfes, besonders des hinteren Teiles; diese Erscheinungen verschwanden nach 3—6 Tagen. In der 4.—5. Krank- heitswoche trat, besonders bei den Kaninchen, die die oben erwähnten Hauterscheinungen hatten, eine allgemeine großblättrige Schuppung auf. Weder seitens der Lunge, noch seitens des Rachens und der Haut waren irgendwelche Oedemerscheinungen zu beobachten. Von der Gesamtzahl 79 der infizierten Kaninchen boten im ganzen 24 die Erscheinungen.

Die zweite Gruppe der Kaninchen, die diese klinischen Erschei- nungen nicht aufwiesen, reagierte auf die Infektion gleich der 1. Gruppe mit einer Temperatursteigerung. Dabei konnte man einen wesentlichen Unterschied zwischen denjenigen Tieren, die mit Organemulsionen oder Zungenbelag (Gruppe A) und denjenigen, die mit Filtraten von denselben ınfiziert wurden (Gruppe B), feststellen. Bei der subkutanen oder intra- venösen Infektion der Gruppe A reagierten die Tiere mit einer Tem- peratursteigerung, die gewöhnlich am 2. oder 3. Tag nach der Infektion begann und 7—12 Tage in Form einer Kontinua oder häufiger unter Remissionen zwischen 38,6—40,2 anhielt (siehe Kurve Nr. 2), wobei

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Ih HH fi Kurve 2. Kaninchen Nr. 29.

das Tier entweder nach 4—12 Tagen einging oder, wenn es am Leben ee die Temperatur zur Norm zurückkehrte. In selteneren Fällen A ann das Tier (der Gruppe A) erst 4—7 Tage nach der Infektion zu fiebern und machte die Temperaturkurve vom oben erwähnten Typus mit denselben Folgeerscheinungen durch (siehe Kurve Nr. 3). Der

Kurve 3. Kaninchen Nr. 28.

Tod der Kaninchen befand sich in Abhängigkeit von der Virulenz des Materials und der Individualität des Tieres: in manchen Fällen hatte die Subkutaninfektion einen tötlichen Ausgang zur Folge, während der intravenöse Infektionsmodus ohne Zwischenfall verlief (siehe Protokoll Nr. 28 und 31).

Ein anderes Bild bietet die Gruppe B dar. Bei subkutaner Infektion mit Filtraten wird stets eine fieberfreie Inkubationsperiode von 4 bis 7 Tagen beobachtet, worauf eine lytisch ansteigende Temperaturkurve von kontinuierlichem oder seltener remittierendem Charakter einsetzt und in derselben Weise nach 5—10 Tagen abbricht (4) (siehe Kurve des

Zlatogoroff, Derkatsch u. Nasledyschewa, Der experim. Scharlach. 161

Kaninchens Nr. 37). In denjenigen Fällen aber, wo die Filtrate oder Emulsionen intravenös eingeführt wurden, stieg die Temperatur oft in den nächsten 24 Stunden nach der Infektion an, um dann zur Norm

A f FAÏF RN INA LA Als af als HT

An FH si LA i ES zri |

Kurve 4. Kaninchen Nr. 37.

abzufallen und weiterhin wie bei der subkutanen Darreichung sich zu verhalten (5) (siehe Kurve Nr. 5). Mithin ist die Temperaturkurve

Kurve 5. Kaninchen Nr. 63.

bei Infizierung mit Filtraten von Scharlachmaterial charakteristisch für die Kaninchen. Kontrolle mit Filtraten von gesunden Menschen und anderen Kranken boten ein solches Bild nicht dar. Wenn wir die nach der Infektion eingegangenen oder getöteten Kaninchen (z. B. bei wiederholter Filtrateinverleibung) untersuchen, so finden wir ein ziem- lich konstantes pathologisch-anatomisches Bild. Die Organe (Leber, Milz, Knochenmark und Nebennieren) sind hyperämisch, mitunter finden sich Blutergüsse in dieselben, sowie destruktive Prozesse; die Nieren sind in der Regel parenchymatös verändert. Diese Veränderungen fanden sich nicht nur bei den Kaninchen, welche Emulsionen bekommen hatten, sondern auch bei denjenigen, welchen Filtrate verabreicht worden waren. So wurden bei 12 von 39 Kaninchen der ersten Gruppe und bei 6 von 40 der zweiten Gruppe Nierenerkrankungen festgestellt. Diese Ziffern sind bei weitem nicht vollständig, da das Schicksal der am Leben gebliebenen Kaninchen noch unbekannt ist. Das Knochen- mark zeigte sowohl an Ausstrichpräparaten wie an Schnitten Erschei- nungen von Hyperplasie und Eosinophilie. Der Kaninchenharn wies starke Veränderungen auf, die auf eine Nephritis acuta hindeuteten: hohes spezifisches Gewicht, Eiweiß bis zu 18°/oo, Nierenepithelien, verschiedene Zylinder und Blut. Bei einem Kaninchen stellten wir bei allgemeiner Schuppung eine Nephritis und Otitis duplex (Staphylo- coccus!) fest.

Wir geben nun Auszüge aus unseren Protokollen wieder.

Kaninchen Nr. 28, Männchen, Gewicht 995,0 g. Am 19. 11. 1924 intra- venöse Injektion einer Emulsion von Scharlachzungenbelag. Vor der Infektion war die Temperatur 38,8—39,0; am 20. 11. betrug die Temperatur 39,3—39,3 und schwankte bis zum 2. 12. zwischen 39,7 und 39,2, darauf wurde sie normal. Keine

Erste Abt. Orig. Bd. 97. left 2/3. 11

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Hauterscheinungen. Am 12. 1. groBblätterige und kleinförmige Abschilferung, dauert bis zum 1. 2. Das auf das Schultzsche Phänomen untersuchte Kaninchenserum ergab 4+.

e Nr. 31. Männliches Kaninchen, Gewicht 758,0 g. Wurde am 19. 11. 1924 mit derselben Emulsion wie in Nr. 28 subkutan infiziert. Vom 20. 11. bis zum 24. 11. erreichte die Temperatur nicht 39°, am 25. 11. betrug sie 39,0—39,1, am 26. 11. 38,8—39,7, am 27. 11. 39,3—39,0, am 28. 11. 39—39,1, am 29. 11. Exitus. Gewichtsverlust im Laufe von 10 Tagen 470. Sektion: seröse und hämorrhagische Exsudate im Cavum peritonei, pleurae, pericardii; Nieren gequollen, stark injiziert.

Aus den Aussaaten wuchsen überall Streptokokken.

Nr. 224, männliches Kaninchen, Gewicht 1600 g Am 4. 4. wurde 10 Emulsion vom Zungenbelag 6 Scharlachkranker intravenös injiziert. Aus der Emulsion wuchs ein hämolytischer Streptococcus. Vor dem Versuch betrug die Temperatur 38,7—39,0, am 4. 4. abends 40,0, vom 3. 4. bis zum 19. 4. schwankte die Temperatur zwischen 38,6 und 39,5, darauf wurde sie normal. Am 18. 4. trat ein knötchenförmiger (2—4 mm Durchmesser), von Schuppen bedeckter Ausschlag auf. Injektion und Knötchen verschwanden um den 24 4. herum. Das Kaninchen ging am 13. 5. ein. Leber, Milz und Nieren hyperämisch. In den Nieren de- generative Veränderungen. Harn: spez. Gewicht 1,036, Albumen 0,2 Prom., Nieren- epithelien, Erythrozyten und hyaline Zylinder.

Nr. 98, männliches Kuninchen, Gewicht 1410. Am 27. 1. wurde 10 Eiter von einem Scharlachkranken (hämolyt. Streptococcus) in die Lunge injiziert. Nach der Injektion betrug die Temperatur 39.5—39,6 und hielt sich auf dieser Höhe bis zum 1. 2., an welchem Datum das Kaninchen einging. Die Sektion ergab eine stark ausgesprochene hämorrhagische Nephritis (im Harn 1,32 Prom. Eiweiß, Blut, Nierenepithelien, körnige Zylind r) und eine Hvperämie der Leber und Milz. Ex- sudat in der Pleurahöhle; eitrig-seröse Perikarditis. Die Aussaat ergab Streptokokken.

Nr. 34, männliches Kaninchen, Gewicht 837 g. Wurde am 19. 11. mit einem Filtrat von Zungenbelagemulsion intravenös infiziert. Am 25. 11. Temperatur- anstieg; bis zum 1. 12. bewegte sich die Temperatur zwischen 38,5 und 39,9. Am 1. 12. trat ein papulöses Exanthem auf, das am 4. 12. verschwand. Am 2. 12. setzte eine leichte Schilferung ein, die um den 10. 1. herum in eine großblätterige Schuppung am ganzen Körper überging. Etwa am 20. 1. hörte die Schuppung auf. Am 4. 4. wurde dem Kaninchen in zwei Sitzungen (zwecks Verminderung einer Schock- wirkung) 0,2 und 5.0 Filtrat von Zungenbelag intravenös injiziert. Am 4. 4. abends Krämpfe. Am 9. 4. ging das Kaninchen ein. Hyperämie und Vergrößerung von Leber, Milz und Nieren, Hyperämie des Dünndarınes, Niereninfarkte. Harn: spez. Gewicht 0.021, Eiweiß 0,59 Prom.; zahlreiche Nierenepithelien, wenige Erythrozyten, viel epitheliale und körnige Zylinder. Am 19. 11. 4900, am 13. 12. 13500 Leuko- zyten.

Nr. 36, weibliches Kaninchen, Gewicht 979 g. Am 20. 11. 1924 sub- kutane Injektion desselben Emulsionsfiltrates wie in Nr. 34. Bis zum 23. 11. Tempe- ratur normal, vom 23. 11. bis zum 29. 11. Temperatur 39—39,5. Am 2. 12. papulöses Hautexanthem des Rumpfes. Am 4. 12. leichte kleinblätterige Schuppung. Am 5. 12. Verschwinden des Exanthems. Am 12. 1. beträchtliche lamellöse Schuppung und kleinförmige Schilferung bis zum 29. 1. Blutuntersuchung am 19. 11: Leuko- zyten 5300, eosinophile 1 Proz., 8. 12. 10500, cosinophile 6 Proz. Am 31. 3. Exitus. Sektion: Hyperämie der parenchymatösen Organe, Veränderungen in den Nieren (die Kapsel läßt sich schwer abziehen), Zeichnung verwischt.

Nr. 37, männliches Kaninchen, Gewicht 882 g. Erhielt am 20. 11. 1924 subkutan dasselbe Emulsionsfiltrat wie Nr. 36. Vom 25. fi. bis 3. 12. Temperatur- steigerung (35,3—39.5), darauf normal. Vom 10. 1. starke Schuppung der gesamten Haut wie in Nr. 36, die bis zum 4. 2. anhieltt Am 4. 4. wurden ihm in zwei Sitzungen 5,0 Emulsionsfiltrat vom Zungenbelag und am 13. 4. 2,0 Filtrat intravenös injiziert. Am 14. 4. betrug die Temperatur 40,1 und blieb erhöht bis zum 27. 4. (39,2—40,1). Am 7. 4. Eiterfluß aus beiden Ohren (in der Aussaat Staphylokokken). Im Harn Eiweiß, Zylinder. Bordet-Gengou = ar

Nr. 130, männliches Kaninchen, Gewicht 910,0 g Am 5. 2. 1925 wurde ihm ein Eimulsionsfiltrat von den Organen eines Scharlachkranken (ohne Streptokokken) in die Lunge injiziert. Exitus am 17. 2. Die Teperatur betrug während der ganzen Zeit 33,3—39.6. Innere Organe hyperämisch. In den Nieren degenerative Veränderungen. Eiweiß 0,15 Prom. Im densatz einige entfärbte Erythrozyten.

Passagetiere. Nr. 32, männliches Kaninchen. Gewicht 857,0 g. Am 1. 12. wurde ibm Blut vom (Filtrat-)Kaninchen Nr. 34 intravenös injiziert. Exitus am 4. 12. Temperatur 39,0—39,7--35.6. Am 3. 12. Hautexantheım wie bei den anderen.

Zlatogoroff, Derkatsch u. Nasledyschewa, Der experim. Scharlach. 163

Sektion: in allen Höhlen serös-hämorrhagische Exsudate. Hyperümie der par- enchymatösen Organe. In den Nieren degenerative Veränderungen, im Harn Eiweiß und Zylinder. Aussaat steril.

Nr. 57, männliches Kaninchen, Gewicht 840,0. Am 4. 12. intravenöse Injektion eines Organfiltrats vom Kaninchen Nr .32 (sterill). Abends betrug die Temperatur 39,8, darauf normal bis zum 8. 12. und bis zum 10. 12. 39,3—38,8. Darauf normal. Exitus am 17. 12. Sektion: Hyperämie der inneren Organe, Bluterguß und seröses Exsudat in den Höhlen, Evsinophilie im Knochenmark. Im Harn Eiweiß und Zylinder. Aussaat steril.

Nr. 66, männliches Kaninchen, Gewicht 467.0 g Am 18. 12. sub- kutane Injektion von 2,0 Emulsion aus den (sterilen) Organen des Kaninchens Nr. 57. Temperaturanstieg bis 39,3 nur abends, darauf normal. Am 1. 1. 1925 Exitus. Sektion: Hyperämie der inneren Organe, Bluterguß, Eosinophilie im Knochenmark. Im Harn Eiweiß und Zylinder. Aussaat steril.

Nachdem wir so bei den Kaninchen nach Infizierung derselben mit Filtraten ein solches klinisches Bild bekommen hatten, wobei die Aussaaten aus den Organen keine Streptokokken ergaben; gingen wir zum Durchschickungsverfahren durch Kaninchenserien über, indem wir sie mit den Organen der verendeten Filtratkaninchen infizierten. Mit Nr. 34 (siehe Protokolle) wurden Nr. 32 und Nr. 33 infiziert (erste Passage), mit Nr. 32, das nach 72 Std. einging, wurden Nr. 57 und und 58 infiziert (2. Passage), mit Nr. 57, das nach 14 Tagen einging Nr.66 und 67 (3. Passage)und mit Nr.66, das nach 14 Tagen cinging Nr. 82 und 83 (4. Passage). Nr. 82 ging nach 62 Tagen ein. Weiter gelang die Passage nicht. Mit Nr. 62 und 127 waren gleichfalls (je einmal) Passagen gemacht worden.

Bei den Passagekaninchen war die Temperaturreaktion in der 1. und 2. Passage dieselbe wie beim Ausgangstier, außerdem kamen in der 1. Passage Hauterscheinungen zur Beobachtung. Bei der 3. und 4. Passage war die Temperaturreaktion eine unbedeutende und, wie aus den Todesdaten zu ersehen ist, rückte letzteres in dem Maße wie wir uns von Nr. 34 entfernten immer weiter hinaus. In den inneren Organen der Passagekaninchen sind dieselben Veränderungen gefunden worden und im Knochenmark dieselbe Eosinophilie. Diese Erscheinungen ent- sprechen denjenigen, welche Sindoni und Nasso beschrieben haben und sprechen für die septische Wirkung des Agens.

Die Passagekaninchen wurden einer bakteriologischen Untersuchung unterzogen, wobei die Isolierung von Streptokokken nicht gelang.

In einigen Fällen von Infektion mit Filtraten, besonders bei wieder- holter Injektion mit letzteren, gingen die Kaninchen an Streptokokken- erkrankung der Pleura und an Sepsis zugrunde (im ganzen 6 Fälle), wobei sowohl hämolytische als auch nichthämolytische Stämme iso- liert wurden. Diese Tatsache berechtigt zur Annahme, daß die Filtrat- einverleibung die im Organismus vorhandenen Streptokokken aktiviert. Nachdem wir festgestellt hatten, daß die Kaninchenerkrankung in Passagen ohne Streptokokken zustande kommt, mußten wir natürlich diese Erkrankung, sowie die Beziehung derselben zum Scharlach charak- terisieren. Gesagtes bezieht sich auch auf die Affen. Wenn man nun hinsichtlich des klinischen Bildes im ganzen streiten kann, inwieweit es mit demjenigen des Scharlachs übereinstimme, so müssen wir zu- geben, daB die einzelnen Veränderungen wie Angina, Himbeerzunge, Erytheme, Nephritiden und die Veränderungen der inneren Organe sehr stark an den menschlichen Scharlach erinnern. Die Erkrankung der inneren Organe!), welche sowohl bei Tieren, die Emulsionen be-

Q Für die bei der Analyse einiger Fälle geleistete Hilfe sprechen wir Herrn Prof. G. S. Kulescha unseren besten Dank aus. 11*

164 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

kommen hatten (d. h. Streptokokken hatten), als auch bei den Filtrat- tieren festgestellt wurde, ist qualitativ völlig identisch, nur sind die Erscheinungen bei den letzteren etwas schwächer ausgeprägt, als bei ersteren. Was nun den Charakter der Veränderungen anbelangt, so sind die stärksten Veränderungen im Knochenmark, in der Milz, der Leber, den Nieren und Nebennieren festgestellt worden.

Im Rückenmark finden sich Hyperplasieerscheinungen, zahlreiche kariokinetische Figuren und eine stark ausgesprochene Eosinophilie, in der Leber und Milz neben hyperplastischen Prozessen destruktive Er- scheinungen, sowie Nekrose der Zelellemente.

In den Nieren begegnen wir neben einem interstitiellen Prozeß einer Erkrankung der Glomeruli in Form von Kernanhäufung und Schrumpfung derselben. Daneben finden sich hypertrophische Prozesse. Das sezernierende Epithe list gequollen, albuminös degeneriert (Nr. 156), während die Kanälchen hyaline Degenerationen aufweisen. In den Nebennieren Blutergüsse und nekrotische Veränderungen.

Die hier geschilderten histologischen Veränderungen erinnern zum Teil an die Schädigungen innerer Organe bei Tieren, die an Strepto- kokkeninfektion zugrunde gingen (Kuczynski), zum Teil an die allen bekannten Organveränderungen beim Scharlach.

Es war nun wünschenswert, diese Untersuchungen durch den Blut- befund zu vervollständigen. Bekanntlich ist von allen Infektionskrank- heiten beim Menschen der Scharlach diejenige, bei der die Eosinophilie am konstantesten vorkommt. Um nun aufzuklären, inwiefern die Eosino- philie durch den Scharlach oder durch den Streptococcus, und zwar durch welche Art desselben verursacht wird, sind von uns spezielle Versuche mit verschiedenen Vakzinen am Menschen und von Dr. Alymow an Tieren angestellt worden, welche zeigten, daß die Eosino- philie hauptsächlich durch den hämolytischen (Scharlach-) Strepto- coccus der 1. Generation hervorgerufen wird, während den anderen Streptokokken diese Eigenschaft nicht zukommt. Andererseits aber haben unsere Affen und Kaninchen, die, ohne Streptokokken zu be- herbergen, die Erkrankung hervorriefen, in einer Reihe von Fällen eine Eosinophilie gezeigt, dabei wurden sämtliche Momente aus- geschlossen, die das Bild hätten verdunkeln können: es wurde nach Bandwürmern (Coccidien) geforscht.

Und nun betreffs der Immunitätsreaktionen. Bekanntlich haben Caronia, di Christina und Sindoniin ihren Versuchen über den experimentellen Scharlach die Bordet-Gengousche Reaktion miteinem aus Scharlachschuppen gewonnenen Antigen angewandt. Die mit einem solchen Antigen angestellte Reaktion auf Komplementbindung erwies sich bei diesen Autoren als höchst spezifisch für den Scharlach, und zwar sowohl für den natürlichen, als auch für den experimentellen. Dank der Liebenswürdigkeit von Prof. Car onia erhielten wir genaue Angaben über das Herstellungsverfahren des Antigens (man läßt 1,0 sorgfältig verriebener Schuppen in 20 g 90proz. Alkohol 24 Std. bei 370 C sich abstehen). Das Antigen wurde in 178 Fällen nachgeprüft. Unter ihnen waren 71 normale Menschensera, 13 von luetischen Men- schen, 5 von normalen Kaninchen, 6 von Scharlach-Pferden, 3 von

l) Die gesamte technische Arbeit bei der Anstellung der Bordet-Gengou- schen Reaktion wurde im serologischen Laboratorium des Instituts von Dr. A. P. Ermi- low und Dr. W. N. Wassiljewa ausgeführt.

Zlatogoroff, Derkatsch u. Nasledyschewa, Der experim. Scharlach. 1635

Streptokokken-Pferden, 6 von Experiment-Affen und 62 von Experi- ment-Kanincehn.

Die normalen Menschen-, Kaninchen- und Affensera ergaben nicht ein einziges Mal eine Komplementbindung, ebensowenig die Sera von luetisch infizierten. Die Sera von scharlachkranken Menschen ergaben stets eine positive Komple- mentbindung. Normale Pferdesera ergaben eine positive Komplement- bindung. Die Sera von Affen und Kaninchen, die sowohl mit Strepto- kokken als mit Filtraten oder mit den Organen von Passage-Tieren in- fiziert waren, ergaben in einem gewissen Prozentsatz eine Komplement- bindung. Die Sera von Tieren, die anderes Material (kein Strepto- kokken- und kein Scharlachmaterial) bekommen hatten, ergaben nie- mals eine Komplementbindung. Es fällt besonders auf, daß die Passage- und Filtrattiere eine positive Reaktion ergaben (Nr. 146, 147, 157, 220, 222, 223, 257, 273, 282). Mithin erwies sich das aus Scharlachschuppen bereitete Antigen als aktiv in bezug auf den Streptococcus und das Virus. Eine solche doppelte Wirkung war denn auch zu erwarten, da die Schuppen nicht selten Streptokokken und nach den Arbeiten der italienischen Autoren auch den Scharlacherreger enthalten. Wenn wir nun die vorhin gestellte Frage, mit was für einer Erkrankung wir es bei den Tieren, die Filtrate von Scharlach- material bekommen hatten, und bei den Passagetieren zu tun haben, beantworten, so müssen wir konstatieren, daß der tierische Organismus die Einverleibung dieses Materials mit einer Reaktion ,,sui generis“ beantwortet, die uns gestattet, von einem experimentellen Scharlach zu sprechen, den man bei Tieren auch ohne Streptokokken erzeugen kann. Die Anwesenheit von Strep- tokokken im Material beeinflußt die Erscheinungen nicht qualitativ, sondern nur quantitativ. Diese Erscheinun- gen werden durch ein Agens hervorgerufen, das im Orga- nismus des Scharlachkranken sich befindet, durch das Filter hindurchgeht und in Passagen die Erkrankung der Tiere hervorruft. Was die Lokalisation dieses Agens anbelangt, so ist es vorläufig in der Mundhöhle, dem Blut in den ersten Krankheits- tagen und in den paremchymatösen Organen (en masse) festgestellt worden, ohne daß wir eine genaue Differenzierung der letzteren an- geben könnten.

Wird dieses Agens bei 580 im Laufe einer Stunde erhitzt, so ver- liert es seine Aktivität, was sich durch entsprechende Bearbeitung der Organfiltrate nachweisen läßt.

Wenn wir nun zur Frage nach dem Charakter des Erregers selbst übergehen, so ist zu bemerken, daß unsere Forschungen in der Richtung der italienischen Arbeiten angestellt wurden. Die Tiere wurden einer bakterioskopischen und bakteriologischen Analyse unterworfen, wobei wir uns möglichst an die italienische Methodik hielten.

Die Hauptfrage, welche die Italiener in ihren Arbeiten aufwerfen, ob es beim Scharlach einen besonderen Mikroorganismus gebe und diese dahin beantworten, daß dieser Mikroorganismus einen kleinen Diplo- coccus darstelle, der anaërob wachse und sowohl in Ausstrichpräpa- raten von Organen als auch in Kulturen sich nachweisen lasse, diese Frage wurde auch von uns gestellt, ohne daß wir bis jetzt eine ge- bührende Lösung derselben kannten. Die Herstellung von Kulturen nach italienischem Muster ist uns nicht gelungen. Wir machten wieder-

166 Centralbl. f. Bakt. ete. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2:3.

holt Aussaaten aus dem Rachensekret von Scharlachkranken, aus deu Filtraten, sowie aus den Organen und Filtraten von kranken Tieren In 6 Fällen erhielten wir aus den Filtraten einen anaërob wachsenden 0,3—0,5u groben Mikroorganismus, der aber die Form von Diplo- bazillen oder Bazillen hatte, mit Anilinfarben die Polfärbung aufwies und sich nach Gram färbte. Die Kontrollaussaaten aus gesunden Tieren oder aus anderem Infektionsmaterial (Masern) ergaben solche Mikroben nicht. Welche Rolle diesen Organismen beim Scharlach zukommt, bleibt vorläufig noch unaufgeklärt, da die Untersuchungen in dieser Richtung noch nicht abgeschlossen sind.

Die bakterioskopische Untersuchung der Organe ergab ganz andere Resultate, die mit den Beschreibungen von Caronia, di Cristina und besonders von Sindoni übereinstimmen. In den Ausstrichpräpa- raten aus demKnochenmark und der Leber von Tieren, die eine Emulsion oder Filtrate bekommen hatten, konnten wir bei der Granulafärbung (langdauernde Färbung im Laufe von mehreren Tagen) die Anwesen- heit von Kokkengebilden feststellen, die zu je zwei, manchmal zu je vier gelagert waren. Die Größe derselben schwankt zwischen 0,3 und 0,5 u. Nach Färbung, Lagerung und Form unterscheiden sie sich von den- jenigen körnigen Gebilden, die in den Organausstrichen als das Resultat des Zerfalls von Zellelementen (besonders im Knochenmark) vor- kommen. Diese Gebilde müssen als Mikroorganismen anerkannt werden. Bei der Untersuchung von Ausstrichen aus normalen Organen oder von Tieren, die an anderen Krankheiten eingegangen waren, konnten wir solche Gebilde nicht entdecken. Letztere finden sich, wie bereits er- wähnt, bei mit Filtraten injizierten Tieren, wo die Aussaat keine Streptokokken ergab, folglich können wir sie nicht als Streptokokken- derivate ansehen.

Bürgers hält diese Gebilde für Micrococcus candicans. Im Kulturverfahren diese Gebilde zu gewinnen, gelang uns nicht, was Ja bei dieser letzten Art von Mikroorganismen leicht gelingt. Wir glauben, daß die Größe und Morphologie derselben, sowie der Umstand, daß sie a@rob nicht wachsen, gegen die Annahme von Bürgers sprechen. Jedenfalls müssen die italienischen Arbeiten, besonders die kürzlich erschienenen Mitteilungen von Sindoni, einer wiederholten Nach- prüfung unterzogen werden, und der Gedanke, daB es ein Agens gibt, welches eine scharlachartige Erkrankung ohne Streptokokken hervor- ruft, hat manches für sich und verdient eine weitere Bearbeitung.

Wir stellen uns die Scharlachpathogenese beim Menschen fot- gendermaßen vor. Der durch das Filter hindurchgehende Scharlach- erreger gelangt zunächst in die Mundhöhle, wo er, falls er Strepto- kokken vorfindet, dieselben meistenteils aktiviert, indem er ihnen ,,be- sondere“ antigene Eigenschaften verleiht. Der veränderte Strepto- coccus wirkt mit seinen Toxinen auf den Organismus und hilft so dem Scharlacherreger in seinem Kampfe gegen letzteren. Das ist der (rund, weshalb wir beim Scharlach nicht selten das gemischte Bild der Septikämie und der Toxämie beobachten, und wir müssen den Scharlach als eine Krankheit betrachten, in deren Pathogenese zwei Agenzien eine Rolle spielen, nämlich der Erreger und der Strepto- coccus. j

Zum Schluß sei erwähnt, daß unsere Versuche noch lange nicht

1) Die Arbeit in dieser Richtung wird fortgesetzt.

Zlatogoroff, Derkatsch u. Nasledyschewa, Der experim. Scharlach. 167

abgeschlossen sind. Wir wollten nur mit dieser Arbeit zeigen, daß die Frage nach dem Scharlacherreger mit Hilfe von immunbiologischen und epidemiologischen Daten allein nicht entschieden werden kann, sondern daß das Experiment eine entscheidende Rolle hierbei spielen muß. Und wir glauben, daß die Vorstellung von einem filtrierbaren Virus beim Scharlach, die infolge der letzten Arbeiten der amerika- nischen Autoren so schnell verlassen wurde, wiederum unsere ganze Aufmerksamkeit verdient. Wenn wir uns die Geschichte mit der Schweinepest und dem B. suipestifer, ferner die Geschichte mit dem B. proteus X, und die gesamte Lehre von der Paraimmunität vergegenwärtigen, so werden wir in der Bewertung von Mikroben- befunden, denen wir geneigt sind, ein ätiologisches Moment für den Scharlach zuzusprechen, vorsichtiger sein.

Schlußfolgerungen:

1) Tiere (Kaninchen und Macacus rhesus) bieten beim experi- mentellen Scharlach nicht das vollkommene Bild dieser Erkrankung beim Menschen dar.

2) Der experimentelle Scharlach stellt bei unseren Tieren eine Krankheit ,,sui generis“ dar, die nur zum Teil die Scharlachsymptomato- logie wiederholt,

3) Die Gesamterscheinungen, die beim Experiment zutage treten, gestatten uns von einem experimentellen Scharlach zu sprechen, der für das Scharlachmaterial spezifisch ist.

4) Der experimentelle Scharlach bei Tieren läßt sich sowohl mit einem Streptokokken enthaltenden Material (Blut, Organe und Zungen- belag von Scharlachkranken), als auch mit einem solchen, das Keine Streptokokken enthält, erzeugen,

5) Das den experimentellen Scharlach hervorrufende Agens geht durch das Filter und findet sich in der Mundhöhle, im Blut und in den inneren Organen.

6) Bei Tieren läßt sich ein Passagevirus erhalten.

7) Das Scharlachvirus aktiviert offenbar den Streptococcus und verleiht ihm besondere antigene Eigenschaften.

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168 Centralbl. f. Bakt. ete. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

Nachdruck verboten.

Zur Frage nach der diagnostischen gg der biologi-

schen Reaktionen und Chemotherapie beim Menschenrotz.

"Aus dem Laboratorium der Klinik für Infektionskrankheiten der Uni- versität Simferopol (Prof. A. Dwushilny).]

Von Dr. S. S. Sabolotny (Simferopol). I.

I. Die bakteriologische Diagnose wird zurzeit bei vielen Infektions- krankheiten nicht nur durch Auffinden des Antigens, des Krankheits- erregers, sondern vielmehr durch die Bestimmung der spezifischen Antı- körper in dem Serum des erkrankten Organismus Serumdiagnose und durch das Vorhandensein einer Ueberempfindlichkeit gegenüber dem vermutlichen Antigen festgestellt.

Die Diagnose der Rotzinfektion gründet sich in der Veterinär- praktik fast ausschließlich auf das Verfahren der Bestimmung der Antikörper, des anaphylaktischen einbegriffen; besonders erfolgreich erwiesen sich dabei die Reaktionen der Komplementbindung und die der Ueberempfindlichkeit zum Mallein.

Nun sind beim Menschen gerade diese biologischen Reaktionen nicht erschöpfend untersucht worden. Es gibt wenige Literaturangaben. und die Autoren beschränken sich auf die Annahme der Analogie zwischen dem Organismus des Menschen und dem des Pferdes. Infolge- dessen wird man bei der Feststellung der Diagnose auf eine umständ- lichere Methode der Gewinnung von Reinkulturen und auf Tierversuche angewiesen, was aber sehr unbequem ist. Sie nimmt mindestens 10 bis 14 Tage in Anspruch (wenn der Versuch an Meerschweinchen an- gestellt wird) und ist außerdem nicht gefahrlos. Das ist der Grund, warum 'wir uns gestatten, die von uns erhaltenen Untersuchungsergebnisse der biologischen Reaktionen in 2 Rotzfällen beim Menschen, welche nach dem Kochschen Verfahren diagnostiziert wurden, mitzuteilen.

Wir führen zunächst einige Daten aus den Krankheitsgeschichten an.

l. Er—r., Deutscher Kolonist, 22 Jahre, in die Klinik am 2. 5. 1923 eingeliefert. Der Kranke ist regelmäßig gebaut und von mittlerer Ernährung. Ungefähr vor 11/, Monaten traten rheumatische Schmerzen in den Gliedmaßen ein, welche durch keine antirheumatischen Mittel zu beseitigen waren. Während der 3 letzten Wochen hat sich der Zustand des Kranken verschlimmert; er klagte über Schmerzen in der linken Seite. Am Tage des Eintrittes: leicht fluktuierendes Infiltrat an der dorsalen Seite des rechten Fußes und kleines, schmerzhaftes Infiltrat an der linken Schulter; außerdem starke Schmerzen an der rechten Schulter ohne objektive Erscheinungen; Temp. 38,02. Blut steril. Aus dem Eiter des Infiltrates am rechten Fuße bekamen wir eine Kultur des B. mallei (4. 5.). Derselbe Eiter rief nach der Einführung in die Bauchhöhle des Meerschweinchens (Männchen) den typischen Rotzprezeß hervor und bei der Aussaat aus den Organen des Tieres bekam ich eine reine Rotzkultur. (Bei der Besichtigung der Wirtschaft des Kranken durch einen Veterinärarzt wurden rotzkranke Pferde nachgewiesen.)

Leukozytäre Formel (17. 5.): Lymphozyten 21 Proz., Neutrophile 79 Proz., Mononukleäre und Uebergangsformen 0,6 Proz., Eosinophile O Proz., keine patho- logischen Formen. Erythrozyten zeigen keine abnormen Formen. Urin normal.

Das Befinden des Kranken war in den ersten 2—3 Wochen in der Klinik, trotz der erhöhten Temperatur, befriedigend. Später aber stieg die Temperatur, welche

Sabolotny, Zur Frage nach der diagnostischen Bedeutung usw. 169

früher zwischen 370 und 38,50 schwaukte, bis 400, die Kräfte begannen abzunehmen; es traten neue sehr schmerzhafte Iufiltrate ein, der Appetit nahm ab. Am 9. 6. starb der Kranke. Bei dem Kranken wurde die Agglutinations- und Präzipitations- methode angestellt (10. 5.) und Salvarsan eingespritzt (17. 5.).

2. Chw—ow, 19 Jahre, Schwarzarbeiter (hat vorher im Dorfe gearbeitet), wurde in die Klinik in den ersten Tagen der Erkrankung am 8. 1. 1924 mit hoher Tempe- ratur aufgenommen. Er klagte über Schmerzen hauptsächlich in den Gliedmaßen. Der Kranke ist schlecht genährt, blaß, anämisch, Gesicht erdfarben, keine örtlichen Erscheinungen. Nach einigen Tagen traten Schmerzen und eine Schwellung in der Set Schulter und dem linken Schulterblatte auf, alsdann auch in der rechten Schulter.

Es wurden Einschnitte gemacht, doch wurden weder in den Ausstrichpräparaten (Löffler, Gram, Ziehl-Neelsen), noch in den Kulturen Mikroorganismen nachgewiesen. Später traten vorübergehend neue subkutane Infiltrate ein, und zwar hauptsächlich an den Gliedmaßen und im Gesicht. Wenn sie nicht in der Gegend der Gelenke auftraten, beunruhigten sie den Kranken relativ wenig.

Anfangs März fing man Itotz zu vermuten an, aber die mehrmals aus Eiter und Blut angestellten Aussaaten gaben keine positiven Ergebnisse.

Erst gegen Ende April gelang es, aus einem Infiltrat eine Kultur zu bekommen, welche sich wirklich als eine Rotzkultur erwies (Wachstum auf den Nährböden und Versuche an Meerschweinchen und Mäusen).

Seit dem Eintritt des Kranken in die Klinik war schon ungefähr 1 Jahr ver- gangen. Trotz der an und für sich schweren Infektion, trotz der hohen Temperatur von bald remittierendem, bald intermittierendem Typus mit Aufstiegen bis zu 39° 40° und der Anwesenheit der manchmal sehr schmerzhaften Knoten in der Haut und in den tieferen Gewebsschichten vertrug der Kranke, obgleich er sehr erschöpft aussah, sehr gut die Krankheit und klagte selten. An das Bett war er nur gefesselt, wenn die Gelenke stark angegriffen waren; bei der geringsten Besserung aber verließ er die Kammer und spazierte im Hofe. In der letzten Zeit hat sich jedoch sein Allgemeinzustand so verschiimmert, daß er nicht mehr vom Bette aufstehen und sogar die Speisen nicht ohne Hilfe einnehmen konnte.

Blutanalyse (29. 5.): in 1 ccm Erythrozyten 3700000, weiße Blutkörperchen 6300, Hämvglobin 65 Proz., Färbeindex 0.9. Im gefärbten Ausstriche weisen die Erythrozyten keine Abweichungen von der Norm auf. Leukozytäre Formel: Lympho- zyten 47 Proz., Neutrophile 46 Proz., Eusinophile 2,3 Proz.. Mononukleäre und Ueber-

angsformen 5 Proz., keine pathologischen Formen; bezüglich der Bizzozero- lättchen keine merklichen Abweichungen; keine Parasiten. Bei diesem Kranken wurden Proben auf folgende Reaktionen angestellt: A glutination: 5. 3., 19. 4. und 10. 9.; Präzipitation 29. 5. und Komplementbindung 25. 5.; er wurde auch zweimal Sr 8. 7. und 11. 9.) malleinisiert; die Agglutinationsprobe vom 10. 9. wurde Monate nach der 1. Malleinisation angestellt; die Frist war also genügend lang, um die Möglichkeit einer künstlichen Erscheinung der Antikörper uuter ausschließlicher Wirkung des bloßen Mallein zu vermeiden.

Zu therapeutischem Zweck wurden diesem Kranken Neosalvarsan (31. 5., 10. 6.

und 26. 6.) und das Präparat „Bayer 205“ (30. 10., 1. 11. und 13. 11.) eingeführt.

Indem wir zur Besprechung der von uns ausgeführten Proben über- gehen, wollen wir zur besseren Uebersicht alle gleichartigen Unter- suchungen in eine allgemeine Tabelle zusammenfassen. Um die Ergeb- nisse genauer abzuschätzen, wurde jede Probe gleichzeitig auch mit den normalen, jedenfalls nicht von Rotzkranken stammenden Seren angestellt. Als zuverlässiger Rotzorganismus diente uns das Kaninchen Nr. 2, welchem ad hoc eine abgetötete Kultur des B. mallei eingeführt wurde, da wir sonst kein geeigneteres Material zur Verfügung hatten.

A. Die agglutinierende Wirkung des Serums hat zum ersten Male Dedjulin (1) bei rotzkranken Menschen beobachtet. Macé (2) und Besson (3) weisen darauf hin, daß auch das normale

Menschenserum die Rotzbazillen in hohen Verdünnungen nach Hetsch (4) !/;oo agglutiniert, darum können erst höhere Ver- dünnungen nach Gildemeister und Jahn (5) I/goo als spezi-

fisch gelten. In unseren Fällen wurde die Probe makroskopisch an- gestellt. Als Antigen brauchten wir eine lebende, 30-—48stünd. Agar-

170 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

kultur des B. mallei. Wir hatten dabei 16 normale Kontrollsera: 10 von klinisch gesunden Individuen, welche in der Hälfte der Fälle eine klare Verklebung bei den Verdünnungen von !/.„ und 1/,,, gaben, und 6 Sera von Kranken (t. abd., Cholelithiasis, Tetanus, Pyämie), welche nur eine undeutliche Verklebung, dabei bei der Verdünnung nicht höher wie 1/,, zeigten. Die Agglutinationsergebnisse mit den Seren unserer Rotzkranken sind in der Tabelle I zusammengestellt.

Tabelle I').

| Verdünnungen der Seren

RE | | ' Kon-

so | iod | t [800 */ e00 | [soo | lai | [000 | trolle 1. E-r.?) 10. 5. 1923 | 3+ | 3+ | 34 | 3+ | 2+ | 24 |2+ | 2. Ch—w. 5. 3. 1924 | t: > = BL | BE SE = 19. 4. 1924 ' 24 | 24 24 + + | nn = = 10. 9. 1924 24 2+ | = ee ER > | = 3. Kaninchen Nr. 2 : 3+ | 3+ | 3+ | 3+ | 3+ | 2+ DE

Wie aus dieser Tabelle zu ersehen ist, gingen bei dem Kranken Chw—ow, bei welchem die Probe 3mal angestellt wurde, starke Schwan- kungen des Agglutinationstiters bis zum völligen Fall vor sich (die Probe wurde mit 2 völlig agglutinablen Stämmen vorgenommen).

Wir begegnen somit hier beim Menschen dem aus der Veterinär- praktik bekannten Spiele des Agglutinationstiters bei rotzkranken Pferden.

B. Die Präzipitationspro be) wurde nach der Unterschich- tungsmethode angestellt, wobei nur das Antigen (das russische flüssige Mallein aus dem Veterinärinstitut in Charkow) titriert wurde, während die zu untersuchenden Sera unverdünnt blieben. Die Ergebnisse sind in der Tabelle II dargestellt.

Tabelle II.

| Verdünnungen des Antigens Name des Kranken

CE

| J

am A | We 1. E—r. 10. 5. 1993 + | . . 2. Ch—w. 29. 5. 1924 © + à o +o 3 Kaninchen Nr. 2 + | + | +

Die Reaktion ging schnell, schon während der Anstellung der Probe, vor sich, besonders deutlich aber wurde sie nach Aufenthalt von 30 Min. im Thermostat. Sowohl Antigen wie Sera gaben per se keine Trübung mit physiol. Kochsalzlösung.

1) Bezeichnung der Ergebnisse nach dem Schema: 34 = volle Agglutination, l+ = klar mit der Lupe sichtbare Agglutination. Das positive Ergebnis wurde in schwächeren Verdünnungen schon nach 2stündigem Aufenthalt der Röhrchen im Thermostat erhalten; deutlicher aber, dabei auch bei stärkeren Verdünnungen, wurde es nach 12—24 Std. bei Zimmertemperatur.

2) Leider wurde der volle Titer bei diesem Kranken nicht bestimmt.

3) Wir haben keine Literaturangaben.

Sabolotny, Zur Frage nach der diagnostischen Bedeutung usw. 171

Die 2 normalen Menschensera und das normale Kaninchenserum, welche zum Kontrollzweck angewendet wurden, gaben dabei negative Resultate. Mit dem Serum des Kaninchens Nr. 2 kam der Ring klarer zum Vorschein.

C. Komplementbindende Antikörper wurden von P. Mas- lokowetz bei Prof. Wyschelessky (6), welcher rotzkrank war und gesund wurde, und auch von Dedjulin in dem von Dr. Jur- tschenko (9) beschriebenen Falle gefunden. Gildemeister und Jahn (5) fanden bei ihren Fällen des Menschenrotzes diese Antikörper bis zu einem sehr hohen Titer, nämlich 0,01. Unsere Proben wurden mit den Seren des Kranken Chw—ow, des Kaninchens Nr. 2 und mit den 2 nichtrotzigen Seren des Kranken L—w (t. exant.) und der gesunden Frau S.— angestellt, wobei die Kontrollen auf die hemmenden und hämolytischen Beschaffenheiten der Sera und des Antigens aus- geführt wurden.

Tabelle III.

Serumdosis ETW = OAU a ome qes STARKER j O2 f o1 | 005 | 0005 1. Ch—v. | 4+ 4+ 4+ | 24 2. Kaninchen Nr. 2 | 4+ 4+ 4+ | 3+

Als Antigen diente die abgetôtete (609 2 Std.) Emulsion der Rotz- agarkultur. Der Ambozeptor wurde in 3facher Dose genommen. Zu- erst wurde das Antigen in bezug auf jedes in der Dose 0,2 genommene Serum titriert. Der Titer betrug 0,1. Nachdem wir in solcher Weise die Anwesenheit der Antikörper von Bordet in den 2 ersten Seren festgestellt hatten, begannen wir, sie zu titrieren in bezug auf die festgestellte Dosis des Antigens (0,1). Das Ergebnis ist in der Tab. III dargestellt. Die volle Bindung ist mit 4+ bezeichnet.

Wie die Tabelle zeigt, beträgt der Titer der beiden „rotzigen‘ Sera 0,05, wobei er, wie in den vorigen Proben, beim Kaninchen etwas höher ist als bei Chw—ow.

D. Die Literaturangaben in bezug auf die Malleinisation stimmen nicht überein: Besson (3) hält das subkutane Verfahren der Malleinisation beim Menschen für gefährlich, und ebenso wie Wladi- mirow (7) empfiehlt er das Hautverfahren nach Martel, welches aber im Falle von Prof. Flerow (8) ein negatives Resultat ergeben hat. Hetsch (4) hält im Gegenteil auf Grund der Beobachtungen von Babes, Bonome, Zieler und Buschke die subkutane Malleini- sation beim Menschen für völlig gefahrlos und empfiehlt sie sehr.

In unserem Falle wurde an dem Kranken Ch w—o w die Malleinisation 2mal subkutan mit der Zwischenzeit von 2 Monaten 8. 7. am Rücken und 11. 9. am Bauche ausgeführt. Als Antigen diente das oben besprochene Mallein; injiziert wurde 12 Uhr nachts. Als Kontrolle!) dienten die eben von Malaria genesenen R—k und B—ow. Die Temperatur bei Chw—ow, R—k und B—ow wurde vor und nach

1) Interessant ist es, daß das Kaninchen Nr. 2, welches durch die tote Kultur des B. mallei immunisiert wurde und sehr gut die obigen Antikörper erzeugte, ebenso wie das frische Kaninchen, auf das Mallein gar nicht reagierte. Es scheint, daß die bloßen toten Bakterienkörper für die Ausarbeitung des anaphylaktischen Anti- kürpers nicht genügend sind und daß Produkte ihrer Lebenstätigkeit notwendig sind.

172 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

der Malleinisation alle 3 Std. während 4—5 Tagen gemessen. Dabei wurden bei R—k schwache Schmerzen beim Drücken an der Stichstelle, unbedeutende und kurz dauernde Schmerzen im Bauche und ein Durch- fall mit einmaligem Temperaturabstieg bis 35,89, was durch Diätfehler erklärt werden kann, beobachtet, während B—ow nur an „Unbequewmlich- keit“ am nächsten Tage klagte.

Was den Kranken Chw—ow anbetrifft, so war der Reaktions- verlauf beim 1. Male folgender: Im Gegensatze zu den 2 vorhergehenden und den 2 nachfolgenden Tagen hat sich die Temperatur 12—15 Std. nach der Injektion um gehoben; es traten früher nicht beobachtete Kopfschmerzen ein, und die Schmerzen im angegriffenen Kniegelenk nahmen zu. Am Orte der Injektion (am Rücken) wurde eine kleine schmerzhafte, nicht gerötete Schwellung, welche die Körperbewegungen hemmte, beobachtet.

Nach der 2. Malleinisation zeigten sich: Kopfschmerzen, Schmerzen im angegrilfenen linken Kniegelenk olıne Schwellung, und eine bestimmt positive örtliche Reaktion am Bauche, welche in einer bedeutenden Verdickung der Bauchwand auf der Injektionsseite (ohne Schwellung), in Rötung” und starker Schmerzhaftigkeit sich ausdrückte; in der ent- sprechenden Inguinalgegend, wo früher ein Drüsenpaket vorhanden war, wurde eine der Drüsen beim Drücken sehr schmerzhaft. Die Absonde- rung aus den Wunden schien reicher zu werden; die Temperatur während der ersten 24Std. blieb die gleiche, wie an den vorhergehenden Tagen, d. h. sic schwankte zwischen 37 und 390; am folgenden Tage aber, in Zusammenhang mit dem für den Kranken ungewohnten reichlichen Schweiße, sank die Temperatur bis 35,5—38°. Die Schweiße wieder- holten sich in den nächsten Tagen mit entsprechenden Temperatur- senkungen.

Zum Schlusse des 1. Teiles unserer Mitteilung, erlauben wir uns folgende Sätze aufzustellen:

1. Im Organismus der rotzkranken Menschen werden streng spe- zifische Antikörper ausgearbeitet: Agglutinine, Präzipitine, komple- mentbindende und anaphylaktische; je nach ihrer Anwesenheit kann man die Rotzdiagnose stellen. 2. Der Agglutinationstiter, wenigstens in Fällen des chronischen Rotzes, unterliegt bei demselben Kranken starken Schwankungen bis zum vollen Schwunde (s. kranke Chw—ow). Das ist eine wichtige Tatsache in der Beziehung, daß aus dem negativen Resultate einer einmaligen Probe die Rotzinfektion noch nicht aus- geschlossen werden kann. 3. Die Anwesenheit der normalen Agglu- tinine beim Menschen ist kein Hindernis bei der Deutung der Probe- befunde. 4. Die Malleinisation, selbst die subkutane, ist ganz un- schädlich für den Menschen und bietet wertvolle diagnostische Hinweise.

II. Wir gehen nun zu den chemotherapeutischen Beobachtungen über:

Die Versuche von Beniwolensky (1) mit Salvarsan, welche gezeigt haben, daß dieses Präparat in vitro bei Verdünnung 1/40000 die Rotzkultur in 1 Min., bei Verdünnung 1/,o0000 in 3 Min., bei Ver- dünnung 1/, 000000 IN "15 Min. abtötet, haben uns angeregt zur Prü- fung dieses Präparates in vivo beim Menschen, obwohl es nach Gor- jaew und Blagodetelew (1) bei den Pferden nur eine Besserung bewirkte und nach Miessner sogar keine Wirkung gezeigt hat.

Wir haben Salvarsan intravenös in 3 Fällen von Menschenrotz an- gewendet: in den 2 obigen Fällen und in einem 3., bei welchem die Diagnose nur nach der Kochschen Methode, ohne serologische Unter-

Sabolotny, Zur Frage nach der diagnostischen Bedeutung usw. 173

suchung festgestellt wurde. Bei der weiteren Darstellung werden wir der chronologischen Reihenfolge uns bedienen.

Nr. 1. 6. 3. 1922. Stark akuter Rotz bei einem 10jährigen Knaben mit Rotz- bakteriämie. Am 8. 3. wurde 0.3 Novarsenohenzol Billons ohne jegliche Wirkung eingeführt. Am nächsten Tage verschied der Kranke.

Nr. 2. 2. 5. 1923. Der Kranke Er—r (s. oben). Nach der Einführung von 09 Novarsenobenzol Billons am 17. 5. folgte eine kurzdauernde Reaktion (Frösteln, Temperaturerhöhung, Durchfall). In bezug auf den al gemeinen Krank- heitsverlaut wurde keine Wirkung beobachtet. Die FORTE en nungen Betzten sich immer steigernd fort. so da der Kranke am 9. 6. starb.

Nr. 3. 8. 1. 1924. Der Kranke Chw—ow (s. oben). Fall eines torpiden Rotzes. Eingeführt Neosalvarsan den 31. 5., 0,6; 10. 6. 0,5 und 26. 6. 0,9; man konnte dabei nur eine starke Temperatursenkung von 39° bis auf 35,59 bei reichlichem Schweiße am 2. Tage nach der 1. Einführung bemerken. Die Temperatur war in den nächsten 3—4 Tagen normal und nahm später wieder einen für den Kranken charakteristischen unregelmäßigen Fiebertypus an. Weiter in der Zwischenzeit zwischen der 1. und der 2. Einführung begannen die oberflächlicheren Wunden zu heilen, die tieferen aber, stark eiternden blieben unverändert. Außerdem traten bald nach der 1. Einführung neue Infiltrate ein. Die folgenden Einführungen des Präparates „914° hatten gar keine Wirkung. Im Dr. Jürtschenkos (9) Falle bieb die Behandlung mit Salvarsan ebenso ohne Wirkung. Wir begegnen somit in bezug auf B. malleı der längst der Chemotherapie bekannten paradoxen Tatsache. daß das Präparat, welches in vitro

wirkt, sich in vivo als inaktiv erweist einer Tatsache, welche leicht erklärt werden kann: die Organotropie des Präparates ist stärker, als seine Parasitotropie. Viel

weniger experimentelle Argaben hatten wir hinsichtlich der Anwendung des trypano- ziden Präparates „Bayer 2)5°; Prof. W. Yakimow, welchem wir für die wertvollen Angaben ın bezug auf das Präparat und für das Präparat selbst dankbar sind, hat in seinen Versuchen festgestellt, daß es in vitro den B. mallei nicht tötet (münd- liche Mitteilu g). Trotzdem. in Ansehung der in der Chemotherapie auch bekannten Tatsachen, daß das in vitro nicht wirkende Präparat, eine Wirkung in vivo auf- weisen kann, haben wir uas entschlossen. ee am Menschen (der Kranke Chw—ow) anzuwenden, und zwar um so mehr, da dieses Prüparat am lebenden Organismus bei Rotz niemals erprobt wurde. Das Präparat wurde 3mal intravenös, im ganzen 1,0 eingeführt: den 30. 10. 0.25, 1. 11. 0.25 und 13. 11. 0,5. Ein Teil des Präparates, welcher unter die Haut geriet, hat eine schmerzhafte Schwellung und Rötung, welche el.ige Tage dauerte. hervorgerufen. Der vorher untersuchte Urin zeigte blo niederes spezifisches Gewicht. Nach jeder Injektion, besonders nach den 3 ersten, wurde folgende Reaktion beobachtet: Temperaturerhôühu g. Schmerzen im Kopfe und im Se Körper und besonders in den Wunden, Uebelkeit und Schwäche; seitens der “ieren und des Darmes traten keine Veränderungen ein. Der therapeutische Effekt war gleich Null. Keine Wirkung zeigte auch das Einreiben von Unguentum cinereum im Laute des Dezembers 2.0 pro die, welches bei Rotz empfohlen wird und auch bei dem von Rotz geheiten Prof. Wyschelessky (6) ar.gewendet wurde. 0

Sowohl Salvarsan als auch „205 Bayer“ erwiesen sich also bei Rotz in unseren Fällen als völlig wirkungslos.

Als unsere Arbeit schon geschrieben war, starb am 15. 1. 1925 der Kranke Chw—ow mit Erscheinungen wachsender Herzschwäche, nachdem er in der Klinik 1 Jahr und 1 Woche verbracht hatte. Bei der Sektion wurden in der Milz, der Leber und besonders in den Lungen viele Rotzknötchen gefunden.

Literatur.

1) Hutyra u. Marek, Spez. Pathol. u. Ther. d. Haust. Bd. 1. 2) Macé, Traité pratique de bact. T. 1. 1913. 3) Besson, Technique microbiol. et sérotherap. Ed. 7. 1921. p. II. 4) Hetsch, Spez. Pathol. u. Therapie von Kraus u. Brugsch. Bd, 2. 5) Gildemeister u. Jahn, nach Kolle u. Hetsch, Die exp. Bakteriologie. 6. Aufl. Bd. 2. 1922. 6) Wyschelessky, Bote f. öffentl. Veter.-Wesen a 1909. Nr. 5. 7) Wladimirow, Die Medizinische Mikro- biologie von Tarassewitsch [russisch]. Bd. 2. 1913. 8) Flerow, Kiin. Mcd. Po er Nr. 1. 9) Jurtschenko, Wratschebr. Dielo [russisch].

Je. Nr. 1—9.

174 Centralbl. f. Bakt. ete. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

Nachdruck verboten.

Ueber Komplementbindungsversuche bei Rhinosklerom.

[Aus dem Hygienischen Institut der Universität Breslau (Direktor: Geh. Med.-Rat Professor Dr. R. Pfeiffer).]

Von Dr. Gerhard Quast.

Zur Klärung der Frage, ob der von Frisch im Jahre 1882 zuerst im Skleromgewebe gefundene Kapselbazillus v.on ätiologischer Bedeutung für die Entstehung dieser Krankheit ist, wurden von ver- schiedenen Autoren serologische Untersuchungsmethoden herangezogen. Um zu einem positiven Ergebnis zu gelangen, waren 2 Aufgaben zu lösen: Erstens bei der Gruppe der Kapselbazillen, als deren hauptsäch- lichste Vertreter ich den Bac. pneumoniae Friedl.. Bac. rhin. Frisch, Bac. ozaenae Abel und den Bac. lactis aërogenes Escherich nenne, Unterschiede im Verhalten der betreffenden Immun- sera gegenüber den homologen und heterologen Stämmen zu finden, da sie sich färberisch und kulturell kaum voneinander unterscheiden ; zweitens den Nachweis zu führen, daß sich bei dem Rhinosklerom, obwohl es sich seinem Charakter nach nur um eine lokale Schleimhauterkran- kung handelt, Antikörper im Serum der Betroffenen nachweisen lassen. Die Agglutination gab kaum befriedigende Resultate, da die dazu ver- wandten Friedländer- und Sklerom-Immunsera nicht nur mit den homologen, sondern auch mit den heterologen Stämmen agglutinierten. An und für sich sind die Stämme der Kapselbazillen infolge ihrer Schleimkapsel nicht agglutinationsfähig. Sie müssen erst durch be- stimmte Vorbehandlung (Porges und Eisler), oder durch besondere Züchtungsverfahren (Streit) ihrer Kapsel beraubt werden. Bessere Erfolge wurden mit der Anwendung der Komplementbindungsmethode erzielt, wenngleich es auch hier Forscher gibt (Ballner und Reib- mayr), die gefunden haben, daß „die Komplementbindung für diffe- rentialdiagnostische Zwecke zur Abgrenzung der Gruppe der Kapsel- bazillen nicht genügend verläßliche Ausschläge gibt“. Goldzieher und Neuber dagegen behaupten auf Grund ihrer Untersuchungen, daß zur Differenzierung von Friedländer- und Sklerombazillen die Kom- plementbindungsmethode ein sehr geeignetes Verfahren ist. Sie haben sowohl mit künstlich hergestellten Immunseris von Friedländer- und Sklerombazillen als auch mit den Seris von Skleromkranken eine Komplementbindung nur mit Bakterienantigenen erhalten, die aus homo- logen Stämmen hergestellt waren. Sueß stellte in ähnlicher Weise mit dem Serum von zwei Skleromkranken Komplementbindungsversuche an und erhielt in beiden Fällen eine Bindung des Komplements, während bei der Verwendung von Seren eines Ozaenakranken, eines Luctikers und zwei gesunden Personen Hämolyse beobachtet wurde. Sdrawomysloff (1 Fall), Galli Valerio (2 Fälle) und de Arēa Leao (1 Fall) erzielten bei ihren Versuchen das gleiche Er- gebnis. Alle Autoren verwandten zur Kontrolle außer den Antigenen, aus verschiedenen Skleromstämmen hergestellt, auch solche von Fried- länder- und Ozacnabazillen, und da immer mit negativem Resultat. In neuerer Zeit berichtet Tomasek über ausgedehnte Untersuchungen

Quast, Ueber Komplementbindungsversuche bei Rhinosklerom. 175

bei 16 einwandfreien Skleromfällen, 8 verdächtigen, 23 Fällen chro- nischer Erkrankungen der oberen Luftwege und 56 anderweitigen Er- krankungen, insbesondere Tuberkulose und Lues. In 14 der 16 ein- wandfreien Skleromfälle war die Reaktion positiv. Bei den 8 ver- dächtigen Fällen 3mal verdächtig und 5mal negativ. In allen übrigen verlief die Reaktion negativ. Er beobachtete die stärksten Ausfälle im allgemeinen bei alten Fällen. Der Einfluß der Therapie auf die Stärke der Reaktion war wenig deutlich. Die Paralleluntersuchungen mit Friedländer- und Ozaena-Antigen waren stets negativ.

Meine Untersuchungen wurden im Anschluß an zwei kurz hinter- einander in der hiesigen Univ.-Ohrenklinik zur Beobachtung gekommenen Rhinoskleromfällen angestellt und erstreckten sich auf 12 sichere Rhino- skleromfälle, 2 Fälle von Ozaena, 5 Wassermann-positive und 12 nor- male Sera als Kontrollen.

1. Herstellung des Antigens.

24 Std. alte Kulturen werden vom Schrägröhrchen mit physiol. Kochsalzlösung abgeschwemmt, 1 Std. bei 809 erhitzt und ca. 4 Std. in Glaskölbchen mit Glasperlen geschüttelt. Danach bleiben sie 24 Std. im Eisschrank stehen und werden dann ca. 20 Min. scharf zentrifugiert. Die überstehende, opak aussehende Flüssigkeit wird als Antigen ver- wandt. Folgende Stämme wurden zur Herstellung des Antigens benutzt:

1. ein Rhinoskleromstamm unserer Sammlung,

2. Stamm Kügler,

3. Stamm Radikowski (Stamm 2 und 3 wurden aus den Fällen der Ohren- klinik herausgezüchtet).

4. 3 Friedländer-Stämme der Sammlung (Stamm Krakau, Stamm Hanser und Stamm Polner),

5. 1 Ozaenastamm,

6. 1 Stamm von Lactis aörogenes.

Die Antigene sind nur beschränkte Zeit haltbar. Als Gebrauchs- dosis kam die Hälfte der eben vollkommen lösenden Antigenmenge zur Verwendung.

2. Angaben über die Herkunft der Seral).

1. Serum Radikowski.

Auszug aus der Krankengeschichte : Nase: starke Deviatio septi, Borkenbildung. Grauulationen. Rachen : Zäpfchen fehlt. Granulationen, Borken. Nasenrachenraum : Große Rachenmandel. Kehlkopf : Stimme heiser, Stimmbänder gut beweglich, blaßrot, walzenförmig. Subglottisch zwei Wülste. Probeexzision Rhinosklerom. Therapie: Ausräumung des Nasenrachenraumes und Bestrahlung.

2. Serum Kügler.

Nase: Borkenbildung. Rachen: Choanen mit Borken bedeckt. Larynx: Borken und Granulationen. Probeexzision histologisch Rhinosklerom. Therapie : Bestrahlung.

3. Serum Holbik.

Seit zwei Jahren Heiserkeit. Nase: atrophische Rhinitis. Nasen-Rachen : Binde-

websfalten in der Choanengegend. Breiter Bindegewebsstrang dorsal vom Vomer.

’harynx : atrophische, trockene Schleimhaut. Larynx : subglottische Wülste. Klinisch einwandfrei Rhinosklerom.

| 1)Ich möchte allen den Herren aus Prag, Preßburg, Brünn und Agram, die mir in liebenswürdiger Weise die Sera zugesandt haben, noch auf diesem Wege meinen herzlichsten Dank aussprechen.

176 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

4. Serum Cermak. Nasenaffektion seit 10 Jahren. Klinisch sicheres Rhinosklerom.

5. Serum Szarko.

Seit zwei Jahren heiser. Rhinopharvngolarvaogosklerom.

Nasc äußerlich normal, intranasal Bild der atrophischen Rhinitis mit Krusten- bildung. Nasopharynx: Bindegewebsfalten vor der Tubenmündung (beide Chuanen an der lateralen Seite eingeengt. Larynx: Verwachsung der ventralen Glottishälfta Klinisch : Rhinosklerom. Bakteriologischer Befund positiv.

6. Serum M. R.

Klinisch: subglottische, flache, graurötliche Infiltrate. Histologisch : Nach Larynxfissur und Éxstirpation der Infiltrate: Sklerom. Bakteriologisch : Bazillen positiv.

7. Serum Skoda.

Skleroma nasi, pharyngis et laryngis. Krankheitsdauer ca. 1!/, Jahr. Bi jetzt unbehandelt.

8. Serum Krebs.

Krankheitsdauer 15 Jahre, mehrmals operiert, Rhinosklerin-Injektionen, un- wesentlicher Erfolg, danach Röntgenbehandlung. Infiltrate sind kleiner geworden.

9. Serum Florian. Klinisch sicheres Rhinosklerom.

10. Serum Polikowa. Klinisch sicheres Rhinosklerom.

11. Serum K. A.

Scit einigen Jahren Verstopfung der Nase, vor einem Jahre in der äußeren Nuse und im Nasenrachenraum Exstirpation. Im Pharynx und Larynx kein Befund. Im Munde am harten Gaumen flache [nfiltrate, die vor einem Jahre vollkommen ent- fernt worden sind. Jetzt überall nur Narben. Histologisch und bakteriologisch: Rhinosklerom.

12. Serum M. E.

Klinisch subglottische Infiltrate beiderseits und an der vorderen Kommissır. Seit einem Jahre Broncho-Blennorrhöe, Larvngotissur, Exstirpation der Infiltrate. Histologisch und bakteriologisch : Rhinosklerom.

Die Sera der beiden Ozaenafälle stammten aus der Univ.-Ohren- klinik, die Wassermann-positiven Sera aus der Univ.-Hautklinik. Leider konnten infolge der zuweilen geringen Menge der übersandten Sera nicht alle vorher erwähnten Antigene zur Prüfung kommen.

Ergebnisse der Komplementbindungsversuche.

Die Anstellung des Hauptversuches wird in der folgenden Tabelle veranschaulicht:

1. zu unterauchendes Ser.| 2. vom Antig n d. vorh. 3 Kompl. es i. d. Verdünnung 1:5 gef. Gebrauchsdoris | 1:10 | Häm. Syst 0,4 = 0,25 0,5 0,3 = 1 Std | 0.25 Š ; | 0,2 | 370 | 0,1 | 0,25 s 109

Quast, Ueber Komplementbindungsversuche bei Rhinosklerom.

Die Untersuchungsergebnisse im einzelnen waren folgende: l. Serum Radikowski mit Antig. 1,2 u. 3 mit Antig. St. Krakau St. Ozeana

+ + +

ER

2. Serrum Kügler

mil Antig. 1, 2 u. 3 mit Antig. St. Krakau u. St. Ozeana Tr + = = +r+r >

3. Serum Holbik mit Antig. 1 u. 2 mit Antig. Krakau, Hanser u. Polner ++ =

PFET =

EFF =

F a

+++ =

4. Serum Cermak, 5. Serum Szarko, 6. Serum M. R., 7. Serum Skoda mit Antig. 1 u. 2 mit Antig. Krakau

+

+

+ LI]

S. Serum Krebs mit Antig. 1 mit Antig. 2 mit Antig. Krakau +++ SET = TE FFF = +++ Ft 2

=]

+++ Wegen Serummangel konnten nur die ersten

+++ 3 Röhrchen angesetzt werden.

9. Serum Florian mit Antig. 1 u. ? mit Antig. Krakau

LITI]

10. Serum Polukowa das gleiche Ergebnis wie bei Serum 4—7.

11. Serum K. A. mit Antig. 1. u. 2 mit Antig. Krakau

ti [ill

12. Serum M. E. das gleiche Ergebnis wie bei Serum 4--7 und 10.

Erste Abt. Orig. Bd. 97. Heft 2/3. 12

178 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

Die Reaktionen, die mit den beiden Ozaenaseren, den 5 WaR.-posi- tiven und den 12 normalen Seren angesetzt wurden, waren stets negativ. Auch das Ozaenaantigen zeigte im Verein mit den beiden Ozaenaseren keine Beeinflussung des Komplementes im Sinne der Bindung an das zu untersuchende Serum.

Zusammenfassend kann man sagen, daß bei 10 von 12 sicheren Skleromfällen die Komplementbindung stark positiv war und nur ın 2 Fällen das Resultat weniger ausgesprochen war, wenn auch hier der Unterschied gegenüber dem Friedländer-Antigen deutlich genug her- vortrat.

Auf Grund dieser Versuche muß man zu folgenden Schlüssen kommen: |

1) Es bestehen biologische Unterschiede zwischen dem Rhinosklerom- bazillus einerseits und den übrigen Kapselbazillen andererseits. Man kann also auf diesem Wege eine gewisse Differenzierung der Gruppe der Kapselbazilen erreichen. 2) Im Serum des Rhinoskeromkranken kreisen Antikörper in nachweisbarer Menge, die mit dem spezifischen Antigen eine positive Komplementbindung geben. Man muß also dem Sklerombazillus eine bedeutende Rolle bei der Entstehung des Rhino- skleromes zuerkennen.

Literatur.

1) Frisch, Wien. med. Woch. 1882. S. 969. -— 2) Porges und Eisler. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 42. 3) Streit, ebenda. Bd. 40. 4) Ballner und Reibmayr, Münch. med. Woch. 1907. S. 601.-5) Goldzieher und Neuber, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 51. 6) Sdrawomysloff, Russki Wratsch. 1911. Nr. 48; zitiert n. Centralbl. f. Bakt. Ref. Bd. 52. 1912. 7) Sueß, Wien. Klin. Woch. 1911. S. 1424. 8) Galli Valerio, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 53. 9) de Arëa-Leao, Compt. rend. Soc. de Biol. T. 90. 1924. 10) Tomasek, Cas. lek. ces. 1924. p. 707; zitiert n. Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Ref. Bd. 79. S. 564.

Nachdruck‘ verboten.

Die Indolbildung des Bacillus bipolaris avisepticus.

[Aus dem bakteriologischen Institut der k. u. Tierärztlichen Hoch- schule (Direktor: Dr. Aladär Aujeszky, o. ö. Professor).|

Von Privatdoz. Dr. Josef Csontos.

Wie Voges, teilen auch Plasaj und Pribram in ihrer im Jahre 1920 erschienenen Arbeit die in die Gruppe der hämorrhagischen Septikämie gehörenden Bakterien auf Grund ihrer Untersuchungen in 3 Hauptgruppen ein, und zwar in die Gruppe des B. septikaemiae hacmorrhagicae, des B. albuminophilia und des B. haemo- globinophilia. In der 1. Gruppe unterscheiden sie 3 Typen, den %-, p- und y-Iypus. Die Bakterien des 4-Typus besitzen keine Geißeln und kein Ferment, die des y-Typus 1--3 extrapolare Geißeln, erzeugen Indol, in Traubenzucker Gas und bringen Milch zur Gerinnung, die Bakterien des 3-Typus dagegen bilden einen Ucbergang zu dem y-Tvpus.

Csontos, Die Indolbildung des Bac. bipolaris avisepticus. 179

Die Untersuchungen von Plasaj und Pfibram wiederholte Busson 1921 mit denselben Bakterienstämmen und ergänzte sie durch Unter- suchung einiger anderen Stämme. Das Resultat seiner Arbeit ist das- selbe wie das von Plasaj und Pribram.

Wenn wir von den bei diesen. Untersuchungen benutzten Stämmen diejenigen herausgreifen, welche bei den Vögeln Erkrankungen hervor- rufen, so können wir: unter diesen auf Grund von wesentlichen Ab- weichungen 2 Gruppen unterscheiden. In die eine Gruppe gehören der B. gallinarum Klein, der B. phasianicida, der B. sept. haem. des Truthahns und der Pfaffsche Bazillus der Kanarienvögel. Diese erzeugen weder Gas noch Indol, noch bringen sie die Milch zur Gerinnung. Die 2. Gruppe wird gebildet von dem B. chol. gall. Ficker, dem B. chol. gall. Piorkowski, Coccobac. avicida Pior- kowski und dem Zeißschen Bazillus der Kanarienvögel, welche mit Ausnahme des letzteren Gas und Indol erzeugen und die Milch zur Ge- rinnung bringen, der Zeißsche Bazillus dagegen erzeugt nur Indol.

Da auf Grund der Untersuchungen Pfeilers neuestens bewiesen wurde, daß der B. gall. Klein identisch ist mit dem Pfeilerschen B. typhi gall. alcalifaciens, und da weiterhin in den Unter- suchungen von Plasaj und Prfibram, sowie von Busson sich der B. gall. Klein vollkommen gleich verhielt, wie der B. phasiani- cida Klein und der aus dem Truthahn stammende Bazillus, glaube ich, daß diese Bakterien nicht identisch sind mit dem B. bipolaris septi- cus, obwohl sie im Blute zu finden sınd und zuweilen auch septikämische Erkrankungen erzeugen. Auf Grund der Untersuchungen von Zeiß ist es dagegen sehr wahrscheinlich, daß der Pfaffsche Bazillus in die Septikämiegruppe gehört.

Die in die 2. Gruppe gehörenden Bakterien erzeugen Gas und Indol und bringen Milch zur Gerinnung. Dieses sind lauter Eigen- schaften, welche nicht Eigentümlichkeiten der von Hueppe gruppierten Bakterier bilden, und so erwecken die Resultate von Plasaj und Při- bram, sowie die von Busson in dem Beobachter die Annahme, daß die untersuchten Stämme nicht Reinkulturen waren, sondern ent- weder mit Coli oder mit Paratyphus infiziert gewesen sein können. Dieses ist um so eher anzunehmen, als das Untersuchungsmaterial aus Laboratoriumsstämmen bestand, welche bei den wiederholten Ueber- impfungen leicht verunreinigt werden konnten. Auch ist es nicht un- möglich, daß die untersuchten Stämme Coli- oder Paratyphus-Bak- terien waren

Die Neugierde trieb mich dazu an, durch Nachprüfung mich zu überzeugen, inwieweit die Resultate der obengenannten Forscher der Wirklichkeit entsprechen. Ä

Um mein Ziel zu erreichen, schloß ich aus den schon erwähnten Gründen die Laboratoriumsstämme von vornherein von den Unter- suchungen aus und züchtete mein Material aus den in das Institut zwecks Diagnosestellung eingesandten Kadavern heraus. Da die Er- reger der in die Gruppe der hämorrhagischen Septikämie gehörenden Krankheiten im Laufe des Herbstes vorzüglich die Geflügelbestände heimsuchten und ich solcherweise nur in Geflügelkadavern den Bac. bip. septicus fand, machte ich nur den Bac. bip. avisepticus zum Gegenstand meiner Untersuchungen. In kurzer Zeit gelang es mir auf solche Weise, mehrere Stämme zu züchten. Von den Stämmen behielt ich nur jene, die aus Kadavern mit vollkommen typischen

12*

180 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

pathologisch-anatomischen Veränderungen der Geflügelcholera in Rein- kultur wuchsen, welche weder Arabinose noch Xylose noch Laktose zersetzten, und in welchen Fällen, außerdem in dem mikroskopischen Bilde des Herzblutes allein nur typische Cholerabazillen zu finden waren.

Jch benützte 10 solcher Stämme bei meinen weiteren Unter- suchungen.

Da die in die Gruppe der hämorrhagischen Septikämie gehörenden Bakterien aus Traubenzucker Gas nicht bilden und Milch nicht zur Gerinnung bringen, untersuchte ich die 10 Stämme auch auf dies Eigenschaften. Als Resultat der Untersuchung konnte ich feststellen, daß von den 10 verwendeten Stämmen keiner Gas erzeugte, und zwar weder in Traubenzuckerbouillon noch in Traubenzuckeragar, und keiner die Milch zur Gerinnung brachte.

Die Kulturen beobachtete ich 10 Tage hindurch. Gewöhnliche Bouillon trübte jeder Stamm innerhalb eines Tages in geringem Mabe und gleichmäßig, später entstand auf der Oberfläche der Bouillon ein dünner Belag, am Grunde des Reagenzröhrchens hingegen ein zäher, durch Schütteln nicht zerstreubarer Bodensatz. Ebenso ent- sprachen auch die Agarkulturen in allem den charakteristischen reinen Kulturen des B. bip. avisepticus.

Gemäß den bisherigen Untersuchungen wuchsen daher die aus

den 10 Kadavern gezüchteten Stämme sowohl auf Agar als auch in Bouillon in Reinkultur mit für den B. bip. avisepticus charak- teristischen Eigenschaften, in Traubenzucker entwickelten sie kein Gas. Arabinose, Xylose und Laktose zersetzten sie nicht und Milch brachten sie nicht zur Gerinnung. Demgemäß sind daher alle 10 Stämme als Reinkulturen des Bac. bip. avisepticus zu bezeichnen. Nachden auf Grund der obigen Untersuchungen die Reinheit der Kulturen gesichert war, überimpfte ich alle 10 Stämme zwecks Fest- stellung der Indolbildung in Bouillon und untersuchte diese Kulturen nach 3, 7 und 14 Tagen auf Indol.

Bei der Untersuchung auf Indolerzeugung konnte ich wegen Un- möglichkeit, das Paradimethylamidobenzaldehyd zu beschaffen, die Ehrlichsche Reaktion leider nicht anstellen, und so mußte ich mich mit der Salkowski-, Legal-, Weyl-, Morelli- und der Buard- schen Probe begnügen.

Bei der Salkowskischen Probe geben wir zu der Bouillonkuliur zuerst konzentrierte Schwefelsäure, dann 0,02proz. Kaliumnitratlösung. wobei bei Anwesenheit von Indol die Bouillon sich rot färbt. Wenn wir die Reaktion in der Weise durchführen, daß wir nach Eingießen der Schwefelsäure nach deren Niederlagerung das Kaliumnitrit, entlang der Wand des Röhrchens vorsichtig hineinfließen lassen, senkt sich das letztere Reagens langsam in der Bouillon und bildet über der Ober- tläche der Schwefelsäure eine ungefähr 1/, cm hohe Schicht. Mit dieser Methode zeigt sich in der erwähnten Höhe schon in 3tägigen Kulturen eine schmale, lebhaft violette Färbung, während im Gegensatze hier- mit bei der Kultur des Bac. coli communis bei Anwesenheit. von Indol die Bouillon rote Farbe annimmt. Mit zunehmendem Alter der Kulturen wird der schmale Ring allmählich breiter, so daB bei 2wöchigen Kulturen auch ohne Schichtung gut sichtbare, violette Fär- bung eintritt. Diese zeigte sich nicht, wenn ich nur die Reagentien übereinanderse hichtete und auch in dem Falle nicht, wenn ich zu der Reaktion nicht geimpfte Bouillon verwendete.

Koch, Zur Histol. u. zum Zellenbild d. experim. übertragbar. Mäusekrebses. 181

Bei der Legal-Weylschen Probe wird zu 10 ccm Kultur 1 ccm 20proz. Natronlauge, 1 ccm frisch bereitete, 2proz. Nitroprussidnatrium- Lösung und reichlich Essigsäure gegeben. Bei Gegenwart von Indol ent- steht blaue Färbung. Der Fehler dieser Probe ist, daB auch andere Stoffe, so z. B. Kreatinin, sie geben. Bei dieser Probe reagierten alle 10 Stämme positiv. Alle 10 Bouillonkulturen nahmen nach Behandlung mit Natronlauge und Hinzugießen von Nitroprussidnatrium eine rot- braune Farbe an, welche nach Beigabe der Essigsäure sofort in blaue Farbe überschlug. Wenn die Reaktion nur mit den Reagentien oder mit nicht geimpfter Bouillon angestellt wurde, entstand die blaue Farbe nicht.

Die am wenigsten empfindliche Probe ist die Morellische, bei der das Indol einen in der Oeffnung des Röhrchens mit Hilfe des Watte- pfropfens befestigten und mit warm gesättigter Oxalsäurelösung ge- tränkten Filterstreifen rötet. Die untersuchten 10 Stämme färbten das in dieser Weise befestigte Filtrierpapier innerhalb 20 Std., während | bei den Kontrollen innerhalb derselben Zeit keine Färbung eintrat.

Bei der Buard schen Probe geben wir zx 5 cm Bouillon 10 Tropfen 2proz. alkoholische Vanillinlösung und säuern sie stark mit Salzsäure. Bei Anwesenheit von Indol entsteht orangegelbe Färbung. Alle 10 Stämme gaben - mit starker orangegelber Färbung eine positive Indolreaktion, während bei den Kontrollen keine Färbung eintrat.

Gemäß den oben angeführten Untersuchungen, welche ich an 10, aus verschiedenen Geflügelkadavern gezüchteten Stämmen des Bac. bip. avisepticus anstellte, konnte festgestellt werden, daß der Bac. bip. avisepticus in Traubenzucker kein Gas bildet, Arabinose, Xylose und Laktose nicht zersetzt, Milch nicht zur Gerinnung bringt, dagegen Indol erzeugt, welches bei der Salkowskyschen Probe im Gegensatz zu der beim B. coli auftretenden roten Verfärbung durch lebhaft violette Farbe gekennzeichnet ist. Von den durch Plasaj und Pribram, sowie von Busson untersuchten Stämmen, welche Ge- flügelkrankheiten erzeugen und ihrer Meinung nach in die Gruppe der hämorrhagischen Septikämie gehören, stimmt gemäß meinen Unter- suchungen nur der Pfaffsche Kanarienbazillus in seinen Eigenschaften mit denen des von mir untersuchten B. bip. avisepticus überein.

Nachdruck verboten. Zur Histologie und zum Zellenbild des experimentell übertragbaren Mäusekrebses,

2. Mitteilung. [Aus dem Preuß. Institut für Infektionskrankheiten „Robert Koch“ Abteilung Prof. Dr. Jos. Koch) Berlin. |

Von Prof. Dr. Jos. Koch. Mit 1 Tafel.

In meiner Arbeit: Die Erschließung des Zellbildes bösartiger Ge- schwülste. Ueber artfremde Zellen im Krebs (Centralbl. £. Bakt. Abt. 1. Orig. Bd. 96. 1925. H. 5/6) hatte ich bereits mitgeteilt, daß die Zell-

s

182 Centralbl. f. Bakt. ete. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

art, der ich den Namen „blauweiße Zellen“ gegeben, und die ich als parasitäre bezeichnet habe, sowohl in den spontan bei Mäusen ent- stehenden, als auch experimentell zu erzeugenden Krebsen zu finden ist. Obschon es richtiger wäre, zuerst das Zellenbild des spontanen Mäuse- krebses zu schildern, möchte ich doch davon absehen und zunächst eine Beschreibung des experimentellen Mäusekarzinoms geben, und zwar aus dem Grunde, weil hier ‘wegen der Abwesenheit von Stromazellen das Bild leichter zu erschließen und zu übersehen ist, besonders aber auch deshalb, weil an diesem jederzeit ohne Schwierigkeit zu er- erzeugenden Tumor eine Nachprüfung meiner Angaben am ehesten möglich ist.

Der Krebs, auf den sich meine Schilderung bezieht, stammt aus dem Institut für experimentelle Therapie in Frankfurt a. M. Ich bezeichne ihn als den Frankfurter Tumor. Soweit meine Erfahrungen reichen, handelt es sich ursprünglich um einen spontanen Mäusekrebs (Stamm 7), der von Ehrlich und Apolant durch Weiterverimpfung und durch zahlreiche Passagen von Maus zu Maus eine derartige Virulenz und Wachstumssteigerung gewonnen hat, daß er fast 100 Proz. Impfresultate gibt. Für die freundliche Ueberlassung des Stammes sei an dieser Stelle Herrn Geheimrat Kolle und Herrn Professor Caspari noch- mals freundlichst gedankt. a

Bevor ich mich meiner eigentlichen Aufgabe zuwende, sei es mir gestattet, einige allgemeine Bemerkungen über den Mäusckrebs vorauszuschicken.

Versuche, den spontanen Mäusekrebs weiter zu verimpfen und seine Virulenz zu steigern, verlaufen meist resultatlos. Es kommt im all- gemeinen selten vor, daß ein spontan entstandener primärer Mäuse- krebs sich bei der üblichen subkutanen Einverleibung von Geschwulst- teilen auf andere weiße Mäuse als überimpfbar erweist. Ich selbst habe eine Reihe von Spontantumoren, die mir während der Nachkriegs- zeit von Händlern oder aus den Beständen des Instituts übergeben wurden, auf andere Mäuse zu übertragen versucht, aber meist chne Er- folg, und wo es einmal zur Bildung von Sekundärtumoren gekommen. waren diese meist klein, ihre Wachstumsenergie so gering, daB weitere Passagen in den meisten Fällen ohne Erfolg blieben.

Die Erfahrung hat also gelehrt, dab nur verhältnismäßig wenige Spontantumoren durch Ucberimpfung zu gröberer Virulenzsteirerung webracht werden können. Von 71 primären Tumoren, die Ehrlich und \polant im Verlaufe von 21, Jahren vermittels der Injektion zerstampften Karzinombreies weiter Verimpften, waren nur 10 über- ımptbar, Die günstigsten Verhältnisse bot der Stamm 7, von den Ehrlich und Apolant sagen. daß er wohl der virulenteste aller bisher im Experiment oder am Krankenbett beobachteten Karzinome sel, bei dem schon seit langerèr Zeit die Zahl der angehenden Impfungen zwischen SO und 100 Proz. schwanke. „Die Wachstumsenergie ist hier eine so bedeutende, daß die Tumoren bereits innerhalb 3 Tagen ein Ge- nicht Von 2 g, in 2 Wochen von über 3 x und in 3 Wochen von 5g erreichen. Geschuulste. deren Gewicht in weniger als 2 Monaten dem der Maus nach AUSSCHAUNG des Tumors mindestens gleichkommt, gckeren keineswegs zu den Seltenlietten. Beobachtungen über maligne Mavsetumeren von Ehrlichund Apelant, Be rl. klin. Woch. 1905. Nr. 28.)

Der Warhstumsenergte entsprechend scheint sich auch das histolo- icgtsche Bild dieser virulenten Tumvren zu andern: sie wuchern in

Koch, Zur Histol. u. zum Zellenbild d. experim. übertragbar. Mäusekrebses. 183

langen, soliden Zellsträngen und Nestern und zeigen den Typ des al- veolären Karzinoms. Gar nicht so selten entwickeln sie sich als Misch- geschwülste von karzino-sarkomatösem Bau. Am merkwürdigsten ist die Neigung des Frankfurter Tumors zu frühzeitiger umfangreicher Degeneration, die in den zentralen Teilen der Geschwulst gewöhnlich am stärksten ist.

Bei den langsam wachsenden Spontantumoren vom Typus des Ade- noms oder Adenokarzinoms werden die Degenerationsherde innerhalb des Epithelgewebes zwar nie vermißt, sie treten aber hier in weit gerin- gerem Umfange auf. Die Spontantumoren der Maus neigen mehr zur hämorrhagischen und zystischen Erweichung. Von etwa 30 spontanen Mäusekrebsen, die ich untersuchen konnte, befanden sich gegen 20 in diesem Zustand.

Auf Grund der Beobachtung, daß die Mäusetumoren sehr scten Metastasen machen, und daß sie kaum ein infiltratives Wachstum zeigen, hat man eine Zeitlang daran gezweifelt, ob die Mäusetumoren überhaupt echte Karzinome seien. Diese Frage ist heute ` in bejahendem Sinne entschieden; fast allgemein steht man heute auf dem Standpunkt, daß die Mäusekrebse den echten Karzinomen zuzuzählen sind. Die Uebereinstimmung des histologischen Bildes mit dem mensch- lichen Karzinom ist in der Tat eine so große, daß die anfänglichen Zweifel mehr und mehr verstummen mußten. Trotzdem bestehen zwischen Mäuse- und menschlichem Krebs einige wichtige Unterschicde. Charak- teristisch für das menschliche Karzinom ist das infiltrative Wachstum des Epithels, das scheinbar parasitäre Eigenschaften angenommen hat und jedes Gewebe, selbst den Knochen durchwuchert und zerstört. Davon ist bei den spontanen Mäusetumoren nicht viel zu sehen. Die im Unter- hautzellgewebe der Maus sich entwickelnden Krebsgeschwülste sind durchweg gegen ihre Umgebung abgegrenzt, meist von einer geringen Menge Bindegewebes umgeben und sitzen der Unterlage zuweilen sehr locker auf, daß man sie leicht aus ihrer Umgebung herausschälen kann. Ein weiterer Unterschied gegenüber dem menschlichen Krebs ist ihre geringe Neigung, Metastasen zu machen.

Die Mäusekarzinome sind längere Zeit Gegenstand eingehender Untersuchung gewesen, weil man hoffte, auf diesem Wege dem Krebs- problem näher zu kommen. Ohne Zweifel sind auch in vieler Hinsicht wichtige Fortschritte gemacht worden. Ich erinnere an die Frage der Uebertragbarkeit, der Virulenzsteigerung, der Immunität, der Beein- flussung der Geschwulstzellen durch Röntgen- und Radiumstrahlen, aber die Hauptfrage, wie entsteht die Krebsgeschwulst, warum ver- mehren sich und wuchern die Epithelzellen in so schrankenloser Weise, kurz die Frage nach der eigentlichen Ursache des Krebses, sie beschäftigt auch heute noch die Forschung.

Wenn man sieht, wie die in das Unterhautzellgewebe der Maus verpflanzten Tumorzellen sich zu einer gewaltigen Geschwulst ent- wickeln, ohne daß dabei eine starke Beteiligung des die Tumorzellen einschließenden Körpergewebes stattfindet, so darf man daraus wohl den Schluß ziehen, daß die Tumorzellen selbst es sind, die wachsen, sich vermehren und durch starke Wucherung den Tumor bilden.

Als Beweis für diese Beobachtung möchte ich folgendes anführen. Bringt man etwas Tumorgewebe in die Bauchhöhle einer Maus, so seht die Geschwulstentwicklung in der Weise vor sich, daß auf dem Peritoneum kleinere und größere Geschwulstknoten entstehen, die dem

184 Centralbl. t. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

parietalen und viszeralen Blatt des Bauchfells aufsitzen und in die Höhe wachsen. Die Serosa verhält sich dabei anscheinend passiv. Ein Hineinwuchern der Krebszellen findet so gut wie garnicht statt. Der Tod der Mäuse tritt gewöhnlich dadurch ein, daß die entstandenen Geschwulstknoten lebenswichtige Organe der Maus derart kompri- mieren, daB ihre Funktion darunter leidet. Daß die Mäusekrebse gewissermaßen aus sich herauswachsen, davon kann man sich bei jeder experimentellen Infektion überzeugen. Wir sind nämlich imstande, an jeder beliebigen Stelle des Unterhautzellgewebes, an jeder Stelle des

eritonealraumes einen Tumor zu erzeugen, sofern wir nur an diese Stellen Tumorteilchen hinbringen. Die Geschwulstentwicklung kann z. B. in der ganzen Ausdehnung des Impfstriches erfolgen, wenn mit der Platinöse zerstampftes Tumormaterial unter das Unterhautzell- gewebe geschoben wird. Ob an diesen Orten Epithelgewebe vorhanden, ist für die Entstehung der Geschwulst gleichgültig. Die Tumorzellen wachsen allein, ohne daß das Körpergewebe sich erheblich an der Ver- größerung des Tumors beteiligt. |

Aus diesen Beobachtungen lassen sich einige Schlüsse ziehen. Es gibt drei Möglichkeiten:

1) Die transplantierten Epithelzellen sind die Parasiten; dann müßte der experimentelle Mäusekrebs eine Reinkultur von parasitären Epithelzellen sein.

2) Mit den Epithelzellen, die in dem zerstampften Karzinomorei enthalten sind, werden gleichzeitig besondere parasitäre Keime ‘oder Zellen übertragen, die auf die ersteren reizend wirken, sie zum Wachs- tum und zur Vermehrung zwingen.

3) Lediglich unbekannte heterologe parasitäre Zellen vermehren sich im Unterhautzellgewebe der Maus, üben auf die Gewebszellen der Umgebung einen Reiz aus, der zu ihrer Vergrößerung, Teilung und Vermehrung führt. In diesem Falle würde es sich bei den ge- wucherten Gewebszellen gar nicht um echte Epithelien, sondern um epithelähnliche Zellen handeln, die man auch als epitheloide bezeichnen und vielleicht mit denen eines Tuberkelknôtchens ver- gleichen könnte.

Die erste Annahme läßt sich nach den Ausführungen meiner ersten Mitteilung nicht mehr aufrecht erhalten. Eine besondere Begründun:: brauche ich an dieser Stelle wohl nicht zu geben.

Dagegen liegt die 2. Annahme, daß außer den Epithelzellen be- sondere, mit ihnen in Symbiose lebende Keime oder Zellen transplantiert werden, durchaus im Bereich der Möglichkeit. Ebenso aber auch die dritte, nach der die Bildung der epitheloiden Zellen als eine Art re- aktiver Entzündung auf den sich vermehrenden Parasiten aufzu- fassen ist.

Ohne mich an dieser Stelle für die zweite oder dritte Möglichkeit. weiter für die Frage, ob es sich im experimentellen Mäusekrebs um wirkliche Epithel- oder epitheloide Zellen handelt, entscheiden zu wollen in den folgenden Ausführungen werde ich nur von Epithelzellen sprechen würde es ebenso wie beim menschlichen Krebs unsere Auf- gabe sein, das Zellenbild des Frankfurter Tumors mit den bereits in der ersten Arbeit geschilderten Methoden zu bestimmen.

Vorher ist es zweckmäßig, einen Blick auf das makroskopische Aussehen und das histologische Bild zu werfen, das einige schwer er- klärbare Eigentümlichkeiten zeigt.

Koch, Zur Histol. u. zum Zellenbild. d. experim. übertragbar. Mäusekrebses. 185

Histologisches.

Die Schnittfläche eines Frankfurter Tumors läßt makroskopisch gewöhnlich zwei Schichten unterscheiden, eine periphere, aus grau- rötlichem glasigem Gewebe bestehende und eine zentrale Degenerations- schicht, die eine grauweiBe, etwas bröcklige Masse darstellt und makro- skopisch einigermaßen an tuberkulöses verkästes Gewebe erinnert. Eine scharfe Scheidung dieser Schichten ist an vielen Stellen aber nicht mög- lich, und bei großen Tumoren kommt es öfter vor, daB grauweiße Bezirke mit solchen noch erhaltenen graurötlichen Tumorgewebes in unregel- mäßiger Weise abwechseln.

Die mikroskopische Untersuchung eines Tumors lehrt, daß die peri- phcren graurötlichen Tumorteile aus gut erhaltenen Epithelzellen be- stehen; an diese schließt sich eine Zwischen- oder Grenzzone mit ver- schiedenen, noch erhaltenen und bereits zerstörten Zellen. Darauf folgt der meist kernlose, Farbstoffe nicht mehr aufnehmende und gewöhnlich sehr ausgebreitete Degenerationsbezirk.

Degenerationsbezirke können aber auch vollständig isoliert in den Krebsalveolen auftreten. |

Uebersichtspräparate zeigen, daB dieses schnell wuchernde Kar- zinom ein Alveolarkrebs ist. Die im subkutanen Gewebe der Maus entstandenen Geschwülste sind von Bindegewebe umgeben, das den Tumor nach Art einer feinen Kapsel umschließt. Sie kann zwar ver- schieden starke Bindegewebszüge in die Tiefe senden, gewöhnlich sind die einzelnen Krebsalveolen aber nur durch ein sehr zartes binde- gewebiges Septum von einander getrennt. Tumorknötchen, die sich auf dem Peritoneum entwickelt haben, lassen an ihrer freien Ober- fläche gewöhnlich nur einen sehr feinen bindegewebigen Ueberzug er- kennen und nur dort, wo sie mit dem Peritoneum verwachsen waren, ist die bindegewebige Schicht stärker entwickelt.

Bemerkenswert ist der große Epithelreichtum dieser Tumorart. Die Hauptmasse bilden solide Stränge und Nester, die von Epithel- zellen gebildet sind. Größe und Form der Krebsalveolen sind sehr verschieden. Manche bestehen nur aus einem Dutzend und mehr Epithel- zellen, andere erreichen eine außerordentliche Größe. An der Peripherie teilen sich die Alveolen häufig in einzelne Läppchen, wodurch ein papillomähnliches Bild entstehen kann. |

Mit den üblichen Kernfärbungsmethoden Hämatoxylin (Dela- field), Eisenhämatoxylin, Thionin usw. sind die Kerne der Epithelien ‘gut darstellbar. Untersucher, die das histologische Bild des Frank- furter Tumors schon früher beschrieben haben, bezeichnen die Zellen als Plattenepithelien, mit homogenem reichlichem Protoplasma, von verschiedener oder vorherrschend polygonaler Gestalt.

Während die einzelnen Epithelkerne sehr stark hervortreten und von einander abgrenzbar sind, geht das zu den einzelnen Kernen gehörige Zellprotoplasma ohne scharfe Grenzen ineinander über, so daB sich die Umrisse der einzelnen Zellen nicht feststellen lassen.

Das sonst so regelmäßige histologische Bild des aus Plattenepithelien bestehenden Tumorgewebes ist jedoch nicht an allen Stellen vorhanden. Herdweise erscheint das Epithelgewebe zellreicher und unregelmäßiger geworden zu sein. Es sieht bei schwächerer Vergrößerung und erster Betrachtung so aus, als sei in manchen Krebsalveolen eine kleinzellige Infiltration entstanden, an anderen Stellen, als seien die Tumorzellen im Zerfall begriffen, wieder andere meist sind es die zentralen Teile

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der Alveolen machen den Eindruck von Degenerationsherden, die manchmal einen erheblichen Umfang erreichen können und in denen nur noch einige Inseln von Epithelzellen stehen geblieben sind. Hervor- gehoben sei jedoch an dieser Stelle, daß auch schon in kleinsten Krebs- knötchen Degenerationsherde auftreten können.

In den am stärksten degenerierten Teilen zeigen die Zellen über- haupt keine Zellfärvung mehr; aber die Umrisse der Zellen sind doch noch, wenn auch nur schr schwach und eben noch sichtbar wahrzunehmen. Nur die Rand- und Grenzzone des degenerierten Gewebes zeigt zellige Gebilde, die zunächst wie Kerntrümmer und Kernreste aussehen. Die Grenzzone zwischen erhaltenen Epithelien und dem kernlosen Ge- webe kann verschieden tief sein; denn nur selten geht das £pithel- gewebe scharf und unvermittelt in die degenerierte Partie über. Gewöhn- lich gibt es Uebergänge, wo erhaltene und bereits kernlos gewordene Zellen durcheinanderliegen.

Weitere Aufschlüsse über die Grenzzone erhält man, wenn man die Gewebsschnitte mit Methvlgrün-Pyronin färbt. Den besten Ueber- blick geben kleine Krebsknötchen oder Alveolen, die bereits ein Degene- rationsstadium erkennen lassen. Dann sieht man, daß die Grenzzone kleinere Zellen und zellige Gebilde enthält, ferner, daß die Epithelzellen Einschlüsse aufweisen, die sich sowohl färberisch als auch morpho- logisch von den typischen Epithelzellen unterscheiden. Ein Hauptvor- teil des mit Methylgrün-Pyronin gefärbten Präparates besteht eben darin, daß die einzelnen Zellen und die in den Epithelzellen vorkommen- den Einschlüsse, besonders diejenigen der Grenzzone, sich durch die Farbunterschiede besser erkennen lassen als es bei den einfachen Fär- bungen möglich ist. |

Fassen wir kurz das Wesentliche der topographi- schen Histologie des Frankfurter Tumors zusammen, so schen wır regelmäßig drei Schichten:

1) die Zone der gut erhaltenen Epithelzellen, 2) die Grenzzone mit unbestimmten Zellen und zelligen Gebil- den, 3) die kernlos gewordene Degenerationszone.

Sehr bemerkenswert ist übrigens, daß es sich bei dieser Art der Degeneration nicht um eine Fettmetamorphose oder eine uns sonst bekannte pathologische Degenerationsart handelt; die verschiedenen Fett- reaktionen fallen z. B. negativ aus. Sonderbarerweise kommt es trotz umfangreicher Degeneration auch nicht zur Verflüssigung oder Resorp- tion der kernlosen Teile. Ganze tote Zellbezirke bleiben an Ort und Stelle liegen, die das Tier dauernd mit sich herumschleppt. Der eigen- artige und schwer zu erklärende Vorgang dieser regelmäßig anzu- treffenden ausgebreiteten Degeneration in dem Frankfurter Tumor hat bereits die Aufmerksamkeit anderer Untersucher auf sich gezogen. Abetti (Beitr. z. Kenntnis der Zellveränderungen bei der Fulguration der Mäuse- und Rattentumoren. Ztschr. f. Krebsforsch. 7. Bd. 3. Heft saut darüber:

„ls ist schwer zu sagen, auf welche Weise die regressive Meta- morphose verläuft, aber das Aussehen der von der Nekrose befallenen Zellen und Gefäße und die Art der Reaktion gegen Farbstoffe scheint dafür zu sprechen, daß es sich um eine hvaline Degeneration handelt. Ich glaube, daß alle beobachteten Zellveränderungen auf dieselbe Weise entstehen und ihr verschiedenes Aussehen nur verschiedene Stufen desselben Vorganges darstellen; von den Anfangsstadien, die in

Koch, Zur Histol. u. zum Zellenbild d. experim. übertragbar. Mäusekrebses. 187

der Nähe der Gefäße sich vorzufinden pflegen, bis zur ausgesprochenen Nekrose, welcher die entfernteren Partien anheimgefallen sind. Die oben erwähnten Körperchen sind bereits von mehreren Autoren beob- achtet und als Zelleinschlüsse gedeutet worden, was in der Tat sehr ver- führerisch ist. Aber durch die Art der Reaktion gegen Farbstoffe und vor allem, daß man ihre Genese verfolgen kann, glaube ich, daß es sich nicht um Parasiten oder Produkte des intrazellulären Stoff- wechsels handelt, sondern um Fragmentierung der der Pyknose ver- fallenen Kerne oder um die bei dem Zerfall des Kernes frei werdenden Nukleoli. Diese Körperchen färben sich nicht nach Gram, nehmen intensiv Karbolthionin auf und mit dem Dreifarbengemisch, „Biondi-Ehrlich-Heidenhain“ nehmen sie wie die ruhenden Kerne einen bläulich-grünen Ton an, während die nekrotische Substanz die rote Farbe des Säurefuchsins annimmt.“

Das Zellenbild.

Die wichtigste Aufgabe ist ein genaueres Studium und die Fest- stellung der in den verschiedenen Zonen wahrnehmbaren Zellen und und zelligen Gebilde Das Zellenstudium hat sich vor allem mit der Frage zu beschäftigen, ob alle in der Grenzzone vorkommenden Formen im Untergang befindliche Zellen sind, wie man dies bisher angenommen hat. Wir bedienen uns dabei der von mir angegebenen Methodik, der Untersuchung der Zellen im vital gefärbten!) und im Schnittpräparat.

Zunächst die Epithelzellen (siehe Zeichnung 3). Sie sind im vital gefärbten Tropfen oft noch in kleineren Verbänden vorhanden. Wo die Zellen am Tropfenrand einzeln liegen, kann man alle Bestandteile, Kern, Kernkörperchen und Protoplasma deutlich wahrnehmen. Der blaugefärbte Kern ist durchweg von homogener Beschaffenheit, ein Kern- gerüst nicht zu erkennen. Er schließt gewöhnlich ein oder mehrere tief rot gefärbte Innenkörperchen ein, die in vielen Fällen wie gewöhn- liche runde Kernkörperchen, in anderen Fällen aber ein davon ab- weichendes Aussehen haben. Außer der vielfach exzentrischen Lage und einer Randstellung des Kernkörperchen ist bemerkenswert, daß es hier und da eine länglich gestreckte Gestalt angenommen hat und an einem oder beiden Enden spitz ausläuft. Es kann sich in dieser Form durch den halben, ja durch den ganzen Kern erstrecken. Das Proto- plasma ist selten gut erhalten, es umkleidet den Kern oft nur in Bruch- stücken, die rot gefärbt sind.

Neben diesen vollständigen Epithelzellen treffen wir Kerne, denen das Protoplasma, also der Zelleib fehlt, während sie sonst in Bau und Färbung den Kernen der vollständigen Epithelzellen gleichen. Man darf sie also als „nackte“ Kerne bezeichnen. Das ist immerhin ein auffallender Befund; es fragt sich, wie wir uns die Entstehung der nackten Kerne zu denken haben (siehe Zeichnung 2a).

Zunächst könnte man die nackten Kerne als Bestandteile von Epithelzellen betrachten, deren Zelleib einer Degeneration zum Opfer

1) Ein ausgezeichnetes Prüfungsobjekt für die Brauchbarkeit des Methylgrün- Pyroningemisches sind Vorticellen, eine Protozoenart, die man sich leicht duech Ansetzen von Heu- und Strohaufgüssen verschaffen kann. Die elektive Färbung der blau gefärbten Chromatin- und der rot gefärbten Nukleolarsubstanz tritt in den Kern- bändern dieses Infusoriums sehr kontrastreich in Erscheinung. Ueberhaupt ist diese Vitalfärbung in der Anwendung, wie ich es im 96. Rd. S. 287 dieser Zeitschrift mit- geteilt habe für Demonstrationszweeke sehr geeignet, um in einfachster Weise die Keruverhältnisse mancher Gewebszellen und Protozoen übersichtlich darzustellen.

188 Centralbl. f. Bakt. ete. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2,3.

gefallen ist. In diesem Falle dürfte man erwarten, daß ein solcher regressiver Vorgang auch den Kern in Mitleidenschaft gezogen und Veränderungen der Gestalt und der Färbung erzeugt haben müßte. Davon ist aber nichts zu schen. Im Gegenteil! Diese nackten Kerne järben sich außerordentlich gut und machen durchaus nicht den Eindruck, dab sie geschädigt oder Produkte einer Degeneration sind. Mehr Wahr- scheinlichkeit hat die folgende Auffassung von ihrer Entstehung für sich, Wir müssen annehmen, daß bei der so überaus schnellen Wuche- rung der Kpithelzellen des Frankfurter Tumors eine sehr starke Ver- mehrung der Kerne stattgefunden, mit der die Entwicklung und Teilung des Zellprotoplasmas nicht Schritt gehalten hat, ein Vorgang, der mit der Bildung von Kernen der Riesenzellen der Tuberkelknötchen zu vergleichen wäre. Auch hier sehen wir eine starke Kernvermehrung in der Riesenzelle, während eine Teilung und Abgrenzung des Proto- plasmas um die einzelnen Kerne ausgeblieben ist.

Mit den Epithelien vermischt sehen wir im vital gefärbten Tropfen- präparat einen zweiten Zelltypus, die blauweißen Zellen (siehe Zeichnung Nr. 1). So bezeichne ich Formen mit meist großem runden und grünblauem Kern und einem hellglänzenden schwachgranulierten Protoplasma. Zuweilen erscheint es auch zart vakuolär gebaut. Durch den starken Kontrast zwischem dem verhältnismäßig großen olaugrünen Kern und dem ungefärbten grauweißen Protoplasma fallen sie unter Ri übrigen zelligen Bestandteilen des vitalgefärbten Präparates stark auf.

Das Besondere dieser Zellen ist, daß in dem großen, keine Struktur zeigenden Kern rot gefärbte Substanz in der Form eines oder mehrerer Kernkörperchen (Nukleolarsubstanz) nicht vorhanden oder wenigstens mit der Vitalfärbung nicht nachzuweisen ist. Im allgemeinen sind diese Zellen von unregelmäßig polygonaler Gestalt. Durch ihren grau- weißen, fein granulierten Zelleib haben sie Aehnlichkeit mit Leuko- zyten und dieser erste Eindruck wird noch verstärkt durch das Vor- handensein von Fortsätzen und Ausziehungen des Protoplasmas mancher Zellen, die Pseudopodien nicht unähnlich sind (siehe Zeichnung Nr. 1). Mit ihrer veränderlichen Gestalt, dem hellen Zelleibe mit seinen Fort- sätzen zeigen sie jedenfalls nicht das Bild von Epithelien, sondern gleichen Zellen von amöboidem Charakter. Besonders hervorzuheben sind die außerordentlich starken Größenunterschiede; die kleinsten Formen haben nur Kokkengröße, aber auch diese kleinsten sind wirk- liche Zellen mit den Bestandteilen einer solchen, aus Kern und Proto- plasma bestehend, das meist in der Form eines hellen Saumes den win- zigen Kern umgibt.

Von dem hier geschilderten Typus der blauweißen Zellen gıbt es jedoch einige Abweichungen. Nicht immer ist die Kernsubstanz in der Form eines kompakten Kernes in der Zelle erhalten, sondern ver- hältnismäßig häufig findet sich die blaue Kernmasse in Form ein- zelner rundlicher oder ganz und gar unregelmäßiger Bruchstücke im Inneren der Zelle verteilt. Dabei kann man zuweilen die Beobachtung machen, daß blau gefärbte Kernsubstanz außerhalb des Pıotoplasmas liegt, während ein anderer Teil noch im Zelleibe steckt. Der Kerm kann aber auch bis auf einen kleinen Rest. oder vollständig verschwinden. so daß nur der ungefärbte Zelleib übrig bleibt.

Was die Vermehrung der blauweißen Zellen anbetrifft, so kann sie durch einfache Zweiteilung und Durchschnürung erfolgen.

Koch, Zur Histol. u. zum Zellenbild d. experim. übertragbar. Mäusekrebses. 189

wie dies Bilder auf der Zeichnung Nr. 1 zeigen. Aber auch durch Abschnürung kleinerer von einer größeren Mutterzelle bilden sich neue Zellen. Verhältnismäßig häufig stößt man auf Zellen, in deren Innerem ein oder mehrere Zellen von gleichem Typus wie die Mutterzelle ent- stehen, ein Vermehrungsvorgang, den wir als wirkliche endogene Zellbildung bezeichnen können (siehe Zeichnung Nr. 1c). Man muß sich hüten, Zellen, bei denen sich dieser Vorgang abspielt, als Degene- rationsformen zu deuten. Die gleiche endogene Zellbildung kommt übrigens auch bei den blauweißen Zellen des menschlichen Krebses vor; sie ist aber nicht mit der endogenen Zellbildung R. Virchows zu ver-wechseln. |

Im allgemeinen können wir bei den blauweißen Zellen unter- scheiden:

1) solche mit kompaktem vollständigen Kern,

2) Zellen, in denen mehrere Kernteile im Protoplasma sichtbar sind.

3) kernlos gewordene, sich nicht mehr färbende.

Eine weitere Zellform, der wir regelmäßig, wenn auch ver- schieden häufig im vitalgefärbten Präparat begegnen, zeigt folgendes Bild:

In einem zystenartigen, sich rot färbenden Gebilde von ovaler, ei- oder birnförmiger Gestalt, von etwa der halben Größe eines Epithel- kernes liegen 3—6 dunkelblau gefärbte Kernteile, von denen der eine oder der andere mit einem Korn rotgefärbter Nukleolarsubstanz aus- gestattet sein kann. Die einzelnen blauen Kernteile können rund, läng- lich oder sichelartig gestaltet sein. Sie liegen im Innern meist getrennt voneinander und nehmen häufig eine Art Randstellung ein, zuweilen sieht es auch so aus, als wenn eins der Kernteile im Begriff stände, das zystenartige Gebilde zu verlassen.

Diese Formen kann man als Zellen im gewöhnlichen Sinne des Wortes nicht gelten lassen. Der typische Aufbau einer Zelle aus einem Kern und dem dazugehörigen Protoplasma fehlt ihnen. Das ganze ähnelt mehr einer Zyste, in der blau gefärbte Chromatinteile liegen. Die Deutung lasse ich vorläufig dahingestellt (siehe Zeichnung 2c\.

Mit den oben beschriebenen ist die Zahl der vorkommenden Zell- formen noch nicht erschöpft. Es wird weiterer Forschung vorbehalten sein, die typischen herauszufinden und ihr Verhältnis zu den bereits bekannten festzustellen. In der Hauptsache begegnen wir aber, wie das vitalgefärbte Präparat es zeigt, zwei verschiedenen großen Zell- gruppen:

1) den Epithel-, 2) den blauweißen Zellen, zu denen wahrscheinlich noch andere außer den beschriebenen For- men gehören dürften.

Wie ist das Verhältnis beider Zellgruppen zueinander? Einen Ueberblick darüber geben am besten Schnittpräparate, die aus der Grenzzone stammen oder kleine isolierte Tumorknötchen von grauröt- lichem Aussehen (sehr geeignet sind Peritonealknötchen), die mit Häma- toxylin (Delafield) mehrere bis 24 Std. gefärbt und mit Pikrinsäure- lösung gegengefärbt sind. Mit Hämatoxylin gefärbte Präparate, die überfärbt und dann mit Säure differenziert werden müssen, sind ungeeignet, da durch den Akt der Differenzierung künstliche Verhält- nisse geschaffen werden können (Technik siehe 1. Mitteilung).

Bei passendem Material und gelungener Färbung ist es leicht, die beiden Zellgruppen auseinanderzuhalten. Die großen Epithelzellen

190 Centralbl. t. Bukt. ete. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

mit ihren Kernkörperchen sind ohne weiteres als solche erkennbar; sie beherrschen das Bild. Zwischen ihnen und in das Protoplasma ein- gebettet liegen kleinere Zellen, die durch ihre runde oder ovale Gestalt, ihre wechselnde Größe, die intensive Färbbarkeit ihres Kernes und durch ihren schmutzig graugrünen Zelleib auffallen. Ihr Kern ist meist randständig gelegen; eine gewisse Aehnlichkeit der Zellen mit. einem „Vogelauge‘“ ist vorhanden. Sie gleichen also dem ım menschlichen Krebs beschriebenen Einschlüssen und stim- men auch darin mit diesen überein, daß hier und da eine Einschlußzelle den benachbarten Epithelkern schlüssel- förmig eingedrückt hat (siehe Zeichnung 4).

Auch im Schnittpräparat sind Formen zu sehen, bei denen sıch der Kern in einzelne Teile aufgelöst zu haben scheint, die wie die zysten- ähnlichen Gebilde des vitalgefärbten Präparates aussehen (siehe Zeich- nung 2c).

Kann man diese Formen immerhin für Zellen mit pyknotischem Kern halten, so ist dieser Verdacht bei den anderen Formen unbegründet. Sie sind wirkliche Zellen von verschiedener Größe, bei denen Kern und Zelleib gut zu unterscheiden ist, ja selbst kleine winzige Zellen lassen Kern und Protoplasma deutlich erkennen. Regellos im Protoplasma der Epithelzellen verteilt, stellen sie nichts anderes dar, als die blau- weißen Zellen des vitalgefärbten Präparates; freilich haben sie hier eine wesentlich andere Form. Während sie im vitalgefärbten Präparat die mannigfaltigste Gestalt zeigen, erscheinen sie im Schnittpräparat fast durchweg als kleinere runde oder ovale Zellen.

Besser wie eine lange Beschreibung veranschaulicht die Zeich- nung 4 die Lage und das Aussehen der Epithel- und ‘der blauweiBen Zellen. Wir sehen hier die verschiedensten Formen der letzteren, an- gefangen von einem kleinen kernlosen Körperchen bis zur wohl diffe- renzierten Zelle, die im Schnittpräparat etwa die halbe Größe eines Epithelkernes erreichen kann. Selten ist übrigens das gegenseitige Ver- hältnis der beiden Zellgruppen derart deutlich zu erkennen, wie es die Zeichnung 4 wiedergibt. Oft liegen die blauweißen Zellen so dicht zusammen, daß sie förmliche Züge und Haufen bilden, die sich in noch erhaltenes Epithelgewebe weit hinein erstrecken können, und in denen die Einzelzelle sich kaum noch erkennen läßt. Man darf solche Haufen nicht für degenerierte Epithelzellen halten.

Will man das gegenseitige Verhältnis beider Zellgruppen noch klarer und natürlicher sehen, als es beim Schnittpräparat möglich ist, dann rate ich, mit einer spitzen Messerklinge aus der 'Grenzzone ein winziges Gewebsstückchen graurötlichem Tumorgewebes herauszu- heben und auf einem flachen Objektträger in einem Tropfen des Methyl- grün-Pyroningemisches aufzuschwemmen. Ein so gefärbter Epithelzellen- verband zeigt, daß im Protoplasma blauweiße Zellen liegen und zwar in allen Größen. Man muß das Auge öfters anstrengen, um die kleinsten Formen noch zu entdecken. Ist die Färbung im Inneren des Epithel- zellenverbandes unvollkommen, so kann man das Deckgläschen vom Präparat abheben und noch einen Tropfen Farblösung hinzufügen, wodurch auch die im Inneren gelegenen Zellen deutlicher hervortreten. Bei einem derartigen Uebersichtspräparat ist übrigens eine Verwechslung beider Zellgruppen ausgeschlossen, hier sehen wir beide fast unter natür- lichen Verhältnissen (siehe Zeichnung 3).

Die Uebersichtspräparate zeigen also mit aller Deutlichkeit, daß

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Koch, Zur Histol. u. zum Zellenbild d. experim. übertragbar. Mäusekrebses. 191

der experimentelle Mäusekrebs nicht nur aus Epithelzellen besteht, sondern daß in und zwischen den lebhaft wuchern- den Epithelien eine zweite Zellartlebt, die morphologisch färberisch und biologisch von der Epi thelzelle zu trennen ist.

Am eigenartigsten ist ihr biologisches Verhalten; denn über- all dort, wo größere blauweiße Zellen in Mehrzahl auftreten, geht das Epithelgewebe zugrunde; es wird offenbar von ihnen zerstört. Dieser Kampf spielt sich auf einem verhältnismäßig engen Raum, vor allem in der Grenzzone ab. Hier sind auch die blauweiben Zellen am zahl- reichsten zu finden. Je mehr wir uns der Peripherie des Tumors nähern, desto spärlicher und kleiner werden sie.

Eine Zellart aber, die imstande ist, in einer anderen ein para- sitisches Dasein zu führen, auf deren Kosten zu wachsen und sich zu vermehren, welche die Eigenschaft hat, ihre Wirtszellen zu ver- nichten, eine solche Zelle darf man als eine artfremde oder hetero- loge, als eine parasitäre bezeichnen.

Auf Grund dieser Feststellungen dürften wir nunmehr in der Lage sein, uns ein einigermaßen zutreffendes Bild über die Entstehung des experimentellen Mäusekrebses zu machen.

Die parasitären blauweißen Zellen, die wir zu den Protozoen rechnen dürfen, vermehren sich zunächst im Gewebe der Maus; ihre kleinsten Formen dringen wahrscheinlich in das Protoplasma von Gewebszellen ein, reizen in diesem Zustande die Zellen, so daß sie sich vergrößern, vermehren und wuchern. Sie wachsen auf Kosten ihrer Wirtszellen zu größeren Formen heran und vernichten so das Mutter- gewebe, das ihnen zur Nahrung dient.

Mit dem Untergang der Epithelzellen ist dann meist auch ihr Schick- sal entschieden, auch sie gehen dann zugrunde, sie werden kernlos. Ihre Zelleiber verfallen aber nicht einer Degeneration oder Resorption, sondern sie bleiben an Ort und Stelle liegen. Aus der Masse ihrer Zell- leiber bilden sich dann die großen Degenerationsherde. die die Maus bis zu ihrem Tode mit sich führt. Die Lebensdauer der blauweißen Zellen ist also eine begrenzte und nur in seltenen Fällen kommt es zu einer Erscheinung, die unsere volle Aufmerksamkeit verdient.

Zuweilen nämlich bleibt eine erhebliche Zahl blauweißer Zellen erhalten. Sie behalten ihre Kerne, und indem sie von gleicher durch- schnittlicher Größe nebeneinander lagern, formt sich scheinbar ein neues Gewebe; an einen Epithelbezirk grenzt ein solcher, der sich aus blau- weißen Zellen zusammensetzt. Auf diese Weise entsteht eme Misch- geschwulst von karzino-sarkomatösem Charakter.

Es spricht für die Spezifizität der blauweißen Zellen, daß sie auch in anderen experimentell zu erzeugenden Mäuse- und Rattenkrebsen, wie z. B. im Flexner-Jobling-Tumor vorkommen!). Bei letzterem zeichnet sich die blauweiße Zelle durch ihre relative Größe aus. In der Zeichnung Nr. 5 soll hauptsächlich der färberische Gegensatz der beiden wichtigsten Zellarten, der Epithel- und der blauweißen Zellen zum Ausdruck gebracht werden. Wie der eigenartige Bau, zumal die grobe Granulierung (Degenerationskörner?) ganzer Zellen zustande kommt und zu erklären ist, kann ich nicht sagen; dazu bedarf es der

1) Der ter Jon ne Tumor wurde mir in bereitwilligster Weise von Fräulein Professor Dr. Rhoda Erdmann überlassen, wofür ich ihr an dieser Stelle verbind-

lichst danke.

192 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

systematischen Durcharbeitung dieser Geschwulstart, die mir aus äube- ren Gründen noch nicht möglich war. Im Gegensatz zu dem expert- mentellen Frankfurter Mäuse- neigt jedoch dieser Rattentumor zur Erweichung und Verflüssigung im Laufe seines Wachstums, was das Zellstudium störend beeinflußt.

Ich halte die blauweißen Zellen des menschlichen, des Mäuse- und des Rattenkrebses zwar nicht für identisch, glaube aber, daß sie alle ein und derselben Gruppe protozoischer Zellparasiten angehören, die nach ihrem morphologischen, färberischen und biologischen Verhalten weitgehend übereinstimmen.

Erklärung der Tafelabbildungen.

Tafel I. Die Zeichnungen sind lediglich als ein Versuch aufzufassen, das viel- pestata Bild der blauweißen Zellen in seinen wesentlichsten Zügen festzuhalten und ie Hauptmerkmale dieser Zellart gegenüber den Epithelzellen zu zeigen.

Zeliform 2c ist halb schematisch gezeichnet, da es unmöglich war, die wechselnde Lage und Form der blauen Kernteile in dem rotgefärbten zystenartigen Gebilde der Wirklichkeit entsprechend darzustellen.

Zeichnung 4. Das Grün der blauweißen Zellen ist zu lebhaft ausgefallen, vs müßte ein schmutziggrüner Farbenton sein.

Zeichn. 1. Vitalfärbung. Blauweiße Zellen von verschiedener Größe und Gestalt. Zelle a, b = Teilungsformen; Zelle c = endogene Zellbildung.

Zeichn. 2. Vitalfärbung a = nackte Kerne, als Kontrast 2 blau-weiße Zellen b), darunter eine zystenähnliche Zellform mit 6 kernähnlichen Gebilden (c).

albschematisch.

Zeichn. 3. Vitalfärbung. 4 Epithelkerne, umgeben von rotem Protoplasma, in dem blauweiße Zellen von verschiedener Größe darunter sehr winzige Formen ein- gebettet liegen.

Zeichn. 4. Schnittpräparat, aus der Grenzzone des Tumors (Hämatoxylin (Dela- field) Pikrinsäure-Gegenfärbung). Zwischen den großen Epithelkernen liegen zahl- reiche blauweiße Zellen, meist mit randständigem Kern. Zu beachten: 2 große blauweiße Zellen, die den Epithelkern schlüsselfürmig eingedellt haben, ferner kleinste. kernlose Körperchen, die offenbar zur blauweißen Zellart gehören. Zellform a ent- spricht der zystenähnlichen Zellform der Zeichnung 2c.

Zeichn. 5. Vitalfärbung. Zellen aus dem tten-Tumor (Flexner-Jobling). rechts: blauweiße Zellen von verschiedener Größe und Gestalt. Links: 4 Epithelzellen. Zelle a wohl in Degeneration begriffene Epithelzelle mit intrazellulär gelegener blauweißer Zelle.

Zeichn. 1, 2 u. 5 sind von Herrn Maler Landsberg,

Zeichn. 3 u. 4 von Fräulein Elfriede Paasch, Techn. Assistentin am In- stitut, gezeichnet, Vergrößerung Comp. 6, Oelimmersion Zeiß.

Nachdruck verboten. Contribution à l'étude des piroplasmoses bovines en Russie.

Section de Protozoologie de l’Institut bact£riologique vétérinaire à Petrograde.]

Par le Prof. med. et med.-vet. Dr. W. L. Yakimoff et M!!e W. J. Wassilewsky (f).

Con 28 figures en texte.

I. L’agent étiologiqne de l’hémoglobinurie des bovidés du nord-ouest de Russie. L'agent étiologique de la piroplasmose des bovidés du nord-ouest de Russie fut trouvé déjà en 1896 par les auteurs finlandais Krogius

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Yakimoff et Wassilewsky. Coutribut. à l’étude des piroplasm. bov. etc. 193

et van Hellens. En 1899 Kossel et Weber, qui travaillaient de même que les auteurs précédents, décrirent ces parasites d'une manière detaillée. Ils virent une grande quantité d’erythrocytes contenant 1, rarement 2 ou plusieurs parasites. Ces derniers avaient les bords, irréguliers. Les plus petits parasites étaient de dimension de 1/, de diamètre d’erythrocyte. Colore par la méthylène bleue le parasite donnait l'impression d’anncau, vu que le bord s’impregnait plus de bleu que le reste. A côté de ces formes, il existe d’autres formes très caractéristiques, qui se trouvent par un, souvent par deux dans l'éry- throcyte. Ils ont l’aspect de feuille de saule à bout pointu. Ils se colorent de même que les autres, moins au milieu qu’au bord. Des fois ils ont la forme de poire. Dans ces deux derniers cas les parasites sont unis par leurs bouts pointus et forment un angle aigu, ou bien ils s’etirent en ligne droite tout le long de l’ery throcyte. Ils sont unis par un fin pont de protoplasme. Souvent les parasites se trouvent sur le bord de l’érythrocyte faisant l'impression d’être à cheval sur lui. Colorés après la methode de Romanowsky ils laissent voir chromatine formée de 2—4 masses. Dans les parasites en forme de poire double la chromatine se trouve au bout arrondi, plus rarement au milieu.

L'auteur russe Dratschinsky, qui trouva ces parasites pendant l’'hémoglobinurie du district le Louga (gouvernement de Pétrograde), n’ajoute rien à la description des auteurs allemands. De même que Beinarowitsch qui trouva ces parasites dans le district de Gdov (même gouvernement) et qui ne parle de leur forme qu'en passant. Excepté ces deux auteurs il n'existe plus dans la littérature russe d'indications sur l’agent étiologique de la piroplasmose du nord-ouest.

Dans ce chapitre nous voulons ajouter quelques détails aux descrip- tions des auteurs allemands et finlandais.

Tout d'abord: de la fixation d’une des formes du piroplasme comme forme de poire comme elle a été fixée par les auteurs finlandais et allemands. Nous trouvons que cette fixation donnée par les auteurs américains Th. Smith et Kilborne aux parasites de la Texas- fever, desquels ils reçurent leur nom de Pirosoma (=Piroplasma) bigeminum, ne oonvient point aux parasites du nord-ouest de Russie. Les piroplasmes du nord-ouest n'ont point la forme de poire, mais plutôt la forme de lancette. Notre organisme est moins large que le Piroplasma bigeminum typique. La forme de Piroplasma argentinum fut fixée par Lignières comme forme de lancette. C’est pour cela que nous trouvons qu'il faut fixer la forme de piro- plasme du nord-ouest comme forme de lancette.

Un bout de cette forme de lancette est aigu. En s'unissant les deux parasites forment un angle. Nous reparlerons de cela encore plus bas. L'autre bout dans la plupart des cas est arrondi; il arrive pour- tant, des fois, qu'après l'élargissement la forme se termine en pointe. La forme de lancette n'est point toujours régulière: si elle est plus ou moins constante chez les doubles parasites, chez les parasites solitaires, quoique très rarement, elle approche à un certain point à la forme de poire. Parfois chez les parasites solitaires elle prend la forme de sigare.

Ces parasites à la forme de lancette se trouvent dans l’érythrocyte par un ou par deux.

Les dimensions de ces formes furent fixées par Kossel, Weber, Schütz et Miessner (parasites allemands), c'était 1/, et 1/, du

Erste Abt. Orıg. Bd. 97 Heft 2/3. 13

194 Centralbl. f. Bakt. ete. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

diamètre d’erythrocyte. Nous primes la mesure d’une grande quantité d'exemplaires et trouvämes: formes de lancette solitaires: 1,96 0,75 u

» 5 » doubles: 0,98 1,47 u x 0,33 u 5 j » quadruples: 0,96 -—-1,93 u X 0,72 u.

Ce qui concerne leur localisation dans l’érythrocytes plus ou moins au milieu, ou être à sa periphérie, ou bien faire impression d’être à cheval sur l’erythrocyte. Cette localisation n’est point accidentelie, elle suit une certaine loi qui peut être exprimée par les chiffres sui- vants, reçus sur les frottis du sang d'animaux malades (les données soient

en % %, v. tableau I). s Tableau I. ~ | 2 | | Mitoyen No. des animaux; 42 | 93 | 37 | 40 | 3 | 79 | 47 !' 33 | 17 | 54 | 87 Cr | | | = | | o. 42) Localisation | | |

à la périphérie | 48 | 55 67,5! 41 | 74 | 76 | 78 |70,6/799 89,51935| 73,10 au milieu 52 | 45 : 32,5] 29 | 26 | 24 | 22 19,9 | 19,9 | 101 62| 23,41

De cette manière il est clair que dans la plupart des cas la locali- sation de nos parasites est périphérique (55—93 %, une fois seulement 48 0%; mitoyen = 73 0).

En suivant la déscription des parasites de la Texas-fever nous trouvons toujours l'indication que les doubles parasites en s’unissant forment un angle. Mais nous ne trouvons point le pourcentage des angles qu'ils forment. Les dessins de Piroplasma bigeminum nous donnent de doubles parasites formant des angles aigus ou droits, rare- ment des angles obtus.

Chez les piroplasmes du nord-ouest c’est tout autre. Kossel et Weber notent de double formes de lancette entrainées en ligne. Nous avons vu de ces formes unis de manière que langle qu'ils formaient variait de 1—29 jusqu'à 1800.

Ici de même une certaine validité prend place. Le calcul de ces angles nous en donnera leurs %. D’après nos calculs nous regümes les % %o suivants (v. tableau II):

Tableau II. No. des animaux | 42 | 79 93 | 2 54 | 33 | 37 40 | 17 | 87 | 47 |Mitoyen nn a eh TS a ee lt en se OCE ee L’angle | | | | | au dessus de 90° | 65 | 65 | 76,5 | 78,0 80.1 | 81,3 84,0 | 85,0 | 89,0 [89,6 92 80,4 90° 16 17 |13,0,13,0113,6|15,9112,0| 95| 5,4| 42| 6 11,4 moins 90° 19 | 18 |105| 5,9} 5,9| 2,3| 3,5| 55 54| 59| 2 7,6

Ce calcul nous montre: 1) que l'angle de plus de 90° est celui qui domine, donne 65—92 %o (moyen 80,4 %0) et 2) que la validité des parasites qui se trouvent à la surface et celle de ceux qui se trouvent au milieu des érythrocytes est la même.

D'après les modifications de méthode Romanowsky, le proto- plasme des formes de lancette se colore en bleu plus ou moins clair.

Yakimoff et Wassilewsky, Contribut. à l'étude des piroplasm. bov. etc. 195

Plus ponctuellement cela sera (v. tableau III): Tableau III.

|

du Localisation

No. des animaux | 42 | 93 | 79 | 40 | 47 | 37 | Bœuf| 33 | 54 | 17 | 87 == | = | b Ti sie = z, = E en = Sn = s ses, à la périphérie | |

LL | 03 ;

au dessus de 90° 30 | 44,4 49 | 58,5 70,5161 | 63 : 69,3 71,4 | 78,1 85,6 90° 6 6 ul 7 |55| 55, 6 9,3110,3| 1,8, 3,6 moins de 90° 142 454 13:4 55% 2 L,.. © | 1 1! | 46

au milieu | | | | | au dessus de 90° | 35 | 32 | 16 1265 21,5123 | 15 |12 | 6 |109 | 4 90° 10} 7| 4] 25) 05] 7 7 | 66! 33| 3,6, 0,6 moins de 90° 27| 6j; 41 —|— |25| 4 |13| 08| 54116

On distingue par places des teintes rouges et rouge-violettes; ce sont les masses de chromatine. Le plus souvent la chromatine est placée a l'arrière gros bout. La forme est variée: allongée, en forme de fer a cheval, pointillce etc. Il est impossible de noter une forme fixée. Autant qu'il fut possible de marquer, nous ne vimes qu’une masse de chromatine (opposément au Piroplasma bigeminum qui contient deux masses dont une se colore moins que l’autre).

Excepté les formes de lancette, il y a encore des formes rondes qui forment des anneaux plus ou moins réguliers. Le milicu de ces formes dans la plupart des ces cas est incolore et transparent. Ils se trouvent par un ou deux, rarement plus, dans l'érythrocyte.

Les dimensions des formes en anneaux sont les suivantes:

formes solitaires: 0,98—1,96 u

formes doubles: 0,49—1,47 u

plus de deux: 0,73 u.

II. Les piroplasmes du nord-ouest et du sud de la Russie.

Existe-t-il dans tout lunivers qu’un piroplasme des bovidés, le Piroplasma bigeminum, ou il y en a-t-il plusieurs? Les obser- vations et les expériences nous montrent, qu'il existe plusicurs para- sites provoquant la maladie qui se caractérise par l'urine rouge.

Déjà Sajo remarqua que les bovidés du Texas qui avaient déjà l'immunité à la maladie locale (grâce à ce qu’il en avait déjà souffert pendant sa jeunesse), peuvent être exposé à l'infection par les tiques locales de Louisianne et du Mississipi. Lignières fut le premier qui remarque que pendant la piroplasmose il y a plusieurs parasites effec- tifs. En 1900, il marqua l'existence de plusieurs différents types et prouva experimentalement que l'animal vacciné contre la piroplasmose française n’est point préservé contre les parasites d'Argentine. Il prouva l'existence de plusieurs parasites en Argentine. Déjà en 1898 il nota deux formes de piroplasmose: la forme typique et la forme atvpique. Les animaux immunisés contre la seconde forme sont garantis en même temps contre la première forme. Ceux immunisés contre la première forme et infectés par la seconde tombent malades et peuvent périr. Dans les cas d'infection des deux formes à la fois la premiere se développe d’abord et si l'animal n'en meurt pas, la seconde forme se développe séparément et cette fois le cas est presque toujours mortel.

13 *

196 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

En 1909 et 1914, Lignières communique les données précises sur ces deux formes. Il pense que ces formes sont provoquées par des parasites différents; il estime l’un Piroplasma bigeminum et l’autre nomme Piroplasma argentinum.

Dans la première dizaine d’annees de notre centenaire, dans la même Amérique du Sud (au Brésil) la troisième espèce de parasite fut trouvé, celui qui provoque l’hémoglobinurie Piroplasma australe. L'absence d’immunite des animaux importés d'Europe et d'Amérique du Nord, de même que des particularitces morphologiques de ce parasite donnèrent à MM. Miranda et Horta (auteurs bre- siliens) le droit de fonder une espèce nouvelle. Le trypanobleu agit sur ce piroplasme.

En 1924, Ed. Sergent, Donatien, Parot, Lestoquard. Plantureux et Rougebiet trouvèrent en Alger une nouvelle espece de piroplasme qu'ils nomment Babesiella berbera.

Le piroplasme de Redwater de l’Afrique du Sud, étudié par beau- coup d’auteurs, est du type Piroplasma bigeminum..

En Europe la piroplasmose existe dans beaucoup de pays en Russie, en Finlande, en Esthonie, en Norvège, en Suede, au Dane- mark, en Hollande, en Allemagne, en Hongrie, en Roumanie, dans les états des Balkans, en Italie, en France. en Belgique, au Portugal, en Angleterre et en Irlande. Le piroplasme fut remarqué tout d'abord en Roumanie par Babes, 1888, chez les bovidés attents de l'hémo- globinurie. Il le nomma Haematococcus bovis. Les auteurs euro- péens crürent longtemps que le piroplasme d'Europe était identique au piroplasme classique Piroplasma bigeminum de Th. Smith et Kilborne, quoique déjà en 1893 Starcovici destingua le piro- plasme de Roumanie de l'agent étiologique de Texas-fever et Lühe en 1896 proposa de le nommé Piroplasma bovis. Les dimensions sont plus petites que celles de Piroplasma bigeminum.

En Russie la piroplasmose existe dans plusieurs endroits. Il est possible de former trois zones: la zone du nord-ouest (gouvernements d’Olonez, de Petrograde, de Novgorode, de Pskov, des ex-provinces la Finlande et l’Esthonie), celui du sud (Caucase du nord et du sud, la Crimée et le Turkestan) et la zone centrale (gouvernements de Moscou, de Tambov, de Mognilev, de Gomel et ceux d'Ukraine). Excepté cette division géographique nous voyons que les cas mortels causés par le piroplasmose du sud sont plus énormes que ce au nord-ouest. C'est de cela que näget la question: existe-t-il un seul l’agent étiologique de l'hémoglobinurie dans toute la Russie ou y en a-t-il plusieurs?

En 1893 Krogius et van Hellens ont commencé d'étudier la piroplasmose du nord-ouest. Ces auteurs trouvèrent des parasites dans le sang des animaux malades qui leurs semblaient être iden- tiques aux piroplasmes du nord-américain (Texas-fever), de même qu'à la forme trouvée en Roumanie par Babes. Les observations sur la symptomatologie de la maladie, son propagement et les lesions pathe- logo- anatomiques coincident tellement avec: les données des auteurs américains quil sembla juste de croire l’hémoglobinurie finlandaise identique à la fièvre de Texas. Kossel en 1899, comparant cette piroplasme à celui du nord d Amérique ne les trouva point iden- tiques: le premier est moins grand ct plus grossier; les piroplasmes paraient dans les érythrocytes au commencement de la maladie, tandis

Yakimoff et Wassilewsky, Contribut. à l'étude des piroplasm. bov. etc. 197

que chez la fièvre de Texas se ne sont que les jeunes formes qui se font remarquées. Néanmoins cet auteur (en collaboration avec Weber) change d'avis l’année suivante. En travaillant Lovisa sur la côte du sud et à Heinävesi dans l’arrondissement de Savoiaks) ils venrent à la conclusion qu'en comparaison avec les frottis de l’est de l'Afrique, les parasites finlandais sont moins nombreux et plus grossiers. Les parasites doubles en forme de poire sont moins grands que ceux de l’est d'Afrique ils occupent presque tout l’érythrouyte. Au contraire les parasites finlandais morphologiquement sont tout-à- fait identiques à ceux du nord d'Amérique d’après les dessins de Smith (les auteurs allemands n'avaient point de frottis du sang de l'Amérique du Nord). Ils coïncident morphologiquement encore avec la description de Roumanie de Babes et Starcovici, à celle des parasites italiens par Celli et Santori, de même qu'à de dessins de parasites italiens de Ziemann et aux parasites argentiniens de Lignières.

Vu que la Finlande aboutie au nord-ouest de la Russie, il est tout naturel de fair la conclusion que la piroplasmose des deux endroits est le même.

Envisageons maintenant la piroplasmose du sud de la Russie.

Katschinsky, 1892, fut le premier auteur qui donna la de- scription de cette maladie de la région de Kouban (nord de Caucasa), quoique en 1888 Nametnitschenko nota cette maladie dans cette région. Katschinsky dans la description de ses observations sur la „malaria des bovides“ nomination qu'il donne à la piroplasmose (sa nomination au Caucase est ,,tschikhir‘ de même que celle d'un vin rouge local) du gouvernement de Stavropol, dit que le microorganisme qu'il trouva dans le sang des animaux malades d’après ces parti- cularités morphologiques est pleinement identique au Piroplasma bigeminum des auteurs de l'étranger. De l'agent étiologique du „tschkhir‘ Heronimus dit: „les expériences expérimentales con- statent que l’agent étiologique de la Texas-fever et de l’hémoglobinurie épidémique (au Caucase) est le même proche au Plasmodium malariae hominis le parasite endoglobulaire Pyrosoma bige- minum.“ Dschounkowsky et Luhs parlent de Piroplasma bigeminum comme de l’agent etiologique de la piroplasmose cauca- sienne. Tous les autres auteurs (Kowalewsky, Stolnikoff, Yaki- moff), qui observerent cette maladie au Turkestane parlent de Piro- plasma bigeminum comme de son agent étiologique. Les auteurs qui décrivirent la piroplasmose du centre de la Russie (Blumenfeld) ne disent rien de l'agent étiologique; Pawlouchkoff parle de Piro- plasma bigeminum.

De cette manière il ne reste qu'à croire que dans tout l'espace de la Russie il n'existe qu'une espèce d'agent de l’hemoglobinurie des bovidés le Piroplasma bigeminum. En réalité est-ce le cas? Existe-t-il au nord, au centre et au sud de la Russie qu'un seul agent de cette maladie?

Les premiers qui doutèrent de cela furent Dschounkowsky et Luhs, 1904. Ces auteurs notèrent la différence entre le piroplasme du nord et du sud; celui du sud est plus grand que celui du nord. Mais ils ne dirent pas plus

U n’y a plus de données sur les piroplasmes en général, ni en particulier sur la difference des piroplasmes de divers endroits de Russie.

198 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

En travaillant (1923 et 1924) sur la piroplasmose du gouverne- ment de Petrograde, nous avons remarqué dès le commencement que l'agent étiologique de lhémoglobinurie de la région du nord-ouest diffère des piroplasmes du sud (Caucase, Crimée, Turkestan), avec les- quelles nous avions travaillé d'abord. Après avoir profondement examiné la question, nous venions à conclusion qu'il existe une différence éminente entre le piroplasmose du nord-ouest et du sud au point de vue:

1) des dimensions des parasites,

2) de la localisation dans telle ou autre partie de l’erythrocyte,

3) de la différence de l'angle formé par les doubles parasites en forme de poire,

4) du pourcentage de l'infection des érythrocytes,

5) de la période d’incubation de la maladie,

6) des lésions pathologo-anatomiques,

1) des espèces de tiques-transmetteurs.

Les premiers trois points concernent les doubles parasites en forme de poire.

I. Les dimensions. Les auteurs qui s’occuperent des piroplasmes ont fixé les dimensions de Piroplasma bigeminum en somme de 2,5—3,5 u en longueur et 0,8—1,2 en largeur. Mac Fadeyan et Stockman en Angleterre fixèrent les dimensions de 3,2—3,5 u X 1,6 jusqu'à 1,7 u; en Alger Ed. Sergent et collaborateur, en 1919, celle 3,2 (1,8—5) u X 1,7 (1—3) u. Les auteurs allemands, qui nomment le piroplasme d'Europe mitoyenne Piroplasma bovis, nous disent qu'il est moins grand, mais que cela n’a point d'importance (Lühe). Dans le manuel de Hutyra et Marek nous trouvons sur Piroplasma bovis les chiffres suivants: les formes rondes solitaires dans l’erythr)- cyte de diamètre 1—2 u; celles doubles sont souvent des dimensions plus considérables de longueur de 2—4 u et de largeur de 1,5—2 u. Kossel et Weber ne nous donnent point de chiffres. Ils disent que les parasites finlandais doubles en forme de poire sont moins grands que ceux de l’est de l'Afrique qui occupe tout l’érythrocyte. Krogius et van Hellens donnent les chiffres 1,5—1,8

Le mesurage des piroplasmes en forme de poire de la contré du nord-ouest d’un coté et des parasites de Caucase et de Turkestan de l’autre nous montra la grande difference qui existe entre eux au point de vue de leurs dimensions:

ceux de Caucase et Turkestan: 2,94 —5,88 u x 0,98—1,7 u,

ceux du nord-ouest (gouvernement de Petrograde): 0,98--1,96 u

x 0,33—0,75 1.

Le diamètre d’erythrocyte des bovidés est égal 5—6 u. Par conse- quent le rapport des piroplasmes au diamètre des érvthrocytes egal du sud russe: 1:2,3—4,2 (Turkestan) et même 1:1 (Caucase), c'est- à-dire le piroplasme du sud russe peut égaler le diamètre de l’erythrocvte et n’est pas moins 1/,; tandis que le piroplasme du nord-ouest se rapporte comme 1:3, 5—6, c'est-à-dire qu'il ne sera pas plus grand que le et forme même parfois 1/, du diamètre d’crythrocyte.

Ainsi il est clair que le piroplasme du nord-ouest est presque deux fois moins grand que celui du sud.

2. La localisation dans l’érythrocyte. Nous n'avons pas pu trouver d'indications plus exactes sur la localisation des piroplasmes des régions tropiques. Les auteurs allemands parlent des piroplasmes

Yakimoff et Wassilewsky, Contribut. à l'étude des piroplasm. bov. etc. 199

finlandais et de ceux de l’Europ2 moyenne comme de piroplasmes péri- pheriques. Parfois il semble que le parasite est placé sur l’érythrocyte, à cheval sur lui, pour ainsi dire.

D'après nos recherches:

Le piroplasme du nord-ouest: à la périphérie de l’érythro- cyte se trouve 55—93,5 00 (mitoyen 73,9 0%) de tous les doubles para: sites en forme de poire (un cas seulement donna moins 50 0o la vache No. 42 = 48 %), au milieu 6—45 % (mitoyen 23,4 0/,) seule- ment un cas la même vache No. 42 donna 52°/,.

Le piroplasme du sud: à la périphérie de l’erythrocyte se trouve 0—0,9 % de tous les parasites; au milieu 98,9—100 %o.

Ainsi nous voyons que le piroplasme du sud a plus grand pour- centage de la localisation au milieu d’erythrocyte, tandis que le pir- plasme du nord-ouest se place dans la plupart des cas à la périphérie et non au milieu.

3. La divergence de l’angle. Il n'existe pas d'indications exacts sur la divergence de l'angle que forment les piroplasmes doubles en forme de poire. Il n’y a que l'indication que l'angle est différent (par ex. Sergent et collab. „un angle très aigu‘). Mac Fadeyan et Stockman furent les seuls qui fixèrent attention à cela, ce qui leurs donna lieu de distinguer une des espèces de piroplasmes anglais en espèce isolée et la nommée Piroplasma divergens, grâce à la grandeur de la divergence de l’angle qui égalait parfois 1800. De même il n’existe point d'indication sur les piroplasmoses russes.

Nous fimes le mesurage des angles des doubles parasites en forme de poire de trois points de vue: 1) angles de plus de 909, 2) à 900 et 3) moins de 900. Voici les résultats:

Le piroplasme de nord-ouest: plus de 9090 == 65—92 0% (mitoyen 80,4 %), à 909 = 11,2—17 % (mitoyen 11,40/,) et moins de 900 = 2—19 % (mitoyen 7,6 %).

Le piroplasma du sud: plus de 900 = 3,2—8,6 %, à 90° = 11—53,3 % et moins de 90° = 43,3—76 0.

Ainsi nous voyons que le piroplasme du nord-ouest a le plus souvent la divergence de l’angle de plus de 90° (parfois jusqu’à 1809), tandis que l’angle à 909 et moins se rencontre plus rarement. L'espèce du sud, au contraire, a l’angle essentiellement à 90° et moins, tandis que l'angle de plus de 90° ne donne qu'un peu plus de 3 0».

Il faut encore ajouter que le piroplasme du nord-ouest est com- parativement plus riche en chromatine que celui du sud.

4. Le pourcentage des érythrocytes infectés. Ce point nest par éclairé non plus par des recherches spéciales. Il n’y a que des indications générales (par ex., concernant les deux espèces argen- tiniennes), parfois des chiffres paraissent, mais il n’y a point de re- cherches systématiques. Krogius et van Hellens disent que le piroplasme finlandais infecte de 7—15 % d’érythrocytes. Mais il n'y a rien en fait de piroplasmes du sud.

Presque dans chaque cas de piroplasmose du nord-ouest que nous examinämes, nous avons calculé le pourcentage des erythrocytes in- fectés. Le pourcentage n’a jamais été moins de 2,7 0%, parfois il montait à des chiffres très élevés; nous avions un cas d'infection de 32 %o. Ce qui concerne les piroplasmes du sud, nous n'avons pu re- cevoir le pourcentage des érythrocytes infectés que sur les frottis du

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sang qui nous sont restés du Turkestan et du Caucase. Ici le pour- oentage ne surpassait Jamais 10 %. (Chez Nuttall et Hadwen le pourcentage de l'infection expérimentale des erythrocytes par Piro. plasma bigeminum du sud de l'Afrique monta jusqu à 16 %, minimum 0,06 %, quoiqu'il y avait un cas de 58,2 %; Ed. Sergent et collab. donnent le pourcentage de l'infection par Piroplasma bige- minum d'Alger, les chiffres sont: de 0,1 à 4,5 %.) Cette question réclame encore beaucoup de recherches.

Tout cela concerne les érythrocytes du sang circulant. Jusqua présent nous ne nous sommes pas occupé de la comptabilité des éry- throcytes infectés sur les frottis des organes.

5. La période d’incubation. Les observations épidémio- logiques montrent que la période d'incubation de la maladie naturelle : par Piroplasma bigeminum dure 6—8 jours (Argentine) ou 7—11 jours (Afrique du sud). Th. Smith parle de 10 jours pendant la Texas-fever. Malheureusement, nous ne savons rien de cette période de la piroplasmose du Turkestan et du Caucase. Les auteurs russes nous ne donnent aucunes indications, quoique le dernier temps Belawine dit de 6—8 jours.

Nous avons des chiffres exacts sur la piroplasmose du nord-ouest et de l’Europe mitoyenne. D'après Kossel et Weber cette période en Finlande dure 14 jours. La période allemande de même 14 jours (Kossel, Weber, Schütz et Miessner). En 1923 nous obser- vämes (dans la domaine Kostroni, district de Louga, gouvernement de Pétrograde) les bovidés qui furent mené au paturage le 25. V.; les premiers cas de maladie se prononcèrent le 6. VI., c'est-à-dire ‘dans 12 jours. Nos élèves Iwantschikoffet Oulassewitsch (district de Lodeinoe Pole, gouvernement de Petrograde) ont constaté la perisde de 12 jours. Nous trouvons que le chiffre 12 est plus juste que celui de 14 (des auteurs allemands), comme chiffre base sur les obser- vations plus exacts.

L’infection experimentale avec l’aide de tiques infectees des especes conformes donne les resultats suivants:

1) A l'aide de tique Boophilus decoloratus, amassée des chevaux, Theiler vit une periode d’incubation de 12—23 jours; Dschounkowsky et Luhs qui infectaient à l’aide de nymphes de Boophilus annulatus calcaratus, eurent la periode de 9—13 jours.

2) L'infection de la piroplasmose du nord-ouest et de celui de l'Europe mitoyenne à l’aide de larves et de nymphes de tique Ixodes ricinus infectées donna les résultats suivants: Kossel, Weber, Schütz et Miessner (en Allemagne) 8 jours, Beinaro- witsch (Pétrograde) 8—9 jours.

Laissant de coté l'infection expérimentale à l'aide de tiques (vu qu'elle dépend d’un tas de contigences), nous voyons qu’il existe une différence dans la période d’incubation pendant l'infection naturelle de Piroplasma bigeminum et de piroplasmose du nord-ouest: dans le premier cas la période est moins longue que ‘dans le second.

6. Les lésions pathologo-anatomiques.

Les, lésions pathologo-anatomiques sont en somme pareiles dans les deux piroplasmoses russes. Néanmoins, il existe une certaine différence dans quelques détails.

Yakimoff et Wassilewsky, Contribut. à l'étude des piroplasm. bov. ete. 201

Pendant l’hémoglobinurie au Piroplasma bigeminum aucun auteur ne nota la rupture de la rate. De même cela ne fut point remarquée par les auteurs ni du Caucase ni du Turkestan. En Europe cette lesion fut notée. De Jongh fut le premier qui remarqua cela en Hollande en 1903 (ceci lui donna l’idée de nommer le piroplasme hollandais Piroplasma rupturae lienalis). En 1911 Knuth et Meissner noterent la même chose en Allemagne. Krogius et van Hellens de même que Kossel et Weber ne disent rien de cette lésion pendant la piroplasmose finlandaise. Pendant l’hémo- globinurie allemande Schütz et Miessner disent qu'ils remarquèrent l’extravasation de la rate. Toutefois, en 1923 et 1924, trois de nos élèves Iwantschikoff, Mlle Rastegaieff et Oulassewitsch (district Lodeïnoé Polé, gouvernement de Pétrograde) constatèrent cette lésion dans trois cas. Le méd.-vét. Toumanoff (de Pétrosavodsk, gou- vernement d'Olonez) nous communiqua de quatre cas qu'il observa.

Il existe encore une différence entre la piroplasmose du nord- ouest et celle du sud: c’est la lésion sur la muquense de la caillette. Katschinsky trouve presque toujours une hyperémie plus ou moins intense, tantôt répandue, tantôt bornée. Dans la plupart des cas elle est dans la partie de sortie, parfois les extravasates pointillées ou enrayées, dans le rectum elles sont pointillées. Le méd.-vét. Lega- Dolgopoloff trouve que la muqueuse de la caillette est normale, mais hyperemiee dans la plupart des cas ou bien elle enflammée: elle est de couleur rouge-noirâtre, blétrie, se détache facilement et contient une grande quantité de plaies de différentes formes placées par ci par là. Le méd.-vét. Kisseleff dit que la surface de la muqueuse de la caillete couverte d'une épaisse couche de secret est hyperémiée; à la partie plus près de la sortie se marquent des petéchies pointillées ou rayées, point de plaies et d’érosies. Le duodenum et tout l'intestin représente le tableau d’enterite hémorrhagique, l'intestin grêle est plus atteint que celui gros. (L'auteur se rappelle d’un fait très interessant: en 1896 à l’abattoir, de St. Pétersbourg un troupeau des bovides arrivé de la région de Kouban Caucase septentrional malade de piroplasmose fut prit pour malade par la peste bovine; ce n’est qu'après un examen plus attentif que l'erreur fut remarquée.)

Ayant tout cela en vue pendant nos autopsies nous fimes attention à la muqueuse de la caillette et de l'intestin. C’est ne que dans un cas que nous trouvâmes les lésions ci-devant décrites. Krogius "et van Hellens ne disent rien de cette lésion. Kossel et Weber ne disent rien du tout de l’appareil digestif, ce qui indique qu’ils n’y trouvèrent rien d’anormal. ‘Pendant ‘cette piroplasmose allemande Kossel, Weber, Schütz et Miessner ne remarquèrent rien dans la caillette, dans l'intestin des rayes rouges.

1. Les espèces de tiques-transmetteurs. Th. Smith et Kilborne démontrèrent que la tiques d'espèce Boophilus an- nulatus sert de transporteur de la Texas-fever. En Argentine c’est Boophilus microplus qui joue ce rôle. Dans l'Afrique du sud Redwater ammène Boophilus australis.

Dans le nord de l’Europe l’on trouve différentes espèces de piroplasmes, il n’y a point de l'espèce Boophilus, existent ces autres transporteurs de l’hemoglobinurie. Kossel et Weber constantèrent que sans aucun doute c'est Ixodes ricinus, tique unique du pays -—

202 Centralbl. f. Bakt. ete. 1. Abt. Originale Bd. 97. Heft 2/3.

qui sert de transporteurs de la piroplasmose finlandaise. La même espèce fut notée par ces auteurs et par Schütz et Miessner pour la piroplasmose allemande. Ceci fut affirmé par des expériences (des ces auteurs et de Beinarowitsch) d'infection par larves et nymphes infectés de cette espèce, qui donnèrent des résultats positifs. Au nord de Russie l’on ne trouve aucune autre tique, conséquemment il ne peut exister d'autre transporteur de piroplasmose. La piroplasmose du sud de la Russie est transmise, d'après Dschounkowsky et Luhs. de même que Piroplasma bigeminum des autres pays par des tiques d'espèce Boophilus (Boophilus annulatus calcaratus). L’infection par les nymphes infectées leurs donna les résultats positifs. Dans le reste de l'Europe, excepté les piroplasmes du type nord-russe- finlandais, il existe encore Piroplasma bigeminum, qui s’accli- matisa en Angleterre et fut trouvé ensuite en Allemagne. Dans ces deux pays il ny a point de Boophilus, ce piroplasme est trans- mis par l'espèce Haemaphysalis. Il est possible qu'en Angletterre Piroplasma divergens est transmis par Ixodes ricinus, car Nuttall en trouva un parasite dans le sang de l'animal infecté à l'aide de cette tique.

De cette manière il existe encore entre la piroplasmose du nord- ouest et celle du sud russe une différence de transporteurs. Ainsi il faut faire la conclusion qu'il n’y a pas à craindre que la piroplasmose du sud de la Russie soit transportée au nord vu que le transporteur y manque. (De même il n’y a point au nord-ouest de piroplasmose des chevaux, car le nord n’a point de Dermacentor reticulatus.)

Pour sommer tout ce qui a été dit sur la difference entre la pir»- plasmose du nord-ouest et celle du sud russe nous donnons le tableau suivant:

Tableau IV.

_ Piroplasme du nord- ouest zu Piroplasme du sud russe

Dimensions 1 0,98—1,96 u X 0,33—0,75 x “Jens 5,88 u X 0,98—1,7 u à la périphérie 55—93,5 °% à la périphérie 0—0,9 °%

au milieu 6—45 ‘/, àu milieu 98,9—100 °%

L’angle de la divergence | > 90° = 65—92 %/,; 90° 4,2 | > 90° = 3,2—8,6 °g; 90° =11 —17 h; < 90° = 1—19 °) 533%; < 90° = 433 - 86 7A

Localisations dans l'éry- throcyte

moins riche

En Russie jusqu’à 10°,,. En | Alger 0,1—4,5 °/,

Quantité de chromatine | riche

°/ des érythrocytes infectés | jusqu’à 32 °/,

Période d’incubation 12 jours En Russie? En Argentine Ü —8 j. En Afrique du sud 7—11 j. Rupture de la rate observée _pas observée Hémorrhagies dans la cail- | pas observées observées lette °% de mortalité jusqu’à 40 °/, chez le tail | 7 10 80, jusqu’à 100 °% indigène. jusa 72. h chez celui importé Les tiques-transporteurs | Ixodes ricinus | Boophilus annulatus calca-

l , Tatug

Yakimoff ct Wassilewsky, Contribut. à l’étude des piroplasm. bov. etc. 203

En sommant le tout, nous venons à conclusion que la piroplasmose du nord-ouest et celle du sud russe se diffèrent éminemment lun de l’autre et forment deux différents espèces. Leurs particularités morphologiques, de même que celles cliniques et pathologo-anatomiques, la différence de transporteurs, tout cela nous indique leur individualite. Pour faire la conclusion définitive il est indispensable néanmoins d'une experience determinative d’immunite croisée, mais nous ne doutons point de résultat.

Nous n'avons point parlé de la piroplasmose de gouvernements centrals de la Russie, de la frontière russo-polonaise et de celles d'Ukraine. Par malheur nous manquons de matériel sur cette question. Sur les frottis envoyés derrièrement du méd.-vét, Iwanoff (de Kharkov), nous avons trouve dans deux cas le piroplasme du nord- ouest, dans deux autres le piroplasme du sud russe.

Pour savoir à quoi nous entenir, comment traiter les deux piro- plasmes russes, pour décider à quelles espèces ils appartiennent, nous verrons d’abord tous les PIEOP Die en génćı ral de l’Europe entière.

Olwig et Manteufel, 1912, pensent qu'il serait juste de prendre Piroplasma bigeminum ct P. bovis pour la même espèce, comme les considère Franca. Starcovici, 1893, les classe comme diffé- rentes espèces, Lühe, 1896, de même. Le dernier auteur se base sur les différences de hôtes intervertebres, la morphologie des parasites et de limmunite. R. Koch trouve Ic piroplasme finlandais plus grossier que celui de l’est de l'Afrique (mais il est possible que Koch avait à faire dans le dernier cas non au piroplasme, mais à Theileria). Kossel et Weber indiquent aussi que Piroplasma bigeminum trouvé par Th. Smith et Kilborne aux Etats Unis et parLignières en Argentine est de beaucoup plus grand que le parasite qu'on trouve en Finlande et en Allemagne. Olwig et Manteufel, se basant sur le données de frottis nombreux, viennent à la conclusion, qu'il existe une difference évidente entre Piroplasma bigeminum et Pir. bovis. Indiquons encore une difference biologique fondée d'abord par Ligni- eres qui consiste en ce que les animaux immunisés, par ex., en France ou en Angleterre, en arrivant au sud de l'Afrique ou de F Amérique, tombent malades du piroplasmose indigène. Olwig et Manteufel prétendent que les recherches subséquentes et l'étude des piroplasmoses eloigneront encore plus les piroplasmes les uns des autres. Par ex., la piroplasmose du nord américain differe de celle du sud africain. Ceci est prouvé pleinement par Ed. Sergent et collab. en 1924 de virus algérien et de celui argentinien.

Au moment précis il existe © espèces:

Sous-genre Piroplasme (de la classification du Poit): Piro- plasma bigeminum Smith et Kilborne;

Sous-genre Babesiella (de la classification de Mesnil): 1) Ba- besiella bovis Babes, 2) B. argentina Lignières, 3) B. diver- gens Mac Fadeyan et Stockman, 4) B. berbera Ed. Sergent et collab.

Et d'un sous-genre inconnu encore -- Piroplasma australe Miranda et Horta.

A quelles especes appartiennent donc les piroplasmes russes?

Nous, basant sur tout ce que nous venons de dire sur nos piro- plasmes, nous pensons, que celui du nord-ouest se rapproche de Piro- plasma (= Babesiella) bovis Babes, celui du sud russe de Piro- plasma bigeminum Smith et Kilborne.

204 = Centralbl. f. Bakt. ete. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

Ceci ne décide néanmoins pas la question, est-ce que notre piro- plasme du nord-ouest est identique à celui de Roumanie, au français. à l'italien d'un coté, de l’autre le piroplasme du sud russe au celui du nord amèricain, celui du sud americain, celui du nord et du sul africain ou bien à celui de l’Asie (japonais ou indo-chinois). Ce nest que l’immunite croisée qui décidera cette question.

DI.

Rapport du piroplasme du nord-ouest russe à d’autres du même itype Babesiella.

Ed. Sergent, Donatien, Parrot, Lestoquard, Plan- Tureux et Mlle Rougebief, 1924, en derivant le nouveau piroplasme d’Alger du sous-genre Babesiella Mesnil, qu'ils nom merent Babesiella berbera, le comparent à d'autres, mêmes, orga- nismes de ce sous-genre: Babesiella argentina, B. bovis et B. divergens.

Ils disent que Babesiella berbera se distingue de B. bovi: europeenne par les traits suivants:

1) par sa rareté dans le sang périphérique pendant la maladie.

2) par l'absence de formes marginales,

3) linefficacite de trypanobleu sur la maladie,

De Babesiella argentina par les traits suivants:

1) par la benignite de la maladie experimentale,

2) par l’anemie qui ordinairement accompagne la forme grave.

Tableau V. B boisda O | | Bor ern a ; B. divergens | B. bergera | B. argentina A allemand l " i Dimensions‘ 0,%— 1 64x 0,33) 1-2, m 1X 0,6 „08-3, 5u X0, apetits | qu: 2 —0,37 u —18 p L’angle de divergence > 90° = 65—920/ large large large

La localisation à l’ery- marginale à 55— ‚marginale inon-marginale marginale throcyte | 93%

v;, des érythrocytes in-

jusqu’à 32 h beaucoup Fe 0,1 à 4,6 Yolpe

fectés L’h@moglobinurie + + none ‘rarement L'anémie jusqu’à 1900000 | + E Bun . pas moins |: 1800000 | "4.000000 Période d’ineubation 12 jours 7 | ? 8-—12 jours Rupture de la rate + ? | ? | ? °/, de mortalité jusqu'à 35 ‘;, des, ? H jusqu’ à 95 °, bovidts a | nes; 75 °/, des: b. importés (Gravité de la maladie 0 | 0 + expérimentale | L'action detrypanobleu + | + | 0 | + Les tiques - transpor- Ixodes ricinus 'Ixod. ricinus? ? ' Boophilus

teurs

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A err He Kr Er u STE mme on GE DE Dem ge SA ACER an

Yakimoff et Wassilewsky, Contribut. à l’étude des piroplasm. bov. etc. 205

3) l’inefficacité de trypanobleu,

4) par l'absence du pouvoir prémunissant contre le Piroplasma bigeminum. |

D est intéressant d’opposer les données de notre piroplasme du nord-ouest et d’autres de même sous-genre Babesiella.

Voici le tableau suivant (p. 204).

Cette opposition nous montre que le piroplasme du nord-ouest est identique seulement à Babesiella divergens, se distingne de B. berbera et B. argentina, ce qui coïncide avec la conclusion d’Ed. Sergent et ses collaborateurs.

IV.

Rapport de la piroplasmose du nord-ouest et celle du sud russe aux piroplasmoses européennes.

La piroplasmose, en Russie, forme une large zone du nord-ouest au sud et sud-ouest. Libre de cette maladie ne reste que la région de l’est bornee d’un bout par le gouvernement d’Archangel et partiellement des gouvernements de Vologda, de Perm, de Viatka, de Nijni-Novgorode, de Kazan. de Simbirsk, de Samara, de Saratov, d’Astrakhan, partielle- ment de la region de Don et de gouvernement de Ekaterinoslav.

Dans le gouvernement de Stavropol et de la au sud on trouve Piroplasma bigeminum. Dans la contrée du nord-ouest il y a Babesiella bovis. Nous avons dit deja, que nous ne pouvons dire, quel piroplasme l’on trouve dans la contrée du nord-ouest jusqu’à la frontière de la Roumanie et de la Pologne, car il n'existe point de données dans la littérature, de même nous ne possédons point d'observations personnelles. Mais à priori nous pouvons supposer que cette large zone contient Babesiella bovis. Il se peut qu'il y ait Piroplasma bigeminum, apporté du Caucase. Ainsi le nord-ouest de la Russie et de la Roumanie sont le commencement et la fin du siège de Babesiella bovis. Le Caucase, commençant du gouverne- ment de Stavropole, est lié au Turkestan; ici règne Piroplasma bigeminu m.

Il est intéressant de décider, si nos deux piroplasmoses russes sont identiques à celles de différents pays, ou sont-ils des maladies différentes? Voyons d’abord la piroplasmose du nord-ouest. Il n’y a rien à prouver que la maladie de Finlande et celle de gouvernements de Pétrograde, d’Olonez, de Novgorode et de Pskov est la même. Sans doute que en Norvège (Rodsyge) et en Suède est la même maladie. Le pays le plus proche qui souffre de piroplasmose est l'Allemagne. Comparons d’abord les agents étiologiques de la maladie. Kossel, Weber, Schütz et Miessner disent que les dimensions du piroplasme qu'ils observèrent était de 1/, à 1/, diamètre d’ery- throcyte. Ce dernier égal 5—6 u, conséquemment 1,6 u jusqu'à 3 u. Ces dimensions surpasse un peu le nôtre. Il ne faut pas oublier que les auteurs allemands ne donnent point le mesurage exact et que l'erreur est toujours possible lorsqu'on mesure à vue d'oeil. Les auteurs eux-mêmes considèrent le piroplasme observé identique à celui de Finlande. Knuth en 1911, en parlant de l'hémoglobinurie allemande, dit: ,,nous constatons que l'agent étiologique de la dernière maladie contagieuse est moins grand que le parasite de la fièvre de Texas“, En comparant la description de l'hémoglobinurie allemande

206 Centralbl f. Bakt. ete. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

um

et finlandaise (respe., du nord-ouest de la Russie) il ne restera plus de doute sur l’identite de deux maladies. La période d’incubation en Allemagne est la même que celle de notre maladie (12—14 jours), la durée de la maladie est la même (3—5 jours), l'urine rouge con- tinuelle, parfois la rupture de la rate, même la tique-transporteur est identique (Ixodes ricinus). Ainsi il est clair que les hemoglobinuries allemande, finlandaise et la notre (du nord-ouest) sont identiques.

Excpté cette espèce de piroplasme, Allemagne a encore une espere proche au type de Piroplasma bigeminum, ce qui est possible de constater d’après les microphotographies et la description de Knuth. L'auteur suppose que cette piroplasmose est transmise par Haema- physalis cinnaberina et non Ixodes ricinus. Il est possible que cette piroplasmose a été importée en Allemagne par Hambourg par les bovidés d Amérique et du sud de l'Afrique.

D’après Starcovici, 1893, le parasite de l’hémoglobinurie de Roumanie est des dimensions de presque 3 u, de largeur de 12 (1,2?) a. Ces dimensions surpasse d’un peu celle de notre piroplasme. Cet auteur dit que le pourcentage des ervthrocytes infectés surpasse 90 0%. tandis que chez nous ce nombre ne surpasse 32 00. La période d'in- cubation est presque la ‘même (14 jours). Les symptômes de la maladie tout les mêmes que ceux de la piroplasmose du nord-ouest et celle d'Allemagne. Il existe quelques différences. Ainsi il y a, pendant la maladie de Roumanie, un œdème gelatineux du tissu souscoutane avec les hemorrhagies, la muqueuse est toujours gonflée, couverte d'une masse jaunâtre; la muqueuse de colon est toujours couverte des pétéchies. Néanmoins tout le reste constate une parenté proche a l’hémoglobinurie de Roumanie et de celle du nord-ouest, peut être même l'identité des deux maladies. En comparant les dessins des piro- plasmes de Russie et ceux des parasites de Roumanie (Starcovici). nous voyons l'identité complète de la dernière espèce à notre du nord- ouest: mêmes dimensions, méme localisation au bord de l’erythrocvte. même divergence des angles. Leur identité ou bien leur parenté proche ne laisse point de doute. Starcovici, en comparant la maladie de Roumanie à la fièvre de Texas, trouve ces maladies complètement différentes. L’Hongrie et l'Autriche, d'après Hutvra, Ratz ct Reichel, donnent les memes résultats.

Au moment actuel il est difficile de dire quoi que cela ne soit de l'hémoglobinurie, „male della ferula“, observé par Sanfelici et Loi en Sardaigne, 1805, vu que ces auteurs ne donnent point les chiffres des dimensions des parasites. De la forme des parasites il ne disent que dans un erythrocyte deux parasites en forme de 8 furent re- marqués. Tebaldo, 1897, apperceva des parasites ronds (d'après Bonome .amochosporidium‘) ressemblant au jeune stade du plas- modièm du paludisme. Celli et Santori, 1897, observerent „la malaria des bovides“ dans les environs de Rome, ils y trouvent une res- semblanca à la fièvre de Texas. Il est possible que c’est précisé- ment le cas vu que pendant cette maladie l'hémoglobinurie fut rare- ment observée et que la période d'incubation égale 9 Jours. Il est possible que c’est le type bigeminum.

Ce qui concerne de la maladie francaise („mal de brou‘), notev pour la premiere fois par Mathis, 1896, ensuite par Lignières et Moussu, 1911, de méme que le „Rost“ du Portugal, il est possible, que ces maladies sont du type européen. Lignières dit que les

Yakimoff et Wassilewsky. Contribut. à l’etude des piroplasm. bov. ete. 207

animaux importes en Argentine de la France, immunises contre la piroplasmose francaise, tombent malades de la Tristezza argentinienne. Les parasites de Portugal sont des dimensions de 1—2 u, c'est-à-dire du type bovis. La maladie française est transmise par l’Ixodes ricinus. Il est probable que la piroplasmose belgique est proche a celle de nord-ouest. En Angleterre, il y a deux espèces de piro- plasmose. L’un ,,Redwater‘“ avec le grand piroplasme ressemblant au parasite de la fievre de Texas et au Piroplasma bigeminum d'Afrique. Il est interessant de noter qu'on y observe des formes plus grandes que celles de la fièvre du Texas, de dimension jusqu'à 4,7 u; la plupart des parasites sont de 3,5—5,2 u X 1,6—1,7 p, les petits formes rondes sont seulement de 1,5 u. L'autre espèce de piro- plasmose se rencontre rarement. Le parasite de cette forme diffère du précédent en forme et en dimensions. La forme est de même ronde, allongée, anguleuse ou en forme de poire, ressemble à un certain point à Piroplasma bigeminum, mais celle-ci est plus fine. La seconde différence consiste en ce que l'angle de divergence est très grand. La localisation dans la plupart des cas à la peripherie de l’ery- throcyte ou bien il a l’air de l’embrasser. Oette forme à la chromatine bien developpée ou bien elle est à peine perceptible. Les dimensions des grandes formes de cette espèce sont parfois jusqu'à 3 u de long, les formes doubles ne sont jamais plus de 2 u, le plus souvent ils nont que 1 x X 0,6 u. Les formes rondes et irregulières sont à 0,9 u. Mac Fadeyan et Stockmann, qui ont trouvé cette espèce, la nommèrent grâce à la grande divergence de l'angle Piroplasma livergens. Apres les 24 passages successifs à travers les animaux, cette espèce ne changea point sa morphologie et ne prit pas la tendance de transformer en Piroplasma bigeminum. Ratz croit que race à la morphologie de même qu'aux facultés biologiques ce parasite se distingue de Piroplasma bigeminum et de Piroplasma bo- vis également. Néanmoins Vrijburg ne croit pas à l'indépendance de cette espèce. Après avoir comparé les dessins des auteurs anglais et les nôtres, il ne reste plus de doute que ces deux piroplasmes Ba- besiella bovis et Piroplasma divergens n’en forment qu’un seul. Piroplasma divergens est nomen nudum et ne forme que le synonyme de Babesiella bovis.

Déjà en 1904 en Hollande de Jongh distingait trois espèces de piroplasmes: l’une grande, l’autre petite, la troisième espèce spéciale, observée dans les cas de rupture de la rate et nommée par consequent Piroplasma rupturae lienalis. Vrijburg trouva encore une variété de piroplasmes. La forme est irreglièrement ronde ou droite, point de formes de poire. Les formes droites ont un bout pointu, d’autre arrondi, sont de longueur de 2,52, plus souvent de 1,5—2 u; celles rondes (amæboides) ont le diamètre de 1—1,5 u. Dans les erythrocytes les grandes formes solitaires se font remarquées plus souvent que les formes doubles. La plupart de parasites ont une „assez grande masse de chromatine, qui, chez les formes droites, se localise dans les bouts obtus; les grains de chromatine sont parsemes tout le long par ci, par la. Le protoplasme est reduit; chez les formes amæboides il ne sur- passe que de peu la quantité de chromatine. D'après Vrijburg ce Piroplasme a beaucoup de ressemblance à Piroplasma bovis.

Ainsi nous voyons qu'il existe en Europe deux piroplasmes: l’un du type Piroplasma bigeminum -- au sud de la Russie, en

208 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. He' 2/3.

Allcmagne, en Angleterre, peut-être en Italie; l’autre du type Ba- besiella bovis au nord-ouest de la Russie, en Finlande, en Estonie, en Suede, en Norvege, en Roumanie (nous ne pouvons rien dire des autres états des Balkans), en Hongrie, en France, en Angle- terre, au Portugal, en Belgique, en Hollande et en Allemagne. Hutyra et Marck décrivent dans leur manuel les deux piroplasmes séparément Piroplasma bovis, l’agent étiologique de la piroplasmose euro- peenne, et Piroplasma bigeminum, l’agent de la fievre du Texas. Il est très probable qu'il n’existait en Europe tout d’abord qu’une seule Babesiella bovis; le Piroplasma bigeminum fut apporte dans ce coin d’univers des régions sous-tropiques.

Nous ne voulons point constater que les parasites du type bovis de différents endroits d'Europe sont identiques non seulement morpho: logiquement, mais biologiquement même. Cela ne peut être décide que par les expériences d’immunité croisée. Nous ne parlons point de l’espèce bovis, seulement du type bovis.

En tout cas la question de la différence de piroplasmes de tout lunivers peut être décidé: il existe des piroplasmes du type bige- minum (du sous-genre Piroplasma) et du type bovis (du sous- genre Babesiella). Theiler croit identiques les piroplasmes du type bigeminum du sud de l'Afrique, de l’île de Madagascar, du

Description des figures dans le texte.

Fig. 1—-10. Bahesiella bovis du nord-ouest de la Russie. Fig. I-XV. Piroplasma bigeminum du sud de la Russie.

VOODOOO

Fig. 1. Piroplasma bigeminum Smith et Kilborne. D’après Nuttall.

JOES

Babesiella bovis Babes. D’après Starcovici.

Fig. 3. Piroplasma divergens Mac Fadeyan et Stockman.

Yakimoff et Wassileweky, Contribut. à l'étude des piroplasm. bovi. ete. 209

TN ee EF ei

Fig. 1.

XIV XV Fig. 5. Erste Abt. Orig. Bd. 97. Heft 23. l4

210 Centralbl. f. Bakt. ete. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2:3.

Texas, de l’Australie et de l'Inde. Ed. Sergent et collab., 1924, pron- vèrent éxpérimentalement que Piroplasma bigeminum d’Argen- tine et celui d'Alger sont différents: une espèce n’immune point contre l’autre. Graffunder (Landsberg) nota que les bovidés qui avaient déja été malades dans un endroit très infecté, néanmoins retombent malade: après être mené dans un autre endroit éloigné de quelques kilomètres. Il est possible qu’une différence biologique sera de même trouvée entre le piroplasme du nord-ouest européen (de même que celui du nord-ouest russe) et d’autres (par ex., celui de Roumanie).

Nachdruck verboten.

Untersuchungen über die Pathogenität des Bact. bipo- lare avisepticum für die Lachmöwe (Larus ridibundus).

[Aus den Staatlichen Forschungsanstalten Insel Riems bei Greifswald (Direktor: Prof. Dr. Waldmann).|

Von Kurt Wagener.

Dic Insel Riems sowie die benachbarten, den Forschungsanstalten gehörigen kleinen Inselchen (Großer Werder, Reffbrinks) sind alljähr- lich von Anfang April bis Ende Juli der Aufenthaltsort und Brutplatz zahlreicher Wasservögel. Unter ihnen sind die Möwen, insbesondere di Lachmöwe (Larus ridibundus), bei weitem am zahlreichsten ver- treten. Von der genannten Art wurden in diesem Jahre allein auf einer Fläche von etwa 100 a an 2500 Gelege gezählt.

Nachdem schon in früheren Jahren wiederholt erfolglose Ueber- tragungsversuche mit dem Virus der Maul- und Klauenseuche an der Lachmöwe angestellt wurden, interessierte es nunmehr, die Empfänglich- keit der liachmöwe für die gefürchtetste bakterielle Geflügelseuche. die Geflügelcholera, zu prüfen. |

In der mir zugänglichen Literatur fanden sich keine Angaben oder Anhaltspunkte über die Empfänglichkeit der Lachmöwe für Ge- fügelcholera. Alles Hausgeflügel, Hühner aller Rassen, Gänse, Enten. Tauben, Truthühner, Pfauen, Schwäne. Fasanen sind spontan empfäng- lich für die Seuche !Kıtt (6), Fröhner-Zwick (2), Hutyra und Marek (4), Willach (11); auch Luxusvögel, Papageien und Kanarienvögel, sind empfänglich IFröhner-Zwick (2)). Von den frei lebenden Vögeln sind empfänglich befunden worden Zwergadler. Kutten- geier, Schmutzgeier, Ilühnerhabicht, Stockente !IKarlinski (5), Uhn. Kitt (6) Karlinski (5); Nperlinge und andere Finken sowie auch Raben sind ebenfalls anfällig für die Seuche und werden als ihre Ver- schlepper von Greflügelhöfen bezeichnet Bongert (1), Kitt (". "röhner-Zwick (2). Es ist jedoch bemerkenswert, dab Kar- linski (59 die Felsentaube als vollständig unempfänglich befunden hat.

Für die vorliegenden Untersuchungen wurde eine Anzahl junger l.achmöwen um die Zeit eingefangen, als sie schon kurze Strecken fliegen konnten, also nahezu vollständie entwickelt waren. Die Tiere

ef Fr 7

Wagener, Pathogenität des Bact. bipolare avisepticum usw.

wurden vor den Versuchen in einem genügend großen Raum,

211

wo sie

sich auch fliegend bewegen konnten und ihnen hinreichend Wasser zur Verfügung stand, gehalten. Sie wurden mit frischem Fleisch und Ab- fällen gefüttert und gewöhnten sich auffallend schnell an die Ge-

fangenschaft.

Todesfälle sind nicht aufgetreten.

Tabelle I.

Kutan-subkutane Infektion.

L Sn a sn mn m TE

Möwe 1 05 ccm Bouill.- + ' kultur Stamm! nach | „Hannover* ' 14 Std. | sbk.amFlügel.; | | 4 Möwe 2 0,5 ccm Bouill.- t ! kultur Stamm| nach ' „Hannover“ 14 Std ' sbk.amFlügel. Möwe 7 10,25 cem Bouill.- t kultur Stamm| nach | „Perleberg“ 30 Std |! sbk. amFlügel.! | Möwe 8 10,25 cem Bouill.-; + kultur Stamm: nach „Perleberg“ 28 Std sbk. amFlügel. Möwe 12 |2 Tropf. Ba +

kultur Stamm:

„Perleberg“ | | auf die skarifi-' | zierte Haut _ unter dem lin- ! ken Flügel.

5 |Reinfektion + | {7 Tage n. kor- , neal- konjunk.’ | tivaler Appli-

kation] mit 10 Tropf. Bouill.- , kultur Stamm.

„Hannover“

sbk. am Flügel.

Reinfektion f [7 Tage n. kor-, | neal-konjunk- 2 | tivaler Appli- _ kation] mit 10 ~ Tropf. Bouill.- ' kultur Stamm „Hannover“ sbk. am Flügel.

Möwe

| geschwollen aus Herzblut und brüchig. u. Milz: zahl- Darm: leicht: reich bipolare ı katarrhalische Bakterien. | Darmentzündg. 'H erz: Petechien unter dem | aus Herzblut Epikard. u. Milz: zahl- reich bipolare | Bakterien. ‚Herz: Subepi- In Ausstrichen ' kardiale Blu- | aus Herzblut tungen. u. Milz: sehr zahlreich bi- polare Bakt. Herz: Subepi-|In Ausstrichen : kardiale Blu- ' aus Herzblut: ` tungen, i zahlreich bi- polare Bak- terien. Herz: Subepi-In Ausstrichen kardiale Blu- | aus Herzblut! tungen u. Milz: zahl- Leber: reich bipolare geschwollen Bakterien. | Darm: leichter . Darmkartarrb. | H erz: zahl- In Ausstrichen , reiche Pete- aus Herzblut . chien unter ' u. Milz: zahl- ' dem Epikard. ' reich bipolare Leber: etwas Bakterien. geschwollen. ‚Herz: ln Ausstrichen . Subepikardiale aus Herzblut . » Blutungen. u. Milz: zahl-. reich bipolare ; Bakterien. |

| Bakteriologische Untersuchung | mikroskopisch | ku kulturell

Leber: a Ausstrichen |In Herzblut und

Milz: Bact. bipolare avi- septicum.

In Ausstrichen |In Herzblut und Milz: Bact.

bipolare avi- septicum.

In Herzblut und

Bact. avi-

Milz: bipolare septicum.

In Herzblut und

Milz: Bact. bipolare avi- septicum.

In Herzblut und

Milz: Bact. : bipolare avi- septicum.

Aus Herzblut u.

Milz: Bact. bipolare avi- septicum.

Aus Herzblut u.

Milz: Bact. bipolare avi- septicum.

11"

212 2 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2.3.

Zur Infektion dienten die Stämme „Hannover“ und „Perleberg“ des Bact. bipolare avisepticum, deren Pathogenität zuvor an Kaninchen überprüft wurde. Sie töteten Kaninchen nach subkutaner Infektion nach 12—24 Std. Die Versuchstiere wiesen bei der Sektion die als charakteristisch angesehene hämorrhagische Tracheitis in mehr oder weniger ausgeprägtem Grade auf. In Herzblut, Leber und Milz wurden mikroskopisch und kulturell Geflügelcholerabakterien nach- gewiesen.

Die Infektion der Lachmöwe wurde bei kutan-subkutaner, oraler. korneal-konjunktivaler und intratrachealer Applikation von Bouillon- Reinkulturen vorgenommen. (Siehe Tab. I, S. 211.)

Tabelle II. RL RE

Versich : | cr | . Bakteriologische Untersuchung Infekt Wirk Sektio mern tiere ne | j ung a mikroskopisch” kulturell

Möwe 3 gefüttert mit t pie leichte. In Ausstrichen 'In Herzblut, Lebern von nach i katarrhalische aus Herzblut Leber u. Milz: Müwe 1 und 2 3Tagen., Darmentzünd. u. Milz: zahl-| Bact bipolare | reich bipolare avisepticum.

Bakterien. Möwe 4 gefüttert ` mit f Herz:Petechien In Ausstrichen In Herzblut und Lebern von nach . unter dem aus Herzblut Milz: Bact Möwe 1 und 2 6 Tagen. Epikard. u. Milz: zahl-: bipolare ari- Leber: reich bipolarei septicum. geschwollen Bakterien. | und brüchig. Milz: ' geschwollen.

Tabelle IlI. Korneal-konjunktivale Infektion.

Versuche: | ; ou | | Bakteriologische Untersuchung . Infektion Wirku Sektion ea he ee GE tiere | | ne | mikroskopisch | kultureell

Möwe 5 à Tropt, Bouill. . bleibt am | -- kultur Stamm Leben.

„Hannover“ auf dieKornea.

Möwe 6 3 Tropf. Bouill - bleibt am kultur Stamm; Leben. „Hannover“ | auf dieKornea. |

Möwe 9 6 Tropf. Bouill.- bleibt am ar = | = kultur Stamm Leben.

„Perleberg“ auf die Kornea.

Möwe 10 6 Tropf. Bouill.- bleibt am = kultur Stamm Leben. „Perleberg“ aufdie Kornea.

Möwe 11 2 Tropf. Bouill.- bleibt am = | - kultur Stamm Leben. | „Perleberg“ auf die skarifi- zierte Kornea.

Wagener, Pathogenität des Bact. bipolare avisepticum usw. 213

Tabelle IV. Intratracheale Infektion.

| Es RR ER Bakteriologische Untersuchung. ee Infektion Wirkung Sektion ne el ons

mikroskopisch : kultureell Möwe 13 |10Tropf. Bouill.-\bleibt am| "E > | = kultur Stamm| Leben. a |

. „Hannover“ |

' intratracheal.

Möwe 14 pe Tropi Bouill.-\bleibt am = = = ' kultur Stamm| Leben. ı | „Hannover“ | | intratracheal. |

Die übereinstimmenden Ergebnisse, die man bei kutan-subkutaner Infektionsweise beim übrigen Geflügel erzielt hat [Kitt (6), Stang (9) u. a] decken sich mit den vorliegenden Ergebnissen bei der Lachmöwe. a hier endete die subkutane Infektion stets tödlich nach 12—24 Std. (Tab. I).

Auch die tödliche Fütterungsinfektion gelang in den beiden aus- geführten Fällen (Tabelle II), nach einer Infektion von 3 bzw. 6 Tagen in Uebereinstimmung mit dem beim übrigen Geflügel ge- wonnenen Erfahrungen [Kitt (6), Karlinski (5), Perroncito (8) u. @.], Hühner dagegen sollen sich nach Kitt (6), Voges (10), Hertel (3) und J. Müller (7) der Fütterungsinfektion gegenüber sehr resistent verhalten. Ob’ die Lachmöwe hierin in konstantem Gegen- satz zu Hühnern steht, soll aus der beschränkten Zahl der so infizierten Lachmöwen nicht ausgeschlossen werden. |

Abweichend nicht nur vom Huhn, sondern auch vom übrigen Ge- flügel verhielt sich dagegen die Lachmöwe bezüglich der korneal- konjunktivalen Infektion. Während diese Applikationsweise beim Ge- flügel als ausreichend zur sicher tödlichen Infektion bezeichnet wird (Kitt (6), Hertel (3)], mißlang sie bei der Lachmöwe sowohl von der verletzten wie unverletzten Kornea aus (Tab. III). Ebenso ab- weichend vom übrigen Geflügel verhielt sich die Lachmöwe bei der intratrachealen Infektion, die nicht gelungen ist (Tab. IV).

Literaturverseichnis.

1) Bongert, Bakteriologische Diagnostik. 6. Aufl. S. 285. Berlin 1922. 2) Fröhner-Zwick, Lehrbuch der speziellen Pathologie und Therapie der Haustiere. Seuchenlehre Teil 1. 8. Aufl. S$. 138. Stuttgart 1919. 3) Hertel, Ueber Geflügelcholera und Hühnerpest. (Arbeit. a. d. Kais, Ges. Amt. Bd. 20. H. 3. 4) Hutyra und Marek, Spezielle Pathologie und Therapie der Haustiere. 5. Aufl. Bd. 1. S. 93. Jena 1920. -- 5) Karlinski, Zur Kenntnis der Geflügel cholera. (Centralbl. f. Bakt. Bd. 7. S. 335.) 6) Kitt, Septikämie der Vögel (Hühnercholera) (Handbuch der pathogenen Mikroorganismen von Kolle-Wasser- mann. Bd. 6. 2. Aufl. S, 37. Jena 1913.) 7) Müller, J, Ueber die Aus scheidung virulenter Hühnercholerabakterien bei durchseuchten Tieren. (Monatsh. f. Tierheilk. Bd. 21. S. 385.) 8) Perroncito, Ueber das epizootische Typhoid der Hühner. (Arch. f. Tierheilk. 1879. S. 22.) 9) Stang, Zur Kenntnis der loxinbildung der Bacterium avicidum. [ Diss. Bern. ] Karlsruhe 1991: zit. nach Kitt (db). 10) Voges, Kritische Studien und experimentelle Untersuchungen über das Bakterium der hämorrhagischen Septikämie. (Ztschr. f. Hyg. Bd. 23. S. 149.) —- 11) Willach, Eine Cholera unter dem Wassergeflügel in Sehwetzingen. (Dtsch. Tierärztl. Woch. 1895. S. 411.)

214 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale, Bd. 97. Heft 2/3.

Nachdruck verboten. Hymenopteren-Paratyphus?

Die Darmbakterien der Nahrungsmittel besuchenden Bienen, Wespen und Hummeln.

[Aus dem Hygienischen Institut der Universität Köln (Direktor: Prof. Dr. Reiner Müller).

Von Dr. Kurt Müller.

L. Bahr in Kopenhagen fand im September 1917 in darmkranken Bienen eine Bakterienart, welche er zur Paratyphusgruppe rechnet und als Erreger dieser Bienenenteritis ansieht. 1919 hat er sie als „Bacillus paratyphi alvei“ beschrieben. Die Krankheit war durch angekaufte Bienen in eine Bienenzucht eingeschleppt worden und hatte 8 von 9 Bienenstöcken befallen. Innerhalb von 8—14 Tagen starb dic Hälfte aller Bienen. Die Krankheit zeigte sich in Schwäche, Lähmung. Durchfällen und dauerte bei den einzelnen Bienen ein bis mehrere Tage.

Das Bakterium wurde im Blut und im Kot der erkrankten, aus- nahmsweise aber auch im Darm gesunder Bienen nachgewiesen. Es ist beweglich, oval, gramnegativ und bildet keine Sporen. Es vergärt Arabinose, Glukose, Xylose, Rhamnose und Mannit unter Bildung von Gas und Säure; nicht aber Laktose, Dulcit und Adonit. Nach brief- licher Mitteilung des Herrn Dr. Bahr war das Bakterium ursprüng- lich nicht imstande, Saccharose zu spalten, hat aber diese Eigenschaft später angenommen. (Mutationen auf Saccharosenährböden sind bereits von Reiner Müller bei einem Schweineseuchestamm, von Burri bei Bacterium imperfectum beobachtet worden.) Milch bleibt un- verändert. Auf Kartoffeln bildet es bräunlich gelbe, feuchte Kolonien. Nach Bahr ist das Bakterium nicht identisch mit denjenigen Bakterien der Paratyphusgruppe, die man beim Menschen und Haustieren als Krankheitserreger nachgewiesen hat. Durch Verfütterung von kleinen Mengen einer Reinkultur in einer 5proz. Zuckerlösung gelang es leicht. die Krankheit auf gesunde Bienen und Wespen zu übertragen. Mäuse. Meerschweinchen und Ratten waren resistent. Bahr bezeichnet diese Erkrankung als ,,Paratyphus der Honigbienen“. Da das Wort Para- typhus von einer typhusartig verlaufenden Krankheit des Menschen herrührt, die Bienen dagegen an akuter Enteritis zugrunde gingen, da ferner die Bahrschen Bienenbakterien von den Paratyphus A- und B-Bakterien durchaus verschieden sind. ist die Krankheitsbezeichnung „Bienen-Paratyphus‘ schlecht. Sie vergrößert den Wirrwarr der Para- typhus-Nomenklatur, welcher dadurch entstanden ist, daB einige Bakte- riologen innerhalb der willkürlich abgegrenzten „Paratyphusgruppe‘ die verschiedenen Arten oder Typen nicht trennen.

Racbiger und Wiegert züchteten 1921 bei einer Bienenerkran- kung, die sich durch Sterben der erwachsenen Tiere auszeichnete, ein dem Bahrschen Bac. paratyphi alvei identisches Stäbchen „bei einem größeren Prozentsatz der untersuchten Bienen“. Die auch von

Müller, Hymenopteren-Paratyphus ? 219

diesen Verfassern „Paratyphus‘‘ genannte Krankheit griff nicht auf vesunde benachbarte Bienenvölker über und verschwand allmählich mit Einsetzen der wärmeren Jahreszeit.

Im Gegensatz zu diesen Befunden an verseuchten Bienen teilen Maaßen und Borchert mit, daß sie bei nicht kranken Stockbienen ım Darm mehrfach der Paratyphusgruppe angehörende Bakterienarten als harmlose Saprophyten züchteten.

Die Mitteilungen über das Vorkommen von pathogenen Bakterien der Paratyphusgruppe bei erkrankten Bienen veranlaßten Alfred Borchert (1923), den Darminhalt von 500 gesunden Flug- und Stockbienen aus 15 gesunden, an verschiedenen Standorten befindlichen Bienenvölkern zu untersuchen. Er fand in 9,2 Proz. der Bienen Bak- terien, die er kulturell, morphologisch und biologisch zu den Bakterien der Paratyphusgruppe rechnet. 14 verschiedene derartige aus den Bienen gezüchtete Stämme, aber auch der Bahrsche Bac. paratyphi alvei erwiesen sich bei Bienen und Mäusen verfüttert als apathogen. Bei den Agglutinationsversuchen wurde nur ein Stamm, von Borchert als P I bezeichnet, von einem Paratyphus B-Serum (Endtiter 1:3000) agglutiniert, und zwar nur in einer Serumverdünnung 1:1000. Da das „Paratyphus B-Serum‘ vom Reichsgesundheitsamt bezogen war, ist nicht angegeben, ob zu seiner Herstellung ein echter Paratyphus B- Stamm (schleimwallbildend), oder einer der noch vielfach irreführender- weisc auch als „Paratyphus B“ bezeichneten Enteritisbakterien vom Typus Breslau-Aertrycke oder andere ,,Tierstämme‘ als Agglutinogene benutzt worden waren.

Die Begriffe „Bakterien der Paratyphusgruppe‘‘ oder „paratyphus- ähnliche Bakterien“ werden von Borchert nicht genauer definiert. Da nun von allen Borchertschen Stämmen nur der eine Stamm PI von einem Paratyphusserum agglutiniert wurde, und auch dieser nicht einmal bis zum Endtiter; und da ferner dieser eine Stamm sich von allen pathogenen Arten der Paratyphusgruppe schon durch Vor- handensein der Saccharose-Vergärbarkeit und durch den Mangel der Dulzit-Vergärbarkeit unterschied (Borcherts Tabelle IV), so muß es als abwegig bezeichnet werden, irgend eines der von Borchert beschric- benen Bienenbakterien mit dem Worte „Paratyphus‘‘ in Verbindung zu bringen, oder sie sogar sämtlich ‚„Paratyphus-Stämme‘“ (Borchert S. 559) zu nennen. Obwohl nun Borchert selbst deutlich schreibt, daB sich seine nichtpathogenen Bienenbakterien in mehrfacher Hin- sicht von dem Bac. paratyphi B unterschieden, wurde über seine Arbeit in der Münch. med. Wochenschrift. 1924. S. 1188 eine ‚„Tages- geschichtliche Notiz“ veröffentlicht: „daß er im Darm gesunder Flug- und Stockbienen in 9,2 Proz. der Tiere Bakterien gefunden habe, die der Gruppe des Bac. paratyphi B angehörten und für die Bienen offenbar Saprophyten waren. Die Möglichkeit, daß durch Bienen als Bazillenträger Paratyphusepidemien hervorgerufen werden, sei nicht von der Hand zu weisen. Eine ähnliche Mitteilung ist in die Tagespresse gebracht worden.

In der Borchertschen Arbeit ist kein einziger Befund mitgeteilt, welcher auch nur die Wahrscheinlichkeit einer Paratyphusgefahr für den Menschen (darauf sollte doch die Notiz in der Münch. med. Woch. hinweisen) durch gesunde Bienen begründen könnte. Die Hygiene hat aber so viel mit der Bekämpfung wirklicher Gefahren zu tun, daß ein- gebildete Gefahren der öffentlichen Gesundheitspflege nur schaden.

216 Centralbl. f. Bakt. ete. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 23.

Ich habe deshalb, um auf Grund eigener Untersuchungen ein Urteil ab- geben zu können, auf Veranlassung von Prof. Reiner Müller, den Darminhalt von flugfähigen Bienen, Wespen und Hummeln bakterio- logisch untersucht. Ich fing die Tiere hauptsächlich an Obstverkaufs- stellen, besonders auf Trauben, während der Monate August, September und Oktober 1924, und tötete sie sofort durch 10 Min. lange Einwirkung von Chloroformdämpfen. Sodann wurde der Darm durch Abstreifen des letzten Leibesringes steril entnommen, halbiert und der Darminhal auf je einer Endo- und Malachitgrünagarplatte ausgestrichen. Ins- gesamt wurden 140 Tiere untersucht; 113 Bienen, 17 Wespen und 10 Hummeln. Herr Dr. Bahr überließ dem Institut freundlicherweise einen Stamm seines Bac. paratyphi alvei.

Bei meinen Untersuchungen wurden diejenigen Kolonien, die wie Paratyphus B-Kolonien auf Endo-Agar und Lentzschem Malachit- erünagar bei 37° farblos und durchscheinend gewachsen waren, und die aus gramnegativen Stäbchen bestanden, reingezüchtet und zunächst mit Typhusserum (Endtiter 10000) und Paratyphus B-Serum (End- titer 4000; Agglutinogen: schleimwallbildender Stamm vom Menschen in der Verdünnung 1:100 auf Agglutination orientierend geprüft. So- dann untersuchte ich die Stämme auf Gasbildung und Fluoreszenz in Neutralrotagar, auf Indolbildung (Paradimethylamidobenzaldehyd zu Trypsinbouillon), auf Säurebildung in Lackmusmolke, ferner auf Eigen- beweglichkeit in Bouillon. Die Hauptergebnisse sind in Tabelle I zusammengestellt.

Tabelle].

i

2

| | ta oog Agglutination =; ge LE nv i >28 er | S5 ar? SES | Lackmus- Gruppe = es Lee | BE 2 = 4538 Indol | molke q &S | Paraty-B; Ty-Ser. SE |5 8% 1529 | San 1:00 | 1:10 | 92 Re | i i Paraty- B 1 +++ | +i + +4 :| erst rötlich. B. P. alvei l 0 = p o + | + _ . J dann blau L > Ze Fr + ' + + zu IL 22 = = + + en blau ILI v = == + + rot IV 17 + +4 m + blau V 11 == = + | - + x VI 3 = = | -— u VII D = == E = u rot VIII 3 2 Le + Zi ze un à

Von 140 untersuchten Tieren gelang es, 79 stäbchenförmige, gram- negative Bakterienstämme zu züchten, deren Einzelkolonien 24 Std. nach Ausstreichen des Darminhaltes auf Endo- und Malachitgrünaga denen der Paratyphus B-Bakterien ähnlich waren. Diese 75 Stämme fanden sich bei 58 Tieren; aus manchen Tieren wurden mehrere, d. h. mindestens in einer Eigenschaft verschiedene Stämme gezüchtet: Das Verhältnis der Zahl der gefundenen Bakterienstämme zu der der betreffenden Tierarten gibt Tabelle IL wieder.

. Müller, Hymenopteren-Paratyphus ? 217

Tabelle II. Zahl der |Tiere mit weiter zu prüfenden Zahl der geprüften Bakterien- Hymenopteren Tiere Darm Skeren j stämme Bienen 113 51 65 | espen 1 5 Hummeln 10 2 5 4 | | 10 | 58 | 75

49 meiner Hymenopterenstämme prüfte ich auf Agglutinierbarkeit durch ein Alvei-Serum. Dieses gewann ich durch Immunisierung eines Kaninchens, dem ich in Abständen von 4 Tagen nacheinander 0,15, 0,3, 0,5 und 1,0 Normalöse einer 18 Std. alten, bei 370 gewachsenen Schrägagarkultur des Bahrschen Bakteriums in 1 ccm physiolog. Kochsalzlösung in die Ohrvene einspritzte, 10 Tage später Blut ent- nahm, und das Serum mit gleichviel Glyzerin konservierte. Kon- trollen mit Normalserum und mit physiologischer Kochsalzlösung. Diese Kontrollen sind hier besonders nötig, da, wie die Tabelle zeigt, \imanche Stämme zu unspezifischen Agglutinationen neigen; in ähnlicher Weise, wie manche Typen des Bact. coli. Tabelle III zeigt die Agglu- tinationsergebnisse.

Tabelle III.

49 Hymenopterenstämme mit agglutinierendem Alvei-Serum. bedeutet: keine Agglutination in Serumverdünnung 1 : 100.

; 4 | en | he Kontrollen RH pes oder höher un Nr. ins@one- 1:100 | der Stämme agglutiniert stärke |Normal-| NaC! | serum 0 Mensch 1 Biene 0 oi = = | = : Biene 88 1: 1000 + + ‚= 1100IV| 1:400 il | 103 1 1 è 200 rs ee 7 5 112 | 1:2000 + 3: 136 | 1:1000 + + s 147 | 1:400 + + K 151 | 1:400 + + 0 | DANS: 0 ; R E = 2 fi Biene 72 | 1:200 + + 5 ti Wespe 116 | 1:200 = N Biene |158 [| 1:400 | 2 10 | | a

13 verschiedene Vertreter meiner 75 Stämme (aus allen VIII Gruppen) wurden zu Infektionsversuchen benutzt. Hierzu wurden 18stünd

218 Centralbl. f. Bakt. ete. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

370-Kulturen auf Schrägagar mit 4 ccm physiol. Kochsalzlösung ab- geschwemmt. Weiße Mäuse wurden mit etwa 3 Tropfen dieser Bakterien- aufschwemmung mittels einer sterilen Pipette gefüttert. 20täg. Be- obachtung; keine der Mäuse ist gestorben oder erkennbar krank ge- worden.

Herr Dr. Curt Sonnenschein war so freundlich, 13 von meinen Bienenstämmen und die Bahrschen Alvei-Stämme mit einem seiner Paratyphusbakteriophagen zu prüfen, welcher menschliche, schleimwall- bildende Paratyphus B-Bakterien sehr stark, Gärtnersche Enteritis- bakterien schwächer, Enteritisbakterien vom Typus Breslau-Aertrycke gar nicht löste. Die 13 Bienenstämme und die Bahrschen Stämme zeigten dabei keine Spur von Bakteriophagenwirkung, während die Paratyphus B-Kontrollen völlig gelöst wurden.

Zusammenfassung.

7b Stämme gramnegativer Bakterien aus nahrungsmittelbesuchen den Bienen, Wespen und Hummeln, deren Kolonien auf Endo-Agar den Paratyphuskolonien ähnlich waren, wurden von hochwertigem Typhus- und Paratyphus B-Serum nicht agglutiniert. Sie waren auch unter- einander kulturell so verschieden, daß schon mit den gebräuchlichsten Prüfungsmethoden mindestens 8 Gruppen gebildet werden konnten. Eine dieser Gruppen (II) steht dem Bahrschen Bac. paratyphi alvei der Bienen besonders nahe, zeigt auch eine Andeutung agglu- tinatorischer Verwandtschaft, ist aber nicht mit ihm identisch. Das Bakterium der Bahrschen Bienenenteritis wurde .also bei gesunden Bienen nicht gefunden. Die eigenen Untersuchungen und die Ver- öffentlichungen anderer Forscher haben es bis jetzt nicht wahrscheinlich gemacht, daß dem Menschen von seiten der Hymenopteren die Gefahr einer Paratyphus- oder Enteritiserkrankung drohe. Die Lehre von der „UÜbiquität‘ der Erreger der menschlichen Paratyphuskrankheit ist auch auf diesem Gebiete unbegründet.

Literatur.

Bahr, L., Paratyphus hos Honningbien. (Skandinav. Veter. Tidskr. Bd. 9. 1919. 5. 25—40, 45—60.) Borchert, A. Ueber das Vorkommen von Bak- terien aus der Paratyphusgruppe im Darmkanal der gesunden Honigbiene usw. (Ztschr. f. Schädlingsbekämpf. I. 1923 S. 507—565.) (Dort weitere Literatur.) (Berl. Tierärztl. Woch. 1924. Nr 29.) -— Januschke, E., Zur Frage des Vor- kommens einer Paratyphuskrankheit der Bienen. (Berl. Tierärztl. Woch. 1925. 230.) (Nach Abschluß der vorstehenden Arbeit erschienen.) Sonnenschein, C., Die Verwendbarkeit der Bakteriophagie für die bakteriologische Diagnose. (Müuch. med. Woch. 1925. S. 1443.)

Schilf, Bildung von Bakteriolysinen in künstlichen Gewebskulturen. 219

Nachdruck verboten.

Die Bildung von Bakteriolysinen in künstlichen Gewebs-

kulturen.

[Aus dem Hygiene-Institut der Universität Greifswald (Stellv. Direktor: Prof. Dr. Carl Prausnitz)].

Von Dr. Friedrich Schilf,

Assistent am Institut.

Als Entstehungsorte der im Blut kreisenden Antikörper gelten hauptsächlich die Organe des hämatopoetischen Systems, Milz, Knochen- mark, Lymphdrüsen. Daneben wird auch anderen Körperzellen die Fähigkeit der Antikörperbildung zugesprochen (lokale Immunität). Der Beweis für die Entstehung an diesen Orten ist zumeist in der Weise geführt worden, daß Tiere mit einem Antigen vorbehandelt wurden und nach einiger Zeit entweder ihre Organe oder Körperflüssigkeiten (Pfeiffer und Marx, Wassermann, Deutsch, Bogendörfer, Wassermann und Citron, Paetsch, Neuhaus und Prausnitz, Bessau, Köhler und Heilmann) auf den Gehalt an Antikörpern untersucht wurden. Es ist klar, daß diese Beweisführung nur z. T. einer strengen Kritik standhalten kann, denn die Anwesenheit der Anti- körper in einem Organ, das im Verband des ganzen Körpers geblieben ist, beweist noch nicht ganz streng ihre Entstehung am gleichen Ort. Man könnte die Tatsache des gehäuften Vorkommens der Antikörper in einem bestimmten Organ auch durch Vorgänge elcktiver Speicherung zu erklären suchen. Besonders mit der zunehmenden Erkenntnis der Rolle, welche der reticulo-endotheliale Apparat für die Vorgänge der Immunität spielt, gewinnt dieser Einwand an Bedeutung. Andererseits aber wirt dieses Zellsystem wiederum selbst als Quelle von Immunstoffen genannt (Bieling und Isaac, Siegmund, Standenatt, Pasch- kis), z. T. aber auch bestritten (Rosenthal, Moses und Petzel). Jedenfalls verdienen die Versuche der Blockierung des Reticulo-Endo- thels höchste Beachtung.

In einwandfreier Weise wird der Beweis für die Entstehungsorte der Antikörper jedoch nur erbracht werden können, wenn ihre Fest- stellung in einem Organ gelingt, das losgelöst aus dem Verband aller anderen Organe der Einwirkung eines Antigens ausgesetzt wird. Die Methode für solch eine Versuchsanordnung ist in der Gewebszüchtung in vitro gegeben, die heute zu einer ausreichenden Vollkommenheit ge- langt und als Methode zur Lösung der verschiedensten biologischen Fragen anerkannt ist. Bereits vor längerer Zeit sind Versuche dieser Art mit der Gewebszüchtung gemacht worden. Schon Carrel hat in Gewebs- kulturen unter Zusatz artfremder Blutkörperchen die Bildung von Hämolysinen feststellen können. In etwas anderer Weise versuchte Lüdke diesen Nachweis zu führen: er injizierte Kaninchen oder Meerschweinchen abgetötete Ruhr- oder Typhusbazillen intravenös und entnahm nach 1—5 Tagen den Tieren Milz und Knochenmark des Oberschenkels, die er im Plasma des gleichen Tieres züchtete. In solchen

2.22 -- S

220 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

Kulturen fand er nach 2—5tägiger Bebrütung Agglutinine oder Bak- teriolysine!). In ähnlicher Weise erhielt er Hämolysine für Rind oder Hammel. Dieses Verfahren kann jedoch für die exakte Feststellung der Immunkörperbildung durch das Gewebe nicht als eindeutig anerkannt werden. Weniger günstige Erfolge erhielt er bei der Beimpfung nor- maler Milz- oder Knochenmarkstücke mit dem Antigen und deren nach- folgender Züchtung in Plasma. Przygode behandelte Kaninchen- milzen mit Typhusbazillen und wies in den daraus angelegten Gewebs- kulturen Agglutinine nach. Er konnte auch die oben angeführten Lüdkeschen Versuche bestätigen: bei Vorbehandlung von Kaninchen mit intravenöser Typhusbazillen-Injektion und nachträglicher Herstellung von Milzkulturen fand er Agglutinine und Präzipitine. In größeren Versuchsreihen hat Reiter hauptsächlich durch Vorbehandlung von Kaninchen mit Typhusbazillen oder anderen Antigenen und nachherige Entnahme von Milz, Knochenmark und Niere, die er in Normal- kaninchenserum bebrütete, ähnliche Ergebnisse erhalten.

Gerade für die Bakteriolysine, deren überragende Bedeutung für die Immunitätsvorgänge feststeht, ist bisher mit dem Verfahren der Gewebs- kultur dieser Nachweis noch nicht eindeutig geführt worden. Auf An- regung von Herrn Prof. Dr. Prausnitz habe ich daher versucht, in künstlichen Gewebskulturen die Bildung der Bakteriolysine zunächst in der Milz nachzuweisen.

Meine Versuchsanordnung war folgende: Kaninchen- oder Meer- schweinchenmilz wurden sofort nach Entblutung des Tieres in Teilchen von etwa 6—8 mg Größe zerlegt und in ein Medium aus Kaninchen- plasma und Embryonalextrakt vom Hühnchen in der Deckglaskultur eingebettet. In jede Kultur wurde ein Gewebsstück gebracht und je ein Tropfen (etwa 10 cmm) fallender Verdünnungen eines Vakzins hinzu- gegeben, das durch 1stünd. Erhitzen einer El Tor-Aufschwemmung bei 54° hergestellt war. Zur Kontrolle wurden gleichgrobe Gewebs- stücke mit je 1 Tropfen physiol. NaCl-Lösung beimpft und ebenfalls zu Plasmakulturen angesetzt. Nach 2—3tägiger Bebrütung bei 37° fand eine Umbettung sämtlicher Kulturen in ein neues gleichartiges Medium statt. Das alte Plasma, in dem das Gewebsstück bis dahin gezüchtet war, wurde mit einigen Tropfen steriler Kochsalzlösung aufgenommen und bis zur Weiterverarbeitung im Eisschrank aufbewahrt. Die neuen Kulturen wurden dann 7—10 Tage weiter bebrütet, wobei von Zeit zu Zeit das Wachstum im Mikroskopbrutschrank 2) geprüft wurde. Nach einer Gesamtbebrütungszeit von 9—12 Tagen wurden die Kulturen, jede einze:n, von den Deckgläschen abgekratzt, mit sterilem Glaspulver unter Hinzunahme des Rückstandes aus der ersten Kultur fein zer- rieben una mit 1,5—2,0 ccm Kochsalzlösung aufgeschwemmt. Die Kammer der Kultur wurde ebenfalls mit einigen Tropfen Kochsalz- lösung ausgewaschen und die Waschflüssigkeit zu dem übrigen hinzu- gefügt, um möglichst den gesamten Inhalt der Kultur (Kondenswasser, Tropfwasser) für den Versuch verwerten zu können. Die Verreibungen der Kulturen wurden 1—7 Tage im Eisschrank extrahiert und danach

| 1) Aus den sehr kurz gefaßten Angaben ist freilich nicht zu entnehmen, ob Bakteriolysine im Tierversuch oder nur bakterizide Antikörper in vitro nachgewiesen wurden.

2) Der Mikroskopbrutschrank und das zur Beobachtung der Kulturen nötige binokulare Mikroskop wurden für diese Versuche in dankenswerter Weise von der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft zur Verfügung gestellt.

Schilf, Bildung von Bakteriolysinen in künstlichen Gewebskulturen. 9221

Tabelle 1.

Vakzinmenge | Extraktmenge Vibrionenbefund _ in der Milz. im Pfeiferschen Verhalten

Zn much 1 Bia [paons ogra, 1 Tere

G 89| 1/30 000 000 1,0 co + G 90! 1/10 000 000 1,0 ptt ł G 91| 1/3 000 000 1,0 + + G 92| 1/1 000 000 1,0 + + G 8 aCl-Kontr. 1,0 00 + 9 93 dgl. 1,0 00 + II G 95| 1/1 000 000 1,0 Ftp , lebt G 96) 1/100 000 1,0 +++ | | + G 97] 1/10 000 1,0 ++ + G 98; 1/1000 1,0 +++ + G 94 NaCl-Kontr. 1,0 +++ ; + HI G 100| 1/1000 000 1,0 FHF 4 G 101| 1/100 000 1,0 4 + de G 102] 1/1000 1,0 +++ O0 + G 99 aCl-Kontr. 1,0 00 00 + v2 G 15) 1/1 000 000 0,5 oo 00 + G 16| . 1/100 000 0,5 +++ oo + G 17| 1/10000 0,5 ++ +++ + G 18| 1/1000 0,5 +++ oo + G 14 aCI-Kontr. 0,5 oo 00 t V 3 |@ 20 1/1000000 1,0 ER 0 lebt G 21| 1/100 000 1,0 ee +++: À G 22| 1/10000 1,0 00 00 | + G 23 un 1,0 00 00 + G 19 aCI-Kontr. 1,0 00 oo + VI G 1/1 000 000 1,0 +++ t G 28| 1/100000 1,0 ph + G 29| 1/10 000 1,0 ++ ; + G 30| 1/1000 1,0 ++ À + G 31 aCl-Kontr. 1,0 +++ . + nach 20 Std. VII 1 |A 9; 1/100000 1,0 +++ 00 t A 8 1/10000 1,0 EA 00 + A 7| 1/5000 1,0 | + 0 lebt A 6| 1/1000 1,0 +++ +++ + A 5| NaCI-Kontr. 1,0 co oo I 4 VII 2 |A 13| 1/10000 1,0 LL 0 lebt À 12 N 1,9 +++ 0 lebt A 11 aCI-Kontr. 1,0 CO O0 + vıllı |A 27| 1/1 000 000 | 1,0 00 | +++ + A 28 1/100 000 1,0 I +++ | 00 ł A 29 1/10000 1,0 +++ + lebt A 30| 1/5000 1,0 00 FPF t A 31| 1/1000 1,0 +++ 00 | + A 26| NaCl-Kontr. 1,0 +++ +++ | + | nach nach 5—6 Std. | 15—20 Std. IX A 44| 1/1 000 000 1,0 + + + A 45} 1/100 000 1,0 + + + A 46| 1/10 000 1,0 + + ++ + A 47| 1/5000 1,0 ++ +++ | A 48| 1/1000 1,0 + + | t A 43| NaCl-Kontr. 1,0 oo oo | +

222 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

IV | V 1 Versager VIL12/

Zeichenerklärung oo bedeutet in jedem Gesichtsfeld über 30 Vibrionen +F + ñ » » 16— » EF n »” 10—15 » D n » » n 5—9 » + 5 Fer“ ganz vereinzelte 0 5 i vg ` keine i

zentrifugiert. Die überstehenden klaren Extraktflüssigkeiten wurden gegen einen virulenten El Tor-Stamm im Pfeifferschen Versuch auf Bakteriolysingehalt ausgewertet.

Man könnte im Zweifel sein, ob es überhaupt möglich wäre, mit so kleinen Organteilen eine im Pfeifferschen Versuch nachweisbare Menge von Bakteriolysinen zu erzeugen. Eine einfache Ucberlegung zeigt jedoch, daß dies durchaus zu erwarten ist. Nimmt man an, daB die gesamte Blutmenge eines Kaninchens von 2,5 kg Gewicht 200 ccm beträgt, so würde die darin nachweisbare Antikörpermenge von einer Gesamtmenge an blutbildender Substanz (Milz, Knochenmark, Lymph- drüsen) von etwa 10 g gebildet werden. Dann würden 10 mg ebenso- viel Antikörper produzieren, wie 0,2 ccm Blut = 0,1 ccm Serum ent- spräche. In dem Extrakt einer Gewebskultur von 10 mg Organsubstanz mit 1—2 ccm Kochsalzlösung würde also eine Antikörperkonzentrati.n von 1:10 bis 1:20 enthalten sein. Nimmt man auch an, daß die Anti- körperbildung in der Gewebskultur vielleicht weniger reichlich ist als im Körper des Tieres, so würde man im Extrakt im ungünstigsten Falle immer noch eine Konzentration von 1:100 oder auch 1:1000 erhalten. Solche Mengen aber lassen sich im Pfeifferschen Versuch exakt nachweisen. Wenn im vorliegenden Versuch die Größe der verwendeten Milzstückchen nur 6—8 mg betrug, so ändert das die Berechnung nur in geringem Maße.

Das Ergebnis der Versuche zeigt Tabelle I, S. 221.

Von 13 Versuchen, die unter verschiedenen Modifikationen der Dosierung, zum Teil in doppelter Ausführung angesetzt wurden, ist in 10 Fällen ein positives Ergebnis festzustellen; drei Versuche verliefen ohne Erfolg bzw. zeigten Störungen im Verlauf und konnten nicht be- rücksichtigt werden. Die Tabelle gibt nur den Befund von Vibrionen in der Bauchhöhle der Meerschweinchen zu der Zeit wieder, wo eine bakteriolytische Wirkung festzustellen war. Mit der Vibriolyse ging die Intensität der Granulabildung und des Auftretens von Leukozyten in der Bauchhöhle meistens parallel; doch wurden auch Abweichungın beobachtet, die sich wohl durch gewisse Unzulänglichkeiten in der Technik der Gewebskultur erklären mögen.

Es war überhaupt bei der Eigenart des Versuches von vornherein nicht zu erwarten, daß der Pfeiffersche Versuch stets in klassischer Form verlaufen würde. Bei der Schwierigkeit der Züchtung von Ge- weben außerhalb des Körpers mußte man damit rechnen, daß auch die Vibriolysinbildung von Fall zu Fall verschieden stark vor sich gehen würde; denn wenn sie auch einerseits von der Menge des zugeführten Antigens abhängt, so ist sie doch andererseits grundlegend bestimmt durch das Wachstum der Kultur. Nun ist es sehr schwierig, einen genauen Maßstab für die Intensität dieses Wachstums zu finden, und ich habe mich daher darauf beschränkt, die Tatsache des Wachstums

Schilf, Bildung von Bakteriolysinen in künstlichen Gewebskulturen. 2923

überhaupt festzustellen. Unter diesen Umständen mußte man schon zufrieden sein, wenn es überhaupt gelang, eine lytische Wirkung der Kulturextrakte auf die Vibrionen in der Meerschweinchenbauchhöhle zu beobachten. Daher wurde jede erhebliche Abnahme der Vibrionen gegenüber dem Befund im Kontrolltier als positives Versuchsergebnis verwertet, auch wenn das Tier später starb. Bekanntlich kann selbst nach vollständiger Vibriolyse, bei steriler Bauchhöhle das Tier nach- träglich an Endotoxin- oder (bei Verwendung von El Tor) an Toxin- vergiftung sterben. Außerdem blieb in einem Teil der Versuche die Bakteriolyse unvollständig, so daß nur eine vorübergehende Abnahme der Vibrionenzahl in der Bauchhöhle auftrat, worauf später wieder er- hebliche Vermehrung folgte; hier habe ich angenommen, daß der Extrakt zwar Lysine enthielt, daß ihre Menge aber zur exakten Wertbestimmung zu gering war.

Die kleinste Menge Vakzin, die noch zur Bildung von Lysinen führte, war 1/3000000 Oese zur Kultur; bei kleineren Mengen war nie eine antigene Wirkung auf die Gewebskultur feststellbar. Aber auch verhältnismäßig große Mengen waren nicht immer wirksam. Am gün- stigsten crwies sich meistens ein Zusatz von 1/10000 Oese, während in gleichen Versuchsreihen größere Mengen häufig die Lysinbildung ver- hinderten; hier dürfte eine Schädigung der Kulturen durch das Vi- brionengift anzunehmen sein.

Besonders beachtenswert sind die Versuche III, VII und IX. Versuch III zeigt deutliche Lysinwirkung bei zwei Tieren nach 5 Std.; eins blieb am Leben und hatte später eine sterile Bauchhöhle, das andere ging nachträglich unter Vermehrung der Vibrionen zugrunde. In Ver- such VII überlebte im ersten Teil von vier Tieren eins mit steriler Bauch- höhle, während ein anderes nach 5 Std. nur spärliche Vibrionen zeigte, dann aber unter Vermehrung der Bakterien einging; im zweiten Teil- versuch von VII blieben die beiden behandelten Tiere mit steriler Bauch- höhle am Leben. Auch in Versuch IX ist die Lysinwirkung unverkenn- bar, obgleich hier schließlich alle Tiere starben: alle fünf behandelten Meerschweinchen zeigten nach 5 Std. eine erhebliche Verminderung der Vibrionen; nach 15 Std. war bei zwei Tieren die Bauchhöhle fast steril, bei zwei weiteren waren nur noch wenig Vibrionen sichtbar, während das fünfte zu dieser Zeit schon wieder Vermehrung der

Tabelle II. Ma jolvainwirk h Versuch ni y Ta Pie a e a Nr. 1 St 5 St 15 St : iere Zahl d. Tiere|Zahl d. Tiere/Zahl d. Tiere/ os I | 2 2 2 2 | 0 II | 1 1 2 2 | 1 III 1 2 2 2 1 v2 | 1 1 1 1 0 v3 | 0 1 1 1 | 1 VI 2 2 2 2 | 0 VII 1 1 2 2 2 | 1 VII 2 1 2 2 2 | 2 VuIl | 0 1 l | 1 | 1 IX | 0 5. u 5 5 | 0 Gesamtzahl | 9 | 19 | 20 | 20 7

294 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

Vibrionen aufwies. Bei der Mehrzahl dieser Tiere ist der Tod wohl durch Toxin- oder Endotoxinwirkung bedingt.

Das Gesamtergebnis zeigt Tabelle II, S. 223.

Danach ist bei 20 Tieren eine deutliche Vibriolyse festgestellt worden, bei 9 Tieren bereits nach 1 Std., bei 10 nach 5 Std., bei einem erst nach 15 Std. 7 Tiere blieben am Leben, während die übrigen trotz anfänglicher Abnahme der Vibrionen zugrunde gingen.

Es ist also bewiesen worden, daB wachsende Kulturen von Kaninchen- oder Meerschweinmilzstückchen in Kanin- chenplasma unter Zusatz von Hühnerembryonenextrakt bei Beimpfung mit sehr geringen Mengen abgetöteter Choleravibrionen spezifische Vibriolysine bilden kön- nen. Im allgemeinen wird die höchste Antikörpermenge durch eine mitt- lere Vakzindosis erzielt; größere Vakzinmengen scheinen, ohne das Wachstum der Kultur offensichtlich zu hemmen, für die Immunkörper- bildung schädlich zu sein.

Literatur.

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Nachdrück verboten.

Komplementbindungsversuche mit Kaninchenserum gegen- über Bakteriophagen und Bakterienextrakten.

¿Aus dem Tnstitut für tropische Heilkunde in Leiden.] Von Prof. P. C. Flu, Leiden.

Es ist bekannt, daß d’Herelle den von ihm entdeckten Bak- teriophagen als einen lebenden Organismus betrachtet, und zwar als einen obligaten Schmarotzer verschiedener Bakterien. Der Bakterio- phage ist nach ihm ein Parasit des Coli-Bazillus und besitzt die Eigen- schaft, sich verschiedenen anderen, zufällig in den menschlichen und tierischen Darmkanal geratenden Bakterien, darunter auch pathogenen, anzupassen. Eine große Variationsmöglichkeit befähigt den Bakterio- phagen, sich bei Anpassung an andere als Coli-Bakterien so zu modi-

Flu, Komplementbindungsversuche mit Kaninchenserum usw. 225

fizieren, daß er den Eindruck eines sich im Wesen von gewöhnlichen Coli-Bakteriophagen unterscheidenden Organismus macht!).

Falls diese Auffassung richtig ist und somit alle Bakteriophagen zu einer Art gehören, falls alle Bakteriophagen schließlich nichts anderes als Coli-Bakteriophagen sind, die sich auf andere, vom Coli- Bazillus sich‘ unterscheidende Bakterien eingestellt haben, dann wird der Nachweis gelingen müssen, daß alle Bakteriophagen, wie ver- schieden sie auch in ihrer Wirkung sein mögen, aus artgleichen Eiweiß bestehen.

= d'’Herelle suchte diesen Nachweis mittels des Komplement- bindungsversuches zu erbringen.

Als obligater Parasit der Bakterien kann der Bakteriophage nicht anders al» in und auf Kulturen von Bakterien weitergezüchtet werden.

Hat man eine Bakteriophagenkultur, z. B. eine Bouillonkultur des Bakteriophagen, dann besteht eine solche außer aus Bakteriophagen auch noch aus den aufgelösten und nicht aufgelösten Körpern der Bak- terien, welche ursprünglich in der Kultur anwesend waren, nebst. den Stoffwechselprodukten dieser Bakterien.

Immunisiert man ein Kaninchen mit solch einer Bakteriophagen- kultur, dann wird das Tier nicht allein gegen die Bakteriophagen, welche in einer solchen Kultur vorkommen, Antistoffe bilden, sondern diese werden auch gegenüber dem Eiweiß und den Stoffwechselprodukten der aufgelösten Bakterien gebildet werden.

Nun ist es bekannt, oder vielmehr nimmt man es als richtig an, daB man in dem Komplementbindungsversuch eine der sichersten Me- thoden besitzt, verschiedene Eiweiße voneinander zu differenzieren. Der Komplementbindungsversuch spielt in der Diagnostik und differentiellen Diagnostik verschiedener Mikroben und Eiweiße verschiedener Her- kunft eine große Rolle. Es ist mithin zu begreifen, daß d’Herelle zu diesem Hilfsmittel griff, um die Einheitlichkeit aller Bakterio- phagen zu beweisen.

Wenn alle Bakteriophagen aus einem und demselben Eiweiß be- stehen, dann wird der Nachweis gelingen müssen, daß Kaninchen, welche intravenös mit Bakteriophagen gegen z. B. Pestbakterien, Coli- Bazillen, Staphylokokken und Bazillen der Septicaemia haemor- rhagica der Rinder eingespritzt sind, ein Serum liefern, welches an erster Stelle spezifisch mit den Bakterien reagiert, auf die der Bakte- riophage eingestellt ist; aber außerdem werden noch alle Sera mit einer und derselben Bakteriophagenkultur, unabhängig von dem Um- stande, daß der Bakteriophage auf Shiga-, Pest-, Typhusbazillen, Choleravibrionen, Staphylokokken oder irgendwelchen andern Mikroben weitergezüchtet ist, positiv reagieren.

In seiner Arbeit „Le bactériophage, son rôle dans l’immunité” beschreibt d’Herelle einen Komplementbindungsversuch, dessen Resultat ihn seines Erachtens berechtigte, die Einheitlichkeit aller Bukteriophagen zu folgern. Zur Verdeutlichung der Weise, wie d’Herelle bei seinem Komplementbindungsversuch verfuhr, bringe ich nachstehend die kleine Uebersicht, wie er diese auf S. 100 seiner oben genannten Arbeit gibt.

Nachdem er nachgewiesen hatte, daß sowohl Shiga-Bakteriophagen als Kulturen von Shiga-Bakterien mit einem Antibakteriophagenserum eine Komple-

1) d'Herelle, F., Le Bactériophage. son rôle dans l’organismus etc. Erste Abt. Orig. Bd. 97. Heft 2/3. 15

226 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

mentbindung ergaben, und daß auch Shiga-Bakteriophagen mit Antidysenterie- serum eine solche bewirkten, wurde der Versuch mit den folgenden Antigenen aus- eführt : à 1. Shiga- Bakteriophagen; 1500 Millionen Bakteriophagen per ccm; 2. Bakteriophagen gegen den Bazillus der Septicaemia haemorrhagica; 250 Milli- onen Bakteriophagen per cem; 3. Pestbukteriophagen (Typus murinus) 450 Millionen Bakteriophagen per ccm; 4. Pestbakteriophagen (Typus humanus) 700 Millionen Bakteriophagen per cem.

Hämo-

l t E lytisch Nr.| | POETOE ‚, lösung len Ergebnis | ccm ccm ccm ccm ccm 1, 05 | 02 02 16 3 1 Fo 2 0,5 0,4 0,2 14 5 1 CE 3 0,5 0,5 0.2 13 8. 1 RTE 4 0,5 0,6 0,2 1,2 = 1 +++ 5 0,5 02 1,8 R 1 totale Hanne om [rasch auftretende 0 u u 0,2 1,9 = | | totale Hämolyse 7 0,2 23 D 1 totale Hämolyse 8 = 2,5 1 ++++

d’Herelle bemerkt selbst, daß auch das normale Kaninchenserum in Kontakt mit den Bakteriophagen Komplement bindet, sei es denn auch schwach; aber er findet diese Erscheinung nicht auffallend, weil ja, wie er nachgewiesen zu haben glaubt, der Bakteriophage ein normaler Bewohner des Darmkanals von Säugetieren, also auch von Kaninchen ist, und es nicht befremden darf, daß auch Bakteriophagen, wenn sie, wie er dies möglich erachtet, in die Zirkulation geraten, zur Bildung von Anti- stoffen führen. |

Die Weise, in welcher d’Herelle die Komplementbindungsversuche ausführte, würde einer eingehenderen Kritik nicht standhalten können. So ließ er es z. B. an hinreichenden Kontrollmaßnahmen fehlen und titrierte er das Komplement (Meer- schweinchenserum in der Verdünnung 1/,,) gegenüber den Antigenen nicht aus.

d’Herelle zog aus den Ergebnissen dieser Versuche den Schluß, daß das Antibakteriophagenserum einen Antikörper enthält, der für Bakteriophagen spezifisch ist. Da es hierbei völlig gleichgültig ist, welchen Bakteriophagenstamm man als Antigen benutzt, gegen welche Bakterienart er wirksam ist, oder aus welchem Tier man ihn isoliert hat, hält er die Einheitlichkeit der Bakteriophagen für erwiesen.

Wollman und Goldenberg!), welche die Ansicht d’Herellas be- züglich der Natur des Bakteriophagen teilen, wiederholten seine Versuche. Sie behandelten 2 Kaninchen, und zwar das eine mit einem Shiga- Bakteriophagen, das andere mit Shiga- Bakterien. Nach Inaktivierung bei 589 C wurde von jedem Serum die Hälfte mit einer Suspension von Shiga- Bakterien gesättigt. Nach einem 1stündl. Kontakt bei 370 wurde das Serum von den Bakterien abzentrifugiert. Aus jedem Serumteil waren also so viel wie möglich Antistoffe gegen Shiga- Bakte- rien entfernt. Sowohl die unbehandelten Sera wie die mit Shiza Bakterien ge- sättigten wurden auf ihre komplementbindenden Eigenschaften gegen Shiga- Bakteriophagen und Shiga- Bakterien untersucht.

Sie fanden, daß die Behandlung der Sera mit den spezifischen Bakterien wenigstens bei den von ihnen sbra udiien Komplementdosen keinerlei Einfluß auf den Gehalt an sensibilisierenden (komplementbindenden) Stoffen des Serums gegen den Bakteriophagen besitzt, aber auch, daß das von dem allein mit Sh iga - Bak- terien behandelten Kaninchen gelieferte Serum mit dem Shiga- Bakteriophagen als Antigen viel besser Komplement band als dies mit einem aus Shica Pakun bestehenden Serum der Fall war.

1) Wollman, E. et Goldenberg, L., Le phénomène de d’Herelle et la réaction de fixation. (Compt. rend. de la Soc. de Biol. 1921. p. 772—774.)

Flu, Komplementbindungsversuche mit Kaninchenserum usw. 927

Sie konnten durch ihre Untersuchung nicht beweisen, daß der Bakteriophage ein selbständiger Organismus ist; aber sie weisen darauf hin, daß aus ihren Ver- suchen hervorgeht, daß Bakteriophagenkulturen ausgezeichnete Antigene liefern. Nach ihnen sollen solche Kulturen vortreffliche Dienste bei dem Komplementbindungs- versuch leisten können, und zwar namentlich für diejenigen Bazillen, von denen man nicht leicht ein Autolysat erhalten kann.

Wie sich später zeigen wird, kann ich diese Meinung nicht teilen. Man muß, wenigstens wenn das Immunserum von einem Kaninchen geliefert wurde, mit seinen Folgerungen besonders vorsichtig sein und eine positive Komplementbindung, nament- lich wenu die Antigene Bakteriophagen sind, nicht nur gleich als spezifisch betrachten.

Maisin war eigentlich der erste, der sogar noch vor d’Herelle nachwies, daß in dem Antibakteriophagenserum Substanzen vorkommen, die das Vermögen be- sitzen, in Kontakt mit Bakteriophagen jeder Herkunft, also DEE von der auf welcher man den Bakteriophagen weiterzüchtete, Komplement zu binden.

In einer späteren Publikation vermelden Maisin und Bruijnoghe!) die Resultate über die kreuzweise Komplementbindung von Sera, welche von Kaninchen herrührten, die mit einem Antistaphylococcus-Bakteriophagen und mit einem Anti-

hus-Bakteriophagen immunisiert waren. Das Serum wurde untersucht gegen Sta- phylokokken und Typhusbakteriophagen als Antigen. Jedes der Sera ergab unabhängig von dem benutzten Antigen eine positive Komplementbindung.

Gratia und Jaumain?), konnten ebenso wie andere nachweisen, daß ein Antibakteriophagenserum spezifisch die Wirkung des Bakteriophagen hemmt. Ein higa-Antibakteriophagenserum wird nur die Wirkung eines Shiga- Bakterio- plagen hemmen, aber keinen Einfluß auf diejenige anderer Bakteriophagen haben. iese Erscheinung hat allgemein Bestätigung gefunden, und die beiden Untersucher nehmen auf Grund dessen an, daß die Bakteriophagen nicht von einer Stammform durch Variation abgespalten sind, sondern folgern die Pluralität der Bakteriophagen.

Hierzu im Widerspruch würde die von d’Herelle und Maisin festgestellte Tatsache stehen, daß ein Antibakteriophagenserum mit allen Bakteriophagen Komple- mentbindung ergibt. Dieser Widerspruch erregte bei den Untersuchern die Vermutung, daß vielleicht die Bildung der komplementbindenden Stoffe mit der Anwesenheit des Bakteriophagen in den benutzten Antigenen nichts zu tun hat, sondern daß die Komplementbindung durch einen Stoff verursacht wird, der beim Stoffwechsel der Bakterien oder bei ihrer Lysis frei kommt. Eine Bakteriophagenkultur ist nämlich, wie schon im Oberstehenden dargelegt wurde, ein Gemisch verschiedener Stoffe und auch von Abbauprodukten der Bakterienkörper. Die Ergebnisse der von ihnen in dieser Richtung angestellten Versuche entsprachen völlig ihrer Erwartung.

Sie wiederholten ihre Versuche mal und führten die Komplementbindungs- versuche mit einem Anticolibakteriophagen und einem Antsa lokak kus- Bik- teriophagenserum aus. Bei jedem Versuch wurden die Antigene durch frisch be- reitete ersetzt. 2mal erhielten sie eine Reaktion, die bei der Komplementbindung ebenso spezifisch war, wie wir dies bei den Neutralisierungsversuchen mit Anti- bakteriophagenserum auf die Wirkung des Bakteriophagen kennen, abber bei den drei anderen Versuchen erhielten sie eine gekreuzte Komplementbindung, d. h. ein Coli- Antiserum ergab sowohl mit einem Coli- als mit einem Staphylokokkus- bakteriophagen Komplementbindung. Gerade in diesen Fällen erhielten sie auch eine gekreuzte pen one: wenn sie statt der Bakteriophagen alte Bouillon- kulturen von denselben Bakterien als Antigen gebrauchten.

Sie schließen aus ihren Versuchen, daß man sowohl in alten Bakterienkulturen als in Bakteriophagenlysaten ein gemeinschaftliches Antigen antrifft, das indessen mit dem Bakıcnönhacen nichts zu schaffen hat. Dieses Antigen ist zuweilen im- stande, der Spezifität der Komplementbindung Abbruch zu tun.

Auch Costa Cruz’) stellte Komplementbindungsversuche mit Bakteriophagen und Extrakten aus verschiedenen Bakterien an, während bei der Komplementbindung auch gewöhnliche Bouillon Martin als Kontrolle verwandt wurde. Er untersuchte

1) Bruijnoghe, R., et Maisin, J., Au sujet de l'unité du principe bactério- phage. (Compt. rend. Soc. de Biol. 1921. p. 1122—1124.) 2) Gratia, A. et Jaumain, D. Réaction de fixation de l’alexine et spéci- ficité antigenique des principes lytiques. (oomph rend. Soc. de Biol. 1922. p. 99—101.) 3) da Costa Cruz, J. Sur la lyse microbienne transmissible (Bactériophage de d’Herelle). (Memor. do Instit. Oswaldo Cruz. T. XIV. 1922. p. 81—93.) 15*

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die komplementbindenden Eigenschaften eines nr een eines Shiga-Bakteriophagen, eines Extraktes aus Flexner-Bazillen, eines Extraktee aus Shiga-Bakterien und Bouillon Martin, mit dem Resultat, daß in der Dosis von 0,1 I-Serum mit 0,5 ccm der Antigene stets komplette Bindung des Kom- plements auftrat.

Nach ihm müssen also die Ergebnisse d’Herelles durch die Annahme er- klärt werden, daß in der Bouillon, welche für die Bereitung der Bakteriophagen- kulturen benutzt wurde und mit welcher die Tiere immunisiert wurden, Stoffe vor- kamen, die infolge einer unvollständigen Pepsinwirkung bei der Bereitung der Bouillon ihre antigenen Eigenschaften behalten hatten.

Bei ihren Untersuchungen über Komplementbindung durch den Bakteriophagen benutzten Otto und Winckler?) ein Anti-Flexner-Bakteriophagenserum und ein Anti-Flexner-Serum. Als Antigene fanden ein Flexner-Lysin, eine Emul- sion von Flexner-Bazillen, ein Schüttelextrakt aus lebendem Flexner und ein a Extrakt aus Flexner-Bazillen Verwendung. Es zeigte sich nun. das Antibakteriophagenserum Komplementbindung ergab mit dem Lysin, weniger ut mit der Bakterienemulsion, aber verschieden stark mit den Schüttelextrakten. ie Schüttelextrakte aus lebenden Bazillen ergaben eine bessere Bindung als diejenigen aus den toten. Auch das antibakterielle Serum ergab mit dem tenons Komplementbindung, und zwar eine Reaktion, die nicht schwächer war als diejenige, welche mit der Bazillenemulsion und mit den Autolysaten auftrat.

Nach Sättigung der beiden Sera mit Flexner-Bazillen zeigte sich nun, daß das gesättigte Antibakteriophagenserum nur der Bazillenemulsion gegenüber etwas von seinen komplementbindenden Eigenschaften eingebülst hatte und gegenüber den anderen Antigenen auf gleiche Weise wie vor der Sättigung reagierte. Das anti- bakterielle Serum verlor nach der Sättigung allen Antigenen gegenüber an kople- mentbindender Kraft.

Die Sättigung des Antibakteriophagenserums war ohne Einfluß auf die hemmende Wirkung dieses Serums in bezug auf die Lysis, welche Flexner-Bazillen unter dem Einfluß von Bakteriophagen erfahren.

Merkwürdig ist, daß diese Untersucher aus ihren Resultaten den folgeuden Schluß ziehen:

„Die Resultate zwingen hinsichtlich der Natur des Bakteriophagen nicht zur Annahme eines besonderen ultravisiblen Mikroben, sondern sind durchaus mit der An- schauung vereinbar, daß das wirksame Agens beim d’Herelleschen Phänomen in kleinsten mit fermentativen Eigenschaften aus-

estatteten Bakterieneiweißteilchen besteht, die sich beim Zer- all der lebenden Bakterien bilden.“

Schließlich stellte auch Simpachi Osumi?) Untersuchungen an über Kom- plementbindung durch Bakteriophagen. Er verwandte einen Antibakteriophagen, ein antibakterielles und ein Antiautolvsatserum. Es wurde für jeden Versuch 0,1 cem Serum und 0,5 ccm Antigen gebraucht.

Er fand, daß das Antibakteriophagenserum zwar am kräftigsten mit dem Bakteriophagen eh aber daß auch das antibakterielle Serum und das Anti- autolysatserum in Kontakt mit dem Lysat eine Komplementbindung ergaben.

Aus dieser Literaturübersicht geht hervor, daß die Ansichten über die Bedeutung der Komplementbindungsversuche von Bakteriophagen mit Antibakteriophagensera als Beweis für oder gegen die unita- ristische Auffassung aller Bakteriophagen recht voneinander abweichen.

Zwar konnten fast alle Untersucher, welche die d’Herelleschen Versuche, entweder in der ursprünglichen oder in modifizierter Weise. wiederholten, Komplementbindung erhalten, aber sie sehen bis auf eine vereinzelte Ausnahme in dieser Erscheinung keinen Beweis für die Meinung, als sollten die positiven Komplementbindungsversuche etwas für d Herelles Auffassung beweisen.

1) Otto, R.. und Winckler, W. F, Ueber die Natur des d’ Herelleschen Bakteriophagen. (Dtsch. med. Woch. 1922. S. 383—384.)

2) Osumi, S., Serologische Studien mit einem Bakteriophagen. (Ztschr. f. Immunitätsforsch. Bd. 40. S. 261 --267.)

Flu, Komplementbindungsversuche mit Kaninchenserum usw. 229

Da mir Bakteriophagen zur Verfügung standen, die auf Bakterien eingestellt waren, welche im Bakteriensystem sehr weit auseinander- stehen, entschloB ich mich, mit diesen Bakteriophagen Komplement- bindungsversuche anzustellen.

Ich benutzte für diese Untersuchung die folgenden Bakteriophagen :

1) Einen Shiga-Bakteriophagen, den d Herelle aus den Faeces eines Patienten mit bazillärer Dysenterie isolierte. Dieser Bakteriophage war wiederholt übergeimpft und war in Verdünnungen 10—!° sehr aktiv.

2) Einen Antistaphylokokkus-Bakteriophagen, ebenfalls von d’He- relle isoliert und auf dem Staphylokokkus St. Qu. in der Verdünnung 10% aktiv.

3) Einen Coli-Bakteriophagen, im Institut isoliert und in der Verdünnung von 10-8 aktiv auf den Coli-Stamm, der zu seiner Weiter- züchtung diente.

4) Einen Cholerabakteriophagen, von mir aus einem lysogenen Cho- lerastamm isoliert und in der Verdünnung von 10-7 bis 10-8 auf einem Cholerastamm 22 aktiv.

5) Einen Pestbakteriophagen, von d’Herelle aus den Faeces einer Ratte isoliert und auf alle Peststämme, die untersucht wurden, in der Verdünnung 10? aktiv.

Alle diese Bakteriophagen waren also sehr aktiv und während so langer Zeit auf den Bazillen, auf die sie spezifisch wirken, weiter- gezüchtet, daß man mit Sicherheit annehmen durfte, daß sich in den Bak- teriophagenkulturen außer den Bestandteilen der Bouillon nur diejenigen des für die Weiterzüchtung dienenden Bazillus und des Bakteriophagen befanden.

Die Immunsera wurden in der Weise erhalten, daß Kaninchen intravenös mit Bakteriophagen injiziert wurden, die durch Filtrierung von den nicht aufgelösten Körpern der Nährbakterien gereinigt waren. Mit Intervallen von 5 Tagen wurden die Kaninchen mit steigenden Dosen Bakteriophagenkultur behandelt, und zwar mit 1, 2, 3 und 5 ccm. 9 Tage nach der letzten Injektion wurden mittels Herzpunktion 15 ccm Blut steril gesammelt und das erhaltene Serum nach Zentrifugicrung durch Erhitzen während 1/, Std. bei 500 C inaktiviert.

Eine vorläufige Untersuchung hatte gelehrt, daß die Inaktivierung keinen Einfluß auf die komplementbindenden Eigenschaften des Serums hatte. Bei den Komplementbindungsversuchen wurden diese Sera in verschiedenen Verdünnungen mit den Antigenen zusammengebracht.

Als Antigene wurden die in bakteriologischer Hinsicht sterilen Filtrate des Bakteriophagen benutzt. Stets wurde kurz vor dem Ver- such dic Virulenz durch wiederholte Ueberimpfung auf gut lysable Stämme so hoch wie möglich gesteigert und wurden die Filtrate durch Ausstrich auf Agar und durch Hineinbringen einer Menge von 3—4 ccm des Filtrats in eine große Menge Bouillon auf Sterilität hin unter- sucht.

Als Komplement benutzte ich wie gewöhnlich Caviaserum. Die Dosis schwankte in verschiedenen Versuchen und wurde gegen jedes Serum und gegen jedes Antigen erst genau austitriert.

Es zeigte sich, daß die Antigene und sogar gewöhnliche Bouillon zuweilen verhältnismäßig viel Komplement binden. In erhöhtem Mabe

230 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2.3.

war dies mit dem Serum der Kaninchen der Fall. Diese Eigenschaft war mir schon aus Komplementbindungsversuchen, welche ich in Indien verrichtete, bekannt. Bisweilen banden die dort von mir untersuchten Kaninchensera soviel Komplement, daß sie nicht für die Bindung- versuche gebraucht werden konnten.

Dadurch, daß ich eine Komplementmenge gebrauchte, die 0,02 cem Meerschweinchenserum größer war als die Summe der Mengen, welche mit Antigenen und Serum gesondert untersucht gerade gute Lysis gab, war die Möglichkeit, daß eine eventuelle positive Komplementbindung nicht viel anders sein würde als eine Summation der selbstbindenden Eigenschaften des Antigens und des Serums, ausgeschlossen.

Das angewandte hämolytische Serum gegen Schafblutzellen hatt einen Titer von 4000 und wurde in der 5mal lösenden Dosis sowohl im Hauptversuch als auch beim Austitrieren des Komplements ge- braucht. Sowohl hierbei als bei dem Hauptversuch war die Suspension roter Blutzellen 4 Proz. stark

Insgesamt führte ich 4 Versuchsserien aus.

In der 1. Serie wurden ein Anticholerabakteriophag, ein Antı- pestbakteriophag, ein Anti-Shiga-Bakteriophag und ein Antistaphylo- kokkenbakteriophagenserum einzeln gegenüber all den bereits genannten Bakteriophagen untersucht.

Alle Sera hatten eine stark antilytische Wirkung und eine nähere Untersuchung lehrte, daß diese Wirkung eine spezifische war; ein Antistaphylokokkenserum hemmte z. B. nur die Wirkung eines Staphylo- kokkenbakteriophagen, war aber unwirksam auf Pest-, Shiga- und Cholerabakteriophagen.

Die Antigene banden, in der Menge von 1 ccm untersucht, 0,04 ccm Caviaserum, während die Antibakteriophagensera nicht weniger als 0,09 ccm des Caviaserums banden. Für den Hauptversuch wurde daher für die Antigen-Antiserumröhrchen 0,15 ccm und für die Serum- kontrollversuche 0,1 ccm Caviaserum benutzt.

Der Hauptversuch wurde folgendermaßen ausgeführt:

1 ecm Antigen + 0,15 Caviaserum + Antibakteriophagenserum. bis zu 1 ccm mit 0,9 NACI- in drei Röhrchen, jedes Lösung mit Mengen von 0,2, 0,1

und 0.01 ccm Serum.

Danach wurde alles bis auf ein Volumen von 3 ccm gebracht und während 1 Std. bei 379 C gehalten, worauf dem Gemisch 1 ccm einer Verdünnung 1,800 hämolytisches Serum und 1 ccm 0,4proz. Suspension roter Blutzellen des Schafes zugesetzt wurde. Darauf wurde alles wieder auf 370 C gebracht und die Resultate abgelesen, sobald die Kontrollen gelöst waren.

Zur Kontrolle dienten: 1 ccm jedes Antigens —- 0,04 ccm Cavia- serum. 0,2 ccm Kaninchenserum 0,9 cem Caviaserum.

Die nachstehenden Tabellen geben eine Ucbersicht der erreichten Resultate:

Flu, Komplementbindungsversuche mit Kaninchenserum usw. 231

Komplementbindungsversuch mit einem Anticholerabakteriophagenserum gegenüber verschiedenen Bakteriophagen.

Cholerabakteriophage 1 ccm + 0,15 Komplement + 0,2 Serum = ++++ » l , +0, » +01 , = ++++ 1 + 0,15 n + 0,01 m = +++ Pestbakteriophage 1, +01 ; + 0,2 „n = +++ 1 n + 0,15 n Ag 0,1 n == ++ = l „+01 M + 00 „= —— Staphylokokkenbakteriophage 1 + 0,15 $ + 0.2 » = +++ ; l + 0,15 š + 0,1 = ++ m 1 » + 0,15 5 + 0,01 Pr = + Shigabakteriophage l1 ,„ + 0,15 š + 0,2 „= ++++ n 1 » + 0,15 n + 0.1 n” = ++ » l n + 0,15 P + 0.01 n =

Komplementverbindungsversuch mit einem Antipestbakteriophagenserum gegenüber verschiedenen Bakteriophagen.

Cholerabakteriophage l cem + 0,15 Komplement + 0,2 Serum = ++++ 1 „+ 0,15 = + 0,1 . = +++ » 1 n + 0,15 n + 0,01 » = ++ Pestbakteriophage l +015 ; + 0,2 = ++++ » l , + 0,15 5 + 0,1 : z ee » 1 u SE 0,15 + 0,01 n == + Staphylokokkenbakteriophage 1 + 0,15 k + 0,2 „n = ++++ » 1 n + 0.15 n 4- 0.1 = +++ » l +015 s + 0,01 = + Shigabakteriophage 1, +0,15 2 + 0,2 „» = ++++ l +0,15 n + 0,1 „m ++ i l1 , +0,15 k LOOL u => ce

Komplementbindungsversuch mit einem Antshigabakteriophagenserum gegenüber verschiedenen Bakteriophagen.

Cholerabakteriophage 1 ccm + 0,15 Komplement + 0,2 Serum -= ++ + + 1 +0,15 5 + O, 5 +++ » 1 p + 0.15 n + 0,01 en == + Pestbakteriophage 1, +0,15 i + 0,2 = ++++ » l a +015 n + 0,1 n»n = +++ ? 1, + 0,15 i +00 p, == —— Staphylokokkenbakteriophage 1 + 0,15 ñ + 0.2 R +++ 1 » + 0,15 p + 0,1 Zs ++ À 1 n + 0,15 “no + 0,01 n == + Shigabakteriophage l + 0,15 M + 0,2 „n = ++++ n l +015 » +01 20 +++ l +0,15 » + 001 „= ——

Komplementbindungsversuch mit einem A ntistaphylokokkenbakteriophagen- serum gegenüber verschiedenen Bakteriophagen.

Cholerabakteriophage 1 ccm + 0,15 Komplement + 0,2 Serum = ++++ 1 » + 0,15 2) + 0, Z) = +++ se 1. + 0,15 3 +001 „n = ++

Pestbakteriophage 1 + 0,15 ` +02 č = ++++

l +01 X + 0.1 ++ = l à +0,15 + 0.01 == + Staphylokokken- bakteriophage 1 +015 : + 0.2 sn = ++++ | l1 + 0,15 i + 0,1 » = +++ , sj l1 + 0,15 n + 0.01 | = ++

Shigabakteriophage 1, + 0,15 + 0,2 >, = ++++ n l + 0,15 i + O1 p = + 1 + 0.15 m + 0.01 = _——

232 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

In den Tabellen (S. 231) bedeutet: ++++ völlige Hemmung der Hämolyse. +++ deutlicher Niederschlag roter Biutzellen, über demselben eine durch teilweise Hämolyse rot gefärbte Flüssigkeit. ++ wenig Niederschlag roter Blutzellen, darüber eine stark rot gefärbte Flüssigkeit. + im Vergleich zu der Kontrollflüssigkeit ist der Inhalt des Rôhrchens trübe, aber ein deutlicher Niederschlag roter Biutzellen ist nicht vorhanden. vollständige Hämolyse.

N.B. Alle Kontrollsera waren vollständig gelöst.

Man sicht, daß jedes der Immunsera mit allen untersuchten Bak- teriophagen eine positive Komplementbindung ergibt, bisweilen sogar auch dann, wenn 0,01 ccm des Serums untersucht wird . Es wäre jedoch voreilig, aus diesem Resultat schließen zu wollen, daß d’Herelle recht hat und dab alle Bakteriophagen aus einer einzigen Art durch Variation entstanden sind. Denn für die Bereitung der Antisera wurden die Kaninchen mit Bakteriophagenkultur und also auch mit der Nähr- bouillon eingespritzt. Nun ist es zwar nicht sehr wahrscheinlich, daß das infolge der Sterilisierung bei 1200 C denaturierte Eiweiß aus der Bouillon eine kräftige Antikörperbildung bewirkt haben soll; aber es mußte doch dieser Möglichkeit Rechnung getragen werden.

Es wurde nun eine Anzalıl Kaninchen mit steigenden Dosen ge- wôhnlicher Nährbouillon intravenös eingespritzt und das Serum der so behandelten Tiere nach der oben beschriebenen Methode der Komple- mentbindung auf spezifische Bindung gegenüber der Bouillon unter- sucht. Das Resultat war vollkommen negativ.

Die bei der Komplementbindung erzielten positiven Ergebnisse konnten mithin nicht der Bouillon zugeschrieben werden, in welcher man die Bakterien und die zugehörigen Bakteriophagen wachsen lieb.

Nunmehr war noch zu untersuchen, ob die Beobachtung Gratias und Jaumains, daß auch Extrakte und Bakterien imstande sind, mit den Antibakteriophagensera eine positive Komplementbindung zu er- geben, bestätigt werden kann. Gleichzeitig wollte ich auch das Serum normaler Kaninchen, die also niemals zu Immunisierungsversuchen be- nutzt waren, in den Ralımen meiner Untersuchung aufnehmen. Ich hatte mich hierzu entschlossen auf Grund früherer Erfahrung, die mich. wie oben mitgeteilt, gelehrt hatte, daß nicht selten das Serum normaler Kaninchen mit verschiedenen Flüssigkeiten seinerzeit hatte ich Extrakte aus Hefezellen untersucht eine positive nicht spezifische Komplementbindung ergibt.

4 Kaninchen wurden in der oben beschriebenen Weise mit ver- schiedenen Bakteriophagen immunisiert und das Serum am 9. Tage nach der letzten Einspritzung gesammelt.

Für den Hauptversuch wurden Mengen von 0,5 ccm Antigen und 0.05 ccm des Serums benutzt. Die Dosis Komplement, welche gerade imstande war, bei einer Kombination dieser Quanta normalen Kaninchen- serums und Bakteriophagen vollkommene Hämolyse herbeizuführen, wurde auf 0,08 Caviaserum bestimmt. Daher wurde im Hauptversuch 0,1 ccm Caviaserum benutzt.

In der Menge von 0,5 ccm band das Antigen praktisch kein Kom- plement; aber sogar das Quantum 0,05 ccm Kaninchenserum zeigte aus- gesprochene Hemmung, wenn 0,04 cem Caviaserum als Komplement- dosıs angewandt wurde.

Flu, Komplementbindungsversuche mit Kaninchenserum usw. 233

Außer diesen Immunsera wurde auch noch das Serum von 4 nor- malen Kaninchen untersucht. 3 dieser normalen Tiere lieferten ein Serum, das in Kombination mit den von mir benutzten Antigenen kein Komplement band; aber cines der Sera ergab, wie sich aus der fol- genden Tabelle zeigt, eine typische Reaktion. |

In der nachstehenden Tabelle habe ich den Versuch nicht so detailliert aufgezeichnet wie bei Serie 1.

Komplementbindungsversuch: Antibakteriophagenserum 0,05 cem + 0,5 cem Antigen + 0,1 ccm Caviaserum.

Anticholerabakteriophagenserum.

Cholerabakteriophage = +++ + Choleravibrionenextrakt _-++++ Shigabakteriophage PR

Shigabazillenextrakt sou Staphylokokkenbakteriophage =

Staphylokokkenextrakt = Pestbakteriophage = + ++ + Pestbazillenextrakt == + ++ +

Gewöhnliche Bouillon es ne

Antipestbakteriophagenserun.

Pestbakteriophage Pestbazillenextrakt Gewöhnliche Bouillon

Cholerabakteriophage =-++++ ‚Choleravibrionenextrakt = + + + + Shigabakteriophage +++ Shigabazillenextrakt = +++ Staphylokokkenbakteriophage = ++ + Staphylokokkencxtrakt = +++

Antishigabakteriophagenserum.

Cholerabakteriophage = +t+++ Choleravibrionenextrakt =++++ Shigabakteriophage = + +++ Shigabazillenextrakt = +++ + Staphylokokkenbakteriophage = +++

Staphylokokkenextrakt = +++

Pestbakteriophage = ++++ Pestbezillenextrakt = + +++

Gewöhnliche Bouillon

z e B

Antistaphylokokkenbakteriophage:

Cholerabakteriophage Choleravibrionenextrakt Shigabakteriophuge Shigabazillenextrakt Staphylokokkenbakteriophage Staphylokokkenextrakt Pestbakteriophage Pestbazillenextrakt Gewöhnliche Bouillon = ————

Da a u ++++ +++ ++++r+++ ++++t+++

234 Centralbl. f. Bakt. etc. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

Serum eines normalen nicht behandelten Kanin chens.

Cholerabakteriophage = +++ Choleravibrionenextrakt = ++ Shigabakteriophage = ++ Shigabazillenextrakt = ++ Staphylokokkenbakteriophage = ++ Staphylokokkenextrakt = ++ Pestbakteriophage = +++ + Pestbazillenextrakt = + ++ +

Gewöhnliche Bouillon

-— m (m |

Dieser Versuch lehrt, daß ein Antibakteriophagenserum nicht nur mit verschiedenen Bakteriophagen, sondern auch mit Extrakten aus allerhand Keimen eine positive Komplementbindung ergeben kann, und wir würden bei oberflächlicher Betrachtung geneigt sein, in den Aus- spruch Gratias und Jaumains einzustimmen, daß nicht die Bak- teriophagen in den verschiedenen Bakteriophagenkulturen als Antigen fungieren, sondern wohl ein uns noch unbekannter Stoff x, welcher in allen Bakterien vorkommt, bei der Auto- oder spezifischen Lysis der Mikroben frei wird und imstande ist, bei Hineinbringen in die Blut- bahn von Kaninchen Antikörper zu erzeugen, welche mit Bakteriophagen und mit Extrakten aus den Bakterien Komplement binden können.

Indessen rief das mit dem Serum eines normalen Kaninchens er- haltene positive Resultat schon sofort bei mir die Vermutung wach. daß die Erscheinung vielleicht anders erklärt werden mußte und nicht einer Eigenschaft der benutzten Antigene, sondern einer solchen der benutzten Kaninchensera zuzuschreiben war.

Falls sich zeigen würde, daß ein durch intravenöse Behandlung eines Kaninchens mit spezifischen Keimen bereitetes Immunserum nicht nur mit der Mikrobe, die für seine Bereitung benutzt wurde, sondern auch mit Extrakten aus andern Mikroben und sogar auch mit Suspen- sionen solcher Bakterien ein positives Resultat ergäbe, dann würde doch die Methode der Komplementbindung viel von der großen diagnostischen Bedeutung, die man ihr noch ziemlich allgemein zuerkennt, verlieren. Jedenfalls müßten alle auf Grund des Ergebnisses von Komplement- bindungsversuchen, bei denen Kaninchenserum Verwendung fand, ge- zogenen Schlüsse einer gründlichen Revision unterzogen werden.

Schon jetzt konnte nach demjenigen, was die vorstehend beschric- benen Versuche uns gelehrt haben, gefolgert werden, daß man einer positiven Komplementbindung so gut wie keinen spezifischen Wert: zu- zuerkennen braucht, wenn das bei einer solchen Reaktion benutzte Immunserum von einem Kaninchen herrührt und man als Antigen Ex- trakte aus Bakterien verwendet.

Die ganze Frage war so wesentlich, daß ich mich entschloß, eine noch größere Anzahl Versuche anzustellen und diese auch teilweise zu varlieren.

Vor dem Beginn des Versuches untersuchte ich erst das Serum einer großen Anzahl Kaninchen, die niemals für einen Versuch ver- wendet waren, auf nicht spezifisch bindende Stoffe. Es zeigte sich, dab von 10 untersuchten Kaninchen zwei ein Serum hatten, das in der Menge von 0,05 cem mit verschiedenen Extrakten und Bakteriovhagen

Flu, Komplementbindungsversuche mit Kaninchenserum usw. 235

eine von der spezifischen nicht zu unterscheidende Komplementbindung ergaben. Eines der anderen Tiere lieferte ein Serum, das in sehr ge- ringen Maße mit Bakteriophagen aus Cholera, Shiga, Pest und Sta- phylokokken Komplement band. Dieses Kaninchen wurde als Nr. 82 in die Versuchsserie aufgenommen, da ich es interessant fand, zu ver- folgen, wie dieses Tier sich bei der folgenden Immunisierung verhalten würde. Die anderen 6 Tiere hatten ein Serum, das in der Menge von 0,05 keinerlei spezifische Reaktionen mit den Bakteriophagen oder den Extrakten aus den Bakterien oder verschiedenen Extrakten aus Rinderherzen und ebensowenig mit Suspensionen von Bakterien, auf welchen die von mir im ‘Versuch benutzten Bakteriophagen weiter- gezüchtet wurden, eine Komplementbindung ergab.

Von diesen Kaninchen wurden 2 intravenös mit steigenden Dosen Staphylokokkenbakteriophagen und 2 mit steigenden Mengen eines Ex- traktes aus Staphylokokken behandelt.

Gleichzeitig wurden zwei Meerschweinchen zunächst intraperitoneal und danach intrakardial mit demselben Antistaphylokokkenbakterio- phagen und noch zwei weitere in derselben Weise mit dem Extrakt aus den Staphylokokken behandelt. |

Für die intraperitoneale Einspritzung, welche 3mal mit Zwischen- räumen von 5 Tagen wiederholt wurde, benutzte ich bzw. 5, 10 und 10 ccm Bakteriophagen oder Staphylokokkenextrakt und für die intra- kardiale Injektion eine Bakteriophagen- oder Extraktmenge von 5 ccm. Am 9. Tage nach der intrakardialen oder der 4. intravenösen Injektion wurde Blut gesammelt und auf Komplementbindung hin untersucht.

Serum von Kaninchen 44 und 5, die 5mal nacheinander intravenös mit Anti- staphylokokkenbakteriophagen injiziert wurden:

0,1 Serum + 0,5 Antigen + 0,1 Caviaserum.

Gegen Staphylokokkenbakteriophagen = ++++ » Staphylokokkenextrakt = ++++ » Suspension von Staphylokokken in 0,9proz. Nat! = » Cholerabakteriophagen | —++++ » Suspension von Choleravibrionen = —— Shigabakteriophagen = ++++ » Suspension von Shigabakterien = —— » Pestbakteriophagen = ++++ » Extrakt aus Rinderherzen = —— normale Bouillon E

Sera von Kaninchen 82 und 28. Die Tiere wurden 5mal nacheinander intravenös mit einem Extrakt aus Staphylokokken eingespritzt.

0,1 Serum + 0,5 Extrakt + 0,1 Caviaserum.

Extrakt aus Rinderherzen gewöhnliche Bouillon

Gegen Staphylokokkenbakteriophagen = +++ » Staphylokokkenextrakt = ++++ Staphylokokkensuspension = ++ » Cholerabakteriophagen ana » Choleravibronenextrakt = —— Sbigabakteriophagen = ++++ » Suspension von Shigabakterien RER » Pestbakteriophagen = ——

236 Centralbl. f. Bakt. ete. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft 2/3.

Dic Sera der Meerschweinchen, welche Antistaphylokokkenbakteriv- phagen eingespritzt waren, ergaben mit allen Extrakten, gegenüber denen sie untersucht wurden, eine völlig negative Reaktion. Nur eines der mit einem Staphylokokkenextrakt injizierten Meerschweinchen er- gab mit einem Extrakt aus Staphylokokken in Kontakt mit dem Anti- staphylokokkenbakteriophagen und mit einer Suspension dieser Mi- kroben eine schwach positive Komplementbindung.

Schließlich gebe ich nachstehend noch eine Tabelle einer Versuchs- serie, bei der 6 Kaninchen benutzt wurden. Vor dem Beginn des Ver- suches war auch von diesen Tieren das Serum gegenüber jedem der zu verwendenden Antigene auf komplementbindende Eigenschaften hin unter- sucht. Das Tier wurde dann unabhängig von dem Resultat dieser Unter- suchung behandelt und das am 9. Tage nach der letzten intravenösen Einspritzung erhaltene Serum wurde noch einmal gegenüber denselben Antigenen, wie sie zu Anfang des Versuches gebraucht wurden. untersucht. |

Mit welchem Antigen wurden die Kaninchen intravenös injiziert und welches Resultat ergab die Untersuchung auf komplementbindende Eigenschaften gegenüber den Antigenen sowohl vor als nach der Immunisierung ?

ZU aissen a ame. Welches Antigen? mean | Cholera- Siaphyl- Bus. | Col | eue | g extrakt . vibrio | extrakt | pension extrakt | pension v. L'n. Lv. Ion. Liv. Lio. Lv. Lin. Lv . Lin. Liv. In: i | = l ; Vibrio cholera-Suspension + +: | PR En U a u | ne Choleraextrakt mit =i+i-;+l-i— ne et Cholerabakterioph. fe leer ee ee nd: a Staphylokokkeususpension | dac un Len to nn de Staphylokokkenextrakt RS en ee Staphylokokkenbakterioph. —- | | + + -.-|-'+ Colisuspension | ee se es | _- Coliextrakt + +. gen re 2 Colibakterioph. RE NE er ae ae ee ern ae Pestbakterioph. | le a. u es urn Te Shiga-Bakterioph. =: ee sh: net ae ee Bouillon rs - | -!1-,ı-'-|- | | E | | MARA v. I. = vor der Immunisierung. n. I. = nach der Immunisiernng.

Die Resultate der in den vorigen Seiten mitgeteilten Versuche berechtigen uns zu den folvenden Schlüssen : /

1) In dem Serum eines gewissen Prozentsatzes normaler Kaninchen kommen Stoffe vor, welche imstande sind, in Verbindung mit Bakterio- phagen oder Extr: akten aus verschiedenen Bakterien, aber selten auch mit Suspensionen von Bakterien, Komplement. zu binden und dadurch eine Reaktion zu ergeben, die von einer spezifischen Komplementbindungs- reaktion nieht zu unterscheiden ist.

2) Im Serum von Kaninchen, die intravenös mit. Bakteriophagen immunisiert sind, kommen Antikörper (?) vor, die nicht nur in Ver-

Flu, Komplementbindungsversuche mit Kaninchenserum usw. 237

bindung mit Bakteriophagen, welche für die Immunisierung verwandt wurden, sondern auch mit allen anderen Bakteriophagen und mit Filtraten alter Bouillonkulturen verschiedener Bakterien, sehr selten mit Suspensionen jener Bakterien eine Komplementbindung ergeben.

3) Das Serum von Kaninchen, die mit Extrakten aus Bakterien und auch mit Filtraten alter Bouillonkulturen dieser Bakterien immuni- siert sind, ergibt zuweilen nur spezifische Komplementbindungen, ob- wohl auch solche Sera mit nicht spezifischen Bakteriophagen und Bak- terienextrakten ein positives Resultat ergeben können.

4) Das Serum von Kaninchen, die mit Suspensionen von Bakterien immunisiert sind, ergibt in der Regel nur mit Suspensionen von Mi- kroben, die für die Immunisierung benutzt wurden, eine positive Re- aktion.

Außerdem lehren diese Ergebnisse uns, daB d Herelle mit Unrecht aus dem Resultat seiner Untersuchung nach den komplementbindenden Eigenschaften von Bakteriophagen die Einheitlichkeit der letzteren folgerte. Es ist möglich, daß alle Bakteriophagen nichts anderes als Varianten einer und derselben Stammform sind; aber durch den Komple- mentbindungsversuch ist dies nicht zu beweisen.

Auch lehren sie uns vorsichtig zu sein bei der Beurteilung aller Komplementbindungsversuche, bei welchen Kaninchen das Serum lieferten, das als „spezifisches Serum‘ mit einem Antigen eine positive Komplementbindüng ergab.

Namentlich ist dann bei dem Ziehen von Schlüssen Vorsicht ge- boten, wenn die benutzten Antigene aus Extrakten von Mikroorganismen bestehen oder aus Flüssigkeiten, welche man mit solchen Extrakten vergleichen kann. Ich nenne nur Kuhlvmphe, Eiter aus Abszessen, Exsudate usw.

Es ist schon seit langem bekannt, daß das Serum normaler Ka- ninchen nicht selten eine positive Wassermann-Reaktion ergibt.

Nach Blum!), der kürzlich eine ausführliche Abhandlung über die Wassermann-Reaktion bei Untersuchung des Serums normaler und mit Syphilis infizierter Kaninchen schrieb, war Michaelis der erste. der bei der Untersuchung des Serums gegen Typhusbazillen immunisierter Kaninchen mittels der Wassermannschen Reaktion ein positives Re- sultat erhielt. Seitdem ist dieses Phänomen von verschiedenen Unter- suchern beobachtet und hat man versucht, dasselbe zu erklären. Zahl- reiche Theorien sind diesbezüglich aufgestellt und auch viele Ex- perimente sind vorgenommen, ohne daß es gelungen ist, eine befriedigende Erklärung dieser Tatsache zu geben. Wahrscheinlich spielen Staff- wechselprodukte, welche in das Serum geraten, eine Rolle. Ich werde hierbei nicht lange verweilen und nur vermelden, daB Blum bei einer Untersuchung von 628 Sera normaler Kaninchen nach der ursprüng- lichen von von Wassermann angegebenen Methode nur 380 nega- tive Reaktionen erhielt; 163 Tiere reagierten mehr oder weniger stark positiv und bei 83 war die Reaktion zweifelhaft. Es zeigte sich ihm weiter, daß die Reaktion nicht konstant mit dem Serum eines und desselben Tieres zu erhalten war. Sera von Tieren, die positiv

1) Blum, K., Ueber die Wassermannsche Reaktion im Serum normaler und syphilitischer Kaninchen. (Ztschr. f. Immunitätsforsch. Bd. 10. S. 195--212.)

t

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reagiert hatten, ergaben einige Tage später ein negatives Resultat und umgekehrt.

Im Hinblick auf den uns interessierenden Gegenstand ist die Be: achtung Landsteiners, Müllers, Levaditis und Yamanouchis und anderer von Wichtigkeit, daß ein negativ reagierendes Serum von Kaninchen, die experimentell mit bakteriellen und protozoären Krank- heiten infiziert sind, in ein positiv reagierendes Serum umgewandelt werden kann.

In diesem Zusammenhang ist auch die Beobachtung Blumenthal: und Calcaterras von Bedeutung, daß namentlich, oder gar ausschließ- lich das Serum von an Kokzidiose leidenden Kaninchen solche posi- tive Reaktionen ergaben. Der letztere Untersucher konnte sogar ber Tieren, die er geraume Zeit unter Kontrolle hatte und bezüglich deren er durch regelmäßige Kontrolle festgestellt ‚hatte, daß die Wasser. mannsche Reaktion konstant negativ war und blieb, diese Reaktion in eine positive verändern, indem er die Tiere mit Kokzidien infi- zierte. Andere Untersucher konnten jedoch dieses Resultat nicht bestätigen.

Verfolgt man die Literatur über diesen Gegenstand, so erhält man den Eindruck, daß die genannte "Eigenschaft des Kaninchenserums eine sehr launenhafte und daß die Ursache dieser Erscheinung uns völlig unbekannt ist. Wie aus den Protokollen in meinen Versuchen er- sichtlich, reagierten die Sera der von mir untersuchten Tiere negativ gegenüber Extrakten, welche ich bei der Wassermann-Reaktion verwende.

Von großer Bedeutung für unseren Gegenstand sind Untersuchungen aus dem Institut von Hans Sachs. in Heidelberg, welche von Take- nomata!) ausgeführt wurden.

Er konstatierte, daß normales Kaninchenserum in einigen Fällen nicht nur ebensogut wie ein von Kaninchen gewonnenes Immunserum gegen Staphylokokken eine positive Komplementbindung ergab, sondern daß in einigen Fällen diese Reaktion mit dem normalen Serum viel deutlicher und überzeugender sein konnte, als es mit dem Immunserum der Fall war. Auch mit gewöhnlicher Bouillon ergab das Serum eine positive Reaktion, eine Erscheinung, die ich, wie oben zu schen ist nicht habe wahrnehmen können, aber die vielleicht wohl zutage getreten wärc, wenn ich statt Bouillon Martin, Peptonbouillon für meine Unter- suchung gewählt hätte. Denn Takenomata erhielt auch mit Pepton- lösung positive Komplementbindung.

. Er sah ferner, daß nach langem Aktivieren das Serum diese Eigen- schaft. verlor und daß, wenn man die Bindung von Antigen und Anti- serum mit dem Komplement bei 0% C geschehen ließ, die Reaktion der normalen Sera nicht auftrat und sich nur die spezifischen Reaktionen einstellten.

Außer mit Bouillon ergaben die Sera auch mit Peptonlösungen. mit Kobragift, mit Diphtherie und Tetanustoxin, mit Extrakten, wie

1) Takenomata, N. Ueber nichtspezifische Komplementbindungserscheinungen und ihre Abhängigkeit von der Kolloiedlabilität des Blutserums. (Ztschr. f. Immunitätst. Bd. 41. =. 505—9335.)

Flu, Komplementbindungsversuche mit Kaninchenserum usw. 239

sie für die Wassermann -Reaktion gebraucht werden und mit zahl- reichen sogenannten Pseudoantigenen (Bakterienkulturen, Suspensionen von Bakterien, Suspensionen von Insulin usw.) eine nicht spezifische Koomplementbindung.

Wichtig ist, daß auch Sera von Menschen sich auf ähnliche Weise verhalten können, aber labile Sera, z. B. diejenigen Schwangerer, re- agieren viel stärker als normale. Auch bei solchen Sera traten die nicht spezifischen Reaktionen in den Hintergrund, wenn man die Bin- dung bei 09 C stattfinden ließ.

Sehr mit Recht schließt Takenomata seine Untersuchung, welche sich trefflich meinem Befunde bei den Versuchen über Komplement- bindung durch Antibakteriophagenserum anschließt, mit der nach- stehenden Folgerung: |

„Uebereinstimmend aber zeigen meine Versuche, daB die Fähigkeit zur unspezifischen Komplementbindung sich auf zahlreiche Agentien erstreckt, die man zweckmäßig als Pseudoantigene zusammenfaßt. Für die Methodik spezifischer Komplementbindungsverfahren wird der Inter- ferenz derartiger Labilitätsreaktionen mit Pseudoantigener besondere Beachtung geschenkt werden müssen.‘

Gleichzeitig ergibt sich, wie ich schon bemerkte, die Notwendigkeit, mit dem Ziehen von Schlüssen aus Komplementbindungsversuchen, bei welchen das Serum von Kaninchen herrührt und man als Antigene Agenzien benutzte, die als Pseudoantigene dienen könnten und nach Takenomata können fast alle Antigene als solche auf- treten äußerst vorsichtig zu sein. Eine große Anzahl solcher Ver- suche muß sicherlich ganz revidiert werden.

In der letzten Zeit nimmt immer mehr das Interesse für die Kom- plementbindungsreaktion bei Tuberkulose zu. Man verwendet hierbei verschiedene Antigene: aber sie stimmen: doch mehr oder weniger darin überein, daß sie Extrakte aus Tuberkelbazillen oder Suspensionen von diesem Bazillus enthalten. In solchen Suspensionen werden die Bazillen, wenn auch vielleicht in geringem Grade, mazeriert werden, und so wird die Suspension nach einer gewissen Zeit auch Produkte ent- halten, welche aus den Körpern der Tuberkelbazillen gelaugt sind. Sie werden also wieder in schwache Extrakte verändert sein.

Nun ist schon lange bekannt, daß Sera von Tuberkulosepatienten, nalmentlich wenn der Prozeß aktiv ist, ebenso wie diejenigen von Krebskranken und Patienten mit anderen chronischen Krankheiten labil sind. Solche Sera sind zuweilen für die Wassermannsche Re- aktion nicht verwendbar, da sie nicht spezifisch positiv reagieren, meistens selbst ziemlich viel Komplement binden. In dem letzteren Fall ist die Gefahr nicht so groß, da man bei dem Kontrollversuich die Eigenhemmung entdecken und die Sera bei der Untersuchung ausschalten wird.

Es ist indessen nicht unmöglich, daß solche Sera eine geringe, für die Wassermann-Reaktion nicht störende Figenhemmung besitzen, aber in Verbindung mit einer Dosis Pseudoantigen, die selbst auch kein Komplement bindet, starke antikomplementäre Eigenschaften zu zeigen beginnt und eine positive, aber dann nicht spezifische Kom- plementbindung ergibt.

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Diese Nichtspezifität der Bindung ist dann mit keinem einzigen Mittel zu ergründen, es sei denn, daß später allgemein bestätigt wird. daß die Methode Takenomatas, die Bindung mit solchen Sera bei

09 C stattfinden zu lassen, hier einen Ausweg bietet.

Aufnahmebedingungen

für das Centralblatt für Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektions krankheiten.

Die Manuskripte müssen druekfertig eingesandt werden. Notwendig werdende Umarbeitungen und Korrekturen können auf Wunsch durch die Redaktion gegen entsprechende Vergütung besorgt werden.

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Inhalt.

Bitter, L., Gundel, M., u. Sancho, T. Garcia, Ueber Lebensäußerungen von Corynebakterien. S. 132.

Csontos, Josef, Die Indolbildung des Ba- cillus bipolaris avisepticus, S. 175.

Fiu, P. C., Komplementbindungsversuche mit Kaninchenserum gegenüber Bakterio- phagen und Bakterienextrakten, 8. 224.

Isabolinsky, M. u. Gitowitsch, W., Ueber Mutationserscheinungen der Dys- enteriebazillen Shiga-Kruse, S. 148.

Koch, Jos., Zur Histologie und zum Zellen- bild des experimentell übertragbaren Mäusckrebses. Mit 1 Tafel, S. 151.

Kollatb, Werner, u.Leichtentritt,Bruno, Ueber die fragliche Bildung von Vita- min durch Bakterien. Mit 7 Kurven im Text, S. 119.

Müller, Kurt, Hymenopteren-Paratyphus? Die Darmbakterien de Nahrungsmittel besuchenden Bienen, Wespen und Hum- meln, N. 214.

Quast, Gerhard, Ucher Komplementbin- dungsversuche bei Rhinosklerom, N. 174.

Sabolotny, 8. 8., Zur Frage nach der | diagnostischen Bedeutung der biologi- |

schen Reaktionen und Chemotherapt

beim Menschenrotz, S. 168.

! Schilf, Friedrich, Die Bildung von Bak- teriolysinen in künstlichen Gewebskul- turen, S. 219.

Schlirf, Karl, Zur Kenntnis der „azido philen“ Bakterien. Mit 1 Tafel. S. 101

Schumacher, Josef, Ueber den Nachwei- des Bakterienkerns und seine chemische Zusammensetzung. Mit 1 Abbildung im Text und 2 Tafeln, S. 81.

Sdrodowski, P., u. Brenn, Helene, Ucber die aktive Immunisierung egen Di- phtherie nu Anatoxin. (Erste Mit- teilung.), S. 125.

Wagener, Kurt, Untersuchungen über die Pathogenität des Bact. bipolareavi-

| se pticum für die Lachmöwe (Larus

| ridibundus). 8. 210.

Yakimoff, W. L., et Wassilewsky (}), W J., ( ‘ontribution à l'étude des ne moses bovines en Russie. Con 2S figures en texte, 5. 192.

Zlatogoroff, 8. J., Derkatsch, W. 8., u | Nasledyschewa, 8. J., Der experimen- telle Scharlach. (vo unge Mitteilung : Mit 5 Kurven im Text, S. 152.

Frommannacne Buchdruckerei (Hermann Poble) in Jena 5399.

Contralbl. f. Bakt ete, I. Abt. Originale. Bd. 97. Beiheft.

Nachdruck verboten.

Bericht über die 1L Tagung der „Deutschen Vereinigun für Mikrobiologie“ vom 24. bis 26. Sept.1925 in Frankfurt a. M.

Zusammengestellt von dem Schriftführer R. Otto (Berlin).

1. Tag. Donnerstag, den 24. Sept. 1925. Geschäftlicher Teil.

Der Vorsitzende, Reichenbach (Göttingen), eröffnet die 11. Tagung mit einer Begrüßung der Mitglieder und Gäste der Vereinigung. Er dankt dem Frank- furter ÖOrtsausschuß, bestehend aus den Herren Kolle, Neißer und Hetsch. sowie auch dem Schriftführer der Vereinigung für die ausgezeichnete Vorbereitung der Tagung und dem Direktor des Anatomischen Instituts, in dessen Räumen die Tagung stattfand, für die erwiesene Gastfreundschaft.

Für die statutengemäß aus dem Ausschuß ausscheidenden Mitglieder Uhlen- huth und Abel werden auf Vorschlag des Ausschusses Neufeld (Berlin) und Kraus (Wien) gewählt, ferner als Ersatzmann für das verstorbene Ausschußmitglied Kossel (Heidelberg) Lehmann (Würzburg). Zum Vorsitzenden für die nächste Tagung hat der Ausschuß Lehmann (Würzburg) gewählt.

er Ausschuß besteht, nachdem der Schriftführer eine Wiederwahl angenommen hat, aus den Herren:

Lehmann (Würzburg) als Vorsitzendem,

Haendei (Berlin-Dahlem),

Mießner (Hannover),

Reichenbach (Göttingen),

Kraus (Wien),

Neufeld (Berlin),

Otto.(Berlin) als Schriftführer.

Der Vorsitzende gedenkt dann der Mitglieder, die die Vereinigung im abge- laufenen Jahre durch den Tod verloren hat, und zwar der Herren Joseph, Kossel, Morgenroth, Ruppel, Schnabel, Titze, v. Wassermann.

Als Zeit für die nächste Tagung wird Pfingsten 1927 und als Versamm- lungsort Wien gewählt.

Von Neißer (Frankfurt a. M.) ist ein Antrag eingegangen, der Vorstand möge cin Programm für die Bearbeitung von Fragen der Normalisierung bakteriologischer Feststellungsmethoden der Vereinigung vorlegen. Es wird beschlossen, die Frage einer Kommission von 6 Mitgliedern zu übergeben, bestehend aus den Herren Neißer (Frankfurt) als Vorsitzendem, H edel (Berlin), Lockemann (Berlin), Neu- feld (Berlin), Reichenbach (Göttingen).

Zur Erhaltung der Grabstätte des am 20. 8. 1573 verstorbenen Entdeckers der Recurrens-Spirochäte, Otto Obermeier, auf dem Friedhofe in Spandau, wird der gezahlte Beitrag nachträglich bewilligt.

Neißer (Frankfurt) begrüßt die Vereinigung im Namen des Frankfurter Orts- ausschusses und der Medizinischen Fakultät.

Erste Abt. Orig. Bd. 97. Beiheft. 1

2* 11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925.

Wissenschaftlicher Teil. Vorsitzender: W. Kolle (Frankfurt a/Main).

Referat I. C. Neuberg (Berlin-Dahlem). Gärung.

Vor Erörterung des eigentlichen Verhandlungsgegenstandes wird es gut sein, mit wenigen Worten die Frage zu streifen, was man unter Gärung verstehen soll. `

Die Nomenklatur liegt hier im argen. Man verwendet nämlich die Bezeichnung Gärung in dreierlei Sinn. Man bezieht einmal das Wort Gärung auf das zu ver- ärende Substrat, zweitens auf das sinnfälligste Produkt der Gärung und drittens au!

en Gärungserreger. So spricht man von einer Alkoholgärung, einer Milchsäuregärung

oder einer Buttersäuregärung der Zuckerarten und bringt damit zum Ausdruck, daii Alkohol, Milchsäure und Buttersäure die Haupterzeugnisse des betreffenden Gärakte sind. Man redet auch von einer Zellulosegärung, Pektingärung oder Gärung der Aminosäuren und meint damit die Substrate, die angegriffen werden. Man spricht neuerdings von einer Brenztraubensäuregärung in doppelter Bedeutung, nämlich ein- mal vom Vorgange, bei dem die Brenztraubensäure auf dem Gärungswege zerlegt wird, und das andere Mal von dem Vorgange, durch den sie aus anderen Stoffen auf dem Gärungswege erzeugt wird. Schließlich wendet man auch den Ausdruck Hefengärung, Coligärung, Selbstgärung usw. an und meint damit den Organismus. durch den die Gärung eintritt. Die Inkonsequenz kann man sehr leicht beheben, indem man scharf zwischen „Gärung“ und „Vergärung“ unterscheidet. Damit wird man dem schöpferischen Sprachgebrauch gerecht, dem wir auch in der Wissenschaft folgen, wenn man nicht mit rauher Hand historisch gewordene Begriffe beseitigen will. Alkoholgärung bleibt dann die typische alkoholische Zuckerspaltung, Essig- pos die geschichtlich nicht minder bedeutsame Ueberführung von Weingeist in ‚SSigsÄure. Albaner rung bedeutet danach den Prozeß, durch den Milchsäure entsteht; Milchsäurevergärung den Vorgang, durch den sie umgewandelt wird. Und wenn man schließlich statt „Coligärung“ sagt „Vergärung durch Colibakterien”. so ist damit der korrekte Ausdruck gegeben.

Schwieriger ist es, zu definieren, was man als Gärung betrachten sall. Annehmbar erscheint folgende Umgrenzung. Mit Gürung können alle anaöroben Vorgänge bezeichnet werden, bei denen Kohlenstoffkettenverkürzungen und Kohlenstoff- kettenverlängerungen durch lebende Zellen oder ihre Fermente bewirkt werden. Unter diese Definition fällt außer der alkoholischen Gärung die Essiggärung, die Milchsäure- gärung, die Buttersäuregärung, die Oxalsäuregärung, die Zitronensäuregärung. die alkoholische Gärung der Aminosäuren, die Zellulosevergärung. Nicht zur Gärung gehören die einfachen hydrolvtischen ‚Prozesse, wie peptische und tryptische Verdauung. die Zerlegung von Fetten und die Spaltung von Glykosiden. Erschöpfend ist dies Definition allerdings nicht. Wir reden von einer Schwefelwasserstoffgärung der Sulfate, Thiosulfate und Polvthionsäuren durch die sogenannten Thiobakterien, ohne bilanzmäßig überhaupt auf die organische Materie Rücksicht zu nehmen.

Irgendwie auf Bildung von Säure oder Gas kann man die Definition keinesfalls abstellen. Denn bei der Essiggärung und Milchsäuregärung treten keine Gase aut. bei der Mannit- und Glyzerinvergärung entstehen Zucker, aber keine Säuren. Die beiden genannten aöroben Erscheinungen spielen sich ohne Veränderung in der Länge der Kohlenstoffkette ab. Solche Vorgänge muß man als eine Untergruppe, als dir der Oxydationsgärungen, absondern, solange man sich nicht entschließt, sie entgegen dem Sprachgebrauch einfach als biologische Oxydationen zu b- zeichnen. |

Auf Grund der energetischen Verhältnisse ist wohl eine Untereinteilung möglich. Alkoholische Gärung, Essig- und Milchsäuregärung sind wärmeliefernde Prozesse; die Vergärung der Brenztraubensäure verläuft praktisch ohne Wärmetönung, die alko- holische Gärung der Aminosäuren dürfte endothermen Charakter haben. Ob sich die (särungsvorgänge von den hydrolytischen Spaltungen als Metallkatalysen unterscheiden lassen, ist noch nicht spruchreif.

11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925. +3

Bei der ungeheuren Mannigfaltigkeit der Gärungserscheinungen werde ich mir, gemäß den mir zuteil gewordenen Weisungen, Beschränkung auferlegen und haupt- sächlich einige Grundfragen in der Chemie der alkoholischen Gärung und verwändier Prozesse zum Gegenstande der Darlegung machen.

Mehr als 100 Jahre sind vergangen, seitdem 1815 Gay Lussac die noch heute angenommene Gärungsgleichung gefunden hat:

COH HÔOH 2 CO, + 2 CH, -CH,OH OHCH HCOH ndon CH,OH

Sie blieb insofern unbefriedigend, da sie nichts über die sich ab- spielenden Vorgänge aussagt. Ich brauche nur darauf hinzuweisen, daß das Zuckermolekül weder eine Aethylgruppe noch einen Kohlensäure- rest enthält. Schon diese Ueberlegung allein kennzeichnet die unge- heuren Schwierigkeiten, die das scheinbar einfache Problem der ge- wöhnlichen Gärung dem Verständnis bietet, und man wird daran er- messen, welche Rätsel das allgemeine Problem des Kohlenhydratumsatzes in der Natur der Forschung aufgibt.

Bis zum Jahre 1910 war bezüglich des feineren Gärungschemismus nichts weiter bekannt geworden. Unser Wissen beschränkte sich auf die Aussage eben der klassischen Gay Lussacschen Bruttogleichung. Daran konnten auch die großen biologischen Entdeckungen von Pasteur, Liebig sowie Buchner und Hahn nichts ändern, so entscheidend sie sonst unser biochemisches Denken beeinflußt haben. Buchner und Hahn lehrten, daß die alkoholische Gärung trennbar vom Leben der Hefezelle ist und mit einem extrahierbaren Ferment, der Zymase, ausgelöst werden kann. Die Produkte der zellfreien Gärung und der durch lebende Hefepilze sind die gleichen.

Die überraschende Eigenschaft der Brenztrauben- säure, zu vergären, die im Jahre 1910 festgestellt wurde, gab den Anstoß zu neuen Erkenntnissen. Brenztraubensäure ist gegen ohemische Einflüsse sehr widerstandsfähig. Sie verträgt beispielsweise Tempe- raturen bis 165° und zersetzt sich bei Behandlung mit Schwefelsäure erst bei 1509 Von Hefe wird Brenztraubensäure schon bei Zimmer- temperatur sehr leicht in Kohlendioxyd und Azetaldehyd ge- spalten:

CH, -CO.COOH = CO, + CH,:COH.

Dieser Vorgang erwies sich als rein enzymatisch; denn das Brenz- traubensäure zerlegende Agens ließ sich von der Hefe abtrennen und als Ferment charakterisieren. Wegen seiner so augenfälligen Wirkung, der Loslösung von Kohlensäure, gaben wir dem Ferment den Namen Karboxylase.

Genau wie nun die Zymase nicht streng spezifisch für Traubenzucker ist, sondern auch Mannose, Fruchtzucker, Galaktose und Manno-nonose vergärt, so wirkt die Karboxy- lase auch aut die Homologen und Substitutionsprodukte der Brenz- traubensäure ein. Alle diese Verbindungen der aliphatischen wie der aromatischen

1*

4* 11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925.

Reihe werden durch die Karboxylase grundsätzlich in gleicher Weise a d. h. sie werden unter Koblensäureverlust iu A en nächst niederen Aldehyd übergeführt. Daß der Aldehyd selbst weiteren sekundären Umwandlungen anheimfallen kann, werdeu wir später noch sehen.

Betrachtet man nun die Produkte der Brenztraubensäure- vergärung, so erkennen wir, daß sie den Erzeugnissen der gewöhn- lichen alkoholischen Zuckerspaltung ungemein nahe stehen. Der Azet- aldehyd ist mit dem Weingeist durch zahlreiche Reaktionen verknüpit. und die Kohlensäure entsteht beim normalen Gärakt so leicht und so schnell, daß man gar nicht daran zweifeln kann, daß ihre unmittelbare Vorstufe eine Karbonsäure sein muß. Von den vielen Körper. die man im Laufe der Zeit als Zwischenprodukte des Zuckerzeriall: betrachtet hat, z. B. die Milchsäure oder die Zucker der 3-Kohlenstoft:- reihe, wird keiner von Hefe typisch angegriffen oder jedenfalls nicht in der Weise umgesetzt, wie es für Zwischenprodukte der alkoholischen Gärung zu erwarten ist. Milchsäure wird bekanntlich durch lebende Hefe weder erzeugt noch in Alkohol übergeführt.

Die Gärungserscheinungen bei der Brenztraubensäure rechtfertigen es also von vornherein, dieser Substanz eine Bedeutung als Zwischen- produkt der Zuckerspaltung einzuräumen.

Gestützt hierauf und zugleich auf rein chemische Erfahrungen wie den Uebergang der Hexosen durch Lauge in Milchsäure und den leichten Aufbau von Hexosen aus Triosen, d. h. gestützt auf die be- kannten Zuckersynthesen Emil Fischers, sowie ferner auf de mittels Säuren wie durch Alkalien erzielbaren Uebergang von Zuckem in Methylglyoxal wurde im Jahre 1913 eine neue Gärungstheoni aufgestellt, deren Grundzüge in folgendem Schema wiedergegeben sind:

C,H,20, ee = CH,-CO-COH (Meth gyoza) CH, ° COH) OH + H,O H, CH,OH. ver CH,d (Glyzerin) + =

CH, à OH)-COH 0 Fo: . (OH). -COOH (Brenztraubensäure‘, CH, -C COOH + CH,-COH (Acetaldehyd), CH,-CO-COH O = CE, co: COOH (Brenztraubensäurei,

+ CH, -COH H, T CH,.CHLOH (Alkohol)

Die Grundlage dieses Abbildes besteht in der Annahme, daß ‚‚Methrl- glyoxal“, wie im Reagenzglase so auch beim biologischen Vorgange natlı Abspaltung zweier Moleküle Wasser aus dem Zucker, als reaktiuns fähiges Produkt mit 3 Kohlenstoffatomen im Molekül auftritt. All: weiteren Umwandlungen kommen dann auf eine wiederholte Cannizza- rosche Umlagerung des Methylglyoxals hinaus. Solche Dismutationen aber sind bekannte, insbesondere auch von der Hefe leicht zu verwirk- lichende biologische Reaktionen.

Bei der ersten Dismutation gehen aus dem Methylglvoxal unter Addition von Wasser die Brenztraubensäure und Glyzerin hervor. Nachdem sodann die Brenztraubensäure durch das Ferment Karb- oxylase in Kohlendioxyd und Azetaldehyd zerlegt worden ist, findet nunmehr die Dismutation zwischen zwei verschiedenen Aldehyden, dem Azetaldehyd und Methylglyoxal, statt. Dabei werden Aethrvlalkohc| und Brenztraubensäure gebildet. Aus letzterer erzeugt die Karboxylase stets von neuem Kohlendioxyd und Azetaldehyd. Immer entsteht und ständig zerfällt die Brenztraubensäure. Sie kann sich nicht anhäufen. so wenig wie das Methylglyoxal.

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Dagegen ist es klar, daß schließlich Azetaldehyd übrig bleiben kann, wenn alles Methylglyoxal umgesetzt ist. Nach dieser Auffassung sind kleine Mengen Glyzerin und Azetaldehyd notwendige Neben- produkte, im Einklange mit den Erfahrungen bei den Hefegärungen.

Im weiteren Verlaufe unserer Darlegungen werden Sie sehen, daß sich die Teile dieses Schemas experimentell verifizieren lassen bis auf die Bildung und Vergärung des Methylglyoxals, die noch Hypothese ist.

Eine gewisse Berechtigung, Methylglyoxal als Zwischenprodukt anzunehmen, ‘gewähren weiter rein chemische Erfahrungen. Seit langem schon stand es fest, daß Zucker bei Behandlung mit starker Kalilauge Methylglyoxal liefern kann. Sodann konnte ich mit verschiedenen Mitarbeitern dartun, daß auch ganz schwach alkalisch reagierende Substanzen, wie Natriumbikarbonat, Phosphate, Sulfite, Borax und Amoniak den gleichen Uebergang bewirken. Wir erwähnen diese Untersuchungen, weil sie den Ausgangspunkt für ein später zu behandelndes Kapitel abgegeben haben, nämlich für das Studium der Zuckervergärung in alkalischer Umgebung.

Daß die im Reagenzglase darstellbare, vielleicht durch die Kon- stitutionsformel CH3.CO.COH auszudrückende Form des Methylglv- oxals nicht gärbar befunden ist, kann nicht gegen die Methylglyoxal- hypothese angeführt werden; denn es gibt kaum eine andere Substanz, die solche vielseitigen Strukturmöglichkeiten aufzuweisen hat. Von den zahlreichen verschiedenen Formen des Methylglyoxals sind einige Grund- typen durch folgende Formelbilder wiedergegeben.

CH, :C(OH)-CHO; CH,-C(0OH): CO: CH,-C(OH)-CH(OH); CH, : C >- CH(OH). NO/ N0/

Wie man sieht, lassen sie sich zum Teil unter den allen Chemikern bekannten Gesichtspunkten der Keton - Enol-Isomerie sowie der Halb- azetalbildung betrachten; dabei sind auch optisch-aktive Formen des Methylglyoxals möglich, und es ist denkbar, daß gerade diese beim Ab- bau des optisch aktiven Zuckermoleküls auftreten und den Abbau ver- mitteln. i

Auch eine gemischte Dismutations-Reaktion, wie sie obiges Gärungsschema vorsieht, ist bekannt geworden; Nord. Orloff und Nakai haben die ge- kreuzte Dismutation zwischen verschiedenen einfachen Aldehyden ausgeführt derart, daß der eine Aldehyd in die betreffende Säure, der andere in den ihm zuge- hörigen Alkohol übergeht.

Bei unseren Betrachtungen kann davon abgesehen werden, daß nach den Angaben von Harden und Young der Zucker intermediär an Phosphorsäure gebunden wird. Die Frage ist insofern für den hier interessierenden Chemismus der Zuckerspaltung ohne erheblichen Be- lang, als ja aus dem Hexose-di-phosphorsäureester für die Vergärung durch Ablösung von Phosphorsäure wieder ein 6-Kohlenstoffzucker regeneriert wird. Mit dem Zuckerzerfall hat die Phosphorylierung an sich nichts zu tun. Möglich ist, daß sie der Umformung von Zucker ın eine zerfallsbereite Modifikation, in eine alloiomorphe Form (am- Hexose), Reaktionsform mit besonders gelagerter Sauerstoffbrücke oder dgl., dient.

Dem zuvor gegebenen Schema können jederzeit und ohne Aenderung in den wesentlichen Phasen zwischen Hexose und Methylglvoxal die Trivsen bzw. ihre Phosphorsäureester eingefügt werden, wenn ihre Bildung sowie reguläre Vergürbarkeit nachgewiesen sein sollte.

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Die einfache Fragestellung, ob es nicht möglich wäre, mit jenen wirkungsvollen rein chemischen Reagenzien, den Alkalien, auch den biologischen Prozeß zu beeinflussen, hat zu neuen grundsätzlichen Er- kenntnissen geführt. Die Hoffnung, etwa das Methylglyoxal als die erste Stufe auf der Kaskade der Zuckerzerfallsprodukte zu fixieren. hat sich bisher nicht erfüllt; dafür treten außerordentlich bedeutsame Veränderungen in der Zusammensetzung des Gärgutes ein.

Nach den Ergebnissen dieser Untersuchungen, über die Neuberg und Färber zuerst im Jahre 1916 berichtet haben, muß man 2 Gruppen auseinanderhalten, solche wie Soda, Dinatriumphosphat, Natrium- bikarbonat, also einfache alkalische Salze einerseits, und die gleich- falls alkalisch reagierenden schwefligsauren Salze andererseits. Diese beiden Gruppen unterscheiden sich in bezug auf das bei der Gärung in Betracht kommende Substrat grundsätzlich dadurch, daß nur de zweite, die der Sulfite, eine wohlbekannte spezifische Affinität zu Karbonylgruppen besitzt.

Nicht vorauszusehen war das Verhalten der schwef- ligsauren Salze im Gärungsvorgang. Seit alters her dient die schweflige Säure in der Kellerwirtschaft als ein wichtiges Mitte zur Bekämpfung unerwünschter Bakteriengärungen. Man weiß aber auch, daß die schweflige Säure, sobald ihre Konzentration über Spuren hinausgeht, ein heftiges Gift für die Hefenzellen darstellt und sie völlig lähmt. Ganz unerwartet war nun, daß im Gegensatz zur freien schwefligen Säure und deren sauren Salzen die sekundären Sulfite die Lebensfähigkeit der Hefen nicht sehr stark beeinträchtigen.

AeuBerlich verrät ein solches Gärgut keine Besonderheit. Be- stimmten wir aber, nachdem wir uns von völligem Verbrauch de: Zuckers überzeugt hatten, die Alkoholmenge, so fanden wir sie er- heblich geringer als in der Norm, wo gemäß der Gay Lussacschen Gleichung etwa 50 Proz. des Zuckers in Form von Sprit auftreten.

Die weitere Untersuchung des Gärgutes ergab Aufschlüsse über die Zusammensetzung. Am leichtesten offenbarte sich die Gegenwart von Azetaldehyd. Das zugesetzte sekundäre schwefligsaure Natrium bindet den als Zwischenprodukt auftretenden Azetaldehyd, fängt ihn in Gestalt der wohlbekannten Natriumbisulfitverbin- dung ab und konzentriert ıhn in diesem Zustande. Es war keine allzu schwierige präparative Aufgabe, aus dem Gärgut das Azetal- dehyd-natriumsulfit in reiner Form und in großen Mengen darzustellen (Neuberg und Reinfurth, 1918). Die quantitative Bestimmung ergab bis zu 75 Proz. an Azetaldehyd, und nach neueren Untersuchungen meines Mitarbeiters Kumagawa mit japanischen Hefen, die starke Aero vertragen, gelangten wir bis zu 80 Proz. der theoretischen Tenge.

Nun ist ersichtlichermaßen der Azetaldehyd im Vergleich mit dem normalen Gärungserzeugnis Aethylalkohol ein Oxydationsprodukt. und wenn man den Azetaldehyd „abfängt‘, so muß der Wasserstoft. der für gewöhnlich der Hydrierung des Aldehyds zu Weingeist dient. als solcher entweichen, oder er muß in äquivalenter Menge irgend: ein Reduktionsprodukt hervorbringen. Die Gasanalyse ergab, dal ausschließlich Kohlendioxyd auftritt. Das korrelative Reduktions- erzeugnis mußte also in gelöstem Zustande vorhanden sein. Es konnte ein Reduktionsprodukt des zugesetzten Reagenzes, des Sul- fits, scin, etwa Schwefelnatrium oder hydroschwefligsaures Natrium.

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Nichts von dem ist der Fall. Das Reduktionserzeugnis ist zugegen in Form eines reduzierten Zuckeranteiles, eines hydrierten Zucker- halbmoleküls, in Gestalt des 3-Kohlenstoffkörpers Glyzerin.

Wir wollen uns klar machen, was während des Gäraktes in Gegenwart von schwefligsaurem Salz geschieht. Als Karbonylreagens vereinigt sich das schwefligsaure Salz auch mit dem angewandten Zucker, mag man vom Traubenzucker oder von Rohrzucker ausgehen; denn trotz Gegenwart der alkalisch reagierenden schweflig- sauren Salze spaltet nach unseren Feststellungen die Invertase den Rohrzucker voll- ständig. Der Einfachheit wegen betrachten wir die Vorgänge nur beim Traubenzucker.

Es treten zunächst Glukose und Dinatriumsulfit in Wechselwirkung. Eine Ver- bindung beider ist jedoch außerordentlich locker und in Gegenwart von Wasser

raktisch vollkommen hydrolytisch in ihre Komponenten zerfallen. Diesem glück- ichen Umstande verdankt man es, daß überhaupt dies Abfangverfahren möglich ist, und der letzte Grund hierfür ist wahrscheinlich darin zu suchen, daß der Trauben- zucker nur zum kleinsten Teil als Aldehydgebilde und in überwiegender Menge nach einer der bekannten Alkvlenoxydformen reagiert. Der durch Dissoziation frei werdende Zucker unterliegt nun der Gärung. Da aber ein mit starker Affinität zu einem Zwischenprodukte ausgestattetes Bindemittel, eben das Sulfit, zugegen ist, so kann die Reaktion nicht den gewöhnlichen Verlauf nehmen, sondern es häuft sich immer mehr von jener, mit dem schwefligsauren Salz fest zusammentretenden Substanz an. Diese ist der Azetaldehyd. War unsere Deutung zutreffend, so mußte mit absoluter Ge- nauigkeit eine diesem Oxydationsprodukt entsprechende Menge des Reduktions- erzeugnisses sich gleichzeitig anreichern. :

In jedem Augenblick der Gärung von ihrem Ein- tritt bis zum Ende sind Azetaldehyd, Glyzerin sowie Kohlendioxyd in molekularem Verhältnis nachweisbar, wie es die Theorie verlangt.

Abstrahiert man davon, daß der Aldehyd zunächst als Azetaldehyd- Sulfit vorliegt, so nimmt der Ausdruck für den Zuckerzerfall folgende Formel an:

C,H ‚0, = CH,:CHO + CO, + C,H,0..

Wir bezeichnen sie im Gegensatz zur alten Gay Lussacschen Normalgleichung als die zweite Vergärungsform.

Es erhebt sich nun die Frage, steht die Bildung von Aldehyd mit der anderen Forderung der Theorie im Einklange, daß seine Vorstufe die Brenztraubensäure ist? Man kann die Frage auch so formulieren: warum wird denn nicht die Brenztraubensäure abgefangen? Auch diese Frage ist experimenteller Beantwortung zugänglich gewesen. Tat- sächlich bildet sich Brenztraubensäure, aber auch die Schwefligsäure- verbindung der Brenztraubensäure vergärt im Experiment bei richtiger Wasserstoffionenkonzentration mit größter Leichtigkeit.

Somit können Brenztraubensäure und Azetaldehyd gemäß obigem Schema als Gärungszwischenprodukte gelten. Pro Molekül fixiertem Azetaldehyd, der ja nichts anderes ist, als dekarboxylierte Brenztrauben- säure, muß ein Molekül Glyzerin und 1 Molekül Kohlendioxyd auf- treten.

Uebrigens ist das Prinzip der Aldehydbildung bei Gärungsvorgängen eigentlich den Bakteriologen nicht fremd, wenn auch nicht klar erkannt. Ich meine die Vor- gänge auf dem Endo-Agar, der durch Sulfit entfärbtes Fuchsin enthält, in dem sich also das bekannte Aldehydreagens Fuchsin-Schweflige-Säure vorfindet. Die bei bakteriellem Wachstum eintretende Rötung ist zumeist auf Bildung von Säuren bezogen. Nur der heimgegangene hervorragende Bakteriologe Hans Aronson, der diesen Arbeiten ein besonderes Interesse entgegengebracht hat, sprach sich mir gegen- über einmal dahin aus, daß seiner Ansicht nach die Endo-Rötung auf Aldelıyd- bildung beruhe. Und er hat recht gehabt.

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Anders gestaltet sich der Eingriff und die Wirkung der einfachenalkalisch reagierenden Salze beim Gärungsvorganse.

Vergärt man beispielsweise in Gegenwart von Natriumbikarbonat, Dikaliumphosphat, Magnesia oder Ammoniumkarbonat, so findet man, sobald aller Zucker verschwunden ist, wiederum ein Manko an Weingeist. Die Fahndung nach den fehlenden Produkten hat abermals zu einem neuen Ergebnis geführt. Zwar tritt auch hier zu Beginn der Gärung Azetaldehyd in gesteigerter Menge auf, zum Schluß aber sind nur noch Spuren zugegen. Wir fragten uns also, was ist aus diesem Azetaldehrd geworden. um so mehr, als die Glyzerinmenge auch in diesem Falle ganz gewaltig gesteigert war und somit auf das Auftreten von irgendwelchen Oxydationsäquivalenten hinwies.

Azetaldehyd kann auf vielfache Weise umgewandelt werden, durch Kondensation, durch Verharzung, durch Oxydation usw. All das kam hier nicht in Betracht, wohl aber eine andere Reaktion, die ein ebenso großes chemisches wie biologisches Interesse hat, die schon erwähnte Dismutation.

Es ist nun bemerkenswert, daß man gerade mit Lösungen von Azetaldehyd durch rein chemische Mittel die Dismutation nur in Spuren herbeiführen kann. Aber schon im Jahre 1912 habe ich mit Kerb und im Jahre 1913 haben Zaleski, Marx u. Kostytschew dar- gelegt, daß Hefe diese Disproportionierung des Azetaldehyds zu äqui- molekularen Mengen Essigsäure und Aethylalkohol zuwege bringt. Dieses Ferment der Dismutation, die Aldehydmutase, hat das Optimum seiner Wirksamkeit gerade bei schwach alkalischer Reaktion. So kommt es, daß bei der Vergärung in Gegenwart schwach alkalisch reagierender Salze statt des Azetaldehyds seine Dismutationsprodukte Sprit und Essigsäure erscheinen.

Wicder ist es eine Reaktion an der Aldehydphase, die den abgean- derten Gärungsverlauf nach sich zieht. Der Vorgang entspricht der Gleichung der 2. Vergärungsform nur mit dem Unterschiede, daß der Aldehyd kein Bindemittel vorfindet, sondern zu Alkohol und Essigsäure dismutiert wird.

Bei der Vergärung in (Gegenwart alkalischer Salze findet also folgende Reaktion statt:

2 C,H,,0, + H,O = CH, -COOH + C,H,OH + 2 CO, + 2C,H,O,,

wie Neuberg und Hirsch 1919 bewiesen haben.

War die Theorie richtig, so mußten in diesem Falle Essigsäure und Glyzerin in einer bestimmten Proportion stehen, und zwar in dem Verhältnis von 1 Mol. Essigsäure zu 2 Mol. Glyzerin. Nach unseren zahlreichen Bestimmungen von Essigsäure und Glyzerin waltet die von der Theorie geforderte Beziehung mit völliger Genauigkeit ob.

Diese Art der Zuckerspaltung durch Hefe nennen wir dritte Vergärungsform.

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Alle drei durch die Hefe ausgelösten Vergärungsarten haben Eingang in die Technik gefunden. Der gewöhnlichen alkoholischen Zuckerspaltung bedienen sich die Gärungsgewerbe, die Brauerei, Brennerei und Weinbereitung. Die zweite Vergärung:- art, der Abbau des Zuckers zu Azetaldehyd und Glyzerin, liegt der wertvollen industriellen Gewinnung von Glyzerin zugrunde, die Connstein und Lüdecke unabhängig von unseren auf theoretischer Basis entstandenen Arbeiten ausgeführt und nach uns veröffentlicht haben. Die dritte Möglichkeit ist später von Eoff. Lindner und Beyer gleichfalls in die Technik übertragen.

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Der hohe Aldehydgehalt eines anderen technischen Erzeugnisses, des bei Ver- gärung von Ablaugen der Sulfitzellulose gewonnenen sogenannten Sulfitsprits beruht auf dem Gehalt des Gärgutes an Schwefligsäureverbindungen, die eine „Abfangung““ von Azetaldchyd bedingen.

Nachdem der Gedanke der Abfangverfahren einmal Wurzeln ge- schlagen hatte, war es nicht schwer, eine Reihe anderer solcher Me- thoder zu ersinnen. Für anorganische Salze ist es bekannt, daß sie gar nicht oder wenig die Zellschichten durchdringen. Für verschiedene Probleme kann es aber erwünscht sein, auch Abfangmittel zur Verfügung zu haben, die lipoidlöslich oder permeabel sind.

Diese Aufgabe löst das Dimedonverfahren, das von Neu- berg und Reinfurth 1920 ausgearbeitet worden ist. Hierbei wird gleichfalls, und zwar auf einem neuen Wege, der Azetaldehyd fest- gelegt. Beim Dismutationsverfahren handelt es sich um eine fermentative Cannizzarierung, beim Sulfitverfahren um eine rein chemische additio- nelle Vereinigung von Azetaldehyd und schwefliger Säure zu einem esterartigen Gebilde, beim Dimedonverfahren um eine Kondensation des Azetaldehyds unter Wasseraustritt mit dem zugefügten Reagens, dem Dimethylhydroresorzin (= Dimedon):

CH, CH, CO + bu + CO CO Lu CO y Z N / NZ NZ Nei HC CH, CH, H,C CH HC CH, | | | = | | | | + H,O CHi,C CO OC CCH,), (CH,),C co OC CCH, ) C H,” Vu” CH,” Nc,”

So haben wir auf eine völlig abweichende Weise das gleiche Er- gebnis, die Ausschaltung des Azetaldehyds aus der gewöhnlichen Re- aktionsfolge, erzielt und damit die Brauchbarkeit und Vertrauens- würdigkeit der zugrunde liegenden theoretischen Vorstellungen abermals dartun können.

Inzwischen ist es auch gelungen, die Brenztraubensäure, die Vor- stufe des Azetaldehyds, durch verschiedene Mittel abzufangen. Zuerst haben Fernbach und Schön angegeben, daß zwar nicht die ge- wöhnlichen Hefen der alkoholischen Zuckerspaltung, sondern gewisse Spezialrassen, die eine mehr oxydative Gärung auslösen, direkt Brenz- traubensäure aus Zucker bilden, wenn durch Zugabe von sehr viel kohlensaurem Kalk abnorme Bedingungen geschaffen werden. Einen zweiten Weg hat v. Grab mit der biologischen Verwirklichung der Döbnerschen Reaktion beschritten; er beschreibt, daß bei der Ver- gärung des Zuckers in Gegenwart von ß-Naphtylamin die &-Methvl- 3-naphtocinchoninsäure entsteht, in der die zwischendurch auftretende Brenztraubensäure steckt.

An der biologischen Bedeutung der Brenztraubensäure kann kein Zweifel obwalten. Das ergibt sich aus vielfachen Befunden der letzten Jahre. Erinnert sei nur an die physiologische Gleichwertigkeit von Zucker und Brenztraubensäure bei der Glykogenbildung, bei be- stimmten Muskelleistungen, bei der Eignung als Kohlenstoffquelle für die Ernährung von Bakterien und Pilzen sowie bei der Verwendung als Substrat für die biologische Produktion verschiedener Enzyme. Wichtig ist namentlich, daß wir jetzt zahlreiche Bakterien und Pilze kennen, die auf oxydativem Wege aus Zucker Brenztraubensäure hervorbringen

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und unter aëroben Bedingungen anhäufen. Es ist kaum möglich, die Literatur über diesen Gegenstand zu verfolgen; besonders häufig ist von französischen Autoren über Mikroorganismen berichtet, die Brenz- traubensäure bilden und vergären. Interessant ist für den Bakterio- logen namentlich eine vor 2 Jahren gemachte Feststellung von A. Ber- thelot. Dieser Autor hat angegeben, daß obligat anaërobe Keime auf einem Pyruvinatnährboden ohne Luftabschluß gezüchtet werden können: für ihr Gedeihen schafft das reduzierende Milieu günstige Bedingungen. das von dem brenztraubensauren Salz und von seinen Umwandlungs- produkten erzeugt wird.

Für den Azetaldehyd, der bei Gärungsprozessen auftritt, ist schon früh die Fähigkeit erkannt, auf verschiedenen Wegen in neue Produkte überzugehen. Bei der Reduktion, bei der Fixation sowie bei der einfachen Dismutation erfährt das Zwei-Kohlenstoffskelett des Azetaldehyds keine Veränderung. Im allgemeinen ist die Gärung ein Werkzeug der physiologischen Molekülzerkleinerung und bei dieser ent- steht eben der Azetaldehyd. Diese Verhältnisse ändern sich nun mit einem Schlage, wenn man die Gärung in Gegenwart von Substanzen ablaufen läßt, die mit naszierendem Azetaldehyd in Reaktion treten. Neuberg und Hirsch haben dieses Verhalten zunächst bei der Zuckervergärung in Anwesenheit von Benzaldehyd erkannt und klar- gelegt (1920). Es wird das zugefügte Bittermandelöl mit dem Inter: mediärprodukt Azetaldehyd durch eine kernsynthetische Reaktion zu einem Körper mit geradliniger Kohlenstoffkette zusammengeschlossen. Es bildet sich (optisch aktives) Phenylazetylkarbinol:

C,H,-CHO + HOC.CH, = C,H,-CHOH:CO:CH,.

Diese Verbindung, die auch als «-Phenyl-brenztraubenalkohol auf- gefaßt werden kann, läßt sich auf rein enzymatischem Wege, d. h. bei zellfreion Vergärungen, gewinnen. Das Ferment, das diesen Bau von Kohlenstoffbrücken ausführt, erhielt den Namen Karboligase. Fertiger Azetaldehyd und zugefügter Benzaldehyd vereinigen sich unter dem EinfluB von Hefe nicht zum Azyloin, der Azetaldehyd muß in einen GärungsprozeB entstehen. Somit kann statt des Azetaldehyds seine unmittelbare Vorstufe, die Brenztraubensäure, verwendet werden, die durch die Karboxylase vergoren wird. In der Karboligase ist das erste Ferment von kernsynthetischer Funktion bekannt geworden, und es ist für den ganzen Fragenkomplex von Bedeutung, daß diese Kohlenstoff-Ketten-Synthese sich bisher nur bei Gärungsvorgängen hat herbeiführen lassen, so daß es sich um einen rückläufig gemachten Prozeb der Kohlenstoff-Ketten-Zerreißung handelt. Die Erzeugnisse der Re- synthese gleichen in mancher Hinsicht den Kohlenhydraten. Sie weisen gradlinige Kohlenstoffreihe, optisches Drehungsvermögen, starke Re- duktionskraft und die markante Kombination von benachbarter Karbonyl- und Hydroxylgruppe auf, sie sind gewissermaßen zurückgebildete unvollkommene Zuckerarten. Läßt man Brenztraubensäure für sich vergären, so tritt nach Hirsch außer Azetaldehyd das einfachste Acvloın, das Methylazetylkarbinol, auf, und zwar formelgemäß durch eine Sclbstkondensation des Azetaldehyds:

CH, -CHO + HOC-CH, = CH,-CHOH-CO:CH,.

Durch Zugabe von Azctaldehyd zu einer gärenden Frucht- oder Traubenzuckerlösung kann man die Bildung von Azetoin er-

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zwingen und so die „zymatische Kernsynthese‘ eines Körpers, der bis dahin niemals bei Hefegärungen beobachtet worden war, den destruk- tiven Gärungshandlungen abringen. Hierbei zieht der zugesetzte Azet- aldehyd den im normalen Gärungsverlauf entstehenden Azetaldehyd an sich, und es kommt somit zu einer Umkehr des Abbaues in die Richtung des Wiederaufbaues. Ganz entsprechend bewirkt eine Zufügung von Azetaldehyd zu gärender Brenztraubensäure eine Steigerung der Azetoin- ausbeute. Legt man aber bei der Vergärung von Brenztraubensäure karboxylatisch freiwerdenden Azetaldehyd durch Anwendung des Ab- fangverfahrens fest, so gelingt nach Neuberg und v. May als ent- gegengesetzte Leistung die völlige Unterdrückung des karboligatischen Effektes.

Diese merkwürdigen Azyloinbildungen, an denen sich stets der karboxylatisch gebildete Azetaldehyd beteiligt, stellen den ersten Beweis für die Verknüpfung kernsynthetischer Prozesse mit den Spaltungsvor- gängen dar, die sich bei der Gärung abspielen, und eine ähnliche Er- scheinung tritt uns auch in bedeutsamen, von Meyerhof aufgedeckten Kreisprozessen vor Augen. Zugleich zeigt sich, welch vielgestaltigen Umwandlungen das immer mehr an Wichtigkeit gewinnende Stoff- wechselprodukt Azetaldehyd unterliegen kann. Höchst bedeutungsvoll erscheint ferner die Wirkung der Karboxylase, die bei allen den ge- nannten Reaktionen eine unverkennbare Rolle spielt; denn mit ihr ist das Ferment bekannt geworden, das Karbonsäuren dekarboxyliert und damit den Organismen die Möglichkeit verleiht, die Karboxylgruppen abzustoßen, die bei der Erhebung wichtiger Stoffwechselprodukte auf be- stimmte Oxydationsstufen geschaffen wird.

Die für den Mechanismus der alkoholischen Zuckerspaltung ge- wonnenen Erkenntnisse ließen sich auch für dieübrigen Gärungs- erscheinungen auswerten.

Die Ausdehnung der Versuche auf zahlreiche Pilze, wie auf sieben Mucorarten, vier Torulasorten, auf Monilien so- wie auf Kahmhefen zeigte zunächst, daß auch bei diesen Pilzen die 2. Vergärungsform leicht verwirklicht werden kann.

Sodann sei auf die Essiggärung verwiesen. Diese ist der Mensch- heit fast ebenso lange vertraut wie die geistige Gärung. Man weiß, daß Alkohol unter Beteiligung des Luftsauerstoffes durch die Erreger der Essiggärung zu Essigsäure oxydiert wird. Man hat sich über den Mecha- nismus dieser Reaktion nicht viel Gedanken gemacht.

Läßt man die Essigbakterien auf Alkohol in Gegenwart unseres Abfangmittels Sulfit einwirken, so bleibt, wie ich mit Nord fand, die Reaktion bei der Bildung von Azetaldehyd stehen. Dies Verhalten ist um so beachtenswerter, als man einen solchen aëroben Vorgang aus- gesprochener Art in einem reduzierenden Milieu verwirklichen kann, wie es die Lösung schwefligsaurer Salze darstellt. Ueberraschend ist es sodann, daß die Umwandlung von Azetaldehyd in Essigsäure nicht durch Oxydation erfolgt, sondern durch Dismutation; von den 2 in die Cannizzarrosche Reaktion eintretenden Molekülen liefert das eine dabei Essigsäure und das andere Alkohol, und dieser wird durch die Alkohol oxydase stets wieder zu Azetaldehyd, aber nicht weiter zu Essigsäure oxydiert. Die Essigbakterien zeigen, wie P. Mayer zuerst an den Bei- spielen des Azetaldehyds, Methyl- und Phenyl-glvoxals beobachtet hat, die Fähigkeit zur Dismutation gegenüber allen umlagerungsfähigen Kar- bonylverbindungen in ausgeprägtestem Maße.

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Eine große Rolle spielt in der Natur die Zersetzung des Zucker durch zwei ubiquitäre Bakterienarten, nämlich das Bacterium coli und den Bacillus lactis aerogenes. Normalerweise bilden dies Kohlehydrat zehrenden Bakterien sehr reichlich Milchsäure und außer- dem Alkohol, Essigsäure nebst Wasserstoff und Kohlendioxyd. Die Idealgleichung lautet folgendermaßen:

2 C,H ,0, + H,O =2CH,-CHOH-CO,H +2 CO, + 2 H, + CH,-CO,H + C,H,OE.

Die zugrunde liegenden Vorgänge kann man so interpretieren, da) einerseits Milchsäure entsteht, und zwar durch eine innere Dismutation des Methylglyoxals, und andererseits eine Spaltung des Zuckers statt findet, ähnlich wie bei der dritten Vergärungsart, nur mit dem Unter- schiede, daß der bei der oxydativen Schaffung der Brenztraubensäurt- stufe disponibel werdende Wasserstoff hier frei entweicht und nicht zur Reduktion eines „Zuckeranteils“ dient. Dieser wird vielmehr zu Milchsäure stabilisiert. Es scheint also diesen Lebewesen ein Katals- sator zu fehlen, der die Uebertragung des Wasserstoffes besorgt. si wie das im Reagenzglas das Nickel oder die Edelmetalle tun.

Daß tatsächlich auch bei diesen wichtigen Gärungen Azetaldehvd auftritt, bewiesen wir mit Hilfe der Sulfitabfangmethode. Dann häuft sich der Azetaldehvd ab, und es fehlen dafür seine normalen Dismuta- tionsprodukte Weingeist und Essigsäure. Diese Form der Zucker- spaltung, bei der der Gärungswasserstoff keinen inneren Akzeptor findet, sondern sich in molekularem Zustande verflüchtigt, kann man als eine vierte Umsetzungsart auffassen. |

In noch unveröffentlichten Versuchen konnten Neuberg, Gorr und Windisch sodann die erwähnten Teilprozesse gesondert realisieren, die bei der Vergärung mit Colibakterien stattfinden müssen. Es gelang, mit diesen Erregern die Vergärung von Brenz- traubensäure durchzuführen, die quantitative Dismutation des Azetal- dehvds zu Weingeist und Essigsäure sowie die glatte Umwandlung von Metliylglvoxal in Milchsäure zu bewirken. Somit erweist sich der Mechanismus der bakteriellen Bildung von Milchsäure dem Vorgan: bei tierischen Zellen als durchaus vergleichbar.

Von besonderem Interesse war die Untersuchung der Butter- säuregärung. Sie hat die Aufmerksamkeit der Biologen und Che- miker seit jeher erregt, weil hier unzweifelhaft eine Synthese im Spiele ist. Man kann nämlich statt von Hoexosen auch von Körpern der 3-Kohlenstoffreihe ausgehen, so von Glyzerin oder Milchsäure, und gelangt dann gleichfalls zur 4-Kohlenstoffkette der Buttersäure. Dabei entwickeln sich in allen Fällen neben Kohlensäure Ströme von Wasser- stoffgas. Bei der Buttersäuregärung konnten wir bedeutende Mengen von Azetaldehyd ans Tageslicht fördern, wenn die Vergärung in Gegen- wart des Abfangmittels Sulfit geschah. Darüber hinaus wurde fest- gestellt, daß auch die Brenztraubensäure, wenigstens in Gestalt ihres Aldols, zur Buttersäuregärung befähigt ist und daß aus dem Azet- aldehyd höhere Fettsäuren aufgebaut werden.

Die Buttersäuregärung erscheint wieder als eine anders geartete Umwandlung des Azetaldchyds, indem formelgemäß das Aldol durch eine Saccharinumlagerung Buttersäure gibt:

CH, -CHOH.CH, -COH——CH, -CH, -CH,-COOH (5. Vergärungsform).

Erwahnt sei, daß einige pathogene Bakterien, wie die Erreger der Ruhr und des Gasbrandes, nach diesem Schema der 5. Vergärungsform

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arbeiten, und auch bei ihnen konnten wir mit Hilfe der Abfangmethode zeigen, daß der Abbauweg über den Azetaldehyd führt.

Zum Schluß gehe ich noch kurz auf die Zellulosevergärung ein. Es sind gewaltige Mengen organischen Materials, das die unablässig auf der Erde schaffende Assimilation hervorbringt. 35 Billionen kg or- sanischer Substanz, die sich hauptsächlich aus Zellulose zusammensetzt, entstehen jährlich. Diese Speicherung ist so enorm, daß innerhalb 30 Jahren der Kohlensäuregehalt unserer Atmosphäre erschöpft wäre, wenn nicht die in Form von Zellulose gebundene Kohlensäure wieder der Atmosphäre zurückerstattet würde. Da die Tiere und höher ent- wickelten Pflanzen mit der Nahrung zugeführten Zellstoff weder un- mittelbar angreifen noch abbauen noch oxydieren, so fällt den Mikro- organismen die Aufgabe zu, die Zellulose aufzuspalten und die erzeugten Umsetzungsprodukte der Pflanze oder dem Tier zuzubereiten. In praxi ist jede biologische Verwertung der Zellulose eine mittelbare und zuwege gebracht von Kleinlebewesen.

Es gibt hauptsächlich 2 Formen der bakteriellen Zellulosespaltung, einmal die Methangärung und dann die Wasserstoffgärung. Außer den beiden genannten Gasen entstehen nebst Kohlendioxyd in beiden Fällen als flüssige Produkte noch Fettsäuren, Ins- besondere Essigsäure und Buttersäure. Die Erzeugnisse der Zellulose- vergärung können aus den Molekülen des Zellstoffes sicher nicht direkt hervorgegangen sein, sondern müssen Zwischenglieder haben. Unsere beiden Abfangmethoden haben sich auf die Zellulosevergärung anwenden lassen, und es ist geglückt, sowohl bei der Methangärung als bei der Wasserstoffgärung die Azetaldehydstufe als wichtigen Ort des Um- schlags von Abbau in Aufbau zu fixieren.

Als ein Ergebnis der modernen Gärungsforschung mag folgendes gelten: Künstliche Eingriffe in die Kette der Stoffwandlungen haben es er- möglicht, Einblicke in den überaus verwickelten Mechanismus der sich abspielenden Vorgänge zu tun. Dabei handelt es sich letzten Endes um die Festlegung von Oxydations- oder Reduktionsstufen, um Stabili- sierungen in dem System oxydo-reduktiver Prozesse, wie sie in dem zuvor gegebenen Schema der alkoholischen Gärung dargestellt sind. Mit Befriedigung und zugleich mit der Hoffnung auf weitere Erkenntnis darf uns die gemachte Erfahrung erfüllen, daß bei vielen Umsetzungs- arten grundsätzlich der gleiche Ab- und Aufbauweg beschritten wird und daß Brenztraubensäure nebst Azetaldehyd einerseits und das Kohlensäure liefernde Ferment Karboxylase andererseits im Mittelpunkte vieler Er- scheinungen stehen.

Der Azetaldehyd erweist sich für die Dissimilationserscheinungen von der gleichen umfassenden Bedeutung, wie der Formaldehyd für die Assimilation. Diese Herauftransponierung aus der Einkohlenstoffreihe in die Zweikohlenstoffreihe hat wohl einen tiefen biologischen Sinn. Aus Formaldehyd kann die Zelle, und zwar die pflanzliche, lediglich Zucker machen. Aus dem Azetaldehyd aber, den alle Zellen aus Zucker erzeugen, vermögen sie gewissermaßen ihre ganze Leibessubstanz aufzubauen, Kohlenhydrate, Fette und Proteine. Wenigstens trifft dies für das Reich der Mikroorganismen zu. Indem Azetaldehyd und scine Vorstufen auch aus Eiweiß und Fett durch Abbau wieder hervorgehen, sind Gärung und Synthese in wunderbaren Wechselbeziehungen ver- knüpft. Das aber ist der Reiz und die Aufgabe der chemischen Gärungs-

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forschung, auf solche Weise zur Aufdeckung der großen Zusammen- hänge in der belebten Natur beizutragen und das desiderium incogniti zu befriedigen, das uns in bezug auf diese Dinge alle erfüllt.

Literatur.

Literatur: Da es an Raum gebricht, um die vielen einzelnen Arbeiten zahl- reicher verdienter Forscher gesondert aufzuzählen, sei m die zusammenfassende Dar- stellung „Zuckerumsatz der pflanzlichen Zelle“ von C. Neuberg in C. Oppeu- heimers Handbuch der Biochemie, 2. Aufl. Bd. II. 1924. S. 42 484 verwiesen.

Referat II. M. Neisser (Frankfurt a. M.). Gärung.

M. H.! Meine Aufgabe kann es nur sein, das Thema Gärung vom Standpunkte der Bakteriologie aus zu behandeln, in der ja die Gärung eine große Rolle spielt. Ja, der Zusammenhang von Bakterien und Gärung ist ein so vielfältiger, daß ich mich für diesen Bericht auf ein kleines Gebiet beschränken muß, um dafür gründlicher werden zu können. Denn so anregend und so wertvoll für uns jeder Ueberblick über große Zusammenhänge ist, so wichtig es für uns ist, immer wieder von neuem Standpunkte aus an alte Urfragen heranzutreten, ebenso not- wendig ist es hier und da für einen Kreis wie den unsrigen, daß der Fachmann zum Fachmann von kleineren Teilgebieten spricht, auch wenn er dabei innerhalb des Gesamtrahmens des Faches bleibt, und schon aus diesem Grunde auf das Anregende und Spannende der Grenzüber- schreitung verzichten muß.

Mancher Mediziner wird fragen, ob denn eine so wesentlich natur- wissenschaftliche Frage überhaupt noch im Rahmen der medizinischen Bakteriologie liegt, und es ist zuzugeben, daß der ärztlichen Wissenschaît das Wechselspiel zwischen Mensch und Bakterien näher liegt. Ich glaube aber, daß auch der bakteriologische Mediziner an den grundlegenden naturwissenschaftlichen Fragen der Bakteriologie nicht vorüber- gehen darf und jedenfalls immer einen richtigen Ueberblick über den Stand dieser Fragen der Bakteriologie haben muß.

Ich will mich auch nicht mit einer Umgrenzung des Begriffes Gärung aufhalten, denn dieser Begriff reicht bekanntlich über die Gas- bildung und reicht auch über den Kohlehydratabbau hinaus, und die bloße Begriffsbestimmung als eines exothermen Vorganges ist doch wohl zu dürftig. Ich will nur von Gärung in ältestem Wortsinne reden, der eine Gärung ohne Schäumen, ja ohne Ueberschäumen nicht kannte, und ich will also nur von den bakteriellen, zur Gasbildung führen- den Kohlehydratzerlegungen reden, wobei uns allen geläufig ist, daB man eine große Anzahl Kohlehydratzerlegungen als Gärung be- zeichnet, bei denen ein Gas nicht entsteht, sondern nur eine flüssige Säure, und daß gerade diese Vorgänge eine große Rolle spielen, aber noch durchaus nicht völlig durchgearbeitet sind. Auch die uns allen geläufige Tatsache, daß CO, bei jedem bakteriellen Leben entsteht, soll uns in unserer Abgrenzung nicht irre machen, denn die hier zu be- handelnde bakterielle Kohlehydratvergasung ist eine so sinnfällige Er-

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scheinung und für uns so wichtig, daß wir sie zum Gegenstande einer besonderen Betrachtung machen dürfen. Die bloße Tatsache, daß die Prüfung der Kohlehydratvergasung in Bakterienkulturen allerorts eine alltägliche Methode geworden ist, wird aber allein als Beweis ge- nügender Durcharbeitung nicht genügen. Wir sind heute viel mehr als früher auf die nüchterne Gewissenhaftigkeit und Gründlichkeit in un- serem Fach angewiesen, und jeder von uns muß ebensosehr certarum rerum wie novarum rerum cupidus sein.

Es gibt bekanntlich zwei Standpunkte, von denen aus man den Stoff- wechsel der Bakterien betrachtet, je nachdem man seine Aufmerksam- keit besonders dem Aufbau oder dem Abbau zuwenden will, wo- bei wohl nicht erst gesagt zu werden braucht, daß Aufbau und Abbau an sich zusammengehören. Die Untersuchung der Aufbauvorgänge hat in den letzten Jahren am umfangreichsten und am erfolgreichsten wohl H. Braun-Frankfurt a. M. mit seinen Mitarbeitern durchgeführt und hat dabei seinen Ausgangspunkt von völlig übersehbaren Nährboden- bedingungen nehmen müssen. Ich bin überzeugt, daB aus diesen so gründlichen Untersuchungen noch manche wichtige Erkenntnis über die Entstehung von Stoffwechselprodukten und über bakterielle Lebens- äußerungen im Zusammenhang mit den dargebotenen Aufbausubstanzen erblühen wird. Auch werden uns diese Forschungen vielleicht am ehesten _ ein Bild vom Stoffwechsel der Bakterien unter den natürlichen Lebensbedingungen geben können, und ich erinnere hier z. B. daran, daß eben nur einige Typhusstämme aus Ammonsalzen als N-Quelle ihre Leibessubstanz aufzubauen vermögen. Aber für unser Ziel scheint mir die Erforschung der Abbauvorgänge im Vordergrund zu stehen.

Gotschlich hat meines Erachtens ganz recht gehabt, wenn er in seinem ausgezeichneten Berichte bei der vorjährigen 'Tagung betont hat, daB unter schlechten Lebensbedingungen die stärker ab- weichenden Varianten oder Modifikationen einer Art mehr hervortreten. Es ist wohl eine nicht nur auf das Bakterienreich be- schränkte Erscheinung, daß Hunger und Not in den Massen viel mehr verschiedene Einzelwesen in Erscheinung treten lassen, als der kulturelle Sättigungszustand, auch der Teufel frißt nur in der Not Fliegen. So werden wir auch bei Darreichung des Lebensmindestmaßes eher die- jenigen Leistungen finden, zu denen Einzelwesen eines Bakterienstammes überhaupt fähig sind, und werden aus diesen Forschungen wichtige Erkenntnisse für die Lehre vom Leben gewinnen. Die Feststellung solcher erzwungenen Sondereigentümlichkeiten hat für manche Wissen- schaften großes Interesse. Der Mediziner z. B. sicht, daß eine Reihe Bakterien im Körper unter recht ungünstigen Bedingungen leben, und daß unter diesen Umständen möglicherweise Zustands- oder Stand- Standortsveränderungen entstehen, die zwar unter den Verhältnissen der künstlichen Zucht immer wieder zur Rückbildung zu bringen sind, aber für eine bestimmte medizinische und hygienische Frage doch von großer Bedeutung sein können.

Die Erforschung von Stammeigenarten hat auch noch weitere Be- deutung, denn es kann für bestimmte Zwecke notwendig sein, diese Eigenheiten unter besonderen Bedingungen dauernd zu erhalten, und man kann dann sogar die Besonderheiten eines solchen Stammes, den man unter vielen ähnlichen herausgesucht hat, noch künstlich steigern; es kann auch sein, daß ein solcher Stamm diese angezüchteten bzw. ge- steigerten Eigenheiten eine Zeitlang behält, auch nachdem er .‚entwöhnt”

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ist. Aber alle diese Eigenheiten sind doch vorübergehender Natur und für unseren Zweck muß der Ausgangspunkt auch für solche For- schungen „die Norm“ sein; und ohne auf das schwierige Problem des Begriffes der Norm!) hier einzugehen, muß doch so viel davon gesagt werden, daB in der Bakteriologie nicht der Durchschnitt des natürlich Vorkommenden die Norm sein kann, sondern vielmehr ein besonderer künstlicher Zustand, der uns die Beobachtung unter stets gleichen Bedingungen ermöglicht; aber es gehört zu unserem Normbegriffe noch mehr: die künstlichen Bedingungen müssen so be- schaffen sien, daß ein lebhaftes, kräftiges Wachstum der Zuchten und eine möglichste Vereinheitlichung ihrer Eigenschaften, also eine möglichst weitgehende Ausschließung individueller Unterschiede statt- findet. Auf diese Weise werden wir die Unterschiede der Arten vertiefen und die der Stämme und der Individuen, also die „Uebergänge“ verringern. Nur auf diesem Wege werden wir, wie mir scheint, zu Normen bei den Bakterien kommen und damit erst die Grundfrage der Bakteriologie, nämlich die Grenze der Bestimmbarkeit der Arten, entscheiden können.

Für unser Thema heißt dann die erste Frage: Wie haben wir die Bedingungen für die bakterielle Kohlehydratvergasung zu wählen, um durch Ausschaltung individueller Eigentümlichkeiten zu Bakteriennormen zu kommen, welche jederzeit wieder herstellbar sind. Ich erinnere an den Weg, den Pasteur ging, als er sein virus fixe schuf. Wir wissen, daß Bakterienstämme durch Ueberimpfung auf günstigen Nährböden in häufiger Reihenfolge gleichsam „normiert“ werden, und wir werden deshalb dieses längst bekannte Mittel in den Vordergrund stellen müssen, wenn wir zu Normen auch bei der Kohlehydratvergasung kommen wollen. Wer von uns wüßte nicht, daß man frische Stämme erst einmal eine Zeitlang wiederholt über frische Nährböden überimpfen muß, che sie uns in ihrer gewohnten Gestalt erscheinen; aber es fehlt bisher die strenge Forderung, daß jede kulturelle Bestimmung eine solche künstliche Stammverfestigung durch Ueberimpfungen zur Voraussetzung haben muß. Ohne solche festen Arbeitsbedingungen kommen wir bei der bakteriellen „ohlehydratvergasung nicht zu Normen: die zahllosen Stammveränderungen, welche auch in das Gebiet der bak- teriellen Kohlehydratvergasuagen so viel Unübersichtlichkeit gebracht haben, sind doch fast ausnahmslos Erscheinungen vorübergehender Art gewesen, Ich erinnere in dieser Hinsicht an die beiden großen Be- richte des Vorjahres, wo ja trotz des liebevollen Eingehens auf die Stammveränderlichkeiten der Schluß lautete: Wahre, feste Umwand- lungen kommen im Bakterienreiche, wenn überhaupt, so doch nur ganz selten vor. Auf unserem Gebiete führe ich als Beispiele hierfür zu- nächst Dulzitvergasung an. Winslow, Kligler und Rothburz (Journ. Bact. 1919. Bd. 4. S. 429) gaben auf Grund größerer Ver- suchsreihen an, daß unter den Paratyphus-B-Stämmen die Schott- müller- Stämme Dulzit teils vergasen, teils nicht vergasen. Aber Edwin Jordan (Journ. inf. dis. Vol. 36. 1925. p. 309) zeigte 1923 an v4 Stämmen, daß alle innerhalb 24 Std. das Dulzit vergasen, auch wenn man zu verschiedenen Zeiten untersucht. Aehnliche Unstimmig- keiten könnte ich Ihnen vom Glyzerin mitteilen. Kein geringerer als van Ermengem hat Glyzerinvergasung durch Gärtner-Bazillen ge-

l) Vgl. z B. Rautmann, Die Norm, 1921 (Fischer).

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funden, ein Ergebnis, das, wie ausführliche Untersuchung in meinem In- stitut gezeigt hat, doch nur durch eine nicht genügend gesicherte Arbeits- weise erklärbar ist. Wir besitzen ferner einen B. inconstans-Stamm, welcher seit 11’, Jahren immer wieder dieselbe Eigenschaft zeigt, daß er nämlich erst durch mindestens 10 Agarpassagen gehen muß, um regel- mäßige Ergebnisse in bezug auf Kohlehydratvergasung zu geben. Dann aber, Weiterführung durch Ueberimpfungen auf gewöhnlichem Agar vor- ausgesetzt. behält er sein Vergasungsvermögen vollständig unverändert dauernd bei. Finden wir also bei der Untersuchung eines Stammes keine Vergasung irgendeines Kohlehydrates, so müssen wir immer mit der Möglichkeit rechnen, daß wir eine jener zurückführbaren Veränderlich- keiten vor uns haben. Ich möchte deshalb auf Grund unserer Er- fahrungen sagen, daß wir uns vor dem irrtümlichen Schluß, den uns solche Befunde bringen, mit genügender Sicherheit nur dadurch schützen können, daß wir den Stamm durch etwa 10malige tägliche (oder fast tägliche) Ueberimpfung auf gute Nährböden und unter günstigen Be- dingungen verfestigen und dadurch „normieren“. Und ich gehe in meiner Vorsicht noch weiter und glaube, daß man zur völligen Sicher- heit diese langwierige 10malige Ucberimpfung nach einiger Zeit wieder- holen soll und durch nochmalige Prüfung feststellen soll, ob der Stamm wiederum, wie früher, das betreffende Kohlehydrat nicht vergast, wobei ich als selbstverständlich voraussetze, daß jede dieser beiden Prüfungen nicht 1mal, sondern mindestens 2mal angestellt wird. Nur auf diese Weise und durch derartige strenge Maßnahmen der absicht- lichen Stammverfestigung werden wir auch auf jene Stämme, die aus ungünstigen Bedingungen heraus (z. B. aus Stuhl, Blut, Wasser u. dgl.) zu unserer unmittelbaren Beobachtung kommen, die Gruppenbestim- mungen anwenden können, die von unseren Laboratoriumsstämmen ab- geleitet sind.

Ich sagte, daß es mir richtig erschiene. für unseren Zweck die abbauenden Vorgänge zu studieren, während das Studium der aufbauen- den Vorgänge für andere Fragen bedeumarsınll ist, und unsere Aus- führungen haben dahin geführt, daß wir zu: \usgangspunkte unserer Untersuchungen besonders gute Wachsiunisbedingungen nehmen wollen. Durch unsere guten Bedingungen vereinheitlichen wir aber nicht nur, sondern ermöglichen es auch den verwöhuveren Arten zu wachsen, er- möglichen ferner einen schnelleren Ablauf und einen stärkeren Aus- schlag der Untersuchungen, und bringen dadurch die dem Untersucher so unbeliebten Zwischenstufen + oder $ leichter zum Verschwinden.

Diesen Vorzügen der guten Bedingungen steht bekanntlich der Nachteil einer gewissen Unübersehbarkeit der ‚gebotenen Nährböden ent- gegen. Wir sind wohl noch für längere Zeit nicht in der Lage, wirk- lich gute Nährböden für anspruchsvolle Bakterien synthetisch herzu- stellen, und noch auf unbekannte Gemenge zusammengesetzter Stoffe angewiesen, deren dauernd gleichmäßige Zusammensetzung fraglich er- scheinen kann. Trotz alledem scheinen mir die Vorteile solcher Nähr- böden so zu überwiegen, daß wir für unsere Zwecke doch die guten Bedingungen als Ausgangspunkt bevorzugen und die Nachteile durch zahlreiche Kontrollen ausscheiden.

Es liegt hier ebenso wie auf einem anderen Gebiete der Unter- suchungen des Abbaustoffwechsels, über das ich gleichfalls Erfahrungen habe, ich meine die Indolbildung, 'mit der ich mich mit meinen Mitarbeitern seit Jahrzehnten beschäftigt habe. Ich nenne Ihnen nur

Erste Abt. Orig. Bd. 97. Beiheft. 2

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die Namen Böhme, E. Pringsheim und Frieber. Bei der Indul- reaktion lag dasselbe Gewirr der Angaben vor und dieselbe Unmöglich- keit der gegenseitigen Verständigung, wie noch heute bei vielen Kohle- hydratvergasungen. Es hat bekanntlich nicht an bedeutsamen Angaben gefehlt. daß der Typhusbazillus, der Pestbazillus, der Diphtheriebazillus Indol bilde, oder an anderen Mitteilungen, daß dies oder jenes Bak- terium in seiner Indolbildung launenhaft sei und einmal Indol bilde, ein andermal nicht, und schließlich an jenen Angaben, daß es sehr viele Bakterien gäbe, welche so schwache Indolreaktion lieferten, daB man im Einzelfalle nicht sagen könne, ob es sich um positive Reaktion überhaupt handle. Wir sind heute darin schon etwas weiter, und wir kennen die notwendigen Nährböden und eine ausreichende Arbeitsweise, so daß wir den Nachweis von Indol als ein für unsere Zwecke un- entbehrliches Hilfsmittel benutzen. Auch hier ist freilich genaues Ein- halten der als notwendig erkannten Einzelbedingungen Voraussetzung für die Verwertbarkeit der Reaktion. Dann aber verschwinden auch jene so oft berichteten Schwankungen und machen einer erstaunlichen Regelmäßigkeit Platz.

So führen denn diese Betrachtungen notwendigerweise zur Ar- beitsweise der bakteriellen Kohlehydratvergasung; wir werden anstreben müssen, Gesichtspunkte dafür festzulegen, ohne deren Einhaltung cine Verständigung nicht möglich sein wird. In diesem Sinne aber habe ich vor einiger Zeit an den Vorstand unserer Vereini- gung einen Antrag gerichtet, er möge der Frage der Normung be- stimmter grundlegender bakteriologischer Arbeitsweisen nähertreten, und habe dabei darauf hingewiesen, daß ja nicht nur Amerika schon längst eine solche Vereinheitlichung besitzt, sondern daß auch neuerdings in Frankreich diese Bestrebungen bestehen.

Die Untersuchung auf Vergasung erfolgt in flüssigen oder in festen Nährböden, als Schulbeispiel der mit flüssigen Nährböden ar- beitenden Arbeitsweisen ist das bekannte Gärungskölbchen von Theo- bald Smith anzuschen, das er 1893 in seinem Buch beschrieben hat, und wir alle kennen die Abäanderungen von Dunbar, Durham usw. und wissen auch, daß man in vielen Fällen mit dem einfachen Kohle- hydratbouillon-Röhrchen auskommt, das ja bei Vergasung eine Reihe kleinster Gasbläschen am oberen Rande zeigt. Erwähnenswert erscheint mir noch das Mikroverfahren nach Halle und Pribram (Wien. klin. Woch. 1916. Bd. 29. Nr. 24), das vielleicht in der Hand eines mit der Arbeitsweise sehr Vertrauten einwandfreie Ergebnisse zeitigen mag. Nach diesem Verfahren erfolgt die Züchtung in der Höhlung eines geeigneten Objcktträgers, die mit einem Deckglas verschlossen und abgedichtet wird. Nach 10stünd. Bebrütung läßt sich schon Vergasunr feststellen. Die bisher erwähnten Arbeitsweisen sind für kurzdauernde Beobachtung geeignet, und auch Neuberg und Abderhalden sowie eine Reihe anderer Untersucher haben sich bei ihren Hefestudien dieser Schnellverfahren bedient, natürlich gewöhnlich durch Bestimmung der nach wenigen Stunden entstandenen CO,. Abderhalden hat sich für seine Untersuchungen einer selbsttätigen Lichthebelwage von Kuhl- mann ın Hamburg bedient, die ich Ihnen im Lichtbild vorführen möchte. Die Wägung erfolgt dabei während der Züchtung.

Daß für diese bakteriologischen Untersuchungen nur die Schnell- verfahren in Betracht kommen, ergibt sich ja bereits aus der früheren Forderung der öfteren Wiederholung der Prüfung vieler Stämme. Aber

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noch ein anderer wichtiger Grund spricht für die kurzdauernden Arbeits- weisen. Denn bei langer Züchtung im flüssigen Nährboden setzen wir unsere Zucht auch trotz anfänglich guter Bedingungen unter jene dürftigen und schwierigen Verhältnisse, unter denen es, wie betont, leicht zur Ausbildung von Notabänderungen kommt. Wer diese er- forschen will, wie es bekanntlich Baerthlein für andere Zwecke getan hat, der muß alte Zuchten in flüssigen Nährböden benutzen, und ebenso mag der Chemiker, der feststellen will, was überhaupt durch Bakterien aus Kohlehydraten werden kann, die wochenlangen Zuchten zur Untersuchung verwenden. So sehen wir denn in neuen und recht wertvollen Arbeiten auf diesem Gebiete, wie z. B. in der Arbeit von de Graaff und le Fèvre (Biocn. Ztschr. Bd. 151. 1925. H. 3/4) aus der mikrobiologischen Abteilung des Pharmazeutischen Instituts in Utrecht, als Durchschnittsbebrütungszeit 30 Tage angegeben. Natürlich schließt sich hieran nun erst die eigentliche, vielfach so um- ständliche Untersuchung auf die entstandenen Stoffe. Uns beschäftigen hier ja nur die entstandenen Gase, und zwar hinsichtlich der Art und der Menge. ` Die Untersuchung auf die Gasmenge ist nicht so einfach wie es allgemein schien. W. Frieber hat, als er noch nicht mein Mit- arbeiter, sondern noch bei Herrn Kollegen Wolf in Tübingen war, in einer ausführlichen Arbeit (Centralbl. f. Bakt. I. Orig. Bd. 69. S. 454) auf die ausschlaggebende Rolle der Gasabsorption in der Kulturflüssig- keit hingewiesen, hauptsächlich auch darauf hingewiesen, daß diese Ab- sorption für verschiedene Gase, also z.B. für H und CO, ganz verschieden ist, und nicht nur von dem Wärmegrad, sondern auch ganz besonders von der Menge der verwendeten Flüssigkeit abhängt. Er hat weiterhin gezeigt, wie schwer die letzten Spuren der Kohlensäure aus der Kultur- flüssigkeit auszutreiben sind, so daß etwa achtmal wiederholtes Aus- treıben durch Kochen erforderlich ist. Wenn also bei verschiedenen Be- stimmungen der Wärmegrad oder die Zusammensetzung des Nährbodens oder auch nur die Menge des Nährbodens verschieden waren, dann kann man kleinen Mengenunterschieden an Kohlensäure bei den er- wähnten Schnellverfahren keine große Bedeutung zuschreiben.

Für den regelmäßigen Gebrauch im bakteriologischen Laboratorium sind die Gärungsröhrchen und derartige Glasinstrumente nicht überall beliebt: man findet sie in den wenigsten Laboratorien dauernd gebrauchs- fertig vor. Dazu kommt der Nachteil jedes flüssigen Nährbodens, daß eine einzige Verunreinigung das ganze Bemühen vernichtet.

Schließlich will ich noch auf einen Punkt hinweisen, welcher der flüssigen Kultur eigentümlich ist. Wir wissen durch die schönen Untersuchungen von Bail, daß einem bestimmten flüssigen Nahrungs- raume eine bestimmte Höchstzahl, unabhängig von der eingeimpften Menge, entspricht. Wir werden gleich sehen, daß das bei den festen Nährböden anders ist.

Wir wenden uns von den flüssigen Nährböden zu den festen, d. h. also in unserem Falle zu den sogenannten hohen Schichten. Schon Liborius 1886 hat sie ausgiebig verwendet, und sie spielen seit Jahr- zehnten in unseren Arbeitsstätten eine große Rolle. Wir haben uns seit mehr als eineinhalb Jahren eingehend in dem mir unterstellten Institut mit der Frage der bakteriellen Kohlehydratvergasung beschäftigt, und uns dabei fast ausschließlich der hohen Schichten bedient. Eine so- eben im Druck befindliche Arbeit von Fräulein Dr. Klieneberger!)

Bu: Anm. bei der Korr.: inzwischen erschienen. (C. f. B. I. O. Bd. 96. 1925.) 9x

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behandelt ausführlich die Arbeitsweise mit hohen Schichten von Kohle- hydratagar. Ich werde mich ganz wesentlich auf diese sehr sorgsame Arbeit stützen. Schon Burri und Düggeli haben in ihrer austühr- lichen Arbeit (Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 49. 1909. S. 149) den hohen Schichten den Vorzug gegeben und sie schreiben, daß bei geeigneter Versuchsanstellung in festen Nährböden die Bedingungen für die Bii- dung der Gärungsgase viel günstiger sind als in Flüssigkeiten. Auch manche Hand- und Lehrbücher geben den festen Nährböden für die Gasbildung den Vorzug gegenüber den flüssigen. Aber es fehlt überall eine genaue Arbeitsweise, man war wohl der Meinung, daß es darauf nicht besonders ankomme. Und das eben ist ein Grundirrtum. \Venn man sich nicht damit begnügen will, festzustellen, daß irgendein Bak- terium irgendein Kohlchydrat vergast. sondern wenn man mit Sicher- heit angeben will, welche Kohlehydrate von einem bestimmten Bak- terium vergast werden und welche : nicht, dann bedarf es einer ganz genau bestimmten Arbeitsweise, ganz abgesehen von der Verfestigung der Kultur, von der wir vorhin gesprochen haben.

H. Braun und Cahn-Bronner (Biochem. Zeitschr. Bd. 131. S. 307) haben gezeigt, daß das Auftropfen von Kultur auf die erstarrte hohe Schicht und Bebrütung genügt, um Blasenbildung und Zerreibunz in der Tiefe der Schicht hervorzurufen; die Zerreißung des Agars er- folgt sehr häufig nicht an der Stelle, wo die Kultur gewachsen ist, sondern eben an der Stelle, wo der Druck der Gase die Ausdehnungs- fähigkeit des Agars überschritten hat. Als Arbeitsweise ist das Auf- tropfen von Braun und Cahn-Bronner nicht angegeben worden und auch nicht allgemein zu empfehlen. Die Stichkultur, die so be- quem ist, ist gleichfalls für feinere Untersuchungen unbrauchbar, und es bleibt nur die nicht schr beliebte, weil unbequemere Methode der Schüttelkultur übrig. Ich zeige Ihnen ein Bild, welches Ihnen das (resagte veranschaulicht. Für die Schüttelkultur ist nun die insaat- menge nicht gleichgültig, weil ja aus jedem Keim eine Kolonie ent- steht, die Kolonie aber wohl nur in ihrem äußeren Teile als Gas- bildungsstätte in Betracht komnit, also die Größe der Kolonie und ihre Zahl von ausschlaggebender Bedeutung sind. Die Zahl dieser kleinen Gasanstalten scheint uns der wichtigste Anteil zu sein; die Zahl der Kolonien aber hängt weitgchend von der Einsaat ab. So wird also in der Schüttelkultur die Einsaatmenge von Bedeutung sein können. Trotzdem sehen wir übrigens bei manchen starken Vergasern schon durch 2 Kolonien nach einigen Tagen eine Agarzerreibune. aber ın den ersten Tagen nur eine Blasenbildung entstehen. Diese spätere Zerreibung entsteht natürlich durch Weiterwachsen der Bak- terien in den ersten Spalten. Das aber schen wir nur dann, wenn gute Wachstumsbedingungen es diesen vereinzelten Kolonien gestatten. ın der Zeiteinheit große” Gasmengen von ihrer großen Oberfläche aus zu erzeugen. Kennt man für ein vergasendes Bakterium die guten Wachstumsbedingungen, so spielt auch bei der Schüttelkultur selbst bei schwachen Vergasern die Menge der Einsaat eine geringe Rolle. Sowie aber die Bedingungen nicht besonders günstig sind, und das werden sie doch zunächst meistens sein, müssen wir auf die Zahl der Einsaat den größten Wert legen. Wir erleben es immer wieder, daß zwei Untersucher denselben Stamm verschieden beurteilen. weil sie verschiedene Einsaatmengen für die Schüttelkultur in hoher Schicht verwenden. So kennen wir Stämme, bei denen wir mindestens

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10000 Keime in unsere gewöhnlich verwendeten hohen Schichten ein- impfen müssen, um Vergasung zu erhalten, und wir brauchen auch von diesen Stämmen nur ganz wenige Keime in die hohe Schicht ein- zuimpfen, ‘wenn wir wirklich ausgesucht günstige Wachstumsbedingungen schaffen, um doch Vergasung zu erhalten. Uebrigens haben unsere Versuche gelehrt, daß in jenem Falle, wo wir 10000 Keime brauchten, wir nicht etwa annehmen dürfen, daß unter diesen 10000 nur einer sel, der zur Vergasung fähig gewesen wäre; wenigstens ist die Nach- kommenschaft dieses einen Keims oder der einen Kolonie, die unter 10000 allein zur Gasbildung geführt hat, hinsichtlich der Gasbildung nicht etwa verschieden von der anderer Keime oder Kolonien. Auch brauchen wir eben immer unter diesen Umständen 10000 in einem Röhrchen und können nicht etwa diese 10000 Keime auf 10 Röhr- chen verteilen, um dann in einem Gasbildung zu erzielen. In diesem Falle, also unter nicht ausgesuchten Nährbodenbedingungen, ist nur die (resamtstundenmenge an Gas, die von den aus den 10000 Keimen ent- standenen Kolonien gebildet worden ist, imstande, die Explosion, die Zerreißung hervorzurufen. Da wir, wie schon betont, im Einzelfalle nicht wissen werden, ob wir genügend günstige Nährbodenbedingungen auch nur einigermaßen erfüllt haben, müssen wir eine große Einsaat wachen: wir selbst nehmen von einer Schrägagarkulturaufschwemmung (1 ccm Kochsalzlösung auf eine Kultur) eine mittlere Oese und impfen demnach von Coliarten jedesmal etwa 40—80 Millionen in die hohe Schicht.

Der Ausdruck Schüttelkultur soll wohl zum Ausdruck bringen, daß die eingebrachten Keime durch Schütteln gut verteilt werden sollen. Aber das ist nicht der wesentliche Zweck des Schüttelns. Die alte Frage, inwieweit Sauerstoff vorteilhaft oder nachteilig für die Zuckervergasung ist, wird hier wiederum berührt. Die Ver- suche von Fräulein Dr. Klieneberger haben eindeutig ergeben, daB eine gewisse Menge Sauerstoff für die Zuckervergasung in der hohen Schicht außerordentlich vorteilhaft ist, die auch nicht überschritten werden darf, wenn nicht wiederum Behinderung eintreten soll. So muß denn das Schütteln in allen Fällen möglichst gleichmäßig ge- schehen, wenn man vergleichbare Ergebnisse erzielen will Wir selbst schütteln jedes Röhrchen kräftig zweimal, ohne uns dadurch stören zu lassen, daß der Wattebausch benetzt wird. Ueber die Wasser- stoffionenkonzentration läßt sich allgemein nicht viel sagen oder wenigstens nur so viel, daß sie für manche Stämme von größter Bedeutung ist; und im allgemeinen wird eine etwas mehr alkalische Reaktion leichter vertragen als eine mehr saure. Die Beachtung der Wasserstoffionenkonzentration ist für feinere Vergasungsuntersuchungen unbedingt nötig. Wir haben z. B. erlebt, daß ein besonderer Stamm Traubenzucker nicht, Milchzucker aber wohl vergoren hatte, und haben dieses Ergebnis, das doch ganz auffallend ist, mehrfach erzielt. Und doch war es darauf zurückzuführen, daß der gebrauchte Traubenzucker- agar eine etwas andere Wasserstoffionenkonzentration hatte als der Milchzuckeragar, und daß dieser Stamm gerade hinsichtlich der Ver- gasung auf eine ganz bestimmte Wasserstoffionenkonzentration an- gewiesen war. Das erschwert natürlich die Beurteilung sehr, wenn es sich um an sich schwache Vergärer handelt. Gelegentlich kann man sich damit helfen, daß man 3 hohe Schichten ansetzt, von denen man nach der Erstarrung eine mit einem Tropfen einer schwachen Base, eine andere

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mit einem Tropfen schwacher Säure beschickt und nun die Vergasung unter dieser von selbst sich einstellenden Verschiebung der H-Ionen- Konzentration sich abspielen läßt. Für alle feineren Feststellungen muß man Agar von etwa px = 7,5, 7,0 und 6,5 benutzen.

Besonders verwickelt werden die Verhältnisse noch dadurch, dab ja die Bakterien durch ihr Wachstum die Wasserstoffionenkonzentratien ändern, so daß wir immer nur über die Ausgangskonzentrationen wirklich Bescheid wissen. Es liegt daher nahe, an die Verwendung von Pufferlösungen zu denken, aber wir haben keinen Vorteil davon gesehen; die Konzentration der Lösungen müßte sehr stark sein; man hat auch (Rühle, Fr. Müller, Bioch. Zeitschr. 1922) von dem säurebindenden Vermögen von EiweiBsubstanzen, Serum u. dgl. Ge- brauch machen wollen. Auch das hat uns nicht viel genützt.

Ueber die Konzentration des Agars vermag ich Ihnen nicht viel zu sagen. Man hat ja aus Gründen der Ersparnis und aus anderen Gründen hohe Schichten mit geringem Agargehalte (Oldekopp. W. Stern) benützt, wir selbst sind auf Grund unserer Erfahrungen zu dem stets gleichen Gehalte von 2,5 Hundertstel Agar zurückgekehrt.

Natürlich kann man auch Gelatine benutzen, gleichfalls als Schüttel- kultur; sie gibt bei der Vergasung das bekannte Bild der schönen kreisrunden Blasen. Die hohe Schicht erlaubt es auch, festzustellen. welche einzelnen Gase und wieviel gebildet wird. Burri und Düggeli haben einfach eingestellte Glasrohre benutzt, in denen der erstarrte Zuckeragar mit einer kleinen Menge leeren Agars bedeckt wurde. Frieber!) hat wesentliche Verbesserungen dadurch eingeführt, daß er die Vergasung mit der dazu gehörigen Deckschicht von leerem Agar im Quecksilberbade vor sich gehen ließ. Der ganze Apparat kommt nach Abschluß der Vergasung in den Dampftopf, so daß der Agar flüssig wird und man so eine unzerrissene Säule von Agar hat. über welcher die Menge des gebildeten Gases unmittelbar abzulesen ist.

Herr Dr. Kopp?) hat in unserem Institut den ganzen Aufbau noch wesentlich verbessert, es hat sich nämlich gezeigt, daß der leere Agar, der zum Gasabschluß dient, doch nicht genügend gasdicht ist. Herr Kopp hat deshalb den gasdichten Verschluß durch einige ccm Quecksilber erreicht, und das konnte nur dadurch geschehen, daß die hohe Schicht mit leerem Agar bedeckt wurde, daß dann das Quecksilber kam, welches wiederum mit leerem Agar in seiner Lage gehalten wurde. Im übrigen ist die Handhabung und auch die Ver- flüssigung im Dampftopf die gleiche wie bei Frieber. Auch die Entfernung der Kohlensäure mittels einiger Tropfen starker Lauge geschieht in der gleichen Weise zur Bestimmung des Kohlensäureanteils. Die Bestimmung des Verhältnisses von CO, zu H, die jetzt so einfach und genau möglich ist, wird einmal gleichfalls zur Bestimmung der Bakterienarten dienen; vorläufig liegen noch nicht genügend einwand- freie Bestimmungen für zahlreiche Arten vor.

Nun erst zur Hauptsache, oder wenigstens zu der einen Haupt- sache, nämlich dem stickstoffhaltigen Anteile des Nährbodens. Es ist ja längst bekannt, daß die besten Kohlehydratvergaser bei wirk- lich einseitiger Kohlehydratnahrung, also ohne verwertbare Stickstoff- quelle, nicht wachsen und nicht vergasen. Im allgemeinen kann man wohl sagen, daß der Stickstoff in Form des Peptons und dies etwa

1) Centralbl. f. Bakt. Bd. 36. 1913. 2) Wird im Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. erscheinen.

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im Verhältnis 1:100 vorhanden sein muß, um gute Vergasung zu er- möglichen. Dabei wird nicht jedes Pepton gleich gute Dienste leisten; wir haben entweder das im Institut nach den Angaben von W. Frieber selbst hergestellte oder aber das Wittepepton verwendet. Nicht ab- gebautes Eiweiß ist für die meisten Bakterien der hier in Betracht kommenden Bakteriengruppen schlecht oder gar nicht verwertbar, z. B. Serum. Untersucht man Aminosäuren, so steht natürlich Tryptophan an der Spitze, aber für viele Bakterien dieser Art ist auch allein Tyrosin ausreichend. Merkwürdige Ergebnisse zeigt der Zusatz von Asparagin; es gibt Bakterien, denen Asparagin als Stickstoffquelle sehr zusagt und andere, die mit ihm nichts anzufangen wissen, ja für die Asparagin ein Gärungshemmungsmittel ist. Aehnlich scheint es beim Harnstoff zu liegen und ganz sicher wirkt der Stickstoff in Form des Kalium- nitrates auch in kleinen Mengen von 1:1000 ganz stark gärungs- hemmend, selbst den stärksten bakteriellen Kohlehydratvergasern gegen- über und auch dann, wenn man ihnen im übrigen vorzügliche Be- dingungen und eine gute Stickstoffquelle, wie Pepton, bietet. Darüber vielleicht nachher noch einige Worte. Hier sei nur das zusammengefaßt, daß wir in den meisten Fällen mit Pepton auskommen, dieses aber auch nicht entbehren können. Johannes Müller hat einmal vom Frosch in seiner „Physiologie“ gesagt: der Frosch, der Freund der Physiologie. Man könnte das auf das Pepton und die Bakteriologie anwenden. Und noch eines wollen wir hier bedenken: wenn wir einmal Kohle- hydratvergasung nicht sehen, so braucht es nicht am Kohlehvdrat zu liegen, sondern es kann auch von der falschen Stickstoff- quelle kommen.

Und weiter: wenn wir einmal eine Beschleunigung oder eine Ver- stärkung der Vergasung schen, so braucht das an weiter nichts zu liegen. als an der Stickstoffquelle.

Zu den guten Bedingungen gehören nicht nur Pepton und Amino- sauren, sondern auch niedere Eiweißabbaustufen, wie sie als Kreatin usw. in den Extraktivstoffen des Fleisches enthalten sind. Demgemäß ist der Zusatz von Fleischextrakt zu einem Plazentawassernährboden schr vorteilhaft für die Kohlehydratvergasung, aber unübertroffen bleibt doch der Fleischwasseragar, der auch keinen Fleischextraktzusatz braucht. Ueber den Einfluß der Salze vermag ich unter diesen Um- ständen wenig zu sagen; Kochsalz ist in unseren Fleischwassernähr- böden genügend vorhanden und auch die anderen Salze scheinen in Fleischwassernährböden oder in Plazentawasser-Fleischextraktnährböden genügend vorhanden zu sein. Auch die im Anschluß an manche Gärungs- vorstellungen naheliegende Verwendung von Phosphaten hat uns keinerlei Vorteile ergeben.

Ehe wir zum Kernpunkt, den Kohlehydraten übergehen, müssen noch jene Substanzen erwähnt werden, die, ohne selbst Nährstoffe zu sein, die Vergasung befördern oder die, ohne selbst deutliche Wachstums- hemmung zu zeigen, die Vergasung mehr oder weniger hemmen. Solche Stoffe sind ja bekanntlich seit langem für die Hefe bekannt und ausführlichst von Neuberg und seinen Schülern einerseits, von Abderhalden und anderen beschrieben worden. Fördernde Stoffe scheinen in sehr vielen chemischen Körperklassen vorzukommen. Es sind aber auch vergasungsfördernde Stoffe beschrieben (Labes, Biochem. Zeitschr. 1922), die nur durch ihre Zustandsform wirken. In einigen Versuchen schienen uns größere Mengen von Tierkohle auch

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in der hohen Schicht fördernd zu wirken. Vielleicht bilden die feinen Kohlepartikelchen Zentren von Kolonien, die auf diese Weise gerade im Jugendstadium künstlich eine größere Oberfläche bekommen, wo- durch sich stärkere Zerreißwirkung erklären würde. Auch Be- schleunigung der Gärung durch ultraviolettes Licht ist angegeben, freilich auch wieder bestritten worden (Centrbl. £. Bakt. II. Bd. 61. 1924. S. 449). Wichtiger sind jene fördernden Stoffe, die in kleinsten Mengen einen deutlichen Einfluß ausüben. Wir sind bisher bei unseren Ver- suchen unter ausgesucht günstigen Bedingungen nicht so erfolgreich gewesen, wie die erwähnten Forscher, und haben eigentlich nur sehr wenige deutliche Förderungsstoffe gesehen. Ich nenne sie absichtlich Förderungsstoffe, weil man wohl doch zwischen den Stimulantien der lebenden Zellen und den Aktivatoren der zellfreien Zymase unterscheiden muß, wir aber bei unserer Versuchsanordnung diese beiden Klassen nicht unterscheiden können, da ein Arbeiten mit zellfreier Bakterien- zymase nicht möglich ist. Wir haben natürlich einige der angegebenen Förderungsstoffe bei unseren bakteriellen Vergasungen verwendet, können aber bisher eigentlich nur von einem Stoff eine deutliche Förderung behaupten, das ist das Insulin, das, wie wir nachträglich sahen, ja auch schon Abderhalden (Fermentforschung Bd. 8. Heft 2. 1925) ver- wendet hat. Und auch Insulin fördert am besten bei einem gewissen Verdünnungsgrad, bei unserem Insulin etwa bei 1/,, bis 1/,59 Einheit. Arbeitet man übrigens bei solchen Versuchen mit günstigen Be- dingungen, so muß man den zeitlichen Verlauf der Vergasung ver- folgen, schon von der dritten Stunde ab und dann etwa viertelstünd- lich. Man kann aber auch bei solchen Versuchen mit schwächeren Vergasern oder aber mit weniger guten Bedingungen oder schließlich mit ausgesucht günstigen Bedingungen, aber unter gleichzeitiger Ver- wendung von gärungshemmenden Mitteln, arbeiten. Unsere Bemühungen in allen diesen Richtungen (Frl. Dr. Klieneberger) waren, wie ge- sagt, nicht besonders erfolgreich.

Es gibt auch vergasungshemmende Mittel, wobei natürlich nur jene hier gemeint sind, welche eine deutliche Wachstumshemmung nicht zeigen. Ich erwähnte bereits das Asparagin, den Harnstoif und zumal das Kaliumnitrat. Kaliumnitrat ist ja in hohen Mengen- verhältnissen wachstumshemmend, aber kaum in jenen schwachen, 1 aut 1000, die hier in Betracht kommen. Bekannt ist, daß es streng sauer- stoffliebenden Bakterien, wie z. B. dem Bacillus pyocyaneus, in diesen Mengenverhältnissen das Wachstum ohne O ermöglicht. Mit dieser leichten Reduzierbarkeit mag es vielleicht zusammenhängen, daß es be- fähigt ist, die Kohlehydratverg asung zu hemmen. Jedenfalls braucht man, wenn man Vergaser in Zuckernährböden züchten will, und trotz guten Wachstums keine Zerreißung haben will, nur 1 auf 1000 Kalium- nitrat zuzusetzen. Das Studium der vergasungshemmenden Stoffe scheint uns fast ergiebiger zu sein als das der vergasungsfördernden. Wir haben den Eindruck, daß der Spielraum zwischen Wachstumshemmung und Vergasungshemmung bei den verschiedenen Stoffen sehr verschieden groß ist, älınlich, wie wir es von dem Spielraum zwischen Wachstums- hemmung und Abtötung bei den verschiedenen bakterienfeindlichen Stoffen ja genügend kennen.

Auch jene von Schulz schon vor langer Zeit beschriebene und noch 1907 (Pflügers Archiv 1907. Bd. 120. S. 51) wiederholt an- gegebene Erscheinung, daß gärungshemmende Stoffe in kleinerer Dosis

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ärungsfördernd sind, die er ja zu seinem bekannten Gesetz gerade an der Hefe bearbeitet hat, ist, wie schon Joachimoglu (Biochem. Zeitschr. Bd. 130. 1922. S. 239) ausgeführt hat, durchaus keine regel- mäßige oder sehr deutliche Erscheinung. Auch wir schließen uns Joachimoglu auf Grund der Versuche von Frl. Dr. Klieneberger an. Wir haben unterhalb der hemmenden Mengen bei bekannten Ab- tötungsmitteln nur so geringe Vergasungsförderung gesehen, daß wir daraus keine großen Schlüsse machen können.

Und nun zum Kernpunkt, dem Kohlehydrat. Selbstver- ständliche Voraussetzung ist, daß der Nährboden an sich nicht schon vergasbare Kohlehydrate enthält. Unsere aus Fleischwasser und Pepton bereiteten Nährböden enthalten aber stets vergasbare Kohlehydrate; auch das ist ja längst bekannt, und ebenso ist ja von Theobald Smith die Methode der Entzuckerung angegeben. Man muß das fertige Fleischwasser mit einem kräftig gärenden Colistamm versetzen und damit 1—2 Tage stehen lassen, dann ist der vergasbare Zucker bis auf die letzte Spur entfernt, oder es ist jedenfalls weniger als 1/,65509 nur noch vorhanden. ‘Denn das ist die Zuckerkonzentration, die wir in der hohen Schicht noch deutlich nachweisen können. Es entspricht das etwa 1—11/, mg Zucker in einzelnen Röhrchen. Die anderen An- gaben, wonach Faulenlassen des Fleisches usw. ebenfalls den Zucker- gehalt genügend herabsetzen. können wir leider nicht bestätigen. Uebri- gens ist das Witte-Pepton im allgemeinen zuckerfrei, das nach Frieber hergestellte aber ebensowenig wie Plazentawasser oder gar Fleischwasser.

Als Kohlehydrate kommen die eigentlichen Zucker, Aldosen oder Ketosen, und zwar Hexosen und Pentosen, ferner Glyzerin und die Zuckeralkohole, Hexite und Pentite, weiterhin Glukoside, ferner zucker- ähnliche, aber ringförmig zusammengesetzte Körper, wie Inosit, allen- falls noch Polysaccharide, in Betracht. Dem Vorteil der Mannigfaltig- keit der Stoffe steht der Nachteil gegenüber, daß viele dieser Stoffe sich in der Hitze unter dem Einfluß von Alkalien oder aber von Säuren umsetzen. Solche Stoffe muß man, wenn sie leicht zersetzlich sind, durch Kerzenfiltration entkeimen und dem Agar unmittelbar vor Ge- brauch zusetzen. Andere Kohlehydrate kann man zwar kurz, aber nicht wiederholt aufkochen, was doch für den immer wieder erstarrenden Agar nötig sein kann. Wieder andere kann man auch nicht bei Zimmer- temperatur mit dem leicht alkalischen Agar zusammen wochenlang stehen lassen, auch dann treten Spaltungen ein, und es sind dann die leichter vergasbaren Bruchstücke neben dem ursprünglichen Kohlehydrat vorhanden. Wenn also auf diese Weise durch leichter vergasbare Kohlehydrate irrtümliche Schlüsse entstehen können, so ist anderseits bekannt, daß durch ôfteres und langes Kochen der Traubenzucker über- haupt allmählich zum Verschwinden kommen Kann, so daß dann also die zugesetzte Menge vergasbaren Zuckers sehr erheblich vermindert ist. Dazu kommen weitere Schwierigkeiten. Der Agar selbst enthält eine Substanz, die unter Säureeinfluß augenscheinlich leicht in vergasbaren Zucker übergeht nach den Lehrbüchern Galaktose —, weshalb auch der ursprüngliche Stoff im Agar Galaktan genannt worden ist. Nun bilden aber die Bakterien Säure, so daß auf diese Weise der Agar schon an und für sich dadurch vergasbare Substanzen abspaltet. Daß, wie Gildemeister angibt, allein durch Kochen aus dem Agar ver- gasbare Substanzen entstehen, können wir für unseren Agar nicht

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zugeben. Aber es ist bekannt, daß die chemische Zusammensetzung von verschiedenen Agarproben sehr verschieden sein kann. Sollte einmal in Deutschland eine Vereinheitlichung unserer Arbeitsweisen erfolgen, wie ich sie eingangs erwähnt habe, so müßte sıe bei dem Agar beginnen. Uebrigens ist man auch beim Arbeiten mit Bouillon nicht gegen das Auftreten von Kohlehydratspaltungen geschützt, die dann durch Ent- stehung leichter vergasbarer Teilstücke zu irrigen Schlüssen führen können; wir haben im Institut solche Spaltungen der Kohlehydrate durch wochenlange Brutschranktemperatur und Säure auftreten sehen und sind schon aus diesem Grunde gegen die erwähnten Versuche mit langen Bebrütungszeiten mißtrauisch. Natürlich kann auch die Rein- heit der verwendeten Kohlehydrate zu wünschen übrig lassen. Wir verwenden sie in starken Lösungen, entkeimen kurz im Dampftopf oder durch Filtration und setzen unmittelbar vor Gebrauch dem etwa 45- grädigen Agar 1/,—1 aufs Hundert zu. Wenn wir nur die Kohlehydrate berücksichtigen, welche nach dem jetzigen Stand unseres Wissens durch ihre bakterielle Vergasbarkeit eine Bedeutung für die Einordnung haben, so wird uns deren Zahl zunächst schon erschrecken. Von den Mono- sacchariden ist es die Dextrose, während die anderen Hexosen wenig wertvoll sind, aber die Pentosen: Xylose, Arabinose können nicht fehlen. Bieling hat 1916 (Dtsch. med. Wochenschr. S. 531) die Xylose zur Unterscheidung der Paratyphusbazillen und des Typusbazillus angegeben sie wird nur von Paratyphus B-Bazillen vergast —, aber auch für die Unterscheidung der Coliarten scheint sie wichtig zu sein. Und auch die Arabinose darf nach W. Stern!) und Jordan?) so wenig fehlen, wie die Methylpentose: Rhamnose. Von den Disacchariden kommt außer Laktose zunächst Trehalose, von Koser?) und Jordan?) aus- führlicher untersucht, und Saccharose in Betracht. Leider ist Trehalose heute in Deutschland kaum aufzutreiben, und ich kann Ihnen deshalb über eigene Erfahrungen nicht berichten. Saccharose wird ja viel ver- wendet, aber bisher wohl mehr in der Form der Lackmus-Schrägagar- nährböden; ich möchte auch hierfür die hohe Schicht empfehlen. Von den Trisacchariden ist nur die Raffinose zu erwähnen. Die Polysaccha- ride seien nur erwähnt, ohne daß genauer auf sie eingegangen werden könnte.

Unter den Alkoholen ist nach unseren Erfahrungen das Glyzerin’) zu betonen, auch wenn seine Verwendung als Zusatz zur hohen Agar- schicht noch gar nicht allgemein ist. Allgemein wird die Vergasbarkeit des Dulzits als wichtig anerkannt; dem möchte ich mich anschließen. Vom Mannit kann ich Ihnen nichts Neues berichten. Aber das Pentit: Adonit darf in dieser Zusammenstellung nach bemerkenswerten Mit- teilungen der Literatur nicht fehlen.

Ein zyklisches Kohlehydrat Inosit*), in Deutschland auch noch wenig systematisch untersucht, ist dadurch, daß es von einigen Arten vergast, von anderen nicht vergast wird, hier aufzuzählen.

Dazu kommen seit den Arbeiten von Twortf) und Weintranb'

1) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 82. 1919. S. 49.

2) Journ. inf. Dis. Vol. 21. 1917. p. 531.

3) E. Jordan, Journ. inf. Dis. Vol. 36. 1925. p. 309. _ 4) Weiss and Rive, Journ. med. Res. Vol. 35. "1917. p- 403: Vol. 36. p. 135. 5) Vgl. eine Dissertation von H. Neißer, Breslau 1925.

6) Cenab, f. Bakt. Abt. I. Ref. Bd. 40. 1907. 50S.

7) Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 91. 1924. S. 273.

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die Glukoside, und zwar das E. Fischersche «-Methylglukosid (Wein-

traub), ferner die ß-Glukoside Salizin und Arbutin. Twort hat 49 Glukoside untersucht und 22 unvergärbar befunden. Er hat mit 44 Stämmen gearbeitet, aber gerade seine Arbeit aus dem Jahre 1907 ist ein Beispiel der nicht nachahmenswerten bakteriologischen Arbeits- weise. Er hat mit flüssigen Nährböden gearbeitet und hat mindestens 4 Wochen beobachtet. Von ihm stammt auch die Mitteilung, daß durch Ueberimpfungen auf entsprechenden Nährböden Anzüchtung einer Kohle- hydratvergasung oder Eintwöhnung stattfinden könne. Aber er hat jede Ueberimpfung 14 Tage lang gezüchtet und zum Schluß mindestens 4 Wochen beobachtet.

Ein kurzes Wort noch über jene Stoffe, die uns die neueren Vor- stellungen über den Ablauf der Hefegärung nalıe gebracht haben. Das Methylglyoxal Neubergs ist bekanntlich unvergasbar, auch durch Bakterien. Neuberg bezicht das darauf, daß wir nur eine Form dieses Körpers künstlich darstellen können, während es eine Reihe stereo- isomerer Formen gibt. Die Brenztraubensäure, deren Spaltung ja eine Zerreißung der Kohlenstoffkette voraussetzt, ist durch Bakterien leicht vergasbar. Alle Stämme, die Traubenzucker vergasen, können nach unseren Erfahrungen in stärkerer oder schw ächerer Weise auch Brenz- traubensäure vergasen.

Wir haben also vorläufig von der de der Brenztrauben- saure für unsere Zwecke keinen Vorteil gesehen; der Nachweis der Karboxylase, wie ja Neuberg die brenztraubensäurespaltenden Anteile der Zymase genannt hat, führt uns also bisher nicht weiter als der Nachweis der Dextrosevergasung. Auf der anderen Seite steht bekannt- lich seit Harden und Young der Phosphorsäurezucker im Vorder- grunde bei der Zerlegung des Zuckers im Organismus, und zumal Embden hat in dieser Beziehung auf die Bedeutung der Hexose- diphosphorsäure hingewiesen. Uns hat Herr Kollege Embden ein selbst hergestelltes Präparat einer Hexosediphosphorsäure zur Verfügung ge- stellt, aber diese war durch Bakterien nicht zu vergasen. Hoffen wir, daß uns die Chemie in der Zukunft Zwischenstufen liefert, deren bak- terielle Vergasung für uns von Wichtigkeit Ist.

Die Vergasung der Brenztraubensäure gehört, da doch die Brenz- traubensäure kein Zucker ist, in das bedeutungsvolle Gebiet der zucker- freien Vergasungen. Selbstverständlich lassen sich diese Vergasungen auch in der hohen Schicht und auch nur in wirklich zuckerfreien Nähr- böden ausführen. Aus der Brenztraubensäure entsteht Kohlensäure. Aber wir stehen hier an der Grenze des Gebietes, die uns zu dem benachbarten großen Gebicte der Fäulnis überleitet. Denn wir kennen natürlich Vergasung in zuckerfreien Medien, die nicht zu Kohlen- säure, sondern zu Stickstoff usw. führen. Ich würde dieses Gebiet, als außerhalb meines Rahmens liegend, hier gar nicht erwähnen, wenn ich nicht vorhin das Kaliumnitrat und seine vergasungshemmende Wir- kung, wofern 1:1000 davon vorhanden ist, genannt hätte. Setzt man größere Mengen Kaliumnitrat als vorhin erwähnt (1:1000) dem Nähr- boden zu, etwa 1/,—1:100, so sieht man wiederum Gasblasen und Zer- reiBung, ‘und zwar tritt diese Erscheinung in zuckerhaltigen und in zuckerfreien Nährböden ein. Das gebildete Gas ist Stickstoff, und wir sind damit außerhalb unserer bakteriellen Kohlehydratvergasung. Aber ich erwähne die Tatsache nicht nur, weil sie uns leicht zu 1rr- tümlichen Schlüssen führen kann, sondern auch, weil die beschriebene

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Arbeitsweise der Schüttelkultur natürlich auch auf diese zuckerfreien Vergasungen anwendbar ist, ebenso wie die Menge Gärungsgase in der Anordnung nach Kopp. Es braucht kaum gesagt zu werden, daß sich hier ein weites Gebiet eröffnet es sei nur an die Zersetzung. des Harnstoffs erinnert.

Nun zur Verwertbarkeit der bakteriellen Kohlehydratvergasungen: einmal ermöglichen sie uns eine Systematik, ein Wort, das vor den Ohren von Experimentatoren und Medizinern leicht einen langweiligen. schulmeisterischen Klang hat. Aber gerade am Beispiel der Trehalose und des Inosits kann man sehen, dab diese Untersuchungen auch für die Medizin nicht wertlos sind; denn Jordan hat in diesem Jahre an 63 Paratyphus B-Stämmen und an 38 Suipestiferstämmen gezeigt, daß sie durch die Trehalosevergasung leicht voneinander zu unterscheiden sind, und daß weiterhin durch die Vergärung oder Nichtvergärung des Inosits die Enteritisstämme von den Paratyphus B-Stämmen wiederum zu trennen sind. Ich will die vielen Versuche der neueren Systematik nicht im einzelnen erwähnen, sondern nur betonen, daß eine ganze Anzahl Forscher die Kohlehydratvergasung in den Vordergrund stellen, ja selbst diejenigen, welche, wie Burri und Düggeli, zu der groben Frage der Umwandlung eine geneigtere Stellung annehmen, als ich es tue. Aber wir sind noch weit von einer Einigung entfernt, und zwar hauptsächlich deshalb, weil die Forscher heute noch gezwungen sind, Angaben von anderen zu übernehmen, welche mit ganz anderer Arbeits- weise gearbeitet haben, nur eine einigermaßen einheitliche Arbeits- weise kann uns eine einheitliche Systematik geben.

Von den erwähnten Kohlehydraten hat Mc. Conkey (Journ. of Hyg. 1905) die Dextrose-Laktosevergaser nach ihrem Verhalten gegen- über Saccharose und Dulzit weiter eingeteilt. Jackson hat dann (Journ. of Inf. Dis. Vol. 8. 1911. p. 241) diese Einteilung übernommen, die 4 großen Coligruppen Bact. communior, communis, aërogenes, acid. lact. gebildet, aber noch Untergruppen A—D hinzugefügt, je nachdem Mannit oder Raffinose von den einzelnen Stämmen vergast oder nicht vergast wurde. Monias, ein Schüler Pribrams, hat dann (Pharm. Monatshefte. Wien 1921) diese Einteilung im wesentlichen beibehalten, aber auf die Nicht-Laktosevergaser und sogar auf die Nicht-Dextrose- vergaser ausgedehnt. Die Kommission der Amerikanischen bakteriv- logischen Gesellschaft, welche das bekannte Bergeys Manual 1923 herausgegeben hat, unterscheidet nach der Vergasung oder Nichtverga- sung von Saccharose, in weiterer Unterabteilung nach der Vergasung oder Nichtvergasung von Salizin, und weiterhin noch nach der Ver- gasung oder Nichtvergasung von Dulzit. Müßten hierbei noch, wie zu verlangen wäre, die anderen erwähnten Kohlehydrate berücksichtigt werden, weiterhin das tryptische Vermögen, die Indol- bzw. Phenol- reaktion, die Agglutination und die in Amerika hoch bewertete, bei uns augenscheinlich ganz unbekannte Reaktion auf Methylazetylkarbinol (Azetoin), so könnte man wirklich verzweifeln und zu der Auftassung kommen, als ob jeder neue Stamm auch ein neuer Stammvater wäre.

Aber meine Herren, diese Zwischenstufe der Bakteriologie mub überwunden werden. Es bleibt der Bakteriologie nicht erspart, hier Ordnung zu schaffen. Heute fehlt noch der leitende Gesichtspunkt. heute wissen wir noch nicht, ob wir eine Dulzitvergasung höher be- werten sollen als eine Saccharosevergasung, eine Indolreaktion usw.. heute verwenden wir diese Stoffe vorläufig noch nach recht äußerlichen

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Gesichtspunkten. Von vornherein wird man doch annehmen, daß manche dieser vielen Eigenschaften eine gewisse zwangsmäßige Verkoppelung zeigen, so daß nicht zu erwarten ist, daß alle die außerordentlich vielen Eigenschaften nach der Zahl ihrer Kombinationen vorkommen. Man hat auch wohl aus den Kohlehydratvergasungen schon allgemeinere Schlüsse gezogen, und W. Stern hat z. B. gemeint, daß der Para- typus-A-Baz. mit seiner Arabinosevergasung eine Anpassungserscheinung darstelle, da in den Tropen und Subtropen eben viel arabinosehaltiges ‘Pflanzenmaterial vorhanden sei, aber, wie gesagt, es fehlen im all- gemeinen noch Gesichtspunkte und durchgreifende Richtlinien.

Ich zweifle nicht daran, daß es weniger schwierig sein wird, zweckmäßig zu gruppieren, als erst einmal die unübersehbar vielen Arten wirklich festzustellen. Solange wir mit mangelhafter Arbeits- weise, nur beherrscht von dem Entwicklungsgedanken und dem des Ueberganges der Arten, an diese Untersuchungen gehen, so lange können wir freilich nicht gruppieren, denn wir haben nicht Fest- stehendes, was einzuordnen wäre. Erst wenn wir mit künstlich ge- festigten Stämmen und einwandfreiester Arbeitsweise feststellen, was alles die Natur uns darbietet, dann erst wird geordnet werden können. Wie sagt bekanntlich Goethe:

Willst im Unendlichen dich finden, mußt unterscheiden und dann verbinden. Wir sind noch im Unterscheiden.

Die bakterielle Vergasung läßt sich noch anders verwerten, näm- lich zum artmäßigen und bis zu einem gewissen Grade auch zum zahlenmäßigen Nachweis mancher Kohlehydrate. Ich zeige Ihnen das Lichtbild einer bakteriellen Vergasungsuntersuchung von Milch- schokolade. Verwendet man Bakterien, die nur Dextrose vergasen, und andere, die Dextrose und Laktose vergasen, so läßt sich leicht feststellen, ob eine angebliche Milchschokolade wirklich Milchzucker enthält, ja es läßt sich sogar sagen, daß sie zwischen 3 und 6 Proz. Milchzucker enthält. Auch in Frauenmilch, von der doch häufig nur kleine Mengen zur Verfügung stehen, läßt sich der Gehalt an Milchzucker auf dem Wege der bakteriellen Vergasungsuntersuchung bestimmen. Man kann sich vorstellen, daß die Untersuchung auf Vergasbarkeit durch be- stimmte Bakterienarten in der Lehre vom Gesunden und Kranken all- mählich eine größere Rolle spielen wird als bisher. Es ist noch nicht ganz abzusehen, wie groß dieses Gebiet für den in der bakteriellen Kohlehydratvergasung genügend Geübten ist. Aber es ist sicher nicht gering, wenn wir bedenken, daß wir nur geringe Mengen der Stoffe brauchen und doch darin 1 mg bis !/, mg der Kohlehydrate nachweisen können, auch wenn sie nebeneinander vorhanden sind. Wenn Sie an die verschiedenen Zuckerarten, an Glyzerin, Zucker, Alkohole und Gluko- side denken, so werden Sie zugeben, daß dieses Gebiet außerordentlich groß ist und in sehr verschiedene Zweige der Naturwissenschaft hinein- reicht. Ich mache die mangelhafte Arbeitsweise und den falsch an- gewendeten Entwicklungsgedanken dafür verantwortlich, daß in dieser Hinsicht noch nicht mehr bei uns geschehen ist.

Es wird z. B. nicht leicht möglich sein, die Reinheit geringer Mengen eines der erwähnten Kohlehydrate auf einfachere Weise fest- zustellen, als auf dem Wege der bakteriellen Vergasung, die freilich nur in der Hand des darin wirklich Geübten sichere Ergebnisse liefert. Ja ich stehe nicht an, noch weiter zu gehen und zu sagen, daß heute

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die Beschreibung eines Kohlehydrats ohne die Angaben, wie es mit seiner Vergasbarkeit durch bestimmte Bakterienarten steht, unvollständig ist. Ich erinnere an die Unvergasbarkeit der bisher allein hergestellten Form des Methylglyoxals. Wir brauchen in unserer Wissenschaft viel- fach die Arbeit des Vollchemikers, es erscheint mir keine Anmaßung. wenn ich verlange, daß für manche Tätigkeit des Chemikers die Unter- suchung des Vollbakteriologen eine notwendige Ergänzung bilden muß.

Aber auch für manche stickstoffhaltigen Stoffe läßt sich die bakterielle Kohlehydratvergasung gut verwerten. Denn wir können auf demselben Wege auch sehr kleine Mengen Pepton nachweisen, und gelegentlich auch dann, wenn es neben anderen, weniger gut nährenden ÉiweiBsubstanzen vorhanden ist. Freilich können wir, wenigstens bisher. nicht, wie bei den Kohlehydraten, das Pepton als solches bakteriell feststellen. Aber wir können die Nährtüchtigkeit solcher Eiweiß- stoffe bzw. Eiweißabbauprodukte prüfen, und es gibt dafür keine ein- fachere Arbeitsweise, wenigstens in bezug auf die Ernährung der Colı- gruppe.

Inwieweit wir die bakterielle Vergasung fördernde Stoffe werden feststellen können, muß nach dem vorhin mitgeteilten, bis auf das Insulin eigentlich unbefriedigenden Erfolge dahingestellt bleiben.

Aber gärungshemmende Stoffe werden sich leicht finden und untersuchen lassen. Wir selbst haben ein Konservierungsmittel hinsicht- lich seiner Wirkung auf die Vergasung im Vergleich mit Benzoesäure zu untersuchen gehabt und haben uns dabei mit Vorteil der honen Schicht bedient, wobei wir auch Hefe und Bierwürzeagar in hoher Schicht verwendet haben. In manchen Fällen kann also die Feststellung der Vergasungshemmung von größerer Wichtigkeit sein als die Fest- stellung der Wachstumshemmung. Wir haben bei solchen Versuchen auch gesehen, daß bei der Weingärung solche vergasungshemmenden Stoffe entstehen, welche nicht etwa den Alkoholmengen entsprechen, sondern viel reichlicher vorhanden sind, und also unabhängig von der eigentlichen Wachstumshemmung sind; denn der Alkohol hemmt die Vergasung nicht erheblich, nur entsprechend seinem Wachstumshem- mungsvermögen. Wieviel wissenschaftliche Fragen auf diesem ganzen Gebiete der Lösung noch harren, das werden Sie selbst aus dem Vor- getragenen erkannt haben.

Ich glaube, meine Herren, recht gehandelt zu haben, wenn ich aus dem großen Gebiet der Gärungsfragen ausschließlich die bakterielle Kohlchydratvergasung in der hohen Schicht behandelt habe, denn schon dieses einfache Gläschen mit seinem geringen Inhalte bietet m. E. ge- nügenden Stoff für einen fachmännischen Bericht. Und selbst wenn dabei die Wichtigkeit des Stoffes oder der Arbeitsweise auf festen Nähr- böden vielleicht überschätzt worden ist, so möge die bakterielle Kohle- hydratvergasung nur als ein Muster angesehen werden, wie die weitere eingehende Forschung des Abbaustoffwechsels der Bakterien sich viel- leicht gestalten wird.

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Vorträge zum Thema „Gärung‘“.

1. F. Stockhausen (Berlin): Die Züchtung der technischen Mikroorganismen auf Leistung.

In einem durch den Weltkrieg so vernichtend mitgenommenen Lande wie unser heutiges Deutschland ist eine Erleichterung in dessen Lage nur zu erhoffen durch die erhöhte Produktion von Sachwerten. Deshalb wird von der Industrie überall die Forderung nach Erhöhung der Produktion erhoben, deshalb liest und hört man allenthalben von der Intensivierung der Landwirtschaft. Hier gilt es namentlich durch geeignete Ackerbehandlung das Letzte aus dem Boden herauszuholen, die Erträge zu steigern, ohne dabei Raubbau zu treiben. Die Viehzucht kann noch erheblich ertragreicher gestaltet werden, wissenschaftlich durchdachte Fütterungsmethoden können produktionssteigernd wirken. So ist es gelungen, lediglich durch entsprechende Fütterungsmethoden die Milchproduktion erheblich zu steigern, sodaß man z. B. den Er- trag von etwa 12 Litern Milch auf nahezu 25 Liter pro Tag für die einzelne Kuh zu steigern in der Lage war.

In den Gärungsgewerben hat man schon lange auf Höchstleistun- gen hin gearbeitet, indem man die technisch verwerteten Organismen durch geeignete Behandlung gezwungen hat, äußerste Leistungen zu vollbringen, und zwar werden diese Leistungen mit automatischer Ge- nauigkeit verlangt, da sich auf dieser Organismenarbeit unsere Gä- rungsbetriebe, in denen ein großer Teil des deutschen Nationalver- mögens investiert ist, aufbauen. Es würde niemals eine kaufmännische Kalkulation, ein Gewinn in den Gärungsgewerben möglich sein, wenn die Organismen sich der fabrikmäßigen Behandlung und den an sie gestellten Höchstanforderungen hinsichtlich der Produktion nicht fügen wollten.

Grundlegende technische Erfolge wurden erst durch die Reinzucht der Organismen ermöglicht; die absolute Reinkultur der Alkoholhefe- pilze, die Schaffung einer Methode zur Isolation einer einzelnen Hefe- zelle durch Emil Christian Hansen im Jahre 1881 wird von der Praxis der Gärungsgewerbe mit Recht als eine gärungsphysiologische Großtai gefeiert, indem hierdurch erst die Praxis der Gärungsgewerbe auf eine gesicherte, von Zufälligkeiten unabhängige Basis gestellt werden konnte. Man entdeckte erst jetzt, daß die bis dahin in der Praxis verwendete Bierhefe nicht einheitlicher Natur war, sondern meistens aus verschiedenen, wenn auch untereinander recht ähnlichen Rassen mit verschiedenen Eigenschaften hinsichtlich der Gärkraft und der Bildung von Geschmacksstoffen im Bier bestand, abgeschen von außerdem vorhandenen, zu Bierkrankheiten führenden Verunreinigun- gen mit fremden Hefepilzen. Durch die Tat Hansens war die Möglich- keit gegeben, diese Hefen voneinander zu trennen, ihre Eigenschaften zu studieren und eine Auswahl der für die jeweilige praktische Be- triebsweise geeignetsten Rasse zu treffen.

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Hansen krönte sein Werk durch Konstruktion einer großen Rein- zuchtanlage, mittels deren die Weiterzüchtung der im Laboratorium ge- wonnenen Reinhefe bis zu einer Menge ermöglicht wurde, welche die direkte Ueberführung in den praktischen Betrieb gestattete. Bei allen Vorzügen liegen die Mängel des Hansenschen Systems in dessen Starr- heit; mechanische Aussonderung einer einzelnen Zelle, Gewinnung reiner Nachzucht unter mechanischem Abschluß jeglicher Infektion sind seine Grundlinien. Die stets gleichmäßige, höhere Zuchttemperatur, die z. B. für die Brauereihefe weit über den im Betriebe angewandten Tempera- turen lag, die gleichmäßige Behandlung der einzelnen Rassen in deu Apparaturen nahm zu wenig Rücksicht auf die spezifischen Eigen- schaften, die wirklichen Lebensbedürfnisse der einzelnen Arten und Rassen. Man beachtete zu wenig, daB die Rasse an sich, auch wenn von einer Zelle abstammend, nichts Unabänderliches darstellt. Ihre Eigenschaften hängen neben den Rasseeigentümlichkeiten von dem phy- siologischen Zustand des Zellenmaterials wesentlich ab. Bei Ueberführung derartig gezüchteter Hefe in den Betrieb ergaben sich deshalb häufig Mißerfolge.

Es war Delbrück, der verstorbene Begründer und langjährige erste Leiter und Führer des Instituts für Gärungsgewerbe in Berlin, welcher dem starren System der künstlichen Reinzucht den belebenden Odem einblies und der „künstlichen Reinzucht‘ im Jahre 1895 sein „System der natürlichen Reinzucht“ an die Seite stellte als organische Weiterent- wicklung und Ergänzung. Das Entscheidende und auch das Neue dieses Systems der natürlichen Reinzucht lag in dem Nachweis der Möglich- keit, den Kampf ums Dasein zwischen den Pilzen unter Berücksichti- gung der Lebens- und Kulturverhältnisse jeder einzelnen Art und Unter- art, der Abwägung des Kraftverhältnisses der Konkurrenten so zu leiten, daB er zur Unterdrückung des Gegners, zur Vormacht des zu bevorzugenden und gewollten Siegers führte.

Dieses Arbeitsgebiet, eines der ältesten von Praxis wie Wissen- schaft unbewußt behandelten, stellt das Endglied in der wissenschatt- lichen Begründung für die bewährte Arbeit in der Praxis dar. Delbrück war der erste, welcher für die Gärungsgewerbe die hier zu Grunde lic- genden Gesetze in klarer Weise erkannte. Die natürliche Reinzucht berücksichtigt zur Erzielung der gewünschten technischen Effekte in weitgehendster Weise die Kulturverhältnisse, bei der Hefe z. B. die Vorbehandlung, Größe der Hefengabe, Art, Konzentration und gegen- seitiges Mengenverhältnis der Nährstoffe, Grad der Lüftung, Tem- peratur, Bewegung usw.

Fast gleichzeitig wie Delbrück für das Brauerei-, Brennerei-. PreBhefe- und verwandte Gewerbe, äußerte Wortmann ähnliche Ge- danken für die Weingärung.

Die wertvollste Stütze erfuhren die Ansichten Delbrücks durch die Arbeiten Beijerincks. Viele Arbeiten Beijerincks haben zum Ausgangspunkte Gartenerde, Grabenwasser aus dem Delfter Stadt- graben oder Grabenschlamm. Durch verschiedene Kulturbedingungen. Acenderungen der Nährflüssigkeit, Luftabschluß oder -zutritt, verschie- dene Temperaturen usw. gelingt es Beijerinck unter den verschie- densten Mikroorganismen die jedesmal gewünschte Art aus demselben Material zur vorherrschenden Entwicklung, teilweise sogar praktisch zur Reinkultur zu bringen. Beijerinck selbst nennt diese Kulturen „Anhäufungsversuche“. Hierbei entstehen ähnliche Anhäufungen, wie

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solche in den natürlichen Fermentationen, sowie bei den Bakterien- krankheiten, von der Natur selbst dargeboten werden. Alles Zufällige der letzteren bleibt aber bei den wissenschaftlichen Anhäufungen aus- geschlossen und wird ersetzt durch genau bestimmte Faktoren. Die Mikroben liegen in diesen Anhäufungsversuchen nicht in einer einzelnen Varietät vor, wie das der Fall ist, wenn von einer Kolonie aus weitere Kulturen gemacht werden, sondern in allen denjenigen Varietäten, welche im Infektionsmaterial vorkommen und bei den gewählten Bedingungen wachsen können. Beijerinck unterscheidet zwischen der ,,voll- kommenen‘ und ‚„unvollkommenen‘ Anhäufung, wobei die ersteren auf eine einzelne Art, und zwar in allen darin vorkommenden Varietäten führen. Bei den unvollkommenen Anhäufungen gelangt man häufig nicht weiter, als bis zu einer relativen Vermehrung der gewünschten Form, ohne daß die übrigen Arten dabei vollständig verschwinden. Diese Vermehrung ist oft auch nur an einem bestimmten Augenblicke der Ver- suche anzutreffen, während in früheren und späteren Stadien andere Formen vorherrschen. Nach Beijerincks Ansicht handelt es sich = diesen Anhäufungen um Fragen, welche das Herz der Bakteriologie erühren. |

Die Anhäufungen Beijerincks stellen nur eine andere Form der natürlichen Reinzucht Delbrücks dar. Die Gedanken Delbrücks und Beijerincks sind jetzt im Gärungsgewerbe Allgemeingut ge- worden. Fast jeder Gärungstechniker betreibt heute zuerst Reinzucht nach Hansen, soweit die Isolierung einer einzelnen Zelle in Frage kommt, dann weiter im Betriebe vollkommene Anhäufungen nach Bei- jerinck bzw. natürliche Reinzucht nach Delbrück. |

Die natürliche Reinzucht beginnt jedoch schon bei der Zucht im Laboratorium. Bei Isolation einer Hefezelle für Bierbrauereien wird z. B. vom biologischen Laboratorium der Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin diese Isolation in der Kälte, d. h. bei etwa + 6—8 Grad C durchgeführt, bei der Temperatur, bei der die Hefen später ar- beiten und ihre höchsten Leistungen im Betriebe vollbringen sollen, obgleich die Optimaltemperaturen für die meisten Hefen + 25 Grad C betragen. Der mechanischen Aussonderung einer einzelnen Zelle geht in diesem Falle auch schon eine Vorzucht voraus, indem das Material, aus dem die einzelne Zelle isoliert werden soll, vorher ebenfalls bei 6—8 Grad durchgären gelassen wird, wobei schon eine Auswahl des gegen kältere Temperaturen widerstandsfähigeren Zellenmaterials er- folgt, gegenüber dem abgearbeiteten, geschwächten Zellenmaterial, wel- ches bei diesen niederen Temperaturen nur noch unvollkommene Arbeit leisten würde. Es werden gleichzeitig von dieser Vorzucht aus mehrere Reinzuchtstämme isoliert und davon für die praktische Verwendung derjenige ausgewählt, der bei den niederen Temperaturen die stärkste Vermehrungsenergie an den Tag legt.

Auch die Weiterführung dieser Laboratoriumshefe im Brauerei- betriebe erfolgt heute in den meisten Betrieben nicht mehr in den Han- senschen Apparaturen, sondern nach einem besonderen Verfahren des Berichterstatters, welches auf die praktischen Verhältnisse und auf die später von der Hefe erwarteten Leistungen Rücksicht nimmt. Hun- derte von Brauereien des In- und Auslandes arbeiten heute nach diese Verfahren. z

Dieses Verfahren der „Herführung der Hefe“ wurde weiterhin vom Berichterstatter den neuzeitlichen, gewaltigen Großgärgefäßen ange-

Erste Abt. Orig. Bd 97. Beiheft. 3

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paßt und erweitert, um in jedem Falle die Möglichkeit zu geben, Rein- zuchthefe in die Brauereien einzuführen, die auf ihrem ganzen Werde- gang sinngemäß auf höchste Leistungen im Betriebe hin gezüchtet wor- den ist. Es ergibt sich hier ein grundlegender Unterschied zwischen der medizinischen Bakteriologie und der Gärungsphysiologie. Erstere geht im großen und ganzen darauf hinaus, die einzelnen Organismen zu isolieren, zu studieren und dann zu vernichten. Die Gärungsphysiologie dagegen geht von dem Gedanken aus, nicht abzutöten, zu bekämpfen oder zu zerstören, sondern im Gegenteil bei der Zucht alle Eigenschaften der Organismen auszunutzen, die zu stärkerem Wachstum und zu größeren Leistungen anspornen. |

Auch die analytischen Methoden in den Gärungsgewerben beruhen fast ausschließlich auf Anhäufungen. Die weltbekannt gewordene Lind- nersche Tröpfchenkulturmethode stellt einen Anhäufungsversuch in kleinsten Maßstabe dar, um über die Reinheit der im Großen ver- laufenden Anhäufungen im praktischen Betriebe Anhaltspunkte zu ge- winnen. Es werden deshalb auch in den gärungsphysiologischen Labo- ratorien keine gefärbten Präparate zur Identifizierung von Organismen benutzt, wie dieses in der medizinischen Bakteriologie in weitem Um- fange geschieht, sondern auch bei den verschiedensten Analysen von Würze, Bier, Hefe, Luft, Wasser etc. werden Studien nur an lebendem Material und den Wachstumsformen, die sich”bei den Anhäufungen er- | geben, gemacht.

Die Anforderungen, die der Gärungstechniker an die Leistungen der verschiedenen Organismen stellt, sind recht verschiedenartiger Natur und liegen in der Sonderart jedes einzelnen Gewerbes begründet. Der Bierbrauer verlangt Hefen, die einen bestimmten Vergärungsgrad aufweisen und hinsichtlich Vermehrung, Absitzen, Bildung von Ge- schmacksstoffen bestimmte Eigenschaften besitzen. Es soll aber nicht alles aus dem Bier herausgegoren werden, denn für den Biertrinker soll auch noch etwas übrig bleiben. Die Vergärung soll also praktisch soweit getrieben werden, wie es die Herstellung eines bekömmlichen, haltbaren Bieres erfordert.

In der Preßhefeindustrie verlangt man ganz andersartige Leistungen der Hefe; hier kommt es insbesondere darauf an möglichst viel Hefe als solche zu gewinnen, da diese das begehrte Produkt dar- stellt und verkauft werden soll.

Die Brennerei verlangt Heferassen, die weniger Hefeausbeute ergeben, dafür aber um so höheren Alkoholgehalt. Es soll das letzte aus dem vergärbaren Material in Form von Alkohol herausgeholt werden.

Um dieses alles zu erreichen, muß schon die Zucht im Labora- torium entsprechend eingerichtet werden. Es müssen entsprechende Heferassen ausfindig gemacht und unter Berücksichtigung der Eigen- arten in sinngemäßer Weise für das betreffende Gewerbe herangezü:htet werden. Die Eigenarten der einzelnen Rassen müssen in fortwährender . Weiterzucht verstärkt werden. Wir kommen schließlich zur Hochzüch- tung von Edelpilzen, von Edelrassen. Im praktischen Betriebe haben oft kleine Mittel große Wirkungen zur Folge. Am stärksten sind die Einflüsse von Lüftung, Bewegung und Temperatur; darar reiht sich die Berücksichtigung des physiologischen Zustandes der Hefe, der wieder abhängig ist von chemischen Veränderungen in der Zusammen- setzung der Hefezelle. Der Eiweißgehalt kann zwischen 31 und 75 Proz. schwanken und ist abhängig von dem Stickstoffgehalt der Nährlösungen.

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Auch Schwankungen im Salzgehalt, Fett und Glykogen sind zu berück- sichtigen, denn alles dieses ist von großem Einfluß auf die Arbeit der Hefe.

Bei der Bereitung von untergärigem Bier, also von Bieren Dortmunder, Pilsener oder Münchener Charakters, würde eine Hefe mit wenig Eiweißgehalt und viel Fett eine schwache Gärung ergeben, kein oder mangelhaftes Ausflocken und schlechtes Absitzen der Hefe, was mit Schwierigkeiten für die Klärung, Nachgärung und den Abzug des Bieres verbunden ist, worunter dann weiter die Haltbarkeit empfindlich leiden würde. Andererseits müssen überreife Hefen mit zu hohem Eiweiß- gehalt, die leicht zu Gärträgheit neigen, durch Behandlung in Zucker- lösung mit Salzzusatz ohne Beigabe von Stickstoffquellen regeneriert werden. Bei der Hefegabe und beim Anstellen der Gärung zeigt es sich, daß Gabe von viel Hefe ebenfalls schlechte Gärung zur Folge hat, weil damit viel alte und wenig leistungsfähige Zellen ausgesät werden. Bei Gabe von wenig Hefe bildet sich dagegen viel junges, Kräftiges Zellenmaterial bei gleichzeitiger Lüftung, also Zufuhr von Sauerstoff und gleichzeitiger starker Bewegung im Anfangsstadium der Gärung, es resultiert hohe Vergärung, wie sie besonders für Pilsener und Dort- munder Biere erwünscht ist. Bei der Arbeit mitobergäriger Hefe zur Herstellung der zahlreichen Spezialbiere: Grätzer, Berliner Weiß- bier, Lichtenhainer, rheinische Bitterbiere usf. sind andere Gesichts- punkte maßgebend. Es wird hier diejenige Hefe zum Weiteranstellen von neuen Gärungen benutzt, welche durch die Gärung an die Ober- fläche der Flüssigkeit hinausgeworfen wird. Damit die obergärige Hefe aber in diesem Sinne arbeitet, ist viel Aussaat nötig, viel Luft, viel Bewegung in der Flüssigkeit, reichlicher Zuckergehalt und vor allen Dingen Wärme. Die Hefe darf nicht zur Flockenbildung neigen, da sonst kein Auftrieb, oder wenigstens nicht in genügender Weise statt- findet.

Im Bäckereigewerbe (Preßhefeindustrie) bestand die Hefe früher meistens aus wilder Hefe. Man war auf die Bereitung von Sauer- teig angewiesen und hatte mit langsamem Aufgehen des Teiges zu rechnen. Hier war die Züchtung von leistungsfähigen Rassen von durchschlagendem Erfolg. Die Backzeit beträgt heute meistens nicht mehr als 60—70 Minuten, höchstens 90 Minuten. Schlehte Hefen er- geben Backzeiten von 120—150 Minuten, oder noch mehr, was wohl früher immer der Fall gewesen ist. Zu erreichen war der Fortschritt nur durch systematische Züchtung der Heferassen in allergünstigsten Nährlösungen unter äußerster ' Zuführung von Sauerstoff. Wenn man früher auch zuweilen ganz gute Backzeiten beobachtete, so war aber doch die Hefevermehrung eine schlechte. Heute werden kürzere Backzeiten bei gleichzeitiger höherer Vermehrung der Hefe erreicht. Das Bäckerei- gewerbe ist heutzutage ganz auf Reinzucht eingestellt, da alle Pref- hefefabriken, welche die Bäckereihefe liefern, mit Reinzucht arbeiten. Die Temperatur für die fabrikmäßige Hefezüchtung beträgt in der Preßhefeindustrie durchschnittlich 30 Grad C. Die Ausbeute an Hefe betrug früher 20 Proz. des Rohmaterials, heute 80 Proz., wobei man mit sehr verdünnten Lösungen arbeitet, so daß kaum alkoholische Gärung eintritt; der Alkohol wird z. T. von den Hefezellen assimiliert, z. T. bei der überaus starken Lüftung ausgelüftet, die assimilierbaren Be- standteile der dargebotenen Nährlösung gehen hauptsächlich in Zellen- substanz über. In neuerer Zeit arbeitet man in der Preßhefeindustrie mit

3%

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ständiger Gärung, ohne Ruhe, indem man das Balling-Saccharometer ständig auf gleicher Höhe hält durch Zufließenlassen von neuer Nähr- lösung (Melasse) in dem Maße wie die alte vergoren wird.

Das Brennereigewerbe arbeitet ebenfalls mit Preßheferassen, die aber vor allem viel Alkohol erzeugen; auch hier erfolgt die Zucht bei 30 Grad C. Es werden aber, um die Hefe zu höchsten Leistungen anzuspornen, besondere Reizmittel verwandt. Die Brennereimaischen werden mit Milchsäurepilzen (Bacillus Delbrücki) bei etwa 60 Grad C geimpft. So daß beim weiteren Herunterkühlen der Maische bei der Optimaltemperatur von 50° C reichlich viel Milchsäure gebildet wird. Diese dient nicht nur als Reizmittel für die Hefe, sondern auch als Gegenmittel gegen Buttersäureentwicklung, die bei Abwesenheit der Milchsäurepilze unfehlbar bei 400 C eintreten würde. Da aber Butter- säure ein empfindliches Hefegift ist, würde die Arbeit der Brennerei sehr fragwürdiger Natur sein ohne die Säuerung der Maische durch die Milchsäurepilze. Bekannt ist auch das Verfahren von Effront, welcher FluBsäure als Hefenreizmittel benutzt. Bei derartigen Arbeits- weisen bildet die Brennereihefe bis zu 12 Proz. Alkohol.

Noch höheren Alkohol vertragen die Weinhefen, die bei 10 Proz. Alkoholgehalt der Flüssigkeit noch Angärung verursachen, dann aber nicht mehr, wenn die Uebertragung direkt in Lösungen von so hohem Alkoholgehalt erfolgt. Macht aber die Hefe die ganze Gärung und damit Alkoholbildung von Anfang an mit durch, oder wird sie in einem Stadium zugesetzt, wo der Alkoholgehalt noch ein niedriger ist, so vermögen bestimmte Weinheferassen sogar bis zu 16 Proz., genau 16,4 Proz. Alkohol zu bilden, was von ausschlaggebender Bedeutung für die Scktfabrikationist. Die Anwendung von Reinkulturen in der Obst- weinherstellung, die in immer weitgehenderem Maße sogar in den Haushaltungen erfolgt, beruht hauptsächlich auf der Massenwirkung der eingeimpften Reinzuchthefe gegen die auf Früchten vorhandenen wilden Hefen und Bakterien. Die von Trauben isolierten Obstweinhefen tra- gen wesentlich zur Aromabildung bei. Die Benutzung von Traubenheie hat deshalb eine Veredlung der Obstweine zur Folge gehabt.

Kurz erwähnt seien nur die Milchzuckerhefen, die also zur Vergärung von Milchzucker und so z. B. zur Bereitung von Kefir dienen. Interessant ist, daß diese Hefen in letzter Zeit auch für Mar- garinefabriken gezüchtet werden mußten, offenbar um Molken auf Alkohol zu verarbeiten.

Welchen Einfluß die Zusammensetzung der Nährlösungen und die Behandlung bei der Zucht auf die Arbeit der Hefe ausüben kanı, zeigt in schlagendster Weise die sogenannte Mineralhefe, die na- mentlich während der Kriegszeit so großes Aufsehen erregt hat. Diese Mineralhefe, die hauptsächlich als Nährpräparat für Menschen und Tiere benutzt wurde, ist an sich eine schlecht gärende Torulahefe. Durch Züchtung in stark verdünnter Melasse aber (2,5 bis 39 Balling) unter Zusatz von Superphosphat, Magnesiumsulfat und Ammoniumsulfat unter stärkster Lüftung bildet diese Hefe keinen Alkohol; sie gibt keine Gärung, sondern sie gibt in 8 Stunden 130 Proz. Ausbeute an Hefe- substanz, d. h. aus je 100 g der angewendeten Melasse werden 130 g Hefe erzielt!

Besonders bemerkenswert ist auch die ebenfalls während der Kriegs- zeit entdeckte und praktisch ausgenutzte Glyzeringärung. Es wird hierzu Brennereihefe benutzt, die in alkalischer Lösung gezüchtet wird

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unter Zusatz von Bisulfit. Bei der früher einfach für unmöglich ge- haltenen alkalischen Gärung entsteht dann aus dem Zucker in reich- lichem Maße Glyzerin.

Es sind also nur verhältnismäßig geringfügige Veränderungen in der Nährlösung, geringfügige Aenderungen in den Zuchtbedingungen hin-

sichtlich Lüftung und Temperatur, die so große technische Effekte ver-

ursachen und damit für ganze Industrien einen sicheren Untergrund ab- geben, auf dem eine kaufmännisch durchkalkulierte Arbeit möglich ist.

Bei den meisten technischen Bakteriengärungen spielt, um die höchsten Leistungen durch die Organismen zu erhalten, die Temperatur eine ausschlaggebende Rolle. So können die Milchsäure- bakterien unmittelbar in Warm- und Kaltmilchsäurebakterien eingeteilt werden. Die milchzuckerspaltenden Bakterien, wozu der Pediococcus acidi lactici und der Bacillus bulgaricus gehören, säuern Milch am weitgehendsten und schnellsten bei einer Optimaltemperatur von 40—459 C in 2 bis 3 Stunden. Es wird so die höchste Leistung, welche diese Bakterien, namentlich der zur Herstellung von Yoghurt benutzte Bacillus bulgaricus, vollbringen können, erreicht. Bei nied- rigeren Temperaturen erfolgt die Säuerung nur unvollkommen und lang- sam, was wieder leicht das Hochkommen von anderen Infektionen zur Folge hat.

Zu den maltosespaltenden Milchsäurebakterien gehört der Bacillus Delbrücki, welcher Milch nicht säuert, aber zur Säuerung der Brennereimaischen benutzt wird; auch zur Herstellung von technischer Milchsäure dient dieser Pilz. Er leistet seine beste Arbeit bei 500 C und liefert so 1,7 Proz. Milchsäure. Wendet man aber einen Kunstgriff an und setzt der Nährflüssigkeit Kreide zu, so- daß die gebildete Milchsäure in Form von milchsaurem Kalk ausgefällt werden kann, so verläuft infolge des Fehlens jeder Hemmung durch die gebildete Milchsäure die Spaltung des vergärbaren Materials fast quantitativ. Der Pilz baut solange die aus der Stärke gebildete Maltose durch weitere Spaltung zu Milchsäure ab, bis die Zuchtflüssigkeit nahezu erschöpft ist. Durch spätere Zersetzung des milchsauren Kalkes wird dann die technische Milchsäure gewonnen.

Von den Kaltmilchsäurebakterien sind die bekanntesten der Bacillus brassicae fermentatae, der auch im Haushalt zur Her- stellung von Sauerkohl benutzt wird, und der Bacillus cucumeris fermentati zur Herstellung der sauren Gurken. Eine Mischung dieser beiden Bakterienarten wird im großen Maßstabe in der Landwirt- schaft verwandt zur Einsäuerung von sonst leicht verderblichem Viehfutter, z. B. Gras, Rüben usw.; dadurch werden diese Materialien haltbar gemacht und können für Zeiten des Futtermangels konserviert werden. Man benutzt deshalb eine Mischung der beiden Pilzarten, weil beide etwas verschiedener Temperaturen für ihre günstigste Entwicklung bedürfen. Da nun bei der praktischen Einsäuerung in großen einge- mauerten Zementgruben die Temperaturen etwas schwankend sein wer- den, so wird entweder die eine oder die andere Pilzart mit der Säuerung einsetzen, so daß auf jeden Fall bei Verwendung des Gemisczhes ein praktischer Erfolg erzielt wird, indem die Säuerung einsetzt, ehe etwa Fäulnisbakterien oder andere Pilze zur Entwicklung kommen können.

Bei der technischen Herstellung von Buttersäure werden Maischen bei 350 C benutzt, und zwar gleichfalls unter An

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wendung von Kreide, um die gebildete Buttersäure zu neutralisieren, wo- durch die Pilze zu Höchstleistungen angespornt werden.

Die Essigindustrie arbeitet technisch mit nur wenig Essig- bakterienarten, obgleich von diesen etwa 40—50 verschiedene Arten bekannt sind. Die Gewinnung des Essigs erfolgt in der Weise, daß zusammengerollte Buchenspäne mit der Bakterienmasse geimpft werden, die sich in den feinen Splitterchen der Buchenspäne festsetzen. Es wird nun in großen Standfässern unter Zuführung von Luftsauerstoff und von Nährsalzen Alkohol über die Späne rieseln gelassen. Dabei erfolgt die Oxydation des Alkohols zu Essigsäure. Wesentlich ist nun die Regulie- rung der Sauerstoff- und Alkoholzufuhr, damit die Oxydation auf der einen Seite weit genug geht, auf der anderen Seite aber nicht zu weit, da sonst der gebildete Essig weiter zu Kohlensäure und Wasser verbrannt werden würde. Bei dem früheren Aufgußverfahren mit Handbetrieb entstanden so etwa 9,5 proz. Essiglösungen. Man will nun aber ın der Industrie nicht zu dünnen Gärungsessig erhalten, sondern möglichst hohe Konzentrationen. Hierzu ist aber ein Kunstgriff nötig. Man setzt zu der Nährflüssigkeit, bestehend aus Zucker (Melasse, Sirup, Stärke- zucker), Magnesiumsulfat, Ammoniumsulfat und Alkohol von vorn- herein Essig zu, und zwar etwa bis zu 7 Proz. Bei der neuerdings automatisch geregelten Ueberrieselung der Buchenspäne mit dieser Nähr- flüssigkeit entsteht dabei durch die Tätigkeit der Bakterien Essig bis zu 12 Proz., evtl. sogar bis zu 14 Proz. Essig. Einen höheren Prozent- gehalt an Essig konnte man bis jetzt technisch nicht erzielen, da die Bakterien bei einem Gehalt von mehr als 14 Proz. Essig abzusterben be- ginnen; sie verzehren sich gewissermaßen selbst. Ein Essigpilz, der neuerdings gleichfalls technische Verwendung findet, ist das Bacterium xylinum, bekannt durch schleimige Hautbildungen, aus denen ver- schiedenartige technische Produkte hergestellt worden sind, z. B. Ersatz für Handschuhleder, Ballonhüllen, Zeppelinhüllen.

In dem Bestreben, höchste technische Leistungen zu erzielen, haben sich die Gärungsgewerbe auch die Fortschritte der physikalı- schen Chemie und deren neue Erkenntnisse in den letzten Jahren zunutze gemacht. Dies betrifft besonders die in den Brauereien ge- fürchteten Pediokokken und Sarzinaorganismen, deren Entwicklung in ganz hervorragender Weise von der chemisch-physikalischen Beschaffen- heit des Mediums, insbesondere von dessen Säuregehalt, und zwar Ge- halt an aktueller Säure (pu) abhängt. Es hat sich gezeigt, daß die, namentlich in der Bierbrauerei, so schädlichen Sarzinen am besten wachsen, wenn das pu der Würze und des Bieres zwischen 6,3 und 5,3 liegt. Bei stärkeren Säuregraden, d. h. wenn das pr des Bieres unter 5,3 sinkt, erfolgt eine Entwicklung dieser Organismen hauptsächlich nur dann, wenn sie bereits vorher in der Nährflüssigkeit vorhanden waren, und mit der Säuerung stufenweise mitgehen konnten. Die Pediokokken und Sarzinaarten sind selbst Säurebildner und deshalb so gefährlich, zu- nächst hinsichtlich der Geschmacksveränderung, dann aber auch wegen der Eiweißausscheidungen, welche durch die gebildete Säure erfolgen und damit Trübungen verursachen, namentlich in dem fertigen, bereits ab- gezogenen Bier. Die Sarzinen vermögen der stufenweise ansteigenden Säuerung zu folgen; sinkt das px aber unter 5,0, so läßt das Wachstum allmählich nach, wenn auch die durch die Sarzinen selbst verursachte Säuerung noch weiter fortschreitet; dafür gehen diese Organismen in den schwebenden Zustand über, sie setzen sich nicht mehr am Boden

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ab und wirken daher besonders leicht biertrübend. Diese früher mit „Virulenz“ bezeichnete Erscheinung ist also abhängig von dem px, so daß für die Verhältnisse der Bierbrauerei von dem Berichterstatter die Virulenz dahin formuliert wurde: „Die Virulenz ist eine Funktion des pa.‘ Gelangen die Sarzinen durch Luft- oder Wasserübertragung oder auch von den Rohmaterialien her in Würze, deren px etwa 5,2 be- trägt, welches sich dann bei der Gärung sehr schnell nach der sauren Seite hin verändert, so findet Entwicklung der Organismen kaum noch statt. Regelung der pa-Verhältnisse ist deshalb von ausschlag- gebender Bedeutung für die Reinhaltung der Gärungen im Brauerei- gewerbe, für die Bekämpfung von Infektionen und eine Bedingung für die ungestörte erwünschte Arbeit und Leistung der Bierhefe.

Interessante Beobachtungen konnten vom Berichterstatter hinsicht- lich der Sarzinen gemacht werden, die sich in jedem Pferdeharn befinden. Diese haben große Aehnlichkeit mit den sonst in der Bier- brauerei als Krankheitserreger auftretenden sogenannten Biersarzinen und müssen als Bierschädlinge betrachtet werden. Der Pferdeharn hat meist ein pa von 6,8—7,0. Bei ruhigem Stehen in bis an den Hals gefüllten verschlossenen Flaschen entwickeln sich hierin alsbald die Sarzinen zu üppigen Reinkulturen. Hat aber der Pferdeharn aus- nahmsweise z. B. ein pa von 5,4, so findet diese Entwicklung nicht mehr statt, manchmal erst nach längeren Wochen und dann auch nur sehr träge. Wird dagegen derartiger Pferdeharn von vornherein auf ein pa von 6,8 gebracht, so findet gleichfalls alsbald starke Sarzina- entwicklung satt, ein Beweis, daß die Sarzinen fast in jedem Harn vorhanden sind, dann aber auch, daß deren Entwicklung von dem px des Harns abhängig ist. Aehnlich liegen die px-Verhältnisse bei den gleichfalls in der Bierbrauerei sehr gefürchteten Saccharobazillen (Milchsäurebakterien). Die Vermehrung derselben erfolgt nicht pro- portional der Säurebildung; in alkalischem pr ist die Säuerung sehr stark, die Vermehrung schwach (pa 7,0—6,0) bei pm 5,5 bis 5,0 sind Vermehrung und Säuerung stark. In stärker saurer Lösung (px 4,5) erfolgt zwar noch starkes Wachstum, aber keine Säuerung bzw. nur wenig, bis zu ps=4,0. Unter besonders günstigen Bedingungen ver- mag die Säuerung bis 3.5, ja 3,3 zu gehen, dann sterben die Bak- terien allmählich ab, z. B. der schon häufiger erwähnte Bazillus Del- brücki bei pu = 33.

Um dieses Absterben zu vermeiden, müßte Kreide zugesetzt wer- den. Das Optimum liegt also auch für diese Pilze zwischen pa = 5,0—6,0. Bei künstlicher Züchtung kommt es darauf an, ob mehr Vermehrung oder mehr Säure gewünscht wird, je nachdem muß die Be erfolgen. Die große technische Bedeutung dieser pu-Ver- ältnisse für die Reinhaltung der Gärungen bei der Bierherstellung er- gibt sich aus folgendem:

Das Optimalwachstum der Bierhefe liegt etwa bei px 5,0. Bei pa 7,0 ist das Aussprossen langsam, Glukosespaltung allerdings noch wie bei pu 5,0. Bei pa 8,0 erfolgt keine Sproßtätigkeit mehr. Glukosespaltung noch 80 Proz. der Spaltung wie bei pu 5,0.

Natürlich muß mit der Anpassungsfähigkeit der nicht gewünschten Organismen auch an ein anderes pu gerechnet werden.

Es hat sich gezeigt, daß auch die Anpassung in gleicher Weise abhängig vom pu ist. Das wichtigste Konservierungsmittel in der Brauindustrie ist neben dem bei der Gärung entstehenden Alkohol

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der Hopfen. Von den darin enthaltenen Bitterstoffen sind biologisch am wirksamsten die «-Säure und das «-Weichharz. Das a-Weichharz wirkt halb so stark antiseptisch wie die «-Säure, aus der das «-Weich- harz durch Abbau entstanden ist. Das «-Weichharz geht schließlich in a,-Hartharz über, das aber nur eine sechsmal schwächere antisep- -tische Eigenschaft hat, als die «-Säure. Gleiche Mengen «-Säure und a-Weichhaurz gemischt wirken nicht etwa schwächer, sondern auffallen- derweise gerade doppelt so stark, wie «-Säure allein. Kleine Gift- mengen üben auch hier eine Reizwirkung aus. Verändert man das pu, so zeigt sich, daB gleiche Mengen Hopfenauszug bei verschiedenem pH sehr verschieden antiseptisch wirken. Bei den Saccharobazillen z. B. steigert. sich die antiseptische Wirkung mit stärker sauer werdenden pu, was wohl durch die Lipoidtheorie erklärt werden kann. Da die Sarzinen in sehr vieler Beziehung ein den Saccharobazillen durchaus analoges Verhalten zeigen, so darf man wohl annehmen, daß auch für die Sarzinen in gleicher Weise das pu von Würze und Bier von Ein- fluB auf die antiseptische Wirkung der Hopfenbitterstoffe ist.

Die Bedeutung des px ergibt sich weiterhin bei Betrachtung der elektrischen Verhältnisse bei der Hefe. Man nimmt an, daß die Hefe negativ elektrisch geladen ist. Bei Zusatz positiver Elektri- zität, z. B. Zusatz von wenig Salzsäure, wird die Minus-Elektrizität neutralisiert, es findet Flockenbildung der Hefe statt. Weiterer Zusatz von Salzsäure bewirkt eine elektrische Umladung der Hefe durch die vorhandenen Wasserstoffionen; sie wird positiv elektrisch; gleiche Elek- trizitäten stoßen sich aber ab, die Hefe wird entflockt. Wird umge- kehrt nunmehr Alkali hinzugesctzt, so erfolgt zunächst Bindung der positiven Elektrizität durch die OH-Ionen, die Hefe wird wieder elek- trisch entladen, sie flockt wieder aus und zwar bei px 3,8 bzw. 4,2. Weiterer Zusatz von Alkali erzeugt Minus-Elektrizität (OH-Ionen). Die einzelnen Hefezellen werden negativ geladen, stoßen sich ab, die Hefe wird wieder entflockt. Wenn man also die in der Bierbrauerei erwünsch- ten hohen Vergärungen künstlich erzeugen bzw. halten will, so muB das pu von Bier 4,2 betragen, oder von Würze zwischen 4,2 und 5,2 liegen. Das ist aber das auch aus anderen Gründen für das beste für die anstellbare Würze erkannte px. Bei diesem findet die beste Gärung der Hefe statt, und es ist auch am günstigsten zur Fern- haltung der befürchteten Infektion durch Sarzinen oder Milchsäure- stäbchen. Selbstverständlich wirken auch noch andere Einflüsse, wie Ernährung der Hefezellen, Eiweißkolloide der Würze usw. mit.

-Diese elektrischen Verhältnisse und damit im Zusammenhang stehend die pu-Verhältnisse, sind nun für jede Rasse verschieden. Der sinngemäß arbeitende Gärungstechniker muß demnach für jede Hefe die Würze ent- sprechend verändern bzw. für jede Würze eine entsprechende Heferasse wählen. Die Einstellung des px geschieht technisch tatsäch- lich jetzt schon, wenigstens soweit unsere deutschen Brauereien in Frage kommen, in weitgehendem Maße. Der Einfluß der Salze im Brauwasser, namentlich der alkalisch wirkenden Karbonate, ist seit längeren Jahren gründlich studiert und erkannt. Um auf das va der Würze günstig einzuwirken, werden deshalb heute in größtem Maßstabe Entkarbonisierungen des Brauwassers vorgenommen, indem die Kar- bonate durch besondere Verfahren aus dem Wasser entfernt werden, womit das ps der Würze sich von der alkalischen Seite nach der sauren Scite hin verschiebt. Reicht auch diese Behandlung des Bran-

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wassers noch nicht aus, so muß event. zu künstlicher Säuerung von Maische und Würze geschritten werden, was ebenfalls technisch durch- geführt wird. Der zielbewußt arbeitende Gärungstechniker muß, um die aufs höchste gesteigerten Leistungen seitens der Organismen zu erhalten und um die von den Organismen erzeugten Produkte in der gewünsch- ten Qualität zu erhalten, sich jeden Fortschritt zunutze machen, der irgendwie sich durch weitere wissenschaftliche Erkenntnisse, insbe- sondere auf dem Gebiete der physikalischen Chemie, darbietet.

Da in dem gewaltigen Komplex von Gärungsindustrien, in denen ein großer Teil unseres Nationalvermögens investiert ist, mehrere Mil- lionen Menschen leben, die aber wieder von der zielbewußt gesteigerten Leistung der Organismen abhängig sind, so wäre es ein nationales Un- glück, wenn wir es verlernten, die Mikroorganismen nach unserem Willen zu lenken.

2. Demme (Univ.-Frauenklinik Kiel):

Die Mikroben der Scheide in ihrer Abhängigkeit von der Säure- konzentration des Nährbodens und ihre Variationsformen.

Mit 9 Abbildungen im Text.

Eingehende Untersuchungen über den Chemismus und die Flora der Scheide haben in unserer Klinik eine Reihe von Resultaten gezeitigt, von denen einige, wie anzunchmen ist, auch das heutige Forum mit interessieren werden und deshalb hier vorgetragen seien.

Ohne sich auf das Nähere des Chemismus einzulassen, möchten wir feststellen, daß in der normalen Scheide ein 1—2proz. Zuckernährboden bereitgestellt ist. Der Zucker wird unserer Meinung nach durch dia- statische Fermente gebildet, die nicht, wie es Döderlein seinerzeit annahm, an den Leib des normalen Scheidenbewohners, den Bac. vag., gebunden sind, sondern von der lebenden Epithelzelle herstammen und die Fähigkeit haben, das Glykogen der Scheidenwand und des Scheiden- sekretes zu zerschlagen. Die Abbaustufen, d. h. die Mono- und Disaccha- ride, sind dann weiter für die Bakterien angreifbar und werden unter Einfluß der Mikrobenwelt in Gärungsmilchsäure vergoren. Hierdurch ist auch die im Einzelfall mehr oder weniger saure Reaktion des. Scheidensekretes erklärbar. Der Säuretiter des Sekretes schwankt bei normalen Verhältnissen zwischen 4,0 und 4,7 pu. Bei verunreinigter Scheidenflora sowie bei entzündlichen Prozessen im Genitaltraktus sind die Säurewerte entsprechend bis auf 5,5, ja bis auf 6,7 pu abgesunken. Wir versuchten nun, diese verschiedenen Säuregrade des Scheiden- sekretes in Relation zu der Mikroflora der Scheide zu bringen, um hier- durch event. einen Einblick in das Zustandekommen der Selbstreinigung der Scheide zu erhalten. Unter Leitung meines Chefs, Prof. Schrö- der, und Mitarbeit der Kollegen Hinrichs und Keßler, gelang es uns, unter anderem folgende zwei Tatsachen festzustellen. Erstens wurde nachgewiesen, daß jede der in der Scheide vorkommenden Bakterien-

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arten ihr eigenes individuelles Säureoptimum, eine individuelle Säuerungs- fähigkeit und eine eigene Toleranzgrenze, sowohl nach der Seite der Säure als auch nach der Seite des Alkali besitzt. Nach Ueberschreiten dieser Toleranzgrenzen sterben die Kulturen ab, bzw. werden die Bak- terien in einen inaktiven Zustand übergeführt. Zweitens konnten wir nachweisen, daß die einzelnen Keimarten, speziell die Gruppe des Bac. vag. und die des Streptococcus, in Abhängigkeit von verschiedenen Säurekonzentrationen des Nährbodens eine Variabilität der Keimformen aufweisen, die durchaus das bunte Bild der Scheidenflora erklären. In ihr wies Maunu af Heurlin nicht weniger als 40 verschiedene Stämme nach und unterschied allein ca. 15 verschiedene Streptokokken- arten und fast ebenso viele Arten des Bac. vag., was unserer Meinung nach nur durch die Variationsfähigkeit der einzelnen Keimarten er- klärbar ist.

Um den Kampf der Mikroorganismen untereinander besser be- urteilen zu können, studierten wir zuerst die notwendigen Lebens- bedingungen der einzelnen Bakterienarten der Scheide auf künstlichen Nährböden. Da wir auf Grund unserer mikro-biochemischen Unter- suchungen des Scheidensekretes eine Abhängigkeit vom jeweiligen Säure- titer des Nährbodens annahmen, so fertigten wir uns eine aus 5 Gliedern bestehende Reihe von Tarozzibouillonröhrchen mit abgestuften Säure- werten an. Die Röhrchen I—V waren entsprechend den Säurewerten von 4,4, 5,5 6,6, 7,7, 8,8 pu, vermittels der Gaskette gemessen, ein- gestellt. Es wurden die jeweilig optimalen Säure- und Nährboden- bedingungen, die Säurungsfähigkeit und die Säure-Toleranzgrenzen der einzelnen Bakterienarten festgelegt.

Tab. I zeigt diese Durchschnittswerte und Toleranzgrenzen für die einzelnen der geprüften Bakterienarten. Aus diesen Zahlen geht

Tabelle I. Säuerungsvermögen der Scheidenkeime. Keimart Dip Darin Lebensdauer

Bacillus acidophilus 3,65 3 Wochen und mehr Bacillus vaginalis 3,98 | dgl. Staphylokokken 4,5 L bei Pu 4,5 in 3—4 Tagen Streptococcus acid. lact. 4,8 säuert bis Pu 4,2, + bei Pa 4,8 nach

1-2 Tagen Streptokokken 5,0 lebt über Wochen Bacterium coli commune ca. 5,0 |} bei Pu 4,6 nach 1—2 Tagen Bacterium lacticum aërogenes ca. 5,0 |} bei Pu 4,5 nach 1—2 Tagen Saccharomyces ca. 5,0 Bacterium pseudodiphtheriae ca. 5,0 | Sarzine | 5,5 > Lebensdauer verschieden lang Bacillus mesentericus 5,7 | Bacterium proteus 7,0 |

hervor, daB die Gruppe des Bac. vag. mit das stärkste Säurungs- vermögen, und da die Stämme selbst bei hohen Säurekonzentrationen wochenlang am Leben bleiben, damit auch die höchste Toleranz gegen Säure besitzt. Der typische Bac. vag. wird nur noch vom Bac. aci- dophilus, der jedoch nach Untersuchung von Jötten und auch nach unseren eigenen Beobachtungen (auf die ich noch später eingehe) zur selben Gruppe gehört, an Säurungsvermögen übertroffen. Dann folgen

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in absteigender Reihe die Staphylokokken, die Streptokokken, unter denen wieder der Strept. acidi lactici an der Spitze steht, und dann erst die übrigen meist apathogenen Stämme, der Corynebakteriumgruppe, der Coligruppe, die Saccharomyces, das Bacterium Proteus, der Bac. mes- entericus u. a. Das Optimum des Vaginalbazillus liegt um 4,0 pu, was vollkommen den biologischen Bedingungen in der gesunden Scheide entspricht. |

Um die Frage zu studieren, wie es kommt, daß bei normalen Scheidenverhältnissen der Bac. vag. immer wieder alle anderen in die Scheide hineingebrachten Keime überwuchert und eliminiert, setzten wir eine Reihe von Symbioseversuchen des Bac. vag. mit anderen Keimen in vitro an. Es wurde hierzu Tarozzinärbouillon verwandt, die entsprechend den normalen Scheidenverhältnissen 1—2 Proz. Zucker und 1—2 Proz. Eiweiß enthielt, mit einem Ausgangssäuretiter von zirka 7,0 pu. Zunächst wurde je eine 24stündige Reinkultur von Vaginalbazillen mit je einer !/, Oese der in Tab. IIa angegebenen

Symbioseversuche.

Tabelle 11a. Tabelle IIb. In Vaginalbazillenreinkultur Es wird beimpft in Tarozzibouillon wird verimpft: mit je !/, Oese von Bac. vag.-Reinkultur © | Auf Blut- | | Bakterienart je agar nicht] Reinkultur in nu I r . la Oese Aa n Tarozzi von | Bac. vag. = Staphylokokken x in 3 Tagen |Staphylokokken | X nach 6 Tagen Bact. coli In der |, H i Bact. coli In der | , 4 , Streptokokken Zwischen- 2 , Streptokokken Zwischen- 3 , Bact. pseudodiphth.| zeit tägl.| 2 Sarzine zeit tägl. 3 » Bact. proteus Kontrolle 1 Tage |Str. acid. lact. Kontrolle 2 Sarzine auf Blut-| 2 Tagen |Bact. lact. aërog. auf Blut- n. 2—3 Tag. Str. acid. lact. agarplatt. 2 Saccharomyces agar- | Reinkultur Saccharomyces X bleibt | | platten nicht erreicht | 2 Wochen |'Bac. mesentericus | x ungeeignet l in Symbiose | | fürSymbiose, | | da stets über- | | wuchert Tabelle Ilc. Mischkultur von Streptococcus pyogenes Bacillus pseudodiphtheriae Bacillus acidophilus Nach 2 Tagen R,-R, nur acidophilusartige Bacterium lactis aérogenes Kolonien, R, nur Bacillus lactis aërogenes

, Sarcina lutea » Bacillus vaginalis Staphylococcus aureus

| Nach 4 und 14 Tagen R, und R, nur Bacillus

Bacterium coli commune vaginalis, R,—R, nur Bacterium lactis aërogenes

Bacterium lactis aërogenes Bacillus vaginalis

Bakterienarten beimpft, dann wurde im Gegensatz hierzu je eine 24- stündige Kultur der in Tab. IIb angegebenen Bakterienarten mit je einer 1/, Oese von Vaginalbazillen beimpft und schließlich wurde eine Misch- kultur von Strep. pyogenes, Bac. pseudodiphtheriae, Bac. acidophilus,

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Bact. lactis aerogenes und Sarcina lutea wieder mit je !/ Oese Vaginal- . bazillen beschickt. Aus diesen flüssigen Nährböden wurden dann serien- weise alle 24 Stunden Aussaaten auf Blutagarplatten gemacht und das Schicksal der inokulierten Keime geprüft. In allen 3 Symbiose- versuchen, die selbstverständlich vielfach wiederholt und nachkontrolliert wurden, erwies sich der Bac. vag. stets als der stärkere, der dank seinem größeren Säuerungsvermögen und seiner größeren Säuretoleranz die übrigen Stämme verdrängte und schließlich, wie aus den Tabellen Il a, b und c ersichtlich nach mehr oder weniger Tagen als Reinkultur aus den ursprünglichen Mischkulturen hervorging. Diese auf künstlichen Nährböden erhaltenen Resultate konnten an der Hand unserer Fluor- studien, die demnächst von Prof. Schröder!) im Druck erscheinen, durchaus im vollen Maße in vivo bestätigt werden.

Anläßlich unserer Züchtungsversuche auf künstlichen Nährböden waren uns die Variationsmöglichkeiten ein und derselben Bakterien- stämme in Abhängigkeit von der Säurekonzentration des jeweilig ver- wandten Nährbodens aufgefallen. Wir haben, was die Gruppe des Bac. vag. sowie die des Streptokokkus anbetrifft, systematische Reihen-

von Blutagar von Chinablauagar Fig. 1. Bacillus vaginalis.

versuche angesetzt und die jeweilig erhaltenen Formbilder in Zeich- nungen festgehalten, von denen einige Beispiele hier demonstriert sein mögen. Vorausschicken möchte ich, daß der jeweils aus der Scheide auf optimalen Nährböden reingezüchtete Stamm zunächst in eine Reihe von Tarozzibouillonröhrchen von abgestufter Säurekonzentration (pu 4,4—8,8) verimpft wurde, um später nach 24 und 48 Stunden auf Blutagarplatten wieder ausgesät zu werden. Der Vergleich des Ausgangsstammes mit den Formen, die aus den verschiedenen Röhrchen und denen ihnen entsprechenden Blutagarplatten stammten, ergab folgende Variationen. Fig. 1a und b zeigt uns typische Formen des Bac. vag. im Ausstrichpräparat von der Blutagar- und Chinablauagar- platte; Fig. 2a denselben Stamm in Reinkultur aus optimaler Tarozzi- bouillon und von Traubenzuckerblutagar anaërob. Ueber die Reihe ge- bracht, ergab derselbe Stamm entsprechend den seitlich eingetragenen Säurekonzentrationsweiten von pH 4,4 bis px 8,8 die Formen, die aus Fig 3a ersichtlich sind. Brachte man die 24stündige Kultur aus den

1) Archiv f. Gynäk. 1925 26 „Uterus und Scheide als Quellen des Fluor vagi- nalis“, eben im Druck.

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aus Ta- ` a ARE

rozzibouillon nzucker- Blutagar an- aërob

Fig. 2. Bacillus vaginalis.

“45

46* 11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925.

einzelnen Röhrchen wieder zurück auf Blutagarplatten, so zeigten diese wieder eine vollkommene Aenderung der eben erst gesehenen Formen, wie aus Fig. 3b ersichtlich ist. Die Vaginalbazillen wuchsen sich mehr zu Stäbchenformen aus, zeigten dem Ausgangsstamm gegen- über jedoch eine deutliche Variation, und nur durch längeres Umzüchten auf optimalen Nährböden gelang es, die Form des Ausgangsstammes wiederzuerhalten.

Da von verschiedenen Seiten festgestellt wurde, daß zwischen Darm-, Mund- und Nasenflora einerseits und Vaginalflora andererseits bestimmte zeitliche und verwandtschaftliche Beziehungen beständen, so wurde bei uns der von Jötten als mit dem Vaginalbazillus nahe ver-

Fig. 3b. Auf Blutagar.

wandt bezeichnete Bac. acidophilus auch über die Reihe geschickt und auf Variationsformen geprüft. Fig. 4 zeigt, daß er sowohl im opti- malen Nährböden als auch auf der Reihe sich ganz wie der Bac. vag. verhält und entsprechende Variationen ergibt. Auch der Bac. crassus, der von Lipschütz als Erreger des Ulcus vulvae acutum genannt wird, zeigt ein dem Vaginalbazillus vollkommen identisches Verhalten, sowohl im Ausstrichpräparat (Fig. 5) und im optimalen Nährboden, als auch auf der Reihe, s. Fig. 6. Warum er die dem Bac. vag. ge- wöhnlich abgehenden pathogenen Eigenschaften zeigt, gehört nicht ın den Rahmen dieses Themas.

Auch bei einzelnen Streptokokkenstämmen gelang es uns durch Passage über dieselbe Reihe von abgestuften Tarozzinährböden und Blut-

EE I Bu u se un

11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925. *47

Direkter Abstrich

Aus der Tarozzi- aus der Vagina

bouillon bei PH5,09

Klatschpräpar. vom Rande einer Blut- agarkolonie

Aus lproz. Trauben- zuckerbouillon

Fig. 5. Bacillus crassus.

T r E S

Ope pse

48* 11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925.

agarplatten, den Umschlag einer Form in eine andere zu beobachten. Es muß jedoch gleich betont werden, daß die Streptokokken lange nicht

Fig. 6. Bacillus crassus auf der Reihe. Bei PH 7,7 m. b. H.

Fig. 7. Strept. pyog. auf der Reihe.

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dieselbe Leichtigkeit, ich möchte sagen fast Regelmäßigkeit im Umfall der einzelnen Ausgangsformen zeigen, wie die Gruppe des Bac. vag. Fig. 7 zeigt einen typischen Strept. pyog. haem. aus dem Xrater eines Portiokarzinoms, welcher von der primären Blutplatte auf die Reihe

Symbiose mit Bac. lact. aörogenes.

AusR, auf Blut- agar

Fig. 8. Bacillus vaginalis.

gebracht, 24 Std. bebrütet und dann aus den einzelnen Röhrchen wieder auf Blutagarplatten ausgesät wurde. In Röhrchen I und II bei einer Säurekonzentration von px 4,4 und 5,5 ging er nicht an, während Röhr-

Symbiose mit dem Strept. acid. lact.

Fig. 9. Bacillus vaginalis.

chen II—V bei pa-Werten von 6,6, 7,7 und 8,8 ein deutliches Wachs- tum von langen Streptokokkenketten zeigten. Bei der Differenzierung auf Blutagarplatten zeigten die aus verschiedenen Röhrchen gewonnenen Stämme jedoch evidente Unterschiede untereinander und wiesen Varia-

Erste Abt. Orig. Bd. 97 Beiheft. 4

so* 11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925.

tionen vom Streptococcus anhaemolyticus bis zum Pneumokokkus hin- unter auf. Der dem R. III entsprechende, sonst in der Form typische Streptokokkus hatte seine Hämolyse verloren, der aus dem R. IV ge- wonnene Stamm zeigt einen Uebergang der Kugelform in Lanzettform bei erhaltener Kettenform und Hämolyse, und der aus R. V gewonnene Stamm zeigt schließlich typisch schwärzende Pneumokokkenkolonien nur mit erhaltener Hämolyse. Bei weiteren Tier- und Nährbodenpassagen über Blutplatten, Tarozzi und Milchzuckerbouillon zeigten die Stämme die Charakteristika der jeweilig in erster Passage auf der Reihe an- genommenen Formen. Bei weiteren zirka 70 aus der Scheide von Wöchnerinnen und gynäkologisch kranken Frauen gewonnenen Strepto- kokkenstämmen!) konnte durch Passage über künstliche flüssige und feste Nährböden, sowie eingeschaltete Passagen durch die Maus in ciner ganzen Reihe von Fällen Umschläge vom Streptococcus haemolvticus zum anhaemolyticus, vom Streptococcus pyogenes zum viridans, vom Streptococcus pyogenes zum Streptococcus lanzeolatus und Streptococcus acidi lactici und umgekehrt beobachtet werden. In einer Reihe von Fäilen diente der Streptococcus pleomorphus als Bindeglied. Aus diesen Versuchen ging hervor, daß die charakteristischen Eigenschaften der bisher unterschiedenen Streptokokkenformen nicht als formeigen an- gesehen werden dürfen, sondern daß hier sowohl was Form der Ketten und der Einzelglieder, was die Hämolyse und Vergrünung, was die Pathogenität bei Tier und Mensch, was schließlich die Aëro- bzw. Anaërobiose anbetrifft, fließende Uebergänge bestehen. Dieses spricht wohl durchaus für die Arteinheit der Streptokokken, deren verschiedene Wuchsformen wohl in Abhängigkeit von den gegebenen Nähr- und Substratbedingungen in verschiedener Weise bei ein und demselben Stamm her- vorgerufen werden können. Dasselbe gilt auch für die verschiedenen Unterarten der Bac. vag.-Gruppe.

Vorstehend ferner 2 Bilder (Fig. 8 und 9) von besonders auf- fallenden Variationsformen des Bac. vaginalis, aus Symbioseversuchen mit dem Bac. lact. aerob. und dem Strept. acid. lact.

3. Wedemann (Berlin):

Der Einfluß der Milchsäuregärung auf in Milch enthaltene pathogene Keime.

Unter Gärung der Milch soll hier nur der Vorgang verstanden sein, der bei einigermaßen einwandfreier Milch beim Aufbewahren bei gewöhnlicher Sommertemperatur unter dem Einfluß der vorherrschend vorhandenen Milchsäurebildner (Streptoc. lact.) unter gelee- bis sulz- artiger Gerinnung der Milch und im wesentlichen unter Bildung von Milchsäure vor sich geht, die sogenannte spontane Säuerung (etwa 25—30 Säuregrade). Dieser Gärung der Milch wird von Molkerei-

1) Diese Versuche wurden unter der Kontrolle von Herrn Prof. Dr. Bitter im Untersuchungsamt am Hyg. Institut Kiel gemacht.

11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925. *sı

fachleuten, Landwirten und auch von Verfassern mancher Handbücher der Milchkunde eine relativ hohe keimvernichtende Kraft auf pathogene Keime zugeschrieben. Auch jetzt wieder ist bei den verschiedenen Typhusepidemien, bei denen Milch als Verbreiter eine Rolle gespielt hat, diese Ansicht geäußert worden.

Die sogenannte spontane Säuerung der Milch, die bekanntlich in der warmen Jahreszeit wegen ihres angenehm säuerlich aromatischen Geschmackes ein begehrtes Nahrungsmittel liefert, kann Sesonders ge- fährlich sein, weil innerhalb der Zeit, in der die Säuerung vor sich geht und die saure Milch genossen wird, auch eine Vermehrung etwa vorhandener pathogener Keime stattfindet. Ein Vorgang, der sich aber durch den Geschmack oder Geruch nicht bemerkbar macht.

Ob der Bakterizidie nicht keimfrei gewonnener Milch eine Be- deutung für die Vernichtung pathogener Keime zukommt, scheint nicht sicher zu sein. Nach Versuchen von Much wirkt keimfrei oder durch Wasserstoffsuperoxydzusatz keimfrei gemachte Milch (Perhydrasemilch) auf Typhusbazillen bakterizid. Spezifische Bakterizidine dürften aber nicht wahrscheinlich sein. Bei den Wärmegraden im Sommer, bei denen zur Säuerung aufgestellte Milch aufbewahrt wird, ist die Bak- terizidie der Milch relativ rasch im Schwinden begriffen. Die Zeit, die nach ihrem Schwinden bis zum Verzehr der Milch (ein bis mehrere Tage) verstreicht, reicht zur Vermehrung pathogener Keime aus. Da im allgemeinen die Gewinnung der Milch noch nicht unter angenähert sterilen Bedingungen erfolgt, so kommt die Bakterizidie für eine Vernichtung etwa in der Milch vorhandener pathogener Keime kaum in Frage. Bei der spontanen Säuerung der Milch wird abhängig von der Temperatur und der Dauer der Aufbewahrung eine init Lauge bestimmbare Säuremenge gebildet, die, auf Milchsäure berechnet, etwa 0,6—0,8 Proz. entspricht. Diese durch Lauge titrierbare Säuremenge ist aber nicht gleich der pu-Konzentration freier Milchsäure, sondern sie umfaßt auch die der sauren Salze, des Kaseins, der Kohlensäure und auch vieleicht die von Aminosäuren (Zitronensäure 0,1 Proz. —, die als schwerlösliches Kalksalz vorkommt, spielt keine Rolle). Die gebildete Milchsäure kommt als keimvernichtendes Agens in Frage. Freie Milchsäure wirkt nach den Ausführungen Hailers in Wceyls Handbuch der Hygiene, Abt. Desinfektion, infolge ihrer Lipoidlôslich- keit und ihres Charakters als Oxysäure relativ stärker keimschädigend als andere Fettsäuren und auch anorganische Säuren. Die wirksamen Konzentrationen in wäßrigen Medien liegen aber höher und wirken sich auch ungehemmter aus, als die in saurer Milch. Die in der Milch enthaltenden Stoffe binden die entstehende Milchsäure, der auf saurer Milch sich bildende Milchschimmel zersetzt die Milchsäure, so daß höchstens ein kleiner Anteil auf die Mikroorganismen einwirken kann. Das durch die entstehende Milchsäure ausfallende Kasein schließt patho- gene Keime ein und entzieht sie dadurch der weiteren Säureeinwirkung. Etwas Analoges erwähnt Jensen. Er beobachtete, daß beim Erhitzen der Milch hitzegerinnungsfähiges Eiweiß Keime einschließt und sie so vor dem Einfluß weiterer Hitze schützt. Er erklärt hiermit die auffallende Tatsache, daß unter Umständen auf höhere Temperaturen erhitzte Milch eine größere Zahl von Keimen enthält als die gleiche, aber weniger hoch erhitzte Milch. Innerhalb der gewöhnlichen Auf- bewahrungsdauer der gesäuerten Milch ist mit einer Keimvernichtung kaum zu rechnen. Wenn auch vielleicht eine teilweise Schädigung

4*

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eintritt, so kann diese durch eine Milieuänderung durch Aufnahme in den Magen und die Verdauungsorgane (Speisebrei) aufgehoben werden und pathogene Keime enthaltende Milch ihre schädigende Wirkung ausüben.

Bei dem nicht seltenen Vorkommen der Eutertuberkulose der Kühe spielt tuberkelbazillenhaltige Milch eine wichtige Rolle. Wenn auch die Zahl der mit ihr aufgenommenen Keime meist gering ist, so kann doch unter besonderen Umständen der Genuß solcher Milch auch für Menschen eine Tb.-Infektion zur Folge haben. Für Tiere liegen die Verhältnisse bekanntlich bedeutend ungünstiger. Bei eigenen Versuchen konnte nachgewiesen. werden, daß Tb.-Bazillen in saurer Milch ohne Schwächung bis 18 Tage am Leben bleiben. Dem Zweck der Versuche entsprechend wurde nicht länger beobachtet. Auch aus anderen Ar- beiten geht hervor, daß die Säuerung ohne Wirkung auf Tb.-Bazillen ist. Es ist deshalb der Schluß berechtigt, daß der Genuß saurer Milch, die aus nicht ausreichend erhitzter Milch hergestellt ist, Fütterungs-Tb. erzeugt.

Eine mehr ins Auge fallende Gefahr durch den schnelleren Krank- heitsverlauf bildet der Genuß saurer Milch, die mit Typhus-, P.- Typhus- oder Enteritisbazillen verunreinigt ist. Nach einigen Literatur- angaben sollen zwar diese Keime binnen 24 Stunden in saurer Milch unschädlich sein. Nach anderen Angaben dagegen und eigenen nicht veröffentlichten Versuchen widerstehen diese Keime in saurer Milch bedeutend länger der Abtötung, so daß der Genuß saurer, solche Keime enthaltender Milch eine Infektion wohl zur Folge haben kann. In den von mir angestellten Laboratoriumsversuchen konnten verschiedene Stämme der genannten Keime in Milch, trotzdem sie hohe Säurcgrade erreicht hatte, mindestens noch nach mehreren Tagen nachgewiesen werden. Es wurden zwar Mengen solcher Keime der Milch zugesetzt, die weit über den etwa in Wirklichkeit vorkommenden Verhältnissen liegen. Die Beobachtungen stehen im Widerspruch mit der bekannten konservierenden Wirkung der sauren Milch z. B. beim Einlegen des Fleisches. Ein Vorgang, der allerdings nicht ohne weiteres mit den hier gemachten Ausführungen verglichen werden kann. Aus der zu- gängigen Literatur ist nicht zu ersehen, ob der sauren Milch beim Auf- bewahren von Fleisch außer der konservierenden Wirkung auch eine keimtötende Wirkung z. B. auf Fleischvergifter zukommt. Die An- steckungsgefahr durch derartig konserviertes Fleisch, das ursprünglich nur wenig solcher Keime enthielt, ist auch gering, da es erst nach dem Dämpfen oder Braten genossen wird. Bekannt ist, daß in Pökel- lake Fleischvergifter sich zwar nicht wesentlich vermehren, aber monate- lang virulent bleiben können. Die Säureresistenz der genannten Keime ist verhältnismäßig nicht unbedeutend. In Wein und Zitronenlimonade mit einem Gehalt von 0,6—0,8 Proz. Säure gehen Typhusbazillen erst nach 3 Stunden unter Mitwirkung des Sonnenlichtes zugrunde. In diesen fast wäßrigen Flüssigkeiten kommt die die Keimtötung be- dingende pu-Konzentration wie oben schon angedeutet ist, ungehemmter zur Auswirkung als in saurer Milch. Nicht unerwähnt sei, daß der Nachweis pathogener Keime in Milch mit Ausnahme der Tb.-Bazillen großen Schwierigkeiten begegnet. Es fchlt eine geeignete Methode, die gestattet, die wenigen pathogenen Keime gegenüber den anderen in Milch zahlreich vorkommenden Keimen anzureichern.

11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925. *s3

Auf Grund meiner Ausführungen dürfte die Annahme von Molkerei- fachleuten usw., daß die spontane Säuerung in Milch vorhandene pathogene Keime unschädlich zu machen imstande ist, als unzutreffend zu bezeichnen sein.

Dic jetzt z. B. von Bongert gestellte Forderung, von gesunden Tieren gewonnene und sauber behandelte Milch im tiefgekühlten Zu- stand ohne molkereimäßige Behandlung dem Verbraucher zuzuführen, von dem sie vorm Verzehr abgekocht werden soll, dürfte, so ideal der Zustand auch wäre, nach den gemachten Ausführungen besonders unter den jetzigen Verhältnissen im mindesten verfrüht sein. Die jetzt übliche molkereimäßige Behandlung, die selbstverständlich auch Nachteile hat, bietet immerhin einen gewissen Schutz vor einer mit pathogenen Keimen infizierten Milch. Auch jetzt wieder hat Milch, die im unbehandelten Zustand dem Konsumenten zugeführt worden war, Typhusinfektionen bewirkt. Die gleiche Milch war dagegen nach der Dauerpasteurisierung nicht mehr infektiôs. Die gegenwärtig im Handel befindlichen Dauer- pasteurisierungsanlagen mit automatischen Kontrollvorrichtungen für Zeit, Temperatur und Mengen der behandelten Milch scheinen eine ge- eignete und zuverlässige Behandlung der Milch zu gewährleisten.

Aussprache.

O. Hartoch (Leningrad):

Bezugnehmend auf die Frage der Pentosevergärung seien kurz einige Beob- achtungen erwähnt, die gemeinsam mit den Herren Schloßberger und Jaffe gemacht werden konnten. Bekanntlich hat Stern im Jahre 1918 xylose- und arabinosehaltige Nährböden zur kulturellen Differenzierung der Vertreter der Typhus- Paratyphusgruppe empfohlen und an einem größeren Material von frisch gezüchteten Stämmen und an Museumskulturen feststellen können, daß die Typhusbakterien aus- nahmslos nur die Xvlose angreifen, während die Paratyphus A-Kulturen nur die Arabinose, meist unter Gasbilduug, vergären. Die Paratyphus B-Kulturen vergären nach Stern beide Pentosen, meist unter Gasbildung.

An einem größeren Material von frisch gezüchteten Tvphusstimmen aus den ‚Jahren 1924 und 1925. die teils (34 Kulturen) aus der letzten Tvphusepidemie in Leningrad stammten, teils (32 Kulturen) von dem Hvgiene-Institut in Frankfurt a. M. isoliert worden waren, konnte festgestellt werden, daß die einzelnen Typhusstämme dem Xylosenährboden gegenüber keineswegs sich gleichartig verhielten.

Von obigen 66 Kulturen vergärten Xvlose nur 45 Stämme, während 21 Kul- turen auch bei wiederholter Prüfung die Xvlose nieht augriffen. Von 11 geprüften Museumsstämmen war nur ein, als Typhus Hopf bezeichneter Stamm xylosenegativ

Serologisch konnten die xylosepositiven Stämme von den xvlosenegativen Kul- turen weder auf Grund der kreuzweise durchgeführten Agglutination mit entsprechen- den xylosepositiven und xylosenegativen Kaninchenimmunsera noch mittels des Ab- sättigungsverfahrens abgetrennt werden.

Beziehungen zwischen Xvylosegärungsvermögen oder Unvermögen der Stämme und dem klinischen Verlauf der durch sie bewirkten Erkrankung konnten nicht fest-

estellt werden. Ebensowenig waren Beziehungen zwischen Herkunft der Stämme (in betreff des Ausgangsmaterials) und ihrem Verhalten der Xvlose gegenüber nach- weisbar.

Dahingegen konnte festgestellt werden, daß bei wiederholter, zu verschiedener Zeit durchgeführter Reinzüchtung von Typhuskulturen von ein und demselben Patienten die betreffenden Stämme stets ein gleichartiges Verhalten der Xylose gegenüber er- kennen lassen.

In Analogie zu den Befunden von Braun, Mandelbaum u. a. sprechen auch unsere Befunde über das Verhalten der Typhusstämme zur Xvlose dafür, daß nicht alle ernährungsphysiologischen Fäligkeiten konstant sämtlichen Stämmen der Typhusgruppe zukommen.

54% 11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925.

G. Blumenthal (Berlin) weist auf die Tatsache hin, daß man es bisweilen in der Hand hat, willkürlich das Gärungsvermögen einzelner Bakterien, z. B. das Zucker- vergärungsvermögen der als Flexner- bzw. Y-Ruhrbazillen bezeichneten Pseudo- dysenteriearten zu ändern.

Während bekanntlich bei den sogenannten echten Shiga- Kruse - Stämmen eine Variierung ihrer zuckervergärenden Eigenschaften nicht gelingt, liegen doch zahlreiche Beobachtungen von Torrey, Twort, Schroeter uud Gutjahr. Sonne, Arnheim, Manteufel, Ledingham, Davison, Bruynoghe u.a. vor, daß die sogenannten Pseudodysenteriestimme bezüglich der Zersetzung der Zuckernährböden großen Schwankungen unterworfen sind.

Ganz besonders instruktiv ist in dieser Hinsicht ihr Verhalten auf dem zu ihrer Differenzierung unter anderem gewöhnlich benutzten Maltoseagar, worauf bereits in einer früheren Mitteilung hingewiesen wurde (Zeitschr. f. Hyg. Bd. 91. 1920. S. 335). Es wurden nun nicht nur einige Flexner- und Y-Stämme aus der Sammlung unsre Institute, die annähernd den gleichen agglutinatorischen Titer gegenüber einem polyvalenten Flexner-Y-Serum aufwiesen, sondern vor allem einige Vertreter der serologisch gut trennbaren Kruse-Rassen A, D und H einer eingehenderen Prüfung bezüglich ihres fermentativen Vermögens unterzogen.

Die Beobachtung erstreckte sich auf etwa 9 Wochen und hatte das Ergebnis, dab sich jede der dreı Rassen A, D und H schon nach 24stündiger Züchtung auf Drigalski-Agar bei Weiterimpfung auf Maultoseagar am besten bei einem Ge- halt von 2 Proz. Maltose in eine Flexner- und Y-Komponente zerlegen lieb. Während nämlich auf dem Mannit-Agar stets nur rote Kolonien aufwuchsen, ent- standen von derselben sicheren Reinkultur auf dem Maltosenährboden zwei ver- schieden gefärbte Spielarten: blaue Kolonien, die auch nach zahlreichen Passagen auf den verschiedensten Nährböden ihre Eigenschaft, Maltoseagar unbeeinflußt zu lassen, konstant beibehielten, und rotgefärbte Kolonien, die sich schon nach 4Sstündiger Be- obachtung in eine rote und blaue Komponente spalteten.

Bei der Weiterzüchtung auf Maltoseagar war auch nach mehreren Ueber- impfungen bei der blauen Komponente ein weiterer Zerfall nicht zu beobachten. Sie sus selbst nach zahlreichen Passagen, die sich auf etwa 9 Wochen ausdehnten, Maltuse nicht an.

Dagegen blieb der Zerfall der roten Komponente in eine weiter spaltbare rote und eine konstante blaue Varietät so lange bestehen, als die Vorzüchtung auf einem Zucker- nährboden, z. B. auf Drigalski-, Maunit-, Maltose oder Saccharoseagar, erfoigte, sistierte aber sofort, wenn eine Passage auf Agar dazwischen geschaltet wurde, dem kein besonderer Zuckerzusatz beigegeben war.

Diese Beobachtungen stimmen gut mit der Tatsache überein, daß sich frisch aus infektiôsem Material isolierte Pseudodysenteriebazillen mit Hilfe ihres Zuckerver-

ärungsvermögens zum großen Teil leicht als die einzelnen bekannten Typen identi- izieren lassen, nach weiteren Umzüchtungen aber meist dieses anfänglich charakte- ristische Verhalten wieder völlig einbüßen.

W. Seiffert (Freiburg): Im folgenden möchte ich kurz über einige Versuche be- richten, die Herr Zimmermann im Freiburger Hygieneinstitut über die Permeabili- tät der Bakterien für Zucker auf meine Veranlassung durchgeführt hat:

Versuch I: 2—300 mg Colibazillen werden 48 Stunden lang in 50 am einer 1proz. Traubenzuckerlösung bei 37° gehalten. Dann werden die Bakterien aus- zeutrifugiert und der Zuckergehalt der Lösung bestimmt (nach Allihn). Er- Bons Es ist noch sämtlicher Zucker vorhanden. Schlußfolgerung: Unter

edingungen, die (wie eine sehr große Bakterienmenge auf engem Raum) die Lebens- äußerungen der Bakterien hemmen, bleibt die Zuckeraufnahme aus, d. h. die Zucker- aufnahme ist an die Aktivität der Bakterien geknüpft (physiologische Permeabilität nach Höber).

Versuch II: Je 50 ccm einer 1/,-, l- und 2proz. Traubenzuckerlösung mit 1 Proz. Ammontartrat als N-Quelle und Salzen werden mit Colibazillen beimpft. Nach 24 Std. Brutschrankaufenthalt wird in jeder Kultur die Bakterienmenge und iu dem bakterienfrei zentrifugierten Kultursubstrat der Zuckergehalt bestimmt und auf- einander umgerechnet. Lrgebnis: In der 1/,-, und Iproz. Lösung ist stets die gleiche, in der 2proz. nur die halbe Zuckermenge verbraucht worden. Schluß- folgerung: Der Zuckerverbrauch ist an sich von der vorliegenden Konzentration des Zuckers (1/4, lproz.) unabhängig; er sinkt, sobald die Aktivität der Keime gehemmt wird (z. B. durch den osmotischen Überdruck in der 2proz. Lösung), d. h. die Zuckeraufnahme scheint ausschließlich an die Aktivität der Zellen ge- bunden zu sein.

11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925. *s 5

Versuch III: Es wird in analoger Weise der Zuckerverbrauch der Coli- bazillen in Iproz. Traubenzucker-, 1proz. Maltose- und Iproz. Milchzuckerlösung be- stimmt. Ergebnis: Von jeder Zuckerart wird die gleiche Gramm-Menge verbraucht. Schlußfolgerung: Die Aktivität, mit der ein Bakterium einen von ihm zersetz- baren Zucker aufnimmt, scheint lediglich von seinem Nährstoffbedarf und nicht von der Art des Zuckers abzuhängen. |

Versuch IV: 300 ccm einer 1proz. Milchzuckerlösung mit Ammontartrat und Salzen wird mit Paratyphus B-Bazillen (also Bazillen, die Milchzucker nicht zu zer- zersetzen vermögen) beimpft. Die Bazillen vermehren sich ausgezeichnet. In dem nach 43 Std. auszentrifugierten Kultursubstrat wird der Zuckergehalt bestimmt. Ergebnjs: Es ist noch sämtlicher Zucker vorhanden. Schlußfolgerung: Die Zuckeraufnahme scheint an die Möglichkeit der Zuckerspaltung, mit anderen Worten, an die Anwesenheit spezifischer zuckerspaltender Fermente in den Bakterien uno zu sein, d. h. für die Aufnahme des Zuckers ist seine (wohl an der Ober-

äche der Bakterien erfolgende) fermeutative Aufspaltung Voraussetzung, und diese Aufspaltung an der Zelloberfläche wäre jene aktive bakterielle Lebensäußerung, welche nach den vorigen Versuchen die Zuckeraufnahme regelt.

Neisser(Schlußwort) betont gegenüber den Bemerkungen des Herrn Hartoch, daß er absichtlich nur von den bakteriellen Kohlehydratvergasungen gesprochen hat, nicht aber von der Bildung von flüssiger Säure, da dieses Gebiet noch nicht enügend technisch durchgearbeitet ist. Nach seinen Erfahrungen sind auch die

akteriellen Vergasungen anfangs vielen Fehlresultaten ausgesetzt, aber es hat eich bisher noch immer gezeigt, daß bei gründlichster Durcharbeitung gleichmäßige Er- gebnisse erzielt wurden.

Pause.

Vorsitzender: Gotschlich (Gießen). Sonstige Vorträge.

1. H. Mießner und G. Baars (Hannover):

Immunisierungsversuche gegen Tollwut an Hunden!).

Die starke Ausbreitung der Lyssa nach dem Kriege in fast allen Ländern hat die Frage der Bekämpfung der Hundswut, der eigent- lichen Quelle der Infektion, besonders dringend gemacht. Die stets vom Osten nach Deutschland eingeschleppte Seuche konnte vor dem Kriege allein mit Hilfe der gesetzlichen veterinärpolizeilichen Bestimmungen auf ihren Herd beschränkt werden. Später aber ist es nicht möglich gewesen, der erschreckenden Ausbreitung Einhalt zu gebieten. Diese Tatsache hat in verschiedenen Ländern zu neuen Versuchen der Immuni- sierung von Hunden gegen Tollwut angeregt. Die veterinärpolizeilichen Maßnahmen als das beste Verfahren zur Bekämpfung der Tollwut können zwar niemals entbehrt werden, jedoch ist es durchaus möglich, daß die künstliche Immunisierung der Hunde wenigstens in Grenz- distrikten eine praktische Bedeutung erlangt, sofern es gelingt, durch ein einfaches Impfverfahren einen dauerhaften Schutz zu erhalten. In Japan und Amerika sind auf Grund der von Umeno und Doi aus- gearbeiteten Immunisierungsmethode durch einmalige Impfung mit kar- bolisiertem, in Glyzerin suspendiertem Virus fixe umfangreiche Imp- fungen, ja sogar Zwangsimpfungen an Hunden praktisch durchgeführt. Die damit erzielten Erfolge sind, wie aus diesen Ländern berichtet wird.

1) Vorgetragen von MieBner.

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ausgezeichnet, so daß man es wohl verstehen kann, wenn auch bei uns Stimmen laut werden, die die Impfung der Hunde zur Bekämpfung der Tollwut fordern.

Vom preußischen Landwirtschaftsministerium ist das Hygienische Institut der Tierärztlichen Hochschule zu Hannover beauftragt worden, Versuche über ein praktisch durchführbares Impfverfahren gegen Toll- wut bei Hunden anzustellen, im Anschluß an ähnliche von Mießner, Kliem und Kapfberger 1911 am Kaiser-Wilhelm-Institut in Bron:- berg ausgeführte Untersuchungen. Dabei kamen uns die bisher beim Menschen gemachten Erfahrungen zu nutze. Von vornherein mußte aber mit einer wesentlich einfacheren Impftechnik gerechnet werden, sollte das Verfahren sich für die Praxis als brauchbar erweisen.

Durch eigene zahlreiche Untersuchungen habe ich früher fest- gestellt, daß eine postinfektionelle Impfung beim Hunde einen Erfolg nicht verspricht. Aus diesem Grunde durften die Impfungen lediglich prophylaktischer Natur sein. Eine derartige Schutzimpfung hat aber nur dann Aussicht auf Erfolg in der Praxis, wenn mit der Impfung eine künstliche Erkrankung an Tollwut auf keinen Fall verbunden ist. Es war infolgedessen unsere Aufgabe, in entsprechenden Versuchen neben dem Schutzwert der Impfung auch ihre Unschädlichkeit zu erproben. Praktisch brauchbare Ergebnisse konnten die Versuche nur dann zeitigen, wenn an einem sehr großen Hundematerial gearbeitet wurde. Deswegen beschränkten wir uns nicht auf einige Hunde in jeder Versuchsreihe, sondern verwendeten deren eine große Menge. Dadurch wurden nach Möglichkeit auch diejenigen Fehler ausgeschaltet, die durch schwankende Virulenz des Impfstoffes und den Wechsel der Empfänglichkeit der Hunde bedingt werden.

Bei der Gefahr derartiger Versuche und bei den mangelhaften Schutzvorrichtungen, die unsere gewöhnlichen Laboratoriumsstallungen bieten, war die Durchführung der Experimente mit allergrößten Schwierigkeiten und Mühen verbunden, die glücklicherweise ohne Un- fall überwunden wurden.

Im Hygienischen Institut sind bisher Versuche an insgesamt etwa 200 Hunden angestellt, die, wenn sie auch noch nicht zum Abschluß gekommen sind, hier doch kurz referiert werden sollen. In der bei- gelügten Tabelle I sind die Versuche zahlenmäßig zusammengestellt. (Tabelle I, s. Seite *57.)

Die zur Immunisierung benutzten 3 Virus fixe-Stämme (BI, BII und Br) wurden uns in dankenswerter Weise von der Wutschutzabteilung des Instituts für Infektionskrankheiten „Robert Koch“ zur Verfügung gestellt. Die in den Versuchen 1—4 zur Immunisierung gebrauchten Virus fixe Bl und BIL ließen bei subduraler Infektion Kaninchen erst nach 10—12 Tagen erkranken, während die Inkubationszeit der mit dem zu den späteren Versuchen verwendeten Virus fixe Br subdural infizierten Kaninchen nur 4—6 Tage betrug. Der Virus fixe Br- Stamm wurde auch zur subduralen Infektion der Kaninchen benutzt, deren Gehirn und Rückenmark zur Herstellung von Lyssin, das in den Versuchen 11—13 und 17 und 18 zur Anwendung kam, verwendet wurde. Das Lyssin stellt ein Präparat dar, das man entsprechend der Vorschrift von MieBner (Arch. f. wiss. Tierheilk. 1913. 39. S. 169) durch 24stündiges schnelles Trocknen einer frischen Virus fixe-Suspension im Faust-Heimschen Trockenschrank bei einer Temperatur bis 30° C erhält. Durch einen Zusatz von Kreide wurde dem Präparat nach

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Tabelle I.

DURS AIN NEAReENRNRe gegen Tollwut an Hunden.

F y % |8 wo, o| Infizierte Kon- 2 > eg ad = Oo y Impfung 3 $ ce ELE SE - _trolltiere v | 32 33 seed "ol; an Tollwut | z = a H n M E infiziert ©% Impfstoff ——%: "Sn jest. gL S verendet E E wie wieviel öm| 35 Salsötossle |: ləl. = o RE - s2 90 "821%, a] Sajo | Sa | wie stoff? = < aaga = |g S | 8 EN | I 4 gsr >m M°ImIM° ı| BI 1% ia 2-3g | 5 = MER ES AIR NE QE 2| BI 1x H 2—3 g | 5 2 3 2 t | | 4 8| B.II |l Xia 2—3g 4 3 | 2|—|2 4| B.II Kia 2—3g | 4/1028 —| 2 | Au œil | | 5 | Br. l X ia| 2—3 g 6 3( S) 1 2 2 | | 2 | pre 1x g 6 | Br. ax 1-15 g 5 4 = 2 | 2 7 Br. |lxia 1-15g 6 | À HN 2162 1-8 2 8 Br. 1Xsk| 1-15g | 6 _ | 4 1-21" 2 9), Br. 1 K sk! 1—1,5 g | 6 | 5 | 21e 2 10 Br. LX ia 1—15g | 6 - 5 _ a a Da E | 11 | Lyssin |1 X ia| 1-15g | 10 1 (15 g)| - gi 4 p 1,212 2 32Tagealt| | | | | | | 12| Lyssin |1 X sk 075-258 10 | 1 (2,5 g) 9 = 3 1 2 48Tage alt 13 oain 1X sk) 0,5—1,0 g | 10 l 9 = She 2 2 f? agealt | | | | bleal 14 Jap. Vace|1Xsk 1g 10 | 9 | 2 | 1 2 15 > 1 X sk lg 10 ] 9 | (4) | (2) | (3) (2) | 2:18 | 16! |iXsk| 1g 01 = oil es Ve RUE 2 17 Lyssin + 1 X sk) 0,5g | 10 ky 9 E AE 2 |! Kreide | 10Tage alt | dgl. |1 X sk lg | 10 1

dem Zermörsern eine feinere pulverförmige Beschaffenheit gegeben und dadurch die leichte Emulgierbarkeit in physiologischer Kochsalz- lösung zum Zwecke der Impfung erhöht. Die Virulenz des Trocken- präparates mußte naturgemäß vorher geprüft werden. In den Brom- berger Versuchen war bereits eine Haltbarkeit von 52 Tagen erwiesen. Es wurde ferner nicht ein Virus geprüft, sondern Virus von verschiedenen Fällen, um etwaigen Virulenzschwankungen Rechnung zu tragen. Hier- bei ergab sich folgendes: |

Das Lyssin ist mindestens bis 60 Tage nach der Trocknung für Kaninchen vollvirulent. Bei verschiedenen Lyssinen konnte die Voll- virulenz für Kaninchen bis 71, ja 84 Tage nach der Trocknung nach- gewiesen werden. Aelteres Lyssin ist für Kaninchen bald avirulent, für Meerschweinchen kann es aber nachgewiesenermaßen noch länger virulent bleiben. In der Tabelle II sind die diesbezüglichen Prüfungs- ergebnisse von 5 verschiedenen Lyssinen zusammengefaßt.

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Tabelle II. Versuche 1 Versuche Lvesin an Kaninchen an Meerschweinchen y Dauer der |Inkubations-| Dauer der |Inkubations-

2200.00 | Virulenz | zeit Virulenz zeit Nr. 179 180 61 Tage | 5—8 Tage 234/237 1 | 5—6 ,, 83 Tage | 5 Tage » 48 63 4-6 103 ,, Di. à 49 81 ,? 6-9 104 ”„ 5 t. 29 118 i 71 29 | 4—5 39 | 71 5 »? » 118 + Kreide | 71 ,, | 5-7 |

Anfänglich haben wir in den Immunisierungsversuchen die Imp- fungen intraabdominal ausgeführt, da nach den Literaturangaben zu er- warten ist, daß auf diese Weise eine Erkrankung an Impftollwut ver- mieden werden kann. Wir haben diese Beobachtung jedoch nicht be- stätigen können und sind daher in den späteren Versuchen zu der praktischeren subkutanen Impfung übergegangen.

Die Prüfung auf den durch die Impfung erreichten Immunisierungs- effekt erfolgte in allen Versuchen durch intramuskuläre Infektion mit Straßenvirus, das frisch aus eingesandtem Untersuchungsmaterial ge- wonnen wurde. Die Infektion wurde sowohl bei den geimpften Hunden wie bei den ungeimpften Kontrollhunden durch Injektion von 0,5 g Straßenvirus in die Rückenmuskulatur beiderseits der Wirbelsäule vor- genommen.

l. Immunisierungsversuche mit frischem Virus fixe.

In den Versuchen 1—10 wurde das Virus fixe bei 53 Versuchs- hunden, frisch in Kochsalzlösung suspendiert, intraabdominal bzw. sub- kutan injiziert. Die Impfung erfolgte einmal, nur im Versuche 6 zwei- mal in einem Zwischenraum von 14 Tagen. In den Versuchen 1—4 betrug die Menge des eingespritzten Virus fixe 2—3 g bei intra- abdominaler Injektion. Von den so behandelten 18 Hunden verendeten 4 Hunde,. und zwar 1 Hund, der 2 g Virus fixe BII erhalten hatte (Versuch 4), 9 Tage nach der Einspritzung, wobei sich Impftollwut nicht mit Sicherheit ausschließen ließ. Die übrigen 3 Hunde verendeten interkurrent an anderen Krankheiten. Nach 4 Wochen wurden von den geimpften Hunden 11 Hunde zusammen mit 13 Kontrollhunden infiziert. Von den geimpften Hunden erkrankten darauf 3 Hunde, von den Kontrollhunden 12 Hunde an Tollwut. Bei den 3 an Tollwut er krankten geimpften Hunden handelte es sich um solche, die mit Virus fixe BI, das in Kaninchenversuchen eine abgeschwächte Virulenz ge- zeigt hatte, immunisiert waren.

Als im Versuch 5 nach der Impfung von 6 Hunden mit 2—3 g Virus fixe Br, das in den Kaninchenversuchen mit 4—6tägiger In- kubationszeit eine hohe Virulenz bewies, bei 3 Hunden Impftollwut auftrat, von denen 2 Hunde 3 g und ein Hund 2 g erhalten hatte, wurde in den Versuchen 6—10 bei 29 Hunden die injizierte Virus- menge auf 1—1,5 g herabgesetzt. Im Versuch 6 erhielten 5 Hunde diese Menge in Abstand von 14 Tagen zweimal intraabdominal ein- gespritzt. Bei allen 29 Hunden ereignete sich nun kein Fall von Impftollwut. Ein Hund von den 35 mit Virus fixe Br geimpften Hunden verendete interkurrent an Staupe. Von den 31 Zeimpften

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Hunden der Versuche 5—10 wurden 24 Hunde zusammen mit 16 Kontrollhunden und 7 Kontrollkaninchen infiziert. Es verendete darauf von den geimpften Hunden 20 Tage nach der Infektion ein Hund (Versuch 7), ohne Lähmungen oder nervöse Erscheinungen gezeigt zu haben. Das Vorhandensein von Blutungen im Magen und Mastdarm sowie die 20tägige Inkubation läßt das Vorliegen von Tollwut möglich erscheinen. Von den 16 Kontrollhunden und 7 Kontrollkaninchen er- krankten 10 Hunde und alle 7 Kaninchen. Der Ausfall von nicht er- krankten Kontrollhunden ergibt sich aus den Versuchen 8—10. Im Versuch 8 erkrankten von 4 Kontrollhunden 3, in Versuch 9 von 4 Kontrollhunden einer und im Versuch 10 von 2 Kontrollhunden kein Hund. Der Versuch 10 ist somit für den Immunisierungseffekt erfolglos verlaufen. In den Versuchen 6—8 ist aber bei 17 geimpften Hunden durch die Infektion ein sicherer Impferfolg durch einmalige Impfung mit 1—1,5 g frischem Virus fixe mit einer fraglichen Ausnahme (Ver- such 7) nachgewiesen.

II. Immunisierungsversuche mit Lyssin.

In den Versuchen 11—13 wurde „Lyssin‘ verschiedenen Alters als Impfstoff verwandt und intraabdominal bzw. subkutan eingespritzt. In Versuch 11 betrug die intraabdominal applizierte Impfdosis bei 10 Hunden 1—1,5 g (berechnet auf frisches Virus fixe). Es erkrankte darauf ein Hund, der die größte Dosis von 1,5 g Virus erhalten hatte, an Impftollwut. Die übrigen 9 Hunde wurden 4 Wochen nach der Impfung mit 2 Kontrollhunden und 2 Kontrollkaninchen infiziert. Von den 9 geimpften Hunden erkrankten 2 Hunde an Tollwut, von den Kontrolltieren alle Hunde sowie Kaninchen. Im Versuch 12 wurde die Impfdosis berechnet nach dem Körpergewicht der Hunde, und zwar kam auf 1 kg Körpergewicht 0,1 g frisches Virus. Von den 10 derart behandelten Hunden erkrankte der schwerste Hund, der die größte Dosis 2,5 g Virus erhalten hatte, an Impftollwut. Die übrigen wurden zusammen mit 3 Kontrollhunden und 3 Kontrollkaninchen infiziert. Die geimpften Hunde erkrankten darauf nicht; von den Kontrolltieren erkrankten 2 Hunde und 2 Kaninchen an Wut. Im Ver- such 13 wurden abermals 10 Hunde geimpft. Die Impfdosis wurde auf 0,5—1,0 g Virus (berechnet auf frisches Virus fixe) herabgesetzt. Impftollwut wurde nicht beobachtet. Ein Hund verendete 4 Tage nach der Impfung interkurrent, ohne nachweisbare Ursache. 9 Hunde wurden mit 3 Kontrollhunden und 2 Kontrollkaninchen infiziert. Die geimpften Hunde erkrankten nicht, die Kontrolltiere dagegen restlos an Wut.

Es ergibt sich also aus den mit „Lyssin‘ angestellten Versuchen, daß von 30 Hunden, die einmalig mit 0,5—2,5 g Virus (berechnet auf frisches Virus) geimpft wurden, bei 2 Hunden Impftollwut auftrat. Diese beiden Hunde hatten die größte Virusdosis von 2,5 bzw. 1,5 g Virus erhalten. Von 27 mit „‚Lyssin‘‘ geimpften Hunden zeigten sich 25 immun; 2 Hunde erkrankten trotz der Impfung an der Infektion.

Weitere Immunisierungsversuche mit Lyssin unter Zusatz von Kreide sind in den Versuchen 17 und 18 angestellt. Es wurden je 10 Hunde mit 10 Tage altem Lyssin + Kreide subkutan geimpft. Im Versuch 17 entsprach die injizierte Dosis 0,5 g frischem Virus fixe, im Versuch 18 1 g frischem Virus fixe. Fälle von Impftollwut traten nicht auf. 2 Hunde verendeten interkurrent. Im Versuch 17 wurden

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9 geimpfte Hunde mit 4 Kontrollhunden und 2 Kontrollkaninchen infiziert. Die geimpften Hunde erkrankten nicht, dagegen 3 Kontroll- hunde und 2 Kontrollkaninchen. Der Versuch 18 ist noch nicht ab- geschlossen.

HI. Immunisierungsversuche nach der japanischen Methode.

In den Versuchen 14—16 wurden 30 Hunde nach der von Umeno und Doi inaugurierten japanischen Methode immunisiert. Hierbei wird den Hunden das in Glyzerin-Karbol-Kochsalzlösung suspendierte Virus fixe, welches bei Zimmertemperatur 14 Tage bzw. bei Eisschrank- temperatur 4 Wochen lang aufbewahrt wird, einmal in einer Menge von 5 ccm (entspricht etwa 1 g virus fixe) subkutan injiziert. Durch diese Behandlung des Virus fixe war ein Virulenzverlust für Kaninchen innerhalb der angegebenen Zeit in unseren Versuchen mit Virus fixe Br nicht nachzuweisen.

Von den 30 Hunden verendete 1 Hund am 11. Tage nach der Impfung an Tollwut. 2 Hunde starben interkurrent an anderen Krank- heiten (Staupe, Bißverletzungen). Die restlichen 27 Hunde wurden mit 9 Kontrollhunden und 6 Kontrollkaninchen infiziert. Die geimpften Hunde erkrankten nicht. Leider verliefen die Kontrollversuche nicht glatt, so daß das Ergebnis über den Erfolg des Impfschutzes nicht ın allen Versuchen einwandfrei ist. Von den 3 infizierten Kontrollhunden des Versuches 14 erkrankte nur 1 Hund an Wut, während beide Kon- trollkaninchen an Wut verendeten. Im Versuch 15 erkrankte keiner von den beiden Kontrollhunden und nur eins der beiden infizierten Kontrollkaninchen. Bei einer abermaligen Infektion der 9 geimpften Hunde des Versuches 15 zusammen mit den beiden alten Kontrollhunden und 4 neuen Kontrollhunden sowie 2 neuen Kontrollkaninchen (in der Tabelle I die in Klammern angeführten Zahlen) 10 Wochen nach der ersten Infektion unter Verwendung eines frischen Straßenvirus erkrankten 3 neue Kontrollhunde und die beiden neuen Kontroll- kaninchen. Im Versuch 16 erkrankten von den 4 Kontrollhunden und 2 Kontrollkaninchen 3 Hunde und 2 Kaninchen.

Zusammenfassung.

Die angestellten, allerdings noch nicht abgeschlossenen Versuche haben zu folgenden Ergebnissen geführt:

1) Es gelingt, durch einmalige subkutane oder intraabdominale Impfung mit vollvirulentem Virus fixe Hunde präinfektionell gegen Toll- wut zu immunisieren.

2) Die subkutane Impfung ist der intraabdominalen vorzuziehen.

3) Die Impfdosis darf zur Vermeidung von Impftollwut 1 g voll- virulentes Virus fixe von der Art des von uns verwendeten Virus fixe Br. nicht überschreiten.

4) Die verschiedenartige Virulenz von Virus fixe und Straßenvirus wechselnder Herkunft ist sehr beachtlich. |

5) Schnell getrocknetes und zu Pulver verriebenes Virus fixe Lys- sin bewahrt seine Virulenz mindestens 60 Tage und eignet sich ın

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dieser Zeit gut als Impfstoff wegen seiner einfachen Aufbewahrung und bequemen Versandmöglichkeit. Für die Schutzimpfungen wären etwa 0,5—0,75 g Lyssin einmal subkutan zu applizieren.

6) Weitere Impfversuche an zahlreichen Hunden unter Verwendung einer Höchstdosis bis 1 g vollvirulentem Virus fixe sind erforderlich zwecks Klärung der praktischen Durchführung der Impfung, ins- besondere auch der Frage der individuellen Disposition bzw. Resistenz der Hunde gegenüber der Lyssainfektion.

Aussprache.

R. Kraus (Wien): Die Bemühungen, die seit Jahren gemacht werden, um eine aktive Immunisierung der Hunde zu erreichen, scheinen durch die Versuche von Umeno u. Doi eine reelle Grundlage zu gewinnen. Die Versuche japanischer Autoren und auch die von Eichhorn in Nordamerika sprechen in diesem Sinne. Es ist daher nur zu begrüßen, wenn auch bei uns diese Versuche nachgeprüft werden, und ich habe bereits vor einem Jahr den Vorschlag gemacht, fakultative Impfungen in Wien durchzuführen (Seuchenbekämpfung 1925). In Nordamerika (Kalifornien) ist heute diese Schutzimpfung obligatorisch geworden. Es fragt sich, wenn eine solche Maßregel vorgeschlagen wird, 1)ob die Impfung unschädlich ıst und 2) ob sie wirksam ist und wie lange die Dauer der Schutzimpfung anhält. Nachdem die Vakzine mit Phenol ab- getötet ist (Fermi), sind Folgezustände, wie z. B. Impfwut, nicht zu erwarten und die

xperimente verschiedener Autoren sprechen dafür. Die insbesondere praktisch durch- en Schutzimpfungen in Japan und Nordamerika weisen daraufhin, daß die mpfung Hunde praktisch schützt. In einem Briefe vom 10. September teilt mir Eichhorn mit, daß er keinen authentischen Fall kennt, in dem ein geimpfter Hund Wut bekommen habe, trotzdem ca. 80000 Hunde mit seinem Impfstoff geimpft wurden. In Nordamerika sind nach der Schätzung von Eichhorn in den letzten 2 Jahren ca. !/, Million Hunde geimpft worden, da in einzelnen Gemeinden Impf- zwang besteht. Ueber die Dauer dieses Impfschutzes sind bis heute keine Daten vor- handen, was natürlich im Interesse der Propagation wichtig wäre. Auch wird es not- wendig sein, der Frage näher zu treten, ob geimpfte Hunde, die von wütenden Hunden ebissen werden und nicht erkranken, zu Virusträgern werden können, und infektiösen Speichel haben können, wie Szymanowski und Sienczewski meinen.

Jedenfalls sind die bisher vorliegenden Mitteilungen sowie auch die heutigen von Mießner danach angetan, diese praktisch leicht durchführbare Schutzimpfung auch in unseren Ländern zu erproben. Daß die sanitäre Prophylaxe allein bei uns die Wut nicht zum Stillstand bringt, dafür spricht die Zunahme der Wut in den letzten Jahren. Aber noch aus einem anderen Grunde halte ich die Prophylaxe mittels der Schutzimpfung der Hunde für wertvoll. Gelänge es auf diese Weise, die In- fektionsquelle zu beseitigen, dann würde auch die Frequenz der Gebissenen abnehmen und die Zahl der Schutzimpfungen der Menschen sich stark reduzieren. Mit Rücksicht auf die in den letzten Jahren in Wien, Berlin, Breslau gehäuften postvakzinalen Lähmungen, deren Ursache auch heute noch nicht feststeht, halte ich die Schutz- impfurg nicht für gleichgültig und man müßte deswegen die Indikation zur Impfung heute ganz prüzise fassen.

Nebenbei will ich bemerken, daß die postvakzin. Schädigungen und viele andere Fragen der Lyssa mich veranlaßt haben, eine Konferenz dem Hyg. Komitee des Völkerbundes vorzuschlagen (Wien. klin. Wochenschr. 1924). Auch würde ich für für unsere nächste Tagung ein Referat über Lyssa für sehr erwünscht halten.

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Neufeld (Berlin): Im Institut Robert Koch ist die Frage der Schutzimpfuug von Hunden gegen Lyssa dauernd verfolgt worden, wir stehen aber durchaus auf dem Standpunkt, dad es a kein Verfahren gibt, das für die praktische Anwendung überhaupt in Betracht kommt. Auch die soeben mitgeteilten Versuche scheinen mir m. kaum über das hinausgekommen zu sein, was schon Marx und Pokschischewsky festgestelt haben.

Die von Herrn Kraus angeschnittene wichtige Frage der Lähmungeu bei Lyssa-Schutzgeimpften, können wir heute wohl nicht erschöpfend behandeln, es sei aber auf die beiden Arbeiten von van den Hoven van Genderen und vou Böcker hingewiesen, die in nächster Zeit in der Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskh. erscheinen, und die diese Frage auf Grund eines großen Materials aus den Institute: in Weltevreden und in Berlin behandeln.

Schnürer (Wien) erblickt das von Neufeld vermißte „Neue“ in der Wut- schutzimpfung darin, daß es möglich ist, Hunde mit einer Injektion von Karbal- virus zu immunisieren. Wie jedoch vor kurzem Schoening im Bureau of animal industry in Washington bei Versuchen an 83 Hunden nachgewiesen hat, genüg! diese Immunität nur für Infektionen mit einem mittelgradigen oder schwache Straßenvirus. Da wir aber über die Häufigkeit des Vorkommens der verschiedene! Grade der Virulenz des Straßenvirus keinerlei begründete Vorstellungen haben, auch keine Ansteckungsart bekannt ist, die der natürlichen in jeder Beziehung gleicht und dabei sicher wirkt, dürften Laboratoriumsexperimente die Frage der prophylaktischeu Wutimpfung beim Hunde kaum zu lösen imstande sein. Sie kann nur, wie die bereits in Japan, Amerika, Italien schon geübt wird in Bozen ist jüngst di Wutimpfung bei Hunden obligatorisch vorgeschrieben worden durch den Versurh in der Praxis gelöst werden. Hierbei ist aber außer auf die Wirksamkeit des avirulenten Impfstoffes vor allem darauf zu achten, daß die Immunität durch eine möglichst que Menge Marks erreicht wird, da größere Mengen (2 g und darüber) für jeden Hund der Beschaffung einer genügenden Menge Impfstoff vom Kaninchen unüberwindbare Schwierigkeiten bereiten würde.

Huntemüller (Gießen).

Reichenbach (Göttingen) macht darauf aufmerksam, daß die Bestimmunge über die Lluudesperre, besonders auf dem Lande, vielfach sehr lax gehandhabt wertet.

Uhlenhuth (Freiburg i. B.) schließt sich den Ausführungen von Herrn Reichenbach bez. der Wichtigkeit der veterinärpolizeilichen Maßnahmen an, di: sich bisher gut bewährt haben. Im übrigen ist es wohl, sicher, daß der Impfstuft. der völlig abgetötet ist, nicht immunisiert; das wissen wir von allen anderen in ditæ Gruppe gehörigen filtrierbaren Vira (Pocken, Schweinepest, Maul- und Klauenseuche'. Lebendes Virus, wenn es auch abgeschwächt ist, kann immer eine Infektion hervor- rufen; das muß aber bei der Tollwutimpfung der Hunde unbedingt vermieden werden, wegen der großen Gefahren, die von solchen Tieren ausgehen können. Dr Versuche von Mießner und der Japaner sprechen ja sehr deutlich für die Ge- fährlichkeit der bisher angewandten Methoden.

Weleminsky (Prag) schließt sich der Anschauung Schnürers au. daj das Material an Kanincheuhirnen kaum genügen würde, um so mehr, als auch Iu- munisierung von Katzen in Betracht käme, welche in der letzten Zeit z. B. in der Czechoslovakei nicht selten die Wut zu übertragen scheinen.

Wedemann (Berlin): Die in der Veterinärabteilung des Reichsgesundheitsimte von Il. Giese nach dem japanischen Verfahren angestellten Immunisierungsversuche gegen Tollwut der Hunde haben bisher Ergebnisse gezeitigt, die nicht für eine all- gemeine Anwendung sprechen. Die Versuche sind noch im Gang. Sie werden aus- tührlich in den Arbeiten aus dem Gesundheitsamt veröffentlicht werden.

Kraus (Wien).

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Zwick (Gießen): Abgesehen davon, daß ein Immunisierungsverfahren, das allen Ansprüchen zur praktischen Durchführung der Tollwutimpfung genügt, noch keines- wegs zur Verfügung steht, auch abgesehen davon, daß die Ausführung der Impfungen in der Praxis großen Schwierigkeiten Hd te würde, die ich im einzelnen nicht dar- legen will, würden Impfungen gegen die Tollwut die große Gefahr in sich schließen, daß unter ihrem Einfluß die Durchführung der veterinärpolizeilichen Maßnahmen wesentlich beeinträchtigt würde. Diese können aber unter keinen Umständen entbehrt werden oder auch nur eine Einschränkung erfahren, da sonst die Seuche und zwar trotz Impfungen sicher um sich greifen würde.

Mießner (Schlußwort): Ich habe lediglich meine Experimente erwähnt und gewarnt, sie vorläufig schon in die Praxis zu übertragen. Deswegen erübrigt sich auch die Diskussion über die veterinärpolizeilichen Maßnahmen, deren Güte und Wichtigkeit ich uneingeschränkt anerkenne, sowie auch deren rücksichtloseste Hand- habung. Herrn Neufeld gegenüber möchte ich betonen, daß ich auch eine Impf- methode für unbrauchbar halte, bei der von 30 Impflingen einer an Tollwut eingeht. Wenn bei meinen Impfversuchen mit Lyssin auch einige Tiere eingegangen sind, so ziehe ich daraus natürlich dieselben Schlüsse, möchte aber bemerken, daß diese Todes- fülle bei großen Dosen sich ereignet haben und die Möglichkeit besteht, bei kleineren Dosen bessere Resultate zu erzielen, wie diesbezügliche Versuche, wenn auch in noch nicht genügender Anzahl, zeigen. Avirulentes Virus immunisiert nicht, der Zusatz von lproz. Karbolsäure nach Fermi tötet das Virus nicht ab. Ich habe Herrn Schnürer gegenüber zu bemerken, daß ich nicht Impfversuche an der Grenze emp- fohlen habe, sondern, falls die Tollwutschutzimpfung bei Hunden überhaupt einmal raktische Anwendung finden sollte, sie in erster Linie in gefährdeten Grenzbezirken in Frage kommt, um zu verhüten, daß die dortigen Hunde durch kranke überlaufende Aunde infiziert werden und die Tollwut verbreiten.

2. Hans Schmidt (Marburg/Lahn):

Die Schutzimpfung gegen Diphtherie mit einem neuen Impf- stoff T.A.F.

E. v. Behring war der erste, der ein zur aktiven Immunisierung gegen Diphtherie brauchbares Präparat in seinem T.A. VI und T.A. VII hergestellt hatte. Dieses Präparat war ein unterneutrales Toxin- Antitoxingemisch mit einem geringen Giftüberschuß. Die Impfung hatte zweimal und intrakutan zu geschehen. Aus diesen Präparat machte Bieber ein überneutrales T.A. I und T.A. II, das zweimal subkutan eingespritzt wird. Letzthin ist aus den Höchster Farbwerken ein meines Wissens neutrales T.A. Präparat erschienen, das in gleicher Weise, wie das von Bieber gehandhabt wird.

Mit allen diesen Präparaten gelingt die aktive Immunisierung gegen Di. In Deutschland zieht man die neutralen und überneutralen Gemische vor, im Ausland wird noch meistens ein unterneutrales Ge- misch, und zwar subkutan, verwandt. Was die Möglichkeit von Schädi- gungen anbetrifft, von denen in letzter Zeit mehrfach die Rede war, so will ich darauf hier nicht eingehen, sondern nur sagen, daß sie ver- meidbar sind und mit den gut abgelagerten und ausgereiften Behring- schen T.A.-Präparaten auch niemals beobachtet wurden.

Das Wesentlichste bei allen zur Immunisierung dienenden T.A.- Präparaten ist, daß die Bindung mit der Zeit eine stabile geworden ist. Neuerdings wurde von den Sächs. Serumwerken die Kutanimpfung mit lebenden Di-Bazillen vorgeschlagen, die aber bis jetzt keine größere Aufnahme erfahren hat. Schließlich ist noch die Schutzimpfung mit

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sogenanntem Anatoxin zu erwähnen. So bezeichnet man nach Ramon ein Toxin, das durch Formolbehandlung nach Löwenstein entgiftet worden ist. Mit solchem Di-Anatoxin lassen sich Tiere und Menschen aktiv immunisieren.

Trotzdem alle diese Präparate bei der Schutzimpfung ihren Zw: : erreichen, haften ihnen besonders zwei Nachteile an, und zwar gere. solche, welche in der Praxis der Schutzimpfung bei Kindern eine gre:. Rolle spielen. Zunächst die Schmerzhaftigkeit bei der Einspritzung, und die mehr oder weniger starke lokale Reaktion; ferner die Notwendigkeit, mindestens zweimal einspritzen zu müssen, um die gewünschte Höhe der Immunität zu erreichen.

Mein Bestreben galt der Vermeidung dieser beiden Nachteile und damit der Möglichkeit, die prophylaktische Schutzimpfung leichter durch- zuführen. Diesem Ziele glaube ich durch Schutzimpfung mit den Flocken, die unter geeigneten Versuchsbedingungen und passenden Mischungs- verhältnissen von Toxin und Antitoxin im Reagenzglas auftreten, näher gekommen zu sein.

Versetzt man gleiche Toxinmenge mit verschiedenen Antitoxin- mengen, dann treten in einer Reihe solcher Mischungen Flockungen auf, und zwar zuerst in demjenigen Röhrchen, in dem die Toxin-Antitoxin- mischung der völligen Neutralisierung entspricht. Nach Ramon kann man bekanntlich diesen Flockungsvorgang zur Titration von Toxin und Antitoxin benutzen. Die entstehenden Flocken, die praktisch fast alles Toxin mit Antitoxin in fester Form gebunden enthalten, lassen sich durch die Zentrifuge von dem bei optimalen Verhältnissen völlig neutralen Milicu trennen und durch Waschen mit NaCl-Lösung, in ‘ler sie un- löslich sind, von den Begleitstoffen des Serums und der Bouillon reinigen. Die Flocken werden dann in einer O,5proz. phenolhaltigen NaCl-Lösung suspendiert. Es gelingt so, das gesamte Gift aus mehreren Litern hochwertigen Di-Bouillongiftes mit Antitoxin gebunden in Form einer relativ geringen Menge von Flocken zu erhalten (Demonstration).

Auf das Wesen des Flockungsvorganges, der von großem theoreti- schen Interesse ist, im einzelnen einzugehen, verbietet mir die Zeit. Ich möchte diesbezüglich auf meine in Gemeinschaft mit Dr. Scholz im Archiv für Hygiene erscheinenden Arbeiten verweisen. Ich will hier nur erwähnen, daß die Flocken sowohl bei Säure- wie bei Alkalizusatz in Lösung gehen und beim Neutralisieren wieder entstehen, sich in dieser Hinsicht also ähnlich verhalten wie z. B. Kasein im isoelektri- schen Punkt. In neutraler NaCI-Lôsung, der 0,5 Proz. Phenol zu- gesetzt ist, sind die Flocken dauernd haltbar. Eine Abspaltung von Gift konnten wir bisher selbst bei absichtlich ungünstiger Aufbewahrung nicht feststellen.

Es gelingt nun, durch subkutane Injektion dieser Flocken bei Tieren und Menschen eine relativ hohe antitoxische Immunität zu erzeugen

Zunächst ist es erstaunlich, eine wie große Menge Gift man in dieser gebundenen Form einverleiben kann. So haben wir einem Kanin- chen 3600 G.E. mit wenigen Kubikzentimetern Flockensuspension auf cinmal subkutan gegeben. Dies ist das 3600fache der ein Meerschwein- chen indirekt tötenden Giftmenge. Das Kaninchen bekam eine gering- fügige lokale Schwellung, die nach 10 Tagen nicht mehr bemerkbar war, und hatte nach 3 Monaten über 2 A.E./ccm Wenn man die Schwierigkeiten der aktiven Di-Immunisierung der so giftempfind!i :hen Kaninchen berücksichtigt, ist die erzielte Immunität eine ungewöhnlich

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hohe. Eine Immunität von mindestens 1/, A.E./ccm zu erzielen, gelingt bei Kaninchen regelmäßig. |

Nachdem wir auch an größeren Tieren, Pferden und Hammeln, die Flockenimmunisierung erprobt hatten, ließen wir das Präparat durch Prof. Schreiber in Magdeburg am Menschen versuchen. Für Men- schen sind wir in der Dosierung heruntergegangen und möchten als höchstzulässige Dosis 13 G.E. in Form der Flocken ansehen, oder 16 L+-Dosen, da die Toxizität des Giftes nicht für die Immunisierung maßgebend ist.

Wir hatten nämlich bei einigen Tieren die Beobachtung gemacht, daß bei sehr großen, einmal gegebenen Dosen die Tiere dann krank werden, wenn sie mit der Immunisierung nicht gleichen Schritt mit der Aufspaltung der T.A.-Bindung halten. Es kommt in solchen Fällen zu einer Summationswirkung der an und für sich unterschwelligen, aus der T.A.-Bindung freiwerdenden Giftmengen.

Die Versuche von Prof. Schreiber werden demnächst von Dr. Eberhard veröffentlicht werden. Sie sind noch nicht abgeschlossen, aber soweit sich bis jetzt schließen läßt, wirkt das T.A.F. besser als das zum Vergleich herangezogene T.A. I und T.A. II. Subkutane Ein- spritzungen von einer Flockensuspensionsmenge, entsprechend 2,5 und 4 G.E., erzeugen in der Regel überhaupt keine, manchmal kaum nennens- werte lokale Reaktionen und sind nicht schmerzhafter (wegen des Fehlens der Reizstoffe der Bouillon) als eine Einspritzung einer physiol. NaCl- Lösung. Bei dreimaliger Injektion kleinerer Mengen, entsprechend 1,3, 2.5, 4 G.E., wurden nach 4—6 Monaten zum Teil ungewöhnlich hohe Titerwerte beobachtet, z. B. 4 und 8 A.E./ccm. Wurde nur einmal in- jiziert unter entsprechender Steigerung der Dosis bis etwa 9,5 G.E., so traten lokale Reaktionen in Erscheinung. Wir sind bemüht, auch diese auszuschalten, so daB das Ziel einer einmaligen Einspritzung bei mög- lichst geringer lokaler Reaktion erreicht wird.

Aussprache.

R. Kraus (Wien): Zunächst möchte ich, da von der Anatoxin- und Floku- lationsarbeiten Ramons die Rede ist, eine historische Bemerkung machen. Ramon ist im Unrecht, wenn er die durch Formol gewonnene Giftmodifikation des Diphtherie- toxins als etwas ganz Neues beschreibt und die Arbeiten von Löwenstein und auch die von Glenny nicht erwähnt. E. Löwenstein hat als erster Tetanus- toxoide mit Formol und höheren Temperatur beschrieben und Glenny hat später auch Diphtheriegiftmodifikationen mitgeteilt. Die Bezeichnung Anatoxin (Ramon) sollte aus der Literatur verschwinden, nachdem Ehrlich dieser Giftmodifikation den Namen Toxoid gegeben hat.

Weiter möchte ich dagegen Stelllung nehmen, daß Ramon die Präzipitation von Diphtheriegiftlösungen als eine neue Entdeckung hinstellt, die er als Flokulation benennt. Dieses Phänomen ist die von mir zuerst beschriebene Präzipitation in Filtraten von Bakterienkulturlösungen. Ich möchte erwähnen, daß ich die Präzipi- tation in Giftlösungen gesucht habe (s. Wiener klin. Wochenschr. 1597). Vor Ra- morn hat der früh verstorbene Forscher Georgi, Mitarbeiter von Sachs, in Diphtheriegiftlösungen (mit Cholesterinzusatz) Präzipitation mit antit. Serum be- schrieben Ramons Verdienst ist, gezeigt zu haben, daß in den Giftlösungen bei optimalem Zusatz antitoxischer Sera Präzipitation auftritt und daß man dieses Phänomen, wie bereits Calmette für Schlangenserum, auch zur Wertbestimmung der Sera benutzen kann. .

Betreffs des Vorschlages Schmidt, gefällte Toxin-Antitoxingemische (Flocken) zur Immunisierung zu benutzen an Stelle der Lösungen, möchte ich folgendes be- merken:

Erste Abt. Orig. Bd. 97. Beiheft. 5

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In unserer letzten Arbeit (Baecher, Kraus, Löwenstein, Zeitschr. f. Immunitätsf. Bd. 42. 1925) haben wir die Meinung ausgesprochen, daß die aktive Immunisierung mittels A.T. nach Behring heute noch nicht geeignet ist, als ein Prophvlaktikum in großem Maßstab angewendet zu werden. Hauptsächlich sind e die üblen Zufälle, die man mit solchen BER erlebt hat, die uns zu dieser Stel- lungnahme veranlassen. Außerdem hat Morgenroth Dissoziationen dieser Di- phtherietoxin-Antitoxingeinische beschrieben, die dafür sprechen, daß die verscnieden- sten Faktoren dieselben zur Folge haben können. Behring selbst zeigt ın seiner grundlegenden Arbeit, daß vielfach überneutralisierte Gemische, die für Meerschwein- chen ungiftig sind, bei Affen Giftigkeit aufweisen. Dazu kommt noch, daß a prior auch eine Dissoziation im Organismus angenommen werden müsse, da ja sonst eine aktive Immunisierung gar nicht denkbar ist. Das eine Mal könute diese Gittab- spaltung langsam vor sich geheu, ein andermal vielleicht die gesamte Toxinmenge auf einmal dissoziiert werden. Jedenfalis sind wir heute noch nicht so weit, um alle Möglichkeiten der Dissoziierbarkeit zu übersehen, und aus diesen Gründen halte ich diese Immunisierung auch in der Form, wie sie heute Schmidt vorschlägt, praktisch für unannehmbar. Dagegen glaube ich und wie in unseren Arbeiten auch gezeigt wird, dürfte der Weg, der aktiven Immunisierung mittels Toxoiden gangbar sein. Auch mit den Toxoiden kann man bei Meerschweinchen und bei Menschen Antitoxive erzeugen; die Meerschweinchen sind gegen mehrfach tödliche Dosen geschützt uud beim Menschen verschwindet die positive Schickreaktion. Die Immunität tritt lang- sam ein sowie auch bei A.T.; über deren Dauer wissen wir heute noch wenig. En Nachteil ist die lokale Schmerzhaftigkeit, die, wie wir in einer im Druck befindlichen Arbeit (Zeitschr. f. Immunitätsf.) zeigen, weder durch Fällung noch durch Neu- tralisation mit Antitoxin beim Meerschweinchen sich unterdrücken läßt. Nach Ver- suchen an Menschen dürften verdünnte Lösungen in kleinen Mengen eher vertragen werden. Nach alledem glaube ich also, daß man durch die Anwendung der Toxoide dem Postulat Behrings am nächsten kommen dürfte.

Dold (Marburg-Lahn): Die gelegentlich beobachteten Schädigungen bei tki T.A.-Impfung, über die Herr Kraus soeben berichtet hat, sind darauf zurückzu- führen, daß bei der Herstellung von T.A-Gemischen frische, noch nicht genügend gelagerte Toxin- und Antitoxinlösungen benützt wurden. Derartige Gemische ver- ändern sich zunächst noch in den ersten Monaten nach ihrer Herstellung; sie werden giftiger. Das war v. Behring wohlbekannt. Er verwendete deshalb zur Her- stelllung seines T.A.-Präparates alte abgelagerte Toxine und Antitoxine. Die ori- en Behringschen T.A.-Präparate sind stabil. Trotz zahlreicher

pfungen sind mit den Behringschen Präparaten nie Schädigungen vorge- kommen. Auch bei dem neuen Präparat T.A.F. halte ich bei vorschriftsinäßiger An- wendung Schädigungen für ausgeschlossen. Das neue Präparat T.A.F. hat du für die Praxis der Impfung außerordentlich bedeutsamen Vorzug. dafs es fast reaktionslos vertragen wird, während die Formol-Toxoii (Anatoxine) recht schmerzhafte Reaktionen machen.

Die Flockenbildung als Ausdruck der Reaktion zwischen Toxin und Antitoxin ist nicht aut das Diphtheriegift beschränkt. Sie wurde zuerst beim Schlangengift von Calmette und später von Ramon!) außer beim Diphtheriegift auch ben Rizin festgestellt, und läßt sich auch für das Tetanusgift nachweisen, worüber Scholz aus unserem Institut bereits berichtet hat. Wir haben sie neuerdings auch beim Dysenterietoxin beobachtet. Für die Scharlach-Toxin-Antitoxin- Reaktion ist von Dyer eine Flockeubildung beschrieben worden, die wir bestätigeu können. Für jede Giftart missen die richtigen quantitativen Bedingungen zwischen Toxin und Antitoxin herausgefunden werden. Es handelt sich also um eine allgemeine Erscheinung, und man kann den alllgemeinen Satz aussprechen: Antitoxine sind auch Präzipitine, wie ja auch umgekehrt die Präzipitine dem Zwecke die:ien. artfremde, also giftige Stoffe aus dem gelährlichen Lösungszustand in die weniger ge- gefährliche u Form überzuführen.

Die Flockenmasse, die Sie als Reaktionsprodukt von Diphtherietoxin und Ani- toxin vor sich haben, bildet ein günstiges Ausgangsmaterial zur Bearbeitung der Frage nach der chemischen Natur von Di-Toxin und Antitoxin. Was das letztem anlangt, so hat 1922 Salkowski mitgeteilt, daß es ihm lungen sei. völle eiweißfreie Di-Antitoxinlösungen herzustellen. S. bewirkt Eh Kochsalzsättizung unter Zusatz von Trichloressigsäure eine Ausfällung der Serum-Eiweißkörper, wäscht

1) Georgi machte mit einem gewissen Erfolg die Reaktion Toxin—Antitoxtu durch Zusatz von chol. Rinderherzextrakt an der Ausflockung des letzteren sichtbar.

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den Niederschlag mit gesättigter Kochsalzlösung, preßt ihn mit Filterpapier aus und zerreibt ihn dann mit Wasser. Nach 1/sstündigem Stehen wird die Aufschwemmung filtriert. Das Filtrat soll eiweißfrei sein und 20 00 des Ausgangs-Antitoxins ent- halten. Wenn die Angaben von S. stimmten, würde es sich um eine Entdeckung von weittragender Bedeutung handeln. Ich habe zusammen mit Freudenberg das Verfahren von S. pe Die nach Salkowski hergestellten Lösungen re-

ieren stark sauer. Nun wissen wir aus den Untersuchungen von v. Grüer, Mo ou ite und Schick, daß stärkere Wasserstoffionen-Konzentrationen toxin- zerstörend wirken. Auch wir erhielten bei einem Säuregrad von pH 5,0 und !/,,° molarer Salzkonzentration bei Laktat und Azetat als Puffer in 1 Stunde bei 37 totale Toxinzerstörung. Die Grenze ist recht scharf. Bei pH 5,3 erfolgt nur noch teilweise Toxinzerstörung. Der Angabe von Salkoweki. daß es ihm ge- lungen sei, eiweiß freie Antitoxinlösungen herzustellen, muß also widersprochen werden.

Eine Analyse, die Kutscher und Flößner mit früher von uns darge- stellten Di-Toxin-Antitoxin-Fiocken ausgeführt haben, ergab Eiweiß, Lipoide und Ammonium-Magnesium-Phosphat. Die Beimengung der Tripelphos- phate erklärt sich wohl so, daß das unter dem Einfluß der Di-Bazillen in Di-Kulturen entstehende Ammoniak nachher bei neutraler Reaktion mit den Salzen des Serums in Verbindung tritt. Wir werden mit neuem Flockenmaterial, das ein noch reineres Produkt darstellt, die Frage der chemischen Natur des Diphtherietoxins und Anti- toxins weiter bearbeiten.

Weleminsky (Prag) kennt zufällig die Geschichte der amerikanischen Ver- giftungsfälle. Es waren 30 Kinder in Concord mit einem Diphtherietoxin-Serum- gemisch immunisiert worden, bei allen 30 traten phlegmoneartige Schwellungen der Injektionsstelle, hohes Fieber und schwere Allgemeinsyinptome auf, keines der Kinder starb aber glücklicherweise. Es kam zu einer strafgerichtliehen Untersuchung. Die vorgernommene Untersuchung der noch vorrätigen Nunmerproben ergab eine völlige Neutralisation und es ergab sich aus vorgenommenen Versuchen, daß offenbar infolge der grolien Kälte eine Dissoziation und damit ein Freiwerden des Toxins eingetreten war. Das Präparat war nämlich in dem sehr kalten Januar 1924 verschickt worden. Es erfolgte auch ein Freispruch mit der Begründung, daß eine Dissoziation durch Gefrieren und Wiederauftauen bisher in der Literatur nicht beschrieben worden war, und dieses Phänomen der betreffenden Anstalt daher unbekannt sein mußte. W. weist daraut hin, daß er selber früher schon ähnliches beobachtet hat, und meint, daß durch Gefrieren und Wiederauftauen bei Eiweißkörpern überhaupt manchmal Zer- seizungen auftreten können, die toxisch wirken. Für gewöhnlich ist bei unseren Wintern derartiges nicht zu befürchten, aber bei sehr großer Kälte sollten derartige Präparate nur unter entsprechenden Vorsichtsmaßregeln verschickt werden.

Kolle (Frankfurt a. M.): Die Frage der aktiven Diphtherieimmunisierung bedarf noch der experimentellen Prüfung. Die Gemische sind nicht nur bei niederen Temperaturen, sondern auch bei höheren, dissoziabel und auch dann, wenn es sich um länger gelagerte Gifte handelt. Der Grund dafür, daß in der Praxis ‚nicht mehr Unglücksfälle vorgekommen sind, liegt wohl darin, daß man infolge der vorge- kommenen Unglücksfälle die Norm sehr herabsetzte. Wir wissen aber nicht, ob die

kieinen Mengen Toxin das Antitoxin kommt wegen der geringen Menge nicht in Frage immunisieren. Alles das läßt sich nur durch Tierversuche feststellen. Dies

gilt auch für die zur Immunisierung empfohlenen Toxoide, deren experimentelles Studium allein über ihre Brauchbarkeit Aufsehluß geben kann. Solche Versuche müssen in größerem Umfang ausgeführt werden, che die Verfahren in größerem Stil in die Praxis eingeführt werden.

Loewenthal (Bern) fragt, was unter Neutralität eines T.A.-Gemisches ver- standen werden soll, da je nach Prüfungsmodus der Neutralpunkt verschieden ist. Bei einem im Berner Institut aus sehr gut abgelagertem Toxin und Antitoxin her- gestellten Gemisch erwies die Prüfung gleich nach Herstellung und etwa 1'/ Jahre aufbewahrt. keine Zunahme der Giftigkeit. |

Bestätigung von Doerrs Entgiftung durch Säure und der Reversibilität. Bei Aenderung der Oberflächenverteilung des Toxins ist die Entgiftung noch intensiver und nicht mehr reversibel. Diese entgifteten Toxine immunisieren nicht.

Verringerung der Impfdosis nicht nur zur Vermeidung von Schädigungen emp- fohlen; nach Untersuchungen im Berner Institut leisten in gewissen Grenzen in längerer Zeit kleinere Dosen dasselbe wie größere.

ps

68* 11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925. Kraus (Wien).

H. Schmidt (Schlußwort): Auch ich bin wie Herr Dold der Meinung. daß alle in Amerika bei der Diphtherieschutzimpfung mit T.A.-Präparaten beobachteten - Schädigungen nur auf den tan zurückzuführen sind, daß die T.A.-Mischuugen nicht ausgereift und bis zur Konstanz ausgeglichen waren. Giftsteigerung von T.A.- Gemischen durch Einfrieren konnten wir nur bei frischen und unterneutraleu Mischungen und auch da nur in einem sehr geringen Grade feststellen. Bei ausge- reiften T.A.-Präparaten wurde sie von uns nicht beobachtet und in keinem Falle li überneutralen T.A.-Gemischen. wobei Kälte von 10—150 5 Stunden lang eiuwirkte. Eine Ausfällung von Euglobulin durch die beim Gefrieren eintretende Bid des Eiweißsols kommt mehr bei unverdünntem Serum zur Beobachtung und spielt bei den T.A.-Präparaten, die relativ zum Toxin nur wenig Serum enthalten, keine Rolle,

T.A.-Präparate, die so toxisch sind, wie die von Ho Loewenthal erwähnten Schweizerpräparate, von denen 1 cem subkutan ein Meerschweinchen in ca. 14 Tagen tötet, kommen in Deutschland unter den über- und unterneutralen T.A.-Präparaten überhaupt nicht zur Awendung.

Die mit Formol entgifteten Toxine sind recht schmerzhaft in der Anwendung. und ihre immunisierende Wirkung ist, soweit wir aus Tierversuchen schließen können. nicht sehr groß. Bei ihrer Anwendung beim Menschen sind mitunter schwere lokabe und allgemeine Reaktionen auftreten (Darre. Loiseau und Lafaille) Wenn

man überhaupt aktiv gegen Diphtherie immunisieren will die Notwendigkeit einer Schutzimpfung bei der vorhandenen Serumtherapie ist eine Frage für sieh dann ıst

das T.A.F. das Präparat, mit dem eine aktive Immunisierung in genügender Stärke bei einem Mindestmaß von Beschwerden für den Patienten am sichersten gelingt.

Als Kriterium, ob die nach Eintritt der Flockung übrig bleibende Flüssigkeit wirklich neutral ist, dient die Feststellung, ob mit derselben eine aktive Immunisierung bei Tieren gelingt oder nieht. Es ist möglich. eine Flockung so einzustellen, dat die überstehende Flüssigkeit neutral ist, aber dies ist schwierig und für die Ge winnung von Flockensubstanz nieht unbedingt nötig.

Was die Dauer der Immunität betrifft, so besteht Grund zu der Annahme, dat sie um so länger sein wird, je fester die T.A.Bindung war und je länger die Iu- munisierung in Anspruch nahm. In dieser Hinsicht wird das T.A.F. allen anderen Präparaten zur Schutzimpfung überlegen sein.

3. H. Großmann (Freiburg 1. B.):

Beiträge zur experimentellen Kaninchensyphilis (besonders Allgemeinsyphilis).

(Nach Untersuchungen von Uhlenhuth und Großmann.)

Ganz vereinzelte Beobachtungen von manifester Allgemeinsvphilis sind schon früher, bald, nachdem es gelungen war, das Syphilisvirus auf Kaninchen zu übertragen, von verschiedenen Autoren gemacht worden. Aber erst bei den systematischen umfangreichen experimentellen Arbeiten von Uhlenhuth und Mulzer, denen es zuerst gelang, die Syphilis in Hodenpassagen von Tier zu Tier konstant fortzuimpien. war das Bestreben dahin gerichtet, beim Kaninchen regelmäßig cin der menschlichen Syphilis entsprechendes Krankheitsbild zu erzeugen, denn erst bei einer solchen Erscheinungsform waren Fortschritte auf dem Crebiete der experimentellen Syphilisforschung zu erwarten. In diesem Bestreben benützten Uhlenhuth und Mulzer den Beobachtungen am Menschen entsprechend ganz Junge Kaninchen und erzielten bei intravenüser resp. intrakardialer Infektion in fast 100 Proz. der Fälle schwere Allgemeinsyphilis, bei erwachsenen Tieren nur in einzelnen Fällen. Ihre damals erhobenen Befunde sind in dem „Atlas der exper. Kaninchensvphilis"1) von Uhlenhuth u. Mulzer

1) Verlag von Julius Springer, Berlin; siehe auch „Beiträge zur exp. Pathologie

u. Therapie der Syphilis mit besonderer Berücksichtigung der Impfsyphilis der Ka- ninchen.“ Arb. aus dem Reichs-Ges.-Amt. Bd. 11. Heft 3. Julius Springer. Berlin.

11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925. *6g

1914 niedergelegt. Auch bei hodengeimpften Tieren waren bisweilen Allgemeinerscheinungen (Keratitis etc.) zu beobachten. Die Fortführung der damals unterbrochenen Arbeiten konnte infolge ungünstiger Zeitver- hältnisse dank der Unterstützung der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft, des Reichsministeriums des Inneren und der Rockefeller- Stiftung erst vor kurzem von Uhlenhuth und mir wieder in Angriff genommen werden.

Inzwischen haben sich die amerikanischen Forscher Brown und Pearce an Hand eines großen Tiermaterials mit Arbeiten über experi- mentelle Kaninchensyphilis befaßt. Sie konnten an einer großen Zahl ihrer hodengeimpften Tiere zum Teil sehr ausgedehnte und intensive Se- kundärerscheinungen beobachten. Die Art der von ihnen beschriebenen Erscheinungen entspricht im allgemeinen den von Uhlenhuth und Mulzer angegebenen, wenn auch die amerikanischen Forscher zahl- reichere Befunde von Knochen- und Gelenkerkrankungen erheben konnten. In unseren Arbeiten behandelten wir hauptsächlich die Frage der latenten Syphilis und der Immunität. Die äußerst kost- spieligen und lange Beobachtungszeit erfordernden Versuche sind noch nicht abgeschlossen; es wird darüber später in einer gemeinsamen Publikation ausführlich berichtet werden.

Was uns hier jetzt besonders interessiert, sind Beobachtungen über auffallend schwere Allgemeinsyphilis, die wir im Laufe dieser Arbeiten, zu deren Durchführung uns die Freiburger Hautklinik den Truffi-Stamm (Kolle) in dankenswerter Weise überlassen hatte, machen konnten. Ich möchte mir erlauben, kurz darüber zu berichten:

An technischen Einzelheiten wäre vorher noch zu erwähnen: Die Hodenstückchenimpfungen wurden stets intratestal und doppelseitig vor- genommen, in 90—100 Proz. aller Fälle wurden positive Befunde er- zielt. Kastration wurde 5—7 Wochen nach der Impfung, meist zum Zwecke der Passagefortführung, unilateral ausgeführt, in einigen Fällen auch bilateral und zu späteren Zeiten. Im folgenden sind alle positiven Hodenimpfungen einschließlich einzelner Organverimpfungen, die ge- nügend lange Zeit beobachtet werden konnten, ausschließlich einer großen Anzahl behandelter und der vor der Zeit interkurrent eingegangenen Tiere berücksichtigt. Alle Impfungen wurden in einem Zeitraum von rund 8 Monaten vorgenommen.

Von 69 hodengeimpften Tieren erkrankten 39 an manifesten all- gemeinsyphilitischen Erscheinungen, also 56,5 Proz. 19 der Tiere wiesen Hautveränderungen auf, 20 ein- oder doppelseitige Keratitis, in neun Fällen wurden Haut- und Augenveränderungen zugleich beobachtet. Be- rücksichtigt man die Frage, ob ein- oder doppelseitige Kastration einen Einfluß auf die Entwicklung von Sekundärerscheinungen ausgeübt hat, so wäre hervorzuheben, daß von 49 nicht kastrierten Tieren 25 all- gemeinsvphilitisch erkrankten, und zwar 9 an Hautmanifestationen (davon wiesen 5 zugleich Augenveränderungen auf), 16 an ein- oder doppelseitiger Keratitis ohne sonstgie nachweisbare Veränderungen. Von 20 kastrierten Tieren, darunter 13 doppelseitig und 7 einseitig, er- krankten 14 manifest, darunter 10 an Hautveränderungen (4 mit gleich- zeitigen Augensymptomen) und 4 an ein- oder doppelseitigen Kera- titiden. Somit erkrankten die nicht kastrierten Tiere in 51 Proz., die ein- oder doppelseitig kastrierten in 70 Proz., die kastrierten also in einem höheren Prozentsatz als die nicht kastrierten. Wie groß der Unterschied zwischen kastrierten und nicht kastrierten

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ist, erhellt am deutlichsten daraus, daB auf 14 allgcemeinsyphilitische Tiere unter den kastrierten 6, unter den nicht kastrierten dagegen 13 negative Befunde kommen. Nach doppelseitiger Kastration war in 9 von 13 Fällen Erkrankung zu beobachten, während von 7 ein- seitig kastrierten Tieren 5 erkrankten. Was die Intensität der Erkrankung betrifft, so bestand darin insofern kein Parallelismus zwischen ein- und doppelseitiger Kastration, als gerade die schwerste aller Erkrankungen bei einem einseitig kastrierten Tier auftrat. Im allgemeinen erkrankten die kastrierten Tiere am schwersten. wenn: gleich wir auch bei nicht kastrierten sehr schwere Krankheitsbilder sahen. Es scheinen sich somit hinsichtlich der Häufigkeit des Auf tretens die Befunde von Brown und Pearce, die im Anschluß an Kastration eine erhöhte Neigung zu Sekundärerscheinungen becb- achten konnten, zu bestätigen. Zu weiteren, von Brown und Pearce beobachteten GesetzmäBigkeiten, was die Versuchsbedingungen einer- seits und den Krankheitsverlauf andererseits betrifft, können wir zu- nächst keine bestimmte Stellung nehmen. Zur ferneren Klärung der Frage des Einflusses der Kastration haben wir einen größeren Versuch im Grange, dessen Resultat noch nicht abgeschlossen ist.

Ueber die Häufigkeit der von uns beobachteten Erkrankungen des Knochensystems bei hodengeimpften Tieren können wir noch keine sicheren Angaben machen. Röntgenologische und histopatho- logische Untersuchungen sind in Angriff genommen.

In gleicher Weise konnten wir auch bei unseren intravenös ge- impften erwachsenen Tieren in vielen Fällen Allgemeinsyphilis beob achten:

Von insgesamt 27 geimpften männlichen Tieren erkrankten 14 = 51,8 Proz. nach 40—120 Tagen. Vielfach trat als erstes, manchmal auch als einziges Zeichen ein- oder doppelseitige Erkrankung des Hodens auf, die in einem Falle zur Ausbildung eines walnußgroßen Schankers führte, wic er nach lokaler Hodenimpfung zu beobachten ist. Außerdem fanden sich die gleichen Veränderungen wie nach Hodenimpfung, zum Teil in ganz ausgesprochener Form. Keratitis konnte bis jetzt nur in einem Falle beobachtet werden.

Von 8 weiblichen Tieren, abzüglich von 4 Tieren, deren Organe im Latenzstadium verimpft wurden, erkrankten ebenfalls drei nach 3 Monaten. Bei diesen Tieren konnten röntgenologisch an Nase und Extremitäten zum Teil schwere Knochenveränderungen nachgewiesen werden.

Endlich möchten wir noch erwähnen, daß von zwei jungen, 3 Wochen alten und mehrmals intravenös geimpften Tieren ein Tier nach 5 Mo- naten an schwerer Allgemeinsvphilis erkrankte und infolge eines von der oberen Nasenmuschel ausgehenden Tumors, der einen Nasencinsang versperrte, an Erstickung starb; das andere Tier erkrankte erst nach ‚Monaten an doppelscitigen Tumoren des Nasenbeins und an Knochen- A einer Extremität, die röntgenologisch nachgewiesen werden konnte.

Eine der auffallendsten und immer wiederkehrenden Erscheinungen der manifesten Allgemeinsyphilis ist die, daß prominente Körperstellen. wie Nase, Ohren, Beine, Schwanz, besonders häufig erkranken. Die gleiche Beobachtung hatten bereits Uhlenhuth und Mulzer an ihren jungen Kaninchen gemacht. Diese Tatsache legt unseres Erachtens den Gedanken an Einflüsse von seiten der Hypophyse nahe, damit an eine

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Beteiligung des endokrinen Systems. Beachtet man außerdem die zweifel- los bestehenden Unterschiede in der Neigung zu allgemeinsyphilitischer Erkrankung bei nicht kastrierten Tieren einerseits und kastrierten andererseits, so erscheint diese Annahme um so mehr berechtigt, als bekanntlich zwischen Keimdrüsen und Hypophyse gewisse Wechsel- beziehungen bestehen. Wir beabsichtigen, auch nach dieser Richtung Untersuchungen vorzunehmen.

Zum Schlusse möchte ich mir erlauben, einige Diapositive und Bilder (Aquarelle) zu demonstrieren, die geeignet sind, Ihnen die Sy- philis in ihrer schwersten Form, wie wir sie beim Menschen nicht mehr kennen und wie sie selbst Uhlenhuth und Mulzer bei ihren jahrelangen Versuchen so ausgesprochen noch nicht gesehen haben. in schöner Weise vor Augen zu führen.

Demonstrationen:

a) nach doppelseitiger Hodenimpfung: ‘1. periostitische einseitige Nasentumoren, Conjunctivitis, spezi- fischer Haarausfall, 2. papuloulzeröse Syphilide an den Augenlidern, an der Nase und der Ohrmuschel, 3. gummiartige Neubildungen im Gesicht, 4. papuloulzeröse Syphilide an den Extremitäten; b) nach intravenöser Impfung: 1. ein- und doppelseitige periostitische Nasentumoren, 2. papuloulzeröse Syphilide an Augenlid und Ohrmuschel, 3. gummiartiger Tumor an der oberen Nasenmuschel, 4. Knochen- und Gelenkverdickungen an den Extremitäten, 5. Knochen- und Knorpelveränderungen an Nase und Extremi- täten im Röntgenbild!). Die ausführliche Arbeit mit Abbildungen erscheint im Archiv für Dermatologie und Syphilis.

Aussprache.

Kolle (Frankfurt a. M.): Im Anschluß an die Mitteilungen des Herrn Vor- redners möchte ich über einige interessante Beobachtungen bei der experimentellen Syphilis der Kaninchen hier berichten.

Die von Brown u. Pearce eingeführte Methode der Verimpfung der Popliteal- drüsen hat sich außerordentlich bewährt. Bei Kaninchen, die experimentell mit Syphilis infiziert sind, erweisen sich die Poplitealdrüsen von einem bestimmten Zeit- punkt nach der Infektion ab in 100 Proz. infektiös. Als ich nun bei einer Anzahl Tiere, bei denen nach der Verimpfung von palliduhaltigem Material keine Primär- affekte aufgetreten waren (sogenannte „Nuller‘“). die Poplitealdrüsen auf frische Tiere verimpfen ließ, erwiesen sie sich als infektiüs. Sie führten zur Bildung typischer Schanker bei den damit geimpften Tieren. Es ist also hiemit der Nachweis erbracht, daß nach Verimpfung svphilitischen Materials auf Kaninchen jede Erscheinung der Syphilis fehlen kann und daß trotzdem die Tiere mit der Spirochaeta pallida sich als infiziert. erweisen. Wir haben hier eine ohne jede Symptome verlaufende Syphilisinfektion der Kaninchen vor uns. Weder a der regionären isn noch anderer Drüsen, weder Papeln noch Keratitis oder Knochenauftreibungen waren bei den sogenannten „Nullern“ vorhanden. Derartige Fälle sind ja auch beim Menschen be- obachtet worden. Sie kommen vielleicht viel häufiger vor, als man glaubt. Die An- nalıme, daß viele von den Menschen, die später an Paralyse, Tabes und Spät-

i Die Aufnahmen sind in dankenswerter Weise von Prof. Küpferle her- stellt.

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erscheinungen der Syphilis erkranken, nach dem Grundsatz „omnis svphiliticus mendax“, unrichtige Angaben über ihre Infektion machen, wird durch derartige experimentelle Ergebnisse immer unwahrscheinlicher gemacht. Es ist vielmehr, wie die Forsschungen der letzten 20 Jahre seit Uhlenhuths ersten Untersuchungen gezeigt haben und wie auch die heutigen Demonstrationen von Uhlenhuth und seinen Mitarbeitern, Versuche, die in Bestätigung der Versuche von Brown und Pearce vorgenammen wurden, zeigen, beweisen, daß die menschliche Syphilis außer- ordentlich ähnlich der experimentellen Kaninchensyphilis verläuft. Durch die mit- eteilten Versuche ist eine neue Analogie zwischen der Syphilis des Menschen und der iere experimentell aufgedeckt.

Ferner möchte ich auf interessante Untersuchungen hinweisen, die bei der Ver- wendung verschiedener Svphilisstimme an syphilitisch infizierten Tieren gewonnen wurden. Wir besitzen jetzt im Speverhaus 4 Pallidastämme und einen Fraınbösie- stamm, nämlich den alten Truffistamm, den Stamm Nichols, der mir dureh Herrn Dr. Worms zugestellt wurde, den Stamm Kuznitzkv und einen im Institut gewonnenen Stamm. Kreuzimpfungsversuche wurden mit 3 dieser Stämme vorgenommen, und es ergab sich, daß im Gegensatz zur Verwendung des homologen Stammes chronisch infizierte Tiere mit den heterologen Stämmen in einem groben Prozentsatz unter Bildung neuer Primäraffekte sich infizieren lassen. Während Tiere. die z. B. mit dem Stamm Nichols, Truffi und Kuznitzky chronisch infiziert sind, nicht mehr mit den homologen Stämmen unter Bildung von Primäraffekten zu infizieren sind, geht die Infektion mit den heterologen Stämmen in einem hohen Prozentsatz an. Beim Menschen muß, gleichgültig, ob eine echte Immunität oder eine Intektionsimmunität besteht, eine Panimmunität gegen die durch den Kaninchenversuch als biologisch different nachgewiesenen Stämme bestehen. Dena wenn das nicht der Fall wäre, so müßten beim Menschen dauernd Reinfektionen bzw. Neuinfektionen mit Bildung frischer Primäraffekte auftreten. Diese wichtige Tat- sache gestattet aber auch Schlüsse auf das Zustandekommen einer echten Immunität, woraut ich an anderer Stelle eingehen möchte.

Uhlenhuth (Freiburg): Was die Reinfektionsversuche von Kolle betrifft. so können wir auf Grund unserer neueren allerdings nicht sehr ausgedehnten Er- fahrungen bestätigen, daß bei Nachimpfung von hodengeimpften Kaninchen nach dem 90. Tage kein positiver Impferfolg zu verzeichnen war. Unsere früheren Versuche mit Mulzer (Arb. aus dem Reichs-Ges.-Amt. Bd. 44. Heft 3. S. 453 usw.) haben jedoch gezeigt. daß auch bei dem gleichen Stamm Ausnahmen beobachtet werden, und zwar noch nach 4—5 Monaten }).

Im übrigen glauben wir festgestellt zu haben, daß Tiere, auch wenn sie nach der Impfung keine manifesten Erscheinungen zeigen und scheinbar gesund sind. latent syphilitisch sein können, wofür Organverimpfungen sprechen bei Tieren, die nicht in die Iloden geimpft sind, z. B. Weibchen, die intravenös mit syphilitischem Material infiziert worden sind.

Haendet (Berlin) berichtet im Anschluß an die Ausführungen von Herrn Kolle über die Ergebnisse gleichartiger Untersuchungen, die von den Herren Man- teufel und Worms im Reichsgesundheitsamt gemacht worden sind und zu ganz entsprechenden Ergebnissen geführt haben.

Dabei wurde als bemerkenswert noch darauf hingewiesen, daß bei den klinisch anscheinend gesunden Kaninchen auch die herausgenommenen Drüsen selbst häufig keine besondere Veränderungen oder Vergrößerungen zeigen, obwohl sie positive Impfergebnisse hervorrufen.

1) Anmerkung bei der Korrektur: Es kommt bei der Nachimpfung unserer Ansicht nach auch auf die Virulenz des Stammes an, die sich inzwischen erhöht haben kann. Diese Frage ist noch wenig beachtet und wäre auch zu berück- sichtigen be wechselseitigen Nachimpfungen mit verschiedenen Stämmen.

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4. Uhlenhuth und Großmann (Freiburg i. B.): Zur Typenfrage der Spirochaeta icterogenes!).

Die Weilsche Krankheit, die im Kriege eine so große Rolle ge- spielt hat, nimmt auch jetzt noch unser Interesse voll und ganz in Anspruch, wenn sie auch in Friedenszeiten nur selten vorkomnt. Immer- hin sind in neuerer Zeit mehrfach Epidemien beobachtet worden. So hat u. a. in Deutschland Körner eine interessante Epidemie von Weil- scher Krankheit beschrieben, die nach dem Baden in der Elbe auf- getreten ist, und die mit früheren derartigen Beobachtungen im Ein- klang steht; auch in Holland sind von Schüffner und seinen Mitarbeitern ähnliche Fälle beobachtet.

Wir haben uns, seitdem wir 1915 im Felde den Erreger der Weil- schen Krankheit in der Spirochaeta icterogenes (Uhlenhuth und Fromme) entdeckten, andauernd mit der experimentellen Erforschung dieser Krankheit im Laboratorium beschäftigt, besonders deshalb, weil sie epidemiologisch wohl zu den interessantesten Krankheiten gehört.

Ganz besonders reizvoll war die Aufklärung des Zusammenhangs zwischen Weilscher Krankheit und dem Wasser. Wie Sie wissen, habe ich mit Zuelzer im Wasser, besonders in dem organischen Filz von tropfenden Wasserleitungen Spirochäten gefunden, die morphologisch genau dem Bild der Spirochaeta icterogenes entsprachen und die wir deshalb Spirochaeta pseudoicterogenes genannt haben. Es ist uns gelungen, durch fortgesetzte Passagen in unseren Wasserkulturen (Wasser + Zusatz von Kaninchenserum) einige Spirochätenstämme so umzuwandeln, daß sie immunbiologisch und serologisch der Spirochaeta icterogenes entsprachen, so daß es möglich war, wechselseitig gegen diese verschiedenen Stämme zu immunisieren.

In einem Falle gelang es sogar, mit einem so weiter gezüchteten Wasserstamm beim Meerschweinchen das typische Bild der Weil- schen Krankheit zu erzeugen (Zuelzer). Demnach ist die Möglich- keit einer primären Entstehung der Weilschen Krankheit durch Wasser nicht ganz von der Hand zu weisen. In diesem Zusammen- hang haben wir weitere Versuche angestellt. Da nach unsern und den japanischen Arbeiten die Ratten normalerweise in ihrem Urin Spiro- chäten ausscheiden eine Beobachtung, die in allen Weltteilen be- stätigt ist, so daß wir die Ratten als internationale Spiro- chätenträger bezeichnen können und da es den Anschein hat, als ob die Ratten aus der Außenwelt, wo die Spirochäten in Wasser und Schlamm weit verbreitet sind, die Spirochäten aufnehmen, die in der Ratte nun zu Parasiten werden, so haben wir Wasserspiro- chäten in Rattenserumwasserkulturen fortgezüchtet, um sie künstlich zu Parasiten zu machen. Diese Versuche sind noch nicht abgeschlossen. Bemerkenswert ist, daß das Wachstum der Wasserspirochäten auf Serum von wilden und zahmen Ratten ausnahmslos ein gutes war. Dagegen verhielten sich die echten Weil-Stämme durchaus verschieden. 3isweilen konnte ein Serum beobachtet werden, auf dem die Spiro- chaeta icterogenes nicht wuchs. Es wäre denkbar, daß solches Serum von einer vielleicht latent infizierten Ratte stammte, die Antikörper in ihrem Serum hatte. Jedoch haben wir auch in dem Serum einer

4) Vorgetragen von Uhlenhuth.

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Ratte, deren Niere Spirochäten enthielt, gutes Wachstum beobachten können. Uebrigens kann man auch mit verschiedenen normalen Menschen- seris die gleiche Beobachtung machen. Wir haben nun den Wasser- stämmen dauernd unsere Aufmerksamkeit zugewandt und auch ähnlich wie in Berlin in Freiburg die Spirochaeta pseudoictero- genes in der Wasserleitung nachweisen können. Bekanntlich sind solche Stämme auch an anderen Orten Erlangen (Angerer), Bonn (Bach) usw. gefunden worden. In unserem Laboratorium nat Shiga unter diesen Wasserstämmen verschiedene Typen nachgewiesen. Auf Grund der von mir zuerst gemachten Beobachtung, daß die Spirochacta icterogenes in einem gegen diese Spirochäte hergestellten Immunserum vom Kaninchen (in Wasser) nicht wächst, während sie in normalem Kaninchenserum (mit Wasser) nach unserm Kulturverfahren ausge- zeichnet gedeiht, gelang es, die Wasserspirochäte von Angerer in eleganter Weise von der Berliner Wasserspirochäte (Rg) zu unter- scheiden. In dem Immunserum gegen den Berliner Stamm wuchs der Stamm Angerer, während der Berliner Stamm kein Wachstum zeigte. Auch mit Hilfe der Agglutination und Auflösung gelang es, diese Unterschiede zu demonstrieren. Es gibt also unter den Wasser spirochäten sicher verschiedene Rassen oder Typen. Be der Weilschen Krankheit waren bisher derartige Typen nicht bekannt. Vor allem gelang es bisher nicht, zwischen der japanischen und der europäischen solche auffallende T ypendifferenzen. nachzuweisen (Kaneko und Morihama, Oba). Nur bezüglich der Pathogenität für Meer- schweinchen und im Pfeifferschen Versuch traten gewisse Unter- schiede auf. Zum mindesten waren nach ihren Untersuchungen die Stämme außerordentlich nahe verwandt.

Wir haben nun in ähnlicher Weise verschiedene echte Weil- stämme bezüglich ihrer Typen biologisch untersucht, und benützun dazu auch einen Stamm, den wir aus Freiburger Ratten heraus ge züchtet hatten. Bei der systematischen Untersuchung von 39 Freiburger Ratten fanden wir bei 5 Tieren virulente Spirochäten vom Icterogenes- tvp, d. h. bei 12,8 Proz.1) ein ähnlicher Prozentsatz, wie wir ilın ın Berlin festgestellt hatten. Die Ratten stammten aus verschiedenen Gegenden der Stadt (Haslach, Predigerstraße, Günterstal), auch fanden wir infizierte Ratten an einem Bach, der eine Badeanstalt mit Wasser versorgte. Außerdem fanden sich in 5 Fällen Trypanosomen im Blut der Ratten, einmal bei gleichzeitigem Spirochätenbefund in den Nieren, einmal Paratyphus B-Bazillen in einer Leistendrüse: der Stamm konnte durch Verimpfung auf Meerschweinchen isoliert werden. Einmal wurde „B. Gärtner“ im Darm und 5mal säurefeste Stäb- chen in fast allen Organen gefunden. Die weitere Untersuchung dieser interessanten säurefesten Stäbchen ist noch im Gange; um Tu- berkelbazillen handelt es sich wohl nicht, da Meerschweinchen nach Ver- Impfung von Organen nicht erkrankten (vielleicht Rattenlepra?).

Wir haben nun verschiedene echte Weilstämme gegenseitig bio- logisch untersucht und bedienten uns dabei des Wachstumsverfahrens in hochwertigen Immunseris von Kaninchen.

Zur Verfügung standen uns 5 verschiedene Stämme, und zwar 1) cin Stamm Berliner Weil (Reichsgesundheitsamt), 2) ein Stamm Rattenweil II Freiburg, und 3)—5) drei Stämme aus Holland

l) Anm. bei der Korrektur: Bis jetzt sind im ganzen 51 Freiburger Ratten untersucht, davon hatten S die Spirochacta ieterugenes in den Nieren.

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(Krommenie, Binnengasthuts und Rotterdam), die uns Herr Professor Schüffner in dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt hat. Sämtliche Stämme waren pathogen für Meerschweinchen. Es wurden Immunsera mit dem Agglutinationstiter 1:10000 verwandt.

Unsere Wasserstämme (Erlangen - Angerer und Rg) wuchsen auf sämtlichen Antiseren ausnahmslos gut. Die echten Weilstämme gediehen im homologen Antiserum nicht, bei vergleichenden Wachstumsversuchen auf hetorologen Immunseren ergaben sich jedoch folgende interessante Unterschiede: Stamm Krommenie, Binnen- gasthuts, Rotterdam und Rattenweil II Freiburg ge- diehen auf dem Immunserum von Berliner Weil, umgekehrt wuchs Berliner Weil auf Immunserum von Krommenie, Binnen- gasthuts, Rotterdam und Rattenweil II Freiburg!). Innerhalb der drei Holländer Stämme und des Stammes Rattenweil II Freiburg bestanden keine serologischen Unterschiede; die Stämme wuchsen weder auf dem homologen noch auf den heterologen Antiserum. Es verhielt sich also Berliner Weil einerseits und Holländer Stämme und Rattenweil II Freiburg andererseits im Wachstum direkt entgegengesetzt. Im gleichen Sinne sprach ein Meerschweinchenschutzversuch.

Die Immunsera waren alle hochwertig, wie die Auswertung des Wachstumstiters ergab. Antiserum Berliner Weil und Antiserum Krommenie wurden mit normalem Kaninchenserum 1:1, 1:50, 1:100 und 1:1000 verdünnt. In der üblichen Weise wurden mit dem homo- logen Stamm Serumwasserkulturen angelegt. Bei beiden Stämmen konnte noch in einer Verdünnung 1:1000 kein Wachstum beobachtet werden, während die Kontrollen mit normalem Kaninchenserum stets gutes Wachstum zeigten. In höheren Verdünnungen wurden die Ser& nicht geprüft.

Unsere Untersuchungen beweisen also, daß unter echten, für Meer- schweinchen hoch pathogenen Weilstämmen ebenso wie unter Wasser- Weil-Stämmen biologische Unterschiede vorkommen können. Vielleicht spielt dabei das verschiedene Alter der Stämme eine gewisse Rolle: der Berliner Weilstamm ist der von mir im Felde gezüchtete und wird seit über 8 Jahren auf Meerschweinchen- und Serumwasserkulturen gehalten, die Holländer Stämme seit 1—2 Jahren, unser eigener Freiburger Stamm wurde vor 3 Monaten aus einer Ratte gezüchtet. Vielleicht haben sich bei dem Berliner Stamm im Laufe der vielen Tier- und Kulturpassagen biologische Umwandlungen voll- zogen, wie sie nach den Untersuchungen von Zuelzer und mir für Wasserspirochäten nachgewiesen sind.

Der Nachweis verschiedener Typen der Spirochaeta icterogenes hat nicht nur ein theoretisches, sondern auch ein praktisches Interesse. Bei der Herstellung von Schutz- und Heilserum sowie auch für eine eventuelle aktive Immunisierung dürfte die Kenntnis dieser Tatsache von wichtiger Bedeutung sein. Weitere Untersuchungen sind daher geboten.

Anmerkung bei der Korrektur: Nach Abschluß unserer Untersuchungen er- hielten wir Kenntnis von einer Arbeit von J. W. Wolff (Arch. f. Schiffs- u. Tropenhygiene. Bd. 29. 3), der mit Hilfe der Agglutination serologische Unterschiede zwischen einem Weilstamm von Baermann und dem Berlinerstamm nachweisen konnte.

1) Ein weiterer Holländer Stamm „Zaandam“ ist ebenfalls auf Immunserum von Berliner Weil gut gewachsen, dagegen nicht auf Immunserum von Rattenweil IL Frei- burg und den anderen Holläuder Stämmen. Das Wachstum des Berliner Weil- Stammes auf Antiserum „Zaandam“ konnte nicht geprüft werden, da wir noch nicht über ein hochwertiges Antiserum dieses Stammes verfügten.

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Aussprache. Gotschlich (Gießen). Kolle (Fraukfurt a. M.).

Haendel (Berllin) berichtet über entsprechende vergleichende Untersuchungen. die von Frl. Zülzer ebenfalls mit einigen von Herrn Baermann erhaltenen Sumatrastämmen und einheimischen Icterogenes-Stäinmen im Reichsgesundheitsamt ausgeführt worden sind. Dabei konnte bei einzelnen dieser Stämme ebenfalls eine Verschiedenheit gegenüber dem hiesigen Icterogenes-Stamm festgestellt werden. Die einzelnen Sumatrastämme verhielten sich aber dabei ebenfalls nicht alle überein- stimmend. Es bestehen hier offenbar Uebergänge; so konnte Frl. Zülzer auch beobachten, daß das Serum einzelner Sumatrastümme gegen Icterogenes schützte und umgekehrt.

Uhlenhuth (Schlußwort): Die interessante Feststellung von verschiedenen Typen von Spirochäten hat bei der Syphilis wohl kaum eine erhebliche praktisch- therapeutische Bedeutung. da die chemotherapeutischen Präparate auf die verschiedenen Typen wohl eine gleichmäßige Wirkung entfalten. Anders bei der Weilchen Krank- heit. Hier haben wir noch keine Chemotherapie, da sich nach unseren Untersuchungen alle Arsen- und Antimonpräparate usw. als unwirksam erwiesen haben. Hier hat das Immunserum aber eine wichtige therapeutische Bedeutung, und es ist natür- lich wichtig für die Praxis, ein Serum zur Verfügung zu haben, das gegen alle verschiedenen Rassen und Spielarten der Spirochaeta icterogenes wirkt. Auch für eine aktive Immunisierung ist das von Wichtigkeit.

2. Tag. Freitag, den 25. September 1925. Vorsitzender: M. Neisser (Frankfurt a. M.). Referat I. R. Doerr (Basel): Herpes und Encephalitis.

Die experimentelle Herpesforschung hat uns schon in den ersten Phasen ihrer Entwicklung durch zwei neue Erkenntnisse von fundamentaler Bedeutung überrascht, die obzwar sie sich auf das Wesen herpetischer Erkrankungen bezogen gleichwohl nicht ge- eignet waren, die eigentümlichen, aus der klinischen Beobachtung direkt ableitbaren Entstehungsbedingungen derartiger Prozesse aufzu- klären und cine absolut zuverlässige Abgrenzung von ähnlichen patho- logischen Vorgängen zu ermöglichen. Diese beiden Tatsachen, mit denen wir uns abzufinden haben und die bei der Beantwortung aller inzwischen aufgetauchten Fragen in den Vordergrund der Betrachtung gerückt werden müssen, sind: |

1) das Vorhandensein eines im Tier- und Menschenversuch nachweisbaren, in praktisch unbegrenzter Folge übertragbaren In- fektionsstoffes in den kutanen oder mukösen Herpes- effloreszenzen (Grüter und Löwenstein) und

2) die zuerst von Doerr und Vöchtung beobachtete, seither durch zahllose Nachprüfungen bestätigte Affinitätdieses Ansteckungs- stoffes zum Zentralnervensystem des Kaninchens d. h. seine Fähigkeit, sich im Gehirne dieser Tierspezies zu lokalisieren und daselbst histologische Veränderungen hervorzurulen, die sich unter dem Eilde einer Encephalitis präsentieren.

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Es ist durchaus begreiflich, daß diese Entdeckungen von der Mehr- zahl der Pathologen und Kliniker nicht als Fortschritte begrüßt, sondern mit gemischten Empfindungen aufgenommen wurden; denn sie traten in einen zunächst unlösbaren Widerspruch zu den bisher angesammelten Erfahrungen über das Auftreten und die Symptomatologie des Herpes und gaben so dem Problem der Pathogenese herpetischer Affektionen eine andere Fassung, olıne eine allseits befriedigende Lösung desselben zu bieten. In höherem Grade als bei irgendeiner anderen Infektion er- kennen wir beim Herpes, daB die Feststeliung eines übertragbaren Agens nur als die erste Etappe, Keineswegs aber als definitive und vollständige Erledigung des ätiologischen Fragenkomplexes bewertet werden Kann. Diesem Leitmotiv möchte ich meine Ausführungen unterordnen; auf das Detail und die Kritik der experimentellen Einzelergebnisse einzugehen, erscheint mir bei dem Umfang, den die durch Grüter begründete Arbeitsrichtung angenommen hat, undurchführbar und äuch insofern überflüssig, als ich hierüber an anderer Stelle (Centralblatt tür Haut- und Gcschlechtskrankheiten. Bd. 13, 15 u. 16) erst vor kurzer Zeit einen ziemlich ausführlichen Bericht erstattet habe, den ich als bekannt voraussetzen darf. Was an wichtigeren Befunden zu dem früheren Be- stand hinzugekummen ist, soll bei passender Gelegenheit erwähnt und gewürdigt werden. Um Mibverständnissen vorzubeugen, sei betont, daß Ich aus Gründen, die später noch näher auseinandergesetzt werden sollen, an der scharfen Abtrennung des Herpes simplex s. febrilis vom Zoster resp. von der Zona festhalte und dies auch in der Bezeichnung der beiden Erkrankungen zum Ausdruck bringe, indem ich den zwar eingebürgerten, aber zum mindesten präjudizierlichen, wenn nicht irre- führenden Ausdruck „Herpes Zoster“ ganz vermeide, ein Terminus, für dessen Ausmerzung aus der medizinischen Nomenklatur auch Lip- schütz energisch eingetreten ist.

Das Herpesvirus ist einheitlich. Die Herpeseffloreszenzen enthalten immer den gleichen Ansteckungsstoff, gleichgültig, wo sie lokalisiert sind und ob sie sich als wesentlichstes Symptom einer homologen Allgemeininfektion (der sog. Febris her- petica) oder als Begleiterscheinungen verschicdener phy- siologischer und pathologischer Zustände oder als Folgen aspezifischer, willkürlicher Eingriffe entwickeln. Stellt man däher die Betrachtung ausschließlich auf das infektiöse Agens ab und vernachlässigt man die vom menschlichen Wirtsorganismus selbst beigesteuerten Bedingungen für das Zustandekommen einer herpetischen Infektion, so- verliert die Unterscheidung von ,1diopathischem, „symptomatischem‘“ und ‚„provoziertem‘“ Herpes naturgemäß ebenso ihre Bedeutung wie die Differenzierung in Herpes corneae, H. myringis (Myringitis bullosa), H. laryngis, H. facialis, labialis oder peribuccalis, progenitalis, urethralis usf. Die von Lipschütz auf- gestellte und bis in die letzte Zeit konsequent verteidigte Behauptung, daB aus den am Genitale auftretenden Herpesblasen Virusstämme mit gemeinsamen, von Stämmen anderer Provenienz abweichenden und charakteristischen Eigenschaften gewonnen werden können, darf wohl als widerlegt gelten. Ich verweise in dieser Beziehung auf die gegen- teiligen, auf ausgedehnte und einwandfreie Untersuchungen gestützten Angaben von Docrr und Schnabel, Fontana, Lauda, insbe- besondere aber auf die Arbeiten von Blanc und Caminopetros und von Mariani; übrigens konnte ich auch bei meinen eigenen, nun schon

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durch 6 Jahre fortgesetzten Experimenten mit menschlichem Herpes- material niemals Anhaltspunkte finden, welche die Annahme einer Sonderstellung des Herpes genitalis, die ja a priori sehr unwahrschein- lich ist, rechtfertigen würden.

Man darf eben bei den Diskussionen über die Einheitlichkeit des Herpesvirus nicht außer acht lassen, daß die Identifizierung dieses In- fektionsstoffes d. h. die Ermittelung seiner allgemeinen (t\- pischen) Merkmale durch drei Umstände erheblich erschwert wird:

1) Das Herpesvirus konnte bisher auf totem Substrat, auf einen künstlichen Nährboden, nicht reingezüchtet werden. Wir benützen in- folgedessen zu allen Prüfungen der Pathogenität, der Immunitätsverhält- nisse, der Resistenz gegen äußere Einflüsse, der Dimensionen der Er- regerelemente nicht den Infektionsstoff als solchen, sondern viru- lente Krankheitsprodukte (Bläscheninhalt, Gewebssaft, Blut, Li- quor, Hirnsubstanz usw.), und es ist nicht nur selbstverständlich, son- dern durch die mit anderen ähnlichen Virusarten gemachten Erfahrungen empirisch bewiesen, daß sich die erzielten Ergebnisse mit dem Ve- hikel, mit dem unbelebten Träger des Infektionsstoffes ändern. Aussagen über die Filtrierbarkeit des Herpesvirus, über den Einfluß der Verdünnung auf die Pathogenität, über die Konservierbar- keit in Glyzerin, über die Resistenz gegen Austrocknung werden dahcr ganz verschieden lauten, je nach der speziellen Beschaffenheit des ver- wendeten Ausgangsmaterials.

2) Wenn auch nicht in allen, so doch in den meisten Fällen schalten wir in die Versuchsanordnung den Einfluß der Tierpassage ein, der die ursprünglichen Wirkungsqualitäten und sonstigen Eigenschaften des Herpesvirus modifizieren kann.

3) Es unterliegt keinem Zweifel, daß die einzelnen Herpesstämme schon von Haus aus d. h. unmittelbar nach ihrer Absonderung aus dem menschlichen Organismus voneinander in gewissen Beziehungen differen- zieren; man hat diese originären Verschiedenheiten als primäre Variabilität der Virulenz bezeichnet, ohne jedoch damit dem Wesen der Erscheinung auch nur annähernd gerecht zu werden. Mehr als anderwärts ist die Virulenz des Herpesgiftes ein durchaus relativer Begriff. Menschen-, Kaninchen-, Meerschweinchen-, Rattenvirulenz stehen zueinander in keinem gesetzmäßigen Abhängigkeitsverhältnis: und innerhalb derselben Tierspezies schwankt wieder die Pathogenität eines und desselben pathogenen Substrates je nach der Individualität des inokulierten Impflings, wie die Infektionsversuche von Teissier, Gastinel und Reilly an Menschen mit Sicherheit ergeben haben. Ferner kann z. B. ein bestimmter Herpesstamm mit größter Regelmäßig- keit bei kornealer Verimpfung keratogene Encephalitis hervorrufen. während sich ein anderer nie vom Auge auf das Gehirn fortpflanzt: und doch können beide für die Hornhaut und für das Zentralnerven- system des Kaninchens (bei direkter subduraler Infektion) gleich stark pathogen sein, so daß man effektiv in Verlegenheit gerät, wie man die Kaninchenvirulenz der beiden Virusrassen definieren oder dem Grade

nach einschätzen soll (Goodpasture und Teague). Die zutreffende Benennung derartiger Unterschiede ist aber schließlich eine cura posterior; wichtig erscheint dagegen, daß sie auch bei Herpesstimmen gleicher Provenienz, speziell bei Stämmen aus peribuccalem Herpes, beobachtet wurden, und daß daher ihr Vorkommen bei extra- buccalem bzw. genitalem Herpes nicht ausreicht, um das ein-

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heitliche Herpesvirus in zwei Virusarten aufzuspalten. Andere stich- haltige Argumente für eine solche Aufspaltung wurden meines Wissens nicht vorgebracht; die von Lipschütz beschriebenen Verschieden- heiten der Einschlußkörper («- und ß-Körperchen) scheinen mir nicht beweiskräftig genug zu sein, um die auf biologischem Wege festgestellte Identität in Zweifel ziehen zu können.

Die Eigenschaften des Herpesvirus müssen seine Schicksale in der Außenwelt bestimmen und sollten daher so geartet sein, daß sich aus ihnen die epidemiologischen Phänomene der her- petischen Infektionen d. h. die Besonderheiten ihres sporadi- schen und gehäuften Auftretens zwanglos ableiten lassen. Das ist je- doch, wie wir sogleich sehen werden, nicht der Fall. Man muß sich allerdings bei solchen Ueberlegungen vor Augen halten, daß das Herpes- gift den Körper des infizierten Menschen nur in der Form von viru- lentem Konjunktivaleiter, Sputum, Nasensekret, Blasen- inhalt und abgestoßenen Krusten der Hauteffloreszenzen verlassen kann. Die in der Literatur vorliegenden Daten über die Resi- stenz des in kompakte, tierische Hirnsubstanz einge- schlossenen Herpesvirus lassen sich in der gedachten Richtung nicht verwerten. Solches Material scheint seine Pathogenität mit außer- ordentlicher Zähigkeit zu konservieren, in Wasser wenigstens 5, in Milch 96 (Levaditi, Harvier und Nicolau), in Glyzerin 700, und in ausgetrocknetem Zustande 200 Tage (Le Fèvre de Arric). Das kommt aber, wie gesagt, für die Dauer der exogenen Existenz der vom kranken Menschen abgesonderten Herpeskeime gar nicht in Betracht. Das Herpesgift, wie es sich im Bindehautsekret oder im serösen Inhalt des Herpesbläschens vorfindet, ist jedenfalls weit hinfälliger, und wenn auch die betreffenden Angaben von Luger und Lauda, Löwen- stein, Mariani, Bastai und Busacca, Friedli u. a. weder übereinstimmend noch vollständig sind, so darf doch als gesichert gelten, daß die genannten Krankheitsprodukte durch Austrocknung (Friedli), durch Sonnenlicht (Blanc, Tsiminakis und Caminopetros), durch relativ niedrige Wärmegrade (Löwenstein, Luger u. Lauda), durch keimtötende Chemikalien (Mariani) innerhalb ganz kurzer Fristen ihrer Infektiosität beraubt werden. Eine ubiquitäre Verbreitung des Herpesvirus in der Umgebung des Menschen oder genauer aus- sedrückt außerhalb der für diesen Ansteckungsstoff empfänglichen Organismen muß daher schon aus diesem Grunde ausgeschlossen werden, ganz abgesehen davon, daß bisher auch nicht ein einziges Experiment gelungen ist, welches für das exogene Vorkommen von Herpeskeimen sprechen würde. Im Gegenteil: die skarifizierte Kaninchenkornea re- agiert leicht und sehr konstant auf den Kontakt mit infektiösem Material, und doch hat es sich noch nie ereignet, daß sich an ein un- spezifisches Trauma eine herpetische Keratokonjunktivitis angeschlossen hätte, sofern die Tiere vor direkter oder indirekter "Berührung mit spezifisch erkrankten Stallgenossen sicher geschützt waren. Im Baseler Hvgienischen Institut werden seit mehreren Jahren unausgesetzt Herpes- versuche ohne besondere Vorsichtsmaßregeln durchgeführt; trotz der zweifellos sehr ausgiebigen Verstreuung des Infektionsstoffes konnte kein gehäuftes Auftreten von Herpesausschlägen beim Personal der Anstalt beobachtet: werden, obzwar sich unter demselben zwei hoch- empfängliche Individuen (habituelle Herpetiker) befanden.

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Es drängt somit alles dazu, die alleinige Infektionsquelle im kranken Menschen zu suchen und als den natürlichen Ueber- tragungsmodus unmittelbare Kontakte oder indirekte Berührunzen mit kurzem Infektionsweg anzunehmen. Diese Hypothese setzt sich jedoch in unlösbaren Widerspruch zu einer ganzen Reihe von unleug- baren Tatsachen. Wie sollen wir uns die Erscheinung erklären, dab Meningitiker, Pneumoniker, menstruierende Frauen, habituelle Herpe- tiker der verschiedensten Observanz in einem herpesfreien Milieu, d. h. ohne mit herpeskranken Menschen in nachweisbare Beziehung getreten zu sein, herpetische Exantheme bekommen? Wenn Teissier, Ga- stinel und Reilly mit Hilfe der künstlichen Inokulation von Herpes: virus gezeigt haben, daß nicht alle Menschen gleich empfänglich sind. sondern daß das Haften der Impfung von konstitutionellen und kondi- tionellen Faktoren entscheidend beeinflußt wird, und daß speziell Zu- stände der eben bezeichneten Art das Zustandekommen einer herpe- tischen Infektion auffallend erleichtern, so wirft das nur auf die wech- selnde Disposition ein helles Licht, gibt aber keinen Aufschlud über die Exposition d. h. über die Gelegenheit zur spezifischen An- steckung. |

Man hat versucht über diesen Konflikt hinwegzukommen, indem man die unhaltbare Behauptung von der exogenen Ubiquität des Herpes- virus durch die Theorie einer endogenen Ubiquität ersetzte, die auf die Voraussetzung aufgebaut ist, daß die herpetische Infektion so gut wie nie ausheilt, sondern daß sie in eine lang dauernde Phase eines „latenten Mikrobismus“ (Bastai und Busacca), in ein chronisches „Herpesträgertum‘ übergeht. Bei der großen Ver- breitung der manifesten Erkrankungen müßte auch die Zahl solcher Herpesträger eine beträchtliche, die latente Durchseuchung der Mensch- heit eine fast allgemeine sein. Dieser Gedanke wurde in zwei, von- einander prinzipiell abweichenden Fassungen formuliert. Er gewann zuerst Beachtung, als Levaditi, Harvier und Nicolau, Doerr und Schnabel, Isaicu und Telia, Blanc und seine Mitarbeiter 1m Speichel herpesfreier Menschen ein Virus nachzuweisen ver- mochten, welche, auf die Kaninchenkornea übertragen, den typischen Grüterschen Impfeffekt, bei subduraler Injektion Encephalitis hervor- rief. Eine Verallgemeinerung dieser vereinzelten Befunde führte dann zu der Vorstellung, daß derartige Herpesträger und Herpesausscheider einerseits zu Infektionsquellen für ihre gesunde Umgebung werden, und andererseits das Kontingent der „herpesbereiten‘ Individuen stellen. d. h. jener Fälle, bei denen der Herpes spontan rezidiviert oder durch willkürliche Eingriffe auslösbar ist; der rezidivierende und der provo- zierbare Herpes sollten auf Autoinfektionen beruhen, die zustande- kommen, wenn die nachweislich so stark wechselnde Disposition infolge bestimmter sensibilisierender Einflüsse einen gewissen Schwellenwert überschreitet. Daß Virusträger in dem eben erörterten Sinne de fact existieren, läßt sich wohl nicht gut bestreiten; das genügt aber offenbar nicht, sondern wir müssen auf Grund der epidemiologischen Verhältnisse verlangen, daß sie unter einer gegebenen Menschenmasse in sehr hohem Prozentsatz auftreten, oder mit anderen Worten, daß sich Herpes- virus im Speichel vieler Personen, bei ,herpesbereiten Individuen sogar regelmäßig vorfindet. Nach manchen -\n- gaben könnte man dieses Postulat für erfüllt halten. Levaditi, Har- vier und Nicolau z. B. bekamen mit 80 Proz. der auf die Kaninchen-

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bornhaut übertragenen Speichelproben positive Resultate, Strauß, Hirschfeld und Loewe erzielten ungefähr ebenso oft Encephalitis, wenn sie das Nasopharyngealsekret verschiedener Menschen zu sub- duralen Infektionsversuchen verwendeten, und Grüter will eigen- tümlich abgeschwächte Varianten des Herpesvirus nicht nur bei einer groBen Zahl von Augenerkrankungen, sondern auch im normalen Bindehautsack ,„disponierter“ Menschen relativ häufig konstatiert haben. Flexner und AmoB unterzogen jedoch den wesentlichsten Teil dieser Ergebnisse einer berechtigten Kritik und gelangen bei eigenen, verläßlichen Nachprüfungen zu der Ueberzeugung, daB der Nachweis von typischem Herpesvirus im Mundspeichel mit Hilfe des Kaninchen- experimentes nur in den allerseltensten Fällen möglich ist, selbst wenn die Probe von einem Individuum stammt, das zur Zeit der Entnahme gerade an einem floriden Exanthem leidet; unter extrem günstigen Be- dingungen ausgeführte Untersuchungen dieser Art lieferten nicht mehr als einen einzigen, sicher positiven Befund und die Ex- perimente mit dem Mundspeichel herpesfreier Personen (darunter auch habitueller, im Intervall befindlicher Herpetiker) fielen insgesamt negativ aus.

In einer anderen Form wird die Lehre von der endogenen Ubi- quität von Bastai und Busacca verfochten; nach diesen Autoren bleibt die herpetische Infektion nicht auf die Haut, Schleimhaut oder Kornea beschränkt, sondern generalisiert sich sei es nun primär oder sekundär durch Uebertritt der spezifischen Erregerelemente ins Blut und in den Liquor. Und dort soll sich das Herpesvirus im infektionstüchtigen Zustand sozusagen lebenslänglich erhalten! Rezidive ‘und willkürlich hervorgerufene Herpesausschläge wären demzufolge nur akute Exazerbationen einer chronischen symptomlosen Infektion, die sich als das gesetzmäßige Residuum einer erstmaligen Ansteckung bei allen Menschen entwickelt, die einmal an manifestem Herpes gelitten haben. Von solchen Herpesträgern könnten selbstver- ständlich Infektionen von herpesfreien Individuen nur dann ausgehen, wenn sie sich gerade im Stadium eines Rückfalles befinden; in den intervallären Perioden müßten sie für ihre gesunde Umgebung harmlos sein. Auf die inneren Unwahrscheinlichkeiten dieser Hypothese brauche ich in diesem Kreise wohl nicht erst erneut hinzuweisen; sie sind so groß, daß nur die Macht unwiderleglicher Tatsachen imstande ist, eine Anerkennung zu erzwingen, gegen die sich sonst jeder Fachmann sträuben muß. Bastai und Busacca behaupten nun freilich, daß sie zum Teil unter Benützung einer besonderen Konzentrations- technik im Blut und namentlich im Liquor aller Menschen mit positiver Herpesanamnese das typische Virus mit sämtlichen essentiellen Kriterien (Pathogenität für die Cornea und das Gehirn von Kaninchen, serienweise Uebertragbarkeit, spezifisch immunisierende Wirkung) zu konstatieren vermochten. In schroffstem Gegensatz zu diesen dezidierten Angaber stehen aber die Versuche, welche Löwenstein, Schnabel, Friedli und Doerr, Ravaut und Rabeau, Mariani, Nicolau und Poincloux, Doerr und Zdansky, Flexner und Amoß über die Infektiosität von Blut und Liquor angestellt haben. Versuche, welche sich auf mehr als 200 verschiedene Proben erstreckten und von 2 zweifelhaften und einem anscheinend einwandfreien positiven Be- fund abgesehen durchweg negativ verliefen; das Material stammte nicht nur von herpesfreien Individuen (mit oder ohne Herpesanamncese),

Erste Abt. Orig. Bd. 97. Beiheft. 6

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sondern auch von habituellen Herpetikern und, was am wichtigsten ist, auch von Patienten, die gerade von zum Teil sehr ausgedehntem Herpesexanthem befallen waren. Dazu kommt noch, daß nach Le- vaditi und seinen Mitarbeitern intralumbal injiziertes Herpesvirus in der Regel schon innerhalb weniger Stunden aus dem Liquor ver- schwindet und selbst im eingeengten, d. h. auf 1’, des Ausgangsvoluns konzentriertem Lumbalpunktat nicht mehr nachgewiesen werden kann. Ich bin übrigens der Sache bis in die letzte Zeit nachgegangen und habe durch Rose untersuchen lassen: 1) das Gehirn einer Leiche mit ausgebreitetem Gesichtsherpes. 2) die Ventrikelflüssirkeit einer Leiche mit ausgedehntem peri- bukkalen Herpes «Tod infolge einer Grippepneumonie) und 3) das Lumbalpunktat eines Patienten, bei dem sich 24 Std. nach Punktion cin starker Herpes labialis entwickelte. Zahlreiche korncale und subdurale Ucbertragungen dieser 3 Proben auf Kaninchen hatten nicht den geringsten Erfolg und die Tiere wurden auch nicht gegen spätere Reinfektionen mi echtem Herpesvirus immun. Sie werden mir zugeben, dab man gerade kein grundsätzlicher Skep- tiker sein muß, um die Vermutung” auszusprechen, daß bei den Ar- beiten von Bastai und Busacca irgendwelche Fehlerquellen eine entscheidende Rolle gespielt haben und daß man die Ergebnisse dieser Autoren nicht früher verwerten kann, bevor sie durch einwandfreie Nachprüfungen in vollem Umfange verifiziert worden sind. Vorderhand behalten die negativen Aussagen, zu denen so viele verläbliche Experi- mentatoren gelangten, ihre Geltung und damit scheidet die an sich wenig plausible Theorie der langfristigen Persistenz von Herpeskeimen im Blut und im Liquor aus der Reihe der Erklärungsmöglichkeiten aus: sie wäre auch (selbst im Falle einer gesicherten Begründung) nur im- stande, den Mechanismus des Herpesrezidivs dem "Verständnis näher zu bringen, müßte aber gegenüber anderen Vorkommnissen der Epide- miologie dieser Krankheit versagen. Zu den rätselhaftesten Ereignissen dieser Art gehört entschieden der durch bestimmte Infektions- krankheiten oder durch willkürliche aspezifische Ein- griffe „provozierte“ Herpes. Es gibt Meningitisepidemien. bei denen fast alle Fälle einen Herpes aufweisen (Romberg), und DO Proz. betrachtet neuerdings György (Klin. Wochenschr. 192». Nr. 19) als die Regel. Bei der Malaria tritt Herpes im allgemeinen nur selten auf; R. Weeber beschrieb aber vor kurzem einen Malaria- stamm, der auf Paralytiker zu therapeutischen Zwecken verimpft, fast konstant den typischen Ausschlag hervorrief, und zwar merkwürdiger- weise stets nach dem 10. bis 12. "Fieberparoxysmus, später (nach zwel jähriger fortgesetzter Passage) nach dem 6. bis 7. Anfall. Wurde das Malariablut genügend lange in Blutegeln konserviert, so vermochte es zwar keine Malariainfektion, aber noch immer Herpesexantheme zu erzeugen. P. L. Friedrich, später Schottmüller, Culver neuestens auch Nägeli, sahen Herpescffloreszenzen nach Injektionen abgetöteter Bakterien (B. prodigiosus, Streptokokken, Colibakterien. Meningokokken, Arthigon usw.) auftreten, zum Teil bei 100. zum Teil bei 50, 20 und 12 Proz. der injizierten Patienten, wobei man den Eindruck gewinnt, daß die Differenzen nicht nur von der besonderen Beschaffenheit der Bakterienvaccins, sondern auch von der Zahl und Größe der einverleibten Dosen abhängig waren. Solche Erfahrungen sollten weiterhin systematisch gesammelt und namentlich in der Richtung

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ergänzt werden, ob sich Herpeseruptionen durch aspezifische Linflüsse auch bei Personen auslösen lassen, bei denen eine vorausgegangene homologe Erkrankung mit großer oder absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Ich konnte bisher nur eine Notiz finden, welche sich auf dieses Thema bezieht: meningitische Kinderunter3Jahren bleiben ausnahmslos von Herpes verschont. Das gibt natür- lich zu denken, reicht jedoch nicht aus, um unser Urteil in bestimmte Bahnen zu lenken. |

Wie die Dinge gegenwärtig liegen, bestehen meines Erachtens nur zwei Möglichkeiten, um allen Beobachtungen über das Auftreten her- petischer Ausschläge wenigstens auf spekulativem oder kombinato- rıschem Wege gerecht zu werden.

Hält man es a priori für bewiesen, dab das Herpesvirus nichts anderes sein kann als ein pathogener Elementarorganismus, so muß man notwendigerweise seine endogene Ubiquität, seine latente Existenz ım Körper der meisten Menschen, welche das erste Kindesalter hinter sich haben, zugestehen. Da aber der effektive Nachweis des spezifischen Ansteckungsstoffes (mit Hilfe des Experimentes am Kaninchen) bei herpesfreien Individuen nur in den allerseltensten Fällen einwand- frei erbracht wurde, muß man außerdem annehmen, daß die Erreger- zellen in den Organen oder Körpersäften so spärlich sind, daß sie mit den verfürbaren Methoden nicht mehr erfolgreich übertragen werden können, oder daB sie in den intervallären Perioden aus irgendeinem Grunde avirulent sind (spezielle Entwicklungsstadien?) und ıhre Patho- genität erst infolge aspezifischer aktivierender Faktoren zeitweilig zurückgewinnen. Hypothese und Hilfshypothese hängen hier einst- weilen vollständig in der Luft; spontane oder provozierte Erstinfektionen im herpesfreien Milieu bleiben nach wie vor eine offene Frage.

Oder man emanzipiert sich von dem Henleschen Dogma und faßt die Konzeption der unbelebten, nichtorganisierten Kontagien schärfer ins Auge, die im nichtinfizierten Or- ganismus neu gebildet werden können, wenn besondere, ihrer Entstehung günstige Umstände zusammentreffen. Es gehört freilich cin gewisser Mut dazu, diese so oft zu Grabe getragene Vorstellung erneut zur Diskussion zu bringen; das Schicksal der Seyderhelm- schen Experimente über die infektiöse Anämie der Pferde, die Ent- deckung mikroskopischer Parasiten bei mehreren durch sogenannte filtrierbare Virusarten hervorgerufenen Krankheiten könnten von einem derartigen Wagnis abschrecken. Aber eine Tatsache steht doch heute fest: die serienweise Uebertragbarkeit einer pathologischen Wirkung beweist ebensowenig wie die spezifisch immunisierende Fähigkeit das Vorhandensein eines belebten Elementarorganismus. Man pflegt sich hier immer auf die Bakteriophagen zu berufen; es existieren in der allgemeinen Pathologie jedoch noch andere Beispiele für übertragbare krankhafte und zum Teil auch spezifisch immunisierende Prozesse, bei denen eine Intervention von Mikroben nicht stattfindet. Ich ver- weeise nur auf einen der häufigsten und bekanntesten Vorgänge dieser Art, auf die aseptische Entzündung. In seinem ausgezeichneten Referat spricht Rößle von einem „fortzeugenden Gebären der IEntzündungsreize‘ und begründet unter Hinweis auf die Arbeiten von Lasch, Nathan, Sack sowie auf eigene Versuche die Vor- stellung, daß bei der Entzündung fortgesetzt Zellen zerfallen und daß die Zerfallsprodukte wieder an sich entzündungserregende Effekte ent-

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falten. Ist diese Ansicht richtig, dann müßte es natürlich auch möglich sein, aseptische Entzündungen durch entzündetes, wenn auch abge- storbenes Gewebe oder durch Extrakte aus demselben auf normale Tiere zu übertragen und das Phänomen der Passage ohne Zuhilfenahme von Mikroben zu reproduzieren. Aus den Untersuchungen von Rivers und Tillet sowie von Andrewes und Miller, deren Ergebnisse ich bei mehrfachen Nachprüfungen bestätigen konnte, geht hervor, dab diese Folgerung zutrifft. Injiziert man in den Hoden eines Kaninchens steriles Menschenserum und überträgt man unter Einhaltung gewisser zeitlicher Bedingungen die Hodensubstanz oder einen sterilen Extrakt derselben durch intratestikuläre Einspritzung auf ein zweites Kanin- chen usf., so treten nach der 4. bis 6. Hodenpassage immer heftiger werdende Orchitiden auf, die sich in manchen Reihen bis zur hämor- rhagischen Nekrose steigern. Hat ein Kaninchen eine solche Hoden- entzündung überstanden, so wird es gegen einen erneuten Eingriff der- selben Art immun. Der im Laufe der Passagen auftretende phlogogene Stoff läßt sich außerhalb des Kaninchenkörpers in Glyzerin konser- vieren und ist mit keiner der bekannten Virusformen, namentlich nicht mit Varizellen-, Vakzine- oder Herpesvirus identisch; wohl aber geben Andrewes und Miller an, daß sich in den Zellen der lokalen Er- krankungsherde Kerncinschlüsse vorfinden, welche den beim Herpes beobachteten ähnlich sind. Man wird sich wohl kaum entschließen, auch diese Erscheinungen, die freilich noch sorgfältig studiert werden müssen, auf ein neues Virus d. h. auf einen belebten Erreger zurück- zuführen, der beim Kaninchen „latent“ und ‚„ubiquitär‘ auftritt und durch aspezifische Einflüsse aktiviert (virulent) wird. Kann man doch beim Menschen eine mechanisch erzeugte Quaddel durch Quaddelsaft ebenfalls übertragen, wenn auch eine unbegrenzte Fortführung solcher Passagen bisher nicht geglückt ist.

Ich gebe zu, daß wir uns hier auf einem unsicheren Boden bewegen, auf dem jeder Schritt äußerste Vorsicht erheischt. Mir kommt es bei meinen heutigen Auseinandersetzungen nur darauf an zu zeigen: 1) daß sich das Vorkommen des Herpes simplex mit der Annahme eines belebten Erregers derzeit nicht vereinen läßt und 2) daß kein zwingender Grund für eine solche Annahme vorgebracht werden kann. Das gilt meiner persönlichen Ueberzeugung nach auch für die Lip- schützschen Kerneinschlüsse, ein Kapitel, auf das ich nicht weiter eingehe, da H. Stern, sowie Luger und Lauda die Bericht- erstattung über den Stand dieser Frage übernommen haben. Des- gleichen werde ich die Filtrierbarkeit des Herpesvirus als un wesentlich übergehen. Nur die Festellung, daß dieser Ansteckungsstoff bakteriendichte Filter nicht zu passieren vermag, besäße Bedeutung; die gegenteilige Behauptung, der fast alle Experimentatoren beipflichten, erlaubt keine wichtigeren Schlüsse, nicht ein- mal in der Richtung, daß die Kerneinschlüsse nicht Ansammlung der hypothetischen Herpesmikroben (Lipschütz) sein können. Denn wir wissen, daß es zweifellose (optisch faßbare und auf totem Nähr- substrat kultivierbare) Elementarorganismen gibt, welche durch die Poren unserer Hartfilter hindurchschlüpfen (Spirillen, Spirochäten, Sar- komerreger von Gye und Barnard usw.); andererseits schließt die Existenz nichtfiltrierbarer, mikroskopisch dimensionierter Entwicklungs- stadien das Vorkommen von filtrierbaren Formen keineswegs aus, wie aus zahlreichen Filtrationsversuchen mit größeren Spirochäten, Trypano-

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somen (W. W. Reich), Tuberkelbazillenkulturen u. dgl. hervorzugehen scheint.

Ich wende mich vielmehr der zweiten fundamentalen Eigenschaft des Herpesvirus zu:seiner von mir und Vöchting erstmals be- schriebenen Neurotropie. Als ich Kaninchen nach kornealer, sub- duraler und intravenöser Injektion von virushaltigem Material unter schweren nervösen Symptomen erkranken und innerhalb weniger Tage verenden sah, war ich selbst am meisten erstaunt, da dieser Erfolg mit der landläufigen Auffassung über die Harmlosigkeit herpetischer Pro- zesse in eklatantem Widerspruch stand. Ich drückte meine Ansicht über die erzielten Resultate mit der gebotenen Zurückhaltung aus und machte die Anerkennung des herpetischen Charakters der experi- mentellen Hirnerkrankung von dem Umstande abhängig, ob die Rück- übertragung des Virus vom Zentralnervensystem auf die Kornea des Kaninchens glücken würde oder nicht. Dieses Postulat wurde indes bald von BlancundCaminopetros, Salmann, mirundSchnabel erfüllt, und damit war naturgemäß (worauf ich bereits in meiner ersten Publikation ausdrücklich hinwies) der Impuls zu Nachforschungen ge- geben, ob nicht das Herpesvirus selbst oder nahe verwandte Virus- arten an der Enstehung infektiöser Encephalitiden des Menschen, speziell der Krankheit v. Economos in irgendeiner Form beteiligt sind. Die immer und immer wieder herangezogene Antithese der noto- rischen Harmlosigkeit des kornealen und kutanen Herpes einerseits, der Malignität der Encephalitis epidemica andererseits hatte nun offenbar umsoweniger Sinn, als die so imponierende Differenz der Folgen für den Gesamtorganismus lediglih durch die verschiedenartige Lokalisation eines und desselben Infektionsstoffes bedingt sein konnte. Für das Kaninchen war aber die Möglichkeit einer Ansiedlung der Herpeskeime im Zentralnervensystem mit allen ihren deletären Konsequenzen festgestellt und es konnte sogar durch Levaditi, Good- pasture und Teague, Marinescu und Draganescu, A.v.Szily, Mariani u. a. gezeigt werden, daß sich die Neurotropie nicht nur in der Vermehrung und pathogenen Auswirkung der Herpeskeime in den zentralen Nervengeweben ausprägt, sondern daß sie auch für die Bahnen maßgebend ist, auf denen das Virus von irgendeinem Punkte der Peripherie zur Nervenachse, sozusagen zum Erfolgsorgan fort- wandert. Diese Bahnen sind, woran nicht mehr gezweifelt werdenkann,diesensorischen,sensiblen und motorischen Nervenstränge. Damit war eine wertvolle Analogie zum L,yssavirus, aber auch zum Tetanustoxin statuiert, d. h. Krankheitsgiften, denen wir zum Teil belebte, zum Teil unbelebte Beschaffenheit zu erkennen; gleichzeitig mußte sich aber auch unscre Einstellung zum Problem der Aetiologie der menschlichen infektiösen Encephalitiden automatisch ändern und es war ein Gebot der Logik und kein hartnäckiges Verfolgen utopischer vorgefaßter Meinungen, wenn von verschiedenen Seiten, vor allem von Levaditi, Blanc und mir die Frage aufgeworfen wurde, ob die starke und gesetzmäßige Affinität des Herpesvirus zum Kanin- chengehirn eine reine Relativität, den Ausdruck einer isoliert da- stehenden Speziesdispositition darstellt oder ob sie bei allen Warm- blütern, deren Integument und Hornhaut für die herpe- tische Infektion empfänglichist, in Erscheinung tritt oder doch unter bestimmten Bedingungen in Erscheinung treten kann. Eine Sonder- stellung des Kaninchens war von vornherein wenig wahrscheinlich.

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Es wird heute ziemlich allgemein und mit Recht angenommen, daß die (sonst ganz unverständlichen) Organotropismen belebter und unbelebter Krankheitsgifte auf der chemischen Zu- sammensetzung der bevorzugten Gewebsparenchyme be. ruhen, und es ist nicht recht plausibel, daß sich in dieser Beziehung Haut und Cornea beim Menschen, Kaninchen, Meerschweinchen, Affen und bei der Ratte gleich verhalten, während das zentrale Nerven- system des Kaninchens von dem der anderen genannten Tierspezies gänzlich abweicht. Das trifft auch de facto gar nicht zu. Teissier, Gastinel und Reilly erzielten bei Ratten durch korneale Impfung mit Herpesvirus eine letal ablaufende, sicher her- petische Encephalitis, und Peiser beobachtete beim gleichen Versuchstiere Lähmungen der betreffenden Extremitäten, wenn er virulentes Material in die verletzte Metatarsalhaut inokulierte. Beim Meerschweinchen bekamen Goodpasture und Teague durch Infektion der besonders präparierten (durch Teerpinselungen gereizten) Rumpfhaut nicht nur eigentümliche, bandförmig (zosteriform) ange- ordnete Blaseneruptionen, sondern bei Jungen Tieren auch Lähmungen, als deren anatomisches Substrat eine herpetische Myelitis histo- logisch und experimentell nachgewiesen werden konnte. Rose nat sich dann mit der Herpesinfektion der Meerschweinchen in meinem Institut eingehender beschäftigt und ist dabei zu sehr interessanten (zum grübten Teil noch nicht veröffentlichten) Ergebnissen gekommen. Er bediente sich der von Gildemeister und Herzberg (für Meerschweinchen) vorgeschlagenen Kutanimpfung der Metatarsalhaut; in 19 von 26 Fällen verliefen die Versuche positiv, indem sich an den Eingriff eine cha- rakteristische lokale Erkrankung anschloß und in 11 von diesen 19 Fällen entwickelten sich Lähmungen der geimpften Extremitäten die zum Teil wieder völlig zurückgingen, zum Teil aber auch monate- lang stationär blieben. Zuweilen (in 5 Fällen) wurde der Verlauf durch Paresen und Paralysen der Blasen- und Mastdarmschließmuskeln kom- pliziert. Gildemeister und Herzberg, Waldmann, Fortner (Centralbl. f. Bakt. I. Abtlg. Referate. Bd. 79. S. 377. 1925) scheinen zu glauben, daß die Motilitätsstörungen der Meerschweinchen aus- schließlich auf die Schwere der Veränderungen an den Fubsohlen zurückzuführen sind, welche den Gang der Tiere infolge der Schmerzen und der veränderten Sensibilität beeinträchtigen. Diese Erklärung ist indes schon durch die Arbeit von Goodpasture und Teague wider- legt. Um Sie, meine Herren, von dem wahren Sachverhalt zu über- zeugen, habe ich einige Präparate mitgebracht; der erste Blick auf die gefärbten Querschnitte des Lumbalmarkes solcher paralytischer Meer- schweinchen läßt ohne weiteres die intensiven und ausgedehnten Läsionen der Hinterstränge der geimpften Seiten erkennen, den Verlust der Markscheiden und die reparatorischen Wucherungen der mesenchymalen Strukturen. Die genauere experimentelle, neurologische und pathologisch- anatomische Analyse dieser herpetischen Mcerschweinchenmyelitis durch die Herren Rose, Walthard und meinen Bascler Kollegen Prof. Bing ist bereits im Gange, und ich will hier den Resultaten, die m mehr. als einem Belange Beachtung verdienen, nicht vorgreifen. Als sicher darf jedoch gelten, daß die Myelo- Encephalotropie des Herpesvirus ebensowenig wie seine zentripetale Fort- leitung in peripheren Nerven bloße ,Kaninchenphäno- mene“ sind, sondern daß sie bei allen herpesempfäng-

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lichen Laboratoriumstieren leicht und ohne gekünstelte Versuchsanordnung nachgewiesen werden kônnent!).

Nur die Affen scheinen eine Ausnahme zu bilden, was denn auch sofort zu allerlei Kombinationen und Vergleichen mit dem Verhalten der Menschen Veranlassung bot. Man kann nämlich bei Affen (Schim- pansen, Macacus sinicus, cynomolgus, rhesus und bei Callithrix) Hauteffloreszenzen erzeugen, wenn man Herpesvirus vom Menschen oder vom Kaninchen auf die skarifizierte Rumpfhaut überträgt; die Entwicklung einer konsekutiven Encephalitis wurde dagegen bisher noch nicht beobachtet und selbst die direkte subdurale Einspritzung virulenter Materials war nur in 30 Proz. der Versuche von positivem Erfolge begleitet. (Blanc und Caminopetros, Levaditi und seine Mitarbeiter, Teissier, Gastinel und Reilly). Es ist aber zu berück- sichtigen, daß die Rezeptivität der verschiedenen Affenspezies über- haupt sehr gering ist, indem kutane Infektionen oft resultatlos oder abortiv verlaufen; die korneale Impfung lieferte von einem Schimpansenversuch abgesehen durchweg negative Ergebnisse. Schon dieser Umstand ist danach angetan, die Nutzanwendungen auf den Menschen (die übrigens von den verschiedenen französischen Autoren in diametral entgegengesetztem Sinne gemacht wurden) in eine recht ungünstige Beleuchtung zu rücken. Ferner ist die Zahl der Affen- experimente viel zu klein, um aus denselben bestimmte, wenn auch nur für das Verhalten der Affen gültige Forderungen zu deduzieren. Ich er- innere Sie daran, wie viele Kaninchen korneal infiziert worden sind, bevor die Neurotropie und die Nervenwanderung bei dieser Tierart evident wurden und wie man erst allmählich zur Einsicht kam, daß die Fähigkeit der spontanen Fortpflanzung im Kaninchennerv eine spezielle Eigenschaft darstellt, die manchen Herpesstämmen von Haus aus voll- ständig abgeht und auch durch Passagen nicht angezüchtet werden kann. Ganz ähnlich liegen die Verhältnisse beim Meerschweinchen; auch hier wandern nur gewisse Varianten des Herpesvirus von der Fußsohlenhaut zum Rückenmark (Gildemeister und Herzberg, Rose u. a.) und eine keratogene Encephalitis wurde noch von keinem Experimentator erzielt. Rose stellte sogar fest, daß manche Stämme zwar auf der Haut und auf der Cornea des Meerschweinchens typische lokale Veränderungen hervorrufen, daß sie aber, subdural verimpft, keine tödliche Encephalitis auszulösen vermögen. Diese außergewöhn- lich große Variabilität des Herpesvirus ist ein Faktor, mit dem man stets rechnen muß, worauf ich ja bereits in einem anderen Zusammenhange hingewiesen habe.

Beim Menschen müssen wir selbstverständlich der klinischen Beobachtung das erste Wort lassen, und diese sagt uns, daß Herpes- exantheme auf der Haut, gewissen Schleimhäuten, auf der Cornea häufig auftreten, daß sogar eine eigene Krankheit existiert, die Febris herpetica, die wir als eine reine, unkomplizierte Allgemeininfektion mit Herpesvirus auffassen, daß aber zuverlässige Angaben über postherpetische Encephalitiden oder über schwere Hirn- erscheinungenals Begleitsymptome deraufgezählten Zu-

1) Encephalotropie und Nervenwanderung konnte Rose neuerdings auch bei der weißen Maus feststellen. Korneal infizierte Mäuse erkrankten und verenden an Encephalitis und im Gehirne der verendeten Exemplare läßt sich Herpesvirus durch Ueberimpfung auf Kaninchen nachweisen.

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stände nicht vorliegen, obwohl solche Ereignisse nicht unbemerkt geblieben sein könnten. Rose hat allerdings für das Meerschweinchen den Beweis geliefert (noch nicht publiziert), dab kutan oder korneal infizierte Tiere gegen subdurale Reinfektionen absolut immun werden, während das Ektoderm, wenn auch in gemin- dertem Grade, seine Empfänglichkeit bewahrt; es wäre daher immer- hin denkbar, daß bei der überwiegenden Mehrzahl der erwachsenen Menschen das Zentralnervensystem infolge vorausgegangener Herpes- attaken refraktär geworden ist, obwohl die Haut -— wie bekannt keine spezifische Immunisierungstendenz erkennen läßt!). Es muß je- doch auch beim Menschen herpetische Erstinfektionen geben und bei diesen entwickelt sich das encephalitische Syndrom eben- sowenig wie bei Reinfektionen.

So wie durch die Entdeckung cines spezifischen Ansteckungs- stoffes werden wir also auch dureh die im Experiment zutage tretende Neurotropie desselben vor einen Widerspruch gestellt, ein Widerspruch, der in der Behauptung gegeben ist, daß das Herpesvirus bei allen emplängliehen Tierspezies neurotrop und für das Zentralnervensystem pathogen ist, nur gerade beim Menschen nicht, dessen hohe Rezeptivität in der Frequenz spontaner Infektionen der ektodermalen Gewebe zum Ausdruck kommt. Der Lebensraum der Herpeskeime, der natürliche Ort ihrer Entstehung und Vermehrung ist der menschliche Organismus: wir kennen keinen einzigen Herpesstamm, der nicht aus dieser Quelle stammt. Und nun sollen wir zugeben, daß dieses Virus, künstlich in ein ihm phylogenetisch ganz fremdes Milieu verpflanzt, neue starke Aktivitäten entfaltet, die ihm früher niemals zu eigen waren, gleich- gültig ob wir dieses Milieu in den Körper eines Kaninchens, eines Mecrschweinchens oder einer Ratte verlegen! Das biologische Denken kann nicht vor einer derartigen Unwahrscheinlichkeit resigniert Halt machen; man muB wenigstens versuchen, die scheinbare Ausnahme zu erklären. und da taucht von selbst die Frage auf, ob wir denn wirklich keine nervöse Störung beim Menschen beobachten, die auf eine her- petische Infektion bezogen werden darf.

Der „neuralgische“ Herpes sowie jene von Luger und Lauda studierten Fälle, in denen sich echte herpetische Hauteffloreszenzen im Verteilunesgebiete peripherer Nerven lokalisieren (sogenannter „Her- pes zosteriformis‘), lehren, daß auch beim Menschen nervöse Ge- websstrukturen in Mitleidenschaft gezogen werden können. Wie steht es aber mit der auf Grund der Tierexperimente zu fordernden Ence- phalotropie? Dieses Problem zerfällt, streng genommen, in zwei

1) Von diesem Standpnnkte aus erscheinen die vergeblichen Versuche, beim Men- schen durch intralumbale oder intravenöse Injektion von Ilerpesmaterial Encephalits hervorzurufen (Bastai und Busacca, Grüter). nicht beweiskräftig. da sie die Möglichkeit einer erworbenen Immunität der nervösen Zentralorgane nicht berück- sichtigen. Abgesehen davon, ist es fragiieh, ob geeignete Herpesstämme benützt wurden; die Verwendung von Kaninchenpassagevirus (Bastai und Busacca) kann an sich eine Fehlerquelle bedeuten, weil die Kaninchenpassage die „Menschenvirulenz” erfahrungsgemäß vermindert (Doerr, Teissier, Gastinel und Reilly). Andererseits gestatten jedoch auch die Beobachtungen von Nicolau und Poin- cloux (C. r. Soe. Biol. T. 91. 1924. p. 1063), daß man bei chronischen Encepha- litikern (Parkinsoristen) dureh intralumbale Einspritzung von Herpesvirus eine akute Exazerbition des Leidens („eneephalite en miniature“) zu provozieren im- stande ist, keinen Schluß auf die encephalitogene Wirkung dieses Krankheitsgiftes für den Menschen.

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Teile, die man bisher immer miteinander vermengt hat und die sich in folgender Form in Worte kleiden lassen:

1) Kann sich beim Menschen infolge einer herpetischen Lokal- oder Allgemeininfektion eine Encephalitis entwickeln und

2) Ist die zuerst durch v. Economo beschriebene und als klinische Entität erkannte Krankheit auch ätiologisch einheitlich und darf sie im besonderen als eine Encephalitis herpetica aufgefaßt werden?

Auf beide Fragen sollte der Befund von typischem Herpes- virusim Gehirn oder im Liquor von Encephalitikern be- friedigende Antwort geben.

Unter einer sehr großen Zahl einschlägiger Untersuchungen konnte jedoch nur in sechs Fällen ein einwandfrei positives Resultat erzielt werden, und selbst diesen vereinzelten positiven Ergebnissen hat man jeden Wert abgesprochen. Die herrschende Ansicht geht dahin, daB es sich nur um „akzidentelle Verunreinigungen“ der untersuchten Proben mit Herpeskeimen gehandelt habe, d. h. korrekter ausgedrückt, daß die Hirnsubstanz oder der Liquor in den betreffenden Fällen rein zufällig Herpeskeime enthielt. Als Begründung wird angeführt, daß Herpesvirus auch im Zentralnervensystem (Liquor) von Nichtencephalitikern nachgewiesen werden kann. Wie ich ausführ- lich auseinandergesetzt habe, steht indes diese Behauptung auf sehr schwachen Füßen und bedarf dringend einer zuverlässigen Nachprüfung; sollte es sich aber herausstellen, daß sie den Tatsachen entspricht, so wäre die ganze Argumentation meines Erachtens noch immer hinfällig. Nehmen wir einmal ein geläufiges Beispiel her. Diphtheriebazillen finden sich bei Diphtheriekranken, ebenso oft oder öfter jedoch bei (sesunden (Dauerausscheidern und Trägern); und doch zweifelt niemand an der ätiologischen Bedeutung dieser Bakterienart. Warum? Weil wir aus dem Tierexperiment den Beweis für die spezifische Pathogenität dieser Stäbchen abzuleiten berechtigt sind, weil wir die klinischen Symptome der Diphtherie in Versuchen zu reproduzieren vermögen, für deren Ge- lingen nur zwei Komponenten notwendig sind: ein empfänglicher Or- sanismus und der in diesem Falle belebte Erreger. Genau die gleiche Situation ergibt sich, wenn man bei einem Encephalitiker im erkrankten Organ Herpesvirus antrifft, und zwar als einzigen nachweisbaren (über- tragbaren) Infektionsstoff, und wenn andererseits gezeigt werden kann, daß dieses Agens bei allen empfänglichen Tierspezies Encephalitis er- zeugt. Ich sehe für meinen Teil keine Möglichkeit, unter solchen Um- ständen jeden ursächlichen Konnex zwischen der Hirnerkrankung und der Anwesenheit des Herpesvirus dezidiert in Abrede zu stellen. Fände man dieses Virus gelegentlich oder (wie Bastai und Busacca ver- sichern) häufig im Liquor von Individuen, die weder zur Zeit der Entnahme noch früher an Encephalitis leiden resp. gelitten haben, so wäre das nur ein weiterer Beleg für seine Affinität zum Zentral- nervensystem des Menschen, für eine Affinität, die ohne gleichzeitige Pathogenität für das bevorzugte Gewebe unvorstellbar wird.

Klinisch und (soweit Sich dies konstatieren ließ) pathologisch- histologisch paßten die Fälle, bei denen Herpesvirus nachzuweisen war, in den Rahmen der Economoschen Krankheit; wenn Kling die Dia- enosen bewährter Fachleute ohne Kenntnis der ausführlichen Kranken- geschichten und der detaillierten Sektionsbefunde bestreitet, so muß ich dagegen nochmals entschiedene Verwahrung einlegen. Es ist jedoch bekannt, daß die symptomatologische nnd anatomische Aehnlichkeit bzw.

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Identität pathologischer Prozesse die ätiologische Einheitlichkeit durch- aus nicht verbürgt, und man wäre daher kaum in der Lage, gegen eine ätiologische Abtrennung der Encephalitiden mit positivem von jenen mit negativem Herpesbefund unwiderlegbare Gründe ins Treffen zu führen. Innere Wahrscheinlichkeit hat diese Auffassung allerdings nicht; sie läßt sich zwar nicht zuverlässig widerlegen, aber ebensowenig überzeugend motivieren. Alle Bemühungen, mit den modernen Methoden der experimentellen ätiologischen Forschung bei der Encephalitis epi- demica s. lethargica ein anderes neurotropes Virus nachzuweisen, sınd nämlich im Lichte unvoreingenommener Kritik als gescheitert zu be- trachten, von den Arbeiten von Strauß, Loewe und Hirschfeld angefangen bis zu den Untersuchungen von Kling, Bastai, Silber- stein u. a. Das wird auch von den meisten objektiv urteilenden Autoren rückhaltlos zugestanden (vgl. die neueren Publikationen von Flexner u. Amoß, Ottolenghi usw.); zum größten Teile konnten übrigens die Irrtümer, auf denen die vermeintlich positiven Befunde beruhten, aufgedeckt werden, wie z. B. Verwechslungen mit Lyssavirus oder mit dem Erreger der spontanen Kaninchenencephalitis. Da aber der infektiôse (übertragbare) Charakter der Encephalitis epidemica in Anbetracht ihres epidemischen Auftretens und ihrer in Einzelfällen nachgewiesenen Ansteckungsfähigkeit. (Stiefler) nicht zu bezweifeln ist, wird die Zahl der vom Standpunkte der Logik zulässigen Kombi- nationen auf zwei eingeschränkt:

Entweder existiert ein spezifisches, vom Herpesvirus verschiedenes. aber gleichfalls exquisit neurotropes Virus encephalitidis epidemicae,

oder es ist zwar das Herpesvirus, das diese Hirnerkrankung hervor- ruft, das aber durch das Parasitieren im menschlichen Zentralnerven- system seine Tierpathogenität und damit seine Nachweisbarkeit in der Regel einbüßt. Experimentelle Anhaltspunkte für das Zustandekommen solcher Modifikationen des Herpesvirus gibt es in Menge, und Rose, der demnächst eine Zusammenstellung dieser Erscheinungen veröffentlichen wird, Konnte selbst Beiträge zum Thema der variablen Wirkungsquali- täten dieses merkw ürdigen Infektionsstoffes sammeln.

Ich halte es nicht für notwendig, die eben präjizierte Alternative breit zu diskutieren. Die Entscheidung muß ohnehin der Zukunft vorbehalten bleiben, und man kann derzeit, wenn man nicht voreilig Partei ergreifen will, nicht mehr sagen als: Non liquet.

Damit ich aber keinen Gesichtspunkt vernachlässige, der sich aus den Forschungsergebnissen der letzten Jahre ergibt, will ich auf die interessanten Untersuchungen von Gye und Barnard über die Aetio- logie gewisser mesenchvmaler Neubildungen, speziell der übertragbaren Sarkome, kurz hinweisen. Ich stütze mich dabei der Hauptsache nach auf das Referat von Teutschländer (in der Klin. Wochenschr. 4. Jahr- gang. 1925. S. 1698). Gye und Barnard zeigen, daß zur erfolg- reichen Uebertragung der bekannten Rous-Sarkome des Huhnes auber dem eigentlichen, vermehrungsfähigen und kultivierbaren, Filterkerzen passierenden Erreger noch ein zweiter, spezifischer, unbelebter aktor, eine chemische Substanz, notwendig ist, die aus dem Tumorgewebe dar- gestellt werden kann; jede der beiden Komponenten für sich allein injiziert, vermag den ncoplasmatischen ProzeB nicht in Gang zu bringen. Teutschländer warnt mit Recht davor, die Resultate von Gye und Barnard zu verallgemeinern und sie auch nur auf sämtliche Malignome auszudehnen. Ich habe aber (in Gemeinschaft mit Zdansky) an

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anderer Stelle bereits betont, daß gerade für die Encephalitis epidemica die Annahme eines infektiösen Agens nicht vollständig ausreicht, und daß die Intervention einer zweiten, nicht-infektiösen Bedingung durch ver- schiedene klinische und epidemiologische Beobachtungen nahegelegt wird. Der von Silberstein geführte Nachweis, daß sich im Gehirn von Eck-Fistel-Hunden, die mit Eiweiß gefüttert werden, eine übertragbare Encephalitis entwickelt, ist gewiß geeignet, diese, dem Mikrobiologen nicht geläufige Ansicht aus dem Bereiche bloßer Vermutungen zu rücken. Die Nutzanwendung solcher Ueberlegungen auf das Verhältnis der En- cephalitis herpetica der Laboratoriumstiere zur Encephalitis epidemica des Menschen ist freilich einstweilen noch nicht ganz klar, und ich darf mich daher auf diese Andeutungen beschränken.

Zum Schluß noch einige Bemerkungen über die Beziehungen des Herpesvirus zu anderen, dermo- und neurotropen Krankheitserregern. Es ist natürlich nicht nur statthaft, sondern durchaus zweckmäßig und für die experimentelle Fragestellung fruchtbar, wenn man vorhandene Aehnlichkeiten wie Filtrierbarkeit, Organotropismen, Ausbreitung im empfänglichen Organismus, Zelleinschlüsse u. dgl. hervorhebt, und es läßt sich nichts dagegen einwenden, wenn solche als gemeinsam erkannte Merkmale zu provisorischen Klassifikationen bestimmter Gruppen von Infektionsstoffen herangezogen werden, selbst wenn hierbei nicht allgemeingültige naturwissenschaftliche Prinzipien, sondern spe- zielle Bedürfnisse der angewandten medizinischen Mikrobiologie maß- gebend sind. Verwandtschaft in dem bezeichneten Sinne d. h. Vor- handensein einer Reihe von gleichartigen physikali- schen und biologischen Eigenschaften bedeutet aber nicht Identität oder (bei organisierten Kontagien) Zugehörigkeit zu derselben Spezies; sie berechtigt auch nicht dazu, einen geneti- schen Zusammenhang der verwandten Virusarten anzunehmen und die eine aus der anderen entwicklungsgeschichtlich abzuleiten oder gar einen solchen Uebergang noch unter den gegenwärtigen Ver- hältnissen als möglich hinzustellen. Wenn wir zwischen Straßen- virus und Virus fixe der Lyssa, zwischen Variola, Vakzine, Ovine und Lapine einen engeren Konnex für erwiesen erachten, so sind nicht bloße Analogien, sondern weit gewichtigere Gründe bestimmend; schon die Identifizierung von Variola und Varicellen (Sahli) stößt aber auf Widerspruch, weil eben der Beweis nicht auf der Basis von realen Tatsachen erbracht werden kann.

Vermeidet man auf diese Weise a limine die Vieldeutigkeit, die im Ausdruck „Verwandtschaft“ sprachlich gegeben ist, so fällt die Stellungnahme zu den Ansichten von Luger und Lauda nicht schwer. Luger und Lauda leugnen, daß zwischen Herpes und Zoster eine tiefgreifendere ätiologische Differenz besteht, weil sie in äußerst seltenen Fällen imstande waren, in zosteriform angeordneten Dläschenausschlägen typisches Herpesvirus nachzuweisen. Nach meiner Auffassung, die auch Lipschütz teilt, ist diese Begründung nicht stichhaltig. Den von Luger und Lauda konstatierten Ausnahmen steht eine kaum mehr zu übersehende Zahl absolut negativer Befunde gegenüber, die in neuerer Zeit noch von Belin und von mir (nicht publiziert) erheblich ver- ` mehrt wurden. Im Inhalt von Zostereffloreszenzen findet sich so gut wie nie ein Infektionsstoff mit den typischen Wirkungsqualitäten des Herpesvirus, ja es darf ernstlich bezweifelt werden, ob Zostermaterial überhaupt auf die für Herpes empfänglichen Laboratoriumstiere mit

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Erfolg übertragen werden kann. Mir selbst Sie werden es wohl verstehen, daß ich in einer kontroversen Frage auf eigene Erfahrungen einiges Gewicht lege ist es bisher kein einziges Mal gelungen, mit Zostermaterial am Kaninchenauge eine deutliche und in Serien ver- ıimpfbare Reaktion hervorzurufen, wie sie (ebenfalls wieder nur als gelegentliche Ausnahme von der Regel) von Blanc und Camino- petros, Lipschütz, Cipolla, Mariani, Marinescu, Luger und Lauda beobachtet und beschrieben wurde; direkte subdurale In- jektionen verliefen stets vollkommen negativ. Daß sich echte rlerpes- blasen ab und zu auch nach Art der Zostereffloreszenzen gruppieren können und daß dann der Herpesinfekt morphologisch-klinisch des Aus- sehen eines Zono-Exanthems kopiert, ist in Anbetracht der Neurotropie der Herpeskeime nicht befremdend; im Meerschweinchenexperiment ist es, wie Goodpasture und Teague zeigten, ohne weiteres möglich, der kutanen Herpesinfektion die Erscheinungsform des Zoster, die gürtelförmige Lokalisation aufzuzwingen, ohne daß dadurch die tvpi- schen Merkmale des Herpesvirus irgendeine Aenderung erleiden d. h. ohne daß sich Herpesvirus in die angebliche Zostervariante umwandelt.

Die ätiologische Abtrennung des Herpes von der Zona erscheint übrigens auch aus anderen Gründen notwendig. Die Zostererkrankung hinterläßt beim Menschen eine homologe Immunität gegen Reinfektionen der Haut, und im Serum der Rekonvaleszenten treten ambozeptorartige Antikörper auf, die mit einem aus Zostermaterial dargestellten Antıgen spezifische Komplementbindung geben (Netter und seine Mitarbeiter‘, die (spontane oder artefizielle) Herpesinfektion immunisiert dagegen nicht, die Haut bleibt auch nach wiederholten Herpeseruptionen empiang- lich (Teissier, Gastinel und Reilly), das Serum liefert weder mit Herpes- noch mit Zosterantigen eine positive Komplementbindungs- reaktion (Netter und Urbain). Bei bestimmten Affenarten (Callı- trichus)ruft zwar die experimentelle Infektion der Haut mit Herpes- virus Antikörperbildung hervor; aber diese Antikörper reagieren eben nur mit Herpes- und nicht mit Zosterantigen (Todorovitsch). Die Inkubation der experimentellen Herpesinfektion beträgt beim Menschen 1—2, höchstens 3—4 Tage, jene der experimentellen Zosterinfektion 9—14 Tage (Kundratitz) usi.

Das muß meines Erachtens genügen, um die ätiologische Identifi- zierung von Herpes und Zoster in dem von Luger und Lauda inten- ddierten Sinne bis auf weiteres abzulehnen. Die (nur partielle) Aehnlich- keit der Symptomatologie darf uns nicht zu weitergehenden Schlüssen verleiten, noch weniger natürlich die noch heute übliche gemeine Be- zeichnung „Herpes“; vor Mißgriffen der letztgenannten Art sollte schon die Geschichte der Erforschung der Aetiologie des „Typhus“ schützen, die zum großen Teil einen Kampf gegen die Diktatur cines Namens darstellt.

Wenn man derzeit genetische Relationen zwischen Zostervirus und anderen dermotropen Virusarten nicht nur vermuten, sondern beweisen will, kann sich die Diskussion nicht um das Herpesvirus, sondern nur um den Erreger der Varicellen drehen. Die auf klinische und vor allem auf epidemiologische Momente aufgebaute Hypothese von Bókay ge- wann durch die serologischen Untersuchungen von Cornelia de Lange, Netter und seinen Mitarbeitern, Todorovitch, namentlich aber durch die bemerkenswerten Arbeiten von Kundratitz über die experimentelle Ucbertragung des Zoster auf empfängliche Menschen

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(vgl. auch Knöpfelmacher, Leiner u. a.) festeren Boden. Da sich indes am literarischen Tatbestand, wie ich ihn in meinem Referat im Centralblatt für Haut- und Geschlechtskrankheiten skizziert und kritisch besprochen habe, nicht viel geändert hat, will ich auf eine eingehendere Darstellung dieses Kapitel verzichten und nur bemerken, daß die Er- gebnisse der homologen und gekreuzten Komplementbindungsreaktionen nicht allseitig anerkannt worden sind (Luger und Lauda), und daß daher eine Nachprüfung mit einer einheitlichen Technik und mit iden- tischen Antigenpräparaten wünschenswert erscheint.

In der Sitzung der Berliner Gesellschaft für Mikrobiologie vom 15. Juni 1925 teilten endlich Gildemeister und Herzberg Ver- suche mit, aus denen hervorgehen soll, daß zwischen Herpes- und Vakzinevirus gesetzmäßige Immunitätsbeziehungen existieren, die bei gekreuzten Infektionen der Kaninchenkornea oder der Metatarsalhaut von Mcerschweinchen manifest werden und die auch in der Tatsache zum Ausdruck kommen, daß das Serum herpesimmuner Kaninchen nicht nur Herpesvirus (Flexner und Amoß), sondern auch Vakzine- vırus abzutöten vermag. Gildemeister und Herzberg werfen die Frage auf, ob der Herpeskeim nicht eine Variante des Pockenerregers oder umgekehrt der Pockenerreger eine Spielart des Herpesvirus sein könnte. Die ausführliche Mitteilung habe ich noch nicht zu Gesicht bekommen, sondern nur einen kurzen, in Schlußsätze gefaßten Bericht; ich kann mich daher zu dieser neuen Theorie nur mit Vorbehalt äußern. Sachlich sei betont, daß die durch Herpesinfekte hervorgerufene Resi- stenz der Haut und der Kornea gegen Vakzineimpfungen nur eine par- tielle war, und zwar selbst dann, wenn die homologe Immunität einen absoluten Grad erreicht hatte, d. h. wenn Reinfektionen mit Herpes überhaupt nicht mehr hafteten. Ferner, daß sich Gildemeister und Herzberg über die so wichtige Umkehrung der Versuchsanordnung,

d. h. über den Schutz, den Vakzineimmunität gegen nachträgliche In-.

okulation von Herpesvirus verleiht, nicht aussprechen, daß aber doch ganz bestimmt angegeben wird, daß das Serum vakzineimmuner Kanin- chen auf die Pathogenität von virulentem Herpesmatcrial nicht ab- schwächend oder zerstörend einwirkt. Danach wären also die „immuni- satorischen Beziehungen‘ zwischen Herpesvirus und Vakzine, selbst wenn man sie schon als erwiesen ansieht, nicht nur unvollkommen, sondern auch einseitig. Das Verhalten des Virus der Variola wurde überhaupt nicht geprüft, eine Lücke, auf die M. Hahn aufmerksam machte. Beim Menschen, dem natürlichen Wirt der Herpes- und Variola- errcger, kennen wir und das ist wohl die Hauptsache keine Beobachtung, welche die von Gildemeister und Herzberg be- schriebenen Phänomene widerspiegeln würde. Meines Wissens hat man noch nichts davon gehört, daß eine kutane Vakzination bei Menschen, die von Herpes befallen sind oder an habituellem Herpes leiden, nicht angeht, oder daß die Frequenz des Herpes in gut durchgeimpften Be- völkerungsmassen merklich geringer ist als bei schlechtem Impfzustande. Es wäre das übrigens a priori nicht recht verständlich, da die Haut des Menschen zwar vakzineimmun, aber nicht herpesimmun werden kann.

Alle derartigen Hypothesen beanspruchen zweifellos unser Interesse, da sie einmal zu bestimmten Vorstellungen über den Ursprung der Seuchen führen könnten. Vorläufig ist aber größte Zurückhaltung am Platze, wie aus folgender Tabelle deutlich hervorgeht, welche die von

u rn ma ae Mn hen En TS AS ra a te a ng ses ya a a a in

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verschiedenen Seiten vermuteten oder als gesichert betrachteten gene- tischen Beziehungen einiger Infektionsstoffe zusammenfaßt:

Herpesvirus —> Virus encephalitidis humanae (Doerr und Schna- bel, Levaditi und seine Mitarbeiter);

Herpesvirus —> Zostervirus (Luger und Lauda);

Herpesvirus —> Erreger der Variola (Gildemeister und Herz- berg);

Varicellenvirus —> Variolaerreger (Sahli);

Zostervirus > Varicellenvirus (Bókay, Netter, Kundratitzi:

Variola —> Alastrim (Netter u. a.);

Variola > Tierpocken der verschiedensten Art.

Dabci ist diese Uebersicht nicht einmal erschöpfend und liebe sich noch durch mehrere Paare dermo- und neurotroper Virusarten beträcht- lich erweitern. Wird hier die Spekulation nicht wesentlich durch den Umstand gefördert, daß alle diese Infektionsstoffe morphologisch nicht identifiziert und im Reagenzglase nicht gezüchtet werden können! Und sind wir da nicht im Begriffe, die mühsam erstrittenen Gesetze von der Spezifität der Infektionskrankheiten und der korrespondicienden Spezifität der Kontagien in großem Umfange wieder aufzugeben und zur alten Idee des „Einheitserregers““ (Bancroft) auf mehrfachen Umwegen und unter Einschränkung ihres Geltungsbereiches zurückzu- kehren? Die Forschung kann zwar durch kein Dogma dauernd gehemmt werden; sie soll aber, solange sie auf Exaktheit Anspruch erhebt, nicht ohne zureichenden Grund an den Grundfesten rütteln, auf denen unsere jetzigen Anschauungen über die ansteckenden Krankheiten in Theorie und Praxis ruhen.

Referat II. F. Stern (Göttingen): Herpes und Encephalitis. Mit 11 Abbildungen im Text.

Der liebenswürdigen Aufforderung des Vorstandes Ihrer Gesell- schaft, als Korreferent über den gegenwärtigen Standpunkt der Herpes- incephalitistorschung zu reden, werde ich dadurch näher zu kommen suchen, daß ich, entsprechend meinen bisherigen Arbeiten auf dem Ge biete der Encephalitis, von der menschlichen epidemischen Encephalitis ausgche, daß ich Ihnen eine gedrängte Uebersicht über die noso- logische Eigenart von Klinik und pathologischer Ana tomie der menschlichen epidemischen Encephalitis gebe und diese Befunde mit den klinischen und anatomischen Eigenarten der Herpes-Encephalitis oder allgemeiner der experimentellen Encephalitis überhaupt vergleiche. Meine Ausführungen stützen sich auf ein reiches klinisches Material und zwar auf zirka 500 Beobachtungen sicherer menschlicher Ence- phalitis, während mein anatomisches Material relativ gering ist. Da aber die Fälle histologisch genau untersucht worden sind und mit den ;efunden anderer Autoren weitgehend übereinstimmen, wird es ge stattet sein, Schlußfolgerungen zu ziehen.

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Ich habe bisher 12 Fälle akuter epidemischer Encephalitis beim Menschen untersucht, wozu noch einige Fälle chronischer Encephalitis kommen, die aber hier weniger interessieren. Als Gegenstück zu diesen typischen Fällen epidemischer Encephalitis verfüge ich über reinen Fall einer sogenannten Grippecncephalitis. Weiter habe ich natürlich auch ver- sucht, selbst Einblick in die Klinik und vor allem den histologischen Befund bei den einzelnen Experimentalencephalitiden zu gewinnen. Ver- suche, die menschliche Encephalitis auf Kaninchen zu übertragen, habe ich auf Anregung von Herrn Geheimrat Uhlenhuth bereits vor mehreren Jahren begonnen. Alle diese Versuche haben ein negatives Resultat ergeben, was ich jetzt gleich erwähnen möchte, da ich geringe entzündliche Veränderungen im Gehirn von 2 Fällen bei Passagetieren, nachdem die erst geimpften Tiere keine Symptome gezeigt hatten, nicht für spezifisch halten möchte. Im ganzen wurde Material von 23 Kranken auf Kaninchen geimpft, und zwar Liquor von mehreren ganz akuten schweren und mehreren chronischen Fällen, wie auch Hirnbreiaufschwemmungen und Berkefeldfiltrate von Hirnbrei eines akuten und eines chronischen Falles. Nach den Ausführungen meines Herrn Vorredners brauche ich hier wohl auf diese negativen Ergebnisse nicht weiter einzugehen. Ich erwähne sie aber doch, zumal sie in Uebereinstimmung mit den Befunden von Doerr, Flexner, Amoss und Pette und anderen zur größten Skepsis gegenüber den Autoren zwingen, welche so gut wie regelmäßig positive Resultate bei ihren Impfungen gesehen haben wollen.

Weiterhin habe ich eine Reihe von Herpesstämmen korneal und subdural verimpft und eine weitere Reihe von interessanten ence- phalitischen Gehirnen durch die Freundlichkeit des Robert Koch- Instituts, bzw. von Herrn Gch. Rat Kleine und seinem Assistenten Dr. Schnitzer untersuchen können. Ich selbst besitze Hirnmaterial von 4 Herpesstämmen. Es ist mir bei meinen Untersuchungen nicht so sehr darauf angekommen, die mikrobiologischen Eigenarten des rierpes- virus zu erforschen, so daß ich auf viele Passageimpfungen verzichtet habe. Ein Zweifel darüber, daß die von mir gefundenen Veränderungen, die nach einer typischen Herpeskeratitis entstanden waren, wirklich durch das Herpesvirus bedingt waren, dürfte gerade in diesen Fällen nicht erlaubt sein. Ich werde auf den Befund später zurückkommen. Weiteres Material, welches meine Kenntnis über die Folgezustände nach geheilten Herpesencephalititiden bereichert, verdanke ich Herrn Professor Steiner. Es war weiterhin natürlich auch erwünscht, die spontane Encephalitis, die ja nach den Befunden von Doerr und Levaditi mit der Klingschen Encephalitis identisch ist, histologisch zu untersuchen. Da in meinem Tierbestand trotz genauer Untersuchung von über 50 Kaninchengehirnen kein Fall von typischer spontaner Encephalitis bisher beobachtet wurde, bin ich Herrn Kollegen Pette für die Uebersendung entsprechender Präparate zu Dank verpflichtet, und zwar von Präparaten der spontanen Encephalitis sowohl wie der sogenannten Paralyseencephalitis, die doch wahrscheinlich auch in Wirk- lichkeit. auf der enzootischen Erkrankung der Kaninchen beruht. Von

weiterem Tiermaterial verfüge ich nur noch über einige Staupefälle des Hundes, die ich selbst untersucht habe, weiteres Material wurde mir von Herrn F. H. Lewy freundlicherweise übergeben, ferner auch eine Reihe von Gehirnen nach Vergiftung mit verschiedenen Substanzen. An dieser Stelle interessieren nur die Vergiftungen mit Guanidin,

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die ich bei 6 Tieren vorgenommen habe. Ich kann hier gleich er- wähnen, daß dic entzündlichen Veränderungen, die Fuchs und Pollak beobachtet haben, in meinen Fällen fehlten.

I.

Bevor ich nun in die Besprechung des Themas selbst eintrete, d. h. zunächst in die Zusammenfassung der klinisch-histologischen Ergebnisse der menschlichen Enu- cephalitis, scheint es mir notwendig zu sein, einige prinzipielle Erwägungen darüber anzustellen, in welchem Maße es überhaupt erlaubt ist. auf Grund des klinischen und anatomischen Befundes Analogie- und Identifikationsschlüsse zu ziehen. Es scheint mir persönlich, als ob manchmal noch Analogieschlüsse etwas zu voreilig ezogen werden. Wir werden zunächst berücksichtigen müssen, daß die elementaren

istologischen Veränderungen bei den verschiedenen Entzündungen des Nervensystems

ziemlich monoton sind und bei den ätiologisch verschiedenartigsten Erkrankungen wiederkehren, während umgekehrt die verschiedensten elementaren anatomischen Re aktionen bei der gleichen Krankheit, sei es in demselben Stadium, sei es wenigstens im Verlauf verschiedener Stadien beobachtet werden können. Eine Besprechung ds Entzünduugsproblems an dieser Stelle auch nur einzuleiten, ist natürlich ausge- schlossen. Ich nenne entzündlich nur das, was in dem heutigen allgemeinen Sprach- ebrauch in der Histopathologie des Nervensystems als Entzündung bezeichnet wird. Venn wir da zunächst ganz grob als 2 elementare Formen der Entzündung. die leuko- zytäre Exsudation und die Iyınphoide Infiltration, die meist auf die Gefäßscheiden wenigstens vorzugsweise begrenzte Infiltration mit Lymphozvten, Plasmazellen und anderen Abkömmlingen der Ivmphoiden Zellen, voneinander unterscheiden, so wollen wir gleich berücksichtigen, daß selbst bei den schwersten eitrigen Erkrankungen, so- weit sie nicht ganz rasch zur Einschmelzung führen oder der Tod vorzeitig erfolgt, die leukozytäre Exsudation nur das erste Stadium darstellt, wie z. B. bei der epi- demischen Genickstarre, wo auch nach wenigen Tagen die formlose Leukozvten- exsudation durch ein richtiges Granulationsgewebe ersetzt und verdräugt wird, in dem Lymphozyten, Plasmazellen und Fibroblasten dominieren. Umgekehrt wird es bei den akuten entzündlichen Erkrankungen des Nervensystems wahrscheinlich keine einzige geben, in der nicht neben Iymphoiden Zellen echte Blutleukozyten wenigstens gelegentlich vorkommen. Es ist eben durchaus nicht nur eine Frage der Virusart, sondern auch eine Frage der Virusstärke, ob eine leukozytäre oder eine Ivmphozvtäre Erkrankung auftritt, wie ja auch bereits von mehreren Autoren früher betont worden ist. Vor allem aber werden wir betonen müssen, daß nicht nur die leukozvtären Exsudate, sondern auch die Ivmphoiden Infiltrate habituelle Reaktionen den ver- schiedensten relativ akuten Schädigungen gegenüber sein können, also daß sie gar nichts Spezifisches haben. Und so verhält es sich auch mit anderen elementaren Er- scheinungen, z. B. Blutungen. einfach diapedetischen Blutungen, wie auch den für das Nervensystem so eigentümlichen Ringhlutungen mit zentraler Nekrose. Alle solche Erscheinungen wie auch etwaige hyaline Gefäßveränderungen oder sonstige Gefiti- wandnekrosen sind natürlich nichts Spezifisches an sich, soweit man von diesem elementaren Befund aus weitere Schlubfolgerungen ziehen will. Wir sind noch nicht einmal in der Lage. toxische durch ein nicht organisiertes Gift bedingte und durch Virus bedingte Encephalitiden mit Sicherheit voneinander zu unterscheiden. Die Einteilung von Hassin in infiltrative Entzündungen bei Infektionen und rein proh- ferative bei Intoxikationen entspricht nicht ganz den tatsächlichen Verhältnissen.

Erst recht haben wir natürlich nieht die Möglichkeit, in der Art der Ganglien- zellenreaktion und -alteration etwas Spezifisches zu sehen. Sicher ist es, daß es bei den meisten exogenen Erkrankungen des Zeutralnervensystems keine spezifische Form der Ganglienzellenerkrankung gibt, wie etwa die Alzheimersche Fibrillenerkran- kung und ähnliche Veränderungen wenigstens etwas grob Spezifisches zu haben scheinen. Umgekehrt kommen bei jeder entzündlichen Erkrankung des Nervensystems heterogenster Art die verschiedensten Formen der Nervenzellenaffektion vor, von der Schwellung angefangen, über die verschiedensten Verflüssigungsprozesse fortschreitend. bis zur Verfettung. Eine Ausnahme bilden hier höchstens bestimmte Zelleinschlüse, deren Natur noch strittig ist.

Achnlich unspezifisch sind die verschiedenen Gliareaktionen, die in den akuten Stadien z. B., unter dem Bilde der sogenannten Nenronophagie vorkommen. Ich brauche hier kaum noch zu betonen, daß diese Neuronophagie als Charakteristikum der menschlichen epidemischen Encephalitis überschätzt worden ist. Abgesehen davon. daß es sich oft genug nicht um eine tatsächliche Neurozytophagie handelt, wie Alz- heimer zur Genüge schon dargetan hat und wie hinsichtlich der epidemischen En-

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cephalitis insbesondere von verschiedenen Autoren, z. B. von Creutzfeldt und auch von mir ausgeführt worden ist, handelt es sich um ein äußerst banales histo- logisches Geschehen bei den allerverschiedenartigsten auch nichtentzündlichen Erkran- kungen und dieses ist nur in einer Reihe von Fällen besonders stark. Im übrigen ist vielleicht auch nicht immer genügend darauf Rücksicht genommen worden, daß die Umklammerung der Ganglienzellen mit Gliazellen in verschiedenen Teilen des Gehirnes wie in der tiefsten Rindenschicht, großen Teilen des Thalamus und des Striatum etwas Physiologisches ist, wie Spielmeyer vor allen Dingen hervorhebt. Abgesehen von diesen periganglionären Wucherungen ist natürlich auch die Wuche- rung der plasmatischen Glia an den Gefäßzellen, den Nervenzellfortsätzen etc. nichts Spezifisches. Immerhin werden auch da, wie wir sehen werden, trotzdem Schluß- folgerungen erlaubt sein.

Von etwas größerer Bedeutung als die bisher genannten elementaren Verände- rungen sind zwei andere Vorgänge, erstens nämlich die Tendenz der Glia zur Faser- bildung (namentlich natürlich bei nicht ganz frischen Erkrankungen), über die bisher sehr wenig gerade auf dem hier interessierenden Gebiete gearbeitet wurde, zweitens die Tendenz des gesamten ektodermalen Gewebes, in einen nekrotischen Erweichungs- prozeß überzugehen; natürlich wird diese Tendenz des Gewebes zur Erweichung auch wohl nicht von einer spezifischen Wirkung des Virus auf das Gewebe, sondern auch von der Stärke des Virus im wesentlichen Umfange mit abhängig sein. Aber wir werden sehen, daß bei den einzelnen Erkrankungen die Häufigkeit, mit der solche Erweichungen auftreten, in erheblichen Grenzen schwankt. Daß diese Erweichungs- tendenz weniger von der Art der Viruseinwirkung auf das Gewebe als von der Neigung zu Gefüßschädigungen (Thrombosen etc.) abhängig sein kann, ist für die ns es weniger bedeutungsvoll.

ganzen können wir unsere nosologischen Umgrenzungen nicht von der Fest- stellung irgendwelcher elementarer Veränderungen abhängig machen.

IL.

Klinische Symptome pflegen, namentlich wenn wir erst einmal wieder die elementaren Symptome betrachten, im allgemeinen noch weniger charakteristisch oder spezifisch für Einzelerkrankungen zu sein. Insbesondere gilt dies für die einzelnen entzündlichen Erkrankungen des Tieres, bei dem die Symptome ja doch primitivere als beim Menschen sind. Natürlich gibt es auch hier Äusnahmen, die Ihnen allen bekannt sind, wie’ z. B. die eigenartige Symptomatologie der Lyssa, die Kombination der starken furibunden Erregung mit bulbären Erscheinungen und Speichelfluß. Aber wenn man entzündliche Erkrankungen des Tieres mit entzündlichen Erkran- kungen beim Menschen vergleichen will, wird man jedenfalls zwei Momente berück- sichtigen müssen.

1. Sehr viele Symptome, die beim Menschen nosologische und diagnostische Wichtigkeit haben, sind entweder beim Tier nicht vorhanden oder nicht gut verwert- bar. Zunächst fehlt uns natürlich ganz die Möglichkeit, festzustellen, welche sub- jektiven Beschwerden die Tiere haben. Und das ist ein recht wichtiges Manko. Denn wir bleiben infolgedessen nicht nur im unklaren über irgendwelche vagen Allgemein- beschwerden, denen eine charakteristische Bedeutung zukommt, sondern auch über bestimmte Herderscheinungen, die eventuell gar nicht objektiviert werden können, wie etwa lokalisierte zentrale Schmerzen oder Parästhesien und viele andere Herderschei- nungen, denen zum Teil erhebliche nosologische Bedeutung zukommt.

Auch daß wir nur eine sehr oberflächliche Prüfung der Psyche vornebmen können, ist natürlich ein Mißstand gegenüber der humanen Neurologie, zumal Symptome, die wichtige Herderscheinungen darstellen und sogar eine gewisse noso- logische Bedeutung haben können, wie die aphasischen Störungen, beim Versuchstier überhaupt fehlen. Le sehe dabei ab natürlich von den aphasieähnlichen Störungen, die bei experimentalen Eingriffen bei Papageien gefunden sind). Weiterhin stößt natür- lich auch die genaue Prüfung der Sensibilität und der sensorischen Fähigkeiten beim Experimentaltier auf unübersteigbare Schwierigkeiten, wenn wir davon absehen, daß wir ganz grob lokalisierte oder totale Ausfälle natürlich auch klinisch feststellen können. Ja, selbst bestimmte Reflexe wie Pyramidenzeichen und die echte Spastizität der Pyramidenstörungen können wir beim Tier nicht nachweisen. Und ähnlich rudi- mentär ist der Befund wohl auch hinsichtlich verschiedener IIyperkinesen und ähn- licher Erscheinungen, die gerade bei den entzündlichen Erkrankungen des Menschen eine Rolle spielen können. So kommen zwar die verschiedensten Zuckungen und selbst choreiforme Erscheinungen beim Tier vor, eine Bewegungsstörung aber, die der echten Athetose beim Menschen ähnelt, habe ich in der tierärztlichen Literatur nicht finden können. Erscheinungen, die dem Parkinsonsyndrom ähneln, hat F. H. Lewy

Erste Abt. Orig. Bd. 97. Beiheft. 7

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beim Affen nach Zerstörung der Linsenkerne beobachtet, und zwar Akinese, also Sti- rungen des Bewegungsantriebs und Störungen des Tonus. Aber auch dieses Par- kinsonsche Syndrom ist wohl, soweit ich den Verfasser verstehe. ziemlich rudimentär gegenüber der Reichhaltigkeit der Symptomatologie des parkinsonistischen Syndrons bei Menschen. Und außerdem ist mir nicht bekannt, ob auch bei niederen Säugetieren nach Zerstörung des Linsenkernes ähnliche Erscheinungen auftreten. Wahrscheiniich ist das nicht, da ja bekanntlich die ganze Abtragung des Großhirns und der basaien Ganglien keine Tonus- oder Bewegungsstörungen hervorruft. Immerhin könnten die isolierten Zerstörungen des Linsenkernes doch besondere Erscheinungen hervorrufen. Beim Hund fehlt Rigidität nach Zerstörung des Striatums und Degeneration der S. nigra (Dresel), doch ist Bewegungsverlangsamung mit Neigung zu Propulsionen vorhanden.

Im allgemeinen gewinnt so die neurologische Nosologie beim Tier gegenüber der humanen Medizin eine gewisse Monotonie trotz der wichtigen und schönen Be schreibungen, die von den verschiedensten Autoren bei Tierkrankheiten gegeben sind. und trotz der glänzenden Feinheit der Symptomforschung und Svmptomzergliederung beı experimentellen Eingriffen, von denen nur die am feinsten und besten aurch- forschten Hirnstammuntersuchungen der Magnusschen Schule genannt seien. dereu Ergebnisse übrigens bei den experimentellen Tierencephalitiden erheblich größere Be- achtung als bisher verdienten. |

2. Ich hatte eben bereits darauf hingewiesen, daß beim Tier nach Entfernuug des Großhirns keine Bewegungs- und Tonusstörungen zurückbleiben. Dieser Befund gibt uns Anlaß, mit Entschiedenheit darauf hinzuweisen, daß die klinischen Er- scheinungen beim Tier nicht nur monotoner als bein Menschen, sondern bei Läsion bestimmter Apparate auch andere als beim Menschen sind, so daß eine reine Analogisierung zwischen Tier und Mensch also gar nicht möglich ist! So können schon die Krämpfe bei den einzelnen Tierarten je nach der Kramyf- bereitschaft variieren. Die wichtigste Differenz besteht wahrscheinlich darin. dat die spezifischen Ausfallserscheinungen durch Erkrankung der Pyramidenbahnen beim

ier eine viel geringere Rolle als beim Menschen spielen. Selbst bei den Huftiereu reichen die Pyramidenbahnen nur bis zum 4. Zervikalsegment, bei anderen Tieren ehen sie allerdings bis ins Sakralmark; aber die wichtigsten Bewegungen, die rinzipalbewegungen der Tiere, Laufen, Springen, Klettern usw., finden auch bi diesen Tieren mit anderen motorischen Bahnen statt; und selbst wenn man die Pyra- midenbahnen isoliert in Oblongatahöhe durchschneidet, wie das Starlinger zum ersten Male zeigte, finden sich keine nennenswerten dauernden Beschränkungen der Bewegung; die von der Rinde aus innervierten erlernten Feinbewegungen bei den einzelnen kranken Tieren zu prüfen und mit analogen Erscheinungen beim Menschen zu vergleichen, dürfte aber kaum möglich sein. Es ist also ganz falsch. beim kranken Tier von spastischen Lähmungen zu sprechen, wenn man diese spastischen Läi- mungen mit den Pyramidenstörungen des Menschen vergleichen will. Die Starre erscheinungen, die man auch beim Tier eventuell mit Lähmungen verkuppelt sieht, haben eine ganz andere Genese, z. B. eine Reflexübererregbarkeit der Vorderhurnzelen. wie sie bei Tetanus, aber auch entzündlichen Erkrankungen vorkommt. Wir finden bei diesen Störungen der Pvramidenbahnen ja auch nicht die Tonusstörungen, die wir beim Menschen nach Pyramidalläsion sogar als Dauererscheinungen finden.

Aehnliche Differenzen bestehen nun auch auf anderen Gebieten. Wir wissen. daß bei manchen Encephalitiden des Tieres schwere paroxvstische tonische Krämpfe mit Opisthotonus, Aufrichtung des Körpers, Männchenstellung, Hintenüberfallen auf- treten, Erscheinungen, die vielleicht mit der Sherringtonschen Enthirnuug- starre etwas zu tun haben, wie sie beim Tier nach Durchschneidung des Hirnstammes hinter dem roten Kern vorkommt. Ich habe bisher noch nicht Gelegenheit gehabt. genauere Untersuchungen darüber anzustellen, wie weit diese symptomatische Ver- wandtschaft zwischen den paroxvstischen Krämpfen des Tieres und der Enthirnungs- starre wirklich geht, so daß ich diese Ansicht vorläufig nur sehr reserviert ausspreche. Während nun, wie hier vorweggenommen sei, gerade bei der Herpesencephalitis diese tonischen Krämpfe etwas sehr Häufiges sind, kommen beim Menschen Symptome. die wir mit einiger Berechtigung wirklich in Analogie zur Enthirnungsstarre setzen dürfen (namentlich auch der topischen Genese), überhaupt nicht sehr häufig vor. Bei der epidemischen Encephalitis jedenfalls sind solche Symptome bestimmt selten. Mit dem meningitischen reflektorischen Hvpertonus, der Kopf und Rumpf in eine St-Hung bringt, in der die entzündeten Wurzeln am ehesten vor Schmerzen und Zerrungen bewahrt sind, dürfen Erscheinungen der echten Enthirnungsstarre natürlich nicht ver-

1) Die fehlende Vebereinstimmung der Symptome bei gleichem Herd gilt weniger für nukleoperiphere Störungen.

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wechselt werden. Wir werden jedenfalls nicht die Berechtigung haben, diese Männchen- stellungskrämpfe und verwandte Erscheinungen beim Tier mit einem tonischen Symptom beim Menschen zu analogisieren.

Ein weiteres Beispiel für die Unterschiede in der Symptomatologie zwischen Tier und Mensch führe ich noch an, die sogenannten Zwangsbewegungen, die beim Tier ja sehr häufig sind, teils in Form des Manègegangs, des Uhrzeigergangs, der Drehung um die eigene Körperachse, der Rollbewegung. Diese Bewegungen treten auch bei den verschiedenen entzündlichen Erkrankungen des Tieres häufig auf, während sie beim Menschen bekanntlich überaus selten sind. Merkwürdigerweise sind sie ge- legentlich von Bruno Fischer gerade bei chronischer Encephalitis des Menschen auch gesehen worden, aber hier handelt es sich doch sehr wahrscheinlich um erheb- lich komplexer bedingte Symptome als beim Tier, wo die einfache Schädigung des Vestibularisapparates im weitesten Sinn, inklusive des Kleinhirns, die Störung hervor- ruft. Gelegentlich kommen sie übrigens auch bei Läsion anderer Hirnregionen vor. Wir wissen auch ungefähr, durch welche Erscheinungen diese Zwangsbewegungen beim Menschen ersetzt sind. . Die motorische Reaktion wird durch das subjektive Gefühl des systematisierten Drehschwindels ersetzt, die motorische Auslösung der vestibularen Reflexe wird vielleicht durch die kräftigeren kortikalen Impulse unterdrückt. Das Beispiel ist aber doch erwähnenswert, weil es wieder wichtige Differenzen zwischen tierischer und menschlicher Pathologie aufdeckt.

Und endlich nenne ich noch ein Symptom, welches wohl auch etwas voreilig zu Vergleichen zwischen menschlichen und tierischen Krankheiten verführt hat, nämlich die Schlafsucht. Es hat tatsächlich schon erhebliche Mühe gekostet. dieses Symptom der Schlafsucht beim Menschen von anderen Symptomen der Bewußtseinstrübung ab- zutrennen, von Bewußtseinstrübungen, mit denen die Schlafsucht nicht nur leicht ver- wechselt werden kann, sondern mit denen sie naturgemäß auch häufig kombiniert auf- tritt. Heute können wir sagen, daß trotz aller dieser Schwierigkeiten Schlafzustände, die wir von der Benommenheit und verschiedenen anderen Bewußtseinsstörungen ab- trennen, vorkommen, daß also die ursprüngliche Economosche Deutung durchaus richtig ist, wenn auch Economo den Namen Lethargie vielleicht nicht hätte brauchen sollen. Aber es sind doch ziemlich verwickelte Befunde und Analysen, welche uns dazu führten, diese Differenzierung der Schlafsucht anzuerkennen. Ich nene hier z. B. von den brauchbaren Kriterien die Feststellung, daß manche Kranke, auch wenn sie das akute Stadium überwunden haben und frei von jeder habituellen Bewußtseinsstörung, auch leichtester Benommenheit, im Wachen sind, eventuell noch monate- und allkelang ein außerordentlich gesteigertes Müdigkeitsgefühl und Schlafbedürfnis haben können, weiterhin die Feststellung, die schon von Econmo stammt und wenigstens in einer Reihe von Fällen zutrifft, daß manche Kranke in ihrem wochenlangen tiefen Schlaf nach dem Erwecken absolute Klarheit und Orien- tierung haben können, daß der Schlaf bis auf das Vorkommen von Träumen dem physiologischen Schlaf ähneln kann. Solche differenzierten Feststellungen wird man wohl bei einem benommenen somnolenten Experimentaltier nicht machen können, und eine einfache Somnolenz findet man ja bekanntlich bei vielen Tieren, ebenso bei vielen Menschen, die eine Bewußtseinstrübung haben. Aus diesem Grund wird man recht vor- sichtig bei den Versuchen der Vergleichung von Benommenheitszuständen und echten Schlafzuständen sein müssen; ich kann mich so auch nicht davon überzeugen, daß der von Joest für die Bornasche Krankheit vorgeschlagene Name der Encephalitis lethargica equi sehr zweckmäßig ist, zumal nach meinen Kenntnissen, die hier aller- dings rein der Literatur entnommen sind, ganz entsprechende Bewußtseinsstörungen auch bei ganz andersartig bedingten Hirnentzündungen der Pferde vorkommen sollen.

III. Epidemische Encephalitis.

Nach den Bemerkungen, die ich in der Einleitung über die völlige Unspezifität der histologischen Veränderungen bei entzündlichen Er- krankungen des Zentralnervensystems machte, könnte es den Anschein haben, als ob eine nosologische Differenzierung der akuten nichteitrigen Erkrankungen des Gehirns gar nicht möglich ist. Das ıst auch von einigen Autoren in den ersten Jahren der Forschung der epidemischen Encephalitis zum Ausdruck gebracht worden, daB alles in den Einheits- rahmen einer infektiös toxischen Encephalitis, einer „einfachen Ence- phalitis“ hineingehört. In Wirklichkeit liegen die Verhältnisse aber doch ganz anders. Ich brauche hier, um Ihre Zeit nicht in Anspruch

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zu nehmen, nicht die Fülle der Autoren, die sich mit der Abgrenzung der Encephalitis beschäftigt haben, im einzelnen anzuführen, ich möchte nur darauf hinweisen, daß Economo selbst schon in seiner grund- legenden Monographie die Besonderheiten der epidemischen Encephalitis hervorhob, daß ich auch selbst in mehreren Arbeiten, von denen die erste größere im Jahre 1919 abgeschlossen wurde, diese Eigenheiten der Erkrankung schärfer hervorzuheben versuchte; von weiteren zu- sammenfassenden Darstellungen möchte ich vor allem die ausgezeichnete Darstellung der Anatomie der Encephalitiden von Wohlwill ım Hand- buch von Kraus-Brugsch hervorheben, dessen Anschauungen hin- sichtlich der nosologischen Eigenarten der Encephalitis den eigenen ganz konform sind. Wenn wir eine solche nosologische Abgrenzung der Krankheiten versuchen, dann dürfen wir allerdings nicht einfach aut das Fehlen oder Vorhandensein einzelner elementarer Vorgänge Rück- sicht nehmen, vielmehr wird uns nur die Berücksichtigung einer Reihe zusammengesetzter Momente gestatten, das einheitliche nosologische Bild der epidemischen Encephalitis in präziser Form zu gewinnen. Wir be- rücksichtigen folgende Momente:

1. Nicht das Einzelsymptom entscheidet, sondern das Gesamtbild des histologischen Krankheitsprozesses, das aus der dominierenden Art der Entzündungsvorgänge, der Art der Gewebsreaktionen, der relativen Stärke der Schädigung des Nervengewebes, der relativen Art und Stärke der Gefäßwandschädigungen und der Lokalisation des Krankheitspro- zesses zusammengesetzt ist.

2. Neben dem Querschnittsbild werden wir den charakteristischen Verlauf und Ausgang des akut eingeleiteten Krankheitsprozesses bwe- rücksichtigen.

3. Es ist selbstverständlich, daB wir auch bei einer ätiologisch einheitlichen Krankheit nicht immer klinisch und anatomisch ein typisches Bild vor uns schen werden. Das ist uns ja von anderen Krank- heiten zur Genüge bekannt, auch wenn wir ganz davon absehen wollen. daß eine spezifische Noxe ganz verschiedenartige nosologische Syn- drome hervorrufen kann, wie etwa die Lues. Aber auch bei klinisch- anatomischen Einheiten ist es ganz selbstverständlich, daß von Fall zu Fall Variationen vorkommen, die für gewöhnlich zwar im Rahmen eines gewissen Kreises bleiben, mitunter aber auch diesen Kreis über- schreiten. Durch die Stärke oder durch Modifikation der Krankheit- noxe, sowie durch die Differenzen der individuellen Reaktionsbereit- schaft muß ja naturgemäß bei derselben Krankheit das Symptom- bild, das klinische wie das anatomische, modifiziert werden. Dazu kommt dann die Möglichkeit der Verschleierung des Krankheitsbildes durch komplizierende Schädigungen. Es ist Ihnen bekannt, daß nament- lich in den ersten Jahren der Enccephalitisforschung der Streit um die Beziehungen zwischen der epidemischen Encephalitis und der gleich- zeitig damals herrschenden Grippe tobte, und daß in dieser Zeit häufig die epidemische Encephalitis als Grippeencephalitis aufgefaßt wurde. Man wies z. B. darauf hin, daß bei der epidemischen Encephalitis in der gleichen Weise wie bei der Leichtensternchen Grippeencephalitis größere Blutungen, hämorrhagische Erweichungsherde, Gefäßwand: nekrosen vorkommen. Der Befund als solcher ist ohne weiteres zu- zugeben. die nosologische Stellung der Encephalitis epidemica wird aber durch solche gelegentlichen Befunde, die übrigens um so seltener zu werden scheinen, je mehr sich auch epidemiologisch

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die Encephalitis von der Grippe gelöst hat, nicht berührt. Entscheidend ist für den Typus nur dasCharakteristische, das,was in Uebereinstimmung mitbestimmten konstanten klinischen Symptomen und dem klinischen Verlauf steht.

Ueber diese charakteristischen, nicht pathognomonischen, aber mit sroßer Konstanz immer und immer wieder vorkommenden klinischen und pathologischen Erscheinungen besitzen wir jetzt aber so viele im wesentlichen übereinstimmende Untersuchungen, daß die große Mehr- zahl aller Autoren sich jetzt ganz mit Recht dem Standpunkt ange- schlossen hat, den schon Economo eingenommen hatte: Trennung der bei Grippe auftretenden Encephalitiden in 2 Gruppen: erstens eine einheitliche Gruppe dieser epidemischen Erkrankung, die in irgend- einem Zusammenhang mit der pandemischen Grippe stand, die aber leider auch jetzt noch immer sehr häufig vorkommt, obwohl die Grippe- pandemien geschwunden sind, während zwischen 1890 und 1916/17 diese epidemische Encephalitis tatsächlich nur ganz ausnahmsweise in Einzelfällen vorgekommen zu sein scheint, und zweitens eine Gruppe von verschiedenartigen Erkrankungen, die vor allem beischwerer Grippe, namentlich bei schwerer katarrhaliséher Grippe auf- treten, und die im übrigen, wie Economo, Siegmund, Wohlwill und andere auseinandergesetzt haben, aus pathologisch recht verschieden- artigen Krankheiten besteht, z. B. embolisch-thrombotischen Erweichungs- herden, aus rein nichtentzündlichen, toxischen, vielfachen Blutungen, endlich drittens auch aus entzündlichen Erkrankungen, die anatomisch am ehesten noch Verwandtschaft mit der epidemischen Encephalitis haben, aber doch nicht so charakteristisch sind wie die Epidemica.

Wir wollen nun zunächst einmal diese charakteristischen Er- scheinungen der epidemischen Encephalitis, das, was der Krankheit die charakteristische Note gibt, kurz kennen lernen, zumal wir hier- durch auch die einzige Möglichkeit zum Vergleich mit den experi- mentellen Tiererkrankungen gewinnen.

len beginne mit der Klinik der epidemischen Encephalitis. Ich habe schon früher wiederholt betont, daß von sehr vielen Autoren ch in der letzten Zeit die unendliche Mannigfaltigkeit der klinischen Erscheinungen, die proteusartige Varia- bilität viel zu sehr in unrichtiger Weise betont wird. Mit dieser Annahme einer un- endlichen Variabilität der Erscheinungen würde allerdings jeder Tvpisierungsversuch, wenigstens klinisch, ad absurdum geführt. Aber wenn wir auch natürlich die Reich- haltigkeit der Symptome zugeben müssen, wird diese Anschauung der unendlichen Variabilität dem Wesen der ne gar nicht gerecht. Es wäre falsch, wenn man nicht darauf Rücksicht nehmen wollte, daß in der allergrößten Mehrheit der Fälle außerordentlich typische Kernsyndrome durchaus im Vordergrunde stehen, während sehr viele wichtige lIerderscheinungen umgekehrt mit extremer Seltenheit vorkommen, und daß nicht nur die Symptomverkuppelung Gesetzmäßigkeiten zeigt, die wir topisch verstehen, sondern auch der Verlauf manches Charakteristische zeigt.

So sehen wir z. B. äußerst selten, daß gerade diese Krankheit sich mitten auf dem Höhepunkt einer schweren Grippepneumonie entwickelt. Die schweren Hirn- erkrankungen, die in diesem Stadium auftreten können, sind klinisch und anatomisch ganz different von der epidemischen Encephalitis (s. oben Grippeneneephalitis. Klin. häufig Pv.-Lähmungen, Rindensymptome, epileptische Anfälle). Und bei den schweren Grippepsychosen, die sich auch in diesem Stadium der schweren katarrhalischen Grippe entwickeln können, können wieder alle entzündlichen Erscheinungen im Gebirn fehlen. Die epidemische Encephalitis dagegen tritt gewöhnlich entweder ganz unab- hängig von einer vorausgehenden Grippe ein oder wir sehen sie bei einer leichten grippeartigen Erkrankung oder auch häufig S oder 14 Tage nach Ablauf der Grippe. Alles andere ist ungewöhnlich, wie uns Massenerfahrungen an großem Material belehren. Die katarrhalischen Erscheinungen wechseln von Epidemie zu Epidemie sehr, oft feblen sie ganz; daß unter den Fällen eine schwere Bronchitis oder Pneu-

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monie vorkommt, ist, wie gesagt, selten; unter den 500 Fällen, die ich sah, ist. glaube ich, ein einziger, bei dem Encephalitis und Pneumonie zusammen beobachtet wurden. Von Terminalhypostasen ist natürlich abzusehen. Daß die Bezeichnung Kopfgrippe oder Gehirngrippe nur ein Verlegenheitsausdruck ist, braucht nicht weiter diskutiert zu werden.

Der Verlauf der Erkrankung ist dann weiter ein überaus charakteristischer da- durch, daß die Krankheit zwar in der Mehrheit der Fälle unter dem Bilde einer akuten Infektionskrankheit verläuft, wobei wir mit dem Begriff akut, wie in der Neurologie überhaupt, etwas weitherzig sind, daß aber dann nach dem Abfall des akuten Stadiums keine Heilung eintritt. Hierauf komme ich gleich zurück. Ziwächst noch einige Worte über das akute Stadium, in dem keinesweges ein Symptom- chaos vorliegt. Vielmehr überwiegen durchaus neben- und miteinander gemischt die beiden Hauptformen, die ich als die klassische Form mit Schlafzuständen und Hirn- stammlähmungen und die hvperkinetisch-irritative Form bezeichnet habe. Zu divsen Hyperkinesen gehören vor allem choreiforme Zuckungen und sogenannte mvuklonische. zum Teil rhvthmisierte Zuckungen. Außerdem ist diese zweite Form noch aus- ezeichnet durch die besonders ausgesprochenen Schmerzen, die stärkeren Delirien und ie stärkeren toxischen Erscheinungen. Es ist wichtig und interessant, die Figen- heiten der Erkrankung selbst in kleinen Zügen, man könnte sagen in der Miniatur- gestaltung der Einzelsymptome, wiederzusehen. So haben die Augenmuskellähmungen im akuten Stadium, wie uns durch die Arbeiten vieler Autoren bekannt ist, die Eigeu- art, daß sie sehr häufig besonders flüchtig, wechselnd und dissoziiert sind, und dati sa häufig aut der einen Sete Akkommodationsstörungen, auf der anderen Seite dauerhafte Blickparesen, z. B. Vertikalparesen, von einer Häufigkeit wie bei keiner anderen Krankheit vorkommen. Oder daß unter den Schmerzen so häufig von Anfang an zentrale Schmerzen, die sehr eng lokalisiert werden können, vorkommen. Und diese Eigenarten, die zwar niemals pathognomonisch, aber doch sehr charakteristisch sind. sind für uns doch von erheblich größerer Wichtigkeit als die Tatsache, daß gelegent- lich jedes neurologische Symptom vorkommt. iese Nebensymptome zu schildern, habe ich natürlich nicht die Absicht, dagegen nenne ich noch zwei Nebenformen neben den beiden Hauptformen, die eine gewisse Bedeutung haben, nämlich erstens die oligosymptomatische Form mit wenigen, aber massiven neurologischen Symptomen und geringen Allgemeinerscheinungen wie etwa die Fazialislihmung, und zweitens die wichtigste Nebenform. die man als die ver- schleierte grippeartige Nebenform bezeichnen könnte. Diese Erkrankung besteht darin, daß die eigentlichen neurologischen Encephatitissymptome ganz fehlen. und daß nur die Erscheinungen einer mehr oder weniger ausgeprägten Infektions- krankheit bestehen, die von dem Arzt als Grippe bezeichnet erd. während es sich in Wirklichkeit doch eben um eine Encephalitis handelt. wie der Uebergang in das zweite und dritte Krankheitsstadium beweist. Es liegt mir fern, diese akute Erkrankung mit einer Grippe zu identifizieren, es handelt sich eben um ganz verwaschene Er- scheinungen einer allgemeinen Infektion, meist mit ganz geringen katarrhalischen Be- leiterscheinungen, mit vielleicht stärkeren nervösen oder riehtiger allgemein toxischen ‚rscheinungen. Der Ausdruck „verschleierte grippeartige Form” soll nur darauf hin- deuten, daß dieses verwaschene Krankheitsbild der akuten Encephalitis von den Aerzten eben gewöhnlich als Grippe bezeichnet wird. im übrigen der Diagnose tat- sächlich unüberwindbare Schwierigkeiten bereiten kann.

Endlich kommt es auch vor, dal selbst «dieses verschleierte akute Krankheitsbild ganz fehlen kann. Es wird übersprungen und die Krankheit beginnt von vornherein schleichend wie eine chronische aan Häufig ist dieser Verlauf allerdings nicht, viel mehr als 5 Proz. dürfte er nicht betragen.

Für die nosologische Bedeutung der epidemischen Encephalitis ist es nuu weiterhin ganz besonders wichtig. daß. man muß leider sagen, in nur wenigen Fällen. dies akute Stadium restlos beseitigt wird. Es bleiben nicht nur Resterscheinungen. wie nach anderen Infektionskrankheiten, etwa der Poliomvelitis und Genickstarre, sondern die Krankheit heilt nieht aus und schreitet langsam weiter fort wie andere Krank- heiten des Zentralnervensystems, die von vornherein chronisch verlaufen. Wir wollen hier ein zweites pseudoneurasthenisches Stadium und das dritte Stadium der parkinsonistischen Encephalitis unterscheiden, wenn auch die Reihenfolge nicht immer eine so charakteristische ist, sondern das chronische Stadium auch direkt dem akuten Stadium folgen. gelegentlich auch das zweite Stadium durch ein Stadium der Scheingesundheit ersetzt werden kann. Außerdem haben wir auch, und das ist naturgemäß weniger charakteristisch, in nicht ganz seltenen Fällen echte Rezidiv- erscheinungen, doch ist das alles nicht so charakteristisch wie die Tatsache, daß bei mindestens 50 Proz. aller Fälle. welche die akute Encephalitis überstanden haben, auch bei denen, die im akuten Stadium nieht rigide waren, über kurz oder lang

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eine neue Krankheit entsteht, die langsam, allmählich, sich verschlimmert und in äußerst charakteristischen Erscheinungen, die Ihnen ja allen bekannt sind, besteht, in der Akinese mit Verlust der assoziierten Begleitbewegungen, mit zunehmender extra- lisa Hypertonie und mit einem Tremor, der in einzelnen Fällen auBprordent- ich verschieden stark sein kann. Ich will hier natürlich nicht in genauere Einzel- heiten der Erkrankung eingehen, die an dieser Stelle nicht interessieren können, und erwähne nur beiläufig die anderen extrapyramidalen Erscheinungen hyperkinetischer Natur, die gelezenlich als Krankheits- oder Narbensymptome vorkommen, wie Tickzustände, Atethosen usw. Die echte Pyramidenlähmung kommt als Rest- svmptom bei epidemischer Encephalitis extrem selten vor; als chronischer Krankheitsprozeß auf dem Boden der epidemischen Encephalitis ist sie uns bisher unbekannt, wenn auch wohl möglich. Ein englischer Autor Buzzard glaubt solche Fälle gesehen zu haben.

Diese chronische Encephalitis ist nun natürlich etwas außerordentlich Charakte- ristisches. Ich behaupte keineswegs, daß nun gerade die epidemische Encephalitis die einzige Gehirnentzündung ist, die sowohl akut wie auch später ehronisch vorkommt, z. B. glaubt Wilson auch einen Parkinsonzustand als Ausdruck einer ausge- sprocheuen Malariaencephalitis gesehen zu haben. Andere Erscheinungen, die der multiplen Sklerose ähneln, sind gerade bei Malaria bekanntlich früher schon gesehen worden, doch handelt es sich hier wohl um etwas anderes, um Dauersymptome, nicht um langsam fortschreitende Krankheiten, Die Regelmäßigkeit der chronischen En- cephalitis als Nacherkrankung einer akut verlaufenden Krankheit dürfte jedenfalls etwas ganz Figenartiges sein, etwas, was wir insbesondere auch bei den Grippen- encephalititiden nicht finden.

Etwas ziemlich Charakteristisches ist dann endlich auch die eigenartige Charakter- anomalie, die wir namentlich bei Kindern im Anschluß an das akute Encephalitis- stadium finden. Auch hier muß ich es mir natürlich versagen, auf die Symptomato- logie dieser Erscheinungen näher einzugehen. Ich erwähne nur, daß ähnliche Er- -cheinungen tatsächlich auch nach anderen Infektionskrankheiten des Gehirns vor- kommen, aber wiederum nicht mit derselben Gesetzmäßigkeit wie bei der epidemischen Encephalitis, wo wir die Störung bei mindestens ?/4 des gesamten Materials sehen.

Wir fragen jetzt weiterhin, ob die epidemische Encephalitis auch anatomische Eigenheiten zeigt.

Wir dürfen auch hier eine Reihe von Punkten anführen, die in der Gesamtheit ein geschlossenes, charakteristisches Bild geben, und

zwar: erstens die Geringfügigkeit des makroskopischen Befundes.

Ich habe schon gesagt, daß Blutungen und Erweichungen gelegentlich auch einmal bei sicherer epidemischer Encephalitis vorkommen, aber es handelt sich um atypische Akzidentalerscheinungen, und in der Mehrheit der Fälle fehlen diese grob makroskopischen Veränderungen, die wir bei anderen sogenannten Encephalitiden ge- wohnheitsgemäß finden, ganz. Ich möchte es mir aus Zeitgründen ersparen, die Namen all der Autoren anzuführen, die entsprechende Befunde wie ich erhoben haben. An anderer Stelle habe ich das mehrfach getan. Die schwersten Entzündungen können bei dieser Erkrankung vorkommen, ohne daß man selbst kleine diapedetische Blutungen in größeren Mengen findet.

Das Charakteristische ist, daß es sich um eine nicht hämorrhagische Encephalitis hier handelt, wenn auch selbstverständlich gelegentlich Blutungen vorkommen. Häufiger finden wir banale makroskopische Erscheinungen, wie Hyperämie, Oedem, eine etwas weiche Beschaffen- heit der Hirnkonsistenz. Das sind so banale Erscheinungen, die bei allen möglichen Krankheitsprozessen, auch bei Exitus an nichtzerebralen Krankheiten beobachtet werden können, daB wir auf solche Symptome keinen uosologischen Wert legen werden, zumal sie auch fehlen können.

2. Histologisch finden wir im akuten Stadium folgendes: Erstens die infiltrativen entzündlichen Veränderungen. Diese Infiltration ist meist eine lymphoide, d. h. sie besteht aus Lymphozyten und weniger zahlreichen Plasmazellen und anderen Abkömmlingen der Lymphozyten, die wir als Polyblasten, Makrophagen usw. bezeichnen. Lymphozyten überwiegen im allgemeinen über Plasmazellen. Sie ist kombiniert mit

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einer Proliferation anderer Gefäßelemente, die mehr den Charakter etwa der adventitiellen Zellen behalten haben, wenn wir annehmen wollen, daß auch die Iymphoiden Infiltratzellen aus fixen Gefäßwand- zellen stammen. Auf diese Frage nach der Abkunft der Lymphozyten näher einzugehen, ist natürlich nicht nötig und für unsere Fragestellung auch überflüssig.

Es ist namentlich von Häuptli mit der Oxydasereaktion gezeigt worden, daß in den Anfangsstadien der Encephalitis auch Leukozyten an der Infiltration oder Exsudation beteiligt sind. Uebrigens hat schon Economo kleine miliare Leukozyten- abszesse annonziert. Jedenfalls ist aber diese leukozytäre Exsudation etwas gewöhnlich sehr rasch Vorübergehendes, auch dann, wenn der encephalitische Prozeß ein schwerer bleibt. Es ist möglich, daß in den allerersten Stadien der Encephalitis, die man selten

Fig. 1. Encephalitis epidemica. Schwere Infiltrate in der Mittelhirnhaube. auch im Ektoderm (Choreaencephalitis).

Fig. 2. Typische perivaskuläre Infiltrate in der Haube (Grenze zu den Brücken- kernen). Im Ektoderm starke Wucherung der Glia auch mit stäbchenfürmigen Ele- menten (akute Encephalitis).

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zu Gesicht bekommt, die Leukozyteninfiltrate reichlicher sind. Vor kurzem habe ich erst eine sehr schwere Choreaencephalitis obduziert, in der die Infiltrate rein lymphoide waren. Kleine Leukozytenagglutinate in den Gefäßen habe ich selbst früher be- schrieben, doch handelt es sich hier wahrscheinlich um eine rein agonale unspezifische Erscheinung. Generell ist die Beteiligung der Leukozyten wahrscheinlich geringer als bei Poliomyelitis. (Fig. 1 und 2, S. 104*,)

Diese Iymphoiden Infiltrate sind nun in der Mehrheit der Fälle intraadventitiell, d. h. sie überschreiten nicht die Membrana limitans gliae. Gewöhnlich werden diese Infiltrate als periadventitiell bezeichnet, doch ist die Frage nach den periadventitiellen Lymphräumen trotz aller Arbeit noch zu wenig geklärt, als daß wir mit Bestimmtheit angeben könnten, ob die Bezeichnung periadventitielle Infiltrate terminologisch ganz richtig ist. Jedenfalls ist die Hauptsache, daß die Infiltrate meist im Mesoderm bleiben. Die meisten Kerne, die wir im Ektoderm sehen, sind, wie wir an guten Nißl-Präparaten sehen können, gliöser Natur. Wenn wir auch typische Plasmazellen und sichere Lymphozyten im Nervengewebe zu sehen glauben, so werden wir berücksichtigen

Fig. 3. Subakute lethargische Encephalitis. Substantia nigra. Neben den peri- vaskulären Infiltraten ist eine starke Gliaproliferation und Degeneration eines Teiles der pigmentierten Ganglienzellen eingetreten.

müssen, daß in den Entzündungsherden im Grau außerordentlich viele kleine Kapillaren geöffnet sind, an deren Wänden die Plasmazellen hängen können, wie man manchmal noch sehr gut sehen kann. Aber zweifellos ist bei dieser Erkrankung eine strenge Beschränkung der Iymphoiden Zellen aufs Mesoderm nicht vorhanden. Bei schweren Er- krankungen kann eine Einschmelzung der Gliamembran vorkommen, so daß es zu tatsächlichen dichten Infiltraten in der Hirnsubstanz kommt, wovon ich Ihnen ein Beispiel im Bild geben möchte (Fig. 1). Ich möchte aber betonen, daß eine so dichte Infiltration des Gewebes auch an den Entzündungsstellen durchaus nichts Gewohnheitsmäßiges ist. Jedenfalls sind die meisten Zellen im Parenchym gliöser Natur, wie wir mit ziem- licher Sicherheit sagen können, obwohl ja bekanntlich auch im Nißlbild ein Lymphozyt und eine Gliazelle nicht immer voneinander zu unter-

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scheiden sind. Die Wucherung der plasmatischen Glia ist von verschie- denen Autoren, insbesondere Klarfeld und Scholz, sehr eingehend studiert worden. Sie kommt in verschiedenen Typen vor, wir finden perikapilläre Gliaknötchen und Rosetten, welche den Fleckfieberknötchen zum mindesten sehr ähneln können. Mesenchymzellen sind ihnen beli- gemischt. Wir finden starke Vermehrung der Gliakerne um Ganglien- zellen und die perivaskulären Gliahosen, sowie eigenartige Gliafiguren, die wohl mit dem Verlauf von Nervenfasern zusammenhängen. Wir finden vor allem häufig eine so starke Reaktion der Glia auch in akuten Stadien, daß sie in einem gewissen Widerspruch zu dem relativ milden Abbau der Nervensubstanz stehen kann, also auch wieder in einem gewissen Analogon zu den Erscheinungen bei Fleckfieber und ein Hinweis darauf, daß die Gliawucherung nicht allein reparatorische oder Aufbaufunktionen in diesem Stadium ausübt, sondern eine Art direkter Reaktion auf den Reiz der Krankheitsnoxe darstellt, in ähn- licher Weise, wie die Mesenchymalreaktionen und schließlich auch die Ganglienzellreaktion. (Fig. 3, S. *105.)

Und nun die alternativen Veränderungen an der Nervensubstanz. Diese sind selbstverständlich vorhanden, und es sind von Creutzfeldt, von Groß, von mir und anderen die verschiedensten Abbauerscheinungen der Ganglienzellen beschrieben worden. Aber im allgemeinen sind diese Veränderungen im akuten Stadium nicht sehr hochgradig, bis auf die Alterationen gewisser Prädilektionsgebiete, und vor allem nicht ım Verhältnis zu anderen ähnlichen Krankheitsprozessen, wie der Polio- myelitis. Auch hier nehme ich nur den Krankheitstypus, nicht einzelne Abweichungen in besonderen Fällen. Körnchenzellen habe ich, abgesehen von der Substantia nigra, im akuten Stadium nicht gesehen, nach Sieg- mund beginnt das Auftreten von Körnchenzellen im Gewebe etwa erst

nach 30 Tagen.

| 3. Von Wichtigkeit ist nun weiterhin die Lokalisation des Krank- heitsprozesses. Es ist von besonderer Wichtigkeit, daß der Entzündungs- prozeß in der Mehrheit der Fälle ein bestimmtes Prädilektionsgebiet einnimmt, das sich am Boden des Aquaeductus Sylvii gewissermaßen konzentriert und zunächst nach dem Höhlengrau am dritten und vierten Ventrikel und dem Thalamus zu weiterhin erstreckt, während z. B. die eigentlichen Brückenkerne ganz außerordentlich häufig frei sind, wenn die Brückenhaube aufs stärkste infiltriert ist. Diese Verteilung war uns schon lange bekannt. Spatz hat neuerdings noch etwas genauer die Prädilektionszonen abzugrenzen gesucht und erwähnt als solche das Tuber cinereum, den Mandelkern, den Nukleus der Substantia innomi- nata, den Uncus, die Substantia nigra, den Nucleus paraventricularis. die dem dritten Ventrikel benachbarten Teile von Thalamus und Hypo- thalamus, das Höhlengrau am Aquädukt, am 3. und 4. Ventrikel, sowie das Mittelhirndach, das tatsächlich auch sehr häufig entzündet ist. Hierzu kommt dann noch die so häufig begleitende Meningitis, welche aber im allgemeinen sehr mäßig zu sein pflegt, jedenfalls sehr viel geringer als die Encephalitis. Außerdem sind topisch die Meningitis und die Intrazerebralherde nicht in sehr enger Beziehung zueinander. Vor allem ist die Meningitis gewöhnlich viel diffuser als das Hauptentzündungseebiet im Gehirn. Auch in dem Prädilektions- gebiet kommen natürlich auch bei sonst typischen Fällen erhebliche Differenzen der Ansbreitung vor. Die basale Rinde, die von den Rinden- partien immer noch am meisten befallen ist, ist häufig bei schwer-

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sten Erkrankungen ganz frei. Und selbst die Substantia nigra, die seit den Untersuchungen von Tretjakoff und Bremer als eins der allerwichtigsten Entzündungsgebiete zu imponieren pflegt, kann bei schwersten Erkrankungen frei von entzündlichen und stärkeren Degene- rationen sein, wie Ihnen ein Bild zeigt. |

Aber generell wird man den Feststellungen von Spatz zustimmen müssen, und diese Feststellungen sind von Wichtigkeit wegen der SchluBfolgerungen, die Spatz zieht, daß nämlich diese Verteilung des Krankheitsprozesses einer Ausbreitung des Virus auf dem Wege des Liquors und der Lymph- wege entsprechen dürfte. Denn die Verteilung ähnelt der Imprägnation des Ge- hirnes, wenn man auf dem Liquorwege suboccipital Vitalfarbstoffe eingeführt hat, wie Spatz feststellen konnte.

Diese Feststellung hat aber nun wiederum eine gewisse Wichtigkeit dar- um, weil wir nach den Feststellungen von G o 0 d- pasture, Marinescu, Levaditi und anderen annehmen dürfen, daß die Verbreitung der experi- mentellen Herpesencepha- litis einen ähnlichen Weg nimmt. Diese Autoren haben z. B. in sehr inter- essanten Versuchen fest- gestellt, daß das Virus zum Gehirn allem Anschein nach die Nerven entlang zugeführt wird, sei es im Achsenzylinder selbst oder

den perineuralen Lymph- BR

wegen, und dann auch auf Fig. 4. Substantia nigra bei akuter Myoklonus-

ds À à b Li encephalitis. (Im wesentlichen frei von Veränderungen. YMPAWESE DZW. Li- Hauptentzündung hier in tieferen Hirnstammgebieten

quorwege weiter diffun- und im Rückenmark.)

diert. So findet Good-

pasture bei der experimentellen Herpesencephalitis die initialsten Ver- änderungen etwa in der Trigeminuswurzel oder den motorischen Kernen der infizierten Trigeminusseite.

Solche exakten Ergebnisse liefert uns das Studium der epidemischen Encephalitis des Menschen natürlich niemals. Ein Zufallsbefund könnte uns hierüber vielleicht aufklären, wenn wir eine Gelegenheit hätten, zufällig die allerinitialsten Stadien der Encephalitis auf Serienschnitten zu untersuchen. Ja, wir können sogar vorläufig, von klinischen und anatomischen Erwägungen ausgehend, nicht einmal sagen, daß wir viele Anhaltspunkte für die Vermutung haben, daß auch bei der epidemischen Encephalitis das hypothetische Virus auf dem Nervenwege primär ins

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Zentralnervensystem eindringt, gleichgültig, ob perineural auf dem Lymphwege oder intraneural. Wir kennen bekanntlich menschliche Er- krankungen, bei denen ein solcher Verbreitungsmodus ziemlich erwiesen ist, wie die Lyssa und der nichtentzündliche Tetanus, aber bei der Encephalitis liegen die Dinge doch anders. Es kommen im wesentlichen drei Nervenwege in Betracht, von denen wir hypothetisch annehmen könnten, daß sie das Encephalitisvirus zum Gehirn leiten könnten, wenn wir von der plausiblen Hypothese ausgehen, daß die Infektion vom Nasen-Rachenraum aus ihren Ursprung nimmt: das sind der Ol- factorius, der Trigeminus und der Glossopharyngeo-Vagus. Aber weder die ersten klinischen Herdsymptome pflegen sich im Bereich dieser Nervengebiete zu etablieren, noch haben wir in diesen Nervengebieten, bzw. in den entsprechenden Kerngebieten, die Hauptausdehnung des Entzündungsprozesses. Wir wissen also vorläufig noch nicht, ob das Encephalitisvirus hämatogen oder lymphogen oder neurogen in das Nervensystem eindringt, und können nur vermuten, daß bei der Weiter- verbreitung des Virus Liquor und Lymphwege eine wichtige Rolle spielen. Und diese Feststellung ist für uns auch schon darum von Wichtigkeit, weil sie im Gegensatz steht zu den rein metastatischen Herdencephalitiden, die auf dem Blutwege ins Nervensystem gelangen und Einzelherde teils thrombotischer, teils nichtthrombotischer Natur hervorrufen. Zu diesen Erkrankungen gehören z. B. die klinisch ganz latenten verstreuten Herde, die Eugen Fraenkel als zufälligen Be- fund bei den verschiedensten Infektionskrankheiten fand, zu diesen Erkrankungen gehört aber auch die sogenannte Leichtensternsche Grippeencephalitis. Die Prädilektion des Höhlengraues ist im übrigen natürlich nicht spezifisch. Ja, wir sehen sogar nicht selten auch bei anderen exogenen Erkrankungen des Nervensystems Höhlengrausymptom:. wie bei der Wernickeschen hämorrhagischen Polioencephalose, die im übrigen ja eine ganz andere Aetiologie als unsere Encephalitis hat.

Innerhalb der Prädilektionsgebiete ist dann noch hervorzuheben, daß in der Substantia nigra die nervöse Substanz sich ganz besonders empfindlich zu erweisen pflegt. Die Nervenzellen erleiden hier ganz besonders starke Abbauerscheinungen, das Pigment fließt dabei aus. wird hier auch im akuten Stadium schon in Gliakörnchen selber aut- gespeichert und zu den Gefäßwänden transportiert.

Zwei weitere Befunde verdienen dann weiter unser Interesse.

Erstens: daß es gelegentlich encephalitische Erkrankungen gibt. die ohne wesentliche entzündliche Erscheinungen verlaufen. Darauf hat Klarfeld besonders hingewiesen; aber ich glaube, daß man sich hier vor nosologischen Schlußfolgerungen sehr vorsehen muß. Denn tatsäch- lich scheint der Klarfeldsche Fall der einzige sichere akute En- cephalitisfall gewesen zu sein, in welchem die degenerativen Erschei- nungen absolut im Vordergrunde standen, während die entzündlichen Veränderungen nur gerade angedeutet waren. Ich habe zwar selbst auch einen ähnlichen Fall, der unter dem Bilde einer akuten Bulbär- paralyse verlief, beschrieben, muß aber gestehen, daß mir dieser Fall diagnostisch nicht ganz klar zu sein scheint, insbesondere ist die Ab- trennung vom Botulismus in diesem Falle nicht eindeutig, obwohl weitere Botulismusfälle in der Gegend nicht feststellbar waren. Bei der außerordentlich interessanten Epidemie bulbärparalytischer Erschei- nungen, die John und Stockebrand in Mülheim beobachteten, hat

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es sich ja wohl ganz zweifellos nicht um epidemische Encephalitis gehandelt.

Der zweite Befund, der uns interessiert, liegt darin, daß der altera- tive Prozeß an Ganglienzellen sehr diffus sein kann, im Gegensatz zu den Entzündungen, wie Creutzfeldt, Klarfeld, Luzzati und Rietti, Bassoe und Hassin feststellten, und wie ich auch bereits in meiner ersten Arbeit aus dem Jahre 1919 eingehend darzustellen ver- suchte. Wir werden an die Beurteilung der Veränderungen an den Ganglienzellen mit der größten Reserve herangehen, namentlich wenn es sich um so diffuse Störungen handelt, da wir ein gesundes Hirn vom Menschen überhaupt kaum zur Beobachtung bekommen, erst recht nicht bei einer lange dauernden Krankheit. Wir kennen ja zur Genüge die agonalen, die kadaverösen Veränderungen der Nervenzellen und die komplizierten Veränderungen, die wir bei jedem Kranken, der gleich- zeitig eine Bronchopneumonie, eine Phlegmone, einen Dekubitus hat, finden müssen. Aber auch wenn wir diese Schwierigkeiten der Be- urteilung berüchsichtigen, werden wir doch zugeben, daß tatsächlich wenigstens in manchen Fällen, diffuse Veränderungen in der Nerven- substanz bestehen, die in einem Zusammenhang mit dem encephalitischen Krankheitsprozesse stehen und die sich nicht auf banale Chromatolysen und Schwellungszustände beschränken, sondern auch in Verfettung, in der Nißlschen schweren Veränderung bestehen können und bei Kranken beobachtet werden, die keine komplizierende Erkrankung hatten und kurz nach dem Tode seziert wurden. Auch Gliareaktionen finden wir, massenhafte metachromatische Abbauprodukte in den Gefäßwänden, auch in Fällen, in denen eine komplizierende Bronchopneumonie oder ähnlich terminierende Krankheiten nicht bestanden und die Sektion ziemlich kurze Zeit nach dem Tode stattfand. Wir kennen wohl noch zu wenig die Beziehungen zwischen den Klinischen Erscheinungen und der jeweiligen Stärke der diffusen Nervenzellalterationen. Deutlich waren diese Veränderungen z. B. in dem ersten Fall, den ich unter- suchte, der unter dem Bilde einer Meningitis verlief. In einem Fall schwerer Choreaencephalitis aus diesem Jahr waren sie auch recht stark, aber es hatte eine terminale Pneumonie bestanden. Offenbar kommt es in akuten Stadien jedenfalls selten zu schweren fleckweisen Nerödungen.

Worauf diese diffusen Störungen zurückzuführen sind, wird vor- läufig nicht ohne weiteres entschieden werden können. Persönlich neige ich mehr der Ansicht zu, daß diese diffusen Störungen rein alterativer Natur nicht auf eine direkte Wirkung des Virus in loco zurück- zuführen sind, sondern auf eine Toxikose, worauf ja schließlich die Tatsache hinweist, daß wir namentlich bei den schweren hyperkine- tischen Encephalitiden auch klinische Erscheinungen sehen, die auf so diffus toxisch wirkende Stoffe, die vom Erreger in die Blutbahn ab- gegeben werden, hindeuten, worauf Economo zuerst mit Recht hin- gewiesen hat. Dazu gehören z. B. die furibunden Delirien der hyper- kinetischen Encephalitis, die Blutleukozytose, die Vermehrung des Rest- stickstoffs im Blut, gelegentlich toxische Exantheme, Icterus usw. Eine Entscheidung wird erst möglich sein, wenn man den Erreger im Gewebe darstellen kann, falls das überhaupt je gelingt. Man soll sich also meiner Meinung nach durch den Klarfeldschen Befund, daß ge- legentlich die entzündlichen Veränderungen ganz zurücktreten können, nicht zu der Annahme verleiten lassen, die mehr umschriebenen Ent-

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zündungsherde und die etwaigen ganz diffusen Alterationserscheinungen einfach als genetisch gleichartig zu bewerten und vielleicht nur von der Stärke der Viruswirkung in Abhängigkeit zu bringen.

Nach dem Ablauf der akuten Encephalitis sehen wir natürlich auch Folgeerscheinungen; diese bestehen, wenn wir zunächst von der chro- nischen Encephalitis absehen, in kleinen mikroskopischen Erweichungs- herden, aber auch in kleinen gliotischen Herden. Selten findet man grobe Lückenfelder in größerer Ausdehnung, wie diese von Economo beschrieben worden sind. Und erst recht wird man den groben, auch makroskopisch erkennbaren fasergliotischen Entmarkungsherden, wie wir sic von den chronischen myelinoklastischen Encephalitiden her kennen, skeptisch gegenüberstehen; Fälle dieser Art sind von Weiz- säcker, Kufs und Bill beschrieben, aber diagnostisch nicht einwand- frei. Und nun noch einige Worte über die chronische Encephalitis. Bei dieser Erkrankung fällt auf, daß die entzündlichen Erscheinungen ganz zurücktreten, und zwar bei der echten, langsam verlaufenden Parkinsonencephalitis, während bei der rezidivierenden Schubencepha- litis entzündliche Erscheinungen sehr stark sein können. Bei der chronischen Encephalitis kommen entzündliche Veränderungen noch vor. aber sie können in vielen Fällen auch so gut wie ganz fehlen. Wir finden hier einen degenerativen Abbauprozeß, der in dem fortschreiten- den Zerfall der Ganglienzellen, in der Anhäufung von Abbaustoffen, in Gliakörnchenzellen und in den Gefäßwandzellen, schließlich in einer vollkommenen Atrophie sich äußert und gewöhnlich in sehr elek- tiven Hirngebieten, insbesondere der Substantia nigra, event. auch dem Pallium besonders stark zum Ausdruck kommt.

Sie sehen aus meinen Ausführungen, daß klinisch wie anatomisch die epidemische Encephalitis doch etwas Besonderes darstellt, wenn man nur das Gesamtbild im Auge hat, und vor allem sehr verschieden ist von den hämatogenen Gelegenheitsencephalitiden der Leichten- sternschen Encephalitis, bei der wir plötzlich auftretende grobe Herd- erscheinungen, z. B. Hemiplegien, und große makroskopische Herde, z. B. im Großhirnmark, schen, bald einzeln, bald vielfach. Nun kommen aber zweifellos Mischformen, sagen wir Abweichungen, der epidemischen Encephalitis vor, bei denen z. B. die sogenannte Hirnpurpura eine größere Rolle spielt, bei denen auch Thrombosen oder sogar größere Erweichungen im akuten Stadium vorkommen. Diese atypischen oder Mischfälle erschüttern nicht das nosologische Einheitsbild der epidemi- schen Encephalitis, aber sie bieten die Hauptquelle der Hypothesen. welche über die Beziehungen der Encephalitis zur Grippe angestellt. wurden. Wir werden uns hier sehr bescheiden ausdrücken und hervor- heben müssen, daß wir dieses Problem klinisch und anatomisch gar nicht lösen können. Diese Entscheidung ist vom Bakterio- logen zu treffen. Wenn wir das Grippevirus mit absoluter Sicher- heit kennen, dann können wir experimentell vielleicht die Entscheidung treffen, ob dieses Virus in bestimmten Modifikationen auch En- cephalitis von der Art der epidemischen hervorruft. Vorläufig können wir nur folgende Feststellungen machen: Grippevirus und Encephalitis- virus sind mit Sicherheit dann verschieden, falls der Influenzabazillus den tatsächlichen Erreger der Grippe darstellt, ebenso dann, wenn das Herpesvirus den Encephalitiserreger darstellt. Vorläufig scheinen mir nur die Untersuchungen von Volpino und Racchusa einer Nach- untersuchung bedürftig zu sein, wonach ein unfiltrierbares, von Bak-

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terien befreites, aus dem Sputum von Influenzakranken gewonnenes Virus intrakraniell eine der epidemischen Encephalitis ähnliche Er- krankung hervorrufen soll. Am meisten Wahrscheinlichkeit hat zurzeit aber doch wohl die Annahme, daß die Beziehungen der epidemischen Encephalitis zu Grippe mehr indirekte sind, d. h. daß das hypothetische Encephalitisvirus häufig durch die Grippeschädigung aktiviert wird, durch den Niederbruch der Immunkräfte infolge der Grippe, vielleicht auch durch die Gefäßschädigung, die das Grippevirus hervorruft. Jeden- falls scheinen die letzten Encephalitisepidemien in keiner Beziehung zu irgendwelchen Grippeerkrankungen zu stehen. Und diese Encephalitis- epidemien sind, wenigstens in unserem Aufnahmebezirk, Jahr auf Jahr immer noch sehr erheblich.

Sicher ist jedenfalls das eine, daß das Encephalitisvirus in einer Verwandtschaft zu einer gewissen Gruppe von Krankheitserregern steht, die Erkrankungen des Nervensystems hervorrufen, welche Levaditi als neurotrope Ektodermosen bezeichnet. Schon Economo hat solche Erkrankungen zueinander in Parallele gesetzt. Tobler hat 1920 eben- falls verschiedene menschliche und tierische Erkrankungen dieser Art zueinander in Beziehung gebracht. 5

IV. Histologisch verwandte Encephalitiden.

Diese Erkrankungen, die histologisch miteinander verwandt sind, sind die Lyssa sowie die Pseudolyssa (Aujetzky), die epidemische Poliomyelitis, die Bornasche Krankheit, die Staupe, jetzt auch die Herpesencephalitis, die Geflügelpest, Meerschwein- chenlähme, weiterhin auch die Vakzine- bzw. Pockenerkrankung des Nervensystems, von denen die erste nach den Feststellungen von Bastiaense und Lucksch vielleicht praktisches Interesse ge- winnt, und vielleicht auch das Fleckfieber, das allerdings in mancher Beziehung von den erstgenannten Krankheiten abseits rückt.

Ein reiner oder vorwiegender Neutrotropismus ist nicht bei allen Krankheiten evident, am meisten bei der Encephalitis epidemica, der Poliomyelitis, Lyssa, Borna, Geflügelpest und der Römerschen Meerschweinchenlähmung, soweit wir von geringen initialen katarrhalischen Erscheinungen und Allgemeinerscheinungen absehen. Ge- meinsam ist den Erkrankungen ferner, daß eine filtrierbare Noxe sie hervorzurufen scheint, abgesehen wohl vom Fleckfieber. Gemeinsam ist weiterhin der histologische Befund, daß ohne große makroskopische Herderscheinungen vorwiegend lymphoide In- filtrate auftreten, die zum Teil mit starken Wucherungen der plasmatischen Glia verbunden sind, die an sich natürlich auch nicht spezifisch sind, z. B. ja auch bei der Malariaencephalitis auftreten. Endlich sind die Einschlußkörperchen zu erwähnen, die uns jedenfalls von der Encephalitis, der Bornaschen Krankheit, der Lyssa, der Staupe, der Herpesencephalitis bekannt sind. Bei der Poliomyelitis sind von Bonhoff und Walter ähnliche Einschlüsse beobachtet worden.

In manchen Fällen hat die Lyssa eine besonders große Aehnlichkeit mit der epidemischen Encephalitis, wie Spatz und Schükri in der letzten Zeit festgestellt haben, und zwar darum, weil die schon seit langer Zeit bekannten entzündlichen Ver- änderungen (Schaffer, Marinescu usw.), die denen der epidemischen Encepha- litıs ähneln können, auch topische Aehnlichkeiten haben, insofern, als die Substantia nigra besonders stark erkrankt sein kann. Allerdings handelt es sich in diesen Fällen von Spatz und Schükri um Fälle, bei denen die Bißstellen im Gesicht waren, während bei den Lyssafällen, die durch Extremitätenbisse entstehen, die Entzündungen in den entsprechenden Segmenten besonders stark sein können, namentlich in den Initialstadien. Unterschiede gegenüber der epidemischen Encephalitis sind allerdings vorhanden, z. B. fehlen die Negrischen Körperehen bei der Encephalitis, ebenso die Schafter-Cajalsche Hvpertrophie der Neurofibrillen, doch können all diese Er- scheinungen gerade bei der menschliche Lyssa auch fehlen. Die Babesschen Wut- knötchen entsprechen wohl ganz den Fleckfieber- und Encephalitisknôtchen.

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Große Achnlichkeit hat weiterhin die epidemische Poliomyelitis mit der epidemi- schen Encephalitis. Grundsätzlich ist aber dıe Lokalisation eine verschiedene. Bei der Encephalitis ballt sich der Prozeß im Mittelhirn zusammen, bei der Poliomyelitis im Rückenmark. Von da kann der Entzündungsprozeß ins Hirn hinaufsteigen, über- schreitet aber selten die Brücke. Die deletäre Wirkung des Poliomyelitisvirus auf die Ganglienzellen ist wenigstens in umschriebenen Gebieten eine gegenüber der En- cephalitis entschieden verstärkte. Es gehen herdweise Ganglienzellen zugrunde, in gans akuten Stadien, wie bei der epidemischen ee enerell doch wohl öchstens in der Subst. nigra. Ausnahmen kommen bei beiden Erkrankungen selbst- verständlich vor, aber nur die Gewohnheitserscheinungen entscheiden in der Nosologie. Eine der chronischen Encephalitis äquivalente Erkrankung ist der Poliomyelitis fremd.

Die Analogien zwischen epidemischer Encephalitis und der nervösen Staupe sind in der letzten Zeit besonders von F. H. Lewy hervorgehoben worden. Tatsächlich sind auch die histologischen Aehnlichkeiten, wenn man sich einige Bilder von Staupe-

encephalitis ansicht und mit der epi- demischen Encephalitis vergleicht. recht eklatant. Wir sehen die Iymphoidplasma- zellulären Infiltrate, wir sehen eine ge- wisse Unabhängigkeit der Encephalitis von der pialen Entzündung, wir erkennen eine besondere Wucherung der plasma- reichen Glia, z B. in Form von Glia- rosetten, ferner kommen auch produktive Gefäßaffektionen, starke Gefäßwuche- rungen vor, die in manchen Fällen, wie F. H. Lewy gezeigt hat, prädominieren. aber auch bei der epidemischen Ence- phalitis kommen solche Fälle vor, in denen diese Gefäßwucherungen über In- filtrationen stark überwiegen (Fig. 5).

Die Meningitis ist bei der Staupe

ler eine mäßige. Degenerative

eränderungen im Nervensystem dif- fuser Art kommen auch vor. Im übrigen bestehen topische Differenzen. denn jeden- falls haben wir bei der Staupe nicht die prädilektive Ausdehnung des Entzün- dungsprozesses wie bei der epidemischen Encephalitis; vielleicht liegt das daran, daß das Staupevirus wahrscheinlich hä- matogen ins Gehirn wandert. Die ent- zündlichen Veränderungen der Hunde- staupe finden wir im Großhirn, in der Rinde ebenso stark wie im Striatum. Pallidum und anderen Hirngebieten. Die Analogisierung darf also auch nicht zu weit ausgedehnt werden. Manche Befunde sind der epidemischen Encephalitis natür- | lich ganz fremd, nämlich die Erreger, die von Kantorowicz und Lewy gefunden wurden, und die den Erregern der Spon- tanencephalitis und dem re entsprechen. Es sind in Zysten gelagerte Körper- chen, ovoider, aber auch mehr kugliger Form, die bei Giemsafärbung eine starke basophile halbmond- oder ringförmige Chromatinsubstanz erkennen lassen.

Bei der Bornaschen Krankheit, die auch manche Analogien mit der epidemischen Encephalitis hat, ist auch wieder die Lokalisation eine andere, da nach den Unter- suchungen von Joest das Virus von der Nasenschleimhaut den Riechnerven entlang schreitet und vor allem das genannte Riechhirn befällt. Dieser Erkrankung ähnelt eine von Beck histologisch genauer beschriebene enzootische Encephalitis des Schafes, bei der auch Schlafsucht, Benommenheit, Zähneknirschen, Lähmungen auftreten, und die Entzündungen auch im Riechhirn dominieren. Beck hält selbst die Bornasche Krankheit und die Schafencephalitis für identische Erkrankungen.

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Fig. 5. Infiltrative Form der Staupe- encephalitis.

V. Spontanencephalitis des Kaninchens.

= Wir besprechen nunmehr die wichtige enzootische Spontanencepha- litis des Kaninchens, die von Bull, Olliver, Twort, MacCartnev,

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Doerr, Zdansky, Levaditi, Bonfiglio, Pette, Jahnel und Illert u. a. studiert wurde, die aber auch bei anderen Versuchstieren, z. B. der Katze (Schuster), selbst beim Affen vorkommt, wie Lucke zeigte, allerdings ohne daß die typischen Granulome der Kaninchen- encephalitis bei der spontanen Affenerkrankung gefunden wurden. Es ist also jedenfalls kein Beweis dafür vorhanden, daß diese Affen- encephalitis dieselbe Erkrankung wie die Kaninchenencephalitis ist; man muß nur wissen, daß auch beim Affen klinisch ziemlich latent ver- laufende spontane Hirnentzündungen vorkommen können.

Auch die Kaninchenencephalitis ist dadurch ausgezeichnet, daB sie ganz latent verlaufen kann, die ersten Befunde dieser Erkrankung sind ja Befunde gewesen, die bei Kontrolluntersuchungen von Kanin- chen, die als gesunde Kaninchen gekauft waren, festgestellt wurden. Klinisch ist die Encephalitis natürlich nicht immer latent, sie kann auch Erscheinungen hervorrufen, die sehr schleichend verlaufen können und gar nicht den Verdacht gerade auf eine neurologische Affektion hervorrufen müssen. So finden wir Tiere, bei denen wir nur sub- normale Temperaturen, Haarausfall, katarrhalische Erscheinungen finden, also Erscheinungen, die auch durch irgendeine andere ‘Infektion bedingt sein könnten, und dazu kommen dann noch verschiedene neurologische Symptome, die durchweg uncharakteristisch zu sein scheinen, wie Zittern, Paresen, aber auch Krämpfe, die meist ziemlich terminal auftreten. Im Liquor, der von Twort, Bonfiglio, Jahnel und Illert und Pette untersucht wurde, findet sich eine Pleozytose, die außerordent- lich schwanken kann, wie Jahnel und Illert festgestellt haben. Und das ist gewiß ein sehr wichtiger Befund, daß eine einmalige negative Zisternenpunktion noch keinen Beweis dafür abgibt, daß nicht doch eine Encephalitis vorliegt. Es kommen auch sonstige Liquorverände- rungen vor, die aber anscheinend kein charakteristisches Liquorsyndrom ergeben. Der Befund von Jahnel und Illert von dem starken Schwanken der Liquorstörung legt uns die Frage nahe, ob denn diese Spontanencephalitis nicht manchmal auch dauernd ohne Liquorverände- rungen verlaufen kann. Das wäre von ziemlicher Wichtigkeit, da wir damit der letzten klinischen Stütze beraubt würden, von vornherein zu wissen, ob wir ein hirngesundes oder hirnkrankes Kaninchen impfen. Und diese Frage schwebt nicht ganz in der Luft, da wir auch bei der epidemischen Encephalitis des Menschen zum mindesten entzünd- liche Liquorveränderungen, wie die Pleozytose, auch in akuten Stadien vermissen können. Diese entzündlichen Liquorsymptome sind ja im wesentlichen nicht von den intrazerebralen Vorgängen, sondern von der Stärke der begleitenden Meningitis abhängig. Und diese Meningitis ist zwar bei der spontanen Kaninchenencephalitis, wie Olliver und Pette z. B. betonen, und wie ich auch in Präparaten sah, die mir Herr Pette zur Verfügung stellte, eine deutlich ausgesprochene. Aber sie kann wohl auch fehlen, wie z. B. Mac Cartney berichtet, so daß ich tatsächlich glauben möchte, daß wir kein klinisch sicheres Kriterium haben, ob wir unsere Impfversuche an einem hirngesunden oder encephalitiskranken Kaninchen machen. Wir können höchstens vermuten, daß wir hirngesunde Kaninchen vor uns haben, wenn die Liquorkontrolle negativ ausfällt und eine Stallinfektion bisher nicht vorgekommen ist (histologische Kontrollen !).

Anatomisch ist die Spontanencephalitis im übrigen zum Teil durch Entzündungserscheinungen ausgezeichnet, die sich von denen der epi-

Erste Abt. Orig. Bd. 97. Beiheft. | 8

rar 11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925.

demischen nicht sehr unterscheiden, allerdings auch wieder topisch andersartig sind; nach Olliver sind sie sogar gewöhnlich in der Hirn- rinde besonders stark und nehmen dann nach dem Hirnstamm zu ab.

Sehr merkwürdig ist es nun, daß diese Entzündungserscheinungen so stark sein können, auch wenn klinische Erscheinungen ganz zurück- treten. Wir haben hier der Erkrankung gegenüber eine Art klinische Indolenz, wenn ich mich so ausdrücken darf, welche das Kaninchen ja keineswegs allen Krankheitsnoxen gegenüber zeigt. Entzündliche Erscheinungen und Hirnsymptome gehen keineswegs parallel miteinander. Insbesondere sind die durch die spezifische Noxe bedingten Reizerschei- nungen des Hirns ganz verschiedenartige und, wie man beim Kaninchen besonders feststellen kann, unabhängig von den sogenannten entzünd- lichen Veränderungen am Gefäßsystem. Wir wissen ja umgekehrt, z. B. durch Untersuchungen von Doerr und Lauda, daß bei schweren Herpesencephalitiden mit ausgesprochenen klinischen Erscheinungen die entzündlichen anatomischen Veränderungen durchaus nicht immer ent-

ee RATE et Ne LT 5 a. Se (LA > SENINA 738

Fig. 6. Nekrotisierendes Granulom einer Spontanencephalitis (nach einem Prä- parat von Pette).

sprechend stark sind. Und auch ich habe einen Fall mit klinisch sehr schwerer akuter keratogener Herpesencephalitis gesehen, bei der wenig- stens die entzündlichen Erscheinungen gering und ganz auf die Meningen beschränkt waren.

Besonders charakteristisch für die Spontanencephalitis sind die sogenannten Granulome, die zuerst wohl von Olliver gesehen worden sind und die sich besonders in der Rinde und dem subkortikalen Mark finden. Diese Granulome sind nun etwas ganz anderes als die peri- kapillären Gliaknötchen, die wir auch bei der epidemischen Encephalitis sehen. Diese Granulome sind erheblich größer, sie stehen wie die Glia- knötchen in deutlichen Beziehungen zu Gefäßen, in einem bestimmten Entwicklungsstadium kommt es zu einer Nekrosenbildung im Zentrum, das zu einem Detritus zerfällt, während um dieses nekrotische Zen- trum herum zunächstein Gewebe aus Epitheloidzellen besteht, das nach meiner Ansicht in völliger Uebereinstimmung mit der Ansicht von Veratti und Sala vorzugsweise aus wuchernden, epitheloid gewordenen Gefäbwandzellen zusammengesetzt ist. Um diese epitheloiden Wuche-

11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925. 13; rungen findet sich ein Ring von Lymphozyten, während am Rande eine proliferative Reaktion der Gliazellen einsetzt. Natürlich ist die Trennung der einzelnen Gewebsbestandteile nicht immer eine so strenge wie in der schematischen Schilderung. Diese Granulome haben also eine gewisse Aehnlichkeit mit kleinen Tuberkeln. (Allerdings sind Kapillaren, wenigstens in den Anfangsstadien, in den Granulomen er- kennbar.) Das Ektoderm kann in der Umgebung dabei sehr wenig geschädigt sein. Und in diesen Granulomen finden sich dann die Para- siten, die zuerst von Wright und Craighead gesehen, genauer von Doerr und Levaditi und ihren Mitarbeitern beschrieben wurden, und auch später noch von verschiedenen Autoren ebenfalls beschrieben worden sind (Cowdry, Goodpasture, Veratti, Sala und da Fano). Es handelt sich um längliche event. birnförmige Gebilde mit Chromatinkörnchen, die im Mannpräparat rot gefärbt sind. Sie liegen oft in Zysten, kommen aber auch frei außerhalb der Granulome vor.

Aber diese Granulome und die Parasiten kommen nun keineswegs bei allen Spontanencephalitiden vor. Mac Cartney hat sie an sehr großem Material in 15 Proz. gefunden, Doerr und Zdansky finden 25 Proz. Auch Olliver unterscheidet zwei Formen, eine mit und eine ohne Granulome, ohne daß ein krankheitsspezifischer Unterschied darin gefunden werden könnte. Die negativen Fälle können zum Teil dadurch erklärt werden, daß nicht das ganze Gehirn von zahlreichen Versuchstieren auf Serienschnitten glatt durchsucht werden kann, so daß man sicher in vielen Fällen, die Granulome enthielten, nur zufällig nicht Schnitte mit Granulomen untersucht hat. Wir kennen aber wohl den Lebensgang dieser Parasiten und ihre Wirkung auf das Gehirn zu wenig, um zu wissen, ob die Parasiten in allen Entwicklungsstufen uns sichtbar gemacht werden können, und ob das Gehirn auf ihre An- wesenheit stets mit typischen Granulomen reagiert oder nicht, d. h. event. nur mit uncharakteristischen Entzündungserscheinungen. Ja, wir wissen auch nicht, ob nicht die Erreger auch häufig ganz latent sapro- phytieren können und erst durch besondere Reize aktiviert werden. Praktisch ist es jedenfalls nicht gestattet, mehrere Arten der spontanen Kaninchenencephalitis zu unterscheiden, je nach dem Vorkommen der nekrotisierenden Granulome oder ihrem Fehlen. Wir wissen natürlich nicht, ob es nicht ätiologisch verschiedene Encephalitiden des Kanin- chens gibt, wir nehmen aber zunächst eine einheitliche Erkrankung an, ue wir nur in verschiedenen Stadien oder Modifikationen vor uns sehen.

Wir können hier noch eine Bemerkung anschließen, im Hinblick auf die 1920 von Hılgermann im Blut Encephalitiskranker gefundenen Protozoen. Von Herrn Hilgermann waren mir seinerzeit freundlicherweise Präparate zur Einsicht über- sandt worden, ohne daß ich entscheiden möchte, ob es sich bei den Gebilden um echte Parasiten oder um Einschlußkörper handelt, Hilgermann hat die Gebilde auch in der Ventrikelflüssigkeit gefunden. Aber abgesehen davon, daß die Hilgermann- schen Befunde bisher nicht bestätigt worden sind, so ist es für uns das Wichtigste, daß irgendwelche Befunde, die auf Protozoen hinweisen, auf Gebilde, wie sie bei der spontanen Encephalitis gefunden werden, im Gehirn der an epidemischer Encephalitis verstorbenen Patienten bisher niemals erhoben worden sind. Es ist kaum anzunehmen, daß die Zysten mit Erregern und insbesondere die typischen nekrotisierenden Granu- lome den Untersuchern, die doch zum Teil außerordentlich gründlich das Gehirn der Kranken untersucht haben, entgangen wären.

Weiterhin ist darauf hinzuweisen, daß schon von Twort bei der spontanen Kaninchenencephalitis gleichzeitige nephritische klinische und 8*

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anatomische Symptome beobachtet wurden, und daß von Levaditi auch dic Parasiten in den Nieren in Zysten dargestellt wurden. Hierbei werden die Beziehungen der Spontanencephalitis zur Staupeencephalitis bzw. Staupeerkrankung überhaupt näher gerückt, die ätiologisch nach ‘den neueren Untersuchungen von F. H. Lewy mit der Spontanencepha- litis des Kaninchens identisch ist. Lewy arbeitete dabei allerdings nicht mit einer gewöhnlichen Spontanencephalitis, sondern mit einem Virus, das aus einem Stamm der Klingschen Encephalitis gewonnen war. Diese Betrachtung der Klingschen Encephalitis hat nun unser Interesse im besonderen Maße erweckt, weil ja Kling mit seinen Mitarbeitern in sehr eingehenden und interessanten Arbeiten die Behauptung aufgestellt hatte, mit dem Virus der epidemischen Encephalitis zu arbeiten, und weil nunmehr mancherlei Beweisgründe sich gefunden haben, die für eine Identifikation der Spontanencephalitis und der mit dem Klingschen Virus gewonnenen Encephalitis sprechen.

Klinisch ist die Klingsche Encephalitis durch den langsamen oft latenten, jedenfalls äußerst schleichenden Verlauf ausgezeichnet. Manche Tiere haben gar keine klinischen Erscheinungen. Andere haben neurologische Symptome, welche Kling den menschlichen analogisiert, nämlich Steifigkeit, katatonische Zustände, Zittern, Mono- und Paraparesen, nicht selten auch intensiver Speichelfluß. Schon im Anfang meiner Ausführungen habe ich betont, daß eine solche Analogisierung der klinischen Erscheinungen mir unzulänglich erscheint, insbesondere können und müssen Steifigkeit und Zittern beim Kaninchen ganz andere patho-physiologische Bedeutuug als beim parkinsonistischen encephalitiskranken Menschen haben. Der Ablauf der Erkrankung ist jedenfalls durchschnittlich ganz anders als beim Menschen, bei dem wir in der Mehrheit der Fälle doch ein charakteristisches akutes Stadium haben, dem dann ein latentes Stadium und ein langsam progressives Stadium folgen, und diese Ablaufsdifferenzen dürfen nicht zwanglos auf die besondere Tierspezies zurückgeführt werden, da wir beı der Benutzung anderer Virusformen doch auch sehr akut ver- laufende encephalitische Erkrankungen beim Versuchstier sehen. Gewiß ist das dif- ferente Verhalten im Ablauf der Erkrankung auch kein Beweismittel, das die Ver- schiedenheit der Keime von Klingencephalitis und menschlicher Encephalitis auf deckt, aber jedenfalls ist der Schluß von Kling unrichtig, der die chronisch- progressive Erkrankung beim Kaninchen mit der chronischen Encephalitis beim Men- schen analogisiert. Denn diese chronische Erkrankung beim Menschen ist anatomisch etwas ganz anderes, als die diffuse Encephalitis, die man mit dem Klingvirus erzielt; es handelt sich ja bei der chronischen Encephalitis epidemica nicht um eine pro- gressive Entzündung an diffusen Stellen, sondern um eine Erkrankung, die mehr ın einer Parenchymdegeneration an umschriebenen Stellen des Gehirns zum Ausdruck kommt. In anatomischer Beziehung sind neben den entzündlichen Veränderungen die Granulome, die, wie wir jetzt wissen, denen der Spontanencephalitis entsprechen. zuerst von Kling selbst beschrieben worden, während die Erreger von Doerr und Levaditi, später auch von Veratti und Sala und F. H. Lewy gefunden wurden (allerdings ist es nicht ganz sicher, ob nicht Veratti und Sala zufälliger- weise mit Kaninchen arbeiteten, die bereits vor der Infektion an Kaninchenence halitis litten). Und die gleichen Granulome sind von Levaditi auch bei dem Thal- himerschen Virus gefunden, wenn auch die von Thalhimer infizierten Tiere eine akutere Erkrankung durchmachten. Der Tod trat nach 2—8 Wochen ein. Thalhimer meint, daß ein Teil der Kaninchen trotz Fehlens histologischer Verände- rungen virulent gewesen sei. Da Fano steht auch auf’ dem Standpunkt, daß Scezymanowskı und Zylberlast, die außerordentlich häufig positive Resultate erzielten, einer Verwechslung mit Spontanencephalitis zum Opfer gefallen seien.

So ganz einfach ist allerdings die Identifizierung der Klingschen Encephalitis mit der Spontanencephalitis nicht, und zwar darum, weil Kling selbst doch sehr zahlreiche Kontrollversuche anstellte, bei denen er niemals encephalitische Veränderungen fand. Das ist wohl auch der Grund, warum Veratti und Sala noch etwas zweifeln, daß die Spontanencephalitis und die Encephalitis durch Klingvirus miteinander identisch sind. Ein anderes Argument, das auch Veratti und Sala

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nennen, nämlich die neutralisierende Wirkung des Rekonvaleszenten- serums von Menschen auf das Klingvirus wird von Doerr und Zdansky widerlegt. Die eigenartige Tatsache, daß die Klingschen Kontrolltiere negativ waren, während die geimpften Tiere positiv re- agierten, wird vielleicht durch die von Pette erwogene Möglichkeit der Erklärung näher gerückt, daß erst ein unspezifischer Reiz gesetzt werden muß, um die latente Kaninchenencephalitis zu aktivieren. Hier liegt vielleicht das Rätsel mancher unspezifischer Granulomencephali- tiden beim Tier, auch der Jahnel-Illertschen, bei denen erst nach parenteraler Zuführung großer Mengen von Proteinsubstanzen die En- cephalitis zur Entwicklung kam.

VI. Herpesencephalitis.

Gegenüber den bisherigen scheinbaren Impfencephalitiden, die, wenigstens zum Teil, auf einer Verwechslung mit der spontan enzoo- tischen Kaninchenencephalitis beruhten, wird man die Herpesencephalitis ohne jeden Zweifel als eine spezifische bzw. charakteristische, durch das Herpesvirus erzeugte Erkrankung anzusehen haben. Die Herpes- encephalitis verläuft meist in recht akuter Weise mit sehr typischen Erscheinungen, und zwar nach kornealer Impfung mit einem kurzen Intervall im Anschluß an die typische Herpeskeratitis. Im Hirn findet sich das Herpesvirus wieder, mit dem man wiederum typische Hornhaut- erkrankungen und Hirnentzündungen hervorrufen kann; im übrigen brauche ich die verschiedenen biologischen Eigentümlichkeiten des Herpesvirus hier nicht noch einmal zu erwähnen. Ich bemerke, daß Doerr und Schnabel die Encephalitis nach Hornhautimpfung in 13 Proz. aller Fälle sahen, andere Autoren aber noch häufiger. Ich selbst will keine Prozentzahl bringen, da mein Material zu klein ist, möchte aber auch nach diesem geringen Material annehmen, daß die Herpeskeratitis, die wir wohl in 50 Proz. aller Impfungen sehen, in der Mehrheit der Fälle-von einer Encephalitis gefolgt ist, die öfter nur ziemlich schnell wieder abheilt, in ähnlicher Weise, wie das Ga- viati annimmt.

Die klinischen Erscheinungen. die von Doerr, Schnabel, Blanc und Caminopetros, Le Fèvre de Arric, Luger und Lauda, Vegni, Steiner, Goodpasture und Teague studiert wurden, sind in vielen Fällen sehr ausge- sprochen. Für die Hodogenese ist es sehr bemerkenswert, daß nach kornealer Impfung im Anschluß an die Impfkeratitis zuerst Drehung des Kopfes nach der homolateralen Seite der Impfung oder Manègebewegungen einsetzen, wie z. B. Goodpasture und Teague und Doerr fanden (eigene Befunde entsprechend). Es handelt sich also um Erscheinungen, die, etwas roh ausgedrückt, mit einer primären Hirnstammläsiou zusammenhängen, wofür dann auch der anatomische Befund spricht. Frühzeitig findet man dann auch oft Trismus, Zähneknirschen. Kopfzittern und starken Speichel- fluß. Die Ursache dieser Salivation, die keineswegs für die Herpesencephalitis spe- zifisch ist, sondern z. B. auch bei der spontanen Encephalitis beobachtet werden kann, aber doch wohl besonders häufig bei der Herpesencephalitis auftritt, ist keineswegs klar. Es ist möglich, daß der Ptyalisınus auf einer Reizung des Nucleus salivatorius, der im Hlirnstamm ja noch nicht genau abgegrenzt ist, beruht. aber nicht bewiesen. Auf jeden Fall aber ist es unwahrscheinlich, daß man diesen Speichelfluß mit dem Speichelfluß bei der menschlichen Encephalitis identifizieren darf. Hier setzt der Speichelfluß meist erst im chronischen Stadium als Teilerscheinung des akinetisch rigiden Syndroms ein und ist vielleicht mit auf die Läsion der Substantia nigra zu- rückzuführen.

Weiterhin sind bei der Herpesencephalitis besonders häufig tonische Krampf- paroxysmen die sich in Streekkrämpfen äußern, in welchen das Tier in Männchenstel- lung geführt und brüsk nach hintenüber gezogen werden kann, so daß es nach hinten

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überfällt. Diese Paroxvsmen scheinen semiotisch an eine Uebersteigerung der Ent- hirnungsstarre zu erinnern, doch möchte ich diesen Vergleich zunächst nur bildlich ziehen, da wir noch genauer zu untersuchen haben, ob dieser Vergleich zutrifft. Neben diesen Paroxysmen kommen sowohl epileptoide, klonisch-tonische Krämpfe vor, wie auch klonische Zuckungen, z. B. der fel, die Steiner mit Propellerbewegurigen vergleicht. Wir finden fernerhin blinde Erregungen, aber auch umgekehrt apathısch stumpfe Zustände und Ausfallserscheinungen, wie Lähmungen, monoplegischer, hemi- plegischer, paraplegischer Natur, endlich auch Lichtscheu, die zum Aufsuchen dunkler Stellen im Stall führt. Für die Hodogenese ist wiederum wichtig die Feststellung von Levaditi, Goodpasture, Marinescu, Le Fèvre de Arric und ihren Mitarbeitern, daß nach peripherer Impfung die Lähmung häufig in einem dem ver- impften Segment entsprechenden Gliede beginnt.

Die Erscheinungen können im Einzelfalle natürlich sehr wechseln. Wir können vielleicht 2 Formen unterscheiden, je nachdem die irritativen und die Ausfallsersehei- nungen bzw. apathischen, somnolenten Formen überwiegen. Die Analogisierung Schnabels mit der menschlichen Encephalitis, die auch in einer entsprechenden Terminologie zum Ausdruck kommt, indem er eine myoklonische und leth- argische Form unterscheidet, erscheint aber nicht zweckmäßig. Die Symptome der menschlichen Encephalitis mit der typischen Schlafsucht, den Augenmuskcel- lähmungen, den rhythmischen klonischen Zuckungen und Chorea stimmen doch nicht mit diesen eigenartigen Erscheinungen bei der Kaninchenencephalitis überein. Einiger- malen charakteristisch scheinen noch einige nicht neurologische Veränderungen zu sein, wie die Temperaturkurve, wie das z. B. Blanc, Doerr-Schnabel und Le Fèvre de Arric betonen. Es tritt nämlich zunächst Fieber auf, das danu aber mit dem Auftreten der Zerebralsymptome schwindet und in Hypothermie über- geht. Der Liquor enthält, wie z. B. Le Fèvre de Arric, Jahnel und lllert festgestellt haben, starke entzündliche Veränderungen, die aber nicht immer so er- heblich zu sein brauchen.

Ns ist, wie schon Doerr und Zdansky gezeigt haben, daß auch diese Herpesencephalitis latent verlaufen kann und doch der typische histologische Befuud vorliegt, auch Heilung nach abortivem Verlauf wurde beobachtet. Dem kann ich nach meinem eigenen Beobachtungsinaterial durchaus beistimmen. Und trotz der nunmehr genügend bekannten Notwendigkeit zu kritischer Zurückhaltung haben wir kein Bedenken, solche Fälle, die etwa einer typischen Keratitis folgen, als Herpes- encephalitis aufzufassen; gesichert ist die Diagnose dann, wenn das Gehirn ein keratitophores Virus enthält. Aber auch dann, wenn der Uebertragungsversuch aus irgendeinem äußeren Grunde unterbleibt, wird man die Fälle der Herpesencephalitis ohne weiteres angliedern können, wenn man Kaninchen benutzt, die bei mehreren Liquorkontrollen sich vorher als gesund erwiesen haben, wenn dann der Korneal- impfung eine typische Keratitis folgt, der dann wieder vielleicht transitorische Hirn- erscheinungen folgen, und wenn dann der Hirnbefund wenigstens insofern charakte- ristisch ist, als die Granulome der Spontanencephalitis fehlen und ausgesprochene Entzündungserscheinungen bestehen.

Der Hinweis auf diese latent verlaufende IIerpesencephalitis und einige mehr ehronisch verlaufende Erkrankungen, wie sie z. B. Doerr, Sczymanowski- Zvlberlast und andere beschrieben haben, zeigt schon, daß man die Klinik der Ilerpesencephalitis beim Kaninehen nicht zu sehr schematisieren darf, wenn es auch gewiß richtig ist, daß wenigstens ein großer Teil der Fälle mit sehr eigenartigen, aus- gesprochenen und in mancher cute charakteristischen Erscheinungen verläuft. Syndrome, die irgendwie der typischen chronischen Encephalitis des Menschen ähneln, insofern als erst ein akutes Stadium wieder schwindet, dann erst eine chronisch progrediente Erkrankung, womöglich nach einem Intervall, folgt, sind, soweit ich sehe, bei der Herpesencephalitis noch nieht beobachtet worden.

Pathologische Anatomie der Herpesencephalitis.

Wir besitzen bereits eine große Anzahl eingehender pathologischer Untersuchungen über die Ilerpesencephalitis. Ich nenne Ihnen hier nur die Namen von Autoren, deren Arbeiten ich selbst gelesen habe, näm- lich Doerr und Schnabel, Zdansky, Lauda, da Fano, Ve- ratti und Sala, Goodpasture und Teague, Levaditi und seine Mitarbeiter, Le Fèvre de Arrie, Kling, Steiner, Marinescu und Draganescu.

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In zweierlei Hinsicht sind unsere Kenntnisse über die Herpes- encephalitis sogar besser als die der menschlichen, nämlich

erstens darin, daß wir genauer die Stadien des Krankheitsprozesses vom ersten Anfang an kennen, wie das in genauer Weise besonders da Fano studiert hat, indem er die Präparate 15 Stunden nach sub- duraler Injektion und später in Intervallen bis zu mehreren Tagen untersuchte. Nach subduraler Impfung beginnt danach die Erkrankung mit einer ganz fokalen Einwanderung von Leukozyten, also in ganz ähnlicher Weise, wie wir das seit Friedmann und Nißl von der Aetzencephalitis und anderen experimentellen Schädigungen des Hirnes schon lange kennen. Der Unterschied ist nur der, daß die Encephalitis keine fokale bleibt, sondern sich entsprechend der Wanderung des Virus weiter verbreitet, während die Leukozyten an Ort und Stelle schnell zerfallen und die umgebenden Nervenzellen eine rasche Vakuolisierung und Chromolyse des Zytoplasmas erleiden. Die weiteren Veränderungen wollen wir dann im Zusammenhang weiter unten besprechen. Es ist mögrlich, daß mitunter die Ganglienzellveränderungen noch eher als die übrigen Erscheinungen auftreten, wie das z. B. bei keratogener En- cephalitis angenommen worden ist, wo von Goodpasture und Tea- gue sehr frühzeitige Veränderungen der Ganglienzellen mit Einschluf- körpern im Trigeminuskern festgestellt worden sind.

Zweitens sind wir nach Untersuchungen, die wir namentlich Mari- nescu und Draganescu, sowie Goodpasture und Teaguo ver- danken, ziemlich genau über den Weg orientiert, welchen «das Virus vom peripherischen Impfpunkt aus nimmt. So geht bei kornealer Impfung das Virus die Ziliarnerven entlang über das Ganglion ciliare zum Ramus ophthalmicus des Trigeminus, dann zur äußeren Seite des Ganglion Gasseri (Marinescu), dann mit der Trigeminuswurzel in den Hirn- stamm der gleichen Seite, und zwar nach Marinescu in der ab- steigenden Trigeminuswurzel nach der Oblongata zu, während nach Goodpasture frühzeitig, wie ich schon sagte, Veränderungen im moto- rischen Quintuskern auftreten. Letzterer Autor nimmt auch an, daß. das Virus nicht perineural, sondern im Nervenstamm selbst geleitet wird, in dem rasch Degenerationserscheinungen auftreten, im übrigen kann jeder Nerv je nach der Impfstelle das Virus weiterleiten; bei Impfung in peripherische Nerven treten entzündliche Veränderungen im ent- sprechenden Ganglion spinale auf (Le Fevre de Arric).

Fraglich erscheint es mir allerdings, ob nach einer keratogenen Infektion des Hirns die weitere Ausbreitung des Virus von der intra- pontinen Trigeminuswurzel bzw. den Kernen weitergeht. Die Fälle, die ich sah, sprechen jedenfalls nicht dafür; so finde ich in einem Falle. keratogener Encephalitis mit etwas larviertem Verlauf zwar die stärk- sten Infiltrationen mit Blutungen und Körnchenzellen, die mit Blut- körperchen überladen sind, in der homolateralen Quintuswurzel und den umgebenden Meningen, dann aber keine entzündlichen Veränderungen im Hirnstamm, sondern diffuse entzündliche Erscheinungen in den Hırn- häuten. Degenerative Erscheinungen an Ganglicnzellen des Hirnstammes finden sich allerdings. Ich werde auf diese Befunde noch zurückkommen.

Bei der ausgesprochenen Herpesencephalitis nun findet man sowohl nach subduraler wie nach kornealer Impfung mesodermale und ekto- dermale Veränderungen. Namentlich Doerr hat betont, daB diese beiden Störungen voneinander getrennt werden müssen, da die Granglienzell- erkrankung, wenigstens in gewisser Beziehung, unabhängig von der

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mesodermalen Erkrankung ist. Das gilt besonders wohl für die Ein- schlußkörper, auf die ich unten im Zusammenhang zurückkommen werde. Zdansky hat übrigens schon mit großem Recht betont, daß man bei der Bewertung der Ganglienzellerkrankung als eines pathologischen Vorgangs sehr vorsichtig sein muß, da man selbst bei normalen Tieren Strukturveränderungen, abnorme Färbungen von Plasma und Kern, Vakuolen und auch Schrumpfungen sehen kann, obwohl man ja beim Kaninchen, wohl mehr als beim Menschen, die Möglichkeit hat, das Hirn in möglichst kurzer Zeit nach dem Tode in die Fixierungsflüssigkeit zu bringen. Die Feststellung Spielmeyers, daß selbst leichte Lichtungsbezirke bzw. kleine ganglienzellfreie Bezirke bei normalen Menschen auftreten können, soll uns ein Zeichen sein, wie vorsichtig man in der Beurteilung des Ganglienzellbildes sein muß. Es ist trotzdem gewiß nicht zu bestreiten. daß wesentliche pathologische Veränderungen der ektodermalen Sub- stanz bei der Herpesencephalitis auftreten, aber wir werden diese Ver- änderungen besonders vorsichtig bewerten, wenn wir ihre Bedeutung für den Krankheitsprozeß zu beurteilen beabsichtigen. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß man bei den diffusen Alterationen der epi- demischen Encephalitis des Menschen tatsächlich auch die Berechtigung hat, an toxische Begleitvorgänge zu denken, die unabhängig von der Anwesenheit des Virus in loco sind. Im übrigen werden wir aber wohl bei jedem hirnkranken Individuum, sei es Mensch oder Tier, eine uni- versclle Schädigung der empfindlichsten Hirnelemente annehmen müssen, die verschiedene Ursachen hat. Bei der keratogenen Herpesencephalitis z. B. geht ausgesprochenes Fieber den Hirnerscheinungen voraus, und wir finden mit unseren sehr feinen Untersuchungsmethoden immer leichte Veränderungen der Ganglienzellen und auch der Glia bei fieberhaften Erkrankungen. Dazu kommt die Tatsache, daß ein meningitischer Prozei besteht, der mit Hirndruckerscheinungen und Veränderungen der Liquorzirkulation verbunden sein kann, wodurch weitere Ursachen für diffuse Veränderungen am nervösen Gewebe geschaffen werden. Hierzu treten die schweren exzitativ-konvulsiven Symptome bei vielen Tieren, durch die weitere Ektodermalschädigungen gesetzt werden können.

Aus diesen Gründen werden wir für die pathologisch-anatomische Bewertung des Krankheitsprozesses die lokalisierten entzündlichen Veränderungen mit den im Entzündungsbereich auftretenden ekto- dermalen Reaktionen und Alterationen oder, genereller gesagt, die fo- kalen Veränderungen gegenüber den diffusen Schädigungen des Ekto- derms in den Vordergrund stellen.

Die mesodermalen Veränderungen bestehen, wie aus der Literatur hervorgeht, in leukozytären wie Ivmphozytären Infiltraten der Meningen und der Hirngefäße, wobei die leukozytären Infiltrate den !ymphoiden wie bei anderen Entzündungen vorausgehen. Je nach der Entwicklung des Krankheitsprozesses kann man auch an manchen Stellen vorwiegend leukozytäre Exsudate, an anderen mehr lymphoide Infiltrate feststellen. Sicher ist aber, daß auch die Entzündungen von vornherein mehr lymphoide sein können, und zwar selbst bei subduralen Infektion (Le Fevre de Arric). Das hat Doerr bereits Kling gegenüber mit Recht betont und entspricht auch einigen eignen Befunden. Daneben finden sich bei subduraler wie keratogener Infektion Blutungen, die manchmal echte Ringblutungen sein können (Lauda). Die Infiltrate können die gliösen Grenzschichten durchbrechen und zu starken In-

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filtraten oder kleinen Abszessen im Parenchym führen. Lauda nimmt auf Grund von Serienschnitten an, daß diese Infiltrate ohne Zusammen- hang mit Gefäßen stehen. Einen solchen Befund habe ich nicht erhoben, wohl aber Einschmelzung des Gewebes, die von pialen Entzündungen ausgeht. Selbsverständlich sind nicht alle Parenchymwucherungen lymphoider Natur. Oft genug handelt es sich um Gliawucherungen, die am ehesten das Nißlbild zeigt. In späteren Stadien des Prozesses kommen auch proliferative Veränderungen in den Gefäßwandzellen event. mit Kapillarsprossen vor. Es kann an solchen Stellen der Gefäßwand eine Bildung entstehen, die dem entzündlichen Granulationsgewebe mit seiner Wucherung von Fibroblasten, Lymphozyten usw. durchaus ent- spricht, wie ein Bild Ihnen zeigt. Etwas skeptisch stehe ich den be- richteten perivaskulären und perizellulären Schrumpfräumen gegenüber, die bereits früh auftreten sollen. Wir wissen zu genau, daß solche Schrumpfräume allzu oft Artefakte sind. Ich habe sie auch in guten Zelloidinschnitten in meinem Material nicht gefunden. Immerhin sind wir ja bekanntlich über die flüssigen Exsudate bei Entzündungen im Gehirn noch sehr wenig orientiert, so daß wir an die Möglichkeit extravasaler Flüssigkeitsaustritte mit Erweiterung der Adventitialräume glauben müssen.

Fig. 7. Herpetische Meningoencephalitis nach subduraler Impfung.

Eine direkte Erweiterung und canne der Adventitialräume habe ich auch gesehen, aber keine perikapillären, erst recht keine perizellulären Schrumpfungen.

Von Ganglienzellveränderungen werden Chromatolyse, Schwellung, Vakuolisierung, Verflüssigungsprozesse, Schrumpfungen und homogeni- sierende Veränderungen beschrieben. Dabei werden wir allerdings be- tonen, daß wir in der Neuropathologie als homogenisierende Verände- rungen etwas ganz Besonderes bezeichnen, nämlich auf dem Nißlbilde ein blaß opalisierendes Zytoplasma mit starker Schrumpfung des Kernes und maulbeerförmiger Umbildung des Nukleolus. Derartige Gebilde habe ich in meinen Präparaten nicht gesehen. Im übrigen entsprechen die Verflüssigungsprozesse der Ganglienzellen, die ich gesehen habe, selten den Bildern, die wir bei der schweren Zellerkrankung Nißls sehen. Häufiger ist vielleicht eine blandere Form der Zellerkrankung und Zelldegeneration, bei der die Chromatinschollen schwinden, feine baso- phile Abbaukörnchen im Kern und Plasma auftreten, ohne daß der Kern die Veränderungen wie bei der sogenannten schweren Erkrankung aufweist, und schließlich einige Zellen ganz zerfallen, ohne daß die Trabantzellen dabei eine erhebliche Vermehrung aufzuweisen brauchen.

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Endlich kommen,’ wie Steiner mit Recht hervorhebt, auch Glia- knötchen vor, die sich von den nekrotisierenden Granulomen der Spontan- encephalitis durchaus unterscheiden, aber Uebereinstimmung mit den Gliaknôtchen bei Fleckfieber und epidemischer Encephalitis zeigen. Auch ich habe solche Knötchen, die außerhalb der eigentlichen Entzündungs- herde liegen können, gesehen.

In topischer Beziehung ist diese Encephalitis nach subduraler Impfung häufig eine besonders starke Großhirnencephalitis. Nach kor- nealer Impfung ist die Entzündung aber auch häufig am stärksten ausgesprochen in der Levaditischen Elektiv- zone, d. h. dem Ba- salhirn, der Hippo- campusformation, ob- wohl der Prozeß doch nicht an den Riech- nerven entlang, son- dern dem Trigeminus

entlang verläuft. Außerdem werden die Lobi olfactori und Hin- terhauptslappen (Ga- viati), auch das Mit- telhirn und auch die Gegend unter dem Aquaeductus als häufig entzündet bezeichnet.

Ist diese Ence- phalitis denn nun wirk- lich ganzi anatomisch gleich der epidemi- schen Encephalitis des Menschen? Eine so glatte Analogisierung ist nun doch nicht so einfach möglich. Wir vermerken zunächst die besondere Tendenz zur leukozytären Infil-

Fig. 8. Herpesencephalitis. Ependymitis mit Ven- tration, die auch nach trikelblutungen und Entzündung des subependymären Ge- einer nicht zerebralen webes. Impfung essentiell

\ doch stärker als bei der epidemischen Encephalitis ist. Wir berücksichtigen dabei, wie immer in solchen Fällen, nur das durchschnittliche Verhältnis. In dieser Beziehung ähnelt die Herpesencephalitis vielleicht noch eher der Poliomvelitis.

Ein zweites Moment, welches mir sehr wesentlich zu sein scheint, ist dann aber die besonders ausgesprochene Erkrankung der Meningen. Diese Meningitis ist durchschnittlich ganz zweifellos erheblich stärker als bei der menschlichen Encephalitis, und zwar nicht nur bei sub- duraler, sondern auch bei nicht zerebraler, z. B. kornealer Impfung. Jedenfalls habe ich Fälle, von denen ich Präparate zeige, in welchen sich die Entzündung vorzugsweise in den Meningen erschöpft, in

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welchen auch am Hirnstamm, der Brücke, eine starke Meningitis be- steht, während im Hirnstamm selbst Infiltrate ganz oder fast ganz fehlen, obwohl Zellendegeneration und Gliasymplasmen deutlich sind. Oder wir sehen, entsprechend Befunden von Kling, daß die Infiltrate vor- zugsweise von den Meningen aus an den Hirngefäßen, z. B. den Rinden- gefäßen entlang, in das Gehirn eindringen, während wir viel seltener Infiltrate finden, bei denen wir den Zusammenhang mit der meningealen bzw. ventrikulären Infiltration nicht so ohne weiteres verfolgen können. Wir haben in diesem Fall also, vorsichtig ausgedrückt, häufig eine richtige Meningoencephalitis, was bei der epidemischen Encephalitis sicher in diesem Maße nicht der Fall ist, obwohl anscheinend bei letzterer Erkrankung auch von Meningen und Liquor aus das Virus in das Gehirn eindringt. Und endlich ist auch die Lokalisation bei kornealer Impfung grundsätzlich eine andere. Dies ist besonders wich- tig, da die keratogene Encephalitis dem Infektionsmodus der humanen jedenfalls viel näher kommt als die nach subduralen Impfungen. Auch bei kornealer Impfung ist

die Elektivzone nicht wie RER ENTER eh ET PS ms SE Eee bei der epidemisehen Ence- Piz RE, RE Rate

phalitis in der Umgebung SER des Höhlengraus, in der Substantia nigra, in den ventrikelnahen Partien des Thalamus; sondern wir kön- nen den Hirnstamm, also den ganzen Boden des Höh- lengraus fast ganz frei von Infiltraten sehen. (Ich drücke mich hier auch aus- drücklich vorsichtig aus, da ich nicht den ganzen Hirn- stamm in Serien von A—Z

durchsucht habe, wodurch à Fig. 9. Keratogene Herpesencephalitis. Me-

Dan noch Gelegenheit hätte, ningitis über der basalen Rinde. Parenchyminfil- Infiltrate an einzelnen trate der Rinde. Vergr. 50.

Stellen aufzufinden, die bei Durchsuchung zahlreicher Präparate an einzelnen Stellen nicht sichtbar waren.) (Fig. 9 u. 10.)

= Am stärksten ist durchschnittlich auch hier, wenigstens anscheinend, die Basalrindenerkrankung. Histologisch ist dann vielleicht noch etwas eigentümlich eine eigenartige Affektion, die man bei geheilten Kanin- chen findet, welche die akute Infektion überwunden haben, und die von Steiner beschrieben worden ist, nämlich ein schichtförmiger Zer- störungsprozeß, der sich auch wieder besonders in der Basalrinde zeigt (Fig. 11). Ich will nun nicht behaupten, daß diese Differenzen der Topik zwischen menschlicher Encephalitis und Herpesencephalitis ohne weiteres ein Beweismittel dafür abgeben, daß es sich um ätiologisch verschiedenartige Erkrankungen handelt, da wir ja auch immerhin mit der Möglichkeit rechnen könnten, daß dasselbe Virus beim Kaninchen topisch andersartige Optimalbedingungen als beim Menschen zur Ent- wicklung hat. Aber im Gegensatz zu Doerr, da Fano und anderen Autoren möchte ich doch hervorheben, daß epidemische Encephalitis des Menschen und Herpesencephalitis des Kaninchens bei allen individuellen

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em Variationen im Durchschnitts- ° bild histologisch nicht mitein- ander identisch sind (Fig. 11).

Bereits der Herr Vorred- ner hat Ihnen auseinanderge- setzt, wieweit aus den bisherigen Ergebnissen Schlußfolgerungen über die Identität von Herpes- virus und Virus der epidemi- schen Encephalitis sich ergeben. Insbesondere haben ja die auf-

sehenerregenden Untersuch-

ungen von Bastai und Bu- sacca, die sogenanntes Ence- phalitisvirus bzw. herpetiformes Encephalitisvirus ohne Schädi- gung endolumbal den Menschen

Fig. 10. Ausschnitt aus Fig. 9 bei stärkerer Vergrößerung. (rewebs- infiltrat in der Rinde aus Leukozyten, Lymphozyten, ,Stäbchenzellen“, Glia. Ganglienzellendegeneration. Vergr. 200.

einimpfen konnten, und die im Liquor herpeskranker Men- schen, die nicht an Encephalitis litten, Herpesvirus fanden, die Stützen der Iden- tifikationstheorie er- schüttert, wenn auch andere Autoren, wie Doerr und Schna- bel in umfangreichen Untersuchungen nie- mals Herpesvirus im Liquor herpeskranker, nicht encephaliti- scher Personen gefun- den hatten. Auch Ve- rati und Sala fan- den den Liquor herpes- kranker Pneumoniker er NA infektiös, während die ETC 27 s positiven Befunde von

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: 5 + salen Rindengewebes nach einem Präparat von

Steiner.

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Rabeaud und Ravaut, von Bastai und Busacca selbst als unzu- reichend kritisiert wurden. Es scheint mir, daB diese außerordentliche Seltenheit, mit der es gelingt, mit menschlichem Material von En- cephalitiskranken eine Encephalitis mit den Erscheinungen des Herpes- virus hervorzurufen, doch einen besonders wichtigen Beweisgrund gegen- über der Identifikation der beiden Erkrankungen abgibt. Ich erwähne nur, wie außerordentlich selten es Levaditi, Doerr und Schnabel selbst. gelungen ist, ein positives Uebertragungsresultat zu erzielen, und die erzielten positiven Resultate sind nicht einmal einwandfrei, zumal der eine Levaditische Fall einen starken Herpes gleichzeitig hatte. Hieran schließen sich die zahlreichen negativen Versuche Flexners, Amoß’, die eigenen negativen Versuche und andere. Nun haben Doerr und Zdansky selbst‘ schon in kritischen Bemerkungen die Bedeutung der inkonstanten Uebertragungen abzuschwächen gesucht, indem sie z. B. auch auf die inkonstante Pathogenität des Fleckfieberblutes hin- weisen, ferner auf die Möglichkeit, daß das Ausgangsmaterial einen wechselnden Gehalt an lebendem und infektionsstarkem Virus hat. Aber wir kommen doch nicht über die Schwierigkeit der Ueberlegung herum, daß in vielen ganz schweren Fällen epidemischer Encephalitis Gehirn und Liquor bei kornealer wie subduraler Impfung von Kaninchen gänzlich wirkungslos sind, in Fällen, in denen die Entzündung im Akme- stadium war und in denen man eigentlich voraussetzen müßte, daß wenigstens die Prädilektionsstellen des Hirns reich an infektiösem Material sind, während man umgekehrt in fast jedem harmlosen Herpes- bläschen Virus findet, das für die Kaninchen pathogen ist und min- destens im vierten Teil dieser Herpesbläschen ein Virus ist, das die schwersten Hirnentzündungen beim Versuchstier macht. Diese Dis- krepanz der Erscheinungen ist zu groß, als daß man sie übersehen könnte, und verliert auch nicht dadurch ihre Bedeutung, daß manche Autoren, wie Sczymanowski und Zylberlast, und früher Mac- Intosh und Turnbull, Talhimer usw. häufiger positive Resul- tate erzielt haben. Die bisherigen Erfahrungen machen es also leider zweifelhaft, daß wir in dem Herpesvirus das Virus der Encephalitis vor uns haben.

Wir fragen uns aber, ob es nicht vielleicht, wenn die beiden Virusarten voneinander verschieden sind, neben der epidemischen En- cephalitis auch eine Herpesencephalitis beim Menschen gibt. Bis- her sind ja nur sehr wenige Mitteilungen erfolgt, welche über nervöse Erscheinungen bei Herpeserkrankung berichten, z. B. meningitisartige Erscheinungen von Sczymanowski und Zylberlast. Eine Herpes- encephalitis scheint beim Menschen bisher nicht beobachtet zu sein. Ich habe nun in der letzten Zeit zwei Fälle beobachtet, welche vielleicht doch in diesem Sinne gedeutet werden können, allerdings ist ein wichtiges Kriterium mir dabei nicht gelungen, nämlich die Infektion von Tieren mit dem Liquor der Kranken, die ich allerdings nur in einem der Fälle versucht habe. Aber da es uns bekannt ist, daß bei der Herpesinfektion der Liquor der Kranken häufig kein Virus ent- hält, dürfte dieser negative Befund kein Grund sein, die Annahme einer Herpesencephalitis auszuschließen. Die beiden Fälle, welche ich beobachtet habe, haben das Gemeinsame, daß sie an rezidivierenden Harpeseruptionen erkrankten. Bei einem dieser Fälle traten nun wiederholt während der Herpeseruptionen Zerebralerscheinungen auf, im zweiten Falle einmal direkt im Anschluß an den rezidivierenden

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Herpes. Diese Zerebralerscheinungen, die ich an anderer Stelle etwas eingehender schildern werde, haben das Gemeinsame, daß sie sich in ausgesprochenen Herdsyndromen äußern. Das eine Mal war es eiu wahrscheinlich pontines Syndrom, also nicht ein Hôhlengrausyndrom. vielmehr ein Syndrom, in dem Drehschwindel, einseitige Zerebellar- erscheinungen, Ohrensausen, ataktische Erscheinungen prädominierten.

Im anderen Falle handelt es sich um ein Thalamussyndrom, ganz herdförmig, einseitige Athetose plus Tiefensensibilitätsstörung. Keine besonderen Liquorveränderungen. In beiden Fällen außerordentlich günstiger Krankheitsverlauf, in kurzer Zeilt heilt die Krankheit völlig ab, ohne Tendenz zu pseudoneurasthenischen oder Parkinsonschen Er- scheinungen. Mir erscheint es besonders wichtig, solche Fälle weiter- hin zu suchen, weil es auf diese Weise vielleicht möglich ist, die Herpesencephalitis des Menschen auch klinisch von der epidemischen zu trennen.

VII. Einschlußkörper.

Bei der Besprechung der anatomischen Veränderungen hatten wir es bisher vermieden, auf eine Erscheinung einzugehen, der von ınanchen Forschern eine besondere Bedeutung beigemessen wird, und zwar den sogenannten Einschlußkörpern der Zellen. Es kann nun natür- lich nicht meine Aufgabe sein, hier die ganze Frage der Einschluë- körper bei all den Krankheiten, bei denen sie bisher gefunden worden sind, aufzurollen. Uns kommt es vor allem darauf an, ob diese Ein- schlußkörper bei der epidemischen Encephalitis und bei der Herpes- encephalitis in etwa ähnlicher Weise auftreten, so daß man, nachdem die anderen Analogisierungsversuche klinischer und histologischer Art versagt haben, hieraus etwa Schlüsse auf eine Gleichheit der Krank- heit ziehen darf, und weiter noch kurz die Frage zu streifen, welche Rückschlüsse auf die Natur der Einschlußkörper aus den bisherigen Befunden sich ergeben. Ich werde mich dabei besonders auf die Mitteilungen und Abbildungen in der Literatur beschränken müssen. da gerade hier mein eigenes Material versagt; denn trotz sorgfältiger Nachprüfung, die mit den hierzu geeigneten Färbemethoden an Paraftin- schnitten bei Herpesencephalitis und epidemischer Encephalitis aus- geführt wurden, habe ich bisher die typischen Einschlußkörper anderer Autoren in meinen Präparaten vermißt.

Ich weise zunächst kurz darauf hin, daß diese Einschlußkörper bei einer größeren Reihe von Infektionskrankheiten, namentlich von Hautkrankheiten und Nervenkrankheiten festgestellt worden sind, zum erstenmal wohl die Guarnierischen Pockenkörperchen in der Hornhaut der Kaninchen, später die Negrischen Körperchen bei Lyssa, die Ein- schlußkörper bei Staupe, Bornascher Krankheit, bei den verschiedenen Herpeserkrankungen in den Epithelzellen der Herpesbläschen, bei Mol- luseum contagiosum und einigen anderen Hautkrankheiten. Ich weise weiter darauf hin, daß der Streit um die Natur dieser Einschlußb- körper schon lange tobt, daß manche Forscher in ihnen Mikroorganismen schen. und erwähne besonders die Chlamydozoen- und Strongyloplasmen- theorie von Prowazek und Lipschütz, der sich besonders seit Jahren mit diesen Gebilden befaßt. Hiernach handelt es sich bei den Finschlnbkôrpern nicht um Erreger selbst, wohl aber um Reaktions- produkte des Erregers, die sich als Hülle um die organisierten Ele- mentarkörperehen legen, die man zum Teil wenigstens in den Ein- schlubkörpern feststellen kann, wie z. B. bei den Negrischen Körperchen.

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Weiterhin wollen wir dann kurz auf die Einschlußkörper ein- gehen, die man bei den Nervenkrankheiten findet, welche auch histo- logische Verwandtschaft mit der Herpesencephalitis und der epidemischen Encephalitis haben. Zu diesen gehören zunächst die 1903 entdeckten Negrischen Körperchen, die man namentlich im Ammonshorn, aber auch in anderen Ganglienzellen, z. B. den großen Purkinjeschen Klein- hirnzellen, aber auch Rindenzellen finden kann. Diese Gebilde sind von einer außerordentlich verschiedenen Größe. Sie können 1—27 u lang und 1,5—5 u breit sein. Sie sind bei Doppelfärbung im wesentlichen oxyphil und ziemlich kompliziert gebaut, da sie kleinere und größere Innenkörper enthalten können, die ihrerseits wieder sehr feine ring- förmige stäbchen- oder hantelförmige Einschlüsse enthalten können; sie liegen nicht im Kern, sondern im Zytoplasma der Ganglienzellen. Dieser komplizierte Aufbau der Negrikörperchen hat besonders dazu geführt, sie von einfachen Degenerationsprodukten der Zellen zu trennen und ihnen Erregernatur zuzusprechen. Koch sieht in feinen kokken- artigen Gebilden, die den Elementarkörnchen in den Negrikörpern entsprechen, den Erreger. Es ist gewiß auch eigentümlich, daß diese Gebilde auch außerhalb der hauptsächlichen Entzündungsherde auftreten können. Anderseits wollen wir nicht vergessen, daß sehr er- fahrene Histopathologen, wie Marinescu und Cajal, in ihnen nur degenerative Produkte des Zellplasmas sehen. Es ist jedenfalls wichtig, daB sie häufig bei wutkranken Menschen, aber auch bei Kaninchen, die mit fixem Virus geimpft sind, fehlen und daß sie sich auch im infizierten Speichel der Hunde nicht feststellen lassen. Auch die neuesten Autoren, die über Negrische Körper gearbeitet haben, wie Benedek und Porsche, sehen in ihnen eigenartige Produkte der Zell- degeneration. Und tatsächlich reagiert gerade bei der Lyssa das Nerven- gewebe auch sonst zum Teil in etwas eigenartiger Weise. Ich erinnere nur an die eigenartige Hypertrophie der endozellularen Neurofibrillen, die schon Schaffer gesehen und Cajal mit der Silbermethode deut- lich gemacht hat. Bei all solchen Veränderungen kann es sich natürlich um irgendwelche besonderen Wirkungen des spezifischen Virus handeln, aber wir haben wohl nicht die Möglichkeit zu behaupten, daß in den so entstehenden Gebilden auch das Virus selbst enthalten ist.

Bei der Hundestaupe treten in den Nervenzellen, wie übrigens auch in Epithelzellen, verschiedene Einschlußkörperchen auf, von denen wir wenigstens 2 trennen müssen, die Sinigagliaschen, welche den Negri- schen ähneln, aber strukturlos sind und nur kleine Vakuolen enthalten, und die Standfuß-Lentzschen, die auch außerhalb von Nervenzellen oder in stark degenerierenden Nervenzellen auftreten, und jedenfalls etwas mit der Chromatinreaktion zu tun haben. Auch die Lentzschen Körper liegen besonders zahlreich im Ammonshorn, dessen Zellen ja offenbar die besondere Neigung haben, auf irgendwelche Noxe in be- sonderer Weise zu reagieren.

Die Joestschen Einschlußkörper der Bornaschen Krankheit unter- scheiden sich von den bisher geschilderten dadurch, daß sie im Kern liegen. Uebrigens kommen auch bei der Lyssa Einschlußkörper im Kern vor, die Schafferschen und Cajalschen Körperchen. Diese Borna- körperchen kommen nun, wie das Joest eingehend beschrieben hat, im allgemeinen in normalen Ganglienzellen vor, insbesondere sind die Kern- bestandteile gut erhalten. Es sind runde oder ovale Körper, die etwa Kernkörperchengröße haben, aber auch viel kleiner sind und sich mit

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der Mannschen Färbung rot färben, während der Nukleolus violett. bleibt. Diese Körper sind nun ganz strukturlos, aber sie sind von einem Hof umgeben, der gegenüber der übrigen Kernsubstanz eine dunkle Linie erkennen läßt. Joest steht auf dem Standpunkt, daß diese Körper Reaktionsprodukte auf Chlamydozoen sind, wofür auch der Doppelmantel spricht. Er meint auch, daß das Fehlen degenerativer Veränderungen in den Nervenzellen gegen die Annahme spricht, dab diese Einschlußkörper degenerativer Natur sind. Man wird demgegen- über aber doch wohl auch betonen dürfen, daß die gute Erhaltung der Zellen auch wieder vielleicht etwas schwer mit der Annahme eines im Zellkern enthaltenen Virus vereinbar ist, zumal wir unter dem offenbaren Einfluß des Virus doch nicht nur entzündliche Veränderungen. sondern auch Zellzerstörungen sehen, ohne daß in den degenerierten Zellen Einschlußkörper enthalten sind. Meiner Meinung nach ist die Frage der Negrikörper und der Joestschen Einschlußkörper vorläufig überhaupt noch gar nicht entscheidbar. Aber das eine werden wir be- tonen dürfen, daß wir auch, wenn wir für diese Körperchen enge Be- ziehungen zum Virus annehmen wollten, darum noch nicht ohne weiteres berechtigt wären, ähnliche Schlußfolgerungen auch auf die Zell- und Kerneinschlüsse anderer Erkrankungen hin zu ziehen.

Wenn wir nunmehr die Einschlußkörper bei der epidemischen und Herpesencephalitis betrachten, so wollen wir uns hier von vorn- herein zunächst auf die in Nervenzellen erhobenen Befunde be- schränken, in der Annahme, dab die Diskussion über die Kernein- schlüsse in den Epithelzellen der Haut und Hornhaut noch näheren Auf. schluB geben wird. Wir stellen zunächst fest, daß die Einschlub- körper bei der epidemischen Encephalitis in Wirklichkeit große Dif- ferenzen untereinander zeigen, auch wenn wir zunächst von der feineren Körnchenbildung absehen. Manche Autoren, wie Tobler, Luzzatto und Rietti, Parker haben derartige Gebilde bei ihren Untersuchungen vermißt. Mir ist es, wie ich bereits bemerkt habe, ebenso gegangen. obwohl ich erst neuerdings wieder mit spezifischen Methoden eingehend danach an den Prädilektionsstellen in zwei schweren akuten Fällen gesucht habe. Weiterhin sind Einschlußkörper von manchen Autoren. wie besonders von Marie und Tretjakoff, im Zytoplasma, von anderen wie von Levaditi im Kern gefunden worden. Mittasch findet azidophile Einschlußkörper im Zytoplasma von Scheibenform und Rosettenform. Urechia findet in 4 von 10 Fällen wieder baso- phile Einschlußkörper im Zytoplasma, die von einem hellen Hof um- geben sind und wie Kokken aussehen. Solche Gebilde habe ich allerdings auch gesehen und ich habe auch in meiner ersten Arbeit darauf hin- gewiesen, daß diese kokkenartigen Gebilde mich bei der ersten Unter- suchung dazu verleitet hatten, wirklich Mikroorganismen in ihnen zu sehen, daß ich aber bald von dieser Ansicht zurückkam, als ich iest- stellte, daB diese Körper von äußerst verschiedener Größe waren und gerade Bakterienfärbungen gegenüber versagten. Da Fano findet wieder intranukleäre basophile Körper, die kleiner sind als die Le- vaditischen neurocorpuseules encephalitiques, nämlich nur 0,4 u groß. aber auch von einem hellen Hof umgeben sind. Auch extrazelluläre Ge- bilde, die vielleicht den Amyloidkörperchen ähnlich sind, sind ven Volpino und Desderi beschrieben worden. Sie können eine erhebliche Größe erreichen. Wichtig sind dann weiterhin die Untersuchungen von Meeleney, Lucksch und Guiraud. Meeleney hat in den basalen

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Ganglien, dem Hirnstamm, aber auch der Hinterhauptsrinde scharf be-

grenzte, stark lichtbrechende 0,5—2 u im Durchmesser große Körper-

chen gesehen, die sich nach Mann purpurrot färben und etwas kleiner

als die Negrischen Körperchen sind. Sie sind etwa halb so groß wie das Kernkörperchen. Wichtig ist der Befund darum, weil genau die gleichen Körperchen auch bei ganz anderen Erkrankungen feststell-

bar waren, nämlich bei tuberkulöser Meningitis, bei Poliomyelitis und selbst in einem Fall von Tabes. Und ähnlich verhält es sich mit den Einschlüssen, die Lucksch gefunden hat. Diese Gebilde sind intra-

nukleär, meist einzeln gelegen, ausgesprochen oxyphil, aber nicht färb-

bar bei Methylgrün- und Pyroninfärbung, bei welcher die Negrischen Körperchen nach Lucksch hellila mit rotem Innenkörper sind. Im Hämalaun-Eosinpräparat sind die Luckschen Körper blaßgelblich bzw.

bräunlich. Sie befinden sich besonders in den pigmentierten Zellen der Substantia nigra, aber nicht im Ammonshorn und sind etwas kleiner als das Kernkörperchen. Daß diese Einschlußkörper nichts Spezifisches darstellen, ergibt sich daraus, daß sie bei den allerverschiedensten Krank- heiten, wie Leberzirrhose, Tuberkulose, Salvarsantod usw. vorkommen. Sie hängen mit dem Pigmentstoffwechsel der Ganglienzellen zusammen, wie daraus hervorgeht, daß sie bei kleinen Kindern, die noch kein Pigment in den Zellen der Subst. nigra haben, fehlen. Dabei ist es gewiß allerdings merkwürdig, daß die Einschlüsse im Kern und nicht im pigmentierten Zytoplasma vorkommen. Herzog findet verschieden gestaltete walzen- oder birnförmige Einschlußkörper, die sowohl im Kern und im Zytoplasma als auch außerhalb der Zellen vorkommen und sicher nichts Spezifisches haben. Sehr verschiedene Gebilde hat dann Guiraud gesehen, und zwar vorwiegend allerdings bei der Iix- perimentalencephalitis, die unserer Herpesencephalitis entsprechen würde, aber auch bei der menschlichen Encephalitis. Zunächst beschreibt G. Veränderungen des Zellkerns, wie sie ungefähr gleichzeitig von Lauda und Zdansky beschrieben waren. Der Nukleolus schwillt an, er teilt sich in unregelmäßige Teile und nimmt schließlich fast den ganzen Kern ein, der oxyphil wird. Das Kernchromatin zerfällt in cinzelne Körner, die gegen den Kernrand gedrückt werden. Entsprechend diesen Veränderungen finden sich degenerative Veränderungen im Ganglien- zelleib. Außerdem finden sich aber auch zytoplastische Einschluß- körper oder richtiger gesagt Gebilde, die im Zytoplasma, aber auch außerhalb der Zellen liegen können, die Diskus- und Rosettenform annehmen, 2—5 u groß sind, mit der Mannschen Färbung sich rot färben, aus einzelnen rot gefärbten Körnchen zu bestehen scheinen und sich besonders oft im Ammonshorn und der Subst. nigra finden. G.

läßt die parasitäre Natur dieser Körper offen, aber das scheint schon darum unwahrscheinlich, weil dieselben Gebilde von G. selbst, wenn auch in seltnerer Anzahl bei anderen Krankheiten, z. B. Tumoren und Paralyse, gefunden worden sind. Sehr selten finden sich auch nach G. zystenartige Gebilde, und zwar hat G. bisher selbst erst 2 solcher Gebilde bei einem Fall gesehen. Es handelt sich um eine blaue Masse von 4—14 u Dm., in denen 20 bis 30 oxyphile Körnchen liegen. Um was es sich handelt, kann auch G. nicht sagen, jedenfalls handelt es sich mach der Zeichnung um ganz andersartige Gebilde als die Zysten, die wir bei der Spontanencephalitis sehen. In degenerierenden Zellen des "Thalamus finden sich endlich auch 2—5 u große ovale, im Innern hellblaue, außen mehr violettrote Körper, die den Negrikörpern ähnlich

Erste Abt. Orig. Bd. 97. Beiheñt. 9

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sehen sollen, und nach Ansicht G.’s etwas mit der Lipoiddegeneration zu tun haben. Jedentalls ersieht man doch wohl aus der Beschreibung dieser vielfachen und genetisch ganz ungeklärten Körper, daß wir allen Grund haben, mit der Annahme einer besonderen Spezifität vor- sichtig zu sein, zumal wir wissen, daß die Körper auch bei anderen Erkrankungen vorkommen können. Nur die intranukleären Gebilde G.'s haben Achnlichkeit mit den Einschlußkörpern beim Herpes, und gerade bei diesen betont G. die Entstehung aus degenerierenden Kernkörperchen.

Bei der Experimentalencephalitis sind dann Einschlußkörper, die den Lipschützschen Einschlußkörpern ähneln, außerdem noch von Lauda und Zdansky, sowie Le Fèvre de Arric und Good- pasture beschrieben worden. Sie sind aber nicht regelmäßig; in den 18 Gehirnen, die Lauda untersuchte, wurden sie nur 2mal gefunden, während allerdings Goodpasture und Teague sie in ihren Fällen immer geschen haben. Nach den Untersuchungen dieser Autoren be- ginnt die Veränderung mit einer Blähung des Kerns, während sich die basophile Chromatinsubstanz an den Rand stellt, dann tritt eine oxy- phile homogene Masse im Zentrum des Kernes auf, die offenbar, wie auch von Schnabel und anderen bezeugt wird, den Einschlüssen im Kern der Hornhautzellen entspricht. Zach Zdansky treten bei der Zelldegeneration oxyphile Gebilde im Innern des Kerns auf, schließlich kommt es zu einer wachsartigen Degeneration des Kerns, der sich mit basischen und sauren Farbstoffen leicht färbt.

Zusammenfassend können wir folgendes sagen. Es können die ver- schiedensten Einschlußkörper im Zytoplasma wie im Kern bei Herpes- und bei epidemischer Encephalitis auftreten, doch sind diese Einschlub- körper zum Teil ganz uncharakteristisch. Dabei wollen wir besonders darauf hinweisen, daß wir gerade bei Anwendung der Mannschen Me- thode bei den verschiedensten auch nicht infektiösen Nervenkrank- heiten mit dem Zerfall des Achsenzylinders, vielleicht auch anderen Veränderungen ganz eigentümliche und verschiedenartig geformte oxy- phile Bildungen auftreten sehen, die von verschiedenen Autoren, z. B. F. H. Lewy, beschrieben worden sind. Von Interesse sind nur die oxy- philen intranukleären Gebilde, die mit den Einschlußkörpern in den Epithelzellen der Haut und Hornhaut bei Herpes Aehnlichkeit haben. Diese kommen sowohl bei der epidemischen als bei der experimentellen Encephalitis vor, aber sie sind bei der epidemischen Encephalitis offen- bar noch viel seltener als bei der Experimentalencephalitis. Und es ist zum mindesten sehr unklar, ob man diesen Gebilden eine charakteristische Bedeutung zuerkennen kann. Jedenfalls möchte ich nach den bisher vorliegenden Befunden es nicht für erlaubt halten, Rückschlüsse auf die Krankheitsidentität aus diesen Einschlußbefunden zu zichen. Ein Beweis dafür, daß es sich um Erreger, bzw. Einschlußbefunde mit Er- regern handelt, scheint mir hier noch weniger erlaubt zu sein als bei den Negrischen und Joestschen Körpern, da wir ja doch allem An- schein nach besonders deutlich die Entwicklung der pathologischen Gebilde im Verlauf der Zelldegeneration beobachten können.

Noch weniger spezifisch als die Einschlußkörper sind aber offen- bar die schr verschiedenartigen Granulationen, die bei Encephalitis epi- demica wie bei Herpesencephalitis gefunden worden sind. Diese Granu- lationen unterscheiden sich natürlich nicht essentiell von den Einschluß- körpern, da auch die sogenannten Einschlußkörper, teilweise wenigstens, homogen sind und sehr verschiedene Größe haben. Wir bezeichnen hier

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e als Granula im wesentlichen die kleinen Körnchen homogener Natur, die im Kern wie in verschiedenen Zellen im Plasma als auch frei im Gewebe liegen können. Es ist kein Zweifel, daß diese Granula zum großen Teii reine Abbauprodukte des Nervengewebes sind. Dazu ge- hören die metachromatischen roten, grünen und gelben Körner, die in Gefäßwandzellen, aber auch in Ganglien- und Gliazellen, z. B. von Lhermitte und Radovici, von Creu tzfeldt und von mir gefunden wurden, und ebenso basophile Körnchen, die z. B. bei schweren Zell- veränderungen von Klarfeld, da Fano usw. beschrieben worden sind. Sicher würden sich solche Abbaustoffe mit unseren basischen Anilin- farbstoffen noch häufiger finden, wenn wir Formolpräparate statt der üblichen Alkoholfixierung anwendeten. Ich glaube, es ist zwecklos hier, die verschiedenen Körnchen im einzelnen zu besprechen, da es nur eine Form von körnchenartigen Gebilden gibt, denen mit Reserviert- heit Erregernatur zugesprochen wurde. Das sind die oxyphilen Körn- chen, die da Fano als „Minute bodies“ beschrieben hat. Sie sind etwa 1/, œ groß, finden sich namentlich in degenerierten Ganglienzellen, aber auch in Leukozyten und färben sich im allgemeinen bei Doppelfärbungen mehr rot, nach Cowdry und Nicholson aber im Ausstrich mit Giemsa blau. Es liegt nicht der geringste Beweis dafür vor, daß sie mit Er- regern etwas zu tun haben. Cowdry und Nicholson haben solche Körnchen auch bei normalen Kontrolltieren gefunden. Aber es ist wohl kein Zweifel, daß sie, wenn sie gehäuft auftreten, eine pathologische Bedeutung haben. In meinen eigenen Präparaten sind sie übrigens außerordentlich verschieden zahlreich. Mir erscheint die Ansicht von Guiraud am plausibelsten, der sie für fuchsinophile Granula, ent- sprechend den Alzheimerschen fuchsinophilen roten Körnchen, hält, die auch bei verschiedenen nicht entzündlichen Krankheiten vorkommen. Sie sind nach Guiraud mit den physiologischen Mitochondrien nicht identisch, da sie immer sphärisch und voluminöser als diese Mitochon- drien sind und in Zonen vorkommen, in denen eine lipoide Degeneration besteht. Diese würde mit der Ansicht Alzheimers zusammenstimmen, der die fuchsinophilen Granula als Vorstufen lipoider Degeneration ansieht. |

VIII.

Aus meinen bisherigen Darlegungen geht zur Genüge hervor, mit welchen Schwierigkeiten und ungeahnten Verkennungsmöglichkeiten und Fehlerquellen die experimentelle Encephalitisforschung verknüpft ist. Fest stehen für uns nur zwei Tatsachen, daß es erstens eine enzootische spontane Kaninchenencephalitis gibt, und zweitens eine Encephalitis durch Herpesvirus, welche wahrscheinlich durch ein anderes Virus als das der epidemischen Encephalitis hervorgerufen wird, und welche ana- tomisch nicht ganz analog mit der epidemischen Encephalitis ist. Auch die syphilitische Encephalitis, bei der meningeale Plasmazellinfiltrate überwiegen, kann anerkannt werden. Außerdem ist es sehr wahrschein- lich, daß man mit verschiedenem Material auch ganz unspezifische entzündliche Veränderungen im Gehirn hervorrufen kann, wie z. B. mit abgetöteten Streptokokkenkulturen, wie das Tarozzi gemacht hat. Aehnliche Erkrankungen wurden auch durch Toxine anderer Erreger her- vorgerufen (Barbanti). Zu diesen unspezifischen Encephalitiden ge- hören vielleicht auch die von Volpino und Racchiusa erzielten

g*

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Entzündungen, die subdural durch Impfung glyzerinisierten Sputums von Grippekranken hervorgerufen wurden.

Diese anfangs unbekannten Verwechslungsmöglichkeiten und die Ungleichmäßigkeiten der Uebertragung machen uns skeptisch gegen frühere Befunde, da wir nicht annehmen können, daß Unterschiede der Technik oder der Tierempfänglichkeit bei den subduralen Impfungen allein die überaus großen Differenzen der geglückten Uebertragungen erklären sollen. Und diese Skepsis wird noch größer, wenn es sich um Impfversuche mit einem Virus handelt, welches an und für sich zweifellos unspezifisch ist. Dieses Virus, bei dessen Besprechung man direkt eine gewisse Beklemmung nicht überwinden kann, sind die Streptokokken. Es wird wohl allgemein zugegeben werden, daß die ur- sprünglichen Wiesnerschen Diplo-Streptokokken nicht den Erreger der epidemischen Encephalitis darstellen. Fest steht erstens die Unspezi- fität dieser Erreger, zweitens die Tatsache, daß sie in einem Teil der Encephalitisfälle fehlen, wie z. B. in zwei eigenen Fällen, ferner waren sie nur in einem Teil der Siegmundschen Fälle, der von Urechia und anderen (z. B. Loewe und Strauß), vorhanden.

Drittens steht fest, daB die von den Streptokokken aus hervorgerufene Affenencephalitis anatomisch eine hämorrhagische Herdencephalitis und keine typische epidemische Encephalitis war. Diese Hinweise auf Streptokokken als Erreger der Encephalitis würden heute wohl ad acta gelegt werden, wenn nicht Rosenow immer wieder in umfangreichen Untersuchungen den Nachweis zu führen suchte, daß doch eine spezifische neurotrope Streptokokkenart den Er- reger der Encephalitis darstellte. Nun darf ich mich natürlich nur für kompetent halten, die klinischen und anatomischen Untersuchungen Rosenows einer Kritik zu unterziehen. Da fällt uns zunächst eine Behauptung auf, welche wir direkt als etwas mystisch bezeichnen müssen, daß nämlich die Symptome beim Tier eine ganz ungewöhnlich spezifische Uebereinstimmung mit den Symptomen beim Menschen haben. Wurden die Streptokokken mit Material von Singultus-Encephalitis ge- wonnen, dann bekam das subdural geimpfte Tier vorwiegend Zwerch- fellkloni, oder wurde von einem Kranken mit Respirationsstörungen geimpft, so traten beim Tier auch wieder besonders Störungen im Atemrhythmus auf usw. Ich muß gestehen, daß ich mir eine derartig weitgehende Uebereinstimmung mit ganz speziellen isolierten Symptomen schwer vorstellen kann. Im übrigen kommen bei den Streptokokken- encephalitiden alle möglichen Symptome vor, die sich von der Herpes- encephalitis nur dadurch zu unterscheiden scheinen, daß der exzessive Spceichelfluß und die tonischen Hyperextensionskrämpfe bei der Strepto- kokkenencephalitis zu fehlen scheinen. Wichtiger ist, da wir ja eben klinische Symptome bei Tier und Mensch schwer analogisieren können, der histologische Befund. Hier überwiegen leukozytäre Meningitiden, die von einigen Stämmen so weit gehen, daß es zu einer grob leuko- zytären Meningitis und zu kleinen Abszessen kommt. Die Bilder, welche Rosenow gibt, ähneln, soweit es sich um meningitische Erscheinungen handclt. zum Teil wenigstens, denjenigen, die man auch bei anderen eit- rigen Meningitiden sieht. Es werden auch großeHämorrhagien und nekro- tische Veränderungen festgestellt. Namentlich bei stürmischem Verlauf findet man, wie Rosenow selbst sagt, besonders Meningealbeteiligung, Pachymeningitis und Infiltration der Nervenwurzeln. Daneben findet allerdings Rosenow auch lokalisierte intrazerebrale Infiltrate und

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Blutungen, die aber jedenfalls eine ganz andere Lokalisation zeigen als bei der typischen epidemischen Encephalitis. Man findet sie in den basalen Rindenschichten, in der Brücke, in dem oberen Teil der Medulia oblongata; und wenn Rosenow behauptet, daß bei lethargischen Zu- ständen dieser Tiere die Hauptinfiltrate im Mittelhirn sein sollen, so müßte er das in ganz anderer Weise mit Bildern belegen, wie er es bisher getan hat. Die histologischen Befunde Rosenows sind jeden- falls nicht geeignet, eine Verwandtschaft dieser Streptokokkenencepha- litis mit epidemischer Encephalitis wahrscheinlich zu machen. Von - typischen Gliareaktionen usw. ist nichts bekannt. Daß Streptokokken- erkrankungen, die irgendwo im Organismus sich befinden, auch zu kleinen vielfältigen diffusen, nicht abszedierenden Infiltraten im Hirn führen können, wissen wir schon seit vielen Jahren durch die Unter- suchungen von Eugen Fränkel. Ich meine also, daß die Bedenken gegen die Rosenowschen Befunde gerechtfertigt sind; andererseits sollte man nun doch auch umfangreiche Nachprüfungen darüber an- stellen, ob nicht doch, wenn nicht durch Streptokokken selbst, so doch durch Toxine derselben Encephalitiden hervorgerufen werden, die mit der epidemischen in Zusammenhang zu bringen sind. Es ist gewiß nicht richtig, daß, wie Tarozzi gemeint hat, alle nicht eitrigen En- cephalitiden toxischer Natur sind. Andererseits werden wir nach den Untersuchungen Pollaks über die gelegentliche infiltrative Guanidin- encephalitis zugeben müssen, daB auch Toxine selbst infiltrative En- cephalitis hervorrufen. Die eigenartige chronische Erkrankung der En- cephalitis, die ja ganz im Kontrast zu alledem steht, was wir von Streptokokkenerkrankungen sonst kennen, darf dabei aus unseren Ueber- legungen ganz wegfallen, da wir ja gar nicht wissen, ob und wieweit diese chronischen Erkrankungen mit der Wirkung des Krankheitsvirus selbst zusammenhängen.

Die bisherige experimentelle Encephalitisforschung ergibt also ein recht unbefriedigendes Bild. Wenigstens haben sich die Hoffnungen, welche an die Auffindung bestimmter Erreger, an die Uebertragbarkeit der Encephalitis anschlossen, bisher nicht erfüllt. In wenigen Worten zusammengefaßt, lautet unser Resultat:

Erstens: Ein Teil der scheinbar geglückten Ucbertragungen beruht auf einer Verwechslung mit der früher unbekannten spontanen Ka- ninchenencephalitis.

Zweitens: Daß die Herpesencephalitis mit der epidemischen Ence- phalitis übereinstimmt, d. h. durch (dasselbe Virus bedingt wird, ist nicht wahrscheinlich; das Vorhandensein eines herpetiformen Encephalitisvirus bei epidemischer Encephalitis bereitet zwar unserer Auffassung nach Schwierigkeiten, die trotz der Versuche von Bastai und Busacca vielleicht noch nicht gelöst sind; immerhin kann man mit der An- nahme rechnen, daß man zufälligerweise mit einem Encephalitisvirus arbeitete, das durch Herpesvirus kontaminiert war.

Drittens: Die Bedeutung der nicht herpetiformen Experimental- encephalitis, bei der eine Verwechslung mit Spontanencephalilis un- wahrscheinlich ist, ist eine gänzlich unklare. Wahrscheinlich ist ein Teil der Streptokokkenencephalitiden durch Mischinfektion oder Be- gleiterreger bedingt, in denen man nicht das echte Encephalitisvirus zu suchen hat. In den Fällen, in denen Streptokokken nicht gefunden wurden, ist aber entweder mit einer Verwechslung mit Spontanencephalitis event. auch dann zu rechnen, wenn man die Granulome der Spontan-

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encephalitis nicht findet. Oder es kommt die Verwechslungsmöglichkeit mit unspezifischem Encephalitisvirus in Betracht, da es durchaus nicht unwahrscheinlich ist, daß namentlich nach subduralen Impfungen auch ganz unspezifische Reize, welche das Gchirn treffen, zu Encephalitis führen, indem die Hirnläsionen das Angehen von Blutkeimen ermög- lichen. Viclleicht wird uns die Annahme derartiger Vorgänge erleichtert durch die Befunde von Hayden und Silberstein, welche ein An- gehen einer Kokkeninfektion nach Reizung der Meningen durch endo- lumbale Pferdeseruminjektion feststellen konnten.

Immerhin sind wir durchaus noch nicht in der Lage, die Bedeutung aller positiven, nicht bakteriellen Experimentalencephalitiden mit mensth- lichem Encephalitismaterial, wie z. B. der Fälle von Loewe und Strauß, die viele negative Kontrollen anstellten, zu überschauen. Dazu müßte man selbst mit dem Material jedes einzelnen Forschers arbeiten und in der Lage sein, vergleichende klinische, anatomische und mikro- biologische Untersuchungen anzustellen. Aber wir haben das Recht, skeptisch gegen die Bewertung solcher genetisch vorläufig noch nicht recht überschaubarer Encephalitiden als geglückter Uebertragungen der epidemischen Encephalitis zu sein, solange zahlreiche Forscher mit dem Material der epidemischen Encephalitis nur negative Resultate er- zielten !).

Diese bisherige Erfolglosiskeit, ein einwandfreies Virus der epidemischen Encephalitis beim Tier zu züchten, ist für uns Kliniker besonders darum sehr peinlich, weil wichtige therapeutische Möglich- keiten uns dadurch entgehen. Denn wir dürfen, wie ich meine, wit Be- stimmtheit annchmen, und unsere eigenen Erfahrungen sprechen dafür, daß im Serum genesender Kranker Immunstoffe kreisen, die eine spezi- fische Wirkung auf den encephalitischen Krankheitsprozeß haben können. Aber diese Serumtherapie mit Rekonvaleszentenserum menschlicher Kranker hat für uns sehr viel Unbefriedigendes, denn wir haben nicht die Möglichkeit, festzustellen, wie hoch der Titergrad der Immunstofte im Rekonvaleszentenserum ist, und wir haben zur gegebenen Zeit den Rekonvaleszenten, dem wir genug Blut entnehmen könnten, nicht zur Hand. Diese Behandlungsversuche mit Serum würden natürlich auf eine ganz andere Stufe gestellt werden können, wenn wir mit Sicherheit bei Tieren die Encephalitis hervorrufen, und wenn wir mit steigenden Virusdosen Tiere immunisieren könnten. Ob unsere Bemühungen Erfolg haben werden, steht noch dahin; wir wissen wohl noch nicht, ob nicht die Encephalitis zu denjenigen Krankheiten gehört, die auf Tiere über- haupt nicht übertragen werden können. Es liegt aber kein Grund ver, wegen der bisherigen Unklarheiten und Schwierigkeiten die Versuche einfach abzubrechen. Auf jeden Fall geben wir Doerr recht, wenn er erklärt, daß keineswegs ein großer Aufwand schmählich vertan sei. Außerordentlich viel Neues und Unerwartetes hat uns die durch die Encephalitisuntersuchungen angercgte Experimentalforschung gegeben. Gerade die Untersuchungen über die Herpesencephalitis haben nicht

1) Von weiteren Encephalitisexperimentatoren erwähne ich Bessemans und van Boeckel, die nur in 10 Proz. positiven Erfolg von der Impfung sahen und dabei „bescheidene Veränderungen“ sahen, die wahrscheinlich nichts Spezifisches haben. Koritschoner arbeitet mit einem Virus, dessen Spezifizität schon von Doerr und Zdansky kritisiert ist. Ottolenghi, d’Antone und Tonietti sahen histologisch nur Blutungen und degenerative Veränderungen, also Erschei- nungen, die sicher nicht berechtigen, ein positives Resultat anzunehmen.

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nur so viel neue Probleme geschaffen, die der Lösung harren und auch zum Teil gelöst werden können, sondern sie haben auch mit einer Exaktheit, wie sie in der menschlichen Pathologie nicht möglich ist, die Wege, welche Krankheitsnoxen zum Nervensystem nehmen können, gezeigt. Und ich meine auch, daß die verschiedenen Ueberraschungen im Laufe der Encephalitisuntersuchungen am Hirn für weitere For- schungen gewiß nicht bedeutungslos sind. Wir haben also allen Grund, den Forschern, die sich mit dem experimentellen Encephalitisproblem in besonders eingehendem Maße beschäftigt haben, dankbar zu sein, wenn auch das Zentralproblem, die Feststellung des Virus der epi- demischen Encephalitis, der Lösung noch harrt!).

Vorträge zum Thema „Herpes und Encephalitis“. 1. Luger und Lauda (Wien):

Zur Frage der sogenannten Kerneinschlüsse bei der herpe- | tischen Infektion.

(Vorgetragen durch Lauda.)

Wenn wir uns heute im Anschluß an die umfassenden Referate der Herren Doerr und Stern erlauben, kurz über ein eng umgrenztes Gebiet, der Kernpathologie, über die oxychromatische Kerndegeneration zu sprechen ?), so geschieht dies deshalb, weil die Frage nach dem Wesen dieser Kernveränderung seit Anbeginn der experimentellen Aera der Herpesforschung zur Diskussion steht.

Bevor wir auf unser eigentliches Thema eingehen, müssen wir einige kurze Bemerkungen über die oxychromatischen Bestandteile des Kernes vorausschicken, und möchten hierbei hervorheben, daß es zweifel- los das Verdienst von Heidenhain war, als erster mit exakten Me- thoden nachgewiesen zu haben, daß das Chromatin des normalen Zell- kernes sowohl aus basischen als auch oxychromatischen Bestandteilen zusammengesetzt ist, daß dieses Oxychromatin ebenso wie das Basi- chromatin aus granulären elementaren Gebilden aufgebaut ist und daß es bei chromatolytischen Figuren des absterbenden Kernes zu einer „reinlichen Scheidung“ der beiden Chromatine kommt. Heidenhain illustriert diese Scheidung der beiderlei Chromatine in der Art, daß das Basichromatin an die Peripherie des Kernes entweicht, während sich das Oxychromatin im Zentrum des Kernes ansammelt.

Wir selbst haben diese Verhältnisse am Triton helveticus, jenem Versuchsobjekt, an welchem auch Heidenhain vornehmlich gearbeitet hat, eingehend studiert, und können die Angaben Heidenhains voll- inhaltlich bestätigen.

Wir zeigen ihnen im folgenden Abbildungen von Kernen aus dem Darmepithel des Triton helveticus, von denen der eine einen Normalkern

1) Aus Zeitmangel konnte nur ein Teil des im Manuskript vorliegenden Referats

vorgetragen werden. | 2) Ausführliche Darstellung der Frage mit Abbildungen in der Festnummer

für Professor Ortner in Med. Klinik, 1925.

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darstellen soll, während der andere im Sinne von Heidenhain ver- ändert ist. Bei diesem ist im Zentrum des Kernes Basichromatin nicht nachweisbar, die Kernmembran erscheint durch angelagertes Basi- chromatin im Sinne einer Kernwandhyperchromatose verdickt und das Zentrum des Kernes ist von einer oxychromatischen Masse erfüllt, welche leicht granuliert ist und am unteren Pol von der Kernmembran leicht retrahiert erscheint.

Wenn wir uns nun das Charakteristische dieser Veränderung vor Augen halten, so ist es unserer Meinung klar, daß sie in den wesentlichen Punkten jener Kernveränderung entspricht, die wir beim Studium der herpetischen Affektionen (Herpes simplex und Zoster) und bei den Varizellen kennen gelernt haben und die uns seit Jahren beschäftigen.

Es sei hier darauf hingewiesen, daß das vollentwickelte und cha- rakteristische Stadium dieser Kernveränderung auch bei diesen Affck- tionen schon lange Zeit bekannt ist, denn Kopytowski hat diese Kernveränderungen beim Zoster und Herpes simplex, Tyzzer bei den Varizellen eingehend beschrieben.

Wir selbst haben diese oxychromatische Kerndegeneration einer- seits in den Hauteffloreszenzen von Zoster, Herpes simplex und Varı- zellen, andererseits in den mit Herpes simplex -Virus geimpiten Or- ganen (Kornea, Zentralnervensystem, Haut, Leber usw.) verschiedener Laboratoriumstiere (Kaninchen, Meerschweinchen, Ratte, Maus) studiert. Hierbei zeigte die Kernveränderung außerordentlich polymorphe Erschei- nungsformen. Um nun die feineren Zusammenhänge der verschiedenen Bilder zu erkennen, erwies sich das Stadium der Hauteffloreszenzen als nicht geeignet, weil hier außerordentlich komplizierte Verhältnisse vor- liegen. Die Untersuchung des herpetisch infizierten Tieres, insbesondere die Untersuchung des Zentralnervensystems, vornehmlich des Gehirnes, bot dagegen die Möglichkeit eines genaueren Erkennens des zell- und kernpathologischen Vorganges.

Im folgenden möchten wir versuchen, an Hand von Abbildungen ein Entwicklungsschema der Kernveränderung, wie es sich uns beim Studium der Frage aufgedrängt hat, zu entwerfen.

Fig. 1 zeigt einen normalen Kern. Fig. 2 zeigt eine leichte Hyper- chromatose, wie denn überhaupt die weiteren Veränderungen, denen das Basichromatin unterliegt, durchaus den bekannten Formen der Kernhyperchromatose entsprechen. Die nächsten Bilder zeigen das Aui- treten oxychromatischer, im allgemeinen unscharf begrenzter, verhältnis- mäßig kleiner Massen im Zentrum des Kernes, wobei diese bald homo- gen, bald leicht granuliert erscheinen. Es sei betont, daß sich alle Uebergänge zwischen den homogenen und granulierten Formen finden, daß hier cine prinzipielle Unterscheidung nicht möglich ist; es finden sich auch Kerne, in welchen zum Teil homogene, zum Teil granuläre oxychromatische Massen gefunden werden (Fig. 4). In den nächsten ‚Stadien ist das Basichromatin bis auf geringe Reste aus dem Zentrum des Kernes geschwunden, die Kernmembran ist wesentlich verdickt. Die oxychromatischen Binnenmassen sind auch hier entweder homogen oder granulär. Schließlich finden wir das vollentwickelte, schon von Tyz- zer und Kopytowski beschriebene Stadium. Das Basichromatin fehlt im Zentrum des Kernes vollständig, wir finden hier nur Oxychromatin. Die Bilder dieses Stadiums sind insofern außerordentlich polymorph, als das Oxychromatin den Kernbinnenraum entweder vollständig erfüllt oder von der Kernmembran etwas retrahiert erscheint und dadurch einen

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mehr korpuskulären Eindruck macht; die Kernbinnenmasse kann in diesem Falle bald rundlich, bald unregelmäßig begrenzt sein. Auch hier finden sich wieder homogene und granulierte Formen. Hinsichtlich der retrahierten, korpuskulär erscheinenden Formen muß gesagt werden, daß sie wohl zum größten Teile auf eine mangelhafte Fixation zurück- zuführen sind, daß aber das Studium der Nativpräparate einwandfrei beweist, daß auch derartige präformierte korpuskuläre Formen, die also als biologische Reaktion des absterbenden Kernes aufzufassen sind, vorkommen. Daß es sich hier aber immer um Retraktionsbilder handelt, d. h. daß die retrahierten Formen aus jenen hervorgehen, in welchen das Oxychromatin den Kernbinnenraum vollständig ausfüllt, dafür scheinen uns insbesondere jene Bilder beweisend, in welchen die oxy- chromatische Binnenmasse noch mit Fäden und Zacken mit der Kern- membran zusammenhängt. Die späteren Entwicklungsformen der Kern- degeneration sind durch den zunehmenden Verlust der Kernmembran an Basichromatin gekennzeichnet. Es resultieren schließlich Bilder, in welchen der Kern nach völligem Verlust des Basichromatins als solcher kaum mehr zu erkennen ist.

Dieser Bilderreihe wollen wir nur noch hinzufügen, daß die oxy- chromatische Binnenmasse des Kernes mit dem Nukleolus naturgemäß nicht identifiziert werden darf, wie ja unter anderem jene Bilder be- weisen, in welchen der intakte oder leicht gequollene, vakuolisierte Nu- kleolus neben der oxychromatischen Masse gefunden wird. Es erscheint aber andererseits wohl außer Zweifel, daß sich auch der Nukleolus mit zunehmender Degeneration des Kernes in der oxychromatischen Masse auflöst und so an ihrem Aufbau teilhat.

Ebenso wie der Kern zeigt auch das Protoplasma schwere degene- rative Veränderungen, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann.

Während Luger und ich die beschriebene Kernveränderung als oxychromatische Kerndegeneration bezeichnet haben, da uns dieser Name das Wesentliche der Veränderung, ihre degenerative Natur und die Oxychromasie zu beinhalten schien, hat Lipschütz hinsichtlich der oxyphilen Kernbinnenmassen von Zoster- bzw. Herpeskörperchen ge- sprochen. Diese Nomenklatur hängt eng mit der neuen Deutung zu- sammen, welche Lipschütz diesen Gebilden gegeben hat. Er faßt sie als Einschlüsse im Sinne der Chlamydozoenlehre auf, stellt sich also vor, daß ein nukleotropes Virus in den Kern eindringt und dort zur Bildung solcher Einschlüsse Veranlassung gibt.

Zur Frage der parasitären Natur dieser Gebilde seien uns zum Schlusse noch einige Bemerkungen gestattet.

Für einen Kernparasitismus könnten vor allem zwei Argumente an- geführt werden: die Konstanz des Befundes in fast allen geimpften Organen, und alle Analogien, welche sich mit den bekannten Einschluß- krankheiten herstellen lassen. Was den ersten Punkt betrifft, so möchten wir nun gerade in der Tatsache, daß die oxychromatische Kernverände- rung in fast allen geimpften Organen auftritt, ein Gegenargument gegen ihre Einschlußnatur erblicken, da es in der Chlamydozoenlehre ohne Bei- spiel ist, daß die spezifischen Einschlußkörper in den Abkömmlingen sämtlicher Keimblätter angetroffen werden. Was den zweiten Punkt anlangt, so möchten wir betonen, daß eben unserer Meinung nach der Befund eines „Einschlusses‘‘ nicht vorliegt. Wir verweisen diesbezüglich auf die demonstrierte Bilderreihe, auf die Analogien der Kernverände- rung zu den Heidenhainschen Befunden z. B. beim Triton hel-

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veticus, und zu den Kernwandhyperchromatosen überhaupt, auf Jie Tat- sache, daß es sich hier um einen zell- und kernnekrobiotischen Prozeß handelt, und daß ja gerade bei den Einschlußkrankheiten von vielen Autoren betont wurde, daß die einschlußtragenden Zellen in ihren vitalen Funktionen im allgemeinen nicht beeinträchtigt sind, endlich auch auf die außerordentliche Polymorphie der Gebilde und auf das Fehlen einer Innenstruktur. Die Granulierung kann unserer Meinung nach als Innenstruktur nicht gedeutet werden; auch die Auffassung der einzelnen Granula als Elementarkörperchen (Lipschütz) er- scheint uns nicht angängig. Um die parasitäre Natur derartiger kleinster Gebilde nur mit einiger Wahrscheinlichkeit sicherzustellen, bedarf es einer viel exakteren Beweisführung. Und schließlich steht noch die Frage zur Diskussion, ob der Sitz. des Virus überhaupt in den Kern verlegt werden darf; diesbezügliche Beweise fehlen.

“Der Gedanke an eine Einschlußnatur muß unserer Meinung nach sicherlich fallen gelassen werden, wenn nachgewiesen wird, daß von irgendeiner Spezifität dieser Gebilde keine Rede sein kann. Wenn wir von den diskutierten Befunden beim Zoster, Herpes simplex (fe- brilis und genitalis) und Varicellen absehen, hat Lipschütz die gleiche Kernveränderung bei der Paravakzine, bei der Warze und beim spitzen Kondylom beschrieben. Luger und ich konnten die gleiche Kernveränderung in der Variolablase nachweisen, ein Befund. der ın diesem Zusammenhang um so bedeutsamer erscheint, als hier ja schon Gebilde vorliegen, die Guarnerikörper, welche von vielen Seiten ob mit Recht oder Unrecht, sei nicht diskutiert als Einschlüsse an- erkannt werden. Es haben ferner Rivers und Tillet mit einem endo- genen Kaninchenvirus, welches vom Herpesvirus different war, die in allen Details analoge Kernveränderung an der Kaninchenkornea hervor- rufen können. Schließlich haben Ribert, de Lange u. a. in den Nierenepithelzellen von Neugeborenen, meist luetischen, Kernverände- rungen beschrieben, welche, wie Luger und Silberstern an an- derer Stelle ausführlich gezeigt haben, mit der von uns beschriebenen oxychromatischen Degeneration durchaus in Parallele zu setzen sind.

Von ganz besonderem Interesse erscheint uns schließlich das Vor- kommen der Kernveränderung bei nicht infektiösen Affektionen. Wir möchten hier nur kurz auf den Befund beim Epitheliom der Barben. des Zanders und der Schleie, und insbesondere bei der Karpfenpocke hinweisen, die wir dank dem Entgegenkommen der Frau Professor Plehn an von ihr überlassenem Material studieren konnten. Diese Af- fektionen werden von den führenden Autoren auf diesem Gebiete als neoplastische Bildungen aufgefaßt. Und wenn die Frage der Infek- tiosität bei diesen Fischkrankheiten im Hinblick auf ältere Literatur- angaben, die diese Fischtumoren als infektiös ansprechen, vielleicht. noch diskutabel ist, so erscheint diese Erklärung der oxychromatischen Degeneration in den Schnitten einer Salvarsandermatitis, die wir Herm Professor Kyrle verdanken, wohl unmöglich. [Demonstration !). ]

1) Gegenüber der von Lipschütz in einer Diskussionsbemerkung vertretene! Anschauung, daß es sich hier um differente Veränderungen handelt, halten wir nach eingehendem Studium des Präparates an der Identität der Kernalteration fest. Pro- fessor Kyrle selbst läßt bei Anerkennung der morphologischen Argumente die Frage offen, wie weit hier eine Gruppenreaktion vorliegt und ob wir es tatsächlich mit pathogenetisch gleichartigen Vorgängen zu tun haben.

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Die angeführten Momente, meine Herren, scheinen uns zu beweisen, daß es nicht angeht, bei diesen oxychromatischen Kernbinnenmassen von Einschlüssen im Sinne der Chlamydozoenlehre zu sprechen, und scheinen unsere, seit jeher vertretende Auffassung zu stützen, daß die oxychroma- tische Kerndegeneration eine degenerative Reaktion auf Schädlichkeiten verschiedener Art darstellt, unter welchen das Herpes simplex-Virus wohl eine führende Stellung einnimmt, wobei demselben aber keine spezi- fische pathognomonische Bedeutung eingeräumt werden kann.

2. Waldemar Loewenthal (Bern):

Mikroskopische Befunde bei Herpes. Mit 21 Abbildungen im Text.

M. H. Die im folgenden mitzuteilenden Untersuchungen?) be- ziehen sich durchweg auf die mit Herpesvirus geimpfte Kaninchen- cornea. Das Material verdanke ich der Freundlichkeit der Herren Proff. Nägeli und Siegrist.

Die schon mehrfach beschriebenen Binnenkörper in den Kernen der Epithelzellen der mit Herpes infizierten Kaninchencornea scheinen ein regelmäßiger Befund zu sein und nur nach Herpesimpfung vor- zukommen. Ich habe wenigstens bei meinen immerhin ziemlich zahl- reichen mikroskopischen Untersuchungen von Corneae für die Pocken- diagnose diese Binnenkörper nur in einem einzigen Fall gesehen; der einsendende Arzt hielt die Erkrankung für „abortive Varizellen oder Variolois'; daß es sich tatsächlich um Herpes gehandelt haben kann, scheint mir sehr wohl möglich.

Die Binnenkörper werden als meist eosinophil bezeichnet. Nach meiner Erfahrung nehmen sie bei Doppelfärbungen zwar in der Regel den Protoplasmafarbstoff an, seltener den Kernfarbstoff; in beiden Fällen ist aber die Färbung nicht derart intensiv, daß man von einer Philie sprechen dürfte. Unter den verschiedenen von mir angewendeten Färbungen macht die Karmin-Bayrischblaumethode, die ich 1906 auf der Krebskonferenz in Frankfurt mitgeteilt habe?), eine Ausnahme: hier halten die Binnenkörper fast stets das angesäuerte Bayrischblau in erhöhtem Maße fest, und so erweist. sich die Methode auch für dieses Studium als sehr geeignet. Als Beginn kann man mehrere blaugefärbte, kleine Körnchen im Innern des Kernes erkennen; sie sind unregelmäßig

1) Ausgeführt im Berner Institut für Hygiene und Bakteriologie und in der wissenschaftlichen Abteilung des Schweiz. Serum- und Impfinstituts.

2) Ztschr. f£. Krebsforsch. Bd. 5. 1907. Die Methode stammt nach meiner Er- innerung nicht von mir, sondern von L. Michaelis. Ausführung der Färbung: Kräftige Karminfärbung (Lithion- oder Boraxkarmin; Cochenille eignet sicht nicht), Wasserspülung, Färbung mit einer dunkelblauen wässerigen Lösung von Bayrischblau mit einer Spur Essigsäure (ich halte meist das Präparat, Farbseite nach unten, kurz über eine geöffnete Flasche mit Eisessig) unter mikrorkopischer Kontrolle, bis auch die Zellkerne blau sind (1—2 Minuten), kurze Wasserspülung, Behandlung mit 70- und 80proz. Alkohol unter mikroskopischer Kontrolle, bis das Blau in ge- wünschtem Maße entfernt ist, schnelles rie in der Alkoholreihe, Xylol,

Kanadabalsam.

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geformt, manchmal stäbchenförmig, auffällig häufig als Doppelkörnchen angeordnet und meist von der Andeutung einer Vakuole umgeben (Fig. 1, 14). Weiterhin bilden unregelmäßig gestaltete Schollen in Ein- oder Mehrzahl (Fig. 1) alle Uebergänge zu dem ausgebildeten Binnenkörper. Dieser ist vom übrigen Kerninhalt meist durch einen Hohlraum getrennt, der aber gewöhnlich durch einige Fortsätze des Binnenkörpers überbrückt wird; oder aber es kann dem Binnenkörper normal gefärbte Kernmasse unmittelbar anliegen, an die erst der Hohl-

Fig. 1.

raum sich anschließt (Fig. 2). Die Binnenkörper erscheinen mit seltenen Ausnahmen als völlig strukturlos, auch bei Anwendung von Eisen- hämatoxylin, und ich habe keine Anhaltspunkte gewinnen können, sie als Chlamydozoen anzusehen.

In seltenen Fällen sitzen dem Binnenkörper einige stärker gefärbte Körnchen auf (Fig. 3), die auch gestielt sein (Fig. 4) und sich offen- bar ablösen und frei in den Kern zu liegen kommen können (Fig. 3 oben). Die Zelle in Fig. 4, wo neben dem Kern mit körnchentragendem

Fig. 4.

Fig. 2.

Binnenkörper ein von hellem Hof umgebenes Körnchen im Proto- plasma liegt, erweckt den Eindruck, daß dieses Körnchen aus dem Kern stammt.

Damit komme ich zu einer zweiten Gruppe von Veränderungen, die sich als Protoplasma-Einschlüsse kennzeichnen. Das eben er-

wähnte Gebilde (Fig. 4) erinnert recht an ein Guarnierisches Körperchen,

und man kann noch viel Guarnieri-ähnlichere Protoplasmaeinschlüsse finden, wie denn Lucksch sie direkt den G.K. gleichsetzt. Solche

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an G.K. erinnernde Protoplasmaeinschlüsse verschiedenster Größe habe ich nicht so regelmäßig gefunden, wie die Binnenkörper im Kern, aber immerhin nicht sehr selten, und ich habe bis zu 5 in einer Zelle gezählt. Sie färben sich mit Bayrischblau intensiver oder mindestens in einem anderen Farbton blau, als das Protoplasma, sind deutlich al- veolär gebaut und liegen meist in einem hellen, den Zellkern ein- buchtenden Hof (Fig.5). Auch echte G.K. (Corneaimpfung. mit Variola) färben sich mit Karmin-Bayrischblau blau (wie denn überhaupt die alte Angabe, die G.K. hätten eine besondere Affinität zu den Kernfarb- stoffen, revisionsbedürftig ist), aber weniger intensiv, sind auch nicht alveolär gebaut, andererseits speichern die Herpeseinschlüsse bei der Unnafärbung nicht das Safranin, wie es die G.K. tun. Beide Arten von Einschlüssen sind also verschieden.

In Fig. 5 liegt dem großen Einschluß ein kleiner an, fast wie bei einem Knospungsvorgang; noch deutlicher zeigt das Fig. 6. Die beiden gleich großen, in einem gemeinsamen Hof einge- | lagerten und den Kern einbuchtenden Einschlüsse in Fig. 7 erwecken den Eindruck einer Vermehrung durch Teilung.

Fig. 8.

Fig. 6.

Noch stärkere Abweichungen von G.K. zeigen die nun zu schildernden Gebilde. Manchmal sah ich nämlich Protoplasmaeinschlüsse mit einer stärker färbbaren Verdichtung (Fig. 8 unten), häufiger mit einer exzentrisch gelegenen, mit Karmin gefärbten Stelle, die als Kern imponiert (Fig. 8 oben). Einen großen, amöbenähnlichen Einschluß, wie er in Fig. 9 wiedergegeben ist, habe ich nur dies eine Mal gesehen; ob das kleine Körnchen im Innern nur stark lichtbrechend oder aber rot gefärbt ist, vermag ich nicht mit Sicherheit zu entscheiden. Auch

Fig. 9. Fig. 10. | Fig. 11.

im übrigen Guarnieri-ähnliche Einschlüsse mit 2 bzw. 4 färberisch dif- ferenzierten, recht eigenartig gelagerten Stellen seien erwähnt (Fig. 10, 11). Findet man dann einen größeren Zelleinschluß mit 8 Kernen

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(Fig. 12), so ist es naheliegend, das als eine zusammenhängende Reihe aufzufassen; bemerkenswert ist, wie die stärker färbbare Substanz den kleinen kugelförmigen Hohlräumen einseitig als Kalotte anliegt. Eigenartig und vielleicht als Vorstufe von Fig. 12 anzusehen ist Fig. 13a (hohe Einstellung): In einem großen Hohlraum, der infolge des Durchschimmerns des darunter liegenden Teiles des eingebuchteten Zellkerns rötlich aussieht, liegt ein unregelmäßig geformtes Gebilde; die eine Hälfte dieses Gebildes ist strukturlos, die andere zeigt eine deutliche Aufteilung in Territorien mit eingelagerten stärker färb-

Fig. 12.

Fig. 13b.

baren Partikeln, deren Zahl wiederum 8 zu betragen scheint. Dieselbe Zelle enthält noch einen zweiten Einschluß (Fig. 13b, tiefe Einstellung), einen blauen, rundlichen, Guarnieri-ähnlichen Körper mit Hof; der Körper besteht aus dicht aneinander gedrängten, etwa spindel- oder weberschiffchenförmigen Gebilden. Das einzelne Schiffchen ist an der Peripherie stärker gefärbt, im Innern blasser; ihre Zahl ist schwer genau zu bestimmen, ich glaube 8 zu zählen.

Ich muß nun nochmals von den Kernen der Epithelzellen sprechen, denn einige Befunde lassen die Deutung zu, daß eine ähnliche Reihe

Fig. 14.

von Veränderungen auch bei intranukleären Gebilden vorkommt; frei- lich kann ich bisher nicht mit Sicherheit feststellen, ob die umgebenden Massen Kernreste sind, und zu welchen Zellen diese Kerne gehört haben. Zunächst Fig. 14: Eine karmingefärbte, spindelförmige, zwischen die Lagen der Corneaepithelien gedrängte, ziemlich homogene Masse enthält einen großen, blauen Körper, in dem 8 (auf dem optischen Schnitt nur 5 getroffen) stärker gefärbte Hohlkugeln mit einseitiger Kalotte liegen; bis auf die Größenunterschiede also annähernd eine Parallele zu Fig. 12. Aus den obersten Schichten der Impfstelle stammt Fig. 15, aus einer Gegend des Präparates, in der viele Kerne der Epithelzellen eigenartig aufgelockert und lamellös sind; ich glaube

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daher auch die lamellöse karmingefärbte Substanz (Fig. 15) als Zell- kerne auffassen zu sollen, denen nur noch Spuren von Protoplasma anhaften. Im Innern dieser Zellkerne oder Kernreste liegen 5 blaue Körper. Sie entsprechen in ihrem gesamten Habitus den übrigen Binnen- körpern im selben Gesichtsfeld, enthalten aber jeder eine Gruppe von etwa 8 roten Körnchen, die in einem der Körper in zwei Gruppen ge- trennt sind. Sollte die geschichtete rote Substanz als Kernrest ge- deutet werden, dann müßte sie von einer Riesenzelle stammen, deren Kerne ja häufig und so auch im selben Präparat Binnenkörper zeigen.

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J Fig. 20. Fig. 21.

Dasselbe würde für Fig. 16 gelten, die vom Grunde eines die Impf- stelle ausfüllenden Epithelzapfens stammt. Die den Binnenkörpern ent- sprechende Masse ist hier nicht homogen, sondern läßt eine größere Anzahl schiffchenartiger Körperchen erkennen (entsprechend Fig. 13b), die zum Teil an einem oder beiden Polen rot gefärbt sind. Das in der basalen Vakuole der Zelle Fig. 17 liegende Körperchen macht den Eindruck, als ob es ein einzelnes Schiffchen wäre Der Kern dieser Epithelzelle ist blaß, hat kein Karmin angenommen und wird eingebuchtet durch ein Konglomerat von 2 etwas größeren der- artigen Körperchen und einigen undefinierbaren Körnchen. Ganz das Entsprechende, nur in bedeutenderer Größe und Ausbildung scheint

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Fig. 18 zu bieten; in beiden Fällen zeigen die kleinen blauen Körper- chen an einem Ende kräftige Karminfärbung. Es ist verführerisch, auch den langgestreckten blauen Ring mit kleinen Ausläufern im Proto- plasma der Riesenzelle Fig. 19 auf ein solches Schiffchen zurück- zuführen. |

Ohne weitere Beschreibung möchte ich noch 2 Befunde vorlegen, das von einer zarten Membran umgebene Gebilde Fig. 20 und den kompliziert gebauten Körper Fig. 21. Sie mögen vorläufig nur als dokumentarisches Material dienen, denn sie sind ebenso leicht zu sehen. wie schwer zu deuten. Ganz außer Betracht gelassen habe ich, um die Möglichkeit von Irrtümern zu vermindern, die Befunde von extra- zellulären Gebilden, obwohl sie zum Teil gut in den Rahmen des hier Gezeigten passen würden.

Was nun die Deutung der Befunde betrifft, so kann man glauben, daß sie auf den verschiedensten, unabhängig voneinander ın der geimpften Cornea vorkommenden Prozessen beruhen, oder man kann glauben, daß die Befunde miteinander in Zusammenhang stehen: bewiesen ist die eine Auffassung so wenig wie die andere. Da einige Uebergänge und Parallelen zu erkennen sind, möchte ich als Arbeits- hypothese die Vermutung aufstellen, daß die Befunde miteinander in Zusammenhang stehen. Nimmt man das an, so ergibt sich, daß wir einen Prozeß an den körpereigenen Elementen, wie etwa Degeneration, Phago- zytose u: dgl., der all diese Bilder liefern könnte, bisher nicht kennen; und selbst wenn wir verschiedene nebeneinander verlaufende Prozesse annehmen wollen, bleiben eine Anzahl Befunde (Figg. 12—18), die mir in ähnlicher Form als unspezifische Veränderungen körpereigener Elemente nicht bekannt sind. Ob etwa phagozytierte Gehirnpartikel (das Virus war meist aus Gehirnpassagen überimpft) ähnlich aussehen können, soll noch geprüft werden.

Wir müßten also körperfremde Elemente zur Erklärung heran- ziehen, einen Mikroorganismus. Und wenn wir überlegen, welche Mikro- organismen in Betracht kommen könnten, so zeigt sich bald, daß die überwiegende Mehrzahl der Befunde sich zwanglos in den Entwicklungs- gang eines Mikrosporidium einordnen ließe, was im einzelnen aus- zuführen in diesem Kreise ja um so weniger notwendig ist, als es sich nur um eine Vermutung handelt.

Am meisten Schwierigkeit für die Einordnung bietet der häufigste Befund, die strukturlosen Binnenkörper der Kerne. Ferner stimmt die Entstehung der Guarnieri-ähnlichen Einschlüsse aus dem Binnenkörper, wie Fig. 3 und 4 sie zu erweisen scheinen, wenig zu der Tatsache, dab die Kerne der Zellen, in denen Protoplasmaeinschlüsse zu finden sind, sonst nie einen ausgebildeten Binnenkörper haben. Was die Guarnieri- ähnlichen Einschlüsse selbst betrifft, so muß ich hervorheben, daß in den Herpescorneae stellenweise recht zahlreiche Leukozyten vorkommen; wenn die hier mitgeteilten Abbildungen auch möglichst aus leukozvten- armen oder -freien Stellen ausgewählt sind, so verdient dieser Umstand dennoch Beachtung, da es schon lange bekannt ist, daß man durch manche leukozytoseerregenden und zellschädigenden Reize in der Kaninchen- cornea Guarnieri-ähnliche Einschlüsse hervorbringen kann. Sikorskis alte Angabe über diese Wirkung des Diphtherietoxins kann ich be- stätigen: die nach diesem Reiz auftretenden Pseudoguarnierikörper können echten so weit ähnlich sein, daß das eine oder andere sogar bei der Unnafärbung trotz ausreichender Differenzierung das Safranin fest-

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hält!). Trotz der Existenz solcher unspezifisch hervorgebrachten Ein- schlüsse halten die meisten Forscher ihre Ueberzeugung, daß die G.K. bei Variola und Vaccine spezifisch sind, aufrecht, und ich glaube, mit Recht. Was aber den G.K. recht ist, kann den ähnlichen Protoplasma- einschlüssen in der Herpescornea billig sein: auch sie könnten trotz der Befunde von Sikorski u. a. spezifisch sein. Auch hier wird vielleicht die Zukunft uns lehren, Unterscheidungsmerkmale zu finden, wie wir ja auch erst allmählich gelernt haben, die G.K. in ihrer :Ge-' samtheit (nicht jedes einzelne Körperchen) durch ihre nesterweise Lagerung u. a. von unspezifischen Einschlüssen zu unterscheiden.

Wenn ich also trotz alledem als Arbeitshypothese aufrecht erhalte, daß meine Befunde in der Herpescornea, sämtlich oder zum Teil, Entwicklungsstadien eines Mikroorganismus, und zwar wahrscheinlich eines Mikrosporidium darstellen könnten, so ist damit nicht gesagt, daß das der Herpeserreger sein müsse. Da die überwiegende Mehrzahl der Befunde aus Hornhäuten stammt, die mit Herpesvirus aus Ge- hirnpassagen geimpft waren, ist die Möglichkeit,in Betraeht zu zichen, daß eine Mischinfektion der Cornea mit Encephalitozoon cuniculi vorliegt. Levaditi und Mitarbeiter geben nur an, daß die Ver- impfung dieses Mikroorganismus auf die Kaninchencornea keine Kera- titis hervorrufe; ob aber das Encephalitozoon in der Cornea nachweisbar ist oder nicht, darüber sprechen sie sich nicht aus. Manche meiner Befunde erinnern im Charakter sehr an Abbildungen des Encepha- litozoon cuniculi und des E. rabiei. Das könnte in dem eben ange- deuteten Sinne sprechen, aber auch in einem andern: Falls es sich nämlich späterhin etwa erweisen sollte, daß wir hier den Erreger des Herpes und der Encephalitis herpetica des Käninchens vor uns haben, dann würde sich eben ergeben, daß biologische und morpho- logische Aehnlichkeit einander parallel gehen.

Auffällig ist, daß diese verhältnismäßig leicht zu sehenden, mikro- sporidienähnlichen Dinge, wie Fig. 5, 6, 10—18, in der Herpescornea bisher meines Wissens nicht beschrieben worden sind. Vielleicht spielt dabei die Färbungsmethode eine Rolle.

Welche ausgestaltenden Untersuchungen und Kontrollen noch fehlen, um vielleicht zu klareren Anschauungen zu gelangen, folgt aus dem Gesagten von selbst. Wenn ich mir erlaubt habe, etwas noch so ` Unfertiges hier vorzubringen, so muß ich Ihre Nachsicht erbitten: Unabhängig von der Frage, ob die Befunde zusammengehören oder nicht, und unabhängig von der Deutung glaubte ich darauf hinweisen zu sollen, daß in der Herpescornea des Kaninchens derartige Dinge über- haupt vorkommen; mir für mich war es wertvoll, die Befunde und, soweit durchführbar, die Qriginalpräparate dem Urteil dieser Ver- sammlung zu unterbreiten.

Erklärung der Textabbildungen.

Die Figuren beziehen sich sämtlich auf das Epithel der mit Herpesvirus ge- impften Kaninchencornea. Impfmaterial: Siegrist (Figg. 3/6, 8, 9, 11, 16, 17, 19) und Matti (Fig. 2), Herpes febrilis, Encephalitis nach Corneaimpfung, durch zahl- reiche Gehirnpassagen fortgeführt, schließlich Gehirn auf Cornea verimpft; Weiß-

1) Dies wie die Herpesbefunde bestätigen wiederum, wie große Vorsicht bei der Diagnose von Guarnierikörpern geboten ist, und daß man vereinzelte Einschlüsse, ins- besondere bei Anwesenheit anderer Granula und bei nicht ganz spezifischer Färbbar- keit, nicht mit Sicherheit als Guarnierikürper ansprechen darf.

` Erste Abt. Orig. Bd. 97. Beiheft. 10

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meyer (Figg. 7, 10, 18), Menstrualherpes, erste Impfung der Cornea mit Bläschea- inhalt; Müller (Figg. 1, 12/15, 20, 21), Herpes nach Meningokokkeninjektion, Corneaimpfung, Kerato-Conjunctivitis, Tier nach 17 Tagen +, korneale Verimpfung des Gehirns.

Fixierung: Sublimat. Färbung: Figg. 6 u. 11 Hämatoxylin-van Gieson, alle anderen Lithionkarmin-Bayrischblau. Paraffinschnitte.

Die Zeichnungen sind mit Seibert homog. Immers. 1/,,, Ok. 3, nur Fig. 1 mit Immers. !/;,, Ok. 1 mit dem Zeichenapparat in Tischhöhe entworfen, bei der Wieder- abe verkleinert. Die Bilder sind so orientiert, daß die Corneaoberfläche oben zu enken ist.

Weitere Erklärungen im Text.

3. Gerhard Rose (Basel): Die Spontanneurotropie des Herpesvirus beim Meerschweinchen.

M. H. Die Empfänglichkeit des Meerschweinchens für die Infektion mit Herpesvirus ist seit den Arbeiten von Doerr und Vöchting be- kannt. Die Ungleichheit des Infektionserfolges war der Grund, daß man sich dieser Spezies bei der Untersuchung der Eigenschaften des H.V.1) nur in geringem Umfange bediente. So sind uns aus den ersten Jahren der experimentellen Herpesforschung ‘auf der Grundlage des Grüterschen Versuchs beim Mes. nur die Möglichkeit der kornealen Uebertragung und der Gehirnpassage mit Rückübertragung auf das Kaninchen und den Menschen bekannt. Goodpasture und Teague erzeugten dann den Herpes zosteriformis auf der geteerten Meer- schweinchenhaut, ein Phänomen, das von Doerr und Friedli bestätigt, und schließlich von Rose auf der unvorbehandelten Haut gleichfalls er- zeugt werden konnte. Grüter zeigte die Möglichkeit der Herpes- infektion an der Metatarsalhaut, die auch uns aus den Untersuchungen über die Aetiologie infektiöser Stomatitiden bekannt, und die ım Lister- Institut ebenfalls im Laufe von Untersuchungen über das Virus der Varicellen beobachtet war (mündl. Mitteil. von Prof. von Balogh). e Bei der weißen Ratte war die Sohleninfektion vorher schon durch Peiser mit zweifelhaftem Erfolg versucht worden. In größerem Um- fange wandte sich die Aufmerksamkeit dem Meerschweinchenversuch zu, als Gildemeister und Herzberg zeigten, daß bei der An- wendung geeigneter Stämme und mit verbesserter Technik die Meta- tarsalimpfung mit sichererem Erfolge ausgeführt werden kann, als man früher angenommen hatte. Sie erhoben bei ihren Versuchen den be- merkenswerten Befund, daß ein Virus, das bis dahin einer Spontan- neurotropie für das Kaninchen ermangelte, sie durch die Züchtung auf der Mes.-Sohlenhaut erwarb. Rose bewies sodann mit der Sohlen- impfung die Spontanneurotropie des H.V. auch beim Mes., indem er Lähmungen und Myelitiden durch die Infektion der Sohlenhaut er- zeugen konnte. Er zeigte ferner am Mes., daß immunologische Be- ziehungen zwischen H.V. und Maul- und Klauenseuchevirus fehlen. Die letzte Angabe wurde von Waldmann und von Fortner be- stätigt. Ucber die Deutung der Lähmungserscheinungen sind Meinungs- verschiedenheiten aufgetaucht. Das Auftreten von Gangstörungen Ist

H.V. =- Herpesvirus; Mes. = Meerschweinchen.

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seither gleichfalls von Gildemeister und Herzberg, von Wald- mann und von Fortner beobachtet worden. Alle drei sind sich aber darın einig, die von ihnen gesehenen Störungen auf die lokalen Ver- änderungen an den Sohlen zurückzuführen, ja Fortner will durch diese sogar ausgesprochene Lähmungen erklären. Ich kann mich dieser Auffassung nicht anschließen. Ich habe bisher neun echte Herpesstämme und drei herpetiforme Encephalitisstämme am Mes. untersucht. Sechs von diesen Stämmen erzeugten in einer gewissen wechselnden Zahl von Fällen nach Infektion der Sohlenhaut klinisch eindeutige Lähmungen; unter den anderen sechs befinden sich die, die auch auf die Haut nicht wirken; bei den verbleibenden ist die Zahl der geprüften Tiere zu klein, um den Stämmen die Fähigkeit, Lähmungen zu erzeugen, mit Sicherheit abzusprechen.

Habe ich in meiner ersten Mitteilung gesagt, daß sich an die Lähmung eine Myelitis anschließen könne, so muß ich das heute dahin berichtigen. daß schon die Lähmung der Extremitäten und nicht nur die weiteren Erscheinungen die Folgen einer Erkrankung des Rücken- marks sind. Ja, die histologische Untersuchung unseres Materials hat gezeigt, daß auch in den Fällen, in denen klinisch mit unseren groben Beobachtungsmethoden, die nur auf schwere Bewegungsstörungen ab- stellen selbst diese finden ja keine allseitige Anerkennung keine Anzeichen einer Allgemeinerkrankung festgestellt werden, das H.V. doch in das Rückenmark einwandert und dort eine symptomlose Myelitis hervorruft. Diese symptomlose Myelitis findet sich nicht nur in den Fällen, in denen ein Virus, das sonst lähmt, einmal klinisch wirkungslos bleibt, sondern auch bei der Anwendung von Stämmen, die eine sympto- matisch diagnostizierbare Myelitis in unserer Hand bisher noch nicht verursachten. |

Die histologischen Untersuchungen, auf Grund deren wir diese Fest- stellungen machten, führte B. Walthard aus, mit dem zusammen über Herpes zu arbeiten ich seit einigen Monaten den Vorzug hatte !\.

Wir halten uns heute für berechtigt, zu sagen, daß im Anschluß an eine metatarsale Herpesinfektion des Mes. die Myelitis die Regel ist, und wir sehen in ihr eine ständige und charakteristische pathogene Wirkung, nicht nur den Ausdruck der sonst durchaus unbestrittenen Variabilität des H.V. Ebenso halten wir uns für berechtigt, die Be- wegungsstörungen, die man nach Herpesinfektionen beobachtet, in erster Linie, wenn nicht ausschließlich, als Symptom einer Erkrankung des Lumbalmarks zu werten. Von 86 Tieren, die wir metatarsal infizierten, blieben 69 hinreichend lange im Versuch, um über das Auftreten von Lähmungen ein Urteil zu gestatten. Bei 36, also etwas mehr als der Hälfte, konnte durch sie die Myelitis klinisch festgestellt werden: so- weit dic Tiere histologisch untersucht wurden, wurde die Diagnose aus- nahmslos bestätigt. Bei den Tieren, die klinisch symptomlos waren, fanden wir, soweit wir sie histologisch untersuchten, bisher ebenfalls regelmäßig die Myelitis, mit Ausnahme eines Tieres, das erst 6 Monate nach der ersten Infektion geopfert wurde, ein Befund, der unserer zuvor geäußerten Annahme über die Konstanz der Myelitis nicht wider- spricht, sondern sich zwanglos durch eine restitutio ad integrum er- klären läßt. |

1) Vgl. die in der Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. 1926 erscheinende Arbeit von G. Rose und B. Walthurd.

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Die herpetische Aetiologie der beobachteten Myelitis geht ja aus den äußeren Umständen ihres Auftretens mit genügender Sicherheit hervor; sie konnte aber auch weiterhin durch den Nachweis des Virus im Lumbalmark von Tieren, die im akuten Stadium der Erkrankung getötet wurden, gesichert werden. Der Nachweis wurde durch Korneal- versuch und subdurale Infektion am Kaninchen, durch die gleichen Versuche und die Sohleninfektion am Mes. erbracht.

Das Auftreten von Lähmungserscheinungen sahen wir bisher 5 bis 11 Tage, ausnahmsweise je einmal 5 und 15 Tage nach der Infektion der Haut. Schon die Feststellung dieser Inkubationszeit hätte darauf leiten müssen, die Ursache der Lähmung in einer Erkrankung des Rückenmarks und nicht der peripheren Nerven zu suchen. Ausdehnung, Schwere und Dauer, sowie die weitere Ausdehnung der Lähmung sind abhängig von der Stärke der Veränderungen im Rückenmark; sie sind unabhängig von der Schwere der Hautveränderungen. Eine zweifel- hafte Stichreaktion der Haut kann von einer völligen Querschnitts- lähmung gefolgt sein, die Myelitis nach schwerer Vereiterung beider Sohlen dagegen symptomlos bleiben. Wir konnten im Verlauf unserer neueren Untersuchungen auch Fälle beobachten, bei denen nach ein- seitiger Infektion eine Lähmung der anderen Seite auftrat. In unserer ersten Mitteilung hatten wir den Mangel derartiger Beobachtungen verzeichnet. Diese sympathische Lähmung stellte sich entweder gleich- zeitig mit der der infizierten Seite oder in so kurzem Abstande von ihr ein, daß diese Erscheinungen zusammen mit der letzten Endes ent- scheidenden Untersuchung im Gewebsschnitt den Beweis erbrachte, daß auch bei dem peripher infizierten Glied die Lähmung durch die Er- krankung des Rückenmarks und nicht durch die des zuleitenden Nerven bedingt ist.

Der Ausgang der Erkrankung ist in den meisten Fällen die völlire klinische Heilung. Darüber, ob häufiger dauernde Sensibilitätsstörungen zurückbleiben, können wir uns in Ermangelung zuverlässiger Prüfungs- methoden nicht aussprechen. Die Heilung kann auch eintreten, wenn die Lähmungen einen völligen Monat bestanden haben. Nur selten bleiben Dauerlähmungen; in einem Falle konnten wir solche über 5 Monate beobachten. Fast ebenso selten ist es, daß sich an eine Myelitis des Lumbalmarks eine aufsteigende Myelitis oder eine tödlich endende En- cephalitis anschließt. Nach peripherer Infektion konnten wir in Ver- suchen an weit über 100 Mes. nur 4 Fälle tödlicher Encephalitis beob- achten. Drei von diesen betrafen junge Tiere unter 200 g, einer ein hochgravides Tier. Daß bei graviden Tieren eine Spontaneinwanderung des H.V. ins Zentralnervensystem leichter tödlich wirkt, konnten wir auch bei Kaninchen feststellen.

Welche weiteren Aufschlüsse geben nun die genauen histolugiechen Untersuchungen von B. Walthard? Die stärksten Veränderungen finden sich bei Impfung der Hinterpfoten in den Segmenten des Lumbal- marks, in die über die Spinalganglien die sensiblen Fasern des Nervus jschiadieus eintreten. Die Stärke der Veränderungen nimnit kranial zu ab. Sie liegen hauptsächlich in den dorsalen Partien des Rückenmarks. finden sich an den Meningen, den Hintersträngen und den Hinter- hörnern. Die vorderen und seitlichen Teile sind in auffallend geringem Grade in Mitleidenschaft gezogen. Je nach der Krankheitsdauer, nach der das Tier getötet wird, finden sich frische (entzündlich degenera- tive) oder chronische (Narbenbildung) Veränderungen. Auf eine ein-

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gehende Darstellung müssen wir hier verzichten und uns auf die Vor- zeigung von Präparaten beschränken.

Die frischen Veränderungen sind ähnlich denen, die bisher bei der Encephalitis humana, der Encephalitis ‘herpetica des Kaninchens und mit anderer Lokalisation bei. der Poliomyelitis anterior beschrieben wurden. Die chronischen reparatorischen Veränderungen bei der Aus- heilung des Prozesses sind dadurch gekennzeichnet, daß ein gefäß- reiches Bindegewebe in die zerstörten Partien des Rückenmarks ein- wuchert und daß Stellen in der weißen Substanz, die solche Narben m... im Markscheidenpräparat entsprechende Ausfälle erkennen assen.

Im N. isch. finden sich entzündliche Veränderungen wechselnder Stärke, gelegentlich auch dirckte Schädigung des Achsenzylinders. Chro- nische Veränderungen konnten in ihm auch bei dauernd gelähmten Tieren bisher nicht festgestellt werden.

Hinsichtlich des Weges, auf dem das Virus von der Haut in das Rückenmark wandert, ist immer noch die Frage offen, ob die Fort- leitung im Achsenzylinder (Goodpasture und Teague).oder in den Lymphspalten des Nerven (Marinescu) stattfindet. Zu dieser Frage hat Walthard eingehende Untersuchungen angestellt, die sich vor dem Abschlusse befinden.

Marinescu und Goodpasture haben ähnliche histologische Bilder erhalten, wenn sie Kaninchen in den N. isch. oder in die Haut impften. Für das Meerschweinchen dagegen dürften unsere Unter- suchungen den Nachweis der Spontanneurotropie des H.V. erbracht und durch histologische Bilder belegt haben. Auf die Bedeutung, die wir diesem Nachweis für die Frage der Neurotropie des H.V. beim Menschen beimessen, hat heute Doerr hingewiesen und Rose in seiner ersten Mitteilung aufmerksam gemacht.

Es ist uns nun bei zwei korneal und einer plantar infizierten weißen Maus, die ohne beobachtete Symptome 8 bis 12 Tage nach der Infektion zugrunde gingen, durch Rückübertragung auf das Kanin- chen gelungen, H.V. im Zentralnervensystem der Tiere nachzuweisen. Ueber die histologischen Befunde bei diesen Tieren können wir uns heute noch nicht äußern, sondern wollen uns auf diese Mitteilung des biologischen Nachweises der Spontanneurotropie bei einer vierten Tier- art beschränken, deren Empfänglichkeit für direkte, subdurale Impfung allerdings schon zum gesicherten Bestand unserer Kenntnisse gehört.

Bei der Myelitis der Mes. verdient eine Besonderheit noch unsere Aufmerksamkeit. Während Kaninchen, bei denen man eine solche Mye- litis experimentell erzeugt, an einer nachfolgenden Encephalitis zu- grunde gehen, ist dieser Vorfall bei dem Mes. eine außerordentliche Seltenheit. Wir haben in solchen Fällen gelegentlich das Virus im Gehirn nachweisen können. Doch können sich bei dem Versuch, das Virus im Tierversuch weiterzuführen, besondere Verhältnisse ergeben. auf die wir in einem anderen Zusammenhang noch zurückkommen werden.

Ein Wort noch zu den Immunitätsverhältnissen. In ihrer ersten Mitteilung gaben Gildemeister und Herzberg an, daß sie an der Sohle des Mes. durch einmalige Infektion eine Immunität gegen Re- infektion mit H.V. nicht erzielen konnten. Dieses unerwartete Ergebnis hat zur Nachprüfung an verschiedenen Stellen Anlaß gegeben, und als G. und H. in einem zweiten Vortrag mitteilten. daß sie nunmehr doch

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eine Immunität erhalten hätten, bestätigten Waldmann und Fortner diese Angabe auf Grund eigener Versuche. Nach dem Programm zum Dermatologentag in Dresden hatte auch Grütz gleiche Ergebnisse. Unsere Nachprüfung der ersten Angaben von G. und H. läßt uns in diesen Fragen eine Mittelstellung einnehmen. Daß durch einmalige Infektion ein gewisser Schutz gegen Reinfektion erzeugt wird, haben auch wir gesehen. Doch war diese Immunität nicht absolut. Die Zweit- infektion hatte zumeist eine in Art und Dauer abweichende Erkrankung zur Folge. Während z. B. beim Kaninchen die Herpesimmunität der Kornea darin zum Ausdruck kommt, daß nach 24 Std. die auf sie übertragenen Erreger unnachweisbar geworden sind, konnten wir beim Mes. das H.V. noch nach 48 Std. in solcher Menge und Virulenz nach- weisen, daß, ganz abgesehen von der klinischen Wirkung, an seiner Vermehrung kaum gezweifelt werden konnte. Neben dem stark ge- milderten Ablauf der Zweiterkrankung findet die Immunität ihren deut- lichsten Ausdruck in dem Ausbleiben jeglicher Sekundärerscheinungen an der Haut und am Zentralnervensystem. Sekundärbläschen an der Haut nach kutaner Impfung sind bekannt. Wir möchten in diesem Zu- sammenhang noch auf das von uns oft beobachtete Auftreten von Sekundärbläschen auf der Außenhaut des Oberlides nach kornealer In- fektion hinweisen. Bei der Zweitinfektion nun bleiben nicht nur solche Sekundärbläschen und klinische Sekundärerscheinungen von seiten des Zentralnervensystems aus; auch die histologische Untersuchung des Rückenmarks deckt nur die reparatorischen Folgen der Erstinfektion auf. während frische Veränderungen, die auf die Zweitinfektion zurück- zuführen wären, vermißt werden. Ueberhaupt erscheint die Immunität des Zentralnervensystems viel solider, da die periphere Erstinfektion in unseren bisherigen Versuchen stets gegen eine subdurale Reinfektion schützte, ganz gleich, ob die Erstinfektion korneal, an der Sohlen- oder an der Flankenhaut vorgenommen wurde. In diesem Sinne ist also die Immunität durchaus nicht lokal begrenzt, sondern allgemein. Durch plan- tare Infektion wird eine korneale Immunität dagegen nicht erworben, wie wir bereits in unserer ersten Mitteilung sagten, und es auch von Waldmann bestätigt worden ist.

In diesem Unterschied der Immunitätsverhältnisse beim Zentral- nervensystem und den peripheren Organen sehen wir mit der Zu- rückhaltung, die uns die Zahl der Versuche (13 subdurale Immunitäts- prüfungen) auferlegt einen weiteren Beweis für die ständige Ein- wanderung des H.V. in das Zentralnervensystem des Meerschweinchen: nach peripherer Infektion. Wir folgen damit Vorstellungen, die von Doerr zur Erklärung der zerebralen Immunität der Kaninchen nach kornealer Infektion zuerst formuliert worden sind und sich auf den histologischen Nachweis der symptomlosen Encephalitis durch Leva- diti stützen.

Versuche, mit dem Inhalt von Varizellen- und Zosterblasen auf der Schleimhaut von Meerschweinchen makroskopische Veränderungen zu erzeugen, blieben ergebnislos.

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4. Jahnel (München):

Ueber einige Gesichtspunkte bei künftigen Untersuchungen über die Aetiologie der epidemischen Encephalitis.

Sie haben die ausgezeichneten Berichte von Doerr und Stern gehört, die ein ungeheures Tatsachenmaterial wohlgesichtet vor Ihnen ausgebreitet haben. Sie haben ferner vernommen, daß der Erreger der epidemischen Encephalitis noch nicht gefunden worden ist, bzw. daß keiner der Keime, welche in diesem Belange schon mehr oder weniger von sich reden gemacht haben, den strengen Anforderungen, welche wir seit Henle und Robert Koch an einen Erreger stellen müssen, zu genügen vermocht hat; ich brauche es nicht weiter auszuführen, daß nebenbei recht wichtige Erkenntnisse, welche uns nicht mehr genommen werden können, für uns abgefallen sind; vor allem die Erforschung der so wichtigen und interessanten Herpespathologie und gewisser Tier- krankheiten, der sog. Spontanencephalitiden, Wissensgebiete, an deren Studium Doerr und seine Schule hervorragenden Anteil haben, sowie viele andere Tatsachen, welche in dem geistigen Inventar der dieses Gebiet: bearbeitenden Experimentatoren fortan nicht mehr fehlen dürfen.

Welche Richtlinien für zukünftige Untersuchungen ergeben sich nun aus den bisherigen Erfahrungen? Zunächst stoßen wir auf eine wichtige Vorfrage: Wird überhaupt die epidemische Encephalitis durch einen im Zentralnervensystem vorhandenen übertragbaren Ansteckungs- stoff erzeugt? Man hat zuweilen von der Möglichkeit einer toxischen Entstehung der epidemischen Encephalitis gesprochen. Auf die Er- zeugung toxischer Encephalitiden, z. B. durch das Guanidin, bei Ver- suchstieren möchte ich hier nicht weiter eingehen, erstens, weil ihnen nur der Wert einer entfernten Analogie zukommt, und zweitens und vornehmlich, weil eine Intervention von akzidentellen Mikrobeninfek- tionen in den nervösen Zentralorganen, deren ungebetene Einmischung in unsere Versuchsanordnungen wir gerade auf diesem Gebiete oft haben erfahren müssen, nicht völlig ausgeschlossen erscheint. Auf dieser For- derung muß man auch bestehen, wenn man sich zu der Annahme eines unbelebten Ansteckungsstoffes nach Art des d’Herelleschen Phäno- mens bekennt. Aber es könnte z.B. sein, daß die epidemische Encephalitis durch Bakterientoxine hervorgerufen wird, deren Bildungsstätte nicht im Zentralnervensystem, sondern in anderen Organen des Körpers gelegen ist, zumal Präzedenzfälle dieser Art beim Zentralnervensystem bereits vorliegen. Wir brauchen nur an den Tetanus oder gar an den Botulis- mus zu denken, dessen klinisches Bild bekanntlich von der Economo- schen Krankheit oft nachgeahmt wird. Ich hatte kürzlich Gelegenheit, Präparate eines Falles von Botulismus (der im Jahre 1908 in der Heidel- berger medizinischen Klinik verstorben war) aus der Nisslschen Samm- lung zu studieren, auf den mich Herr Prof. Spielmeyer hinwies. Bei diesem Falle finden sich neben degenerativen Veränderungen namentlich an den Ganglienzellen, auch knötchenartige Gebilde, wie sie bei anderen Infektionen des Zentralnervensystems, namentlich beim Fleckfieber an- getroffen werden. Aber die Annahme einer toxischen Genese der epi- demischen Encephalitis würde uns wieder vor neue Rätsel stellen: in welchem Körperteil wird das Toxin erzeugt? Von welchem Keim, bzw.

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unter welchen Bedingungen wird es gebildet? Und vieles andere wäre noch aufzuklären. Wir werden uns an diese entfernte Möglichkeit erst klammern, wenn einwandfrei feststeht, daB im Zentralnerven- system der Encephalitiker niemals in keiner Phase des Prozesses ein übertragbares Virus vorhanden ist. Auf diesem Punkt sind wir aber heute noch nicht angelangt. |

Dann wäre noch die Eventualität zu erörtern, ob, wie bisher stets vorausgesetzt, der Erreger der epidemischen Encephalitis auch für die gebräuchlichen Laboratoriumstiere, an denen bislang expen mentiert worden ist, pathogen ist, oder genauer ausgedrückt, die Fähigkeit besitzt, auch bei anderen Tierarten als beim Menschen Er- krankungen der nervösen Zentralorgane hervorzurufen. Eine Apatho- genität, bzw. mangelnde Neurotropie für unsere Versuchstiere könnte uns die große Zahl negativer Versuchsausfälle erklären. Dann wäre der gordische Knoten, in dem die Fäden der bisherigen Untersuchungen zusammenlaufen, mit einem Schlage gelöst. Wäre die epidemische Ence- phalitis ein ausschließliches Vorrecht des Menschengeschlechtes, dann wären all unsere Bemühungen, auf experimentellem Wege Klarheit über die Encephalitisätiologie zu gewinnen, zur Aussichtslosigkeit ver- dammt. Da wir eine solche Behauptung kaum beweisen können, und negative Ergebnisse beim Tier ohne Experimente an menschlichen In- dividuen in diesem Zusammenhang nicht überschätzt werden dürfen. werden wir immer und immer wieder versuchen müssen, durch Aenderung der Versuchsbedingungen, Verwendung möglichst zahlreicher Tierarten und Ausnutzung aller Möglichkeiten, die sich weiterhin er- geben, unsere Aufgabe konsequent auf der bisherigen Linie weiter- zuführen. |

Was speziell das Herpesvirus anbetrifft, so stehe ich persón- lich auf dem Standpunkte, daß seine Neurotropie erst für das Ver- suchstier dargetan ist. Auch Schnabels Selbstversuch möchte ich als Beleg in meinem Sinne werten. Schnabel impfte sich bekannt- lich ein aus Encephalitikerliquor herrührendes Virus, das im Tier- experiment Herpeseigenschaften aufwies, in die Lippe, und erkrankte dann an einem gewöhnlichen Herpes, dessen Sekret allerdings bei Kaninchen eine Herpesencephalitis erzeugte. Wenn man überhaupt aus einer einzelnen Beobachtung irgendeine Folgerung ziehen darf, so möchte ich mich zu dem Schlusse ‚bekennen, daß Schnabel mit dem Virus des gemeinen Herpes und nicht mit dem Erreger der Economo- schen Krankheit experimentiert hat. Denn streng genommen müssen wir das Henle-Kochsche Postulat von der experimentellen Repro- duzierbarkeit der Infektionskrankheit durch den um Anerkennunr ringenden Erreger dahin präzisieren, daB dieser nicht bloß bei cinigen beliebig ausgewählten Versuchstieren, sondern auch bei seinem eigent- lichen Wirt die Probe aufs Exempel zu liefern imstande sein mub. Natürlich kann man den Einwand machen (Doerr), daß das Virus durch die Kaninchenpassage modifiziert worden ist. Doch wäre der zu fordernde Beweis schon erbracht, wenn das Herpesvirus mit Regel- mäßigkeit in den nervösen Zentralorganen von Encephalitikern und ausschließlich bei diesen sich auffinden ließe. Aber auch das haben wir bisher nicht erreicht. Gewiß werden wir auch weiterhin das Herpesvirus nicht gänzlich ignorieren dürfen.

Ich und Illert haben bereits vor längerer Zeit eine kritischere bewertung von ätiologischen Untersuchungen auf diesem Gebiet postuliert

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unter Berücksichtigung der spontanen und akzidentellen Impfencepha- litiden. Veranlassung, uns überhaupt mit der Aetiologie der Ence- phalitis zu beschäftigen, die zunächst nicht auf unserem Arbeits- programm stand, hatte uns folgender Vorfall gegeben:

Als wir im Verlaufe von Paralysestudien Paralytikerhirn auf Kaninchen nach den Methoden der experimentellen Syphilisforschung überimpften, hatten wir einmal in einer Zeit größten Tiermangels keine Kaninchenböcke zur Verfügung und impften ein weibliches Tier in die skarifizierte Kornea, weil die Spirochaeta pallida auch bei dieser Technik zu halten pflegt. Wir sahen nach 2 Tagen eine Keratokonjunktivitis von dem Aussehen einer herpetischen und gleichzeitig Liquor- veränderunger auftreten. Leider konnten wir damals dieses Virus aus äußeren Gründen nicht weiterführen und Immunitätsproben gegen- über echtem Herpesvirus anstellen. Damals sagten wir uns: sollten nicht die gelegentliche Anwesenheit des Herpes bei Encephalitis und auch einige andere nicht regelmäßig reproduzierbare Encephalitiserreger eine harmlose Erklärung durch den Umstand finden, daß sie im Impf- material zufällig vorhanden waren? Wir haben daraufhin Unter- suchungen mit Leichenhirnmaterial kachektischer Individuen angestellt und sahen ebenfalls nach deren Ueberimpfung Encephalitiden auftreten. Da über diesen Gegenstand bereits eine Veröffentlichung vorliegt, kann hier nicht näher darauf eingegangen werden.

Solange also der Behauptung von einer ätiologischen Beziehung des Herpes zur epidemischen Encephalitis die andere entgegensteht, daß er ebenso häufig, bzw. ebenso selten im Zentralnervensystem von encephalitisfreien Individuen die Beobachtung von Flexner (Herpesvirus im Li- quor eines Falles von Neurolues) ist ganz einwandfrei gefunden worden ist, müssen wir beialler Anerkennung des großen heuristischen Wertes der Hypothese von der Gleichheit, bzw. Aehnlichkeit der beiden Erreger bekennen, daß weitere Diskussionen, insbesondere auch übereineirgend- wie eingetretene biologische Umwandlung des Herpes. den von den Autoren in verschiedenster Bedeutung gebrauchten Ausdruck „Aktivierung“ möchte ich ver- meiden müssig erscheinen.

Auch an eine andere Eventualität wird man bei Untersuchungen über die Ursache der epidemischen Encephalitis denken müssen, daß nämlich der Erreger in den zur Impfung bestimmten Körperbestand- teilen nicht mehr vorhanden ist. Dies könnte z. B. für den Liquor

elten. für die Substanz des Zentralnervensystems selbst ist eine solche

ermutung weniger wahrscheinlich, da Klinik und pathologische Ana- tomie uns eine gewisse Progression des Prozesses auch bei den soge- nannten chronischen Fällen gelehrt haben, und ich möchte hier in die Warnung Spielmeyers einstimmen, die sich übrigens auch gleich- zeitig gegen die bereits erörterte Toxinhypothese richtet, daß man nach den schlechten Erfahrungen mit der Metasyphilis sich nicht wiederum in eine Sackgasse von einem meta- oder postencephalitischen Prozeß verlaufen sollte. Ei

Wie Sie aus dem Sternschen Berichte entnommen haben, hat der encephalitische Prozeß eine ganz bestimmte Topographie. Nach den Untersuchungen von Spatz steht diese in nahen räumlichen Beziehungen zur inneren (den Ventrikeln) und äußeren ‚Oberfläche

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des Gehirns; aus welcher Verteilung dieser Untersucher eine Aus- breitung des Infektionsstoffes auf dem Liquorwege ange- nommen hat; ein Effekt, der natürlich auch durch eine befristete Anwesenheit des ätiologischen Agens in der Zerebrospinalflüssigkeit er- zielt werden könnte.

Ferner möchte ich noch auf einen Punkt hinweisen, der bei früheren Untersuchungen anscheinend nicht genügend oder wenigstens nicht immer berücksichtigt wurde. Man hat wohl öfters ein beliebiges Stück aus dem Gehirn zu Impfzwecken herausgeschnitten, bei welchem Verfahren natürlich die Chancen, daß dieses gerade virushaltig ist, nicht optimal sind. Natürlich läßt sich nicht die Gesamtmasse des Zentralnervensystems auch einer größeren Zahl von Versuchs- tieren einverleiben. Aber z. B. die Substantia nigra, ein nach unseren heutigen Kenntnissen von dem Prozesse regelmäßig und intensiv befallenes Gebiet von geringem Rauminhalt, ließe sich ohne Schwierigkeit in toto verimpfen, wie man z. B. bei der progressiven Paralyse das Stirnhirn, bzw. dessen Pol wählte, dessen Bevorzugung durch die Spirochäten ich dargetan habe. Aus einem solchen ausgewählten Substrat natürlich könnte mit anderen Prä- dilektionsstellen der Encephalitis in gleicher Weise vorgegangen werden müßte sich der Erreger der Economoschen Krankheit, wenn keines der vorhin erwähnten Hindernisse dem entgegensteht, cigent- lich isolieren lassen. Vom Standpunkt der vergleichenden Krankheits- forschung dürfte noch interessieren, und ich möchte hier an die von Doerr angeschnittenen verwandtschaftlichen Beziehungen des Ence- phalitiserregers anknüpfen, daß auch das Ammonshorn zu einem be- vorzugten Sitz der epidemischen Encephalitis gehört. Spielmeyer hat kürzlich gezeigt, daß bei der Encephalitis wie bei anderen Hirn- prozessen die Ammonshornformation nicht gleichmäßig, sondern in einem ganz bestimmten Teile, dem sogenannten Sommerschen Sektor, befallen wird und dies auf die besondere Gefäßversorgung dieser Zone zurückgeführt. Schlagen wir von dem Ammonshorn eine Brücke zu einer anderen Infektion des Zentralnervensystems, der Lyssa. Im Spiel- meyerschen Laboratorium sind kürzlich durch Schükri und Spatz zwei menschliche Lyssafälle einer eingehenden histopathologischen Ana- lyse unterworfen worden. Da hat sich etwas Merkwürdiges ergeben. Der Wutprozeß hatte genau die gleiche Lokalisation, wie sie bei der epidemischen Encephalitis angetroffen wird. Die histologische Achnlichkeit der beiden Krankheiten ist eine so frap- pante, daß bei Unkenntnis der klinischen Diagnose und Fehlen von Negrischen Körperchen, das bei Menschen anscheinend häufiger als bei Tieren ist, ernste Schwierigkeiten der Differentialdiagnose sich einstellen können. Die Tatsache der gleichen topographischen Aus- breitung deutet vielleicht auch darauf hin, daß zwischen diesen beiden Iincephalitiserregern denn auch die Tollwut ist eine Hirnentzündung

- eine engere biologische Verwandtschaft besteht.

Auch die Versuchstechnik ist in der letzten Zeit ausgebaut worden, und ich möchte Sie namentlich auf eine Methodik hinweisen, welche in der ätiologischen Encephalitisforschung bisher noch nicht ausreichende Verwendung gefunden hat. Ich meine die Plautsche Methode der Sub- occipitalpunktion und Liquoruntersuchung beim leben- den Kaninchen. Wenn sich ein entzündlicher Prozeß im Zentral- nervensystem des Kaninchens etabliert, pllegt dieser auch wenn es

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sich um eine sogenannte inapparente Infektion handelt von Liquor- veränderungen begleitet zu werden. Die Plautsche Methodik gestattet jederzeit eine Orientierung, ob eine Impfung von Erfolg begleitet ist und, was nicht minder wichtig ist, schon vor der beabsichtigten Impfung festzustellen, ob die Tiere von der sogenannten Spontanencephalitis be- fallen sind. Illert und ich haben auf diese Weise die Liquorverände- rungen bei der Herpesencephalitis studieren und uns von dem dia- gnostischen Wert der Methode bei der spontanen Kaninchenencephalitis überzeugen können. Diese Technik müßte bei Versuchen am Kaninchen stets Anwendung finden.

Mit diesen Gesichtspunkten und Hinweisen will ich mich begnügen, obgleich ich mir bewußt bin, das Thema auch von meinem Gesichts kreise aus keineswegs erschöpft zu haben. Und indem ich Ihnen danke, daß Sie mich als Gast zum Worte kommen ließen, darf ich wohl mit dem Wunsche schließen, daß es der mikrobiologischen Wissen. schaft recht bald gelingen möge, die Lücken, über die wir auf dem Gebiete der Encephalitisätiologie noch klagen, völlig auszufüllen.

5. Zwick (Gießen):

Über die infektiöse Gehirn- und Rückenmarkentzündung der Pferde (Bornasche Krankheit).

In den heute gehaltenen Vorträgen und auch sonst in der Literatur wurde bei der Abhandlung über das Thema „Encephalitis“ und ,,Herpes“ der Bornaschen Krankheit der Pferde gedacht. Es dürfte deshalb vielleicht von Interesse sein, wenn ich hier einige Mitteilungen über diese Krankheit mache und über die Ergebnisse von Untersuchungen, die ich zusammen mit Herrn Dr. Seifried und, soweit die Filtrations- versuche in Betracht kommen, auch zusammen mit Herrn Dr. Witte anstellte.

Die Krankheit ist in verschiedenen Gegenden Deutschlands ziem- lich stark verbreitet. In ihrem Auftreten läßt sie Schwankungen er- kennen. Jahre stärkerer Verbreitung wechseln mit solchen ab, in denen sie sich nur sporadisch zeigt. Bemerkenswert ist ferner ihr zyklischer Verlauf innerhalb eines Jahres. Die Krankheit beginnt in den ersten Monaten des Jahres, erreicht gegen Ende des Frühjahrs und im Sommer ihren Höhepunkt und geht dann allmählich zurück; im letzten Jahres- viertel kommt sie seltener oder nicht vor. Alter, Geschlecht und Rasse sind ohne Einfluß auf das Auftreten der Krankheit. Fast ausschließlich werden von ihr Pferde betroffen, die in landwirtschaft- lichen Betrieben tätig sind. Bei Pferden, die in der Stadt gehalten werden und bei Militärpferden kommt sie dagegen selten vor und nur insoweit, als sie in landwirtschaftlichen Betrieben verwendet wurden.

Das Zustandekommen der natürlichen Ansteckung der Pferde ist noch nicht bekannt. Es ist zweifelhaft, ob eine Uebertragung von Pferd zu Pferd stattfindet. Man nimmt vielmehr an, daß der An- steckungsstoff von außen, im Stalle oder vom Boden aus aufgenommen, wird.

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Das Krankheitsbild ist wechselvoll, aber im wesentlichen vun Erscheinungen psychischer Depression beherrscht. Schon im Frühstadium der Krankheit machen sich Mattigkeit und Trägheit, Abstumpfung be- merkbar, die sich zur ausgesprochenen Somnolenz steigert. Erregungs- zustände sind seltener. Ferner beobachtet man motorische Reizerschei- nungen in Form von fibrillären Zuckungen und von Krämpfen in den Muskelgebieten der Hirn- und Halsnerven, gesteigerte oder verminderte Hautsensibilität, Zwangsbewegungen (Manege- und Zeigerbewegungen), Vorwärtsdrängen und Anstemmen des Koptes gegen die Wand, Gleich- gewichts- und Koordinationsstörungen, Lähmungen verschiedenen Grades und in wechselnder Ausdehnung. Die innere Körpertemperatur hält sich meist in den Grenzen eines mittelhochgradigen Fiebers oder ist hoch- normal. Die Mortalitätsziffer bewegt sich zwischen 80—90 Proz. Bei Tieren, die die Krankheit überstanden haben, ist die Heilung vielfach unvollständig; Dummkoller, Amaurose, Amblyopie, umschriebene Läh- mungen können als Nachkrankheiten sich einstellen.

An den Kadavern sind makroskopische Veränderungen der in- neren Organe und des Gehirns nicht nachweisbar. Histologisch haben Dexler und Oppenheim je einen Fall näher untersucht und die Krankheit als eine Meningoencephalitis und -myelitis charakterisiert. Die sehr eingehenden und sorgfältigen Untersuchungen von Joest und seinen Mitarbeitern Degen und Semmler haben die pathologische Histo- logie der Bornaschen Krankheit völlig geklärt und eine einwandfreie histologische Diagnose ermöglicht. Danach handelt es sich um eine En- cephalomyelitis von lymphozytärem Typus, die hauptsächlich an die Ge- täße gebunden ist. Joest bezeichnet die Bornasche Krankheit als eine Encephalomyelitis lymphocytaria disseminata acuta enzootica equi. Hauptsitz der Erkrankung ist das Gehirn, besonders der Riechkolben und dic Riechwindung sowie der Nucleus caudatus und das Ammons- horn. An den adventitiellen und perivaskulären Infiltrationen sind hauptsächlich Lymphozyten, daneben Polyblasten und vereinzelte Plasma- zellen beteiligt. Neben diesen Veränderungen an den Gefäßen fand Joest noch in den Ganglienzellen spezifische runde, ovoide oder diplo- kokkenförmige, meist von einer Hülle umgebene Kerneinschlüsse, in denen er das Produkt der Reaktion der Ganglienzellen auf die Invasion von Chlamydozoen sieht. Die vaskulären Infiltrate und die Kerneinschlüsse sind auf Grund der Joestschen Unter- suchungen zumhistologischen Kriterium bei der Diagnose- stellung geworden.

Was nun die ätiologische Seite der Frage anbetrifft, die uns hier vor allem interessiert, so haben Siedamgrotzky und Schlegel Kokken, Johne und Ostertag Diplokokken gefunden, die sie als Erreger der Krankheit ansprechen. Die von Siedamgrotzky und Schlegel gefundenen Kokken weichen von den Johneschen ab, und diese stimmen auch mit den von v. Ostertag gefundenen nicht völlig überein. Die künstliche Erzeugung der typischen Krankheit ist mit den Kokken weder an Pferden noch an kleinen Versuchstieren gelungen. Kraus fand bei seinen Untersuchungen über die Bornasche Krankheit in Argentinien einen bestimmten Diplokokkus, der dem Johneschen und Ostertagschen ähnlich ist, jedoch mit ihm nicht übereinstimmt. Mit der Reinkultur soll es durch subdurale Impfungen gelungen sein, die Krankheit künstlich zu erzeugen. Nach meiner Ansicht und nach un- seren Untersuchungen spielen Kokken ätiologisch keine Rolle. Ich muß

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es mir aus Zeitmangel versagen, auf alle die Gründe, die gegen Kokken als Krankheitserreger sprechen, näher einzugehen. Joest hat diese Frage eingehend kritisch beleuchtet und die Kokken als Erreger ab- gelehnt. Ich selbst habe mich auch bereits an anderer Stelle zu dieser Frage geäußert. Meine weiteren Ausführungen werden auch den Beweis für die Richtigkeit dieser Auffassung erbringen.

Im folgenden will ich ganz kurz auf die Ergebnisse unserer Unter- suchungen über die Bornasche Krankheit eingehen.

Es ist uns gelungen, die Bornasche Krankheit mit Gehirnsubstanz kranker Pferde durch intrazerebrale Impfung auf Kaninchen zu über- tragen, und bei den Versuchstieren einen typischen Befund sowohl in klinischer als auch in pathologisch-anatomischer Hinsicht zu erzielen. Bis jetzt ist in 19 Fällen die Ueberimpfung mit Gehirnemulsion borna- kranker Pferde auf Kaninchen vorgenommen worden; in 14 Fällen ist sie gelungen. Unter den 5 negativen Fällen waren 3, in denen der Tod durch eine Mischinfektion (eitrige Meningitis) hervorgerufen worden war. In 2 Fällen hat die Impfung versagt. Die Inkubationsfrist betrug bei den Impfkaninchen durchschnittlich 3 Wochen, die Krank- heitsdauer 8—14 Tage. Die Krankheitssymptome zeigten eine weit- gehende Uebereinstimmung mit den bei Pferden beobachteten. Die Weiterimpfung der Krankheit von Kaninchen zu Kaninchen gelingt ohne weiteres. Wir haben einen Virusstamm bis zur zehnten, einen zweiten bis zur neunten, und einen dritten bis zur achten Kaninchen- passage durchgeführt, ohne daß die Reihen abgerissen sind. Fine Ab- kürzung der Inkubationsfrist wie bei den Impfungen mit dem Wutvirus ergab sich nicht. Ich bemerke ausdrücklich, um den Gedanken an das Hereinspielen der spontanen Kaninchenencephalitis abzuweisen, daß bei zahlreichen Impfungen mit normalem Gehirn von Pferden und von Kaninchen völlig negative Ergebnisse erzielt wurden. Negativ waren auch die Ergebnisse der intrazerebralen Verimpfung von Kokken- reinkulturen, die aus den Gehirnen von Bornapferden gewonnen worden waren. Bei der bakteriologischen Untersuchung der zahlreichen Gchirne der der Bornakrankheit erlegenen Kaninchen konnten nur in einem Falle Kokken gefunden werden. Hier handelte es sich offenbar um einen nebenläufigen Befund. Spricht schon dieses Versuchsergebnis gegen Kokken als Erreger der Krankheit, so noch mehr das weitere, wonach es gelungen ist, mit Gehirnmaterial von Kaninchen, das 2 und 4 Monate lang in Glyzerin aufbewahrt worden war, das typische klinische und pathologisch-anatomische Krank- heitsbild zu erzeugen. Das Borna-Virusist also glyzerin- fest. Wir konnten auch noch eine künstliche Infektion erzielen, bei Verdünnung der zur Impfung gewöhnlich benützten Dosis auf 1: 1000 und 1:10000.

Wir haben außerdem andere Infektionswege zur künstlichen Erzeugung der Krankheit eingeschlagen. Durch kutane, subkutane, intraperitoneale und intramuskuläre Einverleibung des Virus gelang die Infektion nicht, auch nicht auf dem Fütterungswege trotz Einverleibung reichlichen virushaltigen Materials und zahlreicher Ver- suche. Ferner mißlangen die an Pferden und Kaninchen angestellten Versuche, bei denen eine Infektion vom Lidsack und von der Nasen- schleimhaut aus versucht wurde. Bei längerer Kohabitation von gesunden mit kranken Kaninchen erfolgte keine Krankheitsübertragung. Dagegen fiel die intraokuläre Impfung in 4 unter 6 Fällen positiv aus. Die

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korneale Impfung war in einem Falle positiv, in 3 anderen negativ. Das Ergebnis der intravenösen Impfung war bei wiederholter (4- maliger) Infektion eines Kaninchens positiv, bei 4 anderen nur einmal intravenös geimpften Kaninchen dagegen negativ.

Demnach gelingt die Infektion am sichersten durch intrazerebrale Impfung, verhältnismäßig häufig auch bei intraokuiärer, ferner durch korneale und wiederholte intravenöse Impfung.

Wir gingen ferner der Frage nach, auf welchem Wege das Virus ausgeschieden wird. Wiederholte Infektionen mit dem Harn borna- kranker Tiere, die getötet wurden und aus deren Harnblase der Ham alsbald nach dem Tode entnommen wurde, waren negativ. Dagegen konnte in zwei Fällen mit dem Extrakt der submaxillären Speichel- ' drüse von Kaninchen eine Infektion erzielt werden. Es ist also mit der Möglichkeit zu rechnen, daß das Virus mit dem Speichel aus- geschieden wird. Ich erwähne ausdrücklich, daB drei zur Kontrolle mit dem Speicheldrüsenextrakt gesunder Kaninchen geimpfte Kanınchen gesund blieben. Bei allen Impfversuchen erstreckte sich die Beob- achtung der geimpften Kaninchen, soweit sie nicht früher der Impfung erlagen, auf Monate.

Außer auf Kaninchen ist uns die Uebertragung der Bornaschen Krankheit auch auf Meerschweinchen gelungen. Allerdings war die Zahl der positiven Ergebnisse beim Meerschweinchen eine weit ge- ringere als beim Kaninchen. Nur ein Teil der mit sicher infektiösem Material geimpften Meerschweinchen erlag der Infektion, der grödte Teil blieb am Leben.

Zwei an Hunden (einem jungen und einem älteren) angestellte intrazerebrale Impfversuche hatten ein negatives Ergebnis. Ein Versuch der Rückübertragung der Krankheit vom Kaninchen aufs Pferd durch intrazercbrale Impfung hatte bis jetzt ein negatives Ergebnis, jedoch ist die Beobachtungszeit noch nicht genügend lang!).

Von besonderem Interesse ist es noch, das Ergebnis der künstlichen Uebertragung der Bornaschen Krankheit auf Schafe kennen zu lernen, da die Mitteilungen von Prietsch, Walther, Oberndorfer, Spiegl und Beck über das natürliche Vorkommen einer Encephalitis bei Schafen berichten, die eine Verwandtschaft, ja vielleicht sogar eine Identität dieser Encephalitis mit der Bornaschen Krankheit des Pferdes nahclegen.

In zwei Fällen, in denen wir durch intrazerebrale Impfung die Krankheit bei Schafen erzeugen wollten, war eıne Infektion nicht er- zielt worden. Diese Versuchsergebnisse berechtigen selbstverständlich noch nicht zu einer ablehnenden Beantwortung der Frage. Weitere Ver- suche sind vielmehr auch nach dieser Richtung noch erforderlich.

Nun noch zur Frage der Filtrierbarkeit des Virus. Ist das Virus der Bornaschen Krankheit filtrierbar oder nicht? Zur Lösung dieser Frage wurden zahlreiche Versuche unter Benutzung einer Reihe von Filtraten nach sorgfältiger Prüfung der Filter auf ihre Durch- _ lässigkeit angestellt.

Zwei mit durch Berkefeld „V“ filtriertem Material geimpfte Tiere sind unter typischen Erscheinungen verendet. Die Filtrate waren jedoch

1) Inzwischen ist das Versuchspferd nach über 7wöchiger Inkubationsfrist typisch erkrankt und nach l0tägiger Krankheit verendet. Im Gehirn konnten histologisch die für die Bornasche Krankheit charakteristischen Veränderungen (adventitielle und perivaskuläre Infiltrate, Einschlußkörperchen) nachgewiesen werden.

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bei der Prüfung nicht steril (Wachstum in den Kontrollen erst nach 5 Tagen). Wie weitere Versuche gezeigt haben, sind die Berkefeld- kerzen „V“ (geprüft wurden 10 Kerzen) im ungebrauchten Zustande für Bakterien durchlässig. Spirillum parvum passiert die Filter „V“ regelmäßig, außerdem ist mit ungebrauchten ,,V“-Kerzen bisher ein steriles Gehirnfiltrat nicht gewonnen worden, obgleich dieselbe Sorg- falt wie bei den übrigen Filtern beobachtet wurde. Bei den bakterien- dichten Filtern sind zufällige Verunreinigungen nicht vorgekommen, so daß es sich bei den in den „V“-Filtraten gefundenen Keimen um solche handeln muß, die die Poren des Filters passiert haben. Ein gebrauchtes Berkefeld-,,V“-Filter hat ein keimfreies Hirnfiltrat geliefert. Das Filter hielt Spirillum parvum, Schweinerotlaufbazillen, B. pyocyaneus, B. pro- digiosum zurück. Die mit diesem Filtrat geimpften Kaninchen sind gesund geblieben.

Die Membranfilter nach Zsigmondy-Bachmann mit der Porenweite 1 u, geeicht von dem Hersteller Dr. Tietgens -Göttingen nach der Luftdurchpreßmethode von Bechhold, entsprachen ebenfalls nicht der Forderung der Bakteriendichtigkeit. Mit dem Filter war ein keimfreies Filtrat nicht zu gewinnen; Spirillum parvum passierte das Filter. Filter der gleichen Herstellungsart mit der Porenweite 0,75 u filtrierten keimfrei und hielten die Keime der Prüfungsreihe zurück. Die mit diesem Filter geimpften 5 Kaninchen (Anwendung von drei verschiedenen Filtern) sind bisher gesund geblicben.

Mit den Seitz-Filtern, die aus Asbest hergestellt werden, gelang es nicht in allen Fällen, keimfrei zu filtrieren. Wir erhielten keimfreie Filtrate erst, nachdem wir zwei gewöhnliche Filterscheiben übereinander gelegt hatten. Die mit diesem Filtrat geimpften Kaninchen blieben am Leben. Ebenso sind die Versuche mit dem einwandfrei filtrierenden Knorr-Filter, die für jede Filtration aus Kieselguraufschwemmung neu hergestellt wurden, negativ ausgefallen.

Die Chamberland-Kerzen (F und B), die Kerzen nach Silber- schmidt, Pukall, die gewöhnlichen Porzellanfilter (Berliner Fabri- kat), die alle einwandfrei filtrierten und wie die übrigen Filter stets ungebraucht verwendet wurden, haben sämtlich ein infektionsfähiges Filtrat nicht geliefert.

Für die Berkefeldfilter „N“ und „W“ gilt das gleiche mit einer Ausnahme. Ein mit einer Berkefeld-N-Kerze unter Anwendung von 2 Atmosphären Druck gewonnenes Filtrat tötete 2 Kaninchen (124 und 125) 4 Wochen nach der Impfung. Der histologische Befund bei den Impfkaninchen war jedoch negativ. Von dem Kaninchen 125 wurde ein weiteres Kaninchen mit Gehirnemulsion am 22. 6. 25 intra- zerebral geimpft. Das mit Gehirnemulsion von Kaninchen 125 geimpfte Kaninchen 157 erkrankte und verendete unter typischen Erscheinungen. Im Gehirn dieses Kaninchens konnten die für die Bornasche Krank- heit spezifischen Veränderungen nachgewiesen werden. Die Erkrankung des mit Filtrat geimpften Kaninchens 125 muß somit auf einer In- fektion mit dem Borna-Virus beruht haben.

Aus den mitgeteilten zahlreichen Filtrationsversuchen ergibt sich demnach, daß die Verimpfung einwandfreier Filtrate mit einer Ausnahme zu einem negativen Ergebnis geführt hat. In dem einen positiven Falle war das Filtrat durchaus einwandfrei. Somit wäre durch dieses Ver- suchsergebnis die Filtrierbarkeit des Borna-Virus dargetan. Ich ent-

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halte mich aber vorläufig eines endgültigen und abschließenden Urteils über diese Frage.

Im Anschluß an meine Ausführungen möchte ich jetzt noch einige Lichtbilder zeigen, die sich auf bornakranke Pferde, Kaninchen und Meerschweinchen beziehen. (Es folgt die Projektion von Lichtbildern.)

6. Kraus (Wien):

Filtrierbares Virus als Entwicklungsstadium der Mikroorganis- men (Protozoen und Schizomyceten).

Das Problem, welches im folgenden besprochen werden soll, dürfte eine Umwälzung unserer Begriffe über filtrierbare Virusarten zur Folge haben, wenn sich die schon heute vorliegenden Betrachtungen als richtig erweisen würden. Die Frage nämlich, ob die Filtrierbarkeit nur einer besonderen Art von Mikroben eigen ist, oder ob auch Schizomyzeten. Protozoen, Spirochäten, oder gar tierischen Zellen Stadien der Filtrier- barkeit zukommen dürften, ist durch Schaudinn aktuell geworden und wird heute in der amerikanischen, französischen Literatur eifrig dis- kutiert. In seiner klassischen Arbeit „Ueber Generations- und Wirt- wechsel bei Trypanosomen und Spirochäten hat Schaudinn Ent- wicklungsstadien angenommen, die unsichtbar sein dürften, und meint. daß es nicht beweisend sei gegen die Protozoennatur eines Krankheits- erregers, wenn er durch die feinsten Poren durchgeht. Interessanter- weise hat Schaudinn auch prophetisch vorausgesagt, daß das filtrier- bare Virus des Gelbfiebers auch Spirochätenstadien haben dürfte, was ja viel später durch Noguchi erwiesen wurde. Spätere Arbeiten be- schäftigten sich eingehend mit dieser von Schaudinn aufgestellten Arbeitshypothese.

Im Jahre 1914 konnten Ch. Nicolle und Blanc mit Filtraten der Recurrensspirochäte bei Ratten Infektionen hervorrufen und in Or- ganen Spirochäten nachweisen. Gleiche Resultate beschreiben Ser- geant und Folley. Mc. Neal, Novy und Knap zeigten, daß Fil- trate aus Kondenswasser der Kultur des Tr. Lewisii infektiös für Ratten sind, und g'auben daher invisible Formen bei Trypanosomen annehmen zu dürfen. Mit dieser Frage hat sich in letzter Zeit W. W. Reich ein- gehend beschäftigt (Journal of Parasitology 1924. Bd. 10) und teilt diesbezüg:iche Versuche mit Tryp. Brucci mit. Es wurden Organe und Blut infizierter Meerschweinchen durch Mandlerfilter unter Verwen- dung des B. prodig. als Testobjekt filtriert und, nachdem sie sich kulturell als steril erwiesen, gesunden Meerschweinchen injiziert und mikroskopisch kulturell, experimentell der Nachweis von Trypano- somen geführt. Es konnte so ermittelt werden, daß Filtrate gewisser Organe, wie Leber, Milz, positive Resultate ergaben, wogegen Filtrate des stark infizierten Blutes vom lebenden Tier gewonnen, negative Ergebnisse lieferten. Der Autor gelangt zu dem Schluß, daß genauere Studien über Fittrierbarkeit von Protozoen im allgemeinen unsere An- schauungen über die Beziehung zwischen Mikroorganismen einerseits, Chlamydozoen, Strongyloplasmen und Spirochäten andererseits sicher- lich modifizieren dürften.

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Weiter zeigten japanische Autoren (Inado, Ido und ihre Mit- arbeiter), Hübener und Reiter u. a., daß Berkefeldfiltrate aus Organen der mit Spiroch. icterohaemorrhag, infizierter Meerschwein- chen infektiös sind, denn bei den so infizierten Tieren lassen sich Spirochäten in Organen nachweisen. Von 23 Versuchen waren 15 positiv.

Einen weiteren Beitrag für die Filtrierbarkeit der Spirochäten liefern die Arbeiten Noguchis über die Aetiologie des Gelbfiebers. Wie bekannt, hat Noguchi im Jahre 1918 bei einer Gelbficber- epidemie in Guayaquil festgestellt, daß mit Blut und Organen von Gelbfieber infizierte Meerschweinchen an einer Spirochätose er- kranken. Diese Spirochäte, die Noguchi Leptospira icteroides nennt, bringt er in ätiologischen Zusammenhang mit dem Gelbfieber. Mittels Filtrate aus Emulsionen von Leber und Milz infizierter Meerschwein- chen gelang es, gesunde Meerschweinchen zu infizieren und im Blut und Organen der erkrankten Meerschweinchen wieder Leptospiren nach- zuweisen. Auch mit Filtraten der Kultur der Leptospira sind positive Resultate gewonnen worden.

Beim Mumps ist nach dem Versuche von Martha Wollstein ein filtrierbares Virus als Erreger nachgewiesen, dessen Spirochäten- stadien in letzter Zeit französische Autoren festgestellt haben. Aehn- liches scheint auch für den Erreger der Dengue zuzutreffen.

In einer im Jahre 1921 erschienenen Arbeit (Münch. med. Woch. Nr. 28) habe ich mit Dios und Oyarzabal versucht, bei Rinder- pirosomen und pathogenen Trypanosomen auf einem anderen Wege in- visible Stadien dieser Protozoen nachzuweisen. Wir konnten zeigen, daß bei Uebertragung auf eine nicht empfängliche Tierart, nämlich auf das Schaf (nach Lignieres), der mikroskopische Nachweis im Blut nicht gelingt, trotzdem nach Monaten durch die experimentelle Ueber- tragung Trypanosomen festgestellt werden konnten. Wir nahmen daher an, daB die Trypanosomen im unempfänglichen Schaf invisible Formen bilden, die im empfindlichen Tier wieder zu Trypanosomen sich ent- wickeln können. Gegen unsere Schlußfolgerungen haben M. Mayer und Kleine Stellung genommen und, ohne direkte Beweise zu erbringen, behauptet, daß uns bei der mikroskopischen Untersuchung einzelne Trypanosomen entgangen sein dürften. Es sei bemerkt, daB wir außer den veröffentlichten Versuchen noch über zahlreiche andere verfügen, in welchen trotz monatelanger Untersuchung und auch im dicken Tropfen der Nachweis der Trypanosomen im Blut nicht gelungen ist, experimentell aber positive Resultate ergab. Jedenfalls müßten in dieser Richtung noch weitere Versuche angestellt werden.

Aber nicht nur bei Spirochäten und Trypanosomen ließen sich fil- trierbare Formen ermitteln, auch für Schizomyceten hat man gleiches festzustellen versucht.

Es sci daran erinnert, daß vor Jahren Much eine granuläre Form der Tuberke bazillen aufgestellt hat, und Fontes im Institut Oswaldo Cruz mitte's Fi'trate der Kulturen tuberkulöse Infektionen hervorrufen konnte. Dicse Arbeiten sind in Vergessenheit geraten, bis wieder Vau- dremer, Besançon und in letzter Zeit Valtis (Annales Past. 1924), Arloing, Durand und Charm auf Grund neuer Versuche be- haupteten. daß Fil!rate aus Tbe-Kulturen infektiös seien. Mittels ganz eigenartiger Kombination des Shiga-Bazillus mit dem Bakteriophagen hat Hauduroy (Compt. Rend. Soc. de Biol. 1924) bakterienfreie Fil-

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trate gewonnen, in welchen nach 5 Tagen Shiga-Bazillen kulturell nach- weisbar waren. Fejgin (Compt. Rend. Soc. de Biol. 1925) hat aus Typhusbazillen Filtrate mittels Chamberlandfilter gewonnen, die wieder Reinkultur von Typhusbazillen ergeben haben.

Breinl hat auch versucht, den Proteus X 19 als die sichtbare Form eines filtrierbaren Virus hinzustellen. Olitsky behauptet ähn- liches von den B. pneumosintes, dem vermutlichen Erreger der Influenza. Ob sich solche Beziehungen auch bei anderen Bakterien ergeben dürften, wie z. B. zwischen den sog. Scharlachstreptokokken nach Moser. Dick und Dochez, und dem von Caronia, Sindoni supponierten Scharlachvirus, zwischen den Streptokokken Rosenows und dem Poli- omyclitisvirus, zwischen den von Johne, Ostertag u. a. und mir be- schriebenen Diplokokken und dem Virus der Borna-Krankheit usw.. müften erst weitere Forschungen aufdecken. Daß dieses hier ent- wickelte Problem heute ernst diskutiert wird, geht auch aus einer Theorie hervor, die der bekannte Forscher Ch. Nicolle aufgestellt hat. indem er, derselben die Filtrierbarkeit und Virulenz zugrundelegend, versucht. ein System der filtrierbaren Mikroben aufzustellen.

Ich habe diese Frage hier aus dem Grunde erörtert, weil es auch wichtig wäre, daß auch die deutsche Mikrobiologie dieser von Schan- dinn aufgestellten Hypothese näher trete.

t. Bechhold und Villa (Frankfurt a. M.):

Die Sichtbarmachung subvisibler Gebilde. (Vorgetragen durch Bechhold.)

Da die sichtbaren Lichtstrahlen eine Wellenlänge von 400 bis etwa 750 uu besitzen, so lassen sich Gebilde vermittels gewöhnlichen Lichts, im Mikroskop, der Form nach nicht wahrnehmen, wenn sie nicht über 750 uu Durchmesser haben. Infolge Abbeugung eines Teiles der Strahlen nimmt die Abbildbarkeit unter 750 uu Durchmesser ab und hört bei 400 uu vollkommen auf. Vermittels ultravioletten Lichts und Quarzlinsen lassen sich auch Gebilde unter 400 x bis zu 100—200 uu Durchmesser abbilden. Das Ultramikroskop bietet die Möglichkeit, auch Gebilde bis herunter zu 10 uu wahrzunehmen. doch muß man auf Wiedergabe der Form verzichten. Die Wahr- nehmbarkeit solcher Gebilde ist jedoch beschränkt auf sehr kompakte Massen, wie z. B. kolloide Metalle, kolloide Metalloxyde u. dgl. Es war deshalb bisher nicht möglich, organisierte sogenannte ultra- visible oder subvisible Erreger (Virus, Proteine und ähnliches) dem Auge sichtbar zu machen. Unsere Bemühung ging dahin, auch solche der Beobachtung zugänglich zu machen, und wurde dieses Ziel in fol- gender Weise von uns erreicht:

Zunächst wurde das subvisible Virus von grobdispersen Bestani: teilen durch Filtration durch feinporige Kerzen (z. B. Chamberland) gereinigt. Das Filtrat davon mußte nunmehr von feindispersen Be- standteilen (gelöste Kolloide, Proteine usw.) getrennt werden. Dies geschah vermittels Ultrafiltration durch die neuen Ultrafilter-

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geräte nach Bechhold-König!). Durch diese ist es möglich, die ultravisiblen Gebilde zurückzuhalten, Proteine usw. vollkommen auszu- waschen.

Nach dieser Absonderung des subvisiblen Gebildes kommt es nun darauf an, dasselbe dem Auge sichtbar zu machen. Durch neuere, noch nicht veröffentlichte Untersuchungen im „Institut für Kolloid- forschung“ ist festgestellt worden, daß dreiwertige Metalle feste Verbindungen mit Proteinen eingehen. Dies zeigte einen Weg zur Erreichung des Ziels. Die Flüssigkeit mit dem sichtbar zu machen- den Gebilde wurde mit Goldchlorid behandelt und auf dem Ultrafilter das überschüssige Goldchlorid vollkommen ausgewaschen. Das ver- goldete Virus wurde nun auf dem Objektträger ausgestrichen, ist aber noch unsichtbar. Nun wurde es auf dem Objektträger ver- brannt, wobei das Gold zu metallischem Gold reduziert wird. Es entsteht also eine Art Pseudomorphose, ein aus zahllosen Goldpünktchen bestehendes Skelett des Virus. Dieses Bild ist meist ebenfalls noch unsichtbar. Um es sichtbar zu machen, muß das Bild verstärkt werden, ähnlich wie der Photograph sein unterlichtetes Negativ ver- stärkt. Die Verstärkung erfolgt durch Reduktion von Goldchlorid mit Formaldehyd in alkalischer Lösung. Hierbei könnten jedoch neue Gold- keime entstehen, die nicht vorhandene Gebilde vortäuschen. Nach Hiege ist es möglich, durch Zusatz verschiedener Substanzen die spontane Keimbildung zu unterdrücken und zu bewirken, daß das entstehende metallische Gold sich nur an vorhandenen Keimen absetzt. Wir ver- wenden zu diesem Zweck einen Zusatz von Ferricyankalium. Nach der Verstärkung ist das Objekt im Ultramikroskop (Kardioid-Kon- densor, elektrische Bogenlampe usw.) deutlich sichtbar.

Zur Erprobung des Verfahrens wurden zunächst bekannte sicht- bare Mikroorganismen (Bacterium coli, Paratyphus, Staphylokokken) verwendet, ferner Albuminlösungen ?). Nachdem sich das Verfahren bei diesen Gebilden als einfach und praktisch durchführbar erwiesen hatte, gingen wir zu der Sichtbarmachung von Pockenvakzine und dem d’Herelleschen Bakteriophagen ?) über. Bei Pockenvakzine konnten wir ein subvisibles Etwas sichtbar machen, wir können jedoch noch nicht sagen, ob es das Virus oder ein indilferentes Gebilde ist.

Der d’Herellesche Bakteriophage konnte von anderen Be- standtcilen vollkommen separiert und als eine nicht zu kleine Scheibe dem Auge sichtbar gemacht werden. Finige Angaben über Größen- verhältnisse mögen diese kurzen Mitteilungen ergänzen:

Albumin bildet bis zu einer Konzentration von 10% auf dem Objektträger einen Spiegel, der aus dicht zusammengehäuften Licht- punkten besteht. Erst von einer Verdünnung von 10-° ab (d. h. 1 g Albumin in 1 Million Liter Wasser) werden die Pünktchen deutlich zählbar. Auf Grund zahlreicher Zählungen unter Berücksichtigung der Loschmidtschen Zahl konnten wir feststellen, daß ein solches Pünktchen aus etwa 50 physikalischen Albuminmolekeln besteht, deren Durchmesser größer als 4 und kleiner als 10 uu sein dürfte.

1) Geliefert von der Staatlichen Porzellanmanufaktur Berlin NW 23, Wegelystr. 2) Biochemische Zeitschr. 1923. 3) Zeitschr .f. Hygiene u. Infektionskrankheiten 1925.

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Von dem Bakteriophagen können wir aussagen, daB er größer als 35 uu und kleiner als 200—100 uu sein dürfte. Auf Grund unserer Untersuchung teilen wir die Ansicht von Otto, Munter und Wink- ler, Jötten, Doerr und seinen Mitarbeitern, sowie Seiffert, wo- nach der Bakteriophage aus dem phagierten Bakterium selbst entstand, doch sind wir der Ansicht, daß er kein Ferment im üblichen Sinne ist; das Gebilde ist hierfür zu groß.

Pause.

Vorsitzender: Silberschmidt (Zürich).

Aussprache.

E. Gildemeister (Berlin-Dahlem): An den Ausführungen des Herrn Rose hat mich besonders die Mitteilung interessiert, daß er nach plantarer Herpesinfek:ıun beim Meerschweinchen das Auftreten von Myvelitis auch ohne sichtbare klinische Er- scheinungen beobachtet hat. Lähmungen, wie sie heute hier demonstriert worden sind, haben wir bei unseren zahlreichen Versuchen nie beobachtet. Ich stehe jedoch nicht an, die Fälle, bei denen wir einen schwerfälligen Gang beobachteten, den wir a: i die Schwere der Plantarveı änderungen zurückführten, nunınehr auch als Mrveliustäile anzusprechen.

Vas nun die von Herrn Herzberg und mir erörterte Möglichkeit einer Varia- tion zwischen Herpes- und Pockenvirus anbetrifft, so überrascht es mich durchaus nicht, daß unser Gedankengang nicht sogleich Zustimmung gefunden hat. Ich will auch diese Frage hier völlig zurückstellen. Wir legen den Hauptwert auf unsre Befunde. An der von uns festgestellten Tatsache, daß zwischen Herpes und Pocken- vakzine verwandtschaftliche immunitäre Beziehungen bestehen, ist nicht zu zweifela. Diese Befunde sind so regelmäßig erhoben worden, daß man an diesen Dingen nicht wird einfach vorübergehen können.

Schließlich möchte ich noch mitteilen, daß wir bei unseren experimentell: nn haben feststellen können, daß Albinokaninchen durch kutane Herps- impfung kutan komplett herpesimmun werden. Die Dauer der Immunität scheint unter Umständen nur kurz zu sein.

Luger (Wien): Ich möchte mir erlauben an einige Punkte, welche Gegenstaud der heutigen Referate waren, kurz auzuknüpfen. Ich begrüße mit einer gewissen Genugtuuug die Tatsache, daß zwei Auschauungen, die Lauda und ich seit langer Zeit vertreten, zur Geltung kommen. Bezüglich der auch von Doerr stets benaupteten Identität des Herpes genitalis und den anderen Formen des Herpes simplex besteht tatsächlich kein Zweifel mehr, die gegenteilige Ansicht von Lipschütz kann als widerlegt gelten. Der zweite Punkt betrifft die von uns verfochtene Anschauung. daß das Herpesvirus vielleicht als Erreger einer herpetischeu Encephalitis sut generis in Betracht kommt, ohne dal gegenwärtig zwingende Argumente vorliexen. dasselbe zu der Ätiologie der Encephalitis epidemica Economo in Be- ziehung zu setzen. Ich möchte in dieser Richtung allerdings auf die Differenzen des klinischen und pathologisch-anatomischen Bildes der Menschen- bzw. Kaninchen- encephalitis weniger Gewicht legen, als es anscheinend Stern getan hat. Epidemi- logische Tatsachen sind es vielmehr, welche zusammen mit einer Reihe vun Argu- menuten, die in unseren Arbeiten ausführliche Darstellung gefunden haben. uns zu unserer Anschauung führten.

In der Zosterfrage bedauere ich sehr, mich den Ausführungen Doerrs nicht anschließen zu können. Dem Vorschläge Doerrs, die Bezeichnung Herpes zoster fallen zu lassen, und sich ausschließlich der Nomenklatur Zoster zu bedienen. ist allerdings nur aus klinischen Gründen, wie ich glaube, voll zuzustimmen. Wir müssen daran festhalten, daß wir mit Zoster einen bestimmten klinischen Symptomenkomplex bezeichnen, für welchen nach meiner Überzeugung verschiedene ätiologische Faktoren in Betracht kommen. Auch Doerr nimmt ja offenkundig eine solche vielfache Actio- logie des Zoster an, wenn er von einem Zoster vi tricellosus spricht. Damit ist schon gesagt, daß unter dem Wort Zoster ein übergeordneter Begriff, eine Gruppen- bezeichnung zu verstehen ist, welehe durch die den ätiologischen

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Faktor zum Ausdruck bringende Beifügung eine nähere Um- schreibung erfährt. Wenn unter diesen ätiologischen Faktoren, wie wir glauben, das Herpesvirus eine Rolle spielt, kann, glaube ich, kein Zweifel be- stehen, daß die dann in Frage kommende Erkrankung als Zoster herpeticus zu bezeichnen ist. Ob im einzelnen Falle klinisch die Diagnose Zoster berechtigt ist, kaun nur die Untersuchung des Patienten und der Verlauf lehren. Die Art des efundenen Mikroorganismus kann gegenwärtig an der Bezeichnung der klinischen srscheinungsform nichts ändern. Ich glaube nicht, daß es berechtigt erscheint, den Begriff des herpetischen Zosters abzulehnen, zu mindestens muß das „Non liquet“, von welchem heute bei der Frage des Herpes- bzw. des Encephalitisvirus die Rede war, auch für das Zosterproblem gelten gelassen werden. Wir müssen an der klinisch-symptomatologischen Abtrennung des Begriffes festhalten, weil sonst die Dia- guose eines Zoster überhaupt unmöglich wird. Die Versuche von Lipschütz an der Kauinchencornea haben auch durch Doerr eine Ablehnung erfahren. Die Über- tragung des Zosters auf die Haut des Kindes, deren Kenntnis wir Kundratitz verdanken, gelingt keineswegs in allen Fällen. Lauda und Stöhr haben im Karolinen-Kinder-Spital (Prof. Knöpfelmacher) in Wien die Versuche von Kundratitz nachgeprüft, und konnten unter 33 Überimpfungen mit dem Materiale von 10 Zosterfällen nur bei 2 Kindern ein positives Resultat erzielen. Eine ätio- logische, wenn ich so sagen darf, experimentelle Diagnose ist gegenwärtig nicht mög- lich, wir müssen daher, um Verwirrungen vorzubeugen, an der Bedeutung der klim- schen differeutialdiagnostischen Momente festhalten. Die heute diskutierten Unter- suchungen Netters, die serologischen Beziehungen des Zosters zu den Varizellen betreffend, haben einer Nachprüfung nicht standgehalten. Lauda und Silber- stern haben bei ca. 25 Zosterseren die Komplementbindungsreaktion mit Varizellen- antigen angestellt und sind trotz durchaus gleicher Versuchstechnik, wie sie die frauzösischen Autoren geübt haben, in einigen Fällen auch trotz Verwendung des von diesen überlassenen Antigens und Pferdeambozeptors zu einem durchaus negativen Resultat gelangt.

Wir sind also von einer Identifizierung von Varizellen und Zoster noch weit. entfernt, die Varizellen stellen nach dem Stande der experimentellen Forschung nur eine der möglichen Ätiologien des Zoster dar, die vielfache Ätiologie des Zoster muß weiter Geltung behalten.

F. H. Lewy (Berlin): Im Verfolg meiner gemeinsam mit Ernst Fränkel und H. Kuttner angestellten Versuche über die Beziehungen des Klingschen Virus zur Hundestaupe und zum Encephalitisvirus von Levaditi hat sich ergeben, daß die subdurale Nachimpfung mit virulentem Material von Straßenstaupe, das bei nichtvorbehandelten Hunden eine typische Erkrankung hervorrief, auf Hunde, die entweder mit Klingvirus oder Passagestaupe vorbehandelt waren, auch dann nicht zu einer Erkrankung führte, wenn die Vorbehandlung ohne klinische Folgen geblieben war. Ebenso erwiesen sich mit Passagestaupe vorbehandelte Hunde gegen subdurale Nachimpfung mit Klingvirus als immun. Ferner zeigten sich Hunde, die mit Kling- virus oder Bo estaupe vorbehandelt waren, gegen Kontaktinfektionen als immun. Dagegen rief die Nachimpfung mit Levaditischem Encephalitisvirus bei Kaninchen, die mit Klingvirus oder mit Passagestaupe vorbehandelt waren, sofort eine typische Encephalitis hervor. Während also Klingvirus und Staupevirus mindestens gruppen- verwandt, wenn nicht identisch sind, scheint das Levaditivirus einer ganz anderen Kategorie anzugehören. Hierfür spricht auch die Beobachtung, daß Klingvirus resp. Staupe beim Hunde eine schwere, beim Kaninchen keine klinischen Erscheinungen hervorruft, während sich Levaditi-Virus genau umgekehrt verhält.

Das gilt aber zunächst nur für die Immunisierungsverhältnisse. Levaditi hat allerdings angegeben, daß Klingvirus nicht filtrabel sei. Demgegenüber haben wir gefunden, daß bei Überimpfung von filtriertem Klingvirus der Liquor der Kanin- ehen die gleichen Veränderungen zeigt, wie bei den mit unfiltriertem geimpften, daß aber vor allem die Hunde selbst bei Passageiinpfungen mit jedesmaliger Filtrierung in einer Form erkranken, die unser tierärztlicher Berater Dr. Wernicke als typi- sche Staupe bezeichnet hat. Dabei ist zu bemerken, daß dieser Effekt auch dann auf- tritt, wenn die Impfung nur auf die Bauchhaut erfolgte. Bei dieser Versuchsanordnung ist die Möglichkeit der Mobilisierung einer spontañen Hundeencephalitis völlig aus- geschlossen.

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I. Takaki (Tokio): Im letzten Jahre ist in Japan eine Encephalitisepidemie entstanden, die bis 60 0/9 Mortalität ergab.

Klinisch ist die Symptomatologie nicht ganz mit derjenigen identisch, die Eco- nomo in Wien beschrieben hat. Die experimentelle Übertragung des Gehirns zerebral auf Kaninchen ergab 5500 positive Befunde. Die Erscheinungen treten nach einem Inkubationsstadium von 1—2 Wochen auf und unterscheiden sich von denjenigen der mit dem europäischen Stamm infizierten Kauinchen dadurch, daß keine Manege- bewegungen, kein Trismus auftritt.

Das Virus konnte in Passagen fortgeführt werden und ist filtrierbar.

Die Immunitätsversuche an der Cornea haben gezeigt. daß die herpesimmune Cornea nicht immun ist gegen Virus von Encephalitis japonica und vice versa. Da Serum von Rekonvaleszenten (0,5 ccm) nach Encephalitis hat virulizide Eigen- schaften gegenüber dem Virus japonicum, aber nieht gegenüber dem Virus herpes. Normales Serum hatte keine Wirkungen.

Die im serotherapeutischen Institute in Wien fortgesetzten Versuche mittels Komplementablenkung und Virulizidie scheinen auch dafür zu sprechen, daß das Virus der Encephalitis japonica zu differenzieren wäre von dem Encephalitisvirus in Europa, Herpesvirus, Virus Koritschoner.

E. Paschen (Hamburg): Grüter hat auf dem vorjährigen Ophthalmologen- kongreß in Heidelberg einen Vortrag zur Ätiologie der Impetigo contagiosa und anderer herpetischen Erkrankungen“ gehalten. Nach Grüter handelt es sich bei dem Herpes febrilis und dem Zoster um zwei ätiologisch identische Affektionen; der erstere stellt die stärkere, der letztere die schwächere Modifikation dar; die Impetigo contagiosa nur einen Herpes. auf den Eiterkokken aufgepfropft sind. Bei den für den Kliniker betremdenden Schlußfolgerungen habe ich Herrn Grüter um Auskunft gebeten. ob er noch auf demselben Standpunkt bezüglich der Identität der beiden Vira stehe und folgende Antwort erhalten, die ich mit Erlaubnis von Herrn Grüter hier verlers:

Gesamtzahl der Fälle = S. Das Resultat trenne ich in zwei Gruppen:

A. ganz sichere typische Fälle von Herpes zoster.

B. Fälle, bei denen die Diagnose nicht ohne weiteres völlig sicher und von dem zugezogenen Dermatologen die Diagnose auf Herpes zoster gestellt wurde.

Gruppe A.

Bei 4 Fällen, in denen ausgesprochene Verbreitung im Bereiche eines Nerven- segmentes und Zurückbleiben von tiefen Narben festzustellen war (3 Fälle Befallen- seius von Trigeminus L und II und ein Fall von Zoster im Brustabschnitt in aus- gesprochener Gürtelform) war das Impfresultat folgendes:

Ein Fall von Zoster im Trigeminus I und Il := positiv. Bei mehreren Ka- ninchen (über die Hornhaut verstreut, bläschenartige graue Infiltrate), keine typische Keratitis dendritica. Ein gehirngeimpftes Tier geht an Encephalitis mit Krämpfen und Lähmungen ein. Rückübertragung vom Gehirn dieses Kaninchens auf die Cornea eines anderen Tieres ergibt wiederum feine verstreut liegende, bläschenartige sub- epitheliale Infiltrate. Bakteriologischer Befund stets negativ. Die weitere biologische Auswertung nieht möglich, da der Stamm bei der weiteren Übertragung versagt.

in 3 anderen Fällen dieser Gruppe trotz mehrfacher Übertragungsversuche auf die Kaninchenhornhaut und ins Gebiru stels negative Versuchsergebuisse.

Gruppe B.

Bei 4 weiteren Fällen, die auf Grund ihres klinischen Bildes von dem zuge- zogenen Dermatologen als Herpes zoster angesprochen werden, zeigte sich in Fall I: Befallensein der rechten Schulter,

4 -Hs i des rechten Nacken und der rechten Halsseite.

a il: von Kreuzbein, Gesäß und Streckseite des rechten Ober- schenkels,

=. IN: m von Haundrüeken (Rezidiv).

Das Impfresultat war in allen 4 Fällen positiv.

Das Impfbild an der Kaninchencornea zeigte eine typische Keratitis dendritica. In zwei Fällen (aus dem Jahre 1924 und 1925) gingen die direkt ins Gehirn ge- impften Tiere an akuter Encephalitis mit den bekannten Erscheinungen ein. Die weitere Auswertung des gefundenen Virus (Immunitätsversuch) sprach mit Sicherheit für Herpesvirus. In dem vierten Falle der Gruppe B wurde beim Auftreten des Rezidives die anufänglieh von dermatologischer Seite auf Herpes zoster gestellte Diagnose geändert und Herpes simplex diagnostiziert.

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Die bei der klinischen Diskussion des Falles IV gemachte Erfahrung veranlafite mich, bei den Fällen Nr. I bis III der Gruppe B die Richtigkeit der früher ange- stellten klinischen Diagnose auf Herpes zoster zu bezweifeln. Die Durchsicht i: klinischen Notizen der genannten 3 Fälle ergab, daß diese Fälle nicht mit Sicherheit als typische Formen von Herpes zoster angesprochen werden können.

Bei dieser Sachlage kann ich die Fälle der Gruppe B nicht mehr als Beweis- material der von mir vertretenen Auffassung, daß Herpes simplex und Herpes zoster ätiologisch identisch seien, aufrecht erhalten. Es sind für die Entscheidung der etrittigen Frage nur ganz sichere Fälle von Herpes zoster zu verwenden. In 4 Fällen dieser Art, die ich untersuchte (Gruppe A), hatte nur ein Fall ein positives Ergebnis und dieses ließ sich.biologisch nicht völlig differenzieren.

Die Ätiologie des Herpes zoster halte ich auf Grund meiner eigenen Versuchs- resultate noch nicht für aufgeklärt.

Waldmann (Insel Riems): Die von Trautwein und mir angestellten Ver- suche dienten einmal der differentialdiagnostischen Abgrenzung des Herpes gegenüber der Maul- und Klauenseucheinfektion beim Meerschweinchen. Sodann erschien es von no die Empfänglichkeit der Haustiere für die Infektion mit dem Herpesvirus estzustellen.

Vier verschiedene Stämme von Herpes labialis konnten durch kutane Infektion der Planta auf das Meerschweinchen übertragen werden. Der eine dieser Stämme wurde in 15 Meerschweinchenpassagen weitergezüchtet. Auch ist es leicht gelungen, sowohl mit dem Ausgangsvirus als auch mit dem Passagevirus durch Skarifikation der Hornhaut beim Meerschweinchen wie beim Kaninchen eine charakteristische Keratokonjuuktivitis zu erzeugen. (zencralisierter Herpes nach plantarer oder kor- nealer Infektion wurde nicht beobachtet, speziell keine eindeutigen Symptome enzephali- tischer oder mryelitischer Erkrankung. Zur Beurteilung der zuweilen auftretenden Bewegungsanomalien bei plantar infizierten Meerschweinchen sind vor allem die pro- gressiven, tiefgehenden und schmerzhaften lokalen Krankheitsprozesse mit heranzu- ziehen, die sich im ensatz zu der experimentellen Maul- und Klauenseuche bei Meerschweinchen nach Herpesinfektion häufig entwickeln.

Die uns speziell interessierenden Fragen nach der Immunität brachten folgende Ergebnisse. Plantare oder korneale Infektionen mit Herpes immunisieren gegen lokale teinfektion, aber nicht gegen Infektion an anderer Stelle. Diese lokale Immunität ist bereits 14 Tage p. i. vorhanden. Sie konnte in unseren Versuchen auch nicht durch Reinfektion mit einem heterogenen Herpesstamm durchbrochen werden. Gleich- AE und unabhängig von Rose haben wir festgestellt, daß Maul- und Klauen- seucheinfektion beim Meeren in gegen nachfolgende Herpesinfektion nicht im- munisiert uud umgekehrt. Es gelingt dementsprechend leicht, die Natur des Virus Infektionsversuche an maul- und klauenseucheimmunen Tieren die Natur des Virus festzustellen. Diese Tatsache ist wichtig für eine einwandfreie, schnelle Diaguosestellung in Zweifelsfällen, da die beiden Infektionen beim Meerschweinchen im Anfang sehr ähnlich verlaufen können. Für die Differentialdiagnose verwertbar ist ferner die beim Kaninchen und Meerschweinchen auftretende Keratokonjunktivitis nach Herpesinfek- tion. Mit dem Maul- und Klauenseuchevirus ist keine spezifische Impfreaktion der Cornea und Conjunctiva zu erzielen.

Die Uebertragungsversuche bei Haustieren erstreckten sich auf 5 Pferde, 5 Ochsen, 2 Hunde, 4 Schafe, 2 Ziegen und 12 Schweine. Die Tiere wurden alle in der beim Kaninchen schon immer geübten Weise mit Meerschweinchenvirus korneal infiziert. Eine anscheinend spezifische Reaktion konnte nur bei 3 Schweinen beobachtet werden. Rei sämtlichen übrigen Tieren ist die Infektion nicht gelungen.

Die Schweine erkrankten nach ltägiger Inkubation an einer Keratokonjunktivitis mit vorwiegender Beteiligung der Bindehaut, die um das 2—5fache verdickt, hochrot verfärbt war und reichlich schleimig-eitriges Sekret absonderte. Während das klinische Bild durchaus für Herpes sprach, konnte die tatsächlich herpetische Natur des Sekrets durch passagenweise Weiterübertragung auf Schweine nicht nachgewiesen werden. Nur die Uebertragung auf die Kaninchencornea verlief in einem Falle positiv. Ob es rich hierbei um eine Viruledzabschwichung oder um andere Faktoren handelt, müssen die weiteren Versuche ergeben. Auf einen vielleicht doch vorhandenen Zusammenhang zwischen Herpesinfektion und Maul- und Klauenseucheimmunität deutet die Tat- sache hin, daß die beschriebene Impfreaktion nur bei Schweinen hervorgerufen werden konnte, die gegen Maul- und Klauenseuche nicht immun waren, daß sie dagegen aus- blieb bei Sch weinen, die entweder akut an Maul- und Klauenseuche erkrankt oder soeben durchgeseucht waren. Diese Beobachtung steht in direktem Gegensatz zu

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unseren Meerschweinchenversuchen; wir werden ihr in unseren weiteren Experimenter unsere Aufmerksamkeit schenken.

Als traumatische Reaktion anzusprechen ist wohl die bei Pferden nach der kornealen Infektion anfgetretene leichte Koinjuuktivitis. Bemerkenswerterweise traieu aber bei diesen Pferden 3 Tage p. i. Veränderungen an der Schleimhaut der Lippen und das Zahnfleisches auf; die Spezifität dieser Symptome bzw. ihr Zusammenhang mit der vorausgegangenen Infektion steht noch nicht fest, da die Rückübertraguig aut Meerschweinchen und Kaninchen noch nicht gelungen ist. Wir setzen die Ver- suche fort. (3 Aquarelle werden demonstriert.)

Gins (Berlin): Es ist auffallend. daß erst in den letzten Jahren, in denen das Interesse an der Encephalitis infolge des gesteigerten Vorkommens und der experi- mentellen Arbeiten zugenommen hat, auch die Nachrichten über Encephalitis nach der Impfung öfter vorkommen. Ich kann mich des Eindrucks nieht erwehrei. dab die Arbeiten über die Neurovakzine eine gewisse suggestive Kraft entwickeln. Schädi- gungen des Zentralnervensvstems sind in der ersten Zeit der Vakzination anscheinend nicht beobachtet worden, denn sonst müßten sich in den eingehenden Impfberichten die Impfärzte mußten die Impflinge über 14 Tage lang täglich besuchen! jener Zeit irgendwelche Anhaltspunkte finden. Bei dem gehäuften Auftreten der Eu- cephalitis muß natürlich auch gelegentiich eine solche Krankheit zeitlich kurz nach der Impfung beobachtet werden. Es muß aber betont werden, daß bisher ein Beweis für die Neurotropie des Vakzinevirus beim Menschen noch nicht erbracht ıst. Die Beobachtungen über Erkrankungen des Zentralnervensystems nach der Impfung ver- dienen die genaueste Beobachtung, damit allmählich erkannt werde, ob hier die ver- muteten Zusammenhänge tatsächlich bestehen oder ob es sich um rein zeitliches Zu- sammentreffen handelt.

Pette (Hamburg): Gewisse experimentelle Arbeiten auf dem Gebiet der Neuro- lues und der Encephalitis epidemica, zu denen fast ausschließlich das Kaninchen als Versuchstier bisher diente, haben zu Ergebnissen geführt, die Zweifel an der Speziitiät der beim Tier erzeugten Prozesse erwecken müssen. Besonders kompliziert wurde das Arbeitsgebiet, als man Kaninchen fand, die nicht vorbehandelt die gleiche Erscheinungen zeigten wie jene, die dem Experiment gedient hatten. Es wird in Kürze eine Übersicht über das Ergebnis der vom Vortr. angestellten experimentellen Studien gegeben, die auf breiter Basis aufgebaut die Frage klären sollen, welcher Art deun der nach der Impfung auftretende Prozeß ist. Da die nach Verimpfung von an sich heterogenem Material beim Kaninchen erzeugten Encephalitiden klinisch. serologisch und histologisch identische Prozesse darstellen, so liegt es nahe, als direkt krank machendes Agens ein einheitliches Virus anzunehmen. Dem Impfmateräal selbst kommt nur eine indirekte Bedeutung zu, indem es, wie Vortr. annimmt, das beim Kaninchen sehr verbreitete, für gewöhnlich nur saprophytäre Eigenschaften tragende Virus sensibilisiert und zum Krankheitserreger werden läßt. Auf welchem Wege dieses geschieht, ob es durch bakterielle Erreger resp. deren Toxine oder durch Fermente, Enzyme geschieht, bleibt einstweilen unbekannt. Die Beobachtung der Fälle von Spontanencephalitis bei den Tieren macht es wahrscheinlich, daß auch andere äußere Momente wie Klima, Bodeuverhältnisse etc. das gleiche bewirken können. Einmal sensibilisiert kann das Virus auf lange Zeit hin, wie das Ergebnis von Passageimpfungen beweist, seinen virulenten Charakter behalten. Eine spezifische Bedeutung für die jeweilig erforschte Krankheit kommt jedenfalls dieser beim Ka- ninchen erzeugten Encephalitis nicht zu.

Schnitzer (Berlin): Eine große Zahl von Versuchen, die unter Leitung vou Herrn Geh.-Rat Kleine ausgeführt wurden, galt der Feststellung, ob die thera- peutische Anwendung des Rekonvaleszentenserums nach Stern sich experimentell fundieren läßt und ob in diesem Falle eine praktisch brauchbare Austitierung des Schutz- oder Heilwertes möglich ist. Zu den Versuchen dienten Sera von Kranken mit postencephalitischem Parkinsonismus nur 3 Sera stanımten von frischen, noch fiebernden oder seit 8—10 Tagen entficherten Encephalitisfälen daneben eine Reihe von Normalsera bzw. Sera von Rekonvaleszenten nach anderen Erkrankungen. Unter den 10 Seren von Parkinsonkranken besaßen drei eine erhebliche Schutzwirku:g gegenüber Herpesvirus in dem Sinne, daß inaktiviertes Serum (unverdünnt und 1:10 verdünnt) mit Herpesvirus (Suspension von Conjunetivalsekret bzw. Hirnemulsion des Kaninchens) beschiekt und 30 Minuten bei Zimmertemperatur gehalten, das Virus neutralisierte, so daß es bei kornealer Infektion des Kaninchens nicht mehr anging. Die übrigen Encephalitissera, einschließlich derjenigen von frischer Eucepha-

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litis, besaßen keine derartige Wirkung oder zeigten nur Andeutungen einer solchen. Dagegen erwiesen sich 2 Normalsera, wenn auch in 'schwächerem Ausmaße, als wirk- sam. Unter diesen Umständen war eine experimentelle Wertbestimmung des Rekon- valeszentenserums zur Enzephalitisbehandlung nicht durchführbar. Die auf diesem Wege bearbeitete Frage nach der Beziehung von Herpes- und Enzephalitisvirus konnte nicht im Sinne der Identitätshypothese entschieden werden.

Huntemüller (Gießen) scheint die Affinität des dermotropen Herpesvirus zum Nervensystem nicht so ganz rätselhaft zu sein. Beide Organe, Haut und Dentral- uervensystem, entstammen dem äußeren Keimblatt, von dem auch das Auge, das mit dem Virus ja auch infizierbar ist, abstammt.

Daß bei Meerschweinchen und Kaninchen diese Neurotropie häufiger zu beob- achten ist, als bei menschlichen Krankheitsfällen, erklärt sich vielleicht dadurch, daß bei niederen Tieren das Zentralnervensystem noch keine so weite Differenzierung er- fahren hat als bei den höheren Wesen, den Affen und den Menschen.

Uhlenhuth (Freiburg): Ich stehe den Versuchen über gelungene Filtration von Spirochäten und Trypanosomen skeptisch gegenüber. Ich habe eine solche trotz zahlreicher Versuche mit einwandfreiem Berkefeld-Filter niemals beobachtet. Vor allem gelang es niemals mit Filtrat von Blutserum und Organsaft (Leber) von an Weilscher Reankheit eingegangenen Meerschweinchen die Krankheit wieder hervor- zurufen, ebenso nicht mit Filtrat von Wasserkulturen der Spirochaeta icterogenes. Negativ verliefen auch solche Versuche mit Filtrat von Hodenemulsionen svphilitischer Kaninchen, die reichliche Mengen der Spirochaete pallida enthielten.

Bei den Kokken der Bornaschen Krankheit liegen die Verhältnisse ähnlich wie mit dem Bacillus suipestifer der Schweinepest. Mit dem Bacillus suipestifer, dem sekundären Begleiter der Virusschweinepest, kann man auch das anatomische Bild der Virusschweinepest hervorrufen, aber diese Kraukheit ist keine echte Schweinepest (Uhlenhuth und Mitarbeiter).

Lourens behauptet, seinerzeit bewiesen zu haben, daß winzige kokkenartige Entwicklungsstadien des Bacillus suipestifer die Filter passieren, und daß das von deu Amerikanern und uns nachgewiesene filtrierbare Virus gar nicht existiere.

Wir konnten dann mit Hübener zeigen, daß der Zusatz von Antiformin zu pestiferhaltigem Virus den Pestifer in kürzester Zeit auflöst und vernichtet, das Virus aber nicht beeinflußt. Damit war bewiesen, daß der Pestifer und seine angenommenen Entwicklungsstadien mit dem eigentlichen Erreger nichts zu tun haben. Man sollte ın ähnlichem Sinne einmal Versuche bei der Bornaschen Krankheit machen, dann würde sich wohl herausstellen, daß die Kokken mit dem eigentlichen Erreger nichts zu tun haben und auch keine Entwicklungsstadien des Virus darstellen. Das Virus der Bornaschen Krankheit gehört wohl zweifellos zu den ultravisiblen Virusarten, wie die schönen Untersuchungen von Zwick gezeigt haben.

Zwick (Gießen): Die Auffassung des Herrn Kraus, daß für diese Krankheit Kokken, wenn auch nur sekundär, ätiologisch in Betracht kommen, kann ich nicht teilen. Der Nachweis von Kokken im Gehirn von bornakranken Pferden muß mit aller Vorsicht aufgenommen werden, weil durch eine Reihe von Untersuchungen nachgewiesen ist, daß im Gehirn von Pferden, die an anderen Krankheiten ver- endet sind, ja selbst im Gehirn von geschlachteten gesunden Pferden Kokken vor- kommen, die sich mit aller Sicherheit z. B. von den Johneschen Bornakokken nicht unterscheiden ließen. Es soll keineswegs bestritten werden, daß Herr Kraus mit Reinkulturen von Kokken bei Pferden ein Krankheitsbild erzeugen konnte, das bis zu einem gewissen Grade an die Bornasche Krankheit erinnert. Dies ist sicherlich mit einer Reihe von Bakterienkulturen möglich. Bestritten wird aber, daß die künstlich erzeugte Krankheit die Bornasche Krankheit war. In keinem Falle hat Herr Kraus weder bei Pferden noch bei Kaninchen die typischen Bornakörperchen im Gehirn nachweisen können. Und das bei Kaninchen künstlich erzeugte, Krankheitsbild wies wesentliche Unterscheidungsmerkmale von demjenigen auf, wie wir e bei Borna- kaninchen gesehen haben. Seine Kaninchen starben nach 1—2—3 Tagen unter dem Bilde der Septikämie, bei den unsrigen verging stets eine Inkubationsfrist von 2 bis 3 Wochen und erst dann setzte die auf 8—14 Tage sich erstreckende offensichtliche Krankheit ein. Im Gehirn der der Krankheit erlegenen zahlreichen Kaninchen konnten wir mit Ausnahme eines einzigen Falles Kokken nicht nachweisen. Auch ist es uns mit Kokkenreinkulturen aus bornakranken Pferden nicht gelungen, die Krankheit künstlich zu erzeugen. Hauptsächlich sprechen aber gegen Kokken

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als Erreger der Krankheit die Glvzerinfestigkeit des Virus, seine in einem Falle eiu- wandfrei nachgewiesene Filtrierbarkeit und die Möglichkeit, die Krankheit mit sehr hochgetriebenen Verdünnungen des Urspruugsmaterials (bis 1:10000) künstlich zu erzeugen.

Kraus (Wien).

A. Dietrich (Köln): Auf Grund ausgedehnter pathologisch-anatoinischer Eı- fahrungen über epidemische Encephalitis in Köln kanun ich die Ausführungen Sterns bekräftigen, daß keine histologische Einzelheit dieser Form der Encephalitis eigentüm- lich ist, sondern nur die gradweise Ausbildung und Ausbreitung im Gehirn. Ich vermag auch keinen Unterschied gegenüber der Poloniei. zu finden, mit Ausnahine der bevorzugten Lokalisation. Das pathologisch-anatomische Bild hängt nicht nur vou einer Neurotropie des Erregers al, sondern von der Reuktionsfähigkeit des Organis- mus, die auch gegenüber dem gleichen Erreger wechselnd abgestimmt sein kann. Das ist auch für die experimentellen Infektionen zu berücksichtigen. Im Vordergrund steht immer die Reaktion der kleinen Gefäße, die auch bei chronischer Streptokokkeuiniek- tion in Gehirn und Papillarkörper der Haut auffallend zeitlich und gradweise gleich reagieren. Hiervon und nicht von dem Keimblatt hängt wohl eine gewisse Über- einstimmung der Empfänglichkeit von Haut und Gehirn ab.

Doerr (Schlußwort): Die Diskussionsredner sind zum größten Teile auf dir Ausführungen des Ref. nicht eingegangen, sondern haben kurze Berichte über eigene, bisher noch nicht in extenso ce und von anderer Seite noch nicht nachge- prüfte Untersuchungen erstattet. Es ist nicht möglich, zu diesen Beobachtungen und Befunden sofort Stellung zu nehmen; dies kann erst auf Grund sorgfältiger Sichtung und Kritik des neuen Tatsachenmaterials geschehen. Am bedeutungsvollsten erscheinen dem Ref. die Mitteilungen von Löwenthal über Zelleinschlüsse in den Hornhantepithelien bei Herpes corneae des Kaninchens; in einigen der demonstrierten Präparate sah man Formen, die ganz den Eindruck von Parasiten machten. Leider waren aber die Gebilde, die Löwenthal vorgeführt hat, außerordentlich polymorph und bald im Kern, bald im Protoplasma eingelagert, so daß es sich höchstwahrschein- lich um intrazelluläre Körperchen von ganz verschiedener Provenienz und Bedeutung handelt. Was davon als für Herpes spezifisch oder gar als Entwicklungsstadium eines belebten Ilerpeserregers betrachtet werden darf, bleibt einstweilen durchaus fraglich. Außerdem hat Löwenthal zu den Impfungen der Kaninchencornea nur (virulentes Kaninchengehirn, nicht aber Material vom Menschen (Herpesblaseninhalt) verwendet. so daß zunächst diese Lücke ausgefüllt werden müßte, bevor man sieh ein Urteil über die morphologischen Befunde Löwenthals zu bilden vermag.

Mit dem Koreferenten (H. Stern) stimmt Ref. in einem wichtigen Punkte überein: Anatomische und klinische Ähnlichkeiten der Encephalitis herpetica des Ka- ninchens und der Encephalitis epidemica des Menschen (v. Economos Krankheit) berechtigen ebensowenig zu irgendwelchen Schlüssen auf die ätiologische Identität der beiden Prozesse wie die vorhandenen Differenzen eine Folgerung im gegenteiligen Siune erlauben.

Weun H. Luger verlangt, daß der Zoster vom rein klinischen Standpunkte aus als ein einheitliches Krankheitsbild bewertet werden soll, gleichzeitig aber einräumt, daß dieses klinisch einheitliche Gepräge eine multiple Ätiologie nicht ausschließt. so liegt darin nur eine Anerkennung eines auch auf anderen Gebieten geltenden Prinzips, das Ref. für den Zoster in absolut identischer Form in seiner zusammenfassenden Dar- stellung im Zentralbl. f. Haut- u. Geschlechtskranh. (l. c.) vertreten hat. Die Ver- hältnisse könnten beim Zoster ähnlich liegen wie bei der krupösen Pneumonie oder der eitrigen Leptomeningitis, bei welchen man ja ebenfalls an der klinischen Einheit- lichkeit der Symptomenkomplexe festhält, obwohl es hier außer Zweifel steht, daß ver- schiedene belebte Kontagien als Infektionserreger in Betracht kommen. Es kann vor- läufig gewiß nicht in Abrede gestellt werden, daß neben dem Zoster varieeilosis Bokays auch ein „Zoster non-varicellosus“ existiert. Trotzdem erscheint es dem Ref. verfehlt, aus solchen Überlegungen und aus der Bezeichnung „Zoster varicellosus“ die Berechtigung abzuleiten, von einem Zoster herpetieus (gewissermaßen als Gegeustück des Zoster varicellosus) zu sprechen, wie das Luger und Lauda vorschlagen. Man dart nicht vergessen, daß die Zostererkrankungen eben nicht nur klinisch und ana- tomisch zusammengehören, sondern daß sie auch durch andere gemeinsame, das übertragbare Agens betreffende Merkmale ausgezeichnet sind, nämlich 1) durch ihre

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Immunitätsverhältnisse, 2) durch die Pathogenität bzw. Apathogenität des Zoster- blaseninhaltes für Menschen und für Versuchstiere. Diese Charaktere findet man bei fast allen Zostererkrankungen, gleichgültig ob eine engere Verwandtschaft mit Vari- zellen nachweisbar ist oder ent und dr Zoster tritt gerade durch diese Eigen- schaften in einen scharf markierten Gegensatz zum Herpes. Der Begriff Zoster hat mit anderen Worten keinen rein klinisch-morphologischen Inhalt, sondern ist auch noch in anderer Beziehung determiniert. Wenn man daher in äußerst seltenen Ausnahmetällen bei einem zosterartigen Ausschlag typisches Herpesvirus nach- weist, so handelt es sich nach dem jetzigen Stande unserer Kenntnisse nicht um Zoster, sondern um Herpes mit zosterartiger Lokalisation, gewissermaßen um eine „Pseudomorphose von Herpes nach Zoster“, und der Ausdruck „Herpes zosteriformis“ (Doerr, Lipschütz) trägt dieser Sachlage in unzweideutiger Weise Rechnung.

Stern (Schlußwort): Zwischen den Anschauungen von Luger und den eigenen Ausführungen glaubt Vortr. keinen Widerspruch zu erblicken; auch Vortr. legt in der Frage nach der Differenz von Herpes- und Encephalitis epidemica-Virus das Hauptgewicht auf die großen Verschiedenheiten der Übertragbarkeit: Herpes- encephalitis leicht erzielbar, Übertragbarkeit des Virus der Epidemica überhaupt noch fraglich; die anatomischen Differenzen der Krankheiten berechtigen gewiß nicht ohne weiteres zu dem Schluß, daß sie durch verschiedene Noxen hervorgerufen werden, da aut gleiche Noxen verschiedene Tierarten verschieden reagieren; aber man muß um- gekehrt doch betonen, daß man nicht SchluBfolgerungen aus einer Gleichheit der histologischen Veränderungen ziehen darf. Über die Tatsächlichkeit einer mensch- lichen Vakzineencephalitis, über die in der letzten Zeit mehrfach berichtet wurde, kann Vortr. nur mit größter Reserve urteilen, da er sich nicht auf eigene Beobachtungen stützen kann. Klinisch entsprechen jedenfalls die letzten Mitteilungen von Lucksch nicht den typischen Epidemicasyndromen; tierexperimentell erscheint eine Vakzine- encephalitis gesichert; die Bedeutung und Notwendigkeit der Vakzination werden durch diese Einzelbefunde nicht berührt. Die Kontroversen über die Bedeutung von Streptokokken bei Bornascher Krankheit können vielleicht dazu anregen, die Rosenowschen Behauptungen über die Bedeutung neurotroper Streptokokken bei epidemischer Encephalitis genauer nachzuprüfen; allerdings sind die anatomischen Be- funde, die Rosenow bisher mitgeteilt hat, nicht gerade überzeugend (vgl. die Aus- führungen des Referats).

Sonstige Vorträge. 5. Carl Prausnitz und Irmgard Meißner (Greifswald):

Untersuchungen über die Bakterizidie des Blutes. (Vorgetragen durch Prausnitz.)

In einer früheren Arbeit aus unserem Institut (Centralbl. f. Bakt. 1. Abt. Orig. Bd. 94. 1925. S. 376) wurde über Versuche berichtet, in denen nach den neuen Verfahren von Sir Almroth Wright die Blutbakterizidie gemessen wurde; die beiden wichtigsten dieser Me- thoden bestehen (a) in der Aussaat des Blutbakteriengemisches in der „Objektträgerkammer‘, einem zwischen 2 sterilen Objektträgern liegenden kapillaren Hohlraum, in welchem es bei Bebrütung zur Bildung isolierter Kolonien kommt, und (b) dem opsonischen Index. Es hatte sich ergeben, daß durch Zusatz von Yatren oder Aolan zum defibrinierten Blut sein bakterizides Vermögen gegenüber Staphylo- coccus aureus eine erhebliche Verstärkung erfährt (in vitro-Versuch); auch bei intravenöser Einspritzung dieser Stoffe findet innerhalb einer Stunde bereits eine starke unspezifische Vermehrung der bakteriziden Substanzen statt (in vivo-Versuch).

Wir haben ähnliche Versuche mit Milzbrand ausgeführt. Auch hier gelingt es nach der gleichen Technik, isolierte, gut zählbare Kolo-

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nien zu gewinnen. Während die Staphylokokkenkolonien in der Blut- kultur mit bloßem Auge gerade sichtbare gelbe, unregelmäßig un- randete Punkte mit hämolytischem Hof darstellen, sieht die Milzbrand- kolonie im Blut wie folgt aus: Die zwischen den Objektträgern liegende 1,2 mm dicke, also nur rot durchscheinende Blutschicht ist dort, wo die Kolonien liegen, auf 5—8 mm wie zerrissen und aus- gehöhlt. Diese Beschreibung stimmt für Menschen- und Kaninchen- blut; bei Meerschweinchenblut sind die Kolonien höchstens halb so grob, ebenso bei Rattenblut, aber hier kommt noch eine blaurote Vertärbung des ganzen Blutes hinzu; die Kolonien in Meerschweinchen- und Ratten- blut sind schärfer abgegrenzt, machen nicht den oben beschriebenen Eindruck des Zerrissenen, Ausgefressenen.

Beimpft man gleichzeitig und mit gleichen Bakterienmengen eine Agarplatte und eine Blutobjektträgerkammer, so entwickelt sich ın der letzteren eine viel geringere Kolonienzahl als auf dem Agar; es hat also unter dem Einfluß des Blutes eine erhebliche Hemmung oder Abtötung der Milzbrandbazillen stattgefunden. Beimpft man neben- einander je eine Objektträgerkammer mit Genischen gleicher Bakterien- mengen und (a) undefibriniertem, (b) defibriniertem Blut, so findet man nach eintägiger Bebrütung in der Probe (a) eine erheblich stärkere Hemmung als in (b). Es scheint also auch aus diesem Versuch hervor- zugehen, daß die Gerinnung als solche weitere bakterizide Kräfte, neben den im defibrinierten Blut vorhandenen, frei macht. Das läßt sich nach folgender Anordnung nachweisen: Blut wird in paraffinierten Röhrchen aufgefangen und blutkörperchenfrei zentrifugiert; diesem Plasma werden im gleichen Verhältnis wie oben dem Blut Bakterien zugesetzt, und das Ganze wird in eine feine Kapillare (c) aufgezogen, die parallel mit den Objektträgerkammern bebrütet wird: auch in dieser „Plasmakultur“ findet eine sehr deutliche Bakterienhemmung statt, die etwa von der Größenordnung der Bakterizidie des defibri- nierten Blutes, also der durch das Gesamtblut bewirkten unterlegen ıst (Tabelle 1).

Tabelle I. 10 cmm Bakterienaufschwemmung fallender Stärke + 100 cmm Blut usw.

Kolonienzahl bei Aussaat in Verdünnung der Bak- |

terienaufschwemmung | a) Gesamt- f blut b) defib. Blut

c) Plasma | d) Agar

1:2 7 unzählbar | 483 unzählbar 1:5 1 a 180 " 1:10 1 38 45 650 1:20 0 23 21 3:32

1 : 40 0 14 4 172

Ebenso wie gegenüber Staphylokokken, kann die Bakterizidie des Blutes gegenüber Milzbrandbazillen durch Behandlung des Blutes mit Yatren gesteigert werden. Wir haben mehrere gleichlaufende in vitro- Versuche mit Menschenblut ausgeführt, und haben hierfür, wie auch für die später zu beschreibenden Versuche defibriniertes Blut wegen seiner von vornherein schwächeren bakteriziden Kraft verwendet. In vivo-Versuche haben wir vorläufig nicht ausgeführt, aber mit Rück- sicht auf die zahlreichen gleichartigen Ergebnisse von Wright, die

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wir durchweg bestätigen können, besteht kein Zweifel, daß auch bei der in vivo-Versuchsanordnung entsprechende Ergebnisse zu erzielen wären. Das Protokoll eines solchen Versuches, in dem die Bakterizidie außer in der Objektträgerkammer auch durch den opsonischen Index bestimmt wurde, ist in Tabelle 2 aufgeführt.

Tabelle IL.

Je 400 cmm defibr. Menschenblut + 20 cmm fallender Yatrenverdünnungen in Ringer-Lösung, 1 Std. 37°; 100 cmm hiervon versetzt mit 10 cmm Milzbrandbazillen- aufschwemmung, in Öbjektträgerkammern eingefüllt. Der Rest der Yatrenblut- mischungen wird zentritugiert; die so erhaltenen behandelten Sera werden mit kon- stanten gewaschenen Leukozyten desselben Menschen und konstanter Milzbrand- bazillenaufschwemmung versetzt, zum klassischen opsonischen Versuch verwendet.

he Opsonischer Versuch Objektträgerkammer De Dem Blut zugesetzte | (Zahl dern 24 std. | (Zahl ce es er Yatrenverdünnung ei 37° gewachsenen | Ei ne B t Kolonien) | zyten gefressenen Bak- | terien) 1:50 | unzählbar 56 1 : 100 220 La = 50 1 : 200 94 | 60 1 : 400 143 12 1: 800 174 59 1: 1600 | 200 60 1:00 (Kontr. 1) | unzählbar 50 1:00 (Kontr. 2) | $ 56 |

Agarkontrolle

Danach liegt das Maximum der abtötenden Wirkung in der Ob- jektträgerkammer bei der Yatrenverdünnung 1:200, das Maximum der opsonischen Wirkung bei der Yatrenverdünnung 1:400. Solche geringen Abweichungen sind verständlich bei Berücksichtigung des Umstandes, daß nach den beiden Verfahren vielleicht verschiedene Antikörper ge- messen werden.

Die abtötende Kraft war bei dem Menschen durchschnittlich etwa 60 fach, d. h. bei Aussaat gleicher Bakterienmengen in die Objekt- trägerkammer und die Agarplatte entwickelte sich in dieser Kultur 60fach soviel, wie in jener. Bei Kaninchenblut fanden wir dies Ver-

Tabelle III. (Technik wie in Tabelle II beschrieben.)

Dem Blut zugesetzte }Objektträger-| Opsonischer Yatrenverdünnung kammer | Versuch

1:50 | 66 | 18 1 : 100 09 | 90 1: 200 D) | 61 1 : 400 pl | 53 1:80 56 | 56 1 : 1600 | 68 49 Kontrolle 1 7 4S

2 | 67 91

Agarkontrolle 210

174* 1. Tagung d. Deutschen Vereinigung Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925.

hältnis 6- bis 10fach, bei Meerschweinchenblut nur 2- bis fach. bel Rattenblut (Mischblut von 2 Tieren) 10 bis 20fach. Unspezifische Steigerung der Blutbakterizidie durch Vorbehandlung des defibrinierten Blutes mit Yatren konnte in mehreren Versuchen weder bei Kaninchen noch bei Ratten nachgewiesen werden; bei Meerschweinchen gelang es in cinem Falle ausnahmsweise (vgl. Tabelle IH, S. 173).

Zusammenfassung.

Die bakterizide Kraft des Blutes läßt sich auch gegenüber Milz- brandbazillen nach den Wrightschen Verfahren der Objektträger- kammerkultur und des opsonischen Versuches nachweisen und genau messen. Sie kann durch Vorbehandlung des Blutes (in vitro) mit der ge- eigneten Yatrenverdünnung gesteigert werden, während stärkere und schwächere Yatrenverdünnungen schlechtere Ergebnisse liefern. Die Messung der Blutbakterizidie gelingt nach diesem Verfahren auch bei verschiedenen Tierarten (Kaninchen, Meerschweinchen, Ratte).

6. L. Detre (Budapest): Immunisierungsverhältnisse bei Vögeln.

Dic vorliegende Arbeit bildet das Resultat von Untersuchungen. welche in dem von mir geleiteten Institute seit etwa 2 Jahren im Gange sind und einiges Licht auf das bis jetzt systematisch wenig bearbeitete Gebiet der Vogelimmunität zu werfen geeignet sind. Wie bekannt, sind die überwiegende Mehrzahl der Versuche, denen unscre Kenntnisse über die zeitlichen und quantitativen Gesetze der Immuni- tätsarten zu verdanken sind, an Säugetieren Maus, Meerschweinchen. Kaninchen, Hund, Pferd, Rind, Schaf, Mensch angestellt worden: die an diesen Tieren gewonnenen Regelmäßigkeiten wurden, zumal in der Immunitätspraxis, auf andere Tiergruppen übertragen, ohne daß man sich vorher die Gewißheit verschafft hatte, ob diese Ge- setze auch für andere Tiergruppen gültig sind. Bloß den Kaltblütern wurde von jeher (bereits durch Metschnikoff) eine Sonderstellung eingeräumt, aber betreffs der Vögel wurde ganz einfach der Stand- punkt eingenommen, wonach die allgemein bekannten Immunitätsgesetze auch für Vögel gültig wären. So entstanden dann praktische Vor- schriften betreffs Immunisierungen gegen die bekannteste Vogelseuche, die Geflügelcholera, welche einer Abschrift solcher Vorschläge gleich- kommen, die für das Säugetier wohl geltend sein mögen, für den Vogelkörper aber erst, ich betone es nochmals, geprüft werden müßten. Ich gestehe es unumwunden ein, daß auch ich diesem Fehler verfallen gewesen, und erst gewisse Fehlresultate der Immunpraxis, haupt- sichlich allzu kurze Dauer der passiven Immunität, bewogen mich. die Frage systematisch zu prüfen. Es mußte vom ABC angcfangen werden. Wir haben in überaus zahlreichen Versuchen, an denen meine Mitarbeiter, die Herren Dr. Vigadi und Bory, tatkräftig Anteil

11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiolog. in Frankfurt a. M. 1925. *175

nahmen, das gesamte Immunitätsgebiet an Tauben und Hühnern durch- gearbeitet, und über die so gewonnenen Resultate will ich an der Hand der vorzuführenden Kurventafeln in gedrängter Kürze Bericht erstatten. Es sei mir zugleich gestattet, der deutschen mikrobiologischen Ver- einigung, die ja stets ein weniger inter- als übernationales wissenschaft- liches Forum gewesen, meinen Dank für die Freundlichkeit auszu- sprechen, mir ihre Oeffentlichkeit gewährt zu haben.

Die bis heute festgestellten Ergebnisse fasse ich in folgenden Thesen zusammen.

A. Aktive Immunität.

1. Antigen: Pferdeerythrozyten, intravenöse Injektion; Versuchstier: Taube.

a) Die eingeführten Blutkörperchen sind mikroskopisch während 3 Tage in dem zirkulierenden Vogelblute reichlich, am 4. Tage spär- lich, am 5. Tage nicht mehr nachzuweisen. Die fremden Blutkörper- chen zirkulieren, solange sie nachzuweisen sind, in agglutinierten Häuf- chen von 10—20 Exemplaren und sind färberisch von normalen Pferde- blutkörperchen unterscheidbar.

b) Das normale Taubenserum agglutiniert die Pferdeblut- körperchen, bei 370 und 30 Min. Beobachtungszeit, gewöhnlich bis 1:2, ım Ausnahmefalle bis 1:4, Lysine sind nicht nachweisbar, ebenso keine Präzipitine.

c) Die Immunhämagglutinine sind bereits nach 24 Stunden

nachweisbar (Titer !/,—!/,); die Kurve steigt bis zum 5. Tage allmählich, um dann steil emporzuklimmen. Maximalpunkt: 7.—8. Tag; von da an rascher Abstieg bis zum 16. Tage, dann wieder flache Kurve. Verlöschen: nach 6—8 Wochen.

d) Die Immunhämolysine sind nach 48 Stunden nach- weisbar, erreichen den Titer von 1:4 am 3., von 1:8 am 5., 1:32 am 6. Tage.

2. Antigen: Pferdeserum; Taube.

a) Intravenöse Injektion: die Präzipitine sind am 4. Tage schwach, am 6. Tage stark nachweisbar.

b) Intramuskuläre Injektion: am 6. Tage +.

c) Subkutane Injektion: am 6.—7. Tage +.

d) Intraperitoneale Injektion: am 6. Tage +.

3. Antigen: Pferdeserum. Versuchstier: Taube.

Anaphylaktische Reagine: erscheinen am 6.—7. Tage, sind am 9.—11. Tage voll ausgebildet.

Der Reinjektionsschock ist an diesen Tagen voll auslösbar.

4. Antigen: Abgetötete Paratyphus B-Emulsion, intra- venöse Injektion; Taube.

a) Gewöhnlich enthält das Taubenserum keine Normalagglu- tinine gegen den benutzten Pty-Stamm; Tauben, die bei der vorherigen Prüfung nicht ganz agglutininfrei waren (Titergrenze höchstens 1:4), wurden von diesen Versuchen ausgeschlossen.

b) Immunagglutinine. Erscheinen, in Spuren, am 3. Tage, bis zum 6. Tage sanftes, dann rapides Steigen. Maximum am 9.—10. Tage, dann steiler Abfall, vom 14. Tage an sanftes Abklingen.

Dieselbe Kurve nach subkutaner Injektion von abge- töteter Geflügelcholera-Emulsion. Versuchstier: Huhn (Versuche von Dr. Vigadi).

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5. Reinjektion bakterieller Antigene. (Versuche von Dr. Vigadi.) Abgetötete Geflügelcholera-Emulsion: subkutan, Huhn.

Die Latenzzeit (negative Phase) dauert bloß 24 Stunden, am 2. Tage bereits mächtiges Emporschnellen der Agglu- tininkurve.

B. Passive Immunität.

Methode: Nach Einverleibung aus Pferden (und Kaninchen: stammenden Paratyphusserums wird der Versuchstaube in festgesetzten Intervallen Blut entnommen, und auf Agglutinine gegen den homologen Pty-Stamm geprüft. Vorher wurde festgestellt, daB nach einer 24- stündigen Einwirkung von frischem Taubenserum auf das Pferdeserum, in vitro, der Agglutiningehalt des letzteren quantitativ voll nach- weisbar ist. (In den ersten Stunden tritt allerdings eine beträchtliche Verminderung ein, um später zu verschwinden. Diese eigentümliche Erscheinung soll noch besonders erforscht werden.)

a) Einmalige Seruminjektion.

l. Nach intravenöser Einverleibung.

Das Fremdserum ist nach 15 Minuten in der Zirkulation quantı- tativ unvermindert vorhanden, fällt in 24 Stunden auf die Hälfte, nach 48 Stunden auf etwa !/,, nach 3 Tagen sind 7 Proz., nach 4 Tagen 3 Proz., am 5. Tage nichts mehr nachweisbar. Die passive Immunitätist am 4. Tage praktisch erloschen.

. 2. Nach intraperitonealer Einverleibung.

Das als Indikator des Fremdserums betrachtete Agglutinin ist nach 2 Stunden im Blute nachweisbar; Maximum nach 24 Stunden, von da an Abstieg der Kurve. Am 5. Tage bloß Spuren, am 6.—1. Tage Nullpunkt (Erscheinen der Präzipitine).

3. Nach intramuskularer Einverleibung.

Das Fremdeiweiß erscheint in der 4. Stunde im Blute; Maximum nach 48 Stunden, dann Abstieg, am 6. Tage Spuren, am 7. Tage Null- punkt. (mit Präzipitinnachweis).

4. Nach subkutaner Einverleibung.

Das Fremdeiweiß erscheint in der 7.—10. Stunde im Blute: Maxi- mum nach 48 Stunden, manchmal später, bis zu 72 Stunden, dann Ab- stieg; Nullpunkt am 6.—7. Tage.

b) Reinjektionsversuche.

I. Inj.: !/, ccm normales Pferdeserum intravenös; 8 Tauben.

II. Inj.: 1 ccm Pty, agglutinierendes Pferdeserum intravenös je 1 Taube nach 1, 3, 5, 7, 9, 11, 13 Tagen.

Bis zum 5. Tage verlaufen die Kurven wie die der Kontrolltaube.

Die am 7. Tage reinjizierte Taube verliert binnen 48 Stunden 90 Proz. des ihm einverleibten Agglutinins.

Die am 9. Tage reinjizierte Taube verliert binnen 24 Stunden 80 Proz. des ihm einverleibten Agglutinins.

Die am 11. Tage reinjizierte Taube verliert binnen 24 Stunden 83 Proz. des ihm einverleibten Agglutinins.

Eine doppelt reinjizierte (5. IX. 1/, ccm Normalserum i.v., 8. IX. 1/ ccm Normalserum i.v., 18. IX. 1 ccm Pty-Serum i.v.) Taube büßte in 30 Min. 66 Proz., in 24 Stunden 90 Proz. der ihr eingespritzten Antikörper ein.

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Wir sehen, daß natürlich Säugetierseren als Anti- körperträger vorausgesetzt man bei Vögeln die Dauer der passiven Immunität bei Erstinjektion mit kaum 4—5 Tagen, bei Reinjektion mit 1—2 Tagen bemessen kann.

C. Gemischte Immunität.

Methode: Pty-Stamm + abgetötete Pty-Emulsion wird intraperi- toneal injiziert. Versuchstier: Taube.

Resultat: Erstes Maximum nach 24 Stunden, dann Abstieg, Nullpunkt am 6. Tage, dann Anstieg, nach 2—3 Tagen wieder Abfall und endgültiges Auslöschen.

* x *

Wenn wir diese Immunitätskurven (Demonstration) mit den an Säugetieren gewonnenen und heute allgemein als „Normen“ erachteten Kurven vergleichen, fällt es gewiß auf, daß die Immunitätsvorgänge an Vögeln a) rascher einsetzen, b) rasch ablaufen, so daß die Kurven steiler verlaufen.

Die sogenannte Latenzzeit, die bei Säugern 3—4 Tage beträgt, ist für Hämagglutinine bei Vögeln auf einige Stunden herabgesetzt. Der Kurvengipfel ist am 7.—9. Tage erreicht (gegen den 10.—14. Tag). Nach Antigenreinjektion beträgt die negative Phase 24 Stunden (gegen 2—3 Tage). Die passive Immunität dauert 5—6 Tage (gegen 8—12), die passive Reinjektionsimmunität 24 Stunden (gegen 3—4 Tage). Der anaphylaktische Zustand setzt am 7. Tage ein (gegen 9—12). Wir sehen: sämtliche Phänomene laufen viel gedrängter, in rascher Reihenfolge ab.

Was ist die Ursache dieser Beschleunigung der Immunitäts- vorgänge? Eine sichere Beantwortung dieser Frage ist noch nicht ge- geben. Doch glauben wir nicht fehlzugehen, wenn wir in der hohen Körpertemperatur der Vögel (42—430) den Hauptiaktor der Be- schleunigung ersehen. Schon vor 22 Jahren stellte ich (in einer mit Sellei zusammen publizierten Arbeit) fest, daß das Optimum der JImmunitätsreaktionen nicht bei 37°, sondern bei 43—440 C liegt. Naheliegend ist die Folgerung, daß eine höhere Temperatur nicht bloß die Immunitätsphänomene beschleunigt, sondern auch auf jene zellularen Sekretionsvorgänge fürdernd einwirkt, durch welche die humorale Im- munität bedingt wird. Gestützt wird diese Anschauung durch die wohl- bekannten Versuche, welche einen äußerst retardierten Ablauf der Im- munitätserscheinungen bei Winterschläfern, sodann bei Kaltblütern nach- gewiesen haben.

Nun einige Worte über die fast fehlende ‚Inkubationszeit‘ vor dem Erscheinen der Hämagglutinine. Bisher wurde die Inkubationszeit nach Einverleibung der Antigene als Conditio sine qua non der Immun- körperproduktion erachtet. Nun sehen wir einen Fall vor uns, wo diese Zeit auf Stunden reduziert ist. Dies führte uns schon seit langem zu der Erkenntnis, daß die geläufige Anschauung endlich aufgelassen werden soll. Was wir im Blutserum erfassen, ist bloß die Resultante zweier aufeinander wirkenden Affinitäten; mit anderen Worten: wir weisen im Serum bloß den ungebundenen Anteil der produzierten Anti- körper nach. Auch das mathematische Studium der passiven Immunitits- kurven weist ganz genau darauf hin, daß die Antikörperproduktion sozusagen sofort nach Einverleibung des Fremdeiweißes einsetzt: was

Erste Abt. Orig. Bd. 97. Beiheft. 12

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man bisher als Latenzperiode bezeichnet hat, ist wohl nichts anderes als jener Zeitraum, in welchem die ge- samtproduzierte Antikörpermenge im Zirkulationswege vom affinen Antigen abgefangen und gebunden wird. Es scheint nun, daB im Vogelorganismus diese Bindung rascher verläuft oder das Antigen rascher abgesättigt wird, und in dieser Weise kommt die ganze auffallende Abkürzung der sogenannten „Latenz- zeit“ zustande. Eine gewisse Stütze dieser Anschauung bilden die Ver- suche von Katsunima und Sumi, in denen an Kaninchen dargetan wurde, daß nach subkutaner Einverleibung von abgetöteten Staphrlo- vakzinen das subkutane Bindegewebe der gespritzten Seite eine Re- injektion der Kokken sehr bald mit einer eminenten Phagozytose be- antwortet. Auch wurde durch Ramon vor kurzem berichtet, daß nach Injektion seiner Pest-,Anatoxine‘“ (recte: Toxoide) die Antikörper be- reits nach 8 Stunden im Blutserum der Pferde erscheinen.

Endlich will ich noch darauf hinweisen, daß die mitgeteilten Ge- setzmäßigkeiten wohl nunmehr überall dort in Betracht gezogen werden müssen, wo es sich um aktive Immunisierung von Vögeln, sowie um Anwendung von Säugcetiersera an Vögeln handelt.

Aussprache.

Neufeld (Berlin) weist auf die neuen Versuche vou Killian über aktive Immunisierung von Mäusen gegen Streptokokken und Pneumokokken hin; die Im- munität trat dabeı auffallend früh ein, erreichte schon am 4. Tage annähernd den Höhepunkt, um bald nach dem 8. Tage schnell abzusinken. Da nach Tsunekawa auch die Immunität gegen Typhus bei Mäusen viel früher eintritt und früher ver- schwindet, wie das nach Webers eingehenden Beobachtungen bei Meerschweincheu der Fall ist, so sprechen auch diese Erfahrungen dafür, daß die Immunitätserschei- nungen bei kleinen Tieren mit hoher Temperatur und schnellem Stoffwechsel be- sonders schnell ablaufen.

Detre (Schlußwort): Die Bemerkungen Prof. Neufelds bestärken mich in meiner eben kurz mitgeteilten Auffassung über die sogenannte negative Phase, denn wir sehen ja, daß in dem von N. mitgeteilten Falle es sich um rasches Einsetzen der Immunität beim Säugetiere handelt. Ich will noch bemerken, daß der Ramonscha Befund über sofortiges Erscheinen der Serumantikörper nach „Anatoxin“-Einverleibung in der schwachen Affinität der Toxoide zu den Antikörpern und der hierdurch be- dingten geringen Bindungsquote eine einfache Erklärung findet.

6. E. G. Dresel (Heidelberg): Bakteriolyse durch Fettsäuren und deren Abkömmlinge.

Da aus meinen in der Zeitschr. f. Hygiene veröffentlichten Unter- suchungen eindeutig hervorgeht, daß die anthrakoziden Kräfte nicht an Eiweiße, sofern sie noch durch die Biuretreaktion nachweisbar sind. gebunden sind, und da ich inzwischen nachweisen konnte, daß Alkohol- extrakte aus allen Kaninchenorganen mehr oder weniger stark anthrako- zid wirkten, daß andererseits aber auch rohe Wassermannextrakte ohne Zusatz von Cholesterin aus Luesleber, Rinderherz und Menschenherz schr stark anthrakozid wirkten, so lag der Gedanke nahe, von den Ei- weißen einmal abzusehen und die Fettsäuren ins Auge zu fassen, um event. dem Wesen der anthrakoziden Wirkung nahe zu kommen.

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Ueber die Wirkung von Fettsäuren und ihren Abkömmlingen auf div Bakterien ist bisher wenig bekannt. Auf die vorhandene Literatur will ich in diesem Zusammenhange nicht eingehen, weil sie sich in ihren Ergebnissen mit meinen Befunden kaum berührt.

Ich habe in den letzten zwei Jahren 19 Fettsäuren und ver. schiedene Abkömmlinge von Fettsäuren, im ganzen 60 chemisch reine Präparate, die mir in entgegenkommender Weise von industrieller Seite zur Verfügung gestellt wurden, in ihrer Einwirkung auf verschiedene Bakterien geprüft und möchte kurz zusammengefaßt heute die Er- gebnisse mitteilen.

Einige Bemerkungen über die Technik müssen vorausgeschickt werden. Vorversuche ergaben, daß Oelsäure in einer Verdünnung 1:1000 mit Nährbouillon stark abtötend auf Milzbrandbazillen wirkte, selbst wenn das Oelsäurebouillongemisch auf die gleiche Wasserstoffionen- konzentration eingestellt war wie die Bouillon allein. Anfangs wurden die festen oder flüssigen Fettsäuren zu je 0,1 g oder 0,1 ccm im er- hitzten Achatmörser unter tropfenweisem Zusatz von heißer Nährbouillon verrieben, bis eine Emulsion 1:100 hergestellt war. Diese Emulsion wurde durch feine Kanülen gespritzt, um die Emulsion zu verfeinern. Dann wurden ebenso Verdünnungen 1:1000 und 1:10000 mit Nähr- bouillon hergestellt, die für den anthrakoziden üblichen Plattenversuch verwandt wurden.

Es zeigte sich, daß die anthrakozide Wirkung der Fettsäuren zu- nahm, je höher man in der homologen Reihe emporsteigt. Am stärksten war dic Wirkung bei den Fettsäuren mit mittlerer Anzahl von Kohlen- stoffatomen. Höhere Fettsäuren wirkten dann etwas schwächer. Es sei auf die bekannte Tatsache hingewiesen, daß die durch Lösungen von Fettsäuren bewirkte Erniedrigung der Oberflächenspannung des Wassers stark zunimmt, je höher man in der homologen Reihe empor- steigt.

Gegen gramnegative Bakterien von der Typhus-Coligruppe waren mit einzelnen Ausnahmen die Fettsäureemulsionen wirkungslos, dagegen wurden grampositive Bakterien, wie Staphylokokken, Pneumokokken, Diphtheriebazillen, ähnlich wie die Milzbrandbazillen beeinflußt.

Außer dem Plattenverfahren, das ja nur die beeinträchtigte Wachs- tumsfähigkeit anzeigte, wurden von einem Doktoranden (Herrn Petro- chilos) von allen Bakterienaufschwemmungen in Fettsäureemulsionen Ausstriche nach Gram gefärbt und mikroskopisch untersucht. Es zeigte sich, daß es sich nicht nur um eine Bakterizidie der grampositiven Mikroorganismen unter der Einwirkung der Fettsäuren handelte, sondern daß eine vollständige Bakteriolyse eintrat.

Diese Bakteriolyse wurde in Bouillonkulturen von Streptokokken, Staphylokokken und Pneumokokken nachgeprüft. Es wurden jedesmal 24stündige Bouillonkulturen mit Fettsäureemulsionen in verschiedenen Mengen versetzt. Bei Zusatz von 1 auf 1000 der Bouillonkulturen trat vollständige Klärung unter restloser Auflösung der grampositiven Mikroorganismen auf in 24 Stunden.

Um die Emulsionen der Präparate zu verbessern, wurden die ein- zelnen Mengen Fettsäuren mit der gleichen Menge steriler Rindergalle angericben, nachdem sich herausgestellt hatte, daß Rindergalle allein in einer Verdünnung 1:1000 Bouillon keinen Einfluß auf das Milzbrand- wachstum hatte. Sämtliche Präparate wurden so mit Rindergalle gegen einen frischen Milzbrandstamm nach Tierpassage nochmals geprüft und

12°

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zeigten das gleiche Ergebnis wie gegen den alten Laboratoriumsstamm. Gegen Typhus-, Coli-, Shiga-Kruse- und Flexnerruhrbazillen war keine wachstumshemmende Wirkung nachzuweisen.

Zufällig stand uns ein eitriger Liquor zur Verfügung, der massen- haft Pneumokokken enthielt. Während aus dem Liquor allein noch nach 24 Stunden abgeimpfte Schrägagarkulturen angingen und im Liquor durch mikroskopischen Ausstrich noch massenhaft unveränderte gram- positive Pneumokokken nachweisbar waren, zeigte sich im Liquor mit Zusatz eines Fettsäurepräparates im Verhältnis 1000:1 nach 5 Stunden schon eine weitgehende Auflösung der Pneumokokken unter Verlust der Grampositivität. Nach 24 Stunden waren Pneumokokken mikroskopisch nicht mehr nachweisbar; abgeimpfte Schrägagarkulturen blieben steril. Der gleiche Versuch wurde mit Galle allein angesetzt, doch stellte sich heraus, daß Zusatz von Galle selbst in einer Verdünnung von 1:100 anstatt 1:1000 nicht ausreichte, um die Pneumokokken im Liquor auf- zulösen. Die Pneumokokken wuchsen nach 24 Stunden noch an.

Weiterhin wurde die desinfizierende Kraft einiger Präparate gegen Staphylokokkengranaten und Milzbrandsporen an Seidenfäden geprüft.

Im Staphylokokkengranatenversuch ergab sich, daß von ruud 700000 Staphylokokken nach 40 Minuten Einwirkung einer Emulsion 1:1000 alle Staphylokokken abgetötet waren, nach 20 Minuten gingen noch 9 Kolonien an.

Da wir von der -Arbeitshypothese ausgehen, daß es sich bei den Wirkungen der Fettsäuren um ähnliche Wirkungen handeln müsse, wie sie den sogenannten Lipoiden, die durch Aether oder Chloroform aus Pflanzen extrahiert sind, zukommt, so haben wir verschiedene Pflanzen- extrakte gekauft und uns aus Schöllkraut selbst Extrakte hergestellt. (Dr. Stickl). Diese Extrakte wurden in Emulsionen von 1:1090 mit Kochsalz nach Alkalisation auf pu 7,6 zusammen mit einigen von unseren Fettsäureemulsionen gegen Milzbrandbazillen geprüft. Es kamen zur Untersuchung Chaulmoograöl, Antileprol, Extractum Chelidonii ma- joris, Chelidonium purum, Chelidonium phosphoricum, Chelerythrin-San- guinarin; Chloroform und Actherauszüge von Extractum Chelidonii majoris, aus frischem gesammelten Schöllkraut und aus Rosenöl. Alle Extrakte töteten mehr oder weniger stark Milzbrandbazillen ab.

Es kam uns nun darauf an, die Wirkung der Fettsäuren in Ver- bindung mit Blut auf die Mikroorganismen zu untersuchen. Je 1 cem defibrinierten Kaninchenblutes und je 1 ccm defibrinierten Kaninchen- blutes, dem je ein Präparat im Verhältnis 1000:1 zugesetzt war. wurden je gleiche Mengen von Milzbrandbazillen, von zwei Stanhylo- kokkenstämmen, zwei Diphtheriebazillenstämmen, von Typhus-Flexner- ruhrbazillen und Choleravibrionen zugesetzt. Es zeigte sich eine deut- liche Wirkung auf die grampositiven Bakterien gegenüber den gran- negativen, die noch wesentlich gesteigert wurde, wenn das Fettsäure- präparat erst nach Zusatz der Keime beigefügt wurde. Gegenüber der natürlichen Bakterizidie des Blutes war die Wirkung auf die gram- positiven Keime erheblich gesteigert. |

Um nun die Wirkung unserer Präparate im strömenden Blut zu prüfen, wurde folgende Versuchsanordnung getroffen. Zu jedem Versuch wurden zwei gleich schwere, entweder männliche oder weibliche Tiere verwendet. In die Carotis wurde eine Glaskanüle eingebunden. Dann wurden die Tiere intravenös mit Bouillonkulturen infiziert und nach 1 Minute dem einen Tier 0,05 ccm des Fettsäurepräparates, in 20 cem

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Kochsalz emulgiert, intravenös injiziert, während das Kontrolltier nur 20 ccm Kochsalz erhielt. Im Abstand von je 2 Minuten wurden dann jedem Tier je 8 ccm Blut aus der Kanüle entnommen und in 2 ccm 3 Proz. Natrium citr. flüssig erhalten. Von diesen Blutproben wurden je nach 8 Minuten nach 1, 4 und 6 Stunden je zweimal 1 ccm zu Agarplatten verarbeitet und dann 24 Stunden resp. 48 Stunden be- brütet. Verwendet wurden Staphylokokken, Streptokokken, Diphtherie- bazillen, Milzbrandbazillen und Pneumokokken. Alle Versuche wurden mit je zwei Kaninchen zwei- oder dreimal wiederholt. Jedesmal zeigte sich in dem Blut der mit dem Fettsäurepräparat behandelten Tiere eine Abnahme der Keimzahl gegenüber der Kontrolle bis zu durch- schnittlich 1/,;.

Aussprache. Hahn (Berlin).

Neufeld (Berlin) fragt, ob schon Heilversuche mit denselben Stoffen an Tieren gemacht sind, die mit tödlichen Mengen solcher Erreger infiziert wurden, die in vitro gut beeinflußt werden.

Detre (Budapest): Der Vortragende sprach einmal über Fettsäurelösungen, andere Male über Fettsäureemulsionen. Wenn er in seinen Versuchen niedere Fett- säuren verwendet hat, so waren es Lösungen, wenn aber höhere, dann Emulsionen. Ich frage, welche es waren, die er verwendet hat?

Schnitzer (Berlin): Im Jahre 1921 haben bereits Lindenberg und Pestana (Zeitschr. f. Iminunitätsf. Bd. 32. S. 66) über Reagenzglasversuche mit den Fettsäuren des Chaulmoograüls und anderer Öle an Tuberkelbazillen und anderen säurefesten Bakterien berichtet und dabei die recht erhebliche bakterizide Wirksam- samkeit beschrieben. Was den Zusammenhang von Steigerung der bakteriolytischen Wirkung der Fettsäuren mit der Erhöhung der Oberflächenaktivität bei den höheren Homologen anlangt, so mag dieser für die lytische Fähigkeit zutreffen. Bei der bakteriziden Wirkung der Chinaalkaloide auf Pneumokokken, insbesondere bei der spezifischen Wirkung des Optochins ist nach den Untersuchungen Morgenroths und seiner Mitarbeiter das physikalisch-chemische Verhalten von untergeordneter Be- deutung. Der chemischen Konstitution des Kerns und der Seitenkette und der stereochemischen Konfiguration kommt der entscheidende Einfluß zu.

Prausnitz (Greifswald). Kraus (Wien).

Dresel (Schlußwort): Um bei den Emulsionen die Galle auszuschalten, wurden Emulsionen durch Zusatz von (? Menge Gelatine zu den Präparaten hergestellt. Bei den in Kochsalzlösung löslichen Präparaten wurden keine Emulsionen, sondern die Lösungen verwendet, falls sie nicht über 1:1000 hinausgingen. Ueber die im Gang befindlichen therapeutischen Tierversuche kann noch nichts berichtet werden.

8. M. Gutstein (Berlin): Zur Theorie der Hämolyse.

Seit den berühmten Untersuchungen Hamburgers über das Ver- halten der roten Blutkörperchen gegenüber anisotomischen Salzlösungen, insbesondere über die Hämolyse in hypotonischen Lösungen, hat man

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zur Erklärung dieser Tatsache sich zur Annahme genötigt gesehen, daß die Erytlirozyten der Säugetiere eine anatomische Membran besäßen. Des weiteren machten diese Versuche es notwendig, eine semi- permeable Membran anzunehmen, die für Wasser durchlässig, aber für Salze undurchlässig ist. Auch die Studien über die Permeabilitat der tierischen Zelle im allgemeinen und der roten Blutkörperchen im besonderen haben ebenfalls das Vorhandensein einer Membran zur un- bedingten Notwendigkeit gemacht. Wie wir seit Overton wissen. dessen Ergebnisse von zahlreichen Forschern bestätigt wurden. sind die Ervthrozyten (ebenso wie andere tierische Zellen) in der Haupt- sache nur für lipoidlösliche Körper durchlässig. Bezüglich der Permea- bilität der Salze sind bislang keine einmütigen Ergebnisse erzielt worden. Nur soviel scheint sicher, daß die Erythrozyten für die Kationen völlig undurchlässig sind, während bezüglich der Anionen die Ergeb- nisse der einzelnen Forscher voneinander noch abweichen (1). Jeden- falls steht aber soviel fest, daB von organischen Substanzen nur die lipoidlöslichen und außerdem Wasser in die Erythrozyten einzudrinzen vermögen. Zur Erklärung der Durchlässigkeit für lipoidlösliche Körper hatte Overton angenommen, daß die roten Blutkörperchen eine Lipoid- oder Fetthülle besäßen. Hiermit stand aber die Tatsache in Widerspruch, daß die tierischen Zellen auch für Wasser durchlässig sind, das durch eine Lipoidschicht nicht durchgehen würde. Aus diesem Grunde hat Nathanson (1) die Hypothese aufgestellt, daB die Mem- bran der tierischen Zelle aus einem Mosaik von Eiweiß und Lipoiden bestünde, wodurch dann die Durchlässigkeit für Wasser und lipoidlösliche Substanzen zwanglos sich erklären ließe.

Bezüglich des Baues der Erythrozyten ist Bechold (2) auf Grund mikrophotographischer Aufnahmen im Dunkelfelde zu der An- schauung gelangt, daß die roten Blutkörperchen aus einem Stroma be- ständen, in dem Proteide, Cholesterin und Lecithin, gequollen in physio- logischer Kochsalzlösung, adsorbiert sind. Nach Bechold kommt Hämo- lyse zustande, wenn durch irgendwelche Substanzen eine Entmischung dieser drei Körper erfolgt. Doch bemerkt Pincussen (3), daß die Becholdschen Anschauungen nicht ausreichten, und daB man zur Erklärung aller vorliegenden Beobachtungen um die Annahme eineı Erythrozytenmembran nicht herumkommt. Auch Berczeller (4) kommt in einer neueren Arbeit zu dem Ergebnis, daß die roten Blut- körperchen eine Lipoidmembran besitzen müssten.

Leider ist bisher der Nachweis dieser anatomischen Membran au den Erythrozyten, die wie gesagt, aus theoretischen Gründen ange- nommen werden muß, nicht einwandfrei gelungen. In einer neueren Arbeit, über die Kolloidtheorie der Hämolyse bezeichnen Herrmann und Rohner (5) diese Tatsache mit Recht als den wundesten Punkt in der ganzen Frage der Hämolyse.

In letzter Zeit konnten wir mit Ililfe neuerer Färbemethoden die Membran der Bakterien das sogenannte Ektoplasma nach- weisen (6). Mit ähnlicher Methodik ist es auch gelungen, am tier- ischen Gewcbe die Membran der Zelle, des Kernes und des Kern- körperchens nachzuweisen, und deren Bau als eine Lipoideiweib- verbindung zu charakterisieren (7). Der Versuch lag daher nahe, ob man mit diesen neuen Methoden auch an den Erythrozyten die hypo- N supponierte Membran nachweisen könnte. Das ist in der Tat er Fall.

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Nachweis der Membran!) (Demonstration).

An mit Alkoholäther fixierten Blutausstrichen gelingt es, mittels nachstehender Methoden eine Membran isoliert oder in einer Kon- trastfarbe zum Erythrozytenkörper darzustellen, und zwar

A) mittels substantiver Färbungen

a) saure Farbstoffe 1) Guineagrünmetliode: Leib hämoglobingelb, Membran grün, 2) Säureviolettmethode: Leib schwach violett bis gelblich, Membran dunkelviolett. Doppelfärbungen erhält man durch: 3) Pikrinsäure-Guineagrün: Leib gelb, Membran grün, 4) Guineagrün-Säureviolett: Leib grün, Membran violett. b) basische Farbstoffe 5) Gentianaviolettmethode: Leib hell, Membran dunkel- violett. 6) Viktoriablaumethode: Leib gelblich bis schwachbläulich, Membran blau und 7) eine Doppelfärbung durch die Erythrosin-Viktoriablau- methode: Leib rot, Membran blau. B) Mittels adjektiver Färbungen und zwar a) saure Beizen: 8) Tannin-Karbolfuchsin: Leib gelb, Membran rot: 9) Wasserblau-Tannin-Karbolfuchsin: Leib blau, Membran Tot; b) basische Beizen: 10) Eisenchlorid - Säureviolett: Leib gelblich, Membran violctt ; F 11) Erythrosin-Eisenchlorid-Säureviolett: Leib rot, Mem- bran violett.

Um dem Einwand zu begegnen, daß es sich bei den bisherigen Me- thoden eventuell um ein Kunstprodukt handeln könnte, dient die nach- stehende Methode.

C) Supravitaler fäberischer Nachweis der Erythro- zytenmembran.

Bringt man einen kleinen frischen Blutstropfen auf einen ge- reinigten Objektträger, fügt einige Oesen einer lproz. filtrierten Nil- blausulfatlösung zu und mikroskopiert unter einem Deckgläschen, so färbt sich die Membran der roten Blutkörperchen langsam hell bis dunkelblau, während der Leib gelblich bis grünlich bläu- lich erscheint. Nebenbei sei erwähnt, daß bei dieser Methode auch die granulierten Leukozyten eine schmale Zellmembran erkennen lassen, deren Kerne als 3—4—5 bläschenförmige Gebilde mit distinkter Membran hervortreten. Ebenso ist hierbei die Membran der Lymphozyten und Mononukleären isoliert ge- färbt (Demonstration).

Mit den erwähnten verschiedenen Färbemethoden gelingt es dem- nach, an den Erythrozvten des Menschen und anderer Säugetiere (Kaninchen, Maus, Meerschweinchen, Hammel) eine schmale kreis-

1) Die ausführliche Beschreibung der Färbetechnik nebst Abbildungen erscheinen in Folia Haematologica.

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förmige Membran als äußerste Begrenzungslinie des Körpers iso- liert oder in einer Kontrastfarbe darzustellen.

Man kann aber nun mit Recht den Einwand machen, daß die Erythrozytenmembran aus theoretischen Gründen als eine Hülle angenommen werden muß, die das ganze rote Blutkörperchen um- gibt, während die oben genannten Methoden nur eine kreisförmige Be- grenzungslinie erkennen lassen. Die Erklärung für diesen auffälligen Befund liegt nach meiner Meinung im folgendem: Nehmen wir der Einfachheit halber den Erythrozyten als ein kugelförmiges, sphärisches Gebilde an; dann stellt die Membran eine dünne Kugelschale dar. Stellt man nun einen Blutausstrich her, so befinden sich die Erythro- zyten als plattgedrückte Körper (Scheiben) auf dem Objektträger. In der äußeren Begrenzungslinie, einem größten Kugelkreis, des einzelnen Erythrozyten kommen dann die obere und untere Kalutte der Kugelschale zur Deckung, weil hier nur Membran sich befindet, während einwärts dieses Kreises der Erythrozytenkörper zwischen oberer und unterer Kalotte zu liegen kommt. ‘Bei Betrachtung durch das Mikroskop wird also nur die obere Kalotte sichtbar, während die untere (auf dem Objektträger direkt liegende) durch den Erythro- zytenlcib verdeckt wird. Da demnach in der äußeren Kreislinie die Membran sich in u Schicht befindet, so ist es verständlich, daß sie sich stärker als der Rest (der über dem Körper befindliche Teil der oberen Kugelschale) färbt. Wenn nun der Versuch unter- nommen wird, die Membran isoliert zu färben, so ist es aus den soeben erwähnten theoretischen Gründen nur in der Weise möglich. daß man die Färbung so einrichtet, daß sich die äußere kreisförmige 3egrenzungslinie intensiver färbt, weil in doppelter Schicht vorhanden. während der Rest, die obere Kugelschale, nur schwach oder gar nicht gefärbt erscheint. Würde man die Färbung solange fortsetzen , bis auch dieser Rest gefärbt ist, so würde der Erythrozyt als total ge- färbte Srheibe erscheinen. Aus solch einem Befunde könnte man aber nıcht den.Schluß ziehen, daß nur die Membran nicht aber der Erythro- zytenkörper hierbei dargestellt worden ist.

In diesem Zusammenhange dürfte es von Interesse sein darauf hin- zuweisen, daB bei der Darstellung der Bakterienmembran z. B. des Staphylokokkus ebenfalls nur eine kreisförmige Linie crhalten wird (6).

Chemischer Bau der Erythrozytenmembran.

Für die Theorie der Hämolyse ist cs von großer Bedeutung, den chemischen Bau der Membran zu kennen. Einen gewissen Aufschlub hierüber geben bereits die oben mitgeteilten Darstellungsmethoden. Aus der Tatsache, daß die Membran der roten Blutkörperchen einerseits mit sauren, andererseits mit basischen Farbstoffen gefärbt werden konnte, muß auf Grund der chemischen Theorie des Färbeprozesses der Schluß gezogen werden, daß sie mindestens zwei Substanzen, einem basischen (oxyphilen) und einen sauren (basophilen) Körper ent- halten müsse. Auf denselben Substanzen beruhen auch die mitge- teilten adjektiven Färbemethoden: Nach der an anderer Stelle ent- wickelten Theorie der Beizenfärbungen werden nämlich durch saure Beizen (Tanninvorbchandlung, Nachprüfung mit basischen Farb- stoffen), ein basischer Körper, und durch basische Beizen (Isisenchlorid, Nachfärbung mit sauren Farbstoffen) ein saurer Körper nachgewiesen (6).

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Genauere Aufschlüsse über die chemische Natur der sauren und basischen Substanz der Membran der roten Blutkörperchen geben Lösungsversuche.

Behandelt man einen fixierten Blutausstrich mehrere Stunden mit verdünnter Salzsäure, so ist nach dieser Vorbehandlung eine Ver- änderung im färberischen Verhalten der roten Blutkörperchen nicht nachweisbar: Die Membran läßt sich ebenso wie an unvorbehandelten Ausstrichen noch nachweisen. Da nach Unna (8) die sauren, baso- philen Eiweiße (Nukleoproteide, Globulin, Zytose) in verdünnter Salzsäure löslich sind, so macht es dieser Versuch wahrscheinlich, daß letztere Substanzen in der Erythrozytenmembran in größeren, Mengen nicht enthalten sein dürften.

Bringt man aber einen fixierten Blutausstrich für einige Zeit in eine schwach konzentrierte Salzsäurealkoholmischung, so verschwindet das Hämoglobin. Unter dem Mikroskop erscheinen die einzelnen roten Blutkörperchen nicht mehr gelblich, sondern als farblose Scheiben. Färbt man einen so vorbehandelten Blutausstrich mit sauren Farben (Säureviolett, Säurefuchsin), so zeigen die Erythrozyten im Zentrum ein kernähnliches Gebilde, eine fast ungefärbte äußere Zone an- scheinend der Sitz des gelösten Hämoglobins und eine schmale äußere Membran. Färbt man dagegen einen so vorbehandelten Blut- ausstrich mit dem basischen Farbstoff Viktoriablau, so zeigen die Erythrozyten einen schwachbläulichen Körper und eine breite doppelt konturierte Membran. Nach längerer und intensiverer Vor- behandlung eines fixierten Blutausstriches mit Salzsäurcalkohol läßt sich aber die Membran mit Viktoriablau oder anderen ba- sischen Farbstoff nicht mehr nachweisen, wohl aber erkennt man bei Färbung mit sauren Farbstoffen (Säureviolett) noch eine sehr dünne, ebenfalls doppelt konturierte Membran (Demonstration).

Diese Lösungsversuche, nämlich die Unlöslichkeit des sauren Körpers der Erythrozytenmembran in verdünnter Salzsäure und seine Löslichkeit in Salzsäurealkohol machen es ziemlich wahr- scheinlich, daß ein gebundenes saures Lipoid vorliegt. Daß die Membran kein freies Lipoid enthält folgt daraus, daB es durch Alkoholäther allein diese Mischung wurde zur Fixation benutzt nicht gelöst wird. Gebunden ist dieses saure Lipoid an einen ba- sischen Eiweißkörper, der nach Vorbehandlung mit Salzsäurealkohol mit sauren Farben nachgewiesen werden konnte.

Um welches Lipoid es sich handelt, geht eindeutig aus den physio- logisch-chemischen Analysen der Erythrozyten hervor. Nach den Er- gebnissen dieser sehr eingehenden Untersuchungen enthalten die roten Blutkörperchen der Säugetiere außer Hämoglobin und Eiweiß nur noch Cholesterin und Lecithin und außerdem geringe Mengen von anorganischen Salzen. Da nun Cholesterin mit basischen Farbstoffen nicht färbbar ist, so muß die Erythrozytenmembran gebundenes Lecithin enthalten. Daß aber letzteres mit basischen Farbstoffen sich färbt, konnte an Objektträgerausstrichen von chemisch reinem Lezithin nach- gewiesen werden (6).

Demnach dürfte die Membran der roten Blutkörperchen als eine Lezithineiweißverbindung Lezi(tho)proteid anzusprechen sein. Auf Grund dieser chemischen Zusammensetzung der Membran scheint mir die vorzugsweise Durchläßlichkeit der roten Blutkörperchen einer- seits für lipoidlösliche Substanzen und andererseits für Wasser er

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klärlich: Als Lezithineiweißverbindung vereinigt die Membran die Eigen- schaften eines Lipoids (Durchläßlichkeit für lipoidlösliche Körper) und eines Eiweißes (Durchläßlichkeit für Wasser).

Theorie der Hämolyse.

Werden gewaschene Erythrozyten z. B. vom Hammel mit Aqua destillata hämolysiert und streicht man nach scharfem Zentrifugieren das Sediment auf einem Objektträger aus, so erkennt man unter dem Mikroskop die bekannten „Schatten“. Sie erscheinen als helle, runde Schatten und lassen sich weder mit sauren noch mit basischen Farb- stoffen färberisch darstellen. Die Membran ist insbesondere mit basischen Farbstoffen nicht mehr nachweisbar. Dasselbe Ergeb- nis erhält man auch bei Immun-Hämolyse z. B. bei der kom- pletten Hämolyse der negativen Wassermannschen Reaktion. Wenn auch das Zustandekommen der spezifischen und unspezifischen Hämo- lyse wahrscheinlich auf verschiedenen Ursachen beruht, so führen je- doch beide Vorgänge zu dem gleichen Ergebnis. Es ist dann vom einzelnen Erythrozyten nur noch ein Stroma vorhanden, in dem durch Färbungen weder das Hämoglobin noch das Lezithin noch die Membran nachgewiesen werden kann. Dieses färberische Verhalten der hämolysierten roten Blutkörperchen, der sogenannten Schatten, macht es daher wahrscheinlich, daß es bei der Hämolyse zu einem Verlust der Membran, zum Austritt des Hämoglobins und des Lezithins gekommen ist.

Auf Grund dieser Versuche müßte demnach erwartet werden, dab im Hämolysat außer Hämoglobin auch Lezithin enthalten ist. Bereits im Gange befindliche Untersuchungen werden hierüber Aufschluß geben.

Literatur. 1) Zit. nach Hoeber, Physikal. Chemie der Zelle. Kap. 7. 2) Bechold. Münch. med. Wochenschr. 1921. 3) Pincussen, Oppenheimers Handb. d.

Biochemie. Bd. 4. S. 26. 4) Berezeller, Biochem. Ztschr. Bd. 133. 1922. 5) Herrmann u. Rohner, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. Bd. 107. 1925. S. 192. 6) Gutstein, Centralbl. f. Bakt. Abt. 1. Orig. Bd. 93, Bd. 94, Bd. 95. Heft 1. 7) Ders., Vortr. Pathol. Ges. Berlin. Klin. Wochenschr. 1925. Nr. 12. 8) Unna, Chromolvse. Abderhaldens Handb. d. biochem. Arbeitsmeth. Abt. 6. Bd. 2.

A. Dietrich (Köln): Versuche, eine Membran an Erythrozyten darzustellen, die schon oft gemacht sind, haben den Fehler, daß sie von der Art der Fixierung weitgehend abhängig sind, aber auch ohne Fixierung durch Adsorptionserscheinungen aut der Oberfläche entstehen, also nicht die Membran selbst darstellen. Auf anderen Wege, durch Betrachtung der Blutkörperchen und Blutschatten im Dunkelfeld. bin ich zu der Auffassung der Blutkörperchen als Plasmabläschen gekommen, ähnlich Bechhold. Die Membranfrage scheint damit zugleich gelöst.

J. Schumacher (Berlin): Die von dem Vortr. als fragliche Kerne und doppelt konturierte Membran erklärten Gebilde, die er bei Vorbehandlung roter Blut- körperchen erhielt, dürften hier wohl als Kunstprodukte anzusehen sein, da nach meinen Erfahrungen viele Zellen zwar eine Vorbehandlung ohne wesentliche Schädigung ihrer Morphologie gestatten, nicht aber die bekanntlich so außerordentlich empfindlichen Erythrozyten. Solche Fragen dürften gerade bei diesen nur mit der Vitalfärbung zu entscheiden sein. Ferner muß darauf hingewiesen werden, daiè die Darstellung der Membran tierischer Zellen bekaunt ist, unter anderem von K.Unna jr. schon vor 15 Jahren veröffentlicht wurde und auch der Nachweis des Ektoplasmas der Bakterien mit Tannin und Nachfärbung mit basischen Farben schon Eisenberg bekannt war.

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Gutstein (Schlußwort): Gegenüber den Einwendungen des Herrn Dietrich möchte ich betonen, daß sämtliche Darstellungsmethoden zu dem gleichen Er- gebnis geführt haben, nämlich zur Sichtbarmachung eines kreisförmigen Ringes unı die Erythrozyten. Insbesondere glaube ich, daß die Methode der supravitalen Färbung im frischen Blutstropfen mit Nilblausulfat die Möglichkeit eines Kunstproduktes sehr unwahrscheinlich macht. Daß aber die Darstellung der Erythrozytenmembran aus theoretischen Gründen nur in der Form eines Kreises erfolgen kann, habe ich in meinem Vortrag zu erklären versucht. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dal von autoritativen Hämatologen (Hans Hirschfeld) der Nachweis der Erythro- zytenmembran als gelungen bezeichnet worden ist.

9. J. Schumacher (Berlin): Zum Nachweis der Lipoide in Zelle und Gewebe.

Zusammenfassung

(die Arbeit erscheint ausführlich an anderer Stelle):

Zum Nachweis der Lipoide in Zelle und Gewebe dienen uns bis jetzt im wesentlichen drei Methoden:

1) die Methode der Säurehydrolyse,

2) die Methode der Nukleinsäureblockierung,

3) die Methode der Basenfärbung.

Das Prinzip der ersten Methode besteht darin, daß eine der Zell- färbung vorausgehende Behandlung der Zellen mit Mineralsäuren (Säure- hydrolyse) diesen alle sauren Fiweiße entzieht mit Ausnahme der Lipoide und Lipoideiweißverbindungen (Lipoproteide), worauf alsdann diese bei der Färbung mit den typischen Lipoidfärbern (Fuchsin, Gen- tianaviolett, Malachitgrün, Viktoriablau) zur Darstellung gebracht werden können. Freie Lipoide werden von Lipoideiweißverbindungen durch eine Vorbehandlung mit Alkohol und Acther unterschieden, in denen die Lipoideiweißverbindungen unlöslich sind, die einzelnen Li- poide durch ihr verschiedenes Verhalten zu den verschiedenen lipoid- lösenden Reagentien. Das Prinzip der zweiten Methode besteht darin, daB man die wässerigen Farblösungen der Lipoidfärber mit hefe- nukleinsaurem ‘Natrium in geeigneter Weise behandelt, wodurch eine Blockierung der Nukleinsäure eintritt und solche Farblösungen jetzt bei Gegenwart von Nukleinsäure und Nukleinsäure- eiweißverbindungen ausschließlich Lipoide und deren Lipoid- eiweißverbindungen zu färben vermögen. Das Prinzip der dritten Methode. basiert auf der Tatsache, daß die Farbbasen der Lipoidfärber wasserunlöslich, aber stark lipoidlöslich sind, aus welchem Grunde auch hierbei nur eine Färbung der Lipoide und Lipoproteide zustande kommt, Bei Verwendung ihrer Lösungen in Xylol, Eukalyptol, Chloroform und anderen ‚Lösungsmitteln werden nur Lipoideiweißverbindungen gefärbt.

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10. Gegenbauer (Wien):

Studien über den Desinfektionswert der gebräuchlichsten Desinfektionsflüssigkeiten.

Mit 2 Kurven im Text.

Zu einer exakten Beurteilung des Desinfektionswertes von Des- infektionsflüssigkeiten, d. i. von Lösungen, Emulsionen und Suspen- sionen chemischer Desinfektionsmittel ist es notwendig, daß sowohl die Wirkungsgleichungen dieser Desinfektionsflüssigkeiten als auch das gegenseitige Verhältnis der Konstanten dieser Wir- kungsgleichungen bekannt sind.

Die Wirkungsgleichungen hat Reichel (1, 2) in der vorliegenden Form zur Beschreibung und Erklärung der Desinfektionsvorzänge ın die Desinfektionsmittelforschung eingeführt. Diese Gleichungen be- schreiben die Beziehung zwischen Desinfektionsdauer (T) und IXonzen- tration der Desinfcktionsflüssigkeit an Desinfektionsmitteln (Pò und haben die allgemeine Form T.P"r = R oder T™. P =D; das heißt, das Produkt der beiden Variablen, Desinfektionsdauer und Konzentratiun. von denen die eine Variable einen konstanten Exponenten trägt, isi konstant. Es sind dies die Gleichungen von hyperboloiden Kurven, deren Krümmung durch den Exponenten charakterisiert wird. Solche Kurven werden Wırkungskurven genannt. .

Die erste Schreibweise T P? == R., in welcher R die Resistenzkonstante dir Keime gegen das Mittel bedeutet, empfiehlt sich praktisch für jene Fälle. in deren die Zeit berechnet werden soll, die eine gegebene Konzentration zur Erreichung der Desinfektionswirkung benötigt. Die zweite Schreibweise T™.P = D, in welcher D die Dosiskonstante des Mittels gegen die Keime darstellt, ist namentlich für jeune Fälle geeignet, in welchen die Konzentrationen berechnet werden sollen, durch die in einer bestimmten Zeit die Desinfektionswirkung erzielt wird. Sie ist daher die für dir Beurteilung des Desinfektionswertes der einzelnen Desinfektionsflüssigkeiten brauch- barere Form, da gewöhnlich jene Konzentrationen verglichen werden sollen, durch welche in der gleichen Zeit eine Desinfektionswirkung erreicht wird.

Die Beziehung von Dosiskonstante zur Resisteuzkonstante ist durch die Gleichung D = kn _ Rm und R=D'™ = D” gegeben.

In zweı Fällen werden die Wirkungsgleichungen eine andere als die eben be- schriebene Form aufweisen, einerseits dann, wenn das Desinfektionsmittel in gr- wissen Konzentrationen überhaupt nicht desinfizierend wirkt; andererseits in jenem Fall, in dem die Desinfektionswirkung auf einer rasch sich yollziehenden chemi- schen Bindung beruht. In dem ersteren Falle werden die Gleichungen die Form T-(P—p)" = R annehmen, wobei p die oberste Grenze jenes Konzentrationsbereiches bezeichnet, innerhalb dessen das betreffende Desinfektionsmittel keinerlei desinfizierende Wirkung entfaltet. In letzterem Falle wird die Gleichung jenseits einer bestimmten Konzentrationsgrenze einfach T = R lauten.

Zur Aufstellung der Wirkungsgleichungen ist die Bestimmung des numerische. Wertes des Exponenten n und des numerischen Wertes der Resistenz- bzw. Dosis- konstante R bzw. D erforderlich.

Zur Ermittlung des numerischen Wertes des Exponenten n wird in jedem

Versuche bei jeder der geprüften Konzentrationen das Produkt T.P?” für ver- schiedene n-Werte berechnet. Diese Berechnung wird sowohl für die höchsten Aun- wachsungszeiten wie für die niedersten sicheren Abtötungszeiten durehgeführt. Durch eine derartige Berechnung erhält man für jeden n-Wert zwei Zahlenreihen, eine für die höchsten Anwachsungszeiten Minimalwerte und eine für die niedersten sicheren Abtötungszeiten Maxımalwerte Jener n-Wert, bei welchem die Kinzelzahlen jeder dieser beiden Zahlenreihen untereinander die beste Uebereinstimmung aufweisen, ist der für den vorliegenden Fall gerignetste. Das arithmetische Mittel der

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Fee n-Werte aller Versuche wird nach entsprechender Abrundung als der der \ r ungagleicaung der vorliegeuden Desinfektionsflüssigkeit zukommende n-Wert ge- wählt.

Die rechnerisch elegante und vollkommen ausreichende Ermittelung der n-Werte ist in der Arbeit von Kanao (3) beschrieben.

Wurden nur wenige Versuche ausgeführt, so wird als numerischer Wert tür die Resistenz- bzw. Dosiskonstante einfach eine Zahl genommen, die entsprechend höher ist, als der höchste berechnete Minimalwert.

Liegen genügend zahlreiche Versuche mit kleinen Ueberimpfungszeiten vor, so kann man die Konstanten nach der Streuungsberechnung ermitteln. Voraussetzung für eine derartige Berechnung ist natürlich, daß die Streuung der Werte eine zu- fällige, der Binomialkurve folgende ist.

In diesem Falle wird in der üblichen Weise die Streuung der vergleichbaren Einzelwerte der Desinfektionsdauer für jene Konzentration berechnet, für welche die meisten Beobachtungen vorliegen. Am bequemsten wird diese Berechnung für die Konzentration 1:0 Proz. ausgeführt, weshalb stets zu trachten ist, möglichst viele Fest- stellungen für diese Konzentration zu besitzen. Als Einzelwerte der Desinfektions- dauer wird der Mittelwert zwischen der höchsten Anwachsungszeit und der niedersten sicheren Abtötungszeit genommen.

Zunächst wird das arithmetische Mittel M dieser Einzelwerte und hierauf die

| La? Standardabweichung o = + y

, bzw. wenn wenig Beobachtungen vorliegen o =

n 2

+ berechnet. in welchem Ausdrucke a die Einzelabweichungen vom arithmeti-

n—1 schen Mittel und n die Anzahl der Einzelfeststellungen bezeichnet.

Der mittlere Wert ist dann M + s. Das Verhältnis von o zu M ist, in Pro- zenten ausgedrückt, der Variationskoeffizient v. Der maximale Wert der Resistenz- bzw. Dosiskonstante ist M + 49, wenn man eine Wahrscheinlichkeit des Nichtzutref- fens noch zuläßt, die kleiner ist, als 1:10000.

Ob die Streuung der Werte eine zufällige, der Binomialkurve folgende ist, kann in einer für unseren Fall hinreichend genauen Weise dadurch beurteilt werden, daß man mit Hilfe einer Tabelle, welche die Binomialkurve wiedergibt, die theoretische oder ideale Streuung berechnet und diese mit der tatsächlich gefundenen vergleicht.

Bisher wurden solche Wirkungsgleichungen auf Grund von Des- infektionsmittelversuchen für wässerige Lösungen von Wasserstoffsuper- oxyd [Reichel (4)], Phenol [Reichel (1)], von Salzsäure [Gegen - bauer und Reichel (5)], von Sublimat, von Formaldehyd |Gegen- bauer (6, 7)], von einzelnen Kresolseifenpräparaten [Reichel (2)] und von Ortho-, Meta-, Parakresol [Kanao (3)] aufgestellt.

Reiche! fand für suspendierte Keime bei Angabe der Desinfektionsdauer in Minuten als Gleichung für die Desinfektionswirkung von wässerigen Lösungen des Wasserstoffsuperoxydes gegenüber Typhusbazillen und coliähnliche Stämmen T. P05 = R; von wässerigen Lösungen des Phenols gegenüber Typhusbazillen T.(P 0,23)‘ = 0,6, gegenüber Staphylokokken T.(P - 645) = 4,5; von wässerigen Lösungen der Kresolseifenpräparate gegenüber Staphylokokken TP = 16. Gegen- bauer und Reichel gaben als Wirkurgsgleichu:gen für wässerige Salzsäure-Koch- salzgemische mit einem Kochsalzgehalt von 10 Proz. gegenüber suspendierten Milz-

brandsporen bei Temperaturen von 20—24°CT u bei Temperaturen von 25 bis 40"CT = e011 (30°—t°) an, wobei die Desinfektionsdauer in Stunden an-

gegeben ist. Gegenbauers Gleichungen für wässerige Sublimatlösungen sind ver- schieden, je nachdem die desinfizierten Keime hinterher mit Schwefelwasserstoff oder Sulfiden in Berührung kommen oder nicht. Im ersteren Falle lauten sie für suspen- dierte Keime bei Angabe der Desinfektionsdauer in Tagen gegenüber Staphylokokken

1, T = pos:

Staphylokokken T = 0.125, gegenüber Milzbrandsporen T = 10. Für die Desinfek- tionswirkung von wässerigen (aus Formalin hergestellten) Formaldehydlösungen gegenüber

gegenüber Milzbrandsporen T = 105, in letzterem Falle gegenüber

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an Seidenfäden angetrockneten Staphylokokken gibt Gegenbauer die Gleichuug T.P = 130, gegenüber an Seidenfäden angetrockneten Milzbrandsporen T.P = 5%) an, wobei die Desinfektionsdauer in Minuten angegeben ist. Kanaos Gleichurgen für die Desinfektionswirkung wässeriger Lösungen des Ortho-, Meta- und Parakresols gegenüber suspendierten Staphylokokken lauten TIA. P = 0,73-—0.67, TA. P = 0,:0—0,8, T1/5,P = 0,76—0,S0, wobei die Desinfektionsdauer ebenfalls in Minuten angegeben ist.

Durch die angeführten Arbeiten sind wohl die Wirkungsgleichungen der genannten Desintektionsflüssigkeiten ermittelt worden, nicht aber mit hinlänglicher Genauigkeit das gegenseitige Verhält- nis der Konstanten dieser Gleichungen, da ja die einzelnen Autoren nicht mit dem gleichen Testmaterial und zum Teil auch nicht nach der gleichen Methodik gearbeitet haben.

Diese Arbeiten sind daher zu einer exakten Beurteilung des Desinfektionswertes der gebräuchlichsten Desinfck- tionstlüssigkeiten nicht vollständig ausreichend und be- dürfen in dieser Beziehung einer Ergänzung.

Die vorliegenden Untersuchungen verfolgten nun den Zweck, die Wirkungsgleichungen anderer häufig verwen- deter Desinfektionsflüssigkeien, wie der wässerigen Lösungen von verschiedenen Kresolseifenpräparaten wie Lysol; Neolysol; Halv- lyxyl; verschiedener als Sapokresol, Liquor eresoli saponatus, Cresolum saponatum bezeichneter Präparate —, verschiedener Formaldehydseifen- präparate, einer alkalischen Kresollauge, der wässerigen Emulsionen von zwei Kreolinpräparaten und der Kalkmilch zu ermitteln und das gegenseitige Verhältnis der Konstanten dieser Wir- kungsgleichungen mit hinlänglicher Genauigkeit festzustellen, um so zu einer exakten Beurteilung des Desinfektionswertes der gebräuch- hehsten Desinfektionsflüssigkeiten zu gelangen.

Zu diesem Zwecke wurden bei 200 C Versuche mit einem be- stimmten Staphylokokkenstamm als Vertreter der nichtsporen- bildenden Krankheitskeime und mit einem bestimmten versporten Milzbrandstamm als Vertreter der sporenbildenden Krankheitskeime ausgeführt. Die Versuche mit dem Staphylokokkenstamm wurden sowohl nach der Suspensionsmethode wie nach der Methode mit Leinenläppchen, jene mit dem Milzbrandstamm nur nach der Methode mit Leinenläppchen ausgeführt.

Zur Bereitung der Keimaufschwemmungen wurden mit Staphylokokken beimpfte Schrägagarröhrehen 2 Tage lang, mit Milzbrandsporen beimpfte Weizenextraktagar- röhrchen 14 Tage lang im Brutschrank belassen, hierauf die Rasen jedes Röhrcheos mit 4 ccm sterilem destillierten Wassers abgespült und die erhaltenen Keinen. mungen durch sterile leinwandfilter filtriert. Bei den Suspensionsversuchen wurde: in jeder Versuchsreihe 5 cem Keimaufschwemmung mit der gleichen Menge Des- infektionsflüssigkeit von der doppelten Konzentration an Desinfektionsmittel, als in der betreffenden Versuchsreihe geprüft werden sollte, versetzt und aus dem Gemisch Keinaufsehwemmung-Desinfektionstiüssigkeit zu bestimmten Zeiten je eine Oese au: das Nährmedium abgeimpft. Zur Bereitung der beimpften Läppehen für die l.äppchenversuche wurden Leinenläppehen mit je einem Tropfen Keimaufschwenimusg getränkt und bis zum gerade noeh feuchten Zustand bei 360 C getrocknet. Die be- impften Läppehen wurden in die Desinfektionsflüssigkeit eingelegt, wobei darauf g- achtet wurde, daß nieht irgendwo an den Läppehen Luftbläschen hafteten, nach be- stimmten Zeiten herausgenommen, gewaschen und sodann in ein Nährmedium ülwr- tragen.

Die Art des Waschens der Läppcehen war je nach dem Desinfektionsmittel ver- schieden. Bei Kresolseifenpräparaten, Kreolinpräparaten und der untersuchten alkali- schen Kresollauge wurden die Leinenläppehen bloß mit sterilem destillierten Wasser

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abgespült; bei Formalin und Formaldehydseifenpräparaten entweder zuerst in 0,5proz. wässeriger steriler Ammoniaklösung und hernach in sterilem destillierten Wasser ge- schwenkt oder für eine Stunde in eine O5proz. wässerige sterile Ammoniaklösung oder für die gleiche Zeit in eine 5proz. wässerige Natriumsulfitlösung eingelegt und hernach mit sterllem destillierten Wasser abgewaschen. Bei Kalkmilch wurden die Läppchen zuerst in O,5proz. wässeriger Salzsäurelösung und hernach in sterilem destillierten Wasser geschwenkt. Das Nährmedium zur Nachkultur bestand bei den Versuchen mit Staphylokokken aus 3proz. Traubenzuckerbouillon, bei den Versuchen mit Milz- brandsporen aus Albuminbouillon (0,1 g Albumin auf 10 ccm Bouillon).

Die verwendete Bouillon war nach dem zur Versuchszeit im Hvgienischen In- stitute üblichen Bereitungsverfahren Ersatz des Fleisches durch Plazenta her- gestellt worden. Die Nachkultur wurde 14 Tage beobachtet

Die Konzentrationsangaben sind als Gramme in 100 cem Desinfektionsflüssigkeit zu verstehen.

Die Menge der in das Nährmedium übertragenen Keime wurde aus der Keim- zahl der Aufschwemmung und ans dem festgestellten Gewicht der durch eine Oese bzw. durch ein Leinenläppehen übertragenen Menge Flüssigkeit berechnet. Die Fest- stellung der letzteren erfolgte in der Weise, daß das Gewicht eines Gefäßes, in welchem sich eine Keimaufschwemmung befand, vor und nach dem Herausnehmen von 10 Oesen, bzw. das Gewicht von 10 Läppehen vor und nach dem Beimpfen mit je einem Tropfen einer Keimaufschwemmung bestimmt wurde. Es wurde ermittelt, daß durch eine Oese 0,003 cem, durch ein Leineuläppchen 0,07 cem der Keimaufschwem- mung in das Nährmedium übertragen werden.

Die Keimzahl der verwendeten Keimaufschwemmung wurde durch Einsaat von 1 ccm einer 10°-, 106-, 10°-fachen Verdünnung dieser Keimaufschwemmung in flüssigen Agar von 429 C. Ausgießen desselben in Petrischalen und Zählen der auf- gegangenen Keime nach 1Sstündiger Bebrütung bestimmt. Die Keimzahl der ver- wendeten Staphylokokkenaufschwemmung schwankte zwischen 100 und 1550 Millionen Keimen in 1 ccm Aufschwemmung; jene der in den Nährboden übertragenen Keime bei den Versuchen nach der Suspensiousmethode zwischen 0,3 und 5.6 Millionen Keimen, bei den Versuchen nach der Läppchenmethode zwischen 7,0 und 129,5 Mill. Keimen. i

Die verwendete Milzbrandsporenaufschwemmung hatte 2960 Millionen Sporen in L ccm; die in den Nährboden überimpfte Keimmenge betrug hier 200 Millionen Sporen.

Die verwendeten Staphvlokokkenaufschwemmungen wurden stets auf ihre Re- sistenz gegenüber lproz. wässeriger Phenollösung geprüft. Diese schwankte im Sus- pensionsversuch zwischen 40 und 100 Minuten, ım Läppchenversuch zwischen 120 und 160 Minuten.

Im ganzen wurden 145 Versuche ausgeführt. Von diesen Versuchen dienten 135 Staphylokokkenversuche zur Ermittelung der Wirkungs- gleichungen der einzelnen Desinfektionsflüssigkeiten und zum Vergleich der Desinfektionswirkung einerseits der untersuchten Kresolscifenprä- parate, Kreolinpräparate und der untersuchten alkalischen Kresollauge mit jener des untersuchten Lysols, andererseits der untersuchten Formal- dehydseifenpräparate mit jener von Formalin von bekanntem Formal- dehydgehalt. In 7 eigenen Versuchen mit Staphylokokken wurde das gegenseitige Verhältnis der Konstanten der Wirkungsgleichungen von wässerigen Lösungen von Lysol und von Formalin sowie von Kalk- milch festgestellt. indem in jedem dieser Versuche alle diese Desinfek- tionsflüssigkeiten gegenüber Keimen derselben Keimaufschwemmung ge- prüft wurden. Aus den drei Versuchen mit Milzbrandsporen ließen sich sowohl die Wirkungsgleichungen der untersuchten Desinfektionsflüssig- keiten, als auch das gegenseitige Verhältnis ihrer Konstanten ermitteln, da alle Versuche mit Sporen derselben Aufschwemmung ausgeführt wurden 1).

Zunächst wurden Desinfektionsversuche mit supendierten und mit an Leinen- läppchen angetrockneten Staphylokokken ausgeführt.

1) Aus Ersparungsgründen sind nur die hauptsächlichsten dieser Versuche im Anhange in Tabellenform wiedergegeben.

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Es wurde die Desinfektionswirkung wässeriger Lösungen von Lysol (Firma Raupenstrauch-Wien) und von anderen Kresolseifenpräparaten für die Konzentrationen 2.0proz., 1Oproz. und Ooproz. in 36 bzw. 42 Versuchen untersucht. Zur Nach- prüfung älterer eigener Versuche (7) wurde die desinfizierende Wirksamkeit von Formalinlösungen mit einem 2.0proz., 1.0proz. und O5proz. Formaldehydgehalt in 13 Versuchen geprüft. Im Anschluß an diese Versuche wurden in genau derselben Versuchsanordnung mit 14 in Wien zum Verkauf gelangenden Formaldehvdsciien- präparaten Desinfektionsversuche (33 Versuche) angestellt. Die nächste Versuchs- reihe beschäftigte sich mit der Ermittlung der Desinfektionswirkung von wässerigen Lösungen einer alkalischen Kresollauge (2 Versuche) und von wässerigen Emulsionen zweier Kreolinpräparate (4 Versuche). Bei diesen Versuchen wurden die Desinfek- tionswirkung der Kresolseifenpräparate, der alkalischen Kresollauge und der Kreolin- präparate mit jener des untersuchten Lysols, die Desinfektionswirkung der Form- aldehvdseifenpräparate mit jener von Formalin von bekanntem Formaldehydgebalt ver- glichen.

Sodann gelangten Versuche mit an Läppchen angetrockneten Milzbrand- sporen, die auf Weizenextraktagar gezüchtet waren, zur Ausführung. In 3 Ver- suchen wurde die Desinfektionswirkung von wässerigen Formalinlösungen mit einem 2 Vproz., 1,0proz. und 0,5proz. Formaldehydgehalt, von 2,0proz., 1,0proz. und 0,5prur.

wässerigen ae und von 1,0—20,Vproz. Kalkmilch geprüft.

Bei den Desinfektionsversuchen mit Formalin ergab sich, daß bei allen drei ge- wählten Formen der Nachbehandlung Schwenken in 0,5proz. wässeriger steriler Am- moniaklösung, einstündiges Einlegen in eine 0.5proz. wässerige sterile Amınoniak- lösung, Istündiges Einlegen in eine 5proz. wässerige Natriumsulfitlösung an- nähernd dieselben Versuchsergebnisse erhalten wurden, in Uebereinstimmung mit Hailer (S), der nur bei Nachbehandlung durch langdauerndes Einlegen in eine Natriurmsulfitlösung Verlängerung der Anwachsungszeit fand, wobei die Versuchs- reihen sehr unregelmäßige Befunde ergaben, so daß man annehmen muß, daß hier nur mehr wenige Sporen keimfähig waren. Nach den vorliegenden Versuchen hat keine der angewendeten Methoden der Nachbehandlung einen Vorteil vor der anderen.

Schon durch die bloße Betrachtung der Ergebnisse dieser Versuche ließen sich gewisse Schlüsse ziehen.

So ergaben die Versuche mit Staphylokokken ohne weiteres, dab:

1) alle untersuchten Kresolseifenpräparate ungefähr dieselbe des- infizierende Wirksamkeit aufweisen,

2) die Desinfektionswirkung der untersuchten Formaldehvdseiten- präparate deren Formaldehydgehalt entspricht.

3) eine Dproz. wässerige Lösung der untersuchten alkalischen Kresol- lauge ebenso desinfizierend wirkt wie eine 0,5proz. wässerige Lösung von Lysol,

4) wässerige Emulsionen des einen Kreolins in 2proz., des anderen Kreolins in 5proz. wässeriger Emulsion dieselbe desinfizierende Wirk- samkcit aufweisen wie 1proz. wässerige Lysollösungen.

Die Versuche mit Milzbrandsporen zeigten, daß von den unter- suchten Desinfektionsflüssigkeiten wässerige Lösungen von Lysol und Formalin, Kalkmilch nur wässerige Lösungen von Formalin für die Desinfektion gegenüber Milzbrandsporen geeignet sind, da nur diese Lösungen innerhalb der für die Praxis in Betracht kommeaden Konzentrationen und Einwirkungszeiten cine desinfizierende Wirkung gegenüber Milzbrandsporen aufweisen.

Sowohl aus den Staphvlokokken- wie aus den Milzbrandsporen- versuchen ergab sich, daß die desinfizierende Wirksamkeit der Kaik- milch unabhängig von ihrem Gehalt an ungelöstem Kalziumhydroxvd ist.

Ein ersichtlicher Zusammenhang zwischen Abtötungszeit und über- impfter Keimmenge bestand nicht. Dies ist aus der folgenden Uebersicht zu erschen, in welcher die beobachteten niedersten Abtötungszeiten bei verschiedenen Dichten der Keimaufschwemmungen für die Versuche

11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925. * 193

mit 1,0proz. wässeriger Lysollösung und mit Formalinlösungen von einem 1,0proz. Formaldehydgehalt angegeben sind:

a) 1.Oproz. wässerige Lysollösung.

Keimzahl der Auf- Beobachtete niederste Abtötungszeit

schwemmung in Mill. Suspensionsversuche | Läppchenversuche 170— 300 12, 2,2 140, 120 301— 500 2, 4, 4, 2, 6, 6 140 501— 700 6, 8, 4, 6, 4, 2, 4, 4, 4,

10, 2, 4 140, 80, 120

701—1100 '6, 5, 8 . 100 1101—1300 2,4, 8, 2, 4, 20 100, 120, 120, 140, 160 1301—1850 42.2224 | 100, 80, 80, 160

b) 1,0proz. wässerige Formaldehydlösung.

Keimzahl der Auf- Beobachtete niederste Abtötungszeit

schwemmung in Mill. Suspensioneversuche | ___Läppchenversuche 100— 300 Teo, 60, 80, 80, 120, 120 | 140, 100, 120 301— 500 |120, 80 |120 501— 800 ‚80, 60, 80 | 120, 160, 160 801—1121 | 80, 120 ‘140, 120

Aus dieser Tatsache ergibt sich einerseits, daB bei der gewählten Versuchsanordnung die Keimzahl der Keimaufschwemmung stets gruß genug war, um eine Abhängigkeit zwischen überimpfter Keimmenge und Abtötungszeit zu vermeiden, andererseits, daß zufolge dieser Un- abhängigkeit die Einzelversuche der mit den verschiedenen Desinfektions- flüssigkeiten angestellten Versuchsgruppen ohne weiteres untereinander vergleichbar sind.

Da außerdem, wie angeführt wurde, wässerige Lösungen von Lysol und von Formalin sowie Kalkmilch in 7 Versuchen gegenüber Sta- phylokokken und in 3 Versuchen gegenüber Milzbrandsporen derselben Keimaufschwemmung in einer Versuchsanordnung geprüft wurden, so waren alle Vorbedingungen erfüllt, um das Ergebnis der vorliegenden Versuche zu einer exakten Beurteilung des Desinfektionswertes der untersuchten Desinfektionsflüssigkeiten ver- werten zu können.

Zunächst wurde die Form der Wirkungsgleichungen der untersuchten Desinfektionsflüssigkeiten ermittelt.

Für Kalkmilch konnte sie aus den Ergebnissen der Versuche ohne weitere Berechnung aufgestellt werden. a sich die desinfizierende Wirksamkeit der Kalkmilch als unabhängig von ihrem Gehalt an un- elöstem Kalziumhydroxyd ergeben hatte, müssen die Wirkungs- sleichungen sowohl gegenüber Staphylokokken wie gegenüber Milzbrand- sporen, die an Läppchen angetrocknet sind, einfach T = R bzw. T=D auten.

Für die übrigen Desinfektionsflüssigkeiten mußte hierzu erst der Exponent n berechnet werden. :

Bei der Berechnung der 30 berechenbaren Lysolsuspensionsversuche mit Staphylo- kokken wurde als Wert für den Exponenten n die Zahl 5 ermittelt. Der Unter- schied gegenüber dem von Reichel (2) angegebenen Werte 4 ist jedenfalls als gering zu e wenn man bedenkt, daß die einzelnen Lysolchargen kleine Unterschiede im Gehalt an Kresolen aufweisen können.

Erste Abt. Orig. Bd. 97. Beiheft. 13

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Bei der Berechung der 20 berechenbaren Lysolläppchenversuche mit Staphylo- kokken wurde für den Ex onenten n der Wert 3 erhalten.

Die Durchrechnung der 17 berechenbaren Formalinsuspensionsversuche und der 10 berechenbaren ls schenversuche mit Staphylokokken sowie der 5 berechen- baren Formal Douche mit Milzbrandsporen ergab eine vollständige Ueber- einstimmung mit den eigenen früheren Angaben. Auch hier wurde gefunden, daß der Exponent den Wert 1 hat.

Obwohl mit der untersuchten alkalischen Kresollauge und den untersuchten Kreolinen nur wenige Versuche ausgeführt wurden (2 bzw. 4), so ließen sich die Exponenten doch mit ziemlicher Genauigkeit bestimmen, da die Versuche unter- einander eine weitgehende Uebereinstimmung zeigten. Es ergab sich, daß als Ex- ponent n für die Wirkungsgleichungen der untersuchten Kreoline gegenüber an Läpp- chen angetrockneten Staphvlokokken der Wert 3, für die Wirkungsgleichungen der Ben alkalischen Kreosollauge gegenüber denselben Keimen der Wert 2 am besten palit.

Die Berechnung ergab somit, daß die Wirkungsgleichungen der wässerigen Lösungen des Lysols, des Formalins, der untersuchten alka- lischen Kresollauge und der wässerigen Emulsionen der untersuchten Kreolinpräparate folgende Form haben:

T:P5=R bzw. T1/5.P=D für wässerige Lösungen von Lysol gegenüber Staphylokokken in Aufschwemmung;

T-P3 =R bzw. T1/3.P=D für wässerige Lösungen von Lysol gegenüber Staphylokokken, die an Leinenläppchen angetrocknet sind;

T-P=R bzw. T-P=D für wässerige Lösungen von Formalin gegenüber Staphylokokken in Aufschwemmung, gegenüber Staphylo- kokken, die an Leinenläppchen angetrocknet sind, und gegenüber Milz- brandsporen, die an Leinenläppchen angetrocknet sind;

T-P? =R bzw. Ti1/2.P = D für wässerige Lösungen der unter- suchten alkalischen Kresollauge und

T-P3 =R bzw. T18.P =D für wässerige Emulsionen der unter- suchten Kreolinpräparate gegenüber Staphylokokken, die an Leinen- läppchen angetrocknet sind.

Bei den Lysolläppchenversuchen mit Staphylokokken wurde also ein kleinerer Wert für den Exponenten n erhalten, wie bei den Lysol- suspensionsversuchen mit Staphylokokken. Es nimmt daher die Des- infektionsdauer gegenüber Staphylokokken, die an Läppchen angetrocknet sind, mit steigender Konzentration verhältnismäßig weniger ab, als jene gegenüber Staphylokokken in Aufschwemmung. Somit müssen erstere Keime mit steigender Konzentration von relativ weniger Kresol un- mittelbar umgeben sein als letztere, was für eine Adsorption von Kresol an die Läppchen spricht.

War so die Form der Gleichungen bestimmt, so galt es nun die Werte für die Resistenzkonstanten R und die Dosiskonstanten D fest- zusetzen.

Diese Werte ließen sich nur für die Läppchenversuche mit wässerigen Lysol- und Formalinlösungen nach der Streuungsberechnung ermitteln, da nur bei diesen Versuchen die Streuung der erhobenen Werte leidlich eine zufällige, der Binominalkurve folgende war. Bei den Suspensionsversuchungen und bei den übrigen Läppchenversuchen waren diese Werte namentlich bei Lysol zu unregelmäßig verteilt, so daß hier eine derartige Berechnung nicht sinngemäß war. Bei dicsen Versuchen mußte man die Konstanten entsprechend der erhaltenen

höchsten Anwachsungszeiten und niedersten sicheren Abtötungszeiten wählen.

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Die nach der Streuungsberechnung bei Angabe der Desinfektions- dauer in Stunden unter Benützung aller berechenbaren Versuche sich ergebenden Werte der Resistenzkonstante R, Variationskoeffizient, mittlerer Fehler der Einzelmessung und des Mittelwertes sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt:

Anzahl | Resistenzkonstante Varia- | Mittlerer Fehler Desinfektions- der ra tions- DE a et

Keime flüssigkeit Ver- | mittlerer |maximal.| koeffi- | Einzel- | Mittel- suche Wert Wert zient |messung| wert ge SZ a SIT RE EEE a WässerigeLysol-] 20 11,867 + 0,403| 3,479 |21,6 Proz. | + 0,403 | 4+ 0,090 lösung abgerund. | Sta- 3, 50 | phylo- | |Wässerige aus 13 1,885 + 0,405, 3,505 [21,5 |+ 0,405 <+-0,112 kokken | Formalin her- jabgerund. | gestellte Form- 3, aldehydlüsung | Milz- |Wässerige aus 5 13 ‚000+1,414| 18,656 1108 ,„ |+1,414 + 0,632 brand- |Formalin herge- ubgerund. | sporen | stellte Form- Ä 20,00 | aldehydlösung ! |

Die in der Streuungsberechnung zugrunde gelegten Einzelwerte und das arith- metische Mittel M sind in der folgeuden Zusammenstellung dargestellt:

a) Bei den Versuchen mit Staphylokokken.

Zahl der Einzelwerte bei

Abtötungsintervall in | Desinfektionsdauer

Stunden T lproz. wäßriger lproz. wässeriger

| OE Formaldehydlösung

100—1,33 | 1,17 3. Do; | 1,33 1,67 1,50 2 3 1,67 2,00 1,83 7 4 2,00 2,33 2,17 6. 3 2,33 2,67 2,50 2 2 Gesamtzahl der Einzelwerte | 20 | 13

Arithmetisches Mittel M | | 1,867 | 1,885

b) bei den Versuchen mit Milzbrandsporen.

Abtötungsintervall in Desinfektionsdauer Zahl der Einzelwerte bei 1proz Stunden T wässeriger Formaldehydlösung 10-12 | 11 | 1 12—14 13 3 14 —16 48 E 1 ee: Gesamtzahl der Einzelwerte | 5 Arithmetisches Mittel M | 13,000

13*

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Die Darstellung der tatsächiich gefundenen und der theoretischen oder idealen Streuung ist in der folgenden Zusammme:stellung wiedergegeben:

a) Bei den Versuchen mit Staphylokokken.

Für Lysol | Für Formaldehyd Abtötunge se ee NE ng Fe en ee > interv | absolut | relativ | absolut | relativ

in u 1 © ———"— ———————— den beob- berech-| beob- . beob- :berech- beob- : Smnden | het! net | achtet berechnet; achtet | net ; achtet Re

0,00—0,33 0 0 0,00 001 : 0 ' o | 0,00 0.0} 0,33—0,67 0 O . 000 0.12 0 0 0,00 0.12 07-10 0.0 0.00 1,41 U 0 0,00 1.33 100—133 3 | 2 15.00 7.65 1 1 7.69 TA 133—167 2 , 4 1000 2166 3 3 23.08 20.77 167—200 7 7 3500 32.08 4 4 30,77 31.54 200-233 6 5 1300 24.76 3 3 23.08 25.42 233—267 2 2 | 1000 9 98 2 2 15.38 10.82 267—300 0 0 0.00 2.09 0 0 0.00 2 44 30-33 0 ` 0 0.00 0.23 0 0 0.00 0.30 333—367 0 > 0 0.00 0.01 0 0 0.00 0.01

b) Bei den Versuchen mit Milzbrandsporen.

Abtötun | Für F ormaldehyd me y | absolut | relativ Stunden | beobachtet berechnet | beobachtet : berechnet 6—8 | o o ! 000 | 002 8-10 | 0 0 000 | 1,69 10—12 | 1 1 | 20,00 22,18 12—14 | 3 3 ı 60,00 52,22 14—16 , 1 1 20,00 22,18 16-18 | 0 | 0 0,00 ` 1,69 18-0 | 0 | 0 0,00 | 0,0

Die Werte für die Dosiskonstante D können aus der Resistenz- konstante R nach der für diese beiden Konstanten geltenden gegen- seitigen Beziehung D = R!’ = R™ berechnet werden.

Die Werte für die Resistenzkonstanten wurden, wie bereits erwähnt, zunächst aus allen berechenbaren Versuchen gewonnen.

Führte man die Berechnung nur für jene 7 Versuche mit Staphylo- kokken durch, in denen zur Feststellung des gegenseitigen Verhält- nisses der desinfizierenden Wirksamkeit von wässerigen Lysol- und Formalinlösungen sowie von Kalkmilch diese Desinfektionsflüssigkeiten in einer Versuchsanordnung gegenüber Staphylokokken derselben Keim- aufschwemmung geprüft wurden, so gelangte man zu ungefähr dem gleichen gegenseitigen Verhältnis der Konstanten, wie bei Benützung aller berechenbarer Versuche. Aus dieser Feststellung ergab sich, dad die aus der Gesamtheit der berechenbaren Staphylokokkenversuche ge- wonnenen Werte für die Konstanten ohne weiteres in die für die Be- urteilung des Desinfektionswertes der untersuchten Desinfektionsflüssig- keiten gegenüber Staphylokokken dienenden Gleichungen eingeführt werden konnte.

Bei den Versuchen mit Milzbrandsporen war eine derartige Be- rechnung nicht erforderlich, da bei allen berechenbaren Versuchen,

11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925. *ı97

wie bereits ausgeführt, Sporen derselben Aufschwemmung verwendet wurden, somit alle Versuche Aufschluß über das gegenseitige Ver- hältnis der desinfizierenden Wirksamkeit der hier geprüften Des- infektionsflüssigkeiten gaben.

Als Werte der Resistenzkonstante R gegenüber Staphylokokken ın Aufschwemmung wurden bei Angabe der Desinfektionsdauer in Stunden auf Grund der erhaltenen höchsten Anwachsungszeiten gewählt:

Für wässerige Lysollösungen R = 0,30 Für wässerige aus Formalin hergestellteForm- aldehydlösungen R = 2,17.

Die berechneten Wirkungsgleichungen für wässerige Lysollösungen und für wässerigeaus Formalin hergestellte Formaldehydlösungen lauten somit bei Angabe der Desinfektions- dauer in Stunden und Einsetzen des maximalen Wertes M + 4o für die nach der Streuungsberechnung ermittelten R- und D-Werte:

1) für wässerige Lösungen von Lysol gegenüber Staphylokokken in Aufschwemmungen:

T-P5 = 0,30 bzw. T1/5.P = 0,79;

2) für wässerige Lösungen von Lysol gegenüber Staphylokokken,

die an Leinenläppchen angetrocknet sind: T.P3 = 3,50 bzw. TUV3.P = 1,52:

3) für wässerige aus Formalin hergestellte Formaldehydlösungen

gegenüber Staphylokokken in Aufschwemmungen: T-P = 2,17;

4) für wässerige aus Formalin hergestellte Formaldehydlösungen

gegenüber Staphylokokken, die an Leinenläppchen angetrocknet sind: T-P = 3,50;

5) für wässerige aus Formalin hergestellte Formaldehydlösungen

gegenüber Milzbrandsporen, die an Leinenläppchen angetrocknet sind: -P = 20,00.

Der Konzentrationsbereich, für den diese Gleichungen Geltung haben, ist für wässerige Lysollösungen 0,50 bis 2,00 Proz., für wässerige aus Formalin hergestellte Formaldchydlösungen, wenn man die älteren eigenen Versuche (7) mitberücksichtigt, was wohl bei der guten Uebereinstimmung der Befunde statthaft ist, 0,25 bis 32,00 Proz.

Die Wirkungsgleichungen für wässerige Lösungen von For- malin lassen sich aus den Wirkungsgleichungen für wässerige aus Formalin hergestellte Formaldehydlösungen ableiten.

Sie lauten: gegenüber Staphylokokken 100 100 T. P=211H00H Proz. Y TP = 300 HOOH Proz. gegenüber Milzbrandsporen 100 T. P = 20,00 COH Proz. `

Da die vorliegenden Versuche, wie bereits erwähnt, ergeben hatten, daß einerseits alle untersuchten Kresolseifenpräparate ungefähr dieselbe desinfizierende Wirksamkcit aufwiesen wie Lysol, andererseits die des- infizierende Wirksamkeit der untersuchten Formaldehydseifenpräparate deren Gehalt an Formaldehyd entspricht, so ergibt sich, daß

ı98* 11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Fraukfurt a. M. 1925.

1) die für wässerige Lösungen von Lysol aufgestellten Wirkungs- gleichungen gleichzeitig auch die Wirkungsgleichungen der wässerigen Lösungen der übrigen untersuchten Kresolseifenpräparate sind;

2) die für wässerige Lösungen des Formalins aufgestellten Wir- kungsgleichungen auch für wässerige Lösungen der untersuchten Form- aldehydseifenpräparate Geltung haben, da ja deren Formaldehydgehalt fast ausschließlich aus Formalin stammt.

Die desinfizierende Wirksamkeit der Kalkmilch hatte sich, wie bereits erwähnt, als unabhängig von ihrem Gehalt an ungelöstem Kalziumhydroxyd ergeben.

Da die ermittelten höchsten Anwachsungszeiten bei Staphylokokken 16 Stunden, bei Milzbrandsporen 60 Tage, die diesen Anwachsungszeiten entsprechenden niedersten sicheren Abtötungszeiten 24 Stunden bzw. 80 Tage betragen, so lauten die Wirkungsgleichungen für Kalkmilch bei Angabe der Desinfektionsdauer in Stunden einfach

gegenüber Staphylokokken T = 20,00, X Milzbrandsporen T = 1680,00.

Der Geltungsbereich dieser Gleichung erstreckt sich von der so- genannten lproz. bis zur sogenannten 20proz. Kalkmilch.

Der numerische Wert der Konstanten für wässerige Lösungen der untersuchten alkalischen Kresollauge und für wässerige Emulsionen der untersuchten Kreolinpräparate wurde entsprechend den Befunden über das Verhältnis der desinfizierenden Wirksamkeit dieser Präparate zu derjenigen des Lysols gewählt.

Da die Versuche ergeben hatten, daß eine 5-Oproz. wässerige Lösung der untersuchten alkalischen Kresollauge ebenso desinfizierend wirkt wie eine 0,bproz. wässerige Lösung von Lysol, so lauten die Wirkungs- gleichungen für wässerige Lösungen dieses Präparates gegenüber Staphylokokken, die an Läppchen angetrocknet sind,

T.P? = 700,00 bzw. T1/2.P = 26,46.

Wässerige Emulsionen des ersten Kreolinpräparates zeigten in 2proz. wässcrige Emulsionen des zweiten Kreolinpräparates in 5proz. wässeriger Emulsion dieselbe desinfizierende Wirksamkeit wie eine lproz. wässerige Lysollösung.

Es werden daher die Gleichungen gegenüber Staphylokokken, die an Läppchen angetrocknet sind,

für wässerige Emulsionen des ersten Kreolinpräparates T.P3 = 28,00 bzw. T1/3.P = 3,04; für wässerige Emulsionen des zweiten Kreolinpräparates T- P3 = 437,50 bzw. T1/3.P = 7,60 lauten.

Der Konzentrationsbereich, für welchen diese Gleichungen Geltung haben, ist für wässerige Lösungen der alkalischen Kresollauge 4,00 bis 20,00 Proz., für wässerige Emulsionen des ersten Kreolinpräparates 1,00 bis 4,00 Proz., des zweiten Kreolinpräparates 2,00—5,00 Proz.

Die aus den angegebenen Wirkungsgleichungen zu berechnenden Werte für die Desinfektionsdauer bei den einzelnen Konzentrationen sind durchaus höher als die bei den vorliegenden Versuchen beobachteten höchsten Anwachsungszeiten.

11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1995. * 199

Auch die in der Literatur für wässerige Lysol- und Formalin- lösungen und für Kalkmilch angegebenen höchsten Anwachsungszeiten liegen, abgesehen von einer einzigen Ausnahme, die aus dem Rahmen der sonstigen Feststellungen derart aber herausfällt, daß wohl ihre Berück- sichtigung bei der Festlegung der für die Praxis geltenden Desinfektions- dauer unterbleiben kann, niemals höher, zum größten Teil weit niedriger als die aus den aufgestellten Wirkungsgleichungen sich ergebenden Des- infektionsdauerwerte, was wohl für eine allgemeine Brauchbarkeit dieser Gleichungen spricht.

Bezüglich wiässeriger Lysollösungen liegt eine Angabe von Schottelius (9) vor, daß bei Einwirkung einer 2proz. bzw. 1proz. wässerigen Lysollösung auf Staphylo- kokken und Streptokokken in Aufschwemmung 2 Minuten bzw. 5 Minuten die höchsten Anwachsungszeiten, 5 Minuten bzw. 10 Minuten die niedersten sicheren Ab- tötungszeiten sind. Diese von Schottelius ermittelten niedersten sicheren Ab- tötungszeiten gen bei 2proz. wässeriger Lysollösung höher, bei lproz. wässeriger Lysollösung niedriger, als die in den vorliegenden Versuchen festgestellten. Diese Abweichung dürfte wohl ihre Erklärung in der wechselnden Zusammensetzung des als „Lysol“ in den Handel gebrachten Präparates finden und daher nicht im Gegensatz zu den vorliegenden Feststellungen stehen.

Die in der älteren Literatur angegebenen höchsten Anwachsungszeiten für wässerige aus Formalin hergestellte Formaldehydlösungen [zusammengestellt bei Gegen- bauer(’)] liegen durchaus niedriger als die aus den aufgestellten Wirkungsgleichungen sich ergebenden Werte für die Desinfektionsdauer. Bei den neueren Untersuchungen von Hailer (3) übertrifft nur eine Feststellung über die Desinfektionswirkung von 2proz. wässeriger Formaldehydlösung gegenüber Staphylokokken, die an Batistläppchen angetrocknet sind, um ein geringes den aus der vorliegenden Wirkungsgleichung gegen- über an Leinenläppchen angetrockneten Se ko Le errechenbaren Desinfektions- dauerwert (1,38 Stunden gegen 1,75 Stunden). Der Unterschied ist jedoch sicherlich als äußerst gering zu bezeichnen, besonders wenn man bedenkt, daß die Versuche nicht nach genau derselben Methodik ausgeführt wurden, so daß man auch hier von einer leidlichen Uebereinstimmung sprechen kann.

Die Versuche Hailers mit Milzbrandsporen ne bei Nachbehandlung durch bloßes Abspülen mit Wasser bzw. wüsseriger Ammoniaklösung oder wässeriger Natrium- sulfitlösung keine Anwachsungszeiten, die höher liegen, als jene Desinfektionsdauer- werte, die sich aus den aufgestellten Wirkungsgleichungen für die betreffenden Konzentrationen ergeben. Bei den Versuchen mit Nachbehandlung durch langdauerndes Einlegen in eine Natriumsulfitlösung fand Hailer allerdings eine ziemliche Ver- längerung der Anwachsungszeit. Doch darf man wohl mit Rücksicht auf den Um- stand, daß desinfizierte Milzbrandsporen unter gewöhnlichen Bedingungen kaum jemals hinterher mit Natriumsulfitlösungen in Berührung kommen dürften, von der Ver- wertung der Ergebnisse dieser Versuche für die allgemeine Desinfektionspraxis absehen.

Die Feststellungen Müllers (10) übertreffen weit die aus den vorliegenden Untersuchungen sich ergebenden Werte für die Desinfektionsdauer. Dieser Autor erhielt noch nach 4tägiger Einwirkung einer 5proz. wässerigen Formaldehydlösung auf Milzbrandsporen Wachstum. Abtötung erzielte er erst nach Öötägigem Verweilen in dieser Konzentration. Dieser Befund, der bisher noch von keiner Seite bestätigt wurde, steht ganz vereinzelt da und weicht derart von den bisherigen Feststellungen ab, dais man wohl vorderhand von seiner Verwertung bei der Bestimmung der Desinfek- tionsdauerzeiten für die Desinfektionspraxis absehen kann.

Die desinfizierende Wirkung von Kalkwasser und Kalkmilch gegenüber Rein- kulturen von Keimen ist bisher nur wenig untersucht worden. Es liegen Versuche mit vegetativen Formen von Liborius (11), Kitasato (12), Beyer (13), und Auer (14) vor, von denen eigentlich nur jene von Beyer der heutigen strengen Kritik hinsichtlich der Versuchstechnik standhalten. Dieser Autor begnügte sich jedoch bloß mit der Feststellung des Desinfektionseffektes nach 24stündiger Einwirkung konzentrierten und halbverdünnten Kalkwassers. Kürzere Zeiten wurden nicht geprüft. Er fand, daß nach 24-stündiger Einwirkung gesättigten, bzw. 4Sstündiger up nenne halbverdünnten Kalkwassers Staphylokokken, Tvyphusbazillen, Bacterium coli un Choleravibrionen abgetötet werden. Diphtheriebazillen werden durch 24stündige Ein- wirkung gesättigten Kulkwassers abgetötet. Nach 4Sstündigem Verweilen in halb- esättigtem Kalkwasser zeigten sie noch Wachstum. Desiufektionsversuche mit Milz-

randsporen haben Koch (15) und Hilgermann und Marmann (16) ausgeführt.

200* 11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925.

Koch fand, daß Milzbrandsporen selbst durch 20tägiges Verweilen in Kalkwasser nicht abgetötet werden. Hilgermann und Marmann haben ermittelt, daß sich Milzbrandsporen in 5proz. Aetzkalklösung bis zu 96 Tagen, in 10proz. bis zu 42, in 20proz. bis zu 11 Tagen, in 30proz. bis zu 12 Tagen lebensfähig erhielten. Die niedersten sicheren Abtötungszeiten waren in derselben Reihenfolge 100 Tage, 60 Tage. 20 Tage, 31 Tage. Was die beiden Autoren unter 5proz. usw. „Aetzkalklösung“ verstehen, lst nicht weiter ausgeführt. Offenbar sind darunter Verdünnungen von Kalkwasser zu verstehen, so daß z. B. eine „Öproz. Aetzkalklösung“ eine Mischung von 5 am sättigtem Kalkwasser und 95 ccm Wasser darstellen dürfte. Die Versuche wurden mit an Läppchen angetrockneten Sporen ausgeführt, die vor der Uebertragung in das Nährmedium (Bouillon) mit sterilem Wasser gewaschen wurden.

Durch diese Ergänzungsversuche ist nun die Grundlage für eine exakte Beurteilung des Desinfektionswertes der gebräuchlichsten Desinfektionsflüssigkeiten gegeben.

Zu dieser Beurteilung werden nur jene Wirkungsgleichungen ver- wendet, die gegenüber an Leinenläppchen angetrockneten Keimen er- halten wurden, da nur die Läppchenversuche, wie Reichenbach (17) richtig hervorhebt, den Verhältnissen in der Praxis, in denen es sich hauptsächlich um Desinfcktionen von Flächen handelt, am besten ent- sprechen. Ä

Der Uebersichtlichkeit halber sind in der Tabelle I die Wirkungs- gleichungen von wässerigen Lösungen der untersuchten Kresolseifen- präparate, der untersuchten alkalischen Kresollauge, des Formalins, der untersuchten Formaldehydseifenpräparate, von wässerigen Emul- sionen der untersuchten Kreolinpräparate und von Kalkmilch gegenüber Staphylokokken und von wässerigen Lösungen des Formalins und der Formaldehydseifenpräparate und von Kalkmilch gegenüber Milzbrand- sporen, wie sie auf Grund der Läppchenversuche berechnet wurden, und der Konzentrationsbereich, für welchen diese Gleichungen Geltung haben, zusammengestellt. Die Desinfektionsdauer ist in diesen Gleichungen in Stunden angegeben.

Tabelle I. Wirkungsgleichungen gegenüber Staphylokokken und gegenüber Milz- brandsporen, die an Leinenläppchen angetrocknet sind, und ihr Geltungsbereich. Temperatur 20° C. Angabe der Desinfektionsdauer nach Stunden.

Wirkungsgleichungen | Geltun Desinfektionsflüssigkeit | gegenüber | gegenüber = berei Staphylokokken | Milzbrandsporen | Proz. der untersuchten Kre- T's-P = 1,52 Wis- solseifenpräparate |T-P? = 3,50 f 0,50 —2,00 serige | der untersuchten alka-|T's. P 26,46 ; 4,00 - 20,00 Lö- lischen Kresollauge T-P? = 700,00 | sun- | re von Formalin u. Form- : 1 100; 0,25-32,0 gen aldehydseifenpräpa- T-P= SS0HCOH N, T. P= 20,0 COH, HCOH raten W äs- . 2 Tin. P = 3.04 es Biia Kreolinpräparat I T-P* = 28,00 ; 1,00 4,00 Emul- BER na.P 5 sion d.| Kreolinpräparat II m an 2,00—5,00 Kalkmilch IT = 20,00 T = 1680 . 1,00—20,00

Zum Vergleich seien noch jene Wirkungsgleichungen für wässerige Sublimatlösungen gegenüber Staphylokokken und Milzbrandsporen ın

~ 11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925. *>01

Aufschwemmungen angegeben, die sich nach den eigenen Versuchen (6) unter Berücksichtigung jener Versuchsergebnisse von Engelhardt (18), die nach ungefähr der gleichen Methodik, wie die eigenen Versuche ausgeführt wurden, für den Fall ergeben, daß die desinfizierten Keime hinterher mit Schwefelwasserstoff oder Sulfiden nicht in Berührung kommen und nicht mit Tierkohle nachbehandelt werden.

Sie lauten gegenüber Staphylokokken

gegenüber Milzbrandsporen

?

= 240,00 für den Konzentrationsbereich von 0,05—2,00 Proz. bei Staphylokokken bzw. von 0,10—1,00 Proz. bei Milzbrandsporen.

Wenn auch diese Gleichungen nicht im Rahmen der vorliegenden Ergänzungsversuche gewonnen wurden, so können sie doch insofern zur Beurteilung mitverwertet werden, als aus ihnen einerseits die Un- abhängigkeit der Desinfektionsdauer von der Konzentration der Des- infektionsflüssigkeit an Desinfektionsmittel oberhalb einer gewissen Kon- zentration, andererseits die in den gebräuchlichen Konzentrationen ge- ingere Desinfektionskraft im Vergleich zu den untersuchten Krespl- seifenpräparaten und zum Formalin hervorgeht.

In zwei Abbildungen sind die den meisten dieser Wirkungs- gleichungen entsprechenden Kurven sogenannte Wirkungskurven in einem Koordinatensystem, auf dessen einer Achse die Konzentration und auf dessen anderer Achse die Zeitdauer aufgetragen ist, dargestellt.

Wirkungskurven. a) Gegenüber Staphylokokken. b) Gegenüber Milzbrandsporen.

=d

Desinfektionsdauer in Stunden N w +P a © ~ ce © oO Desinfektionsdauer ın Stunden

Konzentration in %

Konzentration in %

Kurve 1. _ Kurve 2.

Durch die Betrachtung der Wirkungsgleichungen, bzw. der Wirkungskurven kann man sich ohne weiteres ein Bild über den Desinfektionswert der untersuchten Desinfektionsflüssigkeiten machen.

202* 11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925.

Versucht man die aus den Wirkungsbereichen hinsichtlich des Desinfektionswertes sich ergebenden Schlüsse zusammenzufassen, so läßt sich bezüglich jener Desinfektionsflüssigkeiten, welche zur Des- infektion gegenüber nicht sporenbildenden Krankheitskeimen geeignet sind, ungefähr nachstehendes sagen:

1) Zwischen folgenden Desinfektionsflüssigkeiten ist ‚las Des- infektionswertverhältnis in jeder der vergleichbaren Konzentration ein gleiches und entspricht einfach dem Verhältnis der Konstanten der Wirkungsgleichungen:

a) zwischen wässerigen Lösungen von Kresolseifenpräparaten einer- seits und wässerigen Emulsionen von Kreolinen andererseits;

b) zwischen wässerigen Lösungen von Sublimat einerseits und Kalkmilch andererseits für den Fall, als bei Verwendung der Sublimat- lösungen die desinfizierten Keime hinterher mit Schwelelwasserstoff oder Sulfiden nicht in Berührung kommen und nicht mit Tier- kohle nachbehandelt werden;

c) zwischen den einzeinen ausschließlich Formaldehyd als des- infizierenden Faktor enthaltenden Desinfektionsflüssigkeiten, wie For- malin und den untersuchten Formaldehydseifenpräparaten.

2) Zwischen anderen als den unter 1 angeführten Zusammen- stellungen von Desintektionsflüssigkeiten ist das Desinfektionswertver- hältnis in jeder der vergleichenden Konzentrationen ein andercs.

3) Bei Kalkmilch und oberhalb einer gewissen Konzentration (0,05 Proz.) bei wässerigen Lösungen von Sublimat ist durch Erhöhung der Konzentration eine Verringerung der Desinfektionsdauer nicht zu erzielen.

4) Bei wässerigen Lösungen von Kresolseifenpräparaten, Formalin, Formaldehydseifenpräparaten, der alkalischen Kresollauge und bei wasse- rigen Emulsionen von Kreolinpräparaten ergeben sich folgende Be- ziehungen zwischen Konzentration und Desinfektionsdauer:

a) Bei steigender Konzentration nimmt die Desinfektionsdauer am meisten bei den Kresolseifenpräparaten und Kreolinpräparaten, am wenigsten bei Formalin und Formaldchydseifenpräparaten ab, in der Mitte zwischen diesen Desinfektionsmittelgruppen steht diesbezüglich die alkalische Kresollauge;

b) zur Erzielung einer kurzen Desinfektionsdauer mit möglichst geringen Desinfcktionsmittelkonzentrationen sind die Kresolseifenpräpa- rate am besten, die Formaldehydseifenpräparate am wenigsten geeignet, und zwar um so weniger, je geringer ihr Formaldehydgehalt ist;

c) unterhalb einer Konzentration von 0,6 Proz. Desinfektionsmittel werden bei gleichen Konzentrationen mit wässerigen Formalinlösungen kürzere Desinfektionszeiten erzielt als mit wässerigen Lösungen von Kresolseifenpräparaten. Soll daher mit äußerst kleinen Desinfektions- mittclkonzentrationen, wenn auch langfristig, desinfiziert werden, so eignen sich hierzu wässerige Formalinlösungen und ebenfalls wässerige Lösungen von Formaldehydseifenpräparaten mit einem höheren Formal- dchydgchalt besser, als wässerige Lösungen von Kresolseifenpräparatcn.

Literatur.

1) Reichel, Biochem. Zeitschr. Bd. 22. 1909. 2) Ders., Entkeimung in Kraus-Uhlenhuth, Handb. f. mikrobiol. Tech: ik. 3) Kanao, Arch. f. Hyg. Bd. 92. 1924. 4) Reichel, Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskh. Bd. 61. 190. 5) Gegenbauer und Reichel, Arch. f. Hyg. Bd. *8. 1912. 6) Gegenbauer,

11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925. *203

ebenda, Bd. 90. 1921. 7) Ders., ebenda, Bd. 90. 1922. 8) Hailer, Biochem. Zeitschr. Bd. 125. 1921. 9) Schottelius, Arch. f. Hyg. Bd. 82. 1914. 10) Müller, Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. Bd. 99. 1923. 11) Liborius, ebenda, Bd. 2. 1887. 12) Kitasato, ebenda, Bd. 3. 1888. 13) Beyer, ebenda, Bd. 22. 1896. 14) Auer, Arch. f. Hyg. Bd. 67. 1908. 15) Koch, Mitteilungen des kais. Gesundheitsamtes. 1881. 16) Hilgermann und Mar- mann, Arch. f. Hyg. Bd. 79. 1913. 17) Reichenbach, Mikrobiologentag. Würzburg, Centralbl. f. Bakt. Orig. Bd. 89. Beiheft. 18) Engelhardt, Des- infektion. 1923.

Anhang zum Vortrage Gegenbauer:

Tabelle 11.

Me von wässerigen Lösungen von Lysol auf Staphylokokken. Tem- peratur 20°

HAn = Höchste Anwachsungszeit | | NAb = Niederste sichere Abtötungszeit | in Minuten.

c Buspensionsversuche Läppchenversuche = ____ Lysolkonzentration (Proz) ć ć Lysolkonzentration (Proz.) = 20 | 1,0 | 0,5 2,0 | 1,0 © n —_————— —————__—— TE SU A EB > >] HAn| NA NAb b|H HAn In | NAb b | H Han Han | NAb NAb | | HAn | NAb 1 I. 2 120 | 140 2 7 TA > 4 80 100 120 Jeja] ila |

; : 4 80 1 5 ; JA 1 2 20 60 80 6 A : 2 | 4 80 60 80 7 : 1), l` 2 60 à . el 1, i 2 4 i 140 | 160 9 ; De 4 6 160 10! ', 3j 8 10 120 : > i "i 2 60 60 80

; í 5 5 ; 131 ', 1 1 2 40 100 120 14 ; 1, 6 8 ; š Bo AEP. | 17 1 1 2 | 120 | 140 18) . 1}, 2 4 120 | 140 191 t 1 6 8 4 100 120 = Ji 1 10 20 a 140 160

. ; 4 6 00 22 i 6 8 . 23 ne 1 2 20 24 a 4 6 60

1 25 “le 4 6 40 multi 3) & 28! 14, | 1 1 2 20 291 . à À 1 2 81 31 "| 2 | 4 | æ 32 if, 2 4 | 100 33 j 2 4 | 100 1; 2 4 69 ; .

35 TA 2 4 | 80 100 | 120 36 A 2 4 80 120 140

204* 11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925.

Tabelle III.

Wirkung von wässerigen Lösungen von Formalin auf Staphylokokken. Temperatur 20° C.

HAn = Höchste Anwachsungszeit : NAb = Niederste sichere Abtötungszeit N in Minuten

5 Suspensionsversuche Läppchen versuche s Formaldehydkonzentration (Proz.) Formaldehydkonzentration (Proz.) = 2,0 1,0 | 0,5 2,0 10 |, 0,5 > HAn| NAb | HAn | NAb | HAn! NAb Karen | Han Nab 37 40 | 6 . | . | . 120 140 38 40 | 60 | 80 | 100 | 40 , 60 | 80 100 | 160 | 180 39 60 | SO 140 160 80 . 100 140 . 160 240 ` 20 40 40 | 60 ae 140 : 160 |

60 | 80 100 120 : , 100 120 |

60 : SU | 120 | 140 f 40 : 60 | 100 120 | 180 | 20

100 | 120 240 | 250 su i

60 : 80 : 160 180 |

100 120 | 180 | 240

60 | 80 : 120 | 140 | 60 . 80 | 120 : 140 : 60 80 ' 120 | 140 60 | 80 ! 100 : 120 |

| 100 | 120 ` 160 | 180 | | | | |! 100 ! 120 180 20

Tabelle IV.

Wirkung von wässerigen Lösungen von ee und Formalin und von Kalk- milch auf Staphylokokken. Temperatur

HAn = Höchste Anwachsungszeit

NAb = Niederste sichere Abtötungszeit in Minuten

Versuch Nr.

Art des | Desinfek- 56 | 57 | 58 | 5 | 60 [er | 2

ss N 3 © SE Ver- tionsflüssig- Sn Zu st = T 1 = i Pe) 2 suches solae alja <|< 414214 4141214 < u “Sin 'zl2!2 |5 zaz ja zju z| 2 euere SL edit ms Si 2320|. 1,1. | vl. | 3 -Lysol 15] - g rl i h 1h Suspen- 5 y 1,0 1 2 1 2 8! 10 2 j e; sions- /|&%8 0,5 | 20) 40f 60° 80ļ180 200| 60 .|. [20 4 versuch ||$ © | For- + [| 20 20 40] 15' 20] 10: 15] 20] 40| 40 90 40 3 |malin O£] 1,0} 80100] 80 100} 40, 60] 60] 80] 60 80 > | mit & || 051160 180/160, 180/100.120/1401160140 160! . | . 1100: 120 à 20| 4 6110 15] 10, 20 10 2 bla). 20, 40] 15| 20] 20 |. 60 y 1,0| 40 . [100 120/100 120/120 14011201140] . | . [100 12 ga 0,5/220 . |600, 7204480 6006007204 . |. |. | . {600 72 Läpp- ||$ | For- = {| 20) 40 60] 60 80]. | 40] 20 20 40 chen- A malin 35 1,0 80 1001120 140 A 100 $ 60 80 versuch |Z | mit |l05 200 220/240 . |. 120 120 140 20,0 [139 720 960 1440 240 3601360 480 360 soll2004n 430 7A Kalkmileh J{100 | £80 72017201 960]210.360[360.480]240 360/240.360ù/960 1440 5,0 |190 720]: 00. 40/40 300 160 481300 480/120 2400490 72 1.0 |7

11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925. *205

Tabelle V.

Wirkung von wässerigen Lösungen von Formalin und Lysol und von Kalk- milch auf Milzbrandsporen, die an Leinenläppchen angetrocknet sind. Dampf- resistenz der Milzbrandsporen: 3 Minuten. Temperatur 20° €.

HAn = Höchste Anwachsungszeit Std. = in Stunden; NAb = Niederste sichere Abtôtungszeit f T.=in Tagen.

Art der Kon- Versuch Nr. Nach- Desinfektions- 1. Sr ee behand- flüssigkeit ion in 63 64 65

l BE. vB Proz. | HAn | NAb | HAn | NAb | HAn | NAb

rer m IT HT = EE -

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I. Kurzes Schwenken in 0,5proz. wässeriger steriler Ammoniaklösung und her- nach in sterilem destillierten Wasser. lI. Einstündiges Einlegen in 0,5proz. wässerige sterile Ammoniaklösung und her- nach kurzes Schwenken in sterilem destillierten Wasser. III. Einstündiges Einlegen in 5,0proz. wässerige sterile Natriumsulfitlösung und hernach kurzes Schwenken in sterilem destillierten Wasser. IV. Kurzes Schwenken in sterilem destillierten Wasser. V. Kurzes Schwenken in 0,5proz. wässeriger Salzsäurelösung und hernach in ste- rilem destillierten Wasser.

Aussprache.

Silberschmidt (Zürich): Die interessanten Kurven, die soeben demonstriert wurden, gelten für eine Bakterienart. Ich möchte auf den großen Unterschied in den Resultaten hinweisen, die wir mit verschiedenen Bakterienarten erhalten haben. Ge- wisse Desinfektionsmittel, wie z. B. Silberpräparate, sind hier besonders interessant.

Gegenbauer (Schlußwort).

11. Rhoda Erdmann (Berlin): Beziehung von Endothel und „Krebsvirus‘“.

Es ergab sich als logische Folge, nachdem die Implantation von gezüchteten Krebszellen oder Stromazellen keine positiven Resultate gezeigt hatte, daß die Untersuchung sich einer anderen Richtung zu- wandte, die zufällig einige äußerliche Aehnlichkeit mit den aufsehen- erregenden Versuchen von Barnard und Gye hat.

206* 11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925.

Wenn lebende, wachsende Karzinomzellen bei Wiedereinpflanzung keine Tumoren bilden können, nachdem sie gezüchtet sind, so müssen sie während der Züchtung einige ihrer Eigenschaften verloren haben. Die vorangehenden Versuche der Jahre 1920—25 hatten schon gelehrt. daß das, was diesen Zellen fehlte, etwas sein mußte, was in der Zelle selbst sich befand oder in der Zelle entstand; denn wenn rein ge- züchtete Karzinomzellen mit reingezüchtetem Stroma zusammen ver- impft wurden, so gaben diese beiden Komponenten eines Karzinoms gemeinsam eingepflanzt doch nicht wieder ein Karzinom. Die organische Struktur dieser beiden Bestandteile hätte ja wieder her- gestellt werden können, da beide notwendigen Teile Stroma und Karzinom vorhanden, und dann hätte wenn das Zusammenwirken von Stroma und Karzinom die einzige Bedingung zum Erzeugen einer Geschwulst wäre sich hier eine Geschwulst bilden müssen. Aber auch diese Versuche verliefen negativ. So bleibt die einzige mögliche Annahme, daß ein X-Stoff in dem eingepflanzten Material selbst stets vorhanden sein muß, wenn eine Wucherung stattfinden soll. Es ist bis jetzt noch nicht gezeigt, ob dieser X-Stoff im Stroma oder in der Karzinomzelle seinen Sitz hat, nur das eine, daß er beim Züchten verloren geht.

Alle Versuche wurden an dem Flexner-Joblingschen Ratten- karzinom angestellt, da dieses in seinen Eigenschaften seit Jahr- zehnten bekannt ist. Zwei leicht zu beobachtende Eigenschaften be- wirkt der wachsende Tumor an der Ratte: Fast immer ist die Niere braun verfärbt, die Milz oft vergrößert oder abnorm klein und sehr stark mit Herden weißer Blutzellen durchsetzt, die ihr ein marmo- riertes Ansehen geben. Die Lymphdrüsen sind oft vergrößert.

Was ist nun über den X-Stoff bekannt, der also das krebs- erregende Agens ist, und der diesen unbestimmten Namen tragen soll, damit weder seine Natur als belebter Erreger, der ultravisibel ist (Virus), noch seine Zugehörigkeit zu den Enzymen oder Hormonen von vornherein festgelegt wird? Der X-Stoff des Flexner-Jobling-Tumors kann sich entweder in dem Blutkreislauf der Ratte oder in den Karzinomzellen selbst befinden, vielleicht sind auch 2 Komponenten nötig, um einen Impftumor zu erzeugen. In verschiedenen Serien wurde sowohl das Plasma an diesem Tumor erkrankter Ratten, als auch Berkefeld-Fil- trate und der Rückstand von Berkefeld-Filtraten daraufhin untersucht, welche der beiden oben angeführten Merkmale entweder vom Plasma erkrankter Tiere, vom Berkefeld-Filtrat oder vom abgetöteten Tumor- rückstand entstehen. Die beiden ersten Flüssigkeiten, die nie den Tumor wiederbilden, erzeugen auch Braunfärbung der Niere, Vergrößerung der Milz- und Lymphdrüsen. Aber auch dem abgetöteten Tumorrückstand sind diese Fähigkeiten noch eigen, aber nicht mit derselben Regel- mäßigkeit.

Der X-Stoff befindet sich, wie ich schon nachgewiesen habe, in geringsten Mengen im Plasma; denn wenn man die Milz oder das Mes- enterium von normalen Ratten in cinem Medium züchtet, welches Tumorplasma enthält, so wandern aus der Milz große runde Zellen aus, die große Aehnlichkeit mit Sinusendothelien haben. Je stärker das Medium durchsetzt ist mit irgendwelchen Stoffen, die aus dem Tumor stammen, um so schneller findet die charakteristische Aus- wanderung dieser Zellen statt, die bei richtiger Dosierung allein auswandern. Die normale Milz zeigt vom 1. 8. Tage in gesundem

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Plasma reichliche Auswanderung von echten retikulären Zellen, die ganz bestimmte Merkmale tragen, nämlich: ihr schaumiges Protoplasma ist sehr zart; um den Kern herum haben sie homogene Zonen, die nicht stark vakuolig sind; diese Stellen färben sich oft stärker mit sauren Farbstoffen als das umgebende Plasma; die Zellen selbst haben gewöhn- lich 1 oder 2 Kerne, aus ihnen kann ohne große Schwierigkeiten in vitro die Bildung von Riesenzellen jeglicher Struktur beobachtet werden. Auch diese haben zwischen den Kernen eine homogene Stelle, die sich auch äzidophil färbt. Sie phagozytieren stark und haben poly- morphe Gestalt und starke Beweglichkeit.

Zu dieser Gruppe von Zellen, die leicht zu diagnostizieren ist, und die, je jünger die Milz ist, in um so größerer Anzahl erscheinen, kommen noch die runden, nicht stark beweglichen Zellen: die Zellen, von denen ich schon sprach, die bei Zusetzung von Tumorextrakt aus der Milz auswandern; sie phagozytieren nicht, sie haben keine homogene Zone, der Kern ist nicht dem Bindegewebskern ähnlich, der gewöhnlich zwei Nukleolen hat, sondern ihr Kern ist mit einem zarten chromatischen Netz durchsetzt. Ein oder zwei Kerne finden sich in diesen Zellen. Sind sie sehr jung, so färben sie sich blau; sind 'sie länger aus der Milz hervorgegangen, so ist ihr fast homogenes Plasma ohne Vakuolen auch azidophil. Was sie besonders auszeichnet, ist ihre Größe. Sie erreichen einen Durchmesser von 30 u.

Diese Zellengruppen würden ja ohne weiteres zu dem retikulo- endothelialen Apparat gehören, wenn man noch an dem einheitlichen Charakter dieses Apparates festhielte. Aber es ist in der neueren Zeit vielfach betont worden, daß der endotheliale Apparat sich in manchem Punkte vollkommen verschieden von dem retikulären Apparat verhält. Nach allen äußeren Zeichen gehören die runden nicht phagozytierenden Zellen zu dem endothelialen Apparat; denn wenn in günstigen Präpa- raten die ausgewanderten runden Zellen sich teilen und sich immer wieder teilen, so legen sich diese Zellen in einer Art Gitterform aneinander und bilden Flächen, die in ihrer Struktur endothelialen Flächen gleichen. Das Merkwürdige aber ist, wenn ich die Milz eines Tieres selbst, das längere Zeit an Karzinom erkrankt ist, in Züchtung nehme, so wandern diese runden Zellen überhaupt nicht mehr aus. Es sind keine da. Ich gehe wohl nicht zu weit, wenn ich annchme, daß diese Zellen, die bei dem geringsten Anzeichen von X-Stoff aus der Milz auswandern und in den Milzen an Tumor erkrankter Ratten fehlen, die Zellen sind, die die engsten Beziehungen zu dem X-Stoff haben. Die Milzen von an Tumor erkrankten Tieren haben diese Zellen oft nicht mehr, weil die Tiere wahrscheinlich in immerwährenden Schüben diese Zellen in den Lymph- oder Blutkreis geschickt haben. Dadurch kann vielleicht die Möglichkeit gegeben werden, daß die Krebszellen keinen Widerstand finden, wenn sie Metastasen bilden.

Wir haben aus den letzten Verôffentlichungen von Carrel und Fischer gelernt, daß große monozytenähnliche Zellen des Rous’schen Hühnersarkoms die Träger des Virus sind; in ihnen kann das Virus längere Zeit die Züchtung überstehen und wieder das Rous’sche Sarkom erzeugen, nicht aber der bindegewebige Teil des Sarkoms.. So einfach wie die Sache beim Rous’schen Hühnersarkom liegt, das ja ohne Zellen an sich schon wieder erzeugt werden kann, liegt der Fall nicht beim Flexner - Jobling - Tumor. Noch nie ist dieser bis jetzt ohne „virulentes“ Zellenmaterial erzeugt. Wenn ich große, monozytenähnliche

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Zellen, die ich ja aus dem strömenden Blut züchten kann, zusammen mit dem Berkefeld-Filtrat einimpfe, so entsteht auch kein Tumor. Es ist dies in fortlaufenden Untersuchungen geschehen; in verschiedenen Serien wurde das Problem nach allen Richtungen hin durchgeprüft, einesteils die großen monozytenähnlichen Zellen aus dem strömenden Blut genommen und mit Plasma eines erkrankten Tieres oder mit Berkefeld-Filtrat eingeimpft: es zeigt sich nie ein Tumor, sondern nur Vergrößerungen der Lymphdrüse des Tieres, Vergrößerung und Mar- morierung der Milz und Bräunung der Nieren.

So schienen Plasma oder Filtrate des Flexner-Jobling-Tumors, die den X-Stoff enthielten, nicht anders zu wirken, ob sie mit oder ohne Monozyten, die angenommenen Virusträger und Virusvermehrer des Rous’schen Tumors sein sollen, verimpft wurden.

Auch diese Versuchsanordnung wurde daher verlassen. Ich reizte jetzt das retikulo-endotheliale System selbst und verimpfte Berkefeld- Filtrat und abgetöteten Tumorrückstand getrennt. Hier waren bei Vor- behandlung mit Trypanblau, Toluol, Karmin, Olivenöl usw. und nach- folgender Verimpfung beider Teile des Tumors, des flüssigen und des festen, getrennt keine Erfolge zu erzielen.

Nur bei Vorbehandlung mit Tusche und nachfolgender Impfung von zellfreiiem Berkefeldfiltrat (3), oder abgetötetem, an Kontrollen ge- prüftem Filtratrückstand (2) zeigten von 10 geimpften Tieren 5 Tu- moren. Dies ist wichtig, und ein im großen Maße ausgeführter Versuch wird dies Ergebnis weiter festigen. So sind die Versuche von Banard und Gye sehr einfach zu erklären. Ebenso wie die Tusche wirkt das Filtrat, d. h. es mobilisiert den endothelialen Apparat. Der abgetötete Tumorrückstand würde dann immer noch genügen, um das Virus zu übermitteln.

Es ist also die Meinung nicht von der Hand zu weisen, daß die Beziehung von Krebserkrankung und retikulo-endothelialem Apparat. sehr enge sind (siehe Uhlenhuth 1925), ich möchte nach meinen Beobachtungen sagen, zum endothelialen Apparat.

12. Karl L. Pesch (Köln): Physikalisch-chemische Untersuchungen über Coliagglutination.

Zwei Fragen sind es, die vielleicht mit Hilfe der Agglutinations- reaktion von Colibakterien ihre Beantwortung finden könnten; erstens: „Ist es damit möglich, Coliinfektionen zu diagnostizieren, wenn Coli- bakterien außerhalb des Darmes, bei Coli-Cholecystitis, -peritonitis, -pyclocystitis oder Colisepsis Agglutinine bilden, die auf dem Wege des Coli-Widals nachweisbar sind?‘ also eine vorwiegend praktische Frage. Zweitens: „Besteht die Möglichkeit, mit Hilfe von Coliimmun- seren zu einer Systematik innerhalb der großen Coligruppe zu kommen?“ eine Frage, die nicht so schr aus praktischen, als aus mehr theoretischen Gesichtspunkten heraus gestellt wird. Bis vor nicht allzu langer Zeit wurden beide Fragen durch wohl sämtliche Untersucher mit einem klaren „Nein“ beantwortet; ich möchte hier nur auf eine vorzügliche

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und leider viel zu wenig beachtete Arbeit aus dem Kieler Hygienischen Institut von Burk aus dem Jahre 1908 hinweisen, der auch zu einer Verneinung der beiden Fragen kommt. Eine sorgfältige Literatur- übersicht zu diesem Kapitel findet sich in den neueren Arbeiten von Bitter und Gundel, sowie Meyer und Löwenberg.

In den letzten 2 Jahren sind nun eine Reihe von Arbeiten er- schienen, die sich erneut sowohl mit der praktisch-klinischen, als auch mit der theoretisch-systematischen Seite unseres Themas beschäftigen, und die im Gegensatz zu den älteren Autoren ein günstiges Ergebnis der angestellten Coliagglutinationsversuche sowohl für die Diagnostik von Coliinfektionen, als auch für die serologische Differenzierung und Systematisierung innerhalb der großen Gruppe erkennen lassen. Auf die aufgeworfene Streitfrage der pathogenetischen Bedeutung der hämo- lysierenden Colibakterien für die hämatogen entstandene Colicystitis beim Manne und die der nichthämolysierenden Colistämme für die as- zendierend entstandene Blasenentzündung bei der Frau will ich hier nicht eingehen. Nur über einige wenige Angaben in den neueren Arbeiten, soweit sie für das Verständnis der folgenden Ausführungen notwendig sind, muß ich kurz berichten. Meyer und Löwenberg stellten bei Untersuchungen über die Pathogenese der Colipyelitis unter 26 Fällen 12mal eine Ausflockung des homologen Stammes in Serum- veränderungen 1:25 bis 1:1000 fest; bemerkenswert ist, daß fremde Colistämme oft stärker beeinflußt wurden als der eigene Stamm. Hämo- lysierende Colistämme werden durch homologes Patientenserum nicht stärker agglutiniert, wohl durch heterologes. Auf Grund weiterer Ver- suche mit 4 Kaninchenimmunseren kommen Meyer und Löwenstein zu dem Schluß, daß die hämolysierenden Stämme in enger Verwandt- schaft zueinander stehen. Es wurden jedoch auffallenderweise diese hämolysierenden Colibakterien nicht nur in den mit hämolysierenden, sondern auch in den mit nichthämolysierenden Colistämmen hergestellten Kaninchenimmunseren ausgeflockt, während diese mit nichthämolysieren- den Stämmen hergestellten Seren ihre eigenen Stämme meistens un- beeinflußt ließen. Bitter und Gundel befassen sich mit den gleichen Fragen. Auf Grund umfassender kultureller Versuche bringen sie eine Einteilung der untersuchten Colistämme in 72 Arten. Agglutinations- proben in Coliimmunseren bringen eine Bestätigung dieser Systematik. Nach ihnen sind die hämolysierenden Colistämme wohl kulturell und pathogenetisch, jedoch nicht serologisch von den anderen, nichthämoly- sierenden Colistämmen zu trennen. Czikeli stellt bei 17 pyelocystitis- kranken Kindern bei Ausflockungsproben mit Colistämmen aus dem Krankenurin fest, daß ein einzelner Stamm durch sämtliche 17 Seren, und ein weiterer Stamm durch 16 Seren bei einem Serumtiter "von 1:1(!)bis1:40 agglutiniert wurde. Bei Versuchen von Hamburger und Czikeli mit Urincoli-Immunseren zeigte es sich, daß immer nur be- stimmte Colistämme beeinflußt wurden, wobei gerade die homologen Stämme zum Teil nicht agglutiniert wurden. Aschenheim und Hol- stein suchten bei 12 ernährungsgestörten Säuglingen nach Coliaggluti- ninen: bei zweien ergab sich ein Titer von 1:80, bei einem dritten dys- peptischen und colicystitiskranken Säuglinge wurden noch Coliaggluti- nine in der Serumverdünnung 1:320 beobachtet. Weinberg und Ginsbourg fanden, daß die Agglutinationsfähigkeit des normalen Menschenserums für den Colibazıllus schr häufig ist. Von 200 Seren agglutinierten 178 einen von einem Appendicitiskranken herrührenden

Erste Abt. Orig. Bd 97. Beiheft. l4

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Colistamm. Ohne auf die Einzelheiten der angeführten Arbeiten und der weiteren Veröffentlichungen von Anselmi, Ishii, Walbum und Mörch, sowie der amerikanischen Autoren Dudgeon, Word- ley und Bawtree näher einzugehen, möchte ich das für uns Wichtigste der sämtlichen neueren Coliagglutinationsarbeiten etwa dahin zusammen- fassen:

1) Es gibt einzelne Colistämme, die sich durch leichte Ausflockbar- keit auszeichnen. Es bestehen also innerhalb der Coligruppe Unterschiede hinsichtlich der unspezifischen Agglutinabilität; ein Schluß, zu dem auch Burk schon gekommen ist.

2) Die hämolysicrenden Colistämme werden öfters und stärker ausgeflockt als die nichthämolysierenden Stämme.

3) Die hämolysierenden Colibakterien sind mit Hilfe von Aggluti- nationsproben in Coliimmunseren von den anderen Colibakterien abzu- trennen; sie stellen eine serologische Einheit dar. Eine serologische Systematik innerhalb der Colibakteriengruppe ist möglich (Bitter und Gundel).

4) Coliagglutinationsreaktionen von Patientenseren mit dem eigenen Stamm haben praktische Bedeutung für die klinische Diagnostik von Coliinfektionen.

Angeregt durch die günstigen Ergebnisse der angeführten Veröffent- lichungen habe ich mich gemeinsam mit dem Chirurgen Herrn Privat- dozent Dr.V.Hoffmann mit dieser Frage beschäftigt, unter besonderer Berücksichtigung des Gesichtspunktes der serologischen Diagnosestellung bei Coli-Cholecystitis. Hinsichtlich der Einzelheiten unserer Ergebnisse sci hier auf die in der Klin. Wochenschrift erscheinende Arbeit hin- gewiesen. Es ergab sich, daß die Ausflockungsproben von Colibakterien in den Seren von Coliinfizierten eine praktische Bedeutung für die Diagnose der Erkrankung nicht besitzen. Es zeigte sich ferner, daß einzelne Stämme in fast sämtlichen Seren arglutiniert wurden und daß deutliche Unterschiede hinsichtlich der Agglutinabilität bei den einzelnen Colistämmen sicher bestehen. Die beobachteten Ausflockungs- ergebnisse schienen uns nicht durch den Gehalt der betreffenden Seren an Coliagglutininen bedingt zu sein, sondern es mußten andere, vielleicht physikalisch-chemische Bedingungen dafür ausschlaggebend sein. Meine weiteren, gemeinsam mit H. Simchowitz durchgeführten Unter- suchungen zielten nun darauf hin, den Gründen für diesen so oft zu beobachtenden unspezifischen Ausfall der Coliagglutinationsreaktionen nachzugehen. |

Ihnen allen sind die Ergebnisse der Erythrozytenagglutination und Sedimenticrung bekannt, die ja auch nicht als Immunitätsreaktion angesehen wird und die für die klinische Diagnostik etwa der Tu- berkulose oder aber einer bestehenden Schwangerschaft nur bedingte Bedeutung hat. Auf Grund zahlreicher Arbeiten von klinischer, phy- siologischer und kolloidchemischer Seite wissen wir jetzt, daß das Erythrozytenagglutinations- und Scdimentierungsphänomen das Produkt zweier Faktoren ist: 1) des Gehalts des agglutinierenden Serums an Globulinen, und 2) der elektrischen Ladung der roten Blutkörperchen. Je geringer die elektrische Ladung der Erythrozyten ist, und je größer der Gehalt des betreffenden Serums an entladenden Globulinen ist, um so leichter und schneller werden die roten Blutkörperchen durch diese Globuline entladen, zum isoelektrischen Punkt übergeführt und damit ausgeflockt, sie sinken zu Boden. Uebertragen wir diese Anschauung

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auf die unspezifische Coliausflockung, so würden wir sagen: Eine Ag- glutination von Colibakterien kann bedingt sein durch die elektrische Entladung der negativ geladenen, zur Anode wandernden Colibakterien, durch die positiv geladenen Globuline des ausflockenden Serums. Je mehr Globuline ein Serum enthält (z. B. wissen wir ja, daß Immun- seren mehr Globuline enthalten als Normalseren), oder aber je geringer die elektrische Ladung der Bakterien, die wir ja als Wanderungs- geschwindigkeit im Kataphoreseversuch messen können, ist, um so leichter kommt es zu einer Ooliagglutination. Kurz gesagt, eine unspezi- fische Coliagglutination kann das Produkt sein der elektrischen Ladung des betreffenden Stammes und des Globulingehalts des ausflockenden Serums. Diese Annahme, die wir gewissermaßen als These an den Anfang unserer Arbeit setzten, mußte bewiesen werden. Auf die Einzel- heiten der an anderer Stelle gemeinsam mit Simchowitz ıuch hin- sichtlich der Technik ausführlich wiedergegebenen Versuchsergebnisse gehe ich hier nicht ein. Nur über das Wichtigste sei kurz berichtet. Zu unseren Untersuchungen verwandten wir 22 Colistämme, die wir aus den dem Untersuchungsamt eingeschickten Material frisch züch- teten. 16 von diesen 22 Stämmen zeigten auf Hammelblutagar Hämo- lyse, 6 nicht. Einer der hämolysierenden Stämme war ein Mutabile- Stamm, über den Simchowitz im Centralbl. f. Bakt. berichtet.

I. Zunächst untersuchten wir, ob diese 22 Stämme in normalem Kaninchenserum eine Ausflockung zeigten. Es ergab sich, daß drei Stämme (St. 9, 10 und 11) in allen 6 zur Untersuchung herangezogenen Kaninchenseren noch in der Verdünnung 1:200 nach 2 Stunden 370 deutlich ausgeflockt wurden. Die NaCI-Kontrolle war stets negativ. Die anderen 19 Stämme zeigten nur ganz vereinzelt in der Scrum- verdünnung 1:50 eine sehr schwache Ausflockung. Die drei stark aus- geflockten Stämme möchte ich zusammenfassend als Gruppe I be- zeichnen.

II. In weiteren Agglutinationsversuchen gingen wir dann der Frage nach, wie diese 22 Stämme sich in Seren mit höherem Globulingehalt hinsichtlich ihrer Agglutinabilität verhielten. Wir benutzten hierfür die im Untersuchungsamt für diagnostische Zwecke benutzten Ty- phus-, Paratyphus B-, Flexner-, Shiga- und Y-Kaninchenimmunseren. Wir fanden, daß erwartungsgemäß die drei Stämme der I. Gruppe in diesen Seren sehr stark ausgeflockt wurden, aber auch 9 andere Stämme (Stamm 2, 3, 5, 6, 7, 8, 12, 16, 22) wurden durch diese Immun- seren in den Verdünnungen 1:50 und 1:100, zum Teil sogar 1:200, be- einflußt; dabei erwies sich das Paratyphus B-Serum (Titer nur 1:2000) am unwirksamsten, das Ty-Serum (Titer 1:10000!) am wirksamsten. Die Ruhrseren (Titer 3200 und 6400) zeigten eine mittelstarke Wirk- samkeit. Es besteht also ein deutlicher Parallelismus zwischen spe- zifischem Serumtiter und coliausflockender Kraft. Wir möchten diese mittelstark agglutinierenden 9 Stämme aus praktischen Gründen als Gruppe II zusammenfassen und ihnen die anderen, weder durch Normal- noch durch Immunsera beeinflußten Colistämme als Gruppe III an die Seite stellen, ohne dabei aber den Grenzstrich zwischen den einzelnen Gruppen allzu scharf zu ziehen; diese Gruppeneinteilung hat selbst- verständlich nur praktische, keine theoretisch-systematische Bedeutung.

IH. Als Drittes prüften wir dann die Wanderungsgeschwindigkeit der 22 Colistämme im elektrischen Feld im Kataphoreseversuch; mikro- skopische Messung in der Michaelis’'schen Kammer. Umwandlung des

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110 Volt-Wechselstromes der elektrischen Lichtleitung durch Lorentz- Transformator in Gleichstrom. Es ergab sich ein auffallender Unter- schied in der Wanderungsgeschwindigkeit bei den Stämmen der drei Gruppen: Bei Gruppe I, also den stark agglutinablen Stämmen, nur ein sehr langsames Wandern durch das Gesichtsfeld; die Mittelwerte bewegten sich zwischen 30,0 und 31,6 Sekunden. Die mittelstark aus- flockbaren Colibakterien der II. Gruppe bewegten sich im Kataphorese- versuch bedeutend schneller durchs Gesichtsfeld. Die Mittelwerte einer schr großen Reihe von Messungen bewegten sich zwischen 13,5 und 12,6 Sekunden. Am schnellsten wandern die relativ schlecht aggluti- nablen Stämme der Gruppe III. Bei ihnen gaben die Messungen Mittel- werte zwischen 11,3 und 7,3 Sekunden. Errechnen wir Gruppen- mittelwerte, so ergibt sich für Gruppe I ein Durchschnittswanderungs- wert von 30,7; bei Gruppe II 15,1; und bei Greppe III 8,8 Sekunden. Nur ein Stamm, St. 18, gab abweichende Werte insofern, als er bei sehr geringer Ausflockbarkeit eine geringe Wanderungsgeschwindigkeit im elektrischen Felde (Mittelwert 26,6 Sekunden) aufweist. Da dieser Stamm aber auch sonst einzelne, für die Gruppe der Colibakterien auf- fallende kulturelle Eigentümlichkeiten zeigte, ungewöhnlich starke Be- weglichkeit, sehr starkes Wachstum auf Malachitgrünagar, keine Indol- bildung, schwache Rötung auf Endoagar, so erscheint uns seine Zu- gehörigkeit zur Coligruppe zum mindesten fraglich.

Ein Ueberblick über die Ergebnisse unserer Untersuchungen zeigt, daß, wenn wir von dem atypischen Stamm 18 absehen, es möglich ist, die untersuchten Colistämme in drei Gruppen einzuteilen: Gruppe I sehr stark agglutinable Stämme, die sowohl durch normale Kaninchen- seren, als auch durch relativ globulinreiche Immunseren ausgeflockt werden. Die elektrische Aufladung dieser Bakterien ist eine recht geringe. 2) Die Stämme der II. Gruppe werden nicht durch Normal- serum, wohl aber durch irgendwelche globulinreiche Immunseren mehr oder weniger stark beeinflußt. Die Wanderungsgeschwindigkeit dieser Stämme ist mittelstark. 3) Die Stämme der letzten Gruppe IH erleiden weder in Normal- noch in Immunseren eine Ausflockung. Sie wandern im elektrischen Felde relativ schnell. Aus den beobachteten Tatsachen ergibt sich uns in Bestätigung der anfangs angeführten These für die Erklärung vieler Coliagglutinationen etwa das Folgende: Die unspezi- fische Ausflockbarkeit von Colibakterien ist das Produkt der mehr oder weniger schnell zur Anode wandernden Bakterien einerseits, und des Gehaltes des betreffenden Serums an elektropositiv geladenen Globulinen. Je langsamer ein untersuchter Stamm im Kataphoreseversuch wandert, und je größer der Gehalt eines Serums an entgegengesetzt geladenen, also die Bakterien entladenden Globulinen ist, um so leichter kommt es zu einer solchen physikalisch bedingten Ausflockung.

Es ist selbstverständlich, daß diese Erklärungsmöglichkeit nur für unspezifische Agglutinationen zu Recht besteht, und daß spezi- fische Agglutinationen, sowohl bei Colibakterien mit homologen Immun- seren, als auch jede andere spezifische Bakterienagglutination auf diese Weise nicht erklärt werden kann. Jedoch für die Erklärung vieler unspezifischer Agglutinationen, Paragglutinationen, die Agglutination von Y-Bakterien in Schwangerenseren, und für unseren Sonderfall die sicher bestehende verschiedene Agglutinabilität der einzelnen Colistämme, die Ausflockung einzelner Stämme durch fast sämtliche Sera, die stärkere Ausflockbarkeit der hämolysierenden Colistämme, die starke

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Agglutination von bestimmten Colistämmen in heterologen Immunseren, für alle diese Phänomene scheint es mir angebracht, diese allgemeinen physikalisch-chemischen Gesichtspunkte nicht aus dem Auge zu lassen. Auch die schon erwähnte Beobachtung der leichteren Ausflock- barkeit der hämolysierenden Colibakterien gegenüber den nicht hämoly- sierenden Stämmen findet in unseren Versuchsergebnissen eine ge- wisse Stütze; denn die 3 Stämme der Gruppe I sind nämlich hämoly- sierend; von den 9 Stämmen der mittelstark agglutinablen Gruppe II waren 7 und von den 9 Stämmen der schlecht ausgeflockten IH. Gruppe nur 5 hämolysierend. Es scheinen also, soweit sich aus so kleinen Zahlen ein Ueberblick gewinnen läßt, in der Tat die hämolysierenden Colistämme etwas stärker agglutinabel zu sein, als die nicht hämoly- sierenden Colistämme, eine Beobachtung, die Kutscher und Kon- rich auch bei hämolysierenden und nicht hämolysierenden Staphylo- kokken gemacht haben.

Zusammenfassung. Durch Agglutinations- und Kataphorese- versuch war es möglich, 22 untersuchte hämolysierende und nicht hämolysierende Colistämme in 3 Gruppen aufzuteilen, wobei ein deut- licher Parallelismus zwischen elektrischer Aufladung und Agglutinier- barkeit in Normal- und Immunseren beobachtet wurde. Es ist richtiger, gewisse unspezifische Coliagglutinationsbefunde nicht durch die An- nahme geheimnisvoller gemeinsamer Rezeptoren zu erklären, sondern diese Reaktionen als das Produkt zweier Faktoren anzusehen, der mehr oder weniger starken Aufladung des betreffenden Stammes und der Differenzen im Globulingehalt der einzelnen Seren. Je größer der Globulingehalt cines Serums und je geringer die elektrische Auf- ladung eines Bakterienstammes ist, umso leichter kommt es zu einer Ausflockung. Spezifische Agglutinationsreaktionen können auf diese Weise nicht erklärt werden. Hämolysierende Colistämme scheinen etwas leichter beeinflußt zu werden als nicht hämolvsierende Stämme.

13. G. Wülker (Frankfurt a. M.): Zur Kenntnis der Hämosporidien.

Die Systematik und die stammesgeschichtlichen Beziehungen der blutschmarotzenden Protozoen, dieim Anschluß an Schaudinns (1904) bekannte Untersuchungen eine Zeit lang lebhaft diskutiert wurden, sind im letzten Jahrzehnt in den Interessen der Protozoenforscher in den Hintergrund getreten. Schaudinns Auffassung, daB in der Ent- wicklung der Vogelblutparasiten der Gattungen Hämoproteus und Leukozytozoon Uebergänge zwischen intrazellulären Blutparasiten und freien Trypanosomen- und Spirochäteformen bestehen, und die Binukleatentheorie, die in diesem Sinne von M. Hartmann aus- gebaut wurde, finden unter den Zoologen nur noch wenig Anhänger.

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Für die Hämoproteusentwicklung haben verschiedene Autoren Irr- tümer Schaudinns erkannt und im besonderen hat neuerdings Miss Adie (1924) nachgewiesen, dab die Entwicklung im Ueberträger- insekt nicht Culex pipiens, wie Schaudinn glaubte, sondern Lausflicgen der Gattung Lynchia in allen Stufen der Gameten- bildung, Kopulation und Sporogonie grundsätzlich gleichartig verläuft wie bei den Malariaparasiten des Menschen und beim Proteosoma der Vögel. Wie hier für Hämoproteus echte Hämosporidiencharaktere festgestellt worden sind, so wird auch für Leukozytozoon die Zu- gehörigkeit zu den Hämosporidien immer wahrscheinlicher: die intra- zelluläre Schizogonie im Vogel, die von Knuth und Magdeburg (1924) bei einer Gänseleukozytozoenseuche, von mir (1925) beim L. der Rabenkrähe und verwandter Vögel in Leukozyten bzw. Hämato- blasten nachgewiesen wurde, entspricht grundsätzlich der Malaria- schizogonie, und ebenso deutet auch die volle Gleichartigkeit der Vor- gänge der Gamctenreifung, die sich bekanntlich bei allen genannten Formen völlig gleichartig zum Teil bis zum Ookineten auf dem Objektträger hervorrufen lassen, während sie normalerweise im Insckt verlaufen, auf nahe Beziehungen hin, die auch Leukozytozoon zu den Plasmodiden und zu Hämoproteus besitzt. Die Fortent- wicklung im Ueberträger, als welchen ich für die Leukozytozoen der einheimischen Rabenvögel die Lausflicge Ornithomyla avicularia an- sehe, ist vom Ookineten an bisher noch nicht sicher gestellt.

Weniger Klarheit besteht über die Beziehung anderer Blutzell- schmarotzer zu den Hämosporidien: Verhältnismäßig gut gesichert ist der Hämosporidiencharakter der Hämocystidiumarten aus Reptilien und des von Nöller (1912) näher charakterisierten Dactylosoma ranarum, doch ist für beide die Ueberträgerfrage und damit. ein Teil des Zeugungskreises noch völlig ungeklärt. Bei den Piroplasmen, die ihnen öfters eingereiht oder an sie angeschlossen werden, ist weder die Schizogonie, noch die Entwicklung im Ueberträger, soweit sie bekannt ist, ausgesprochen hämosporidienartig; die Angaben von Gonder (1911) über Gameten- und Ookinetenbildung der Gattung Theileria, deren Schizogonie (,,Kochsche Kugeln‘) noch am ehesten derjenigen der Malariaerreger gleicht, sind noch nicht von anderer Seite bestätigt. Auch sprechen die Besonderheiten in der Uebertragung der Piroplasmen durch Zecken (ÜUebertragung durch ein späteres Entwicklungsstadium als dasjenige, in dem Parasiten aufgenommen wurden; eventuell Vererbung auf die folgende Generation) für eine Sonderstellung der Gruppe. Ganz unentschieden ist endlich die Stellung der Gattung Toxoplasma, die ebenfalls einen regelmäßigen Wirts- wechsel durchmacht, aber in allen Einzelheiten noch ungenügend be- kannt ist.

Es sind andererseits schon öfters Beziehungen zwischen Hämo- sporidien und Hämogregarien (Haemococcidien) angenommen und be- sonders von E. Reichenow näher begründet worden. Zweifellos ist die Aehnlichkeit des Zeugungskreises, die die Hämosporidien schon mit den darmschmarotzenden Coccidien verbindet, bei jenen beiden Gruppen durch Anpassungen an den Blutparasitismus und an den regelmäßigen Wirtswechsel gesteigert, und eine Einreihung der gesamten Hämo- sporidien unter die Coccidien vom Eimeridentypus wird künftig wohl möglich sein. Ich Kann dabei nur, entgegen Reichenow, wie ich schon an anderer Stelle (1925) ausgeführt habe, in Leukozytozoon

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nicht in so ausgeprägtem Maße, wie er (1921), ein Zwischenglied zwischen den beiden Unterordnungen ansehen: der Kernbau von L., den R. für die Coccidiennatur anführt, gleicht, besonders im Makro- und Mikrogametozyten, durchaus dem von Hämoproteus (und Proteo- soma); auch die verschiedene Färbbarkeit im Plasma der beiden Ge- schlechtsformen stimmt völlig überein, und nur die Beweglichkeit des Protoplasmas der Gametozyten in der Wirtszelle bietet Unterschiede: ihre amöboide Beweglichkeit, die bei Häm. und Plasmodium be- steht, fehlt bei Leukozytozoon; sie ist aber auch bei Proteosoma und bei den Tropikahalbmonden nicht ausgeprägt. Ein Vergleich zwischen Hämococcidien und Hämosporidien lehrt, daß die zurzcit be- kannten Hämococcidien vom Eimeridentypus noch sehr ausgeprägte Darmparasiten mit nur kurzer blutparasitischer Phase, die Hämo- sporidien dagegen im Wirbeltier reine Blutschmarotzer sind; auch dies deutet nicht auf nahe Verwandtschaft zwischen den heute lebenden Formen hin.

Die Gleichartigkeit in der Morphologie und Entwicklung der oben genannten gutbekannten Gattungen der Hämosporidien legt es nahe, zu vergleichen, inwieweit auch andere Vorgänge von allgemein bio- logischem bzw. epidemiologischen oder klinischem Interesse überein- stimmen. Aus der gemeinsamen Tatsache ihrer Uebertragung durch In- sekten ergeben sich Abhängigkeiten in ihrer zeitlichen und räum- lichen Ausbreitung: nur in den wärmeren Monaten und unter klima- tischen Bedingungen, die das Vorhandensein der Ueberträgerinsekten und die für die Entwicklung der Parasiten in ihrem Innern nötige Tempera- tur garantieren, kommt es zu Neuinfektionen; wo das Insekt nur wenige (zwei) Generationen im Jahre hervorbringt wie die Lausfliegen unserer Zone, fällt die Hauptzeit der akuten Erkrankungen mit dem Auftreten eben dieser Inscktenfolzen zusammen: diese wiederum schließen sich an die Brutzeiten der Vögel an, wobei die Fliegen zwischen Wirten verschiedener Art und Brutzeit wechseln können. Allgemein scheinen gerade die Lausfliegen den Hämosporidien noch in nördlicheren Breiten ausreichende Entwicklungs- und Uebertragungsbedingungen zu bieten, so daß schon in den Vögeln unserer Zone und weiter nördlich die durch sie übertragenen Hämoproteus und Leukozytozoon gegenüber dem von Culex verbreiteten Proteosoma stark vorherrschen: sie er- reichen also Gebiete, in denen auch die Malariaentwicklung in Anophelen nicht mehr möglich ist (Schottland, Skandinavien). Dabeı ist wohl nicht die für die Kopulation usw. erforderliche Temperatur ab- solut niedriger als für Malarıa, sondern die Lausfliegen als vorwiegend in Brutnestern lebende Insckten befinden sich am Wirtskörper auch bei geringer Außentemperatur dauernd in höheren Wärmegraden, als die den Wirt beim Stich nur kurz berührenden Culiciden. Für die Malariaerreger des Menschen gilt bekanntlich, daß der Tropikaparasit trotz gleichartiger Ucberträger nicht so weit nördlich gelangt wie Tertiana und Quartana. Aber auch hier hat innerhalb des Ver- breitungsgebictes in Europa die quantitative Zunahme der späteren Anophelesgenerationen eine Steigerung der Uebertragungen in den Sommermonaten und anschlicßende Zunahme der akuten Erkrankungen bis in die Herbstmonate hinein zur Folge. Wo, wie bei den Vogel- blutparasiten (auch Proteosoma nach natürlicher Infcktion, s. von Wasielewski 1908), nur ein kurzes akutes Stadium besteht, das bald in ein chronisches mit ausschließlichem Gametozytenbefund über-

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geht, kann man die Schizogoniestadien nur oder vorwiegend im An- schluB an jedes stärkere Auftreten neuer Ucberträgergenerativnen er- warten. In wärmerem Klima nimmt deren Zahl zu, sie überdauern eventuell auch die ungünstigere Jahreszeit, und damit verwischt sich die Periodizität der Neuerkrankungen: da z. B. Lynchia nach Miss Adie an Haustauben in Algier und Indien den Winter überlebt und gleichzeitig ıinfektiös bleibt, treten auch in dieser Zeit Neuinfektionen auf. Bei Malaria ist die Uebertragungsmöglichkeit in den Tropen bekanntlich gegenüber dem Norden auch zeitlich ausgedehnt, aber doch nicht während des ganzen Jahres gleichmäßig, da die Anopheles- menge, durch andere Faktoren (Trockenheit. Regenmenge) beeinflußt, schwankt. |

Wie in den Gegenden mit hohem Malariaindex vorzugsweise die Kinder starke Krankheitserscheinungen und Parasitenbefunde zeigen, verläuft auch das akute Stadium der Vogelbluterkrankungen, besonders ausgeprägt bei Leukozytozoon, als Jugenderkrankung, also an den Nestjungen. Auch während dieser Zeit tritt aber der Rhyth- mus der Vermehrung, wie er sich im Fieberverlauf der Malaria aus- prägt, weder bei Proteosoma (R. Koch 1898) noch bei den anderen Gattungen scharf hervor; die Angabe Moldovans (1912) über einen Gtägigen Zyklus beim Leukozytozoon des Steinkauzes kann ich für die Infektion der Krähe nicht bestätigen. Nach Senevet und Vitas (1924) verlief die Häemopr.-Infektion einer isoliert gehaltenen Taube in drei Phasen akuter Vermehrung während der ersten fünf Lebens- monate. Unterschiede im Blutbild bestehen insofern, als die Schizo- goniestadien bei Malaria und Proteosoma ins periphere Blut treten, während sie sich bei Hämoproteus und Leukozytozoon auf die inneren Organe (Lunge, Niere Knochenmark) beschränken; auch bei Tropika verbirgt sich ja der spätere Schizogonicablauf in Knochenmark und Milz. Bei den beiden Vogelblutparasiten enthält das Blut also nur massenhaft heranwachsende und reife Gametozyten, im chronischen Ver- lauf sind nur letztere, jedoch seltener, vorhanden. Wie bei Malaria können auch bei länger chronisch infizierten Vögeln Parasiten im Blutausstrich ganz fehlen, lassen sich aber eventuell im Ausstrich von inneren Or- ganen oder im Herzblut doch nachweisen.

Aus der Verschiedenheit der Parasitenverteilung ergeben sich auch Unterschiede in der Uebertragbarkeit durch Blutüberimpfung; während Malaria, auch Proteosoma, mit den Schizogonieformen des Blutes erfolgreich künstlich übertragen wird, haben die Versuche ver- schiedener Autoren, Hämoproteus und Leukozytozoon durch gametozytenhaltiges Blut zu überimpfen, immer fehlgeschlagen. Ent- sprechend hat aber eine Uebertragung mit schizontenhaltigem Organbrei bei H. positives Ergebnis (Gonder 1915), und das gleiche würde sich sicherlich auch für L. ergeben, wo dieser Versuch auch noch nicht durchgeführt worden ist. Die natürliche Uebertragung wird bei Malaria und bei Hämoproteus (Miss Adie) durch die Sporozoiten aus den Speicheldrüsen bewirkt: für Leukozytozoon ist diese Frage noch ungeklärt. Daß auch Ookineten, durch das In- sckt ohne weitere Entwicklung übertragen, zur Neuinfektion führen (Gonder 1915 für Hämoproteus), bedarf noch der Bestätigung. Schließlich kann eine Uebertragung durch Vererbung, sei es im Vogel oder im Insekt, für Hämosporidien in keiner Weise belegt werden.

Die Inkubationszeit, bei Malaria nach natürlicher Infektion

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bekanntlich 9 (Tropika, Mindestdauer) bis 19 (Tertiana, Maximum) Tage, ist bei Proteosoma 8-12 Tage, bei Hämoproteus relativ lang (26—28 Tage), muß dagegen bei Leukozytozoon sehr kurz sein, da schon meine 8—10 Tage alten Nestvögel die ersten Parasiten zeigten. Die Neigung zu Rezidiven, die bei Malaria so hart- näckig sind, ist bei den Vogelparasiten wenig charakteristisch. Ob- wohl sie möglich sind und im Versuch durch bestimmte Reize (z. B. Injektion mit artfremdem Blut, Moldovan 1912) ausgelöst werden konnten, sind namentlich die Frühjahrsrezidive, die bei Malaria oft von neuem die zeitweilig verschwundenen Parasiten ins periphere Blut zurückbringen, selten nachweisbar. Von ,,Blütezeiten‘ der Infektionen in den Keimträgern, einem periodisch gesteigerten Parasitenbefund, der bei Malaria wahrscheinlich durch Außenfaktoren (Besonnungsstärke) bedingt wird (Martini 1923), kann man mindestens für Leuko- zytozoon nicht sprechen; hier bleibt offenbar die chronische In- fektion unverändert, nur allmählich an Parasitenzahl abnehmend; auch z. B. der physiologisch eingreifende Vorgang der Mauserung verändert das Bild nicht. Für die Sicherung der Ausbreitung erscheinen Re- zidive nicht erforderlich, denn die relativ wenigen reifen Gameto- zyten von Hämoproteus und Leukozytozoon, die sich im Blut überwinterter Altvögel nachweisen lassen, genügen zweifellos, um die neugeschlüpften Lausfliegen des Frühjahrs zu Ueberträgern zu machen. Ueber die morphologische Grundlage der Rezidive, die bci Ter- tiana nach Schaudinn (auch für Tropica nach Swellengrebel 1915) auf Parthenogenesis der Makrogameten zurückgeführt werden, liegen nur für Haemopr. gleichsinnige Angaben von Legroux und Lwoff (1924) vor; doch wird z. B. für Proteosoma nach dem Plut- befund auch mit einer neuen Entwicklung aus lange Zeit in Ruhe ver- bliebenen Merozoiten gerechnet (v. Wasielewski 1908).

Die Immunität gegenüber den Hämosporidien ist nur eine rela- tive; wie der Mensch nach einer überstandenen Malaria nicht geschützt ist gegen Neuinfcktion, so sind auch bei den anderen Hämosporidien Reinfektionen möglich, aber schwer ausführbar, da eine Spontanheilung schwer beweisbar ist; bei Proteosoma konnte sie nur in 1 Proz. der Fälle beobachtet werden (v. Wasielewski 1908). Superinfck- tionen an schwach chronisch infizierten Vögeln sind nicht ausge- schlossen; sie führten bei Proteosoma zu schwacher Zunahme des Parasitenbefundes (v. Wasielewski). Im allgemeinen ist experi- mentelles Arbeiten hier sehr erschwert, da die Parasiten nicht kulti- vierbar und die natürlichen Ueberträger, besonders Lausfliegen, schwierig zu handhaben und am Leben zu halten sind.

Der Krankheitsverlauf nach natürlicher Infektion ist bei den Vogelhämosporidien im allgemeinen viel milder als bei der Malaria. Fieber und schwere Krankheitserscheinungen sind kaum nachweisbar und Todesfälle selten. Nur bei Proteoso ma werden dicse bei der relativ starken Parasitendosis der Blutüberimpfungen zur Regel. Die Vogelarten, die in einem großen Prozentsatz der Individuen mit Hämo- proteus und Leukozytozoon infiziert sind, haben sich wohl schon seit langem an diese Erreger angepaßt. Dagegen hat die schwer seuchen- artig auftretende Leukozytozoonerkrankung junger Enten (Wickware 1915), Gänse (Knuth und Magdeburg 1924) und Puter (Stephan 1923), die nur ausnahmsweise befallen sind, ihre Ursache vielleicht darin gehabt, daß bei besonders reichlicher Entwicklung der Lausilicgen in

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den Nestern benachbarter und infizierter freilebender Vögel auch die sonst unbcehellieten Geflügelarten gestochen und infiziert wurden, wobel eventuell noch besondere Virulenz der Parasiten und Prädisposition der Vögel durch anderweitige Schädigungen hinzutraten.

Die Fortdauer der Parasitenart während des Winters, in dem die Insekten in unserer Breite fehlen, wird bei Malaria nicht nur durch chronisch infizierte, eventuell rezilivierende Kranke, sondern, wenn auch seltener, durch einzelne infiziert überwinternde Stechmücken er- möglicht. Bei Hämoproteus und Leukozytozoon scheinen, wie erwähnt, ausschließlich die Vögel als Reservoir der überwinternden Stadien (Gametozyten) zu dienen, von wo die Entwicklung in der Lausfliege im Frühjahr wieder ihren Ausgang nimmt. Dabei ist die schnelle Ausbreitung jedenfalls dadurch begünstigt, daß nicht nur die Lausfliegen, sondern auch offenbar die Blutparasiten nicht auf eine Wirtsart beschränkt sind, wie die Malariaerreger, sondern in weit- gchendem Maße zwischen verschiedenen Wirtsvogelarten, mindestens solchen aus gleichen Familien (Singvögel oder Eulen-, Raub- und Reihervögel usw.) wechseln. Solange eine Spezifität einzelner Para- siten für bestimmte Wirtsarten nicht erwiesen ist, sollen sie meines Erachtens auch nicht als besonders benannte Arten unterschieden werden: und wie man die Vogelmalaria verschiedenster Vögel, insofern zwischen ihnen Uebertragung durch Blutimpfung möglich ist, ein- heitlich als Proteosoma praccox bezeichnet, so werden sich auch die zahlreichen mit besonderen Namen beschriebenen Hämoproteus- und Leukozytozoonarten vermutlich bald auf wenige „gute“ Arten zurückführen lassen. Aehnlich verhalten sich nach Nieschulz (1922) auch die Vogeltrypanosomen, die nicht für einzelne Vogelarten spezifisch, sondern von Art zu Art übertragbar, andererseits nach dem Verhalten in der Kultur als verschiedene Typen (Arten?) unterscheidbar sind.

Zusatz bei der Korrektur:

Eine neue Arbeit von Shulamite Ben-Harel (American Journ. of Hyg. Bd. 3, 1923) behandelt ausführlich Infektionsverlauf und Rezi- dive bei experimenteller Proteosoma-Infektion. Einige Fälle ver- liefen mit kurzer akuter Vermehrungesphase (5—10 Tage), andere schwach und gutartig, die Mehrzahl jedoch in unregelmäßigen Rhythmen während längerer Zeit. Nur 3 von 23 Vögeln rezidivierten spontan, ex- perimentell wurden Rückfälle durch Bestrahlung und durch Adrenalin- injektion erzielt.

Literatur.

Adie, Bull. Soc. Pathol. exotique. T. 17. 1924. Gonder, Arch. Protistenk. Bd. 21. 1911 und Bd. 35. 1915. Knuth u. Magdeburg, Zeitschr .f. In- fektionskr. d. Hlaustiere. Bd. 26. 1924 Legroux et Lwoff, Bull. Soc. Path. ex. T. 17, 1924. Martini, Berechnungen und Beobachtungen zur Epidemiologie u. Bekämpfung der Malaria. Hamburg 1921. Moldovan, Arch. Protistenk. Bd. 34. 1914. Nöller, ebenda. Bd. 31. 1913. Reichenow in Prowazek u. Nöller. Handb. d. path. Protozoen. H. 8. 1921. Schaudinn, Arb. a. d. Kais. Gesund- heitsamt. Bd. 20. 1904. Senevet et Vitas, Bull. Soc. Path. ex. T. 17. 1924. Stephan, Dtsche Tierärztl. Wochenschr. 1922. v. Wasielewski, Studien u. on an path. Prot. H. 2. Leipzig 1905. Wülker, Ber. D. Zoolog. Ges. Jena 1925.

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14. E Bresslau (Köln): Hydrionometer zur Bestimmung der Wasserstoffionenkonzentration in kleinen Flüssigkeitsmengen.

(Vorgeführt durch Dr. Harnisch -Frankfurt a. M.)

Demonstration: Der Apparat wird in zwei Ausführungen gezeigt!). Das für medizinische Zwecke eingerichtete Modell ist in der Deutschen Medizinischen Wochen- schrift. 1924 Nr. 6. S. 164, die für hydrobiologische, zoologische und botanische Zwecke eingerichtete Konstruktion in Bd. 15 des Archivs für Hydrobiologie, 1925. S. 585 beschrieben.

3. Tag. Sonnabend, den 26. Sept. 1925. Vorsitzender: Zwick (Gießen). Referat I. Uhlenhuth (Freiburg i. Br.):

Paratyphus.

I. Das praktische Problem. Verbreitung der Paratyphusbazillen bei Mensch und Tier sowie in der Außenwelt. II. Differenzierung in menschenpathogene und menschenapathogene Paratyphus-B. a) Die Ergebnisse der epidemiologischen Erfahrungen. > Die Ergebnisse der bakteriologisch-serologischen Methodik. | En ie Differenzierung der menschenpathogenen Paratyphusbazillen unter- einander. a) Bakteriologisch-serologische Differenzierung. b) Verteilung der Typen auf das klinische Krankheitsbild. A Epidemiologische Bewertung der Typendifferenzierung. IV. Die Ergebnisse der praktischen Paratyphusbekämpfung.

In einem Referat, das, wie das vorliegende, als zeitbemessener Vor- trag charakterisiert ist, alle auf dem Gebiete des Paratyphus zu- sammengetragenen Tatsachen und Anschauungen in erschöpfender Dar- stellung zu bringen, dürfte ein Ding der Unmöglichkeit sein. Es können daher nur diejenigen Punkte, die augenblicklich durch den Widerstreit der Meinungen in den Brennpunkt des allgemeinen Interesses gerückt sind herausgearbeitet, präzisiert und sorgsam abwägender Kritik unter- worfen werden. Daher liegt es auch nicht in unserer Absicht, eine lückenlose Literaturübersicht zu liefern, sondern lediglich die Grund- lagen zu umreißen, auf denen sich praktische wie theoretische Weiter- arbeit aufbauen läßt.

I

Das praktische Problem. Verbreitung der Paratyphusbazillen bei Mensch und Tier sowie in der Außenwelt.

Das praktische Problem, dem wir auch als Mikrobiologen selbstverständlich unser Hauptaugenmerk zuzuwenden haben, heißt: Paratyphusbekämpfung.

1) Die Herstellung der beiden Apparate ist am 1. Januar 1926 von der Firma F. u. M. Lautenschläger in Frankfurt a. M. auf die Firma Paul Altmann, Berlin NW 6, Luisenstr. 47 übergegangen.

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Schon früh wurde im Gebiet der von R. Koch organisierten Typhusbekämpfung im Südwesten des Reiches, der wir ja so überaus wichtige wissenschaftliche Tatsachen auch in der Paratyphusfrage ver- danken, erkannt, daß alle diejenigen Maßnahmen, die sich so ausge- zeichnet bei der Bekämpfung des Typhus bewährt hatten, dem sonst dem Typhus so ähnlichen Paratyphus gegenüber größtenteils versagen, und Robert Koch hat selbst aus dieser Tatsache die Konsequenz gezogen und den Paratyphus aus der eigentlichen Typhusbekämpfung, d. h. nach den bei Typhus festgelegten Gesichtspunkten ausgeschieden. Die Ursache dieses Versagens glaubte man auf Grund der im Anschlu an die Forschungen über Schweinepest gemachten Feststellung von Uhlenhuth, Hübener, Xylander und Bohtz (1907) in der all- gemeinen -- im Gegensatz zum Typhusbazillus Verbreitung der Para- typhusbazillen in der Außenwelt gefunden zu haben. Die so häufigen se- kundären Befunde der zur Paratyphusgruppe zugehörigen sogenannten Schweinepestbazillen bei der Schweinepest, die nach den Untersuchungcn von Dorset, Uhlenhuth und seinen Mitarbeitern, Hutyra, v. Ostertag u. a., durch ein filtrierbares unsichtbares Virus hervor- gerufen wird, ließen vermuten, daß dieser Bazillus, der vom echten Para- typhus B-Bazillus nicht zu unterscheiden war, ein Bewohner des normalen Schweines sei und unter dem Einfluß des Schweinepest- virus eine spezifische Anreicherung im Schweinekörper erfährt. Durch systematische Untersuchungen von Uhlenhuth und seinen Mitarbeitern, sowie von Grabert, G. Seiffert und Eckert, Gardenghi., v. Velzen, Morgan, Marschall u. a. in Deutschland, Holland, Italien, England usw. konnte diese Vermutung bestätigt werden. Aus dem Darm gesunder Schweine und Ferkel konnten von uns in etwa 8,4 Proz. der Fälle Bakterien herausgezüchtet werden, die in allen ihren Eigenschaften mit dem Paratyphusbazillus völlig übereinstimmten. Bei weiteren Untersuchungen, die von uns und von den verschiedensten Seiten aufgenommen wurden (Andrejew, Tietze und Weichel, Zwick und Heuser, Poels, Morgan u. a.), konnten auch ım Darm von gesunden Kälbern, Hammeln, Hunden und Pferden, ferner auch bei gesunden Ratten, Mäusen, Kaninchen, Meerschweinchen und Gänsen die Bakterien der Paratyphus- resp. Gärtnergruppe festgestellt werden.

Es unterliegt also keinem Zweifel, daß diese Bakterien im Darm- kanal gesunder Tiere vorkommen können. Diese Feststellungen führten Uhlenhuth und seine Mitarbeiter zu Untersuchungen über die Verbreitung der Bakterien in der Außenwelt, wohin sie mit den Exkrementen der Tiere notwendigerweise gelangen müssen. So konnten diese Bakterien denn auch in Wasser, Eis und Milch (Sternberz, Forster, G. Mayer, Brinkmann, Geißler, Gäthgens, Con- radi, Rommeler, Hübener u. a.), in zerlegtem und zubereitetem Fleisch, besonders in Würsten und Hackfleisch, wohin sie auch durch Verarbeitung von Darm- und Drüsenmaterial gelangen können, nach- gewiesen werden, ohne daß dieses Fleisch resp. die Wurst im Aus- schen, Geruch und Geschmack zu Beanstandungen, oder daß ihr Genuß zu Gesundheitsstörungen Veranlassung gegeben hätte (Uhlen- huth, Hübener, G. Mayer, Rimpau, Buthmann, Conradi und Rommeler, Komma, Sobernheim, Schern, Glaser u. a.). Aus der Feststellung des Vorkommens von Vertretern der Paratyphus- gruppe in genubtauglichen Nahrungsmitteln mußte notwendigerweise

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gefolgert werden, daß der diese Waren genießende Mensch vorüber- gehend diese Bakterien beherbergen muß, und es war zu erwarten, dab solche Mikroorganismen auch in den Ausscheidungen (Stuhl und Urin) gesunder Personen gefunden würden. Von Lentz, Rimpau, Mar- mann, Gäthgens, Conradi, Georg Mayer, Hübener und Viereck, Küster, Prigge und Sachs-Müke, Aumann, Tra- winski, Bitter u. a. wurden Angehörige der Paratyphusgruppe bei völlig gesunden Menschen, besonders bei Kindern, die mit Para- typhus nachweislich nicht in Berührung kamen, nachgewiesen. Be- sonders interessieren dürften auch die zahlreich in der Literatur ver- streuten Fälle von gelegentlichen Befunden dieser Bakterienart als Begleitbakterien bei Allgemeinerkrankungen ohne Beziehung zu Para- typhuserkrankungen so Z. B. bei Scharlach, Masern, Pneumonie, Pleuritis, Mandelentzündung, Phthise, Meningitis, Malaria, dem gelben Fieber, dem Papatacifieber, dem Maltafieber und vor allem beim Typhus im Körper der Erkrankten und Gestorbenen und im Eiter bei lokalen eiterigen Prozessen ohne Zusammenhang mit einer Para- typhuserkrankung (Otitis, Orchitis, Cholecystitis, Periproctitis, Osteo- chondritis, Monarthritis, Lymphadenitis etc.). Diese Befunde ließen sich doch nur mit der Annahme einer saprophytischen Existenz dieser Bakterien im menschlichen Organismus erklären, die dann unter dem Einfluß der spezifischen Erkrankung eine Anreicherung erfahren und in das Innere eindringen. Angesichts dieser Tatsachen dürfte wohl unsere Behauptung von der weiten Verbreitung dieser Bakterien in der Außenwelt auch durch die negativen Ergebnisse von Trautmann, Koenig, Sobernheim, Schmidt, Aumann, Fischer, Chri- stiansen, Amako, Bainbridge etc. kaum eine Einschränkung er- fahren, zumal da diese Befunde durch die regionär verschiedene Ver- breitung und zeitliche Einflüsse zu erklären sein dürften.

Hinzu kommt noch die wichtige Rolle, die die Paratyphusbakterien bei Tierkrankheiten, wie Kälberruhr, Kälberparatyphus, Stuten- abort, „Hühnertyphus‘, septischen Erkrankungen, ferner Krankheiten der Ratten, Mäuse, Meerschweinchen, Katzen, Affen, Sperlinge, Papa- geien und Bienen spielen.

Damit war tatsächlich ein, mit Bezug auf die Epidemiologie und die Bekämpfung eminenter Unterschied gegenüber dem Typhusbazillus gegeben, der als obligater Krankheitserreger zu seiner Weiterentwick- lung lediglich auf den Menschen angewiesen ist, und weder im Tier vorkommt, noch in der Außenwelt dauernd zu existieren vermag. Wo sich Typhusbazillen finden, ist direkt oder indirekt einzig und allein ein kranker Mensch der Ausgangspunkt. Beim Paratyphus liegen die Dinge anders. Da gibt es außer dem Menschen noch die in der Außen- welt liegenden Infektionsquellen.

Unmöglich konnten nun alle diese Bakterien in ihrer patho- genen Bedeutung für den Menschen gleichwertig sein. Auch wenn man den Selbstversuchen von Rimpau, Hübener u. a. die Para- typhusbazillen enthaltende Wurst ohne jeden Schaden verzehrten, keine entscheidende Bedeutung beilegen will, so leuchtet es doch ohne weiteres ein, daß eine derartige Verbreitung pathogener Krankheitserreger eine ungemessene Zahl von Krankheitsfällen beim Menschen hätte nach sich ziehen müssen. Unzweifelhaft waren die weitaus meisten der gefundenen Bakterien aber für den Menschen nicht pathogen, und damit ergab sich die Aufgabe jene Aufgabe, die

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auch heute noch alle anderen Probleme in den Schatten stellt nach einer Differenzierung zwischen den menschenpathogenen und den nichtpathngenen Angehörigen der Paratyphus- gruppe zu suchen.

IT.

Differenzierung in menschenpathogene und menschen- apathogene Paratyphusbazillen.

So lange es nicht gelang. derartige Differenzen aufzudecken, mubte in Praxi. wie Uhlenhuth und seine Mitarbeiter seinerzeit ausdrücklich hervorgehoben haben, bei allen diesen Bazillen mit der Möglichkeit einer Patliogenität gerechnet werden. Auf der anderen Seite bedeutete das Miblinsen einer Differenzierung in Anbetracht der mannigfachen Mangel der bakteriologischen Methodik, wie Uhlen- huth und Hübener ebenso nachdrücklich betonten, keineswegs ihre Identität. Dieser Standpunkt wurde selbstverständlich vun rechts und links her angegriffen. Diejenigen Autoren, die bereits einen Weg zur Differenzierung gefunden zu haben glaubten, vermibten die entscheidende Bewertung ihrer Befunde; die Anhänger der Iden- titatsichre hingegen, z. B. M. Müller, sahen in dem reservierten Hinweis auf unsere unzulängliche Technik lediglich eine gewisse Scheu davor, aus den negativen Dilferenzierungsversuchen die Konsequenzen zu zichen.

Für uns handelt es sich nun heute darum, ob die Bereiche- rungen, die die bakteriologische Methodik in den letzten Jahren erfahren hat es sei nur an das Agglutinoskop (Kuhn und Woithe) und die darauf aufgebaute Bewertung der Flockungsunterschiede, sowie an den diftizilen Ausbau der Rezeptorenanalyse (Weil und Felix) erinnert —, uns mittlerweile die Möglichkeit einer Einteilung der Paratyphusbazillen in pathogene und apathogene an die Hand gegeben haben.

A priori gibt es zwei Wege, die einen Fortschritt versprechen Den einen weist uns die epidemiologische Erfahrung: sie deckt uns die Bedingungen auf, unter denen wir einen Mikroorganismus als praktisch gefahrlos ansehen dürfen, gleichviel in welcher Gestalt er sich bei der bakteriologischen Diagnostik präsentiert. Der zweite Weg wird durch die sorgsame Analyse der gefundenen Bakterien gebahnt; er strebt bestimmten biologisch-serologischen Merkmalen zu, die den pathogenen Mikroorganismus vor dem nichtpathogenen aus- zeichnen.

a) Die Ergebnisse der epidemiologischen Ertahrungen.

Gehen wir zunächst den ersten Weg. Auf ihm erhoffen wir ins- besondere eine Antwort auf die Frage: Können wir bereits aus dem Fundort der Paratyphusbazillen aufihren Charakter als Krankheitserreger schließen?

Daß wir Bakterien, die dem durch sie kranken oder krank- gewescenen Menschen entstammen, als pathogen ansehen müssen, be- darf keiner Erläuterung. Wie steht es aber um jene Paratyphusbazillen, die in gesunden Menschen nachgewiesen wurden?

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Die positiven Paratyphusbazillenbefunde beim gesunden Menschen oder bei demjenigen Menschen, von dem eine sichere Paratyphus-Aetio- logie nicht zu erhalten ist, lassen sich bekanntlich in mehrere Gruppen einteilen. Die erste Gruppe wären die Dauerausscheider; hier lehrt die Erfahrung, wie insbesondere auch Rimpau hervorgehoben hat, daß wohl jeder Dauerausscheider von Paratyphusbazillen zu irgend- einer Zeit bisweilen vor Jahren einen typhusähnlichen Para- typhus durchgemacht hat; seine Bazillen, die meist von seiten der Gallenwege in den Darm in großen Mengen ausgeschieden werden, müssen also von Haus aus (auch ohne Krankheit) als pathogen an- genommen werden. Das entgegengesetzte Extrem sind die „Eintags- ausscheider“; sie haben ihre Bazillen aller Wahrscheinlichkeit nach mit der Nahrung aufgenommen und scheiden sie nun, ohne irgendwelche Symptome zu zeigen, wieder aus; charakteristisch ist, worauf mit Nach- druck hingewiesen werden muß, neben der kurzfristigen Ausscheidung die Spärlichkeit des Bazillenbefundes. Nach Conradi ist diese ,,alimen- täre Ausscheidung“, auch wenn die Bazillen im Urin oder Blut vorüber- gehend nachgewiesen werden können, ein harmloser, physiologischer Vor- gang und ihre Bekämpfung ein „Kampf gegen Windmühlen“, ein Stand- punkt, den man in praxi wohl notgedrungen einnehmen muß. Wir werden darauf noch zurückkommen. Aber es ist nicht zu vergessen, daß auch Infektionen beschrieben worden sind, wo in der Umgebung der Er- krankten oder Dauerausscheider gesunde echte Bazillenträger gefunden wurden, die nicht nachweislich krank gewesen sind. Dabei muß aller- dings bemerkt werden, daß auch eine leichte, kaum merkliche Er- krankung zum Bazillenträgertum führen kann. Auch hier kann die Ausscheidung lange Zeit andauern oder temporär (weniger als 3 Monate) sein. Im großen und ganzen können wir aber sagen, daß ein ein- maliger, spärlicher Befund von Paratyphusbazillen ım Stuhl uns noch nicht a priori zu der Annahme eines vor- handenen pathogenen Mikroorganismus berechtigt auch dann nicht, wenn man eine Epidemie gern durch einen Bazillenträger aufklären möchte. Es ist außerordentlich bedauerlich, daß gerade dieser Punkt in der epidemiologischen Paratyphusliteratur so wenig berück- sichtigt worden ist; das erschwert ungemein die Beurteilung namentlich jener Paratyphen und Fleischvergiftungen, die vielfach kritiklos mit Bazillenträgern in Zusammenhang gebracht werden, welche auch von den infizierten Nahrungsmitteln gekostet hatten und die Bazillen nun, ohne zu erkranken, alimentär ausschieden.

Wenden wir uns nun den tierischen Paratyphusbazillen zu, so fällt uns eine auf den ersten Blick überraschende epidemiologi- sche Tatsache auf: In der gesamten Literatun ist nur eine einzige, aber schwer seuchenhaft aufgetretene Tierkrankheit der Haus- tiere beschrieben, die durch menschenpathogene Paratyphusbazillen her- an worden ist: Die Schafseuche in Ueberruhr, eine an- steckende Gastroenteritis von Bruns, Gasters und Frickin- ger beschrieben wo bekanntlich derGenuß des geschlachteten Fleisches und der Wurst zu einer ausgedehnten Epidemie unter der Bevölke- rung (4000 Einwohner, 2000 Erkrankungen, 3 Todesfälle) geführt hat. Die übrigen durch Paratyphus hervorgerufenen Tierseuchen der Schlachttiere scheinen für die humane Pathogenese kaum eine Rolle zu spielen: der Stutenabort kommt für die Praxis überhaupt nicht in Frage; der Kälberparatyphus (Gärtner-B.) ist in einigen

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Gegenden Deutschlands recht häufig; noch nie ist jedoch nach Genuß des Fleisches solcher Tiere eine Fleischvergiftung zur Beobachtung ge- langt (Bugge und Dierks, Karsten, Wiemann, v. Ostertag). Dasselbe gilt für die Kälberruhr, die nach unseren Untersuchungen vielfach durch Bakterien der Paratyphus-, besonders der Gärtnergruppe hervorgerufen wird. Aehnlich steht es mit dem Hühnerparatyphus. Schließlich sind tausende und abertausende schweinepestkranker Schweine zur Schlachtung gekommen, ohne zu einer Infektion durch das Fleisch dieser Tiere geführt zu haben. Auch wir haben bei unseren sich über viele Jahre erstreckenden Untersuchungen über die Schweine- pest solche Infektionen nie beobachtet, obwohl bei den zahlreichen Sck- tionen und dem Aufenthalt in den verseuchten Ställen reichlich Ge- legenheit dazu gegeben war und auch besonders auf solche Möglichkeiten geachtet wurde. In der Literatur haben wir nur eine einzige, scheinbar einwandfrei geklärte Fleischvergiftung nach Genuß von Schlachtpro- dukten eines schweinepestkranken Schweines gefunden (Wurst, der un- gekochte Leber beigemischt war), die M. Müller in Oberursel be- schrieben hat; wir werden noch auf sie zurückzukommen haben (intra- vital B. suipestifer resp. Paratyphusbazillus-Dr. Pohle). Die übrigen im Anschluß an Schweinepest in der Literatur beschriebenen Fälle von Pouchet, Silberschmidt, Tiberti, Rocchi, v. Slooten ent- behren der Beweiskraft.

Bei den menschlichen Erkrankungen durch Angehörige der schweine- pathogenen Glässer-Voldagsengruppe (Paratyphus ß- Erzindjan). auf die wir noch zurückkommen, wird eine Infektion durch Fleisch- genuß entweder, wie in der von Bernhard beschriebenen Epidemie, nur vermutet, oder wie von Neukirch, Weil und Geißler u. a. geradezu für vollkommen ausgeschlossen erklärt. Derartigen epı- demiologischen Erfahrungen wohnt von vornherein eine Beweiskraft inne, die durch rein theoretisch begründete Anzweifelungen nur schwer beeinträchtigt werden dürfte.

Der Umstand, daß die der Paratyphusgruppe angehörenden Erreger ansteckender Seuchen der Schlachttiere für den Menschen im allge- meinen Keine Bedeutung haben, berechtigt jedoch keineswegs zu der Folgerung, als ob Jeder im tierischen Organismus Vor tangon Paratyphusbazillus ein für den Menschen harmloser Ge nosse sei. Nach einer von Kuppelmayr zusammengestellten ka: suistik der Fleischvergiftungen, die in den Jahren 1913—1922 zu amt- licher Kenntnis gelangten. fällt 1/, aller Fleischvergiftungsepidemien (56 Proz. aller Krankheitsfälle) auf Notschlachtungen, von denen waurscheinlich wieder 1, intravital paratyphös infiziert wor" waren. Standfuß fand unter 2700 Fällen bakteriologischer Flei beschau 64mal Paratyphus-Enteritisbazillen. Es lehren also die bakte logisch untersuchten Fälle von intravitaler Fleischvergiftung, « menschenpathogene Paratyphus-Enteritisbazillen als gelegentliche Kra.: heitscrreger auch bei unseren Haustieren und zwar als sekund: : Wundintektion auftreten können. Sie wurden aber verhältnismä: - sehr selten nachgewiesen (Bongert). Die Existenz menschen- pathogener Paratyphusbazillen tierischer Herkunft dürfte wohl ebenso feststehen, wie die von van Ermenghem, Ba- senau, Kutscher und Meinicke, Schmitt, Uhlenhuth und Hübener, Tietze und Weichel u. a. experimentell für Schlacht- tiere erwiesene Pathogenität menschenpathogener Stämme.

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Geht man nun den Krankheitserscheinungen nach, denen die mit menschenpathogenen Keimen infizierten Schlachttiere erlegen sind, so zeigen diese fast durchweg (außer Ueberruhr) das Kennzeichen: der individuellen Erkrankung, so daß sie v. Ostertag den W und- eiterungen vergleichen möchte. Standfuß konnte seine Befunde in 3 Gruppen einteilen: 1) Erkrankungen des Magens und des Darmes, insbesondere bei Pferden; 2) Erkrankungen im Zusammen- hang mit der Geburt und eitrig- jauchige Entzündungskrankheiten, auf die ja Bollinger vor nun bald 50 Jahren bereits hingewiesen hat; 3) als interessanteste ‘Gruppe eine große Anzahl von Fällen, in denen man schwerlich von vornherein Paratyphus-Enteritis- bazillen hätte vermuten dürfen: Lungenentzündung, Sturz in einen Wassergraben, Leukämie, Verkalben, Parese der Nachhand, Rotlauf und Schweinepest. Standfuß schließt daraus, man müsse bei jeder Erkrankung eines Tieres, die mit einer erheblichen Störung des All- gemeinbefindens einhergeht, mit dem Auftreten von Paratyphus- und Gärtnerbazillen rechnen, und zwar nimmt er an, daß die Schwächung des Tieres durch den primären KrankheitsprozeB jene Paratyphus- bazillen, die bis dahin im Darm ein Schmarotzerdasein führten, die Invasion in die Saftbahnen des Körpers ermöglicht.

Darf man nun derartigen Mikroorganismen, die so lange völlig saprophytär gelebt haben, überhaupt pathogene Eigenschaften zutrauen?

Diese Frage ist nach einigen von anderer Seite gemachten Beob- achtungen zu bejahen. Uhlenhuth, Haendel und Steffenhagen impften anscheinend ganz gesunde Ratten mit Rattensarkom intra- peritoneal die Ratten gingen an einer bis dahin okkulten Gärtner- infektion zugrunde, und anschließend kam es zu einer von dieser aus- gehenden Seuche unter gesunden, in den Käfig gesetzten Ratten. Zwick und Weichel verfütterten im Anschluß an die bekannten Arbeiten von Mühlens, Dahm und Fürst an anscheinend ganz gesunde Mäuse einwandfreies Pökelfleisch ein großer Teil der Tiere starb an einer Paratyphusseptikämie.

Auch Bitter teilt mit, dab ihm in der gleichen Weise eine grobe Anzahl von Mäusen nach Injektion von Staphylokokkenvakzine zugrunde gingen. Auch bei Meerschweinchen hat man nach Impfung mit Tuberkel- bazillen und Typhusbazillengiften ähnliches beobachtet. Es können also bei den durch Geschwulstwachstum, Fleischfütterung oder sonstigen schwächenden Eingriffen normalerweise im Darm von Ratten, Mäusen und Meerschweinchen saprophytisch lebende Bakterien der Para- typhusgruppe in den Körper einwandern und eine Allgemeininfektion, ja sogar eine von dieser ausgehende tödliche Seuche hervorrufen.

In diesem Zusammenhange dürfen wir vielleicht auch an die bci Kolle und Hetsch zitierten Versuche erinnern, in denen die Virulenz der im Fütterungsversuch ursprünglich apathogenen Paratyphusbazillen durch wiederholte parenterale Infektion bis zur Fütterungspathogenität gesteigert werden konnte.

Auch für den Menschen liegen hierher gehörige Befunde vor. In die Freiburger chirurgische Klinik wurde ein Dienstmädchen mit chroni- scher Appendicitis eingeliefert. Nach vierwöchiger Beobachtung wurde sie operiert und erkrankte 1—2 Wochen nach der Operation an echtem Paratyphus hominis. In der Klinik war seit langer Zeit kein Para- typhusfall vorgekommen; auch nicht der leiseste Hinweis auf cine An- steckungsmöglichkeit bestand. Gegen eine Infektion vor der Einlieferung

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sprach die Inkubationszeit von 6 Wochen, die man dann hätte annehmen müssen. So wurde denn in der Klinik dieser Fall als ein Beispiel dafür aufgefaßt, daß an sich saprophytär im Menschen lebende Para- typhusbazillen auf Grund einer vorübergehenden Schwächung des be- treffenden Trägers virulent werden können. Die Gießener Frauen- klinik hat einen ähnlichen Fall zur Kenntnis gebracht.

Erfahrungsgemäß lassen sich also die Paratyphusbazillen tieri- scher Herkunft in zwei Gruppen einteilen: die eine Gruppe umfaßt die Seuchenerreger unseres Schlachtviehs und ist für den Menschen zum wenigsten in praxi (mit Ans nahme der Schafseuche in Ueberruhr) apathogen; die andere um- faBt Erkrankungen einzelner Tiere darunter vielleichı auch solche Erkrankungen, die erst sekundär einem bis dahin im Darm friedlich schmarotzernden Paratyphusbazillus die Invasion gestatteten —. sie kann pathogen sein, und muß daher fürs erste stets als pathogen angeschen werden. Die Erfahrung erlaubt es also nicht, jeden als Saprophyten lebenden Paratyphus- bazıllus unbesehen als Saprophyten passieren zu lassen.

Eine Sonderstellung nehmen allerdings die Mäuse- und Ratten- schädlinge insofern ein, als sie zwar typische tierische Seuchenerreger sind und trotzdem wahrscheinlich bei besonders reichlicher Infektion oder bei besonders disponierten Individuen, wie Kindern, Gefangenen u. dgl. menschliche Erkrankungen, zum Teil mit Todesfällen, ver- ursacht haben (Trommsdorff, Beck, Shibayma, Ickert, Wil- führ und Wendtland, Gildemeister, Ungar, Babes und Busila, G. Mayer, Fleischandl, Gaffky, Handsom und Williams, Klein u. a.). Darum dürfen aber auch diese tierischen Seuchenerreger keineswegs als Erreger menschlicher Krankheiten xar egoyrv aufgefaßt werden, da in diesem Fall die ungeheueren Massen aus- gestreuter Kulturmengen unübersehbare Paratyphusepidemien hätten er- zeugen müssen. Die Erfahrungstatsache, daß tierische Seuchenerreger ım allgemeinen menschenapathogen sind, wird als Regel auch hier bestätigt.

Ob der sogenannte Psittacosebazillus (Nocard), der eine Enteritis der Papageien verursacht, ein häufiger Erreger menschlicher Infektionen ist (Gilbert, Fournier, Dreves), die von Papageien ihren Aus- ang nehmen, ist noch zweifelhaft (Bachem, Selter und Finkler). Wir haben ihn deshalb als „Papageienpestbazillus“ bezeichnet.

Es gibt also unleugbar eine qualitative, auf die ver- schiedenen Tierspezies abgestimmte Pathogenität. Mit rein quantitativen Differenzen kommen wir hier nicht aus. Selbstver- ständlich kommen im Rahmen dieser tierspezifischen Abstimmung alle quantitativen Abstufungen vor.

Ebenso unleugbar gibt es -Jedoch auch Paratyphus- bazıllen, denen eine solche pathogenetische Abstimmung fehlt, denen die epidemiologische Erfahrung kein Stigma art- spezifischer Anpassung aufdrückt, d. h. die sowohl menschen- wie tier- pathogen sind. Sie bedüren in erster Linie der Ueberprüfung durch den Bakteriologen.

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b) Die Ergebnisse der bakteriologisch-serologischen Methodik.

Welche Resultate hat nun die bakteriologische Metho- dik im Hinblick auf diese epidemiologischen Erfahrungen erzielt?

Schon früh sind innerhalb der Paratyphusgruppe Differenzen beob- achtet worden, die eine Handhabe für eine ätiologischen Gesichts- punkten entsprechende Typentrennung zu versprechen schienen. Auf jene Versuche, die eine Einteilung innerhalb der menschen- pathogenen Vertreter der Paratyphusbazillen erstrebten, soll noch in einem anderen Zusammenhange eingegangen werden. Hier interessiert uns zunächst lediglich jene Frage, die für den Praktiker das A und O des gesamten Paratyphus bedeutet: Lassen sich die menschen- pathogenen Stämme von den tierpathogenen bzw. völlıg apathogenen bakteriologisch unterscheiden?

In den meisten Fällen müssen wir diese Frage immer noch mit einem glatten Nein beantworten. Etwaigen dahin gehenden Angaben fehlt zumeist die für die Praxis erforderliche Zuverlässigkeit.

Die Indolbildung ist zwar, worauf besonders Andrejew, P. Schmidt, Max Neißer, Huber und Horn hingewiesen haben, ein brauchbares Kennzeichen, nach dem wir die betreffenden Bakterien von vornherein aus der Paratyphusgruppe ausschließen können, ermög- licht aber keinerlei Differenzierung im Rahmen der Gruppe selbst.

Die von B. Fischer, v. Drigalski, R. Müller, Bitter u. a. beschriebenen Schleimwälle oder die Knöpfchen, die den Kolonien auf dem Raffinoseagar Reiner Müllers aufsitzen und auf die wir noch später zurückkommen werden, erlauben hier keine Trennung naclı den von der Praxis gewünschten Grundsätzen.

Die Glyzerin-Fuchsin-Bouillön Sterns ermöglicht nur einc Sonderung der Gärtner-Paratyphusgruppe von den Pestifer-Voldagsen- Stutenabortbazillen.

Ebensowenig ist es bis heute möglich gewesen, auf serologischem Wege die tierische oder menschliche Herkunft eines Paratyphusbazillus, seine Pathogenität oder Apathogenität klarzustellen. Kurz, es fehlt, um mit v. Ostertag zu sprechen, ein durchgreifendes, im Labora- torium anwendbares Unterscheidungsmittel der saprophyti- schen von den tierpathogenen, und der nurtierpathogenen von den menschenpathogenen Stämmen.

Nur in einer Hinsicht ist in den letzten Jahren eine gewisse Klärung eingetreten: hinsichtlich der Stellung der Schweinepest- bazillen, jener bekannten Begleiter der Virusschweinepest.

Schon frühzeitig wurde erkannt, daß diese „Suipestifer-Bazillen untereinander nicht gleichartig waren. Joest, Bang, Smith und Moore, Dorset u. a. beschreiben alle möglichen ‚Varietäten, ebenso Uhlenhuth, Hübener, Xylander und Bohtz; Uhlen- huth und Hübener haben überdies in den sowohl für Paratyphus- wie Gärtner- und Pestiferserum inagglutinablen Schweinepeststämmen einen besonderen Typus Paratyphus C aufgestellt. Der eigentliche Kern des Problems war jedoch nicht die Stellung der ein- zelnen Pestiferstämme zueinander, sondern der Pestifergruppe als solcher zu den Paratyphus B-Bazillen. Mehrfach wurde auch auf serologische Differenzen zwischen den beiden Gruppen

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hingewiesen (z. B. von Trautmann, Selter, Travinski), mms- besondere auf die schlechte Agglutinabilität für die wechsel- seitigen Immunsera; eine Nachprüfung an einer größeren Anzahl von Schweinepeststämmen ergab jedoch immer wieder bei aller Be- stätigung im einzelnen, daß die angegebenen Differenzen niemals durchgreifend zutrafen (Uhlenhuth).

Uhlenhuth, Haendel und Gildemeister waren die ersten. die eine Beobachtung von allgemeiner Gültigkeit bekanntgaben.

Damm a hatte als Erreger einer besonderen Form bazillärer Schweinepest einen Bazillus beschrieben, der sich in der bunten Reihe durch Sn typhusähnliches Verhalten gegenüber Traubenzucker und JLackmusmolke von den übrigen Schweincpestbazillen unterschied. den ,,B. Voldagsen‘ Die genannten Autoren, besonders Haendel uni Gildemeister, stellten nun fest, daB das Immunserum dieses Stammes zwar sämtliche Schweinepest-, aber keine Paratyplus B-Bazillen agglutinierte. Den gleichen Befund, wie sie mit diesem B. Voldagsen, erhob unabhängig von ihnen Pfeiler, sowie später sein Schüler Tormann mit dem Serum eines aus einer Ferkelkrankheit ge- züchteten „Ferkeltvphusbazillus“. Teodorasku bestätigte die Mitteilung Haendels und Gildemeisters an einem ziemlich um- fangreichen Material, indem er nur ganz vereinzelte Ausnahmen fand.

Vor einiger Zeit berichteten nun Manteufel und Beger, dat es ihnen im Absättigungsverfahren nach Castellani gelungen sci, die Schweinepestbazillen von den Paratyphus B-Bazillen einwandfrei zu trennen. Das Mißlingen ähnlicher früherer Versuche führten sie darauf zurück, daß bei der Schweinepest nicht nur die Schweinepestbazillen selbst, sondern auch (außer den Gärtnerbazillen, die bereits Uhlenhutl und Haendel nachgewiesen hatten) typische Paratyphus B-Bazillen eın- wandern: bisweilen trifft man sogar alles nebeneinander (Uhlenhuth, MieBner, Geiger und Baars). Offenbar waren die alten Absatti- rungsversuc he bald mit solchen Paratyphusbazillen aus dem Schwein. bald mit Schweinepestbazillen gemacht worden; in den Protokollen, die Uhlenhuth und seine Mitarbeiter seinerzeit veröffentlicht haben, lapt sich das noch heute erkennen.

Die Angaben von Manteufel und Beger wurden bald vn Schiff bestätigt, und auch wir haben neuerdings in Freiburg zu- sammen mit Shibata ihre Richtigkeit an einem größeren Material dartun können, dabei fanden wir unter den echten Schweinepestbazillvn auch noch andere scharf gesonderte Typen außer dem von Manteufel und Beger geschilderten Typ. Ihre Beziehungen untereinander unter- liegen zurzeit noch der Bearbeitung.

Zu ähnlichen Feststellungen sind englische Autoren, Savage. White u. a., gekommen. Durch diese Differenzierung wurde also die epidemiologische Erfahrung von der menschenapatho- genen Eigenart der Pestiferstämme gegenüber den menschen- pathogenen Paratyphusbazillen vollauf bestätigt. Wir möchten jedoch betonen, dab die Frage der Variabilität des B. suipestifer noch der Untersuchung bedarf.

Wir glauben auch eine Differenzierungsmethode gefunden zu haben, die es im Hinblick auf ihre Einfachheit wohl verdient, in der Praxis auf ihre Brauchbarkeit erprobt zu werden. In unserem Labora- torium hat sie Herr Shiiba an 300 Sammlungsstämmen der Paratyphus- gruppe und mehrfachen Neris durchgeprüft: Setzte man einer Nahr-

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bouillon Pestiferimmunserum in der Verdünnung 1:100 hinzu. so wuchsen hier alle Pestiferstämme von entsprechendem Typ als aggluti- nierter Bodensatz bei völlig klarer Bouillon, alle übrigen der 300, teils mit, teils ohne Bodensatz, unter dichter Trübung; in einer Bouillon mit irgendeinem Paratyphus B-Immunserum (Kaninchen) 1:100 wuchsen die Pestiferstämme dagegen regelmäßig trüb. Wie weit sich diese Laboratoriumsversuche an frisch aus dem Tier zezüchteten Stämmen bestätigen, kann erst in der Praxis entschieden werden.

Jener vorhin erwähnte B. Voldagsen führte jedoch zu neuen Komplikationen. Er war, wie berichtet, aus Fällen von bazillarer Schweinepest, wie sie nur bei 3—4 Monate alten Ferkeln aufzutreten pflegt, herausgezüchtet worden. Einen ähnlichen Typus, der kulturell zwischen ihm und dem Pestifer steht (er bildet kein Gas, rötet aber Lackmusmolke), hat Glässer beschrieben und schrieb ihm (zum Gegensatz zu dem an sich harmlosen Pestifer der Virusschweine- pest) ferkelpathogene Eigenschaften zu. Ihnen gesellt sich Piciler bei, der in seinem oben genannten Ferkeltyphusbazillus den Erreger des „Ferkeltyphus‘ sah und ihn mit den B.B. Voldagsen und Glässer zu identifizieren wünschte.

Auf der anderen Seite faßten Uhlenhuth, Haendel und Gildemeister, sowie Joest den B. Voldagsen als eine Abart des B. pestifer auf, insbesondere da sich die kulturellen und sero- logischen Differenzen mit der Zeit verloren und auch der B. Voldagsen auf der bunten Reihe wie ein Pestifer wuchs.

Noch größer wurde das Interesse an dieser Gruppe, als bei schweren menschlichen Erkrankungen in der asiatischen Türkei, Albanien, Wolhynien die unter dem Bild eines septischen Typhus und Ruhr verliefen, von Neukirch und unabhängig von Weil, Lewy und Schiff und in Bestätigung dieser Befunde von Lewy und

Schiff, Dienes, Wagner u. a. Bakterien gezüchtet wurden, die sie als Paratyphus ß-Erzindjan bezeichneten und die sie nach ihren Untersuchungen mit dem B. Voldagsen glaubten identifizieren zu können. Eine Ucbertragung vom Tier aus (besonders Schwein) Ist jedoch, wie wir bereits hervorhoben, noch nicht mit Sicherheit er- wiesen, und die Epidemiologie ist durchaus dunkel.

Praktisch gesehen, handelt es sich also (abgesehen von glen rein tierärztlichen Fragen, über die mein Herr Korreferent berichten wird) um folgendes: Gehört die Gruppe des Voldagsen-Glässer- Ferkeltyphusbazillus tatsächlich der Pestifergruppe an, so werden die für menschenapathogen geltenden Schweine- pestbazillen mit einem für den Menschen hochpathogenen Erreger zusammengebracht. So haben denn auch Manteufel, Zschucke und Beger die Forderung aufgestellt, mit Hilfe poly- valenter Sera von vornherein in der Untersuchunespraxis den B. pestifer dem B. paratvphi B gleichzusetzen.

Diese Forderung möchten wir jedoch als zu weitgehend bezeichnen. Wie wir gesehen haben, ist die Unschädlichkeit der eigent- lichen Schweinepestbazillen namentlich in dem Augenblick. wo bei der Virusschweinepest gelegentlich auch Gärtner- und Para- typhusbazillen nachgewiesen w urden, so daß sich auch N Varie- täten, wie die eingangs erwähnte von M. Müller aus Oberursel beschriebene Fleischvergiftungsepidemie (durch Genub von Fleisch viruspestkranker Schweine) ohne die Annahme menschenpathogener

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Pestiferbazillen befriedigend erklären epidemiologisch so fest begründet, daß wir um theoretischer Möglichkeiten willen vorläufig nicht so schwerwiegende Maßnahmen verlangen dürfen, die die Fleischbeschau mit ihren wirtschaftlichen Pflichten, das Untersuchungsamt mit dem diagnostizierenden Kliniker in leb- haften Konflikt bringen müssen. Es hängen zudem aller Er- fahrung nach die menschlichen Voldagsenepidemien. wie immer wieder betont werden muß, gar nicht mit dem FleischgenuB zusammen. Im Gegenteil sind wir der Ansicht, daß gerade dieser wichtige Fortschritt, der mit der Typisierung des B. pestifer erreicht wurde. be. nutzt werden muß, um allerorten eine Verwechslung mit dem pathogenen B. paratyphi möglichst zu vermeiden.

Ueberdies wollen wir ruhig zugeben, daß auch wissenschaftlich die Voldagsenfrage noch nicht restlos gelöst ist. Manteufel. Zschucke und Beger schließen die Identität lediglich aus der ge- meinsamen einfachen Ausflockbarkeit in den wechselseitigen Immun: seris; doch mahnen gerade die früher mit der Pestifergruppe gemachten Erfahrungen bei dieser Methodik zur Vorsicht. Schiff will durch Ab- sättigung voldausenspezifische und pestiferspezifische Rezeptoren nach- gewiesen haben. Eine möglichst umfangreiche Nachprüfunzy scheint dringend geboten.

Suchen wir nach alledem die eingangs aufgeworfene Frage: „Lassen sich die menschenpathogenen Angehörigen der Paratyphusgruppe von den menschenapathogenen ab- trennen?" in aller Kürze zu beantworten, so können wir sagen: die epidemiologische Erfahrung erlaubt es uns im allgemeinen. die paratyphusähnlichen Erreger der um sich greifenden Seuchen unserer Schlachttiere als menschenapathogen zu betrachten «aus genommen Ueberruhr), erlaubt uns also in gewissen Fällen eine Ab- trennung nach ätiologischen Gesichtspunkten; die serologische Me- thodik ermöglicht uns ferner die Bestimmung des für den Menschen, so- weit wir wissen, apathogenen B. suipestifer. Ueberwältigend ist das Ergebnis gerade nicht! Auf seine Bedeutung für die Praxis wollen wir zurückkommen. sobald wir das Verhältnis der men- schenpathogenen Stämme untereinander skizziert haben.

Il.

Die Differenzierung der menschenpathogenen Paratyphus- bazillen untereinander.

a) Bakteriologisch-serologische Differenzierung.

Die Versuche, die menschenpathogenen Angehörigen der Para- tvphusgruppe gegeneinander abzugrenzen, setzen, man möchte sagen. in demselben Augenblick ein, wo Schottmüller den B. paratyphi B entdeckte. Die bekannten großen Differenzen im klinischen Krank- heitsbild und die epidemiologischen Verschiedenheiten forderten förm- lich dazu heraus. dementsprechende Divergenzen in den Bakterien selbst zu suchen.

Ueber verschiedene Punkte wurde auch verhältnismäßig schnell eme Einigung erzielt. Auf der einen Seite erhielt der bei uns nur sehr selten beobachtete Paratyphus A-Bazillus als Erreger eines

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ausschließlich typhösen Krankheitsbildes und als ein ausgesprochen auf den Menschen beschränkter Mikroorganismus durch die Arbeiten von Brion und Kayser sehr bald seine Sonderstellung, wenn er auch, wie Uhlenhuth und Hübener zeigten, hin und wieder auch in Tieren (Schweinen) aufzufinden ist.

Auf der anderen Seite wurde dem B. enteritidis Gärtner auf Grund seiner leichten serologischen Spezialisierbarkeit als einem typischen Vertreter der akuten Fleischvergifter ein eigener Platz eingeräumt, und wie die Erfahrung lehrte, durchaus mit Recht; denn wenn sich auch in der Literatur ein vereinzelter Hinweis findet, daß der B. Gärtner auch ein typhöses Krankheitsbild (un- beschadet der Fleischvergiftungsätiologie) verursachen könne, so findet man doch bei der Durchsicht der Originalarbeiten, daß dies „sog. typhöse Krankheitsbild“ in 18—24stündiger Inkubation, Erbrechen, Kolikanfällen, profusen Diarrhöen und 4—6tägigem Fieber bestand, z. B. bei der von Breckle beschriebenen Epidemie in Zazen- hausen) Erscheinungen, die zwar ausnahmsweise auch auf Grund einer Typhusinfektion vorkommen können, aber wohl kaum gerade als Charakteristikum die Kennzeichen „typhös“ verdienen.

Wir wollen jedoch im Verlauf unseres Referates im Auge behalten, daß ein so unbestrittener Fleischvergifter wie der B. Gärtner ein der- artiges Krankheitsbild herbeiführen kann.

Genauere serologische Untersuchungen (es sei nur an die schö- nen Arbeiten von Sobernheim und Seligmann, Weil, Felix, Gruschka erinnert) haben dann innerhalb der Gärtnergruppe ziemlich komplizierte Rezeptorenverhältnisse aufgedeckt; praktische Bedeutung hat diese Feststellung jedoch nicht erlangt.

Die Tatsache, daß von den beiden genannten anerkann- ten Sondertypen innerhalb der Paratyphusgruppe jeder sein besonderes Krankheitsbild erzeugte und über seine be- sondere Epidemiologie verfügte, legte selbstverständlich den Ge- danken nahe, daß sich wohl auch der große Rest der Paratyphus- gruppe der Verschiedenheit im Krankheitsbild und Epidemiologie remäb in verschiedene, auch bakteriologisch gesonderte Typen einteilen lassen möchte.

Der erste, der im Anschluß an die älteren Arbeiten von Durham, de Nobele u. a. differente Typen gefunden zu haben glaubte, ist wohl Trautmann gewesen; nach Trautmann sollten die Fleischver- gifter von einem Immunserum gegen den B. paratyphi hominis (Schott- müller) in geringerem Maße agglutiniert werden als die Erreger der tvphösen Erkrankung, aber nicht umgekehrt.

Auf Grund seiner Feststellungen faßte er nach Kruses Vor- schlag die bis dahin getrennt geführten Bakterien der Fleischver- giftung und des Paratyphus zu einer einzigen Spezies: B. paratyphosus zusammen und unterschied darunter folgende Gruppen: Gärtner, Bres- lau (Flügge-Kaensche), Typus B (Hamburg), Typus A (Straßburg). Aehnliche Mitteilungen finden sich bei den Neißer-Schülern Böhme, Smidt, sowie bei Selter, Bitter usw. Uhlenhuth konnte mit den ihm damals zur Verfügung stehenden Stämmen und Seren, trotzdem er besonders auf die von Trautmann angegebene Unterschiede achtete. diese Befunde nicht bestätiren, so daß er die ganze Gruppe einteilte in 1) die Gärtner-, 2) die Paratyphus B-gruppe. Ebenso gelangten Alt- mann, Kutscher und Meinicke, Trommsdorff, Manteufel und

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Beger, Fränkel und Much, Graetz u. a. abgesehen von der Gärtnergruppe zu keiner Bestätigung.

Auch der Castellanische Absättigungsversuch schien jahrelan- keine Aussicht auf eine praktisch verwertbare Typentrennung zu bieten: erst kürzlich haben ja erst wieder Manteufel und Beger, sowie mein Mitarbeiter Walter Seiffert auf die Schwierigkeiten hinge- wiesen teils im serumspendenden Tier, teils in den Bazillen gelegen —, denen man begegnen kann. So wurden wohl von Jedem Untersucher Unterschiede zwischen den einzelnen Stämmen nach- gewiesen, doch fehlte diesen Unterschieden jeder ätiologische Zusammen- hang (Bock, Uhlenhuth und Hübener, Trommsdorff und Rajchmann, Weil und Felix, Hage).

In der letzten Zeit teilten nun Manteufel und Beger, aller- dings unter Vorbehalt, mit, daß eine Differenzierung tatsächlich mör- lich sei, da ein Serum, hergestellt mit dem B. paratyphi hominis Schottmüller, nach der Absättigung mit einem Fleischvergifter immer noch für den B. paratyphi B hominis Agglutinine besitze. Zu dem gleichen Ergebnisse kommen Schiff, Olitzky, sowie Man- ninger, die überdies auch umgekehrt in einem mit dem B. para- typhi B. hominis Schottmüller abgesättigten Fleischvergifter- serum zurückgeblicbene besondere Fleischvergifter- -Agglutinine nach- gewiesen zu haben glaubten, die dem Erreger des menschlichen Para- typhus grundsätzlich fehlten.

Wir haben diese Angaben an einem Material von über 300 Stäm- men der Paratyphus B-Gruppe, die wir zum Teil selbst gezüchtet hatten. zum Teil uns in liebenswürdigster Weise von den verschiedensten Instituten zur Verfügung gestellt wurden, nachgeprüft die Einzel- heiten sollen in einem anschließenden Vortrage von meinem Assistenten Dr. Sciffert dargelegt werden. Ich möchte besonders hervorheben. dab an der Durchführung dieser sehr schwierigen Arbeiten in erster Linie mein ausgezeichneter Mitarbeiter Seiffert ein besonderes Verdienst hat; ohne seine unermüdliche Arbeitskraft wäre sie in so kurzer Zeit nicht möglich gewesen; ferner nenne ich meinen Assistenten Nuck sowie die Japaner Oikawa, Shiiba, Shibata und Tey. Wir sind dabei nun zu folgenden Feststellungen gelangt 1):

1) Die Angaben von Trautmann, Bitter usw. über die schlechtere Agglutinabilität der Fleischvergifter in B. paratyphi B hominis-Serum trifft selbst in solchen Seren, die für eine grobe Anzahl der Stämme eine solche Differenzierung erlauben, nur für einen gewissen Teil der Fleischvergifter zu (ca. 50 Proz.i. (Versuche von Nuck. )

2) Bei der Ausagglutination in B. paratyphi hominis-Serum ergaben sich bei der Beurteilung im Agglutinoskop (Kuhn- Woithe) im Flockungsbild Differenzen insofern, als sich (abgeschen von 10 Proz. uncharakteristischen Bildern) eine Gruppe erobflockender und eine Gruppe feinflockender Bakterien abgrenze n ließ; etwa 90 Proz. der grobflockenden waren B. paratvphi hominis. 90 Proz. der feinflockenden Fleischvergifter (Versuche von Nuck) Es hat übrigens schon vor vielen Jahren Stromberg aus dem Pfeifferschen Institut auf diese Differenz aufmerksam gemacht.

1) Die ausführlichen Arbeiten erscheinen demnächst in der Zeitschr. f. Immu- nitätsforschung.

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3) Mit Hilfe der Absättigungsversuche ließen sich im Rezeptorenbau drei Typen unterscheiden, zwei Typen ent- fallen auf die Fleischvergifter, der dritte auf den Paratyphus B ho- minis. Von besonderer Bedeutung erscheint es uns dabei, daß wir sämt- liche Rezeptoren, die den beiden Fleischvergiftern eigen sind, bisher in jedem sicheren B. paratyphi hominis nachweisen konnten (Versuche von Shiiba und Oikawa).

Die entgegengesetzten Angaben in der Literatur sind wahrscheinlich auf Variationserscheinungen zurückzuführen, da wir beobachtet haben, daß ein Teil der Rezeptoren außerordentlich labil ist. Die Fleischvergifter stehen also zu dem Paratyphus hominis etwa in demselben Verhältnis wie bei Weil und Felix die O-Form des B. proteus x 19 zu seiner H-Form; sie zeichnen sich lediglich durch den Verlust bestimmter Rezeptoren aus. Es ist infolge- dessen nicht erstaunlich, wenn wir hin und wieder den Rückschlag eines Fleischvergifters in die komplette Form des echten B. paratyphi hominis vermerken konnten (Versuche von Tey).

Die englischen Autoren Savage und White, die die älteren Versuche von Durham, Boycott und O’Brien, Bainbridge und Schütze neuerdings zu ähnlich umfangreichen Untersuchungen ausgebaut haben, haben freilich im ganzen 10 Typen aufgestellt.

Ohne den vergleichenden Untersuchungen, die wir demnächst mit den uns freundlichst aus London (White) gesandten Typen vornehmen werden, vorgreifen zu wollen die nötigen Immunsera haben wir in- folge der hohen Toxizität der Stämme für Kaninchen leider erst in diesen Tagen abnehmen können möchten wir in Anbetracht unseres großen Materials die Vermutung aussprechen, daß auch hier Varianteneines Typs als Sondertypen aufgefaßt worden sind; insbesondere hat mein Mitarbeiter W. Seiffert kürzlich darauf aufmerksam gemacht, wie leicht der Bindungsversuch zur theoretischen Ueber- schätzung aufgedeckter Differenzen verleiten kann.

Wir verlangen von jedem als etwas Besonderes aufgestellten Typus, daß er nicht nur bei der einfachen Absättigung, sondern auch bei der Antikörperbildung im Tierversuch qualitative Unterschiede im Rezeptorenbau ergibt; bloße Differenzen ım Absättigungsversuch fassen wir im Einklang mit der Unbeständig- keit dieser wohl kapillar-chemisch (W. Seiffert), aber nicht spe- zifisch begründeten Differenzen lediglich als Variationserschei- nungen auf. Doch möchten wir auf das interessante Thema Rezep- torenvariabilität in Anbetracht der befristeten Zeit nicht näher ein- gehen; der Hinweis auf die Arbeiten von Sobernheim und Selig- mann, Boddaert, Baerthlein, Friedberger, Schiff, Yu, M. Fischer und insbesondere Weil und Felix und ihren Schülern möge genügen. Ueber die phylogenetische Bewertung derartiger Beobachtungen hat uns ja erst im vorigen Jahre Gottschlich ın eingehendem Referat eine vortreffliche Darstellung gegeben. Auch an die alten, zum Teil vergessenen Arbeiten von Hüppe darf viel- leicht in diesem Zusammenhange erinnert werden.

Für die Praxis eines Untersuchungsamtes kommt nun eine Typentrennung durch diffizile Absättigungsversuche wohl vorläufig ebensowenig in Frage wie die diffizile Differenzierung des Flockungsbildes. So haben wir denn

4) unser besonderes Augenmerk den biologisch-kulturellen

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Unterschieden zugewandt, denen Reiner Müller und Bitter. Travinski u. a. einen so großen Wert beimessen. Hier waren die Ergebnisse der Versuche, die Nuck durchgeführt hat, folgende:

Der zuerst von B. Fischer sowie v. Drigalski bei dem Schott- müllertyp beschriebene Schleimwall wurde bei den allerdings wenigen ganz frischen Fällen unseres Untersuchungsamtes stets gefunden; 3—4 Wochen alte Kulturen ließen ihn allerdings schon häufig vermissen.

Was die Fleischvergifter angeht, so haben wir, ähnlich wie Hage, Fränkel und Much (auch Bitter), den Schleimwall bei 6 Stämmen vorübergehend auftreten sehen, darunter einmal bei einem frisch aus dem Menschen gezüchteten Stamm; das Unver- mögen zur Schleimwallbildung macht also ebenfalls den Eindruck einer zum Rückschlag befähigten Verlustvariation; der Rezeptorenban braucht darum nicht mitverändert zu werden (Versuche von Tey). Dieser bei Fleischvergiftern nachgewiesene Rückschlag zur Schleimwallbildung scheint jedoch eine Seltenheit zu sein, so daß wir die praktısche Brauchbarkeit dieses Kennzeichens, besonders auch im Hinblick auf die nachprüfenden Versuche Zellers, nicht abstreiten wollen. sondern vielmehr den Untersuchungsämtern die entscheidende Nach- prüfung durch die praktische Erfahrung empfehlen möchten.

Auf der anderen Seite war es uns ebensowenig wie bei den Ver- suchen von Mießner und seinen Schülern (an der Tierärztlichen Hoch- schule in Hannover) möglich, das Herabrutschen der Kultur auf der Schräggelatine (R. Müller) als brauchbares Merkmal anzuerkennen; unter 100 echten Paratyphusstämmen haben wir trotz 14tägiger Beobachtung nur 10mal eine Möglichkeit des Abrutschens überhaupt erwägen können, waren jedoch immer noch im Zweifel, ob nicht nur ein den Ernährungsverhältnissen entsprechendes besseres Wachstum am unteren Ende des Gelatinestrichs vorlag. Die Gelatine war genau nach den Angaben Reiner Müllers hergestellt worden.

Die Differenzierung mit Hilfe des von Reiner Müller ange- gebenen Raffinoseagars, auf dem der Typus Paratyphus B ho- minis Knöpfchen bilden soll, die Fleischvergifter jedoch nicht, Konnten wir aus äußeren Gründen die seit Wochen bestellte Raffinose ist auch heute noch nicht eingetroffen noch nicht nachprüfen; nach Zeller soll das Verfahren brauchbar sein; auch hier kann nur die Praxis entscheiden !).

Die Angaben Bitters über die Brauchbarkeit des Mäuse- fütterungsversuchs auf Grund der Apathogenität des Typus Paratyphi hominis für Mäuse konnten wir nicht bestätigen; von 47 mit derartigen im Absättigungsversuch festgestellten Stämmen ge- fütterten Mäusen starben 22 (Tod nach 3—7 Tagen); in fast allen Fällen (20!) (2mal war der Befund völlig negativ) gelang es ohne Schwierig- keit, aus dem Herzblut und aus der Milz der Maus in reichlichen Mengen gut agglutinable Paratyphuskeime zu züchten, zum Teil mit üppigem Schleimwall.

Nach alledem scheint die Abgrenzung des Typus Paratyphus hominis von den Fleischvergiftern im großen und ganzen mit Hilfe der Schleimwallbildung und vielleicht auch der

1) Anm. bei der Revision: Untersuchungen, die wir in der letzten Zeit an- gestellt haben, haben die Angaben von R. Müller bestätigt.

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Knöpfchen auf Raffinoseagar in einer dem praktischen Betrieb angepaßten Methodik möglich zu sein; das letzte Wort kommt, wie gesagt, nur einer ausgedehnten praktischen Er- fahrung zu.

Von außerordentlichem Interesse war selbstverständlich die Frage, welche Typen sich in der Außenwelt feststellen lassen. Leider war unser Material in dieser Hinsicht nur klein: 2 Mäusetyphusstämme, 6 Paratyphusstämme aus viruspestkranken Schweinen, ein Para- typhusstamm aus dem Kot eines gesunden Schweines und 4 Stämme von Paratyphus B, die aus einer Meerschweinchenseuche herausge- züchtet wurden. Sämtliche Stämme gehörten serologisch und kul- turellden Fleischvergiftern an, und zwar waren alle beiden Fleischvergiftertypen vertreten. Auch die von Manteufel und Beger, sowie von Manninger untersuchten tierischen Stämme ver- schiedenster Herkunft entsprachen keinesfalls dem Typus B. para- typhi hominis Schottmüller; ob man darum den serologischen Charakter dieser der Paratyphusgruppe angehörenden Seuchen- erreger der Kälber, Vögel usw. bereits mit dem der Fleischvergifter identifizieren darf, bedarf aber unbedingt erst einer sorgfältigen Analyse an einem ausgedehnten Material, wie wir sie teilweise bereits in An- griff genommen haben. Selbstverständlich bedeutet die sero- logische Gleichwertigkeit noch nicht die epidemiologi- sche Identität.

Ferner harrt noch jene Gruppe der inagglutinablen paratyphus- ähnlichen Unbekannten der Analyse, die Uhlenhuth und Hübener als Paratyphus C zusammengefaßt haben.

Jedenfalls verdient es hervorgehoben zu werden, daß bisher der Typus Paratyphi hominis nur im Zusammenhang mit dem Men- schen festgestellt worden ist; auch hier sind weiter eingehende Unter- suchungen dringend geboten.

b) Verteilung Bel Typen auf die klinischen Krankheits- bilder.

Von besonderer Bedeutung ist die Verteilung der verschie- denen Typen auf die bekannten klinischen Krankheits- bilder, deren Paradigmata Schottmüller in seinen klassischen Ar- beiten aufgestellt hat, oder mit anderen Worten, ihr Verhalten als Krankheitserreger. Das wesentliche Charakteristikum der üblichen Fleischvergiftung ist, wie der Name sagt, die Intoxikation; nach Ablauf der Vergiftungserscheinungen ist die Krankheit beendet; es sind sogar Fälle beschrieben, in denen Personen, die im Rahmen einer ‚Fleischvergiftung völlig gesund blieben, im Blut reichlich PTB-Bazillen hatten (G. Mayer, Conradi), ohne daß es zu einer Infektions- krankheit kam. Damit wäre der Fleischvergiftertyp pathogenetisch einer- seits durch die Giftbildung, andererseits durch die mangelnde Infektiosität charakterisiert. Der mangelnden Infektiosität ent- spricht es auch, daß nach Fleischvergiftungen Dauerausscheider nicht beobachtet werden, so konnten wir unter den 11 aus Bazillenträgern gezüchteten Stämmen, über die wir verfügten, den Fleischvergiftertyp nur in einem einzigen, und zwar bei einem als einmaligen Gelegenheitsbefund aufg etretenen Fall nachweisen; es han- delte sich dabei um die sogleich zu besprechende kleine Epidemie in Emmendingen.

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Auf der anderen Seite ist der typische Paratyphus hominis ein aus- gesprochener infektiöser Prozeß, der durch Kontakt von Mensch zu Mensch verbreitet werden kann. Das haben auch die im Felde ge- machten Erfahrungen wieder eindeutig bewiesen (Conradi, Stintzing, Krause, Hübener, Fromme, Josef Koch u. a.) Wir dürfen aber nicht vergessen, daß auch dieser Erreger des klinischen Paratvphu: über Toxine verfügt (Uhlenhuth). Wenn ihm z. B. in einer Fisch- sülze, die vom vorigen Mittag übrig geblieben war, Gelegenheit ge- geben wird, sich zu vermehren und tüchtig Toxin abzulagern, so müssen selbstverständlich, wie dies seinerzeit in Göttingen geschah (Schief- fer, Wichels), von einer solchen Fischsülze Vergiftungssymptome ausgchen, sobald sie verzehrt wird. Daß diese Wirkung der an- gercicherten Toxine die infektiösen Eigenschaften des Bakteri- ums selbst nicht berührt, leuchtet ohne weiteres ein, und so ist es durchaus wie in vielen derartigen Fällen erklärlich, daß sich den toxischen Anfangserscheinungen nach einigen Tagen der auf den Er- reger selbst zurückzuführende typhöse InfektionsprozeB anschließt. Warum wir die Möglichkeit einer akuten Fleischvergiftung durch den Paratyphus B hominis a priori leugnen sollen, ist um so weniger ein- zusehen, als derartige Fälle trotz allen Kritisierens einwandfrei be- schrieben sind. In solchen Fällen bedeutet es, wie Hage schr richtig betont, einen wichtigen Fingerzeig für die Prognose, wenn beı den einsetzenden toxischen Erscheinungen der herausgezüchtete Schleim- wallbildner das bevorstehende typhöse Bild bereits ankündigt.

So präsentiert sich denn der Fleischvergiftertyp im Prinzip auch pathogenctisch lediglich als eine Variante des typhösen B. paratyphi eine Variante, die ihr Infektionsver- mögen für den Menschen verloren hat. Wenn der echte Para- typhus verhältnismäßig selten unter Vergiftungssymptomen einsetzt. die Möglichkeit selbst ist jedem Kliniker, genau wie beim echten Typhus, vertraut so ist das wohl darauf zurückzuführen, daß der kontagiôs übertragene Bazillus keine Gelegenheit hatte, vorher gebildete gröbere Giftmengen mitzunehmen.

Die Diskussion der einzelnen Krankheitsbilder gehört in ein klinisches Referat. Hier interessiert uns jedoch noch die Frage: Können Bazillen vom Fleischvergiftertypus auch die ty- phöse Form des Paratyphus hervorrufen? Durch die Kontro- verse zwischen Fränkel-Much und Bitter ist diese Frage neuer- dings in den Vordergrund getreten.

Unter jenen Stämmen, die bei uns mit der ärztlichen klinischen Diagnose ,typhôüses Krankheitsbild‘ eingingen, haben wir mal den Typus Fleischvergifter festgestellt (feine Agglu- tination, Flockungsgrenze im Serum gegen den Typus paratyphi-hominis (Titer 1:3000) bei 1:200—1:600, in Fleisch- vergilterserum bis zum Endtiter 1:6000, fehlender Schleimwall, starke Pathogenität für Mäuse, im Absättigungsversuch Fleischvergifter-Re- zeptoren), alles Schulbeispiele im Sinne Bitters. Die drei ersten Fälle waren frisch in unserm Untersuchungsamt, die beiden letzten, die uns Rimpau übersandte, 5 Wochen vorher aus dem Menschen gezüchtet worden. Wir waren so glücklich, in jedem ein- zelnen Fall an Hand der Krankengeschichte den Krankheits- verlauf wenigstens in großen Umrissen eruieren und die Berechtigung der klinischen Diagnose kritisch bewerten zu können.

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Das eine Mal handelte es sich um eine Krankenschwester von einer chirurgischen Station, die unter Erbrechen und heftigen Durchfällen erkrankt war; die Durchfälle hielten 10 Tage lang un- vermindert an, um im Laufe der nächsten Woche schnell abzunehmen; die maximale Temperatur betrug 380; der Puls ist zeitweise kaum fühl- bar gewesen; über einen Milztumor enthält die Krankengeschichte leider keine Angaben, Roseolen fehlen; der Infektionsmodus wurde nicht ermittelt.

Die beiden nächsten Fälle stammen aus der Landesheilanstalt in Emmendingen. Einige Frauen Schizophrene, von denen keine Angaben zu erhalten waren erkrankten an Durchfällen; nach 4—6 Tagen waren sie wieder geheilt. Die Temperatur blieb subfebril. Da nun um dieselbe Zeit mehrere Leute der Männerstation über Magen- beschwerden: geklagt hatten (die nachträgliche Stuhluntersuchung blieb hier negativ), dachte man zunächst an eine leichte Nahrungsmittel- vergiftung, bis eine gesunde Bazillenträgerin gefunden wurde, die man nun ohne weiteres als Ausgangspunkt der Epidemie ansah.

Wie wir sehen, sind diese Fälle recht uncharakteristisch; gewiß kann man sie als eine chronische Fleischvergiftung auffassen, ähnlich der oben beschriebenen Gärtnerepidemie in Zazenhausen. Die Bazillenträgerin in Emmendingen besagt epi- demiologisch wenig, ihre Bazillen sind ebenfalls als Fleischvergifter erwiesen und waren bei den Nachuntersuchungen verschwunden, sie können also von einer gleichzeitigen, unvermerkt gebliebe- nen Nahrungsmittelinfektion der Bazillenträgerin her- rühren (für die praktische Seuchenbekämpfung ein beachtenswertes Beispiel!). Ebensogut kann man sich aber epidemiologisch auch für einen atypischen Paratyphus erklären, ohne das Gegenteil be- wiesen zu erhalten. Mit diesen 3 Fällen kann man also wenig an- fangen.

Um so interessanter sind die beiden letzten Fälle von Rimpau: sie betreffen Mutter und Kind. Die Mutter erkrankt unter Erbrechen und wasserähnlichen, Blut und Eiter enthaltenden Durchfällen (am Tage 20—30); 6 Tage lang hatte sie kontiunicrlich hohes Fieber; ein geringer Milztumor war vorhanden; auch Roseolen traten auf, wenn auch spärlich; in der zweiten Krankheitswoche ließen die Durch- fälle allmählich nach.

Vier Tage später als die Mutter erkrankte das Kind, das mit ihr in demselben Bett gelegen und sich an ihr angesteckt hatte, unter hohem Fieber, Erbrechen, Blut- und eiterhaltigen Durchfällen ; ein geringer Milztumor war vorhanden, Roseolen nicht. Nach 6 Tagen war das Kind wieder gesund.

Bei der Mutter ist wohl nicht daran zu zweifeln, daß wirklich ein typhöses Paratyphusbild vorlag, wie es im Buche steht: Kon- tinua, Milztumor, Roseolen, Kontagiosität und trotzdem in beiden Fällen als Erreger typische Fleischvergifter! Wir haben also bei der Mutter entweder eine bakteriologisch nach Bitter ein- wandfreie Fleischvergiftung mit typischem paratyphösem Krank- heitsbild, oder einen echten Paratyphus, verursacht durch typische ‚Fleischvergifter, anzunehmen. Das Krankheitsbild des Kindes ent- sprach dem Typus freilich nicht, doch ist ja gerade die Paratyphus- literatur reich an kindlichen Fällen mit atypischem Verlauf.

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Damit dürfte auch epidemiologisch der Beweis für die enge Zusammengehörigkeit unserer Typen erbracht sein. Im Hinblick auf die vorher geschilderten serologischen Uebergänge von einem Typus zum andern kann uns das auch kaum wunder nehmen. Ebenso fanden wir ja gelegentlich das an sich für den typhösen Typ charakteristische Schleimwallbildungsvermögen auch bei einem Fleischvergifter.

Für die Praxis darf man natürlich derartige Befunde nicht über- schätzen um vereinzelter Beobachtungen willen; bei den übrigen bisher nach Castellani untersuchten 25 typhösen Fällen, unter denen sich übrigens 5 leichte Gastroenteritiden ohne Fleischvergiftungs- ätiologie befinden, und den erwähnten 10 Ausscheidern entsprach das Absättigungsergebnis regelmäßig unserm typhösen Typ. Die Difie- renzierung nach dem Flockungsbild traf bei über 100 Stämmen in 100 Proz. zu (die erwähnten Ausnahmen finden sich bei 'Fleischvergiftungen). Jedenfalls erinnern diese Beobachtungen, abgesehen von ihrer prinzi- piellen Bedeutung, an jene seltenen Fälle, in denen ein wechselndes Nebeneinander -aller Krankheitsbilder bei angeblich ein und derselben Epidemie beobachtet wurde (Hamburger und Rosenthal, Walser, Prigge usw.).

ce) Epidemiologische Bewertung der Typendifferenzierung.

Um die epidemiologische Trennung der Krankheits- bilder unter allen Umständen aufrecht zu erhalten, hat Wolf Gärtner in geistreicher Weise versucht, bei allen derartigen Mitteilungen Ungenauigkeiten in der epidemiologischen Beurtcilung darzutun. Da wir die Möglichkeit eines Typenwechsels als ein, wenn auch seltenes, Vorkommnis erhärtet zu haben glauben, dürfte sich ein Eingehen auf diese theoretische Kritik erübrigen. Darum ist natürlich auch hier die Typenfrage nicht gleichgültig.

Eine erhebliche Bedeutung könnte im besonderen der Typen- frage bei der Beurteilung der in der Außenwelt (Wasser, Eis, Milch) befindlichen Keime zukommen. Aus der Kontagiosität des typhösen Krankheitsbildes ergibt es sich, daß von dem ent- sprechenden Typ bereits wenige Keime zur Infektion genügen, der Fleischvergiftertyp wirkt dagegen im allgemeinen nur dann gesundheits- schädigend, wenn er Gelegenheit zur Anreicherung gehabt hatte. U. a. erinnert auch v. Ostertag ausdrücklich daran, wie häufig Fleisch, direkt nach der Schlachtung genossen, unschädlich ist, während es später die schwersten Vergiftungen auslöst. Ein schönes Beispiel für die Bedeutung der aufgenommenen Keim- und Giftmenge bringt M. Müller: Von einem notgeschlachteten Schwein wird Wurst bereitet; dabei kosten von der Wurstmasse, außer einem Kind, vier Personen, zwei eine Messerspitze, die beiden hungrigen Schlächtergesellen eine gehörige Portion; die beiden Gesellen (und das Kind) werden krank, die andern nicht; am nächsten Tage essen 15 Personen die Wurst sie erkranken sämtlich.

Im Hinblick auf die weite Verbreitung der Paratyphus- bazillen auf der einen und die relative Seltenheit der konta- giösen Krankheitsform auf der andern Seite möchte man fast vermuten, daB die Bakterien der Außenwelt dem kontagiösen typhösen Typ nicht angehören. Vielleicht läßt es sich durch dahin- gehende Untersuchungen, die in großem Maßstabe vorgenommen werden

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müssen, entscheiden, ob der typhöse Typ gleich dem B. typhi auf Menschen angewiesen ist oder nicht. Dann würde die Seuchen- bekämpfung den Trägern dieses Typus ihre besondere Aufmerksamkeit schenken müssen.

Anders steht es dagegen um die epidemiologische Bewertung der als bloße Saprophyten gefundenen Paratyphus B-Bazillen im Hinblick auf die Fleisch- und Nahrungsmittelvergiftungen. Kuppelmayr er- rechnet den Prozentsatz der wirklichen intravitalen Fleischvergiftungen auf 8 Proz. es besteht nicht der mindeste Zweifel darüber, daß wir es in den weitaus meisten Fällen mit einer postmortalen, bzw. sekun- dären Infektion zu tun haben; bei den Vergiftungen durch Gemüse, Salate, Or&meschnitten, Milch, Mehlspeisen usw. kommt sie ja einzig und allein in Frage. Es wird ja auch immer darauf hingewiesen, daB die Verhütung der postmortalen Infektion das Wichtigste der ganzen Nahrungsmittelhygiene ist (Uhlenhuth, Hübener, v. Ostertag, Bongert, Beetz, Fromme, Kuppelmayr u. a.); darüber wollen wir uns bei aller Bedeutung der Fleischbeschau, besonders auch der bakteriologischen, nicht hinwegtäuschen lassen, und wenn es noch so be- quem ist, sofort mit Vorwürfen gegen den Tierarzt bei der Hand zu sein, der das Fleisch freigegeben hat.

Welche Bakterientypen sind nun hier aus der Außenwelt sekun- där in die Nahrungsmittel hineingekommen? Gerade für diese Frage müssen wir auf das sorgsamste die Bedeutung der Bakterienmenge für das Zustandekommen einer Fleischvergiftung im Auge behalten, denu es kommen sehr wohl solche Keime in Betracht, die zwar als vereinzelte Individuen harmlos sind, zu Millionen und Milliarden Toxin fabrizierend jedoch die schwerste Gefahrenquelle werden können.

Erwiesen ist vor allen Dingen der Zusammenhang auch der post- mortalen Infektion mit der Notschlachtung, gerade auch mit solchen Notschlachtungen, bei denen eine intravitale Infektion auszuschließen war. Es muß also gerade der Betrieb der Notschlachtung die se- kundäre Infektion erleichtern. Die leichte Möglichkeit einer Infektion erhellt ja ohne Weiteres aus der überstürzten Eile und oft wenig sachgemäßen Art, in der die Notschlachtungen vorgenommen werden. Damit ist aber die Infektionsquelle noch nicht ermittelt; die benutzten Geräte oder die die Notschlachtung vornehmenden Personen kommen als Infektionsquelle oft weniger in Frage, weil sie sich auch bei jeder anderen Gelegenheit als solche auswirken müßten. Diese Er- fahrung weist darauf hin, daß aller Wahrscheinlichkeit nach das not- geschlachtete Tier selbst als Infektionsquelle mit in Frage kommt, vielleicht durch Bakterien, die es als harmlose Saprophyten im Kot ausscheidet. Das Vorkommen des Typus Fleischvergifter im Darm gesunder und besonders notgeschlachteter Tiere bedarf dringend der Bearbeitung. Der Vorschlag Kuppelmayers, das Fleisch not- geschlachteter Tiere grundsätzlich von der Hackfleischverarbeitung und damit von Genuß in ungekachtem Zustande auszuschließen, ist sehr beachtenswert.

Als zweite erwiesene Möglichkeit kommt die Infektion durch Bazillenträger in Frage. Ein hübscher beweisender Fall für eine solche Nahrungsmittelvergiftung durch Bazillenträger findet sich bei Savage und Ferbes: ein und dieselbe Gärtnervariante, die aus Traubenzucker spärlich, aus Mannit und Dulzit gar kein Gas bildete, wurde in dem Stuhl der Kranken, in dem Fisch, den sie gegessen, und

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in dem Stuhl des an sich gesunden Küchenmädchens, das den Fisch zu- bereitet hatte, festgestellt; der Widal des Mädchens für Gärtnerbazillen war positiv. Aehnliche Fälle sind somit auch für Paratyphusbazillen ohne weiteres denkbar. Allerdings kommen nach den bisher vorliegenden Untersuchungen über die Typenditferenzierung gerade die Daueraus- scheider des typhösen Paratyphus, für die rein toxische Form der Nahrungsmittelvergiftung (vgl. aber S. 223) kaum in Betracht (nur im Falle eines Typenwechsels). Aber wir dürfen nicht vergessen, daß, wie bereits betont, vereinzelte Fleischvergifter, mit der Nahrung aufgenom- men (z.B. mit dem gekocht abgegebenen Fleisch notgeschlachteter Tiere), dem Betreffenden selbst gar nichts ausmachen; kommen sie aber von ihm aus in ein Nährmedium, in dem sie sich entwickeln können, so werden sie hier eine große Gefahrenquelle. Der alimentäre Ausscheider darf also nicht a priori als ein ganz harmloses Individuum angeschen werden. Dab die alimentär ausgeschiedenen Paratyphusbazillen meist harmlos er- scheinen, kann lediglich in ihrer geringen Zahl, braucht aber nicht in ihrer Apathogenität begründet zu sein, Beziehungen, auf die vor kurzem Neufeld noch besonders hingewiesen hat.

Die dritte Möglichkeit wäre eine Infektion der Nahrungsmittel durch bazillentragende Tiere, namentlich durch Ratten und Mäuse (Ickert, Salthe und Krumwiede etc.) ev. auch durch Fliegen: schließlich kommen auch Wasser, Eis, beschmutzte Geräte etc. in Frage derlei ist in meinem Aufsatz „Paratyphus und infektöse Fleisch- vergiftungen“ im Lehrbuch der Mikrobiologie von Pfeiffer-Fried- berger oder in jedem anderen einschlägigen Handbuch nachzulesen.

Es ist also durchaus möglich, daß in Zukunft die Typenfrage auch zur Klärung der epidemiologischen Rätsel in gewissem Sinne beitragen und auch praktische Bedeutung erlangen kann. Heute schon muß man ihr praktische Bedeutung beilegen, wenn es sich (z. B. bei forensischen Erhebungen) darum handelt, den Zusammenhang zwischen einer Epidemie und einem Bazillenbefund im Fleisch etc. nachzuweisen. Bekanntlich darf dieser Zusammenhang nur dann angenommen werden, wenn

1) die Bakterien des Patienten völlig identisch sind mit denen des Fleisches etc.,

2) die Bakterien des Fleisches etc. von dem Serum des Patienten hochwertig agglutiniert werden; überdies ist die Annahme einer intra- vitalen Infektion des Tieres nur dann berechtigt, wenn das Fleisch des ganzen Tieres Bakterien mit den genannten Eigenschaften enthält Uhlenhuth, v. Ostertag).

Hier müssen wir jetzt die Identität der Typen verlangen. Z. B. wäre eine Fleischvergiftungsepidemie mit deutlich anschließender ty- phöser Erkrankung auch dann als wahrscheinlich postmortal bedingt an- zuschen, wenn in dem Tier Paratyphusbazillen vom .Fleischvergiftertyp nachzuweisen waren. Dieser Grundsatz für nachträgliche Ermittlungen hat natürlich damit nichts zu tun, daß zur Verhütung einer Epidemie prinzipiell jeder Paratyphus-Typ bei der Fleischbeschau aus- geschlossen werden muß und damit kommen wir zum Schluß zu der Eingangs aufgeworfenen Hauptfrage zurück.

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IV. Die Ergebnisse der praktischen Paratyphusbekämpfung.

Welche Konsequenzen ergeben die neuen Forschungen für die Paratyphusbekämpfung?

Und da müssen wir sagen: So interessant die vorliegenden Ergeb- nisse auch sind, so viele Anregungen für weiteres Forschen sie auch ent- halten mögen Früchte für die praktische Seuchenbekämpfung mögen vielleicht im Ansatz vorhanden sein, gereift sind sie noch nicht.

Wirtschaftlich könnte vielleicht die Möglichkeit eine Bedeutung besitzen, den B. suipestifer zu identifizieren. Wahrscheinlich werden heute vielfach ganz unnötig geschlachtete Tiere dem Handel entzogen, weil man den B. suipestifer als B. paratyphi diagnostiziert. Es wäre ein Fortschritt, wenn es der bakteriologischen Fleischbeschau möglich wäre, in den Fällen, wo sie Paratyphusbazillen gefunden zu haben glaubt, vor wirtschaftlich schädigenden Anordnungen den B- pestifer zuerst einmal auszuschließen. Den bei Schweinepest ge- fundenen Paratyphusbazillen möchte ich, das sei nebenher erwähnt, eine praktische Bedeutung erst dann beimessen, wenn die Praxis diese Bedeutung ergeben hat.

Auf die Praxis der Paratyphusbekämpfung hat jedoch das wenigste Einfluß gehabt; nur die Untersuchungen Karstens über den Kälbertyphus wären hier besonders zu nennen. Im großen und ganzen bleibt zunächst alles beim alten. Welchen Einfluß besonders die Typen- frage in Zukunft auf die Seuchenbekämpfung der Tiere haben kann, wird mein Herr Korreferent auseinandersetzen. Und warum ist das Ergebnis für die Praxis so gering? Jenes eingangs von uns ausgesprochene „Solange“, das das Paratyphusproblem in sich birgt („solange es nicht möglich ist, die menschenapathogenen und men- schenpathogenen zu differenzieren‘) hält immer noch an; trotz aller Schleimwälle, trotz aller Rezeptorenanalyse sind wir in dieser wichtigen Frage kaum näher gekommen.

Die Hoffnung, auch auf diese Frage eine Antwort zu finden, wollen wir darum jedoch nicht sinken lassen. Reiche Arbeit steht freilich noch bevor, die nur bewältigt werden kann, wenn jeder daran teilnimmt den es angeht. Auf der gemeinsamen praktischen Arbeit von Arztund Tierarzt, die auch auf anderen Gebieten der Seuchen- bekämpfung so dringend notwendig ist, baut sich auch der Kampf gegen den Paratyphus auf; und diese gemeinsame Arbeit wird uns auch der Lösung des schwierigen Problems näher bringen.

Erste Abt. Orig. Bd. 97. Beiheft. 16

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Referat II. Mießner (Hannover):

Zur Differenzierung der Bakterien der Paratyphus-Enteritis- gruppe!). Mit 8 Abbildungen. im Text.

In der Veterinärmedizin sind coli-typhusähnliche Bakterien als Erreger von Tierkrankheiten seit langem bekannt und unter verschie- denen Benennungen beschrieben. Bereits im Jahre 1885 wurde von Salmon und Smith das Bact. suipestifer entdeckt, das in der Tier- pathologie insofern von besonderer geschichtlicher Bedeutung ist, als man es lange für den Erreger der Virusschweinepest (Hogcholera hielt, bis im Jahre 1904 von den amerikanischen Forschern de Schweiı- nitz und Dorset die filtrierbare Virusnatur des Erregers der Schweine- pest festgestellt wurde. Zunächst glaubte man nun, daß dem Bact. suipestifer überhaupt keine primäre Pathogenität für Schweine zu- zusprechen sei. Glässer sowie Dammann und Stedefeder konnten aber feststellen, daß auch ohne Beteiligung des Pestvirus eine durch Bak- terien der Paratyphus-Enteritisgruppe veranlaßte selbständige Erkran- kung von der Viruspest abzugrenzen sei. Die Krankheit kommt vor- nehmlich bei jungen Ferkeln, insbesondere kurze Zeit nach dem Ab- setzen, häufig als Stallseuche ohne Neigung zu epizootischer Ausbreitung vor. Sie kennzeichnet sich in vielen Fällen durch geschwürige nekroti- sierende Prozesse im Dickdarm, so daß ein Unterschied von der chro- nischen Form der Virusschweinepest pathologisch-anatomisch schwierig, wenn nicht unmöglich wird. Da das von den genannten Autoren iso- lierte Bakterium in kultureller und auch serologischer Beziehung von dem Bact. suipestifer abwich, insbesondere Traubenzucker nicht regelmäßig vergärte und Lackmusmolke rötete, so gab Glässer dem Bakterium den Namen ,,Bac. typhi suis“; Dammann und Stedefeder ent- sprechend dem Herkunftsorte die Bezeichnung ,,Bac. suipestifer Vol- dagsen“. Für die Selbständigkeit sowohl des Erregers wie für die von Glässer als Ferkeltyphus bezeichnete Erkrankung ist besonders Pfeiler eingetreten, während Mießner, Joest, Hutyra und Marek u. a. die genannten Abweichungen vom Bact. suipestifer für nicht ausreichend und genügend konstant erachteten, um eine Sonder- stellung des sogenannten Bac. typhi suis zu rechtfertigen. Auch die Befunde von Uhlenhuth und seinen Mitarbeitern sowie von Man- teufel, Zschukke und Beger ergaben, daß sowohl die kulturellen wie die serologischen Unterschiede nicht bestimmt und durchgreifend sind, um damit eine Artdifferenzierung gegenüber dem Typus sul- pestifer zu ermöglichen. Zudem wird der Typus Glässer bzw. Vol- dagsen nicht ausschließlich als Krankheitserreger bei Ferkelparaty-

1) Unter Mitarbeit von Dr. G. Baars, Oberassistent am Hygien. Institut, der Tierärztl. Hochschule Hannover.

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phosen ermittelt. In vielen Instituten ist sogar der Glässer-Voldagsen- typus im Vergleich zum Suipestifertypus weniger häufig bzw. selten beobachtet worden (Mießner, Hutyra, Marek, Lütje u. a.). Diesen Verhältnissen hat auch Glässer Rechnung getragen, der heute ebenfalls die Ansicht vertritt, daB das von ihm entdeckte Bakterium eine dem Bact. suipestifer nahestehende Art, vielleicht nur eine Abart ist. Glässer hat daher die Bezeichnung ‚Ferkeltyphus‘‘ fallen lassen und dafür den Namen „Paratyphus der Ferkel“ (bazilläre Schweine- pest, käsige Darm- und Lungenentzündung) gewählt.

Die weitere Forschung hat ergeben, daß außer dem Bact. suipestifer noch andere Vertreter der Paratyphus-Enteritisgruppe beim Schwein als Krankheitserreger angetroffen werden; so konnten Schermer und Ehrlich bei gleichzeitig mit Kälbern erkrankten Ferkeln Gärtner- bakterien nachweisen. Im Hygienischen Institut der Tierärztlichen Hochschule Hannover sind von Bülter und Sternberg Ferkel- paratyphusstämme und aus virusschweinepestkranken Schweinen isolierte Paratyphusstämme eingehend untersucht. Bei beiden Erkrankungen wurden neben Suipestiferbakterien auch Gärtner- und Breslaubakterien angetroffen. Diese Befunde finden durch die Untersuchungen Lütjes eine Bestätigung, der aus Schweinen neben Suipestifertypen auch Gärt- ner- und Breslautypen isolierte. Bemerkenswert ist weiterhin ent- sprechend den Befunden von Uhlenhuth und seinen Mitarbeitern das Vorkommen von ‚„inagglutinablen‘‘ Paratyphusbakterien beim Schwein.

Ein weiterer, zu den Paratyphusbakterien gehöriger, schon früh- zeitig bekannter Erreger ist das von Löffler 1890 beschriebene Bact. typhi murium, das gelegentlich eines Massensterbens unter Labora- toriumsmäusen von ihm isoliert wurde. Der Name ist insofern unglück- lich gewählt, als das Bakterium mit dem Typhusbakterium nichts zu tun hat. Nach Untersuchungen Bitters, die von verschiedenen For- schern bestätigt sind, ist der Erreger mit dem Bact. enteritidis bresla- viense identisch.

Der zur Paratyphus-Enteritisgruppe gehörige Erreger des seuchen- haften Abortus der Stuten ist 1893 von Smith und Kilborne ent- deckt und von ihnen schon damals in die Gruppe der Hogcholera- bakterien eingereiht. Die Hogcholeragruppe auch Salmonellagrup pe genannt war von Smith, der ‘bereits vor der Entdeckung des Bact. paratyphi B (Schottmüller) die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Bact. suipestifer und den Fleischvergiftern erkannt hatte, aufgestellt. Die Befunde von Smith und Kilborne wurden dann in den verschiedenen Ländern u. a. von Turner 1894, Lig- nieres 1897, de Jong 1912, Lautenbach 1913 bestätigt. Als in den Jahren 1913 bis 1916 die Seuche in verschiedenen Gestüten Deutschlands in erhöhtem Maße auftrat, wurde von Mießner und Berge (1917) sowie von Gminder (1920) die Aetiologie und Epi- demiologie eingehend klargestellt und das Bakterium von Mießner und Berge als Bact. paratyphi abortus equi bezeichnet. Insbesondere wurde dabei von Mießner und Berge ermittelt, daß gewisse Fälle von Erkrankungen der Fohlen in den ersten Lebenstagen, die dem Be- griff „Fohlenruhr‘‘ bzw. ‚„Fohlenlähme‘‘ subsumiert waren, eine gleiche ätiologische Grundlage wie der infektiöse Abortus der Stuten haben, also als verzögerter infektiöser Abortus aufzufassen sind.

Durch die neueren Untersuchungen, vornehmlich von Bitter, Lütje, Manninger, Frenkel ist festgestellt worden, daß das

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Bact. paratyphi abortus equi sowohl kulturell wie agglutinatorisch einer selbständigen Typus darstellt. Inwieweit bei dem ansteckenden Abortus der Stuten und dem Fohlenparatyphus auch andere Typen, insbesondere Enteritisbakterien eine Rolle spielen, läßt sich noch nicht abgrenzen, da die diesbezüglichen Beobachtungen ein abschließendes Urteil nicht zulassen. Es steht aber fest, daß sowohl bei Pferden wie bei Fohlen gelegentlich auch Breslau- und Gärtnerbakterien gefunden werden.

Auch der Erreger des Kälberparatyphus ist bereits durch Tho- massen 1896 erkannt und als Bac. septicus vitulorum bezeichnet worden. Die Seuche verläuft unter dem Bilde der durch das Bacterium coli veranlaßten und weit verbreiteten Kälberruhr. Dieselben Mikro- organismen fanden einige Jahre später Poels in Holland und Jensen in Dänemark. Wegen der Aehnlichkeit des Bakteriums mit dem Er- reger der eigentlichen Kälberruhr bezeichneten sie es als Bacterium pseu- docoli oder paracoli.

In Deutschland wurde die Seuche zuerst 1909 durch Wiemann er- kannt, der die Befunde von Thomassen, Poels und Jensen in der Provinz Ostpreußen bestätigen konnte. Seitdem ist die Seuche, die vorher unter dem Sammelbegriff Kälberruhr einer genauen Forschung entgangen war, in Deutschland, vornehmlich in den Provinzen Ost- preußen, Pommern, Schleswig-Holstein, Schlesien, Sachsen, Hannover und im Rheinlande beobachtet worden. Insbesondere ist es den exakten Untersuchungen von Karsten, damaligem Leiter des Staatlichen In- stituts zur Erforschung der Kälberkrankheiten in Lehnsan in Holstein zu danken, daß heute diese Kälberseuche in Deutschland bis in ihre Einzelheiten erforscht ist. Als Erreger ist das Bact. enteritidis Gärtner anzusehen, wie schon de Nobele an den von Thomassen (1896) aus Kälbern isolierten Stämmen nachwies. Außer Gärtnerstämmen wurden jedoch gelegentlich auch Bakterien angetroffen, die auf Grund ihres sero- logischen Verhaltens bisher in die Paratyphus B-Gruppe gewiesen wurden, ferner in beschränktem Maße solche, die nicht nennenswert durch Agglu- tinine beeinflußt wurden (Jensen, Stickdorn, Zschiesche, Christiansen, Karsten). Christiansen hat 1916 auf einen Unterschied zwischen den menschlichen Paratyphus B- (Schott- müller) Typ und den aus Kälbern isolierten „Para B-Typ‘ hingewiesen, der den Beobachtungen der Kieler Schule entspricht. Er beobachtete nämlich, daß die aus Kälbern gezüchteten .,Paratvphus B-Stämme vom Schottmüllertypus‘‘ ebenso wie die anläßlich von Fleischvergiftungsfällen gewonnenen angeblichen ,,Schottmüller' ‘stimme auf Schräggelatine als ganz trockene, faltige und runzelige grauweiße Beläge wuchsen, während die menschlichen Para B-(Schottmüller)Stämme sowie die frisch aus Kälbern isolierten Gärtnerstämme immer feuchte, üppige, schleimige, weiße Beläge bildeten, die im Verlauf von drei Wochen auf den Grund des Glases herunterflossen. Wenn man den Beobachtungen der Kieler Schule folgt, so wird es sich, wie aus dem kulturellen Verhalten zu ent- nehmen ist, bei den aus Kälbern isolierten als Paratyphus B- (Schott- müller) Typ angesprochenen Stämmen nicht um den genannten Typus, sondern um Stämme vom Enteritidis-Breslau-Typus gehandelt haben. In der Mehrzahl der Fälle wird somit beim Kalbe der Gärtnertypus angetroffen; in beschränktem Maße werden Bakterienstämme gefunden, die sich bei geeigneter Untersuchungstechnik aber wohl restlos als Breslautyp zu erkennen geben werden. Außerdem sind gelegentlich auch inagglutinable Stämme festgestellt worden.

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Das 1897 von Nocard bei Fällen von Darmerkrankungen der Papageien isolierte Bakterium und die im Jahre 1898 von Isat- schenko bzw. Danysz isolierten „Rattenschädlinge‘‘, ferner die Er- reger pseudotuberkulöser Prozesse der Meerschweinchen und der als Ursache von Organnekrosen bei Kälbern von Langer und Bugge 1904 beschriebene Bac. nodulifaciens bovis sind Bakterien, die zunächst als spezifische Krankheitserreger der betreffenden Tierart angesprochen wurden, sich aber im Verlauf der weiteren Forschung als bereits bekannte Typen von Paratyphus-Enteritisbakterien erwiesen.

Der seuchenhafte Abortus der Schafe scheint, soweit die bisherigen Befunde darüber ein Urteil gestatten, sowohl epidemiologisch wie ätio- logisch dem infektiösen Abortus der Stuten in vieler Beziehung zu entsprechen; es liegen darüber nur vereinzelte Befunde in der Literatur vor und zwar von Schermer und Ehrlich, von Stephan und Geiger und Karsten. (Die ,,Paratyphuserkrankung‘ einer Schaf- herde, in der 160 Schafe notgeschlachtet werden mußten, deren Fleisch dann zu der bekannten Fleischvergiftungsepidemie in Ueberruhr Ver- anlassung gab, hat mit diesem spezifischen Abortus der Schafe nichts zu tun.) Der Erreger wurde von Schermer und Ehrlich mit dem Namen Bact. paratyphi abortus ovis belegt. Nach Untersuchungen der genannten Autoren sowie von Bitter und Lütje handelt es sich bei dem Bakterium um eine selbständige Tiertype, die sich in der wallosen Kolonie durch besonders zartes Wachstum und in ihrem agglutinato- rischen Verhalten durch einen ausgedehnten Rezeptorenapparat aus- zeichnet.

Entsprechend dem Befunde Nocards bei Papageien sind des weiteren Paratyphuserkrankungen bei Hühnern, Truthühnern, Gänsen, Enten, Tauben, Kanarienvögeln, Finken, Stieglitzen und anderen Vögeln bekannt geworden. Bei der Untersuchung der Typenzugehörigkeit ihrer Erreger hat man sich im allgemeinen mit der Feststellung ihrer Ein- reihung in die „Paratyphus B-Gruppe‘ begnügt bzw. ihnen infolge ge- wisser kultureller oder serologischer Abweichungen eine Sonderstellung im System der Paratyphus-Enteritisgruppe gegeben. Erst in neuerer Zeit ist über das Vorkommen von Breslautypen bei Gänsen (Pfeiler), Finken (Manninger), Stieglitzen (Beck und Huck) usw. berichtet worden. Lütje ist der Ansicht, daß abgesehen von dem ,,Hühnertyphus- bazıllus‘‘, auch sonst spezifische Geflügelparatyphosen vorkommen. Als ein selbständiger Typ ist nach dem mitgeteilten Befunde ohne Frage der von Klein als Bac. gallinarum, von Pfeiler als Bac. typhi gallinarum bezeichnete Erreger der von Pfeiler als Hühnertyphus benannten Krankheit anzusehen, die außer bei Hühnern auch bei Puten, Perl- hühnern und Fasanen beobachtet ist. Die Bezeichnung „Typhus“ ist jedoch zu verwerfen, denn die Krankheit hat weder ätio- logisch noch klinisch das geringste mit dem Typhus abdomi- nalis hominis zu tun. Der Erreger ist unbeweglich und ähnelt dem Bact. dysenteriae der menschlichen Ruhr, daher wäre vielleicht die Krankheitsbezeichnung „Hühnerdysenterie‘ gerechtfertigt. Nach den Untersuchungen von Spiegl und Lerche sowie von Bitter stellt das Bakterium einen für den Menschen apathogenen Sondertypus dar. Man wird weitere Untersuchungen abwarten müssen, um über die beim Geflügel vorkommenden Paratyphaceen ein sicheres Urteil fällen zu können.

Eine gleichfalls noch ungeklärte Rolle spielt die von Bahr als

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„Paratyphus der Honigbiene‘‘ bezeichnete Erkrankung der Bienen, die auch von Raebiger beobachtet wurde. Es handelt sich dabei um Er- reger, die von keinem Antiserum aus der Paratyphus-Enteritidisgruppe agglutiniert werden. Auch Borchert bestätigt die Befunde Bahrs, jedoch wendet er sich ebenso wie Januschke gegen die ätiologische Bedeutung der gefundenen Keime für die seuchenartige Erkrankung der Bienen.

Eigene Versuche.

Anknüpfend an frühere Untersuchungen ist im Hygienischen In- stitut der Tierärztlichen Hochschule Hannover die Frage der Typen- differenzierungsmöglichkeit durch die Agglutinationsprüfung unter Zu- hilfenahme kultureller Merkmale und des Mäusefütterungsversuches im Sinne der Kieler Schule erneut in Angriff genommen. Als Testkulturen dienten uns von Bitter freundlicherweise im Jahre 1923 zur Ver- fügung gestellte Kulturen von B. paratyphi B (Schottmüller) (vier Stämme), B. enteritidis Gärtner (2 Stämme) und B. enteritidis bresla- viense (3 Stämme). Die Stämme zeigten auch heute noch die nach den Angaben Bitters zu erwartenden Eigenschaften.

Untersucht wurden sowohl alte Laboratoriumsstämme wie auch frisch aus eingegangenem Untersuchungsmaterial isolierte Stämme aus Tieren. Um die Zahl der zu untersuchenden frisch isolierten Paratyphus- stämmo zu erhöhen, haben wir verschiedene Institute um Ueberlassung solcher Stämme gebeten. Wir erhielten folgende Stämme:

A. Vom Tierseucheninstitut der Landwirtschaftskammer Hannover:

1. nn Herzblut 49 aus Ferkel,

a Milz-Hase 66 aus Hase,

: farblose Keime aus Milz vom Fohlen, Fohlen 210 aus Fohlen,

Herzblut 214 aus Kanarienvogel,

j Kanarienvogel 2 aus Kanarienvogel, = Fleisch-Pferd aus Pferd,

es Milz-Kuh aus Rind.

B. Vom staatl. Veterinäruntersuchungsamt Potsdam:

9. Stamm Niere 164 aus Kalb. Außerdem wurden uns auf unsere Bitte folgende „Mäusetyphus“-Laboratoriums- kulturen we 1. „Orig. Mäusetyphusstamm Löffler“ vom Bakt. Inst. d. Landwirtsch.-Kammer Halle a. S.; vom Institut für Infekt.-Krankh. Robert Koch Berlin: 2. Stamm „Miäusetyphus Ellinger“, 3. A „Mäusetyphus Löffler“. Für die Ueberlassung vorstehend aufgeführter Stämme sagen wir den Instituts- direktoren an dieser Stelle unseren verbindlichsten Dank. Die übrigen untersuchten Kulturen waren Institutsstimme. Ihre Einzelauf- führun erübrigt sich, da aus den folgenden Tabellen das Nähere hervorgeht. Zur Ag utinationsprüfun wurden 3 Gruppen von Seris benutzt. Gru = umfaßte käuflich erworbene Sera vom RGA. bzw. Inst. f. Infektions- krankh. Robert Koch, und zwar: 1: Typhusserum, Esel, Titer 6400 RGA 2. Paratyphus A-Serum, Esel, Titer 3000 RGA. 3. Paratyphus B-Serum, Pferd, Titer 2000 Inst. Rob. Koch, 4. Breslauserum, Titer 3200 Inst. Rob. Koch, 5. Suipestiferserum, Kaninchen, Titer 3000 RGA. 6. Gärtnerserum, Kaninchen, Titer 6400 Inst. Rob. Koch. ne zweite Gruppe wurde aus selbsthergestellten monovalenten Seris zusammen- ges

IS SUR HN!

11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925. #247

1. Paratyphus B-Serum [durch intravenöse Vorbehandlung eines Kaninchens mit aa ete B VII (Bitter)], Titer 8000.

. Breslauserum [durch intravenöse Vorbehandlung eines Kaninchens mit Breslau 19 (Bıtter)], Titer

. Suipestiferserum (durch intravenöse Vorbehandlung eines Schweines mit Stamm Herzblut 49, Lk. Hannover), Titer 20000.

4. Gärtnerserum [durch intravenöse Vorbehandlung eines Kaninchens mit Stamm Gärtner X (Bitter)], Titer 15 000.

5. Abortus-equi-Serum (durch intravenöse Vorbehandlung eines Kaninchens mit Stamm Dobberkau, Hyg. Inst. Hannover), Titer 10000.

Da die Arbeiten zu einem bestimmten Zeitpunkt zum Abschluß gebracht werden sollten, mußte wegen des dadurch bedingten Zeitmangels von einer weiteren Vor- ns der Tiere zwecks Titererhöhung des Serums Abstand genommen werden.

Die dritte Gruppe der Sera bestand aus uns von Bitter in dankenswerter Weise überlassenen Sera:

1. Paratyphus B-Serum Titer 20 000, 2. Breslauserum 20000, 3. Suipestiferserum » 2000, 4. Gärtnerserum 20000.

Durch vergleichende Betrachtung der Agglutinationsergebnisse der einzelnen Gruppen sollte die Verwendungsmöglichkeit der Sera unter- sucht werden.

Die kulturelle Prüfung der Stämme erstreckte sich auf die Beob- achtung des Kolonietypus auf Drigalski-Conradi-, Gaßner- und Agar- platten, sowie des Wachstums auf Schräggelatine.

Als besonders geeignet für die Darstellung des Wallbildungs- phänomens hat sich uns die Gaßnerplatte erwiesen.

Infolge der ungewöhnlich warmen Witterung der Untersuchungs- monate Juni— August 1923, war die Schräggelatine für Untersuchungs- zwecke schlecht geeignet. Von einer fortlaufenden Beobachtung des Wachstums aller Stämme auf diesem Nährboden wurde daher Abstand genommen. Wir konnten allerdings wiederum bestätigen, daB die Bres- laustämme sich durch trockenes, gerunzeltes Wachstum vor den übrigen feucht-schleimig wachsenden Typen zu erkennen gaben.

Als weitere Untersuchungsmethode wurde die von Lütje empfohlene Farbenreaktion in ‚Sternbouillon‘‘ benutzt.

Die Sternbouillon wurde in der Weise hergestellt, daß zu 100 g Nährbouillon aus Liebigs Fleischextrakt 5—6 Tropfen gesättigter alkoholischer Fuchsinlösung und !/), ccm einer frischen 10proz. wässerigen Natriumsulfitlösung und 1 g Glyzerin ge- setzt wurde. Die Beobachtung auf Farbenumschlag begann nach der Beimpfung und 24stündigem Aufenthalt der Sternbouillonkultur im Brutschrank. Nach den Angaben

Lütjes wurde die Beobachtung der nach 24stündiger Bebrütung bei Zimmer- temperatur gehaltenen Röhrchen auf 3 Wochen ausgedehnt.

Der Mäusefütterungsversuch wurde entsprechend den Angaben von

Bitter angestellt.

Eine mit 10 ccm physiologischer Kochsalzlösung abgeschwemmte 24stündige Agarkultur wurde aut 3 g trockenen Keks gegeben and die breiige Keksmasse einer Versuchsmaus als Futter gereicht. Nach der Fütterung verendete Mäuse wurden aut die Anwesenheit des Erregers im Herzblut untersucht. Bei der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit war es undurchführbar für jede Kultur zwei Mäuse, die natürlich hätten getrennt gehalten werden müssen, zu verwenden.

Die Untersuchungsergebnisse an den nach Tiergattungen geordneten Paratyphusstämmen sind in Tabellen (I—IV) zusammengefaßt. I. Paratyphus des Schweines.

Die Tabelle I betrifft die Schweineparatyphusstämme. Untersucht wurden 24 aus kranken Schweinen und 9 aus Kot von gesunden

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11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925. *249

Schweinen isolierte Stämme. Unter den 24 aus kranken Schweinen ge- züchteten Stämmen waren 5 frisch isolierte Stämme, während die übrigen 19 Stämme sich bereits seit 1922 in der Kultursammlung des Instituts befanden. Die Tabelle führt nicht alle 33 untersuchten Schweinestämme auf, sondern nur 20, da die übrigen 13 Stämme, darunter die oben er- erwähnten 9 aus Kot gesunder Schweine und 4 aus kranken Schweinen isolierte Stämme iniolge ihrer „Inagglutinabilität‘ und ihres kulturellen Verhaltens einer gesonderten Betrachtung zusammen mit ähnlichen, bei anderen Tiergattungen angetroffenen Stämmen unterzogen werden sollen. (Tab. 1, S. *248.)

Von den 20 aus kranken Schweinen isolierten Stämmen wurden 7 Stämme als Suipestifertypen (1—7), 10 Stämme als Breslautypen (8—17) und 3 Stämme als Gärtnertypen (18—20) ermittelt.

Mit Hilfe der gekauften Sera gelang es, durch die Agglutination von 7 Suipestiferstämmen 6 als solche zu bestimmen, während 1 Stamm (Herzblut 49, frisch isoliert) von Breslau- und Suipestiferserum gleich hoch (2000) agglutiniert wurde.

Durch das eigene univalente Suipestiferserum, das allerdings unter den selbsthergestellten Seris den höchsten Titer (20000) hatte, wurden

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alle 7 Suipestiferstämme hoch agglutiniert.

Aufsicht Durehsicht

Mikro-Durehsicht.

Abb. 1. Bact. suipestifer, Schleimwall.

250* 11. Tagung d. Deutschen Vereinigung t. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925.

Das von Bitter erhaltene Suipestiferserum kennzeichnete alle 7 Suipestiferstämme am deutlichsten, indem fast alle Stämme bis zur Titergrenze (20000) agglutiniert wurden.

Bei der Agglutination der Suipestiferstämme durch die gekauften Sera trat die Mitagglutination von Paratyphus B- und Breslauserum, durch die selbsthergestellten Sera die Mitagglutination von Para- typhus B-Serum und durch die Bitterschen Sera die Mitagglutination von Breslauserum hervor.

Durch die kulturelle Untersuchung erwiesen sich sämtliche Sui- pestiferstämme als Schleimwallbildner (s. Abb. 1, S. *249).

Die Schleim-

wälle der Suipestifer- * kolonie unterscheiden sich nicht von den bei Paratyphus B- (Abb.7 \ und Gärtnerkolonien una (Abb. 5) zu beobach- tenden. Bei älteren Laboratoriumsstäm- men ist jedoch die Schleimwallbildung. ähnlich wie bei alten

Gärtnerstämmen, häufig nicht ausge-

prägt. Man findet bei der- artigen Kulturen (Milz 9%. Galle 99, Leber 100, Galle 10. der Tab. I) mehr oder we- niger umfangreich in der Randzone der Kolonie Schleimwallreste wie es Abb. 2 zeigt.

Im Mäusefütte- rungsversuch erwiesen sich die Suipestiferbak- terien bis auf einen La- boratoriumsstamm(Milz 99) pathogen.

In der „Sternbouil- lon“ zeigten alle 7 Sui- pestiferstämme das nach den Angaben von Lütje zu erwartende Verhal- ten. indem der Nähr- boden unter leichter Rotfärbung eine mil- chige Trübung annahm.

Von den 10 unter-

Abb. 2. Bact. suipestifer Alte Laboratoriums- suchten Breslaustäm- kulturen. Schleimwallreste. men vom Schwein wur-

11. Tagung d. Deutschen Vereinigung Mikrobiol. in Fraukfurt a. M. 1925. *> 5I

den durch Agglutinatien mit gekauftem Breslauserum (Inst. Robert Koch) 1 Stämme hoch über den Titer des Serums hinaus agglutiniert und zwar stets bedeutend höher als durch Paratyphus B-Serum. 2 Stämme (Leber 87 u. Milz 69) wurden sowohl von Breslau- wie von Suipestiferserum gleich hoch beeinflußt, und 1 Stamm (Herzblut 87) wurde durch das Breslauserum und Paratyphus B-Serum überhaupt nicht, durch Para- typhus A- und Suipestiferserum nur in einer Verdünnung von 1:500 agglutiniert, war also mit Hilfe der gekauften Sera nicht unterzubringen. Alle Breslaustämme wurden durch Paratyphus B- und Suipestiferserum teilweise bedeutend mitagglutiniert.

Durch das selbsthergestellte univalente Breslauserum wurden fünf Stämme (Darm 82, Herzblut 87, Galle 87, Darm 88 und Milz 69) als Breslaustämme gekennzeichnet. Von diesen Stämmen agglutinierte je- doch nur 1 Stamm (Darm 82) bis zur Titergrenze des Serums (5000), die anderen 4 Stämme dagegen nur bis 2000. Die übrigen 5 Stämme (Darm 79, Leber 83, Leber 87. Herzblut 99 u. Milz 100) wurden höher, jedoch nicht bis zur Titergrenze von dem allerdings auch höherwertigen Suipestiferserum (Tit. 20000) agglutiniert. Mitagglutination wurde durch das univalente Paratyphus B-Serum nur bei 3 der genannten Stämme bis zur Verdünnung 1:500, durch das Abortus equi-Serum bei + Stämmen bis zur Verdünnung 1:1500 hervorgerufen.

Das von Bitter erhaltene Breslauserum agglutinierte sämtliche 10 Breslaustämme, meist bis zur Titergrenze (20000). Die Mitagglu- tination durch Paratyphus B-Serum und Suipestiferserum trat außer bei einem Stamm (Herzblut 87) bei allen Stämmen geringgradig (bis 2000) in Erscheinung.

Durch die kulturelle Untersuchung wurde bei keinem Stamm Schleimwallbildung beobachtet. Alle Stämme zeigten den nach Abbildung ö gekennzeichneten Kolonietypus, d. h. die Kolonie war scheibenförmig, undifferenziert, schleimwallos.

im Mäusefütterungsversuch erwiesen sich 8 Breslaustämme patho- een; sic führten nach 3—13 Tagen den Tod der Maus herbei. Die Verfütterung von 2 Stämmen (Leber 83 u. Leber 87) hatte jedoch bei je einer Maus noch nach 4 Wochen nicht den Tod herbeigeführt.

Die Reaktion der .Sternbouillon war bei allen Stämmen positiv und zwar trat bei 9 Stämmen der tintenfarbige Umschlag bereits nach 2 Tagen, bei einem Stamm (Galle 87) jedoch erst nach 12 Tagen ein.

Die drei als Gärtnertypen bestimmten Schweineparatyphus- stämme wurden durch alle 3 verwendeten Serumgruppen scharf ge- kennzeichnet, indem sie nur durch die Gärtnersera hoch, durch Para- tvphus B-, Suipestifer- und Breslausera nicht und durch Typhus- und Paratyphus A-Serum (R.G.A.) nur geringgradig agglutiniert wurden.

Das Wallbildungsphänomen war bei einem Gärtnerstamm (Lymph- knoten 223) noch in ausgeprägtem Maße als geschlossener Ringwall wahrzunehmen, bei den restlichen 2 Stämmen waren jedoch nur noch Schleimwallreste entsprechend der Abbildung 5 festzustellen.

Von dem Mäuscfütterungsversuch wurde abgesehen, da er praktisch zur Differenzierung von Gärtnerbakterien wegen der ohnehin sicheren serologischen Trennung keine Rolle spielt.

Die ,Sternbouillon‘ wurde von den 3 Gärtnerstämmen bereits nach 24 Stunden positiv verändert.

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11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925. *233

Zusammenfassung.

Es gelang mit den von Bitter übersandten Seris eine restlose Ein- eruppierung der Schweineparatyphusstämme.

Mit den selbsthergestellten monovalenten Seris ermöglichte nur das Suipestiferserum ausnahmlose Ermittlung der Suipestifertypen, dagegen erfaßte das univalente Breslauserum nur die Hälfte der Bres- laustämme.

«e Von den gekauften Seris beeinflußte das Suipestiferserum (RGA.) einen typischen frisch isolierten Suipestiferstamm derartig gering, dal eine Trennung vom Breslautypus nicht ermöglicht wurde. Das Breslau- serum (Inst. Rob. Koch) ermittelte von 10 7 Breslaustämme, 2 weitere Stämme waren infolge gleich hoher Mitagglutination durch Suipestifer- serum (R.G.A.) nicht von diesem Typus zu trennen und 1 Stamm lieb sich überhaupt nicht eingruppieren.

Das Wallbildungsphänomen war vorhanden bei Suipestifer- und Gärtnerbakterien, nicht dagegen bei Breslaubakterien.

Im Mäusefütterungsversuch blieb eine Maus, die mit einem Labo- ratoriumssuipestiferstamm gefüttert war, und 2 Mäuse, die mit je einem Breslau-Laboratoriumsstamm gefüttert waren, am Leben.

Die ,,Sternbouillon‘ wurde durch Suipestiferbakterien unter leichter Rötung milchig getrübt, durch Breslau- und Gärtnerbakterien dagegen tief purpurviolett verändert.

II. Paratyphus des Pferdes.

Dic Tabelle II umfaßt die bei Stutenabort und Fohlenpara- typhus isolierten Stämme und zwar 5 frisch isolierte Fohlenpara- typhusstämme und 9 Laboratoriumsstämme, darunter 8 Stutenabort- stämme und 1 Stamm vom Fohlen (Hölting 427). (Tab. Il, S. 252*.)

Durch die Agglutinationsprüfung ließen sich die untersuchten Stämme in 3 Gruppen einteilen.

Die Gruppe 1 umfaßt die spezifischen Stutenabortstämme (cin- schließlich spez. Fohlenparatyphusstämme),

die Gruppe 2 die Breslaustämme, und die

Gruppe 3 die „inagglutinablen‘“ "Stämme.

a) Die erste Gruppe, die spezifischen Stutenabort- stämme, zählt 9 Stämme und zwar Stamm Fohlen 796, Fohlen 787, Fetus Dobberkau, Fetus Büttner, Fetus Lensch I, Fetus Hölting, Fetus Ahlemeyer, Fetus Kemner und Fetus Rosenhof.

Diese Stämme wurden von den gekauften Seris durch Para- typhus A-, Paratyphus B- und Gärtnerserum in einer Verdünnung von 500 bis 2000 agglutiniert; mit Typhusserum agglutinierten 6 Stämme bis zur Verdünnung 500.

Von den selbsthergestellten univalenten Seris agglutinierte das Breslauserum alle 9 Stämme. Das Gärtnerserum dagegen nur 8 (aus- genommen Stamm Fetus Hölting). Durch das univalente Paratyphus B- Serum wurde kein Stamm agglutiniert. Das univalente Abortus equi- Serum agglutinierte alle 9 Stämme hoch. Der Stamm Fetus Hölting . wurde allerdings höher durch das univalente Breslauserum agglutiniert.

Von den Bitterschen Seris agglutinierte nur das Breslauserum alle 9 Stämme. das Paratvphus B-Serum 8 Stämme, das Gärtnerserum dagegen keinen Stamm. Breslauserum und Paratvphus B-Serum agghiu- tmierten etwa gleich hoch (5000 bis 10000).

254* 11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925.

Durch die kulturelle Untersuchung erwiesen sich sämtliche 9 Abor- tus equi-Stämme (einschließlich spez. Fohlenparatyphusstämme) als Schleimwallbildner (Abbildung 3).

Die Schleimwallbildung trat besonders deutlich auf Gassner- und Agarplatten in Srecan, Die Wälle unterschieden sich auf diesen Nährböden, nders auch in ihrer feinen Radiärstrichelung kaum von denjenigen der übrigen Wallbildner.

Aufsicht Durchsicht

Mikro-Durchsicht Abb. 3. Bact. paratyphi abortus equi. Schleimwall (G assn er- Platte).

Eine ne a E trat erst nach mehrtägigem Aufenthalt der Kulturen bei Zimmer- temperatur ein (Abb. 4, S. *255).

Auf der Gaßnerplatte wurde die Wallzone allmählich breiter und verlor ihren schleimigen Charakter. Im zentralen Teil der Kolonie begann zunächst eine leichte Faltenbildung, die sich mikroskopisch zu- erst zu erkennen gab; dann bildeten sich auch ın der Randzone radiäre Falten und schließlich erhielt nach etwa 10 Tagen die ganze Kolonie, die dann etwa einen Durchmesser bis zu 2 cm erreicht hatte, durch mehrere ausgeprägte radıär angeordnete Falten ein faltiges, trockencs. hautartiges Aussehen. Erst jetzt wurde der Kolonierand, der sonst glatt war, rosettenartig gebuchtet. Auf der Drigalski-Conradiplatte wurde in der Einzelkolonie ein Schleimwall mit radiärer Strichelung nicht beobachtet, wohl aber ein ausgeprägter Wulst, der der sonst flachen

11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925. #265

Kolonie ein schalenförmiges Aussehen gab. Dagegen bildete die Einzel- kolonie auf der Agarplatte einen ausgeprägten radiär gestrichelten Schleimwall, der entweder die Kolonie gleichmäßig umgab oder auch unregelmäßige buchtige Gestaltung des Randes hervorrief. Die Schleim- wälle traten bei fast allen Stämmen, selbst bei einem im Jahre 1921 isolierten Stamm (Lensch I) deutlich hervor. Nur bei 2 Laboratoriums- stämmen (Fetus Büttner II u. Fetus Hölting) war die Schleim- produktion nur gering, dagegen der Randverlust deutlich.

nach 5 Tagen | nach 12 Tagen

Mikro-Durchsicht nach 3 Tagen. Mikro-Durchsicht nach 4 Tagen. Abb. 4. Bact. paratyphi abortus equi. Gassner-Platte.

Im Mäusefütterungsversuch erwies sich nur der Stamm Fetus Rosenhof pathogen, der nach 8 Tagen die Maus tötete. l Die Sternreaktion war bei allen 9 Abortus equi-Stämmen negativ. b) Die zweite Gruppe der untersuchten Stämme umfaßt 3 Breslaustämme und zwar Stamm Fohlen Duchstein, Fohlen 210 und Fetus Lensch IV. | Von den gekauften Seris agglutinierte der Stamm Fohlen Duchstein am höchsten mit Paratyphus B-Serum, nicht dagegen mit Breslau- Serum, der Stamm Fohlen 210 gleich hoch über Titergrenze (20000)

256* 11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925.

mit Paratyphus B- wie mit Breslauserum. Der Stamm Lensch IV am höchsten mit Breslauserum. Es wäre also mit Hilfe der gekauften Seris nur der Stamm Lensch IV als Breslaustamm erkannt worden.

Von den selbst hergestellten univalenten Seris agglutinierte das Paratyphus B-Serum keinen der drei Stämme. Das Breslauserum gab durch die Höhe seiner Agglutination die Stämme Duchstein und Fohlen 210 als Breslaustämme zu erkennen, während der Stamm Lensch IV am höchsten (2000) von dem Abortus equi - Serum agglutinirt wurde.

Durch die Agglutination mit den Bitterschen Seris wurden aik drei Stämme infolge ihrer hohen Beeinflussung durch Breslauserum als Breslaustämme identifiziert. |

Damit stimmte auch das kulturelle Verhalten und der Mäuse- fütterungsversuch überein, denn alle drei Stämme wuchsen schleimwall- los (s. Abbildung 6) und waren mäusefütterungspathogen.

Die Sternreaktion war bei allen 3 Stämmen positiv. Der Un- schlag wurde am 6., 2. und 1. Tag hervorgerufen.

c) Die dritte Gruppe der untersuchten Abortus equi- Fohlenparatyphusstämme enthält 2 Stämme: Stamm farblose Keime und Stamm Fohlen Hölting 427. Beide Stämme wurden von keinem der verwendeten Seris agglutiniert. Wegen dieser und ihrer kul- turellen Eigenschaften, die sie mit untersuchten Stämmen anderer Her- kunft hatten, soll ihre Besprechung weiter unten erfolgen.

Zusammenfassung.

Abgesehen von -paratyphusähnlichen .„inagglutinablen Stämmen” werden bei Fällen von Abortus equi sowie von Fohlenparatvphus in der Mehrzahl spezifische Paratvphus abortus equi-Bakterien angetroffen, dancbeu aber auch typische Breslaubakterien.

Die spezifischen Abortus equi- Fohlenparatyphusstämme wurden

durch selbsthergestelltes univalentes Kaninchenantiserum restlos erkannt, jedoch war die Mitagglutination vornehmlich durch selbsthergestelltes univalentes Breslauserum sowie durch Bittersches Breslau- und Para- typhus B-Serum und durch gekauftes Paratyphus B-Serum Inst. Robert Koch) recht bedeutend. Außerdem trat die Mitagg glutination in gerinzerem Maße hervor bei der Agglutinationsprüfung mit gekauften Typhus-, Paratvphus A- und Gärtnerserum, ferner mit selbstherzestellten univalenten Gärtnerserum, nicht dagegen mit dem von Bitter er- haltenen Gärtnerserum. Nach diesen Befunden ist die Verwendung von hochwertigem, möglichst polvvalentem Abortus equi-Serum zur sero- logischen Identifizierung von Paratyphus abortus equi-Bakterien an- gezeigt. Alle spezifischen Abortus equi- Fohlenparatyphusstämme erwiesen sich auf Agar- und Gabßnernährböden als ausgesprochene Schleimwall- bildner. Die Kolonie zeigte bei längerer Beobachtung ein typisches trockenes, gefaltetes Aussehen is. Abb. 3 u. 4).

Die Mäusefütterungespathogenität war nicht einheitlich; die Mehr- zahl der Stämme war apathogen.

Die Sternreaktion war negativ.

Die ın der Minderzahl festgestellten Braben wurden rest- los nur von dem von Bitter bezogenen Serum erfaßt. Das selbst- hergestellte univalente Breslauserum ergab bei den einzelnen Stämmen

11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925. "267

große Titerschwankungen. Bei den gekauften Seris trat die hohe Mit- agglutination durch Paratyphus B-Serum störend hervor.

Die 3 Breslaustämme wuchsen schleimwallos und waren mäusefütte- rungspathogen. Die Sternreaktion war jedoch nur bei 2 Stämmen positiv.

IHI. Paratyphus des Kalbes.

Die Tabelle III enthält die Kälberparatyphusstämme sowie einen bei der bakteriologischen Fleischuntersuchung aus der Milz einer Kuh isolierten Stamm. Leider standen uns nur 3 Kälberstämme zur Ver- fügung, darunter nur ein frisch aus der Niere eines Kalbes isolierter Stamm (St. Niere 164). (Tabelle III, s. S. *258 u. *259.)

Aufsicht Durchsicht | Mikro-Durchsicht Schleimwallreste einer älteren Laboratoriumskultur Abb. 5. Baet. enteritidis Gärtner. Schleimwall.

Von den Kälberparatvphusstämmen erwiesen sich 2 Stämme, der frisch isolierte Stamm 164 und der Laboratoriumsstamm 323, als Breslau- stämme, ein Stamm (Kalb Oppermann) als Gärtnerstamm.

Die serologische Identifizierung der beiden untersuchten Gärtner- stämme (Kalb Oppermann und Stamm Milz Kuh) gelang mit allen drei verwendeten Gärtnerseris einwandfrei.

Schleimwallbildung war nur bei dem frisch aus der Kuh isolierten Gärtnerstamm vorhanden (s. Abb. 5). Der Laboratoriumsstamm (Kalb Oppermann) dagegen war völlig schleimwallos.

Erste Abt. Orig. Bd. 97. Beiheft. 17

258* 11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925.

Tabel!e Kälber

Agglutination mit gekauften Agglutination mit selbst-

Sera hergestellten univalenten Sera

Stamm en ee ee nee

6400| 3000| 2000 | 3200 a ‚8000| 5000 | 20 000 15 000 10 (u

T. | À. B. | Br. | S. | G. B. | Br. 8. G. Ab. F risch isolierter

Kalb Niere 164] : | W000; 2000j 1000; | i10000 Alte Laboratorium:

Kalb 323 | 500| de 10 000 D = |

Kalb Opper- | |

mann _ 500 | | |%9 "| _ 20000, Stamm: 2 Kuh, frisch isoliert

Milz Kuh I 11000, ; ] [1000| : | 20000

Erklärung der Abkürzungen wie in Tabelle I.

In frischen Kulturen bildet das Bact. enteritidis Gärtner, das als spezitis}- Kälbertype anzusehen ist, Schleimwälle, die sich in der Aufsicht wie bei den übris- Schleimwallbildnern als Aufwulstung; des Randes zu erkennen geben, in der Duri- sicht einen grauweisen Saum darstellen und bei mikroskopischer Betrachtung eine feine radiäre Strichelung besitzen.

Bei älteren Laboratoriumskulturen treten jedoch nicht selten diese Erscheinung: nicht deutlich oder überhaupt nicht hervor. Vielfach findet man bei solchen Kulturen Schleimwallreste, die dem Kolonierand dünenartig aufgelagert sind und häufig deu Rand der Kolonie nach außen vorbuchten (s. Abb. 5).

Der Mäusefütterungsversuch wurde nicht angesetzt. Die Stern- reaktion war bei dem Gärtnerstamm Oppermann negativ, bei dem frisch isolierten Gärtnerstamm positiv am 2. Beobachtungstage.

Das gekaufte Breslauserum agglutinierte von den Kälber-Breslau- stämmen einwandfrei nur den Stamm 323, während der Stamm Niere 104 über Titergrenze von Paratvphus B- Serum agglutiniert wurde.

Das selbsthergestellte univalente Breslauserum ließ beide Breslau- stämme als solche erkennen, jedoch trat hierbei wieder ein grober Titerunterschied hervor.

Das von Bitter erhaltene Breslauserum dagegen agglutinierte bri mäßiger Mitagglutination durch Paratyphus B- und Suipestiferserun beide Breslaustämme bis zur Titergrenze. Wallbildung wurde bei beiden Breslaustämmen vermißt. Der Kolonietypus entsprach dem in Abb. ı (S. *259) gekennzeichneten.

Das Bact. enteritidis breslaviense entwickelt von ganz vereinzelten Ausnahme: abgesehen (Bitter, Beck und Huck je einen Fall), niemals Schleimwälle. Die Kolonie wächst scheibenförmig. häufig sind in der Aufsicht paralell zum Rande ver- laufende Ringe leicht angedeutet zu erkennen. In der Durchsicht hellt sich die Kolonie

vom Zentrum nach der Peripherie zu allmählich auf. Mikroskopisch stellt sich die Randzone undifferenziert dar.

Der Mäusefütterungsversuch, der nur mit dem frisch isolierten Stanım Niere 164 angestellt wurde, verlief positiv.

Die Sternreaktion war bei beiden Breslaustämmen innerhalb 94 Std. positiv.

11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925. *> 59

III. paratyphusstämme.

Agglutination mit Bitterschen Sera Mäuse- |

Wall- 5 Stern- Er Pe US > 6 EE he EA E ER, . | fütterungs- : 20 000 20 000 20000 | 20000 bildung | sr à bouillon B. | Br: S. | G. | Stamm: 5000 | 20000 ` 1000 | ur | + + 1. Tag stämme: 1000 2000 : 2000 | | | + 1. Tag | | | | | 20000 | negativ (bakteriologische Fleischuntersuchung) |, 20000 | +++ | + 2. Tag

Aufsicht Durchsicht

Mikro- Durchsicht Bact. enteritidis breslav- Hase. Kultur auf Drigalki- Platte 7 Tage alt. Abb. 6. Bact. enteritidis breslaviense. Ohne Schleimwall. 17*

260* 11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925.

Zusammenfassung.

Beim Kalbe kommen sowohl Gärtner- wie Breslaubakterien vor. Die geringe Zahl der untersuchten Stämme läßt keine "Rückschlüsse über das Häufigkeitsverhältnis zu.

Die serologische Identifizierung der Gärtnerstämme (einschl. eines Gärtnerstammes aus der Milz einer Kuh) gelang mit allen verwendeten Sera leicht. Der Laboratoriums - Gärtnerstamm (Oppermann) wuchs schleimwallos, der frisch isolierte Gärtnerstamm (Milz Kuh) dagega mit ausgesprochenem Schleimwall. Die Sternreaktion war bei den frisch isolierten Gärtnerstamm positiv.

Die Agglutination der Breslaustämme gelang am sichersten mit dem von Bitter erhaltenen Breslauserum; sie gelang ebenfalls, jedoch mit erheblichen Titerunterschieden mit dem selbsthergestellten univalenten Breslauserum. Durch die gekauften Sera agglutinierte 1 Breslaustamm am höchsten mit Paratyphus B-Serum (Inst. Robert Koch).

Beide untersuchten Breslaustämme wuchsen schleimwallos und waren sternpositiv.

Anhangsweise soll hier noch der Kolonietypus des Bact. Paratyphi B (Schottmüller) erwähnt werden. Das Bact. Paratyphis B (Schottmüller wird beim Tiere, wie zuerst Bitter feststellte, nicht ‘gefunden. Es ist ein ausgesprochener Schleimwallbildner (s. Abb. 7).

-a

Aufsicht Durchsicht

|

é í er

Er: Mikro-Durchsicht

Abb. %. Bact. paratyphi B. (Schottmüller). Schleimwall.

11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925. *261

Der Schleimwall des Bact. Paratyphi B (Schottmüller) nimmt mit der Zeit des Aufenthaltes der Kolonie bei Zimmertemperatur derartig zu, daß er wesentlich breiter als die zentrale Ursprungskolonie wird. In der Aufsicht fällt die Siegelform, in der Durchsicht der grauweise Saum, bei mikroskopischer Betrachtung die radiäre Strichelung des Schweimwalles auf. Von den vier uns im Jahre 1923 von Bitter zugesandten Paratyphus B-(Schottmüller)-Kulturen zeigten alle auch heute noch un- vermindertes Schleimwallbildungsvermögen.

IV. Mäusetyphusstämme.

In der Tabelle IV sind die Untersuchungsergebnisse über einen aus einem Hasen frisch isolierten Stamm sowie über 4 „Mäusetyphus“- Laboratoriumsstämme zusammengefaßt. (Tabelle IV siehe 8. *262 und S. *263.)

Der aus dem Hasen isolierte Stamm sowie 2 „Mäusetyphus‘- Laboratoriumsstämme aus dem Institut Robert Koch erwiesen sich als Breslaustämme, 2 weitere „Mäusetyphus‘‘- Laboratoriumsstämme (ein Inst.-Stamm und ein Stamm des Bakt. Inst. der Landw. Kammer Halle a. S.) waren Gärtnerstämme.

Die Agglutinationsprüfung kennzeichnete die Breslaustämme in allen drei Serumgruppen einwandfrei als solche. Bei dem gekauften und dem selbsthergestellten univalenten Breslauserum waren jedoch be- deutende Titerunterschiede vorhanden, während das Bittersche Breslau- serum alle 3 Breslaustämme gleichmäßig bis zur Titergrenze (20000) agglutinierte.

Alle drei Breslaustämme waren wallos, mäusefütterungspathogen und sternpositiv. Der Stamm Hase unterschied sich von den übrigen Breslaustämmen durch sein trockenes, faltiges Wachstum auf der Drigalski-Conradiplatte (s. Abb. 6). Dieses Wachstum auf der Dri-. galski-Conradiplatte wurde bei keinem der übrigen untersuchten Breslau- stämme beobachtet.

Die beiden Gärtner-,‚Mäusetyphus‘‘-Stämme waren serologisch in allen drei Serumgruppen zweifelsfrei gekennzeichnet. Beide waren Schleimwallbildner (s. Abb. 5), mäusefütterungspathogen und stern- negativ.

V. Paratyphusähnliche inagglutinable Stämme.

Die oben bereits mehrfach angeführten paratyphusähnlichen ,,in- agglutinablen‘ Bakterienstämme sollen einer kurzen Besprechung unter- zogen werden. Derartige Bakterien wurden vornehmlich beim Schwein. aber auch gelegentlich bei anderen Tiergattungen angetroffen. Wegen ihres blaudurchscheinenden Wachstums auf der Drigalskiplatte bzw. ihrer leicht. aufhellenden Fähigkeit auf der Gassnerplatte sowie ihres Verhaltens in der „bunten Reihe‘, die wie durch Paratyphusbakterien verändert wurde, und insbesondere ihrer Unfähigkeit, Gelatine zu verflüssigen, waren sie als Paratyphusbakterien angesprochen und somit zur Untersuchung gelangt.

Zu diesen Stämmen gehörten die bereits oben genannten 9 Stämme aus Kot von Schweinen, die gelegentlich von Kotuntersuchungen im Seruminstitut Eystrup isoliert worden waren. Ferner 4 aus Organen bzw. Darm kranker Ferkel, 2 aus Fohlen (s. Tab. II), 1 aus Pferde- fleisch und 1 aus der Milz eines Affen isolierte Stämme. |

Alle diese Stämme fielen durch ein gemeinsames Kulturelles Merk- mal auf: sie besaßen in der Einzelkolonie nach 24stündigem Zimmer-

262* 11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925.

Tabelle Paratyphusstämme

Agglutination mit gekauften Agglutination mit selbst-

N Sera hergestellten univalenten Sera 6400' 3000| 2000 | 3200 | 3000! 6400 | 8000! 5000 | 20 000, 15 000! 10 000 T.|A.| B. | Br we: B | Br. | S. G. Ab. Hasenparatyphus Milz, Hase 66 | | | 10 000! 20 000 2000 | 20000 2000 „Mäusetyphus“- Hygien. Institu | | annover | 2% -- 20000 Bakteriol. Insti- tut Halle a. S.| = i = | [20000 : 20000 Institut R. Koch, | Stamm Ellinger|ı 1000, 5000 | | | 5000 = 1000 InstitutR.Koch| | | | | | | Stamm Löffler| | 2000 5000) 500, | | 2000, 500 500

Erklärung der Abkürzungen wie in Tabelle L.

aufenthalt bei mikroskopischer Betrachtung eine hirnwindungähnliche Zeichnung der Randzone der vom Zentrum nach der Peripherie sich

Aufsicht

Mikro-Durehsicht.

allmählich aufhellenden Kolonie. Makro- skopisch unterschied sich die Kolonie im auffallenden Lichte kaum von einer Breslau- kolonie, sie war schleimwallos. In der Durch- sicht war bei scharfer Beobachtung eine feine Körnelung der durchsichtigen Rand- zone zu erkennen. Trotzdem einige dieser Stämme keine Reinkulturen darstellten, be- saßen sie mit den reingezüchteten, gleich- artigen Stämmen das gleiche Kulturmerk- mal (s. Abb. 8).

Im mikroskopischen Ausstrichprä- parat wurden gramnegative, schwach be-

Hirnwindungenähnliche Zeichnung des Kolonierandes. Abb. 8. Paratvphusähnliche Stämme. ..Inagglutinable* Stämme.

11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925. *263

IV. aus Nagetieren.

= ee a = —— nn ee A Á ee es e

Agglutination mit Bitterschen Sera

W tt bildung u a bouillon

all- „Mäuse- | Sam. versuc | |

20000 | 20000 | : 20 000 20 000 B. | Br l

(frisch isoliert): | 5000 | 20000 : 2000 | | | } | + 2. Tag

Laboratoriumsstämme : te Te FR FE + Ton , | | %0%0| +++ t i wi hr 20000 | 1000 | = t 2. Tag 1000 u 1000 + | 3. Tag

wegliche Kurzstäbchen und bei allen Stämmen vereinzelt oder zahl- reicher kürzere oder längere Bakterienfäden festgestellt. Rohrzucker- bouillon wurde von 2 Stämmen vergärt, Barsikow-Rohrzucker von allen Stämmen unverändert gelassen. Alle Stämme, die auch das oben beschriebene Kulturmerkmal zeigten, wurden durch die verwendeten Paratyphussera nicht agglutiniert. Ein mit einem Kotstamm hergestelltes Schafantiserum agglutinierte von den oben genannten 17 Stämmen nur 4 und zwar 3 Stämme in einer Verdünnung von 200—1000 und den zur Immunisierung des Schafes benutzten. homologen Stamm bis 10000.

Im Mäusefütterungsversuch verendeten von den mit den 17 Stämmen gefütterten Mäusen nur 3 Mäuse und zwar eine Maus (Stamm Kot 839) nach 7 Tagen und 2 Mäuse nach 4—6 Wochen (Stamm Galle 789 und Stamm Hölting 420). Aus dem Herzblut der nach 7 Tagen verendeten Maus wurde 1 Stamm isoliert, der Schleimwälle bildete, im Kolonie- tvpus also völlig von dem verfütterten Stamm abwich. Bei der Ag- glutinationsprüfung des aus dem Herzblut der Maus gewonnenen Stammes durch die von Bitter erhaltenen Sera agglutinierte er mit Paratyphus B-Serum bis 5000, nicht dagegen mit Suipestifer, Breslau- und Gärtnerserum. Kulturen aus dem Herzblut der beiden nach 6 Wochen verendeten Mäuse blieben steril.

Von 9 Mäusen, denen eine Aufschwemmung je einer Oese Kultur der 9 Kotstämme subkutan injiziert wurde, verendeten 3 Mäuse, und zwar 24 Stunden bzw. 3 bzw. 13 Tage nach der Einspritzung. Aus dem Herzblut der Maus, die 24 Stunden nach der Einspritzung verendet war, wurden Keime isoliert, die in der Einzelkolonie wieder die hirnwindungenähnliche Zeichnung der Randzone zeigten und bei der Agglutinationsprüfung mit keinem Serum agglutinierten.

Aus dem Herzblut der beiden Mäuse, die 3 bzw. 13 Tage nach der Einspritzung verendeten, wurden Bakterienstämme gezüchtet, die in Einzelkolonien Schleimwälle bildeten und bei der Agglutination mit Bitterschen Sera mit Paratyphus B-Serum bis 000 agglutinierten.

264* 11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925.

Es ergibt sich also, daß es sich trotz des gemeinsamen Kolonie- typus nicht um einheitliche Bakterienstämme handelt. Inwieweit unter den „inagglutinablen‘“ Bakterienstämmen eine Aufteilung möglich ist bleibt weiteren Untersuchungen vorbehalten.

Schlußbetrachtung.

Die vorstehenden Untersuchungen, die noch in größerem Umfanzr fortgesetzt: werden sollen, haben in Uebereinstimmung mit der Kieler Schule und den Arbeiten von Sternberg, Lütje, Beck und Huck Manninger, Frenkel u. a. ergeben, daB es schon jetzt gelingt. scharf zwischen einzelnen Typen in der Paratyphus-Enteritisgruppe. insbesondere auch zwischen dem Bact. paratyphi B (Schottmüller) und dem Bact. enteritidis breslaviense zu unterscheiden. Für die Versuche sind frisch aus dem Körper gezüchtete Kulturen zu verwenden. Zur Unterscheidung werden unter sinngemäber Abwägung der bei den cein- zelnen Prüfungsmethoden erzielten Resultate mit Erfolg benutzt die kulturelle Prüfung (Wallbildungsvermögen usw.), der Mäusefütterungs- versuch und die Agglutinationsmethode. Voraussetzung ist hierbei die Verwendung hochwertiger Sera.

Vorträge zum Thema „Paratyphus“. 1. Walter Seiffert (Freiburg):

Rezeptorenanalyse des B. paratyphi B (Schottmüller).

I. Die theoretischen, methodischen und praktischen Grundlagen der Typendifferenzierung.

Mit 3 Abbildungen im Text.

Die Untersuchungen über den Rezeptorenbau des B. paratypli B. die ich auf Veranlassung Herrn Geheimrat Uhlenhuths in Angriff nahm, sollten zur Klärung der Frage beitragen, ob und wie weit inner- halb der Paratvphusgruppe eine Einteilung nach serologischen Be- sonderheiten möglich ist. Daß die Paratvphusbazillen über einen recht komplizierten Rezeptorenbau verfügen, haben bereits Weil und Felix u. a. in eingehender Analyse dargelegt. Desgleichen wissen wir seit geraumer Zeit, daß dieser komplizierte Bau bei den verschiedenen Angehörigen der Paratyphusgruppe erhebliche Abweichungen aufweist. Es fragte sich nun, ob diese Abweichungen regelmäßig und klar genuz auftraten, um eine differenzierende Einteilung zu gestatten.

Jede Einteilung hat scharf gezeichnete Richtlinien für die Bewertung der er- hobenen Befunde zur Voraussetzung. Für die grundsätzliche Bewertung handelt es sich zunächst darum, ob die gefundenen Differenzen besondere Artmerkınale darstellen und die Aufteilung in verschiedene, bei aller Verwandtschaft für sich ge- trennte Familien ermöglichen, oder ob wir sie lediglich als Variatious- erscheinungen zu deuten haben, die prinzipiell zum Rückschlag in die Ausgangs- form befähigt sind. Sollten solehe Variationserscheinungen im Spiele sein, so mülsten weitere Untersuchungen im Hinblick auf etwaige praktische Konsequenzen der Frage

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näher treten, ob eine Dauermodifikation vorliegt, deren (allerdings nicht unbedingte) Beständigkeit immerhin das Geprüge eines besonderen Typus tragen könnte, oder nur eine der so häufigen Eintagsvarianten.

Dieser zunächst rein theoretischen Bewertung passen sich die Ergebnisse der serologischen Methodik in glücklicher Weise an. Bekanntlich zerfällt die nach ihren kulturellen Besonderheiten zusammengefaßte Gruppe der Paratyphusbazillen in mehrere selbständige serologische Untergruppen: B. paratyphi A, b. enteritidis Gärtner und B. paratyphi B. Diese Untergruppen zeichnen sich da- durch aus, daß jede von ihnen trotz aller verwandtschaftlichen Gemeinsamkeiten über besondere, für sie spezifische Rezeptoren verfügt, die allen anderen Untergruppen fehlen; dieser Besitz des be- sonderu Rezeptors ist das Wesentliche, nicht etwa das Fehlen irgendeines Rezeptors. Im Absättigungsversuch ist es z. B. für die Beziehungen des B. paratyphi B zum B. enteritidis Gärtner charakteristisch, daß Paratyphus B-Bazillen niemals ein Gärtnerserum und in genau der gleichen Weise Gärtnerbazillen niemals ein Para- typhus B-Serum erschöpfen können. Diese Untergruppen sind also serologisch einander gleichwertig; auf den gemeinsamen Nenner einer Ausgangsform, die sämtliche Re- zeptoren in sich vereinigt und die einzelnen Glieder immer wieder als rückschlagende Varianten in sich aufnimmt, lassen sie sich nicht bringen.

Damit ergibt anderuteils die Ableitung von einer übergeordneten Ausgangsform und der mögliche Rückschlag in diese zwanglos das Charakteristikum der Modifikation. Das bekannteste Beispiel für eine derartige Modifikation in serologischer Hinsicht bietet der B. proteus 19: Seine ausschwärmende H-Form besitzt zwei Rezeptoren, einen grob und einen fein flock- baren; die hauchlose O-Form nur den fein flockbaren. Demgemäß sättigt die H-Form das Immunserum der O-Form restlos ab, die O-Form dagegen läßt beim Castellanischen Versuch in dem Immunserum der H-Form die grobflockenden Agglutinine zurück. Die O-Form ist also eine Verlustvariante der H-Form; daß sie auch nach jahrelangem hauchlosem Wachstum wieder in die H-Form zurück- schlagen kann, habe ich früher beschrieben (Zeitschr. f. Immunitätsf. 1920).

Um schließlich auch die praktische Berechtigung dieser Einteilung in selbständige Sondergruppen und rückschlagende Varianten zu streifen, so leuchtet es wohl ohne weiteres ein, daß die Sicherheit, die die Feststellung einer unwandelbaren Sondergruppe sowohl der ärztlichen Diagnose wie der epidemiologischen Seuchen- bekämpfuug bietet, eine ganz andere Bedeutung besitzt als die vorsichtige Reserve, die man sich bei jeder praktischen Folgerung aus dem Nachweis unbeständiger Varianten auferlegen muß.

Nach zwei Seiten hin galt es demnach Erhebungen anzustellen: einmal darüber, welche Bakterien innerhalb der Paratyphusgruppe (außer den eingangs genannten) durch einen oder mehrere Sonder- rezeptoren ausgezeichnet waren und damit der Forderung eines eigenen Artmerkmals genügten; des weiteren mußte jede nach diesem Grund- satz aufgestellte Sondergruppe auf jene ihr untergeordneten Modi- fikationen geprüft werden, die sich lediglich in dem Verlust eines oder mehrerer Rezeptoren dokumentierten; in diesem Falle hieß es, das tatsächliche Vorliegen einer bloßen Modifikation durch den Nachweis eines Rückschlags in die Grundform der Sondergruppe (also in die Form mit den meisten Rezeptoren) zu erhärten. Ueber den Besitz eines Rezeptors konnte natürlich nicht der bloße Absättigungsversuch, sondern nur die Antikörperbildung im Kaninchen entscheiden.

II. Die Versuchsanordnung.

Der Absättigungsversuch nach Castellani, auf dem sich die Rezeptorenanalyse aufbaut, ist in der Technik außerordentlich einfach:

Eine gut bewachsene, bakterienbespatelte Agarplatte wird mit physiologischer NaCl-Lösung abgeschwemmt; die Bakterien werden (nach Manteufel und Beger)

auszentrifugiert, die überstehende Flüssigkeit abgegossen und durch 5 cem des zu prüfenden Immunserums (in der Verdünnung 1: 100) ersetzt, das Ganze kräftig durch-

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geschüttelt und 2 Stunden im Brutschrank, die übrige Zeit bei Zimmertemperatur gehalten (Phase der + rue Nach 18—24 Stunden werden die Bakterien aus- zentrifugiert, das überstehende Serum wird auf seinen Gehalt an Agglutininen ausge- wertet und 2 Stunden im Brutschrank und 18—24 Stunden bei Zimmertemperatur belassen (Phase der Nachagglutination); die Ablesung erfolgt im Agglutinoskop.

Die Schwierigkeiten beginnen erst mit der Bewertung der er- haltenen Ergebnisse, denn diese Ergebnisse sind nicht einheitlich zu beurteilen, sondern als ein Produkt aus mannigfachen Faktoren. Diese Mannigfaltigkeit umschließt das eigentliche Problem der Rezeptoren- analyse. Differenzen in dem spezifischen Aufbau selbst dürfen erst dann in Erwägung gezogen werden, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschaltet worden sind.

Im Anschluß an die Arbeiten von Manteufel und Beger, die gerade durch die gewissenhafte Mitteilung aller Unstimmigkeiten für das Studium der Re- zeptorenanalyse so lehrreich sind, habe ich lange Zeit hindurch immer wieder die- selben Absättigungsversuche vorgenommen, lediglich zu dem Zweck, all jenen Faktoren. die auf den Castellanischen Versuch von Einfluß sind, und damit seinen Fehler- quellen auf die Spur zu kommen (Klin. Wochenschr. 1924; vgl. auch Yu, Ztschr. f. Immunitätsf. 1924).

Damit ein Bakterium einen Antikörper bindet, muß es nicht nur auf denselben spezifisch abgestimmt, sondern zunächst einmal in seiner kapillarchemischen Be- schaffenheit (Oberflächenspannung u. dgl.) überhaupt zu einer Bindung befähigt sein. Als häufigste Fehlerquelle fand ich nun Abweichungen in diesem bakteriellen Bindungsvermögen: Wir sehen Bakterium und Immunserum in ihrer Spezi- fizität einander völlig entsprechen, und doch bleibt wahrscheinlich auf Grund einer Veränderung in der Oberflächenspannung u. dgl. die wechselseitige Bindung ganz oder teilweise aus. Dieses Ausbleiben der Bindung kann sich auf sämtliche Rezeptoren erstrecken, eg braucht aber auch nur eine ganz bestimmte Rezeptorenart zu betreffen. Ich darf hier vielleicht an die von mir beschriebenen Mäusetyphusbazillen erinnern. deren Varianten zwar im Tier zwei Rezeptoren bildeten, aber nur einen von ihnen zu binden vermochten; ähnliche Befunde lassen sich gelegentlich auch bei hauchl«s wachsendem Proteus erheben. Die in der kapillar-chemischen Beschaffenheit der Bakterien begründeten Hemmungen der Bindung, die ja den spezifischen Aufbau des Rezeptorenapparates nicht im mindesten berühren, lassen sich für gewöhnlich leicht an ihrer Unbeständigkeit erkennen; von seltenen Ausnahmen abgesehen (z. B. bei Yu l. c.), halten sie nur wenige Tage an; im übrigen können auch dauernd latente Rezeptoren ohne Schwierigkeit an Hand der im Kaninchen erzeugten Antikörper nach- gewiesen werden.

Die zweite Fehlerquelle liegt in der Variabilität der Rezeptoren selbst. Das plötzliche Auftauchen eines neuen oder das völlige Verschwinden eines bisher vorhanden gewesenen Rezeptors ist freilich außerordentlich selten; jeder derartige Fall muß auf das genaueste verfolgt und einwandfrei analysiert werden. Um so häufiger sind rein quantitative Verschiebungen. Sie betreffen insbesondere die über- greifeuden Rezeptoren sowie Bakterien mit einem komplizierten Rezeptorenapparat. Ein Stamm B. paratvphi B, der heute von einem Gärtnerserum nur be zur Ver- dünnung 1:200 schwach ausgeflockt wird, kann in der nächsten Woche von dem- selben Serum bis zur Titergrenze ausgefüllt werden. Dementsprechend variiert bis- weilen auch die Antikörpererzeugung: Ein und derselbe B. paratyphi B liefert uns heute ein Serum, welches Gärtnerbazillen kaum agglutiniert, das nächste Mal erhalten wir ein Immunserum mit ebenso viel Gärtner- wie Paratyphus B-Agglutininen. Der- artige bloße Verstärkungen können leicht als neue Rezeptoren imponieren. In diesem Zusammenhang wäre auch das serumspendende Tier insofern unter den Fehlerquellen zu erwähnen, als das eine auf spärlich vorhandene Rezeptoren nur mit minimaler, das andere, empfindlichere, mit reichlicher a opel au reagiert. Immer wieder trifft mau Tiere, die sich zur Serumgewiunung überhaupt nicht eignen. Recht unliebsam macht sich auch eine andere Tatsache bemerkbar, über die sich schon Keck beklagt hat: Zahlreiche Paratyphus B-Sera (in unseren Versuchen über 30 Proz. N werden mit einem Titer von 1:10000, ja 1:40000 abgenommen, doch schon nach kurzer Zeit sinkt der Titer trotz sachgemäßer Aufbewahrung auf 1:800 und weniger (bei uns in drei Fällen sogar unter 1:100). Wahrscheinlich handelt es sich auch hier um kapillarchemische Hemmungen der Bindung in dem „gealterten“ Serum, und zwar auch hierin können wir Keck bestätigen um reversible Hemmungen, da die Sera ihr Agglutinationsvermögen wieder gewinnen können.

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Aus alledem ergab sich die Aufgabe, Tag für Tag bei jedem einzelnen Versuch jeden Rezeptor der verwendeten Bak- terien auf etwaige Variabilitätserscheinungen zu kon- trollieren. Der gleichen Kontrolle bedurften die einzelnen Aggluti- nine unserer Sera. Zu diesem Zwecke wurde folgende Anordnung ausgearbeitet, gleichviel ob es sich um die Analyse eines Serums oder eines Stammes handelte:

Kontrollen zum Castellanischen Versuch:

A. Kontrolle der Absättigung.

1. Bei jedem einzelnen Versuch werden (neben dem zu analysicren- den Serum) gleichzeitig sämtliche bisher analysierten Serumtypen abgesättigt.

2. Die Absättigung eines jeden Serums erfolgt (neben dem zu ana- lysierenden Stamm) durch jeden einzelnen bisher analysier- ten Bakterientyp, und zwar empfiehlt es sich, von jedem Bak- terientyp stets zwei mehrfach geprüfte Vertreter heranzuziehen.

B. Kontrolle der Nachagglutination.

1. Bei der Nachagglutination sind bei jedem Serum zu verwenden:

a) sämtliche Stämme, mit denen die abgesättigten Sera hergestellt worden sind;

b) sämtliche zur Absättigung benutzten Stämme.

2. Jedes verwendete Serum muß stets mit allen diesen Stämmen in unabgesättigter Kontrolle ausagglutiniert werden.

Wenn jede Rezeptorenanalyse von diesen gleichzeitigen Kontrollen begleitet wird, dann ist es tatsächlich möglich, jeder Variabilitäts- erscheinung auf die Spur zu kommen. Eine Erfahrung, die an über 1000 nach diesem Prinzip durchgeführten Absättigungsversuchen ge- sammelt wurde. erlaubt es uns. den Grundsatz aufzustellen: Jeder. auch der überraschendste Absättigungsversuch läßt sich analysieren und muß analysiert werden. Ergebnisse, die man kurzweg unter den Tisch fallen lassen darf, weil sie „nicht stimmen‘, gibt es nicht. Bei unbestimmten Begriffen wie Uebergangsformen u. dgl. darf man sich nicht beruhigen; auch die Bezeichnung Uebergangsform ist ein Werturteil, das durch sorg- fältige Klärung des den Uebergang charakterisierenden Rezeptors be- gründet werden muß; ein Durcheinander ist kein Uebergang.

Es war mir eine besondere Freude, wie schnell meine Mitarbeiter die Berechtigung dieser auf den ersten Blick so pedantisch erscheinenden Forderungen einsahen. Immer wieder kam es vor, daß der gleiche Versuch heute anders ausfiel als gestern, und immer wieder erkannte man sofort an Hand der Kontrollen, woran es lag. Es ist ohne weiteres zuzugeben, daß diese Kontrollen eine gewaltige Belastung bedeuten; ohne die Großzügigkeit, mit der mir Herr Geh.-Rat Uhlenhuth alle erforderlichen Hilfs- kräfte und Hilfsmittel zur Verfügung stellte, wäre ihre Durchführung unmöglich ge- wesen; fast jeder einzige Versuch nimmt einen Umfang an, der die Arbeitskraft eines einzelnen übersteigt. Das ist aber kein Grund, gerade bei der diffizilen Rezeptorenanalyse auf jene Gewissenhaftigkeit zu verzichten, mit der der Serologe doch sonst bei jeder Präzipitation, jeder Kom-

lementbindug usw. tagtäglich Antigen und Antikörper kontrol- iert.

Ueberdies versteht sich bei der großen Bedeutung der Variabilität für den Castellanischen Versuch die Einbeziehung eines möglichst umfangreichen Ver- suchsmaterials und insbesondere die immer wiederholende Nachprüfung

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der durchgeführten Versuche von selbst; Tippversuche mit einem halben Dutzend Seris sind keine Grundlage für die Einteilung großer Bakteriengruppen.

Vielleicht wäre gelegentlich neben dem einfachen Castellanischen Versuch auch eine sukzessive Absättigung ein und derselben Serummenge mit ver- schiedenen Bakterientypen oder die sogenannte Umkehrung des Castellani- schen Versuchs in Betracht gekommen, bei der anstatt des Serums die Bakterien abgesättigt und auf ihre weitere Bindungsfähigkeit ausgewertet werden. Ich hatie mich vor einiger Zeit auch mit diesen Methoden beschäftigt; es erwies sich jedoch rein äußerlich als ein Ding der Unmöglichkeit, die erforderlichen Kontrollen durchzuführen. 2 so habe ich deun von vornherein auf diese Verfahren als undurchführbar ver- zichtet.

Ein Hindernis anderer Art, das umgangen werden mußte, drohte in der leichten Möglichkeit einer Autosuggestion; man sieht zu oft, was man zu sehen wünscht. Um diese Gefahr zu vermeiden, erhielt auf der einen Seite keiner der Herren, die die Versuche ausführten, irgendwelche Angaben über den Stamm, mit dem er gerade arbeitete; auf der anderen Seite hatte ich bei der Beurteilung der Ergebnisse (um eine einheitliche Bewertung zu sichern. habe ich sämtliche Befunde selbst auf- enommen und die Protokolle diktiert) keinerlei Kenntnis von den einzelnen Röhrchen, die mir vorgelegt wurden. Dieses Prinzip stellte an die Arbeitsfreudigkeit meiner Mitarbeiter außerordentliche Ansprüche, und so darf ich wohl die Gelegenheit benutzen, um Herrn Dr. Nuck, sowie den Herren aus Japan, Oikawa. Tex, Shiiba und Shibata, für ihre unermüdliche Unterstützung auch an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank auszusprechen.

III. Die Versuchsergebnisse. a) Die orientierende Agglutination (Versuche von Dr. Nuck..

So dringend auch, um das gleich vorweg zu nehmen, nach unsem Versuchsergebnissen davor gewarnt werden muß, aus dem Verhalten der Bakterien bei der einfachen Agglutination endgültige Schlüsse zu ziehen, so gestattet doch die aufmerksame Beobachtung manchen orientierenden Einblick in die Beschaffenheit der vorliegenden Mikroorganismen. Ueber jene Zuverlässigkeit, die für jede praktische Folgerung Voraussetzung ist, verfügt eine solche Orientierung selbst- verständlich nicht; sie kann aber dann wertvolle Dienste leisten, wenn es gilt, aus einem großen Material für bestimmte Versuchszwecke besonders typische oder atypische Vertreter herauszusuchen.

Bei der Beurteilung einer Agglutination muß dreierlei beachtet werden: 1) die jeweilige Verdünnungsgrenze, bis zu der das Serun die vorliegenden Keime agglutiniert; 2) die klare oder trübe Beschaffenheit der Flüssigkeit, in der die Agglutination erfolgt; 3) das ‚Flockungsbild, unter dem sich die agglutinierten Bakterien präsentieren. Selbstverständlich lassen sich derart diffizile Feststellungen nur be einer vorschriftsmäßigen Abblendung des Agglutinoskops erheben.

1) Unleugbar ist der Titer der Serumkonzentration, in der eine Agglutination gerade noch statthat, nicht nur von dem Antikörpergehalt des Serums, sondern auch von der Beschaffenheit der Bakterien abhängig. Jeder Stamm, der in seiner Agglutinabilität deut- lich hinter dem Eigenstamm des verwendeten Serums zurückbleibt. muß unsere Aufmerksamkeit erregen; denn Differenzen im Rezeptoren- bau können die Ursache sein. So wurde denn auch ein beträchtlicher Teil unserer Fleischvergifter (ca. 30 Proz.) von dem Serum eines echten Paratyphus B-Erregers nicht bis zur Titergrenze ausgeflockt (vgl. Trautmann, Bitter u. a.); dagegen wurden die Erreger des typhösen Paratyphus B von unseren Fleischvergifterseris für gewöhn- lich bis zum Endtiter agglutiniert; daraus konnte man, natürlich nur mit aller Reserve, vermuten, daß der Erreger des typhösen Paratyphus B

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mit jenen Fleischvergiftern zwar einen Rezeptor gemeinsam hatte, daß jedoch dieser Rezeptor bei ihm nicht so kräftig ausgebildet war wie die übrigen und demzufolge bei der Antikörperbildung hinter den anderen zurücktrat. Ebensogut können aber auch kapillar-che- mische, also unspezifische, Besonderheiten die Agglutinabilität der Keime herabsetzen ; das beste Beispiel dafür sind jene Stämme, die nicht ein- mal von ihrem Eigenserum bis zum Endtiter agglutiniert werden (vgl. auch Yu, l. c.) Mangelhafte Agglutinabilität kann also immer nur auf die Notwendigkeit des Absättigungsversuches hinweisen mehr bedeutet sie Kaum. Gute Agglutinabilität will für die Rezeptoren- analyse überhaupt nichts besagen; es gibt Paratyphus B-Sera (wir hatten deren 4), die jeden Gärtner- oder Pestiferstamm bis zum End- titer ausflocken, ebenso wie es gar nicht so selten Gärtner- und Pestifer- stämme gibt, die von jedem Paratyphus B-Serum gut agglutiniert werden. Voreiner Gruppeneinteilung auf Grund derbloßen Agglu- tination kann nur immer wieder eindringlich gewarnt werden.

2) Bei der Beurteilung der Serumverdünnung, in der die Bakterien suspendiert waren, fiel sofort ein erheblicher Unterschied zwischen sämtlichen Paratyphus B-Bazillen einerseits und den Paratyphus A-, Gärtner- und Schweinepeststämmen andererseits in die Augen: In unseren Paratyphus B-Seris wurden, gleichviel ob die Sera mit einem Erreger des typhösen Krankheitsbildes oder einem Fleischvergifter hergestellt worden waren, sämtliche Paratyphus B- Stämme, einschließlich der Fleischvergifter, unter völliger Klärung der Flüssigkeit, die übrigen dagegen unter deutlicher Trübung zusammen- geballt, auch wenn die Mitagglutination bis zum Endtiter des Serums reichte. Während die Fleischvergifter also ihre Zugehörig- keit zu der Gruppe des B. paratyphi B dokumentierten, sonderten sich die Pestiferbazillen in der gleichen Weise ab, wie der B. paratyphi A und die Gärtnerbazillen. Aller- dings gab es auch hier wieder Ausnahmen: Sowohl vereinzelte Gärtner- wie vereinzelte Schweinepeststämme wurden von gewissen Paratyphus B- Seris klar geflockt; es will also nur die trübe Flockung etwas besagen. Aber auch sie hat das sei ausdrücklich betont nur eine orien- tierende und keine entscheidende Bedeutung, insbesondere, da sie eine geübte Beobachtung voraussetzt; künstliches Licht ermöglicht eine von der Tageshelle unabhängige Beurteilung.

3) Das Flockungsbild, unter dem sich die agglutinierten Bak- terien zusammenballen, läßt, wie bekannt, zunächst eine Trennungin grobe und feine Flocken zu. Bereits Stromberg hat darauf aufmerksam gemacht, daß von ein und demselben Serum der Erreger des typhusähnlichen Paratyphus grob, die Fleischvergifter dagegen fein geflockt werden; praktische Folgerungen zog er aus dieser Beobachtung nicht, und das durchaus mit Recht. Ganz abgesehen von jenen Fällen (ca. 10 Proz.), in denen die Entscheidung, ob grob oder fein, tatsächlich unmöglich war, wurde in unseren Untersuchungen zwar der Erreger des typhoiden Paratyphus von seinem Eigenserum stets grob geflockt, dasselbe Serum ballte auch einen großen Teil der Fleischvergifter zu feinen Flocken zusammen, es haben sich auch fein geflockte Bakterien stets als Fleischvergifter erwiesen aber: keineswegs schloß grobe Flockung a priori das Vorliegen eines Fleischvergifters aus, vielmehr waren mindestens 100/,

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aller grob geflockten Bakterien einwandfreie Vertreter der Fleisch- vergiftertypen. Diese Unsicherheit der Beurteilung beruht anscheinend darauf, daß das Flockungsbild nicht bloß von der feinen oder groben Flockbarkeit der vorliegenden Rezeptoren abhängt, sondern daß es in weiten Grenzen von quantitativen Verhältnissen geregelt wird. Es ge- schieht irrtümlich, wenn wir den Paratyphusbazillen nur zwei Rezep- toren, einen grob- und einen feinflockbaren, beilegen; die feinflockbaren sind häufig in größerer Anzahl vertreten, und wenn das vorliegende Immunserum für sie alle geeignete Agglutinine besiizt, so führt ‘dieser Reichtum an feinflockbaren Rezeptoren doch zum Bilde der groben Verklumpung; es fiel uns z. B. auf, daß gerade die grobflock- baren Fleischvergifter außer den für sie typischen Rezeptoren noch einen weiteren feinflockbaren besaßen, der auf Gärtnerserum übergriff. Die Bedeutung der quantitativen Bedingungen erhellt am klarsten daraus, daß auch grobflockbare Bakterien von hochverdünntem Serum fein, feinflockbare dagegen in den stärkeren Konzentrationen grob agglutiniert werden; für die Beurteilung des Flockungsbildes sind überhaupt nur bestimmte mittlere Serumverdünnungen brauchbar, die sich nach dem Serumtiter richten; ferner bleibt jede grobe Flockung aus, wenn die Bakterien nur in spärlichen Mengen vorhanden sind (Versuche von Djemil). Schließlich darf auch die kapillar-che- mische Bedingtheit des Flockungsbildes nicht vergessen werden; bei unseren Bakterien variierte der Charakter der Flockbarkeit häufig ohne jede nachweisbare Aenderung am Rezeptorenapparat. Für die Rezeptorenanalyse selbst hat das Flockungsbild ein ziemlich geringes Interesse, da die Zweiteilung in Grob und Fein der Mannigfaltigkeit der Rezeptoren nicht ge- recht wird. Neben den Differenzen in der Flockengröße fanden sich noch Unterschiede in der Dichtigkeit der Flocken, nament- lich, wenn man die Agglutination durch partiell abgesättigte Sera mit den Befunden in unabgesättigten Seris verglich; die abnehmende Dich- tigkeit macht sich durch ein Verblassen des ursprünglichen kräftigen geflockten Weiß zu einem immer schwerer erkennbaren bläulichen Grau bemerkbar. Eine praktische Bedeutung kommt auch diesem Phänomen nicht zu, wie überhaupt das Flockungsbild in der modernen Rezeptoren- analyse eine viel zu große Rolle spielt.

Das Gleiche gilt wohl von der Hitzebeständigkeit der Re- zeptoren. Auch hier handelt es sich lediglich um eine Doppel- gruppierung (thermolabil und thermostabil), die den Re- zeptorenreichtum der Bakterien nicht trifft. Wir haben daher bei unseren Untersuchungen an Paratyphusbazillen von diesem Verfahren als einer unnötigen Belastung von vornherein Abstand ge- nommen und es auch niemals entbehrt; für die Rezeptorenanalyse gibt es eben nur eine einzige zuverlässige Methode, das ist der kontrol- lierte Castellanische Versuch.

b) Die Serumbouillonkultur. (Versuche von Shiiba.)

Im Anschluß an jene Untersuchungen, in denen Akira Shiga in unserem Institut die Züchtung in Immunserum zur Differenzierung der Spirochaeta icterogenes von der Spirochaeta pseudoicterogenes be- nutzt hatte (Ztschr. f. Imm.-Forsch. 1924), wurde auf Veranlassung von Herrn Geh. Rat Uhlenhuth die Serumbouillonkultur,

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d. h. die Bakterienzüchtung in einer mit 1 Proz. Immunserum versetzten Nährbouillon, zur Differenzierung der verschiedenen Angehörigen der Paratyphusgruppe herangezogen. Die Beurteilung ging dahin, ob die ein- geimpften Bakterien nach 24stünd. Brutschrankaufenthalt (gleichviel ob mit, ob ohne Bodensatz) die Bouillon getrübt, oder ob sie sie infolge kompletter Agglutination unter Bodensatzwachstum klar gelassen hatten, Eine Störung durch Serumfestigkeit hat sich hierbei nicht bemerkbar gemacht. Dagegen war eine kontrollierende Bouillonkultur ohne Serum- zusatz erforderlich, weil verschiedene Stämme sich spontan am Boden des Röhrchens absetzten. Die Ergebnisse waren folgende:

In einer Bouillon, die 1 Proz. Immunserum gegen den Er- reger des typhoiden Paratyphus B enthielt, ließen sämtliche Paratyphus B-Bazillen einschließlich der Fleischvergifter die Nähr- flüssigkeit klar, während Paratyphus A-, Gärtner- und Schweinepest- bazillen in der gewöhnlichen trüben Suspension wuchsen. Dem ent- sprachen vice versa Züchtungen in Gegenwart von Gärtner- oder Schweinepestbazillenserum. Die Schweinepestbazillen ließen sich also auch hier deutlich von den Paratyphus B-Ba, zillen abgrenzen.

Fügte man der Nährbouillon Immunserum gegen einen Fleischvergifter hinzu, so führte auch hier die Beimpfung mit Schweinepest-, Gärtner- oder Paratyphus A-Bazillen stets zu dichter Trübung. Innerhalb der Paratyphus B-Gruppe traten jedoch je nach der Wahl des Serums Differenzen auf: in dem einen Fleischvergifterserum wuchsen nur ganz bestimmte Fleischvergifterstämme klar, während die übrigen Fleischvergifter und sämtliche aus typhoiden Fällen gezüchteten Paratyphus B-Bazillen infolge mangelhafter Agglutination die Flüssig- keit trübten, in dem anderen Serum dagegen wuchsen sämtliche An- gehörigen der Paratyphus B-Gruppe klar. Bewies also auf der einen Seite das gleichartige Verhalten in echtem Para- typhus B-Serum die prinzipielle Zusammengehörigkeit der Bazillen des Paratyphus B und der Fleischvergifter, so offenbarten sich doch bei der Verwendung von Fleisch- vergifterserum auch wieder Unterschiede, die wenigstens für einen Teil der Fleischvergifter den Gedanken an eine Rezeptorenarmut bzw. eineihrentsprechende mangel- hafte Antikörperbildung nahelegten.

c) Die Stellung des B. suipestifer. (Versuche von Shibata.)

Die Absättigungsversuche ergaben hinsichtlich des B. suipestifer die gleichen Resultate wie bei Manteufel und Beger: Das Para- typhus B-Serum behält, abgesättigt mit dem B. suipestifer, sämtliche für die Paratyphus B-Gruppe charakteristischen Agglutinine, das Pesti- ferserum, abgesättigt mit irgendwelchen Paratyphus B-Bazillen, sämt- liche Pestiferagglutinine. An eine Sonderstellung der Schweine- pestbazillen gegenüber dem B. paratyphi B ist wohl nicht .zu zweifeln.

Des weiteren konnten auch wir, ähnlich wie Uhlenhuth und seine Mitarbeiter sowie Manteufel und Beger, die Feststellung erheben, daß durchaus nicht alle aus schweinepestkranken Tieren heraus- gezüchteten Paratyphusbazillen Pestiferbazillen sind; auch wir fanden mehrere Male Gärtner- und echte Paratyphus B-Bazillen darunter.

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Außerdem vermochten wir noch eine weitere, anscheinend einheitliche Gruppe herauszuschälen, die sich biologisch wie Paratyphus B verhält, aber nur von einem mit einem Vertreter dieser Gruppe hergestellten Immunserum agglutiniert wird (Typus Eystrup).

Die Pestiferbazillen im engeren Sinne verfügen ebenfalls über einen reichen variablen Rezeptorenapparat, dessen Analyse jedoch noch nicht abgeschlossen ist.

Die von uns unternommenen Untersuchungen über die Glässer-Vol- dagsen-Gruppe haben bisher zu keiner Stellungnahme führen Können, da sich die meisten der uns überlassenen Stämme als regelrechte Gärtner-, Paratyphus B- oder Pestiferbazillen erwiesen. Der Rest, insbesondere die uns zur Verfügung stehenden Paratyphus ß-Stämme, konnten bis- lang in keiner dieser Gruppen untergebracht werden. Weitere Unter- suchungen an einem größeren Material sind im Gange.

d) Die Rezeptorenanalyse des B. paratyphi B (Versuche von Oikawa und Shiiba).

Bereits die Ergebnisse der einfachen Agglutination sowie der Serum- bouillonkultur hatten die Vermutng nahegelegt, daß sich innerhalb der Gruppe der Paratyphus B-Bazillen zwischen dem Erreger des ty- phösen Krankheitsbildes und den Fleischvergiftern Unterschiede im Rezeptorenbau finden müßten. Dem entsprachen auch die Ergeb- nisse des kontrollierten Castellanischen Versuches. Es ließen sich folgende serologische Typen voneinander trennen:

1) Der Fleischvergiftertypus Breslau besitzt außer einigen insbesondere auf die Gärtner-Gruppe übergreifenden Rezeptoren einen für ihn charakteristischen (fein flockbaren) Rezeptor. Dieser Typ wurde zuerst bei 6 Breslaustämmen analysiert, die wir Herrn Professor Reiner Müller verdanken.

2) Der Fleischvergiftertypus-Freiburg besitzt auber den namentlich auf Gärtnerbazillen übergreifenden Nebenrezeptoren ein- mal den gleichen Rezeptor wie der Typus Breslau, außerdem aber noch einen zweiten eigenen (ebenfalls fein flockbaren) Sonderrezeptor. Dieser Typ wurde zuerst bei 4 Stämmen festgestellt, die aus einer Freiburger Fleischvergiftungsepidemie frisch herausgezüchtet worden waren.

3) Der Erreger des typhösen Krankheitsbildes, Typus Para- typhi B hominis besitzt außer den übergreifenden Nebenrezep- toren die beiden Fleischvergifterrezeptoren Breslau und Freiburg sowie einen dritten charakteristischen grobflockenden Sonderrezeptor.

Figur 1 sucht den Rezeptorenbau der einzelnen Typen und die Struktur der ihnen entsprechenden Immunsera, Figur 2 die Absättigungsversuche graphisch zu de- monstrieren. Daß die ausgreifenden Rezeptoren nur der Anschauung dienen sollen, versteht sich von selbst; in Wirklichkeit versinnbildlichen sie wohl nur die komplexe Zusammensetzung des Bakterienleibes aus verschiedenen Eiweißformen von dif- ferierendem Antigencharakter, ähnlich wie nach den Untersuchungen von Dale und Hartley, Doerr und Beger, Landsteiner u. a. jedes Serum auf Grund seiner Zusammensetzung aus verschiedenen Albuminen und Globulinen eine Vielheit unter sich differierender und doch artspezifischer Antigene enthält. Jedem Rezeptor entspricht eine solche Eiweißform (vgl. auch die Arbeiten von Braun über die Sonderstellung der Geißeln oder die von Kraus über die Sonderstellung des löslichen [präzipitierbaren] Bakterieneiweißes als Antigen; daß bakterielle Prä- zipitinogen von Kraus ist wohl der erste mit Sicherheit analysierte „Rezeptor“ ge- wesen). Ein solcher Aufbau des Bakterienleibes aus unterschiedlichen (wenn auch

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stets artspezifischen) Antigenen erklärt uns auch und zwar schon allein aus Gründen der quantitativen Verteilung jene Erscheinung, daß der eine „Rezeptor“ (z. B. der grobflockbare des Typus Paratyphi B hominis) die Antikörperbildung

Typus Paratyphi B

Typus Breslau Typus Freiburg Loin Ueber- Rez. Ju a Kéi |Veber- Rez. Rezep- | Bi Kreis! grei- Breslau | grei- Breslau toren- cona e ¢-- gi e Rez. | fende ... a Rez. ana- |Rezep- | | Rezep- Frei- Rezep- Freiburg lyse toren | toren burg | toren >p ge | arat. B. hominis | SE = ME Agglut. ai N Agglut. N a Breslau | | | Breslau 2 Uebergreifende Agglut. Re Agglut. Zl U 2 Agglut. | r 5 : )ET- "Ex ana- | Agglutinine Breslau Agglu- Freiburg CE areilande Freiburg lyse | tinine Agglu- Agglut. | tinine aaO]

B hominis Fig. 1. Typendifferenzierung des B. paratyphi B. kräftiger anregt als der andere (in unserm Beispiel kräftiger als die feinflockbaren

des genannten Typus): das betreffende Eiweiß ist eben in größerer Menge vorhanden. Auch sei hier an die häufige Beobachtung erinnert, daß ein Bakterium um so eher

er Abgesättigt mit Abgeskttigt mit Abgesättigt mit | . Immunserum Typus Breslau | Typus Freiburg Ty QU Ton B

S a

| Breslauserum E

Freiburgserum

A = Td

senpage EI

HAN

Fig. 2. Absättigungsversuche.

übergreifende Immunsera liefert, je reichlicher seine übergreifenden Rezeptoren aus- gebildet sind. (Auf die Rolle, die die Empfindlichkeit des serumspendenden Tieres spielt, ist in diesem Zusammenhang schon hingewiesen worden.)

Erste Abt. Orig. Bd. 97. Beiheft, 18

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Ein Teil des Bakterieneiweißes ist offenbar streng spezifisch auf den besonderen Typus und die besondere Gruppe eingestellt, einen anderen Teil haben die Keime mit verwandten Familien gemeinsam. Es ist charakteristisch, daß wir die auf andere Gruppen wie den B. Gärtner oder B. Suipestifer übergreifenden Rezeptoren bei sämtlichen Typen des B. paratyphi B vorfinden, daß sich also die Differenzierung lediglich zwischen den streng spezifischen Rezeptoren abspielt. Die gleichen Ver- hältnisse ergab die Analyse des B. Gärtner (Versuche von Tey), der zwei Typen unterscheiden ließ, die in ihrem Aufbau unseren Paratyphus B- Typen völlig analog gingen: der eine Typ hatte zwei charakteristische Rezeptoren, einen grob und einen feinflockbaren, der andere nur den fein- flockbaren!); beiden Typen gemeinsam waren die auf Paratyphussera übergreifenden Rezeptoren (Fig. 3). An diesen übergreifenden

Uebergreifende Uebergreifende Rezeptoren €% Rezeptoren © Typus I. Typus II.

Fig. 3. Die Typen des B. Gärtner.

Rezeptoren ist also eine Typendifferenzierung unmög- lich, und die Aufmerksamkeit, die für gewöhnlich gerade ihnen bei der Rezeptorenanalyse geschenkt wurde, mag manchen Fehlschlag bei Diffe- renzierungsversuchen erklären.

Nach alledem unterscheiden sich die Fleischvergifter von dem Erreger des echten Paratyphus B serologisch lediglich durch den Verlust, aber nicht durch den Sonder- besitz charakteristischer Rezeptoren. Die Differenz ist also nicht größer als zwischen der O- und H-Form des Proteus x 19oder den beiden eben erwähnten Gärtnermodi- fikationen. Diese Feststellung steht im Einklang mit unseren Be- funden bei der orientierenden Agglutination (s. Beurteilung der Serum- verdünnung selbst) und der Serumbouillonkultur, widerspricht aber der vorliegenden Literatur. Zwar herrscht über jene zuerst von Man- teufel und Beger mitgeteilte Tatsache, daß der Erreger des typhösen Paratyphus B über einen Rezeptor verfügt, der den Fleischvergiftern fehlt, volle Einmütigkeit; die meisten Autoren (Olitzky, Man- ninger, Schiff?) usw.) wollen jedoch in derselben Weise bei den "Fleischvergiftern einen Sonderrezeptor nachgewiesen haben, den der Erreger des Paratyphus B vermissen läßt. Damit würde dieser B. para- typhi B den Fleischvergiftern gegenüber serologisch dieselbe streng zu sondernde Gruppenstellung einnehmen wie z. B. gegenüber den Gärtner- bazillen, woran auch die konzedierten ,,Uebergangsformen‘ mit gemein- samen Rezeptoren wenig ändern.

1) Anm. bei der Korrektur: Dieser feinflockbare Rezeptor erwies sich bei weiteren Untersuchungen als identisch mit dem auf Typhusagglutinine übergreifenden Gürtner- rezeptor. Ein mit dem feinflockbaren Typus hergestelltes Gärtnerserum wurde also von Typhusbazillen völlig erschöpft.

2) Ein Urteil über die von Savage und White getroffene Typeneinteilung kann erst abgegeben werden, wenn die von uns kürzlich in Angriff genommene Über- prüfung der englischen Stämme abgeschlossen worden ist.

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Unsere eigenen Versuche erstreckten sich über 360 Stämme der Paratyphusgruppe (94 Stämme, herausgezüchtet bei typhösem Krank- heitsverlauf; 54 Fleischvergifter; 12 Stämme aus Wurst und Fleisch; 11 Bazillenträgerstämme; 11 Stämme aus Schweinen, Meerschweinchen und Mäusen; 44 Pestiferstämme; 103 Erreger von Tierseuchen: 31 Stämme unbekannter Aetiologie); an Seris verwendeten wir 11 Para- typhus B-Sera, hergestellt mit 5 Erregern des typhösen Krankheits- bildes, 13 Sera von 7 Fleischvergiftern, inkl. 6 Sera aus Stämmen tieri- scher Herkunft vom Fleischvergiftertypus, 6 Pestifer- und 6 Gärtnersera; außerdem 15 Sera von Varianten des Typus Freiburg und des Typus Paratyphi B hominis; dem kontrollierten Castellanischen Versuch wurden bisher 99 Paratyphus B- bzw. Fleischvergifterstämme unter- worfen, stets unter Benutzung der verschiedensten Sera, ein erheblicher Teil unter mehrfachen Wiederholungen: den in der Literatur be- schriebenen Sonderrezeptor der Fleischvergifter aus- findig zu machen, gelang uns nicht.

Dafür eruierten wir verschiedene Befunde, die ge- eignet sind, einen solchen Rezeptor vorzutäuschen. Schon die allerorts gemachte Erfahrung, daß ein Teil der eigentlichen Para- typhus B-Sera die Fleischvergifter nicht bis zum Endtiter agglutiniert, deutete darauf hin, daß die Fleischvergifterrezeptoren bei den Erregern des typhösen Krankheitsbildes zwar vorhanden, aber nicht in dem Maße ausgebildet sind, wie jener grobflockbare Rezeptor, der diese Keime vor den Fleischvergiftern auszeichnet (Fig. 1). Ebenso kann sich diese vernachlässigte Ausbildung der Fleischvergifterrezeptoren auch ım Ab- sättigungsverfahren bemerkbar machen. Auch uns fiel es wiederholt auf, dab gelegentlich ein B. paratyphi B im engeren Sinne ein Fleisch- vergifterserum nur unvollkommen oder gar nicht absättigte. Wieder- holten wir aber den Versuch mit demselben Stamm und demselben Serum, so wurden bald (bisweilen schon am nächsten Tage) vollkommene Ab- sättigungen erzielt. Wir haben nicht einen einzigen Para- typhus B-Stamm in den Händen gehabt, der konstant die Erschöpfung unserer Fleischvergiftersera verweigert hätte. Das gelegentliche Ausbleiben der Absättigung ging also wohl auf jene flüchtige, wahrscheinlich kapillar-chemisch, d.h. unspezifisch be- dingte und durch die mangelhafte Anlage des Rezeptors begünstigte Variationserscheinung im Bindungsvermögen zurück, auf die wir ein- gangs hingewiesen haben. Die mit diesen Stämmen hergestellten Immun- sera enthielten die Fleischvergifterrezeptoren stets. Eine andere Verwechslungsmöglichkeit bietet der auf den B. Gärtner übergreifende Rezeptor (Fig. 1). Bei den echten Paratvphus B-Stämmen ist auch er häufig nur in recht beschränktem Maße ausgebildet, während er bei einer Reihe von Fleischvergiftern bei der orientierenden Agglutination fast als Hauptrezeptor imponieren konnte. Sättigt man ein solches Fleischvergifterserum mit einem derartigen an Nebenrezeptoren armen Paratyphus B-Stamm ab. so bleibt das dem übergreifenden Rezeptor entsprechende Agglutinin zurück; es agglutiniert sowohl jene para- typhösen Fleischvergifter wie den Gärtnerbazillus. Achnlich steht es bei den auf Pestiferbazillen übergreifenden Rezeptoren. -- So möchten wir annehmen, daß der in der Literatur beschriebene Sonderrezeptor der Fleischvergifter durch ein Variationsphänomen vorgetäuscht worden ist.

Erwähnenswert ist schließlich noch eine Beobachtung, die bei kontrollierenden Versuchen mit Hühnerimmunserum gemacht.

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wurde (Oikawa): Mit Hühnerimmunserum ließ sich zwar der Fleisch- vergiftertyp Breslau von den beiden andern Typen (Fleischvergifter- typ Freiburg und Typus Paratyphi B hominis) differenzieren, dagegen nicht diese beiden Typen unter sich. Anscheinend ist das Huhn nicht in der Lage, für den grobflockenden Rezeptor des Typus Paratyphi B hominis Agglutinine zu bilden, so daß die von ihm gegen beide Typen gelieferten Immunsera identisch sind. Eine ähnliche Beobachtung has kürzlich Beger für Eselimmunsera mitgeteilt, die zur Differenzierung von Gärtner- und Typhusbazillen untauglich waren, ein deutlicher Hinweis auf jene Fehlerquellen, die im serumspendenden Tier ihren Ursprung nehmen.

ec) Varianten. (Versuche von Tey.)

Dem Phänom®& der Variation wurde eine um so größere Auf- merksamkeit geschenkt, als sich die Typen des B. paratyphi B in den vorstehenden Untersuchungen als Modifikationen erwiesen hatten und demgemäß eingehend auf ihre Beständigkeit geprüft werden mußten.

Ueber unsere Technik der Variantengewinnung ist zu- nächst zu bemerken, daß grundsätzlich jeder Stamm gleich nach seiner Einlieferung zu Einzelkolonien isoliert und von einer Einzelkolonie aus weiter gezüchtet wurde. Vor jedem Variationsversuch wurde erneut von einer Einzelkolonie ausgegangen. Erst von dieser Kultur aus wurden die Varianten gewonnen, zum Teil mit Hilfe des Zusatzes d’Herelle- scher Lysate (hergestellt aus Typhusbazillen). Diese Methode, die eine sehr reiche Ausbeute an Varianten ergab, glaubten wir gerade im Hin- blick auf die natürlichen Verhältnisse im Darm, der ja sehr häufig d’Hercllesche Agentien enthält, anwenden zu dürfen. Sämtliche Va- rianten wurden von mir selbst gezüchtet und vor der serologischen Ana- lyse in der bunten Reihe als Paratyphus B-Bazillen identifiziert. Es handelt sich um 59 Varianten von 16 bei typhusähnlichen Erkrankungen gezüchteten Stämmen und 51 Varianten von 21 Fleischvergiftern. Von 15 Varianten wurden Sera hergestellt.

Von den beobachteten Veränderungen im Bindungsvermögen, an den übergreifenden Rezeptoren und im Flockungsbild ist bereits die Rede gewesen. Hier sollen nur diejenigen Variationen Erwähnung finden, die dentypenspezifischen Rezeptorenapparatselbst betreffen:

1) Unser Stamm 4, der uns von Herrn Professor Mießner als Bazillus Breslau I übersandt worden war und sich ursprünglich als ein Fleischvergifter vom Typus Freiburg erwiesen hatte, spaltete eine Vari- ante ab, die unserem Typus Breslau völlig entsprach. Es gelang, diese Abspaltung noch zweimal zu wiederholen.

2) Unser Stamm 104, den wir Herrn Professor Reichenbach verdanken und der bei der von Schiefer und Wichels beschriebenen Fischvergiftung in der Göttinger Augenklinik herausgezüchtet worden war, hatte bei seinem Eintreffen als ein Vertreter des Fleischvergifter- typus Freiburg analysiert werden können. Auch er lieferte eine Vari- ante vom Typus Breslau, ebenso lieferte er aber auch eine Variante vom Typus Paratyphi B hominis. Diesen Uebergang vom Typus Freiburg in den Typus Paratyphi B hominis gelang es auch hier zum zweiten Male zu erzielen. Der Stamm 104 hatte von vornherein unser Interesse geweckt, weil die Erkrankungen bei jener Göttinger Epidemie

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als akute Intoxikation eingesetzt hatten und als eindeutiger klinischer Paratyphus ausgeklungen waren.

3) Die letzte Beobachtung reicht in das vorige Jahr zurück. Sie betrifft unseren Stamm 7, einen Mäusetyphusbazillus, mit dem ich seit 4 Jahren arbeite. Drei Jahre lang hatte er sich aller Versuche, ihn zur Variation zu bringen, erwehrt. Im vorigen Jahr bildete er plötzlich eine Fülle von Varianten. Ausgangsform und Varianten waren für echtes Paratyphus B-Serum schlecht agglutinabel, während umgekehrt in ihrem Serum Paratyphus B-Bazillen bis zum Endtiter geflockt wurden; es waren 2 Rezeptoren nachweisbar; Schleimwälle bildeten sich nicht; Mäuse wurden durch Verfütterung getötet; der Stamm verhielt sich also wie ein typischer Fleischvergifter. Als ich ihn nach Abschluß jener Versuche einer kontrollierenden Nachprüfung unterzog, war er avirulent, wurde von Paratyphus B-Serum bis zum Endtiter agglutiniert und erschöpfte im Absättigunsversuch sowohl das Paratyphus B- wie sein Eigenserum; Varianten waren nicht mehr nachweisbar. Er war also von einem ursprünglichen Fleischvergifter in den Typus Paratyphi B hominis umgeschlagen und ließ sich auch jetzt noch als solcher analysieren. (Verwechselungen bei einer Ueberimpfung u. dgl. dürften ausgeschlossen sein, da die Herren, die damals mit dem Stamm arbeiteten, gar keine anderen Paratyphus- bazillen als 2 Mäusetyphusstämme in den Händen hatten, von denen der zweite auch heute noch dem Typus Freiburg entspricht.)

Es ist also in zwei Fällen der Typus Freiburg, der ja in seinem Rezeptorenbau eine Mittelstellung einnimmt (Fig. 1), in den rezeptorenarmen Fleischvergiftertypus Breslau und in zwei Fällen in den rezeptorenreichen Typus Paratyphi B hominis übergegangen. Diese Seltenheit des Rückschlags berechtigt uns wohl, die verschiedenen Typen des B. paratyphi B als Dauermodifikationen aufzufassen.

Ueber unsere Versuche, den Typus paratyphi B hominis im Tier- körper in einen rezeptorenarmen Typ überzuführen (Versuche von Dr. Nuck), ähnlich wie mir seinerzeit durch Meerschweinchenpassagen die Ueberführung der H-Form des Proteus x 19 in seine O-Form ge- lang (l. c.), kann ein abschlicßendes Urteil erst dann gefällt ‘werden, wenn die bisher vorliegenden (positiven) Ergebnisse an einem größeren Material bestätigt worden sind.

IV. Schlußfolgerungen.

Die Folgerungen, die sich aus diesen Resultaten ergeben, lassen sich im wesentlichen kurz zusammenfassen:

Im Gegensatz zu den Schweinepestbazillen, die auch nach unseren Untersuchungen eine selbständige Gruppe für sich bilden (Man- teufel und Beger), sind die Fleischvergifter vom Typus Breslau usw. serologisch dem B. paratyphi B hominis anzugliedern, da ihnen jeder Eigenrezeptor fehlt. Zwar lassen sich zwischen den Fleisch- vergiftern und dem Erreger des Paratyphus B hominis unverkennbare und ziemlich konstante Unterschiede im Rezeptorenbau nachweisen, doch treten diese Unterschiede als bloßer Rezeptorenverlust nicht aus dem Rahmen der auch bei anderen Bakterien (z. B. B. proteus x 19,

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B. euteritidis Gartner, gefundenen Mudırıkationen heraus. Demgemab sind auch hier Ueberzänze von einem Typus in den andern beobachtet worden. und es ist nicht weiter verwunderlich. wenn in unseren. in dem Referat von Herrn Geh. Rat Uhlenhucth erwähnten Untersuchungen auch die übrigen zur Typendifferenzierung angegebenen Merkmale wie die Schleimwallbildung, die Mäusepathogenitat, die Pathogenität für den Menschen usw. hin und wieder in der gleichen Weise variierten.

Damit ist die von Schottmüller selbst sowie von Uhlenhuth und seinen Schülern verfochtene Ansicht von der Einheitlichkeit der Paratvphus B-Gruppe grund- sätzlich bestätigt worden. Ein B. Breslau, der sich dem B. paratvphi B hominis als Repräsentant einer selb- ständigen Sondergruppe gegenüberstellen läßt, hat sich bisher nicht gefunden. Genau so wie der B. proteus x 14 auch in seiner O-Form stets ein B. proteus x 19 bleibt. bleibt auch der Fleischvergifter ein B. paratyphi B.

Da es sich bei den Typen innerhalb der Paratyphus B-Gruppe nur um Modifikationen handelt, und zwar um Modifikationen, die vielleicht im großen und ganzen beständig sind (Dauermodifikationen ). die aber doch (im Gegensatz zu den manifesten Typen des Tuberkel- bazillus) immer wieder nachweislich ineinander übergehen, so ist bei allen praktischen Folgerungen aus dieser Typentren- nung die größte Vorsicht geboten. Insbesondere müssen allen epidemiologischen Konsequenzen für die Paratyphusbekämpfung sorg- fältige Untersuchungen über jene Bedingungen vorausgehen, unter denen diese Typen in der Außenwelt ineinander umschlagen. Vor einer Ueber- schätzung der bestehenden Differenzen ist dringend zu warnen; dena sie haben, wie gesagt, jene eine wichtige Tatsache, die sie der Literatur zufolge erschüttern sollten, statt dessen beweisend erhärtet die Tat- sache der Einheitlichkeit des B. paratyphi B Schott- müller.

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2. Fr. Graetz (Hamburg):

Kritisches zur Paratyphus-Enteritisfrage. Mit 1 Tafel.

Konform mit ihren Ausführungen in der biologischen Abteilung des ärztlichen Vereins zu Hamburg haben Fränkel und Much in einem Artikel der Deutschen med. Wochenschrift (1924, Nr. 30), dessen Inhalt ich wohl als bekannt voraussetzen darf, „zur Frage der Verschiedenheit des Paratyphus B-Bazillus und des Gastroenteritisstammes Breslau‘ Stellung genommen. Dabei sind die Autoren, an der Hand eines zahlen- mäßig zwar recht kleinen, nach ihrer Anschauung aber im positiven Sinn beweisenden Materials, zu der Auffassung gelangt, daß die Lehre der Kieler Schule über die Verschiedenheit der Erreger des Paratyphus abdominalis und der akuten Gastroenteritis (paratyphosa), angesichts der Befunde von Wichels, Lewy und Holm und nicht zuletzt im Hinblick auf die eigenen Befunde der Autoren, nicht weiter aufrecht- erhalten werden könnte. Fränkel und Much formulieren ihren ab- lehnenden Standpunkt in dem ersten ihrer beiden Artikel mit den Worten: „Wir lehnen also auf Grund klinischer, pathologisch-ana- tomischer und serologischer Tatsachen die Lehre der Kieler Schule von der Verschiedenheit des Gastroenteritisstammes Breslau und des echten Paratyphus B (Schottmüller) ab.“

Bekanntlich haben sowohl Schiff wie auch Bitter in zwei in gleicher Weise betitelten Abhandlungen zu den Ausführungen von Fränkel und Much eingehend Stellung genommen, so daß es fast als überflüssig erscheinen könnte, wenn auch ich an dieser Stelle nochmals auf die einschlägigen Fragen zurückgreife.

Wenn ich die erwähnten Mitteilungen von Fränkel und Much heute trotzdem zum Ausgangspunkt meiner eigenen Ausführungen nehme, so geschieht dies aus einem doppelten Grunde, und zwar erstens deshalb, weil meine früheren Dis- kussionsbemerkungen zu dem Vortrag von Fränkel und Much infolge einer eigenen Unterlassungssünde bedauerlicherweise nicht in das Protokoll der fraglichen Sitzung des ärztlichen Vereins aufgenommen worden sind, und zum zweiten deshalb, weil ich an eben derselben Stelle von Fränkel und Much, unter besonderer Be- tonung meiner dualistischen Auffassung, als Kronzeuge gegen die serologische. Dif- ferenzierbarkeit des Paratyphus B Schottmüller und des Bacillus enteritidis Breslau aufgeführt worden bin.

lch möchte gleich an dieser Stelle betonen, daß ich mich niemals in so apo- diktischer Form gegen eine serologische Differenzierbarkeit der beiden in Frage kommenden Erreger ausgesprochen habe, wie es nach den Ausführungen von Fränkeı und Much den Anschein haben könnte. Ich habe vielmehr im Zusammen- hang mit meinen Ausführungen über die Schwierigkeiten, die sich für eine Differen- zierung der verschiedenen Paratyphaceen auf Grund ihrer chemischen Aktivität gegenüber verschiedenen Zuckerarten und höheren Alkoholen ergeben, darauf hin- gewiesen, daß ich auch bei den Versuchen, die fraglichen Stämme mit Hilfe der ge- bräuchlichen serologischen Methoden zu differenzieren, bislang recht wenig erfreu- liche Ergebnisse gehabt hätte, und daß mir selbst eine solche Differenzierung in absolut einwandfreier Weise noch nicht gelungen sei. Dabei habe ich en hervorgehoben, daß meine eigenen Erfahrungen die Möglichkeit einer solchen Dif- ferenzierung keineswegs ausschlössen, und habe in diesem Zusammenhang bereits die Möglichkeit einer solchen Differenzierung vermittels der Rezeptorenanalyse gestreift und erwähnt, daß ich selbst über einschlägige Erfahrungen leider nicht ın aus- reichendem Maße verfügte.

lm übrigen bin ich bei der weiteren Fortsetzung meiner Studien und bei der Prüfung der verschiedensten Stämme zu der Ueberzeugung gekommen, daß es zur

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serologischen Differenzierung der beiden Erregertypen keineswegs einer so subtilen Untersuchungstechnik bedarf, wie sie die Rezeptorenanalvse darstellt, daß es vielmehr. in Uebereinstimmung mit Bitters Feststellungen hinsichtlich der Stämme von Manteutel, auch mit der üblichen einfacheren Methodik, allerdings nur bei Aus- wahl geeigneter Sera, gelingt, eine Differenzierung des Paratyphus B und des Bacillus enteritidis Breslau zu bewerkstelligen.

Dabei möchte ich indessen gleich betonen, daß auch ich die Differenzierung der fraglichen Stäinme keineswegs ausschließlich auf die Basis serologischer Methoden gestellt wissen möchte, zumal uns ja vor allem die Studien über die heterogenetischen Antikörper gezeigt haben, daß Rezeptorengemeinschaft ebenso wenig in jedem False im Sinne einer morphologischen und biologischen Identität gedeutet werden kanu. wie der Mangel einer Rezeptorengemeinschaft nicht ohne weiteres als Zeichen eines Art- und Rassenunterschiedes gewertet werden darf. Das serologische Verhalten fraglicher Stämme stellt nach meiner Auffassung nur ein Glied in der ganzen Kette der Be- weisführung dar, aber ein Glied, welches keineswegs mit der Geringschätzung ab- getan werden kann, wie es Fränkel und Much, in einer mich merkwürdig an- mutenden Harmonie, bei ihrer Antwort auf die Polemik Schiffs tun.

Im übrigen spielt das serologische Moment ger: ide bei der Differenzierung des Paratyphus B Schottmüller und des Bacillus enteritidis Breslau keine so bedeutsame Rolle, da diese beiden Typen der Paratvphusgruppe trotz ihrer weitgehenden Re- zeptorengemeinschaft, die indessen keineswegs bei allen Vertretern der Gru pe in vollem Umfang in Erscheinung tritt, schon auf Grund ihrer kulturellen Merkmale verhältnis- mäßig so leicht differenzierbar sind, daß selbst der weniger geübte Diagnostiker im Einzelfall kaum zweifeln wird, ob er einen Paratyphus B oder einen Enteritis-Breslau- stamm vor sich hat. Voraussetzung dafür ist dabei selbstverständlich die Verwendung einwandfreier, in ihrer Zusammensetzung möglichst konstanter Nährböden, eine Forde- rung, die, wie ich Fränkel und Much gerne zugeben will, bei manchen Spezial- nährböden nicht immer mit gleicher Exaktheit erzielt wird. Auch Reiner Müller hat in einer Arbeit aus der neueren Zeit auf die Tatsache der Nährbodenschwankungen und aut die dadurch bedingten Ungleichmäßigkeiten im Wachstum der einzelnen Stämme hingewiesen und die Rückkehr zu alten erprobten Rezepten der Vorkriegs- zeit gefordert. Ich kaun dieser Forderung Reiner Müllers keineswegs be- dingungslos zustimmen, da ieh in langjähriger Praxis die Erfahrung gemacht habe. daß die Verwendung von Ersatzmitteln, wie Plazentarbrühe usw., die Leistungsfähig- keit der hiermit bereiteten Nährböden weit weniger ungünstig beeinflußt, als Schwa- kungen im Säure- bzw. Alkaleszenzgehalt. Wir haben gerade auch in neuerer Zeit. wo wir mehr und mehr wieder dazu übergegangen sind, für die Herstellung unseres Hauptnährbodens, des Endoschen Fuchsinagars, Fle ischwasser oder Fleischextrakt- brühe an Stelle der bislang gebrauchten Plazentarbrühe zu verwenden. mehrfach er- leben müssen, daß uns eine, trotz sorgfältigster Titration eingetretene, Nachsäuerung bei einer ganzen Serie von Versuchen die Differenzierungsversuche illusorisch ge- macht hat. Als wir bei einer weiteren Aufkochung der Gefahr einer solchen Nach- säuerung in erhöhtem Maße Rechnung trugen, waren auch die Differenzierungs- schwierigkeiten für unsere Stämme behoben.

An sieh handelt es sich bei solchen in gewissen technischen Unzulänglichkeiteu begründeten Störungen im Wachstum der verschiedenen Stämme in der Regel um eine vorübergehende Erscheinung, während das Dilferenzierungsprinzip dadurch nicht betroffen wird. Auf fehlerhaften Nährböden geben auch absolut typische Stämme vielfach kein typisches Wachstum und wir erleben es, daß bei Kolonien, die unter optimalen Bedingungen eine typische Schleimwallbildung geben, die makroskonische Schleimwallbildung ausbleibt, und daß nur die mikroskopische Betrachtung der radiär gestreiften Randzone die fr: glie he Kolonie als zum Schleimwalltyp gehörig erkenuen läßt. Bitter selbst betont ja immer wieder die Notwendigkeit einer mikroskopischen Prüfung der zu identifizierenden Kolonien, und ich selbst möchte diese Forderung be- sonders dann nachdrücklich unterstreichen, wenn es sich um ältere, bereits vor längerer Zeit aus dem menschlichen oder tierischen Körper isolierte Stämme handelt.

An sich erscheint es mir für eine Differenzierung eindeutiger, wenn es zur Entwicklung makroskopisch erkennbarer Schleimwälle kommt. Jin allgemeinen zeigen ja einwandfreie Schleimwallbildner auch nach jahrelanger Züchtung auf künstlichen Nährböden noch ein voll ent- wickeltes Schleimwallbildungsvermögen und ich selbst verfüge noch über Stämme aus dem Jahre 1915, die ihr Schleimwallbildungsvermögen bis auf den heutigen Tag unvermindert erhalten haben. Allerdings zeigen ältere Stämme, wie dies ja auch neuerdings wieder R. Müller

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hervorgehoben hat, auch nach meinen Erfahrungen die Neigung, neben typisch schleimwallbildenden Kolonien auch solche Varianten zur Ent- wicklung zu bringen, die ihr Schleimwallbildungsvermögen verloren haben und diesen Verlust als dauerndes Merkmal beibehalten. Für einen Teil der zunächst wallosen Varianten scheint es sich indessen um einen reversiblen Zustand zu handeln, da solche Stämme bei ihrer Aufspaltung neben wallosen Kolonien auch solche mit typischem Wall- bildungsvermögen aufweisen. In diesem Zusammenhang muß mit Nach- druck betont werden, daß das Phänomen der schwankenden Wall- produktion nur bei solchen Stämmen angetroffen wird, welche sich a priori bei der Züchtung aus dem tierischen oder menschlichen Körper als typische Schleimwallbildner erwiesen haben. Soweit diese Stämme dann in künstlicher Kultur das Schleimwallbildungsvermögen verloren haben, handelt es sich um die Entstehung von Minusvarianten, die unter optimalen Bedingungen in den Ursprungstyp zurückschlagen können.

Demgegenüber muß aber mit gleichem Nachdruck betont werden, daß bei den echten Enteritis- Breslaustämmen schon bei der Züchtung aus dem tierischen Körper nicht etwa eine Minusvariante im Sinne alter Laboratoriumskulturen vorliegt, daß es sich vielmehr hier um einen gesonderten Wachstumstyp, mit scharf präzisierten Wachstums- . merkmalen, handelt. Auch bei diesen Stämmen kann im übrigen der lang dauernde Aufenthalt auf künstlichem Nährboden eine Beeinträchti- gung der typischen Wuchsform mit sich bringen, welche zu Zweifeln an der Zugehörigkeit eines bestimmten Stammes zu einem bestimmten Typus Veranlassung geben kann. Es gelingt bei solchen Stämmen oft nur unter Darbietung ganz besonders optimaler Wachstumsbedingungen, den ursprünglichen Wachstumstyp mit Erfolg zur Entwicklung zu bringen.

Der Hinweis auf solche Besonderheiten erscheint mir besonders deshalb geboten, weil sie mir bei der Identifizierung des bekannten Breslaustammes (Knabe Reisner), den Fränkel und Much als den Erreger eines vor ca. 10 Jahren beobachteten typischen Paratyphus abdominalis ansprechen, begegnet sind. In der Diskussion zu

em eingangs erwähnten Vortrag von Fränkel und Much hatte ich seinerzeit Zweifel in dem Sinn ausgesprochen, daß es sich bei dem fraglichen Stamm möglicher- weise nicht um einen Breslaustamm, sondern vielleicht um einen echten Paratyphus B handeln könnte, der sein Schleimwallbildungsvermögen verloren hatte, eine Auffassung, der allerdings die von Fränkel und Much ausdrücklich betonte Mäusepatliogenität entgegenstand. Ich hatte durch das freundliche Entgegenkommen von E. Fränkel die Möglichkeit, den fraglichen Stamm zusammen mit einer Reihe anderer Stämme, unter denen sich auch die übrigen in der bekannten Arbeit erwähnten strittigen Stämme befanden, in Originalkulturen, vorwiegend Gelatinestrichkulturen, in Augen- schein zu nehmen. Im Gegensatz zu seinem Verhalten auf der Drigalskiplatte, wo der Stamm, entsprechend der auch in der Arbeit wiedergegebenen Abbildung, wohl infolge der zu dichten Besäung, keinerlei charakteristische Wachstumsmerkmale er- kennen ließ und sich auch nicht von einem ebenso uncharakteristisch wachsenden an- eblichen Schottmüllerstamm unterschied, zeigte der fragliche Breslaustamm auf der Gelatinestrichkultur ein so absolut charakteristisches Wachstum, daß ich ihn ohne weiteres als zur Enteritisgruppe gehörig ansprach. Ein gleichartiges Wachstum zeigte im übrigen der ebenfalls in der Arbeit von Fränkel und Much erwähnte Stamm ‘08, der die Ursache einer akut und tödlich verlaufenden Gastroenteritis

wesen war und trotz der kurzen Krankheitsdauer bereits zu schwerer Erkrankung der Leber und der Gallenwege geführt hatte. Auch hier handelt es sich um einen typischen Vertreter der Enteritis-Breslaugruppe, der in seiner morphologischen Struk- tur und in seinem biologischen Verhalten Keine wesentlichen Unterschiede gegenüber dem erwähnten Stamm aufwies. Hinzufügen muß ich allerdings, daß es mir bei dem erstgenannten Stamm trotz verschiedenster Versuche bisher niemals gelungen war, auf den für die Differenzierung meist gebräuchlichen Endo-Gassner- oder Drigulski-

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nährböden die Entwicklung der für die Enteritistvpen so charakteristischen Struktur zu erzielen. Der fragliche Stamm konnte nur auf der Gelatineplatte zur Entwicklu::g der charakteristischen Wachstumsform gebracht werden, eine Erscheinung. die vielleicht mit dem Alter und mit der Art seiner Weiterzüchtung im Zusammenhang ateht. Demgegenüber hat der Stamm 703 seine Fähigkeit, die charakteristische Struktur zu bilden, bis auf den heutigen Tag beibehalten, wenn auch natürlich bei diesem Stamm die richtige bzw. fehlerhafte Zusammensetzung des Nährbodens fördernd oder hemme::d auf die Entwicklung der charakteristischen Wuchsform zu wirken vermag.

Ich betrachte diese Wuchsform, von der ich hier die Abbildung eines typischen Vertreters bei gleichzeitiger Gegenüberstellung eines sicheren Paratyphus B Schottmüller wiedergebe, als etwas so Charak- teristisches für die Erreger der Enteritisgruppe, daß ich bei ihrem Auftreten ohne weiteres die Diagnose Enteritisstamm stelle und aut weitere Merkmale, mit Ausnahme der serologischen Prüfung, verzichten zu können glaube (vgl. Fig. 1—3 d. Tafel).

Eine serologische Prüfung halte ich deswegen für erforderlich, weil ich bei der Ueberprüfung von Stämmen, die mir Herr Geheimrat Reichenbach in li-ben-- würdiger Weise zu Vergleichszwecken überlassen hatte, in Uebereinstimmung mit den Angaben des Göttinger Instituts, die Feststellung machen konnte, daß es sich hier serologisch um einwandfreie Gärtnertypen handelte, deren kulturelles Verhalten aber weitgehend mit den Breslautypen übereinstimmt. Wir hätten es also auch bei deu Gärtnertyp offenbar mit zwei Wachstumsvarianten zu tun, von denen jede einen eigenen Wachstumstvp zu repräsentieren scheint. Ob es sich hier vielleicht um ver- schiedene Entwicklungsformen einer ursprünglich einheitlichen Form, oder aber um zwei verschiedene Stämme handelt, die vielleicht, trotz ihrer ausgesprochenen Re- zeptorengemeinschaft, nicht näher miteinander verwandt sind als Hammelblutkörper- chen und Meerschweinchennierenzellen, müssen weitere Beobachtungen ergeben. Geride Beobachtungen, die ich in neuerer Zeit, als ich die verschiedenen Stämime zwecks hotographischer Aufnahme nochmals auf verschiedene Nährböden brachte, an den raglichen Stämmen erheben konnte, haben mir allerdings den Gedanken nahegelrzt. daß hier vielleicht doch verschiedene Entwicklungsformen eines ursprünglich eiubeit- lichen Typs vorliegen könnten. Auf der Gabnerplatte zeigte sich nämlich bei den in üblicher Weise angelegten Makrokolonien zunächst die Entwicklung der typischen Struktur. wie man sie in der beiliegenden Abbildung erkennen kann. Während aber die Kolonie auf der gewöhnlichen Agarplatte. der diese Abbildung entstammt, lediglich eine Volumenszunahme in die Breite erkennen ließ, zeigte sich bei den gleichartigrn Kolonien in der Randpartie auf dem Gaßnernährboden ein Ansatz zu einer Schleim- entwicklung, die der Kolonie mehr und mehr das Aussehen verlieh, wie wir es bei Stämmen Besbachieh, die aus irgendwelchen, eventuell im Nährsubetrat begründeten, Ursachen nur septierte Schleimwälle zur Entwicklung bringen. Zur Entwicklung eines kontinuierlichen, typischen Schleimwalls ist es jedoch in keinem Falle ge- kommen. Ich habe die Versuche mehrfach wiederholt, um mich davon zu überzeugen. ob hier nicht eine Verwechslung oder ein Beobachtungsfehler vorliegt. habe aut der Graßnerplatte aber immer wieder das gleiche Ergebnis erzielt. Dabei unterscheiden sich aber die fraglichen Stämme, die ich Herrn Geheimrat Reichenbach verdanke. offenbar doch ganz erheblich von den typischen Gärtnerstäimmen mit Schleimwall- bildung, die nach den Feststellungen von Lütje offenbar als der Spezialtyp des Rindes anzusprechen sind. Jedenfalls habe ich bei zahlreichen Wiederholungsver- suchen immer wieder die Beobachtung gemacht, daß man bei Anlegung von Misch- kulturen, bei entsprechend starker Verteilung auf den Nährböden immer wieder ab- solut einwandfreie Einzelkolonien bekommt. die stets den Charakter des Ausgangstvpus tragen und nur aus den Individuen gleicher Art bestehen. Auch dann, wenn zufällig eine Kolonie sich aus zwei Keimen entwickelt, die getrennten Wachstumtypen auge- hören, zeigen die fraglichen Kolonien zum Teil den Wachstumtvp des einen, zum Teil den des anderen Ausgangsstammes. Die gleiche Beobachtung kann man auch dann machen, wenn man zwei Makrokolonien der verschiedenen Stämme so dicht neben- einander setzt, daß bei dem Flächenwachstum der Kolonien ein Ineinanderfliesen der beiden Stämme unvermeidlich wird. Es entwickelt dann zunächst jeder Stamın in den Randpartien seinen eigenen Wachstumstvp, doch ist die Grenze an der Re- rührungsfläche der beiden Kolonietvpen so stark markiert, daß es ohne Schwierig- keiten möglich ist. den Punkt festzustellen, an dem die eine Kolonie Den und die andere aufhört. Wenn wir demgegenüber zwei Makrokolonien des gleichen Stammes techt nebeneinander zur Entwieklung kommen lassen, so fließen die beiden Kolonien

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an der Berührungsstelle ohne erkennbare Grenze ineinander. nur Einkerbungen am Rande lassen noch erkennen, daß die neue Kolonie aus zwei gleichartigen Kolonien zusammengeflossen ist. Das doppelte Wachstumszentrum der beiden Kolonien bleibt dabei selbstverständlich zunächst noch erhalten. Es liegen also bei diesen beiden serologisch übereinstimmenden Stämmen hinsichtlich des kulturellen Verhaltens ähn- liche Verhältnisse vor, wie wir sie bei den zur weiteren Paratyphus B-Gruppe ge- hörigen Vertretern, nämlich bei dem echten Paratyphus B Schottmüller und dem Bacillus enteritidis Breslau kennen lernen werden (vgl. Fig. 4—6a d. Tafel).

Angesichts der Eigenart der geschilderten Stämme erscheint jedenfalls die Angabe von Herrn Geheimrat Reichenbach, wonach die Erkrankungen, bei denen die fraglichen Stämme ee wurden, im Zusammenhang mit einem Mäusevertilgungs- mittel gestanden haben sollen, epidemiologisch bedeutsam, insofern sie die noch immer nicht einheitlich beantwortete Frage nach der Menschenpathogenität der Mäusetyphus- bazilleı berührt. Auch die mir von Herrn Geheimrat Reichenbach freundlichst überlassenen Mäusetyphusbazillen des Tierseucheninstituts zu Hannover, das als Ab- ee für das Vertilgungsmittel in Frage kam, erwiesen sich serologisch als särtnerstämme und zeigten dabei kulturell ein weitgehend gleichartiges Verhalten wie die aus den Kranken gewonnenen Kulturen.

Angesichts des Nachweises zweier serologischer Varianten des Müusetyphus- bazillus erklärt es sich wohl auch, warum wir den fraglichen Keim in der älteren Literatur bald als Gärtnerstamm, bald als Paratyphus bezeichnet finden, während man in der neueren Zeit, jedenfalls seitdem sich die von der Kieler Schule ver- fochtene pentrennung mehr und mehr Eingang in die Kreise der Bakteriologie verschafft hat, peer ist, den Mäusetyphusbazillus in der Regel als Breslaustamm anzusprechen. Es liegt sicher nicht im Interesse der, allerseits als dringlich emp- fundenen, Klärung des Paratyphusproblems, wenn man sich für die verschiedensten Stämme, lediglich im Hinblick auf die gemeinsame Schädlichkeit gegenüber den kleinen Nagern, einer gemeinsamen Nomenklatur bedient und es dürfte sich zweifellos empfehlen, als Mäusetyphusbazillen doch eigentlich nur solche Keime aus der Gruppe der Paratyphaceen zu bezeichnen, deren serologische und kulturelle Identität mit dem Löfflerschen Originalstamm außer Zweifel steht.

Wenn ich nach dieser Abschweifung noch einmal auf die Frage der von Fränkel und Much bestrittenen Unterscheidbarkeit zwischen dem echten Para- typhus B Schottmüller und dem Bacillus enteritidis Breslau zurückkehren darf, so erscheint es mir angesichts solcher prägnanter Wachstumsunterschiede, wie sie für die beiden fraglichen Stämme bei geeigneter Versuchstechnik immer wieder nachge- wiesen werden können und wie ich sie oben auch in einigen, meines Erachtens recht instruktiven Bildern wiedergegeben habe, schwer verständlich, daß Fränkel und Much auch gegenüber dem erdrückenden Material von Bitter, dessen sachliche Darlegungen sie ja besonders anerkennend hervorheben, gleich unentwegt an ihrer Ablehnung festhalten zu müssen glauben. Fränkel und Much sind sich offen- bar der Inkonsequenz ihrer Stellungnahme nicht voll bewußt geworden, da es mir sonst unverständlich wäre, wie vor allem ein so scharfer Kritiker wie Eugen Fränkel es übersehen konnte, daß er in der fraglichen Arbeit mit Much im Nach- satz zu beweisen versucht, was er im Vorsatz als unhaltbar ablehnt. Bekanntlich lehnen Fränkel und Much, wie ich es bereits im Anfang meiner Ausführungen mit ihren eigenen Worten wiedergegeben haben, „auf Grund klinischer, pathologisch- anatomischer und serologischer Tatsachen die Lehre der Kieler Schule von der Ver- schiedenheit des Gastroenteritisstammes Breslau und des echten Paratyphus B ab“. An- esichts dieses ablehnenden Standpunktes möchte ich mir dann doch erlauben, an die iden Autoren die Frage zu richten, auf Grund welcher Beweisführung sie dann zu der Erkenntnis gekommen sind ‚daß es sich in dem Fall des Knaben Reisner, dessen einwandfreien typhösen Charakter auch die Vertreter der „klinikfremden Serologie‘ rückhaltslos anerkennen. um einen echten Breslaustamm im Sinne der Kieler Schule handelt, wenn anders doch die biologischen Kriterien nach Anschauung von Fränkel und Much nicht ausreichen, um eine Differenzierung der beiden Stämme einwandfrei durchzuführen? Daß es sich um einen echten, auch in seinem biologischen Verhalten, wie Mäusepathogenität usw., vollkommen typischen Breslaustamm handelt, haben in der Zwischenzeit ja auch Bitter und Lütje in Stade anerkannt und auch ich selbst habe den fraglichen Staınm gelegentlich des kleinen Examens, dem mich Fränkel bei Aushändigung der Stämme freundlichst unterwarf, auf Grund seines durchaus charakteristischen Wachstums unbedenklich als Breslanstamm angesprochen und meine Diagnose ist bei der weiteren Prüfung vollkommen bestätigt worden. Es muß. also doch eine Möglichkeit geben, die beiden Typen des Paratvphus B Schottmüller und des Enuteritis-Breslaustammes einwandfrei zu differenzieren und ich habe seinerzeit, an der Hand einiger besonders schön gelungener Kulturplatten, auf denen Einzel-

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kolonien einer Mischkultur der beiden Stämme ihr charakteristisches Wachstum ir. besonders eindrucksvoller Weise erkennen ließen, einem größeren Hörerkreis e Wachstumsunterschiede demonstrieren können, und ein erfahrener Bakterivlıge w H. C. Plaut hat sich im Anschluß an meine Ausführungen zu einem der Oberärz'- unseres Krankenhauses durchaus zustinmend geäußert. Im übrigen konnte aux Fränkel, dem ich nach der Sitzung die Platten noch besonders zeigte, eine g= wisse Ueberraschung nicht verbergen.

Wenn wir die Frage nach der Verschiedenheit oder Identität des Paratvphus B Schottmüller und des Ba- eillus enteritidis Breslau in befriedigender Weise beantworten wollen, so müssen wir meines Erachtens die Frage nach der bakte- riologisch-biologischen Zusammeneehörigkeit der beiden Keime von der epidemiologisch-nosologischen Seite scharf trennen. da es an sich ja wohl denkbar wäre, daß zwei Keime. auch wenn sie kulturell und biologisch-serologisch weitgehende Differenzen aufweisen. Krankheitsbilder erzeugen könnten, die wenigstens in großen Zügen den Eindruck einer weitgehenden Uebereinstimmung und selbst den einer Identität erwecken könnten. Ich darf hier wohl daran erinnern. dab der Bacillus enteritidis Gärtner und der Bacillus enteritidis Breslau doch zweifellos weitgehend übereinstimmende Krankheitserscheinungen b:1m Menschen hervorzurufen vermögen, und doch ist es bis heute niemand eingefallen, die beiden Keime identifizieren zu wollen.

Wie steht es nun zunächst mit der bakteriologischen Identi- tät bzw. Differenzierbarkeit des Paratvphus B Schottmüller und des Bacillus enteritidis Breslau?

Von Fränkel und Much ist auf Grund ihrer eigenen Beobachtungen die An- schauung ausgesprochen worden, daß es sich bei den Wachstumsunterschieden der beiden Stämme um die Folge der Verschiedenheit des jeweils zur Kultur verwendeten Nährbodens handeln könne. In Uebereinstimmung mit R. Müller habe ich schon weiter oben auf die Möglichkeit eines solchen Einflusses hingewiesen und ich habe mich deswegen streng an den Grundsatz gehalten, die Differenzierung zwischen den beideu Tvpenarten nur gleichzeitig auf derselben Platte und unter Wahrung möglichst optimaler Wachstumsbedingungen durchzuführen. Ich bin dabei in der Weise vor- gegangen, daß ich von einer Tinzellkalanie, welche praktisch als Einzellkultur angr- sprochen werden konnte. eine Aussaat in Traubenzuckerbouillon vornahm und ven dest flüssigen Kultur bei Wahrung eines größeren Abstandes einen mehr oder weniger großen Tropfen auf die Platte brachte und dann die Entwicklung der hieraus ent- stehenden Makrokolonie abwartete. Ich habe bei dieser Art der Kultur stets eine gute Entwicklung der charakteristischen Kulturmerkmale der beiden Bakterientvpen beobachtet und ein Versagen nur gelegentlich bei älteren Laboratoriumskulturen gr- sehen, aber auch im letzteren Fall nur dann, wenn die äußeren Wachstums- bedingungen in irgendeiner Richtung als unzulänglich angesprochen werden mußten. So sind uns während der heißen Julitage, wo die Zimmertemperatur die Brutschrank- temperatur annähernd erreichte, fast durchweg alle Versuche, typische Schleimwall- bildner zur Entwicklung des Walles zu bringen, trotz verschiedenster Nährbodeu- varlationen fehlgeschlagen. Immer aber ist es, wie ich schon oben erwähnt habe, nur zur Entwicklung gewisser Minusvarianten gekommen, die äußerlich die Unter- schiede verwischten und den Eindruck einer scheinbaren kulturellen Gleichheit er- weckten. Das Auftreten solcher Minusvarianten kann zweifellos im einen oder anderen Fall die Differenzierung vorübergehend erschweren und die Möglichkeit ihres Auf- tretens läßt es notwendig erscheinen, den Versuch der Plattenkultur, namentlich bei älteren Stämmen, mehrfach zu wiederholen und erst beim gleichmäßigen Ausfall wiederholter Versuche die Diagnose nach der einen oder anderen Richtung festzulegen. hu übrigen möchte ich gleich hier bemerken, daß ich bislang unter den zahlreichen Stämmen beider Typen, die ich innerhalb der letzten Jahre verarbeitet: habe. noch keinen Uebergang des einen in den anderen Typ zu beobachten vermochte, und dab es mir, vor allem im Gegensatz zu Bitter, noch nicht möglich gewesen ist, einen schleimwallbildenden Breslaustamm zu beobachten, und daß ich bisher auch nuch keinen echten Schottmüllerstamm gesehen habe, der die kunstvolle Struktur der Enteritisstäinme gezeigt hätte.

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Wie weitgehend die kulturellen Unterschiede der beiden Typen auch hier wieder sind, zeigt sich aus den Versuchen mit Aussaaten von Mischkulturen, wo wir ähnliche Verhältnisse beobachten, wie ich sie oben für die beiden Varianten des Bacillus enteritidis Gärtner ab- gegeben habe. Die beigegebenen Photogramme mögen auch hier wieder das wechselseitige Verhalten der beiden Stämme illustrieren. Das eine der beiden Photogramme Fig. 6b illustriert eine Mischkultur eines Enteritis- stammes mit einem echten, erst vor kurzem aus dem Blute eines Falles von Paratyphus abdominalis gezüchteten Paratyphus B Schott- müller mit einem aus einer akuten Fleischvergiftung stammenden Enteritisbazillus vom Typus Breslau. Offenbar ist bei der Aussaat der Mischkultur ein Keim des Paratyphus B-Stammes im Wachstums- bereich einer Enteritiskolonie abgelagert worden und hat dort in den Randpartien sein durchaus charakteristisches Wachstum begonnen. ‚Wenn man dann von dieser schleimigen Partie mit entsprechender Vorsicht weiter impft, so erhält man auf der Plattenaussaat ausschließlich wieder schleimwallbildende Kolonien vom Typus Schottmüller, während die Aufspaltung des Kolonieabschnittes mit dem Wachstumstyp des Enteritisstammes ausschließlich Kolonien vom Typus Breslau liefert. Die daneben stehende Abbildung illustriert das wechselseitige Wachs- tumsverhältnis zwischen einem Breslaustamm und dem eben erwähnten frisch aus dem Körper gezüchteten echten Paratyphus B-Stamm. Es handelt sich auch hier wieder um die schon weiter oben beschriebene Wachstumskombination von zwei Makrokolonien, wobei wieder die Tren- nung zwischen den beiden Kolonieformen äußerst scharf ausgesprochen ist. Die hier wiedergegebene photographische Aufnahme erscheint mir deswegen besonders wertvoil, weil es sich um eine Kombination zwischen dem bekannten Stamm (Knabe-Reisner) von Eugen Fränkel und dem Erreger eines ebenfalls einwandfreien Paratyphus abdominalıs handelt (vgl. Fig. 6b u. 6 c).

Aehnliche Wachstumsbilder, wie sie in diesem letzteren Fall zu Demonstrationszwecken künstlich hervorgerufen sind, erhält man im übrigen auch dann, wenn man gleichzeitig beide Stämme In ein flüssiges Kulturmedium einimpft und aus der 24stündigen Mischkultur in ge- wohnter Weise eine Plattenaussaat vornimmt. Wenn man demgegenüber zwci typische Schottmüllerstämme in einer Mischkultur vereinigt, so wird es nachher bei der Plattenaussaat niemals möglich sein, die Einzel- kolonien nach ihrer Herkunft von dem einen oder anderen Stamm zu identifizieren. Ja selbst innerhalb des Tierkörpers behalten die beiden Stammtypen ihre charakteristischen Merkmale so unverändert bei, daß es keine Schwierigkeit macht, die beiden Typen aus dem künstlich ge- setzten Infektionsherd wieder gesondert zu isolieren. Schon die ge- schilderten Merkmale sind also meines Erachtens so prägnant, daß sie zur Differenzierung der beiden Paratyphazeentypen vollkommen aus- reichen könnten, auch wenn gewisse Artmerkmale, wie z. B. die weit- gehende Rezeptorengemeinschaft, ihre verwandtschaftlichen Beziehungen zweifelsfrei dokumentieren. Immerhin gelingt es mit Hilfe geeigneter serologischer Methoden, nicht nur die gemeinsamen biologischen Züge nachzuweisen, sondern auch die Unterschiede in ihrem biologischen Verhalten zu erkennen, und zwar in gleicher Weise, wie wir dies auch von anderen Gebieten der biologischen Eiweißdifferenzierung, z. B. bei artverwandten Zellen und Organen und selbst bei artverwandten Tierspezies, zur Genüge kennen.

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Trotz dieser markanten kulturellen Unterschiede hat die Kieler Schule noch eiu

unzweideutiges biologisches Unterscheidungsmerkmal zwischen den Paratyphus B- und Breslaustämmen in Form der Mäusepathogenität durch Fütterungsversuch angegeben. Fränkeı und Much halten im übrigen auf Grund einer einschlägigen Beobachtung eines angeblichen fütterungspathogenen Schottmüller-Stammes auch hier das Gebäude der Kieler Schule für erschüttert, eine Auffassung, der ich mich auch an- Ben der Richtigkeit der Fränkel-Muchschen Beobachtung keineswegs rück- altslos anzuschließen vermöchte, da es sich gegenüber den zahlreichen gegenteiligen Beobachtungen von Bitter und anderen zunächst nur um einen Ausnahmefall handeln konnte, der letzten Endes doch die allgemeine Regel nur bestätigen mußte. Im übrigen sind Fränkel und Much hier schon bei den objektiven Identifi- zierungsversuchen das Opfer eines verzeihlichen Irrtums geworden. Es handelt sich da um einen Stamm, der in der Zwischenzeit auch Bitter zur Begutachtuur vorgelegen hatte und außerdem auch von Lütje, den ich selbst um Beurteilung eines ihm übersandten Stammes gebeten hatte, bearbeitet worden war. Beide Autoren sind übereinstimmend zu dem Urteil gekommen, daß es sich nicht um einen echten Par:- typhus B Schottmüller handeln könne. sondern um einen Vertreter der Suipestiter- Gruppe vom „Typus Kunzendorf“, wie sie auch gelegentlich von Bernhard als Erreger menschlicher Erkrankungen beschrieben worden sind. Zweifellos handelt es sich auch bei dem fraglichen Stamm um einen Schleimwallbildner (Fig. 7), dessen Wälle aller- dings in der Regel nicht so voluminös erscheinen, wie Wälle der echten Schottmülter- stämme. Auch tritt die Schleimwallbildung bei einem Teil der durch Aufspaltung ge- wonnenen Varianten nur sehr zögernd A und schon wenige Monate nach der Iso- lierung aus dem menschlichen Körper habe ich zahlreiche Varianten des Stammes an- getroffen, die das Schleimwallbildungsvermögen vollkommen verloren hatten. Daraus erklären sich auch die Angaben von Lütje über das kulturelle Verhalten dieses Stammes, da Lütje offenbar zufällig in den Besitz einer solchen wallosen Variante gekommen ist. Ich habe es versucht, derartigen Stämmen vermittels einer Passage durch den Tierkörper das Wallbildungsvermögen wiederzugeben, habe meine Be- mühungen aber nur zum Teil von Erfolg gekrönt gesehen, so daß ich es nach meineu bisherigen Beobachtungen nicht ohne weiteres ausschließen kann. daß der Zufall seine Hände dabei im Spiel gehabt hat. Im übrigen kann ich hier gleich bestätigen, das der mir überlassene Stamm gegenüber den verschiedensten Nagern eine enorme Patho- genität entfaltet und daß die starke Toxizität, die auch den abgetöteten Kulturen inne- wohnt, sich vielfach bei der Herstellung hochwertiger Immunsera als recht hinderlich erwiesen hat, da er bei der Immunisierung der Tiere stets größere Opfer an Tier- material erfordert. Ich habe derartige Erfahrungen bei der Herstellung von Immunsera vermittels typischer Schottmüllerstämme niemals gemacht. Auch das pathologisch- anatomische Bild, welches die mit dem lebenden Stamm geimpften Versuchstiere. speziell Meerschweinchen zeigen, ist ein so charakteristisches und mit Regelmäbigkeit wiederkehrendes, daß es mir mit seiner Hilfe im Rahmen einer meiner Versuchsserien gelungen ist, den Nachweis zu erbringen, daß hier zwei Tiere verwechselt sein mußten. eine Auffassung, die sich bei einer Nachprüfung der aus den inneren Organen d'r fraglichen Tiere gezüchteten Stämme vollauf bestätigte. Die Parallelimpfungen mit frischen Schottmüller-Stämmen hatten demgegenüber trotz gleichartiger Vor- behandlung bei den Versuchstieren, von lokalen Prozessen an der Impfstelle ab ech keine wesentlichen Störungen hervorgerufen, vielmehr waren die Keime, unter zu- nehmender Abheilung des Impfherdes. auf dem Wege über den Darm allmählich au<- geschieden worden. Ich muß mir die Frage des Tierversuchs und speziell die Be- deutung des pathologisch-anatomischen Betundes für die Typentrennung für eine spätere Abhandlung vorbehalten.

Es erübrigt sich indessen noch, auf die serologische Charakte- ristik des fraglichen Stammes einzugehen, wobei ich gleich bemerken möchte, daß bereits die orientierende Agglutination des Stammes, die ich unmittelbar nach dem Empfang des Serums vorgenommen hatte, bei mir Zweifel über seine Zugehörigkeit zu den echten Schottmüllerstämmen ausgelöst hatte. Das Versagen eines einzelnen Serums hätte dabei selbstverständlich noch nicht als Beweis gelten können, als der Stamm jedoch auf die verschiedensten Sera nicht ansprach, hielt ich die Her- stellung eines homologen mit dem Stamm selbst gewonnenen Serums für unerläßlich und es glückte mir auch, nach mehreren Fehlschlägen ein brauchbares, allerdings nicht allzu hochwertiges Serum vom Titer 1:3000 herzustellen. Mit diesem Serum, das späterhin sogar noch auf

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ein Drittel seines ursprünglichen Titers sank, ist mir dann die sero- logische Einreihung des fraglichen Stammes eindeutig gelungen. Unter den zahlreichen von mir geprüften Paratyphus B-, Breslau- und Gärtner- stämmen fand ich nicht einen, der mit dem fraglichen Serum, auch bei den stärkeren Konzentrationen, eine nennenswerte Reaktion ergab. Auch zwei Stämme des Typus Erzindjan, die ich freundlichst Herrn Dr. Lütje verdanke, reagierten in keiner Weise mit dem bewußten Serum Nur ein einziger in meiner Sammlung befindlicher Stamm, der mir vom Institut für Fohlenkrankheiten in Stade als typischer Vertreter der Suipestifergruppe des Typus Bernhard (Kunzendorf) übergeben worden war, reagierte mit dem ifraglichen Serum in aus- gesprochener Weise bis zur Titergrenze. Auch hinsichtlich der chemischen Leistungen bestand zwischen den beiden Stämmen eine so ausgesprochene Uebereinstimmung, daß ich keine Bedenken trage, den Eppendorfer Stamm, namentlich auch angesichts der Uebereinstimmung in kultureller Hinsicht, als Vertreter der Suipestifergruppe vom Typus Bernhard anzusprechen. Dabei möchte ich gleich bemerken, daß mir für die Differenzierung dieses Stammes die von Lütje empfohlene Sternsche Fuchsinbouillon gute Dienste geleistet hat, obgleich sich mir sonst die auf diesen Nährboden gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt haben.

Fränkeı und Much glauben ihren Gegnern bei dieser Eingruppierung ihres tierpathogenen Schleimwallbildners, die sie als eine Ueberdifferenzierung ablehnen zu müssen glauben, nicht folgen zu können, um so mehr als sich ihnen aus dem Urteil von Schift, der den Stamm, offenbar ohne ihn selbst in Händen gehabt zu haben, auf Grund der Tierpathogenität als Breslaustamm angesprochen hat, die Auffassung einer Vielköpfigkeit der Meinungen quod capita, tot sensus aufgedrängt hat. Schiffs Urteil scheidet ja, soferne er den Stamm nicht selbst bearbeitet hat, voll- kommen aus und bei denjenigen Untersuchern, denen der Stamm zur Begutachtung vorgelegen hat, besteht eine Meinungsverschiedenheit hinsichtlich der Eingruppierung des Stammes in keiner Weise. Und wenn Fränkel und Much von einer Ueber- differenzierung sprechen zu müssen glauben, so ist diese Auffassung dann nicht minder gerechtfertigt, wenn z. B. Zeißler zwischen Rauschbrandbazillus und Para- Rauschbrandbazillus einen, auch von Fränkel meines Wissens anerkannten, Unterschied macht.

Wir alle, soweit wir gegenteiliger Auffassung von Fränkel und Much sind, werden den beiden Autoren gerne zugeben, daß durch den Nachweis der Menschenpathogenität bestimmter Suipestifer- stämme, auch wenn es sich zunächst nur um seltenere Einzelbeobach- tungen handelt, zweifellos eine Bresche in die alte, aber keineswegs all- seitig unwidersprochene Lehre von Ostertag und Standfuß ge- schlagen wird, wonach die Suipestiferstämme als für den Menschen nicht pathogene spezifische Tierstämme angesprochen werden müßten. Im übrigen ist der Fall von Fränkel keineswegs der erste und einzige Fall dieser Art und es beweist nichts gegen die objektive Richtigkeit der Beobachtung, daß es sich um mehr oder weniger zahlreiche Ausnahme- fälle handelt. In epidemiologischer Hinsicht wird es Aufgabe der Veterinärpolizei sein, derartige Beobachtungen mit den Grundsätzen der Fleischbeschau in Einklang zu bringen.

Fränkel und Much erwähnen in ihrer fraglichen Arbeit noch einen dritten Fall, der ihnen als besonders beweisend gegen die Lehre der Kieler Schule von der Trennbarkeit der beiden Paratvphustypen er- scheint, und bedauern in ihrer Antwort an Bitter und Schiff, daß beide Autoren diesen Fall bei ihren Besprechungen unberücksichtigt lassen, obwohl gerade er für die ganze Frage von größter Wichtigkeit sei. Da mir durch die Liebenswürdigkeit von Herrn Prof. Fränkel auch dieser Stamm, den ich, auf Grund seines kulturellen und bio-

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logischen Verhaltens, ebenfalls als echten Breslaustamm ansprechen mub., zur Verfügung stand, will ich hiermit versuchen, die einschlägigen Er- örterungen von Bitter und Schiff zu ergänzen und das von ihnen Versäumte nachzuholen.

Nach den Angaben von Fränkel und Much handelt es sich um einen ganz akut tödlich verlaufenden Fall von Gastroenteritis (Sektion 708, 1924), der den Autoren besonders deswegen „als wichtig erscheint, weil er den Beweis erbringt, daß sich auch der Stamm Breslau bei Fällen akuter Gastroenteritis keineswegs auf die Ansiedelunz im Darm beschränkt, sondern daß sein kultureller Nachweis auch aus Galle und au: dem Leberparenchym gelingt und daß es vor allem bei der histologischen Unter- suchung der Leber möglich ist, selbst in ganz foudrovaut verlaufenden Fällen. be- reits schwere gewebliche Veränderungen im Sinne einer umschriebenen Leberzelltu- nekrose in der Umgebung bazillenführender größerer Gallengäuge festzustellen“.

Fränkel und Much glauben angesichts dieses Falles von ana- tomisch festgestellter Cholangitis und Pericholangitis offenbar erwarteı: zu dürfen, daß sich auch an abgelaufene, durch den Stamm Breslau hervorgerufene gastrocnteritische Erkrankungen mehr oder weniger häufig klinische Erscheinungen einer Cholangitis und Pericholangiti: anschließen. Als Vertreter der ‚klinikfremden Serologie‘“ vermag ich es leider nicht zu übersehen, wie häufig im Anschluß an akute. durch Breslau bedingte gastroenteritische Erkrankungen tatsächlich klinisel: nachweisbare Erkrankungen der Gallenwege beobachtet werden und wie häufig solche, ätiologisch zunächst unklare, Erkrankungen im genetischen Zusammenhang mit einer vor kürzerer oder längerer Zeit überstandenen Gastroenteritis durch Breslaubakterien gebracht werden können. Ob und inwieweit solche Beobachtungen bei tödlich ver- laufenden Breslauinfektionen die Regel darstellen, müßten erst weitere Beobachtungen einschlägiger Fälle, unter Berücksichtigung der Typen- trennung, ergeben. Bei den in Genesung ausgehenden Fällen scheinen akute oder chronische Erkrankungen der Gallenwege jedenfalls nich! die Regel zu bilden und das hängt offenbar damit zusammen, dab die Enteritisbakterien an sich zum mindesten eine weit geringere Neigung zu haben pflegen, sich in den Gallenwegen der Erkrankten anzusiedeln als der Paratyphus B Schottmüller. W ahrscheinlich ist es damit in Zusammenhang zu bringen, dab Keimträger im Anschluß an gastro- enteritische Breslauinfektionen nie oder doch so gut wie nie beobachut werden, während man bei Infektionen mit dem echten Paratyphus B Schottmüller sehr häufig Dauerausscheider findet, deren Keimträsertum sich, ähnlich wie beim Typhus, über Jahre und selbst über Jahrzehnte erstrecken kann. Es steht dabei vollkommen im Einklang mit der Auffassung Schottmüllers von der Elektivität des echten Para- typhus B zu den Gallenwegen, wenn man bei akuten und chronischen Erkrankungen der Gallenwege, soweit diese zu einer operativen Ent- fernung der Gallenblase führen, nach meinen eigenen Erfahrungen stets nur den Paratvphus B Schottmüller kulturell nachweisen kann, während ich unter den zahlreichen von mir untersuchten Fällen bislang nie den Bazillus enteritis Breslau angetroffen habe.

Daß in den schwer verlaufenden Fällen von Gastroenteritis, wu es zu einer vollkommenen Ueberschwemmung des Organismus mit den Erregern kommt, auch mit der Möglichkeit” ihrer Ansiedelung in den Gallenweren gerechnet werden muß, erscheint mir ebenso wenig ver- wunderlich wie die Tatsache, daß ein Erreger von der enormen Toxitität der Breslaustiämme sich nicht inditferent gegenüber dem von ihm be- fallenen Gewebe verhält.

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| Wenn Fränkel und Much die Tatsache, daß ein Vertreter der Breslaugruppe in dem fraglichen Fall eine akute Erkrankung der Gallenwege hervorgerufen hat, im Sinne einer Identifizierung von Paratyphus B und Breslaubakterien verwenden wollen, so könnte meines Erachtens mit demselben Recht die Ideutifizierung anderer einander nahestehender Keime aus gewissen gemeinsamen Zügen der durch sie bedingten Krank- heitsbildern hergeleitet werden. Ich erinnere, um das von Fränkel und Much herangezogene Beispiel der Tuberkulose heranzuziehen, nur daran, daß der Tuberkel- bazillus des Typus humanus in gleicher Weise umschriebene Drüsenerkrankungen im menschlichen ee hervorrufen kann wie der Typus bovinus, ohne daß die erzeugten Veränderungen histologisch unterschieden werden könnten und doch fällt es keinem Bakteriologen heute ein, den markanten Unterschied zwischen dem Typus bovinus und dem pus humanus in Abrede zu stellen. Auch hier haben wir es also mit zwei zweifellos nahe verwandten Erregern zu tun, die trotz weitgehender ge- meinsamer Züge nicht identifiziert werden können.

Im übrigen wäre es meines Erachtens Aufgabe weiterer ver- gleichender Untersuchungen, unter Berücksichtigung der von der Kieler Schule geforderten Typentrennung, einmal festzustellen, ob es sich denn tatsächlich bei den durch den Paratyphus B Schottmüller und den Bazillus enteritidis Breslau hervorgerufenen lokalen Organverände- rungen um so einheitliche feinere Strukturveränderungen handelt, wie man bis jetzt annimmt, oder ob nicht doch die feineren histologischen Veränderungen Anhaltspunkte dafür zu geben vermögen, daß es sich hier um die Wirkung verschiedener Erreger oder doch wenigstens um die Folgen biologisch unterschiedlicher Gifte verwandter Keime handelt.

Ich denke dabei an etwas Achnliches, wie es Fahr in seiner Arbeit über die Wirkung des Diphtheriegiftes innerhalb des menschlichen Organismus zum Ausdruck gebracht hat. Ich weiß wohl, daß Fränkel und Much, unter Hinweis auf die Mannigfaltigkeit der tuberkulösen Erscheinungen, es ablehenen, die Verschiedenartigkeit der anatomischen Veränderungen als Kriterium für die Unterschiedlichkeit zweier Er- reger anzuerkennen. Sie verlangen meines Erachtens mit Recht, daß bei der Entscheidung solcher Fragen nicht nur die Eigenschaft der jeweiligen Erreger, sondern auch das Verhalten des menschlichen Orga- nismus berücksichtigt werden müsse. Ich stimme dieser Auffassung von Fränkel und Much grundsätzlich durchaus zu und betrachte das Krankheitsbild klinisch und anatomisch, genau wie die beiden Autoren, als das Endergebnis der Wechselwirkung zwischen dem Er- reger und dem Verhalten des jeweils befallenen Organismus. Ich muß es aber gerade deshalb ablchenen, daß eine akut verlaufende Erkrankung wie der Paratyphus abdominalis und die akute Gastroenteritis einer- seits und eine im wesentlichen doch so chronische Erkrankung wie die Tuberkulose, die noch dazu hinsichtlich der Immunitätsverhältnisse ihre, doch auch von Much anerkannten und immer betonten, Besonderheiten zeigt, so in Parallele gesetzt werden, wie dieses Fränkel und Much in der bekannten Arbeit getan haben.

Fränkel und Much huldigen der Auffassung, daß die Verschiedenartigkeit des Krankheitsbildes nicht ohne weiteres als Kriterium für die Unterschiedlichkeit zweier Erreger herangezogen werden dürfe, offenbar keineswegs unbedingt für alle Fälle. So viel mir bekannt ist, teilt Fränkel durchaus die Auffassung von Schott- müller, daß es sich bei dem Streptococcus haemolyticus und dem Streptococcus viridans, entgegen der Anschauung von Kuczinski u. a. keineswegs um einheit- liche Erreger handelt, die auch durch Tierpassage nicht ineinander übergeführt werden könnten. Gerade auf der letzten Tagung der Deutschen (Gesellschaft für Mikrobiologie hat Schottmüller seinen Standpunkt über die Nichtidentität der beiden Streptokokkenarten nochmals scharf präzisiert, und dabei vor allem auch die Unterschiedlichkeit im klinischen und anatomischen Bild als Hauptkriterium gegen die Identität der beiden Keime ins Feld geführt. Ich habe nicht in Erfahrung gebracht, daß E. Fränkel der Auffassung von Schottmüller auf Grund der oben er-

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wähnten grundsätzlichen Auffassung entgegengetreten wäre. Halten e Fränkei und Much wirklich für so ausgeschlossen, daß die anatomischen Ver- änderungen bei Infektionen mit dem Streptococcus haemolyticus oder dem Strento- eoccus viridans doch dann und wann ein recht gleichartiges Gesicht zeigen, welch den Gedanken an eine enge Zusammengehörigkeit der beiden Keime nahelegen könnte:

Im übrigen sind Pränkel und Much hinsichtlich der Differenzierung von Krankheitserregern auf Grund pathologisch-anatomischer Kriterien keineswegs immer auf dem gleichablehnenden Standpunkt gestanden, wie in der in Nr. 30 der Dtsch. med. Wochenschr., 1924 erschienenen Abhandlung. Im Rahmen ihrer Abhandiung über experimentelle Cholecystitis, im Bd. 69 der Zar f. Hygiene, bemerken die beiden Autoren auf S. 343 bezüglich des von ihnen isolierten sog. Gallenbazillus wört- lich folgendes: „Der Bazillus unterscheidet sich demnach nur durch die fast abso:ute Konstanz der mit ihm zu erzielenden pathologisch-auatomischen Veränderungen von dem Bacillus paratyphi B. Er sei deshalb im folgenden als Gallenparatvphus-Bazitins bezeichnet.‘ Na also!

Ich habe ja im übrigen auch schon weiter oben, gelegentlich der Besprechung des angeblich mäusepathogenen echten Schottmüller- Stammes (Stamm 11/1924) darauf hingewiesen, welch gute Dienste die Heranziehung der pathologisch-anatomischen Kriterien für die Unter- scheidung der Paratyphus-Typen zu leisten vermag. Wir sind schon seit längerer Zeit mit systematischen Untersuchungen nach dieser Richtung beschäftigt und hoffen, bald Näheres darüber berichten zu können.

Hier erübrigt es sich noch, in Kürze auf das menschliche Krankheitsbild und seine Beziehungen zu dem echten Paratyphus P Schottmüller bzw. zu dem Bazillus enteritis Breslau einzugehen. Ich möchte in dieser Hinsicht darauf hinweisen, daß mir in den zehn Jahren meiner bakteriologischen Tätigkeit am Barmbecker Kranken- haus unter den zahlreichen, von mir untersuchten Fällen von Para- typhus abdominalis bis zum heutigen Tag auch noch nicht ein einziger Fall begegnet ist, bei dem nicht der echte, schleimwallbildende, Bazillus Paratyphus B Schottmüller als Erreger in Frage gekommen wäre. Ich habe schon seit Jahren systematisch auf die eventuelle Beimischung eines anderen Erregers gefahndet, ohne daß es mir geglückt wäre, eine solche festzustellen. Im Gegensatz zu den von Fränkel und Much. sowic von Lewy und Holm mitgeteilten Beobachtungen, habe ich keinen einzigen Fall beobachtet, in dem ein echter Paratyphus abdo- minalis durch einen Erreger aus der Enteritis-Gruppe, sei es durch den Bazillus enteritidis Breslau selbst, oder durch den Bazillus enteritidis Gärtner hervorgerufen worden wäre. Wohl habe auch ich, in Ueber- einstimmung mit Bitter, Fränkel und Much usw., in verschiedenen Fällen feststellen können, daß bei schwerverlaufenden akuten Gastro- enteritiden die Breslaubazillen kulturell im Blute nachgewiesen werden konnten und ich verfüge auch über eine ganze Anzahl von Stämmen, die mir von außerhalb überlassen wurden und die ebenfalls bei akuten Gastroenteritiden aus dem Blute isoliert worden waren, ohne daB auch nur einer der Fälle eine Andeutung eines typhösen Verlaufes gezeigt hätte. Die Einschwemmung der Breslaubakterien in die Blut- bahn scheint also keineswegs die Entstehung eines typhösen Krankheits- bildes zu bedingen. Offenbar fehlt dem Bazillus enteritidis Breslau jene spezifische Affinität zum hämatopoetisch-lymphatischen System, die deu Typhusbazillus und den ihm nosologisch so nahestehenden Para- typhus B Schottmüller charakterisiert.

Was den von Fränkel und Much beobachteten Fall des Knaben Reißner anlangt, so fühle ich mich außerstande, hier eine erschöpfende Erklärung zu geben. Die Auffassung von Bitter und Schiff,

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die die Möglichkeit einer Mischinfektion in Betracht zieht, kann meines Erachtens nicht ohne weiteres als eine bequeme Hintertür abgelehnt werden. Die Möglichkeit, daß ein echter Paratyphus B im Spiele gewesen ist, kann auch von Fränkel und Much nur mit einer ge- wissen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Zweifellos erscheint die Tatsache einer solchen Beobachtung die Notwendigkeit zu enthalten, heute mit besonderer Schärfe darauf zu achten, ob und unter welchen Voraussetzungen bei Fällen von typischem Paratyphus abdominalis ein- wandfrei festgestellte Breslaustämme, sei es allein, oder in möglicher Symbiose mit dem echten Paratyphus B Schottmüller, angetroffen werden können. Bislang erscheint mir die Einzelbeobachtung von Fränkel und Much die Feststellungen von Lewy und Holm scheiden meines Erachtens wegen zweifclloser Unsicherheit in der Beob- achtung und im Hinblick auf die leider so geringe Lebensdauer des Er- regers, zunächst aus trotz ihrer offenbaren Eindeutigkeit, jedoch noch nicht ausreichend, um die Lehre der Kieler Schule, deren objektive und zahlenmäßige Fundierung meines Erachtens nicht so leicht hinweg- zudiskutieren ist, so ohne weiteres über den Haufen zu werfen.

Zweifellos weit schwieriger gestaltet sich der Versuch, die viel- fach widersprechenden Erfahrungen und tatsächlichen Beobachtungen über dic Aetiologie gastroenteritischer Erkrankungen und ihren Ueber- gang zum echten Paratyphus abdominalis mit der Lehrmeinung der Kieler Schule vollkommen in Einklang zu bringen. Und dieser scheinbar mangelnde Einklang zwischen den tatsächlichen Beobachtungen und der Theorie der Kieler Schule bildet ja in der Regel auch den Punkt, an dem die Gegner der Kieler Lehren den Hebel anzusetzen versuchen., So hatte in neuerer Zeit, neben Fränkel und Much. unter anderen auch Wichels darauf hingewiesen, daß innerhalb einer größeren Gruppe von Erkrankungen, die ätiologisch auf eine gleiche Infektionsquelle zurückgeführt werden können, neben reinen Gastroenteritiden auch Fälle von Gastroenteritiden mit nachfolgendem echt typhösen Verlauf beob- achtet werden könnten, und daß für beide Verlaufsformen als Erreger der echte Paratyphus B Schottmüller in Frage komme. Die Möglich- keit einer solchen Erscheinung ist von Bitter niemals in Abrede gestellt worden und auch in der Monographie von W. Gärtner ist mit Nachdruck auf das zuweilen bestehende toxische Initialstadium beim Paratyphus abdominalis, welches ebenso wie beim echten Typhus in Form einer akuten Gastroenteritis in Erscheinung tritt, hingewiesen worden. Gerade die in der Göttinger Klinik beobachteten Fälle, bei denen es sich unzweifelhaft um eine Infektion mit dem echten Para- typhus B Schottmüller gehandelt hat, legen den Gedanken nahe, dab hier die Art der Infektion durch Vermittelung eines Nahrungsmittels, in dem zweifellos eine starke Entwickelung der Erreger stattgefunden hatte, für das Auftreten eines gastrotoxischen Prodromalstadiums verantwort- lich zu machen ist. Es liegt nahe, daran zu denken, daß prinzipiell die- jenigen Fälle, bei denen es sich um sog. indirekte Kontaktinfcktionen, d, h. also um die landläufigen Nährungsmittelvergiftungen handelt, auch bei Infektionen mit dem echten Paratyphus B Schottmüller, die Voraus- setzungen zur Entwickelung eines akuten gastrointestinalen Vorstadiums in sich sch.ießen, weil hier neben einer ungewöhnlich großen Bakterien- menge auch noch zugleich die bakteriellen Zersetzungsprodukte innerhalb des Nahrungsmittels mit in den Magendarmkanal eingeführt werden. Bei den sporadischen Fällen von Paratyphus abdominalis dagegen, bei denen

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es sich in der Regel wohl um Kontaktinfektionen von Mensch zu Mensch handelt, ohne daß im Einzelfall die Infektionsquelle mit Sicher- heit zu ermitteln wäre, scheint das gastroenteritische Initialstadium in der Regel zu fehlen. Zweifellos gibt es unter den Fällen mit gastroen- teritischem Beginn eine ganze Reihe, bei denen es nicht zur Entwicklung eines echten Paratyphus abdominalis kommt, wo eben der Paratyphus B Schottmüller in dem betreffenden Organismus nicht die Voraussetzungen für die Erzeugung des sonst für ihn charakteristischen Krankheitsbildes findet.

Bei den Infektionen mit den Erregern der Enteritis-Gruppe, gleich- gültig ob es sich um den Bazillus enteritidis Breslau oder um das vou Gärtner entdeckte Stäbchen handelt, liegen aber die Verhältnisse doch durchweg so, daß ein infiziertes Nahrungsmittel, in der Regel ohne Schwierigkeit, als Infektionsquelle festgestellt werden kann; diese Be- dingungen für die Entwickelung der akut einsetzenden Infektionen bilden also bei den Enteritiserregern die Regel, während sie bei den durch Nahrungsmittel vermittelten Infektionen mit den Schottmüller Stäm- men als die Ausnahme zu gelten haben. Wenn also der Paratyphus B Schottmüller unter gelegentlichen, besonderen Bedingungen ein Krank- heitsbild entwickelt, welches in einem Teil der Symptome demjenigen entspricht, welches bei den Enteritis-Bakterien die Regel darstellt, so ist es m. E. ebensowenig gerechtfertigt, aus einer gelegentlich auftreten- den Gleichheit im Krankheitsbild eine Identität des Paratyphus B Schottmüller und des Bazillus enteritidis Breslau abzuleiten, wie es nach den Grundsätzen von Fränkel und Much nicht zulässig sein soll, aus. dem Unterschied der Krankheitsbilder auf den Unterschied der jeweils in Frage kommenden Erreger zu schließen.

Rein epidemiologisch möchte ich in Uebereinstimmung mit Reiner Müller betonen, daß, auch nach unseren Erfahrungen, die Fälle vom Paratyphus B abdominalis gegenüber den Fällen von akuter Gastro- enteritis zahlenmäßig ganz bedeutend überwiegen, und daß wir in den letzteren Fällen, wo es sich durchweg um Fleischvergiftungen han- delte, in der Ueberzahl der Fälle den Bazillus enteritidis Breslau und nur ganz vereinzelt den Bazillus enteritidis Gärtner feststellen konnten. Ich möchte es aber der Vollständigkeit halber noch erwähnen, daß uns ganz vereinzelt auch Fälle begegnet sind, bei denen eine in Gestalt einer akuten Enteritis verlaufende Abortivinfektion mit dem Para- typhus B Schottmüller vorlag, neben anderen Fällen, bei denen der Paratyphus abdominalis mit einem akuten gastroenteritischen Stadium eingesetzt hatte.

Zum Schluß möchte ich noch kurz auf die epidemiologisch bedeut- same Epidemie von Ueberruhr eingehen, die angesichts der Ein- heitlichkeit der beim Menschen erzeugten Erkrankungen und im Hinblick auf ihren klaren Zusammenhang mit einer Hammelepizootie geradezu die Bedeutung eines klassischen Experimentes für die Frage der Typen trennung beanspruchen könnte, wenn anders es auf Richtigkeit be- ruht, daß die fraglichen Keime die in der Originalarbeit von H. Bruns und Gasters als Paratyphus B Bazillen angesprochen wurden, als An- gehörige des Enteritis-Typs zu identifizieren sind. Einer so großen Zahl von Erkrankungen gegenüber müßten Einzelfälle, wie sie Fränkel und Much oder auch Holm und Lewy mitgeteilt haben, an Bedeutung verlieren, da sich in diesen zahlreichen Fällen von menschlichen Er- krankungen doch wenigstens bei einem Bruchteil der Erkrankten die

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Bedingungen hätten finden müssen, die die Entwickelung cines typhösen Krankheitsbildes ermöglicht hätten, wenn anders die fraglichen Er- reger im Sinne von Fränkel und Much in der Lage wären, ein typhöses Krankheitsbild zu erzeugen.

Nach den Angaben von Bitter und entsprechend einer Bemerkung im Lehr- buch von Heim hat es sich bei den fraglichen Stämmen der Epidemie von Ueberruhr unzweifelhaft um Vertreter der Enteritis-Breslaugruppe gehandelt. Jedenfalls spricht Bitter in seiner gemeinsam mit Holtz veröffentlichten Arbeit „über die Be- deutung der Typentrennung‘ die Anschauung aus, daß es sich nicht wie Bruns und Gasters angegeben haben, um ein Paratyphus B-Bakterium handelte, daß vielmehr der Erreger der Enzootie von Ueberruhr von ihm selbst, sowie von Manteufel und Beger einwandfrei als ein Breslaustäbchen sichergestellt worden sei.

Da es mir wünscheuswert erschien, den Erreger einer epidemiologisch so bedeut- samen Massenerkrankung auch aus eigener Anschauung kennen zulernen, wandte ich mich an Herrn Prof. Bruns in Gelsenkirchen und erhielt auf meine Bitte 3 Agar- kulturen aus der fraglichen Epidemie überlassen, die mit der Bezeichnung Hammel- paratyphus Wenne, Hammelparatyphus aus Galle und Hammel- paratyphus Nr. 689, versehen waren. Herr Prof. Bruns bemerkte mir auf meine Rückfrage über seine Auffassung betreffs Zugehörigkeit der fraglichen Stämme zum Typus Breslau, daß er dieselben wohl als zum Breslautyp gehörig erachte, da die in Frage kommenden Bakterien, so weit er sich erinnere, keine Wallbildung ge- zeigt hätten. Bezüglich der Tierpathogenität bemerkte Herr Prof. Bruns in dem betreffenden Brief, vermutlich irrtümlich, daß nach seiner Erinnerung eine Tier- athogenität seinerzeit nicht bestanden habe. Eine Identifizierung der fraglichen

tämme nach den Grundsätzen von Bitter sei allerdings damals nicht erfolgt, da die bekannte Makrelenarbeit von Bitter erst einige Wochen nach Veröffentiichung der Befunde aus der Epidemie von Ueberruhr erschienen sei. Bitter selbst konnte bekanntlich die Tierpathogenität bei seinen späteren Versuchen einwandfrei feststellen.

Wenn ich angesichts dieser scheinbar eindeutigen Sachlage doch noch einmal auf die Frage des Erregers von Ueberruhr zurück- komme, so sehe ich die Veranlassung dazu darin, daß mir die Ueber- prüfung der genannten drei, mir freundlichst überlassenen, Ueberruhr- Stämme eine erhebliche Ueberraschung brachte.

Als ich nämlich, einer seit längerer Zeit geübten Gepflogenheit folgend, die Stämme vermittels Aussaat auf Agarkulturen zur Auf- spaltung brachte, bot sich mir bei den einzelstehenden, zunächst bei 370 bebrüteten und dann bei Zimmertemperatur gehaltenen, Kolonien das Bild der ausgesprochensten Schleimwallbildung zunächst bei zwei Stäm- men, und dann nach einer Wiederholung der Aussaat auch bei dem dritten Stamm. Auch als ich von den einzelnen Stämmen von einer Einzell-Kultur ausgehend auf dem Wege über eine 24stündige Bouillon- kultur Makrokolonien auf den verschiedensten Nährböden zur Ent- wickelung brachte, bot sich mir das Bild ausgesprochenster Schleim- wallbildung. Ich habe die Versuche bis in die neueste Zeit herein zu den verschiedensten Zeiten und unter den verschiedensten Bedingungen wiederholt, stets mit dem gleichen Ergebnis, daB sich die Stämme im Prinzip als typische Schleimwallbildner erwiesen, wobei es allerdings, bald bei dem einen, bald bei dem anderen Stamm in Erscheinung trat, daß die Schleimwallbildung gelegentlich versagte, was mir angesichts des beträchtlichen Alters der Kulturen, im Hinblick auf die sonst an älteren Laboratoriumskulturen gesammelten Erfahrungen, nicht weiter verwun- derlich erschien (vgl. Fig. 10 u. 11). |

Agglutinatorisch reagierten die fraglichen 3 ‘Stämme stark mit einem unter Verwendung eines typischen Schottmüller-Stammes her- gestellten Serums und wurden außerdem gleichzeitig durch Serum, welches mit dem Stamm „Knabe Reisner“ hergestellt war, bis zu dessen Titergrenze, in gleicher Weise wie der homologe Stamm, agglu-

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tiniert. Die Versuche, eine eventuelle Rezeptorengemeinschaft mit den Stämmen des Suipestifer-Typs festztstellen, ist bislang fehlgeschlagen und zwar in gleicher Weise bei Agglutinationsversuchen mit dem Sui- pestifer-Serum (Stamm 11), wie umgekehrt bei den Versuchen, die Sui- pestifer-Stämme agglutinatorisch durch ein Serum zu beeinflußen, wel- ches mit dem Hammelparatyphus Stamm Wenne gewonnen war.

Leider haben die bisher ausgeführten Pathogenitäts-Prüfungen su schwankende Ergebnisse gezeitigt, daß ich mich zunächst nicht im Stande sehe. die Stämme, die ich zunächst für tierische Stämme ang- sprechen möchte, in die eine oder andere Gruppe der Paratyphazeen ein- zureihen. Ich habe mir schon die Frage vorgelegt, ob bei der groben Epidemie in Ueberruhr vielleicht doch nicht die angenommene Ein- heitlichkeit bezüglich des vermuteten Erregers bestanden hat, wenn an- ders ich nicht annchmen soll, daß es sich bei dem von mir bzw. von Bitter oder Manteuffel geprüften Stämmen, um Kulturen ver- schiedener Provenienz handelt, von denen die eine oder die andere Gruppe irrtümlich in Beziehung zu der Epidemie in Ueberruhr ge- bracht worden ist.

Vielleicht sind weitere vergleichende Untersuchungen in der Jage., den Zwiespalt zu klären, der durch meine Befunde in das ätiologische Problem der Epidemie von Ueberruhr hineingetragen wird. ---

Nachtrag bei der Korrektur.

In der Zwischenzeit hatte Herr Prof. Bitter die Liebenswürdigkeit, die ibn überlassenen Kulturen der oben erwähnten, angeblich aus der großen Ueberruhr- Epidemic stammenden, Kulturen zu überprüfen. Herr Bitter hat meine objektiven Befunde im Prinzip betätigt und die fragichen Stämme auf Grund seiner Prüfung als Kulturen des Paratyphus B angesprochen. Gleichzeitig hatte Herr Bitter die Liebenswürdigkeit, mir 2 weitere, ebenfalls aus der Ueberruhr-Epidemie stammende Kulturen zur Verfügung zu stellen, die er selbst als Breslaustämme angesprochen hatte, und die, auch nach unseren bisherigen Feststellungen, als Breslaustämme zu gelten haben. Ich habe schon weiter oben bemerkt, daß es nicht ausgeschlossen er- scheint, daß es sich bei den von mir bzw. von Bitter geprüften Stämmen um Kul- turen verschiedener Provenienz handelt, von denen die eine oder andere Gruppe irrtümlich in Beziehung zu der Epidemie in Ueberruhr gebracht worden ist. Her Prof. Bruns selbst scheint übrigens der Auffassung zuzuneigen, daß es sich bei den mir übersandten Kulturen, angesichts der Ergebnisse von Bitter und Manteufel. um eine Verwechslung nb seines Laboratoriums handeln müsse, eine Auf- fassung, die manches für und manches gegen sich hat. Angesichts der Tatsache, das die fraglichen Stämme seinerzeit während der großen Epidemie nicht nach dei Prinzipien der Kieler Schule differenziert worden sınd, wird sich die Identität der von Bitter und Manteufel untersuchten Stäinme mit den wirklichen Erregern der EÉpizootie von Ueberruhr vielleicht ebenso wenig beweisen lassen, wie sich die Zu- vehörigkeit der von mir geprüften Stämme zur fraglichen Epidemie nicht mit Sicher- heit in Abrede stellen läßt. Soweit mir Herr Prof. Bruns mitteilte, befinden sich einwandireie Originalkulturen der Hatmmeiepizootie von Ueberruhr im Kralschea Laboratorium in Wien, mit deren Hilfe sich der Identitätsnachweis der Erreger der Épizootie von Ueberruhr vielleicht in einwandfreier Weise erbringen ließe. lınmerhiu ist durch meine einschlägigen Befunde ein Moment bedenklicher Unsicherheit in die Beweiskraft jener großen Epidemie gebracht worden und wir werden, angesichts soleher widersprechender Ergebnisse, erneut daran gemahnt, wie vorsichtig wir bei der Bewertung von Befunden sein müssen, die sich bei der Prüfung alter Labo- ratoriumskulturen ergeben.

Centralblatt für Bakteriologie Abt. I. Orig. Bd. 97 (Beiheft).

Po

Verlag von "74

Graetz, Paratyphus-Enteritisfrage.

Fig. 8.

Fig. 7.

Fig. 6c.

Fig. 11.

Fig. 9.

-+sischer in Jena.

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Erklärung der Tafelabbildungen.

Fig. 1 u. 2 Kolonien des Bac. Paratyphus B Schottmüller (typische Schleim- wallbilduer).

iig. 3. Kolonie des Bac. enteritidis Breslau (keine Schleimwallbildung).

Fig. 4. Bac. enteritidis Gärtner, schleimwallbildender Typ vom Kalb.

Fig. 5. Bac. enteritidis Gärtner (Stamm E. 5087 Hyg. Inst. Göttingen). An- geblich aus einem Mäusevertilgungsinittel stammend. Makrokolonie auf gewöhnlichen: Agar, ohne Anzeichen von Schleimwallbiidung.

Fig. 6. Mischkultur aus Bac. enteritidis Gärtner vom Kalb (Fig. 4) und Bac. enteritidis Gärtner (Mäusevertilguugsmittel; Stamm E. 5087 llyg. Inst. söttingen) Fig. 5. f

Fig. Ou. Gürtaerstamm E. 5057 Göttingen auf Gassnerschem Dreifarbeu- ‚ährboden mit Entwicklung eines septierten Schleimwalls.

Fig. 6b. Mischkultur aus Bac. enteritidis Breslau und Bac. Paratyphus B Schottmüller. Die Kolonie zeigt überwiegend Breslaustruktur, nur im rechten oberen Quadranten erscheint die Kolonie wie umgeschlagen und zeigt beginnende Schleim- wullentwicklung.

Fig. 6c. Mischkultur vom Paratyphus B-Schottmüller (Schleimwallbildner und Bac. enteritidis Breslau (Stamm Knabe Reisner). Die Aufnahme stammt von der Gelatineplatte und ist mit durchfallendef Licht ausgeführt.

ig. 7. Stamm 11 Eppendorf 1924 (angeblich tierpathogener Paratyphus B Schottmüller, in Wirklichkeit Suipestiferstamm vom Typus Bernhard); typischer Schleimwallbildner. |

Fig. 8. Mischkultur zwischen Stamm 11 Eppendorf und Enteritisstamm E. 855 Hyg. Inst. Göttingen.

Fig. 9. Vergrößerte Aufnahme der Doppelkolonie aus Fig. 8.

Fig. 10 u. 11. Hammelparatyphusstamm 689. Originalkultur des Hyg. Inst in Gelsenkirchen. Typischer Schleimwallbildner; angeblich aus der großen Ueber- ruhrepidemie stammend.

Vorsitzender: Bürgers (Düsseldorf). 3. G. Elkeles (Charlottenburg ): Zur Typentrennung und Pathogenität in der Paratyphusgruppe.

Ich möchte Ihnen im folgenden über experimentelle Unter- suchungen auf dem Gebiet des Paratyphus berichten, die sich mit verschiedenen Kulturphänomenen und Fütterungsversuchen an der weißen Maus befassen und auch Fragen aus der Epidemiologie streifen. Dabei soll besonders die von der Kieler Schule aufgestellte Lehre be- rücksichtigt werden. Sie wissen, daß in den letzten Jahren ein Streit darüber entstanden ist, ob oder inwieweit die Kieler Lehre zutrifft und ob zu ihren Gunsten die alte Bollinger-Schottmüllersche Einteilung der Paratyphen in Paratyphus abdominalis und Grastroen- teritis paratyphosa verlassen werden soll.

Solange der Streit der Meinungen bei jedem neuen mitgeteilten Fall einer Abweichung vum Kieler Schema sich in Disputationen erschöpfte, war bei

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der bekannten Vieldeutigkeit medizinischer Fragen eine Klärung nicht zu erhoffen. Dagegen schien es aussichtsreicher, die Frage vom exakten Kultur- und Tierexperiment aus anzugehen und sie damit auf den sichereren Boden exakter For- schung zu stellen.

Zu diesem Thema beschäftige ich mich hier nur mit der differential-diagnostischen Bedeutung der Wallbildung und des Fütterungsversuchs, den Hauptstützen der Kieler Lehre. Wenn sich zeigen läßt, daß im exakten Laboratoriumsversuch die wall- lose in eine wallbildende Form und die apathogene in eine pathogene Form mit gleichem Krankheitsbild, gleichen pathologischen Veränderun- gen und gleichem Kulturbefund übergeführt werden kann, dann wäre für die abweichenden Verlaufsformen, die nun schon in nicht geringer Zahl und in einwandfreier Weise festgestellt sind, eine exakte experimentelle Grundlage geschaffen.

Geht man davon aus, daß die Abweichungen vom Kieler Schema offenbar sehr erheblich in der Minderzahl sind, so kommt man zu der Vermutung. daß die abnormen Verlaufsformen, die an sich nicht bezweifelt werden können, vielleicht durch besondere Begleitumstände bedingt sind. Diese besonderen Verhältnisse können eutweder in dispositionellen Faktoren de& infizierten Organismus liegen oder sie müssen den infizierenden Keim und die infizierte Speise betreffen. Meine Versuche beschäftigten sich daher mit solchen „pathogenitätssteigernden Hilfsursachen“ im Tier und im infizierenden Futter. Sie erstreckten sich, was den letzteren Punkt anbelangt, namentlich auf dreı praktisch wichtige Einflüsse, denen infizierte Nahrungsmittel sehr häufig ausgesetzt sind: nämlich auf die Bedeutung der Gewitteratmosphäre, der Ab- kühlung durch Eis und des Einsalzens. Einflüssen dieser Art könnte, worauf hin- sichtlich des Eises schon Bitter aufmerksam gemacht hat, auch eine epidemio- logische Bedeutung zukommen.

Das Wallbildungsphänomen.

Da das Phänomen der Wallbildung durch die Entwicklung der letzten Zeit in den Mittelpunkt der Typentrennungsfrage gestellt. ist, erscheint es angezeigt, sich mehr als bisher mit dem Wesen der Wallbildung zu beschäftigen. Die Wallbildung erfolgt nur beim Uebergang von Brut- zur Zimmertemperatur. Man könnte daher glau- ben, dab die darin liegende Verschlechterung der Kulturbedin- gungen dabei das Wesentliche ist. Das ist aber offenbar nicht der Fall, da alle Zeichen darauf deuten, daß die Wallbildung erhöhte Ansprüche an den Nährboden stellt. Mithin scheint das Wesen des Temperatur- wechsels in einem thermischen Reiz zu liegen. Dann gibt es also wahrscheinlich auch andere Reize, z. B. chemische und physikalische?

Das ist in der Tat der Fall: ein chemischer Reizstoff von hervor- ragend walltreibender Wirkung ist das Kochsalz. Mit zunehmender NaCl- Konzentration steigt die Wallbildung, bis das Wachstum aufhört, mit fallender sinkt sie bis zum völligen Ausbleiben des Walles. Aehnliche Wirkungen kann man auf physikalischem Wege durch Aenderung der Wasserstoffionen-Konzentration (Salzsäure-Bouillon) erzielen, so dab in solcher Bouillon gewachsene wall-lose Typen, auf normalen Agar gebracht, mit Wall wachsen. Dabei ergab sich im besonderen die wichtige Tatsache, daB die Wallbildung auf Kochsalzagar bei allen Spielarten des Paratyphus, also auch bei den wall-losen Breslaubakterien statthat. Es erweist sich damit, daß auch den wall-losen Paratyphustypen das potentielle Ver- mögen zur Wallbildung zukommt. Das aber stützt die Auf-

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fassung, daß es sich hinsichtlich der Wallbildung bei den Breslau- bazillen nur um eine Verlustvariante des Paratyphus B- Bazillus handelt. Wie der ,Reiz des Kochsalzes und der geänderten H-Ionen- Konzentration, so können vielleicht auch Reize anderer Art im Körper das Entstehen einer Wallform fördern, so daß die frische (originale) Kultur des Erregers eine Wallform vor- täuschen kann. Auf diese Weise läßt sich vielleicht das Vor- kommen abweichender Befunde bis zu einem gewissen Grade erklären.

Im übrigen kann die Züchtung auf Kochsalzagar, wenn die Wall- bildung bei einer bestimmten Konzentration (anscheinend 2—21/,0/,) nur der Paratyphusgruppe eigen ist, vielleicht diagnostisch zur Er- kennung atypischer Paratyphusstämme sich als nützlich erweisen.

Die Radiärstreifung des auch bei Coli-Kolonien in Stuhlausstrichen oft vorhandenen Schleimwalles ist nichts Spezifisches, sondern offen- bar ein statisches Phänomen und an die Kreisform der Kolonie ge- bunden. Wahrscheinlich sind die radiären Streifen durch die sich in der Wallzone aus räumlichen Gründen radiär längs aneinander legenden teratologischen Bakterienfäden hervorgerufen. (Versuche der Färbung des Koloniebildes durch Fixierung nach v. Wasielewski).

Zur differentialdiagnostischen Bedeutung der Wall- bildung ist zu sagen, daß die hierauf aufgebaute Typeneinteilung der Kieler Schule für die Originalkulturen aus Nahrungsmitteln oder Exkreten in der Regel zutrifft. Aber Ausnahmen kommen vor, und beim Experimentieren vollends hört in Kulturen und in Tierpassagen die Regelmäßigkeit auf. Nur ein Beispiel sei angeführt. Der als der Erreger der Görbersdorfer Breslau-Epidemie (aus der Milz des ver- storbenen Oberarztes) von Kathe frisch herausgezüchtete Stamm war mir freundlichst als Agarstichkultur überlassen worden. In wochen- langen Kultur- und Tierpassagen war der Stamm immer wall-los ge- blieben. Als nach 31/, Monaten wieder einmal vom Originalstichröhr- chen abgeimpft wurde, traten einwandfreie Wälle auf. Mit diesem Stamm wurde eine Maus gefüttert. Sie starb nach 6 Tagen, und die aus den Organen gezüchteten Breslaubakterien zeigten wieder Wall- bildung. Die prinzipielle Bedeutung einer solchen Beobachtung scheint. nicht gering. Kommt ein Stamm dieser Art wieder in die Außenwelt, dann muß man auf Grund seiner unverminderten Pathogenität annehmen, daß er Nahrungsmittelvergiftungen erzeugen kann. ln einem solchen Falle würde dann aber wahrscheinlich ein zunächst wallbildendes Breslau- bakterium als der Erreger herausgezüchtet werden!

Die Fütterungsversuche.

Paratyphus B-Bazillen sind bei Verfütterung an weiße Mäuse nicht apathogen. Sie führen vielmehr in der Regel eine Erkrankung herbei, die jedoch nicht oder in ganz anderer Weise zum Tode führt als die Breslauinfektion. Auf den grundsätzlichen Unterschied des bei B-In- fektion fehlenden, bei Breslau-Infektion eintretenden septikämischen Todes im Verlauf von etwa 5—12 Tagen hat die Kieler Schule auf- merksam gemacht und baut besonders auf diesem Unterschied die

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Typentrennung auf. Dieser Unterschied trifft auch in der Tat mit derselben Regelmäßigkeit zu, wie die ebenfalls der Kieler Schule zu ver- dankende Feststellung, daß bei den typhösen Krankheitsbildern die B- ‚Form, bei den reinen gastro-enteritischen die Breslau- und Gärtner-Form als Erreger gefunden wird. Die Kieler Schule leugnet aber, daß rein gastroenteritische Krankheitsbilder auch durch den B-Bazillus und typhöse Krankheitsbilder auch durch den Breslaubazillus hervorgerufen werden können, und erkennt keine der schon ziemlich zahlreichen klinischen Beobachtungen dieser Art an. Läßt sich im exakten Tier- experiment aber nachweisen, daß die gekreuzten Krankheitsbilder ın der Tat entstehen können, dann muß doch wohl auch zugegeben werden, daß dasselbe in der menschlichen Pathologie möglich ist; denn man darf den Tierversuch nicht nur da als zwingend bezeichnen, wo sein Ausfall die Erwartung bestätigt.

Dieser Nachweis ist durch meine Versuche erbracht worden. Durch Verfütterung von B-Bazillen läßt sich gelegentlich ohne erkennbare Ursache oder aber durch artifizielle (z. B. Hungern) oder physiologische (Gravidität) Traumen, durch besonderes Futter, durch eine Reihe von anderen Hilfsursachen (s. u.) sowohl eine akut-toxische, wie eine spättoxische wie auch eineakut septikämische Ver- laufsform vom genauen Ebenbilde der Breslauinfektion erzeugen. Ebenso kann umgckehrt die Breslau-Infektion zu einem akut- toxischen, nicht von der entsprechenden B-Infektion zu unterscheiden- den Krankheitsbilde führen. Die chronisch-toxische und spättoxische Form der B-Infektion habe ich mit Breslaubazillen, da ich nur mit vollvirulenten, frischen Stämmen arbeitete, experimentell nicht er- zeugen können. Daß derartige Verlaufsformen jedoch vorkommen, halte ich nach den mit Stämmen mittlerer und geringer Virulenz aus- geführten Fütterungsversuchen Max Müllers (C. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 62. S. 335) für erwiesen.

Durch diese Unterschungen haben die in der Literatur bekannt gewordenen und die von mir selbst beobachteten klinischen Abweichun- gen!) vom Kieler Schema eine feste experimentelle Stütze erhalten. Es kann danach noch weniger als vorher daran gezweifelt werden, daß in ein und derselben Epidemie durch denselben Erreger verschiedene Krank- heitsbilder ausgelöst werden können und daß Einzel- oder Gruppenerkran- kungen an Paratyphus nicht notwendig unter dem die Regel darstellen- den Bilde verlaufen müssen. Es bestehen daher meines Erachtens Be- denken gegen den Vorschlag der Kieler Schule, die Artbezeichnung „Paratyphus“ bei den enteritischen Formen abzuschaffen. Man wird sich dazu auch darum schwer entschließen können, weil die Breslau- bazillen biologisch so weitgehende Uebereinstimmung mit dem B-Bazillus haben und, wie oben bereits betont wurde, vermutlich nur eine Variante des B-Bazillus darstellen. Der Streptococcus viridans z. B. wird von Schottmüller als selbständige Art angeschen, die nach ihm ein nur ihr zukommendes Krankheitsbild hervorruft. Darum verlangt Schottmüller aber nicht, daß die Artbezeichnung ‚‚Streptococcus“ beim Viridanstyp unterbleiben solle. Ebensowenig sollte man für den Breslaubazillus die Bezeichnung Paratyphus abschaffen, da die Be- nennung eines Bazillus nicht nur nach klinischen, sondern auch nach naturwissenschaftlich -systematischen Gesichtspunkten erfolgen muß.

1) Den Nachweis im einzelnen muß ich der ausführlichen Mitteilung vorbehalten.

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Endlich ist bei der Benennungsfrage noch zu berücksichtigen, daß die typische typhöse, durch den Paratyphus B- Bazillus hervorgerufene Erkrankung in einem hohen Prozentsatz mit einer akuten Gastroenteritis beginnt, die kein Arzt von der Gärtner- oder Breslauenteritis unter- scheiden kann. Der Baziluls ist vielleicht am besten gekennzeichnet, wenn man ihn Bacillus paratyphosus enteritidis Breslau (Kaensche) nennt.

Ueber pathogenitätssteigernde Hilfsursachen.

Wiederholt ist beobachtet worden, daß eine infizierte Speise, die frisch genossen unschädlich war, nach längerem Stehen schwere Er- krankungen auslöste, oder daß die Giftigkeit” einer Speise nur Teile betraf, oder daß eine Speise, in verschiedener Weise genossen, ver- schiedene Wirkung hatte o. ä. Es ist also anzunehmen, daß cs patho- genitätssteigernde Hilfsursachen gibt, denen vielleicht auch eine epi- demiologische Bedeutung zukommt. Solche pathogenitätssteigernde Hilfs- ursachen habe ich in der Gewitteratmosphäre, in der Aufbewahrung der Speisen auf Eis und dem Einsalzen gesucht. Alle diese Einflüsse habe ich experimentell geprüft und dabei am zuverlässigsten die pathogenitäts- steigernde Wirkung des Kochsalzes, weniger sicher die des Eises und der Gewitteratmosphäre gefunden. Dabei wurden alle unnatürlichen Verhältnisse nach Möglichkeit vermieden, es wurde vielmehr angestrebt, unter möglichst natürlichen Bedingungen zu arbeiten. Auch hier müssen bei der Subtilität der Versuchsanordnungen alle Einzelheiten der aus- führlichen Mitteilung vorbehalten bleiben.

4. F. Weigmann (Kiel): Ueber den Erreger von Paratyphus C.

Im Jahre 1916 gelang es Neukirch und Weil und Saxl, un- abhängig voneinander, ersterem in der Türkei, letzteren in Wolhynien und Albanien, aus eigenartigen Krankheitsfällen ein Paratyphus B- ähnliches Stäbchen zu isolieren, das sich bei näherer Prüfung sero- logisch dem Suipestifer-Voldagsen als am nächsten verwandt erwies und als Bact. Erzindjan (Neukirch) oder paratyphi ß (Weil) bzw. paratyphi C (Bitter, Andrewes und Sheffield) bezeichnet wurde.

Gezüchtet wurden die Stäbchen aus Blut, Stuhl und Urin, sowie aus den Organen der Verstorbenen. Das durch diese Erreger hervorgerufene Krankheitsbild ist, nach den Angaben der Autoren zu urteilen, nicht einheitlich. Während Weil und Saxl von einer typhös-septischen Erkrankung berichten, unter- scheidet Neukirch außerdem noch eine zweite Form mit ruhrartigem Verlauf. Die Epidemiologie der Erkrankung ist ungeklärt. Nach Neukirch ist eine Nahrungsmittelvergiftung möglich, aber nicht sichergestellt, Uebertragung von Mensch zu Mensch möglich. Insbesondere aber betont Neukirch, daß das Schwein als Ueberträger nicht in Frage kommen könnte, da in der fraglichen Gegend Schweine überhaupt nicht gehalten würden. Neuerdings sind aus Rußland ähnliche Krankheits- bilder im Zusammenhang mit einer Rekurrensepidemie oder an sie anschließend be- kannt geworden (Sütterlin, Sokolow u. a.). Es handelt sich auch hier um schwere

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Herrn Oberregnserungcrat Manteufel aus dem Reichsgesur.ilerisunt und des Herrn Prof. Schiff verdanken, haben wir von Herm Pwi. Zr an Moskan noch 9 Stamme zur Verfügung gestellt bekommen. Ge- ‘et wurde zuerst tmit den alten, von Neukirch, Weil und Saxl

u Bakterien, später auch mit den Zeißstämmen. Suipestiter-

11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925. *301

stämme standen uns aus eigener Sammlung in reichlicher Menge zur Verfügung.

Es sei hier eine kurze Bemerkung über die Bezeichnung „Paratyphus C“ einge- flochten. Wir halten diese Bezeichnung nach dem Vorbilde von Bitter, An- drewes, Sheffield u. a. deswegen für angebracht, weil es sich um eine typhöse Erkrankung handelt, die als dritte ihrer Art dem Paratyphus A und B anzureihen ist. Der Name Paratyphus C scheint uns also logischer zu sein als der von Weil und Saxl gewählte Paratyphus ß. Der Erreger dieser Krankheit ist demnach mit Bact. paratvphi C zu bezeichnen. Wir sind uns wohl bewußt, daß dieser Name bereits vor Jahren von Uhlenhuth und Hübner angewandt worden ist. Diese Autoren verstehen darunter aber weder ein bestimmtes Bakterium noch eine schärfer umschriebene Gruppe von Erregern, sondern alle die Paratyphus B-ähnlichen Stäb- chen, die durch Paratyphus B-Serum nicht agglutiniert werden. Darunter kann sich natürlich alles Mögliche verbergen. Diese Bezeichnung ist damals wohl auch mehr ein tee E gewesen. Ileute werden die genannten Autoren wohl auch nicht mehr an dieser Auffassung des Begriffes „Paratyphus C“ festhalten. Es ist daher nur logisch, wenn wir jetzt diese Bezeichnung für den von Neukirch ent- deckten Erreger einer besonderen typhösen Erkrankung, den er nach dem Fundort vorläufig mit Bact Erzindjan, Weil und Saxl als Bact. paratyphi ß bezeichnet haben, verwenden.

Sämtliche Stämme wurden nun zunächst kulturell und im Tier- versuch geprüft. Sie wuchsen auf den von uns benutzten Chinablau- nährböden als große farblose Kolonien von Paratyphus-Charakter. Das Wallbildungsvermögen war bei den meisten Paratyphus C- und Sui- pestiferstämmen verloren gegangen. Nur einige wenige zeigten noch mikroskopisch wahrnehmbare Wälle (Strichelung der Randzone). Nach Tierpassage gewann eine Anzahl von Suipestiferstämmen das Wall- bildungsvermögen wieder. Auf der bunten Reihe verhielten sie sich sämtlich wie Paratvphus B, d.h. sie bildeten Gas in Traubenzuckeragar und kein Indol. Chinablaumolke wurde gebläut und schwach getrübt. Bei den Glässer-Voldagsenstämmen konnten wir eine Variabilität insofern feststellen, als ein Stamm das Gasbildungsvermögen und die Bläuung der Chinablaumolke vermissen licß, während die anderen sich von Paratyphus B und Suipestifer Kunzendorf nicht unterschieden. Der Umschlag in Chinablaumolke, auf den Neukirch als Unterscheidungs- mittel des Paratyphus C vom Suipestifer hinweist, trat nicht mehr in so ausgesprochener Weise zutage. Zwar schlugen sämtliche Paratyphus C-Stämme um, aber teilweise erst nach 3 Wochen die jüngeren russischen Stämme nach 5—8 Tagen aber auch einige Suipestifer- stämme zeigten in der angegebenen Zeit den Umschlag ins Alkalische, während allerdings der größere Teil ihn vermissen ließ. Ebenso erwiesen sich sämtliche Paratyphus C-Stämme (bis auf zwei russische) und sämt- liche Suipestiferstämme (bis auf zwei Voldagsenstämme) als fütterungs- pathogen für weiße Mäuse. Aus Herzblut und den Organen konnten die Erreger wieder gezüchtet werden.

Während also auf kulturellem Gebiete eine Unterscheidung und ge- nauere Identifizierung des Paratyphus C-Erregers nicht möglich war, zeitigte die serologische Untersuchung sowohl mit alten Laboratoriums- seren als auch mit frisch hergestellten Kaninchen-Immunseren zunächst einmal folgendes Ergebnis (Tab. I):

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Tabelle I. Agglutiniert mit Serum

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Gärtner 5 1ele 68 10 68 25 5 ee

Breslau 25 0 0 0 0 e 0 10 8 1 100

Wegen Raummangels ist in dieser Tabelle nur ein Teil der untersuchten Stämme

Von einem aus dem Stamm Erzindjan!) hergestellten Serum wurde außer dem Eigenstamm Erzindjan nur noch der Stamm Erison ag- glutiniert, alle übrigen Paratyphus C-Stämme nicht. Die letzteren wurden sämtlich von einem, aus einigen von ihnen hergestellten, poly- valenten Serum agglutiniert. die beiden erstgenannten Stämme Erzindjan und Erison wurden jedoch von diesem Serum nicht beeinflußt. Da- gegen wurden sie vom Gärtnerserum bis zu 50 Proz. des Endtiters ag- glutiniert, während die übrigen Stämme keine Agglutination durch Gärtnerserum aufwiesen. Diese wurden wiederum vom Suipestifer Kunzendorf-, Glässer-, Bernhard-, und vor allem Voldagsenserum meist hoch agglutiniert, nicht aber die beiden Stämme Erzindjan and Erison. Vom Paratyphus B-Serum wurden im Gegensatz zu den Angaben an- derer Autoren sämtliche Paratyphus C-Stämme nicht agglutiniert. da- gegen zeigten einige Paratyphus C- und die meisten Suipestiferstämme eine mäßige Mitagglutination durch Breslauserum.

Wir haben also zwei serologisch gänzlich verschie- dene (ruppen des Paratyphus C-Erregers vor uns. Eine vertreten durch die Stämme Erzindjan und Erison. die Verwandtschaft zum Bact. enteritidis Gärtner besitzt, und eine andere, die sehr nahe mit dem Bact. Suipestifer bzw. Voldagsen verwandt, vielleicht mit ihm identisch ist. Wir bezeichnen nun im folgenden die erste Gruppe mit Paratyphus C,, die zweite mit Paratyphus C.. und ebenso die aus ihnen hergestellten

© D Es handelt sich hier um einen älteren Laboratoriumsstamm. der uns vor Jahren unter diesem Namen vom Reichsgesundheitsamt zugesandt war. »rselbe Stamm, mit dem Bitter gearbeitet hatte. 5. o.

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Seren. Dementsprechend verhalten sich auch die Suipestiferstämme den beiden Paratyphus C-Seren gegenüber. Vom Paratyphus C, -Serum werden sie so gut wie gar nicht agglutiniert, sehr hoch aber, häufig sogar bis zum Endtiter, vom Paratyphus C,-Serum. Entsprechend wird das Bact. enteritis Gärtner vom Paratyphus C,-Serum, wenn auch nicht so hoch wie im umgcekehrten Falle, agglutiniert, so gut wie gar nicht dagegen vom Paratyphus C,-Serum.

Nun ist es auch verständlich, warum Bitter von einer Verwandtschaft des Bact. paratyphi C mit dem Gärtnerbacterium sprechen konnte. Er hatte eben nur den einen als Erzindjan bezeichneten Stamm unserer Sammlung in Händen. Da: das Gros der ParatyphusC-Stämme (die meisten Neukirchstämme und die von Weil und Saxl) der C:-Gruppe angehören, sind andererseits die Untersuchungsbefunde von Weit und Felix und Schiff zu erklären. Sie haben offenbar nur mit Erregern dieser Gruppe gearbeitet. Woher die beiden Stämme Erzindjan und Erison, die so gänzlich aus dem Rahmen herausfallen, stamınen, wissen wir nicht. Daß es sich um echte Paratyphus C-Erreger handelt, ist doch wohl anzunehmen, da sie uns als Neukirchstämme zugegangen sind.

Neuerdings wird unser Befund, wie schon oben erwähnt, durch Sütterlin bestätigt, der eine Gruppe seiner russischen Stämme als Paratyphus N, bezeichnet, da sie durch Gärtnerserum bis zum End- titer agglutiniert wird.

Unter den uns aus Rußland zugesandten Stämmen konnten wir die gleiche Beobachtung machen. Die beiden mit N bezeichneten Stämme, die aus Tambow stammen, verhalten sich wie die Stämme Erzindjan und Erison, d. h. sie werden durch Paratyphus C,- und Gärtnerserum agglutiniert, während die übrigen, mit S bezeichneten Stämme (aus Saratow) und der Z-Stamm (von Zeiß aus Moskau) vom Paratyphus C,- und dementsprechend vom Suipestifer- und Voldagsenserum ag- glutiniert werden, also zur Paratvphus C,-Gruppe gehören (s. Tab. I).

Es galt nun, mit Hilfe der Rezeptorenanalyse von Weil und Felix die Art der Verwandtschaft der beiden Paratyphus C-Typen mit den ihnen nahestehenden Bakterien festzustellen. Zunächst wurden die Be- ziehungen des Paratyphus C, zum Bact. erteritidis Gärtner untersucht. Schon Bitter hatte darauf hingewiesen, daß das Bact. Erzindjan, das er in Händen hatte, mit dem Gärtnerbazillus die thermostabilen Rezep- toren gemeinsam habe. Folgender Absättigungsversuch gibt darüber Auskunft.

Versuch 1.

Absättigung eines Paratyphus C,-Immunserums mit Gärtuerbakterien, den eigenen Stimmen Erzindjan und Erison, und einem Stamm der Paratyphus C:-Gruppe (Wolhynien).

Technik: 10 ccm der Serumverdünnung 1: 100 werden mit dem abzentrifugierten Bodensatz der Abschwemmung von je 2 Schrägagarkulturen der genannten 4 Stämme versetzt und unter mehrfachem Aufschütteln 2 Stunden bei 370 gehalten. Dann wird zentrifugiert, und das überstehende klare Serum in steigenden Verdünnungen an- gesetzt mit Gärtner, Erzindjan, Erison und Wolhynien.

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Die Absittipung mit 100°- Bakterien ergibt im Grunde dasselbe uld,

Versuch 2. :

Technik wie oben, Nur werden die abgeschwemmten Bakterien 1/, Stunde auf IM" erhitzt,

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Tabelle III.

Aggluti- | Serum- Kontrolle nation „ver- Berum mit Stamm |dünnung unbehandelt

Gärtner 1: 500 Eu az 1: 1000 ar = sa 1: 2000 == Er 4 1: 5000 = = = = 1 :10000 si _ 2 ze Erzindjan |1: 500 grob | ++ grob | ++ grob | +++ grob| +++ grob 1: 1000 '++ ++ +++ und| +++ und 1: 2000 + + ++ fen | +++ fein 1: 5000 + + + ++ 1:10000 = ER NE = Erison 1: 500 ++ grob | ++ grob | +++ grob| +++ grob 1: 1000 ++ ++ +++ und +++ und 1: 2000 + + ++ fen | +++ fein 1: 5000 + + + ++ 1:10000 Le = Tes pa Wolhynien |1: 500 u ME = en á 1: 1000 = a RR. = 1: 2000 = == = > 1: 5000 A = En = . 1:10000 = ae Per =

Es bleiben für Gärtner auch nach Absättigung mit 1000-Bakterien keine Agglutinine übrig, während die homologen Stämme naturgemäß durchgehend grobflockend agglutiniert werden. Die Kontrolle zeigt wieder die feine Agglutination des Gärtnerstammes durch das un- behandelte Serum.

Tabelle IV. Güärtnerserum behandelt mit \ 2 .. Kein. (Route nation ä Phi lebende Bakterien | 100° Bakterien un i a M een, 22 t Diem nangi Erison | Gärtner | Erison | Gärtner | 7 Cran Erzindjan |1: 500 + + +++ fein 1: 1000 +— + +++ 1: 2000 = EL Er 1: 5000 _ = 55 = + 1: 10000 = = = ER er Erison 1: 500 + + +++ fein 1: 1000 = 2 + +++ 1: 2000 = ee u pF 1: 5000 = = er er + 1 : 10 000 paz = a 2 Gärtner |1: 500| +++ grob) |+++ grob| +++ grob| +++ grob 1: 1000| +++ +++ +++ +++ und. 1: 2000| +++ +++ +++ +++ fein 1: 5000! ++ = tr ++ FT 1:10000! + = + $ + Mustafa 1: 500 _ = er a => 1: 1000 ee er = | Is 1: 2000 = = zu = RR 1: 5000 = 1 : 10 000 EIA = = Erste Abt. Orig. Bd. 97 Beiheft. 20

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Versuch 3.

Pan Paratvnhia C -Serum wird agir mit den Sirestiierstimmez Ruda-

ei f und kugge IV, bode vom Typis Kizze.dertf. und dm bimi m2 Staz-m houstaa.

Terheik wie oben. Dann Azr'ırirarion mit eir!zen Paratyphus C:- und den genannten mugestlfersarmmen. niche Tan. V, 8. tan.)

Der Versuch zeigt, daß die beiden Suipestiferstämme für sich und allerdings auch für den Stamm Wolhvnien sämtliche Agglutinine aus dem Serum entfernt haben, nicht aber für die homologen Stämme Muntafa und Saji Abdurachman. Diese werden durch das abgesattigte Serum noch agsoutiniert, und zwar ist der Typus dieser Agglutination rein grobflockig. Der homologe Stamm Mustafa hat dagegen für alle yıopiülten Stamme sämtliche Agglutinine aus dem Serum heraus- genomien, Das unbehandelte Serum agglutiniert, wie aus der Kon- lle hervorgeht, alle Stämme bis zum Endtiter, und zwar, abgesehen

Un Stamm Wolhynien, grob und fein, weist also den Doppeltypus

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Tabelle V. Agglutiniert mit ou Paratyphus C,-Serum abgesättigt mit un Stamm ‚dünnung | Budapest B| Bugge IV | Mustafa |unbehandelt Mustafa 1: 500! ++ grob ++ grob _ +++ grob 1: 1000| ++ ++ = +++ und 1: 2000| ++ ++ = +++ fein |d: 5000| + + en ++ 1:1900| = = Hia Wolhynien Il: 500 a Er = +++ grob? 11: 1000 = +++ und 1: 2000 -- = ++ fein 1: 5 WU = + 1:10 000 Sali Abdurachman 1: 500! ++ grob ++ grob +++ grob LE LOU) ++ + + +++ und Il: 2000 + + +++ fein |1: 500)! + + = + 1:10000! + +— ma Budapest B 1: 500 +++ grob 1: 1000 A +++ und 1: 2000 +++ fein 11: 5000 ee ++ | 1 : 10 000 —- +— Bugge IV 11: 500 +++ grob ‘1: 1000 == bia +++ und 1: 200 +++ fein 1: 50% >= ++ 1:10 000 ET +

der Rezeptoren auch für die beiden Suipestiferstämme auf. Aus diesem Versuch ist also ersichtlich, daß ofienbar getrennte thermolabile Rezep- toren wenigstens für einige Paratyphus C,- und Suipestiferstämme vor- handen sind. Der Stamm Wolhynien zeigt dies Verhalten allerdings nicht. Es hat sich aber im Laufe der Untersuchungen heravsgestellt, daß er seine thermolabilen Rezeptoren offenbar verloren hat, denn er wurde, wie aus dem nächsten Versuch hervorgeht, auch nach Absättigung des Serums mit homologen 1000-Bakterien nicht mehr agglutiniert. Ein ähnliches Verhalten zeigte der Stamm Albanien, der cine grob- flockende Agglutination nur andeutungsweise noch aufwies, ein Ver- halten, das übrigens durch die Arbeit von Weil und Felix bestätigt wird. Alle übrıgen Stämme verhielten sich wie Mustafa und Sali Abdurachman. Sie alle in einer Tabelle aufzuzeichnen, würde zu weit führen. \

Die Absättigung mit 100°-Bakterien mußte nun ergeben, ob außer diesen getrennten auch noch gemeinsame thermolabile Kezeptoren vor- handen waren.

Versuch 4.

Ein Paratyphus Cs,-Serum wird abgesättigt mit den Suipestiferstämmen Buda- pest B und Bugge IV und dem homologen Stamm Mustafa, die !/ Stunde auf 100° erhitzt waren.

Technik wie oben. Agglutination mit einigen Paratyphus C,- und den genannten Suipestiferstämmen.

20 $

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Tabelle VI.

| . | Paratyphus C,-Serum behandelt mit | Kontroll en | 100° Bakterien | Seram

dünnung Budapest BT Bugge IV | Mustafa

Agglutiniert mit | Stamm | ;unbehandelt | :

Mustafa dl: 500, ++ grob | +++ grob | ++ grob | +++ grob ‚12 100 ++ +++ ++ +++ und 1: 2000 ++ + + + + +++ fein 1: 5000 + TE + tr Be D +— +— Wolhynien 1 500 | | + ‘+++ fein 1: 1000. | +++ 1: 2000 = | = = Ep 1: 5000 = + 1 : 100090 ` - Sali Abdurachman 1 500! ++ grob | ++ grob | ++ grob +++ grob 1: 1000; ++ ++ tF '+++ und 1: 2000, ++ + + +++ fein 1: 5000! + + + | ++ 1:10000! + + + | + Budapest B 1: 500| +++ grob| +++ grob| ++ grob +++ grob 1: 1000! ++ ++ + +++ und 1: 2 000 | + + + +++ fein 1: 5000 = ++ 1:10000! = = | Pan Bugge IV 1: 500, +++ ++ grob | ++ grob , +++ grob 1: 100! ++ ++ + +++ und 1: 2000 | + | + + +++ fein 1: 5000) +- | pa = ++ 1 : 10 000. |, +—

Die Absättigung mit den erhitzten heterologen und homologen Stämmen hat, abgesehen von Wolhynien, für sämtliche geprüften Stämme grobflockende bzw. labilotrope Agglutinine im Serum belassen. Daraus geht also hervor, daß außer den getrennten auch gemeinsame thermo- labile Rezeptoren vorhanden sind.

Um diese verschiedenen Typen der thermolabilen Rezeptoren noch deutlicher hervortreten zu lassen, wurde folgendes Verfahren an- gewandt:

Versuch 5.

Ein Paratyphus C,-Serum wurde mit den auf 100° erhitzten homologen Stämmen Mustafa und Albanien abgesättigt, so daß es rein grobflockend war, also nur noch die labilotropen Agglutinine enthielt.

Dieses rein grobflockende Serum wurde dann abgesättigt mit den Suipestifer- stämmen Budapest B und Bugge IV und dem homologen Stamm Mustafa.

Technik wie oben. Agglutination mit Mustafa, Albanien (Weil), Zeise (Neu- kirch) und dem Suipestiferstamm Budapest B. (Siehe Tab. VII, 8. *309.)

Zunächst zeigt der Versuch, daß der Stamm Albanien, wie bereits oben erwähnt, sich wie Wolhynien verhält, er wird durch das grob- flockende Serum nicht mehr beeinflußt. Die anderen Stämme aber, auch der Suipestiferstamm Budapest B, werden, wie aus der Kontrolle hervor- geht, durch das grobflockende, aber sonst nicht weiterbehandelte Serum agglutiniert. Nach Absättigung des grobflockenden Serums verschwinden jedoch die Agglutinine für den Suipestiferstamm Budapest B. Für die Stämme Mustafa und Zeise bleiben nach Absättigung mit den hetero-

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Tabelle VII. ` Grobflockendes Paratyphus C,-Serum Kontrolle. en Serum- Behand u Grobflockend. mit Stamm | Verdünnung |__| Serum, sonst Budapest B | Bugge IV | Mustafa _ | unbehandelt Mustafa 1: 500 ++ grob ++ grob ++ I grob 1: 1000 ++ ++ = ++ 1: 2000 + + _ + 1: 5000 + + 1 : 10 000 = = en += Albanien 1: 500 = = = 1: 1000 = zu es 1: 2000 =e = = ne 1: 5000 = = So 1: 10 000 = = is = Zeise 1: 500 + grob ++ grob ++ grob 1: 1000 + + == + 1: 2000 + + = + 1: 5000 + + = + 1 : 10 000 +— +— mE | + Budapest B | 1: 500 + grob 1: 1000 = = = | 4 1: 2000 _ = = FR + 1: 5000 Sk = 1 : 10 000

logen Stämmen noch Agglutinine vorhanden, und erst der homologe Stamm entfernt auch für sie alle Agglutinine aus dem Serum. Daraus geht deutlich hervor, daB zwei Arten von thermolabilen Re- zeptoren bei den Paratyphus C,- und Suipestiferstämmen vorhanden sind, eine Art, die beiden gemeinsam, und eine andere, die für jede der beiden Gruppen streng spe- zifisch ist.

Tabelle VIH. Aggluti- Suipestiferserum behandelt mit Kontrolle nation i lebenden Bakterien 100° Bakterien wene t Stam ee OaE A] TF rer be t ee u oies: Mustafa Budapest B Mustafa _ | Budapest B HSE

Budapest B|1: 500| ++ grob] |+++ grob +++ grob| +++ grob 1: 1000! ++ EFt +++ +++ und 1: 2000| ++ = +++ PT +++ fein 1: 5000| ++ ++ ++ ++ 1:10000| + ++ + p4

Berlin C 1: 500| ++ grob +— +++ grob | +++ grob! +++ grob 1: 1000| ++ = +++ ve +++ und 1: 2000| ++ +++ | ++ +++ fein 1: 5000! ++ = ++ + +++ 1:10000! + + > LE 1:20000| + | + Frs

Mustafa 1: 500 ++ grob | ++ grob | +++ grob 1: 1000 -= ++ ++ +++ und 1: 2000 = ++ ++ +++ fein 1: 5000 + + FT 1:10000 = E ads ee je 1 : 20 000 = = hu | + +

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nährböden die Entwicklung der für die Enteritistypen so charakteristischen Struktur zu erzielen. Der fragliche Stamm konnte nur auf der Gelatineplatte zur Entwicklung der charakteristischen Wachstumsform gebracht werden, eine Erscheinung, die vielleicht mit dem Alter und mit der Art seiner Weiterzüchtung im Zusammenhang steht. Demgegenüber hat der Stamm 708 seine Fähigkeit, die charakteristische Struktur zu bilden, bis auf den heutigen Tag beibehalten, wenn auch natürlich bei diesem Stamm die richtige bzw. fehlerhafte re des Nährbodens fördernd oder hemmed auf die Entwicklung der charakteristischen Wuchsform zu wirken vermag.

Ich betrachte diese Wuchsform, von der ich hier die Abbildung eines typischen Vertreters bei gleichzeitiger Gegenüberstellung eines sicheren Paratyphus B Schottmüller wiedergebe, als etwas so Charak- teristisches für die Erreger der Enteritisgruppe, daß ich bei ihrem Auftreten ohne weiteres die Diagnose Enteritisstamm stelle und auf weitere Merkmale, mit Ausnahme der serologischen Prüfung, verzichten zu können glaube (vgl. Fig. 1—3 d. Tafel).

Eine serologische Prüfung halte ich deswegen für erforderlich, weil ich bei der Ueberprüfung von Stämmen, die mir Herr Geheimrat Reichenbach in liebens- würdiger Weise zu Vergleichszwecken überlassen hatte, in Uebereinstimmung mit den Angaben des Göttinger Instituts, die Feststellung machen konnte, daß es sich hier serologisch um einwandfreie Gärtnertypen handelte, deren kulturelles Verhalten aber weitgehend mit den Breslautypen übereinstimmt. Wir hätten es also auch bei dem Gärtnertyp offenbar mit zwei Wachstumsvarianten zu tun, von denen jede eineu eigenen Wachstumstyp zu repräsentieren scheint. Ob es sich hier vielleicht um ver- schiedene Entwicklungsformen einer ursprünglich einheitlichen Form, oder aber um zwei verschiedene Stämme handelt, die vielleicht, trotz ihrer ausgesprochenen Re- zeptorengemeinschaft, nicht näher miteinander verwandt sind als Hammelblutkörper- chen und Meerschweinchennierenzellen, müssen weitere Beobachtungen ergeben. Gerade Beobachtungen, die ich in neuerer Zeit, als ich die verschiedenen Stämme zwecks hotographischer Aufnahme nochmals auf verschiedene Nährböden brachte, an den Kane Stämmen erheben konnte, haben mir allerdings den Gedanken nahegelegt. daß hier vielleicht doch verschiedene Entwicklungsformen: eines ursprünglich einheit- lichen Typs vorliegen könnten. Auf der Gaßnerplatte zeigte sich nämlich bei den iu üblicher Weise angelegten Makrokolonien zunächst die Entwicklung der typischen Struktur, wie man sie in der beiliegenden Abbildung erkennen kann. Während aber die Kolonie auf der gewöhnlichen Agarplatte, der diese Abbildung entstammt, lediglich eine Volumenszunahme in die Breite erkennen ließ, zeigte sich bei den gleichartigen Kolonien in der Randpartie auf dem Gaßnernährboden ein Ansatz zu einer Schleim- entwicklung, die der Kolonie mehr und mehr das Aussehen verlieh, wie wir es bei Stämmen Beobachten; die aus irgendwelchen, eventuell im Nährsubstrat begründeten, Ursachen nur septierte Schleimwälle zur Entwicklung bringen. Zur Entwicklung eines kontinuierlichen, typischen Schleimwalls ist es jedoch in keinem Falle ge- kommen. Ich habe die Versuche mehrfach wiederholt, um mich davon zu überzeugen. ob hier nicht eine Verwechslung oder ein Beobachtungsfehler vorliegt, habe aut der Gaßnerplatte aber immer wieder das gleiche Ergebnis erzielt. Dabei unterscheiden sich aber die fraglichen Stämme, die ich Herrn Geheimrat Reichenbach verdanke. offenbar doch ganz erheblich von den typischen Gärtnerstämmen mit Schleimwall- bildung, die nach den Feststellungen von Lütje offenbar als der Speziultvp des Rindes anzusprechen sind. Jedenfalls habe ich bei zahlreichen Wiederholungsver- suchen immer wieder die Beobachtung gemacht, daß man bei Anlegung von Misch- kulturen, bei entsprechend starker Verteilung auf den Nährböden immer wieder abh- solut einwandfreie Einzelkolonien bekommt. die stets den Charakter des Ausgangstvpus tragen und nur aus den Individuen gleicher Art bestehen. Auch dann, wenn zufällig eine Kolonie sich aus zwei Keimen entwickelt, die getrennten Wachstumtypen ange- hören, zeigen die fraglichen Kolonien zum Teil den Wachstumtyp des einen. zum Teil den des anderen Ausgangsstammes. Die gleiche Beobachtung kann man auch dann machen, wenn man zwei Makrokolonien der verschiedenen Stämme so dicht neben- einander setzt, daß bei dem Flächenwachstum der Kolonien ein IneinanderflieBen der beiden Stämme unvermeidlich wird. Es entwickelt dann zunächst jeder Stamın in den Randpartien seinen eigenen Wachstumstyp, doch ist die Grenze an der Be- rührungsfläche der beiden Kolonietypen so stark markiert, daß es ohne Schwierig- keiten möglich ist, den Punkt festzustellen, an dem die eine Kolonie un und die andere aufhört. Wenn wir demgegenüber zwei Makrokolonien des gleichen Stammes dicht nebeneinander zur Entwicklung kommen lassen, so fließen die beiden Kolonien

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an der Berührungsstelle ohne erkennbare Grenze ineinander. nur Einkerbungen am Rande lassen noch erkennen, daß die neue Kolonie aus zwei gleichartigen Kolonien zusammengeflossen ist. Das doppelte Wachstumszentrum der beiden Kolonien bleibt dabei selbstverständlich zunächst noch erhalten. Es liegen also bei diesen beiden serologisch übereinstimmenden Stämmen hinsichtlich des kulturellen Verhaltens ähn- liche Verhältnisse vor, wie wir sie bei den zur weiteren Paratyphus B-Gruppe ge- hörigen Vertretern, nämlich bei dem echten Paratyphus B Schottmüller Fe dem Bacillus enteritidis Breslau kennen lernen werden (vgl. Fig. 4—6a d. Tafel).

Angesichts der Eigenart der geschilderten Stämme erscheint jedenfalls die Angabe von Herrn Geheimrat Reichenbach, wonach die Erkrankungen, bei denen die fraglichen Stämme gezüchtet wurden, im Zusammenhang mit einem Mäusevertilgungs- mittel gestanden Haben sollen. epidemiologisch bedeutsam, insofern sie die noch Immer nicht einheitlich beantwortete Frage nach der Menschenpathogenität der Mäusetyphus- bazillen berührt. Auch die mir von Herrn Geheimrat Reichenbach freundlichst überlassenen Mäusetyphusbazillen des Tierseucheninstituts zu Hannover, das als Ab- ae für das Vertilgungsmittel in Frage kam, erwiesen sich serologisch als särtnerstämme und zeigten dabei kulturell ein weitgehend gleichartiges Verhalten wie die aus den Kranken gewonnenen Kulturen. |

Angesichts des Nachweises zweier serologischer Varianten des Mäusetyphus- bazillus erklärt es sich wohl auch, warum wir den fraglichen Keim in der älteren Literatur bald als Gärtnerstamm, bald als Paratyphus bezeichnet finden, während man in der neueren Zeit, jedenfalls seitdem sich die von der Kieler Schule ver- fochtene Typentrennung mehr und mehr Eingang in die Kreise der Bakteriologie verschafft bat, geneigt ist, den Mäusetyphusbazillus in der Regel als Breslaustamm anzusprechen. Es liegt sicher nicht im Interesse der, allerseits als dringlich emp- fundenen, Klärung des Paratyphusproblems, wenn man sich für die verschiedensten Stämme. lediglich im Hinblick auf die gemeinsame Schädlichkeit gegenüber den kleinen Nagern, einer gemeinsamen Nomenklatur bedient und es dürfte sich zweifellos empfehlen, als Mäusetyphusbazillen doch eigentlich nur solche Keime aus der Gruppe der Paratyphaceen zu bezeichnen, deren serologische und kulturelle Identität mit dem Löfflerschen Originalstamm außer Zweifel steht. Wenn ich nach dieser Abschweifung noch einmal auf die Frage der von Fränkel und Much bestrittenen Unterscheidbarkeit zwischen dem echten Para- typhus B Schottmüller und dem Bacillus enteritidis Breslau zurückkehren darf, so erscheint es mir angesichts solcher prägnanter Wachstumsunterschiede, wie sie für die beiden fraglichen Stämme bei geeigneter Versuchstechnik immer wieder nachge- wiesen werden können und wie ich sie oben auch in einigen. ıneines Erachtens recht instruktiven Bildern wiedergegeben habe, schwer verständlich, daß Fränkel und Much auch gegenüber dem erdrückenden Material von Bitter, dessen sachliche Darlegungen sie ja besonders anerkennend hervorheben, gleich unentwegt an ihrer Ablehnung festhalten zu müssen glauben. Fränkel und Much sind sich offen- bar der Inkonsequenz ihrer Stellungnahme nicht voll bewußt geworden, da es mir sonst unverständlich wäre, wie vor allem ein so scharfer Kritiker wie Eugen Fränkel es übersehen konnte, daß er in der fraglichen Arbeit mit Much im Nach- satz zu beweisen versucht, was er im Vorsatz als unhaltbar ablehnt. Bekanntlich lehnen Fränkel und Much, wie ich es bereits im Anfang meiner Ausführungen mit ihren eigenen Worten wiedergegeben haben, „anf Grund klinischer, pathologisch- anatomischer und serologischer Tatsachen die Lehre der Kieler Schule von der Ver- schiedenheit des Gastroenteritisstammes Breslau und des echten Paratyphus B ab“. An- esichts dieses ablehnenden Standpunktes möchte ich mir dann doch erlauben, an die iden Autoren die Frage zu richten, auf Grund welcher Beweisführung sie dann zu der Erkenntnis gekommen sind ‚daß es sich in dem Fall des Knaben Reisner, dessen einwandfreien typhösen Charakter auch die Vertreter der „klinikfremden Serologie“ rückhaltslos anerkennen: um einen echten Breslanstamm im Sinne der Kieler Schule handelt, wenn anders doch die biologischen Kriterien nach Anschauung von Fränkel und Much nicht ausreichen, um eine Differenzierung der beiden Stämme einwandfrei durchzuführen? Daß es sich um einen echten, auch in seinem biologischen Verhalten, wie Mäusepathogenität usw., vollkommen typischen Breslanstamm handelt, haben in der Zwischenzeit ja auch Bitter und Lütje in Stade anerkannt und auch ich selbst habe den fraglichen Stamm gelegentlich des kleinen Examens, dem mich Fränkel bei Aushändigung der Stämme freundlichst unterwarf, auf Grund seines durchaus charakteristischen Wachstums unbedenklich als Breslaustamm angesprochen und meine Diagnose ist bei der weiteren Prüfung vollkommen bestätigt worden. Es muß also doch eine Möglichkeit geben, die beiden Typen des Paratyphus B Schottmüller und des Enteritis-Breslaustammes einwandfrei zu differenzieren und ich habe seinerzeit, an der Hand einiger besonders schön gelungener Kulturplatten, auf denen Einzel-

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kolonien einer Mischkultur der beiden Stämme ihr charakteristisches Wachstum iu besonders eindrucksvoller Weise erkennen ließen, einem größeren Hörerkreis die Wachstumsunterschiede demonstrieren können, und ein erfahrener Bakteriologe wie H. C. Plaut hat sich im Anschluß an meine Ausführungen zu einem der Oberärzte unseres Krankenhauses durchaus zustimmend geäußert. Im übrigen konute auch Fränkel, dem ich nach der Sitzung die Platten noch besonders zeigte, cine ge- wisse Ueberraschung nicht verbergen.

Wenn wir die Frage nach der Verschiedenheit oder Identität des Paratvphus B Schottmüller und des Ba- cillus enteritidis Breslau in befriedigender Weise beantworten wollen, so müssen wir meines Erachtens die Frage nach der bakte- riologisch-biologischen Zusammengehörigkeit der beiden Keine von der epidemiologisch-nosologischen Seite scharf trennen, da es an sich ja wohl denkbar wäre, daß zwei Keime. auch wenn sie kulturell und biologisch-serologisch weitgehende Differenzen aufweisen. Krankheitsbilder erzeugen könnten, die wenigstens in großen Zügen den Eindruck einer weitgehenden Uebereinstimmung und selbst den einer Identität erwecken könnten. Ich darf hier wohl daran erinnern. daß der Bacillus enteritidis Gärtner und der Bacillus enteritidis Breslau doch zweifellos weitgehend übercinstimmende Krankheitserscheinungen beim Menschen hervorzurufen vermögen, und doch ist es bis heute niemand eingefallen, die beiden Keime identifizieren zu wollen.

Wie steht es nun zunächst mit der bakteriologischen Identi- tät bzw. Differenzierbarkeit des Paratyphus B Schottmüller und des Bacillus enteritidis Breslau?

Von Fränkel und Much ist auf Grund ihrer eigenen Beobachtungen di: An- schauung ausgesprochen worden, daß es sich bei den Wachstumsunterschieden der beiden Stämme um die Folge der Verschiedenheit des jeweils zur Kultur verwendeten Nährbodens handeln könne. In Uebereinstimmung mit R. Müller habe ich schon weiter oben auf die Möglichkeit eines solchen Einflusses hingewiesen und ich habe mich deswegen streng an den Grundsatz gehalten, die Differenzierung zwischen den beiden Typenarten nur gleichzeitig auf derselben Platte und unter Wahrung möglichst optimaler Wachstumsbedingungen durchzuführen. Ich bin dabei in der Weise vor- gegangen, daß ich von einer Éinzellkolonie, welche praktisch als Einzellkultur ange- sprochen werden konnte. eine Aussaat in Traubenzuckerbouillon vornahm und ven dieser flüssigen Kultur bei Wahrung eines größeren Abstandes einen mehr oder weniger großen Tropfen auf die Platte brachte und dann die Entwicklung der hieraus ent- stehenden Makrokolonie abwartete. Ich habe bei dieser Art der Kultur stets eine ute Entwieklung der charakteristischen Kulturmerkmale der beiden Bakterientvpen Beshichtet und ein Versagen nur gelegentlich bei älteren Laboratoriumskulturen ge- sehen, aber auch im letzteren Fall nur dann, wenn die äußeren Wachstums- bedingungen in irgendeiner Richtung als unzulänglich angesprochen werden mußten. So sind uns während der heißen Julitage, wo die Zinmerteinfefatu: die Brutschrank- temperatur annähernd erreichte, fast durchweg alle Versuche, typische Schleimwall- bildner zur Entwicklung des Walles zu bringen, trotz verschiedenster Nährboden- variationen fehlgeschlagen. Immer aber ist es, wie ich schon oben erwähnt hate, nur zur Entwicklung gewisser Minusvarianten gekommen, die äußerlich die Unter- schiede verwischten und den Eindruck einer scheinbaren kulturellen Gleichheit er- weckten. Das Auftreten solcher Minusvarianten kann zweifellos im einen oder anderen Fall die Differenzierung vorübergehend erschweren und die Möglichkeit ihres Auf- tretens läßt es notwendig erscheinen, den Versuch der Plattenkultur, namentlich bei älteren Stämmen, mehrfach zu wiederholen und erst beim gleichmäßigen Ausfall wiederholter Versuche die Diagnose nach der einen oder anderen Richtung festzulegen. Im übrigen möchte ich gleich hier bemerken, daß ich bislang unter den zahlreichen Stämmen beider Typen, die ich innerhalb der letzten Jahre verarbeitet habe. noch keinen Ucbergang des einen in den anderen Typ zu beobachten vermochte, und das es mir, vor allem im Gegensatz zu Bitter, noch nieht möglich gewesen ist, einen schleimwallbildenden Breslaustamm zu beobachten, und daß ich bisher auch noch keinen echten Sehottmüllerstamm gesehen habe, der die kunstvolle Struktur der Enteritisstämme gezeigt hätte.

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Wie weitgehend die kulturellen Unterschiede der beiden Typen auch hier wieder sind, zeigt sich aus den Versuchen mit Aussaaten von Mischkulturen, wo wir ähnliche Verhältnisse beobachten, wie ich sie oben für die beiden Varianten des Bacillus enteritidis Gärtner ab- gegeben habe. Die beigegebenen Photogramme mögen auch hier wieder das wechselseitige Verhalten der beiden Stämme illustrieren. Das eine der beiden Photogramme Fig. 6b illustriert eine Mischkultur eines Enteritis- stammes mit einem echten, erst vor kurzem aus dem Blute eines Falles von Paratyphus abdominalis gezüchteten Paratyphus B Schott- müller mit einem aus einer akuten Fleischvergiftung stammenden Enteritisbazillus vom Typus Breslau. Offenbar ist bei der Aussaat der Mischkultur ein Keim des Paratyphus B-Stammes im Wachstums- bereich einer Enteritiskolonie abgelagert worden und hat dort in den Randpartien sein durchaus charakteristisches Wachstum begonnen. Wenn man dann von dieser schleimigen Partie mit entsprechender Vorsicht weiter impft, so erhält man auf der Plattenaussaat ausschließlich wieder schleimwallbildende Kolonien vom Typus Schottmüller, während die Aufspaltung des Kolonieabschnittes mit dem Wachstumstyp des Enteritisstammes ausschließlich Kolonien vom Typus Breslau liefert. Die daneben stehende Abbildung illustriert das wechselseitige Wachs- tumsverhältnis zwischen einem Breslaustamm und dem eben erwähnten frisch aus dem Körper gezüchteten echten Paratyphus B-Stamm. Es handelt sich auch hier wieder um die schon weiter oben beschriebene Wachstumskombination von zwei Makrokolonien, wobei wieder die Tren- nung zwischen den beiden Kolonieformen äußerst scharf ausgesprochen ist. Die hier wiedergegebene photographische Aufnahme erscheint mir deswegen besonders wertvoil, weil es sich um eine Kombination zwischen dem bekannten Stamm (Knabe-Reisner) von Eugen Fränkel und dem Erreger eines ebenfalls einwandfreien Paratyphus abdominalis handelt (vgl. Fig. 6b u. 6 c).

Achnliche Wachstumsbilder, wie sie in diesem letzteren Fall zu Demonstrationszwecken künstlich hervorgerufen sind, erhält man ım übrigen auch dann, wenn man gleichzeitig beide Stämme in ein flüssiges Kulturmedium einimpft und aus der 24stündigen Mischkultur ın ge- wohnter Weise eine Plattenaussaat vornimmt. Wenn man demgegenüber zwei typische Schottmüllerstämme in einer Mischkultur vereinigt, so wird es nachher bei der Plattenaussaat niemals möglich sein, die Einzel- kolonien nach ihrer Herkunft von dem einen oder anderen Stamm zu identifizieren. Ja selbst innerhalb des Tierkörpers behalten die beiden Stammtypen ihre charakteristischen Merkmale so unverändert bei, dab cs keine Schwierigkeit macht, die beiden Typen aus dem künstlich ge- setzten Infektionsherd wieder gesondert zu isolieren. Schon die ge- schilderten Merkmale sind also meines Erachtens so prägnant, daß sie zur Differenzierung der beiden Paratyphazeentypen vollkommen aus- reichen könnten, auch wenn gewisse Artmerkmale, wie z. B. die weit- gehende Rezeptorengemeinschaft, ihre verwandtschaftlichen Beziehungen zweifelsfrei dokumentieren. Immerhin gelingt es mit Hilfe geeigneter serologischer Methoden, nicht nur die gemeinsamen biologischen Züge nachzuweisen, sondern auch die Unterschiede in ihrem biologischen Verhalten zu erkennen, und zwar in gleicher Weise, wie wir dies auch von anderen Gebieten der biologischen Eiweißdifferenzierung, z. B. bei artverwandten Zellen und Organen und selbst bei artverwandten Tierspezies, zur Genüge kennen.

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Trotz dieser markanten kulturellen Unterschiede hat die Kieler Schule noch ein unzweideutiges biologisches Unterscheidungsmerkmal zwischen den Paratyphus B- und Breslaustämmen in Form der Mäusepathogenität durch Fütterungsversuch angegeben. Fränkeı und Much halten im übrigen auf Grund einer einschlägigen Beobachtung eines angeblichen fütterungspathogenen Schottmüller-Stammes auch hier das Gebäude der Kieler Schule für erschüttert, eine Auffassung, der ich mich auch an-

esichts der Richtigkeit der Fränkel-Muchschen Beobachtung keineswegs rück- falilon anzuschließen vermöchte, da es sich gegenüber den zahlreichen gegenteiligen Beobachtungen von Bitter und anderen zunächst nur um einen Ausnahmefall handeln konnte, der letzten Endes doch die allgemeine Regel nur bestätigen mubre. Im übrigen sind Fränkel und Much hier schon bei den objektiven Identifi- zierungsversuchen das fer eines verzeihlichen Irrtums geworden. Es handelt sich da um einen Stamm, der in der Zwischenzeit auch Bitter zur Begutachtuug vorgelegen hatte und außerdem auch von Lütje, den ich selbst um Beurteilung eines ihm übersandten Stammes gebeten hatte, bearbeitet worden war. Beide Autoren sind übereinstimmend zu dem Urteil gekommen. daß es sich nicht um einen echten Para- typhus B Schottmüller handeln könne, sondern um einen Vertreter der Suipestiter- Gruppe vom „Typus Kunzendorf“, wie sie auch gelegentlich von Bernhard als Erreger menschlicher Erkrankungen beschrieben worden sind. Zweifellos handelt es sich auch bei dem fraglichen Stamm um einen Schleimwallbildner (Fig. 7), dessen Wälle aller- dings in der Regel nicht so voluminös erscheinen, wie Wälle der echten Schottmül'er- stämme. Auch tritt die Schleimwallbildung bei einem Teil der durch Aufspaltung ge- wonnenen Varianten nur sehr zögernd auf und schon wenige Monate nach der lso- lierung aus dem menschlichen Körper habe ich zahlreiche Varianten des Stammes an- getroffen, die das Schleimwallbildungsvermögen vollkommen verloren hatten. Daraus ‘erklären sich auch die Angaben von Lütje über das kulturelle Verhalten diese Stammes, da Lütje offenbar zufällig in den Besitz einer solchen wallosen Variante gekommen ist. Ich habe es versucht, derartigen Stämmen vermittels einer Passage durch den Tierkörper das Wallbildungsvermögen wiederzugeben, habe meine Br- mühungen aber nur zum Teil von Erfolg gekrönt gesehen, so daß ich es nach meinen bisherigen Beobachtungen nicht ohne weiteres ausschließen kann, daß der Zufall seine Hände dabei im Spiel gehabt hat. Im übrigen kann ich hier gleich bestätigen. dal der mir überlassene Stamm gegenüber den verschiedensten Nagern eine enorme Pathu- genität entfaltet und daß die starke Toxizität, die auch den abgetöteten Kulturen inn« wohnt, sich vielfach bei der Herstellung hochwertiger Immunsera als recht hinderlich erwiesen hat, da er bei der Immunisierung der Tiere stets größere Opfer an Tier- material erfordert. Ich habe derartige Erfahrungen bei der Herstellung von Immunsera vermittels typischer Schottmüllerstämme niemals gemacht. Auch das pathologisch- anatomische Bild, welches die mit dem lebenden Stamm geimpften Versuchstierr. speziell Meerschweinchen zeigen, ist ein so charakteristisches und mit Regelmälsigkeit wiederkehrendes, daß es mir mit seiner Hilfe im Rahmen einer meiner Versuchsserien gelungen ist, den Nachweis zu erbringen, daß hier zwei Tiere verwechselt sein mußten. eine Auffassung, die sich bei einer Nachprüfung der aus den inneren Organen d'r fraglichen Tiere gezüchteten Stämme vollauf bestätigte. Die Parallelimpfungen mit frischen Schottmüller-Stämmen hatten demgegenüber trotz gleichartiger Vor- behandlung bei den Versuchstieren, von lokalen Prozessen an der Impfstelle abgesehen. keine wesentlichen Störungen hervorgerufen, vielmehr waren die Keime, unter zu- nehmender Abheilung des Impfherdes, auf dem Wege über den Darm allmählich aus- geschieden worden. Ich mul mir die Frage des Tierversuchs und speziell die Be- deutung des pathologisch-anatomischen Befundes für die Typentrennung für eine spätere Abhandlung vorbehalten.

Es erübrigt sich indessen noch, auf die serologische Charakte- ristik des fraglichen Stammes einzugehen, wobei ich gleich bemerken möchte, dal bereits die orientierende Agglutination des Stammes, die ich unmittelbar nach dem Empfang des Serums vorgenommen hatte, bei mir Zweifel über seine Zugehörigkeit zu den echten Schottmüllerstämmen ausgelöst hatte. Das Versagen eines einzelnen Serums hätte dabei selbstverständlich noch nicht als Beweis gelten können, als der Stamm Jedoch auf die verschiedensten Sera nicht ansprach, hielt ich die Her- stellung eines homologen mit dem Stamm selbst gewonnenen Serums für unerläßlich und es glückte mir auch, nach mehreren Fehlschlägen ein brauchbares, allerdings nicht allzu hochwertiges Serum vom Titer 1:3000 herzustellen. Mit diesem Serum, das späterhin sogar noch auf

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ein Drittel seines ursprünglichen Titers sank, ist mir dann die sero- logische Einreihung des fraglichen Stammes eindeutig gelungen. Unter den zahlreichen von mir geprüften Paratyphus B-, Breslau- und Gärtner- stämmen fand ich nicht einen, der mit dem fraglichen Serum, auch bei den stärkeren Konzentrationen, eine nennenswerte Reaktion ergab. Auch zwei Stämme des Typus Erzindjan, die ich freundlichst Herrn Dr. Lütje verdanke, reagierten in keiner Weise mit dem bewußten Serum Nur ein einziger in meiner Sammlung befindlicher Stamm, der mir vom Institut für Fohlenkrankheiten in Stade als typischer Vertreter der Suipestifergruppe des Typus Bernhard (Kunzendorf) übergeben worden war, reagierte mit dem fraglichen Serum in aus- gesprochener Weise bis zur Titergrenze. Auch hinsichtlich der chemischen Leistungen bestand zwischen den beiden Stämmen eine so ausgesprochene Uebereinstimmung, daß ich keine Bedenken trage, den Eppendorfer Stamm, namentlich auch angesichts der Uebereinstimmung in kultureller Hinsicht, als Vertreter der Suipestifergruppe vom Typus Bernhard anzusprechen. Dabei möchte ich gleich bemerken, daß mir für die Differenzierung dieses Stammes die von Lütje empfohlene Sternsche Fuchsinbouillon gute Dienste geleistet hat, obgleich sich mir sonst die auf diesen Nährboden gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt haben.

Fränkeı und Much glauben ihren Gegnern bei dieser Eingruppierung ihres tierpathogenen Schleimwallbildners, die sie als eine Tieberdifferenzierung ablehnen zu müssen glauben, nicht folgen zu können, um so mehr als sich ihnen aus dem Urteil von Schift, der den Stamm, offenbar ohne ihn selbst in Händen gehabt zu haben, auf Grund der Tierpathogenität als Breslaustamm augesprochen hat, die Auffassung einer Vielköpfigkeit der Meinungen quod capita, tot sensus aufgedrängt hat. Schiffs Urteil scheidet ja, soferne er den Stamm nicht selbst bearbeitet hat, voll- kommen aus und bei denjenigen Untersuchern, denen der Stamm zur Begutachtung vorgelegen hat, besteht eine Meinungsverschiedenheit hinsichtlich der Eingruppierung des Stammes in keiner Weise. Und wenn Fränkel und Much von einer Ueber- differenzierung sprechen zu müssen glauben, so ist diese Auffassung dann nicht minder gerechtfertigt, wenn z. B. Zeißler zwischen Rauschbrandbazillus und Para- Rauschbrandbazillus einen, auch von Fränkel meines Wissens anerkannten, Unterschied macht.

Wir alle, soweit wir gegenteiliger Auffassung von Fränkel und Much sind, werden den beiden Autoren gerne zugeben, daß durch den Nachweis der Menschenpathogenität bestimmter Suipestifer- stämme, auch wenn es sich zunächst nur um seltenere Einzelbeobach- tungen handelt, zweifellos eine Bresche in die alte, aber keineswegs all- seitig unwidersprochene Lehre von Ostertag und Standfuß ge- schlagen wird, wonach die Suipestiferstämme als für den Menschen nicht pathogene spezifische Tierstämme angesprochen werden müßten. Im übrigen ist der Fall von Fränkel keineswegs der erste und einzige Fall dieser Art und es beweist nichts gegen die objektive Richtigkeit der Beobachtung, daß es sich um mehr oder weniger zahlreiche Ausnahme- fälle handelt. In epidemiologischer Hinsicht wird es Aufgabe der Veterinärpolizei sein, derartige Beobachtungen mit den Grundsätzen der Fleischbeschau in Einklang zu bringen. |

Fränkel und Much erwähnen in ihrer fraglichen Arbeit noch einen dritten Fall, der ihnen als besonders beweisend gegen die Lehre der Kieler Schule von der Trennbarkeit der beiden Paratvphustypen er- scheint, und bedauern in ihrer Antwort an Bitter und Schiff, daB beide Autoren diesen Fall bei ihren Besprechungen unberücksichtigt lassen, obwohl gerade er für die ganze Frage von größter Wichtigkeit sei. Da mir durch die Liebenswürdigkeit von Herrn Prof. Fränkel auch dieser Stamm, den ich, auf Grund seines kulturellen und bio-

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logischen Verhaltens, ebenfalls als echten Breslaustamm ansprechen mub, zur Verfügung stand, will ich hiermit versuchen, die einschlägigen Er- örterungen von Bitter und Schiff zu ergänzen und das von ihnen Versäumte nachzuholen.

Nach den Angaben von Fränkel und Much handelt es sich um einen ganz akut tödlich verlaufenden Fall von Gastroenteritis (Sektion 708, 1924), der den Autoren besonders deswegen „als wichtig erscheint, weil er den Beweis erbringt, daß sich auch der Stamm Breslau bei Fällen akuter Gastroenteritis keineswegs au die Ansiedeluug im Darm beschränkt, sondern daß sein kultureller Nachweis auch aus Galle und aus dem Leberparenchym gelingt und daß es vor allem bei der histologischen Unter- suchung der Leber möglich ist. selbst in ganz foudroyant verlaufenden Fällen. be- reits schwere gewebliche Veränderungen im Sinne einer umschriebenen Leberzellén- nekrose in der Umgebung bazillenführender größerer Gallengänge festzustellen“.

Fränkel und Much glauben angesichts dieses Falles von ana- tomisch festgestellter Cholangitis und Pericholangitis offenbar erwarten zu dürfen, daß sich auch an abgelaufene, durch den Stamm Breslau hervorgerufene gastroenteritische Erkrankungen mehr oder weniger häufig klinische Erscheinungen einer Cholangitis und Pericholangiti: anschließen. Als Vertreter der „klinikfremden Serologie“ vermag ich es leider nicht zu übersehen, wie häufig im Anschluß an akute, durch Breslau bedingte gastroenteritische Erkrankungen tatsächlich klinisch nachweisbare Erkrankungen der Gallenwege beobachtet werden und wie häufig solche, ätiologisch zunächst unklare, Erkrankungen im genetischen Zusammenhang mit einer vor kürzerer oder längerer Zeit überstandenen Gastroenteritis durch Breslaubakterien gebracht werde» können. Ob und inwieweit solche Beobachtungen bei tödlich ver- laufenden Breslauinfektionen die Regel darstellen, müßten erst weitere Beobachtungen einschläriger Fälle, unter Berücksichtigung der Typen: trennung, ergeben. Bei den in Genesung ausgehenden Fällen scheinen akute oder chronische Erkrankungen der Gallenwege jedenfalls nicht die Regel zu bilden und das hängt offenbar damit zusammen, daß div Enteritisbakterien an sich zum mindesten eine weit geringere Neigung zu haben pflegen, sich in den Gallenwegen der Erkrankten anzusicdeln als der Paratvphus B Schottmüller. Wahrscheinlich ist es damit in Zusammenhang zu bringen, daß Keimträger im Anschluß an gastro- enteritische Breslauinfektionen nie oder doch so gut. wie nie beobachtet werden, während man bei Infektionen mit dem echten Paratyphus BP Schottmüller sehr häufig Dauerausscheider findet, deren Keimträsertum sich, ähnlich wie beim Typhus, über Jahre und selbst über Jahrzchnte erstrecken kann. Es steht dabei vollkommen im Einklang mit der Auffassung Schottmüllers von der Elektivität des echten Para- typhus B zu den Gallenwegen, wenn man bei akuten und chronischen Erkrankungen der Gallenwege, soweit diese zu einer operativen Ent- fernung der Gallenblase führen, nach meinen eigenen Erfahrungen stets nur den Paratvphus B Schottmüller kulturell nachweisen kann, während ich unter den zahlreichen von mir untersuchten Fällen bislang nie den Bazillus enteritis Breslau angetroffen habe.

Daß in den schwer verlaufenden Fällen von Gastroenteritis, wo es zu einer vollkommenen Ucberschwemmung des Organismus mit den Erregern kommt, auch mit der Möglichkeit ihrer Ansiedelung in den Gallenwegen gerechnet werden mub, erscheint mir ebenso wenig ver- wunderlich wie die Tatsache. daß ein Erreger von der enormen Toxititat der Breslaustämme sich nieht inditferent gegenüber dem von ihm be- fallenen Gewebe verhält.

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| Wenn Fränkel und Much die Tatsache, daB ein Vertreter der Breslaugruppe in dem fraglichen Fall eine akute Erkrankung der Gallenwege hervorgerufen hat, im Sinne einer Identifizierung von Paratyphus B und Breslaubakterien verwenden wollen, so könnte meines Erachtens mit demselben Recht die Identifizierung anderer einander nahestehender Keime aus gewissen gemeinsamen Zügen der durch sie bedingten Krank- heitsbildern hergeleitet werden. Ich erinnere, um das von Fränkel und Much herangezogene Beispiel der Tuberkulose heranzuziehen, nur daran, daß der Tuberkel- bazillus des Typus humanus in gleicher Weise umschriebene Drüsenerkrankungen im ınenschlichen De u hervorrufen kann wie der Typus bovinus, ohne daß die erzeugten Veränderungen histologisch unterschieden werden könnten und doch fällt es keinem Bakteriologen heute ein, den markanten Unterschied zwischen dem Typus bovinus und dem Typus humanus in Abrede zu stellen. Auch hier haben wir es also mit zwei zweifellos nahe verwandten Erregern zu tun, die trotz weitgehender ge- meinsamer Züge nicht identifiziert werden können.

Im übrigen wäre es meines Erachtens Aufgabe weiterer ver- gleichender Untersuchungen, unter Berücksichtigung der von der Kieler Schule geforderten Typentrennung, einmal festzustellen, ob es sich denn tatsächlich bei den durch den Paratyphus B Schottmüller und den Bazillus enteritidis Breslau hervorgerufenen lokalen Organverände- rungen um so einheitliche feinere Strukturveränderungen handelt, wie man bis jetzt annimmt, oder ob nicht doch die feineren histologischen Veränderungen Anhaltspunkte dafür zu geben vermögen, daß es sich hier um die Wirkung verschiedener Erreger oder doch wenigstens um die Folgen biologisch unterschiedlicher Gifte verwandter Keime handelt.

Ich denke dabei an etwas Aehnliches, wie es Fahr in seiner Arbeit über die Wirkung des Diphtheriegiftes innerhalb des menschlichen Organismus zum Ausdruck gebracht hat. Ich weiß wohl, daß Fränkel und Much, unter Hinweis auf die Mannigfaltigkeit der tuberkulösen Erscheinungen, es ablehenen, die Verschiedenartigkeit der anatomischen Veränderungen als Kriterium für die Unterschiedlichkeit zweier Er- reger anzuerkennen. Sie verlangen meines Erachtens mit Recht, daß bei der Entscheidung solcher Fragen nicht nur die Eigenschaft der jeweiligen Erreger, sondern auch das Verhalten des menschlichen Orga- nismus berücksichtigt werden müsse. Ich stimme dieser Auffassung von Fränkel und Much grundsätzlich durchaus zu und betrachte das Krankheitsbild klinisch und anatomisch, genau wie die beiden Autoren, als das Endergebnis der Wechselwirkung zwischen dem Er- reger und dem Verhalten des jeweils befallenen Organismus. Ich muB es aber gerade deshalb ablchenen, daß eine akut verlaufende Erkrankung wie der Paratyphus abdominalis und die akute Gastroenteritis einer- seits und eine im wesentlichen doch so chronische Erkrankung wie die Tuberkulose, die noch dazu hinsichtlich der Immunitätsverhältnisse ihre, doch auch von Much anerkannten und immer betonten, Besonderheiten zeigt, so in Parallele gesetzt werden, wie dieses Fränkel und Much in der bekannten Arbeit getan haben.

Fränkel und Much huldigen der Auffassung, daß die Verschiedenartigkeit des Krankheitsbildes nicht ohne weiteres als Kriterium für die Unterschiedlichkeit zweier Erreger herangezogen werden dürfe, offenbar keineswegs unbedingt für alle Fälle. So viel mir bekannt ist, teilt Fränkel durchaus die Auffassung von Schott- müller, daß es sich bei dem Streptococcus haemolyticus und dem Streptococcus viridans, entgegen der Anschauung von Kuczinski u. a., keineswegs um einheit- liche Erreger handelt, die auch durch Tierpassage nicht ineinander übergeführt werden könnten. Gerade auf der letzten Tagung der Deutschen (Gesellschaft für Mikrobiologie hat Schottmüller seinen Standpunkt über die Nichtidentität der beiden Streptokokkenarten nochmals scharf präzisiert und dabei vor allem auch die Unterschiediichkeit im klinischen und anatomischen Bild als Hauptkriterium gegen die Identität der beiden Keime ins Feld geführt. Ich habe nicht in Erfahrung gebracht, daß E. Fränkel der Auffassung von Schottmüller auf Grund der oben er-

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wähnten grundsätzlichen Auffassung entgegengetreten wäre. Halten es Fränket und Much wirklich für so ausgeschlossen, daß die anatomischen Ver- änderungen bei Infektionen mit dem Streptococcus haemolyticus oder dem Strepto- eoccus viridans doch dann und wann ein recht gleichartiges Gesicht zeigen, welches den Gedanken an eine enge Zusammengehörigkeit der beiden Keime nahelegen künrté:

Im übrigen sind Fränkel und Much hinsichtlich der Differenzieruug von Krankheitserregern auf Grund pathologisch-anatomischer Kriterien keineswegs immer auf dem gleichablehnenden Standpunkt gestanden, wie in der in Nr. 30 der Dtsch. med. Wodienschr. 1924 erschienenen Abhandlung. Im Rahmen ihrer Abhandlung über experimentelle Cholecystitis, im Bd. 69 der Zeitschr. f. Hygiene, bemerken die beiden Autoren auf S. 343 bezüglich des von ihnen isolierten sog. Gallenbazillus wört- lich folgendes: „Der Bazillus unterscheidet sich demnach nur durch die fast absoiute Konstauz der mit ihm zu erzielenden pathologisch-anatomischen Veränderungen von dem Bacillus paratyphi B. Er sei deshalb im folgenden als Gallenparatyphus-Bazitlus bezeichnet.‘ Na also!

Ich habe ja im übrigen auch schon weiter oben, gelegentlich der Besprechung des angeblich mäusepathogenen echten Schottmüller- Stammes (Stamm 11/1924) darauf hingewiesen, welch gute Dienste die Heranziehung der pathologisch-anatomischen Kriterien für die Unter- scheidung der Paratyplıus-Typen zu leisten vermag. Wir sind schon seit längerer Zeit mit systematischen Untersuchungen nach dieser Richtung beschäftigt und hoffen, bald Näheres darüber berichten zu können.

Hier erübrigt es sich noch, in Kürze auf das menschliche Krankheitsbild und seine Beziehungen zu dem echten Paratyphus R Schottmüller bzw. zu dem Bazillus enteritis Breslau einzugehen. Ich möchte in dieser Hinsicht darauf hinweisen, daß mir in den zehn Jahren meiner bakteriologischen Tätigkeit am Barmbecker Kranken- haus unter den zahlreichen, von mir untersuchten Fällen von Para- typhus abdominalis bis zum heutigen Tag auch noch nicht ein cinziger Fall begegnet ist, bei dem nicht der echte, schleimwallbildende, Bazillus Paratyphus B Schottmüller als Erreger in Frage gekommen wäre. Ich habe schon seit Jahren systematisch auf die eventuelle Beimischung eines anderen Erregers gefahndet, ohne daß es mir geglückt wäre, eine solche festzustellen. Im Gegensatz zu den von Fränkel und Much, sowie von Lewy und Holm mitgeteilten Beobachtungen, habe ich keinen einzigen Fall beobachtet, in dem ein echter Paratyphus abdo- minalis durch einen Erreger aus der Enteritis-Gruppe, sei es durch den Bazillus enteritidis Breslau selbst, oder durch den Bazillus enteritidis Gärtner hervorgerufen worden wäre. Wohl habe auch ich, in Ueber- einstimmung mit Bitter, Fränkel und Much usw., in verschiedenen Fällen feststellen können, daß bei schwerverlaufenden akuten Gastro- enteritiden die Breslaubazillen kulturell im Blute nachgewiesen werden konnten und ich verfüge auch über eine ganze Anzahl von Stämmen, die mir von außerhalb überlassen wurden und die ebenfalls bei akuten Gastroenteritiden aus dem Blute isoliert worden waren, ohne daß auch nur einer der Fälle eine Andeutung eines typhösen Verlaufes gezeigt hätte. Die Einschwemmung der Breslaubakterien in die Blut- bahn scheint also keineswegs die Entstehung eines typhösen Krankheits- bildes zu bedingen. Offenbar fehlt dem Bazillus enteritidis Breslau jene spezifische Affinität zum hämatopoetisch-lymphatischen System, die deu Typhusbazillus und den ihm nosologisch so nahestehenden Para- typhus B Schottmüller charakterisiert.

Was den von Fränkel und Much beobachteten Fall des Knaben Reißner anlangt, so fühle ich mich außerstande, hier eine erschöpfende Erklärung zu geben. Die Auffassung von Bitter und Schiff,

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die die Môglichkeit einer Mischinfektion in Betracht zieht, kann meines Erachtens nicht ohne weiteres als eine bequeme Hintertür abgelchnt werden. Die Möglichkeit, daß ein echter Paratyphus B im Spiele gewesen ist, kann auch von Fränkel und Much nur mit einer ge- wissen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Zweifellos erscheint die Tatsache einer solchen Beobachtung die Notwendigkeit zu enthalten, heute mit besonderer Schärfe darauf zu achten, ob und unter welchen Voraussetzungen bei Fällen von typischem Paratyphus abdominalis ein- wandfrei festgestellte Breslaustämme, sei es allein, oder in möglicher Symbiose mit dem echten Paratyphus B Schottmüller, angetroffen werden können. Bislang erscheint mir die Einzelbeobachtung von Fränkel und Much die Feststellungen von Lewy and Holm scheiden meines Erachtens wegen zweifelloser Unsicherheit in der Beob- achtung und im Hinblick auf die leider so geringe Lebensdauer des Er- regers, zunächst aus trotz ihrer offenbaren Eindeutigkeit, jedoch noch nicht ausreichend, um die Lehre der Kieler Schule, deren objektive und zahlenmäßige Fundierung meines Erachtens nicht so leicht hinweg- zudiskutieren ist, so ohne weiteres über den Haufen zu werfen.

Zweifellos weit schwieriger gestaltet sich der Versuch, die vicl- tach widersprechenden Erfahrungen und tatsächlichen Beobachtungen über dic Aetiologie gastroenteritischer Erkrankungen und ihren Ueber- gang zum echten Paratyphus abdominalis mit der Lehrmeinung der Kieler Schule vollkommen in Einklang zu bringen. Und dieser scheinbar mangelnde Einklang zwischen den tatsächlichen Beobachtungen und der Theorie der Kieler Schule bildet ja in der Regel auch den Punkt, an dem die Gegner der Kieler Lehren den Hebel anzusetzen versuchen., So hatte in neuerer Zeit, neben Fränkel und Much. unter anderen auch Wichels darauf hingewiesen, daß innerhalb einer größeren Gruppe von Erkrankungen, die ätiologisch auf eine gleiche Infektionsquelle zurückgeführt werden können, neben reinen Gastroenteritiden auch Fälle von Gastroenteritiden mit nachfolzendem echt typhösen Verlauf beob- achtet werden könnten, und daß für beide Verlaufsformen als Erreger der echte Paratyphus B Schottmüller in Frage komme. Die Möglich- keit einer solchen Erscheinung ist von Bitter niemals in Abrede gestellt worden und auch in der Monographie von W. Gärtner ist mit Nachdruck auf das zuweilen bestehende toxische Initialstadium beim Paratyphus abdominalis, welches ebenso wie beim echten Typhus in Form einer akuten Gastroenteritis in Erscheinung tritt, hingewiesen worden. Gerade die in der Göttinger Klinik beobachteten Fälle, bei denen es sich unzweifelhaft um eine Infektion mit dem echten Para- typhus B Schottmüller gehandelt hat, legen den Gedanken nahe, dab fier die Art der Infektion durch Vermittelung eines Nahrungsmittels, in dem zweifellos eine starke Entwickelung der Erreger stattgefunden hatte, für das Auftreten eines gastrotoxischen Prodromalstadiums verantwort- lich zu machen ist. Es licgt nahe, daran zu denken, daß prinzipiell die- jenigen Fälle, bei denen es sich um sog. indirekte Kontaktinfektionen, d h. also um die landläufigen Nährungsmittelvergiftungen handelt, auch bei Infektionen mit dem echten Paratyphus B Schottmüller, die Voraus- setzungen zur Entwickelung eines akuten gastrointestinalen Vorstadiums in sich schließen, weil hier neben einer ungewöhnlich großen Bakterien- menge auch noch zugleich die bakteriellen Zersetzungsprodukte innerhalb des Nahrungsmittels mit in den Magendarmkanal eingeführt werden. Bei den sporadischen Fällen von Paratyphus abdominalis dagegen, bei denen

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es sich in der Regel wohl um Kontaktinfektionen von Mensch zu Mensch handelt, ohne daß im Einzelfall die Infektionsquelle mit Sicher- heit zu ermitteln wäre, scheint das gastroenteritische Initialstadium in der Regel zu fehlen. Zweifellos gibt es unter den Fällen mit gastroen- teritischem Beginn eine ganze Reihe, bei denen es nicht zur Entwicklung eines echten Paratyphus abdominalis kommt, wo eben der Paratyphus B Schottmüller in dem betreffenden Organismus nicht die Voraussetzungen für die Erzeugung des sonst für ihn charakteristischen Krankheitsbildes findet.

Bei den Infektionen mit den Erregern der Enteritis-Gruppe, gleich- gültig ob es sich um den Bazillus enteritidis Breslau oder um das von Gärtner entdeckte Stäbchen handelt, liegen aber die Verhältnisse doch durchweg so, daß ein infiziertes Nahrungsmittel, in der Regel olıne Schwierigkeit, als Infektionsquelle festgestellt werden kann; Jicse Be- dingungen für die Entwickelung der akut einsetzenden Infektionen bilden also bei den Enteritiserregern die Regel, während sie bei den durch Nahrungsmittel vermittelten Infektionen mit den Schottmüller Stäm- men als die Ausnahme zu gelten haben. Wenn also der Paratyphus B Schottmüller unter gelegentlichen, besonderen Bedingungen ein Krank- heitsbild entwickelt, welches in einem Teil der Symptome demjenigen entspricht, welches bei den Enteritis-Bakterien die Regel darstellt, so ist es m. E. ebensowenig gerechtfertigt, aus einer gelegentlich auftreten- den Gleichheit im Krankheitsbild eine Identität des Paratyphus B Schottmüller und des Bazillus enteritidis Breslau abzuleiten, wie es nach den Grundsätzen von Fränkel und Much nicht zulässig sein soll, aus. dem Unterschied der Krankheitsbilder auf den Unterschicd der jeweils in Frage kommenden Erreger zu schließen.

Rein epidemiologisch möchte ich in Uebereinstimmung mit Reiner Müller betonen, daß, auch nach unseren Erfahrungen, die Fälle vom Paratyphus B abdominalis gegenüber den Fällen von akuter Gastro- enteritis zahlenmäßig ganz bedeutend überwiegen, und daß wir in den letzteren Fällen, wo es sich durchweg um Fleischvergiftungen han- delte, in der Ueberzahl der Fälle den Bazillus enteritidis Breslau und pur ganz vereinzelt den Bazillus enteritidis Gärtner feststellen konnten. Ich möchte es aber der Vollständigkeit halber noch erwähnen, daß uns ganz vereinzelt auch Fälle begegnet sind, bei denen eine in Gestalt einer akuten Enteritis verlaufende Abortivinfektion mit Jem Para- typhus B Schottmüller vorlag, neben anderen Fällen, bei denen der Paratyphus abdominalis mit einem akuten gastroenteritischen Stadium eingesetzt hatte.

Zum Schluß möchte ich noch kurz auf die epidemiologisch bedeut- same Epidemie von Ueberruhr eingehen, die angesichts der Ein: heitlichkeit der beim Menschen erzeugten Erkrankungen und im Hinblick auf ihren klaren Zusammenhang mit einer Hammelepizootie geradezu die Bedeutung eines Klassischen Experimentes für die Frage der Typen trennung beanspruchen könnte, wenn anders es auf Richtigkeit be- ruht, daß die fraglichen Keime die in der Originalarbeit von H. Bruns und Gasters als Paratyphus B Bazillen angesprochen wurden, als An- gehörige des Enteritis-l'yps zu identifizieren sind. Einer so großen Zahl von Erkrankungen gegenüber müßten Einzelfälle, wie sie Fränkel und Much oder auch Holm und Lewy mitgeteilt haben, an Bedeutung verlieren, da sich in diesen zahlreichen Fällen von menschlichen Er- krankungen doch wenigstens bei einem Bruchteil der Erkrankten die

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Bedingungen hätten finden müssen, die die Entwickelung cines iyphösen Krankheitsbildes ermöglicht hätten, wenn anders die fraglichen Er- reger im Sinne von Fränkel und Much in der Lage wären, ein typhöses Krankheitsbild zu erzeugen.

Nach den Angaben von Bitter und entsprechend einer Bemerkung im Lehr- buch von Heim hat es sich bei den fraglichen Stämmen der Epidemie von Ueberruhr unzweifelhaft um Vertreter der Enteritis-Breslaugruppe gehandelt. Jedenfalls spricht Bitter in seiner gemeinsam mit Holtz veröffentlichten Arbeit „über die Be- deutung der Typeutrennung‘“ die Anschauung aus, daß es sich nicht wie Bruns und Gasters angegeben haben, um ein Paratyphus B-Bakterium handelte, daß vielmehr der Erreger der Enzootie von Ueberruhr von ihm selbst, sowie von Manteufel und Beger einwandfrei als ein Breslaustäbchen sichergestellt worden sei.

Da es mir wünschenswert erschien, den Erreger einer epidemiologisch so bedeut- samen Massenerkraukung auch aus eigener Anschauung kennen zulernen, wandte ich mich an Herrn Prof. Bruns in Gelsenkirchen und erhielt auf meine Bitte 3 Agar- kulturen aus der fraglichen Epidemie überlassen, die mit der Bezeichnung Hammel- paratyphus Wenne, Hammelparatyphus aus Galle und Hammel- paratyphus Nr. 659, versehen waren. Herr Prof. Bruns bemerkte mir auf meine Rückfrage über seine Auffassung betreffs Zugehörigkeit der fraglichen Stämme zum Typus Breslau, daß er dieselben wohl als zum Breslautyp gehörig erachte, da die in Frage kommenden Bakterien, so weit er sich erinnere, keine Wallbildung ge- zeigt hätten. Bezüglich der Tierpathogenität bemerkte Herr Prof. Bruns in dem betreffenden Brief, vermutlich irrtümlich, daß nach seiner Erinnerung eine Tier-

athogenität seinerzeit nicht bestanden habe. Eine Identifizierung der fraglichen tämme nach den (Grundsätzen von Bitter sei allerdings damals nicht erfolgt, da die bekannte Makrelenarbeit von Bitter erst einige Wochen nach Veröffentiichung der Befunde aus der Epidemie von Ueberruhr erschienen sei. Bitter selbst konnte bekanntlich die Tierpathogenität bei seinen späteren Versuchen einwandfrei feststellen.

Wenn ich angesichts dieser scheinbar eindeutigen Sachlage doch noch einmal auf die Frage des Erregers von Ueberruhr zurück- komme, so sehe ich die Veranlassung dazu darin, daß mir die Ueber- prüfung der genannten drei, mir freundlichst überlassenen, Ueberruhr- Stämme eine erhebliche Ueberraschung brachte. |

= Als ich nämlich, einer seit längerer Zeit geübten Gepflogenheit folgend, die Stämme vermittels Aussaat auf Agarkulturen zur Auf- spaltung brachte, bot sich mir bei den einzelstehenden, zunächst bei 370 bebrüteten und dann bei Zimmertemperatur gehaltenen, Kolonien das Bild der ausgesprochensten Schleimwallbildung zunächst bei zwei Stäm- men, und dann nach einer Wiederholung der Aussaat auch bei dem dritten Stamm. Auch als ich von den einzelnen Stämmen von einer Einzell-Kultur ausgehend auf dem Wege über eine 24stündige Bouillon- kultur Makrokolonien auf den verschiedensten Nährböden zur Ent- wickelung brachte, bot sich mir das Bild ausgesprochenster Schleim- wallbildung. Ich habe die Versuche bis in die neueste Zeit herein zu den verschiedensten Zeiten und unter den verschiedensten Bedingungen wiederholt, stets mit dem gleichen Ergebnis, daß sich die Stämme im Prinzip als typische Schleimwallbildner erwiesen, wobei es allerdings, bald bei dem einen, bald bei dem anderen Stamm in Erscheinung trat, daß die Schleimwallbildung gelegentlich versagte, was mir angesichts des beträchtlichen Alters der Kulturen, im Hinblick auf die sonst an älteren Laboratoriumskulturen gesammelten Erfahrungen, nicht weiter verwun- derlich erschien (vgl. Fig. 10 u. 11).

Agglutinatorisch reagierten die fraglichen 3 Stämme stark mit einem unter Verwendung eines typischen Schottmüller-Stammes her- gestellten Serums und wurden außerdem gleichzeitig durch Serum, welches mit dem Stamm „Knabe Reisner“ hergestellt war, bis zu dessen Titergrenze, in gleicher Weise wie der homologe Stamm, agglu-

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Katoren zur Verfiigung zu amien de er sein as Beat int ALTSI neie. bate, ond die, awn nach Wyiaien buhengen Fetsteliingen. as Bei site L- PINCE harten. Ph hate snoa meer Gin be HOTEL. dis & Let assis. toi ehon, dah e sch bei den von mir bz». voa Bitier geprüften Stummen un Ka- turen wererinedener Provesienz handeit. von deuen die eine oder andere Grurpe anamoch in Beziehung zu der Epidemie in Vesrzrunr grbsacht wirGn ist. Her Vrot. Bruns giba! acheint übrigens der A \uffa--ung zuzu eigen. da» es sich ei dei mir bhber-andten Kulturen. angesichts der Erzennisse von Bitter und a m eine Verzechelung innerhalb seines Laboratoriums hardein mis». eine Auf- facsang die manches fur und manches gegen sich hat. Argesichts der Te dis hie bayichen Stamme wanerzat während der großen Epidemie nicht uach deu P’runzupnen der Kicier Behnle differenziert worden sind. wird sich die Identität der von Pitter und Mantenufel untersuchten Stimme mit den wirklichen Erregern der l;zootie won ÜUsberruhr vielleicht ebenso wenig beweisen lassen. wie sich die Zu- yehörgekeit der von mir geprüften Stämme zur Pa heu Epide:nie nicht mit Sivcher- het in Abrede #teilen ait. Soweit mir Herr Prof. Bruns mitteilte, befinden sich enwanedisei® Osganalkultinen der Hammeiepizootie von Ueberruhr im Kralschen Laboratornan im Wien, mot deren ile sich der [dentitätsrachweis der Erreger der Kpnzootie von Veberruhr vielleicht in emwänedfreier Weise erbringen ließe. Immerhin durch meine einschlägigen Befunde ein Moment bedenkhcher Unsicherheit in die Bewerckinft jener großen Epidemie gebracht worden und wir werden, angesichts „oleher warlersprechender Krgebnisse, erneut daran gemahnt, wie vorsichtig wir bei der Bewertung von Befunden sein müssen, die Aa bei der Prüfung alter Labo- relorimehknlturen ergeben.

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Centralblatt für Bakteriologie Abt. I. Orig. Bd. 97 (Beiheft).

Fig. 3. Fig. 4.

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Verlag von

Graetz, Paratyphus-Enteritisfrage.

Fig. 9. Fig. 10. Fig. 11.

"ischer in Jena.

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der bekannten Vieldeutigkeit medizinischer Fragen eine Klärung nicht zu erhoffen. Dagegen schien es aussichtsreicher, die Frage vom exakten Kultur- und Tierexperiment aus anzugehen und sie damit auf den sichereren Boden exakter For- schung zu stellen.

Zu diesem Thema beschäftige ich mich hier nur mit der differential-diagnostischen Bedeutung der Wallbildung und des Fütterungsversuchs, den Hauptstützen der Kieler Lehre. Wenn sich zeigen läßt, daß im exakten Laboratoriumsversuch die wall- lose in eine wallbildende Form und die apathogene in eine pathogene Form mit gleichem Krankheitsbild, gleichen pathologischen Veränderun- gen und gleichem Kulturbefund übergeführt werden kann, dann wäre für die abweichenden Verlaufsformen, die nun schon in nicht geringer Zahl und in einwandfreier Weise festgestellt sind, eine exakte experimentelle Grundlage geschaffen.

Geht man davon aus, daß die Abweichungen vom Kieler Schema offenbar sehr erheblich in der Minderzahl sind, so kommt man zu der Vermutung. daß die abnormen Verlaufsformen, die an sich nicht bezweifelt werden können, vielleicht durch besondere Begleitumstände bedingt sind. Diese besonderen Verhältnisse können entweder in dispositionellen Faktoren infizierten Organismus liegen oder sie müssen den infizierenden Keim und die infizierte Speise betreffen. Meine Versuche beschäftigten sich daher mit solchen „pathogenitätssteigernden Hilfsursachen“ im Tier und im infizierenden Futter. Sie erstreckten sich, was den letzteren Punkt anbelangt, namentlich auf drei praktisch wichtige Einflüsse, denen infizierte Nahrungsmittel sehr häufig ausgesetzt sind: nämlich auf die Bedeutung der Gewitteratmosphüre, der Ab- kühlung durch Eis und des Einsalzens. Einflüssen dieser Art könnte, worauf hin- sichtlich des Eises schon Bitter aufmerksam gemacht hat, auch eine epidemio- logische Bedeutung zukommen.

Das Wallbildungsphänomen.

Da das Phänomen der Wallbildung durch die Entwicklung der letzten Zeit in den Mittelpunkt der Typentrennungsfrage gestellt ist, erscheint es angezeigt, sich mehr als bisher mit dem Wesen der Wallbildung zu beschäftigen. Die Wallbildung erfolgt nur beim Uebergang von Brut- zur Zimmertemperatur. Man könnte daher glau- ben, daß die darin liegende Verschlechterung der Kulturbedin- gungen dabei das Wesentliche ist. Das ist aber offenbar nicht der Fall, da alle Zeichen darauf deuten, daß die Wallbildung erhöhte Ansprüche an den Nährboden stellt. Mithin scheint das Wesen des Temperatur- wechsels in einem thermischen Reiz zu liegen. Dann gibt es also wahrscheinlich auch andere Reize, z. B. chemische und physikalische?

Das ist in der Tat der Fall: ein chemischer Reizstoff von hervor- ragend walltreibender Wirkung ist das Kochsalz. Mit zunehmender NaCl- Konzentration steigt die Wallbildung, bis das Wachstum aufhört, mit fallender sinkt sie bis zum völligen Ausbleiben des Walles. Aehnliche Wirkungen kann man auf physikalischem Wege durch Aenderung der Wasserstoffionen-Konzentration (Salzsäure-Bouillon) erzielen, so dab in solcher Bouillon gewachsene wall-lose Typen, auf normalen Agar gebracht, mit Wall wachsen. Dabei ergab sich im besonderen die wichtige Tatsache, daB die Wallbildung auf Kochsalzagar bei allen Spielarten des Paratyphus, also auch bei den wall-losen Breslaubakterien statthat. Es erweist sich damit, daß auch den wall-losen Paratyphustypen das potentielle Ver- mögen zur Wallbildung zukommt. Das aber stützt die Auf-

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fassung, daß es sich hinsichtlich der Wallbildung bei den Breslau- bazillen nur um eine Verlustvariante des Paratyphus B- Bazillus handelt. Wie der „Reiz“ des Kochsalzes und der geänderten H-Ionen- Konzentration, so können vielleicht auch Reize anderer Art im Körper das Entstehen einer Wallform fördern, so daß die frische (originale) Kultur des Erregers eine Wallform vor- täuschen kann. Auf diese Weise läßt sich vielleicht das Vor- kommen abweichender Befunde bis zu einem gewissen Grade erklären.

Im übrigen kann die Züchtung auf Kochsalzagar, wenn die Wall- bildung bei einer bestimmten Konzentration (anscheinend 2—21/,0/,) nur der Paratyphusgruppe eigen ist, vielleicht diagnostisch zur Er- kennung atypischer Paratyphusstämme sich als nützlich erweisen.

Die Radiärstreifung des auch bei Coli-Kolonien in Stuhlausstrichen oft vorhandenen Schleimwalles ist nichts Spezifisches, sondern offen- bar ein statisches Phänomen und an die Kreisform der Kolonie ge- bunden. Wahrscheinlich sind die radiären Streifen durch die sich in der Wallzone aus räumlichen Gründen radiär längs aneinander legenden teratologischen Bakterienfäden hervorgerufen. (Versuche der Färbung des Koloniebildes durch Fixierung nach v. Wasielewski).

Zur differentialdiagnostischen Bedeutung der Wall- bildung ist zu sagen, daß die hierauf aufgebaute Typeneinteilung der Kieler Schule für die Originalkulturen aus Nahrungsmitteln oder Exkreten in der Regel zutrifft. Aber Ausnahmen kommen vor, und beim Experimentieren vollends hört in Kulturen und in Tierpassagen die Regelmäßigkeit auf. Nur ein Beispiel sei angeführt. Der als der Erreger der Görbersdorfer Breslau-Epidemie (aus der Milz des ver- storbenen Oberarztes) von Kathe frisch herausgezüchtete Stamm war mir freundlichst als Agarstichkultur überlassen worden. In wochen- langen Kultur- und Tierpassagen war der Stamm immer wall-los ge- blieben. Als nach 31/, Monaten wieder einmal vom Originalstichröhr- chen abgeimpft wurde, traten einwandfreie Wälle auf. Mit diesem Stamm wurde eine Maus gefüttert. Sie starb nach 6 Tagen, und die aus den Organen gezüchteten Breslaubakterien zeigten wieder Wall- bildung. Die prinzipielle Bedeutung einer solchen Beobachtung scheint. nicht gering. Kommt ein Stanım dieser Art wieder in die Außenwelt, dann muß man auf Grund seiner unverminderten Pathogenität annehmen, daß er Nahrungsmittelvergiftungen erzeugen kann. In einem solchen Falle würde dann aber wahrscheinlich ein zunächst wallbildendes Breslau- bakterium als der Erreger herausgezüchtet werden!

Die Fütterungsversuche.

Paratyphus B-Bazillen sind bei Verfütterung an weiße Mäuse nicht apathogen. Sie führen vielmehr in der Regel eine Erkrankung herbei, die jedoch nicht oder in ganz anderer Weise zum Tode führt als die Breslauinfektion. Auf den grundsätzlichen Unterschied des bei B-In- fektion fehlenden, bei Breslau-Infektion eintretenden septikämischen Todes im Verlauf von etwa 5—12 Tagen hat die Kieler Schule auf- merksam gemacht und baut besonders auf diesem Unterschied die

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Typentrennung auf. Dieser Unterschied trifft auch in der Tat mit derselben Regelmäßigkeit zu, wie die ebenfalls der Kieler Schule zu ver- dankende Feststellung, daß bei den typhösen Krankheitsbildern die B- Form, bei den reinen gastro-enteritischen die Breslau- und Gärtner-Form als Erreger gefunden wird. Die Kieler Schule leugnet aber, daß rein gastroenteritische Krankheitsbilder auch durch den B-Bazillus und typhöse Krankheitsbilder auch durch den Breslaubazillus hervorgerufen werden können, und erkennt keine der schon ziemlich zahlreichen klinischen Beobachtungen dieser Art an. Läßt sich im exakten Tier- experiment aber nachweisen, daß die gekreuzten Krankheitsbilder in der Tat entstehen können, dann muß doch wohl auch zugegeben werden, daB dasselbe in der menschlichen Pathologie möglich ist; denn man darf den Tierversuch nicht nur da als zwingend bezeichnen, wo sein Ausfall die Erwartung bestätigt.

Dieser Nachweis ist durch meine Versuche erbracht worden. Durch Verfütterung von B-Bazillen läßt sich gelegentlich ohne erkennbare Ursache oder aber durch artifizielle (z. B. Hungern) oder physiologische (Gravidität) Traumen, durch besonderes Futter, durch eine Reihe von anderen Hilfsursachen (s. u.) sowohl eine akut-toxische, wie eine spättoxische wie auch eineakut septikämische Ver- laufsform vom genauen Ebenbilde der Breslauinfektion erzeugen. Ebenso kann umgekehrt die Breslau-Infektion zu einem akut- toxischen, nicht von der entsprechenden B-Infektion zu unterscheiden- den Krankheitsbilde führen. Die chronisch-toxische und spättoxische Form der B-Infektion habe ich mit Breslaubazillen, da ich nur mit vollvirulenten, frischen Stämmen arbeitete, experimentell nicht er- zeugen können. Daß derartige Verlaufsformen jedoch vorkommen, halte ich nach den mit Stämmen mittlerer und geringer Virulenz aus- geführten Fütterungsversuchen Max Müllers (C. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 62. S. 335) für erwiesen.

Durch diese Unterschungen haben die in der Literatur bekannt gewordenen und die von mir selbst beobachteten klinischen Abweichun- gen!) vom Kieler Schema eine feste experimentelle Stütze erhalten. Es kann danach noch weniger als vorher daran gezweifelt werden, daß in ein und derselben Epidemie durch denselben Erreger verschiedene Krank- heitsbilder ausgelöst werden können und daß Einzel- oder Gruppenerkran- kungen an Paratyphus nicht notwendig unter dem die Regel darstellen- den Bilde verlaufen müssen. Es bestehen daher meines Erachtens Be- denken gegen den Vorschlag der Kieler Schule, die Artbezeichnung „Paratyphus‘“ bei den enteritischen Formen abzuschaffen. Man wird sich dazu auch darum schwer entschließen können, weil die Breslau- bazillen biologisch so weitgehende Uebereinstimmung mit dem B-Bazillus haben und, wie oben bereits betont wurde, vermutlich nur eine Variante des B-Bazillus darstellen. Der Streptococcus viridans z. B. wird von Schottmüller als selbständige Art angesehen, die nach ihm ein nur ihr zukommendes Krankheitsbild hervorruft. Darum verlangt Schottmüller aber nicht, daß. die Artbezeichnung ‚‚Streptococeus“ beim Viridanstyp unterbleiben solle. Ebensowenig sollte man für den Breslaubazillus die Bezeichnung Paratyphus abschaffen, da die Be- nennung eines Bazillus nicht nur nach klinischen, sondern auch nach naturwissenschaftlich -systematischen Gesichtspunkten erfolgen muß.

1) Den Nachweis im einzelnen muß ich der ausführlichen Mitteilung vorbehalten.

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Endlich ist bei der Benennungsfrage noch zu berücksichtigen, daß die typische typhöse, durch den Paratyphus B-Bazillus hervorgerufene Erkrankung in einem hohen Prozentsatz mit einer akuten Gastroenteritis beginnt, die kein Arzt von der Gärtner- oder Breslauenteritis unter- scheiden kann. Der Baziluls ist vielleicht am besten gekennzeichnet, wenn man ihn Bacillus paratyphosus enteritidis Breslau (Kaensche) nennt.

Ueber pathogenitätssteigernde Hilfsursachen.

Wiederholt ist beobachtet worden, daß eine infizierte Speise, die frisch genossen unschädlich war, nach längerem Stehen schwere Er- krankungen auslöste, oder daß die Giftigkeit* einer Speise nur Teile betraf, oder daß eine Speise, in verschiedener Weise genossen, ver- schiedene Wirkung hatte o. ä. Es ist also anzunehmen, daß cs patho- genitätssteigernde Hilfsursachen gibt, denen vielleicht auch eine epi- demiologische Bedeutung zukommt. Solche pathogenitätssteigernde Hilfs- ursachen habe ich in der Gewitteratmosphäre, in der Aufbewahrung der Speisen auf Eis und dem Einsalzen gesucht. Alle diese Einflüsse habe ich experimentell geprüft und dabei am zuverlässigsten die pathogenitäts- steigernde Wirkung des Kochsalzes, weniger sicher die des Eises und der Gewitteratmosphäre gefunden. Dabei wurden alle unnatürlichen Verhältnisse nach Möglichkeit vermieden, es wurde vielmehr angestrebt, unter möglichst natürlichen Bedingungen zu arbeiten. Auch hier müssen bei der Subtilität der Versuchsanordnungen alle Einzelheiten der aus- führlichen Mitteilung vorbehalten bleiben. i

4. F. Weigmann (Kiel): Ueber den Erreger von Paratyphus C.

Im Jahre 1916 gelang es Neukirch und Weil und Saxl, un- abhängig voneinander, ersterem in der Türkei, letzteren in Wolhynien und Albanien, aus eigenartigen Krankheitsfällen ein Paratyphus B- ähnliches Stäbchen zu isolieren, das sich bei näherer Prüfung sero- logisch dem Suipestifer-Voldagsen als am nächsten verwandt erwies und als Bact. Erzindjan (Neukirch) oder paratyphi B (Weil) bzw. paratyphi C (Bitter, Andrewes und Sheffield) bezeichnet wurde.

Gezüchtet wurden die Stäbehen aus Blut, Stuhl und Urin, sowie aus den Organen der Verstorbenen. Das durch diese Erreger hervorgerufene Krankheitsbild ist, nach den Angaben der Autoren zu urteilen, nicht einheitlich. Während Weil und Saxl von einer typhös-septischen Erkrankung berichten, unter- scheidet Neukirch außerdem noch eine zweite Form mit ruhrartigem Verlauf. Die Epidemiologie der Erkrankung ist ungeklärt. Nach Neukirch ist eine Nahrungsmittelvergiftung möglich, aber nicht sichergestellt, Uebertragung von Mensch zu Mensch möglich. Insbesondere aber betont Neukirch, daß das Schwein als Ueberträger nicht in Frage kommen könnte, da in der fraglichen Gegend Schweine überhaupt nicht gehalten würden. Neuerdings sind aus Rußland ähnliche Krankheits- bilder im Zusammenhang mit einer Rekurrensepidemie oder an sie anschließend be- kannt geworden (Sütterlin, Sokolow u. a.). Es handelt sich auch hier um schwere

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septikämische Erkrankungen mit Komplikationen von seiten der Leber und des Darmes, aus denen Paratyphus B-ähuliche Stäbchen isoliert wurden, die von den russischen Autoren in Unkenntnis der westeuropäischen Literatur als „Paratyphus N“ bezeichnet wurden, sich aber bei späterer Prüfung als identisch mit den Neukirch-Stäminen erwiesen, insofern als sie von Glässer- und Erzindjanserum agglutiniert wurden (Sütterlin).

Die Stämme von Neukirch und Weil und Saxl sind nun in der Folgezeit zwecks ihrer näheren Identifizierung und Abtrennung gegen die übrigen Vertreter der Paratyphus- bzw. Hogcholeragruppe von den verschiedensten Autoren auf ihr kulturelles und serologisches Ver- halten geprüft werden (Neukirch, Weil und Felix, Manteufel, Zschucke und Beger, Manteufel und Beger, Bitter und Holtz, Fürth, Schiff, Manninger). Dabei hat sich gezeigt, daß eine Abtrennung hinsichtlich ihres kulturellen Verhaltens nicht mög- lich ist.

Die Paratyphus C (B, Erzindjan)-Stämme verhalten sich nach Angaben der Autoren in ihrem Wachstum wie in ihren chemischen Fähigkeiten wie Paratyphus B und Suipestifer Kunzendorf, zeigen aber einen gewissen Unterschied en der Untergruppe Glüsser-Voldagsen, insofern als letztere in ihrem kulturellen Verhalten sehr variabel sein soll (wechselnde Fähigkeit in Traubenzucker Gas zu bilden, Aus- bleiben des Umschlages in Lackmusmolke), während die Paratyphus C-Stämme ein konstantes Verhalten aufweisen. Bitter und Holtz weisen auf die Wallbildung hin, die sie mit Paratyphus B-, Suipestifer- und Gärtnerbakterien gemeinsam haben, sowie auf die Fütterungspathogenität für weiße Mäuse, wodurch sie sich von Para- typhus B, nicht aber von den beiden anderen genannten Arten unterscheiden.

Auch auf serologischem Gebiete ist eine scharfe Abgrenzung gegenüber anderen Vertretern der Hogcholeragruppe nach Angabe der meisten Autoren nicht möglich.

Von einer Anzahl wird für einige Stämme eine Mitagglutination durch Para- typhus B-Serum angegeben, während andere Stämme diese Mitagglutination ver- missen lassen. Neukirch unterscheidet auf diese Weise 2 Arten von Paratyphus C (ß)-Stämme. Bitter hat bei dem einen ihm zur Verfügung stehenden Stamm eine Mitagglutination durch Gärtnerserum gesehen und einen gemeinsamen thermostabilen Rezeptor mit dem Gärtnerbazillus festgestellt. Auch Sütterlin berichtet, dal einer seiner Stämme durch Gärtnerserum bis zur Titergrenze agglutiniert wurde und unterscheidet die sog. Paratyphus N,-Stämme, die vom Erzindjan- und teilweise auch Paratyphus B-Serum agglutiniert werden, von dem Paratyphus N,-Stamm, der nur durch Gärtnerserum mitagglutiniert wird. Fast übereinstimmend geben die Autoren aber die vollle Agglutinabilität der Paratyphus C (B)-Stämme durch Suipestifer- bzw. Voldagsenserum an, so daß sie serologisch mit diesen als identisch anzusehen seien. Auch mit Hilfe der Rezeptorenanalyse ist ee Weil und Felix nicht gelungen, einen Unterschied zwischen Paratyphus C (B) und Bact. suipestifer Voldagsen zu finden. Ebenso hatten die Versuche von Schiff zu keinem eindeutigen Ergebnis geführt (siehe unten).

Wir haben nun, um diese Fragen erneut zu prüfen und vielleicht doch eine Identifizierung bzw. Abtrennung der menschlichen Paratyphus C- gegen die tierischen Suipestiferstämme durchzuführen, umfangreiche Untersuchungen angestellt, die sich vor allem auf das serologische Gebiet erstrecken. Außer wohl sämtlichen, zurzeit in Deutschland vor- handenen Paratyphus C-Stämmen, die wir der Liebenswürdigkeit des Herrn Oberregierungsrat Manteufel aus dem Reichsgesundheitsamt und des Herrn Prof. Schiff verdanken, haben wir von Herrn Prof. Zeiß in Moskau noch 9 Stämme zur Verfügung gestellt bekommen. Ge- arbeitet wurde zuerst mit den alten, von Neukirch, Weil und Saxl isolierten Bakterien, später auch mit den Zeißstämmen. Suipestifer-

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stämme standen uns aus eigener Sammlung in reichlicher Menge zur Verfügung.

Es sei hier eine kurze Bemerkung über die Bezeichnung „Paratyphus C“ einge- flochten. Wir halten diese Bezeichnung nach dem Vorbilde von Bitter, An- drewes, Sheffield u. a. deswegen für angebracht, weil es sich um eine typhöse en handelt, die als dritte ihrer Art dem Paratyphus A und B anzureihen ist. Der Name Paratyphus C scheint uns also logischer zu sein als der von Weil und Saxl gewählte Paratyphus ß. Der Erreger dieser Krankheit ist demnach mit Bact. paratyphi C zu bezeichnen. Wir sind uns wohl bewußt, daß dieser Name bereits vor Jahren von Uhlenhuth und Hübner angewandt worden ist. Diese Autoren verstehen darunter aber weder ein bestimmtes Bakterium noch eine schärfer umschriebene Gruppe von Erregern, sondern alle die Paratyphus B-ähnlichen Stäb- chen, die durch Paratvphus B-Serum nicht agglutiniert werden. Darunter kann sich natürlich alles Mögliche verbergen. Diese Bezeichnung ist damals wohl auch mehr ein Verlegenheitsausdruck gewesen. Heute werden die genannten Autoren wohl auch nicht mehr an dieser Auffassung des Begriffes „Paratyphus C“ festhalten. Es ist daher nur logisch, wenn wir jetzt diese Bezeichnung für den von Neukirch ent- deckten Erreger einer besonderen typhösen Erkrankung, den er nach dem Fundort vorläufig mit Bact Erzindjan, weil und Saxl als Bact. paratyphi ß bezeichnet haben, verwenden.

Sämtliche Stämme wurden nun zunächst kulturell und im Tier- versuch geprüft. Sie wuchsen auf den von uns benutzten Chinablau- nährböden als große farblose Kolonien von Paratyphus-Charakter. Das Wallbildungsvermögen war bei den meisten Paratyphus C- und Sui- pestiferstämmen verloren gegangen. Nur einige wenige zeigten noch mikroskopisch wahrnehmbare Wälle (Strichelung der Randzone). Nach Tierpassage gewann eine Anzahl von Suipestiferstämmen das Wall- bildungsvermögen wieder. Auf der bunten Reihe verhielten sie sich sämtlich wie Paratyphus B, d.h. sie bildeten Gas in Traubenzuckeragar und kein Indol. Chinablaumolke wurde gebläut und schwach getrübt. Bei den Glässer-Voldagsenstämmen konnten wir eine Variabilität insofern feststellen, als ein Stamm das Gasbildungsvermögen und die Bläuung der Chinablaumolke vermissen ließ, während die anderen sich von Paratyphus B und Suipestifer Kunzendorf nicht unterschieden. Der Umschlag in Chinablaumolke, auf den Neukirch als Unterscheidungs- mittel des Paratyphus C vom Suipestifer hinweist, trat nicht mehr in so ausgesprochener Weise zutage. Zwar schlugen sämtliche Paratyphus - C-Stämme um, aber teilweise erst nach 3 Wochen die jüngeren russischen Stämme nach 5—8 Tagen aber auch einige Suipestifer- stämme zeigten in der angegebenen Zeit den Umschlag ins Alkalische, während allerdings der größere Teil ihn vermissen ließ. Ebenso erwiesen sich sämtliche Paratyphus C-Stämme (bis auf zwei russische) und sämt- liche Suipestiferstämme (bis auf zwei Voldagsenstämme) als fütterungs- pathogen für weiße Mäuse. Aus Herzblut und den Organen konnten die Erreger wieder gezüchtet werden.

Während also auf kulturellem Gebiete eine Unterscheidung und ge- nauere Identifizierung des Paratyphus C-Erregers nicht möglich war, zeitigte die serologische Untersuchung sowohl mit alten Laboratoriums- seren als auch mit frisch hergestellten Kaninchen-Immunseren zunächst einmal folgendes Ergebnis (Tab. I):

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es sich in der Regel wohl um Kontaktinfektionen von Mensch zu Mensch handelt, ohne daß im Einzelfall die Infektionsquelle mit Sicher- heit zu ermitteln wäre, scheint das gastroenteritische Initialstadium in der Regel zu fehlen. Zweifellos gibt es unter den Fällen mit gastroen- teritischem Beginn eine ganze Reihe, bei denen es nicht zur Entwicklung eines echten Paratyphus abdominalis kommt, wo eben der Paratyphus B Schottmüller in dem betreffenden Organismus nicht die Voraussetzungen für die Erzeugung des sonst für ihn charakteristischen Krankheitsbildes findet.

Bei den Infektionen mit den Erregern der Enteritis-Gruppe, gleich- gültig ob es sich um den Bazillus enteritidis Breslau oder um das von Gärtner entdeckte Stäbchen handelt, liegen aber die Verhältnisse doch durchweg so, daß ein infiziertes Nahrungsmittel, in der Regel ohne Schwierigkeit, als Infektionsquelle festgestellt werden kann; diese Be- dingungen für die Entwickelung der akut einsetzenden Infektionen bilden also bei den Enteritiserregern die Regel. während sie bei den durch Nahrungsmittel vermittelten Infektionen mit den Schottmüller Stäm- men als die Ausnahme zu gelten haben. Wenn also der Paratyphus B Schottmüller unter gelegentlichen, besonderen Bedingungen ein Krank- heitsbild entwickelt, welches in einem Teil der Symptome demjenigen entspricht, welches bei den Enteritis-Bakterien die Regel darstellt, so ist es m. E. ebensowenig gerechtfertigt, aus einer gelegentlich auftreten- den Gleichheit im Krankheitsbild eine Identität des Paratyphus B Schottmüller und des Bazillus enteritidis Breslau abzuleiten, wie es nach den Grundsätzen von Fränkel und Much nicht zulässig sein soll, aus. dem Unterschied der Krankheitsbilder auf den Unterschied der jeweils in Frage kommenden Erreger zu schließen.

Rein epidemiologisch möchte ich in Uebereinstimmung mit Reiner Müller betonen, daß, auch nach unseren Erfahrungen, die Fälle vom Paratyphus B abdominalis gegenüber den Fällen von akuter Gastro- enteritis zahlenmäßig ganz bedeutend überwiegen, und daß wir in den letzteren Fällen, wo es sich durchweg um Fleischvergiftungen han- delte, in der Ueberzahl der Fälle den Bazillus enteritidis Breslau und nur ganz vereinzelt den Bazillus enteritidis Gärtner feststellen Konnten. Ich möchte es aber der Vollständigkeit halber noch erwähnen, daB uns ganz vereinzelt auch Fälle begegnet sind, bei denen eine in Gestalt einer akuten Enteritis verlaufende Abortivinfektion mit Jem Para- typhus B Schottmüller vorlag, neben anderen Fällen, bei denen der Paratyphus abdominalis mit einem akuten gastroenteritischen Stadium eingesetzt hatte.

Zum Schluß möchte ich noch kurz auf die epidemiologisch bedeut- same Epidemie von Ueberruhr eingehen, die angesichts der Ein- heitlichkeit der beim Menschen erzeugten Erkrankungen und im Hinblick auf ihren klaren Zusammenhang mit einer Hammelepizootie geradezu die Bedeutung eines klassischen Experimentes für die Frage der Typen trennung beanspruchen könnte, wenn anders es auf Richtigkeit be- ruht, daß die fraglichen Keime die in der Originalarbeit von H. Bruns und Gasters als Paratyphus B Bazillen angesprochen wurden, als An- gehörige des Enteritis-Typs zu identifizieren sind. Einer so großen Zahl von Erkrankungen gegenüber müßten Einzelfälle, wie sie Fränkel und Much oder auch Holm und Lewy mitgeteilt haben, an Bedeutung verlieren, da sich in diesen zahlreichen Fällen von menschlichen Er- krankungen doch wenigstens bei einem Bruchteil der Erkrankten die

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Bedingungen hätten finden müssen, die die Entwickelung eines typhösen Krankheitsbildes ermöglicht hätten, wenn anders die fraglichen Er-

reger im Sinne von Fränkel und Much in der Lage wären, ein typhöses Krankheitsbild zu erzeugen.

Nach den Angaben von Bitter und entsprechend einer Bemerkung im Lehr- buch von Heim hat es sich bei den fraglichen Stämmen der Epidemie von Ueberruhr unzweifelhaft um Vertreter der Enteritis-Breslaugruppe gehandelt. Jedenfalls spricht Bitter in seiner gemeinsam mit Holtz veröffentlichten Arbeit „über die Be- deutung der Typentrennung die Anschauung aus, daß es sich nicht wie Bruns und Gasters angegeben haben, um ein Paratyphus B-Bakterium handelte, daß vielmehr der Erreger der Enzootie von Ueberruhr von ihm selbst, sowie von Manteufel und Beger einwandfrei als ein Breslaustäbchen sichergestellt worden sei.

Da es mir wünschenswert erschien, den Erreger einer epidemiologisch so bedeut- samen Massenerkrankung auch aus eigener Anschauung kennen zulernen, wandte ich mich an Herrn Prof. Bruns in Gelsenkirchen und erhielt auf meine Bitte 3 Agar- kulturen aus der fraglichen Epidemie überlassen, die mit der Bezeichnung Hammel- paratyphus Wenne, Hammelparatyphus aus Galle und Hammel- paratyphus Nr. 689, versehen waren. Her Prof. Bruns bemerkte mir auf meine Rückfrage über seine Auffassung betreffs Zugehörigkeit der fraglichen Stämme zum Typus Breslau, daß er dieselben wohl als zum Breslautyp gehörig erachte, da die in Frage kommenden Bakterien, so weit er sich erinnere, keine Wallbildung ge- zeigt hätten. Bezüglich der Tierpathogenität bemerkte Herr Prof. Bruns in dem betreffenden Brief, vermutlich irrtümlich, daß nach seiner Erinnerung eine Tier-

athogenität seinerzeit nicht bestanden habe. Eine Identifizierung der fraglichen tämme nach den Grundsätzen von Bitter sei allerdings damals nicht erfolgt, da die bekannte Makrelenarbeit von Bitter erst einige Wochen nach Veröffentiichung der Befunde aus der Epidemie von Ueberruhr erschienen sei. Bitter selbst konnte bekanntlich die Tierpathogenität bei seinen späteren Versuchen einwandfrei feststellen.

Wenn ich angesichts dieser scheinbar eindeutigen Sachlage doch noch einmal auf die Frage des Erregers von Ueberruhr zurück- komme, so sehe ich die Veranlassung dazu darin, daß mir die Ueber- prüfung der genannten drei, mir freundlichst überlassenen, Ueberruhr- Stämme eine erhebliche Ueberraschung brachte. |

Als ich nämlich, einer seit längerer Zeit geübten Gepflogenheit folgend, die Stämme vermittels Aussaat auf Agarkulturen zur Auf- spaltung brachte, bot sich mir bei den einzelstehenden, zunächst bei 370 bebrüteten und dann bei Zimmertemperatur gehaltenen, Kolonien das Bild der ausgesprochensten Schleimwallbildung zunächst bei zwei Stäm- men, und dann nach einer Wiederholung der Aussaat auch bei dem dritten Stamm. Auch als ich von den einzelnen Stämmen von einer Einzell-Kultur ausgehend auf dem Wege über eine 24stündige Bouillon- kultur Makrokolonien auf den verschiedensten Nährböden zur Ent- wickelung brachte, bot sich mir das Bild ausgesprochenster Schleim- wallbildung. Ich habe die Versuche bis in die neueste Zeit herein zu den verschiedensten Zeiten und unter den verschiedensten Bedingungen wiederholt, stets mit dem gleichen Ergebnis, daß sich die Stämme im Prinzip als typische Schleimwallbildner erwiesen, wobei es allerdings, bald bei dem einen, bald bei dem anderen Stamm in Erscheinung trat, daß die Schleimwallbildung gelegentlich versagte, was mir angesichts des beträchtlichen Alters der Kulturen, im Hinblick auf die sonst an älteren Laboratoriumskulturen gesammelten Erfahrungen, nicht weiter verwun- derlich erschien (vgl. Fig. 10 u. 11).

Agglutinatorisch reagierten die fraglichen 3 Stämme stark mit einem unter Verwendung eines typischen Schottmüller-Stammes her- gestellten Serums und wurden außerdem gleichzeitig durch Serum, welches mit dem Stamm „Knabe Reisner“ hergestellt war, bis zu dessen Titergrenze, in gleicher Weise wie der homologe Stamm, agglu-

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tiniert. Die Versuche, eine eventuelle Rezeptorengemeinschaft mit den Stämmen des Suipestifer-Typs festztstellen, ist bislang fehlgeschlagen und zwar in gleicher Weise bei Agglutinationsversuchen mit dem Suli- pestifer-Serum (Stamm 11), wie umgekehrt bei den Versuchen, die Sui- pestifer-Stämme agglutinatorisch durch ein Serum zu beeinflußen, wel- ches mit dem Hammelparatyphus Stamm Wenne gewonnen war.

Leider haben die bisher ausgeführten Pathogenitäts-Prüfungen su schwankende Ergebnisse gezeitigt, daß ich mich zunächst nicht iu Stande sche. die Stämme, die ich zunächst für tierische Stämme av- sprechen möchte, in die eine oder andere Gruppe der Paratyphazeen ein- zureihen. Ich habe mir schon die Frage vorgelegt, ob bei der groben Epidemie in Ueberruhr vielleicht doch nicht die angenommene Ein- heitlichkeit bezüglich des vermuteten Erregers bestanden hat, wenn an- ders ich nicht annehmen soll, daß es sich bei dem von mir bzw. von Bitter oder Manteuffel geprüften Stämmen, um Kulturen ver- schiedener Provenienz handelt, von denen die eine oder die andere Gruppe irrtümlich in Beziehung zu der Epidemie in Ueberruhr ge- bracht worden ist.

Vielleicht sind weitere vergleichende Untersuchungen in der Lage. den Zwiespalt zu Klären, der durch meine Befunde in das ätiologische Problem der Epidemie von Ucberruhr hineingetragen wird.

Nachtrag bei der Korrektur.

In der Zwischenzeit hatte Herr Prof. Bitter die Liebenswürdigkeit, die ihm überlassenen Kulturen der oben erwähnten, angeblich aus der großen Ueberruhr- Epidemie stammenden, Kulturen zu überprüfen. Herr Bitter hat meine objektiven Befunde im Prinzip betätigt und die fragichen Stämme auf Grund seiner Prüfung als Kulturen des Paratyphus B angesprochen. Gleichzeitig hatte Herr Bitter die Liiebenswürdigkeit, mir 2 weitere, ebenfalls aus der Ueberruhr-Epidemie stammende Kulturen zur Verfügung zu stellen, die er selbst als Breslaustämme angesprochen hatte, und die, auch nach unseren bisherigen Feststellungen, als Breslaustämme zu gelten haben. Ich habe schon weiter oben bemerkt, daß es nicht ausgeschlossen er- scheint, daß es sich bei den von mir bzw. von Bitter geprüften Stimmen um Kul- turen verschiedener Provenienz handelt. von denen die eine oder andere Gruppe irrtümlich in Beziehung zu der Epidemie in Ueberruhr gebracht worden ist. Herr Prof. Bruns selbst scheint übrigens der Auffassung zuzuneigen, daß es sich bei den mir übersandten Kulturen, angesichts der Ergebnisse von Bitter und Manteufel. um eine Verwechslung Al seines Laboratoriums handeln müsse, eine Auf- fassung, die manches für und manches gegen sieh hat. Angesichts der Tatsache, dat die fraglichen Stämme seinerzeit während der großen Epidemie nicht nach deu Prinzipien der Kieler Schule differenziert worden sind, wird sich die Identität der von Bitter und Manteufel untersuchten Stämme mit den wirklichen Erregern der Epizootie von Ueberruhr vielleicht ebenso wenig beweisen lassen, wie sich die Zu- gehörigkeit der von mir geprüften Stämme zur fraglichen Epidemie nicht mit Sicher- heit in Abrede stellen läbt. Soweit mir Herr Prof. Bruns mitteilte, befinden sich einwandfreie Originalkulturen der Hämmelepizootie von Ueberruhr im Kralschea Laboratorium in Wien, mit deren Hilfe sich der Identitätsnachweis der Erreger der Epizootie von Ueberruhr vielleicht in einwandfreier Weise erbringen ließe. lınınerhiu ist durch meine einschlägigen Befunde ein Moment bedenklicher Unsicherheit in die Beweiskraft jener großen Epidemie gebracht worden und wir werden, angesichts solcher widersprechender Ergebnisse, erneut daran gemahut, wie vorsichtig wir bei der Bewertung von Befunden sein müssen, die sich bei der Prüfung alter Labo- ratomumsknlturen ergeben.

Centralblatt für Bakteriologie Abt. I. Orig. Bd. 97 (Beiheft).

Fig. 3. Fig. 4.

TT. de

Verlag von 14

Graetz, Paratyphus-Enteritisfrage.

Fig. 9. Fig. 10. Fig. 11.

-‘ischer in Jena.

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der bekannten Vieldeutigkeit medizinischer Fragen eine Klärung nicht zu erhoffen. Dagegen schien es aussichtsreicher, die Frage vom exakten Kultur- und Tierexperiment aus anzugehen und sie damit auf den sichereren Boden exakter For- schung zu stellen.

Zu diesem Thema beschäftige ich mich hier nur mit der differential-diagnostischen Bedeutung der Wallbildung und des Fütterungsversuchs, den Hauptstützen der Kieler Lehre. Wenn sich zeigen läßt, daß im exakten Laboratoriumsversuch die wall- lose in eine wallbildende Form und die apathogene in eine pathogene Form mit gleichem Krankheitsbild, gleichen pathologischen Veränderun- gen und gleichem Kulturbefund übergeführt werden kann, dann wäre für die abweichenden Verlaufsformen, die nun schon in nicht. geringer Zahl und in einwandfreier Weise festgestellt sind, eine exakte experimentelle Grundlage geschaffen.

Geht man davon aus, daß die Abweichungen vom Kieler Schema offenbar sehr erheblich in der Minderzahl sind, so kommt man zu der Vermutung. daß die abnormen Verlaufsformen, die an sich nicht bezweifelt werden können. vielleicht durch besondere Begleitumstände bedingt sind. Diese besonderen Verhältnisse können eutweder in dispositionellen Faktoren des infizierten Organismus liegen oder sie müssen den infizierenden Keim und die infizierte Speise betreffen. Meine Versuche beschäftigten sich daher mit solchen „pathogenitätssteigernden Hilfsursachen“ im Tier und im infizierenden Futter. Sie erstreckten sich, was den letzteren Punkt anbelangt, namentlich auf dreı praktisch wichtige Einflüsse, denen infizierte Nahrungsmittel sehr häufig ausgesetzt sind: nämlich auf die Bedeutung der Gewitteratmosphäre, der Ab- kühlung durch Eis und des Einsalzens. Einflüssen dieser Art könnte, worauf hin- sichtlich des Eises schon Bitter aufmerksam gemacht hat, auch eine epidemio- logische Bedeutung zukommen.

Das Wallbildungsphänomen.

Da das Phänomen der Wallbildung durch die Entwicklung der letzten Zeit in den Mittelpunkt der Typentrennungsfrage gestellt ist, erscheint es angezeigt, sich mehr als bisher mit dem Wesen der Wallbildung zu beschäftigen. Die Wallbildung erfolgt nur beim Uebergang von Brut- zur Zimmertemperatur. Man könnte daher glau- ben, dab die darin liegende Verschlechterung der Kulturbedin- gungen dabei das Wesentliche ist. Das ist aber offenbar nicht der Fall, da alle Zeichen darauf deuten, daß die Wallbildung erhöhte Ansprüche an den Nährboden stellt. Mithin scheint das Wesen des Temperatur- wechsels in einem thermischen Reiz zu liegen. Dann gibt es also wahrscheinlich auch andere Reize, z. B. chemische und physikalische?

Das ist in der Tat der Fall: ein chemischer Reizstoff von hervor- ragend walltreibender Wirkung ist das Kochsalz. Mit zunehmender NaCl- Konzentration steigt die Wallbildung, bis das Wachstum aufhört, mit fallender sinkt sie bis zum völligen Ausbleiben des Walles. Aehnliche Wirkungen kann man auf physikalischem Wege durch Aenderung der Wasserstoffionen-Konzentration (Salzsäure-Bouillon) erzielen, so dab in solcher Bouillon gewachsene wall-lose Typen, auf normalen Agar gebracht, mit Wall wachsen. Dabei ergab sich im besonderen die wichtige Tatsache, daB die Wallbildung auf Kochsalzagar bei allen Spielarten des Paratyphus, also auch bei den wall-losen Breslaubakterien statthat. Es erweist sich damit, daß auch den wall-losen Paratyphustypen das potentielle Ver- mögen zur Wallbildung zukommt. Das aber stützt die Auf-

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fassung, daß es sich hinsichtlich der Wallbildung bei den Breslau- bazillen nur um eine Verlustvariante des Paratyphus B- Bazillus handelt. Wie der „Reiz“ des Kochsalzes und der geänderten H-Ionen- Konzentration, so können vielleicht auch Reize anderer Art im Körper das Entstehen einer Wallform fördern, so daß die frische (originale) Kultur des Erregers eine Wallform vor- täuschen kann. Auf diese Weise läßt sich vielleicht das Vor- kommen abweichender Befunde bis zu einem gewissen Grade erklären.

Im übrigen kann die Züchtung auf Kochsalzagar, wenn die Wall- bildung bei einer bestimmten Konzentration (anscheinend 2—21/,0/,) nur der Paratyphusgruppe eigen ist, vielleicht diagnostisch zur Er- kennung atypischer Paratyphusstämme sich als nützlich erweisen.

Die Radiärstreifung des auch bei Coli-Kolonien in Stuhlausstrichen oft vorhandenen Schleimwalles ist nichts Spezifisches, sondern offen- bar ein statisches Phänomen und an die Kreisform der Kolonie ge- bunden. Wahrscheinlich sind die radiären Streifen durch die sich in der Wallzone aus räumlichen Gründen radiär längs aneinander legenden teratologischen Bakterienfäden hervorgerufen. (Versuche der Färbung des Koloniebildes durch Fixierung nach v. Wasielewski).

Zur differentialdiagnostischen Bedeutung der Wall- bildung ist zu sagen, daß die hierauf aufgebaute Typeneinteilung der Kieler Schule für die Originalkulturen aus Nahrungsmitteln oder Exkreten in der Regel zutrifft. Aber Ausnahmen kommen vor, und beim Experimentieren vollends hört in Kulturen und in Tierpassagen die Regelmäßigkeit auf. Nur ein Beispiel sei angeführt. Der als der Erreger der Görbersdorfer Breslau-Epidemie (aus der Milz des ver- storbenen Oberarztes) von Kathe frisch herausgezüchtete Stamm war mir freundlichst als Agarstichkultur überlassen worden. In wochen- langen Kultur- und Tierpassagen war der Stamm immer wall-los ge- blieben. Als nach 31/, Monaten wieder einmal vom Originalstichröhr- chen abgeimpft wurde, traten einwandfreie Wälle auf. Mit diesem Stamm wurde eine Maus gefüttert. Sie starb nach 6 Tagen, und die aus den Organen gezüchteten Breslaubakterien zeigten wieder Wall- bildung. Die prinzipielle Bedeutung einer solchen Beobachtung scheint, nicht gering. Kommt ein Stamm dieser Art wieder in die Außenwelt, dann muß man auf Grund seiner unverminderten Pathogenität annehmen, daß er Nahrungsmittelvergiftungen erzeugen kann. In einem solchen Falle würde dann aber wahrscheinlich ein zunächst wallbildendes Breslau- bakterium als der Erreger herausgezüchtet werden!

Die Fütterungsversuche.

Paratyphus B-Bazillen sind bei Verfütterung an weiße Mäuse nicht apathogen. Sie führen vielmehr in der Regel eine Erkrankung herbei, die jedoch nicht oder in ganz anderer Weise zum Tode führt als die Breslauinfektion. Auf den grundsätzlichen Unterschied des bei B-In- fektion fehlenden, bei Breslau-Infektion eintretenden septikämischen Todes im Verlauf von etwa 5—12 Tagen hat die Kieler Schule auf- merksam gemacht und baut besonders auf diesem Unterschied die

242" IL Tezing d. Deusa ten Vereinigung f. Mikrobrd, in Fazit b M. 1

Typentrennung auf. Dieser Unterschied trifft auch in der Tic 27 derse,ben Rege. ‚mabigkeit zu. wie die ebenlails der Kisisr Mii- 27 9-7 dankende Feststeilung. daB bei den typhösen Krankheitsh:i i-em Ło- ZŁ- Form. bei den reinen gastro-enteriti-chen a Breslau- und LWartL-7-2:77 als Errezer geiunden wird. Die Kieler Schule leugnet ater. de z-z gastroenteritische Krankheitsbilder auch durch den B-E2:z = z typhöse Krankheitbiléer auch durch den Bre-laubazii.us herw rire werden können. und erkennt keine der schon ziemlich Z22 7-12. klinischen Beobachtungen dieser Art an. Labt sich im exas’en T.- experiment aber nachweisen. dab die gekreuzten Kranah-!'-2..3=r der Tat entstehen können. dann muB doch wohl auch zugegeben weri- dab das=elbe in der menschlichen Pathologie möglich ist: deri = darf den Tierversuch nicht nur da als zwingend bezeichnen. wo Ausfall die Erwartung bestätigt.

Dieser Nachweis ist durch meine Versuche erbracht worden. Din. Verfütterung von B-Bazillen laßt sich gelegentlich ohne erkrarie Ursache oder aber durch artifizielle (z. B. Hungern ı oder physi... gis 1- (Gravidität) Traumen, durch besonderes Futter, durch eine Reihe + à anderen Hilfsursachen (s. u.) sowohl eine akut-toxische. wie eine spättoxische wie auch eineakut septikämische Ver- laufsform vom genauen Ebenbilde der Breslauinfekti:n erzeugen. Ebenso kann umgekehrt die Breslau-Infektion zu einem akut- toxischen, nicht von der entsprechenden B-Infektion zu unterscheiden- den Krankheitsbilde führen. Die chronisch-toxische und spättoxisch- Form der B-Infektion habe ich mit Breslaubazillen, da ich nur mit vollvirulenten, frischen Stämmen arbeitete, experimentell nicht er- zeugen können. Daß derartige Verlaufsformen jedoch vorkommen, halte ich nach den mit Stämmen mittlerer und geringer Virulenz aus- geführten Fütterungsversuchen Max Müllers (C. f. Bakt. Abt. I. Orig. Pd. 62. S. 335) für erwiesen.

Durch diese Unterschungen haben die in der Literatur bekannt gewordenen und die von mir selbst beobachteten klinischen Abweichun- gen!) vom Kieler Schema eine feste experimentelle Stütze erhalten. Es kann danach noch weniger als vorher daran gezweifelt werden, daB ın ein und derselben Epidemie durch denselben Erreger verschiedene Krank- heitsbilder ausgelöst werden können und daß Einzel- oder Gruppenerkran- kungen an Paratyphus nicht notwendig unter dem die Regel darstellen- den Bilde verlaufen müssen. Es bestehen daher meines Erachtens Be- denken gegen den Vorschlag der Kieler Schule, die Artbezeichnung „Paratyphus‘‘ bei den enteritischen Formen abzuschaffen. Man wird sich dazu auch darum schwer entschließen können, weil die Breslau- bazillen biologisch so weitgehende Uebereinstimmung mit dem B-Bazillus haben und, wie oben bereits betont wurde, vermutlich nur eine Variante des B-Bazillus darstellen. Der Streptococcus viridans z. B. wird von Schottmüller als selbständige Art angesehen, die nach ihm ein nur ihr zukommendes Krankheitsbild hervorruft. Darum verlangt Schottmüller aber nicht, daß die Artbezeichnung ,, Streptococcus‘ beim Viridanstyp unterbleiben solle. Ebensowenig sollte man für den Breslaubazillus die Bezeichnung Paratyphus abschaffen, da die Be- nennung eines Bazillus nicht nur nach klinischen, sondern auch nach naturwissenschaftlich - systematischen Gesichtspunkten erfolgen muß.

1) Den Nachweis im einzelnen muß ich der ausführlichen Mitteilung vorbehalten.

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Endlich ist bei der Benennungsfrage noch zu berücksichtigen, daß die typische typhöse, durch den Paratyphus B-Bazillus hervorgerufene Erkrankung in einem hohen Prozentsatz mit einer akuten Gastroenteritis beginnt, die kein Arzt von der Gärtner- oder Breslauenteritis unter- scheiden kann. Der Baziluls ist vielleicht am besten gekennzeichnet, wenn man ihn Bacillus paratyphosus enteritidis Breslau (Kaensche) nennt.

Ueber pathogenitätssteigernde Hilfsursachen.

Wiederholt ist beobachtet worden, daß eine infizierte Speise, die frisch genossen unschädlich war, nach längerem Stehen schwere Er- krankungen auslöste, oder daß die Giftigkeit* einer Speise nur Teile betraf, oder daß eine Speise, in verschiedener Weise genossen, ver- schiedene Wirkung hatte o. ä. Es ist also anzunehmen, daß cs patho- genitätssteigernde Hilfsursachen gibt, denen vielleicht auch eine epi- demiologische Bedeutung zukommt. Solche pathogenitätssteigernde Hilfs- ursachen habe ich ın der Gewitteratmosphäre, in der Aufbewahrung der Speisen auf Eis und dem Einsalzen gesucht. Alle diese Einflüsse habe ich experimentell geprüft und dabei am zuverlässigsten die pathogenitäts- steigernde Wirkung des Kochsalzes, weniger sicher die des Eises und der Gewitteratmosphäre gefunden. Dabei wurden alle unnatürlichen Verhältnisse nach Möglichkeit vermieden, es wurde vielmehr angestrebt, unter möglichst natürlichen Bedingungen zu arbeiten. Auch hier müssen bei der Subtilität der Versuchsanordnungen alle Einzelheiten der aus- führlichen Mitteilung vorbehalten bleiben.

4. F. Weigmann (Kiel): Ueber den Erreger von Paratyphus C.

Im Jahre 1916 gelang es Neukirch und Weil und Saxl, un- abhängig voneinander, ersterem in der Türkei, letzteren in Wolhynien und Albanien, aus eigenartigen Krankheitsfällen ein Paratyphus B- ähnliches Stäbchen zu isolieren, das sich bei näherer Prüfung sero- logisch dem Suipestifer-Voldagsen als am nächsten verwandt erwies und als Bact. Erzindjan (Neukirch) oder paratyphi ß (Weil) bzw. paratyphi C (Bitter, Andrewes und Sheffield) bezeichnet wurde.

Gezüchtet wurden die Stäbehen aus Blut, Stuhl und Urin, sowie aus den Organen der Verstorbenen. Das durch diese Erreger hervorgerufene Krankheitsbild ist, nach den Angaben der Autoren zu urteilen, nicht einheitlich. Während Weil und Saxl von einer typhös-septischen Erkrankung berichten, unter- scheidet Neukirch außerdem noch eine zweite Form mit ruhrartigem Verlauf. Die Epidemiologie der Erkrankung ist ungeklärt. Nach Neukirch ist eine Nahrungsmittelvergiftung möglich, aber nicht sichergestellt, Uebertragung von Mensch zu Mensch möglich. Insbesondere aber betont Neukirch, daß das Schwein als Ueberträger nicht in Frage kommen könnte, da in der fraglichen Gegend Schweine überhaupt nicht gehalten würden. Neuerdings sind aus Rußland ähnliche Krankbheits- bilder im Zusammenhang mit einer Rekurrensepidemie oder an sie anschließend be- kannt geworden (Sütterlin, Sokolow u. a.). Es handelt sich auch hier um schwere

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septikämische Erkrankungen mit Komplikationen von seiten der Leber und des Darines, aus denen Paratyphus B-ähnliche Stäbchen isoliert wurden, die von den russischen Autoren in Unukeuntnis der westeuropäischen Literatur als „Paratyphus N“ bezeichnet wurden, sich aber bei späterer Prüfung als identisch mit den Neukirch-Stäminen erwiesen, insofern als sie von Glässer- und Erzindjanserum agglutiniert wurden (Sütterlin).

Die Stämme von Neukirch und Weil und Saxl sind nun in der Folgezeit zwecks ihrer näheren Identifizierung und Abtrennung gegen die übrigen Vertreter der Paratyphus- bzw. Hogcholeragruppe von den verschiedensten Autoren auf ihr kulturelles und serologisches Ver- halten geprüft werden (Neukirch, Weil und Felix, Manteufel, Zschucke und Beger, Manteufel und Beger, Bitter und Holtz, Fürth, Schiff, Manninger). Dabei hat sich gezeigt, daß eine Abtrennung hinsichtlich ihres kulturellen Verhaltens nicht mög- lich ist.

Die Paratyphus C (ß, Erzindjan)-Stämme verhalten sich nach Angaben der Autoren in ihrem Wachstum wie in ihren chemischen a er wie Paratyphus B und Suipestifer Kunzendorf, zeigen aber einen gewissen Unterschied gegenüber der Untergruppe Glässer-Voldagsen, ınsofern als letztere in ihrem kulturellen Verhalten sehr ee sein soll (wechselnde Fähigkeit in Traubenzucker Gas zu bilden, Aus- bleiben des Umschlages in Lackmusmolke), während die Paratyphus C-Stämme ein konstantes Verhalten aufweisen. Bitter und Holtz weisen auf die Wallbildung hin, die sie mit Paratyphus B-, Suipestifer- und Gärtnerbakterien gemeinsam haben, sowie auf die Fütterungspathogenität für weiße Mäuse, wodurch sie sich von Para- tvphus B, nicht aber von den beiden anderen genannten Arten unterscheiden.

Auch auf serologischem Gebiete ist eine scharfe Abgrenzung gegenüber anderen Vertretern der Hogcholeragruppe nach Angabe der meisten Autoren nicht möglich. |

Von einer Anzahl wird für einige Stämme eine Mitagglutination durch Para- typhus B-Serum angegeben, während audere Stämme diese Mitagglutination ver- missen lassen. Ne on unterscheidet auf diese Weise 2 Arten von Paratvphus C (B)-Stämme. Bitter hat bei dem einen ihm zur Verfügung stehenden Stamm eine Mitagglutination durch Gärtnerserum gesehen und einen gemeinsamen thermostabilen Rezeptor mit dem Gärtnerbazillus festgestellt. Auch Sütterlin berichtet, dal einer seiner Stämme durch Gärtnerserum bis zur Titergrenze agglutiniert wurde uud unterscheidet die sog. Paratyphus N,-Stänme, die vom Erzindjan- und teilweise auch Paratyphus B-Serum agglutiniert werden, von dem Paratyphus N,-Stamm, der nur durch Gärtnerserum mitagglutiniert wird. Fast übereinstimmend geben die Autoren aber die vollle Agglutinabilität der Paratvphus © (B)-Stämme durch Suipestifer- bzw. Voldagsenserum an, so daß sie serologisch mit diesen als identisch anzusehen seien. Auch mit Hilfe der Rezeptorenanalyse ist es Weil und Felix nicht gelungen, einen Unterschied zwischen Paratyphus (B) und Bact. suipestifer Voldagsen zu finden. Ebenso hatten die Versuche von Schiff zu keinem eindeutigen Ergebnis geführt (siehe unten).

Wir haben nun, um diese Fragen erneut zu prüfen und vielleicht doch eine Identifizierung bzw. Abtrennung der menschlichen Paratyphus C- gegen die tierischen Suipestiferstämme durchzuführen, umfangreiche Untersuchungen angestellt, die sich vor allem auf das serologische Gebiet erstrecken. Außer wohl sämtlichen, zurzeit in Deutschland vor- handenen Paratyphus C-Stämmen, die wir der Liebenswürdigkeit des Herrn Oberregierungsrat Manteufel aus dem Reichsgesundheitsamt und des Herrn Prof Schiff verdanken, haben wir von Herrn Prof. Zeiß in Moskau noch 9 Stämme zur Verfügung gestellt bekommen. Ge- arbeitet wurde zuerst mit den alten, von Neukirch, Weil und Saxl! isolierten Bakterien, später auch mit den Zeißstämmen. Suipestifer-

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stämme standen uns aus eigener Sammlung in reichlicher Menge zur Verfügung.

Es sei hier eine kurze Bemerkung über die Bezeichnung „Paratyphus C“ eiuge- flochten. Wir halten diese Bezeichnung nach dem Vorbilde von Bitter: An- drewes, Sheffield u. a. deswegen für angebracht, weil es sich um eine typhöse Erkrankung handelt. die als dritte ihrer Art dem Paratyphus A und B anzureihen ist. Der Name Paratvphus C scheint uns also logischer zu sein als der von Weil und Suxl gewählte Paratyphus ß. Der Erreger dieser Krankheit ist demnach mit Bact. paratyphi C zu bezeichnen. Wir sind uns wohl bewußt, daß dieser Name bereits vor cn von Uhlenhuth und Hübner angewandt worden ist. Diese Autoren verstehen darunter aber weder ein bestimmtes Bakterium noch eine schärfer umschriebene Gruppe von Erregern, sondern alle die Paratyphus B-ähnlichen Stäb- chen, die durch Paratyphus B-Serum nicht agglutiniert werden. Darunter kann sich natürlich alles Mögliche verbergen. Diese Bezeichnung ist damals wohl auch mehr ein Verlegenheitsausdruck gewesen. Heute werden die genannten Autoren wohl auch nicht mehr an dieser Auffassung des Begriffes „Paratyphus C“ festhalten. Es ist daher nur logisch, wenn wir jetzt diese Bezeichnung für den von Neukirch ent- deckten Erreger einer besonderen typhösen Erkrankung, den er nach dem Fundort vorläufig mit Bact Erzindjan, Weil und Saxl als Bact. paratyphi ß bezeichnet haben, verwenden.

Sämtliche Stämme wurden nun zunächst kulturell und im Tier- versuch geprüft. Sie wuchsen auf den von uns benutzten Chinablau- nährböden als große farblose Kolonien von Paratyphus-Charakter. Das Wallbildungsvermögen war bei den meisten Paratyphus C- und Sui- pestiferstämmen verloren gegangen. Nur einige wenige zeigten noch mikroskopisch wahrnehmbare Wälle (Strichelung der Randzone). Nach Tierpassage gewann eine Anzahl von Suipestiferstämmen das Wall- bildungsvermögen wieder. Auf der bunten Reihe verhielten sie sich sämtlich wie Paratyphus B, d.h. sie bildeten Gas in Traubenzuckeragar und kein Indol. Chinablaumolke wurde gebläut und schwach getrübt. Bei den Glässer-Voldagsenstämmen konnten wir eine Variabilität insofern feststellen, als ein Stamm das Gasbildungsvermögen und die Bläuung der Chinablaumolke vermissen ließ, während die anderen sich von Paratyphus B und Suipestifer Kunzendorf nicht unterschieden. Der Umschlag in Chinablaumolke, auf den Neukirch als Unterscheidungs- mittel des Paratyphus C vom Suipestifer hinweist, trat nicht mehr in so ausgesprochener Weise zutage. Zwar schlugen sämtliche Paratyphus C-Stämme um, aber teilweise erst nach 3 Wochen die jüngeren russischen Stämme nach 5—8 Tagen aber auch einige Suipestifer- stämme zeigten in der angegebenen Zeit den Umschlag ins Alkalische, während allerdings der größere Teil ihn vermissen ließ. Ebenso erwiesen sich sämtliche Paratyphus C-Stämme (bis auf zwei russische) und sämt- liche Suipestiferstämme (bis auf zwei Voldagsenstämme) als fütterungs- pathogen für weiße Mäuse. Aus Herzblut und den Organen konnten die Erreger wieder gezüchtet werden.

Während also auf kulturellem Gebiete eine Unterscheidung und ge- nauere Identifizierung des Paratyphus C-Erregers nicht möglich war, zeitigte die serologische Untersuchung sowohl mit alten Laboratoriums- seren als auch mit frisch hergestellten Kaninchen-Immunseren zunächst einmal folgendes Ergebnis (Tab. I):

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Tabelle I. Agglutiniert mit Serum

Stamm o E

> F-

; i a | i 5 a En |

Br | eh | | TE Erzindjan 100 8 68 | 8e | ə | eı50I0:.051|10| e ] Erison 100 | 0 | 6 6 ee : 9 50| e 051108 ‘i> Nv | 50/52! 6 | 8 | 6e : 6e | 21e 25) 5|e ||: Sali Mustafa ! 6 10: 25| 11100, 400) 8 | 8 | 8 | 8 | 2,5 (= Sahli Abdurachman © ; 100 | 50| 2133,3| 40 | 6 | 8 | 6 | 6e | 5 Wolhynien 6 | 50! 5| 2666| 40 | 6 | 8 | 8 | o e iiS Zeise 8 50 | 25 | 20 66,6, 40 | 6e | 8 | 60 | 6e | 25 |f Sa | 8 100! 10| 11101101 el ei e1)e.e ı% Zs _e |50| 25] 10/10) 10) e/e)e)e)e \_ Budapest B ® 100 | 100 50 | 100 | 40 | 8 | 6 | 8e |o | 10 12 Berlin C 1100 100! 50 168,6] 40 | e | 6e | 6e | e : 10 (3 Bugge IV _e |100 100| 50 | 100 | 40 | e | 5| © o i 10 Voldagsen III e |100 | 100 | 100 | 100} 50 | 8 1541 e|e 105 Paraty B sad 10 25 | 51166| ə | e |1010} 2 25 | Gärtner i 26! 5| ıleleıeLıole |25] 5] 6. Breslau 125! 68 [6 | 6 | 8e | 6e 6e | 10) 6e | 1 |100|

Wegen Raummangels ist in dieser Tabelle nur ein Teil der untersuchten Stämme

angeführt

Von einem aus dem Stamm Erzindjan!) hergestellten Serum wurde außer dem Eigenstamm Erzindjan nur noch der Stamm Erison ag- glutiniert, alle übrigen Paratyphus C-Stämme nicht. Die letzteren wurden sämtlich von einem, aus einigen von ihnen hergestellten, poly- valenten Serum agglutiniert, die beiden erstgenannten Stämme Erzindjan und Erison wurden jedoch von diesem Serum nicht beeinflußt. Da- gegen wurden sie vom Gärtnerserum bis zu 50 Proz. des Endtiters ag- . glutiniert, während die übrigen Stämme keine Agglutination durch Gärtnerserum aufwiesen. Diese wurden wiederum vom Suipestifer Kunzendorf-, Glässer-, Bernhard-, und vor allem Voldagsenserum meist. hoch agglutiniert, nicht aber die beiden Stämme Erzindjan und Erison. Vom Paratyphus B-Serum wurden im Gegensatz zu den Angaben an- derer Autoren sämtliche Paratyphus C-Stämme nicht agglutiniert, da- gegen zeigten einige Paratyphus C- und die meisten Suipestiferstämme eine mäßige Mitagglutination durch Breslauserum.

Wir haben also zwei serologisch gänzlich verschie- dene Gruppen des Paratyphus C-Erregers vor uns. Eine vertreten durch die Stämme Erzindjan und Erison, die Verwandtschaft zum Bact. enteritidis Gärtner besitzt, und eine andere, die sehr nahe mit dem Bact. Suipestifer bzw. Voldagsen verwandt, vielleicht mit ihm identisch ist. Wir bezeichnen nun im folgenden die erste Gruppe mit Paratyphus C,, die zweite mit Paratyphus C, und ebenso die aus ihnen hergestellten

1) Es handelt sich hier um einen älteren Laboratoriumsstamm, der uns vor einigen Jahren unter diesem Namen vom Reichsgesundheitsamt zugesandt war. Es ıst derselbe Stamm, mit dem Bitter gearbeitet hatte. S. o.

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Seren. Dementsprechend verhalten sich auch die Suipestiferstämme den beiden Paratyphus C-Seren gegenüber. Vom Paratyphus C, -Serum werden sie so gut wie gar nicht agglutiniert, sehr hoch aber, häufig sogar bis zum Endtiter, vom Paratyphus C.-Serum. Entsprechend wird das Bact. enteritis Gärtner vom Paratyphus C,-Serum, wenn auch nicht so hoch wie im umgekehrten Falle, agglutiniert, so gut wie gar nicht dagegen vom Paratyphus C,-Serum.

Nun ist es auch verständlich, warum Bitter von einer Verwandtschaft des Bact. paratyphi C mit dem Gärtnerbacterium sprechen konnte. Er hatte eben nur den einen als Erzindjan bezeichneten Stamm unserer Sammlung in Händen. Da- das Gros der ParatyphusC-Stämme (die meisten Neukirchstämme und die von Weil und Saxl) der C;-Gruppe angehören, sind andererseits die Untersuchungsbefunde von Weil und Felix und Schiff zu erklären. Sie haben offenbar nur mit Erregern dieser Gruppe gearbeitet. Woher die beiden Stämme Erzindjan und Erison, die so gänzlich aus dem Rahmen herausfallen, stammen, wissen wir nicht. Daß es sich um echte Paratyphus C-Erreger handelt, ist doch wohl anzunehmen, da sie uns als Neukirchstimme zugegangen sind.

Neuerdings wird unser Befund, wie schon oben erwähnt, durch Sütterlin bestätigt, der eine Gruppe seiner russischen Stämme als Paratyphus N, bezeichnet, da sie durch Gärtnerserum bis zum End- titer agglutiniert wird. |

Unter den uns aus Rußland zugesandten Stämmen konnten wir die gleiche Beobachtung machen. Die beiden mit N bezeichneten Stämme, die aus Tambow stammen, verhalten sich wie die Stämme Erzindjan und Erison, d. h. sie werden durch Paratyphus C,- und Gärtnerserum agglutiniert, während die übrigen, mit S bezeichneten Stämme (aus Saratow) und der Z-Stamm (von ZeiB aus Moskau) vom Paratyphus C,- und dementsprechend vom Suipestifer- und Voldagsenserum ag- glutiniert werden, also zur Paratyphus O,-Gruppe gehören (s. Tab. I).

Es galt nun, mit Hilfe der Rezeptorenanalyse von Weil und Felix die Art der Verwandtschaft der beiden Paratyphus C-Typen mit den ihnen nahestehenden Bakterien festzustellen. Zunächst wurden die Be- ziehungen des Paratyphus C, zum Bact. erteritidis Gärtner untersucht. Schon Bitter hatte darauf hingewiesen, daß das Bact. Erzindjan, das er in Händen hatte, mit dem Gärtnerbazillus die thermostabilen Rezep- toren ann habe. Folgender Absättigungsversuch gibt darüber Auskunft.

Versuch 1.

Absättigung eines Paratyphus C,-Immunserums mit Gärtnerbakterien, den eigenen Stämmen Erzindjan und Erison, und einem Stamm der Paratyphus C,-Gruppe (Wolhynien).

Technik: 10 cem der Serumverdünnung 1:100 werden mit dem abzentrifugierten Bodensatz der Abschwemmung von je 2 Schrägagarkulturen der genannten 4 Stämme versetzt und unter mehrfachem Aufschütteln 2 Stunden bei 370 gehalten. Dann wird zentrifugiert, und das überstehende klare Serum in steigenden Verdünnungen an- gesetzt mit Gärtner, Erzindjan, Erison und Wolhynien.

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Tabelle II.

Aggluti- Serum- Paratyphus C,-Serum abgesättigt mit Kontrolle nation ver- io N nn sr EB Serum mit Stamm |dünnung Gärtner [1 Erzindjan | Erison | Wolhynien |unbehandelt Gärtner 1: 50! | 1 ++ fein | ++ fein

|1: 1000 = = ee + 11: 2000 = h + “1 : 5000 a= | i —- == 1l : 10 000 | = Erzindjan ;] 500! +++ grob! er | +++ grob | +++ grob 1 1 000 | +++ | _ | +++ und +++ und 1 2000 ++ | = +++ fen| +++ fein 1: 5000| + | + + ++ | :1:10000! | = Ä = +— es Erison 1: 500!++4+ grob; -- | +++ grob| +++ grob 1: 1000| +++ {+++ und | +++ und f 2000! ++ | | fein | +++ fein 1: 5000| + po e : | ++ | 1 10 000 2 + + Wolhynien 1 500 _ = | == | = a 1: 1000 = | _ 1: 2000 = _ 1: 5000 = | = 24, = | 1 : 10 000 =

Zunächst zeigt die Kontrolle die Agglutination der Stämme durch das unbehandelte Serum, wonach Gärtnerbakterien durch das Paratyphus C,-Serum bis zu 20 Proz. des Endtiters beeinflußt werden. Die Ab- sättigung des Serums mit Gärtnerbakterien entfernt naturgemäß für Gärtner sämtliche Agglutinine. Für die eigenen Stämme Erzindjan und Erison bleibt eine Agglutination vorhanden, jedoch ist dieselbe nur noch grobflockend. Die Absättigung mit Gärtnerbakterien hat also aus dem Paratyphus C,-Serum die stabilotropen Agglutinine ent- fernt. Die Absättigung mit den Eigenstämmen entfernt naturgemäß sämtliche Agglutinine für alle Bakterienarten, während der Paratyphus C,-Stamm Wolhynien in keiner Weise einen Einfluß auf die Aggluti- nationsfähigkeit des Serums ausübt und daher auch für Gärtner die feinflockende Agglutination bestehen läßt. Diese feinflockende Aggluti- nation des Gärtnerbazillus durch das nicht beeinflußte und unbehandelte Serum, und die Entfernung der stabilotropen Agglutinine aus dem Serum durch Absättigung mit Gärtnerbakterien spricht für cine Ge- meinsamkeit der thermostabilen Rezeptoren des Bact. enteritidis Gärtner mit den Paratyphus C,-Bakterien.

Die Absättigung mit 100°-Bakterien ergibt im Grunde dasselbe Bild. Versuch 2. ;

Technik wie oben. Nur werden die abgeschwemmten Bakterien 1/ Stunde auf 100° erhitzt.

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Tabelle III. luti- | Serum- | Paratyphus C,-Serum abgesättigt mit 100°- Kontrolle Aggut x ver- Bakterien Serum mit Stamm dünnung Wolhynien unbehandelt Gärtner 1: ++ fein 1; + 1: 2000 + 1: 5000 > 1:10000 Fi Erzindjan |1: 500) ++ grob | ++ grob | ++ grob | +++ grob +++ grob 1: 1000| ++ ++ ++ +++ und +++ und 1: 2000! + E oi ++ fein | +++ fein 1: 5000! + E + + ++ 1:10000! | _ di MER Erison 1: 500) ++ grob | ++ grob | ++ grob | +++ grob| +++ grob 1: 1000| ++ ge +4 +++ und +++ und 1: 2000! + + + ++ fein | +++ fein 1: 5000! + + + + + 1:10000! e = ba k oan Wolhynien |1: 500 = se 1: 1000 = e ree E 1: 2000 > = = = 1: 5000 Se nr En = . 1: 10 000 ax = re SS

Es bleiben für Gärtner auch

nach Absättigung mit

100 °-Bakterien

keine Agglutinine übrig, während die homologen Stämme naturgemäß

durchgehend grobflockend agglutiniert werden.

Die Kontrolle zeigt

wieder die feine Agglutination des Gärtnerstammes durch das un-

behandelte Serum.

Tabelle IV.

Serum- ver-

Aggluti- nation

| Gärtnerserum behandelt mit | lebende Bakterien | j

Erzindjan

Erison

Gärtner grob

Qt S r -1

Mustafa

fh pd bed jd jd jd pd d pd j jd pad pd end pd pd j jl jaa .. .. .. .. .. .. .. .. .. >. .. .. .. s.. .. .. .. .. s. ..

Erste Abt, Orig. Bd. 97.

100° Bakterien

Kontrolle Serum unbehandelt

mit Stamm | dünnung ——— "———— á Erison | Gärtner | Erison | Gärtner

- qe + = + + = + + ae ca + nee +++ grob| +++ er +++ EPE -= ES EFF = ++ ++ = = +

grob

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In gleicher Weise verlief umgekehrt die Absättigung eines Gärtner- serums mit den Paratyphus C,-Stämmen Erzindjan und Erison und dem homologen Stamm. Auch hier entfernten die Paratyphus C,-Stämme die stabilotropen Agglutinine aus dem Serum, was sich daran zu erkennen gab, daß der homologe Stamm nur noch grobflockend agglutiniert wurde. Nach Absättigung mit erhitzten Stämmen blieb nur für den homologen Gärtner-, nicht für den heterologen Paratyphus C,-Stamm cine grob- flockende Agglutination vorhanden (Tab. IV S. *305).

Es geht somit aus diesen Versuchen hervor, daß Gärtner- und Paratyphus C,-Bakterien die thermostabilen Rezeptoren gemeinsam haben, während die thermolabilen offenbar für jede Gruppe streng spezifisch sind.

Bei Prüfung der beiden russischen Stämme N, und N,, die zur Paratyphus C,-Gruppe gehören, traten diese Verhältnisse, jedenfalls bei Verwendung des Gärtnerserums, ebenso deutlich zutage, weniger ausgesprochen allerdings bei der Absättigung des Paratyphus C,-Serums. Im letzteren Falle hatte die Absättigung mit Gärtner auch für die homologen Stämme N, und N, fast alle Agglutinine entfernt. Es mag sein, daß es sich hierbei um feinagglutinierende Rassen, wie sie ja spontan bei einer Bakterienart vorkommen können, handelt (s. Fricd- berger bei Schiff, Zeitschr. f. Immun. Bd. 35). Jedenfalls spricht dafür auch die verhältnismäßig feine Agglutination durch das homologe Paratyphus C,-Serum. E

Ueber die Beziehungen der Paratyphus C,-Bakterien zur Sui- pestifergruppe hinsichtlich ihres Rezeptorenapparates liegen, wie oben erwähnt, bereits Untersuchungen vor.

Die Versuche von Weil und Felix, auf diesem Wege eine Unterscheidung durchzuführen, waren negativ verlaufen, die Autoren hatten jedoch nur ein Para- typhus B- und Paratvphus B-Serum, dagegen kein Suipestiferserum benutzt. Schiff, der in der Hauptsache keine durchgreifende Unterschiede im Rezeptorenapparat der fraglichen Gruppen feststellen konnte, gelang es jedoch, „mit geeigneten Seris in geringer Anzahl thermolabile Rezeptoren nachzuweisen, die einerseits für die Para- typhus -Stämme des Menschen, andererseits für die Suipestiferstämme des Schweines streng spezifisch waren“.

In vielen Absättigungsversuchen, in denen die zur Verfügung stehenden Stämme geprüft wurden, konnten wir diese letzterwähnte Beobachtung von Schiff be stätigen.

Es wurde zunächst folgender Versuch angestellt:

Versuch 3.

Ein Paratyphus C,-Serum wird abgesättigt mit den Suipestiferstimmen Buda- prst P und Bugge IV, beide vom Typus Kunzendorf, und dem homologen Stamm ustafa. Technik wie oben. Dann Agglutination mit einigen Paratyphus Cə- und den genannten Suipestiferstämmen. (Siehe Tab. V, S. *307.

Der Versuch zeigt, daß die beiden Suipestiferstämme für sich und allerdings auch für den Stamm Wolhynien sämtliche Agglutinine aus dem Serum entfernt haben, nicht aber für die homologen Stämme Mustafa und Sali Abdurachman. Diese werden durch das abgesättigte Serum noch agglutiniert, und zwar ist der Typus dieser Agglutination rein grobflockig. Der homologe Stamm Mustafa hat dagegen für alle geprüften Stämme sämtliche Agglutinine aus dem Serum heraus- genommen. Das unbehandelte Serum agglutiniert, wie aus der -Kon- trolle hervorgeht, alle Stämme bis zum Endtiter, und zwar, abgesehen von dem Stamm Wolhynien, grob und fein, weist also den Doppeltypus

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Tabelle V. Agglutiniert mit a. Stamm unbehandelt Mustafa 1: al ++ grob ++ grob +++ grob 1: 1000| ++ ++ u +++ und 1: 2000| ++ ++ _ +++ fein 1: 5000! + + 2 + 1210090 + Wolhynien 1: 500 = +++ grob? 1: 1000 == +++ und 1: 2000 -- > ++ fein 1: 5000 Ee = $ 1:10 000 Bali Abdurachman 1: 500! ++ grob ++ grob +++ grob |1: 1000| ++ ++ = +++ und 1: 2 000 + + +++ fein |1: 5000! + + > + 1:10000 + Ua a + Budapest B 1: 500 == -= +++ grob 1: 1000 Le +++ und 1: 2000 = +++ fein 1: 5000 ++ 1 : 10 000 +— Bugge IV p 500 +++ grob 1: 1000 +++ und 1: 2000 +++ fein 1: 50% = = == + 1 : 10 000 = = E

der Rezeptoren auch für die beiden Suipestiferstämme auf. Aus diesem Versuch ist also ersichtlich, daß offenbar getrennte thermolabile Rezep- toren wenigstens für einige Paratyphus C,- und Suipestiferstämme vor- handen sind. Der Stamm Wolhynien zeigt dies Verhalten allerdings nicht. Es hat sich aber im Laufe der Untersuchungen herausgestellt, daß er seine thermolabilen Rezeptoren offenbar verloren hat, denn er wurde, wie aus dem nächsten Versuch hervorgeht, auch nach Absättigung des Serums mit homologen 100°-Bakterien nicht mehr agglutiniert. Ein ähnliches Verhalten zeigte der Stamm Albanien, der cine grob- flockende Agglutination nur andeutungsweise noch aufwies, ein Ver- halten, das übrigens durch die Arbeit von Weil und Felix bestätigt wird. Alle übrigen Stämme verhielten sich wie Mustafa und Sali Abdurachman. Sie alle in einer Tabelle aufzuzeichnen, würde zu weit führen. \

Die Absättigung mit 100°-Bakterien mußte nun ergeben, ob außer diesen getrennten auch noch gemeinsame thermolabile Kezeptoren vor- handen waren.

Versuch 4.

Ein Paratyphus C,-Serum wird abgesättigt mit den Suipestiferstimmen Buda- pest B und Bugge IV und dem homologen Stamm Mustafa, die !/; Stunde auf 1000 erhitzt waren.

Technik wie oben. Agglutination mit einigen Paratyphus C,- und den genannten Suipestiferstämmen.

20 *

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Tabelle VI.

Paratyphus C,-Serum behandelt mit 100° Bakterien

Agglutiniert mit Stamm

Mustafa 1: 500 1: 1000 1: 2000 1: 5000| + ++ + ++ 1:10000! +— +— Wolhynien 1: 500 +— +++ fein 1: 1000 +++ 1: 2000 ++ 1: 5000 + 1 : 10 000 Sali Abdurachman |l: 500| ++ grob | ++ grob | ++ grob | +++ grob 1: 1000| ++ ++ ++ +++ und 1: 2000) ++ + + +++ fein 1: 5000| + + + ++ 1:10000| + + + + Budapest B 1: 500| +++ grob| +++ grob) ++ grob | +++ grob 1: 1000! ++ ++ + +++ und 1: 2000! + + + +++ fein 1: 5000| +— = _ ++ 1:10000| +— Bugge IV 1: 500! +++ ++ grob | ++ grob | +++ grob 1: 1000 FE EF + +++ und 1: 2000 + + + +++ fein 1: 5000 | +— | ++ 1:10000 +—

Die Absättigung mit den erhitzten heterologen und homologen Stämmen hat, abgesehen von Wolhynien, für sämtliche geprüften Stämme grobflockende bzw. labilotrope Agglutinine im Serum belassen. Daraus geht also hervor, daß außer den getrennten auch gemeinsame thermo- labile Rezeptoren vorhanden sind.

Um diese verschiedenen Typen der thermolabilen Rezeptoren noch deutlicher hervortreten zu lassen, wurde folgendes Verfahren an- gewandt:

Versuch 5.

Ein Paratyphus C,-Serum wurde mit den auf 100° erhitzten homologen Stämmen Mustafa und Albanien abgesättigt, so daß es rein grobflockend war, also nur noch die labilotropen Agglutinine enthielt.

Dieses rein grobflockende Serum wurde dann abgesättigt mit den Suipestifer- stämmen Budapest B und Bugge IV und dem moon Stamm Mustafa.

Technik wie oben. Agglutination mit Mustafa, Albanien (Weil), Zeise (Neu- kirch) und dem Suipestiferstamm Budapest B. (Siehe Tab. VII, S. *309.)

Zunächst zeigt der Versuch, daß der Stamm Albanien, wie bereits oben erwähnt, sich wie Wolhynien verhält, er wird durch das grob- flockende Serum nicht mehr beeinflußt. Die anderen Stämme aber, auch der Suipestiferstamm Budapest B, werden, wie aus der Kontrolle hervor- geht, durch das grobflockende, aber sonst nicht weiterbehandelte Serum agglutiniert. Nach Absättigung des grobflockenden Serums verschwinden jedoch die Agglutinine für den Suipestiferstamm Budapest B. Für die Stämme Mustafa und Zeise bleiben nach Absättigung mit den hetero-

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Tabelle VII. i. Grobflockendes P h -Beru Kontrolle. Agglati- | Serum- ner er dr ren EE Per Pi va

nanon verdünnung

mit Stamm Budapest B | Bugge IV | Mustafa

Mustafa 1: 500 ++ b ++ grob 1: 1000 ++ = + = 1: 2000 + + 1: 5000 +— 1 : 10 000 = Albanien 1: 500 1: 1000 1: 2000 —- 1: 5000 1 : 10 000 = Zeise 1: 500 + grob ++ grob = ++ grob 1: 1000 + + + 1: 2000 + + eu Be 1: 5000 + + _ + 1: 10 000 +— +— + Budapest B | 1: 500 = + grob 1: 1000 + 1: 2000 = ı + 1: 5000 —- 1:10000 |

|

logen Stämmen noch Agglutinine vorhanden, und erst der homologe Stamm entfernt auch für sie alle Agglutinine aus dem Serum. Daraus geht deutlich hervor, dab zwei Arten von thermolabilen Re- zeptoren bei den Paratyphus C,- und Suipestiferstämmen vorhanden sind, eine Art, die beiden gemeinsam, und eine andere, die für jede der beiden Gruppen streng spe- zifisch ist.

Tabelle VIII.

ipestif t mit Aggluti- D m Dan Ge DIR... Kontrolle ‚nation lebenden Bakterien 100° Bakterien um

Budapest B

an nn

Mustafa | Budapest B

Budapest B|1: 500| ++ grob| |+++ grob 1: 1000 +++ 1: 2000| ++ +++ 1: 5000| ++ = ++ 1:10000| + ++ 1:20000 | +— = + Berlin C 1: 500| ++ grob +— +++ grob 1: 1000! + +++ 1: 2000| ++ = +++ 1: 5000| ++ _ ++ 1:10000| + = + 1:20000! + Mustafa 1: 500 ++ grob 1: 1000 ++ 1: 2000 ++ 1: 5000 ++ 1:1000! + 1:20 000

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Es wäre noch zu erwähnen, daß die Absättigung mit den Vertretern der Paratyphus C,-Gruppe in keiner Weise das Serum beeinflußte.

Das gleiche Ergebnis wurde nun umgekehrt bei Verwendung eines Suipestiferimmunserums erzielt. Wegen Raumersparnis sei hier nur ein Ausschnitt aus den Versuchen wiedergegeben.

Versuch 6.

Ein Suipestiferimmunserum wird mit einem lebenden und auf 100° erhitzten heterologen und homologen Stamm abgesättigt.

Technik wie oben. Agglutination mit einem heterologen und zwei homologen Stämmen. Berlin C ist ein Kunzendorfstamm. (Siehe Tab. VIII. S. *309.)

Die Absättigung mit dem lebenden Paratyphus C,-Stamm Mustafa entfernt nur für diesen alle Agglutinine aus dem Serum, für die beiden Suipestiferstämme bleiben grobflockende Agglutinine erhalten, während der Eigenstamm Budapest B naturgemäß sämtliche Agglutinine für alle Stämme entfernt. Die Absättigung mit den 100°-Bakterien läßt aber nicht nur für die beiden Suipestiferstämme, sondern auch für den Paratyphus C,-Stamm noch grobflockende Agglutinine übrig.

Ein zu Versuch 5 ganz analoges Bild ergab ein durch Behandlung mit homo- logen 100° Bakterien grobflockend gemachtes und dann mit heterologen und homo- logen Stämmen weiter abgesättigtes Suipestiferserum. auf dessen Wiedergabe hier verzichtet werden soll. Dieselben Versuche wurden mit einem Voldagsenserum und Voldagsenstamm angestellt. Sie ergaben stets genau das gleiche Bild.

Es ist somit wiederum der Beweis erbracht, daß die Paratyphus C- und Suipestiferstämme neben gemeinsamen thermolabilen Rezeptoren auch solche besitzen, die für jede Bakterienart streng spezifisch sınd. Für eine Verschiedenheit der thermostabilen Rezeptoren liegt kein An- haltspunkt vor, sie sind offenbar beiden Gruppen gemeinsam.

Wie gesagt, sind diese Ergebnisse mit allen aus Deutschland er- haltenen Paratyphus C,-Stämmen außer Wolhynien und Albanien er- . zielt worden. Ueber das abweichende Verhalten dieser beiden Stämme ist oben schon gesprochen worden. Mit den später erhaltenen russischen Stämmen konnten allerdings nicht gleichgünstige Resultate erzielt werden. Einige von ihnen versagten ganz oder ergaben nur ein un- vollkommenes Bild. Vielleicht wäre es möglich, mit aus ihnen her- gestellten Seren zu einem Ergebnis zu gelangen. „Das Entscheidende für den Nachweis ist die Auswahl geeigneter Sera. Negative Resultate be- weisen das Fehlen der gesuchten Rezeptoren durchaus nicht, da diese infolge der Unvollständigkeit der betreffenden Seren verborgen bleiben können“ (Schiff).

Fassen wir zum Schluß noch einmal das Ergebnis zusammen, so haben wir die bemerkenswerte Tatsache vor uns, daß der Erreger der als Paratyphus C oder ß bezeichneten Krankheit in zwei serologisch gänzlich verschiedene Typen zerfällt, von denen der eine zu dem Bact. enteritidis Gärtner gewisse Beziehungen aufweist, während der andere den Suipestiferstämmen sehr nahe steht. Ob dieser Typen- trennung auch ein jeweils verschiedenes Krankheitsbild entspricht, be- darf noch der Aufklärung. Die von Neukirch beschriebenen Krank- heitsbilder von typhös-septischem und ruhrartigem Charakter decken sich offenbar nicht mit den beiden Erregertypen. Soviel aus den von Neukirch veröffentlichten Krankengeschichten hervorgeht, gehören die

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Erreger beider Krankheitsformen in der Hauptsache dem Paratyphus C,- Typ an. Interessant ist dagegen die Mitteilung Sütterlins, daB man in Rußland „bald zwei Arten von ‚Paratyphus N‘ unterschied, insofern, als die Seren der mit dem einen Stamm infizierten Patienten nur diesen, nicht aber den des anderen Erkrankten agglutinierten“. Fügt man dem hinzu, daß genannter Autor auch Stämme fand, die nur vom Gärtnerserum agglutiniert wurden, so haben wir in diesen Angaben für unsere Befunde eine gewisse Bestätigung.

Zusammenfassung.

Es wird der Versuch angestellt, den Erreger der als Paratyphus C (ß, Erzindjan) bezeichneten menschlichen Erkrankung von den übrigen Paratyphusbakterien und den Vertretern der Hogcholeragruppe zu unter- scheiden. Das Ergebnis ist folgendes:

1) Kulturell und durch Tierversuch ist eine Unterscheidung nicht möglich. |

2) Der Erreger des Paratyphus C zerfällt serologisch in zwei Gruppen, von denen die eine dem Bact. enteritidis Gärtner, die andere der Suipestifergruppe nahe steht.

3) Die als Bact. paratyphi C, bezeichnete Gruppe hat mit dem Gärtnerbakterium nur die thermostabilen Rezeptoren gemeinsam, wäh- rend die thermolabilen für jeden Stamm spezifisch sind.

4) Die als Bact. paratyphi C, bezeichnete Gruppe hat mit den Sui- pestiferstämmen die thermostabilen und einen Teil der thermolabilen Rezeptoren gemeinsam. Daneben lassen sich aber in den weitaus meisten Fällen noch thermolabile Rezeptoren nachweisen, die für jede der beiden Gruppen streng spezifisch sind.

Literatur.

1) Neukirch, Berl. klin. Wochenschr. 1917. Nr. 15. 2) Ders., Ztschr. f. Hyg. Bd. 79. S. 65. 3) Weil und Saxl, Wien. klin. Wochenschr. 1917. S. 519. 4) Weil, Wien. klin. Wochenschr. 1917. S. 1061. 5) Sütterlin, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 90. S. 419. 6) Sokolow, Bruns Beitr. z. klin. Chir. Bd. 133. 1925. H. 2. 7) Weil u. Felix, Ztschr. f. Immunitätsf. Bd. 29. 8. 24. 8) Dies., Wien. klin. Wochenschr. 1918. Nr. 46. 9) Manteufel, Zschucke u. Beger, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 86. S. 214 10) Manteufel u. Beger, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 87. H. 3. S. 161. 11) Bitter u. Holtz, Arch. t. wissensch. u. prakt. Tierheilk. Bd. 50. H. 2. 12) Fürth, Ztschr. f. Immunitätsf. Bd. 35. S. 155. 13) Schiff, Ztschr. f. Immunitätsf. Bd. 35. S. 292. 14) Manninger, Centralbl. f. Bakt. Abt. I. Orig. Bd. 93. S. 371.

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5. Curt Sonnenschein (Köln):

Ueber Paratyphus-Bakteriophagen und -Antiphagine. (Beiträge zur angewandten Bakteriophagie.)

Von den zahlreichen Untersuchungen und Veröffentlichungen über die d’Herellesche Bakteriophagie befaßt sich die weitaus größte Zahl, nach Bail etwa %/,, der Arbeiten der ersten Jahre, vorwiegend mit der Frage nach dem Wesen der Bakteriophagenwirkung und nach der Natur des dabei wirksamen Agens.

Die bekannte Auffassung d’Herelles konnte bisher nicht sicher wider- legt, noch konnte eine anderweitige Erklärung bewiesen werden, die allen vor- liegenden Beobachtungen und Tatsachen gerecht wird. Ich möchte diese Fragen hier unerörtert lassen, zumal sie mir, wenigstens für die gleich zu besprecheuden Punkte, nur von untergeordneter Bedeutung zu sein scheinen.

Es ist auffallend, wie wenig man sich, im Gegensatz zu diesen mehr theo- retisch bedeutsamen Erwägungen, mit der Frage beschäftigt hat, welche prak- tische Bedeutung den bei den vielen Untersuchungen über Bakteriophagie ge- fundenen, zum Teil doch völlig neuen Tatsachen für die angewandte und theoretische Bakteriologie und Serologie zukommt.

Von der Nutzbarmachung der Bakteriophagenwirkung für Vorbeugung und Heilung von Infektionskrankheiten bei Mensch und Tier, wie sie aus den Dater: suchungen d’Herelles und anderer bekannt sind, möchte ich hier nicht sprechen. sondern zunächst 2 Gesichtspunkte herausgreifen, die mir gerade im Zusammenhang mit den Paratyphus- und ähnlichen Erkrankungen von einer gewissen Wichtig- keit erscheinen.

Das erste ist die Frage: Weiche Berücksichtigung verdienen die bisherigen Ergebnisse der Bakteriophagenforschung in der prak- tischen Bakteriologie, hier insbesondere für die bakteriologische Dia- gnostik von Infektionskrankheiten, z. B. des Paratyphus.

Als zweites war die Frage zu untersuchen, ob und welche direkte Verwendbarkeit die Bakteriophagie in der bakteriologischen und serologischen Diagnostik möglicherweise finden könne.

Dals gerade hinsichtlich der Paratyphusdiagnose diese Gesichtepunkte für uns nicht nur theoretisch bedeutsam, sondern auch praktisch von Wichtigkeit sind, dafür möchte ich hier kurz anführen, daß wir im ersten Halbjahr 1925 neben mehreren Fällen von Breslau- und Mäusetyphusinfektion, aus menschlichem Material 1S1mal schleimwallbildende Paratyphus B-Bakterien züchteten und als solche bakteriologisch und agglutinatorisch prüfen mußten, während wir im gleichen Zeitraum nur 59mal Typhusbakterien fanden, wie überhaupt auch im Kölner Be- zirk, ähnlich wie es kürzlich von Weigmann aus Kiel für Schleswig-Holstein angegeben wurde, Paratyphus B-Bakterien wohl häufiger gefunden werden, als im Durchschnitt in früheren Jahren.

Nun zum ersten Punkt: zur Berücksichtigung bakterio- phager Wirkungen bei der bakteriologischen Diagnostik. Auch hier nur ein Beispiel: Man kann durch gleichzeitiges Ausstreichen von Bakteriophagen und von empfindlichen homologen Bakterien auf der so angelegten Plattenkultur, soweit unter der Einwirkung des bakterio- phagen Agens überhaupt Bakterienwachstum zustande kommt, nach längerem Brutschrankauienthalt das Wachstum gegenüber der Norm stark veränderter Bakterienkolonien beobachten. So konnte ich bei einem Paratyphus - Bakteriophagenversuch nach dem bekannten Auftropf-

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verfahren das Auftreten völlig schleimiger Kolonien in den bakterio- phagierten Zonen beobachten, Kolonien, die in ihrem Aussehen etwa dem stark schleimigen Wachstum des bekannten Bact. mucosum Abel-Löwen- berg gleichen, und die man ohne Kenntnis ihrer experimentellen Ent- stehung, zumal wegen der zunächst fehlenden Agglutinabilität, keines- falls für Paratyphuskolonien ansehen würde.

D’Herelle nimmt an, daß die Bakterien mit der Entwicklung einer ge- wissen Bakteriophagenfestigkeit derartige morphologische Veränderungen eingehen, und beschreibt für Dysenteriebakterien bereits 2 derartige durch Bakteriophagen- einwirkung experimentell erhaltene Formen; eine granuläre Form, die gegen- über der Normalform stärker gewölbt, weniger dürchaichtie ist und in ihrem Aus- sehen Kokkenkolonien gleicht, dann eine glasige, schleimige sogenannte Zoo- gloeaform. Breiunl und Hoder berichten kürzlich ebenfalls über experi- mentelle Gewinnung von Varianten durch Bakteriophagenwirkung. Aus einem normalem, schleimwallbildenden Paratyphus-B-Stamm konnten sie 4 serologisch und kulturell vom Ausgangsstamm abweichende Formen erhalten, darunter gleichfalls die bei 37° in vollständig schleimigen fadenziehenden Kolonien wachsende Form, wie ich sie, wie erwähnt, ebenfalls aus normalwachsenden Paratyphusbakterien experi- menteli erzeugt hatte.

Nach diesen experimentellen Befunden durfte mit der Mög- lichkeit gerechnet werden, auch in Plattenkulturen, die unmittelbar aus menschlichem Material, insbesondere aus den häufig bakteriophagen- haltigen Faeces Kranker angelegt werden, neben den ja öfters zu fin- denden, gleichfalls unter Bakteriophagenwirkung zustande kommenden, aber doch noch agglutinablen, Flatterformen, derartige von dem nor- normalen Aussehen und Verhalten völlig abweichende Kolonieformen des betreffenden Krankheitserregers zu finden.

Bei darauf gerichteten Untersuchungen fand ich diese Erwartung bestätigt: Auf der Ausstrichplatte eines auf Typhus- und Paratyphus- bakterien zu untersuchenden Stuhles fand ich (nach 24 Stunden bei 379 gewachsen) neben normalen Kolonien von Paratyphus B spärlich völlig schleimige Kolonien, die man ohne vorherige Kenntnis der experimentell erzeugten Schleimform bisher als völlig unverdächtig an- zusehen gewohnt war. Weiterhin fand ich bei einer Paratyphuskeim- trägerin, der die Gallenblase aus diesem Grunde entfernt worden war und die trotzdem noch einige Zeit nach der Operation positiven Bak- terienbefund hatte, bei einer neuerdings vorgenommenen Stuhlunter- suchung keine paratyphusverdächtigen Kolonien mehr, so daß die Unter- suchung nach der bisherigen Technik als negativ anzusehen war. Spär- lich vorhandene, völlig verschleimte Kolonien waren jedoch auffallend, so daß ich weiter abimpfte und untersuchte.

Bei der Kürze der verflossenen Zeit konnte ich bisher in diesen 2 Fällen feststellen, daß es sich dabei um das nichtexperimentelle, gewissermaßen natürliche Vorkommen der oben beschriebenen 370- Schleimform von Paratyphus B-Bakterien handelte, was mir, abgeschen von bunter Reihe usw. besonders durch Abspaltung der aggluti- nablen Normalform aus der im schleimigen Zustande nichtverreib- baren und damit nichtagglutinablen Schleimform unter Bakterio- phageneinwirkung nachzuweisen gelang.

Leider besitzen wir noch kein einfaches Verfahren, um derartige in ihrer Art- zugehörigkeit so schwer erkennbare atypische Formen, insbesondere die nichtagglu- tinable Schleimform, rasch und sicher in ihre Normalform zurückzuverwandeln und damit ihre Erkennung durch die bisherigen Methoden zu ermöglichen. So viel kann

ich hier bereits sagen. daß die von mir gefundenen Schleimformen nicht so ein- fach, wie dies d’flerelle für seine experimentell erzeugten Dysenteriebakterien-

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schleimformen angibt, durch Säurebildung auf oder in Nährsubstrat und ähn- liches in ihre Normalform überzuführeu sind, sie sind aber auch nicht als voll- kommen bakteriophagenfest anzusehen, da sie von einem starken Bakteriophagen bei eeigneter Technik doch angegriffen werden und unter dessen. Einwirkung die lion abspalten können.

Diese kurzen Ausführungen mögen als Beispiele genügen, um die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, daß Infektionserreger, hier insbe- sondere Paratyphus- und verwandte Keime, bei Untersuchung mensch- lichen und tierischen Materials, zumal wo mit Bakteriophagenwirkung zu rechnen ist, auf angelegten Kulturplatten in ihrem normalen Wachs- tum gehemmt und in verschiedenen, von der gewohnten und bisher wohl vorwiegend beobachteten Normalform stark abweichenden ‘<olonieformen vorkommen können. Für den Untersucher ist die Kenntnis und Be- rücksichtigung dieser völlig atypischen Kolonieformen, wie sie unter Bakteriophagenwirkung experimentell erzeugt werden können, wichtig, um neben der Normalform auch derartige Formen als verdächtig iso- lieren und ihrer Bestimmung als Krankheitskeime zuführen zu können! Gerade für die Untersuchung Genesender und bei Fahndung nach Keimträgern bei Umgebungsuntersuchungen erscheint die Erkennung eines Erregers in derartig maskierter Kolonieform von Bedeutung, wo- durch gelegentlich, trotz Fehlens der Normalform, eine bestehende bak- terielle Infektion und damit Infektiosität festgestellt werden dürfte.

Wenn ich jetzt in Kürze noch auf die zweite Frage, nach der praktischen Verwendbarkeit der Bakteriophagenwirkung für die bakteriologische und serologische Diagnostik eingehe, so möchte ich mich auch hier nur auf wenige Beispiele beschränken: Eine der wesent- lichsten Acußerungen der Bakteriophagie ist die Bakteriolyse, die durch das bekannte Auftropfverfahren auf Bakterienrasen unter Ver-

® wendung fester Nährböden sichtbar gemacht werden kann. Wie wir nun einerseits einen Bakteriophagen durch Prüfung gegenüber ver- schiedenen bekannten Laboratoriumsstämmen bezw. Bakterienarten hinsichtlich seiner Zugehörigkeit und Wirkungsbreite untersuchen kön- nen, so müßte es umgekehrt möglich sein, einen zu untersuchenden und zu bestimmenden Bakterienstamm durch Einwirkung verschiedener in einer Sammlung im Laboratorium vorrätig gehaltener Bakterio- phagen von bekannter Wirkungsbreite hinsichtlich seiner Artzugehörig- keit zu bestimmen. Dies setzt voraus, daß wir konstant wirksame Pha- gine haben, die einerseits nur Stämme einer oder weniger Bakterien- spezies angreifen, also hinreichend spezifisch sind, andererseits aber möglichst auf alle Stämme dieser Spezies wirksam, also artumfassend sind. Wenn auch zuzugeben ist, daß wir über -derartige vollkommene „Analysen-“ oder „Reagenz-Phagine‘, wie man sie bezeichnen könnte, z. Zt. noch nicht verfügen, so erscheint mir doch der Verzicht: „Es gibt keine spezifischen Typhus- oder Ruhrbakteriophagen“ hinsicht- lich der Fortentwicklungsmöglichkeiten der experimentellen Bakterio- phagenforschung als zu pessimistisch und selbst nach den bisherigen Ergebnissen als verfrüht. Abgesehen von entgegenstehenden Angaben in der Literatur, habe ich gleichfalls mit Bakteriophagen gearbeitet, die tatsächlich nur Stämme einer Bakterienart angriffen. So fand ich in Cystitisurin einen, nur auf einen daraus gezüchteten Colistamm wir- kenden Colibakteriophagen, aus Nasensekret einer Rhinitis atrophicans foetida einen, nur auf einen aus diesem Sekret ge- züchteten Keim wirksamen Bakteriophagen, und endlich aus dem Wasser

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eines Brunnens einen solchen, der nur auf einen aus diesem Wasser gezüchteten Wasserkeim einwirkte. Hier sei die Forderung Bails er- wähnt, nach Möglichkeit, ähnlich wie mit Bakterienreinkulturen, auch nur mit reinen Bakteriophagen zu arbeiten. Aus Faeces oder ähnlichem Material ist es natürlich schwer, nur monovalente Phagine zu erhalten, es wird sich dabei vielfach um Bakteriophagengemische handeln. Auf experimentellem Wege, aus Bakterienkulturen oder durch Tierversuch, aber auch aus isolierten Infektionsherden, wo der betreffende Erreger als alleiniger Keim vorhanden ist, sind brauchbare Bakteriophagen zu gewinnen. Vorläufig ist es sehr wohl möglich, auch mit den noch nicht so vollkommenen, oft zweiwertigen Phaginen brauchbare diagnostische Ergebnisse zu erzielen. Hier ein Beispiel: Im direkten Kulturplattenaus- strich der Galle einer Cholecystitis paratyphosa traten spontan die be- kannten Taches im Bakterienrasen auf. Der daraus gewonnene Bakterio- phage erwies sich gegenüber etwa 50 frisch isolierten Paratyphus B- Stämmen als stark wirksam, zeigte interessanterweise auch eine schwä- chere Wirksamkeit gegenüber Stämmen von Bacterium enteritidis Gärt- ner. Mittels dieses Bakteriophagen ließen sich schleimwallbildende Pa- ratyphus B-Stämme von den ähnlich agglutinablen Breslau-

Aertrycke- und Mäusetyphus-Bakterien gut unterscheiden. Die schwächere Mitbakteriophagie von Gärtnerstämmen störte dabei nicht. Positiver Ausfall der Bakteriophagenreaktion, bei vorhandener Agglutination mit Paratyphus B-Serum oder fehlender Age ulm en mit Typhusserum, ließ den Stamm als sicheren Paraiyphus B er

kennen, noch bevor Schleimwallbildung und bunte Reihe dies ermög- lichten. Umgekehrt war positive Bakteriophagenreaktion, bei fehlender Agglutination mit Paratyphus B-Serum und vorhandener Agglutination mit Typhus- und Gärtner-Serum beweisend für Gärtnerstämme usw. Ein gewisser Vorteil der Bakteriophagenreaktion ist eben in der Schnel- ligkeit zu sehen, die vorläufig. wenigstens bei positivem Ausfall ın etwa 5—6 Stunden bereits eine Unterscheidung ermöglicht, während bunte Reihe, Prüfung der Schleimwallbildung oder Knopfbildung usw. immerhin längere Zeit beanspruchen.

Wie man aber bei dem Arbeiten mit agglutinierenden Seren mit dem Vorkommen von schlecht oder nicht agglutinablen Stämmen rechnen muß, ebenso können sich gegebenenfalls die mehr oder weniger bakterio- phagenresistenten Keime, wie z. B. die anfangs beschriebenen Schleim- formen, der Diagnostik durch Bakteriophagen entziehen. Mit wirksa- meren Phaginen und mit verbesserter Technik werden auch diese Schwie- rigkeiten überwunden werden.

Wie ich nun feststellen konnte, daß die bisher aus Bakteriophagen- experimenten bekannten atypischen Formen, z. B. die inagglutinable Schleimform von Paratyphus B, auch unter natürlichen Verhältnissen in Kulturen aus menschlichem Material vorkommen, ebenso untersuchte ich, ob die bisher im Tierexperiment durch Einspritzen von Bakterio- phagen erzeugbare antibakteriophage Serumwirkung auch beim erkrankten Menschen festzustellen ist.

Mit dem oben erwähnten, aus Galle spontan gewonnenen Paratyphus B-Bakteriophagen und dem der gleichen Quelle entstammenden Para- typhus B-Stamm, die ich zusammen hier in der serologischen Dia- gnostik als „bakteriophages System‘ bezeichnen möchte, konnte ich sowohl bei einem Paratyphus-Keimträger, als auch bei einem Paratyphuskranken erstmalig eine positive Antiphaginreaktion

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(AR) im Blutserum nachweisen. Dabei wird, neben Normalserum- und Kochsalzkontrollen, das auf Antiphagingehalt zu untersuchende Kranken- serum dem Phagin des jeweiligen bakteriophagen Systems zugesetzt, wodurch bei Anwesenheit von Antiphaginen dessen Wirksamkeit. auf seinen Bakterienstamm abgeschwächt oder aufgehoben wird. Durch geeignete Verdünnung des Serums oder des Phagins kann die unge- fähre Menge bzw. Stärke der etwa vorhandenen Antiphagine austitriert werden. Nach unserer bisherigen Kenntnis entstehen die Anti- phagine im Organismus als Reaktionsprodukte auf Bakteriophagine, es wird daher in erster Linie da eine positive AR im Krankenserum zu erwarten sein, wo Bakteriophagen im Körper anwesend sind.

Ich möchte an dieser Stelle auf die Befunde von Hauduroy bei einer Typhusepidemie hinweisen, der in 30 untersuchten Fällen von Typhus abd. nicht nur im Stuhl, sondern im Stadium des Fieberabfalls auch im Blut das won Prinzip nachweisen konnte, und zwar bei positiver und negativer Blutkultur.

i anderen Krankheiten und bei Gesunden fand er den Bakteriophagen nicht. Danach wäre in allen T. a.-Fällen Hauduroys eine positive AR zu erwarten gewesen.

Ob die AR, die gewissermaßen nur einen Indizienbeweis für die Gegenwart des betreffenden Erregers darstellen könnte, andererseits durch ihren positiven oder negativen Ausfall die An- oder Abwesenheit des entsprechenden Bakteriophagen anzeigt und damit neben der serologischen Diagnostik auch vielleicht eine serologische Pro- gnostik gestattet, müssen erst weitere Untersuchungen zeigen. Es dürf- ten immerhin doch gewisse zeitliche und kausale Zusammenhänge zwi- schen den 3 Faktoren: bakterielle Infektion, Bakteriophagen und Anti- phaginen bestehen. So fand ich bei der oben erwähnten Colicystitis während des Infektionsstadiums eine positive Coli-AR mit dem bakteriophagen System aus Colistamm und Coli-Spontanbakteriophagen dieses Kranken, während einige Tage nach dem Verschwinden des Erregers Bakteriophagen in dem Urin nicht mehr gefunden wurden und auch die AR im Serum jetzt negativ ausfiel, so daß hier tat- sächlich eine weitgehende Abhängigkeit der 3 Faktoren voneinander festzustellen war. Umgekehrt: Bei einem Kranken mit isolierter, bak- teriologisch festgestellter Cholecystitis paratyphosa, ohne Bazillen- befund im Stuhl und Urin, fiel die AR auf Paratyphus kurz nach der Cholecystektomie negativ aus. Ich zog daraus den Schluß, daß in dem Organismus auch keine Paratyphusbakteriophagen anwesend sein könn- ten. Tatsächlich bestätigten die erfolglosen Versuche, aus Galle, Urin oder Stuhl Para B-Bakteriophagen nachzuweisen, diese Vermutung.

Mit der Gewinnung geeigneterer konstanter Bakteriophagen, mit dem Fortschreiten unserer Kenntnisse und der Technik auf diesem doch neuen Gebiete überhaupt, wird es Aufgabe weiterer Untersuchungen sein, einmal die Bedingungen für das Fehlen, Auftreten und Vor- handensein von Phaginen und Antiphaginen im Blutserum kennen zu lernen, dann aber auch die Bedeutung einer positiven oder nega- tiven Antiphaginreaktion und ihres Titers für Diagnostik, Pro- gnostik und Therapie bei den in Frage kommenden Infektionskrankheiten zu ermitteln und praktisch zu verwerten. |

Mit diesen wenigen Untersuchungsergebnissen soll angedeutet sein, einerseits, welche Berücksichtigung Bakteriophagenwirkung und deren Folgezustände bei der baktcriologischen Diagnostik verdienen, andererseits, welche Bedeutung der angewandten Bakterio-

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phagie für Klinik, Bakteriologie, Serologie und Immunitätsforschung zukommt.

Literatur.

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Aussprache.

Spangenthal (Göttingen): Unter fast 300 in der letzten Zeit frisch aus Stuhl, Urin und Blut von uns gezüchteten, wohlcharakterisierten Paratyphus B- Bakterien mit stets gutem Schleimwallbildungsvermögen, die auf Gelatine die be- kannte milchig-weiße, undurchsichtige, stark gewölbte Kolonieform bilden, tielen uns 10 Stämme durch ihr zartes, vollkommen durchsichtiges Wachstum auf diesem Nährboden auf, die, wie die Kolonien der Breslaustäbchen, mehr den Wuchsformen der Typhusbazillen ähneln.

ch stellte mir mit einem wahllos herausgegriffenen Vertreter dieser zart wachsenden Art ich bezeichne ihn im folgenden der Kürze halber mit „zart“ —, einem sicheren Paratyphus B-Stamm Bezeichnung „fett“ und einem Bak- teriuin enteritidis Breslau. das ich der Liebenswürdigkeit von Herrn Professor Bitter verdanke, je ein Kaninchenimmunserum her.

In den Agglutinationsversuchen mit den jeweils homologen Mikroorganismen, in der kreuzweise vorgenommenen Agglutination, wie auch in den Agglutininbindungs- versuchen zeigte sich nun, daß die in dem erwähnten Kulturmerkmal so verschieden aussehenden Stämme „Fett“ und „Zart“ ein vollkommen gleichwertiges Immun- serum erzeugt haben. Ihr Wirkungswert hat die Höhe von 1:50000, während das Breslauserum den homologen Stamm bis zu einer Verdünnung von 1:20000 agglu- tiniert.

Der Agglutinationswert des Breslaubakteriums gegenüber den Seren vom „fetten“ und „zarten“ Stamm beträgt 4 bis 5 00 des Agglutinationstiters. Umgekehrt werden die beiden Stämme .Fett und .Zart“ nur in 25 00 des Agglutinationstiters des Breslauserums von diesem agglutiniert.

Nach dem Zusammenbringen des „fetten“ wie des „zarten“ Stammes mit dem Breslauserum verliert dieses nur sein Agglutinationsvermögen diesen beiden hetero- logen Arten gegenüber, ohne daß sein Kier für den homologen Enteritisstamm be- einträchtigt wird. Nach der Erschöpfung des Breslauserums mit dem Breslaustamm bleibt hingegen jede Reaktion aus. Entsprechend fällt die Prüfung der Seren vom „fetten“ ud „zarten“ Stamm bei der handlung mit den homologen Bakterien aus, wobei sich Stamm „Fett“ und „Zart“ vollkommen gleichwertig vertreten. Auch hier verschwindet jede Wirksamkeit allen 3 Mikroorganismen gegenüber. Während die beiden Seren nach dem Versetzen mit dem heterologen Breslaustamm nur ihre Aggluinationskraft dieser Bakterienart gegenüber verlieren, werden die beiden homo- logen Arten bis zum Endtiter erfaßt.

Wir haben also in dem „zarten“ Stamm einen serologisch vollkommen einwand- freien Paratyphus B-Stamm vor uns. Und kulturell? Außer seiner schon hervor- gehobenen Ähnlichkeit auf Gelatine mit der Wuchsform der Breslaustäbchen ist es für die weiteren Ausführungen besonders wichtig. daß auch ihm wie den Breslau- bakterien, trotz seines Paratyphus B Charakters, das Vermögen fehlt, Schleimwälle zu bilden. Auch nicht an isoliert stehenden Kolonien, makroskopisch und mikro- skopisch betrachtet. s

Die nun folgende serologische Prüfung der übrigen 9 auf Gelatine zart wachsenden Stämme ergibt neben 7 Breslaustämmen 2 weitere vom Typus meines „zarten Paratyphus B-Stammes. Diese wieder ohne Schleimwallbildung und ohne das mit ihr parallel gehende Rutschen auf Gelatine.

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Nach dieser sicheren Trennung habe ich nochmals die beiden Gruppen in dem Aussehen ihrer Kulturen miteinander verglichen. Da haben sich dann doch feine Unterschiede herausgestellt. Die Breslaukolonien scheinen in den Gelatinemisch- platten im allgemeinen schneller an die Oberfläche zu kommen, als die Kolonien der 3 „zarten“ Paratyphus B-Stämme. Diese erscheinen anfangs zarter als die Breslaustämme später etwas massiger, haben weniger Zeichnung, sind weniger ge wellt und gelappt, eher glattrandig. Während anfangs alle 10 Stämme auf Endo leicht erhabene Kolonien bilden, spitzen sich die Breslaukolonien bald deutiich kegelfürmig zu. wenn man die Platten nach 24stündigem Aufenthalt im Brut- schrank weiterhin bei Zimmertemperatur hält.

Zur Unterscheidung der Schottmüllerschen Paratyphusbakterien mit Schleimwallbildu:g von den Bakterien vom Breslautyp ohne dies Phänomen wird die Züchtung auf Raffinoseagar empfohlen, auf dem jene mit der Bildung von Tochter- kolonien wachsen sollen, diese nicht. Ich habe die gut isolierten Kolonien auf 2 Voigem Raffinoseagar gezüchtet mit dem Resultat, daß auch unsere 3 Stämme trotz Fehlem der Schleimwälle die Knopfbildung zeigen, wenn auch nicht so schuell und nicht so zahlreich und üppig, wie de Schleimwallbilduer. Aber auch die von uns diagnostizierten 7 Breslaustämme machen ebenso wie der Bittersche Stamm diese Erscheinung, wenn auch noch langsamer und abgeschwächter an Zahl und Form. Die Kulturschalen habe ich 4 Tage in feuchter Kammer im Brut- schrank gehalten.

Bitter sagt: „Findet man keine Wälle, auch nicht an ganz isoliert stehenden Einzelkolonien, so handelt es sich entweder um Breslaustäbchen oder aber um „Tier- stimme“, die wie ein großer Teil der Suipestifer-Gruppe für den Menschen keine nennenswerte Bedeutung haben.“ Hier haben wir nun 3 solcher Stämme, die keine Wälle bilden und doch keine Breslaustämme sind. Und zu ihrer Bedeutung für den Menschen ist zu sagen, daß die Erkrankungen der 3 Personen, aus deren Stuhl wir die Stäbchen gezüchtet haben, den Charakter einer schweren typhôüsen Form hatten. 2 Patienten lagen 8 bzw. 10 Wochen in der Göttinger Medizinischen Klinik, einer befand sich 4 Wochen in Göttingen in Privatbehandlung. Der mit dem schwersten Krankenlager von 10 Wochen ist heute noch nach 11 Monaten Dauerausscheider. Der „zarte“ schleimwallose Paratyphus B-Typus ist unverändert derselbe geblieben. Sichere typhöse Form in allen 3 Fällen, Dauerausscheidung in einem der Fälle sind Erscheinungen, die auch nicht zu den Eigentümlichkeiten der Enteritiserkraukungen gehören sollen.

Die 3 Bakterienstämme, mit denen wir uns beschäftigt haben serologisch einwandfreie Paratyphus B-Stänmme stehen also in einigen Merkmalen zwischen

dem Schottmüller-Typus und der Breslaugruppe. Ich glaube, daß es sich um eine Abspaltung vom Typus B Schottmüller handelt. Unter unserer großen Zahl von Paratyphus B-Stämmen fa:.d sich einer, der auf der ersten, sofort nach Er- kennung auf Endo gegossenen Ge:atineplatte getrennte Kolonien „fett“ und „zart“ aufwies. Von einer soich ganz isoliert liegenden fetten Kolonie wurde über Stichagar aut dem Wege der Verdünnung eine neue Gelatineplatte gegossen. Wieder zeigten sich neben den in weit überwiegender Zahl zur Entwicklung gelangten fetten Wuchs- formen vereinzelt zarte Former. Die Stäbchen der zarten Form gehören nach ihren Eigenschaften in die Gruppe der oben geschilderten Bakterienart, nicht zum Breslau- typus. Die Beobachtungen missen natürlich fortgesetzt werden, vor allem unter Zuhilfenahme von Methoden, die noch zweifelloser als das Gelatinegußverfahren die Bürgschaft dafür geben, daß man von einem einzigen Keim ausgeht. Die Kranke. aus deren Stuhl dieser scheinbar aufspaltende Siamm gezüchtet wurde, erkrankte unter dem Bilde einer Gastroe .teritis.

Zu deu Erkrankungsformen, die durch unsere Breslaubakterien hervorgerufen wurden, ist zu sagen, daß es sich in einem Fall um eine (Gastroenteritis gehandelt hat. In einem der anderen Fälie lautet die Diagnose mittelschwerer Typhus. Die Träger der übrigen 5 Stämme sind nun bemerkenswerterweise gar keine Kranken. Bei der Fahndung auf Typhusbazilienträger wurden diese 5 Breslaustimme aus den Stühlen von D Frauen im Alter von 42, 5% 59, 61, und 73 Jahren gezüchtet. Diese 5 Frauen wohnen in einem Ort, 3 in einer Straße, ebenso die beiden anderen. Nach Argabe des Kreisarztes sind ihm Paratyphuserkrankungen in diesem Ort seit seinem Amtsantritt 1911 nicht bekannt, sicher nicht gemeldet worden. Krank soll keine der Frauen gewesen sein, nur die eiae einmal als junges Mädchen ganz kurze Zeit an Durchfall und Unpäßlichkeit gwitten haben. Sollten hier etwa doch in leichtester Form unbemerkt gebliebene Darmkatarrhe vorge.egen haben und trotz aller bisher gemachten Erfahrungen doch Auss:heider für Bresiaustäbehen zurückgeblieben sein?

Mit Reiskulturaufschwemmu: g von einem Waillilduer und einem unserer nicht wallbildenden „zarten“ Paratyphus B-Stämme wurde je eine Maus gefüttert. Beide

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Arten erweisen sich als nicht fütterungspathogen. In gleicher Weise wurde je eine Maus mit den Bitterschen Breslaustäbchen uud einem Vertreter der von uns aus dem Stuhl von Gesunden gezüchteten Breslaubakterien gefüttert. Tod der Bitter- schen Maus am 5. Tage. Die andere Maus erschien am 5. Tage krank mit starkem Durchfall. Tod am nächsten Tage. Aus dem Herzblut beider Mäuse wurden die mit den verfütterten kulturell gleichen Stäbchen gezüchtet.

Schiff (Berlin): Herr Felix-Jerusalen hat mich ermächtigt, die Ergebnisse einer Untersuchung seines Mitarbeiters Olitzki über ,Agglutinine, komplement- bindende und bakterizide Ambozeptoren und deren gegenseitige Beziehungen in der Paratyphusgruppe“ hier mitzuteilen. Bezüglich der Typendifferenzierung in der Paratyphus B-Gruppe kommt Olitzki zu dem Ergebnis, daß eine solche nur bei Berücksichtigung der Rezeptorenanalyse nach Weil und Felix möglich ist. ‚Eine Untersuchung, welche die Rezeptorenanalyse nicht berücksichtigt, muß zu Zufalls- befunden führen. welche eine scheinbare Gesetzmäßigkeit vortäuschen, oder sie muß vollkommen versagen.“ :

Im einzelnen gelaugt Olitzki zu folgenden Feststellungen: 1. Bezüglich des stabilen Antigens konnten die Feststellungen von Schiff, daß einerseits inner- halb der Paratyphus B- und Breslaugruppe, andererseits innerhalb der Suipestifer- gruppe Identität des stabilen Antigens besteht, bestätigt werden.

2. Bezüglich des labilen Antigens sind außer den von Schiff festgestellten Rezeptoren noch besondere für je zwei Typen gemeinsame Gruppenrezeptoren be- schrieben worden, so daß das Schema von Schiff folgende Erweiterung erfährt:

O-Rezeptoren an, f

Echter Bac. paratyphi B A a Breslau-Gruppe A ac ef Suipestifer (£)-Gruppe B ade

3. Neben den typischen Stämmen finden sich gelegentlich Uebergangsstämme, von denen zwei näher beschrieben werden. Sie finden ihr Korrelat in den von Fuerth, Breini und Fischer, Fischer beschriebenen Varianten.

4. Auf Grund des Vorhandenseins komplementbindender und bakteri- zider Ambozeptoren lassen sich die Paratyphus B-Stämme in zwei Gruppen ein- teilen:

a) die Paratyphus B- und Breslaugruppe,

b) die Suipestifergruppe.

Innerhalb der Gruppe a besteht völlige Identität der komplementbindenden und bakteriziden Ambozeptoren, innerhalb der Suipestifergruppe ist ebenfalls in hohem Grade (wenn man von Variationen absieht) Identität des stabilen Antigens und damit der komplementbindenden und bakteriziden Ambozeptoren festgestellt worden. Zwischen diesen beiden Gruppen sind nur in geringem Maße komplement- bindende Nebenambozeptoren vorhauden, so daß die gegenseitige Beeinflußbarkeit eine minimale ist.

Auf Grund dieser Verhältnisse ergeben sich nach Olitzki Richtlinien für die Serumtherapie, für die prophvlaktische Vakzination sowie für die Immunitäts- prognose. (Die ausführliche Arbeit wird in der Zeitschrift für Immunitätsforschung denn)

Die Versuche von Olitzki scheinen mir für die Frage der Typentren- nung deshalb besondere Beachtung zu verdienen, weil sie an einen außer- europäischen Material, nämlich in Jerusalem, gewonnen worden sind. Es liegen nunmehr zur Frage Schottmüller-Breslau Untersuchungen mit Hilfe qualitativer Rezeptorenanalyse aus Palästina, Italien (Tosatti, Modena), Böhmen (Fürth, Fischer) vor, die alle zu prinzipiell dem gleichen Ergebnis gelangen wie ich seibst seinerzeit an vorwiegend he Stämmen. Diese Uebereinstimmung spricht ebenso sehr für die Berechtigung einer Typentrennung vom serologischen Standpunkt aus wie für die Brauchbarkeit der Methode, die heute nicht mehr entbehrt werden kann und überdies in ihrer Anwendung durchaus nicht so subtil ist wie von manchen Seiten anscheinend angenommen wird. Wenn Herr Seiffert in seinen neuen Untersuchungen einen besonderen spezifischen Rezeptor der Schottmüllerstämme nach- ewiesen hat, so stimmt auch das mit den Ergebnissen der Rezeptorenanalvse nach

eit und Felix überein; dagegen bedarf es noch der Aufklärung, warum Herr Seiffert einen charakteristischen Breslaurezeptor nicht gefunden hat. Das steht, wie er selbst schon hervorgehoben hat. in Widerspruch zu früheren Angaben, mit denen aber die seinigen nicht ohne weiteres vergleichbar sind, weil er den Doppel-

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typus der Rezeptoren in seinen Absorptionsversuchen, wie es scheint, nicht berück- sichtigt hat. Mit früheren Untersuchungen, insbesondere den sehr sorgfältigen und umfangreichen der Engländer, die bei ihren Absorptionsversuchen wenigstens zum Teil ebenfalls auf qualitative Rezeptorenunterschiede geachtet haben, stimmt es dagegen wieder gut überein, wenn innerhalb der Breslaugruppe von Seiffert zwei Unter- gruppen unterschieden wurden (vielleicht handelt es sich hier um den „Mutton“ und „New Port“-Tvpus der Engländer).

Im übrigen ist die Abgrenzung der Breslaugruppe von den Schottmüllerbazillen im Ausland auch unabhängig von der Frage der serologischen Differenzierbarkeit recht allgemein durchgeführt (vgl. z. B. in Nordamerika Jordan, in Frankreich Besson und Lavergne, in England Perry und Tidy, Andrewes u. a.). In England ist die Dualitätslehre, wie kürzlich Savage und White wieder hervor- ehoben haben, bereits seit dem Jahre 1906 in Geltung, auch in Belgien hat sie nhänger. Ganz neuerdings sind auch in Dänemark, wo bisher Enteritisfälle mit Breslaubefund noch niemals einwandfrei festgestellt waren, eine Reihe von Breslau- infektionen durch Moltke!) aus dem Institut von Madsen beschrieben worden. Die 12 untersuchten Stämme entsprachen in jeder Beziehung dem Bitterschen Schema und waren überdies auch serologisch vom Schottmüllertvpus ohne weiteres abzu- grenzen. Ob nun die starken Meinungsverschiedenheiten, die bei uns noch bestehen. mehr in einer besonderen Einstellung der Untersucher oder aber in einem, vielleicht geographisch begrenzten, häufigeren Auftreten von atvpischen und Uebergangsformen ihre Grundlage haben, bedarf wohl immer noch weiterer Su

Was die „Ubiquität“ der Paratyphusbazillen betrifft, so scheint mir die ganze Frage nach dem heutigen Stand der Forschung einer Ueberprüfung zu bedürfen. Wir vermögen heute die Paratvphusbazillen oh biologisch-kulturell als vor allem auch serologisch schon etwas besser zu charakterisieren als vor ein bis zwei Jahr- zehnten, und wir dürften weitere Fortschritte von einer systematischen Anwendung der Rezeptorenanalyse nach Weil und Felix erhoffen. Die Berechtigung zu solcher Erwartung gibt uns die Analogie mit der Proteusgruppe; hier gelingt es auf Grund der zunächst mühevollen Arbeiten von Weil und Felix jetzt in der Regel mit verblüffender Leichtigkeit, die banalen Proteusstäimme von den Fleckfieber X- Stämmen zu unterscheiden. Auch auf dem Gebiet des Paratyphus muß die eut- sprechende Arbeit in Angriff genommen werden.

L. Bitter (Kiel): Nicht nur bakteriologische Differenzierung, sondern in erster Linie auch Erwägungen klinischer und epidemiologischer Natur sind es gewesen, die uns Kieler seit vielen Jahren für die Trennung der Erreger von Paratyphus B- und Enteritiserkrankungen eintreten lassen. Wenn wir auf der einen Seite sahen, daß typhöse Erkrankungen mit einer, wenn auch manchmal kurzen Continua, aber aus- gesprochener Kontagiosität von Menschen zum Menschen vereinzelt und gehäuft auf- traten, ohne daß ein Zusammenhang mit Schlachttieren häufiger festgestellt werden konnte, und wenn wir auf der anderen Seite feststellen mußten, daß Gastroenteritiden mit ganz anderem klinischen Verlauf ohne Kontagiosität von Menschen zum Menschen auftraten, die in der überwältigenden Mehrheit der Fälle auf den Genuß von Fleisch- waren bezogen werden mußten, so sprach das nach unserer Meinung überzeugend für die Verschiedenheit der Erreger. Die von uns immer wieder betonten Unterscheidungs- merkmule vom Bact. paratyphi B Schottmüller und Bact. enteritidis Breslau haben sich bei einer großen Anzahl von Human- und insbesondere Veteriärmedizinern Geltung verschafft, und auch Herr Uhlenhuth hat in seinem Referat hervorgehoben, daß insbesondere dem Wallbildungsvermögen als Unterscheidungsmerkmal von Para- nie B- und Breslaubakterien Bedeutung beizumessen ist. Rätselhaft sind mir die

rgebnisse der Mäusefütterungsversuche von Herrn Seiffert; bei den vielen hundert Fütterungen, die ich mit echten Paratyphusbakterien anstellte, habe ich noch keine Maus an Paratyphus B-Sepsis zugrunde gehen sehen. Es wird Sache einer groß- zügigen systematischen Nachprüfung sein, festzustellen, ob echte Paratyphus B- Bakterien gelegentlich fütterungspathogen für weiße Mäuse sein können.

Wenn Geheimrat U hlenh uth gesagt hat, daß die Differenzierung der bei den Tieren als Kraukheitserreger vorkommenden Angehörigen der Paratyphus-Enteritis- gruppe mit Ausnahme der Gärtnerbakterien schwer und fast unmöglich sei, so muß ich dem widersprechen; z. B. sind das Bact. abortus equi und das Bact. abortus ovis ebenso wie das Bact. suipestifer leicht abzutrennen. Daß die Hammelherdenepidemie in Ueberruhr ein Unikum darstelle in dem Sinne, daß hier zum ersten und einzigen

1) Ugeskrift for Laeger, 1925. Nr. 26. S. 577.

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Male Angehörige der Paratyphus-Enteritisgruppe eine seuchenhafte Erkrankung einer- seits unter Tieren, andererseits gehäufte Krankheitsfälle unter Menschen bewirkten, wage ich zu bestreiten. Gewiß erkranken nicht in jedem Falle die Menschen nach dem Genuß von Fleisch, das aus kälberruhrverseuchten Beständen stammt, und doch sind solche Erkrankungen beschrieben; sogar eine eigenartige Laboratoriumsinfektion mit nm Kälberruhrstamm ist in Amerika vorgekommen und in meinen Arbeiten erwähnt.

Für außerordentlich unglücklich halte ich den tiefeingewurzelten Gebrauch der Veterinärmediziner, sämtliche Angehörige der Paratyphus-Enteritisgruppe, die beim Tiere irgendwelche Krankheitserscheinungen machen, als Paratyphus B-Bakterien zu bezeichnen und die durch sie bewirkten Krankheiten, ganz gleichgültig. welche klinischen Erscheinungen sie machen, als Paratvphen. er Name „Paratyphus“ stammt aus der Humaun-Medizin; er soll sagen, daß eine Krankheit vorliegt, die eine große Aehnlichkeit mit dem Typhus abdominalis hat. Ob eine solche Krankheit. die in ihren klinischen Erscheinungen dem menschlichen Typhus abdominalis ent- spricht, beim Tiere überhaupt vorkommt, ist mir mehr als zweifelhaft. Trotzdem nennen die Veterinärmediziner, ja, fast die gesamten Bakteriologen, Krankheiten der Tiere, die unter den verschiedenartigsten Erscheinungen verlaufen (fieberhafter Abort, Darmkatarrshe usw.) Paratyphen und ihre Erreger Paratyphusbakterien, nur weil dıese Erreger eine größere oder geringere Achnlichkeit mit dem von Schottmüller und Kurth beschriebenen Eee der Paratyphus B-Erkrankungen des Menschen haben. Ein Krankheitserreger soll benannt werden nach der Krankheit, die er macht. Und deshalb sprechen wir logisch von einem Bact. abortis equi, abortus ovis, para- typhi B usw. Kommen die gleichen Krankheitserreger beim Menschen und beim Tier vor, und erzeugen beim Menschen ein konstantes, beim Tiere ein wechselndes Krank- heitsbild, so dürfte es angebracht sein, diese Bakterien nach den Krankheitserschei- nungen des Menschen zu benennen. In erster Linie sind dieses die beiden Mikro- organismen Bact. enteritidis Gärtner und Breslau. Das Bact. paratyphi B Schottmüller ist bislang beim Tiere, wie auch Geheimrat Uhlenhuth auf Grund seiner neueren Untersuchungen bestätigte, noch nicht mit Sicherheit nachgewiesen.

Wenn Schiff, Manteufel und Beger, Fürth, Seiffert usw. und wir die Rezeptorenanalyse zur Unterscheidung von Bacterium paratyphi und Bac- terium enteritidis Breslau herangezogen haben, so ist das sicher nicht geschehen, um mit bakteriologischen Spitzfindigkeiten einen Unterschied zwischen diesen beiden Mikro- organismen zu konstruieren. Wie ich eingangs erwähnt habe, hat die Kenntnis von der Verschiedenheit der beiden Krankheitserreger die größte praktische Bedeutung. Enteritiskranke brauchen wir kaum zu isolieren, da eine Weiterverbreitung nur durch Vermittelung eines neuerlich infizierten geeigneten Nahrungsmittels zu befürchten ist. Bei Paratyphuskranken müssen Isolierung und Desinfektion in gleicher Weise zur Anwendung kommen wie bei Typhuskranken. Wer an Gastroenteritis (Gärtner oder Breslau) Leidende mit Paratyphuskranken in eine Baracke legt, muß sich auf un- liebsame Ueberraschungen gefaßt machen.

Die aus Göttingen mitgeteilten Befunde über allmählich auftretende Wachstums- änderungen von Paratyphus B-Bakterien, dergestalt, daß neben wallbildenden auch nichtwallbildende: typhusartige Kolonien auftreten, sind Reiner Müller und mir nicht neu. Warnen möchte ich zum Schluß vor der ans einzelner Fälle. Der Kliuiker, aber leider auch der Biologe ist erfahrungsgemäß leicht geneigt durch vereinzelte Ausnahmen die Allgemeingültigkeit beobachteter Tatsachen zu erschüttern. Paratyphus B- und Enteritisbakterien bilden nach allgemeiner Ansicht aus Trauben- zucker Gas und reduzieren Neutralrot. Wir haben in Kiel als erste nachgewiesen, daß es einzelne Paratyphus B-Stämme gibt, die dieses Vermögen nicht besitzen. Trotzdem zweifelt kein Mensch an der Allgemeingültigkeit des erwähnten Gesetzes, wohl aber werden mühsam einzelne Fälle zusaminen gesucht, die beweisen sollen, daß ein Bakterium mit den Kennzeichen des Bact. paratyphi B ganz akute Gastro- enteritisfälle und solche mit den Kennzeichen des Bact. nadh Breslau typhöse Erkrankungen bewirken.

Erste Abt. Orig. Bd. 97. Beiheft. 21

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Pfeiler (Jena): Nachdem Sie erlaubt haben, daß Herr Bitter sich wegen der Bedeutung seiner Arbeiten für die vorliegende Frage länger als 5 Minuten in der Diskussion äußern durfte. möchte ich Sie bitten, mir als dem Vertreter der Veterinär- medizin, der die Frage durch seine Arbeiten gewissermaßen in das Rollen gebracht und sie viele Jahre hindurch entgegen anderen Meinungen grundlegend vertreten hat li. auch eine etwas längere Redezeit zu verstatten. Der Kürze der Zeit wegen werde ich die meisten wissenschaftlichen Gesichtspunkte nur streifen. Im Rahmen der Aus- führungen von Herrn Uhlenhuth sowohl wie der meisten Redner zum Thema ist betont worden, daß die Menschenpathogenität der meisten bei Tieren ge- fundenen Paratyphus B-Bazillen und anderer Vertreter der Gruppe nicht ea Es bestehen natürlich erhebliche Bedenken, aus diesem Satze die Konsequenzen ab- zuleiten, die z. B. in fleischbeschaulicher Beziehung sich daraus ergeben würden. Jedentalls steht heute wie vor 15 Jahren fest, daß wir keine Mittel haben. die Menschenpathogenität auf irgendeine Weise anderweitig als durch klinische Er- fahrungen zu erkennen.

Bei dieser Sachlage mache ich den Vorschlag, prinzipiell die Frage auf die Weise zu lösen, daß wir beantworten, welche Vertreter sicher tierpathogen und nach den bisherigen Erfahrungen sicher nicht menschenpatho- gen sind. Wir werden auf dem Wege des Ausschlusses dann ganz bestimmte Ant- worten auf unsere Fragestellung erhalten.

So ist der Ferkeltvphusbazillus, der eine Krankheit verursacht. die in klinischer, pathologisch-anatomischer, ja selbst histologischer Beziehung überraschende absolute bzw. große Aehnlichkeiten mit dem menschlichen Typhus aufweist. ein Er- reger, der entgegen den alten Auffassungen von Uhlenhuth und seiner Schule (ct. Kolle u. Wassermann, 2. Aufl., Abschnitte über Schweinepest und Paratvphus) primäre pathogene Eigenschaften besitzt und sich als absolut selbständiger Repräsentant der Colityphusgruppe erweist. Vom systematischen Standpunkt ist, wie Sie aus den heutigen Ausführungen gehört haben und was der Ausgangspunkt meiner ausge- dehnten Untersuchungen gewesen ist, wichtig, daß er in biochemischer Be- ziehung (bunte Reihe) die größte, ja eine absolute Aehnlichkeit mit dem menschlichen vyphusbazillus hat, abgesehen von einigen wenigen Stämmen, die in Traubenzucker Gas bilden. Agglutinatorisch hat er die gleichen Bezichungen wie der Bac. suipestifer, nicht da- gegen wie der Typhus- uud der Paratvphus B-Bazillus. Sein agelu- tinatorisches wie biochemisches Verhalten läßt Sich daher vorzüglich für die Unter- scheidung der genannten Bakterien einschließlich Gärtner, Hühnertyphus etc. benutzen, während der serologisch mit ihm identische B. suipestifer im weiteren Sinne (Se kundärbazillus Uhlenhuths, eine Auffassung, die sich gleichfalls nicht in vollen Uimfange hat halten lassen), und die in der Menschenheilkunde viel beachteten Erz- indjan-Bazillen ebenso wie offensichtlich primär tierpathogene Vertreter der Suipestifer- gruppe biochemisch das gleiche Verhalten wie Paratyphus B- und Gärtnerbazillen zeigen. Gerade der letztere Umstand ist es mit gewesen, daß jahrelang unbegründete Versuche gemacht worden sind, den Ferkeltyphusbazillus in die Paratyphus B-Gruppe veterinärmedizinischerseits einzureihen (vgl. die vorletzte Anmerkung am Schlusse des Referates). Wir schen im Ferkeltyphusbazillus also einen spezifisch tierpathogenen Seuchenerreger, der sozusagen eine „echte“ typhöse Erkrankung bei diesen Jungtieren macht. Es ist kein Fall von pathogener Wirkung auf den Meuschen bekannt geworden. Darüber Näheres unten beim Suipestifer.

Der von mir als Bac. typhi gallinarum alcalifaciens bezeichnete Hühnertyphusbazillus verursacht als primär pathogener Mikroorganismus eine an Verbreitung und Gefährlichkeit auch in Deutschland immer mehr zunehmend Erkrankung bei Hühnern, Puten, Pfauen, Perlhühnern. Ein ihm aller Wahrschein- lichkeit nach nahestehender Erreger, möglicherweise ein weiteres interessantes Zwischen- glied der ganzen Gruppe. ist im übrigen neuerdings bei Wellensittichen, ferner Tan- garas, Kubafinken, Hartlaubzeisigen usw. (exotischen kleinen Vögeln) als Ursache einer Infektionskrankheit von mir gefunden worden.

Die Bezeichnung Hühnertvphus ist in nomenklatorischer Beziehung, wie ich gern gegenüber den Ausführungen von Herrn Miessner zugestehe, nicht ganz

1) Vgl. meine Diskussionsbemerkungen auf der 8. Tagung der freien Ver- einigung für Mikrobiologie vom S.—10. September 1920 in Jena. Centralbl. f. Bakt. Bd. 85. 1921. Beiheft; Interessenten werden genaue Literaturhinweise über meine Arbeiten gern mitgeteilt.

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lücklich. Der Name ist heute aber allgemein angenommen, ganz abgesehen davon,

ab die erste Beschreibung dieses Bakteriums (Bact. sanguinarium) nicht genügend Fou ist, um es mit Sicherheit mit meinem Erreger identifizieren zu können. Den

rreger aber, wie Miessner dies anregte, in die Ruhrgruppe zu stellen, liegt keine Veranlassung vor. Dafür könnte lediglich die mangelnde Beweglichkeit sprechen. Dies scheint mir aber eine sehr schwache Begründung. Wer sich mit dem Erreger beschäftigt, erkeunt sofort seine engere Zugehörigkeit zur Typhus- Paratyphus-Gärtnergruppe Er ist einer der Für die Systematisierung interessantesten Erreger der Gruppe wegen seines mangelnden Gasbildungsvermögens, seiner Unbeweglichkeit, seines gegenüber bestimmten Lackmusmolken hervortretenden labilen Verhaltens!), vor allem aber deswegen weil er einen Rezeptorenapparat hat, der ihn ganz deutlich als serologisch in beinahe gleicher Weise eng verwandt mit den Typhus-, Gärtner- und Para-B-Bazillen kennzeichnet. Ihn Hühner- paratyphus zu nennen, will mir aus mancherlei Gründen nicht angängig erscheinen, eben weil wir wie auch bei anderen Tieren so auch bei Hühnern „echte“ Paratyphus B-Bazillen finden, die biochemisch und agglutinatorisch sich von denen des Menschen nicht mit den bisherigen Hilfsmitteln unterscheiden lassen, deren Pathogenität für den Menschen aber nicht erwiesen ist, abgesehen von Greuzfüllen, wo aber wieder nicht feststeht, daß es sich um Erreger einer Hühner- seuche gehandelt hat. Der Ilühnertyphusbazillus aber ist der Erreger einer Seuche mit in gleicher Weise scharf umschriebenem Krankheitsbild und pathologisch-ana- tomischem Befunde.

Es ist bisher kein Fall bei Menschen bekannt geworden, wo die Hühnertyphusbazillen sich krankmachend erwiesen hätten. Wohl aber sind nicht gasbildende Paratyphus B-Bazillen beschrieben worden. Mit Rücksicht auf die knappe Zeit muß ich es mir versagen, auf die Befunde dieser Bazillen bzw. angeblich oder wirklich unbeweglicher, aber agglutinabler Paratyphus B-Bazillenbefunde einzugehen, eine Beziehung, die aber zu erwähnen mit Rücksicht aut die biologischen Eigenschafen des Hühnertyphusbazillus naheliegend ist.

Ein weiterer solcher, nach den bisherigen Beobachtungen nur tier-pathogener Mikroorganismus ist der Stutenabortusbazillus, der sich biochemisch und agglutinatorisch nicht vom Paratyphus B hominis und dem anderer Tiere unterscheiden läßt, aber durch seine starke Runzelbildung °) aut Schrägagar usw. auszeichnet. Sein Vorkommen bei Menschen Ist gleichfalls nicht erwiesen.

So gibt es eine ganze Reihe von spezifischen Seuchenerregern dieser Gruppe, deren Krankheitsbild und Erreger usw. sich genau so scharf oder noch schärfer herausheben wie etwa der menschliche Typhus und die ihn bedingende Bakterie.

Vom echten Bacillus suipestifer, den ich, um ihn mit einem Kenn- wort gegenüber den Befunden besonders früherer Autoren zu kennzeichnen, sui- pestifter „Kunzendorf* nach einem Gute genannt habe, wo er in besonders starker und epidemiologisch hervorstecheuder Weise gefunden worden ist, ist nach früherer Auffassung nur ein einziger Fall (Müller-Pohle) angeblicher Men- schenpathogenität bekannt. Mit Recht betont von Ostertag, dessen Kompetenz für die Beurteilung von Fragen der Fleischvergiftung unter dem Gesichts- punkt der Fleischbeschau wohl einzig dastehend ist, daß sich dieser Fall in einem tierärztlichen Seruminstitut ereignet habe, in dem Gelegenheit zur Berührung und stärkeren Infektion mit nicht wenigen Vertretern der Gruppe gewesen sein mag.

1) Die eben erwähnten Stämme aus kleinen Exoten, die sich auch für Kanarien- vögel oralpathogen erwiesen haben, scheinen Seitzsche Lackmusmolke nur zu röten. Nähere Mitteilungen, auch bezüglich des Verhaltens in Kahlbaumscher Molke, behalte ich mir vor. Im übrigen verweise ich auf meine Arbeiten zur Hühner- typhustrage.

2) Neuerdings hat man dem Aussehen auch der Kolonien der übrigen Glieder der Paratyphusgruppe eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt, einen Umstand, auf welchen mich Gildemeister anläßlich einer Demonstration bereits im Jahre 1910 oder 1911 aufmerksam gemacht hat (vgl. übrigens die altbekannten Unterschiede in Wachstum von Typhus usw.). In dieser Beziehung habe ich sehr interessante Be- obachtungen besonders an den Hühnertyphusbazillen (Schleimwallbildung usw.) an einzelnen Stämmen gemacht, ich habe die Frage jedoch nicht eingehend genug ver- folgt; es will mir scheinen, als ob das starke Runzelbildungsvermügen bei den Stuten- abortusbazillen in den letzten Jahren nachgelassen hat, mindestens, daß alte Kultur- stämme es nicht so ausgeprägt zeigen als frisch isolierte.

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Der Krieg hat uns nun im Erzindjantypus den menschenpathogenen Ver- treter der Suipestifergruppe gebracht. Vielleicht kann man, wie dies wohl auch schon geschehen ist, die Frage aufwerfen, ob nicht bei den Erzindjaninfektionen in Ana- tolien usw. gleichzeitige Primäreinwirkungen unter dem Einfluß von Malaria, Ruhr usw. bestanden haben wie beim Suipestifer der Schweine und dem Virus der Schweinepest. |

Die neueren russischen Arbeiten sprechen bis zu einem gewissen Grade aber für die primäre Pathogenität des Bakteriums, das biochemisch und agglutinatorisch von meinem Bazillus suipestifer „Kunzendorf“ nieht zu trennen ist, wenn sich auch einige feinere Unterscheidungsmerkmale innerhalb der menschenpathogenen Vertreter dieser Gruppe ergeben haben .

Mir scheint ein Gesichtspunkt für die Bewertung des Bazillus suipestiter „Kunzendorf* und des Erzindjanbazillus noch nicht genügend erkannt. Der Ba- zillus Erzindjan ist der menschenpathogene suipestifer; der menschenpathogene Erzindjanbazillus steht im gleichen Ver- hältnis zum Bazillus suipestifer wie der echte Paratyphus B-ho- minis und der echte Gärtnerbazillus des Menschen (Fleis“hver- giftung Frankenhausen) zu den entsprechenden, sich als tier- pathogen erweisenden Paratyphus B- und Gärtnerstämmen, die ebenso wie mein suipestifer Kunzendorfbazillus gelegentlich oder häufiger Endemien oder Erkrankungen bei den entsprechenden Tierarten verursachen, der Bazillus suipestifer-Kunzendorf in der Hauptsache bei Ferkeln. d. h. Vertretern des Schweinegeschlechts, die Gärtner- und Paratvphus B-Bazillen in der Hauptsache bei Kälbern, auch Schafen, Fohlen und Pferden. Be- merkenswert ist auch hier die Neigung zum Befall von Jungtieren. Genau wie der Bazillus suipestifer-Kunzendorf in so und so viel. in Deutschland wohl in den meisten Fällen, keine primäre Pathogenität zu entfalten vermag, finden wir Gärtner- und auch Paratyphus B-Bazillen mit allen ihren typischen Eitenschaften z. B. bei Kälbern. Ihr Fleisch ist genau wie das der Suipestiferschweine ohneirgendwelche Gesundheitsstörungen genossen worden!

Unter weiterer Verfolgung dieser Gesichtspunkte, vor allem des vorn hervor- hobenen Ausschlusses bestimmter Vertreter der Gruppe als klassisch tierpathogen, ürften wir dem Kernproblem des heutigen Uhlenhutschen Vortrages wohl näher

kommen. Die Frage nach den Ursachen oder der Möglichkeit. der Feststellung oder Erkennung der primären Pathogenität aller dieser Bakterienarten wird dadurch noch nicht gelöst, noch viel weniger die der Feststellung der Menschenpathogenität. viel des Allgemeinen. Nun bedarf es gerade vor einem Forum. wie es die Mikrobiologenvereinigung ist. eines Hinweises. Es ist nämlich in der Frage ein weitgehender Irrtum unbeachtet geblieben, auch in der Humanmedizin. Ich habe bereits auf Grund der ersten Arbeit von Bernhardt über das Vorkommen von „Bakterien vom Typus Vuldagsen“, unter denen man folgerichtig meine Ferkel- en verstehen muß, sowohl diese wie auch alle anderen in der näheren olgezeit in Frage kommenden und mir zugänglichen Bakterien, über die Ver- öffentlichungen vorlagen (z. B. Fleischvergiftung in Hildesheim), einschließlich einer ganzen Anzahl von Erzindjanstämmen auf ihre serologischen und biochemischen Beziehungen zu den Ferkel- bzw. echten Paratyphus B-Bazillen geprüft. Ich habe dabei, im Gegensatz zu den Auffassungen, wie sie eine zeitlang die Uhlenhuthsche Schule und besonders Miessner einnahmen, eine gerade Linie festgestellt; Herr Bitter hat diese Beziehungen in allen Punkten bestätigt. Es ist mir eine besondere Genugtuung, heute zu sehen, daß sie nunmehr allgemeine Anerkennung nach etwa 12 bis 15 Jahren gefunden haben.

Der Irrtum, von dem ich sprach, ist folgender: Die von Bernhardt seiner- zeit gezüchteten Bazillen sind überhaupt keine echten Ferkeltvphusbazillen gewesen. sondern den Suipestiferbazillen nahestehende oder gleiche Bak- terien darin liegt die Bedeutung dieses Befundes ‚weil er eine gewisse Analogie zu dem bereits erwähnten Müller-Pohleschen Fall darstellt. Verursacht Be ist die Irrung dadurch, daß Bernhardt für seine Feststellungen in erster Linie ein Serum des Reichsgesundheitsamtes benutzt hat, das auf polyvalenter Grund- lage aufgebaut war. Da ein derartiges Serum in gleicher Weise Ferkeltyphus- wie Suipestiferbazillen beeinflußt, wurden die Bernhardtschen Bazillen als „Bakterien vom Typus Voldagsen‘ angesprochen. Der Typus „Voldagsen“ setzt aber Bakterien vom typischen biochemischen Verhalten der Ferkeltvphusbazillen voraus, also von Bakterien, die sich, abgesehen von einigen Traubenzucker vergärenden Stämmen (vgl. oben), auf der bunten Reihe absolut wie menschliche Typhusbazillen verhalten. Berabardi

ebrauchte nun in sprachlich nicht voll zutreffende Weise hierfür den Namen ‚vom ypus Voldagsen“. Die Publizistik aber machte daraus Voldagsen = Ferkeltyphus-

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bazillen. So kam es, daß später zunächst die Erzindjanbazillen, weil sie von Ferkel- typhusserum agglutiviert wurden, auch als Bakterien vom Typus Voldagsen aufgefafit, ja namentlich von in der Frage nicht genügend beschlagenen Veterinärbakteriologen ebenso wie auch andere Bakterienarten (z. B. echte Paratyphus B-Bazillen) mit diesen identifiziert worden sind.

Wenn gesagt worden ist, es fehlen uns bei den einzelnen Bakterienarten U nter- schiede, die durchgreifend genug für die Differenzierung sind, s0 wird dies wohl niemand für den menschlichen Typhusbazillus behaupten wollen. Es liegt nach den vorstehenden Ausführungen kein Grund mehr vor, dies nicht auch für den Ferkeltyphusbazillus gelten zu lassen. Er ist eben wegen der genannten Aehnlichkeit mit dem menschlichen Tvphusbazillus, sofort aus der ganzen Gruppe herauszuheben, durch die Agglutination vom Typhusbazillus zu unterscheiden, gegen- über dem „Suipestifer“, Erzindjan, Gärtner, Para-B durch sein abweichendes Do chemisches Verhalten gekennzeichnet! Aehnlich liegen die Verhältnisse, wie bereits erwähnt, für den Hühnertyplius und einzelne andere Arten.

Weiter hat folgendes eine Rolle gespielt: Die Ferkeltyphusbazillen sind, wie erwähnt, zunächst von der Uhlenhuthschen Schule zu einer Sekundärbakterie Be LE worden, die sich genau wie der Bacillus suipestifer nur im primär urch das Virus der Schweinepest geschwächten Körper ansiedeln sollte.

Ein dritter verhängnisvoller Irrtum hat der Entwicklung der Frage für Jahre hinaus eine falsche Richtung gegeben. Die Ferkeltyphusbazillen wurden nämlich, wieder von der Uhlenhuth en Schule, aber auch von Glässer, zu äußerst labilen Bakterien gemacht. So sollte aus den echten Ferkeltyphusbazillen der Suipestifertyp entstehen. Was das bedeutet, muß man sich einmal an einem anderen Beispiei klarmachen. Aus dem biochemischen Bilde des Typhusbazillus des Menschen auf der bunten Reihe soll das des Bazillus Gärtner beispielsweise oder das des mit ihm biochemisch gleichen Bazillus Erzindjan entstehen |

So kommt es, daß der bisher nur bei Ferkeln gefundene echte Ferkeltyphusbazillus schließlich mit dem beim Menschen vor- kommenden Bazillus Erzindjan auf dem Umwege über die Bern- hardtschen Bazillen verwechselt worden ist. Mitbedingt ist dieser letztere Irrtum vielleicht durch das bei einzelnen wenigen Ferkeltyphusbazillen beobachtete Vermögen gewesen, Traubenzucker zu vergären.. Glässer hat ursprünglich nur 2 Stämme in der Hand gehabt. zunächst einen typischen Ferkeltyphusbazillus, dann aber wohl einen biochemisch nicht ganz voll aktiven, vom Schweine stammenden Ba- zillus suipestifer, der Traubenzucker vergor und wahrscheinlich „JH etseh“ erst langsam angriff, vielleicht auch den Umschlag auf der Lackmusmolke in blau später erfolgen ließ, Neutralrot beeinflußte ete. Wem ist nicht bekannt, daß derartige Stämme auf bestimmten Operationsnummern der fraglichen Nährböden einmal langsam, das andere Mal schneller die entsprechenden Veränderungen hervorrufen. (Glässer hat an- fangs diese Unterschiede nur wenig betont. Die Stämme sind dann in das Reichs- gesundheitsamt gekommen, von dort als Glässerbazillen, auch an mich, weitergegeben worden ete. So ist der eine Suipestifer zum Ferkeltyvphusbazillus geworden; dann entschloß sich Glässer unter dem Einfluß von MieBner, den Ferkeltyphus- bazillus zum Paratyphus des Schweines zu machen, nachdem Mießner ihn gar mit dem Paratyphus B identifiziert hatte.

Es liegt hier also eine ganze Verkettung von Trrtümern vor. Auch andere haben die Lehre vom „äußerst labilen Charakter der Ferkeltyphusbazillen“ übernommen. Eine Zeitlang war das geradezu die Regel. Es paßte dies überdies wunderbar in die Lehre vom sekundären Charakter der Ferkeltyphusbazillen; Ferkeltvphus- (Glässer-. Voldagsen-)Bazillen und Suipestifer wurden als labile Varietäten nicht nur sozusagen, sondern ausgesprochen einer Art behandelt. Was war näherliegender, als nun auch Erzindjanbazillen als Bazillen vom Typus Voldagsen anzuspre- chen und sie mit den Werkeles shtebasıllen fülschlicherweise zu identifizieren?

Die gekennzeichnete Auffassung, die die Ferkeltyphusbazillen mit den Sui- estifer-, Paratyphus- und schließlich auch Erziudjanbazillen identifizieren wollte, Pat dabei eins übersehen, daß es nämlich primäre Suipestiferinfektionen ibt, worüber vermutlich nach mir in der Diskussion Manninger sprechen wird Ge meine Arbeit in der Ztschr. f. Infektiouskrankh., paras. Kraukh. u. Hyg. d. Haustiere. Bd. 26. 1924. S. 127/147: „Vermag der Bacillus suipestifer (Kunzendorf) analog dem Ferkeltvphusbazillus selbständige Seuchengänge zu verursachen? [ Fest- schrift für Ostertag]) Ob es zweckmäßig ist. diese Erkrankung als Paratyphus des Schweines zu bezeichnen, lasse ich dahingestellt. Die Krankheit ist in Ungarn scheinbar weiter verbreitet als in Deutschland, kommt. nach meinen Informationen an Ort und Stelle auch in Holland häufiger vor.

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Wieweit diese primär-pathogenen Suipestiferstämme mit den Erzindjanbazillen zu identifizieren sind bzw. sich von den sekundär wirkenden Suipestiferstämmen unter- scheiden lassen, ist heute noch nieht geklärt. Die von meinen Herru Vorrednern er- wähnten russischen Arbeiten werden hier vielleicht Aufklärung bringen.

Wie steht es nun in der Praxis der Untersuchungs imter, die diese Fragen natürlich nicht alle in ihrer Gesamtheit bei ihren Prüfungen berücksie htigen können. Untersuchen sie mit einem polvvalenten Serum, das Ferkeltyphusrezeptoren enthält, dann stellen sie Bakterien vom „Typus Voldagsen“ , also Ferkeltyphusbazillen beim Menschen fest. Es handelt sich um Trugschlüsse; in Wirklichkeit liegen In- fektionen mit Suipestifertypen, d. h. eventuell Erziudjanbazillen, vor. Hier liegen die Gesichtspunkte, die eine Brücke schlagen zwischen dem Müller-Pohle- schen, den Bernhardtschen Fällen und den Erzindjaninfektionen.

Aus allem ergibt sich die zwingende Forderung, die auch Herr Bitter schon gezogen hat; das Ferkeltvphusserum "hat eine heute ausschlaggebende Bedeutung für die Typeutrennung. Der Name Paratvphus oder gar Paratvphose (Mießner) muß für viele Krankheiten fallen. Man denke nur an die heutigen Ausführungen über die Paratyphusstämme, die Mitteilungen von Graetz, Elkeles, W eigma nn. Die Tierheilkunde hat jedenfalls, auch für die Lösung der Rezeptorenfrage in dieser großen Gruppe, noch wichtige Aufgaben zu erfüllen. Engste Zusammenarbeit von Menschen- und Tierheilkunde ist hier notwendig. Zu beachten sind vielleicht besonders die Stämme, die in der Leber von Kälbern ge- funden werden und kleinste herdförmige Nekrosen verursachen, ohne daß die Tiere vorher offensichtlich krank gewesen zu sein scheinen.

Besonders bedenklich erscheint es mir, wenn man Folgerungen bezüglich der Immunität für die Praxis, wie dies Mießner getan hat, aus dem heutigen $ Stande der Frage ziehen will. Mit Rücksicht auf die vorgese hrittene Zeit will ich auf diese Frage nicht näher eingehen 1). Nur eins sei hervorgehoben, worauf ich schon früher mehrfach hingewiesen habe: Bei den Analogieu, die zwischen Menschen- und Ferkel- typhus und deren Erregern bestehen, sollte vielleicht die Frage der wechsel- ae Een Immunisierung einmal von zuständiger Stelle genau studiert werden. Die Typhusimmunisierung des Meuschen scheint mir noch nicht voll befriedigend gelöst. Erstens können wir durch Analogieuntersuchungen beim Ferkeltyphus uns pou Einblicke in die Pathogenese beider Krankheiten verschaffen, auch in die listopathogenese. Mit derartigen Untersuchungen hat sich auf meine Veranlassung Kaiserliug und Zeelen befaßt, auch Berblinger hat neuerdings der Frage sein Interesse zugewandt.

Vor allem aber sollte beachtet werden, daß man Ferkel im Alter von einem Tage mit 5—10 ccm Ferkeltyphusvakzin spritzen kann. Sie zeigen Appetitlosigkeit. Fieber, Muskelzittern ete. für 24 Stunden, sind aber dann auch mit Sicherheit gegen jede An- steckung geschützt, wie zahlreiche Versuche von mir im Laboratorium und in der nn Praxis ergeben haben. Diese Mengen von Vakzine sind mit Rücksicht auf das Gewicht des Meuschen sehr groß. Bei der unangenehmen Wirkung der Typhus- vakzine auf manche Menschen und der dadurch bedingten Notwendigkeit der geringen Dosierung sollte beim Menschen, namentlich bei der heutigen Bedrohung durch Typhus, die Frage weiter verfolgt t werden, ob es gelingt, mit Ferkelty phusbazillen gegen diese Krankheit zu immunisieren. Vielleicht gibt de Vorprüfung, ob man mit Menschen- typhusbazillen Ferkel gegen Ferkeltyphus schützen kann, schon eine Antwort auf diese Frage. Beachtet muß dabei werden, daß der Rezeptorenapparat der Immunkörper für beide Erreger ein heterogener zu sein scheint.

Laubenheimer (Frankfurt a. M.). Es ist auffallend, daß bei den Versuchen zur Abgrenzung der Bakterien der Paratyphusgruppe die bakteriziden Antikörper noch nicht herangezogen wurden, trotzdem diese Methode an Spezifität der Agglu- tination überlegen ist. Allerdings bestehen bei der Bakterizidie bei Paratyphus noch einige ungeklärte Fragen. So fand L. bei Patienten, die an der typhösen Form erkrankt waren, im Neisser-Wechsbergschen Plattenversuch einen sehr hohen bakteriolytischen Titer. Von anderen Autoren wurde dieser Befund bestritten, vielleicht weil sie mit Sera arbeiteten, die von mehr akut verlaufenden Erkrankungen stammten. Bemerkenswert ist auch nach den Er fahrungen von L., daß künstlich hergestellte Para- typhusimmunsera en im Plattenversuch nur eine sehr geringe Bakteriolyse erkennen lassen, dagegen un Pfeifferschen Versuch sich als su wirksam erwiesen. Bei der Abgrenzung der verschiedenen Abarten der Paratyphusgruppe könnte die Heranziehung der bakteriziden Antikörper im Pfeifferschen Versuch vielleicht wertvolle Dienste leisten.

1) Eine nähere Stellungnahme wird andernorts erfolgen.

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E. Gildemeister (Berlin-Dahlem). Zu den Ausführungen des Herrn Pfeiler möchte ich bemerken, daß die von Herrn Haendel und mir isolierten Voldagsenstämme ebenso wie die Originalstimme von Glaesser und von Dam- Done und Stedefeder in ihrem Verhalten einwandfreie Schwankungen gezeigt aben.

Wir haben heute bestätigt erhalten, daß die Einteilung der Paratyphusgruppe in scharf umrissene Gruppen uud die Bewertung dieser Gruppen immer noch große Schwierigkeiten bereitet. Unter diesen Schwierigkeiten leidet besonders derjenige, der, wie es bei mir der Fall ıst, den Auftrag hat, agglutinierende diagnostische Para- typhussera herzustellen und zur Abgabe an andere Institute bereit zu halten. Mir will es am zweckmäfßligsten scheinen, wenn wir auch weiterhin ein möglichst poly- valentes Paratyphus B-Eselserum vorrätig halten, das nahezu alle Vertreter der großen Paratyphusgruppe agglutiniert. Ein solches Serum wird im Untersuchungsamt die besten Dieuste leisten, da es keinen fraglichen Stamm entgehen läßt. Daneben sind naturgemäß Spezialsera vom Kaninchen für Parutyphus B-Schottmüller, Enteritis Breslau und Voldagsenbazillen erwünscht. |

Ich möchte ferner mitteilen, daß eine Sammelforschung über die Gruppe der Paratyphusbazillea vom Reichsgesundheitsamt in die Wege geleitet wird, an der zahlreiche Institute und Forscher beteiligt sein werden. offen wir, daß diese ge- meinsame Arbeit zur Klärung der Paratyphusfrage beiträgt.

T. Saito (Niigata, Japan). Es ist eine schon bekannte Tatsache, daß abnorme, abenteuerliche Formen der Bakterien, bei Zusatz bestimmter schädigender Stoffe zu Nährboden, auftreten können (teratologische Wuchsformen nach Maassen).

Aber ich kenne keine Literatur in Europa oder Japan, in der von den biologischen Eigenschaften der teratologisch veränderten Bakterien die Rede ist.

arum habe ich vor einigen Jahren in dem bakteriologischen Institut zu Nii- gata die teratologischen Formen der Paratyphusbazillen, Typhusbazillen und Coli- bazillen untersucht. Und zwar habe ich die Beziehungen zwischen diesen terato- logischen Formen und den immunologischen sowie den biologischen Eigenschaften studiert.

Dabei habe ich Koffein, Lithiumchlorid und Kalium tartaricum den gewöhn- lichen Nährböden beigemengt.

Zuerst beschreibe ich die Morphologie.

Diese Bazillen haben in Lithiumchlorid-Nährböden rundliche, ovale, keulen- förmige, birnenförmige oder aufgequollene blasige Formen gezeigt.

n der Koffeinbouillon haben Typhusbazillen kolossal lange Fadenformen ge- bildet. Die Fadenbildung ist so stark gewesen, daß man das Bild kaum für Typhus- bazillen halten konnte. Ja, sogar Pseudoverzweigung habe ich sehr oft gefunden. Aber echte Verzweigung wie bei den Schimmelpilzen konnte ich nicht nachweisen.

Die Färbbarkeit bei dieser Fadenbildung ist gut erhalten. Die rundlichen, ovalen und keulenartigen Formen waren bei allen de untersuchten Bakterienarten zum Teil gut fürbbar, die anderen besonders blasigen Formen dagegen hatten ihre Färbbarkeit stark eingebüßt.

Die Fortzüchtung in diesen Nährböden hat morphologisch fast keinen weiteren Einfluß gehabt, d. h. die Befunde der I. Generation sind fast gleich gewesen wie die der X. Generation.

Die Formveränderung und die Veränderung der Füärbbarkeit sind mit dem Alter der Kulturen stärker geworden (teratologische Form + Involutionsform).

Mit Dunkelfeldbeleuchtung konnte ich keine anderen Veränderungen nachweisen als in den hängenden Tropfen und in den gefärbten Präparaten.

Zweitens werde ich über das immunologische Studium ein wenig sprechen.

In vivo haben die teratologisch veränderten Bakterien gleiche Antigenwirkung (geprüft durch Agglutination) gehabt wie die normalen.

Auch die Agglutinabilität blieb fast unverändert, aber manchmal konnte ich auch Steigerung der Agglutinabilität nachweisen.

Drittens werde ich die Biologie der teratologischen Bakterien etwas besprechen.

Die Beweglichkeit der Bakterien geht bei leichten Formveränderungen nicht verloren. Die blasigen Bakterien bewegen sich nicht lebhaft oder nur wenig.

Die Fermententwicklungen (z. B. Gasbildung in Traubenzuckeragar, Reduktion und Fluoreszenz in Neutralrotagar usw.) gehen auch bei den teratologischen Formen fast nicht verloren.

Die Fortzüchtung in diesen Nährböden hat morphologisch fast keine weitere Wirkung, aber sie scheint mir biologisch Anpassung zu verursachen, weil die Bakterien

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auf dem Lithiumchloridagar bei der X. Generation mehr als bei der I. Generatiou gewachsen sind.

Wenn die Bakterien von Lithiumchloridagar (I. sowie X. Generation) auf wöhnlichen Agar zurückgebracht wurden, hat sich die normale Gestalt wieder eingestellt.

Diese teratolugische Formveränderung ist so lange bestehen geblieben, als die Ursache, die sie hervorgerufen hat, weiter gewirkt hat (Modifikation).

Diese Formveränderungen sind nicht vererbbar.

Kuorr (Erlangen). Es ist heute mehrfach betont worden, daß in der Para- typhusfrage die Praxis des Untersuchungsamtes von Bedeutung sei. Ich konnte nun in den letzten Jahren zahlreiche Paratyphusepidemien eingehender nach den ver- schiedensten Richtungen bearbeiten und möchte einen kurzen Ausschnitt der Er- gebnisse bringen. Epidemiologisch habe ich niemals Infektionen von Mensch zu Mensch bei Breslauerkrankungen beobachtet, selbst nicht in den Fällen, wo eine egenseitige Infektion unvermeidlich war: z. B. bei sehr unreinen Geisteskranken. bu tie uchungn bei Breslaukranken förderten nie echte Bazillenträger zutage im Gegensatz zu den Erkrankungen wo Paty B-Schottmüller gefunden wurde. Bei B. enteritidis Breslau handelt es sich nur um alimentäre Ausscheidung. Die unter ständiger bakteriologischer Kontrolle stehenden Insassen von Heil- und Pflegeanstalten zeigten nur zu Zeiten alimentäre Ausscheidung, wo Nahrungsmittelvergiftungen infolge der günstigen Temperatur überhaupt häufig vorkamen. Daß es sich nur um alimentäre Ausscheidung gehandelt hat, geht daraus hervor, daß diese Keimträger niemals nachweisbar krank waren und trotz fortlaufender Untersuchung B. enteritidis Breslau höchstens eine kurze Zeitlang bei einer Person nachgewiesen werden konnte. Also wiederum ein ganz anderes Verhalten des menschlichen Körpers wie beim B. Schottmüller, wo es mit Hilfe unserer Trägerlisten möglich ist, Jahre hindurch die Ausscheidungen zu verfolgen. Aus epidemiologischen Gründen haben wir ebenfalls seit mehreren Jahren die Untersuchung der Leichengallen der in den Heil- und Pflege- anstalten Verstorbenen durchgeführt. Nur in einem Falle wurde B. enteritidis Breslau poser und zwar zu der Zeit, wo die alimentäre Ausscheidung auch bei anderen nsassen festgestellt wurde. Als Ursache der Breslau-Nahrungsmittelvergiftung kam tast stets verarbeitetes Fleisch, einmal Käse in Betracht.

Die beste Bekämpfung der Breslauinfektion ist Beseitigung der verdorbenen Nahrungssmitter und gründliche Reinigung der Geräte (Hackstöcke, Fleischmaschinen !;. Umgebungsuntersuchungen bei Breslauinfektionen erübrigen sich, die fortlaufende Desinfektion am Krankenbette und die Isolierung kann milder gehandhabt werden. Auch meine Untersuchungen ergaben die Artgleichheit des Mäusetvphusbazillus mit B. ent. Breslau. Die postmortale Infektionsmöglichkeit des Fleisches durch Ratten und Mäuse darf bei der Bekämpfung der Nahrungsmittelvergiftungen nicht übersehen werden. Zur Verhütung der in a letzten Jahren stark zunehmenden Fleischvergiftungen ist auch Belehrung der Personen des Metzger- und Nahrungs- mittelgewerbes überhaupt in den Fach- und Fortbildungsschulen nötig. Meist fehlen in derartigen Kreisen die einfachsten Vorstellungen über die Ursachen und die Ent- stehung der Nahrung<mittelvergiftungen, es fehlt der nötige Sinn für zweckmäßige Aufbewahrung und Reinlichkeit; die Lebensverteuerung hat die Ansprüche auf Be- schaffenheit der Nahrung bei den Verbrauchern oft bedenklich herabgesetzt. Die In- fektion mit B. Schottmüller ist in gleicher Weise zu bekämpfen wie Typhus. In den Bekanntmachungen über. die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten auch in der Bayerischen ist leider noch nicht überall die Trennung der Breslau- von der Schottmüllerinfektion durchgeführt. Wie man die Gärtnerinfektion beurteilen muß, möchte ich wegen Mangel an eigenen Erfahrungen dahingestellt sein lassen. Bei uns spielen derartige Erkrankungen gar keine Rolle, da in 5 Jahren nur Imal der Keim gezüchtet werden konnte.

Auch klinisch konnte ich viele Epidemien verfolgen. Bei der Breslauinfektion zeigt sich das Bild des Brechdurchfalls, bei der Schottmüllerinfektion ein mehr oder weniger deutliches Typhusbild (Fieberkurve, Roseolen, Milztumor). Zwei Ausnahmen darf ich erwähnen. Nach Schlagrahmgenuß traten brechdurchfallartige Erschei- nungen auf, es wurde B. Schottmüller gefunden, aber der weitere Krankheitsverlauf war tvphusartig; nach Genuß von übelriechendem Rehfleisch traten Brechdurchfälle von kurzer Dauer wie bei Breslauinfektion auf, es wurde aber Paratyphus B Schott- müller gezüchtet. Die Menge der aufgenommenen Krankheitskeime mag die akute brechdurchfallartige Erkrankung verursacht haben. Mischinfektionen mögen vor- kommen, bei einer Breslauinfektion wurde in der gleichen Familie ein Schottmüller- träger festgestellt !

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Die Verteilung der Fleischvergifter bzw. ihrer Gifte war mit großer Wahr- scheinlichkeit bei einer Epidemie, die auf Schinkengenuß zurückgeführt werden mußte, genau so inselartig im Schinken wie sie bei Botulinus zu sein pflegt (Infektion des Fleisches vom Knochenmark aus?).

Während in den ersten Erkrankungstagen die Züchtung des Paty B Schottmüller nahezu regelmäßig aus strömendem Blut gelingt, findet man die Breslau- keime nur sehr selten. Für die Züchtung aus Stuhl hat sich das Malachitgrün- abschwemmungsverfahren nach Lentz, Tietz und O, Mayer bewährt. Wichtig ist, jede Nährbodennummer auf die Elektivität zu prüfen und nur frischen Malachit- grünagar zu verwenden. Ich erhielt mit dem Malachitgrünagar bessere Ausbeuten als mit dem Brillantgrünverfahren. Ausgezeichnete Erfolge hatte die Kombination des Malachit- mit dem Brillautgrünverfahren bei stark zersetzten Nahrungsmitteln oder Leichenteilen. Für Organaureicherung und Urinuntersuchung ist das Brillantgrün- verfahren nach Killian vorzuziehen.

Die kulturmorphologische Trennung des B. enteritidis Breslau vom Paty B Schottmüller ist sicher und einfach. Meine Beobachtungen decken sich vollkommen mit den Ausführungen von Herrn Grätz, und ich könnte die gleichen Aufnahmen in der Durchsicht zeigen, wie sie Herr Grätz in der Aufsicht gezeigt hat. Breslau wächst auf Agar nach 24 Stunden bei 37% und weiteren 72 Stunden bei Zimmertemperatur mit korallenförmiger Zeichnung, Schottmüller mit nicht zu verkennendem Wall. Jedoch nur, wenn man, worauf neuerdings Reiner Müller hingewiesen hat, Fleischwasserpeptonnährmittel gebraucht. Alte Stämme erweisen sich zur kulturmorphologischen Differentialdiagnose unbrauchbar und auf sie sind die Uustimmigkeiten, wie sie im Schrifttum niedergelegt sind, zurück- zuführen. Der Wallbildung frischer Schottmüllerstämme entspricht die von L. Heim an 200 Stämmen beobachtete und beschriebene Kuppenform mit den bezeichnenden flammenförmigen Strahlen auf Gelatine. B. Breslau wächst auf Gelatine in Weinblattform. Die Trennung des ebenfalls wallbildenden B. enteritidis Gärtner von B. Breslau fällt somit nicht schwer, schwieriger und kulturmorpnologisch unmöglich ist jedoch die Trennung von Schottmüller und Gärtner, die beide Wille bilden und auf Gelatineplatten kuppenförmig mit typischer Zeichnung wachsen. Den Mäusetütterungsversuch halten auch wir, wie Herr Geheimrat Uhlenhuth wegen seiner langen Dauer und häufigen Unregelmäßigkeiten, zur Differenzierung nicht so geeignet, wie die Kieler Schule, deren Ergebnisse sich sonst mit den unserigen decken. Mit der Agglutination bin ich beim Nachweis des B. enteritidis Gärtner noch am weitesten gekommen. Was die übrigen Angehörigen der Paratyphusgruppe betrifft (Bac. suipestifer, Glässer usw.), so hat sich die Differenzierung mit Arabinose, Maltose, Mannit und Dulzit am besten bewährt (s. Standfuß, Bakt. Fleisch- beschau). Zusammenfassend ergeben somit meine bisherigen Untersuchungen, daß man in der Praxis mit einem Verfahren, etwa dem serologischen, zur Differenzierung in der Paratyphusgruppe nicht auskommt. Nur durch eine Kombination verschiedener Methoden kann die für die Seuchenbekämpfung vorläufig nötige Typentrennung durchgeführt werden. Zum typhösen Krankheitsbild der Erzindjaninfektion die kurze Bemerkung, daß ich in der Türkei nie reine Infektion mit diesem Keim gesehen habe (Mischinfektion mit Ruhr, Recurrens, Malaria, Syphilis, Gonorrhöe).

Schottmüller (Hamburg): Mit Recht hat Herr Uhlenhuth in den Vordergrund seines Referates die Epidemiologie des Paratyphus gestellt.

Zweifellos ist die wichtigste Frage die: Unter welchen Umständen wird der Paratyphusbazillus, der, wie auch aus den Ausführungen des Refereuten hervorgeht sicherlich in der Umgebung des Menschen weit verbreitet ist, ohne diesem zu schaden, für ihn Basnone Während der Typhusbazillus, ich möchte sagen, als obligat pathogen für den Menschen angesehen werden muß, ist für ihn der Para- typhus B viel weniger kontagiös, dagegen für viele Tierarten annähernd in gleichem Maße infektiös, wie der Typhusbazillus für den Menschen.

Es ist nicht allgemeingültig zu sagen, unter welchen Bedingungen der Para- typhus B auf den Menschen übertragen zu einer Erkrankung führt. Gewiß spielt ie Menge der aufgenommenen Bazillen und die Masse des Toxins, also auch die Virulenz- und die Toxizitätssteigerung, die der Paratyphus B gerade im Tierkörper erfahren kann, ebenso wie die jeweilige Disposition des Menschen eine große Rolle.

Ich weiß nicht, ob ich mich im Gegensatz zu Herrn Uhlenhuth befinde, wenn ich aus den vielen Fleischvergiftungsepidemien die Lehre ziehe, daß duch sehr häufig Tiere, die an einer Infektion mit Paratyphus B erkrankt waren und zweifellos dadurch den Bakterien die Möglichkeit zur Virulenzvermehrung boten,

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die Ursache von Massen-, gelegentlich auch von sporadischen Erkrankungen bei Menschen sind.

Wir sahen ferner den Paratyphus B als Nosoparasiten wirksam, d. h. wir

beobachteten Patienten, die im Verlauf irgendeiner Primärerkrankung Scharlach. Masern, Pneumonie im Krankenhaus von einem Paratyphusinfekt befallen

wurden, ohne daß irgendwie eine Quelle der Ansteckung nachzuweisen war oder auch nur im mindesten wahrscheinlich gemacht werden konnte, so daß man annehmen muß, daß die im Darmtraktus schon des längeren anwesenden Paratyphusbazillen erst den durch eine Krankheit in bezug auf allgemeine und lokale (Darm) Abwehr- kräfte geschwächten Organismus angreifen konnten.

Der durch die Paratyphusbazillen erzeugte Krankheitszustand entsprach in diesen Fällen der typhösen Form. Die Bazillen wurden auch aus dem Blute gezüchtet.

Andererseits habe ich niemals im Krankenhaus, trotzdem die Paratyphus- kranken nicht isoliert werden, eine Uebertragung der Infektion auf andere Kranke bzw. Gesunde beobachtet im Gegensatz zur Typhusinfektion obwoht ja bei den Enteritisfällen mit den Faeces lteinkulturen von Paratvphus B. Krankheitskeime also in Massen entleert werden.

Meine Erfahrungen sprechen nicht dafür, daß, wie Herr Uhlenhuth meint, der Paratyphus abdominalis (also die typhöse Form) seinen Ausgang nimmt von Patienten entsprechender Art, wie das ja für den Tvphus die Regel ist.

Es ist überhaupt viel schwieriger meist unmöglich die Infektionsquelle für Einzelfälle von Paratyphus nachzuweisen, wieder im Gegensatz zum Typhus.

Die zweite von Herrn Uhlenhut behandelte wichtige Frage ist die: Stellen die Enteritisbakterien und der Bazillus des Paratyphus abdominalis streng voneinander zu trennende Typen dar?

Ich habe aus den Ausführungen des Herrn Uhlenhuth und anderer Redner. namentlich des Herrn Seiffert, nicht den Eindruck gewonnen, daß sie stich- haltige Gründe dafür beibringen konnten.

Ich darf, was diese Streitfrage anlangt, auf meine erste Arbeit „Zur Aetiologie der akuten Gastroenteritis“ aus dem Jahre 1904 hinweisen!). Schon damals biu ich eingegangen auf die drei wichtigsten Kriterien: das kulturelle, das serologische und das epidemiologische Verhalten der Bazillenstämme.

Auf Grund meiner ursprünglichen Erfahrungen war auch ich zunächst der Ansicht, daß ein kultureller Unterschied zwischen den Enteritisstämmen und den bei der typhösen Form des Paratyphus aus dem Blut ‘gezüchteten Stämmen bestinde, insofern die letzteren auf Gelatine einen viel üppigeren, fast schleimartig fließenden Belag bilden, bis ich dann auch Bazillen aus dem Blut von Paratyphuskranken der ivphösen Form züchtete, die durchaus im Wachstum den Enteritisstämmen glichen, also keine Schleimbildung zeigten.

Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, daß die eben berührte Wachstums- eigentümlichkeit (Schleimbildung) es ist. welche zu der in der Literatur der letzten Jahre und von vielen Rednern des heutigen Tages hier erwähnten Wallbildung der Einzelkolonie auf Agar führt. .

In Einklang mit diesen meinen Beobachtungen steht es durchaus. wenn S. Fränkel und Much, Elkeles und andere nachweisen konnten, daß tat- sächlich gelegentlich Enteritisstämme das gleiche Wachstum auf Agar zeigen, wie die bei der tvphüsen Form des Paratyphus gezüchteten Bakterien und umgekehrt.

Ferner hube ich schon im Jahre 1994 mit dem Serum (l. c.) sowohl Para- tvphuskranker (typhöse Form), als auch mit dem Serum Enteritiskranker für die Bazillenstämme beider Erkrankungsformen annähernd gleiche Agglutinations- titer feststellen können. Zu dem gieichen Ergebnis führten die Untersuchungen von E. Fränkel und Much?)

Es ist aber auch aus den Mitteilungen verschiedener Redner, namentlich der Herren Uhlenhuth und Seiffert, nicht zu entnehmen, daß die verfeinerten serologischen Untersuchungen, insbesondere über den Rezeptorengehalt der verschiedenen Immunsera, die Frage dahin, daß die Typentrennung der Enteritis- Stämme und der typhösen Stämme mit Recht vorgenommen wird, entschieden hätten.

Endlich muß ich auch bestreiten und kann nur wieder auf meine diesbezüg- lichen früheren Untersuchungen verweisen (l. e.), daß bezüglich der Giftwirkung

1) Dr. H. Schottmüller, Zur Aectiologie der akuten Gastroenteritis (Cholera nostras). Zugleich ein Beitrag über die Beziehungen des B. enteritidis Gärtner zum B. parai phonon alcalifaciens (oder Typus B). Münch. med. Woch., Nr. 8, 1904.

2) E. Fraenkel u. Much, Zur Frage der Verschiedenheit des Paratyphus B- Bazillus und des Gastroenteritisstammes Breslau. (Dtsch. med. Woch. No. 30. 1924.

11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925. *331

sowohl lebender als auch abgetöteter Bazillen ein Unterschied erwiesen wäre. Auch der „Paratyphusbazillus hominis“ tötet verfüttert Mäuse. Ebenso haben wir regel- mäßig bei der Infektion von Mäusen mit Enteritisstimmen die Keime im Blut nach- weisen können.

Es ist auch keineswegs so, daß bei der Enteritis acuta lediglich eine Intoxikation eine Resorption der Bakteriengifte - - den Krankheitsprozeß bedingt, während beim, Paratvphus abdominalis nur eine Infektion das klinische Bild erzeugt. Ganz sicher handelt es sich bei der Enteritis auch um eine Infektion im engeren Sinne, d. h. Ansiedelung der Bakterien im Gewebe; von uns bewiesen dadurch, daß auf der Höhe der Erkrankung der Paratvphusbazillen in Reinkultur in den Faeces gefunden wurde. Aber der Infekt betrifft nur die Schleimhaut des Darmes. von wo aus aller- dings auch ein Uebertritt in den Blutstrom stattfindet, während bei der typhösen Form die Vermehrung der Keime im Lymphgewebe. insbesondere des Mesenteriums, vor sich geht.

Gewisse Schwankungen in der Tierpathogenität —- wenn sie wirklich einwandfrei erwiesen sind namentlich lange he Stämme, können nicht als beweisend im Sinne einer Typenvarietät angesehen werden.

Nun aber muß ich auf eine Tatsache von unbedingter und aus- schlaggebender Beweiskraft für die Identität der sogenannten lunteritis- und „typhösen" Paratyphusstämme hinweisen, ich meine das ee D maßgebende Experiment, welches die Naturam Menschen anstellt.

Noch bei Ka größeren Fleischvergiftungsepidemie, angefangen bei

der von Andelfingen, Kloten usw. in der vorbakteriologischen Aera man vergleiche die diesbezüglichen Schilderungen von Liebermeister, Griesinger,

Bollinger, namentlich Huber u. a. Ð aber auch bei den Gruppenerkrankungen der letzten Dezennien, bei denen die Paratvphusbazillen sowohl im Stuhl als auch im Blut dann einwandfrei nachgewiesen worden sind, boten die Krankheitsfälle teils das Bild einer Enteritis, teils eines Typhus. |

Aber und das ist das Wichtigste - es hat auch Erkran- kungsformen gegeben, bei denen sowohl der eine wie der andere Zustand bei demselben Patienten beobachtet werden konnte, d. h. die betreffenden Patienten erkrankten schwer und akut unter dem Bilde der Cholera nostras, aus dem heraus sich dann ein ab- absolut typisches typhöses Krankheitsbild mit Roseolen usw. ent- wickelte.

Herr Bitter hat absolut unrecht, wenn er meint -— immerhin ist dieses Zu- reständnis erfreulich -— daß es sich um Ausnahmen handelt, wenn der Enteritis-

Sulturtyp einen tvphösen Zustand hervorruft. Wie jede Epidemie beide Er- krankungsfurmen aufweist, so sehen wir auch in jedem Jahr mindestens Re sporadische Krankheitsfälle, bei denen sich der akuten Enteritis ein typhöser Kran heitszustand anschließt

Daß etwa bei den einzelnen Epidemien zwei verschiedene Krankhrits- erreger von dem erkrankten Tiere auf die Menschen übertragen sind, —- zu der Auf- fassung wird doch niemand kommen !

Damit ist, denke ich, die vorliegende Streitfrage in dem Sinne entschieden, dal Enteritis- Paratyphusstämme auch den Paratyphus abdominalis, d. h. die typhöse Form und umgekehrt. hervorrufen können, und daß also die Enteritisstäimine identisch sind mit den Bazillen, welche den typhösen Paratvphus erzeugen.

Würden die Autoren der letzten Jahre, welche den Dualismus vertreten, die Literatur, d. h. die von großen Aerzten der Vergangenheit scharf und charakteristisch

ezeichneten klinischen und pathologisch-anatomischen Bilder der Fleischvergiftungs- a gekannt und studiert haben, sie würden von dem Wert iħrer einseitigen bakteriologischen Forschungen selbst weniger überzeugt sein.

1) Griesinger, Dtsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 3. 1867. -- Liebermeister, Disch. Arch. f. klin. Med. Bd. 3. 1567. Bollinger, Ueber Fleischvergiftung, intestinale Sepsis und Abdominaltvphus. (Münch. med. Woch. 1550.) -- H uber, Ueber Ficischvergifiungen mit spez. Berücksichtigung der „Typhusepidemie von Kloten‘.

(Dtsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 25.)

332* 11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925.

Paul Krause (Münster i. W.) führt aus, daß er auf Grund seiner reich- lichen Erfahrungen, vor allem an mehr als 25000 Typhuskranken im Kriege betonen müsse, daß es gesunde Tobsdaucranssiheder nicht gäbe. Der proue Teil der Typhusausscheider ist mit chronischer Cholecystitis, ein

leiner Teil mit Cholecystitis mit Cholelithiasis, ein anderer mit chro- nischer Appendizitis behaftet. Auch bei den Paratyphus B-Bazillenaus- scheidern ließen sich chronische Cholecystitis, ferner Cholecystitis mit Cholelithiasis nachweisen. Eine alimentäre (vorübergehende) Bazille:.arıs- scheidung im Stuhl kommt beim Paratyphus B (nicht beim Typhus und Para- typhus K) vor, ein Teil der Ausscheider erkrankte tatsächlich klinisch nachweisbar nicht (Beobachtungen 1915 bei mehreren Dutzend Landsturmleuten eines bei Lüttich befindlichen Bataillous). Wenn Cholelithiasis oder chronische Appen- dizitis beı einem Typhus- oder Paratyphus-Bazillen da uer ausscheider vorhanden ist, tritt Krause unbedingt auf Grund erneuter Erfahrungen für eine operative Ent- fernung der Gallenblase bzw. der Appendix ein.

Reichenbach (Göttingen): Es scheint mir, als ob Herr Spangenthal etwas mißverstanden worden wäre. Worauf es uns ankam, war, darauf aufmerksam zu machen, daß es Stämme gibt, und zwar gar nicht einmal so selten die keine Schleimwälle bilden, sich im übrigen aber, onders auch serologisch, wie Para- typhus B verhalten. Die Stämme waren nicht etwa alte Laboratoriumsstämme, sondern frisch isoliert.

Das ist eine Tatsache, über die man doch wohl nicht so leicht hinweggehen darf, wie es Herr Bitter getan hat. Im übrigen erkenne ich das Verdienst des Herrn Bitter, daß er versucht hat, anstelle der mühsam festzustellenden sero- logischen Merkmale kulturelle Unterschiede zu setzen, durchaus an und glaube, daß man versuchen sollte, auf diesem Wege noch weiter fortzuschreiten.

Graetz (Schlußwort): In Anbetracht der vorgeschrittenen Zeit möchte ıch auf eine ausführliche Schlußbemerkung verzichten. Die Aufgabe meines Schlußswortis wäre doch im wesentlichen eine Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Herrn Schottmüller, als eines der Hauptvertreter des unitarischen Standpunktes, ewesen. Herr Schottmüller hat aber bereits anläßlich des Vortrags von ‘ränkel und Much in der biologischen Abteilung des ärztlichen Vereins zu Hamburg Gelegenheit genommen, zu diesen Fragen Stellung zu nehmen. Da ich nach Lage der Dinge auch heute wieder eine gleichartige Stellungnahme Schott- müllers erwarten zu können glaubte, habe ich den schwebenden Fragen bereits in meinem Vortrag einen breiteren Raum eingeräumt. Die knapp bemessene Vortrags- zeit hat es mir leider unmöglich gemacht, hier auf -diese Fragen näher einzu- gehen und ich verweise deshalb auf meine ausführliche, im Verhandlungsbericht er- scheinende, Arbeit.

Seiffert (Schlußwort).

Elkeles (Schlußwort): Herran Bitter möchte ich daran erinnern, daß meine Versuche mit Kochsalzagar nicht der Typentrennung, sondern dem Studium des Wesens der Wallbildung galten. Er nimmt doch wohl nicht an, daß ich die differentialdiagnostische Entscheidung, ob ein Stamm Wall bildet oder nicht, auf Kochsalzagar treffe. Es werden beim Tode einer Maus an Paratyphus B- Bazillen viel zu häufig diese Bakterien wenn auch meist in sehr geringer Zahl | pence als daß man sagen könnte: das Herzblut ist bei diesen Tieren steril.

uch ich sehe, ähnlich wie Herr Schottmüller, in der Auffassung: „Einmal ist keinmal“ abgesehen davon, daß die Zahl der vom Schema abweichenden Beob- achtungen schon ziemlich groß ist einen verhängnisvollen naturwissenschaftlichen Irrtum. Die sogenannten Ausnahmen dürfen wir nicht verstecken, sondern wir müssen sie ernsthaft beachten.

Sonnenschein (Schlußwort).

11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925. * 333

Uhlenhuth (Schlußwort): Die Diskussion hat neue Tatsachen nicht ergeben.

Sie hat im allgemeinen das bestätigt und ergänzt, was ich in meinem Referat aus-

führt habe. die Typentrennung eine gewisse Bereicherung unserer bakterio- ogischen Methodik darstellt, ist wohl außer Zweifel; welche praktische Bedeutung ihr aber zukommt, muß die Zukunft ergeben und ich hätte es lieber gesehen, wenn ich mein Referat erst auf der nächsten Tagung unserer Vereinigung in 2 Jahren hätte erstatten können. Dann erst wird man vielleicht klarer sehen. Wir stehen noch im ersten Anfang der Arbeiten, deren Ausbau noch viel Mühe und Zeit erfordert. Das gilt besonders für die Untersuchungsämter der Human- und Veterinärmedizin. Da ist die Zusammenarbeit mit der Klinik unter Berücksichtigun der epidemiologischen Verhältnisse von ganz besonderer Bedeutung. Bei jedem Fal sollten genaue Erhebungen an Ort aad Stelle, am besten an Hand von Frage- bogen wie beim Typhus gemacht werden. Ich möchte das ganz besonders betonen im Anschluß an die Austührun en unseres hochverdienten Altmeisters auf dem Gebiete der Paratyphusforschung, des Herrn Schottmüller, dessen klassische Arbeiten auch trotz der Schleimwälle und Rezeptoren grundsätzlich noch zu Recht bestehen. Denn die Fleischvergifter sind ja doch nur eine Variante des Paratyphus B Schottmüller. Wir haben gezeigt, daß es Uebergangstypen und fließende Ueber- gänge gibt vom Fleischvergifter zu Faratyphus B. Dabei soll, wie gesagt, eine gewisse praktische Bedeutung der Typentrennung nicht abgesprochen werden.

Der Paratyphus C, der von mir und Hübener zuerst in oben ausgeführtem Sinne aufgestellt worden ist, ist von späteren Untersuchern vielfach ignoriert und die gleiche Bezeichnung für andere Stämme vergeben worden, so daß eine große Ver- wirrung angerichtet worden ist.

Diese Frage bedarf der weiteren Bearbeitung. Mit Herrn Krause bin ich der Ansicht, daß man den „Paratyphusbazillenträgern“ auch vom klinischen, chirurgischen und pathologisch-anatomischen Standpunkte mehr Beachtung schenken muß wie bisher. Der Dal durch Operation stehe ich etwas skeptisch gegenüber. da meist nicht nur die Gallenblase, sondern auch die Gallengänge der Leber die Bazillen enthalten. Immerhin mag in günstig liegenden Fällen Heilung erzielt werden. Alle „Bazillen- träger“, die zur Sektion kommen, sollten genau bakteriologisch und pathologisch- anatomisch untersucht werden.

DO OCR UN m

Mitglieder-Liste

der

Deutschen Vereinigung für Mikrobiologie. (Dezember 1925).

Name

Abel Albrecht

v. Angerer Bach Baerthlein Bail Ballner

Barnewitz Baumgarten Bechhold Beck, M. Beger

Beninde Bernhardt Besserer Bieber Biedl

Bieling Bierbaum Binder Bischoff Bitter

Blumenthal, G.

Boecker Boehncke Börnstein

27 | Bongert

28. 29 0

| Bonhoff

Braun

Bürgers Burri

3 | Conradi, H.

Czaplewski Dahmen Dietrich, A. Dietrich, W.

Geb. Ober-Med.-Rat, Prof. Jen Dr. med. vet., wissensch. Mitgl. Frankfurt a./M.| Institut f. experim. Therapie

Professor

Reg.-Med.-Rat, Prof. Professor

LA

Dr. med. Direktor, Med.-Rat Direktor, Prof. Geh. Med.-Rat, Prof.

Dr. med., Wissensch. Mitgl.

Präsident, Prof. Dr. med. Med.-Rat, Prof. Kreisarzt, Med.-Rat Professor

Privatdozent Prof., Dr. med. vet. Direktor, Dr. med.

Professor

Dr. "med. Abt.-Leiter, Prof.

Pol.-Ober-Med.-Rat, Prof.

Kreisarzt, Med.-Rat Professor Geh. Med.-Rat, Prof. Professor 29 »

Abt.-Leiter, Prof.

Professor

Oberstabsarzt

|

Dresden-Blasewitz

München Bonn a./Rh. RUE

a

(Preßburg) Bonn a./Rh. Trier a, a./M.

in a

Berlin W. Münster u. Nienburg a./W.

Prag

Frankfurt a./M. Berlin NW. 6 Pforzheim Bremen

Kiel nn % 39

| Be N. 30

Spandau Berlin W. 50 Marburg a./L.

me a./M.

Wien Gelsenkirchen Dahlem

Düsseldorf Liebefeld-Bern

Köln a./Rh.

Berlin NW. 6 | Köln- Lindenthal:

Stuttgart

| Amtscharakter usw. u Wohnort Nähere Adresse Be

pee

62 | | |

i

Hygien. Institut

Pettenkoferstr. 34 Hygien. Institut Adelgundestr. 8 Hygien. Inst. d. Dt. Unir. Neustift 4

Hygien. Institut Med. Unters.-Amt Inst. f. Kolloidforsch. Med. Unters.-Amt Landesanstalt f. Wasser. Boden- u. Luft- Hygiene

Lützowplatz 11 Med. Unters.-Amt

edeut. Klinik d. t. Universität Weidmannstr. 43 Tierärztl. Hochschule Bakt. Unters.-Amt Gesundheitsamt Hygien. Inst. d. Unir. Institut „Robert Koch“

Heilbronnerstr. 24

Pro

Pragerstr. 11 Hygien. Inst. d. Unix. Zoolog. Inst. Volkegesundbheitsamt Hygien. Institut

Landesanstalt f. Wasser. Boden- u. Luft-Hygiene

Hygien. Inst. d. Med.A kademie

Waldparkatr. 5 Vorgebirgstr. 19 Tıerärztl. Hoch schule Pathol. Inst. d. Unir.

11. Tagung d. Deutschen Vereinigung t. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925.

*335

| Wohnort Nähere Adresse

Nr. Amtscharakter usw.

81

SEE SESLRALETRE

v. Drigalski

v. Dungern, Freih. Eichholz, Wilhelm

Eickmann

Eisler Elkeles

Erdmann, Rhoda

Ficker Finsterwalder Fischer

Fornet Friedberger

Friedemann, U.

Fromme Frosch, P. Fülleborn Funceius Gärtner, A. Gegenbauer G Geiger Gerlach, Franz

Gersbach Ghon

Giese Gildemeister Gins, H. A. Glage

Gminder Gotschlich

Hailer Hartmann, Hartoch, aal

Heim, L., Heimann, W- Heller

Helly Henneberg Herzberg

Hetsch

Heymann, Bruno

Hilgermann

Professor

Stadtmedizinalrat, Prof.

Professor Direktor, Dr. phil. Leiter des bakt. Laborat. der

Landwirtschaftskammer Professor Dr. med. Professor

Geh. Med.-Rat, Prof. Abt.-Leiter

Polizei-Med.-Rat, Oberstabs- arzt a. D. Oberstabsarzt a. D.

Professor

Stadtarzt, Prof. Geh. Med.-Rat, Prof. Professor Prosektor Geheimer Rat, Prof. Physikatsrat Direktor Leiter, Dr. med. vet, Direktor

Dr. med. Professor Reg.-Rat, Dr. med. vet. Ober-Reg.-Rat, Prof. Abt.-Leiter, Prof. Obertierarzt, Prof.

Reg.-Rat, Dr. med. vet. Professor Abt.-Vorsteher, Prof. Professor Geheimer Rat, Prof. Professor Geh. Med.-Rat, Prof. Geh. Reg.-Rat, Prof, Mar.-Generaloberarzt a. D. (Geh. Hofrat, Prof. Reg.-Rat Professor

Dr. med. et phil. Direktor, Med.-Rat Geh. Med.-Rat, Prof. Vorsteher der bakt. Abteilung Professor

Direktor, Prof. Wissenschaftl. Hilfsarbeiter, Dr. med. Professor

Direk tor, Prof.

Basel Marburg a./L. Heidelberg Berlin C. 2

Ludwigshafen a.

Bodensee Darmstadt Bonn a./Rh.

Wien

Hygien. Inst. d. Univ.

Inst. „E. v. Behring“ Blumenthalstr. 29

Städt. Haupt-Ges.-Amt

Kekuléstr. 6 Rheindorferstr. 92

| Charlottenburg |Neuer Fürstenbrunn. Weg 13/16

| |

| Berlin- Dahlem

Bln.- Wilmersdorf z. Zt. Sad Paulo

Hamburg Berlin W. 15

Saarbrücken Greifswald Berlin N. 65 Witten a./R. Berlin NW. 6 Hambur | Eiberfel | Jena | Wien XVIII Stettin

Nassauische Str. 17 Brasilien Hygien. Institut Pfalzburgerstr. 7

Feldmannstr. 59. Städt. Rud. Virchow-Krkh.

Tierärztl. Hochschule Tropenhygien. Inst. Menzelstr. 5 Magdelstieg 2 Karl Tkg asse 39 Städt. rer Arai

Ey pote ‘sin z. Bekämpt. d.Schweinep. ien

Mödling b dar ek ML! |

EN | | Berlin N. 39 | Hamburg- Fublsbüttel Stuttgart Heidelberg Hambur Wien I München Kiel Lichterfelde Dahlem | Jena | |

Berlin NW. 7

Leningrad Dresden-A | Coblenz

Erlangen Stettin Dresden-A.

St. Gallen Schweiz)

Kiel Berlin-Dahlem

Frankfurt a./M. Berlin NW. 7

Landsberg a./W.

Staatl. lierimpfstoffgewin- nungsanstalt Hygien. Task d. Univ. Pathol.-anat. Inst. Reichsgesundheitsamt

Institut „Robert Koch* Farnstr. 15

Azenbergstr. 14 Hygien. Inst. d. Univ. Gr. Bleichen 27 Hygien. Inst. d. Univ. Prinzenstr. 10 Hospitalstr. 26 Hindenburgdamm 122 Reichsgesundheitsamt Kriegerstr. 9 Hygien. Inst. d. Univ. Reichagesundheitsamt Kais. Wılh. Inst. für Biologie Lupuschinskaja 12 Éiebigetr. 8 I. Med. Unters.- Amt Hygien. Inst. d. Univ. Städt. Krankenhaus An der Mauer 2 Museumstr, 45 Prüne 48 Reichsgesundheitsamt

Paul Ehrlichstr. 44 Hygien. Inst. d. Univ. Hygien, Institut

11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925.

330* Nr. Name | Amtscharakter usw. Wohnort Nähere Adresse _ ES, BE 5 | 96 | Hilgers | Professor eg. Pr. Hygien. Inst. d. Univ. 97 | Hobstetter Geh. Reg.-Rat, Prof. Veterinäranst. d. Univ. 98 | Hoffmann, Wilh. Professor Berlia. ©. 2 . Städt. Haupt-Ges.-Amt 99 | Hoffmann, Erich Bonn a./Rh. Meckenheimer Allee 18 100 | Hohn, Jos. Leiter, Dr. med. Essen Bakt.-serolog. Labor. d. städt, Krankenanst. 101 | Hübener Professor Luckenwalde Karlstraße 40 102 | Huebschmann ` Düsseldorf Moorenstr. 5 103 | Huntemüller A Gießen Friedrichstr. 12 104 | Hüppe Hofrat, Prof. Dresd.-Loschwitz Pillnitzerstr. 15 105 | Jaeger Generalarzt a. D., Professor Coblenz Triererstr. 115 106 | Jacobitz Professor Beuthen/O.-Schl. Hygien. Institut 107 | Jacobsthal Privatdozent Hamburg 24 Papenhuderstr. Pr 108 | Joest Ober-Med.-Rat, Prof. Leipzig ärntnerstr. 4 109 | Joetten Professor Münster 1./W. Westring 10 110 | Karsten Direktor Hannover Tiersuchen-Ing d. Land- wirtschaftsekammer 111 Kathe Direktor, Prof. Breslau Med.-Unters.- Amt 112 | Kayser Generaloberarzt Münster Kanalstr. 32 113 | Keck Stadtarzt Augsburg Bezirk 11 114 | Kersten Kreisarzt, Prof. Gelnhausen no -Bez.Cassel 115 | Kirstein Direktor, Prof. annover Med.-Unters. -Amt 116 | Kisskalt Geh. Med. -Rat, Prof. München Hygien. Inst. d. Univ. 117 | Kister Professor Hamburg J 118 | Klein Med.-Rat, Direktor Düsseldorf Gneisenaustr. 28 119 | Kleine, F. K. Geh. Reg.-Rat, Prof. Berlin N. 39 Institut „Robert Koch" 120 | Kleinsorgen Dr. med., Leiter Gotha Bakt. Unters.-Anstalt 121 | Klimmer Ober-Med.-Rat, Prof. Leipzig Denkmalsallee 110 122 | Klose Stadt-Med.-Rat Kiel-Wik Seeblick 7 123 | Knauer Direktor Königsberg i. Pr.|Bakt. Inst. d. Landwi kammer 124 | Knorr Privatdozent Erlangen Auf dem 29 125 | Knuth Professor Landsberg a. W. Theaterstr. 126 | Koch, Jos. k Berlin N. 39 Institut „Robert Koch“ 127 | Kolle, W. Geh. Med.-Rat, Prof. Frankfurt a./M. Paul Ehrlichstr. 44 128 | Konrich CRE see Prof. | Charlottenburg Kuno Fischerstr. 18 129 | Korff-Petersen Professor Kiel Hy; gien. Inst. d. Univ. 130 | Kraus F Wien IX mermanngasse 3 131 | Krause Geh. Med.-Rat, Prof. Münster i./W. er o 17 132 | Krumbein Professor Bern/Schweiz Friedbühlstr. 133 | Kruse Geh. Med.-Rat, Prof. Leipzig Hra, Inst. d. Fe en 134 | Kudicke Med.-Rat, Prof. Frankfurt a./M. eldbergstr. 43 125 | Kuhn, Ph. Prof., Direktor Dresden-A. Zellesche Str. 28 136 | Küster, E. Professor Oberursel/Taunus Kumeliusstr. 21 137 | Kutscher Reg. u. Med.-Rat Magdeburg Regierung 138 | Landmann Dr. med. Darmstadt Hoffmannstr. 67 139 | Landsteiner Professor New York Rockefeller Institut 140 | Lange, Bruno Abt.-Leiter, Prof. Berlin N. 39 Institut „Robert Koch“ 14] | Lange, Ludwig Ober-Reg.-Rat, Prof. Berlin-Dahlem Reichsgesundheitsamt 142 | Laubenheimer Professor Frankfurt a./M. Paul lichstr. 44 143 | Lehmann Geh. Hofrat, Prof. Würzbu Hygien. Inst. d. Univ. 144 | Lentz Geh. SAS RE Prof., Berlin W. 66 Min. f. Volkswohlfahrt ın.-Kat 145 | Levinthal Dr. med. Berlin N. 39 Institut „Robert Koch" 146 | Lichtenheld Geh. Veterinärrat Weimar Carl Alexanderstr. 11 147 |v. Lingelsheim Geh. Med.-Rat, Prof. Beuthen/O.-Schl. Hygien. Institut 148 | Lockemann | Geh. Reg.-Rat, Prof. Berlin N. 39 Institut „Robert Koch" 149 | Loewenthal Privatdozent Bern/Schweiz Hygien. Inst. d. Univ. 150 | Löns Direktor, Dr. med. Dortmund Hygien.-bakt. Institut 151 | Löwenstein Professor Wien IX/21 erotherap. Institut

11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925.

*337

Messerschmidt, Tb.

Meyer, A. Meyer, Kurt Mießner Möllers, Bernh. Mohrmann Much

Müller, Reiner

Petruschky Pfeiffer, Rich.

Pfeiler Pick, E. P Plaut, H. C Plehn Poppe

Prausnitz, Carl

Prausnitz, Wilh,

Přibram, Ernst Pröscholdt

Pusch Raebiger Raubitschek Rautenberg Rautmann

Erste Abt. Orig. Bd. 97.

Nähere Adresse

Amtscharakter usw. | Wohnort |

TG ss ll un

Katharinenhospital

Abt.-Vorsteher, Dr. med. Stuttgart Generaloberveterinär, Prof. | Berlin-Dahlem Fabeckstr. 43 Veterinärrat Stade Fohlenunters.-Stelle Direktor, Dr. med. vet. Braunschweig | Bakt. Anst. d. Landwirt- schaftskammer

Dr. med. München Elisabethstr. 7

Ober-Reg.-Rat, Prof. Berlin-Dahlem Reichsgesundheitsamt Sektionschef, Dr. med. Prag Minist. f. Volksges. Reg.- u. Med.-Rat Trier Regierung Prof., Dr. med. Bogota/Columbien Prof., Dr. phil. et med. Hamburg Tropen-Institut

Protessor à j Ober-Reg.-Med.-Rat Nürnberg Sulzbacherstr. 39

Med.-Rat Gardelegen

Direktor, Dr. med. Heilst. Ambrock Post: Hagen-Delstern

Professor Hannover Baumstr. 3 A.

Prof., Dir. d. med. Abt. Bremen Hygien. Inst. Abt.-Direktor, Dr. med. Rerlin N. 65 | Städt. Rud. Virchow-Krkh.

Professor Hannover Tierärztl. Hochschule Ober-Reg.-Rat. Prof. Berlin NW. 23 Reichsgesundheitsamt Reg.- u. Med.-Rat Arnsberg Regierung

Professor Hamburg- Krankenhaus

Eppendorf à Köln-Lindenthal Weyertal 123

Dr. med. Berlin N. 39 Inst. “Robert Koch“ Obergeneralarzt a. D. Lichterfelde Sternstr. 43 Geh. Med.-Rat, Prof. Frankfurt a./M.| Hygien. Inst. d. Univ.

5 i Berlin N. 39 Inst. „Robert Koch“

Professor Freiburg i./Br. Hygien. Inst. d. Univ. Ober-Med.-Rat, Prof. Hamburg Tro n-Institut

Professor Berlin NW. 6 | Pathol. Inst. d. Tierärztl.

Hochschule

Abt.-Vorst., Prof. Landsberg a./W. Hygien. Inst.

Techn. Direktor Perleberg Impfstoffwerk Stadt-Med.-Rat, Prof. Charlottenburg _

Dr. med. Genf (Schweiz) | Völkerbund (Hyg. Sect.) Ministerialrat, Prof. Stuttgart Schwabstraße 126 Geh. Med.-Rat, Prof. Berlin N. 39 Institut „Robert Koch“ Generaloberarzt a. D. Sch werin Braugewürzstr. 6 Oberimpfarzt, Prof. Hamburg Alte Rabenstr. 14

Privatdozent Köln Hygien. Inst d.. Univ. Professor Danzig-Langfuhr |Hygien. Inst. d. ae Hoch- schule Geh. Med.-Rat, Prof. Breslau Hygien. Inst. d. Univ. Geh. Ober-Med.-Rat, Prof. |Schwerin i. M. Schelfstr. 29 Prof., Dr. med. vet. Jena Forstweg 1 Professor Wien IX Pharmakol. Institut 5 Hamburg 36 Neue Rabenstr. 21 woa Berlin W. 62 Burggrafenstr. 4 Prof., Dr. med. et phil. Rostock Blücherplatz Professor Greifswald Hygien. Inst. d. Univ. j Graz m 3 Wien IX Serotherapeut. Institut Direktor, Dr. med. vet. |Züllchow (Pom.) Ges.-Amt d. Landwirtschafts- kammer Oberreg.- u. -med.-Rat Oppeln Eichendorfstr. 4 Direktor, Prof. Halle a./Saale | Ludwig Wuchererstr. 42

Professor Wien

Med.-Rat Preuß. Holland

Abt.-Vorst. u. stellv. Direktor| Halle a./S. | Tuberkuloseabt. d. bakt. Inst. d. Landwirtschaftskammer Beiheft. 22

w| sme | Name Namo | Amtscharal Amtscharakter usw. = Wohnort Amtcharkter um. | Wohnort | Ser Adn Nähere Adresse

338*

Reichel Reichenbach Reichenow Reinhardt Reiter

Rimpau

da Rocha-Lima Rosenthal, W. Roth

Rothermundt Ruge, Reinh.

Ruppert

Ruß Sachs, H. Sachweh Schaede Scharr

Scheller, R. Schermer

) | Schiemann, ©.

Schiff Schilling Schloßberger Schmidt, Schmidt, Paul Schmitt Schmorl Schnitzer Schnürer, Jos. Schottmüller Schreiber Schuberg

Schumacher, Jos.

Schumann

Schütz Schwarz, L. Seiffert

Seitz Seligmann E.

Selter Silberschmidt Sobernheim Sommerfeld Spitta Stempell Stickdorn Sticker, A. Süpfle, Karl Süssmann Tiede

Tjaden Trommsdorff Uhlenhuth Wagner Waldmann

Professor Geh. Med.-Rat, Prof. Privatdozent Stadt-Med.-Rat Prof., Priv.-Doz. Prof., Direktor Professor Prof., Med.- Assessor Professor Privatdozent

Marine- ses er a. D.,

Prof., Dr. med. vet. Professor Direktor

Med.-Rat, Direktor Direktor Professor

Abt.-Leiter, Prof.

Abt.-Direktor, Dr. med.

Prof., Abt.-Direktor Professor Privatdozent Professor

Geh. Med.-Rat, Prof. Dr. med. Professor

Direktor Geh. Reg.-Rat, Prof. Dr. med., prakt. Arzt

Direktor, Dr. med. vet.

Professor

Privatdozent Professor

Geh. Reg.-Rat, Prof. Professor Techn. Leiter Professor

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Ober-Med.-Rat, Prof. Dr. med.

„Rat, Prof. Reg.- u. M Leiter, Prof.

„Rat, Direktor

11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925.

en elgrano Wien IX Heidelber Münster L/W. Gumbinnen Berlin NW. 40

Breslau - Göttingen Berlin N. 39 Berlin Berlin N. 39

Frankfurt a./M.

Marburg/Lahn Halle a./Saale München . Dresden-N. Berlin N. 39 Wien III Hamburg

Landsberg a./W.

Berlin-Dahlem Berlin N. 24 Breslau

Berlin Hamburg 36 Freiburg/ Br.

Leipzig

Berlin C. 2

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Bern/Schweiz Berlin W.15

Bln. -Wilmersdorf

Münster i./W.

Landsberg a. “Lg Bakt. u. Seruminstitut

Münster i./ München Nürnber

Köln a./ Bremen München

Freiburg i./Br.

Danzi

Insel Rienss bei

Greifswald

Kinderhospital Hygien. Inst.

Tropenhygien. Insti hr gien, Tost 17.

Bakt. Inst. d. Landwi kammer Hygien. Inst. d. Univ. Groner Landstr. 2 Institut „Robert Koch“ Städt. Krkh. Fried i Institut „Robert Koch“ Paul Ehrlichstr. 44 Institut „E. v. Behring“ Byen Inst. d. Univ. eterinärstr. 6 Bettinastr. 15 Institut „Robert Koch“ Tierärzti. Hochschule Alsterufer 11 Heinersdorferstr. 14 Rei Fri Tierseuchenamt d. Landw schaftskammer Hygien. Inst. d. Univ.

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indheitsamt tadt Berlin Hygin, Inst. d. Hre

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Lachnerstr: 3 Bakt. Unters.-Anstali Bakt. Institut Schlachthof Dob 91

ben u Der = ien. Inst, niv. = lb Staatl. Forschungsans

Nr.

262 | 263 Wankel

11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925.

Name

Walter

v. Wasielewski Weber Weichardt Weidanz Weissenberg Weleminsky

i Wendtlandt

Wernicke Winkler Wolff Wolters Wülker, G.

) | ve Wunschheim

Zeißler

278 | Zeller 279 | | Zuelzer, Marg.

280

Zwick

Am 11. 11. 1925 verstorben:

i

Amtscharakter usw.

Kreisarzt, Prof. Med.-Rat, Direktor Professor Präsident Professor Ober-Med.-Rat Professor Privatdozent Marine-Oberstabsarzt

Geh. Med.-Rat, Prof. Privatdozent Professor Direktor

Privatdozent, Dr. phil. Dr. med

Vorsteher, Dr. med.

Ober-Reg.-Rat, Dr. med. vet.

Reg.-Rat Professor

Prof. Dr. M. Kirchner, Berlin.

Wohnort | Nähere Adresse

Bergstr. 45

Stettin Med. Unters.-Amt Rostock i./Meck.| Hygien. Inst. d. Univ. Dresden-A. 21 !Sächs. Landesgesundheitsamt

Köslin i./Pom.

Erlangen Löwenichstr. 24

Bremen Frühlingstr.

Berlin NW. 6 Luisenstr. 56

Prag-Smichow Zborooska 58

Wilhelmshaven- Rüstringen

Berlin-Dahlem Unter d. Eichen 89a

Rostock i./M. Hygien. Inst. d. Univ. Tübingen a:

Dessau Bakt. Inst. d. Anhalt. Kreise Frankfurt a./M. Klettenbergstr. 7 Wien XIII 1 Bernbrunngasse Nr. 29

Altona Bebelallee 29 Berlin-Dahlem Reichsgesundheitsamt

Gießen Veterinärhy ienisches u. Tier-

seuchen-Inst. d. Univ.

Ministerialdirektor i. R., Wirkl. Geh. Ob.-Med.-Rat

22*

340* 11. Tagung d. Deutschen Vereinigung f. Mikrobiol. in Frankfurt a. M. 1925.

Inhalt.

Bechhold u. Villa, Die Sichtbarmachung subvisibler Gebilde. (Vorgetragen durch Bechhold.) S. “162.

Bresslau, E., Hydrionometer zur Bestim- mung der Wasserstoffionenkonzentration in kleinen Flüssigkeitsmengen. (Vor- geführt durch Harnisch- Frankfurt a. M.) S. *219.

‘Demme, Die Mikroben der Scheide in ihrer Abhängigkeit von der Säure- konzentration des Nährbodens und ihre Variationsformen. (Mit 9 Abbildungen im Text.) S. *41.

Detre, L., Immunisierungsverhältnisse bei Vögeln, S. *174.

Doerr, R., Herpes und Encephalitis, S. *76.

Dresel, B. G., Bakteriolyse durch Fett- säuren und deren Abkömmlinge, 8. *178.

Elkeles, @., Zur Typentrennung und Pathogenität in der Paratyphusgruppe, B. *295.

Erdmann, Rhoda, Beziehung von Endo- thel und „Krebsvirus“, S. *205.

Gegenbauer, Studien über den Desinfek- tionswert der gebräuchlichsten Desinfek- tionsflüssigkeiten. (Mit 2 Kurven im Text.) S. *188.

Graetz, Fr., Kritisches zur Paratyphus- Enteritisfrage. (Mit 1 Tafel.) 8. *279.

Großmann, H., Beiträge zur experimen- tellen Kaninchensyphilis (besonders All- gemeinsyphilis). (Nach Untersuchungen von Uhlenhuth und Großmann.)

S. *68. Gutstein, S. M., Zur Theorie der Hämo- lyse, S. *181.

Jahnel, Ueber einige Gesichtspunkte bei künftigen Untersuchungen über die Aetiologie der epidemischen Encephalitis, S. *151.

Kraus, Filtrierbares Virus als Entwick- lungsstadium der Mikroorganismen (Pro- tozoen und Schizomyceten), S. *160.

Loewenthal, Waldemar, Mikroskopische Befunde bei Herpes. (Mit 21 Abbildungen im Text.) S. *139.

Luger u. Lauda, Zur Frage der so- genanten Kerneinschlüsse bei der herpe-

tischen Infektion. Lauda.) S. *135.

Mießner, H, u. Baars, G., sierungsversuche Hunden, S. *55.

—, Zur Differenzierung der Bakterien der Paratyphus-Enteritisgruppe. (Mit 8 Abbildungen im Text.) S. *242.

Neisser, M., Gärung, S. *14.

Neuberg, C., Gärung, 8. *2.

Pesch, Karl L., Physikalisch-chemische Untersuchungen über Coliagglutination, 8S. *208.

Prausnits, Carl, u. Meißner, Irmgard, Untersuchungen über die Bakterizidie des Blutes. (Vorgetragen durch Praus- nitz.) 8. *171.

Bose, Gerhard, Die Spontanneurotropie des Herpesvirus beim Meerschweinchen, S. *146.

Schmidt, Hans, Die Schutzimpfung gegen Diphtherie mit einem neuen Impfstoff T.A.F., S. *63.

Schumacher, J., Zum Nachweis der Lipoide in Zelle und Gewebe, S. *157.

Seiffert, Walter, Rezeptorenanalyse des B. PAPA B (Schottmüller). (Mit 3 Abbildungen im Text.) S. *264.

Sonnenschein, Curt, Ueber Paratyphus- Bakteriophagen und -Antiphagine. (Bei- träge zur angewandten Bakteriophagie.) 8. *312.

Stern, F., Herpes und Encephalitis. (Mit 11 Abbildungen im Text.) 8. “94.

Stockhausen, F., Die Züchtung der tech- en Mikroorganismen auf Leistung.

Uhlenhuth u. Großmann, Zur Typen- frage der Spirochaeta icterogenes, S *13.

—, Paratyphus, 8. *219.

Wedemann, Der Einfluß der Milchsäure- gärung auf in Milch enthaltene pathogene Keime, S. *50.

Weigmann, F, Ueber den Erreger von Paratyphus C, 8. *299.

Wülker, G., Zur Kenntnis der Hämo- sporidien, S. *213.

Zwick, Ueber die infektiöse Gehirn- und Rückenmarkentzündung der Pferde (Bornasche Krankheit), S. *155.

(Vorgetragen durch

Immuni- gegen Tollwut an

Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena. 5400

Verlag von Gustav Fischer in Jeua

Die Preise sind in Goldmark angegeben. Preisäncerungen bleiben vorbehalten.

Berichte über die Tagungen der [Freien] Deutschen Vereinigung für Mikrobiologie.

1. Tagung in Berlin vom 7.—9. Juni 1906. Mit 1 Tafel. (Beiheft zum Central- blatt für Bakt. 1. Abt., Referate, Bd. 38.) 120 B. gr. 1906, Gmk 2.40

2. Tagung in Berlin vom 11.—13. Juni 1908 Mit 1 Abbild. im Text. (Beiheft a Centralblatt für Bakteriologie. I. Abt.. Referate, Bd. 42.) en 8 19 mk 5.—

8. Tagung in Wien vom 3.—5. Juni 1909. Mit 2 Abbild, im Text. (Beiheft zum Centralbl. f. Bakt. I. Abt., Ref., Bd. 44.) 155 8. gr. 1909 Gmk 4.—

4. Tagung in Berlin vom 19.—21. Mai 1910. Mit 7 Kurven und 9 Abbildungen im Text. (Beiheft zum Centralblatt für Bakteriologie. I. Abteilung. Referate, Bd. 47.) 230 S. gr. 1910 Gmk 6.—

5. Tagung in Dresden in der Internationalen Hygiene-Ausstellung vom 8.—10. Juni 1911. Mit 2 Tafeln. (Beiheft zum Centralbl. für Bakteriologie. I. Abt., Referate, Bd. 50.) 186 S. gr. 1911 Gmk

6. Tagung in Berlin vom 80. Mai—1. Juni 1912. Mit 20 Abbildungen im Text und 3 Tafeln. (Beiheft zum Centralblatt für Bakteriologie. I. Abt. Referate, Bd. 54.) 261 S. gr. 1912 Gmk 7.— 7. Tagung in Berlin vom 81. März—2. April 1913. Mit 30 Abbildungen im Text und 1 Tafel. (= Centralblatt für Bakt. I. Abt. Ref., Bd. 57, Nr. 14—22. 312 S. gr. 1913 Gmk 7.2

8. Tagung in Jena vom 8.—10. September 1920. Mit 1 Tafel. (= Centralbl. für . Bakt. I. Abt. Originale. Bd. 85, Heft 6/7.) 176 S. gr. 1921 Gmk 4.—

9. Tagung in Würzburg vom 8.—10. Juni 1922. Mit 10 Abbild. und 9 Kurven im Text. E Centralbl. f. Bakt. I. Abt. Originale. Bd. 89, Heft 1-3.)

258 S. gr. 1922 Gmk 4.—

10. Tagung in Göttingen vom 12.—14. Juni 1924. Mit 10 Abbild. im Text und Tafeln. (= Centralbl. f. Bakt. I. Abt. Originale. Bd. 93, Heft 1—4.)

328 S. gr. 1924 Gmk 10.—

Die Syphilis im Lichte neuer experimentell-biologischer und immun-

therapeutischer Untersuchungen. Von Dr. S. Bergel, Berlin-Wilmersdorf. Mit 158 Abbild. im Text und 1 Tafel. VIII, 183 S. gr. 1925 Gmk 10.—- Inhalt: I. Experimentell-biologischer Teil. 1. Krankheit und Krank- heitssymptome. 2. Nachweis des lipolytischen Abbaues der lipoiden Syphilisspirochäten durch die Lymphozyten, ihre Abkömmlinge und ihre Bildungsorgane. 3. Biologie der Spirochäten. 4. Deutung der pathologisch-anatomischen Befunde und klinischen Beobach- tungen bei der Syphilis auf Grund der neuen Erkenntnisse. 5. a) Biologische Erklärung der Wassermannschen Reaktion. b) Biologische Erklärung der Luetinreaktion. c) Biolo- gische Erklärung der Jarisch-Herxheimerschen Reaktion. 6. Entstehung und Ablauf der verschiedenartigen Erscheinungen des syphilitischen Krankheitsprozesses, vom einheitlichen biologisch funktionellen Standpunkte betrachtet. 7. Einteilung des Syphilisverlaufes nach Atiologischen Gesichtspunkten. Paralyseproblem. II. Immuntherapeutischer Teil. 1. Ausnutzung der neuen Erkenntnisse von den natürlichen Abwehrkräften des Organismus für therapeutische Zwecke. 2. Auszüge aus den Protokollen über die Ent- stehung von Hoden- usw. Syphilis nach intraperitonealen Spirochäteninjektionen. 3. Bei- träge zur experimentellen Kaninchensyphilis. 4. Therapeutische und prophylaktische Anwendung der Extrakte bei der Hodensyphilis der Kaninchen. 5. Pathologisch-anato- mische Befunde während der verschiedenen Phasen des Heilungsverlaufes der Syphilome an der Haut und den Hoden. 6. Die Wege der Selbstheilung der Syphilis. 7. Aus- hlicke auf die Immuntherapie der menschlichen Syphilis.

Verlag von Gustav Fischer in Jenn Neue Veröffentliehungen

Die Bakteriophagie vornehmlich auf Grund eigener Untersuchungen. Von Dr. Hugo v. Preisz, o. ö. Prof. an der Univers. Budapest. Mit 36 Abbildungen anf 3 Tafeln. IV, 110 8. gr. 1925 Gmk 6.--

Inhalt: 1. Vorbemerkungen. 2. Bakteriologische Erscheinungen an lebenden Kolo- nien. 3. Bakteriophagische Kolonien und Bakterien im gefärbten Präparat. 4. Sonstige Erscheinungsformen der Bakteriophagie. 5. Ueber das Phagenfest- und Phagenloswerden von Bakterien. 6. Beginn und Ausbreitung des Phänomens. 7. Die Löcher (taches vierges) im Bakterienrasen. 8. Der Tropfversuch. 9. Löcher und phagenhaltige Punkte im Bak- terienrasen. 10. Genaueres Verfahren zum Nachweis des Bakteriophagen. 11. Ueber das Wesen der Bakteriophagie. 12. Ueber die sogenannte Titrierung phagenhaltiger Flüssig- keiten. 13. Ueber einige physikalische und sonstige Eigenschaften des bakteriophagen Agens. 14. Was ist das bakteriophage Agens? Literatur.

Münch. medizin. Wochenschrift. 1925, Heft 17: Verfasser schildert den Verlauf und die Ergebnisse seiner seit April 1922 ausgeführten Forschungen über die Einwirkung von Bakteriophagen auf Kulturen und Kolonien von Bakterien. Dabei hat sich Verfasser weitgehendst unbeeinflußt gehalten von den Veröffentlichungen anderer Forscher. Von besonderem Wert war bei der Bakteriophagenforschung das Färben von Abklatschpräparaten mit Karbol-Toluidin: nicht-lytische Kolonien oder deren Teile färbten sich blau, lytische dagegen rot oder rotviolett. Es war mit dieser Methode möglich, aller- kleinste Herde der Phagie festzustellen, und zwar auch an Kolonien von Agarnlatten. Auch Abimpfungen mit feiner Nadelspitze von der bewachsenen Agarfläche zwischen den großen Löchern ergaben das Vorhandensein von Bakteriophagen. Die Anzahl der Löcher allein kann daher nicht die Anzahl der mutmaßlichen Phagenkeime bedeuten. Die Arbeit enthält noch vielerlei wertvolle Beobachtungen und muß von jedem, der sich mit diesen Forschungen beschäftigt, berücksichtigt werden. 3 Tafeln guter Lichtdrucke sind dem Buche beigegeben. Rimpau.

Centralblatt f. d. ges. Hygiene. Bd. X, Heft 6: ... Die auf zahlreichen sorgfältigen Untersuchungen fußenden Ausführungen des Verf. sind sehr lesenswert. Kister.

Die Epidemiologie der Masern. Von Prof. Dr. Franz Schütz, Kiel Mit 9 Abbild. im Text und 2 Tafeln. Fertiggestellt unter Mithilfe der Schleswig- Holsteinschen Universitätsgesellschaft Kiel. IV, 108 S. gr. 1925 Gmk 5.—

Inhalt: 1. Einleitung. 2. Gründe für das wechselnde Auftreten von Seuchen über- haupt. 3. Die Provinz Schleswig-Holstein als Objekt der Seuchenforschung. 4. Geschicht- liches über die Masern. 5. Anzeigepflicht der Masern. 6. Verlauf der Morbiditäts- und der Mortalitätskurve. 7. Jahresabschnitte. 8. Todesursachen des Kindesalters. 9. Die Masern in den deutschen Ländern. 10. Die Masern in den Regierungsbezirken. 11. Die Masern und die Bevölkerungsdichte. 12. Die Masern in den Kreisen. 13. Die Masern in den Städten. 14. Die Masern in den Stadtteilen. 15. Masern und Jahreszeit. 16. Vor- kommen der Masern in den einzelnen Lebensaltern. 17. Masern und Geschlecht. 18. Le- talität. 19. Schlußbetrachtung. 20. Benutzte Literatur.

Der Kohlenhydratumsatz in tierischen Zellen. Von Dr. Alfr. Gottschalk, Berlin-Dahlem. Mit 1 Schema. (Erweiterter Sonderdruck aus „Handbuch der Biochemie der Menschen und der Tiere“. Herausgegeben von C. Oppenheimer. 2. Auflage. Bd. II.) VII, 42 S. gr. 1925 Gmk 2.50

Studien über die Epithelkörperchen, ihr Sekret, ihre Bedeutuug für den Organismus, die Möglichkeit ihres Ersatzes. Von Prof. Dr. P. Blum, wissen- schaftlicher Leiter des biologischen Forschungsinstituts in Frankfurt a. M. Mit 27 Abbild. im Text und 8 Tafeln. VI, 144 8. gr. 1925 Gmk 12.—

Manuskript und Korrektur. Den:jüngeren Kollegen gewidmet von W. Michaelsen, Hamburg. 32 8, 1925 Gmk 1.20

Anatomischer Bericht. Bd. 3, Heft 9/12: Das Büchlein soll jüngere Autoren auf die vielfachen Möglichkeiten von Ersparnissen bei der Veröffentlichung von Arbeiten hinweisen. Es gibt sozusagen eine Publikationstechnik. In dem ersten Abschnitt werden Ratschläge für die Abfassung und Handschrift, Regeln für die Druckfertigkeit und Druck- reiferklärung des Manuskripts gegeben. Ferner werden die bei wissenschaftlichen Arbeiten gebräuchlichen Schriftarten aufgeführt mit einem Schema einer Anleitung für den Setzer. Die Formel für die Umfangsberechnung eines Manuskripts wird angegeben. Der folgende Abschnitt zeigt. wie Literaturangaben zu machen sind. Zwei weitere Kapitel besprechen kurz die Technik der Herstellung von Abbildungen im Text und auf Tafeln und die hieraus für den Autor sich ergebenden Lehren. Der letzte Teil bringt die allgemein ge- bräuchlichen Zeichen der Korrekturvermerke mit Beispielen. |

Verlag von Gustav Fischer in Jena

Soeben erschien:

Handbuch der hygienischen Untersuchungsmethoden

Unter Mitwirkung von Prof. Dr. R. Feulgen, Gießen; Prof. Dr. E. Gotscehlich, Gießen ; Prof. Dr. H. Griesbach, Gießen; Dr. R. Haack, Berlin; Prof. Dr. B. Heymann, Berlin: Prof. Dr. 0. Hunte- müller, Gießen; Prof. Dr. R. Kolkwitz, Berlin; Prof. Dr. A. Korff-Petersen, Kiel; Prof. Dr. Ph. Kuhn, Dresden; Prof. Dr. Fr. Lenz, Herrsching b. München; Dr Walther Liese, Kiel; Prof. Dr. Th. Messerschmidt, Hannover; Reg.-Rat Dr. W. Rothe, Charlottenburg; Prof. Dr. W. Schürmann, Bochum; Prof. Dr. E. Späth, Erlangen; Stadtrat Dr. ing. Q. Thiem, Leipzig; Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. P. Uhlenhuth, Freiburg i. Br.

Herausgegeben von

Dr. E. Gotschlich

o. ö. Professor und Direktor des Hygienischen Instituts an der Universifät Gießen

Erster Band

Mit 516 Abbildungen im Text. XVI, 1068 S. gr. Gmk 48.—, Halbfr. geb. 54.—

Inhalt: 1. Allgemeine Methodik. Von E. Gotschlich. 1. Erkenntnistheore- tische Vorbemerkungen. 2. Mathematische Grundlagen. 3. Statistische Methodik. 4. Physi- kalische Methoden. 5. Chemische und physikalisch-chemische Methoden. 6. Mikrobiolo- gische Methoden. 7. Epidemiologische Untersuchungen. IL Spezielle hygienische Methoden, 1. Physikalische Untersuchungsmethoden der Atmosphäre. Von Ph. Kuhn. 2. Chemische und bakteriologische Luftuntersuchungen. Von B. Heymann u. A. Korff- Petersen. 3. Die Untersuchungsmethoden des Bodens. Von O. Huntemüller. 4. Die hygienischen Methoden zur Untersuchung des Wassers. Von E. Gotschlich. 5. Hydro- logische Methoden. Von G. Thiem. 6. Abwässer und Abfallstoffe. Von R. Haack. 7. Biologische Untersuchung von Wasser und Abwasser. Von R. Kolkwitz.

Das Handbuch wendet sich an einen sehr weiten Leserkreis und setzt demgemiB bei der Verschiedenheit der zu behandelnden, zum Teil weit auseinanderliegenden Ge- biete möglichst wenig Vorkenntnisse voraus. Die Methoden sind im allgemeinen so ein- gehend beschrieben, daß jeder ohne weitere Hilfsmittel nach den hier angegebenen An- leitungen zu arbeiten vermag. Um eine möglichst allseitige Verwendung des Handbuches zu sichern, wurden auch Fragestellungen, die speziell für ausländische Verhältnisse (z. B. für wärmere Länder) in Betracht kommen, berücksichtigt. Ucberall sind auch die Probleme der „Sozialen Hygiene“, für die in erster Linie statistische Betrachtungen an- gezeigt sind, eingehend behnudelt.

Das Handbuch bringt nicht nur die Untersuchungstechnik, sondern weist auch die Wege zur Verwertung der Untersuchungsergebnisse bei der Begutachtung; auch das exakteste Untersuchungsverfahren ist nie Selbstzweck, sondern stets nur eın Mittel in der Hand des erfahrenen Gutachters.

Der Kreis der Interessenten, an die sich das Handbuch wendet, umfaßt in erster Linie hygienische Institute und ÜDntersuchungsämter, beamtete Aerzte und Anwärter zur kreisärztlichen Prüfung, sowie Teilnehmer an hygienischen Kursen, d.h. alle diejenigen, die forschend, lehrend, lernend oder in praktischer Gutachtertätigkeit hygienische Fragen zu behandeln haben oder an solcher Tätigkeit mitwirken, wie Chemiker, Pharmazeuten und Techniker, vor allem auch die praktischen Aerzte, deren Mitarbeit speziell in ländlichen Bezirken für die Organe der öffentlichen Gesundheitspflege unentbehrlich ist. Das Handbuch wendet sich aber auch an alle diejenigen, die zwar nicht selbst hygienische Methoden anwenden oder Gatachten abgeben, aber solche Gutachten und Forschungsergebnisse zu bewerten haben, also Statistiker, nichtmedizinische Verwaltungsbeamte und Juristen. Auch der theoretische biologische Forscher wird aus dem Buche manche Anregung und manchen Ausblick auf neue Möglichkeiten gewinnen; gewisse neue Forschungsgebiete z. B. die Lehren von der Immunität und Desinfektion, sowie manche Ausgestaltungen der Ernährungslehre sind zuerst durch praktische hygienische Fragestellungen geschaffen worden.

Der II. (Schluß-) Band befindet sich im Druck. -—

Verlag von Qustav Fischer in Jena

Soeben erschien:

Einführung in die Grundlagen der technischen Mykologie

Von

Prof. Dr. Franz Fuhrmann

Vorstaud der Lebrkanzel für technische Mykologie und Chemie der Nahrungs- und Genußmittel an der Technischen Hochschule in Graz

Zweite Auflage der „Vorlesungen über technische Mykologie“ Mit 169 Abbildungen im Text VIII, 554 S. gr. 1926 Gmk 26.—, geb. 28.—

Inhalt: Einleitung: Geschichte der technischen Mykologie. I. Mor- phologie, Physiologie und Systematik der Schizomyceten. 1. Mor- phologie der vegetativen Bakterienzelle. 2. Vermehrung der Bakterien. 3. Chemie der Bakterienzelle. 4. Physikalische Eigenschaften der Bakterienzelle. 5. Physio- logie der Bakterienernährung. 6. System der Bakterien. II. Morphologie, Physiologie und Systematik der Hefepilze. 1. Morphologie der vege- tativen Hefezelle. 2. Bildung, Bau und Keimung der Hefesporen. 3. Chemie der Hefczelle. 4. Physiologie und Biologie der Hefe. III. Morphologie und Physiologie der Schimmelpilze. IV. Bakterielle Umsetzungen: Fäulnis und Verwesung. Bakterielle Spaltung von Säureamiden und Purinen. Nitri- fikation. Denitrifikation. Stickstoffbindung. Bakterien der Milch. Ameisensäure- gärung. Essigsäuregärung. Buttersäuregärung. Zelluloscegärung. Pektingärung. Bak- terielle Zersetzungen unter Wärmeentwicklung.. Fadenziahung des Brotes. Bak- terien in der Zuckerfabrikation. Senfgärung und Senfzersetzung. Farbstoffgärungen. Gerberei. Schwefelbakterien. Eisenbakterien. V. Umsetzungen durch Bak- terien und Hefen: Einsäuerung der Gemüse, Mehlteiggärung. Durch Bakterien und Hefen vergorene Getränke. VI. Umsetzungen durch Hefe: Bier. Wein. Brennerei. PreBhefe. Rumbrennerei. VII. Gemischte Gärung durch Hefen und Schimmelpilze: Chinesischer Reisbranntwein. Javanischer Arrak. Amamori. Batatenbranntwein. VIII. Entkeimung und Konservierung: Physikalische Entkeimung. Entkeimung durch Licht und chemische Mittel. In- fektionsverhütung. IX. Konservierung von Nahrungsmitteln X. Mykologie des Wassers. Sachregister.

Aus Gründen einer besseren Uebersicht und eines engeren Zusammenhanger hat der Verfasser die im Jahre 1913 erschienenen „Vorlesungen über technische Mykologie‘“ nunmehr in zweiter Auflage als „Einführung in die technische Mykologie“ herausgegeben. Dieser Titel soll noch deutlicher zum Ausdruck bringen, daß das vorliegende Buch in erster Linie dazu bestimmt ist, angehende Mykologen und überhaupt Studierende der Naturwissenschaften in die Lehre von den Lebens- erscheinungen und der Lebenstätigkeit der Mikroorganismen einzuführen.

Der Verfasser hat es vermieden, Literaturangaben einzuflechten und allzusehr Einzelheiten zu bringen. Er war vielmehr bestrebt, den Gegenstand allgemein grundlegend zu behandeln und nach Möglichkeit die Zusammenhänge herauszu- arbeiten. Der mykologische Fachmann wird deshalb in dieser „Einführung“ manche wissenschaftlich interessanten Probleme und neuesten Anschauungen vermissen. Den Studierenden der biologischen Wissenschaften aber wird sie eine naturwissenschaftliche Basis bieten und ihnen den innigen Zusammenhang zwischen lebender und toter Materie aufzeigen.

Frnmmannscne Buchdruckerei (Hermann Ponie) Jena.

Centralbl, f. Bakt ete. I. Abt Originale. Bd. 97. Heft 8

Ausgegeben am 17. Februar 1926.

Inhaltsverzeichnis.

I. Verzeichnis der in Band 97 enthaltenen Arbeiten.

Die mit * bezeichneten Seitenzahlen beziehen sich auf den Bericht über die 11. Tagung der „Deutschen Vereinigung für Mikrobiologie“, der als Beiheft zu

Bd. 97 (Heft 4/7) gedruckt wurde.

Baars, G. s. Mieliner, H. Beehhold u. Villa, Die Sichtbarmachung subvisibler Gebilde. 162* Bitter. L., Gundel, M., u. Bancho, T., Ueber Lebensäußerungen von Coryne- bakterien. 132 Brenn, Helene s. Sdrodowski, P. Bresslau, E. Hydrionometer zur Bestim- mung der Wasserstoffionenkonzentration in kleinen Flüssigkeitsmengen. 219* Csontos, Josef, Die Indolbildung des Ba- cillus bipolaris avisepticus. 178 Demine, Die Mikroben der Scheide in ihrer Abhängigkeit von der Säurekonzen- tration des Nährbodens und ihre Varia- tionsformen. 41* Derkatsch, W. S. s. Zlatogoroff. 8. J. Detre, L., Immunisierungsverhältnisse bei Vögeln. 174* Eoerr, R., Herpes und Encephalitis. 76* Dresel, E. G., Bakteriolyse durch Fettsäuren und deren Abkömmlinge. 178* Elkeles, G., Zur Typentrennung und Pa- thogenität in der Taray pieni 295

Erdmann, Rhoda, Beziehung von Endo- thel und ‚.Krebsvirus“. 205*

Flu, P. C., Ist Bakteriophagie eine Funk- tion von Bakterien, die von der Tem- peratur abhängig ist?

—, Komplementbindungsversuche mit Ka- ninchenserum gegenüber Bakteriophagen und Bakterienextrakten. 224

Gegenbauer, Studien über den Desinfek- tionswert der gebräuchlichsten Desin- fektionsflüssigkeiten. 188*

Gitowitseh, W. s. Isabolinsky, M.

Graetz, Fr., Kritisches zur Paratyphus- Enteritidis-Frage. 279*

Großmann s. Uhlenhuth.

Großmann, Il, Beiträge zur experimen- tellen Kaninchensyphilis (besonders All- gemeinsyphilis). (Nach Untersuchungen von Uhlenhuth und Großmann.)

68*

Gundel, M. s. Bitter, L.

Gatstein, S. M., Zur Theorie der Hämo- lyse. 181* Hoen, E., Zur Frage über die Bedingungen der An- und Aörobiose der Bakterien. 25

Isabolinsky, M., u. Gitowitsch, W., Ueber Mutationserscheinungen der Dysenterie- bazillen Shiga-Kruse. 148

Jaenseh, P. A., u Kollath, Werner, Untersuchungen über Virulenz des In- fluenzabazillus Pfeiffer im Glaskörper.

48

Jahnel, Ueber einige Gesichtspunkte bei künftigen Untersuchungen über die Aetiologie der epidemischen Encepha- litis. 151*

Koch, Jos., Zur Histologie und zum Zellen- bild des experimentell übertragbaren

Fujita, Koshiro, Ueber die Wirkung von Mäusekrebses. 181 Wirbeltierhormonen auf das Bakterien- | —, Karl, Ein Aktinomyces aus chronisch wachstum. 31 entzündetem Tränenkanal. 38

Erste Abt. Orig. Bd. 97 Heft 8. 16

242

Kollath, Werner, u. Leichtentritt, Bruno, Ueber eine den V-Faktor schädigende Serumsubstanz im Blut avitaminotischer Tiere, gemessen an den biologischen Ver- änderungen des Influenzabazillus. 65

—, —, Ueber die fragliche Bildung von Vitamin durch Bakterien. 119

Kollath, Werner s. Jaensch, P. A.

Kraus, Filtrierbares Virus als Entwick- lungsstadium der Mikroorganismen (Pro- tozoen und Schizomvzeten). 160%

Lange, Ludwig, Ueber die Muchsehe granuläre Form des Tuberkelbazillus. 41

Lauda s. Luger.

Leichtentritt, Bruno s. Kollath, Werner.

Loewenthal, Waldemar, Mikroskopische Befunde bei Herpes. 159*

Luger u. Lauda, Zur Frage der soge- nannten Kerneinschlüsse bei der her- petischen Infektion. 135*

Meißner, Irmgard s. Prausnitz, Carl.

Michailowsky, 8., Ueber den Einfluß von Lipoidauflösern auf die Sporenbildung bei aeroben Bakterien. 17

Mießner, H., Zur Differenzierung der Bakterien der Paratyphus - Enteritidis- Gruppe. 212%

—, u. Baars, G., Immunisierungsversuche gegen Tollwut an Hunden. 30

Müller, Kurt, Hymenopteren-Paratyphus? Die Darmbakterien der Nahrungsmittel besuchenden Bienen, Wespen und Hum- meln. 214

Nasledysehewa, S. J. s. Zlatogoroff, S. J.

Neisser, M. Gärung. 14*

Neuberg, C., Gärung. 2

Pesch, Karl, L, Physikalisch - chemische Untersuchungen über Coliagglutination.

208*

Prausnitz, Carl, u. Meißner, Irmgard, Untersuchungen über die Bakterizidie des Blutes. 171*

Quast, Gerhard, Ein Beitrag zur Frage

des Verbleibes des durch die Wutschutz-

impfung dem menschlichen Körper ein-

verleibten Virus fixe. 53 Ueber Komplementbindungsversuche

bei Rhinosklerom. 174

Rose, Gerhard, Die Spontanneurotropie des Herpesvirus beim Meerschweinchen.

146*

Sabolotny, 8. S., Zur Frage nach der diagnostischen Bedeutung der biologi- schen Reaktionen und Chemotherapie beim Menschenrotz. 168

Sancho, T. s. Bitter, L.

Centralbl. f. Bakt. ete. 1. Abt. Originale. Bd. 97. Heft S.

Schilf, Friedrich, Die Bildung von Bak- teriolysinen in künstlichen Gewebskul- turen. 219

Schlirf, Karl, Zur Kenntnis der „azidi- philen“ Bakterien. IH

Sehmidt, Hans, Die Schutzimpfung gegen Diphtherie mit einem neuen Impfstoff T.A.F. 6.3”

Schumacher, Josef, Ueber den Nachweis des Bakterienkerns und seine chemische Zusammensetzung. >]

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Zwiek, Ueber die infektiöse Gehirn- und Rückenmarksentzündung der Pferde (Bornasche Krankheit). 155*

Inhaltsverzeichnis.

243

II. Sachverzeichnis.

Acidobacterium aërogenes. 114 Doederleinii. 115 laetis. 113 Moroi. 114 Aërobiose der Bakterien, Bedingungen der-

selben. 25 Aktinomyces aus Tränenkanal. 35

Anaërobiose der Bakterien, Bedingunge n derselben. 20 Anatoxin zur aktiven Diphtherieimmuni- sierung. 125 Antiphagine und Paratyphusbak teriophage, 312 Auge, Tränenkanal, Aktinomyces in dem- selben. 38 Avitaminotische Tiere, Blut derselben und Influenzabazillenwachstum. 65

Bac. bipolaris avisepticus, Indolbildung desselben. 178 Pathogenität für die Lachmöwe. >10

coli, Agglutination. 20N* paratyphi B-Bakteriophage und Anti-

phagine. 312* B, Rezeptorenanalyse. 261* 209% vaginalis, Wachstum und Variations-

formen. 41*

Bakterien, An- und Aörobiose, Bedingun- gen derselben. 20

—, azidophile. 104 —, Gärung. 2s

' Kern, Nachweis und chemisehe Zu- sammensetzung. 81 der Paratyphus- Enteritisgruppe, Diffe- renzierung derselben. 219%, 242%, 264%, 27 79*, 205%

der Scheide, Wachstum und donne formen. 41* —, Sporenbildung, Einfluß von Lipoid- auflösern. 17 —, Vitaminbildung durch dieselben. 119 -Wachstum, Wirkung von Wirbeltier- hormonen auf dasselbe. 31 Bakteriolyse durch Fettsäuren. 175*

Bakteriolysine, Bildung in Gewebskulturen.

219 Bakteriophage, Komplementbindungsver- suche. 224 —, Natur desselben. 1 —, Paratvphus-, und Antiphagine. 312* Bakterizidie des Blutes. 171* Bienen, Darmbakterien derselben. 214 Blut, Bakterizidie desselben. 1719 '

Bornasche Krankheit, experimentelle Unter- suchungen über dieselbe. 155*

Desinfektionsflüssigkeiten, gebräuchlichste, Wert derselben. 185* Deutsche Vercinigung für Mikrobiologie, Bericht über die 11. Tagung. 1* Diphtheriebazillen, Differenzierung von Pseudodiphtherie. 132 Diphtherie, Schutzimpfung, aktive, mittels Anatoxin. 125

—, mit TAF. 63* Einschlüsse, Zell-, bei Herpes. 135*, 139* Encephalitis und Herpes. 16*, 94* epidemica, Aetiologie. 151*

Endothel und Krebsvirus, au 205*

Fettsäuren, Bakteriolyse durch dieselben.

178*

Gärung. 2% 14*, 91° —, Milchsäure-, Einfluß auf pathogene Bakterien. DU*

Gewebskulturen, Bakteriolysinbildung in

denselben. 219 Hämolyse, Theorie derselben. 181* Hämosporidien. 213" Hefe, Gärung. 31* d’Herellesches Phänomen s. Bakterio-

phage.

Herpes und Eneephalitis. 76*, 94* -Virus, Verhalten beim Meerschwein-

chen. 140%

—, Zelleinschlüsse bei demselben. 135* 139* Hormone, Wirbeltier-, Wirkung auf das

Bakterienwachstum. 31

Hummeln, Darmbakterien derselben. 214

Hunde, Immunisierung derselben gegen

Wut. Do* Hymenopterenparatyphus. 214 Immunisierung von Vögeln. 174*

Indolbildung des Bac. bipolaris avisepticus.

178 Influenzabazillen, Virulenz derselben im Glaskörper. 48

—, Wachstum auf Blut avitaminotischer Tiere. 65

Kaninchensyphilis, experimentelle. 6S*

Karzinom s. Krebs.

Krebs, Mäuse-, Histologie und Zellenbild

desselben. 181 Krebvirus und Endothel, Beziehungen. 205*

16*

244

Lachmöwe, Pathogenität des Bac. bipolaris avisepticus für dieselbe. 210 Larus ridibundus s. Lachmöwe. Lipoidauflöser, Einfluß derselben auf die Sporenbildung. 17 Lipoide, Nachweis derselben in Zelle und Gewebe. 1N5*

Mäusekrebs, Histologie und Zellenbild des-

selben, 151 Mikrobiologie, Deutsche Vereinigung für —, Bericht über die 11. Tagung, 1*

Mikroorganismen, Züchtung auf Leistung.

31 x

Milchsäuregärung, Einfluß auf pathogene Bakterien.

Mitgliederliste der Deutschen Vereinigung

für Mikrobiologie. 334*

Muchsche granuläre Form der Tuberkel-

bazillen. 41 Paratyphus - Enteritisgruppe, Differenzie- rung derselben. 219*, 242*, 204%, 279%, 295*

der Hymenopteren. 214

Pferde, Bornasche Krankheit, experimen- telle Untersuchungen über dieselbe. 155* Piroplasmose der Rinder in Rußland. 192

Rezeptorenanalyse des Bac. paratyphi B. 204*

Rhinosklerom, Komplementbindungsver- suche bei demselben. 174 Rinderpiroplasmose in Rußland. 192 Rotz, Menschen-, Diagnose und Chemo- therapie. 165 Ruhrbazillen Shiga-Kruse, Mutations- erscheinungen bei denselben. 148

Centralbl. f£. Bakt. etc. 1. Abt.

Originale. Bd. 97. Heft 8.

Scharlach, experimenteller. 152 Sie htbarmachung subvisibler Gebilde. 102° Sklerom s. Rhinosklerom. Spirochaeta ieterogenes, Typenfrage. 7.* Sporenbildung der Bakterien, Einfluß von Lipoidauflösern. 1: Syphilis, Kaninchen-, experimentelle. 65" —, Wassermannreaktion. Ji

Tränenkanal, Aktinomyces aus demselben.

25 Tuberkelbazillen, Muchsche granuläre Form derselben. 41

Ultramikroskop, Sichtbarmachung subvi- sibler Gebilde. 162"

Vagina, Bakterien derselben, Wachstum

und Variationsformen. 41* Variabilität der Bakterien der Scheide. 41° Variabilitätserscheinungen bei Ruhrba-

zillen Shiga-Kruse. 145 Virus, filtrierbares, als Entwicklungssta-

dium der Mikroorganismen. 1 Vitaminbildung durch Bakterien. 119

Vitamine und Influenzabazillenwachstun. 5 Vögel, Immunisierungsverhältnisse bei den- selben. 1:4”

Wassermann-Reaktion nach Filtration des Serums. 57 Wespen, Darmbakterien derselben. 214 Wut, Immunisierung von Hunden, 55* —, Schutzimpfung, Verbleib des einver- leibten Virus fixe. 93

Zelleinschlüsse bei Herpes 135%, 139*

III. Verzeichnis der Abbildungen.

Aktinomyces aus Tränenkanal. 39, 40 Bakterien, .azidophile- (Taf.). 118 der Scheide. 44*—49* Bakterienkern, Nachweis und chemische Zusammensetzung (Taf. I, IL). 103 Herpes. mikroskopische Befunde. 140*— 143*

| Herpes und Encephalitis, Histologie. 104*,

105*, 107%, 112*, 114*, 121*—124*

Mäusekrebs, Histologie und Zellenbild des-

selben (Taf.). 192 Paratyphusgruppe, Koloniebilder. 255*— 2027-00"

—, Rezeptorenanalys NP RTE Se Piroplasmose der Inder. 208, 209

Frommannscne Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena 5446.

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Ve 97 Zentralblatt f.bakteri-

1925 ieinal 105, dlogie (1 Abt originale)