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Fr i j a g d j ğ f\\ a Y j ai r 7: ur Zeitschrift E l | für die Geschichte des Oberrheins | herausgegeben TITLE: ZE: THIS VOL. ` STANFORD U Heidelberg.

Carl Winters Universitätsbuchhandlung. 1915.

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Badischen Historischen Kommission.

Neue Folge. Band XXX. Heft 1.

[Der ganzen Reihe 69. Band.)

Heidelberg. Carl Winters Universitätsbuchhandlung. 1915.

Inhalt.

Seite

Vorbemerkung des Sekretärs der Badischen Historischen Kommission t Ludwig von Liebenstein und der politische Geist vom Rheinbund

bis zur Restauration, von Dr. Franz Schnabel in Karlsruhe 2

Der Name Elsass, von Archivdirektor Dr. Ferd. Mentz in Colmar 44 Die geistlichen Gerichte zn Strassburg im 15. Be von Dr.

Kari Stenzel in Strassburg . . . . 52 Die Grafschaft Wertheim im dreissipjährigen Ken ee

von Dr. Fiamin Heinrich Be fürstlich Löwensteinschem

Archivar zu Wertheim . . . 3 TE E E E 96 Miszellen: Das Alteste katholische Kirchenbuch Badens, von + Dr. Her- mann Fiamm in Freiburg . . . 109

Aus den Aufzeichnungen eines (iansbsischen Karaasics über Baden vom Jahre 1673, von Archivdirektor Geheimrat Dr. Karl Obser in Karlsruhe. . . > 2 2 onen 110

Zeitschriftenschnau . . l... j . 116

Freiburger Diözesan-Archiv N.F. XV. 116. Jahrbuch für Geschichte, Sprache und Literatur Illsass-Lothringens XXX (1914). 118. Mannheimer Geschichtsblätter XV, 11/12. 117. Mein Heimatland. I, 4/5. 116. Neue Heidelberger Jahr- bücher XVIII, 2. 119. Öffentliche Kunstsammlung in Basel. 66. Jahresbericht (N.F. 10). 118.

Literaturnotizen . x 2 2 2 2 020. , Per . 120

Bikel, Die Wirtschaftsverhältnisse des Klosters St. Gallen von der Gründung bis zum Ende des XIII. Jahrhunderts. 127. Ficker, Kreuzbüchlein von Graf Sigmund von Hohenlohe. 126. Hessel, Elsässische Urkunden, vornehmlich des 13. Jahr- hunderts, 125. Heydenreichh Handbuch der praktischen Genealogie. 120. Jahrbuch Mannheimer Kultur 1913. 135. Keller, Geschichte der Universität Heidelberg im ersten Jahrzehnt nach der Reorganisation durch Karl Friedrich. 129. König, Peutingerstudien. 127. Kunstdenkmäler des Gross- herzogtums Baden s. Rott. Rott, Kunstdenkmäler des Gr. Baden. IX. Band, 2. Abt. (Die Kunstdenkmäler des *.....>- bezirks Bruchsal). 133. Schneider, Geschichte der Univ rsität Heidelberg im ersten Jahrzehnt nach der Reorganisation durch

(Fortsetzung des Inhalın auf der dritten Seite des Umschlags.)

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Inhalt.

Vorbemerkung des Sekretārs der Badischen Historischen Kommission Ludwig von Liebenstein und der politische Geist vom Rheinbund bis zur Restauration, von Dr. Franz Schnabel in Karlsruhe

Der Name Elsase, von Archivdirektor Dr. Ferd. Mentz in Colmar Die geistlichen Gerichte zm Strassburg im 15. usa von Dr. Karl Stenzel in Strassburg

Die Grafschaft Wertheim im dreissigjährigen Krieg io) von Dr. Fiamin Heinrich Haug, fürstlich Löwensteinschem Archivar zu Wertheim . . k

Miszellen: Das Siteste katholische Kirchenbuch Badens, von } Dr. Her- mann Flamm in Freibug . . . . Aus den Aufzeichnungen eines fansbeischen Kuriri über Baden vom Jahre 1673, von Archivdirektor Geheimrat Dr. Karl Obser ia Karlsruhe. .

Zeitschriftenschnau . . ..

Freiburger Diözesan-Archiv N.F. XV. 116. Takte für Geschichte, Sprache und Literatur Elsass-Lothringens XXX (1914). 118. Mannheimer Geschichtsblätter XV, ıı/ı2. 117. -— Mein Heimatland. I, 4/5. 116. Neue Heidelberger Jahr- bücher XVIII, 2. 119. Öffentliche Kunstsammlung in Basel. 66. Jahresbericht (N.F. 10). 118.

literaturnotizen .

Bikel, Die Wirtschaftsverhältnisse des Klosters St. Gallen von der Gründung bis zum Ende des XIII. Jahrhunderts. 127. Ficker, Kreuzbüchlein von Graf Sigmund von Hohenlohe. 126. Hessel, Elsässische Urkunden, vornehmlich des 13. Jahr- hunderts, 125. Heydenreichh Handbuch der praktischen Genealogie. 120. Jahrbuch Mannheimer Kultur 1913. 1335. Keller, Geschichte der Universität Heidelberg im ersten Jahrzehnt nach der Reorganisation durch Karl Friedrich. 129. König, Peutingerstudien. 127. Kunstdenkmäler des Grosse herzogtums Baden s. Rott. Rott, Kunstdenkmäler des Gr. Baden. IX. Band, 2. Abt. (Die Kunstdenkmäler des *.....>- bezirks Bruchsal). 133. Schneider, Geschichte der Univ rsität Heidelberg im ersten Jahrzehnt nach der Reorganisation durch

(Fortsetzung des Inhalın auf der dritten Seite des Umschlags.)

Seite

06

109

Iio

116

120

Sei Karl Friedrich. 139. Schott, Die Fntwicklung der Karto- eite

graphie des Elsasses, 135. Stemmer, Das Irren- und Siechen- haus zu Pforzheim und seine Ärzte. 129. Stemmer, Zur Geschichte des Waisen-, Toll- und Krankenhauses, sowie Zucht- und Arbeitsbauses in Pforzheim. 129. -- Strach, Der keltische und römische Einfluss auf Aen Städtebau im Elsass. 133. Valdenaire, Friedrich Welnbrenner. 135. Winkelmann, Über die ältesten Armenordnungen der Reformationszeit. 128. Wündisch, Geschichtsübersicht für Elsass-Lothringen. 120.

Personalien 2 2206

Mitteilungen der Badischen Historischen Kommission Nr. 37: Bericht über die Ordnung und Verzeichnung der Archive und Registraturen der Gemeinden, Pfarreien, Grundherrschaften, Korporationen und Privaten des Grossherzogtums Baden durch die Pfleger der Badischen Historischen Kommission im Jahre 1913/14 mi I. Freiherrlich von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe, geordnet und verzeichnet von Archivrat Fritz Frankhauser in Karlsruhe . . . . 2 2 2 200. re ee Wi

Vorbemerkung.

Die Übersicht über die Tätigkeit der Badischen Histo- rischen Kommission im zurückliegenden Jahre, die bisher jeweils dem ersten Hefte eines neuen Bandes unserer Zeitschrift beigegeben war, kommt dieses Mal in Wegfall, Die Zeitereignisse haben die Notwendigkeit ergeben, die sonst alljährlich im Spätherbst stattfindende ordentliche Plenarversammlung der Ilistorischen Kommission vorläufig zu verschieben. Der Bericht über diese Versammlung muss einem späteren Hefte vorbehalten bleiben.

Der Sekretär der Badischen Historischen Kommission.

Ludwig von Liebenstein und der politische Geist vom Rheinbund bis zur Restauration.

Von

Franz Schnabel.

Wer die frühesten Annalen des landständischen Lebens im Grossherzogtum Baden durchblättert, wird neben den Namen eines Rotteck und Duttlinger am häufigsten dem des Freiberrn Ludwig August Friedrich von Liebenstein begegnen. Schon gleich nachdem die erste Ständever- sammlung im Jahre ı819 zusammengetreten war, ist es unter den Abgeordneten der zweiten Kammer gerade Liebenstein gewesen, der die politischen Grundfragen des älteren Liberalismus zum ersten Male vor das Forum der Kammer gebracht und damit das Ihema angeschlagen hat, das dann den Hauptinhalt des ersten Menschenalters badischer Landtagsgeschichte bilden sollte. So hat er als erster in einem deutschen Parlamente die Trennung von Justiz und Verwaltung im Geiste Montesquieus begründet, so hat er weiterhin die Öffentlichkeit und Mündlichkeit des gericht- lichen Verfahrens gefordert, so hat er Pressfreiheit und Geschwornengerichte als die Grundpfeiler jedes freiheitlichen Staatswesens hingestellt'.. Und denkwürdig ist es auch, dass er in jener Diskussion, welche über die Freiheit des Handelsverkchres im Innern Deutschlands angeregt wurde, schon gleich damals die wirtschaftliche Einigung in threr Bedeutung für die Entwicklung des nationalen Einheits- gedankens erkannte, sie als Vorstufe für die politische Itin-

1) Vgl. Verhandlungen der II. Kammer 1819. Heft I. 118/23; VIH Anhang 1—40.

Ludwig von Licbenstein. 3

heit pries, nachdem der Antragsteller und der Bericht- erstatter, die beide Vertreter der Erwerbsstände waren, nur die ökonomische Seite der Sache hervorgehoben hatten 2). Aber darum war er doch nicht minder besorgt auch um die materiellen Bedürfnisse des Volkes und ergriff vor allem in der Frage der Zchentablösung die parlamentarische Ini- tiative. Überhaupt verging keine Diskussion, über welchen Gegenstand sic auch geführt werden mochte, die er nicht mit seiner Sachbkenntnis und seinem sicheren Urteil gce- fördert, durch seine rednerische (sewandtheit und seine Schlagfertigkeit belebt hätte. Wie oft waren die parla- mentarischen Verhandlungen auf einem toten Punkt an- gelangt, wie oft war der Kernpunkt, um den es sich eigent- lich handelte, in der Verworrenheit der des Debattierens noch ungewohnten Kammermitglieder untergegangen, und immer wieder hat sein grosses parlamentarisches Geschick durch einen glücklichen Griff die Debatte zur Sache zurück- gelenkt. Auch später, als ihn der Umschwung der poli- tischen Verhältnisse an den Regierungrstisch berief und er auf dem Landtag von 1822 seine Vorlage einer neuen Gemeindeordnung und eines Prozedurgesetzes bei Minister- anklagen zu verteidigen hatte, da hat er auch in dieser schwierigen Situation seinen Mann gestanden, und zweifellos wäre er noch zu einer grossen Rolle bei den späteren (re- schicken des badischen Landtages berufen gewesen, wenn ihn nicht schon 1824 ein frühzeitiger Tod hinweggerafft hätte. Schon dieses l.cbensschicksal ruft die Erinnerung wach an jenen anderen Parlamentsführer, der gleichfalls von altem Adel, doch die Anfänge der freiheitlichen Opposition des neuen Frankreich geleitet hat, die Erinnerung an Mirabeau, mit dem ihn die Zeitgenossen wohl verglichen haben. Auf engem Schauplatz und in der ernsteren Lebens- auffassung des deutschen kleinstaatlichen Liberalismus wirkend, hat Liebenstein doch vieles auch in seinem per- sönlichen Auftreten von dem Manne, in dessen Richtung sich seine ganze politische Wirksamkeit immer bewegt hat. Er gleicht ihm in der Festigkeit und Sicherheit, mit der er die Menschen und die Dinge zu lenken weiss und die ihn

t?) Ebenda Helt III S. 90 fl.

4 Schnabel.

zu ähnlicher Rolle im Parlamente beruft, wie jener sie geübt; er gleicht ihm in der vorwärtsdrängenden Energie seines Willens, der doch zur rechten Zeit Mässigung und Ruhe nicht fremd ist, und in der elastischen, scheinbar un- _ verwüstlichen Lebens- und Arbeitskraft eines starken Kör- pers; er gleicht ihm in dem stolzen Selbstbewusstsein und in der Rhetorik seines ganzen Wesens, nicht zuletzt auch in dem Ehrgeiz, der sich den lauten Erfolg und die Wir- kung im Grossen auf neuen, unausgetretenen Bahnen sucht; darum auch dieses Streben nach Popularität, die ihn denn auch wie keinen der Mitlebenden seines Landes umrauscht hat.

Sein Name war in- und ausserhalb Badens schon volks- tümlich, noch ehe das konstitutionelle Leben begonnen hatte; seine Wirksamkeit als Publizist und als Redner hatte dazu nicht zum wenigsten beigetragen. Licbenstein war geboren am 27. November 1781 zu Birkenfeld, das damals zu den linksrheinischen Besitzungen des badischen Mark- grafen gehörte und wo sein Vater als Obervogt die Ver- waltung führte; die entscheidenden Jugendeindrücke aber verlebte er zu Emmendingen, wohin der Vater als Obervogt der Markgrafschaft Hochberg im April 1787 versetzt worden war!) Es sind die Jahre der französischen Revolution und ihrer Wirkungen auf die benachbarten rechtsrheinischen Gebiete, die er hier aus nächster Nähe mitdurchlebte, die Jahre beständiger Hecreszüge und Kontributionen, grosser politischer Umwälzungen und schwerer wirtschaftlicher Nöte, die Jahre, da dem Glanze der napoleonischen Weltherrschaft auch die Geister der Rheinbundstaaten sich neigten und die neuen Ideen des Jahrhunderts leichten Eingang fanden in die westdeutschen Lande. Besonders das rheinbündische Beamtentum wurde davon crgriffen. Nun gehörte freilich Liebensteins Familie keineswegs zum kleinstaatlichen Be- amtenadel, sondern zur alten Reichsritterschaft, welche eben der Sturm, der von Westen kam, hinweggefegt hatte. Liebenstein entstammte einem der ältesten schwäbischen Rittergeschlechter, dessen Stammreihe bis ins 13. Jahr-

1) Diese und die anderen äusseren L.ebensdaten nach den Dienerakten Liebensteins und denen seines Vaters im Genciallandesarchiv; vgl. ferner Weech, Bad. Biogr. Bd. II S. 23 ff.

Ludwig von Liebenstein. 5

hundert zurückgeht: die Stammburg Liebenstein stand am Neckar, das Fideikommiss der Familie lag im Oberamt Göppingen. Liebensteins Vater, der Freiherr Johann Ludwig Friedrich, hatte aber im Jahre ı774, da er »mit des Herrn Herzogen Durchlaucht gespannt« gewesen, um Dienste beim Markgrafen von Baden nachgesucht und war im folgenden Jahre »nachdem er durch verschiedene interessante Aus- arbeitungen Proben seiner vorzüglichen Geschicklichkeit abgelegt« hatte, zum »adlichen Hofrat und vorsitzenden Rat bei den fürstlichen Hof- und Kirchenrats- auch Hof- und Ehegerichtskollegiis« bestellt worden. Da er so sein Interesse mit den Geschicken der Markgrafschaft verknüpft hatte und da zudem die Familie kurz vor Ausbruch der fran- zösischen Revolution einen grossen Teil ihrer Güter an das württembergische Herzogshaus überlassen hatte, so nahm er auch an dem Untergang der Reichsritterschaft kaum einen Anteil. Er scheint völlig im fürstlichen, rheinbün- dischen Beamtentum aufgegangen zu sein, hatte schon 1780 den Titel eines Kammerherrn und 1801 Charakter und Rang eines adeligen Geheimen Rates erhalten und hatte sich mit einer Bürgerlichen, der Tochter eines württem- bergischen Kammerrates, verheiratet. So sind denn auch dem Sohne die Bestrebungen der Mediatisierten völlig fremd geblieben. Auch er trat nach Vollendung seiner juristischen Studien 1803 in die fürstlichen Dienste, arbeitete zuerst in Volontärstellung unter seinem Vater beim Oberamt Hoch- berg, wurde dann Hofgerichtsassessor und später Hof- gerichtsrat in Mannheim. Bei der Neuorganisation des Jahres 1809 wurde er zum Kreisrat im Main- und Tauber- kreis ernannt, erklärte aber dem Staatsminister Reitzenstein, bei den damit verbundenen Besoldungsverhältnissen die Stelle nicht annehmen zu können und bat, als die Ernennung nicht rückgäng gemacht wurde, kurzer Hand um seine Entlassung aus dem Staatsdienste, da er wider seinen Wunsch und ohne Grund vom Hofgerichte entfernt worden sei. Zu Anfang des Jahres 1811 ersuchte er um Wieder- verwendung und wurde Bezirksamtmann über das von der Krone Württemberg neuerdings abgetretene bisherige Ober- amt Hornberg; bald darauf erfolgte dann seine Ernennung zum Oberamtmann in Lahr.

6 Schnabel.

Seine Laufbahn war die .eines rheinbündischen Be- amten, und so wuchs er denn auch in der Denkart der Rheinbundsstaaten auf, bewunderte das Genie des grossen Menschenlenkers und sog begierig die mit der politischen Macht des modernen Frankreich von dort herüberkommen- den neuen Ideen ein. Erst als die Fremdherrschaft gestürzt war, verbanden sich auch bei ihm mit den konstitutionellen Gedanken die nationalen Wünsche nach Einheit und Grösse, die bald genug durch den Gang der Dinge zu nichte werden sollten. Es ist ein Weg aus der Stimmung der Rhein- bundszeit über die der Befreiungskriege zur Enttäuschung der Restauration, in die freilich dann bald wieder die hoff- nungsfrohe Erwartung des beginnenden konstitutionellen Lebens hineintönt. Soweit es Liebensteins handschriftlicher Nachlass und seine erhaltenen literarischen Werke zulassen, wollen wir mit ihm diesen Weg durchwandern!).

Wir knüpfen dabei an einen umfänglichen Aufsatz an, den Liebenstein im Jahre 1809 in Mannheim geschrieben hat und der uns gleich mitten hinein in die grossen poli- tischen Ideengegensätze der Zeit führt. Er liegt nur im Manuskript vor und ist gegen eine im Jahrgang 1809 der Zeitschrift »Pallas« erschienene anonyme Abhandlung ge- richtet, die den Titel führt: »Ein Wort über Montesquieu und Macchiavelli oder über französische und italienische Literatur der Staatskunste. Liebenstein schreibt sie, mit Recht oder Unrecht, Adam Müller zu, jedenfalls ist sie durchaus im Geiste von Adam Müllers »Vorlesungen über die deutsche Wissenschaft und Literatur« abgefasst?). Die Hauptsätze der romantischen Staatslehre werden darin ent- wickelt, und Liebenstein nimmt einen nach dem anderen vor, um ihn von seinem Standpunkte zu entkräften. Sein Wirklichkeitssinn ist vollkommen damit einverstanden, dass

1) Liebensteins Nachlass hat mir sein Enkel, Oberst z. D. Freiherr Albrecht von Liebenstein, unter gütiger Vermittlung von Herrn Archivdirektor Dr. Obser freundlichst zur Benutzung überlassen. Teile des Nachlasses sind verwertet in Leonhard Müllers Badischer Landtagsgeschichte Bd. I u. H. 2) Liebenstein selbst lässt übrigens die Möglichkeit offen, dass Adam Müller nicht persönlich der Verfasser ist; die einige Jahre später (1812) erschienene Sammlung von Adam Müllers »Vermischten Schriften« enthält den Aufsatz natürlich nicht.

Ludwig von Liebenstein. 7

Verfassungen niemals reine Produkte des kombinierenden Verstandes sein können, sondern er meint, dass sie aus ihm und dem Bedürfnis zugleich hervorgegangen sein müssen; aber er spinnt nun den. historischen Gedanken vom Wachsen der staatlichen Formen aus zeitlichen und örtlichen Bedingungen heraus auf seine Weise weiter und führt aus, dass auch die geschichtlichen Voraussetzungen, die geistigen und materiellen Bedürfnisse der Völker keines- wegs wandellos sind, sondern selbst im ewigen Fluss des Geschehens stehen. Es bilden sich neue Bedürfnisse und neue Situationen, und es wäre dabei die Aufgabe der Regierungen, jene Institutionen abzuschaffen, die in diese neue Zeit nicht mehr passen, und andere, die ihr besser entsprechen, an die Stelle zu setzen. So sei die von Adam Müller verherrlichte Verfassung des Mittelalters gut ge- wesen, weil sie »dem Zustand der Kindheit entsprach, in welchem sieh damals die europäische Menschheit befand«. Aber als dann das Mittelalter, das hier völlig im Sinne der teleologischen Geschichtsbetrachtung des ı8. Jahr- hunderts gewertet wird, innerlich überwunden war und als der Unterbau ein anderer geworden war wie man Liebensteins Gedankengang in modernerer Fassung wieder- . geben kann —, da hätten sich die Herrschenden aus per- sönlichem Vorteile mit den Einrichtungen der Vergangen- heit den Bedürfnissen der Gegenwart in den Weg gestellt, und nur der gewaltsame Durchbruch habe wenigstens den dringendsten Notwendigkeiten der vorwärtsschreiten- den Zeit ihr Recht verschafft. So betrachtet Liebenstein die Reformation und den Freiheitskampf der Niederländer, so die Revolutionen in England und Frankreich, so auch die jüngste Geschichte Deutschlands, wo der Stoss von aussen kommen musste, um den »gothischen Bau« des alten Reiches zu zertrümmern; denn »was Anspruch macht auf eine rege, werktätige Liebe der Menschen, muss in der Gegenwart begründet und ihren Verhältnissen angemessen seine, Er stellt die dem Nährboden des klassischen Alter- tums entsprungene moderne Kultur dem mittelalterlichen Geiste gegenüber und bringt seine eigene Geschichtsauf- fassung vom unaufhörlichen Weiterschreiten des Zeitgeistes in scharfe Antithese zu Adam Müllers Überzeugung, dass

8 Schnabel.

alles, was seit drei Jahrhunderten gedacht, gesprochen und getan worden ist, ein gänzlich verfehltes Streben gewesen sei. Hier haben wir hart nebeneinander die beiden Stim- mungen, aus denen der moderne geschichtliche Geist ent- standen ist, und zugleich auch die beiden Möglichkeiten, aus denen eine philosophischem Trieb zur Sache entsprin- gende Beschäftigung mit der Geschichte überhaupt allein hervorgehen kann. Auf der einen Seite ist es die Zu- kunftsfreudigkeit, die aus dem Gang der Geschichte die ewig sich entwickelnde Weltseele heraushött, und auf der anderen Seite ist es die Überzeugung, dass an irgend einer Stelle der geschichtlichen Entwicklung diese Welt- seele bereits ihre volle Verwirklichung gefunden hat; bei Liebenstein ist es der Sinn des ı8, Jahrhunderts, der dem grossen (Gresamtverlauf geschichtlichen Werdens sich zu- wendet, und bei Adam Müller der Sinn des Romantikers für das Historisch-Individuelle, seine Freude und Fähigkeit, sich in eine fremde, hier allerdings ganz bestimmt um- grenzte Kultur der Vergangenheit hineinzufühlen; beim einen ist es die Überzeugung vom ewigen Fortschritt und beim anderen die Sehnsucht nach vergangenen Idealen, aber bei beiden doch ein Glaube an eine tief im Innern der Dinge liegende Weltvernunft. Wenn Liebenstein die Bedingtheit staatlicher Ver- fassungen durchaus anerkennt, so ist er doch weit ent- fernt, daraus den Schluss zu ziehen, dass demnach die nationale Differenzierung des Verfassungslebens notwendig sei oder auch nur in der Gegenwart gerechtfertigt. Er ist vielmehr überzeugt, dass die Bedürfnisse der westeuro- päischen Völker einander gleich geworden seien, dass der Kulturzustand dieser Völker fast alle individuelle Ver- schiedenheit verloren habe; die Nationalität schwinde und an ihre Stelle trete die Familienähnlichkeit, die Zugehörig- keit jedes einzelnen Volkes zur grossen Weltkultur, die sich da bilde, und damit das Recht jedes Volkes auf die gleiche freiheitliche, dieser Weltkultur entsprechende Ver- fassung. Vor seinen Augen schwebt das Bild von jener Menschheit, die Herder und Schiller ersehnten; und er spielt dabei gegen Adam Müller die von jenem so viel- berufene, christliche Religion aus: sie sei gerade die Haupt-

Ludwig von Liebenstein. | 9

quelle des Kosmopolitismus gewesen, denn sie habe den strengen abgesonderten Patriotismus der Antike zerstört. Und wenn er dabei Adam Müller eine schlimme Inkon- sequenz vorwirft, weil er das Christentum in der Form des Mittelalters für alle europäischen Völker wiedererstrebe und doch seine notwendige Folge, das Verschwinden der nationalen Absonderung, verabscheue, so wissen wir heute, wie diese Unstimmigkeit in der Gedankenwelt Adam Müllers historisch zu begreifen ist, weil hier die weltbürgerlichen Ideale der vergangenen deutschen Kulturepoche, aber in religiöser Färbung und aus religiöser Lebensbetrachtung heraus, in die historisch gerichtete Welt der Romantik hineinragen !),

Es lässt sich begreifen, dass bei solchen Gegensätzen in den Prinzipien auch die Urteile über Einzelerscheinungen stark divergieren. Liebenstein bekennt sich als begeisterten Anhänger der englischen Verfassung, so wie sie Montes- quieu gesehen hatte, während Adam Müller die Montes- quieuschen Lehren nicht gelten lässt und eine Auffassung von Staat und Gesellschaft Englands vertritt, wie sie ihm offenbar von Burke zugeflossen ist?2. Dabei kann Lieben- stein den Anhängern der romantischen Staatsanschauung keineswegs sachliche Motive zuerkennen; gleich zu Anfang seines Aufsatzes hat er sie geschieden in solche, die »aus verwundetem Privatinteresse« an den versinkenden Insti- tutionen der Feudalzeit und des alten Reiches festhalten also die Opfer der eben hereingebrochenen Fürsten- revolution —; und dann auf der andern Seite in solche Leute, die unfähig seien, von einer Idee sich ganz erfüllen zu lassen, die Modetoren, »die mit Begriffen wechseln wie eitle Weiber mit Kleidern«, die von einem System zum andern hinüberhüpfen und »mit den heiligsten Gütern der Menschheit, den ewigen und unvergänglichen Wahrheiten, ein albernes kokettierendes Getändel treiben« Sein ernster politischer Sinn bäumt sich auf gegen das Ästhetentum der Romantik.

1) Friedr. Meinecke, Weltbürgertum und Nationalstaat 1908 S. 145/50. ?) Vgl. F. Meusel, Edmund Burke und die französische Revolution. Berlin 1913. u. a. S. 81 ff.

Io Schnabel.

Während Liebenstein die romantische Sehnsucht nach dem alten Reiche entschieden von sich weist, wendet er sich zugleich voll und ganz der neu aufgegangenen Sonne zu. Die versunkene Verfassung habe »vielhundertjährige Schmach« über Deutschland gebracht, eine Erneuerung von Innen heraus sei unmöglich denn was in Preussen vor- ging, ahnte man hier im Südwesten nicht —, also bleibe nichts übrig als dem neuen Protektor zu folgen, wenn anders man nicht »die Gefühle gereizter Nationalität die Oberhand gewinnen lässt über den Verstand«. Deutlich tritt uns dieser neue Rheinbundspatriotismus in einem Auf- satze entgegen, den Liebenstein Mitte Dezember 1810 zu Mannheim geschrieben hat!). Es ist ein einziger Hymnus auf den Riesengeist, der in »ununterbrochenem Kampfe strebt, seinen mächtigen Willen zum Gesetze eines Welt- teils zu erheben«. Liebenstein preist ihn als das grösste Verwaltungsgenie der Zeit, das die letzten Reste der alten Zersplitterung Frankreichs beseitigt hat, den Parteigeist gebändigt und die Rechtseinheit geschaffen und für die wirtschaftliche Hebung des Landes gesorgt hat, und er dankt es ihm, dass auf seine Veranlassung die neuen, von ihm geschaffenen souveränen Fürsten die Vorzüge von Frankreichs innerer Verfassung ihren Ländern mitzuteilen sich bemühten. Die positiven Fortschritte, welche in Deutsch- land Staat und Gesellschaft dem Protektor verdankten, finden bei ihm warme Anerkennung; aus seinen Worten merkt man deutlich heraus, wie die Hoffnung auf eine neue, richtigere und zeitgemässere Form nationaler Einigung sich innig verbindet mit dem Glauben, dass man aus der Hand Napoleons die neue Bundesverfassung in Empfang nehmen werde. Das Vertrauen auf die überwältigende Genialität des französichen Schutzherrn durchweht diese Zeilen, aber nirgends ist ein Gefühl für Deuschlands Erniedrigung, nur ein Bedaueru über die Zerstörung und die Gräuel des ewigen Krieges.

An diesem ewigen Kriegszustand trägt aber Napoleon keine Schuld; die »rastlose Eifersucht Englands und seine

1) Betitelt: »Über die politische Lage unserer Erde beim Anfang des Jahres ı811«. Einen Druck habe ich nicht nachweisen können.

Ludwig von Liebenstein. II

stolzen Ansprüche an die unbeschränkte Herrschaft der Meeres hat den Krieg seit 1803 ihm aufgezwungen. Mit gutem politischen Verständnis sieht Liebenstein in allen Einzelunternehmungen des Kaisers immer wieder Aus- wirkungen des grossen Machtkampfes der beiden gewal- tigen Nationen, die nach dem Schillerschen Worte »um der Welt alleinigen Besitz« miteinander rangen; dabei ist er fest überzeugt, dass Napoleon aus der friedlichen Arbeit für das Wohl seines Volkes herausgerissen worden sei und dass sein letztes Ziel immer geblieben sei, durch den Kampf einen künftigen sicheren Zustand und ein glücklicheres Dasein zu erzwingen. Für Liebenstein gibt es hier noch kein Napoleonproblem; bei aller Einsicht in die leiden- schaftliche Wucht und den rücksichtslosen Willen des Kaisers hätte er damals doch unbedingt jenem Worte bei- gestimmt, das nachher zu St. Helena geschrieben wurde: Ich wollte der Welt den Frieden geben, aber sie haben

mich zu einem Dämon des Krieges gemacht! Auf der `

anderen Seite kann er aber auch England seine Bewunde- rung nicht versagen. Obwohl es alle seine grossen Führer verloren hat, steht doch das ganze Volk wie ein Mann zu- sammen, weil ein Glaube und eine Liebe es beseelt und weil eine freie Verfassung besteht, »die den Menschen im Bürger ehrend, seine edelsten Kräfte zu ihrer Erhaltung in Anspruch nimmte. Demgegenüber verwirft er die wilden Formen des Nationalitätenkampfes, wie sie in Spanien her- vorgebrochen waren, und steht auch hier völlig zum Empire, weil das Endziel der Spanier doch nur »die Aufrechterhal- tung alter Barbarei und Volksentwürdigung« sei. Die Ver- bindung von Religion und Nationalität, die das Weltreich stürzen sollte, ist ihm unverständlich, schon weil mit dem Weltreich zugleich die Völkerbeglückung zurückgewiesen wird. Der Gedanke daran, dass auch ein deutscher Auf- stand entstehen könnte, liegt ihm vollkommen ferne in diesen Jahren, wo es im Norden bereits hie und da unter der Decke siedete und brannte. Vielmehr sieht er in Preussens Schicksal lediglich ein ganz begreifliches Zurück- sinken in seine natürliche Machtsphäre, aus welcher es nur die Kraft eines ausserordentlichen Mannes zeitweise herausgehoben habe. Derartige Urteile über Preussen

12 Schnabel.

sind ja damals durchaus geläufig und selbst einem Arndt nicht fremd gewesen, Viel näher steht ihm Öster- reich; nur dort erkennt er, wie man »die grossen Länder- verluste durch erhöhte Benützung der inneren Kräfte zu ersetzen« sucht.

Wenige Jahre später bringt der Befreiungskrieg auch diesem Südwesten die Hoffnung, dass eine Wiedergeburt auch von Innen heraus möglich sei und ein einiges Deutsch- land wieder werden könne, das erlöst von der Fremdherr- schaft, doch das Gute, das sie gebracht, zu bewahren und weiterzubilden verstünde. Als das Grossherzogtum nach überaus schwierigen Tagen und Wochen doch noch zuletzt den glücklichen Anschluss an die Verbündeten gefunden hatte und als nun auch hier die Regimenter gegen Napo- leon sich formierten und Landwehr und Landsturm gebildet wurden !), da beteiligte sich auch Liebenstein an den kriege- rischen Aufgaben des Tages. Nicht nur, dass er schon dienstlich als Oberamtmann mit Rekrutierung und Ein- quartierung, mit der Regelung der Iruppendurchzüge der Verbündeten zu tun hatte, nicht nur dass er das Kom- mando des Landsturmbataillons seines Lahrer Bezirkes übernahm; es wird auch berichtet, mit welchem Geschick er seinen neuen militärischen Funktionen gerecht wurde, mochten sie an sich auch noch so wenig von Bedeutung sein. Er selbst hatte unstreitig in seinem ganzen Wesen etwas Militärisches; er hatte frühe schon grosse Neigung zum Soldatenberufe gezeigt, und Moreau, der ihn in jungen Jahren kennen gelernt, hatte ihn zum Eintritt ins franzö- sische Heer aufgefordert und ihm eine glänzende mili- tärische Zukunft in Aussicht gestellt. Das Interesse für Heeresfragen ist Liebenstein denn auch immer eigen ge- blieben. Seine Schriften zeigen es deutlich genug, welche eindringenden Kenntnisse in militärischen Dingen er sich durch Studien und eigene Beobachtungen zu erwerben verstanden hat, und es ist auch gewiss kein Zufall, dass die erste publizistische Äusserung, mit der er nach dem Ende des Befreiungskrieges in die allgemeine öffentliche

1) Vgl. darüber jetzt H. Häring, Landwehr und Landsturm in Baden 1813/14; diese Zeitschrift NF 29. i

Ludwig von Liebenstein. | 13

Diskussion über die Zukunft des befreiten Deutschlands eingegriffen hat, gerade der militärischen Seite dieses Pro- . blemes gewidmet ist: der anonyme Aufsatz »Über die Befestigung der Grenzen Deutschlands, der Ende Juni 1814 die von Carl von Rotteck herausgegebenen »Teut- schen Blätter« schloss, hat Liebenstein zum Verfasser !).

Die Absicht dieses Aufsatzes war, auf die Gefahren hinzuweisen, welche dem freigewordenen deutschen Volke und besonders seinem unbeschützten Südwesten drohten, da der einige Wochen vorher. abgeschlossene erste Pariser Friede für keine militärische Sicherung der Westgrenze gesorgt hatte. Liebenstein hoffte dabei, dass sein Plan einer Grenzbefestigung vielleicht auch bei den Machthabern, die sich in Wien versammelten und über die Neuordnung Deutschlands beraten sollten, Beachtung finden‘ werde. Darum sandte er den Aufsatz an den preussischen General- leutnant von Knesebeck, mit dem ihn der Zufall einmal zusammengeführt hatte, und an den Fürsten Schwarzen- berg, in dem er wie es hier im Süden fast allgemein war den eigentlichen Sieger und Befreier verehrte?). Er bat beide um ihre Verwendung für sein Projekt, durch das allein die errungene Unabhängigkeit von fremder Ge- walt den spätesten Geschlechtern gesichert werden könne. Denn davon war er fest überzeugt, dass wenn auch erst nach einigen Dezennien ein neuer Kampf durch die französische Vergrösserungssucht notwendig werde. Wie ferne liegt ihm gerade jetzt in dieser ruhebedürftigen und kriegsgewohnten Zeit der Gedanke vom ewigen Frieden, den die edelsten Geister der Aufklärung eben gepriesen hatten, als das Zeitalter des zwanzigjährigen Krieges herauf- zog. Liebenstein weist diesen Gredanken von sich, weil er »nie zu erreichen und insofern dem Menschen von Zeit zu Zeit eine Übung und Anstrengung seiner Kräfte nottut, damit er nicht in weichlicher Ruhe erschlaffe, kaum zu wünschen iste; in diesen Worten klingt eine Anschauung

1) »Teutsche Blätters Nr. 75 u. 76 vom 27. u. 30. Juni 1814. Manu- skript des Aufsatzes in Liebensteins Nachlass. Seine Autorschaft ergibt sich auch aus einem Briefe an Rotteck vom 12. Juli 1814 in Rottecks nachgel. Schriften, Pforzheim 1843 Bd. V S. 303. 2) Konzepte im Nachlass.

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von Krieg und Frieden an, die nachher durch Moltke eine - berühmte prägnante Formulierung finden sollte.

Wenn aber ein künftiger Krieg mit Frankreich gewiss ist, so gilt das bellum parare in pace. Liebenstein weist darum auf die Gestaltung der deutsch-französischen Grenze hin, wie sie der erste Pariser Friede vom 30. Mai 1814 festgesetzt hatte. Danach besass Frankreich nach wie vor seinen starken Festungsgürtel, zu dem sogar Landau ge- hörte, das rings umgeben von deutschem Gebiet, doch den Franzosen als Einfallstor in das wiedergewonnene über- rheinische Land verblieben war; demgegenüber lag die deutsche Grenze von Germersheim bis Luxemburg offen, denn Mainz könne nur als Vormauer für das rechte Rhein- ufer gelten! So entwirft nun Liebenstein den Plan eines dreifachen Gürtels von Festungen, die an der ganzen West- grenze, vom Bodensee bis nach Belgien hinein, gegen Frankreich angelegt werden sollen und bestimmt sind, dem Feinde das -Einrücken ins Innere auf den grossen Hauptstrassen des Landes zu verwehren. Da sollen Konstanz und dahinter Messkirch das Eindringen in Oberschwaben verhindern, Neuenburg und Altbreisach das Höllental sperren, Kehl, Offenburg und Rastatt die Rheinstrasse und zugleich die Eingänge ins Gebirge sichern; auf der Höhe des Gebirges soll dann Freudenstadt das Pfalz- burg des Schwarzwaldes werden und in der dritten Linie Augsburg, Ansbach und Nürnberg stehen. Zusammen mit Rastatt sollen Speyer und Mannheim —, »das seine Lage zwischen dem Zusammenfluss zweier bedeutender Ströme notwendig zu einem Hauptbollwerk deutscher Freiheit be- stimmt« —, das Gegengewicht gegen das französische Landau bilden. In der gleichen Weise soll die West- grenze auch in Norddeutschland gesichert werden. Dabei belegt Liebenstein seine Vorschläge stets aufs peinlichste mit Gründen der Strategie und führt wohl auch die Er- fahrungen und Lehren der vergangenen Kriege der Revo- lution und des Kaiserreiches ins Feld.

Ob das alles vor dem damaligen Stande der Kriegs- kunst bestehen konnte, ist immerhin mehr als fraglich. Aber es blieb ja überhaupt Projekt und musste es damals bleiben. Weniger noch wegen der ungeheuren Kosten,

Ludwig von Liebenstein. 15

die hier einem armen ausgesaugten Volke auferlegt werden sollten. In einer Anmerkung zu dem Aufsatze wies Rotteck als Herausgeber darauf hin, dass noch viel gewaltigere Kosten entstehen würden, und dass die Verwüstungen und Kontributionen der eben vergangenen Zeit wiederkehren könnten, wenn Deutschland im Westen wehrlos. bleibe. Und Liebenstein selbst hielt den möglichen Einwendungen wegen der scheinbar unerschwinglichen Summen immer wieder sein »Es muss sein« entgegen. Er spricht es nicht so aus, aber sein Idealismus hegt doch als politische Grund- überzeugung dieses: wenn ein Volk erkannt hat, was für seine Existenz nötig ist, und wenn es den Willen hat, sich selbst zu erhalten, dann wird es auch die Mittel dazu auf- zubringen wissen; politische und darum auch finanzpoli- tische Fragen sind nach ihm niemals Fragen der Möglich- keit, sondern immer nur Fragen des Willens. Und der Zweck scheint ihm das Opfer wert zu sein. Nur darf es nicht den einzelnen, zunächst bedrohten Landschaften auf- gebürdet werden. Bedroht ist das Ganze, und »was das Ganze schützen soll, muss durch das Ganze entstehen«. Darum will er eine Zentralkasse aus den. Beiträgen sämt- licher deutscher Staaten bilden, woraus die Kosten des Festungsbaues bestritten werden sollen. Er wagt auch schüchtern zu hoffen, dass vielleicht doch noch einzelne, nicht publik gewordene Bestimmungen des Pariser Friedens bestünden, wonach doch noch französische Kriegskontri- butionen nach dem so oft geplünderten Deutschland zurück- fliessen sollten; sie liessen sich schwerlich besser verwenden, als wenn mit ihnen die Wälle aufgerichtet würden.

In Festungsbau und Grenzverteidigung hatte Lieben- stein die Angelegenheit gefunden, die ein Zusammenwirken des ganzen deutschen Volkes am dringendsten forderte. Aber hier lag nun zugleich der grösste Widerstand, der sich dem Projekt entgegenstellte. . Die Voraussetzung des ganzen Planes war, dass überhaupt ein nationaler Zu- sammenschluss zustande kam und dass in Wien ein Reich geschaffen wurde, das diese erste gemeinsame Aufgabe übernehmen konnte. Für Liebenstein ist diese Voraus- setzung Gewissheit. Nirgends zeigt sich seine innere Wandlung so sehr wie hier. Hatte er früher ganz in

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den Gedanken der Rheinbundszeit gelebt, freilich aus tieferen, geistigen Motiven heraus als die Mehrzahl der rheinbündischen Bürokraten; hatte er früher sich voll und ganz auf den Boden der neuen landesherrlichen Souve- ränität gestellt, so ist ihm jetzt im Zeitalter des nationalen Erwachens der Reichsgedanke aufgegangen, der sich über die neue Hoheit der Landesherren erheben soll und ihr eine Aufgabe und damit ein Recht abfordert, die Sorge um die nationale Verteidigung. Er lässt die Hoheit der ‘Landesherren unangetastet in allen Dingen der bürger- ` lichen Verwaltung; aber dem Oberhaupt des neu zu grün- denden Reiches vindiziert er das Recht, in den Festungen des Reiches Besatzungen zu halten. Welche Unsumme von Schwierigkeiten und Unmöglichkeiten in dieser Voraus- setzung lag, blieb ihm verborgen. Er lebte wie die anderen noch ganz dem selbstverständlichen und problemlosen Gre- danken einer Wiederherstellung des alten Reiches mit habsburgischem Kaisertum, und hielt schon darum nur die Westgrenze für der Sicherung bedürftig, weil im Süden die dem deutschen Herrscher gehörenden Festungen Ober- italiens genügten und die Ostgrenze durch die Karpathen und dann die preussischen Festungen im Norden gesichert sei. So ist das grössere Deutschland im Sinne des mittel- alterlichen Imperiums das letzte Ziel der Sehnsucht ge- worden. Liebenstein glaubte zwar aus den Zeichen der Zeit zu merken, dass nicht alle gerechten Erwartungen in Erfüllung gingen, aber er war, wie er damals an Rotteck schrieb, doch fest davon überzeugt, dass es viel besser werden muss, »als es nicht nur in den letzten Jahren, son- dern als es seit einem Jahrhundert und länger war«. Er selbst wollte dazu in diesen Tagen des Wiener Kongresses mitwirken und er begegnete sich in diesem Streben mit Karl von Rotteck.

Beide kannten sich damals noch nicht persönlich’). Nun wollte Rotteck in jenen Tagen, wo die Vertreter der einzelnen Fürsten und Länder, die Vertreter der Sonder-

1) Das Folgende nach den Briefen Liebensteins an Rotteck vom 12. und 18. Juli 1814 in Rottecks Nachgel. Schrift. V 303/9 und den ent- sprechenden Rottecks vom 9. u. 16. Juli, die sich in Liebensteins Nachlass vorgefunden haben.

Ludwig von Liebenstein. 17

interessen, in Wien sich versammelten und er vergebens einen Stimmführer für ganz Deutschland erwartete, den patriotischen Wünschen, Ansichten und Forderungen ein publizistisches Organ schaffen. Die »Teutschen Blätter«, die er im Auftrage des Armeekommandos in Freiburg redigiert hatte, waren mit dem Ende des Krieges ein- gegangen; er hatte dem Liebensteinschen Aufsatze nur noch. ein kurzes’ Schlusswort angefügt mit einem Appell an die Opferwilligkeit der Fürsten und an die Ausdauer der geistigen Führer der Nation, und hatte am Ende auch der Hoffnung und Zuversicht noch Raum gelassen. Jetzt sollte nach Rottecks Absicht dieser Appell und diese nationale Stimme der Warnung und Aufmunterung in einem neuen Journal oder einer periodischen Zeitschrift weiterklingen; und er trat mit Liebenstein in Verbindung, um ihn auch weiter zum Mitarbeiter für sich zu gewinnen. Liebenstein war der Gedanke an ein solches neues publi- zistisches Unternehmen nicht fremd, da ihm die wenigen bestehenden Organe dieser Art auch die ehemals von dem Badener Posselt herausgegebenen »Europäischen Annalen« alle in der letzten Zeit sehr minderwertig geworden zu sein schienen und die einzige bedeutende publizistische Zeitschrift der Zeit, Ludens »Nemesis«,, ihm zu theoretisch und philosophisch war. Er hatte deshalb schon gleich nach der Leipziger Schlacht selbst die Gründung einer neuen Zeitschrift geplant, war aber durch die Berufs- geschäfte, welche die Heereszüge durch Baden mit sich brachten, daran gehindert worden. So ergriff er jetzt gerne die Gelegenheit, sich mit Rotteck zu diesem Zwecke zu vereinen. Über den Grundriss des Unternehmens waren die beiden rasch einig. Rotteck wollte eine Zeitschrift, deren Haupttendenz »für Vaterland und Recht« sein sollte: unter Recht verstehe ich die Freiheit mit; aber ihr leider verhasster Name soll nicht auf dem Titel seine. Die Zeitschrift sollte nicht unwert sein, von den Edelsten und Gebildetsten der Nation gelesen zu werden, und doch auch den mittleren Klassen verständlich bleiben; es sollten alle Ideen und Wünsche der Zeit darin ausgesprochen, alle Miss- bräuche und Bedrückungen zur Sprache gebracht werden

»freimütig, warm und edel, wie es die Heiligkeit dies- Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. N.F. XXX, r. 2

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Gegenstandes heischt«; es sollte die Liebe zum Vaterlande gepflegt und neben der Tagesgeschichte auch die ältere vaterländische Geschichte berücksichtigt werden, soweit sie »eine Nutzanwendung auf die Gegenwart, besonders für unser Vaterland zulassen«, wie Rotteck getreu seiner Auf- fassung vom moralisch-didaktischen Charakter der Ge- schichtswissenschaft hinzufügte. Liebenstein seinerseits wollte dabei besonders auch biographische Notizen über die grossen Feldherren und Staatsmänner der Gegenwart aufgenommen wissen, stellte selbst eigene Arbeiten zur Kriegsgeschichte von 1812/4 in Aussicht und wünschte im politischen Teile auch Berichte über die inneren Verhält- nisse von England, Frankreich und der anderen, auch aussereuropäischen Länder. Als Titel schlug er vor: »Klio, eine historisch-politische Zeitschrift. Das Unternehmen sollte freilich nicht zustande kommen. Die Voraussetzung seines Gredeihens war, wie Rotteck selbst genau wusste, nur dann gegeben, wenn »die politischen Umstände und die von denselben abhängenden Zensurverhältnisse« günstig waren. Aber die öffentlichen Dinge entwickelten sich sehr rasch, und bald schon begann eine neue Zeit ihre dunklen Schatten vorauszuwerfeh.

Denn schon das Jahr 1815 brachte mit dem zweiten Pariser Frieden endgültig die Gewissheit, dass die Hoff- nungen, mit denen dies Geschlecht den Befreiungskampf unternommen hatte, keine Verwirklichung finden sollten. Schon gleich beim Beginn des Kampfes hatte Arndt im »Geiste der Zeit« ausgesprochen, dass der Rhein unter keinen Umständen die Grenze Frankreichs bleiben dürfe, und nach dem entscheidenden Kampfe von Leipzig hatte er diese Forderung in seiner Schrift über den Rhein mit Gründen der Abstammung und der Sprache weiter erhärtet. Sein Ruf hatte weithin Widerhall gefunden, nicht zuletzt auch im Südwesten, wo man am meisten künftigen fran- zösischen Angriffen ausgesetzt war. Freilich waren. all die vielen Pläne der Patrioten zur Wiedergewinnung von Elsass- Lothringen reine Theorie geblieben!), denn schon der erste

t) Vgl. jetzt Robert Brendel, D. Pläne einer Wiedergewinnung Elsass- Lothringens in den Jahren 1814 u. 15. Strassb. 1914. (Beiträge zur Landes- und Volkskunde von Elsass-Lothringen und der angrenzenden Gebiete).

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Pariser Friede hatte anders beschlossen. Wehmütig ge- denkt dieser Tatsache Liebenstein schon in seinem Artikel über die Grrenzbefestigung; denn ohne die Grossmütigkeit der Verbündeten wären seine Vorschläge gar nicht nötig gewesen. Auch in ihm lebte der von der französischen Re- volution überkommene Gedanke der »natürlichen Grenzens, nur dass jetzt hier in Deutschland die Vogesen, und nicht der Rhein als die wahre Volksgrenze betrachtet wurde !); auch er hatte gehofft, “aus der Arndtschen Schrift die Stimme und Absicht der Verbündeten heraushören zu dürfen; und nun war »der schöne Wahn dahin, verschwunden vor der Wirklichkeit des zu Paris geschlossenen Friedens«. Auch sonst sind uns ja viele Worte der Enttäuschung und des Zornes schon aus dem Jahre 1814 überliefert?). Aber wenige Monate später sollte sich die Gelegenheit bieten, das alles wieder gutzumachen, als der Kampf gegen den von Elba zurückgekehrten Kaiser noch einmal gewagt werden musste. »Werden wir«, so rief jetzt Liebenstein aus, »in den Proklamationen, die der Eröffnung des un- vermeidlich bevorstehenden Krieges vorangehen - werden, wieder die Versicherung lesen, das Interesse Europas erfordere, dass Frankreich gross und mächtig seid« Er meinte, die Ereignisse des Monats März mit dem Triumph- zuge des zurückkehrenden Kaisers und der Flucht der Bourbonen könnten die Politiker endlich davon überzeugt haben, »was der gesunde Menschenverstand in Deutschland längst wusste, dass die künftige Sicherheit und Ruhe der Welt gebiete, Frankreich klein und schwach zu machen«. Zornig richtete er seine weiteren Fragen an die Politik der europäischen Mächte: ob sie abermals so grossmütig sein wollten, dem Feinde die Grenzländer und Festungen zu lassen, die im Laufe der letzten Jahrhunderte von Deutsch- land abgerissen worden und »die uns von Gott und Rechts- wegen gehören und die wir zu unserer Sicherheit schlechter-

1) In seinem Nachlass findet sich eine Skizze »Entwurf einer Einteilung der Staaten Europas nach wahren Volksgrenzen«; es war natürlich reine Ge- dankenspielerei, aber es zeigt immerhin, wie man am liebsten die Karte Europas gestaltet gesehen hätte. ?) Von älteren Arbeiten berichtet darüber Karl Hagen, D. öffentl. Meinung in Deutschland 1814—1819. Histor. Tasck>r- buch 1846 S. 642 ff.

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Während Liebenstein die romantische Sehnsucht nach dem alten Reiche entschieden von sich weist, wendet er sich zugleich voll und ganz der neu aufgegangenen Sonne zu. Die versunkene Verfassung habe »vielhundertjährige Schmach« über Deutschland gebracht, eine Erneuerung von Innen heraus sei unmöglich denn was in Preussen vor- ging, ahnte man hier im Südwesten nicht —, also bleibe nichts übrig als dem neuen Protektor zu folgen, wenn anders man nicht »die Gefühle gereizter Nationalität die Oberhand gewinnen lässt über den Verstand«. Deutlich tritt uns dieser neue Rheinbundspatriotismus in einem Auf- satze entgegen, den Liebenstein Mitte Dezember 1810 zu Mannheim geschrieben hat!). Es ist ein einziger Hymnus auf den Riesengeist, der in »ununterbrochenem Kampfe strebt, seinen mächtigen Willen zum Gesetze eines Welt- teils zu erheben« Liebenstein preist ihn als das grösste Verwaltungsgenie der Zeit, das die letzten Reste der alten Zersplitterung Frankreichs beseitigt hat, den Parteigeist gebändigt und die Rechtseinheit geschaffen und für die wirtschaftliche Hebung des Landes gesorgt hat, und er dankt es ihm, dass auf seine Veranlassung die neuen, von ihm geschaffenen souveränen Fürsten die Vorzüge von Frankreichs innerer Verfassung ihren Ländern mitzuteilen sich bemühten. Die positiven Fortschritte, welche in Deutsch- land Staat und Gesellschaft dem Protektor verdankten, finden bei ihm warme Anerkennung; aus seinen Worten merkt man deutlich heraus, wie die Hoffnung auf eine neue, richtigere und zeitgemässere Form nationaler Einigung sich innig verbindet mit dem Glauben, dass man aus der Hand Napoleons die neue Bundesverfassung in Empfang nehmen werde. Das Vertrauen auf die überwältigende Genialität des französichen Schutzherrn durchweht diese Zeilen, aber nirgends ist ein Gefühl für Deuschlands Erniedrigung, nur ein Bedauern über die Zerstörung und die Gräuel des ewigen Krieges.

An diesem ewigen Kriegszustand trägt aber Napoleon keine Schuld; die »rastlose Eifersucht Englands und seine

1) Betitelt: »Über die politische Lage unserer Erde beim Anfang des Jahres 1811«. Einen Druck habe ich nicht nachweisen können.

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stolzen Ansprüche an die unbeschränkte Herrschaft der Meere« hat den Krieg seit 1803 ihm aufgezwungen. Mit gutem politischen Verständnis sieht Liebenstein in allen Einzelunternehmungen des Kaisers immer wieder Aus- wirkungen des grossen Machtkampfes der beiden gewal- tigen Nationen, die nach dem Schillerschen Worte »um der Welt alleinigen Besitz« miteinander rangen; dabei ist er fest überzeugt, dass Napoleon aus der friedlichen Arbeit für das Wohl seines Volkes herausgerissen worden sei und dass sein letztes Ziel immer geblieben sei, durch den Kampf einen künftigen sicheren Zustand und ein glücklicheres Dasein zu erzwingen. Für Liebenstein gibt es hier noch kein Napoleonproblem; bei aller Einsicht in die leiden- schaftliche Wucht und den rücksichtslosen Willen des Kaisers hätte er damals doch unbedingt jenem Worte bei- gestimmt, das nachher zu St. Helena geschrieben wurde: Ich wollte der Welt den Frieden geben, aber sie haben mich zu einem Dämon des Krieges gemacht! Auf der anderen Seite kann er aber auch England seine Bewunde- rung nicht versagen. Obwohl es alle seine grossen Führer verloren hat, steht doch das ganze Volk wie ein Mann zu- sammen, weil ein Glaube und eine Liebe es beseelt und weil eine freie Verfassung besteht, »die den Menschen im Bürger ehrend, seine edelsten Kräfte zu ihrer Erhaltung in Anspruch nimmt«e. Demgegenüber verwirft er die wilden Formen des Nationalitätenkampfes, wie sie in Spanien her- vorgebrochen waren, und steht auch hier völlig zum Empire, weil das Endziel der Spanier doch nur »die Aufrechterhal- tung alter Barbarei und Volksentwürdigung« sei. Die Ver- bindung von Religion und Nationalität, die das Weltreich stürzen sollte, ist ihm unverständlich, schon weil mit dem Weltreich zugleich die Völkerbeglückung zurückgewiesen wird. Der Gedanke daran, dass auch ein deutscher Auf- stand entstehen könnte, liegt ihm vollkommen ferne in diesen Jahren, wo es im Norden bereits hie und da unter der Decke siedete und brannte. Vielmehr sieht er in Preussens Schicksal lediglich ein ganz begreifliches Zurück- sinken in seine natürliche Machtsphäre, aus welcher es nur die Kraft eines ausserordentlichen Mannes zeitweise herausgehoben habe. Derartige Urteile über Preussen

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von Krieg und Frieden an, die nachher durch Moltke eine - berühmte prägnante Formulierung finden sollte.

Wenn aber ein künftiger Krieg mit Frankreich gewiss ist, so gilt das bellum parare in pace. Liebenstein weist darum auf die Gestaltung der deutsch-französischen Grenze hin, wie sie der erste Pariser Friede vom 30. Mai 1814 festgesetzt hatte. Danach besass Frankreich nach wie vor seinen starken Festungsgürtel, zu dem sogar Landau ge- hörte, das rings umgeben von deutschem Gebiet, doch den Franzosen als Einfallstor in das wiedergewonnene über- rheinische Land verblieben war; demgegenüber lag die deutsche Grenze von Germersheim bis Luxemburg offen, denn Mainz könne nur als Vormauer für das rechte Rhein- ufer gelten! So entwirft nun Liebenstein den Plan eines dreifachen Gürtels von Festungen, die an der ganzen West- grenze, vom Bodensee bis nach Belgien hinein, gegen Frankreich angelegt werden sollen und bestimmt sind, dem Feinde das - Einrücken ins Innere auf den grossen Hauptstrassen des Landes zu verwehren. Da sollen Konstanz und dahinter Messkirch das Eindringen in Oberschwaben verhindern, Neuenburg und Altbreisach das Höllental sperren, Kehl, Offenburg und Rastatt die Rheinstrasse und zugleich die Eingänge ins Gebirge sichern; auf der Höhe des Gebirges soll dann Freudenstadt das Pfalz- burg des Schwarzwaldes werden und in der dritten Linie Augsburg, Ansbach und Nürnberg stehen. Zusammen mit Rastatt sollen Speyer und Mannheim —, »das seine Lage zwischen dem Zusammenfluss zweier bedeutender Ströme notwendig zu einem Hauptbollwerk deutscher Freiheit be- stimmt«e —, das Gegengewicht gegen das französische Landau bilden. In der gleichen Weise soll die West- grenze auch in Norddeutschland gesichert werden. Dabei belegt Liebenstein seine Vorschläge stets aufs peinlichste mit Gründen der Strategie und führt wohl auch die Er- fahrungen und Lehren der vergangenen Kriege der Revo- lution und des Kaiserreiches ins Feld.

Ob das alles vor dem damaligen Stande der Kriegs- kunst bestehen konnte, ist immerhin mehr als fraglich. Aber es blieb ja überhaupt Projekt und musste es damals bleiben. Weniger noch wegen der ungeheuren Kosten,

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die hier einem armen ausgesaugten Volke auferlegt werden sollten. In einer Anmerkung zu dem Aufsatze wies Rotteck als Herausgeber darauf hin, dass noch viel gewaltigere Kosten entstehen würden, und dass die Verwüstungen und Kontributionen der eben vergangenen Zeit wiederkehren könnten, wenn Deutschland im Westen wehrlos bleibe. Und Liebenstein selbst hielt den möglichen Einwendungen wegen der scheinbar unerschwinglichen Summen immer wieder sein »Es muss sein« entgegen. Er spricht es nicht so aus, aber sein Idealismus hegt doch als politische Grund- überzeugung dieses: wenn ein Volk erkannt hat, was für seine Existenz nötig ist, und wenn es den Willen hat, sich selbst zu erhalten, dann wird es auch die Mittel dazu auf- zubringen wissen; politische und darum auch finanzpoli- tische Fragen sind nach ihm niemals Fragen der Möglich- keit, sondern immer nur Fragen des Willens. Und der Zweck scheint ihm das Opfer wert zu sein. Nur darf es nicht den einzelnen, zunächst bedrohten Landschaften auf- gebürdet werden. Bedroht ist das Ganze, und »was das Ganze schützen soll, muss durch das Ganze entstehen«. Darum will er eine Zentralkasse aus den. Beiträgen sämt- licher deutscher Staaten bilden, woraus die Kosten des Festungsbaues bestritten werden sollen. Er wagt auch schüchtern zu hoffen, dass vielleicht doch noch einzelne, nicht publik gewordene Bestimmungen des Pariser Friedens bestünden, wonach doch noch französische Kriegskontri- butionen nach dem so oft geplünderten Deutschland zurück- fliessen sollten; sie liessen sich schwerlich besser verwenden, als wenn mit ihnen die Wälle aufgerichtet würden.

In Festungsbau und Grenzverteidigung hatte Lieben- stein die Angelegenheit gefunden, die ein Zusammenwirken des ganzen deutschen’ Volkes am dringendsten forderte. Aber hier lag nun zugleich der grösste Widerstand, der sich dem Projekt entgegenstellte. . Die Voraussetzung des ganzen Planes war, dass überhaupt ein nationaler Zu- sammenschluss zustande kam und dass in Wien ein Reich geschaffen wurde, das diese erste gemeinsame Aufgabe übernehmen konnte. Für Liebenstein ist diese Voraus- setzung Gewissheit. Nirgends zeigt sich seine innere Wandlung so sehr wie hier. Hatte er früher ganz in

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Gegenstandes heischts; es sollte die Liebe zum Vaterlande gepflegt und neben der Tagesgeschichte auch die ältere vaterländische Geschichte berücksichtigt werden, soweit sie seine Nutzanwendung auf die Gegenwart, besonders für unser Vaterland zulassen«, wie Rotteck getreu seiner Auf- fassung vom moralisch-didaktischen Charakter der Ge- schichtswissenschaft hinzufügte. Liebenstein seinerseits wollte dabei besonders auch biographische Notizen über die grossen Feldherren und Staatsmänner der Gegenwart aufgenommen wissen, stellte selbst eigene Arbeiten zur Kriegsgeschichte von 1812/4 in Aussicht und wünschte im politischen Teile auch Berichte über die inneren Verhält- nisse von England, Frankreich und der anderen, auch aussereuropäischen Länder. Als Titel schlug er vor: »Klio, eine historisch-politische Zeitschrift. Das Unternehmen sollte freilich nicht zustande kommen. Die Voraussetzung seines Gedeihens war, wie Rotteck selbst genau wusste, nur dann gegeben, wenn »die politischen Umstände und die von denselben abhängenden Zensurverhältnisses günstig waren. Aber die öffentlichen Dinge entwickelten sich sehr rasch, und bald schon begann eine neue Zeit ihre dunklen Schatten vorauszuwerfeh.

Denn schon das Jahr 1815 brachte mit dem zweiten Pariser Frieden endgültig die Gewissheit, dass die Hoff- nungen, mit denen dies Geschlecht den Befreiungskampf unternommen hatte, keine Verwirklichung finden sollten. Schon gleich beim Beginn des Kampfes hatte Arndt im »Geiste der Zeit« ausgesprochen, dass der Rhein unter keinen Umständen die Grenze Frankreichs bleiben dürfe, und nach dem entscheidenden Kampfe von Leipzig hatte er diese Forderung in seiner Schrift über den Rhein mit Gründen der Abstammung und der Sprache weiter erhärtet. Sein Ruf hatte weithin Widerhall gefunden, nicht zuletzt auch im Südwesten, wo man am meisten künftigen fran- zösischen Angriffen ausgesetzt war. Freilich waren all die vielen Pläne der Patrioten zur Wiedergewinnung von Elsass- Lothringen reine Theorie geblieben!), denn schon der erste

t) Vgl. jetzt Robert Brendel, D. Pläne einer Wiedergewinnung Elsass- Lothringens in den Jahren 1814 u. 15. Strassb. 1914. (Beiträge zur Landes- und Volkskunde von Elsass-Lothringen und der angrenzenden Gebiete).

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Pariser Friede hatte anders beschlossen. Wehmütig ge- denkt dieser Tatsache Liebenstein schon in seinem Artikel über die Grrenzbefestigung; denn ohne die Grossmütigkeit der Verbündeten wären seine Vorschläge gar nicht nötig gewesen. Auch in ihm lebte der von der französischen Re- volution überkommene Gedanke der »natürlichen Grenzen«, nur dass jetzt hier in Deutschland die Vogesen, und nicht der Rhein als die wahre Volksgrenze betrachtet wurde !); auch er hatte gehofft, “aus der Arndtschen Schrift die Stimme und Absicht der Verbündeten heraushören zu dürfen; und nun war »der schöne Wahn dahin, verschwunden vor der Wirklichkeit des zu Paris geschlossenen Friedens«. Auch sonst sind uns ja viele Worte der Enttäuschung und des Zornes schon aus dem Jahre 1814 überliefert?). Aber wenige Monate später sollte sich die Gelegenheit bieten, das alles wieder gutzumachen, als der Kampf gegen den von Elba zurückgekehrten Kaiser noch einmal gewagt werden musste. »Werden wir«, so rief jetzt Liebenstein aus, »in den Proklamationen, die der Eröffnung des un- vermeidlich bevorstehenden Krieges vorangehen - werden, wieder die Versicherung lesen, das Interesse Europas erfordere, dass Frankreich gross und mächtig sei Er meinte, die Ereignisse des Monats März mit dem Triumph- zuge des zurückkehrenden Kaisers und der Flucht der Bourbonen könnten die Politiker endlich davon überzeugt haben, »was der gesunde Menschenverstand in Deutschland längst wusste, dass die künftige Sicherheit und Ruhe der Welt gebiete, Frankreich klein und schwach zu machen«. Zornig richtete er seine weiteren Fragen an die Politik der europäischen Mächte: ob sie abermals so grossmütig sein wollten, dem Feinde die Grenzländer und Festungen zu lassen, die im Laufe der letzten Jahrhunderte von Deutsch- land abgerissen worden und »die uns von Gott und Rechts- wegen gehören und die wir zu unserer Sicherheit schlechter-

1) In seinem Nachlass findet sich eine Skizze »Entwurf einer Einteilung der Staaten Europas nach wahren Volksgrenzen«; es war natürlich reine Ge- dankenspielerei, aber es zeigt immerhin, wie man am liebsten die Karte Europas gestaltet gesehen hätte. ?) Von älteren Arbeiten berichtet darüber Karl Hagen, D. öffentl. Meinung in Deutschland 1814—1819. Histor. Taschen- buch 1846 S. 642 ff.

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dings nicht entbehren können«; ob die Mächte wieder dem Feinde die Kriegskosten der letzten Feldzüge schenken wollten, oder nicht vielmehr auch die Summen zurück- forderten, die er seit 1792 aus allen Ländern des Kon- tinentes herausgepresst; ob sie ihm auch die gestohlenen Kunstwerke lassen wollten und ob »die europäischen Nationen der schlechtesten unter ihnen, ja der verworfensten, die Gottes Sonne bescheint, den Vorzug gestatten werden dass ihre Hauptstadt als die Hauptstadt der kultivierten Welt betrachtet werden musse. Der leidenschaftliche Hass der Freiheitskrieger gegen Frankreich, gegen dieses Babylon, wie es Liebenstein immer nennt, dieses Neurom, von dem Rotteck in Anlehnung an die aus politisch- romantischer Verherrlichung wiedererweckte Erinnerung an die Hermannsschlacht immer spricht —, dieser Hass gegen Frankreich hat jetzt, in der Zeit zwischen dem ersten und dem zweiten Pariser Frieden, seinen günstigsten Nährboden gerade im ehedem rheinbündischen Südwesten gefunden, wo man am meisten an einer Wiedererwerbung

der alten deutschen Marken interessiert war, um nicht

immer unter den französischen Kanonen von Strassburg zu liegen. Wir wissen ja, dass dies nicht nur für die publizistischen Stimmen gilt, sondern dass auch die Staats- männer und Diplomaten Süddeutschlands, Württemberg voran, für diese Grebietserwerbung, wenn auch natürlich zuerst aus eigenem dynastischen Interesse, tätig waren!) und dass sie als die einzigen bei den Pariser Verhand- lungen von 1815 Preussen in seinem Bestreben, Elsass und Lothringen von Frankreich loszureissen, unterstützt haben.

Das neugefundene Legitimitätsprinzip und die Rivalität der grossen Mächte machte das alles zu nichte. Sofort nachdem die Bestimmungen des zweiten Pariser Friedens bekannt geworden waren, setzte der Federkrieg ein zwischen den publizistischen Vorkämpfern der nationalen Gedanken, allen voran Joseph Görres im Rheinischen Merkur, und den Offiziösen der Hofburg, welche im »Öster- reichischen Beobachter«e die Gründe der Kabinette ver-

1) Vgl. auch Älbert Pfister, D. Zurückforderung von Elsass-Lothringen in Paris 1815. Beil. z. Allg. Ztg. 1897 Nr. 186/7.

..

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teidigten. Am 5. Dezember 1815 erschien in diesem Organe Metternichs ein vielbeachteter Aufsatz über die Friedens- unterhandlungen zu Paris, in welchem man die geschickte Feder von Friedrich von Gentz wiedererkennt!), Wie Görres, so hat in jenen Tagen auch Liebenstein gegen diese offizielle Kundgebung seine Gegenbemerkungen zu Papier gebracht. Sie liegen uns vor in einem grösseren Entwurfe, der überschrieben ist: »Randglossen zu der Apo- logie des Friedens vom 20. November 1815 im Öster- reichischen Beobachtere. Auch Liebenstein ist der Über- zeugung, dass die Diplomaten mit der Feder das verdorben hätten, was die Feldherren und Soldaten mit dem Schwerte : für Deutschland geleistet; es ist eben nach ihm seit Jahr- hunderten das Unglück Deutschlands gewesen, dass seine Staatsmänner schlechte Friedensverträge geschlossen haben: »Wenn die Krieger glücklich gefochten hatten, so ver- schenkten die Gänsekiele wieder den Gewinn der Schwertere. Aber all das sei jetzt übertroffen worden, und die Schuld daran treffe den Fürsten Metternich. Denn Liebenstein weist Österreich die Pflicht und Aufgabe zu, die Grenz- wacht im Süden zu übernehmen und für die Sicherheit der Mittel- und Kleinstaaten zu sorgen, die dazu selbst nicht fähig sind. Seine habsburgische Gesinnung und seine Überzeugung von dem Rechte und der Berufung Öster- reichs zur Vormachtstellung in Deutschland treibt ihn in Gegensatz gegen Metternich, der die ihm zugewiesenen Aufgaben für die gesamte Nation nicht anerkennt und seine Politik nach anderen Dingen orientiert als nach dem, was ihm nach der Anschauung der Patrioten an Aufgaben aus seiner Vormachtstellung entspringt. Die Patrioten ver- langten die Sicherheit Deutschlands, diese aber findet Lieben- stein am wenigsten in den Bestimmungen des Friedens gewährleistet; denn Österreich habe es nicht verstanden, für sich am Oberrhein zu sorgen, während Preussen sich am Niederrhein gut eingerichtet habe und auch England und Russland alles erreicht haben, was sie nur haben erreichen können. Wie völlig verkennt man hier noch die Politik Österreichs! Feigheit und Saumseligkeit wirft

1) E. Guglia, Friedrich von Gentz. Wien 1901. S. 254.

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er ihr vor; Österreich hätte im Sommer 1813 auf seinen Beitritt zur Koalition jede Bedingung setzen können, aber es liess die Gelegenheit ungenutzt vorübergehen und musste darum nachher in Wien zu kurz kommen! Es hätte die Sache wieder gutmachen können, als Napoleon von Elba zurückkam; es hätte nicht vorschnell zum Bundes- genossen des vertriebenen Königs sich machen sollen, hätte warten sollen mit dem Allianzvertrag, bis Napoleon den Ihron in festen Besitz genommen und dann von dem Schattenkönig den Erwerb von Elsass und Lothringen als unerlässliche Bedingung seines Beitritts zum neuen Bunde erzwingen können selbst durch die Aussicht von der . Möglichkeit eines Bündnisses zwischen Österreich und Napoleon. Österreich hat das alles nicht getan. Dass es eine kluge und glückliche Hauspolitik zur Abrundung der habsburgischen Monarchie getrieben hat, bleibt Lieben- stein völlig verborgen; auch diese Erwerbungen erscheinen ihm im Lichte einer Wiedererweckung des mittelalterlichen _ Imperiums. Ebensowenig kann er es genau überschauen, wie sehr der schliessliche Ausgang der Verhandlungen bedingt war durch die Interessengegensätze der grossen Mächte; das alles lag begraben in den Protokollen und Berichten der Staatsmänner und Diplomaten. Er zweifelt noch keinen Augenblick, dass Österreich seine deutsche Berufung anerkennt, und er schiebt alle Schuld für den unbefriedigenden Ausgang auf die Unfähigkeit der öster- reichischen Diplomaten und auf ihr unseliges Bestreben, für die Ruhe und die innere Neugeburt Frankreichs sorgen zu wollen.

Der österreichische Beobachter hatte das auch aus- drücklich als einen Grund für das Verhalten der Kabinette angegeben. Er hatte in den Friedensbestimmungen eine volle Schadloshaltung für die Vergangenheit und Sicher- heit für die Zukunft gewährleistet gefunden und hatte jenen widersprochen, »denen Missbrauch der Übermacht für Staatsklugheit oder blinde Rachgier für Vaterlands- liebe gilt«e und die von Frankreich die Grenzprovinzen zurückgefordert hatten: das wäre nach der Anschauung der Kabinette, die der Offiziosus der ja uneingeweihten öffentlichen Meinung gegenüber immer als eine einzige

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geschlossene Gesellschaft auftreten liess, keinesfalls der Weg gewesen zur Wiedergeburt Frankreichs, welche die Ruhe Europas dringend erheische. Liebenstein widerspricht dieser Verteidigung in allem; er findet die wirklichen Friedensbestimmungen und die vom Hofschreiber so ge- rühmten diplomatischen Triumphe des Fürsten herzlich gering und kann auch nicht zugeben, dass die Abtretung der Grenzprovinzen der Ruin Frankreichs gewesen wäre. Überhaupt meint er, sei es nicht Sache der deutschen Staatsmänner, für die Wiedergeburt Frankreichs zu sorgen; wenn sie aber wirklich dazu berufen sein sollten, so hätten sie es nicht ungeschickter anfangen können, als »dass sie mitten in den tobenden Sturm eines in den tiefsten Ele- menten seines Daseins aufgeregten Volkes ein Königs- geschlecht hineinsetzten, das vor 25 Jahren, von dem näm- lichen Volke ausgestossen, seither in Vergessenheit und Verachtung versunken war und nun zurückkehrte mit allen verschollenen Ansprüchen eines untergegangenen Jahrhundertse. Der rechte Weg wäre gewesen, Frankreich einen Länderbesitz zu nehmen, der ihm nicht gebühre und ihm die Macht und den Anreiz zum Angriff immer wieder gebe, im übrigen aber dem französischen Volke selbst zu überlassen, seine inneren Angelegenheiten zu ordnen. Er meint, wenn so ein fester Reif um den Kessel liege, dann wären Unruhen im Innern Frankreichs für das übrige Europa gleichgültig; aber er weiss auch, dass gerade diese Angst vor einem wiederkehrenden 1792, gerade diese Furcht vor der Revolution die alten Mächte auf den Weg geführt hatte, dem französischen Volke die alte Königs-

familie wieder aufzudrängen und ihm Elsass und Lothringen

zu erhalten; es war, wie Liebenstein sagt, das »Ammen- liedchen von der Rechtmässigkeit«, das Frankreich gerettet und die Rettung Deutschlands verhindert hat! Als Folge all dieser verpassten Gelegenheiten prophezeit er die ewige Gefährdung der deutschen Sicherheit durch den westlichen Nachbar und die völlige politische Ohnmacht der Mitte Europas. Denn darin wenigstens beurteilt Liebenstein völlig klar die politische Lage der grossen Mächte, dass er schon damals erkennt, wer die eigentlichen Sieger des grossen Machtkampfes gewesen sind; er weiss und spricht es mit

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bemerkenswerter Sicherheit aus, dass die nächste Zukunft der Seeherrschaft Englands und der kontinentalen Über- macht Russlands genau ebenso ausschliesslich gehören werde, wie die Vergangenheit unter dem Zeichen fran- zösischer Weltherrschaft gestanden ist. Und er lässt sich dabei weder durch die süssen Worte des Wiener Jour- nalisten irre machen, der von einer Harmonie der vier Mächte und einem kommenden »goldenen Zeitalter«e in Europa gesprochen hatte, noch durch den Wortlaut der heiligen Allianz, mit dem die Legitimität und die Brüder- schaft der Mächte besiegelt werden sollte. Er hat auch dieses seltsame Gebilde politischer Mystik mit seinen Rand- glossen begleitet), und er hat dabei mit schneidender Ironie, in der sich die ganze, jetzt obenaufkommende Er- bitterung spiegelt, den heiligen Eid, den die Könige unter sich gewechselt, in seinem Werte abgeschätzt. Die heilige Allianz —- so fasst er sein Urteil zusammen sei ent- weder lächerlich, indem sie in Gestalt eines förmlichen Staatsvertrages wiederhole, was in jedem Katechismus steht; oder sie sei eine Gefahr für die Freiheit der Völker, sofern man hier »unter dem unschuldigen Scheine kind- . licher Frömmigkeit« »an die Stelle des rein bürgerlichen Staatsvertrages, worauf die Völker des heutigen Europas ihre Rechte und Pflichten gegründet sehen wollen, wieder ein längst veraltetes religiös-politisches System zu setzen« suche.

Auch in den nächsten Jahren ist der Zorn über den abermaligen Verlust des Elsasses nicht zur Ruhe gekommen, besonders da die lang verzögerte Liquidierung der terri- torialen Frage und in erster Linie der grosse (zebietsstreit zwischen Baden und Bayern immer wieder auf die Tat- sache zurückführte, dass bei einem energischeren Auftreten Österreichs zu Paris genug Entschädigungslande vorhanden gewesen wären, um alle berechtigten und auch die minder- berechtigten Ansprüche zu befriedigen. Auch Liebenstein hat in diesem Sinne seine Stellung zu dem badisch-bayrischen

1) Niedergeschrieben, nachdem am 1. Februar 1816 die heilige Allianz in der badischen Staatszeitung publiziert worden war (Nr. 32).

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Territorialstreite!) genommen. Als der Streit in den Tagen des Aachener Kongresses seinen Höhepunkt erreichte und beide Seiten Aktenstücke in der Angelegenheit zu ihrer Rechtfertigung veröffentlichten, da hat Liebenstein den Verfasser der badischen Schrift, den Geh. Referendär von Fahnenberg, bei der Herausgabe seiner »Aktenstücke über die badische Territorialangelegenheit«?) unterstützt, hat den Verkehr mit dem Lahrer Verleger vermittelt und im Auf- trage des Staatsministers von Reitzenstein dafür Sorge getragen, dass die strengste Anonymität gewahrt und die Absichten der Regierung bei der Ausgabe dieses halb- offiziellen Schriftstückes aufs strengste erfüllt wurden®). Zugleich schrieb er selbst auf Fahnenbergs Veranlassung für die »Europäischen Annalen« einen Aufsatz über die Territorialangelegenheit, worin er das Erscheinen der beiden Schriften zum Anlass nahm, um vor der Öffentlichkeit den badischen Rechtsstandpunkt darzulegen und zu begründen. Dabei setzte er neben die staatsrechtliche Deduktion, welche die bayrischen Ansprüche zurückwies, auch den politischen Einwand, dass Baden es nicht verschuldet habe, wenn das Elsass den Franzosen gelassen worden und nun die Ver- sprechungen, die Bayern nach 1813 gemacht worden waren, nicht eingelöst werden könnten; Österreich solle die nach- teiligen Folgen seines unverantwortlichen Versäumnisses von 1815 selber tragen, denn ihm fielen sie hauptsächlich zur Last. Liebenstein folgte den bayrischen Parteigängern auch auf das Gebiet ihrer politischen Begründungen, durch die sie die bayrischen Ansprüche auch als national vorteil- haft hingestellt hatten, und wies darauf hin, dass die Ver- einigung Altbayerns mit der Rheinpfalz niemals durch Gründe der nationalen Verteidigung gefordert sei; denn niemals könne Bayern allein, sondern immer nur der deutsche Bund in den Fall kommen, mit Frankreich Krieg zu führen. Wenn ferner die Bayern immer so gerne die wirtschaftlichen Schäden der Teilung der Pfalz und der Zerreissung des bayrischen Besitzes hervorhoben, so gab

1) Vgl. Treitschke, Deutsche Geschichte IT 134.5. ?) Über Karl Heinrich v. Fahnenberg vgl. den Artikel v. Weech, Bad. Biogr. I 232. 3) Nach Briefen Fahnenbergs und Reitzensteins an Liebenstein vom Oktober und November 1818 in Liebensteins Nachlass.

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Liebenstein das ohne weiteres zu, sah aber darin nur einen Ansporn mehr für die Bundesregierungen, die oft gefor- derte gänzliche und unbeschränkte Freiheit des Handels und Verkehrs zwischen den Bundesstaaten endlich zu ge- währen. So vereinigten sich in diesem Territorialstreite die Interessen des badischen Staates und die Forderungen des Liberalismus, genau ebenso wie sie in dem mit der Territorialfrage eng verknüpften Streit um die Erbfähigkeit der Markgrafen von Hochberg zusammengingen. Denn Liebenstein verteidigt das souveräne Recht des Gross- herzogs, die Erbfähigkeit seines Hauses aus eigener Macht- vollkommenheit festzusetzen, ohne dass die fremden Staaten auch nur ein Wort von Rechtswegen hineinzureden hätten; die neue Souveränität findet gegen Angriffe von aussen in ihm einen unbedingten Verteidiger. Nur im Innern, fügt er einschränkend hinzu, soll sie begrenzt sein: die einzige Behörde, welche die Sache etwas angehe, sei das badische Volk, das befugt sei, durch. das Organ seiner Stände daran teilzunehmen. Die politische Konstellation, unter der die badische Verfassung ins Leben trat, wird hier offenkundig.

Wir sind damit bereits bis in die Tage der neuen Verfassung gekommen und müssen nun nochmals zurück- greifen, um zu sehen, wie Liebenstein in den Jahren zwischen dem Wiener Kongress und der Geburt des badischen Ver- fassungsstaates über die Konstitutionellen Forderungen der Zeit gedacht hat. Die erste Enttäuschung von 1815 hatte ja keineswegs zu einem Irrewerden an der Zukunft geführt; man gab die Hoffnung so wenig auf wie den Kampf für eine bessere politische Form im Innern und blickte über das letzte Menschenalter hinweg auf das verherrlichte Jahr 1789. Auch von Liebenstein war es nur in diesem. poli- tischen Sinne gedacht, wenn er sich, sobald der Krieg herum war, der jüngsten Vergangenheit zuwandte und . sich vornahmr, ihre Geschichte zu schreiben vom Anfang der grossen Revolution bis dahin, »wo die Dinge in Europa wieder eine feste Gestalt gewonnen haben«. Er hoffte dabei, sich einen Platz unter dem »kleinen Häuflein echter deutscher Geschichtsschreiber zu erringene. Seinen mili- tärischen Neigungen entsprechend, begann er mit einem kriegsgeschichtlichen Teil, und da er sein Werk nicht mit

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der Schilderung der unglücklichen Kriege seines Volkes eröffnen wollte, andererseits der Befreiungskrieg ihm noch zu nahe zu sein schien, so wählte er sich den russischen Feldzug als ersten Gegenstand seiner geschichtlichen Dar- stellung. Dieser Teil, den er in der Hauptsache im Jahre 1816 verfasste, sollte freilich der einzige bleiben; denn Liebenstein wurde, bald nachdem er ihn 1819 hatte er- scheinen lassen!), durch die Eröffnung der Landstände auf einen neuen und ihm entsprechenderen Schauplatz poli- tischer Wirksamkeit berufen.

Das Werk über den russischen Feldzug hat natürlich heutzutage keinen Wert mehr. Für unseren Zusammen- hang wesentlich sind darin die Urteile, die Liebenstein über das napoleonische Regierungssystem gefällt hat. In wörtlicher Übereinstimmung mit jenem Elaborat von ı8ıı preist er auch hier wieder Napoleons Sorge um das innere Wohl des Landes; aber er ist jetzt unabhängig genug, um das rügen zu können, was seinen Anschauungen nicht ent- spricht. Er beurteilt die napoleonische innere Politik vom Standpunkte der Postulate aus, welche er bald von der Tribüne der Zweiten Kammer herab vertreten sollte. Er weist darauf hin, dass Napoleon immer wieder Greldmittel für seine unaufhörlichen Riesenunternehmungen gefunden hat, ohne dass das Volk unter der Last der Abgaben zer- brach, und er findet das Geheimnis dafür in der gleichen Verteilung der Steuern nach Besitz und Ertrag und in dem Fehlen der Feudallasten, welche die Revolution be- seitigt hatte; nur die Akzise und die Konsumtionssteuer lehnt er als gehässig ab. Den Grund für die grosse Blüte des Ackerbaus sieht er eben wieder in der Befreiung von allen Fesseln und Lasten der Vergangenheit, während andererseits die napoleonische Gewerbe- und Handelspolitik von ihm verworfen wird; ganz im Sinne der klassischen englischen Nationalökonomie ist er der Überzeugung, dass der menschliche Fleiss allenthalben desto besser gedeihe, je ausschliesslicher seine Bestrebungen durch eigene Ein-

1) Der Krieg Napoleons gegen Russland in den Jahren 1812 u. 1813. Dargestellt von Ludw. Aug. Friedr. v. Liebenstein I. T. Frankfurt a. M. 1819 Hermann’sche Buchhandlung (Besitz der Lahrer Stadtbibliothek; der 2. Band lag mir nicht vor).

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sicht der Individuen geleitet würden; die Kontinentalsperre erscheint ihm demnach als die törichtste von Napoleons ausschweifenden Wünschen. Nicht minder deutlich hören wir schon hier den künftigen Vorkämpfer der liberalen Ideen im badischen Landtag, wenn er die Knebelung der Presse durch Napoleon verdammt oder das bekannte napo- leonische Unterrichtssystem als den Gipfel aller Geistes- knechtung brandmarkt.

Im übrigen ist das Werk eine militärgeschichtliche Erzählung, die auf den amtlichen Kriegsberichten, soweit sie zur öffentlichen Kenntnis gelangt waren, und auf lite- rarischen Darstellungen von Augenzeugen beruht, und auch über das Technische der Kriegführung viele, durch- aus fachmännische Erläuterungen enthält. Für den Histo- riker aber unendlich bedeutungsvoller ist eine andere, das Kriegswesen betreffende Schrift, die Liebenstein in jener Zeit geschrieben hat und die wiederum in der gleichen Weise seine Neigung und Vorliebe für kriegswissenschaft- liche Gegenstände und seine eingehende Kenntnis des Heereswesens und militärischer Organisationsfragen bezeugt. Das ist die in jener Zeit vielgenannte Flugschrift: »Über stehende Heere und Landwehr mit besonderer Rücksicht auf die deutschen Staaten«!), Die Frage nach der besten Heeresverfassung wurde ja gerade damals, unmittelbar nach dem Abschlusse der grossen Kriegsperiode, allenthalben fleissig diskutiert, zumal sie auch in hohem Grade eine dringende praktische Frage war; denn alle Staaten waren vor die Aufgabe gestellt, ihr Heerwesen neu zu orga- nisieren und es dauernd auf jenen Prinzipien aufzubauen, durch welche die Kriegskunst der Revolution und des Kaiserreiches die Heere der alten Zeit überwunden hatte. Man war sich darüber einig, dass nur durch die allge- meine und gleiche Verpflichtung jedes Wehrfähigen zum Kriegsdienste eine Wiederkehr französischer Eroberungs- züge verhindert werden könnte, aber man war sich nicht darüber klar, welche der vielen möglichen Verwirklichungen dieses obersten Grundsatzes nun in Wahrheit das grosse Geheimnis in sich barg, wie Freiheit im Innern und Unab-

1) Carlsruhe, Braun 1817. 8%. IV 4 100 S.

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hängigkeit nach Aussen zugleich gesichert werden möchte. Schon gleich 1814 war der preussische Soldatenstaat mit der Reorganisation seines Heeres vorangegangen, aber eben das Boyensche Wehrgesetz hatte erst recht eigent- lich die Publizisten.auf diese Fragen gelenkt!). Im Süden trat 1816 Carl von Rotteck mit seiner Flugschrift »Über stehende Heere und Nationalmiliz« hervor?), aus der Jahr- zehnte lang die Mehrzahl der deutschen Liberalen ihre Anschauungen in Heeresfragen geschöpft haben. Rotteck verwirft darin prinzipiell die Institution des stehenden Heeres, weil er in ihr ein nie versagendes Werkzeug des Despotismus und darum eine beständige Gefahr für den inneren und äusseren Frieden eines Volkes sieht. Er hält sie für eine drückende, unnötige und gefährliche Last und er fordert daher, weil eine gänzliche Abschaffung ihm im Augenblick noch nicht möglich erscheint, eine starke Ver- minderung des stehenden Heeres, das seiner Zusammen- setzung nach nur aus Werbetruppen bestehen solle, weil niemand gegen seinen Willen in Friedenszeiten dauernd zum Kriegsdienste gezwungen werden dürfe; nur in Kriegs- zeiten sei die gesamte Mannschaft zum Heeresdienste ver- pflichtet. Vernunft und Recht erforderten also nach Rotteck das Milizsystem.

Gegen diese Anschauungen wandte sich Liebensteins Schrift. Rotteck hatte sich auf die Entwicklung eines abstrakten Grundsatzes aus Vernunftgründen beschränkt und zur weiteren Ausführung und Erprobung die praktische Lebenserfahrung der Männer des Staates und des Krieges selber aufgerufen. Das gab dem Lahrer Oberamtmann, der jedes Jahr die Aushebung der Mannschaften zu be- sorgen hatte, den Anlass, seinem Freunde gegenüber für das in Baden geltende®) System der Aushebung ein Wort einzulegen. Liebenstein stimmte darin vollkommen Rotteck bei, dass die notwendige Verminderung der Heereslasten

1) Vgl. darüber Adolf Mürmann, D. öffentl. Meinung in Deutschland über d. preuss. Wehrgesetz v. 1814. (Abhandl. z. mittl. u. neueren Gesch. hrsg. v. Below, Finke, Meinecke. Heft 19. 1910). ?) Erschienen 1816. Wieder abgedr. in Rottecks Sammlung kleinerer Schriften. 1829. Bd. II S. 156 fl. ®) Verordnung vom 28. Juni 1812. Regierungsblatt Nr. 23. v.

1. August.

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die Herabsetzung der stehenden Truppen dringend er- heischte; aber er war weder der Anschauung, dass nun das stehende Heer als Kriegsschule unnötig oder gar gefährlich sei, noch konnte er der Rotteckschen Meinung beipflichten, dass die Heranziehung der Bürger zum Dienste in Friedenszeiten eine gehässige und ungerechte Massregel sei. Rotteck hatte, um seine Auffassung von der Verderb- lichkeit der Konskription zu begründen, auf das Heeres- system Napoleons hingewiesen, durch das der Kaiser die Freiheitsbegeisterung der Nationalheere niedergedrückt und die ganze Nation zu Kriegsknechten gemacht habe. Hier widerspricht ihm Liebenstein: was Rotteck an der Kon- skription tadle, gehöre nicht zum Wesen des Systems, sondern sei der Missbrauch, den Napoleon damit getrieben, indem er dieses Werkzeug zur Befreiung Frankreichs in ein Mittel zur Unterdrückung anderer Völker umgewandelt habe. In einer so wird man auch nach den eingehenden heutigen Forschungen sagen können durchaus richtigen Weise entwickelt er die notwendige Entstehung des Kon- skriptionssystems in den Heeren der Revolution und ver- teidigt es gegen Rotteck mit Gründen der Gerechtigkeit und der Zweckmässigkeit als das einzige System, das der Zusammensetzung eines stehenden Heeres zugrunde gelegt werden dürfe, Er preist die Konskription als das Kind einer Zeit, die, allen Privilegien abhold, sämtlichen Bürgern mit dem (Grenuss gleicher Rechte auch gleiche Pflichten gegen das Vaterland auferlegen wolle, und er sieht den Schutz vor einer Wiederkehr des napoleonischen Miss- brauchs in einer freien Verfassung, welche die Mittel nur für gerechte Kriege bewilligt!). Er hält Rotteck entgegen und beruft sich dabei auf die Erfahrungen der jüngsten Kriege —, dass ein solches Heer, das sich aus der Jugend des eigenen Volkes rekrutierte, nichts gemein mit jenen Armeen habe, die einst aus dem Auswurf aller Länder bestanden hatten und jedem zu Willen gewesen waren, der sie bezahlt hatte; nur gegen jene könnten sich all die Vorwürfe von der Verderblichkeit der stehenden Heere

1) So besonders deutlich auch im »Krieg Napoleons gegen Russ- land etc.« I 20/2.

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richten. Deshalb stimmte er zwar durchaus in den allge- meinen Ruf nach Verminderung des stehenden Heeres ein!) und forderte, dass es in seinem Kerne aus gewor- benen Iruppen bestehen solle, damit die Heranziehung der Bürger zum Kasernendienste nicht schliesslich doch dahin ausarte, dass sie beständig bei den Fahnen zurückbehalten würden. Aber da er das stehende Heer als Pflanzschule für die Landwehr unentbehrlich hielt, so sollten die ge- worbenen Mannschaften nur aus zuverlässigen und tüch- tigen Leuten bestehen und sich schon darin von den Söld- lingen der alten Armeen unterscheiden; und neben sie sollten nun in das stehende Heer die Rekruten eingereiht werden, die aber unter keinen Umständen länger als fünf Jahre dabei gehalten werden dürften und dann in die zweite Klasse der Landwehr, die Reserve, eintreten sollten.

Nach Liebensteins Ansicht soll also das stehende Heer sowohl aus geworbenen wie aus konskribierten Leuten bestehen. Das ist eine in der Flugschriftenliteratur jener Zeit ungewöhnliche Forderung, der man den Kompromiss der Anschauungen auf den ersten Blick ansieht! Vielleicht ist Liebenstein dabei nicht unberührt von gleichzeitigen Vorgängen in Frankreich, die ihm schon auf dem Wege über die »Allgemeine Zeitung« nicht unbekannt geblieben sein konnten. Die bourbonische Restauration hatte schon gleich 1815 die verhasste napoleonische Aushebung abge- schafft und den Grundsatz der freiwilligen Einschreibung an die Stelle gesetzt. Aber bald hatte sich gezeigt, dass dies zur Ausfüllung der Lücken nicht genügte, und des- halb legte im Jahre 1817 der Kriegsminister Saint-Cyr der Kammer einen Gesetzentwurf vor, der neben und zur Ergänzung der freiwilligen Werbung die zwangsweise

1) Auf dem Landtag von 1819 wurde er einer der Wortführer, welche die Herabsetzung des Militäretats forderten (Landtag 1819 II. K. Heft VIII S. 115 ff. 131. 133). Doch hat ihn auch in diesem Punkte sein kluges Ab- wägen aller politischen Möglichkeiten davon zurückgehalten, unbedingt auf dem Prinzip zu bestehen, selbst auf die Gefahr hin, alles dabei zu verspielen; dem entspricht der Vermittlungsversuch, durch den er auf dem Landtag von 1823 bei der Verhandlung über den Heeresetat noch in letzter Stunde, aber vergeblich den von ihm vorausgesehenen unheilbaren Bruch zwischen Re- gierung und Volksvertretung abzuwenden suchte. (Landtag 1822/3, II. K. Bd. XII S. 403/7).

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Rekrutierung einführen wollte'). Das ist es, was auch Liebenstein will, und er selbst erwähnt auch gelegentlich in seiner Schrift die damaligen, gegen die Konskription gerichteten Deklamationen Chateaubriands und das Klassen- interesse, welches dieser‘ Führer der Ultras mit seinen Standesgenossen dabei verfolgte?). Auch manchem andern fiel damals schon die seltsame und auf so verschiedenen Wegen zustande gekommene Übereinstimmung auf, mit der Rotteck den französischen Legitimisten im Angriff auf die napoleonische Konskription begegnete3). Da wird man nicht fehlgreifen, wenn man zur Erklärung der Art, wie Liebenstein die beiden entgegengesetzten Prinzipien, frei- willige Werbung und zwangsweise Aushebung, zu ver- einigen sucht, auf diesen seltsamen Ausweg hinweist, der sich in Frankreich durch die tatsächliche Lage aufzwang und dann auch wirklich begangen wurde. Zwar geht das Verhältnis, das Liebenstein zwischen den ausgehobenen und den geworbenen Truppen zu sehen wünscht, aus seinen Ausführungen nicht klar hervor; aber auch sonst hat er mancherlei Übereinstimmungen mit jenem Gesetz, wie die Einrichtung der Reserve oder die meisten Festsetzungen der Dienstzeit, natürlich auch die zum Wesen der Kon- skription gehörenden Prinzipien der Stellvertretung und der Auslosung.

Die Stellvertretung, das Remplacement, war als napo- leonische Einrichtung den ehemaligen Rheinbundsländern vertraut®). Sie lag darum Liebenstein näher als die neue ' preussische Einrichtung des Einjährigen Dienstes, die dem gleichen Zwecke diente, alle Härten zu vermeiden, welche sich aus der allgemeinen Verpflichtung zum Dienst im stehenden Heere ergeben könnten. Ferner nahm Lieben- stein die Auslosung an, weil er durch den Zufall des Loses alle Willkür bei Auswahl der Tauglichen ausschalten wollte. Freilich waren dies nun auch gerade die beiden Begleit- erscheinungen der Konskription, die am leichtesten An- griffsflächen auf das ganze System boten, Rotteck war in seiner Schrift noch nicht auf diese konkreten Einzel-

1) Alfred Stern, Gesch. Europas I 133/5. ?) Über stehende Heere etc. S. 39. ?) Mürmann a. a. O. S. 34. *) Verordnung von 1812 $ 12.

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heiten eingegangen; später aber hat er immer wieder gerade hier eingesetzt, wenn er gegen das System loszog, das den Staat zum Leibherren der nachwachsenden Gene- ration mache und den Anschein erwecke, als seien wir sin den Staat getreten, um »Leben und Gliedmassen den Würfeln anzuvertrauene; oder wenn er noch deutlicher die -beiden Hauptangriffspunkte bezeichnete, indem er die Kon- skription einem Steuersystem verglich, welches die Steuern nach dem Los verteile und dann noch obendrein dem Reichen, den es zufällig getroffen habe, gestatte, die für ihn geringfügige Leistung billig loszukaufen!). Allgemeine Wehrpflicht will Liebenstein so gut, wie Rotteck oder die preussischen Reformer sie fordern; Gegner dieses Prinzips sind damals nur die ehedem Privi- legierten?2. Aber wie unendlich gross ist nicht nur der Unterschied zwischen Rotteck und den anderen, welche die allgemeine Wehrpflicht mit der Institution des stehenden Heeres verbinden wollen; auch diese Verbindung selbst ist bei Liebenstein so ganz anders gedacht als im Boyenschen Wehrgesetz. Beide haben zur Voraussetzung die Über- zeugung, dass ein gutes stehendes Heer die unentbehr- liche Bildungsschule für die ganze Nation sei; so bezeichnet es der $ 4 des Wehrgesetzes von 1814, und mit ähnlichen Worten redet auch Liebenstein immer wieder von dem stehenden Heere als der Pflanzschule für die Landwehr. Aber wie ganz anders ist das gemeint! Denn da er mit Rotteck von der Anschauung ausgegangen ist, dass die Friedenspräsenzstärke grundsätzlich so weit wie nur mög- lich herabgesetzt werden müsse, so entspricht es offenbar seinem Plane, dass die Zahl der Freigelosten relativ hoch wird, während Boyen seine Heeresverfassung wenigstens prinzipiell auf den Gedanken aufbaute, dass die Landwehr wesentlich aus gedienten Mannschaften bestehen müsse. Dem entsprechen denn auch die Vorschriften, die Lieben- stein über die Landwehrübungen macht. Sie sollen alle Jahr zwei Monate, im März und September, durch die Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten des stehenden Heeres,

1) Vgl. z. B. Landtag v. 1822. I. K. Heft I. S. 185/7. ?) Meinecke, Boyen II 144 ff. Zeitschr, f. Gesch. d. Oberrh, N.F. XXX. ı. 3

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Rekrutierung einführen wollte'),. Das ist es, was auch Liebenstein will, und er selbst erwähnt auch gelegentlich in seiner Schrift die damaligen, gegen die Konskription gerichteten Deklamationen Chateaubriands und das Klassen- interesse, welches dieser Führer der Ultras mit seinen Standesgenossen dabei verfolgte?). Auch manchem andern fiel damals schon die seltsame und auf so verschiedenen Wegen zustande gekommene Übereinstimmung auf, mit der Rotteck den französischen Legitimisten im Angriff auf die napoleonische Konskription begegnete®). Da wird man nicht fehlgreifen, wenn man zur Erklärung der Art, wie Liebenstein die beiden entgegengesetzten Prinzipien, frei- willige Werbung und zwangsweise Aushebung, zu ver- einigen sucht, auf diesen seltsamen Ausweg hinweist, der sich in Frankreich durch die tatsächliche Lage aufzwang und dann auch wirklich begangen wurde. Zwar geht das Verhältnis, das Liebenstein zwischen den ausgehobenen und den geworbenen Truppen zu sehen wünscht, aus seinen Ausführungen nicht klar hervor; aber auch sonst hat er mancherlei Übereinstimmungen mit jenem Gesetz, wie die Einrichtung der Reserve oder die meisten Festsetzungen der Dienstzeit, natürlich auch die zum Wesen der Kon- skription gehörenden Prinzipien der Stellvertretung und der Auslosung.

Die Stellvertretung, das Remplacement, war als napo- leonische Einrichtung den ehemaligen Rheinbundsländern vertraut®). Sie lag darum Liebenstein näher als die neue preussische Einrichtung des Einjährigen Dienstes, die dem gleichen Zwecke diente, alle Härten zu vermeiden, we sich aus der allgemeinen Verpflichtung zum Digg stehenden Heere ergeben könnten. Ferner nahgy stein die Auslosung an, weil er durch den Zgģ alle Willkür bei Auswahl der Tauglicheeigif Freilich waren dies nun auch ga erscheinungen der Konskriptior griffslächen auf das ganzg in seiner Schrift noch |

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1) Alfred Stern, Ge S. 39. ®) Mürmann

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heiten eingegangen; später aber hat er immer wieder gerade hier eingesetzt, wenn er gegen das System loszog, das den Staat zum Leibherren der nachwachsenden Gene- ration mache und den Anschein erwecke, als seien wir in den Staat getreten«, um »Leben und Gliedmassen den Würfeln anzuvertrauen«; oder wenn er noch deutlicher die beiden Hauptangriffspunkte bezeichnete, indem er die Kon- skription einem Steuersystem verglich, welches die Steuern nach dem Los verteile und dann noch obendrein dem Reichen, den es zufällig getroffen habe, gestatte, die für ihn geringfügige Leistung billig loszukaufen!).

Allgemeine Wehrpflicht will Liebenstein so gut, wie Rotteck oder die preussischen Reformer sie fordern; Gegner dieses Prinzips sind damals nur die ehedem Privi- legierten?2). Aber wie unendlich gross ist nicht nur der Unterschied zwischen Rotteck und den anderen, welche die allgemeine Wehrpflicht mit der Institution des stehenden Heeres verbinden wollen; auch diese Verbindung selbst ist bei Liebenstein so ganz anders gedacht als im Boyenschen Wehrgesetz. Beide haben zur Voraussetzung die Über- zeugung, dass ein gutes stehendes Heer die unentbehr- liche Bildungsschule für die ganze Nation sei; so bezeichnet es der $ 4 des Wehrgesetzes von 1814, und mit ähnlichen Worten redet auch Liebenstein immer wieder von dem stehenden Heere als der Pflanzschule für die Landwehr. Aber wie ganz anders ist das gemeint! Denn da er mit Rotteck von der Anschauung ausgegangen ist, dass die Friedenspräsenzstärke grundsätzlich so weit wie nur mög- ch herabgesetzt werden müsse, so entspricht es offenbar ‚Eiadii, dass die Zahl der Freigelosten relativ hoch 0 Boyen seine Heeresverfassung wenigstens Gedanken aufbaute, dass die Landwehr diente ‘schaften bestehen müsse. | rschriften, die Lieber-

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die in die einzelnen Militärbezirke geschickt werden, ab- gehalten werden; dass in diesem Punkte jenes aus der Not des Augenblicks diktierte »Krümpersystem« Scharn- horsts zum Ideal militärischer Ausbildung erhoben wird!) ist um so offenbarer, als Liebenstein gymnastische Übungen der Knaben und Jünglinge als zweckmässigste Vorbereitung der Landwehrmannschaft bezeichnet und dazu ausdrücklich als Vorbild auf die preussischen Turnanstalten hinweist, deren Nachahmung er empfiehlt sohne Rücksicht auf selt- sam gehässig wirkende Vorurteile, wie er bedeutsam an- deutend hinzufügt. Das stehende Heer wird hier zur Kriegsschule. Die Kasernenerziehung wird zwar nicht so völlig abgelehnt wie bei Rotteck, aber es soll vollauf genügen, wenn sie auf diesem indirekten Wege der Landwehr zugute kommt. Die Landwehr aber gilt als der eigentliche Stamm und Kern des Heeres. Diese hohe Meinung über die Land- wehr war ja schliesslich eine auch in der Boyenschen Heeresverfassung zum Ausdruck gekommene Anschauung der ganzen Zeit und eine durch die Siege von ı813 her- vorgerufene Reaktion gegen die napoleonische Einschätzung der Kasernenarmee; es war die Überzeugung, dass die Entscheidung des Krieges stets von der Tüchtigkeit der Landwehr abhänge und dass darum jene Anschauung falsch sei, nach welcher die Kasernenarmee, höchstens noch durch einige eingegliederte Reserveformationen verstärkt, als das allein und in Wirklichkeit schlagfertige Heer zu betrachten und dementsprechend in grosser Zahl bereitzuhalten sei. Immer wieder sagt Liebenstein, die Begeisterung der Nationalstreiter entscheide die Schlachten und es seien darum nicht mehr Truppen in den Kasernen zu halten, als die Ausbildung der Landwehr dringend erfordere. Diese Ansicht über den Wert der Kasernenarmee für den Krieg hegte man damals fast allgemein, nur über die Bedeutung der Kasernenerziehung war man geteilter Meinung. Militärische Theoretiker kämpfen seit einem Jahr- hundert und mehr um diese Frage. Sie hatte ganz

1) Vgl. Hermann Meerwarth, D. öffentl. Meinung in Baden von den Freiheitskriegen bis zur Erteilung der Verfassung 1815—1818. Diss. Heidel- berg 1907 S. 67.

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abgesehen von ihrer finanziellen Seite im Sinne der Zeit schon darum auch ihre politische, weil ein unpopu- lärer Krieg durch eine auf der Landwehr beruhende Heeres- verfassung schwer zu ermöglichen war!). Obwohl Lieben- stein keineswegs so wie Rotteck auch in den aus National- streitern zusammengesetzten stehenden Heeren eine be- ständige Gefahr für den Frieden sah, so lässt sich doch schon daraus, dass er das ganze Kriegswesen auf den Elan und die Begeisterung der Massen baute, offenbar mit Sicherheit schliessen, dass er nur Volkskriege für möglich und berechtigt hält und dass das Volk es in der Hand haben soll, unberechtigte Kriege zu verhindern. Dem ent- spricht es auch, dass er zwar der vollziehenden Gewalt den Beschluss über Krieg und Frieden zuerteilt, aber der von ihm geforderten Repräsentation das Recht zuerkannt haben will, die Greeldmittel und die Zustimmung zum Auf- gebot der Landwehr zu verweigern. Damit ist die tat- sächliche Entscheidung über Krieg und Frieden von ihm den Händen der Regierung entwunden. Bei Rotteck kam das auf bewusste Verhinderung jeder auswärtigen Politik hinaus. Man kann das von Liebenstein sicherlich nicht sagen; denn bei’ ihm steht nicht im Hintergrunde aller Ausführungen der allgemeine Satz, dass die Demokratie der Friede sei und Kriege nur immer im Königsschlosse gemacht würden. Wir haben ja schon gehört, wie er bei aller Begeisterung für Freiheit und Humanität doch über die Institution des Krieges anders gedacht hat als seine der auswärtigen Kämpfe überdrüssig gewordene Generation. Aber er kennt immerhin die Möglichkeit notwendiger und doch unpopulärer Kriege sehr genau, und selbst die »un- würdige Gesinnung« fasst er ins Auge, dass ein Volk dem anstürmenden Feinde entgegenjubeln und von ihm die innere Befreiung erwarten könnte.. Es mag unter dem Eindrucke, den der Verlauf der Revolutionskriege hinter- lassen hat, geschrieben sein, wenn Liebenstein jetzt davor warnt, dem Auslande sich anzuschliessen aus Begeisterung für seine Ideen und ein Vaterland ohne Verfassung der

') Über andere politische Gründe für die Beliebtheit der Landwehr vgl. Mürmann a. a, O. S. 69 ff. 3 4

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Verteidigung für unwert zu halten; denn der Sieger erkenne den Unterschied zwischen Monarchen und Volk nicht an. Er warnt auch hier wieder angesichts der Lehren der Weltgeschichte, deren grosses Ihema er öfters in die Horazischen Verse von den Sünden der Könige, welche die Achäer büssen müssen, glaubt kleiden zu können: ‚niemals dürfen wir das Heil fremden Söldnern anver- trauen, heilig sei uns unser Volkstume. Aber freilich, auch angesichts solcher Möglichkeiten wird ihm die Stellung des Militärs im Zusammenhang der bürgerlichen Gesell- schaft keineswegs zu einem Problem; er bleibt in der Sache auf dem Boden der üblichen militärischen For- derungen der damaligen konstitutionellen-freiheitlichen Be- wegung. Das zeigt sich vor allem auch darin, dass er jedesmalige Feststellung der stehenden Heeresmacht durch ein förmliches Verfassungsgesetz wünscht, den Konflikts- anlass zwischen Volksvertretung und Regierung, der in dieser Forderung lag, hat er nachmals nur durch seine kluge, aber im Grunde doch auf ein Zurückweichen hinauskommende Parlamentstaktik aus dem Wege räumen können!). Und auch sonst tragen seine Forderungen meist das Gepräge der militärischen Wünsche des damaligen Bürgertums: so will er Vereidigung des stehenden Heeres nicht nur auf den Fürsten, sondern auch auf die Ver- fassung, so wünscht er weitgehende Mitwirkung der bürger- lichen Behörden bei der Auslosung und Musterung der Rekruten, so will er strenge Trennung der Militärverdienst- orden von den Hoforden mit Einrichtung eines eigenen

1) Auf dem Landtag von 1822; als hier diese Frage bei der Beratung des Konskriptionsgesetzes ($ 7 des Entwurfes) Gegenstand eines Konfliktes zwischen Landtagsmehrheit und Regierung zu werden drohte, da ist es gerade Liebenstein gewesen, der auf diesem Landtag Abgeordneter und Regierungs- kommissär zugleich die Sache auf dem Wege einer eigenen Motion zu behandeln riet, um so wenigstens das Konskriptionsgesetz, das viele Erleich- terungen des bisherigen Zustandes enthielt, glatt unter Dach und Fach zu bringen. Er bestritt bei aller Anerkennung ihrer theoretischen Wichtigkeit die praktische Bedeutung der Frage, weil die Bundespflicht auch dem zweifel- losesten Bewilligungsrechte vorangehe und von keiner Militärbehörde anzu- nehmen sei, dass sie von sich aus über diese Bundespflicht hinausgehen werde (Landtag ı822 II. K. Bd. VIII S. 93/5). Die Motion aber kam nachher wegen Schluss des Landtages nicht mehr zur Verhandlung.

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Ordenskapitels und Sparsamkeit bei der Verteilung am liebsten aber wäre ihm die Erteilung von Ehrenwaffen. Nur die Forderung der Offizierswahl durch die Mannschaften liegt ihm ferner; er lässt sie für die Landwehr nur in sehr geringer Ausdehnung gelten, während er die Linienoffiziere durch die vollziehende Gewalt ernannt haben will; doch darf dabei keine Rücksicht auf Geburt und Stand obwalten, sondern es soll die Tüchtigkeit massgebend sein, sei es durch eine wissenschaftliche Vorbildung auf der Kriegs- schule, sei es nach Bewährung in einem Dienste von der Picke auf. Das napoleonische Beförderungssystem ist hier zwar nicht völlig kopiert, aber doch immerhin deutlich wiederzuerkennen, und Liebenstein hat sich auch zu ihm auf dem Landtag von ı8ıg offen bekannt, als er dort die Forderung begründete, die Heeresverwaltung solle die badische Kriegsschule wieder auf ihre ursprüngliche Aus- dehnung einer reinen Artillerieschule zurückbringen!). Und nicht nur in diesen militärischen Dingen zeigt sich, dass Liebenstein in diesen Jahren als Anhänger der freiheitlichen Forderungen sich betätigt hat; er hat sich auch sonst damals viel mit ihnen beschäftigt und sich immer wieder gestärkt am Studium der englischen Ver- fassung und der französischen Parlamentskämpfe. Das zeigen besonders seine aus jenen Jahren überlieferten Be- merkungen über Pressfreiheit?), in denen er unter Berufung auf Englands Praxis und die Theorien des französischen Liberalismus®) den Satz bekämpft, dass unter einer freien Verfassung die Zensur wünschenswerter sei als die Freiheit der Presse mit Verantwortlichkeit für den Verfasser und den Verleger. Die Grundgedanken, aus denen er nachher auf dem Landtag von ı8ı9 seinen grossen Plan eines Pressgesetzes entwickeln sollte, sind hier alle schon ange- geben: die stete Betonung des Unterschieds zwischen einer festbestimmten, durch Gesetze bedingten Freiheit und einer schrankenlosen Lizenz; die liberale Anschauung der Zeit,

1) Landtag 1819 II. K. Heft VIII S. 134/6. ?) Noten zu den »Be- merkungen über die Aufgaben vom freien Geistesverkehr«e in Ludens »Neme- - sise II 2. °) Er nennt eine kürzlich zu Paris herausgekommene Broschüre über Pressfreiheit von Benjamin Constant; gemeint ist damit wohl Constants Flugschrift »de la liberté des brochures« Paris 1814.

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dass jeder die Folgen seines Tuns selber zu tragen habe und es nicht Sache des Staates sei, das Individuum einzu- engen, lediglich um es vor Schaden zu bewahren; die naturrechtliche Überzeugung, dass die freie Meinungs- äusserung als ein eingeborenes Recht jedes Menschen nicht, wegen des möglichen Missbrauches, einer vorherigen polizeilichen Kontrolle unterworfen werden. dürfe. Auch die Forderung, dass Geschworenengerichte zur unabhängigen Entscheidung von Pressvergehen die notwendige Voraus- setzung der Pressfreiheit seien, ist hier im Hinweis auf England leise mitangedeutet. Aber neben den Forderungen und Plänen steht immer gleich daneben die Einsicht der jüngsten Zeit, dass das alles ja frommer Wunsch wird bleiben und die Hoffnung der Menschen sich immer noch werde bescheiden müssen.

Klarer noch tritt diese Stimmung der Restaurations- zeit in ihrer Mischung von Vorwurf, Forderung und Resignation aus einem Aufsatze hervor, den Liebenstein im Jahre 1817 für die »Aarauer Zeitung« geschrieben, aber, wie er selbst bemerkt, aus gewissen Ursachen nicht ab- gesendet hat. Mit noch ungleich grösserer Erbitterung als zwei Jahre vorher wirft er jetzt den Machthabern vor, wie schmählich sie das siegreiche Volk in seinem lauten Ver- langen nach einem künftigen, besseren und würdigeren Zustand betrogen hätten; wie bei aller Verworrenheit der Stimmen damals doch das letzte Ziel der Sehnsucht dem ganzen Volke deutlich vorangeleuchtet habe und wie nun nicht einmal die Selbständigkeit dem Auslande gegenüber gesichert worden sei. Dem Wiener Kongress aber macht er es zum Vorwurfe, dass er auch die letzten Hoffnungen getäuscht und statt der geforderten landständischen Ver- fassungen, die wie in England eine echte Volksrepräsen- tation sein und nicht wie die alten Ordnungen einzelne Stände repräsentieren sollten, nichts weiter als den Art. 13 der Bundesakte zutage gefördert habe!), Nun liege die

1) In einer Note sagt er, es bedürfe wohl kaum einer Bemerkung, dass er unter solchen untergegangenen Ordnungen die grossenteils sehr volkstüm- liche alte Verfassung Württembergs nicht verstehe. So die Anschauung des damaligen Konstitutionalismus vom Württemberger Verfassungskampfe.

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Entscheidung beim Bundestag, bei einem zweiten Regens- burger Reichstag! Und das alles, weil Österreich und Preussen uneins gewesen und weil die Furcht vor dem Geiste von 1789 die Machthaber beseelte: diese Furcht habe den Kleinen ihre rheinbündische Souveränität gerettet! Immer von neuem gibt Liebenstein der tiefen Sehnsucht der Zeit nach verfassungsmässiger Freiheit Ausdruck und ` verwirft die »von Norden kommende« Lehre, dass das Volk zu einer Verfassung noch nicht reif sei dieses Volk, das den Schimpf der Fremdherrschaft durch eigene Kraft ge- tilgt habe! Auch warnt er, man möge nicht etwa durch halbe Massregeln, durch beratende Provinzialstände, dem Volke den Schein für die Sache geben. Schon sei es hohe Zeit, wenn man nicht unter den beständigen Vorwürfen . uneingelöster Verheissungen den letzten Rest des Ver- _ trauens aufzehren wolle, so dass aus der allgemeinen Un- zufriedenheit schliesslich der Umsturz der bestehenden Verhältnisse hervorgehe. »Das wird nicht heute geschehen und auch nicht morgen«, aber es kämen auch wieder Tage der Gefahr, und niemand vermöge dann vorherzubestimmen, welche Frucht aus solchem Samen aufgehen werde. So schliesst er mit düstren Worten eines ernsten Mahners. Aber die Erbitterung, die hier schon 'bis zu warnenden Drohungen gelangt ist, enthält nichts von Hilflosigkeit und verzweifelnder Ohnmacht. Seine Warnungen sind geboren aus der Sorge um Volk und Zukunft, und noch steht neben ihnen aufrecht der Glaube an den Geist der Zeit, der nicht zurückschreitet und, ‘wenn es sein muss, auch über Ruinen sich Bahn bricht. Aber gerade darum, weil Liebenstein die zukünftige Entwicklung in ruhige Wege lenken will, erhebt er seine mahnende Stimme. Das war im Jahre 1817. Das folgende Jahr sollte die Verwirklichung bringen und an die Stelle des Zornes und der Enttäuschung den Dank für die Erfüllung setzen und neue Hoffnung erwecken, dass nun wirklich der Völkerfrühling angebrochen sei; denn auch Lieben- stein glaubt wie dieses ganze, eben erst aus den Jahr- hunderten des Despotismus herausgekommene Geschlecht, dass eine Verfassung die Erlöserin von allen © "hen sein werde.

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Man wird wohl nirgends diesen ganzen allmählichen Stimmungswandel jener Generation in so scharfem und so ergreifendem Lichte verfolgen können, als wenn man die Reden nacheinander liest, die Liebenstein von 1814 bis 1818 jedes Jahr am 18. Oktober bei der nächtlichen Gedenkfeier der Leipziger Schlacht auf dem Schutter- lindenberge bei Lahr gehalten hat!). Im ersten Jahre ist die ganze Rede ein einziger grosser Jubel über die wunder- bare Fügung des Schicksals, ein von Selbstgefühl und Dank getragenes Bekenntnis, durchglüht von dem Willen und dem Schwur, jederzeit bereit zu sein, wenn der be- siegte Feind abermals die Knechtschaft bringen wollte; dass aber der eben erfochtene Sieg seine Früchte zeitigen „werde und dass auch die innere Freiheit »von der segens- reichen Versammlung der erhabenen Befreier« sicher aus- gehen werde, das ist in diesem Jahre so ausserhalb jedes Zweifels, dass es in der allgemeinen Hoffnungsstimmung auf eine beglückende Zukunft gar nicht besonders heraus- gehoben wird. Das folgende Jahr bringt schon die ersten Zweifel; schon wird dem Unwillen Ausdruck verliehen, dass nun zum zweiten Male die Grossmut der Sieger den Feind geschont habe und die Ernte des Sieges ausbleiben müsse. Aber aufrecht erhält noch die grosse Erwartung, mit der die Völker nach Wien zu dem Rate der Fürsten schauen. Man wusste noch nicht, wie schon bei der Er- öffnung des Kongresses klar geworden war, dass die Staatskunst der alten Welt wieder hervorgekommen und die Restauration der vor 25 Jahren zusammengesunkenen Ordnung beschlossene Sache war. Erst bei der Feier des Jahres ı816 kam die Enttäuschung und der betäubende Schlag, der die Gemüter getroffen hatte, klar zum Vor- schein. Die Rede jenes Jahres lässt die ganze Gedrückt- heit vermuten, welche so rasch nach dem Kriege die Menschen erfasst und den alten Herrschergewalten den

1) Die völlig ausgearbeiteten Konzepte der Reden liegen im Manu- skripte in Liebensteins Nachlass. Drucke davon sind nachweisbar von der Rede von 1814 (Freiburger Wochenblatt 1814. 29. X. Nr. 87), sowie von 1815 u. 1818 (Besitz der Freiburger Universitätsbibliothek); dazu noch Ludens »Nemesis« Bd. V. Stück IV ır. (1815) S. 595 ff. und Bd. VIII Stück III 4 (1816) S. 419 ff.

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Weg zur Restauration gebahnt hat. Eine schlechte Ernte hatte Teuerung, Hunger und Elend über die Leute ge- bracht, in wirtschaftlichen Sorgen zergrämten sie sich und hatten nicht Sinn mehr, auf dem Schwarzwalde wie früher die Feuer zu entzünden. So war denn die einsame Ge- denkfeier auf dem Schutterlindenberge beklemmt von der Angst vor den furchtbaren Folgen eines unglückseligen Jahres. Aber Liebenstein hatte zur Feier aufgerufen, weil er in all der Not und Bitterkeit doch der Sehnsucht der Zeit Worte leihen wollte. Die Sorge wegen der Hungers- not beruhigte er mit dem Vertrauen auf eine weise und gerechte Weltregierung, aber für die Angelegenheiten des Staates vermochte auch er kein Wort der Hoffnung mehr zu finden; die Erwartungen vom vorigen Jahre hatten sich als eitel erwiesen, und von der bevorstehenden Er- öffnung des Bundestages war bei der Geheimtuerei der Diplomaten nichts Gutes mehr zu erhoffen. Die trübe Stimmung lässt es für misslich halten, von künftigen Dingen überhaupt mit Zuversicht zu reden und am aller- wenigsten in der deutschen Angelegenheit eine bestimmte Hoffnung anzuregen. Und im folgenden Jahre ist das in dieser Sache nicht anders geworden. Zwar kann Lieben- stein jetzt die Hand der gütigen Vorsehung preisen, die Scheunen und Speicher gefüllt und das Volk am Rande des Abgrundes glücklich vorbeigeführt hat. Aber die trüben politischen Ahnungen des vorigen Jahres kann er nicht anders denn gerechtfertigt finden. Er weiss, dass die Schuld daran nicht die Männer zu Frankfurt trifft, »die an der Spindel des deutschen Bundes den endlosen Faden drehen«; aber er beklagt es, dass die Machthaber die Ver- ewigung des deutschen Zwiespaltes beschlossen haben und das verheissene, grosse und freie Vaterland nun vermisst werden müsse. Nur Eines tröstet ihn auch über dies hin- weg: von der entbehrten politischen Freiheit der Deut- schen wendet er sich zur geistigen Freiheit und preist im Jubeljahre der Reformation die Wittenberger Geistes- bewegung als die andere grosse Tat des deutschen Volkes neben der Leipziger Schlacht. Es war noch nicht lange her, und Liebenstein gedenkt selber der Tat- sache dass die Aufklärung diesem Geschlechte die

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Reformation in ganz anderem Lichte hatte erscheinen lassen; jetzt wird Luthers Tat unter dem Eindrucke der hereinbrechenden geistigen und politischen Reaktion selber zu einem Stück Aufklärung.

Aus der Wirklichkeit und ihren Enttäuschungen flüchtet man die letzten Reste von Hoffnung in die reine Region des Geistes. Aber schon ist der Umschwung nahe, und die nächste Rede, am 18. Oktober 1818, zeugt nun von einer ganz anderen Stimmung. Die Verfassung ist erlassen, für Baden ist »eine der schönsten Früchte der Leipziger Schlacht gereift«; aus der Siegesfeier wird eine Verfassungs- feier, wird ein Dank an den »gütigen Vater, der die Stimmen seiner Kinder vernommen«, an den »gerechten Fürsten, der das heisse Sehnen seines Volkes erhört hate. Das Bewusst- sein, frei und selbständig geworden zu sein »auf dem Boden des gesicherten Rechtes« durchzieht diese letzte Rede, dem alten Opfergelöbnis und dem alten Jubel sind die trüben Stimmungen gewichen. Und wie die Reden den Wechsel der Erlebnisse und inneren Regungen dieser Jahre wider- spiegeln, so wandelt sich auch der Sinn, den man in die Flammen des Höhenfeuers hineinlegt. Das erste Mal sollten sie ein Dankopfer sein für den Sieg und das Symbol einer besseren Zukunft, ein Abbild des heiligen Feuers der Vater- landsliebe, das in den Herzen der Bürger lodert und mit ihrem Schwure bekräftigt wird; dann aber, als sie einsam geworden sind und »in ringsumfangenden Nebeln ihr Strahl sich bricht«s, da werden sie zum Ausdruck der Sehnsucht in Nacht und Not, zum Sinnbild von Freiheit und Vater- land. Zuletzt aber kommt auf »die lange Nacht banger Erwartung ein strahlender Morgen«: »Nicht eitles bedeu- tungsloses Spielwerk waren die Feuersäulen, die nun schon eine Reihe von Jahren hindurch von den Höhen unserer Berge zum Himmel emporgestiegen sind. Es lag ein tiefer Sinn in dem Scheine dieser Flammen. Sie waren die Morgenröte einer aufgehenden neuen Zeit, des Zeitalters der verfassungsmässigen Freiheit«.

So spiegelt sich in Liebensteins Reden das Fühlen einer ganzen Zeit, und es spiegelt sich in ihnen auch die Gestalt des Redners selbst. Sie sind geschrieben mit sicherer Kraft des Wortes und mit musikalischem Rhythmus,

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mit einer wunderbaren Macht der Sprache, die prächtig dahinrauscht in ihrem aufregenden und fortreissenden Pathos, ihren gedrungenen Sätzen und ihrer Häufung treffender Attribute, ihrem Reichtum an scharf zugespitzten und über- raschenden Wendungen, mit ihren Tropen, Vergleichen und ihrem ganzen rhetorischen Schmuck. Und nicht nur in der Diktion, auch im Geiste der Worte lebt etwas vom Wesen Schillers, von dieser Gewalt des Willens und der Hingabe, diesem Schwung der Persönlichkeit und dem Rausche der Begeisterung, dessen Echtheit überhaupt erst gerade diesen Stil ermöglicht hat; es weht durch diese Reden die unge- brochene Kraft des Glaubens und Wollens einer trotz aller Erfahrung nicht irre gewordenen Generation.

Nachtrag.

Satz und Korrektur vorstehender Arbeit waren bereits vollendet, als die Abhandlung von Artur Fickert »Montesquieus und Rousseaus Einfluss auf den vormärzlichen Liberalismus Badens« erschien (Leipziger histor. Abhand- lungen hrsg. von Brandenburg, Seeliger, Wilcken Heft 37. Leipzig 1914). Der Verfasser hat für seine Untersuchung (S. 85—95) den Liebenstein’schen Nachlass durch den früheren ' Besitzer, den inzwischen verstorbenen Geh. Oberregierungsrat Freiherrn Gustav Adolf von Liebenstein, zur Einsichtnahme erhalten, hat ihn aber, entsprechend seinem Thema, lediglich dazu benutzt, um das Verhältnis von Liebensteins Anschauungen zu den politischen Be- griffen und Gedanken Montesquieus und Rousseaus festzustellen. Er hat sich daher im wesentlichen auf Heranziehung der beiden Liebensteinschen Manuskripte von 1809 und 1810 (vgl. oben Seite 6 u. Io) beschränkt. Unsere beiden Untersuchungen laufen also nicht parallel; ich freue mich aber feststellen zu können, dass an jenem Punkte, wo sie sich miteinander berühren, ihre beiden verschiedenen Wege, der vergleichende wie der ent- wicklungsgeschichtliche, doch zu dem gleichen Resultate und Urteil geführt haben.

Der Name »Elsass«.

Von

Ferdinand Mentz.

E. Herr hat S. 7—53 des vorigen Jahrgangs dieser Zeitschrift eine neue Erklärung des Namens »Elsass« ver- sucht. Er begründet sein Unternehmen mit der Behauptung, dass die heute fast allgemein vertretene Deutung »Fremd- sitz, Ausland« schliesslich doch nicht zu genügen vermöge und gerade ein wichtiger Punkt bei der etymologischen Erklärung ausser Acht gelassen worden sei, nämlich den als Gaubezeichnung auftretenden Namen mit anderen, ety- mologisch nicht streitigen Gaunamen in Parallele zu stellen. Da ich die heute fast allgemein gültige Deutung m. W. als letzter vor Herr eingehend behandelt habe), wird es gerechtfertigt sein, dass ich hier zu Herrs neuer Erklärung Stellung nehme.

Ich muss zuvörderst einige Missverständnisse berich- tigen, die Herr bei der Beurteilung meines bescheidenen Anteils an der Erklärung des Namens unterlaufen sind. Seine Ausführungen auf S. 9 erwecken nämlich den Ein- druck, als ob ich der erste gewesen sei, der im Gregensatze zu Zeuss angenommen hätte, dass der Name Alisaz »Fremdes Land« nicht von den erobernden Alemannen- scharen, sondern von ihren rechts des Rheins zurück- gebliebenen Volksgenossen geschaffen worden wäre. Ich habe diese Ansicht jedoch nur erwähnt als die ge- wöhnliche und anscheinend nächstliegende Annahme. Tat-

1) Reichsland Elsass-Lothringen III, 253 f. und Vogesenblatt (Beilage z. Strassb. Post) 1903, Nr. 18 u. 19.

Der Name »Elsass«. 45

sachlich ist sie, soviel ich sehe, zuerst von Förstemann ausgesprochen worden, Er bezeichnet!) das Elsass als »das Land der anders, d. h. auf dem andern Ufer Sitzenden« und denkt dabei ohne Zweifel an den Rhein. Ähnlich nennt Müllenhoff?) die Elisäzon »die jenseits des Rheins. Neuer- lich ist diese Auffassung, allerdings zweifelnd, vorgetragen worden von Kluge®), Es ist augenscheinlich, dass eine solche Bezeichnung für die Elsässer nur von denjenigen rechtsrheinischen Germanen ausgehen konnte, die dem Elsass gegenüber wohnten, also von den rechtsrheinischen Alemannen. Herr führt aber dann merkwürdigerweise aus, es habe mir wahrscheinlicher gedünkt, dass die über dem Rhein zurückgebliebenen Franken dem Lande den Namen gegeben hätten. Diese Ansicht habe ich nicht geäussert, konnte es gar nicht, weil eben rechtsrheinisch Alemannen wohnten, sondern nur gesagt, dass der Name auch von den Franken herrühren könne; natürlich hatte ich dabei die nördlich des Elsass, in der heutigen Rheinpfalz, sitzen- den Franken im Sinne. Hierüber wird noch zu sprechen sein. Auch in der Frage, ob der Landesname oder der Bewohnername das Frühere ist, gibt H. meine Ansicht nicht ganz richtig wieder. Ich habe nämlich nicht, wie er S. ıg sagt, dem Landesnamen die Priorität zuerkannt, sondern ich glaube nur bewiesen zu haben, dass er nicht (grammatisch) aus dem Bewohnernamen abgeleitet werden kann. Ebensowenig allerdings der letztere aus ihm. M. E. sind beide Namen, so wie sie ungefähr gleichzeitig überliefert werden, auch gleichzeitig entstanden, wie dies auch in der Natur der Sache lag. Es sind parallele Bil- dungen, gerade wie saz und säzo, die beide aus sizzan gebildet sind, ohne dass man sagen kann, das eine sei älter als das andere. Dass der Name »Elsässer« dann später von dem Landnamen abgeleitet worden ist, hat hiermit nichts zu tun.

H. glaubt nun, dass die bisherige Deutung des Namens zunächst aus sachlichen Gründen nicht zu halten sei. Er

1) Die deutschen Ortsnamen (Nordhausen 1863), S. 132 f. ?) Deutsche Altertumskunde 2, S. 116. °) Etym. Wtb.7, S. 112 »Elisäzzo« eigtl. ‚Be- wohner des andern Rheinufers‘?

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weist darauf hin, dass unter den Namen der Völkerwan- derungszeit kein einziger sei, der mit ihm in Parallele gebracht werden könnte. Die deutschen Stämme jener Zeit hätten überhaupt für die von ihnen eroberten Länder nicht neue Namen geschaffen, sondern der Stammes- oder Sippenname sei mit ins neue Gebiet gewandert und habe es benannt, falls nicht eine schon vorhandene Bezeichnung übernommen werden konnte. Dem steht aber beim Elsass das Zeugnis des Ermoldus Nigellus entgegen. Dieser sagt ausdrücklich, dass die Franken dem Lande den Namen gegeben hätten, und wir haben die Pflicht, sein Zeugnis so lange für wahr zu halten, als das Gegenteil nicht ein- wandfrei erwiesen ist, umsomehr, als der Name wirklich erst seit der fränkischen Herrschaft im Elsass auftritt. Herr meint freilich, gerade wenn sie das Land benannt hätten, hätten sie ihm nicht einen solchen Namen geben, nicht das schöne Land, in dem sie sich häuslich niedergelassen, ein »Fremdland« nennen können. Darauf ist folgendes zu erwidern:

Erstens: Wie ich schon angedeutet habe, waren die Namengeber wahrscheinlich gar nicht die Franken, die im Lande selbst sassen, sondern diejenigen, die im Norden des Landes, in der heutigen Rheinpfalz, von wo aus die Franken ja ins Elsass eindrangen, zurückgeblieben waren. Diese wussten, dass ihre Stammesgenossen unter stammfremder Bevölkerung sassen, waren also durchaus berechtigt, sie “als »Fremdsitzer«e, als Bewohner eines »fremden Landes« zu bezeichnen. |

Zweitens: Aber auch die Bewohner des Landes selbst konnten ohne (rewissensbisse das schöne Land, ihre zweite Heimat, Alisaz nennen. Man hat nämlich gar nicht nötig, diesem Namen einen so abfälligen Sinn unterzulegen, wie er sich durch die unwillkürliche Verbindung mit ahd. alilanti ‚Elend‘ ergibt. Er bedeutete weiter nichts als »anderes Land, anderer Sitz«, steht also auf gleicher Stufe mit »Neuland, Neu- dorf, Neustadt« usw. Auch »Elend« hatte nicht von jeher seinen üblen Klang. Wenn zu mittelhochdeutscher Zeit jemandem »ellender win« vorgesetzt wurde, so brauchte er ihn durch- aus nicht mit denselben Gefühlen zu betrachten, die man heute einem »elenden Wein« entgegenbringt, sondern er

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musste ihn mit Verstand trinken, denn es war auslän- discher Wein. In fränkischen Gegenden (bei Würzburg) heissen heut noch Flurteile, die an der Gemarkungsgrenze einer Gemeinde liegen »Am Elend«, d. h. an einem anderen Geländet),. Auch den übrigen ahd. Bildungen mit ali- (eli-), wie elibenzo (alienigena), eliporo (peregrinus), alirarto (von anderer Sprache, barbarus), altsächsisch elithioda (anderes Volk) u. a. wohnt durchaus nicht ohne weiteres verächtlicher Sinn inne, und die zahlreichen Per- sonennamen, die mit ali- (eli-) beginnen?), beweisen erst recht, dass man sich nichts Schlimmes dabei dachte.

Drittens: Wenn man in Erwägung zieht, dass Ermol- dus Nigellus gern ein bisschen mit seiner Kenntnis der fränkischen Sprache prunkt und fränkische Namen gern erklärt), kann man sogar die fragliche Stelle

Terra antiqua, potens, Franto possessa colono,

Cui nomen Helisaz Francus habere dedit +) geradezu für die Bedeutung »fremdes Lande anführen: der Franke, der das Land als Ansiedler besitzt, hat ihm den Namen gegeben; als Ansiedler sitzt er eben in fremdem Lande.

Der weitere Einwand H.s, dass bei allen uns bekannten Zusammensetzungen mit ali- (eli-) der Begriff des Unbe- kannten mit gegeben sei, bei Alisaz aber nicht, ist durch- aus unzutreffend. In keiner der vorhandenen liegt er not- wendig, er kann darin liegen, z. B. in alirarto (barbarus), aber er muss nicht. Das zeigt sich auch in den oben angeführten Beispielen ellender win und am Elend (Flur- name) und ganz besonders durch die Verwendung des ali- in Personennamen. Trotzdem führt die genaue Be- stimmung der Bedeutung des ali- uns einen Schritt weiter. In ali-, gerade wie in dem verwandten lat. alius, liegt nämlich nicht der Begriff des anderen von zweien, son-

1) Vgl. Schmidkontz. Korrbl. des Gesamtvereins 1905, Sp. 369. Über die sonstigen dort vorgebrachten Flurnamendeutungen Sch.s soll damit kein Urteil abgegeben werden. ?) Vgl. Förstemann, Altdt. Namenbuch I2, Sp. 79—84. 3) Vgl. die völlig richtige Deutung des Namens Ludwig {In honu. Hlud. I, 49 f.) und die etwas dunkle des Namens Theutramnus (ebd. IV, 657 £.). *) In laud. Pipp. I, 77 f. (nicht In hon. Hlud. imp., wie Herr S. 13 irrig angibt).

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dern des anderen im Gegensatz zu einem überhaupt. Alisaz heisst also nicht der andere Sitz, sondern ein anderer Sitz. Daraus folgt, dass Alisäzon nicht die auf dem andern Rheinufer Sitzenden bezeichnen konnte, son- dern nur die »anderswo wohnenden«!). Der Name kann demnach nicht wohl von den rechtsrheinischen Alemannen ausgegangen sein, sondern es erhöht sich die Wahrschein- lichkeit, dass er von den (pfälzischen) Franken stammt.

Aber auch formell erscheint H. die Bildung alisaz = »Fremdsitz« abenteuerlich. Er meint S. 23, »dass das Wort saz, wenn es Sitz bedeuten soll, unbedingt einen Bewohnergenitiv vor sich erfordert und jede andersgeartete Bildung sich von der Sprechweise des Althochdeutschen entfernte. Ja sogar das Sprachgefühl soll sich gegen eine solche Bildung sträuben! Leider ist aber gleich der zweite der Namen Gocensaz ünd Ufsaze, die er für seine Be- hauptung anführt, ein Beweis gegen dieselbe. Ufsaze ist nämlich nicht »Sitz des Ufo«, sonst müsste es Ufen- saze heissen), sondern es ist eine Bildung etwa wie Auf- kirch (Weiler bei Überlingen) und hat seinen Namen wahrscheinlich von seiner erhöhten Lage. Ein Personen- name steckt jedenfalls nicht darin. Und Namen wie Neu- sass, Obernsees haben ebensowenig einen Personen- genitiv als ‚ersten Teil. Auch dieser Einwand hat also kein Gewicht.

Ein sprachlicher Einwand lässt sich allerdings erheben, dieser aber ist H. entgangen. Alle andern mit saz ge bildeten Namen, wie Grossensass, Aufsess (Ufsaze) usw. bezeichnen nämlich nicht Länder oder grössere Gebiete, sondern durchweg Ansiedlungen: Schlösser, Dörfer, Städte.

1) Der Name entspricht genau dem der gallischen Allobroges; Förste- mann vermutet deshalb in der 2. Bearb. des Ortsnamenbandes seines Alt- deutschen Namenbuches (1872), Sp. 59, dass der Name der Allobroger über- . setzt und auf ihre Nachkommen übertragen wäre. Eine Vermutung, die viel für sich hätte, wenn die Elsässer die Nachkommen der Allobroger wären, leider sind sie es aber nicht. In der neuesten Ausgabe des Förstemannschen Werkes von Jellinghaus ist diese Stelle denn auch unterdrückt. ?) Die Namen auf o spielen in den Ortsnamenerklärungen überhaupt eine zu grosse Rolle. So erklärt das badische Topogr. Wtb. z. B. Gersbach (alt Geris- pach) als Bach des Gero statt des Geri, Neibsheim (alt Nichbodesheim) als Heim des Nichbodo statt Nichbod.

Der Name »Elsas:«. 49

Hier liegt eine wirkliche Schwierigkeit, und sie vergrössert sich noch dadurch, dass zu keinem der Bewohnernamen, die der Bildung Elsâzen entsprechen, wie Holtsaten (Holsten, Holstein), Wurtsaten (Wursten) eine dem Namen »Elsasse entsprechende Bildung, die, weil auf niederdeut- schem Gebiet, etwa Holtsat, Wurtsat zu lauten hätte, nachweisbar ist. Elsass »Fremdsitze ist also tatsächlich eine einzigartige Bildung, wenn auch nicht in dem von Herr gemeinten Sinne. Es ist aber keine unmögliche oder den Sprachgesetzen und dem Sprachgeist widersprechende Bildung, und dass auch sachlich nichts Stichhaltiges gegen sie vorzubringen ist, glauben wir oben bewiesen zu haben.

Dies überhebt uns jedoch keineswegs der Pflicht, die von H. aufgestellte neue Erklärung zu prüfen und festzu- stellen, ob sie der bisherigen etwa sachlich und sprachlich vorzuziehen ist.

Herr macht zunächst darauf aufmerksam, dass die meisten oder wenigstens eine grosse Anzahl der deutschen Gaue nach Flüssen benannt seien. Dies ist zweifellos richtig und, nebenbei bemerkt, eine Bestätigung der von Burk !) aufgestellten, von Rietschel?) gebilligten Erklärung des Wortes »Gau« nach welcher dasselbe eine Kollektiv- bildung zu »Aue« (urspr. »wasserdurchflossenes Lande) ist. Es lässt sich also nichts dagegen einwenden, auch in dem Namen Alisaz, vorausgesetzt, dass es ein alter Gauname ist, einen Flussnamen zu suchen. Aber wenn Herr nun aus pagus Alisacinsis und den übrigen für das Land überlieferten Bezeichnungen einen Flussnamen Alisaca konstruiert und behauptet, dass dies der frühere Name für die Ill gewesen sei, so verfällt er genau in denselben Fehler, den erim Anfang seines Aufsatzes (S. 7) der Descriptio Teutoniae vorwirft, die in einer »Zeit, in der eine wissen- schaftliche Behandlung etymologischer Fragen unbekannt war ... den Namen, der in der latinisierten Form »Alsatia« beliebt war, von einem Flussnamen Alsa ableitete, obgleich man nicht zu sagen wusste, ob der allein in Frage kom- mende Illfluss wirklich je so geheissen hatte. Denn das

1) Ztschr. f. dt. Wortf. 2, S. 341 f. ?) Bei Hoops, Reallex. der

germ. Altertumskde 2, 124. Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. N.F. XXX. ır. 4

50 Mentz.

muss mit allem Nachdruck betont werden Alisaca ist für die Ill ebensowenig überliefert wie Alsa, es ist auch nicht der Schatten eines Beweises vorhanden, dass die Ill jemals diesen Namen geführt hätte. Es ist dies sogar durchaus unwahrscheinlich, denn wenn das ganze Land wirklich nach diesem alten Namen des Flusses benannt war, dann war es doch viel natürlicher, dass der Fluss seinen alten Namen auch behielt und nicht umgetauft wurde!) Was H. dann weiter beibringt, um seine neue Schöpfung auch sprachlich zu rechtfertigen, kann ebenfalls nur die entgegengesetzte Wirkung haben. Er sieht näm- lich in den Schlussilben -saca eine ältere Form der Endung -sca, die sich öfter in Flussnamen vermutlich ligurischen Ursprunges findet. Namen wie Brusca (Breusch), Cara- nusca (Kanner) und Isca (Isch) hätten also ursprünglich Brusaca, Caranusaca, Isaca gelautet. Belege für diese Formen kann H. aber ebensowenig geben wie für Ali- saca?) Dagegen treten die Flussnamen auf -sca bereits 117 v. Chr. in der Tafel von Genua) auf. Schon damals müssten also die in dieser Inschrift enthaltenen Namen das a von »-saca« verloren gehabt haben, in dem einzigen, angenommenen Alisaca aber soll es mehr als ein halbes Jahrtausend später noch erhalten gewesen sein! Da dies undenkbar ist, so lässt sich H.s Schöpfung durch diese Namen in keiner Weise stützen, und es sind auch alle : weiteren Erörterungen, ob dies Alisaca in Alis-aca zu zerlegen sei und aca dem lat. aqua entspreche, müssig. Ebenso natürlich alle Betrachtungen, wie es gekommen, dass der Name sich verloren (was, wie oben ausgeführt, überhaupt unwahrscheinlich wäre), ob er ligurisch oder keltisch gewesen, usw. . Nur darauf sei noch hingewiesen, dass, wenn wirklich

1) Vgl. dazu Herrs Äusserung S. 24: »Gerade die Namen von Gewässern erhalten sich mit grosser Stetigkeit durch den Wechsel der Bevölkerung hin- durche. 2) Für Isaca beruft er sich S. 34 auf Holder, Altcelt. Sprach- schatz I, sub »—aca«.. Die Form Isaca, die Holder dort tatsächlich, aber ohne Beleg, anführt, kehrt jedoch beim Buchstaben J nicht wieder, auch bei ` Isca nicht, Holder scheint also keinen Beleg dafür zu haben. Auch an der Stelle des Ptolemäus, nach welcher »Zeuss, Gramm. celtica«, S. 806, "Ioaxa anführt, liest Holder Tona. 3) C. J. L. I, 199.

ee Gene EEE.

Der Name »Elsass«. 51

dem Namen »Elsass« eine Form Alisac (mit c = k), wie sie Herr annimmt, zugrunde läge, daraus unbedingt nicht Alisaz, Elsass, sondern Alisach, Elsach geworden wäre, vgl. Breisach (monte Brisiaco), Illzach (Hilciacum) usw. Vollends unglücklich ist die Zusammenstellung mit dem Stadtnamen Borbetomagus. Einmal ist das Suffix -ac-, wo es wirk. lich in keltischen Namen vorkommt, z. B. bei mons Bri- siacus, Tolbiacum, von magus (vgl. Brocomagus, Neomagus) durchaus zu trennen, und sodann ist die Form Wormaz, Worms, die der Verfasser mit Elsaz in Parallele stellt, gar nicht die Fortsetzung der vollen Form Borbeto- magus, sondern, wie Behaghel in seiner treffenden Wider- legung t) der Herrschen Hypothese ausführt, einer schon früh entstandenen abgekürzten Form, die in der Form Gormetia bezeugt ist. Das z (s) von Wormaz, Worms ist also regelrecht aus ursprünglichem t entstanden, wie bei Elsass (urspr. Alisat, vgl. noch die niederdeutsche Form Elsatan bei Galbert v. Brügge) und nicht, wie H. meint, aus c.

Ein Fortschritt in der Lösung dieser »elsässischen Frage« ist demnach in Herrs Ausführungen nicht zu erblicken.

1) Frankfurter Ztg. 1914, Nr. 169, 2. Morgenbl.

Die geistlichen Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert.

Von Karl Stenzel.

. Fortsetzung).

V.

Die Stadt Strassburg konnte im Interesse ihrer Bürger Bemühungen, die auf eine Wiederherstellung der Autorität der geistlichen Gerichte draussen im Lande ausgingen, nur mit Freuden begrüssen. Aber es war doch vorauszusehen, dass Albrecht, der wie übrigens auch schon sein Vor- gänger in seiner letzten Regierungszeit ganz von dem Bewusstsein seiner Stellung als geistlicher Fürst und Landes- herr erfüllt war, auch der Stadt gegenüber diese Bestrebungen zur Geltung bringen und seine in den Privilegien ihm vom Kaiser verbrieften Hoheitsrechte mit allem Nachdruck wahrnehmen und verteidigen würde. Die Kämpfe, die darüber ausbrachen, mussten um so heftiger werden, als der Rat, seitdem der Ansturm auf das Insiegleramt miss- lungen war, und infolge der zunehmenden politischen und finanziellen Verselbständigung und Kräftigung des Stiftes sich hier keine Aussicht mehr auf weitere Eroberungen und Erfolge bot, jetzt rücksichtslos darauf ausging, die dem Bischof in der Stadt noch zustehenden Befugnisse sowie . die von der Geistlichkeit beanspruchten Vorrechte, die mehr und mehr als lästige und unter Umständen gar gefährliche Fremdkörper empfunden wurden, völlig zu beseitigen und

1) Vgl. diese Zeitschrift N.F. 29, S. 365 ff.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 53

vor allem die Stadt selbst und ihre Bürgerschaft auf Grund ihrer Freiheiten aus dem Wirkungsbereich der geistlichen Gerichtsbarkeit auszuschliessen,

Schon unter Bischof Ruprecht war es bei den Ver- handlungen in den Jahren 1465 und 1466 wegen der ein- ander entgegenstehenden Privilegien von Stadt und Stift zu bewegten Auseinandersetzungen gekommen'). Als Ruprecht damals der Forderung des Rats, dass auf Grund der der Stadt erteilten Freiheiten kein Bürger vor fremde Gerichte gezogen werden dürfe, entgegenhielt, er sei doch noch höher gefreit, da nach den Privilegien, die er als Landesherr und Inhaber des Stiftes besitze, alle Güter an dem Orte, da sie gelegen seien, verrechtet werden müssten, und betonte, der Rat verpflichte sich alljährlich eidlich, des Stiftes Ehre, also auch dessen Freiheiten zu beobachten, fühlten sich die Strassburger durch diese Vorrangsansprüche des Bischofs in ihren Privilegien gefährdet und waren darüber äusserst aufgebracht, zumal da sie darauf hinweisen konnten, dass der Bischof, wie schon sein Vorgänger, am Anfang seines Regiments feierlich alle Freiheiten und Rechte der Stadt beschworen habe. Schliesslich hatte man sich dahin geeinigt, diese Streitfrage, da darüber so rasch keine Einigung zu erwarten stand, vorläufig aus den Er- örterungen auszuscheiden und auf einer besonderen Tagung für sich zu besprechen. Da aber Ruprecht die Rechte, die er als Kirchenfürst für sich beanspruchte, für weit über den weltlichen Privilegien stehend ansah und daher von dieser Abmachung nicht berührt glaubte, nahm er während der weiteren Verhandlungen immer wieder auf seine »geist- liche Freiheit«e Bezug. Die Stadt jedoch, die den kirch- lichen Forderungen niemals einen derartigen Vorrang ein- räumen konnte oder mochte, erhob dagegen Protest und führte, da der Bischof damit die Abrede gebrochen habe, nun auch ihre Privilegien, die sie als den geistlichen Frei- heiten völlig gleichwertig betrachtete, seinem Anbringen gegenüber ins Feld; zur Vorsorge für solche Konflikte mit geistlichen Gewalten war sie stets darauf bedacht gewesen,

1) Vgl. diese Zeitschrift Bd. 29, S. 384 fl. und S. 441. Material im Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 107, fol. 114 ff. u. 87.

54 Stenzel.

sich von der jeweiligen höchsten kirchlichen Autorität, von jedem Papst, sowie von den Konzilien für alle ihre Frei- heiten, darunter vor allem für die den Gerichtsstand ihrer Bürger betreffenden, urkundliche Bestätigungen ausstellen zu lassen!), Zum Austrag waren diese Fragen damals nicht gekommen. Unter Albrecht begannen gleich in den ersten Jahren seiner Regierung die Auseinandersetzungen aufs neue; wie immer bildeten natürlich einzelne Streitfälle den Anlass.

Im Juli 1481 hatte der Fiskal einen Laien, den er gelegentlich einer im Auftrage des Bischofs unternommenen Klosterrevision im Stephansstift bei einer Domfrau ertappt und festgenommen hatte, angeblich ohne ihn zu zwingen, nach Zabern gebracht, wo ihn Albrecht gefangen setzen liess?). Während die Stadt in dem Vorgehen des Bischofs einen schweren Verstoss gegen ihre Gerichtshoheit sah und die Auslieferung des Gefangenen forderte, lehnte Albrecht das ab, da St. Stephan als Kloster und Gotteshaus zu seinem Stift gehörig und ihm unterworfen sei, und der Laie sich ein Vergehen gegen die geistliche Obrigkeit zu Schulden habe kommen lassen, Den letzteren Gesichtspunkt machte er auch in dem ungefähr zur gleichen Zeit sich abspielenden Falle des Ritters Hans Ludwig von Müllenheim geltend’), der beschuldigt wurde, ein Siegel des geistlichen Gerichts, das er von einer echten Urkunde abgelöst hatte, in be- trügerischer Absicht an ein anderes Dokument angeheftet zu haben, und liess den Ritter deshalb von seinem Fiskal, dem in diesem Falle zur Untersuchung noch ein. besonderer Prokurator beigegeben worden war, vor das Offizialat vor- laden. Als sich darauf Müllenheim, der Strassburger Bürger war, vor Meister und Rat zu Recht erbot, schickte Albrecht zwei seiner Räte, den Oberschultheissen von Zabern Kaspar von Mittelhausen und seinen Kanzler Gottfried Quinckener, zur Stadt und liess sie ersuchen, das rechtliche Verfahren in dem Handel, der nach seiner Meinung dem geistlichen Gericht zustand, nicht zu stören. Er hatte damit aber wenig

1) S. unten S. 73 ff. ?) Briefwechsel im Strassb. Stadtarch. AA 1531. 3) Briefwechsel im Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 212—219, vgl. auch die Verhandlungen von 1483 im Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 107 fol. 167 ff.

. Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 55

Erfolg, da der Rat sich nun seines Bürgers auf das eifrigste annahm und den Fiskal und den Prokurator durch zwei Herren auffordern liess, mit der Klage bis auf weiteres stille zu stehen; wirklich erhielten diese auch von dem Zaberner Oberschultheissen, an den sie der Fiskal verwiesen hatte, im Namen des Bischofs die Zusage, dass, obwohl gerade in dieser Zeit schon die gerichtliche Mahnung an den Angeklagten erging, innerhalb der nächsten vier- zehn Tage keine weiteren Rechtsschritte unternommen werden sollten. Damit war Zeit gewonnen für neue Unterhandlungen mit Albrecht, der als Antwort auf das Anbringen seiner Gesandtschaft ein Schreiben erhielt, worin _ die Stadt kraft ihrer Freiheit ihm nahelegte, Müllenheim mit geistlichem Recht unbekümmert zu lassen und seinem Rechtserbieten Folge zu leisten. Der Bischof willigte darauf in einem Schreiben vom 29. Juli zwar in den vierzehn- tägigen Aufschub ein, wies jedoch auf die Privilegien hin, die sein geistliches Gericht von Päpsten, Kaisern und Königen erhalten habe, und betonte, dass der Misshandel des Ritters an des Gerichts Insiegel auch billigerweise vor dem Offizial gerechtfertigt werde; sollte sich aber während der Verhandlungen herausstellen, dass die Sache laut der städtischen Freiheit vor Meister und Rat gehöre, so sei er bereit, sie dahin weisen lassen.

Aber eben diese Entscheidung wollte die Stadt im Interesse ihrer eigenen Gerichtshoheit nicht in den Händen der vom Bischof abhängigen Offiziale belassen; vielmehr stellte sie sich auf den Standpunkt, dass auf Grund ihrer Privilegien für alle Klagen, die sich gegen Laien, die das Bürgerrecht hatten oder in Strassburg ansässig waren, rich- teten, auch für die, die von Geistlichen angestrengt wurden, als alleinig zuständiges Gericht ausschliesslich der Strass- burger Rat in Betracht käme, der dann die Sachen, wenn sie ihrer Natur nach vor die geistliche Gerichtsbarkeit ge- hörten, an die Offizialate zu verweisen hätte; wurde da- gegen ein Geistlicher von einem Laien, etwa einem Bürger verklagt, so wollte die Stadt wenigstens in der Theorie dem geistlichen Gericht den Vorrang zugestehen, ausser in Erbangelegenheiten, die nach altem Herkommen vor Meister und Rat verrechtet werden sollten. Da abgesehen

56 Stenzel.

von den bisher erörterten Fällen diese von den Strass- burgern vertretenen Rechtsgrundsätze eben damals auch durch den Priester Jakob von Reichshofen verletzt worden waren, der den Bürger Heinrich Friburger wegen einer schon vor dem kleinen Rate anhängig gemachten Änge- legenheit mit geistlichem Gerichte belangte, und da eine Greesandtschaft, die der Rat in den Personen der Ratsherren Hans von Kageneck und Konrad Dunzenheim wegen dieser schwebenden Händel an den Bischof nach Zabern abfer- tigte, nichts ausrichtete, beschloss die Stadt, diese Ge- legenheit nun zu einem allgemeinen Ansturm gegen die geistliche Gerichtsbarkeit zu machen und die den Streitig- keiten zugrunde liegenden prinzipiellen Fragen wieder ein- mal eingehend zur Sprache zu bringen. Sie erhob daher in einem ausführlichen Schreiben vom ı3. August bei Albrecht die Beschwerde, dass die geistlichen Richter der Diözese ihre .Bürger neuerdings im Widerspruch zu den städtischen Freiheiten und dem althergebrachten Herkommen, deren Beobachtung ihr zu Anfang seiner Regierung er und das Domkapitel in einer unter beider Insiegel aus- gestellten Urkunde feierlich gelobt hatten‘), tribulierten und vor allem auf Klagen von Geistlichen auch um welt- liche Dinge vor sich lüden; unter ihrem alten »Herkommen« verstand sie dabei ihren eben entwickelten Rechtsstand- punkt. Für den Fall, dass der Bischof in den drei er- Örterten strittigen Angelegenheiten den Wunsch der Stadt, dass darin dieser »gemeinen gewonheit« nachgegangen werde, nicht erfüllen wollte, bat sie ihn, seine Räte zur gütlichen Läuterung dieser Streitfragen auf freundliche Tage zu senden, wo sie zusammen mit den Herren vom Stift und Vertretern des Rates die Dinge besprechen könnten. Darauf ging Albrecht ein und setzte sich mit dem Kapitel in Verbindung. Aber die Verhandlungen, die nach mehrfacher Verzögerung endlich im September zustande kamen, zeitigten keine Ergebnisse, da natür- lich Bischof und Kapitel der Stadt keine Zugeständnisse machten und ihr so »verzwicktes Antwort auf ihre Be- schwerden gaben?), dass die Ratsboten im Unwillen und

1) Strassb. Stadtarch. AA 1522. ?) Strassb. Stadtarch. AA 1507 fol. 62 (undatierte, aber sicher hierher gehörige Aufzeichnung).

‚Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 57

unverrichteter Dinge die Beratungen abbrachen,; ebenso blieb es auch bei Besprechungen t), die im Frühling und Sommer des folgenden Jahres stattfanden.

Im Herbst 1482 brachten dann zwei weitere Zwischen- fälle neue Bewegung in die Debatte. Als der Rat nämlich damals einen Menschen, angeblich des Namens Jörg Rech- berger?), der sich in Strassburg mit Pferden und Knechten aufhielt und anscheinend auf grossem Fusse lebte, wegen seines verdächtigen Treibens in Stadt und Umgegend fest- nehmen liess, gestand dieser, dass er der Sohn eines Ess- linger Schneiders sei und in Wirklichkeit Jörg Gruse heisse, und behauptete schliesslich, da er totwürdiger Verbrechen welcher Art, wird uns in den Akten nicht mitgeteilt überführt wurde, er sei in seiner Jugend im Kloster Otten- beuren in den Benediktinerorden eingetreten und dort zum Priester geweiht worden. Obwohl sich nun kein geistliches Zeichen an ihm fand und sich vorläufig nicht feststellen liess, ob man es nicht mit einem Schwindler zu tun hatte, verlangte nun Bischof Albrecht, sowie er von dem Vorfall hörte, von dem Rat Auslieferung des Gefangenen samt seiner Habe, da dieser Priester sei, und hielt an dieser For- derung fest, auch als die Stadt ihm auf Grund der Aus- sagen die tatsächliche Lage darlegte und erklärte, sie werde Rechberger zunächst bis zum 30. November gefangen halten, wo sie gelegentlich eines gütlichen Tags, der dann vor dem Strassburger Rat in den Händeln zwischen dem Abt und etlichen Konventsbrüdern von Ottenbeuren abgehalten würde, sich Gewissheit verschaffen könnte. Mochte der Bischof noch so sehr darauf hinweisen, dass er gegen den Gefangenen nach Gebühr verfahren und ihn unter Um- ständen sogar in sein Kloster verschicken werde, dass Rechberger seine Verfehlungen zum Teil auch im Stifte sich zuschulden hatte kommen lassen, mochte er mit weiteren Schritten zur Handhabung seiner und seiner Stifts- geistlichkeit Freiheit drohen, falls der Rat den angeblichen Mönch weiter gefangen behalten oder gar freilassen werde —,

m ol 0.

1) Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 107, fol. 139, fol. 135. ?) Korre- spondenz im Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 204—211; vgl. auch die Verhandlungen von 1483 im Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 107, fol. 167 ff.

58 Stenzel.

die Stadt gab nicht nach und stellte sich zur grossen Ent- rüstung des Bischofs auf den Standpunkt, dass, auch wenn Gruses Angaben richtig seien, er als Ordensmann nicht Albrecht, sondern dem Papst und den Obern des Ordens oder des Klosters zustehe. `

Noch erregter gestalteten sich die ungefähr gleich- zeitigen Auseinandersetzungen über den in der Stadt wohnenden Priester Jörg Dritzehn !), einen, wie es scheint, äusserst gewalttätigen Menschen, der schon mehrfach grobe Ausschreitungen begangen hatte. Weil er kurz zuvor auf offener Strasse in der Stadt den Strassburger Bürger Lien- hard Mor, mit dem er in Streitigkeiten lag, statt ihn vor dem Rate rechtlich zu belangen, mit einem offenen Messer von hinten her unvermittelt überfallen und am Kopf ver- wundet hatte, wobei nur durch die Dazwischenkunft von in der Nähe befindlichen Leuten Schlimmeres verhütet worden war, hatte ihn der Bischof gefangen nehmen lassen, in Strafe genommen und erst wieder freigegeben, nachdem er sich durch eine Verschreibung verpflichtet hatte, nie mehr sich dergleichen zuschulden kommen zu lassen, auch künftig nicht mehr zu Laien auf die Wirtsstuben zu gehen, kein langes Messer mehr zu tragen und sich nachts nicht mehr auf den Gassen herumzutreiben; falls er sich dagegen noch einmal verfehlen sollte, konnten ihm seine Pfründen genommen und er selbst aus der Diözese ausgewiesen werden. Zugleich hatte nun aber auch Lienhard Mor den Priester vor dem Rate auf Grund des städtischen Rechtes um Schmerzensgeld und Abtrag verklagt. Als dies dem Dritzehn mitgeteilt wurde, hatte er sich zunächst Bedenk- zeit genommen, war dann aber zu den angesetzten Ter- minen nicht erschienen. Der Ungehorsam wurde ihm um so schwerer angerechnet, als er sich mit seiner Gewalttat auch gegen die althergebrachte Freiheit der Stadt, dass in ihr ein jeder Mensch Frieden haben sollte, vergangen hatte und auch für diesen Frevel Besserung schuldig war. Da Mor seinem Recht weiter nachging und zugleich der tägliche Lebenswandel des gewalttätigen Priesters deutlich dafür Zeugnis ablegte, dass die vom Bischof verhängte

1) Ebenda.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 59

Strafe keinen Eindruck auf ihn gemacht hatte und er sich auch um die von'ihm ausgestellte Verschreibung wenig kümmerte, tat ihn der Rat in »der gemein gebott«, d. h. er erliess an die Bürgerschaft das Gebot, das niemand künftig mit Dritzehn irgendwie Gemeinschaft haben, ihm mahlen oder backen dürfe, und gab bekannt, dass, wer ihm etwas Leides zufügte, damit gegen die Stadt nicht gefrevelt habe!). Weil er nun so im Stadtgebiet vogelfrei war, blieb dem Priester nichts anderes übrig, als Strassburg zu verlassen. Als er sich beim Bischof darüber beschwerte, wandte sich dieser in einem energischen Schreiben an die Stadt, worin er deren Vorgehen als einen schweren Ein- bruch in seine geistliche Regierung und in seine Straf- gewalt brandmarkte; der Rat blieb ihm aber darauf die Antwort nicht schuldig und erklärte nach eingehender Darlegung des Falles, recht ironisch, ein Mensch, der sich so wenig priesterlich verhalte wie Dritzehn, verdiene nicht die Bezeichnungen »ehrsam« und »andächtig«,, die ihm Albrecht in seinem Schreiben zugebilligt hatte; wenn der Bischof wirklich, wie er angab, ein Liebhaber der Ehrbar- keit sei, dann finde er hoffentlich an dem Betragen des Priesters keinen Gefallen. Jedenfalls wäre es der Stadt lieber, wenn Dritzehn künftig seine ausserhalb Strassburgs gelegene Pfründe versähe und die Bürgerschaft ungeirrt liesse. Da Albrecht sich mit ihrem Bescheide nicht zu- frieden gab und das über den Priester erlassene Gebot für unrechtmässig erklärte, fertigte ihn der Rat. kurzweg mit dem Ersuchen ab, er möge der Stadt weiter keinen Ein- trag in ihre Obrigkeit tun, die sie auf diese Weise gehand- habt habe, und sie eines weiteren Schriftwechsels und Anzugs überheben. Daraufhin erneuerte am ı2. Dezember der Bischof seine Forderungen wegen der beiden um- strittenen Geistlichen und setzte, falls die Stadt auf ihrem Standpunkt verharrte, auf Grund der zwischen ihnen am Anfang seiner Regierung abgeschlossenen freundlichen Einung?) auf den 20. Januar 1483 einen rechtlichen Tag nach Molsheim an, wo die schwebenden Streitfragen aus- getragen werden sollten.

1) Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 107, fol. 126 u. 129. ?) Strassb. Stadtarch. AA 1522.

60 Stenzel.

Während der über drei Tage währenden Molsheimer Verhandlungen t), die sich vor einem Schiedsgericht ab- spielten, das sich unter geringfügiger Abweichung von den Bestimmungen der Einung aus je zwei Vertretern der Stadt (Ammeister Peter Schott und Hans Völtsch) und des Bischofs (Ritter Klaus Berer und Kaspar von Mittelhausen) zusammensetzte, kamen alle zwischen den beiden Parteien bestehenden Reibungspunkte zur Sprache; aber die Haupt- rolle spielte dabei doch die Frage der geistlichen Gerichts- barkeit. Wir können uns mit Hilfe der einzelnen hierzu angeführten Streitpunkte ein deutliches Bild davon ent- werfen, wie die beiderseitigen Bestrebungen innerhalb der Stadt zum Ausdruck kamen und aufeinander stiessen.

Um dem privilegierten Gerichtsstand des Klerus, mit dem es Albrecht wohl nicht zuletzt unter Geilers Einfluss wieder mehr ernst nahm, die nötige Grundlage zu schaffen und eine allzu ärgerliche Verquickung der Geistlichen mit weltlichen Händeln zu vermeiden, drang Albrecht darauf, dass die Priester sich auch im Alltagsleben mehr von dem Volke absonderten und vor allem, was schon Ruprecht vergeblich angestrebt hatte, nicht auf den Wirtsstuben der Laien verkehrten. Er hatte auch wirklich erreicht, dass die Geistlichen sich zu einer eigenen Gesellschaft zusammen- schlossen, Häuser mieteten, darin eigene Stuben errichteten, in denen kein Laie verkehren durfte; da aber die Kleriker von dem aufgelegten Weine auf Grund ihrer geistlichen Freiheit kein Ungelt bezahlen wollten, waren sie darüber mit der Stadt, die ihnen natürlich gegenüber den weltlichen Gesellschaften keine bevorzugte Stellung zugestehen wollte, in Konflikt geraten, fanden jedoch jetzt bei ihrem Bischof eifrige Unterstützung. Dem gleichen Bestreben, seine geistliche Oberhoheit und Gerichtsbarkeit zu fördern, sollte auch ein erneuter Angriff auf die Stellung der Pfaffen- bürger und der Versuch, für das Priestergesinde Exemp- tion von der weltlichen Gerichtshoheit wenigstens in be- schränktem Umfange zu erringen, dienen. Mit Nachdruck vertrat er gegenüber dem von der Stadt für die Regelung

1) Das Protokoll ist mehrfach überliefert im Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 107, fol. 152—161, 167—189, 192—208, ein Teil auch fol. 141—148.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 61

des Rechtsverkehrs zwischen Geistlichen und Laien einge- nommenen Standpunkt die prinzipiellen Forderungen, die auf Grund des kanonischen Rechts alle Sachen, an denen Geist- liche irgendwie als Partei beteiligt waren, für die geistliche Gerichtsbarkeit in Anspruch nahmen, und wollte höchstens in Erbschaftsangelegenheiten eine Ausnahme zugestehen; die Übergriffe.des Ratesin die Rechtssprechung in Eheangelegen- heiten und in der causa stupri seu deflorationis bekämpfte er scharf und erhob gegen die Stadt schwere Vorwürfe, weil sie auf die Beamten des geistlichen Gerichts mit Druck und Zwangsmassregeln einzuwirken suchte und gerade da- mals wieder den Pedell gefangen gelegt hatte.

Aber er stand hier der Stadt gegenüber doch allmählich auf einem verlorenen Posten; mit Schärfe wies diese alle seine Ansprüche zurück, führte ihre von Kaiser, Papst und Konzilien bestätigten und erneuten Privilegien, ihre Ge- richtshoheit und die ihr herkömmlich zustehenden und von ihr in Besitz genommenen Rechte mit Energie ins Feld und riet dem Bischof, dafür zu sorgen, dass seine Gerichts- beamten durch eine einwandfreie Haltung und Amts- führung ein Eingreifen des Rates unnötig machten, wobei sie ihm besonders das unfertige Leben auf den Schreib- stuben und einen Fall, wo widerrechtlich über Minder- jährige der Bann verhängt worden war, entgegenhielt. Dass die Stadt bereits überall in erfolgreichem Vordringen war, zeigen ihre ersten .Vorstösse gegen das Frönungs- recht der Offizialate, die damals zur Sprache kamen. Noch hielten sich diese in bescheidenen Grenzen; der Rat suchte vor allem missbräuchliche Anwendung der Frönungen gegen Fremde, die gerade in der Stadt weilten oder dort Waren liegen hatten, denen aber die Strässburger auf Grund be- sonderer Verträge in ihre Heimat rechtlich nachfolgen mussten, zu verhindern, und verstand es immer, wenn ein Gut mit geistlichem und mit weltlichem Gericht gefrönt worden war, seinem Stabe ohne Rücksicht darauf, ob er den Offizialaten zeitlich zuvorgekommen war oder nicht, den Vorrang zu sichern. Natürlich wurden auch die ein- zelnen Streitfälle, die den unmittelbaren Anlass zu diesen Verhandlungen gegeben hatten, ausgiebig erörtert. Wäh- rend in der Sache Hans Ludwigs von Müllenheim der

62 Stenzel.

Bischof gegenüber der Freiheit der Stadt den in Verträgen mehrfach festgesetzten Grundsatz, dass Frevel da, wo sie geschehen seien, verrechtet werden müssten, zugunsten seines geistlichen Gerichtes zur Geltung zu bringen suchte, gerieten die städtischen Vertreter besonders wegen der Inanspruchnahme der geistlichen Freiheit für Dritzehn in Harnisch und erklärten, wenn sie für einen solchen Frevel, wie der Priester ihn begangen, nicht Strafe verhängen und Abtrag fordern dürften, dann sei die Stadt der Pfaffen Eigen und die Bürger ihre Gefangenen; ja, sie verstiegen sich gar zu der Drohung, sollte Dritzehn ihr Verlangen nach Besserung des Frevels und Zahlung des Schmerzens- geldes nicht erfüllen, so würde man sich unter Umständen genötigt sehen, den Bürgern zu befehlen, wenn künftig ein Pfaffe an einem von ihnen dergestalt freveln würde, einander zu helfen und den Täter tot zu schlagen! Obwohl sich zum Schlusse beide Parteien dem Urteil des Schiedsgerichtes unterwarfen, scheint kein Spruch er- folgt zu sein; wenigstens ist uns nichts davon überliefert. Eher ist wohl eine gütliche Einigung über einzelne Punkte zustande gekommen, und zwar lässt sich das, während wir vom Ausgange des Müllenheim- und des Dritzehn- handels nichts weiter wissen, mit einiger Wahrscheinlich- keit von‘ der Angelegenheit des Jörg Gruse behaupten, über dessen Schicksal während der Verhandlungen eifrig gestritten worden war. Wenigstens liegt im Stadtarchiv ein undatierter Entwurf zu einer Urkunde vor, in der Bischof Albrecht bekennt, dass die Stadt ihm diesen Priester über den man übrigens anscheinend wohl, weil die Tagung in der Ottenbeurer Sache nicht zustande gekommen war, nichts näheres hatte erfahren können samt seiner Habe übergeben habe, und erklärt, dass er sie gegenüber allen ihr daraus erwachsenden Forderungen schadlos halten werde, und die Auslieferung Gruses ihr an ihren Priv legien unnachteilig sein solle!), also künftig nicht als Präzedenzfall angezogen werden dürfe. Ob die Urkunde wirklich ausgefertigt wurde, lässt sich allerdings nicht fest- stellen. Damit kamen, soweit wir wenigstens sehen, diese

1) Strassb. Stadtarch. AA 1536.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 63

Auseinandersetzungen über die geistliche Gerichtsbarkeit zu einem vorläufigen Stillstand und Abschluss; in den nächsten Jahren spielten sie keine besondere Rolle, son- dern traten stark zurück, um allerdings dann am Ende der achtziger Jahre wieder mit voller Schärfe loszubrechen.

Wir sind über die einzelnen Streitfälle, die den un- mittelbaren Anlass zu dieser erneuten Diskussion bildeten, für diesmal weniger gut unterrichtet, da die einschlägigen Akten grossenteils fehlen und wir uns infolgedessen zu- meist mit ganz allgemeinen Angaben und kurzen Er- wähnungen begnügen müssen. An »Fällen« fehlte es ja nie, wenn man sie wollte und nach Konfliktsstoffen suchte; hielt doch der Bischof unbeirrt an den von ihm vertretenen Grundsätzen fest und ging auch die Stadt ihrerseits von ihrem den geistlichen Gerichten gegenüber einmal einge- nommenen Standpunkt nicht ab. Vielmehr hatten sich die Gegensätze ständig verschärft, da seit der Wiederherstellung des Einvernehmens zwischen Bischof, Kapitel und Pfaff- heit sich die klerikale Solidarität deutlicher denn früher be- merkbar machte, und da die Rechtsprechung der Offizialate jetzt, wo das Bistum sich mehr und mehr dem Einflusse der Stadt entzog und sich innerlich konsolidierte, in zu- nehmendem Masse als Ausfluss einer fremden, ausländischen Gerichtshoheit, als Institut eines fremden Territorialstaates empfunden wurde. Deshalb leistete auch die Bürgerschaft, über deren Widersetzlichkeit sich Albrecht schon 1483 bitter beklagt hatte, namentlich wenn sich die Klage gegen einen der Ihren richtete, vom Rate unterstützt und wohl geradezu dazu angehalten, den Geboten und Ladungen der geist- lichen Richter einfach keine Folge und bekundete ihren Ungehorsam bisweilen noch ausdrücklich in spöttischen und trotzigen Zuschriften an die Offiziale !). Die Stimmung

1) Welchen Ton man oft gegen die Offiziale sich anzuschlagen erlaubte, zeigt folgendes, vermutlich in unsere Zeit gehörendes »Gedicht«, von dem leider nicht bekannt ist, unter welchen Umständen und aus welcher Veran- lassung heraus es entstand (Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 5):

Böschil [= Basilius?] ruft den geischlichen rihter in der kirchen [an zu scriben |

und wil sin diepstal domit vor der welt vertriben |

wan er das selbe stück zu Venedig tete |

64 Stenzel.

war zweifellos gereizt und gespannt, so dass es nur eines besonders aufregenden Vorfalles bedurfte, um die Aus- einandersetzungen zwischen Stadt und Bischof in vollen Fluss zu bringen.

Nun strengte vermutlich Ende des Jahres ı489 der Ritter Hans von Sickingen, ein Laie und Schirmverwandter des Kurfürsten von der Pfalz, vor dem vorderen Gerichts- hofe zu Strassburg eine Klage gegen den Bürger Hans Jörger ant). Jörger hatte ı3 bis ı4 Jahre zuvor, also noch in den Zeiten Bischof Ruprechts, durch den Stab des gleichen Gerichts Güter, auf die offenbar der Ritter und dessen Mutter Erbansprüche erhoben, frönen lassen und auch durch Urteilsspruch des Offizials ihren Besitz erlangt; die Einspruchsklage, die Sickingen daraufhin einlegte, war vom gleichen Richter für nichtig erklärt und der Ritter dazu verurteilt worden, dem Bürger 60 Gulden an ver- fallenen Expensen zu entrichten. Während also damals, wie es scheint, Jörger, obwohl er selbst auch Laie war, nichts gegen die Zuständigkeit des Offizials einzuwenden gehabt hatte, weigerte er sich, als jetzt Sickingen mit einem Male aus uns nicht näher bekannten besonderen Gründen —, ohne die 60 Gulden bezahlt zu haben, ihn von neuem wegen derselben Sache belangte, diesmal der Ladung vor das bischöfliche Hofgericht zu folgen, sondern wandte sich an den Rat, vor dem er sich zu Recht erbot.

und do selbs von dem selben rihter ein brieff breht | und do selbs blib an den ortten im rehten ston | = so maht man dencken man het im unreht geton | die wil dasselbe an den ortten nit geschicht | so halt ich Boschil fur ein diep und boswiht. | dem rehten hab ich hie nit zu beston, | ich wil es dannaht nyt under wegen lon | ich arme frow wil das aller welt von im clagen | und wil das an allen enden und ortten ufslagen | und wan der weltlich rihter wolt wisen wer Boschil wer, | so frogt man in, wo im sin gut harkommen wer | sin vater was ein arm man, hat im wenig gelon. | das wer die reht art dis gibsch dem geistlichen rihter fur ein antwort. Die einzelnen Anspielungen lassen sich nicht näher erklären.

) Vgl. Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 56, 60, 64, 281; VDG Bd. 108, fol. 247 f.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im ı5. Jahrhundert. 65

Es lässt sich nicht mehr feststellen, ob diese Ange- legenheit, die erst seit Anfang 1490 in unseren Akten hervortritt, den ersten Anstoss zu den im folgenden ge- schilderten Verhandlungen gegeben hat; immerhin ist das nicht unwahrscheinlich, da sie während des weiteren Ver- laufs der Streitigkeiten lebhaft erörtert wurde. Wie dem auch sei, jedenfalls spitzte sich im Herbst ı489 der Konflikt aufs neue zu. Der Rat der Stadt Strassburg glaubte Anlass genug zu der Annahme zu haben, dass Strassburger Bürger, der früher zwischen Stadt und Bischof gepflogenen Besprechungen ungeachtet, in zunehmendem Umfang und mit sich ständig steigernder Schärfe wegen weltlicher Streitsachen von den geistlichen Gerichten be- langt würden, erhob deshalb bei dem bischöflichen Offizial von Fall zu Fall unter Hinweis auf den durch die städtischen Privilegien wie durch die Landesgewohnheit und das ge- schriebene Recht gestützten Grundsatz, dass der Kläger dem Angeklagten vor des letzteren zuständigen Richter nachzufolgen habe, energisch Einspruch und verlangte die Überweisung aller dieser Fälle an das städtische Gericht, fand jedoch trotz aller ernstlichen Vorstellungen kein Ge- hör. Da Bischof Albrecht alljährlich jedenfalls bei der anlässlich jeder Ratserneuerung stattfindenden Zusammen- kunft, wo man allgemeine Verabredungen für diese oder jene Frage im kommenden Jahre traf!), durch seine Botschaft die Stadt ersuchen liess, wenn ihr von seinen Beamten, die er ihrem Schutze anbefahl, irgendwie etwas begegne, was ihr unrecht dünke, so möge sie ihm das mitteilen, damit er die Sache untersuche und nach Recht und Billigkeit dann entscheide, sah der Rat demgemäss zunächst von weiteren Massnahmen gegen den hartnäckigen Offizial ab und beschloss am 30. September eine Ge- sandtschaft an den Bischof zu schicken, die von ihm in Anbetracht der beiderseitigen engen Beziehungen Abhilfe verlangen und ihm dringend nahe legen sollte, dass, wenn das Offizialat weiter in seinem Verfahren beharren würde, unliebsame Verwicklungen zu befürchten seien).

1) Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 107, fol. 263. ®) VDG Bd. 107,

fol. 210 (Instruktion der Stadt für ihre Gesandten). Zeitschr. f. Gesch, d. Oberrh. N.F. XXX. ı. S

66 Stenzel,

Diese Beschwerde machte jedoch anscheinend auf den Bischof wenig Eindruck, sondern gab ihm vielmehr den Anlass, seinerseits einen Gegenstoss zu unternehmen !). Als Albrecht nämlich Ende Oktober oder Anfang November in Strassburg weilte, führte er bei einer Abordnung, die der Rat auf sein Ersuchen zu ihm schickte, lebhaft Klage über den Abbruch, den die Stadt seiner geistlichen Ge- richtshoheit mit ihren an den Offizial gerichteten drohen- den Mahnungen zu bereiten sich unterstehe. Den Stand- punkt der Stadt, dass ihre Bürger nur in solchen Fällen vor geistliches Gericht geladen werden dürften, die der Rat dahin weise, fand er unerhört und den seinem Stifte von Kaisern. und Päpsten verliehenen Freiheiten sowie der herhömmlichen Übung stracks zuwiderlaufend; nach seiner Ansicht hatte auch der oben?) angeführte, den Rechtszug zwischen Kläger und Angeklagten regelnde Grundsatz, auf den sich der Rat mit allem Nachdruck

stützte, zum mindesten für die Geistlichen keine Geltung, `

da auf Grund des privilegium fori für sie, ob Kläger oder Angeklagte, allein die geistlichen Gerichte zuständig wären. Da der Rat jedoch namentlich für die Fälle, wo es sich um weltliche und laiische Streitsachen handelte, unentwegt an seiner Meinung festhielt, verlief die Unterredung er- gebnislos; bereits am 10. November erneuerte der Bischof diesmal schriftlich seine Klagen wegen der täglich zunehmenden Übergriffe der Stadt gegen die geistliche Jurisdiktion, wegen des, wie er sich ausdrückte, »sich Ein- flechtens« und »Einreissens« des Rates zum Nachteil seines Offizialates und erhob entschieden Widerspruch gegen die Drohungen, durch die der Rat den Offizial zur Nachgiebig- keit zu zwingen suchte. Nachdrücklich verteidigte er des letzteren Amtsführung; ja, er gab dem Richter geradezu den Befehl zu schärferem Vorgehen und zur energischen Wahrung der Kompetenzansprüche des ÖOffizialats in den von der Stadt streitig gemachten Fragen und Fällen, so dass dieser sich auf ihn berufen konnte und durch die bischöfliche Autorität völlig gedeckt war. Demgegenüber

1) Vgl. das Schreiben des Bischofs vom 10. November VDG Bd. 117,

fol. 7, auch die Bemerkungen des Rates VDG Bd. 117, fol. 118. 3) Vgl. oben S. 65.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 67

versteifte sich der Rat um so mehr auf seinem Stand- punkt; in seinem Antwortschreiben vom 16. November!) leugnete er das Vorhandensein jeder aggressiven Tendenz in seinem Verhalten gegen die geistlichen Gerichte ab, stellte vielmehr die Stadt als den angegriffenen, durch das trotz aller Klagen und Beschwerden sich gleichbleibende Vorgehen des Offizials in seinen Rechten und Privilegien schwer verletzten Teil hin.

Immerhin gewann aber zunächst unter den Ratsherren noch einmal eine versöhnliche Richtung die Oberhand, die bereit war, dem Bischof durch einige allerdings un- wesentliche Zugeständnisse ein Einlenken zu ermög- lichen2). Sie setzte es Anfang Dezember durch, dass der Rat sich entschloss, wieder eine Gesandtschaft an Albrecht zu entsenden, die diesen darüber aufklären sollte, dass es keineswegs, wie er meine, die Ansicht der Stadt sei, dass kein Bürger vor das geistliche Gericht zitiert werden dürfte; vielmehr habe sie dem Rechtsgang vor dem Offizial stets freien Lauf gelassen, wenn der Greeladene freiwillig der Zitation Folge geleistet habe; aber sie sehe es dann auch für recht und billig an, dass, wenn der beklagte Bürger Widerspruch erhöbe und verlange, dass man die Sache seinem ordentlichen Richter überwiese, dem auch stattgegeben und dem Kläger, einerlei, ob er nun Laie oder Geistlicher wäre, wofern nur der Streitgegenstand weltlichen Charakter trüge, anbefohlen werden müsse, dem Angeklagten vor dessen zuständiges Gericht nachzufolgen, und sie gestehe auch keineswegs zu, dass die herkömmliche Rechtsübung an den geistlichen Gerichten dem Offizial in dem Umfange, wie der Bischof es annehme und fordere, Befugnisse gegen ihre Bürger verleihe. Dass Albrecht sich mit diesen, den Kern der Sache kaum berührenden Zugeständnissen der Stadt zufrieden geben würde, glaubte wohl keiner der Ratsherren; sie wollten auch vermutlich diese Erklärung nur abgeben, um Form und Anschein der

1) Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 8. °?) Instruktionsentwurf und Notizen, die nach dem sich aus dem Wortlaut ergebenden Zusammen- "hang etwa in den Anfang Dezember 1489 fallen müssen, in VDG Bd. 117 fol. 118; vgl. auch die Bemerkung im Schreiben des Rats vom 9. Dezember (VDG Bd. 117 fol. 10). l

5*

68 Stenzel.

Friedfertigkeit zu wahren. Auch aus dem Wortlaut des Entwurfes zur Instruktion der geplanten Gesandtschaft ergibt sich das ohne Zweifel; denn darin wurde die Mög- lichkeit, dass der Bischof unverrückt auf seiner bisherigen Ansicht beharren würde, als beinahe sicher ins Auge ge- fasst. Die Gesandten erhielten für diesen Fall die Weisung, gegen die Versuche von Bischof und Offizial, die Bürger der Stadt gegen ihren Willen um weltliche Streitsachen zur Rechtfertigung vor das geistliche Gericht zu drängen, mit aller Entschiedenheit Protest einzulegen und Albrecht mit Hinblick auf ihre gegenseitige nachbarliche Verwandt- schaft nahezulegen, dass er für durchgreifende Abstellung dieser Beschwerden sorge.

Noch ehe sich der Rat über die Botschaft endgültig geeinigt und sie abgesendet hatte, traf ein Schreiben des Bischofs vom 4. Dezember!) ein, das bewies, dass von Albrecht keinerlei Nachgiebigkeit zu erwarten war. Er- klärte er doch hierin mit voller Deutlichkeit, er werde sich gezwungen sehen, wenn die Stadt auf ihrem Vorgehen ‘gegen die geistlichen Gerichte beharre, zur Handhabung seiner Freiheiten ernsthafte rechtliche Schritte zu unter- nehmen. Wie einst vor fünfzehn Jahren Ruprecht?), so behauptete auch er jetzt wieder, die Freiheiten der Stadt hätten seiner geistlichen Jurisdiktion gegenüber, die bei ihrer Stiftung von Päpsten und Kaisern hoch gefreit und auch ihm bestätigt worden sei, keine Geltung und ver- möchten derselben keinen Eintrag zu tun; er begründete diesen seinem Offizialat zustehenden Vorrang damit, dass er darauf hinwies, die gesamten weltlichen Gerichte in Strassburg seien ja von seinen Vorgängern, also von geist- lichen Fürsten, eingesetzt und geordnet und daher auch selbstverständlich in ihrer Kompetenz von Anfang an der- art eingeschränkt worden, dass sie der geistlichen Gerichts- barkeit keinen Abbruch bereiten könnten.

An dieser Ansicht war ja nun zunächst so viel richtig, dass die weltliche Gerichtsbarkeit in der Stadt früher aus- schliesslich in Händen der Bischöfe gewesen war. Die Strassburger mussten sich jedoch durch einen Hinweis auf

1) Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 9. 2) Vgl. oben S. 53 f.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 69

diese Tatsache um so mehr gekränkt fühlen, als der Bischof in diesem Zusammenhange aus den vergangenen Verhält- nissen, über die die geschichtliche Entwicklung längst hin- weggeschritten war, für die (regenwart Verpflichtungen der Stadt ableitete, die sie bei der Handhabung ihrer Ge- richtshoheit beeinträchtigen und ihr, wenn einmal ein Prä- zedenzfall geschaffen war, in ihrer mühsam errungenen Freiheit und ZReichsunmittelbarkeit bedrohlich werden konnten. Dass der Rat sich dieser Anschauung und For- derung bis aufs äusserste widersetzen werde, stand deshalb ausser jeder Frage. Da der Bischof und seine Leute darauf gefasst waren, gingen sie und zwar vor allem das Dom- kapitel —, um ihre Stellung zu verstärken, einen Schritt weiter und bemühten sich, der Stadt gerade ihre Haupt- waffe in dem Kampfe zu entwinden: sie suchten das Ge- richtsprivileg, auf das der Rat sich immer stützte, zu ihren Gunsten auszulegen und ihre Ansprüche direkt damit recht- lich zu begründen,

Um das Folgende verständlicher zu machen, ist es wohl nötig, an dieser Stelle einmal ausführlich auf die Entwicklung dieser schon von uns mehrfach!) berührten städtischen Freiheit einzugehen. Nachdem bereits seit dem Jahre 982 durch das Diplom Ottos II. die weltliche Gerichtsbar- keit innerhalb des Stadtbezirks ausschliesslich dem Bischof, bezw. dem von diesem ernannten Vogt, zustand und damit jede fremde Gerichtshoheit ausgeschlossen war?), erwirkte sich die Bürgerschaft im Jahre ıı29 von König Lothar ausdrücklich das Zugeständnis®), dass keiner ihrer Bürger, wes Standes er auch sei, vor irgend einem ausserhalb der Stadt gelegenen ordentlichen Gerichte (thing) Klage ein- legen oder zur Verantwortung gezwungen werden durfte. Die einzige Ausnahme bildeten Fälle, wo es sich um Erbe oder Eigen handelte, soweit das ausserhalb der Stadt zu verrechten war. In allen übrigen Angelegenheiten hatte der Kläger, wenn er gegen einen der Bürger etwas hatte, diesen vor den Richtern der Stadt selbst zu belangen, wo ihm jener dann Rede und Antwort stehen musste. Auch

1) Vgl. Diese Zeitschrift, Bd. 29, S. 386 f. und oben S. 53 f. 2) Monumenta Germaniae Diplom. II Nr. 267. °) Strassb. Urkundenb. I, Nr 78, S. 61.

70 Stenzel.

durften fortan Vögte von den ihnen unterstellten Hörigen und Zinspflichtigen, die innerhalb Strassburgs Häuser hatten und bewohnten, den fälligen Zins nur in der Stadt sich . auszahlen lassen und im Falle der Säumigkeit oder der Weigerung des Schuldners sich allein vor den Richtern der Stadt innerhalb Strassburgs Gerechtigkeit und Genug- tuung holen (»sconstituimus, tradidimus et auctoritate nostra regia consensuque principum nostrorum confirmamus insti- tutum et jus quoddam, ut videlicet nullus eorum cuiuslibet conditionis placitum aliquod, quod vulgo thinch vocatur, extra civitatem suam constitutum adeat vel prorsus ab aliquo cogatur adire vel de aliquo sibi imposito ibi cuiquam respondere, nisi pro hereditatibus seu proprietatibus extra civitatem conquerendis vel.defendendis. de ceteris, si aliquis adversus aliquem eorum aliquid habuerit, infra civitatem coram ipsius civitatis judicibus eum impetat ibique ei respondeat vel satisfaciat. advocati etiam, quorum subditi seu censuales infra civitatem domos habuerint aut manserint, censum debitum ab eis in civitate accipiant et, si super- sederint vel dare noluerint, justitiam vel satisfactionem coram judicibus civitatis infra ipsam civitatem inde accipiante). In erster Linie richtete sich dieses den Bürgern verliehene sinstitutum et ius quoddam«, wie aus dem ganzen Inhalt her- vorgeht, gegen die auswärtigen Richter und Gerichtsherren und nicht, wie man aus der Tatsache, dass damals zwischen Bischof Bruno und der Bürgerschaft eine böse Spannung bestand und dass zur Zeit der Ausstellung der Urkunde Bruno vom König noch nicht anerkannt warl), schliessen möchte, gegen den Bischof; denn die städtische Gerichts- barkeit, der das Privileg in hohem Masse zugute kam, lag ja noch so gut wie ausschliesslich in des letzteren Händen, und die von ihm mit der Rechtsprechung betrauten Be- amten, Vogt, Schultheiss und Burggraf, wohnten selbst, vielleicht sogar als Wortführer der Ministerialen und Ein- wohner, der Ausstellung des wichtigen Dokumentes bei. Damit soll natürlich nicht bestritten werden, dass das Pri- vileg auch dem Bischof und seinen Beamten Schranken setzte und namentlich einer etwaigen willkürlichen Ver-

1) Regesten der Bischöfe von Strassburg I?, Nr. 431 u. 432.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 71

legung der Gerichtsstätten vorbeugte!): aber zu einer wirk- samen und wertvollen Waffe im Kampf gegen die bischöf- liche Gewalt wurde es für die Stadt erst vom ı3. Jahr- hundert ab, wo der Rat sich allmählich die Stellung der obersten Gerichtsbehörde errang und nun mehr und mehr für sich ausschliesslich die Stellung als »civitatis judices« in Anspruch nahm.

Dieser liess sich denn auch im Jahre 1211, als er von Otto IV. eine Bestätigung aller Gebräuche und Gewohn- heiten der Stadt erlangte, ausdrücklich das Privileg Lothars bekräftigen, das allerdings nur kurz, ohne nähere Kenn- zeichnung seines Inhalts in der neuen Urkunde angeführt wurde?), Die weitere Entwicklung der Freiheit nimmt nun mit einem Male einen seltsamen Verlauf. Als Friedrich II. im Januar 1219 die Stadt feierlich begnadigte, sie in seinen Schutz nahm und in ihren alten Rechten und Gewohn- heiten beliess, verkündigte er zugleich, dass, so lange sie ihm treu bleibe, keiner der Ihrigen irgendwo im Reiche von irgend einer Person, sei es Geistlicher oder Laie, auf unrechtmässige Weise beschwert oder belästigt oder vor Gericht gezogen werden dürfte (nullo unquam in loco Romani imperii ab aliqua persona seculari sive ecclesiastica aliquis vestrum extra formam juris impediatur aut mole- stetur vel in iudicium trahatur<)3). Im September des gleichen Jahres erlangten die Strassburger von dem jungen König die Bestätigung ihrer Freiheiten; in dem darüber ausgestellten Diplom wurde zuerst das wichtige Privileg König Philipps vom Jahre 1205, das der Stadt den beson- deren königlichen Schutz und in gewisser Hinsicht ihren Bürgern Steuerfreiheit verlieh, mit dem gleichen Wortlaut, aber ohne Bezugnahme auf die Vorurkunde, erneuert; dann lautet der Text weiter: preterea constituimus, tradidimus et auctoritate regia consensuque principum nostrorum con- firmavimus institutum et jus quoddam, quod cives ejusdem civitatis habuerunt ab antecessoribus nostris dive memorie Lotharii et Philippi Romanorum regibus gloriosis, ut nullo unquam in loco ab aliqua persona seculari sive ecclesiastica

ı) Winter, Geschichte des Rates in Strassburg S. 80. ?) Strassb. Urkundenbuch I Nr. 154, S. 123 f. ®) Ebenda Nr. 172, S. 135 f.

74 Stenzel.

und 11 Jahre später von Alexander IV.!) ausdrücklich die Urkunde Friedrichs II. von 1236 und die darin enthaltenen Freiheiten bestätigen liess, so geschah das wohl vor allem deshalb, weil in diesen Zeiten des Verfalls der kaiserlichen Macht die Konfirmation durch die Päpste dem Inhalt einen gewissen Nachdruck verlieh, und nicht, wie man sich später zurecht legte?), aus dem Grunde, dass nach kanonistischer Auffassung die kaiserliche Freiheit nicht genügte, um etwa entgegenstehende Bestimmungen des geistlichen Rechts kraftlos zu machen. Diese Erwägung hat zweifellos erst in späteren Jahrhunderten, als die geistliche Jurisdiktion in der von uns schon früher gekennzeichneten reichen Ent- wicklung stand, wie bereits oben bemerkt wurde, eine grosse Rolle gespielt.

Bei der Bestätigung der städtischen Freiheiten durch Richard von Cornwallis im Jahr 1262 unterlief es übrigens, dass, da man, ohne näher zuzusehen, den Text der Ur- kunde Lothars sowohl wie den des Diploms von 1236 über- nahm, beide Fassungen des Gerichtsprivilegs unbedenklich nebeneinander gestellt wurden®). Dagegen wurde unter allen folgenden Königen und Kaisern, unter Rudolf (1275)*), Adolf von Nassau (1293)), Albrecht I. (1298)®) und Hein- rich VII. 1310)7) ausschliesslich die Fassung von 1236 zu- grunde gelegt. Dasselbe geschah auch unter Ludwig dem Bayern (1315, 1328)8); nur erweiterte dieser das Privileg dahin, dass es nicht nur für Realklagen, sondern auch für Personalklagen jeder Art gelten sollte. Durch Karl IV. (1347, 1355)°) erhielt es dann unverändert mit dem Zusatze Ludwigs deutsches Gewand, in dem es nahezu gleich- lautend in die Bestätigungen Wenzels (1379)10%), Ruprechts (1400)11) und Sigmunds (1413)12) übernommen wurde.

I) Ebenda, Nr. 418, S. 315. ?) Vgl. die Ausführungen Seb. Brants im Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 59. S. auch oben S. 53 f. 3) Urkundenbuch I, Nr. 507. *) Urkundenbuch II, Nr. 47. °) Ebenda, Nr. 188. ù£) Ebenda, 215. 1) Ebenda, Nr. 280. °) Ebenda, Nr. 326 u. 490. ?) Urkundenbuch V, Nr. 155 u. 346. 10) Ebenda, Nr. 1345 u. 1365. !!) Urkundenbuch VI, Nr. 1586, S. 801 f. 12) Strassb. Stadt- archiv AA 4. Die Originale der zeitlich nach 1400 liegenden, also nicht mehr im Urkundenbuch veröffentlichten Urkunden konnten leider nicht mehr, wie ursprünglich beabsichtigt, einer nochmaligen Durghsicht unterzogen

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 75

Nachdem bereits Wenzel in den Jahren 13811) und 1396?) die Stadt und die Bürgerschaft insgemein von Ladungen vor das Landgericht zu Rottweil, das königliche Hofgericht und sonstige Landgerichte ausdrücklich befreit hatte, nahm dann Sigmund, als er nach seiner Kaiserkrönung der Stadt im Jahre 1433 ihre Freiheiten noch einmal bestätigte, in den Wortlaut des Privilegs, das den bevorzugten Gerichts- stand der Bürger betraf, auch die Bestimmung auf, dass letzterer selbst dem kaiserlichen Hofgericht, dem Landgericht zu Rottweil und den übrigen Landgerichten gegenüber gültig sei’). In dieser erweiterten Gestalt wurde es dann von Albrecht II. (1439)*) und von Friedrich III. (144 1, 1452)3), der einfach die Urkunde Sigmunds in sein Privileg inse- rierte, konfirmier. Auch auf Anerkennung ihrer Frei- heiten durch die obersten geistlichen Autoritäten war Strassburg, so oft sich Gelegenheit bot, bedacht gewesen; 1329 hatte Papst Johann XXIL®), 1424 Martin V.) dem Wunsche der Stadt entsprochen; schliesslich hatte sie auch für das Privileg in der Form, die es 1433 erhielt, vom Basler Konzil (1440)8) und von Papst Nikolaus V. (1452)°) sich Bestätigungen erwirkt.

Als Ende ı489 die Streitigkeiten zwischen der Stadt und Bischof wegen der geistlichen Grerichtsbarkeit aufs neue aufflackerten, war die letzte Bestätigung der Privi- legien der Stadt diejenige, die Friedrich III. nach seiner Kaiserkrönung im Jahre 1452 ausgestellt hatte. Da in den unten geschilderten Auseinandersetzungen die Auslegung des Passus, der den privilegierten Gerichtsstand der Strass- burger Bürger betraf, eine grosse Rolle spielt, sei der Wortlaut, wie er sich in dem ebengenannten Diplome vor- findet, soweit er für unsere Ausführungen Interesse hat,

werden, da das Stadtarchiv Strassburg für längere Zeit geschlossen ist und seine Bestände nicht zugänglich sind. Ich musste mich daher mit alten Drucken soweit vorhanden behelfen.

1) Urkundenbuch VI, Nr. 8, S. 3 f. ?) Ebenda, Nr. 1068, S. 620 f. 3) Strassb. Stadtarch. AA u. 5, gedruckt bei Lünig, Reichsarchiv XIV, S. 751 f. *) Strassb. Stadtarch. AA u. 6. 5) 1441: Strassb. Stadtarch. AA u. 6; 1452: Strassb. Stadtarch. AA u. 7, gedruckt bei Lünig, a. a. O. S. 759 fl. °) Urkundenbuch JI, Nr. 501, S. 454 f. 7) Strassb. Stadtarch. AA u. 5. 8) Ebenda AA u. 6. °) Ebenda AA u. 7.

72 Stenzel.

aliquis eorum extra formam juris inpediatur aut molestetur vel in judicium trahatur extra civitatem vel prorsus ab aliquo cogatur pro sua proprietate seu possessione ibi cui- quam respondere, sed, si aliquis adversus aliquem eorum aliquid habuerit, infra civitatem coram ipsius civitatis judicibus eum impetat ibique ei respondeat et satisfaciat, advocati etiam, quorum censuales, infra civitatem domos habuerint aut manserint, censum debitum ab eis in civitate accipiant et, si supersederint vel dare noluerint, justiciam et satisfactionem coram judicibus civitatis inde accipiant«!). Zunächst fëllt uns auf, dass in der Urkunde neben Lothar auch Philipp genannt wird; es ist uns nicht bekannt, dass die Stadt von ihm eine Bestätigung ihrer Gerichtsfreiheit erhielt, es müsste denn eine Lücke in unserer Über- lieferung vorliegen. Das letztere ist möglich, aber nur wenig wahrscheinlich, da bei der sorgfältigen Aufbewahrung, die die Stadt gerade diesen ihren ältesten Privilegien an- gedeihen liess, sich sicher eine anderweitige Überlieferungs- spur gefunden haben würde. Direkt stutzig wird man, wenn man Wortlaut und Inhalt des obigen Passus ansieht. Ganz unbestreitbar liegt da der Text des Privilegs von Lothar zugrunde; aber er hat doch nicht unwesentliche Änderungen erfahren. Gleich die erste Bestimmung (sut nullo« bis »trahatur«) ist ein Zusatz, der unzweifelbar wort- wörtlich der oben erwähnten Urkunde Friedrichs vom Januar desselben Jahres entnommen und mit dem Zusatz »extra civitatem« versehen, an Stelle des ersten Teiles (ut videlicet« bis »adeat«) der Lotharschen Urkunde getreten ist. Der Zweck dieser Umgestaltung wird ohne weiteres klar: das Privileg erhält so eine schärfere, allgemeinere Fassung und wird vor allem auch den Geistlichen gegen- über ausdrücklich zur Geltung "gebracht. Die übrigen grösseren Veränderungen dass unter den Klagegegen- ständen ausdrücklich Besitz und Eigentum der Bürger hervorgehoben wird und die Ausnahme für Prozesse um Erbe und Eigen fehlt kommen hier für uns nicht so sehr in Betracht wie die Tatsache, dass schon damals der privilegierte Gerichtsstand der Bürger den geistlichen An-

1) Ebenda, Nr. 175, S. 137 ff.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 73

sprüchen gegenüber gesichert wurde. Dass sich aber auch diese Erweiterung des Privilegs noch nicht gegen den Bischof in erster Linie richtete, zeigt allein dessen An- wesenheit bei der Ausstellung der Urkunde. Schwieriger ist die Frage zu entscheiden, auf Grund welcher Unter- lagen die letztere erteilt und ausgefertigt wurde. Die Möglichkeit, dass schon eine Bestätigung König Philipps die Freiheit in der veränderten Gestalt enthielt, verliert dadurch noch an Glaubwürdigkeit, dass, wie wir sahen, der eine Passus doch wahrscheinlich der Urkunde Friedrichs II. vom Januar 1219 entnommen ist; es ist auch wohl kaum anzunehmen, dass dem König ein gefälschtes Diplom als Vorlage unterbreitet wurde. Es scheint sich vielmehr .— was ja auch sonst vorkommt um eine stillschweigend gewährte Abänderung und Erweiterung der alten Freiheit zu handeln; die Nennung König Philipps in dem Zusammen- hang kann von einem durch eine Verwechslung mit dem voranstehenden Privileg von 1205 bedingten Versehen der Kanzlei herrühren, |

Wie dem auch sei, jedenfalls blieb von nun an die neue Formulierung des Privilegs massgebend, allerdings in der etwas veränderten (restalt, die ihm Friedrich II. im Jahre 1236, da er als Kaiser die städtischen Freiheiten nochmals bestätigte, verlieh', Abgesehen von geringen stilistischen Veränderungen blieben damals vor allem die Bestimmungen weg, die die Zinszahlung der Zinspflichtigen betrafen. Übrigens sah sich noch im gleichen Jahr der Kaiser durch die Bitten der Strassburger veranlasst, dem Prokurator des Landgrafen von Werd und zugleich allen übrigen Richtern im Reiche nachdrücklich einzuschärfen, dass Bürger der Stadt vor kein auswärtiges Gericht zur Rechtfertigung gezogen werden dürften, da sie bereit seien, einem jeden vor ihrem städtischen Richter zur Rede zu stehen2), ein Beweis dafür, dass es zunächst noch aus- wärtige, und zwar weltliche Gerichtsherren waren, gegen die die Stadt sich und ihre Bürger mit Hilfe des ihr zu- erkannten privilegierten Gerichtsstands zu schützen suchte. Wenn sie sich dann im Jahre 1247 von Papst Innozenz IV.?°)

1) Ebenda, Nr. 246, S. 192 ff. ?) Ebenda, S. 195, Nr. 248. 3) Ebenda, Nr. 316, S. 237 f.

74 Stenzel.

und ıı Jahre später von Alexander IV.!) ausdrücklich die Urkunde Friedrichs II. von 1236 und die darin enthaltenen Freiheiten bestätigen liess, so geschah das wohl vor allem deshalb, weil in diesen Zeiten des Verfalls der kaiserlichen Macht die Konfirmation durch die Päpste dem Inhalt einen gewissen Nachdruck verlieh, und nicht, wie man sich später zurecht legte?), aus dem Grunde, dass nach kanonistischer Auffassung die kaiserliche Freiheit nicht genügte, um etwa entgegenstehende Bestimmungen des geistlichen Rechts kraftlos zu machen. Diese Erwägung hat zweifellos erst in späteren Jahrhunderten, als die geistliche Jurisdiktion in der von uns schon früher gekennzeichneten reichen Ent- wicklung stand, wie bereits oben bemerkt wurde, eine grosse Rolle gespielt.

Bei der Bestätigung der städtischen Freiheiten durch Richard von Cornwallis im Jahr 1262 unterlief es übrigens, dass, da man, ohne näher zuzusehen, den Text der Ur- kunde Lothars sowohl wie den des Diploms von 1236 über- nahm, beide Fassungen des Gerichtsprivilegs unbedenklich nebeneinander gestellt wurden®). Dagegen wurde unter allen folgenden Königen und Kaisern, unter Rudolf (1275)), Adolf von Nassau (1293)5), Albrecht I. (1298)®) und Hein- rich VII. 1310)7) ausschliesslich die Fassung von 1236 zu- grunde gelegt. Dasselbe geschah auch unter Ludwig dem Bayern (1315, 1328)8); nur erweiterte dieser das Privileg dahin, dass es nicht nur für Realklagen, sondern auch für Personalklagen jeder Art gelten sollte. Durch Karl IV. (1347, 1355)°) erhielt es dann unverändert mit dem Zusatze Ludwigs deutsches Gewand, in dem es nahezu gleich- lautend in die Bestätigungen Wenzels (1379)19), Ruprechts (1400)11) und Sigmunds (1413)12) übernommen wurde.

1) Ebenda, Nr. 418, S. 315. ?) Vgl. die Ausführungen Seb. Brants im Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 59. S. auch oben S. 53 f. 3) Urkundenbuch I, Nr. 507. *) Urkundenbuch II, Nr. 47. 5) Ebenda, Nr. 188. ®) Ebenda, 215. 1) Ebenda, Nr. 280. °?) Ebenda, Nr. 326 u. 490. ?) Urkundenbuch V, Nr. 155 u. 346. 19) Ebenda, Nr. 1345 u. 1365. !!) Urkundenbuch VI, Nr. 1586, S. 801 f. 12) Strassb. Stadt- archiv AA 4. Die Originale der zeitlich nach 1400 liegenden, also nicht mehr im Urkundenbuch veröffentlichten Urkunden konnten leider nicht mehr, wie ursprünglich beabsichtigt, einer nochmaligen Durghsicht unterzogen

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 75

Nachdem bereits Wenzel in den Jahren 13811) und 1396?) die Stadt und die Bürgerschaft insgemein von Ladungen vor das Landgericht zu Rottweil, das königliche Hofgericht und sonstige Landgerichte ausdrücklich befreit hatte, nahm dann Sigmund, als er nach seiner Kaiserkrönung der Stadt im Jahre 1433 ihre Freiheiten noch einmal bestätigte, in den Wortlaut des Privilegs, das den bevorzugten Gerichts- stand der Bürger betraf, auch die Bestimmung auf, dass letzterer selbst dem kaiserlichen Hofgericht, dem Landgericht zu Rottweil und den übrigen Landgerichten gegenüber gültig sei’). In dieser erweiterten Gestalt wurde es dann von Albrecht II. (1439)*) und von Friedrich III. (144 1, 1452)>), der einfach die Urkunde Sigmunds in sein Privileg inse- rierte, konfirmiertt. Auch auf Anerkennung ihrer Frei- heiten durch die obersten geistlichen Autoritäten war Strassburg, so oft sich Gelegenheit bot, bedacht gewesen; 1329 hatte Papst Johann XXIL®), 1424 Martin V.’) dem Wunsche der Stadt entsprochen; schliesslich hatte sie auch für das Privileg in der Form, die es 1433 erhielt, vom Basler Konzil (1440)8) und von Papst Nikolaus V. (1452)°) sich Bestätigungen erwirkt.

Als Ende ı489 die Streitigkeiten zwischen der Stadt und Bischof wegen der geistlichen Gerichtsbarkeit aufs neue aufflackerten, war die letzte Bestätigung der Privi- legien der Stadt diejenige, die Friedrich III, nach seiner Kaiserkrönung im Jahre 1452 ausgestellt hatte. Da in den unten geschilderten Auseinandersetzungen die Auslegung des Passus, der den privilegierten Gerichtsstand der Strass- burger Bürger betraf, eine grosse Rolle spielt, sei der Wortlaut, wie er sich in dem ebengenannten Diplome vor- findet, soweit er für unsere Ausführungen Interesse hat,

werden, da das Stadtarchiv Strassburg für längere Zeit geschlossen ist und seine Bestände nicht zugänglich sind. Ich musste mich daher mit alten Drucken soweit vorhanden behelfen.

1) Urkundenbuch VI, Nr. 8, S. 3 f. ?) Ebenda, Nr. 1068, S. 620 f. 3) Strassb. Stadtarch. AA u. 5, gedruckt bei Lünig, Reichsarchiv XIV, S. 751 f. 4) Strassb. Stadtarch. AA u. 6. 5) 1441: Strassb. Stadtarch. AA u. 6; 1452: Strassb. Stadtarch. AA u. 7, gedruckt bei Lünig, a. a. O. S. 759 fl. ©) Urkundenbuch JI, Nr. 501, S. 454 f. 7) Strassb. Stadtarch. AA u. 5. 8) Ebenda AA u. 6. °) Ebenda AA u. 7.

74 Stenzel.

und ıı Jahre später von Alexander IV.!) ausdrücklich die Urkunde Friedrichs II. von 1236 und die darin enthaltenen Freiheiten bestätigen liess, so geschah das wohl vor allem deshalb, weil in diesen Zeiten des Verfalls der kaiserlichen Macht die Konfirmation durch die Päpste dem Inhalt einen gewissen Nachdruck verlieh, und nicht, wie man sich später zurecht legte?), aus dem Grunde, dass nach kanonistischer Auffassung die kaiserliche Freiheit nicht genügte, um etwa entgegenstehende Bestimmungen des geistlichen Rechts kraftlos zu machen. Diese Erwägung hat zweifellos erst in späteren Jahrhunderten, als die geistliche Jurisdiktion in der von uns schon früher gekennzeichneten reichen Ent- wicklung stand, wie bereits oben bemerkt wurde, eine grosse Rolle gespielt.

Bei der Bestätigung der städtischen Freiheiten durch Richard von Cornwallis im Jahr 1262 unterlief es übrigens, dass, da man, ohne näher zuzusehen, den Text der Ur- kunde Lothars sowohl wie den des Diploms von 1236 über- nahm, beide Fassungen des Gerichtsprivilegs unbedenklich nebeneinander gestellt wurden3). Dagegen wurde unter allen folgenden Königen und Kaisern, unter Rudolf (1275)%), Adolf von Nassau (1293)5), Albrecht I. (1298)6) und Hein- rich VII. 1310)7) ausschliesslich die Fassung von 1236 grunde gelegt. Dasselbe geschah auch unter Luc Bayern (1315, 1328)8); nur erweiterte dieser dahin, dass es nicht nur für Realklagen, Personalklagen jeder Art gelten sollt (1347, 1355)°) erhielt es dann un! rei Ludwigs deutsches Gewand, lautend in die Bestätigun aA (1400)11) und Sigmunds (14

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!) Ebenda, Nr. 418, S. 315% im Strassb. Stadtarch. VDG Bøg 3) Urkundenbuch I, Nr. 507. Nr. 188. °) Ebenda, 215. u. 490. °) Urkundenbu u. 1365. !!) Urkunden archiv AA 4. Die O mehr im Urkundenbug mehr, wie ursprünglich

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 75

Nachdem bereits Wenzel in den Jahren 1381 1) und 1396?) die Stadt und die Bürgerschaft insgemein von Ladungen vor das Landgericht zu Rottweil, das königliche Hofgericht und sonstige Landgerichte ausdrücklich befreit hatte, nahm dann Sigmund, als er nach seiner Kaiserkrönung der Stadt im Jahre 1433 ihre Freiheiten noch einmal bestätigte, in den Wortlaut des Privilegs, das den bevorzugten Gerichts- stand der Bürger betraf, auch die Bestimmung auf, dass letzterer selbst dem kaiserlichen Hofgericht, dem Landgericht zu Rottweil und den übrigen Landgerichten gegenüber gültig sei’). In dieser erweiterten Gestalt wurde es dann von Albrecht II. (1439)*) und von Friedrich III. (144 1, 1452)®), der einfach die Urkunde Sigmunds in sein Privileg inse- rierte, konfirmiert. Auch auf Anerkennung ihrer Frei- heiten durch die obersten geistlichen Autoritäten war Strassburg, so oft sich Gelegenheit bot, bedacht gewesen; 1329 hatte Papst Johann XXIL6), 1424 Martin V.7) dem Wunsche der Stadt entsprochen; schliesslich hatte sie auch für das Privileg in der Form, die es 1433 erhielt, vom Basler Konzil (1440)8) und von Papst Nikolaus V. (1452)?) sich Bestätigungen erwirkt.

Als Ende ı489 die Streitigkeiten zwischen der Stadt > Bischof wegen der geistlichen Gerichtsbarkeit aufs

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hier wiedergegeben: »... das su noch deheiner under in geirret oder geleidiget werde iemer von deheiner personen geistlicher oder weltlicher oder vor geriht gezogen oder geladen werde der stat Strasburg, es sij fur unser keiserlich hofgericht oder lantgeriht zu Rotwil oder dehein ander lantgeriht oder ander geriht, von was sache das were, oder von yemand getrenget werde umb sin eigent- schaft oder umb sin gütere yeman doselbes zu antwurten; wann hat yeman, wer der ist, nyeman usgenommen, gegen inen oder ir deheiner clage oder ansproch, so sol er sie ansprechen inwendig der vorgenanten stat Stras- burg vor der selben stat rihtern und sullent im auch do antwurten und volletun.« |

Da Bischof und Offiziale schliesslich einsahen '), dass sie vergebens gegen die Gültigkeit dieses Privilegs an- kämpften, vielmehr auf diese Weise die Stadt in eine an Erbitterung stetig zunehmende Opposition trieben, ver- änderten sie mit einem Male ihre Haltung und erklärten, selbst wenn die städtische Freiheit zu Recht bestehe und durch die ihnen verliehenen Privilegien nicht aufgehoben würde, so helfe das dem Rate nichts; denn das ÖOffizialat gehöre auch zu den städtischen Gerichten und der Offizial sei demgemäss gleichfalls ein Richter der Stadt; also ver- leihe die städtische Freiheit der Bürgerschaft keineswegs, wie der Rat es behaupte, Exemption von der Gerichtsbar- keit des geistlichen Gerichts, sondern bestätige geradezu die von diesem in Anspruch genommenen Rechte in vollem Umfange. Nun wurden ja allerdings dem strengen Wort- laut des Privilegs nach nur die ausserhalb Strassburgs gelegenen Grerichtstätten in Gegensatz zu den Stadtgerichten gestellt und von dem darin ausgesprochenen Verbote be- troffen; man konnte daher zugunsten der Öffizialate an- führen, dass diese ihren Sitz und auch einen Teil ihres Wirkungskreises innerhalb Strassburgs hatten. Rufen wir uns jedoch demgegenüber die eben geschilderte geschicht- liche Entwicklung ins Gedächtnis zurück, so ergibt sich uns ganz zweifellos, dass, wenn dies auch nicht ausdrück- lich angegeben wird, es sich in dem Privileg allein um die weltliche Gerichtsbarkeit handelt, dass mit den »Stadt-

') Vgl. hierzu oben S. 69.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 77

richterne von vornherein nur die weltlichen Organe der bischöflichen Verwaltung und Rechtsprechung, der Vogt und die von ihnen abhängigen Richter und Gerichte, später dann, dem Gang der Geschichte entsprechend, der an ihre Stelle getretene städtische Rat und die von ihm geschaffenen Rechtsinstitute gemeint waren. Zur Zeit, da den Strass- burgern zum erstenmal der privilegierte Gerichtsstand ge- währt wurde, gab es überdies wohl eine geistliche Recht- sprechung, die der Bischof in der Diözese Strassburg aus- übte, aber noch nicht das Institut der Offizialate!). Dieses entwickelte sich erst im 13. und 14. Jahrhundert, also in einem Zeitraum, wo der Begriff Stadtrichter schon längst feststand und es den Bischöfen nicht mehr möglich war, neue Organe zur Handhabung der Rechtsprechung in der Stadt zu schaffen, da sie hier bereits alle Macht an den Stadtrat verloren hatten und darum froh sein konnten, wenn sie wenigstens für ihre alten Beamten, Vogt und Schultheiss, der Form nach die Stellung als »Richter der Stadt« aufrecht erhielten. Auch waren ja die Offiziale nicht als Richter speziell für Strassburg, sondern für die ganze Diözese oder für Teile derselben eingesetzt und lediglich durch praktische Erwägungen und durch die Bestimmungen des Pfandbriefes von 1366 an die Stadt als Amtssitz gebunden; die bedeutsamen Kompetenzerweite- rungen, die starke Inanspruchnahme der Offizialate in welt- lichen Angelegenheiten, die ihnen im ı5. Jahrhundert wohl in mancher Hinsicht den äusseren Anschein von »Stadt- gerichten« gaben und daher die klerikalen Ansprüche als nicht ungerechtfertigt erscheinen liessen, waren lediglich Ergebnisse einer späteren Entwicklung und hatten mit den ursprünglichen Bestimmungen der geistlichen Gerichtsbar- keit nichts zu tun. Der Versuch des Bischofs und seines Anhangs, das städtische Privileg zugunsten der geistlichen Gerichte auszulegen, war daher rechtlich wenig begründet; um so zäher wurde er, namentlich von seiten des Dom- kapitels, durchgeführt.

Zum erstenmal wird in unsern Akten auf diesen ge- wagten Vorstoss der geistlichen Gewalten gegen die Haupt-

1) Vgl. bierzu L. Ober, Die Entstehung des bischöflichen Hofrichter- amts (Strassburger Diözesanblatt 1909, S. 314 ff., S. 349 fl.).

78 Stenzel.

stellung der Macht des Stadtrats in der bereits oben erwähnten Instruktion angespielt'), die der Rat für die Gesandtschaft, welche Anfang Dezember an den Bischof geschickt werden sollte, aufgesetzt hatte. Die Boten wurden darin angewiesen, sofern ihnen Albrecht entgegenhalte, der geistliche Richter sei auch ein Richter der Stadt, zu erwidern, es gebe geistliche und weltliche Personen in der Stadt und demgemäss auch geistliche und weltliche Gerichte, deren jedes seine Jurisdiktion für sich habe; wenn man nun beanspruche, dass die Laien um ihrer Forderungen willen den Geistlichen vor deren ordentlichen Richter nachfolgten, warum sollten nicht dann auch ihrerseits die Geistlichen in Fällen, wo es sich um weltliche Klaggegenstände handele, den Laien vor deren zuständiges Gericht nachfolgen? Man sieht, die Strassburger wussten, von den damals bestehen- den tatsächlichen Verhältnissen ausgehend, im ersten Augen- blick nichts Schlüssiges den Ansprüchen der geistlichen Gerichte entgegenzustellen; aber in Verlegenheit gerieten sie deshalb noch lange nicht. Vielmehr erhielten die Ge- 'sandten für den Fall, dass es wirklich einige Irrung wegen der städtischen Freiheit geben und der Bischof diese anders auslegen und das Wort »Stadtrichter«e anders verstehen wollte als der Rat, ausdrücklich die Weisung, in diesen Streitfragen von Albrecht kein Rechtgebot vor die in der freundschaftlichen Einung zwischen Bischof und Stadt aus- gemachten Austragsgerichte anzunehmen, sondern sich vor den Kaiser als die einzig zuständige Stelle zu Recht zu erbieten und für die Zwischenzeit, bis Friedrich III. den Sinn der Freiheit festgestellt und erläutert hätte, Einstellung der umstrittenen, vor dem geistlichen Gericht schwebenden Pro- zesse und aller sonstigen Schritte in diesen Angelegenheiten zu verlangen. |

Nun liess aber die Stadt auf das bereits oben?) be- sprochene, heftige Schreiben des Bischofs vom 4. Dezember den Plan der Gesandtschaft zunächst fallen; da Albrechtjedoch auch jetzt ebensowenig wie früher die wahrscheinlich von den Offizialen und dem Domkapitel ausgehende neue Aus-

) Vgl. oben S. 67 f.; die Instruktion im Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 118. 2) S. 68.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 79

legung des Wortes »Stadtrichter« sich zu eigen machte, ja darauf überhaupt nicht zu sprechen kam, sondern sich lediglich auf die Privilegien seines Stiftes stützte,. konnte die Stadt sich immerhin noch auf weitere gütliche Ver- handlungen einlassen und ersuchte ihn deshalb in ihrer Antwort vom 9. Dezember!), in der sie im übrigen mit allem Nachdruck ihren Standpunkt wahrte, er möge ihr nur einen Tag angeben und zeitig vorher verkündigen, an dem es ihm gelegen sei, eine Gresandtschaft ihres Rats zu verhören. In einer Besprechung, die in Anknüpfung an diesen Schriftwechsel um die Jahreswende zwischen Albrechts Kanzler Gottfried Quinckener von Saarburg und einigen Strassburger Ratsfreunden stattfand ?), wurde darauf zur Erörterung der ganzen Streitigkeiten für den 18. Januar 1490 nach Zabern ein gütlicher Tag angesetzt, der dann vom Bischof, angeblich weil er wichtiger Geschäfte halber in die Obermundat musste, zunächst abgesagt) und schliess- lich auf den 4. Februar verschoben wurde®). Zu diesem Tag entsandte die Stadt eine sechsgliedrige Botschaft unter der Führung des regierenden Stettmeisters Herrn Wilhelm Böcklin und des Altammeisters Peter Schott mit dem Auf- trag, den Bischof um Beobachtung der alten Freiheiten und Gewohnheiten der Stadt und um Zurechtweisung des widerrechtlichen Vorgehens des Offizials zu ersuchen’). Im übrigen wurde den Gesandten ziemlich freie Hand gelassen, je nachdem die Antwort Albrechts schroff oder entgegenkommend ausfiel; sie erhielten sogar die Vollmacht, gegebenenfalls in den Vorschlag, man solle eine aus Ver- tretern beider Parteien gebildete Kommission ernennen, die, ohne den beiderseitigen Rechtsansprüchen nahezutreten, die Streitsache gütlich verhören sollte, einzuwilligen, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass der Offizial in der Zwischenzeit mit seinen Prozessen stillstände.

Aber gerade hier lag der wunde Punkt, da letzteres bei dem Bischof wohl kaum zu erreichen war. Hatte

1) Strassb. Stadtarch. VDG, Bd. 117, fol. 10. ?) Vgl. Schreiben des Bischofs vom 2. Januar 1490 (Strassb. Stadtarch. VDG, Bd. 117, fol. ı1). %) Ebenda. #) Schreiben des Bischofs vom 18. Januar (Strassb. Stadtarch. VDG, Bd. 117, fol. 12) 5) Bedacht des Rates im Strassb. Stadtarch. VDG, Bd. 117, fol. 70; weitere Kopie in VDG, Bd. 107, fol. 212.

70 Stenzel.

durften fortan Vögte von den ihnen unterstellten Hörigen und Zinspflichtigen, die innerhalb Strassburgs Häuser hatten und bewohnten, den fälligen Zins nur in der Stadt sich . auszahlen lassen und im Falle der Säumigkeit oder der Weigerung des Schuldners sich allein vor den Richtern der Stadt innerhalb Strassburgs Gerechtigkeit und Genug- tuung holen (»constituimus, tradidimus et auctoritate nostra regia consensuque principum nostrorum confirmamus insti- tutum et jus quoddam, ut videlicet nullus eorum cuiuslibet conditionis placitum aliquod, quod vulgo thinch vocatur, extra civitatem suam constitutum adeat vel prorsus ab aliquo cogatur adire vel de aliquo sibi imposito ibi cuiquam respondere, nisi pro hereditatibus seu proprietatibus extra civitatem conquerendis vel.defendendis. de ceteris, si aliquis adversus aliquem eorum aliquid habuerit, infra civitatem coram ipsius civitatis judicibus eum impetat ibique ei respondeat vel satisfaciat. advocati etiam, quorum subditi seu censuales infra civitatem domos habuerint aut manserint, censum debitum ab eis in civitate accipiant et, si super- sederint vel dare noluerint, justitiam vel satisfactionem coram judicibus civitatis infra ipsam civitatem inde accipiante). In erster Linie richtete sich dieses den Bürgern verliehene »institutum et ius quoddam«, wie aus dem ganzen Inhalt her- vorgeht, gegen die auswärtigen Richter und Gerichtsherren und nicht, wie man aus der Tatsache, dass damals zwischen Bischof Bruno und der Bürgerschaft eine böse Spannung bestand und dass zur Zeit der Ausstellung der Urkunde Bruno vom König noch nicht anerkannt warl), schliessen möchte, gegen den Bischof; denn die städtische Gerichts- barkeit, der das Privileg in hohem Masse zugute kam, lag ja noch so gut wie ausschliesslich in des letzteren Händen, und die von ihm mit der Rechtsprechung betrauten Be- amten, Vogt, Schultheiss und Burggraf, wohnten selbst, vielleicht sogar als Wortführer der Ministerialen und Ein- wohner, der Ausstellung des wichtigen Dokumentes bei. Damit soll natürlich nicht bestritten werden, dass das Pri- vileg auch dem Bischof und seinen Beamten Schranken setzte und namentlich einer etwaigen willkürlichen Ver-

1) Regesten der Bischöfe von Strassburg I?, Nr. 431 u. 432.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 71

legung der Gerichtsstätten vorbeugte!): aber zu einer wirk- samen und wertvollen Waffe im Kampf gegen die bischöf- liche Gewalt wurde es für die Stadt erst vom ı3. Jahr- hundert ab, wo der Rat sich allmählich die Stellung der obersten Gerichtsbehörde errang und nun mehr und mehr für sich ausschliesslich die Stellung als »civitatis judices« in Anspruch nahm.

Dieser liess sich denn auch im Jahre 1211, als er von Otto IV. eine Bestätigung aller Gebräuche und Gewohn- heiten der Stadt erlangte, ausdrücklich das Privileg Lothars bekräftigen, das allerdings nur kurz, ohne nähere Kenn- zeichnung seines Inhalts in’ der neuen Urkunde angeführt wurde?). Die weitere Entwicklung der Freiheit nimmt nun mit einem Male einen seltsamen Verlauf. Als Friedrich II. im Januar 1219 die Stadt feierlich begnadigte, sie in seinen Schutz nahm und in ihren alten Rechten und Gewohn- heiten beliess, verkündigte er zugleich, dass, so lange sie ihm treu bleibe, keiner der Ihrigen irgendwo im Reiche von irgend einer Person, sei es Geistlicher oder Laie, auf unrechtmässige Weise beschwert oder belästigt oder vor Gericht gezogen werden dürfte (»nullo unquam in loco Romani imperii ab aliqua persona seculari sive ecclesiastica aliquis vestrum extra formam juris impediatur aut mole- stetur vel in iudicium trahatur«)3). Im September des gleichen Jahres erlangten die Strassburger von dem jungen König die Bestätigung ihrer Freiheiten; in dem darüber ausgestellten Diplom wurde zuerst das wichtige Privileg König Philipps vom Jahre ı205, das der Stadt den beson- deren königlichen Schutz und in gewisser Hinsicht ihren Bürgern Steuerfreiheit verlieh, mit dem gleichen Wortlaut, aber ohne Bezugnahme auf die Vorurkunde, erneuert; dann lautet der Text weiter: »preterea constituimus, tradidimus et auctoritate regia consensuque principum nostrorum con- firmavimus institutum et jus quoddam, quod cives ejusdem civitatis habuerunt ab antecessoribus nostris dive memorie Lotharii et Philippi Romanorum regibus gloriosis, ut nullo unquam in loco ab aliqua persona seculari sive ecclesiastica

!) Winter, Geschichte des Rates in Strassburg S. 80. ?) Strassb. Urkundenbuch I Nr. 154, S. 123 f. 8) Ebenda Nr. 172, S. 135 f.

72 Stenzel.

aliquis eorum extra formam juris inpediatur aut molestetur vol in judicium trahatur extra civitatem vel prorsus ab aliquo cogatur pro sua proprietate seu possessione ibi cui- quam respondere, sed, si aliquis adversus aliquem eorum aliquid habuerit, infra civitatem coram ipsius civitatis judicibus eum impetat ibique ei respondeat et satisfaciat, advocati ctiam, quorum censuales, infra civitatem domos habuerint aut manserint, censum debitum ab eis in civitate avvipiant et, si supersederint vel dare noluerint, justiciam et satisfactionem coram judicibus civitatis inde accipiant«!). Zunächst tallit uns auf, dass in der Urkunde neben Lothar auch DPulhpp genannt wird: es ist uns nicht bekannt, dass die Ntait von ihm eine Bestäugrung ihrer Gerichtsfreiheit erhielt, es müsste denn eine Lücke in unserer Über- heterung vorliegen, Das letztere ist möglich, aber nur weni watrscheimüch, da bei der sorgfältügen Aufbewahrung, Ko de Mast gerade diesen ihren ältesten Privilegien an- voten kes uch acher eine anderweitige Überlieferungs- sur gelingen haben wiärde Direkt stuwig wird man, wenn man Worant und nhai ces oiisen Passus ansieht. Manz URDOUTONMT keot Sa Ser Iex das Privilegs von ‘ANAT zunzanser aber er hai Sch mor unwesentliche

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Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 73

sprüchen gegenüber gesichert wurde. Dass sich aber auch diese Erweiterung des Privilegs noch nicht gegen den Bischof in erster Linie richtete, zeigt allein dessen An- wesenheit bei der Ausstellung der Urkunde. Schwieriger ist die Frage zu entscheiden, auf Grund welcher Unter- lagen die letztere erteilt und ausgefertigt wurde Die Möglichkeit, dass schon eine Bestätigung König Philipps die Freiheit in der veränderten Gestalt enthielt, verliert dadurch noch an Glaubwürdigkeit, dass, wie wir sahen, der eine Passus doch wahrscheinlich der Urkunde Friedrichs II. vom Januar 1219 entnommen ist; es ist auch wohl kaum anzunehmen, dass dem König ein gefälschtes Diplom als Vorlage unterbreitet wurde. Es scheint sich vielmehr .— was ja auch sonst vorkommt um eine stillschweigend gewährte Abänderung und Erweiterung der alten Freiheit zu handeln; die Nennung König Philipps in dem Zusammen- hang kann von einem durch eine Verwechslung mit dem voranstehenden Privileg von 1205 bedingten Versehen der Kanzlei herrühren. |

Wie dem auch sei, jedenfalls blieb von nun an die neue Formulierung des Privilegs massgebend, allerdings in der etwas veränderten Gestalt, die ihm Friedrich II. im Jahre 1236, da er als Kaiser die städtischen Freiheiten nochmals bestätigte, verlieh'). Abgesehen von geringen stilistischen Veränderungen blieben damals vor allem die Bestimmungen weg, die die Zinszahlung der Zinspflichtigen betrafen. Übrigens sah sich noch im gleichen Jahr der Kaiser durch die Bitten der Strassburger veranlasst, dem Prokurator des Landgrafen von Werd und zugleich allen übrigen Richtern im Reiche nachdrücklich einzuschärfen, dass Bürger der Stadt vor kein auswärtiges Gericht zur Rechtfertigung gezogen werden dürften, da sie bereit seien, einem jeden vor ihrem städtischen Richter zur Rede zu stehen2), ein Beweis dafür, dass es zunächst noch aus- wärtige, und zwar weltliche Gerichtsherren waren, gegen die die Stadt sich und ihre Bürger mit Hilfe des ihr zu- erkannten privilegierten Gerichtsstands zu schützen suchte. Wenn sie sich dann im Jahre 1247 von Papst Innozenz IV.?°)

1) Ebenda, Nr. 246, S. 192 ff. ?) Ebenda, S. 195, Nr. 248. 3) Ebenda, Nr. 316, S. 237 f.

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und ıı Jahre später von Alexander IV.!) ausdrücklich die Urkunde Friedrichs II. von 1236 und die darin enthaltenen Freiheiten bestätigen liess, so geschah das wohl vor allem deshalb, weil in diesen Zeiten des Verfalls der kaiserlichen Macht die Konfirmation durch die Päpste dem Inhalt einen gewissen Nachdruck verlieh, und nicht, wie man sich später zurecht legte?), aus dem Grunde, dass nach kanonistischer Auffassung die kaiserliche Freiheit nicht genügte, um etwa entgegenstehende Bestimmungen des geistlichen Rechts kraftlos zu machen. Diese Erwägung hat zweifellos erst in späteren Jahrhunderten, als die geistliche Jurisdiktion in der von uns schon früher gekennzeichneten reichen Ent- wicklung stand, wie bereits oben bemerkt wurde, eine grosse Rolle gespielt.

Bei der Bestätigung der städtischen Freiheiten durch Richard von Cornwallis im Jahr 1262 unterlief es übrigens, dass, da man, ohne näher zuzusehen, den Text der Ur- kunde Lothars sowohl wie den des Diploms von 1236 über- nahm, beide Fassungen des Gerichtsprivilegs unbedenklich nebeneinander gestellt wurden 8). Dagegen wurde unter allen folgenden Königen und Kaisern, unter Rudolf (1275)4), Adolf von Nassau (1293)5), Albrecht I. (1298)®) und Hein- rich VII. 1310)7) ausschliesslich die Fassung von 1236 zu- grunde gelegt. Dasselbe geschah auch unter Ludwig dem Bayern (1315, 1328)8); nur erweiterte dieser das Privileg dahin, dass es nicht nur für Realklagen, sondern auch für Personalklagen jeder Art gelten sollte. Durch Karl IV. (1347, 1355)°) erhielt es dann unverändert mit dem Zusatze Ludwigs deutsches Gewand, in dem es nahezu gleich- lautend in die Bestätigungen Wenzels (1379)10%), Ruprechts (1400)1) und Sigmunds (1413)12) übernommen wurde.

I) Ebenda, Nr. 418, S. 315. ?) Vgl. die Ausführungen Seb. Brants im Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 59. S. auch oben S. 53f. 3) Urkundenbuch 1, Nr. 507. *) Urkundenbuch II, Nr. 47. 5) Ebenda, Nr. 188. £) Ebenda, 215. 1) Ebenda, Nr. 280. ®) Ebenda, Nr. 326 u. 490. ?) Urkundenbuch V, Nr. 155 u. 346. 10) Ebenda, Nr. 1345 u. 1365. !!) Urkundenbuch VI, Nr. 1586, S. 801 f. 1%) Strassb. Stadt- archiv AA 4. Die Originale der zeitlich nach 1400 liegenden, also nicht mehr im Urkundenbuch veröffentlichten Urkunden konnten leider nicht mehr, wie ursprünglich beabsichtigt, einer nochmaligen Durghsicht unterzogen

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Nachdem bereits Wenzel in den Jahren 1381!) und 1396?) die Stadt und die Bürgerschaft insgemein von Ladungen vor das Landgericht zu Rottweil, das königliche Hofgericht und sonstige Landgerichte ausdrücklich befreit hatte, nahm dann Sigmund, als er nach seiner Kaiserkrönung der Stadt im Jahre 1433 ihre Freiheiten noch einmal bestätigte, in den Wortlaut des Privilegs, das den bevorzugten Gerichts- stand der Bürger betraf, auch die Bestimmung auf, dass letzterer selbst dem kaiserlichen Hofgericht, dem Landgericht zu Rottweil und den übrigen Landgerichten gegenüber gültig sei®). In dieser erweiterten Gestalt wurde es dann von Albrecht II. (1439)*) und von Friedrich III. (144 1, 1452)5), der einfach die Urkunde Sigmunds in sein Privileg inse- rierte, konfirmiert. Auch auf Anerkennung ihrer Frei- heiten durch die obersten. geistlichen Autoritäten war Strassburg, so oft sich Gelegenheit bot, bedacht gewesen; 1329 hatte Papst Johann XXIL®), 1424 Martin V.”) dem Wunsche der Stadt entsprochen; schliesslich hatte sie auch für das Privileg in der Form, die es 1433 erhielt, vom Basler Konzil (1440)8) und von Papst Nikolaus V. (1452)°) sich Bestätigungen erwirkt.

Als Ende ı489 die Streitigkeiten zwischen der Stadt und Bischof wegen der geistlichen Gerichtsbarkeit aufs neue aufflackerten, war die letzte Bestätigung der Privi- legien der Stadt diejenige, die Friedrich III. nach seiner Kaiserkrönung im Jahre 1452 ausgestellt hatte. Da in den unten geschilderten Auseinandersetzungen die Auslegung des Passus, der den privilegierten Gerichtsstand der Strass- burger Bürger betraf, eine grosse Rolle spielt, sei der Wortlaut, wie er sich in dem ebengenannten Diplome vor- findet, soweit er für unsere Ausführungen Interesse hat,

werden, da das Stadtarchiv Strassburg für längere Zeit geschlossen ist und seine Bestände nicht zugänglich sind. Ich musste mich daher mit alten Drucken soweit vorhanden behelfen.

1) Urkundenbuch VI, Nr. 8, S. 3 f. ?) Ebenda, Nr. 1068, S. 620 f. 3) Strassb. Stadtarch. AA u. 5, gedruckt bei Lünig, Reichsarchiv XIV, S. 751 f. #) Strassb. Stadtarch. AA u. 6. 5) 1441: Strassb. Stadtarch. AA u. 6; 1452: Strassb. Stadtarch. AA u. 7, gedruckt bei Lünig, a. a. O. S. 759 fi. °) Urkundenbuch JI, Nr. 501, S. 454 f. 7) Strassb. Stadtarch. AA u. 5. 8) Ebenda AA u. 6. °) Ebenda AA u. 7.

76 Stenzel.

hier wiedergegeben: »... das su noch deheiner under in geirret oder geleidiget werde iemer von deheiner personen geistlicher oder weltlicher oder vor geriht gezogen oder geladen werde der stat Strasburg, es sij fur unser keiserlich hofgericht oder lantgeriht zu Rotwil oder dehein ander lantgeriht oder ander geriht, von was sache das were, oder von yemand getrenget werde umb sin eigent- schaft oder umb sin gütere yeman doselbes zu antwurten; wann hat yeman, wer der ist, nyeman usgenommen, gegen inen oder ir deheiner clage oder ansproch, so sol er sie ansprechen inwendig der vorgenanten stat Stras- burg vor der selben stat rihtern und sullent im auch do antwurten und volletun.« |

Da Bischof und Offiziale schliesslich einsahen'), dass sie vergebens gegen die Gültigkeit dieses Privilegs an- kämpften, vielmehr auf diese Weise die Stadt in eine an Erbitterung stetig zunehmende Opposition trieben, ver- änderten sie mit einem Male ihre Haltung und erklärten, selbst wenn die städtische Freiheit zu Recht bestehe und durch die ihnen verliehenen Privilegien nicht aufgehoben würde, so helfe das dem Rate nichts; denn das Offhizialat gehöre auch zu den städtischen Gerichten und der Offizial sei demgemäss gleichfalls ein Richter der Stadt; also ver- leihe die städtische Freiheit der Bürgerschaft keineswegs, wie der Rat es behaupte, Exemption von der Gerichtsbar- keit des geistlichen Gerichts, sondern bestätige geradezu die von diesem in Anspruch genommenen Rechte in vollem Umfange. Nun wurden ja allerdings dem strengen Wort- laut des Privilegs nach nur die ausserhalb Strassburgs gelegenen Gerichtstätten in Gegensatz zu den Stadtgerichten gestellt und von dem darin ausgesprochenen Verbote be- troffen; man konnte daher zugunsten der Offizialate an- führen, dass diese ihren Sitz und auch einen Teil ihres Wirkungskreises innerhalb Strassburgs hatten. Rufen wir uns jedoch demgegenüber die eben geschilderte geschicht- liche Entwicklung ins Gedächtnis zurück, so ergibt sich uns ganz zweifellos, dass, wenn dies auch nicht ausdrück- lich angegeben wird, es sich in dem Privileg allein um die weltliche Gerichtsbarkeit handelt, dass mit den »Stadt-

1) Vgl. hierzu oben S. 69.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im ı5. Jahrhundert. 77

richterne von vornherein nur die weltlichen Organe der bischöflichen Verwaltung und Rechtsprechung, der Vogt und die von ihnen abhängigen Richter und Gerichte, später dann, dem Gang der Geschichte entsprechend, der an ihre Stelle getretene städtische Rat und die von ihm geschaffenen Rechtsinstitute gemeint waren. Zur Zeit, da den Strass- burgern zum erstenmal der privilegierte Gerichtsstand ge- währt wurde, gab es überdies wohl eine geistliche Recht- sprechung, die der Bischof in der Diözese Strassburg aus- übte, aber noch nicht das Institut der Offizialate 1). Dieses entwickelte sich erst im 13. und 14. Jahrhundert, also in einem Zeitraum, wo der Begriff Stadtrichter schon längst feststand und es den Bischöfen nicht mehr möglich war, neue Organe zur Handhabung der Rechtsprechung in der Stadt zu schaffen, da sie hier bereits alle Macht an den Stadtrat verloren hatten und darum froh sein konnten, wenn sie wenigstens für ihre alten Beamten, Vogt und Schultheiss, der Form nach die Stellung als »Richter der Stadt« aufrecht erhielten. Auch waren ja die Offiziale nicht als Richter speziell für Strassburg, sondern für die ganze Diözese oder für Teile derselben eingesetzt und lediglich durch praktische Erwägungen und durch die Bestimmungen des Pfandbriefes von 1366 an die Stadt als Amtssitz gebunden; die bedeutsamen Kompetenzerweite- rungen, die starke Inanspruchnahme der Offizialate in welt- lichen Angelegenheiten, die ihnen im ı5. Jahrhundert wohl in mancher Hinsicht den äusseren Anschein von »Stadt- gerichten« gaben und daher die klerikalen Ansprüche als nicht ungerechtfertigt erscheinen liessen, waren lediglich Ergebnisse einer späteren Entwicklung und hatten mit den ursprünglichen Bestimmungen der geistlichen Gerichtsbar- keit nichts zu tun. Der Versuch des Bischofs und seines Anhangs, das städtische Privileg zugunsten der geistlichen Gerichte auszulegen, war daher rechtlich wenig begründet; um so zäher wurde er, namentlich von seiten des Dom- kapitels, durchgeführt.

Zum erstenmal wird in unsern Akten auf diesen ge- wagten Vorstoss der geistlichen Gewalten gegen die Haupt-

1) Vgl. hierzu L. Ober, Die Entstehung des bischöflichen Hofrichter- amts (Strassburger Diözesanblatt 1909, S. 314 ff., S. 349 fl.).

78 Stenzel.

stellung der Macht des Stadtrats in der bereits oben erwähnten Instruktion angespielt’), die der Rat für die Gesandtschaft, welche Anfang Dezember an den Bischof geschickt werden sollte, aufgesetzt hatte. Die Boten wurden darin angewiesen, sofern ihnen Albrecht entgegenhalte, der geistliche Richter sei auch ein Richter der Stadt, zu erwidern, es gebe geistliche und weltliche Personen in der Stadt und demgemäss auch geistliche und weltliche Gerichte, deren jedes seine Jurisdiktion für sich habe; wenn man nun beanspruche, dass die Laien um ihrer Forderungen willen den Geistlichen vor deren ordentlichen Richter nachfolgten, warum sollten nicht dann auch ihrerseits die Geistlichen in Fällen, wo es sich um weltliche Klaggegenstände handele, den Laien vor deren zuständiges Gericht nachfolgen? Man sieht, die Strassburger wussten, von den damals bestehen- den tatsächlichen Verhältnissen ausgehend, im ersten Augen- blick nichts Schlüssiges den Ansprüchen der geistlichen Gerichte entgegenzustellen; aber in Verlegenheit gerieten sie deshalb noch lange nicht. Vielmehr erhielten die Ge- sandten für den Fall, dass es wirklich einige Irrung wegen der städtischen Freiheit geben und der Bischof diese anders auslegen und das Wort »Stadtrichter« anders verstehen wollte als der Rat, ausdrücklich die Weisung, in diesen Streitfragen von Albrecht kein Rechtgebot vor die in der freundschaftlichen Einung zwischen Bischof und Stadt aus- gemachten Austragsgerichte anzunehmen, sondern sich vor den Kaiser als die einzig zuständige Stelle zu Recht zu erbieten und für die Zwischenzeit, bis Friedrich III. den Sinn der Freiheit festgestellt und erläutert hätte, Einstellung der umstrittenen, vor dem geistlichen Gericht schwebenden Pro- zesse und aller sonstigen Schritte in diesen Angelegenheiten zu verlangen. |

Nun liess aber die Stadt auf das bereits oben?) be- sprochene, heftige Schreiben des Bischofs vom 4. Dezember den Plan der Gesandtschaft zunächst fallen; da Albrechtjedoch auch jetzt ebensowenig wie früher die wahrscheinlich von den Offizialen und dem Domkapitel ausgehende neue Aus-

ı) Vgl. oben S. 67 f.; die Instruktion im Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 118. 9) S. 68.

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Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 79

legung des Wortes »Stadtrichter« sich zu eigen machte, ja darauf überhaupt nicht zu sprechen kam, sondern sich lediglich auf die Privilegien seines Stiftes stützte, . konnte die Stadt sich immerhin noch auf weitere gütliche Ver- handlungen einlassen und ersuchte ihn deshalb in ihrer Antwort vom ọ. Dezember!'), in der sie im übrigen mit allem Nachdruck ihren Standpunkt wahrte, er möge ihr nur einen Tag angeben und zeitig vorher verkündigen, an dem es ihm gelegen sei, eine Gesandtschaft ihres Rats zu verhören. In einer Besprechung, die in Anknüpfung an diesen Schriftwechsel um die Jahreswende zwischen Albrechts Kanzler Gottfried Quinckener von Saarburg und einigen Strassburger Ratsfreunden stattfand ?), wurde darauf zur Erörterung der ganzen Streitigkeiten für den 18. Januar 1490 nach Zabern ein gütlicher Tag angesetzt, der dann vom Bischof, angeblich weil er wichtiger Geschäfte halber in die Obermundat musste, zunächst abgesagt?) und schliess- lich auf den 4. Februar verschoben wurdet). Zu diesem Tag entsandte die Stadt eine sechsgliedrige Botschaft unter der Führung des regierenden Stettmeisters Herrn Wilhelm Böcklin und des Altammeisters Peter Schott mit dem Auf- trag, den Bischof um Beobachtung der alten Freiheiten und Gewohnheiten der Stadt und um Zurechtweisung des widerrechtlichen Vorgehens des Offizials zu ersuchen’). Im übrigen wurde den Gesandten ziemlich freie Hand gelassen, je nachdem die Antwort Albrechts schroff oder entgegenkommend ausfiel; sie erhielten sogar die Vollmacht, gegebenenfalls in den Vorschlag, man solle eine aus Ver- tretern beider Parteien gebildete Kommission ernennen, die, ohne den beiderseitigen Rechtsansprüchen nahezutreten, die Streitsache gütlich verhören sollte, einzuwilligen, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass der Offizial in der Zwischenzeit mit seinen Prozessen stillstände.

Aber gerade hier lag der wunde Punkt, da letzteres bei dem Bischof wohl kaum zu erreichen war. Hatte

1) Strassb. Stadtarch. VDG, Bd. 117, fol. 10. ?) Vgl. Schreiben des Bischofs vom 2. Januar 1490 (Strassb. Stadtarch. VDG, Bd. 117, fol. 11). 3) Ebenda. $) Schreiben des Bischofs vom 18. Januar (Strassb. Stadtarch. VDG, Bd. 117, fol. 12) 5) Bedacht des Rates im Strassb. Stadtarch. VDG, Bd. 117, fol. 70; weitere Kopie in VDG, Bd. 107, fol. 212.

70 Stenzel.

durften fortan Vögte von den ihnen unterstellten Hörigen und Zinspflichtigen, die innerhalb Strassburgs Häuser hatten und bewohnten, den fälligen Zins nur in der Stadt sich . auszahlen lassen und im Falle der Säumigkeit oder der Weigerung des Schuldners sich allein vor den Richtern der Stadt innerhalb Strassburgs Gerechtigkeit und Genug- tuung holen (»constituimus, tradidimus et auctoritate nostra regia consensuque principum nostrorum confirmamus insti- tutum et jus quoddam, ut videlicet nullus eorum cuiuslibet conditionis placitum aliquod, quod vulgo thinch vocatur, extra civitatem suam constitutum adeat vel prorsus ab aliquo cogatur adire vel de aliquo sibi imposito ibi cuiquam respondere, nisi pro hereditatibus seu proprietatibus extra civitatem conquerendis vel defendendis. de ceteris, si aliquis adversus aliquem eorum aliquid habuerit, infra civitatem coram ipsius civitatis judicibus eum impetat ibique ei respondeat vel satisfaciat. advocati etiam, quorum subditi seu censuales infra civitatem domos habuerint aut manserint, censum debitum ab eis in civitate accipiant et, si super- sederint vel dare noluerint, justitiam vel satisfactionem coram judicibus civitatisinfra ipsam civitatem inde accipianta). In erster Linie richtete sich dieses den Bürgern verliehene »institutum et ius quoddam«, wie aus dem ganzen Inhalt her- vorgeht, gegen die auswärtigen Richter und Gerichtsherren und nicht, wie man aus der Tatsache, dass damals zwischen Bischof Bruno und der Bürgerschaft eine böse Spannung bestand und dass zur Zeit der Ausstellung der Urkunde Bruno vom König noch nicht anerkannt war!), schliessen möchte, gegen den Bischof; denn die städtische Gerichts- barkeit, der das Privileg in hohem Masse zugute kam, lag ja noch so gut wie ausschliesslich in des letzteren Händen, und die von ihm mit der Rechtsprechung betrauten Be- amten, Vogt, Schultheiss und Burggraf, wohnten selbst, vielleicht sogar als Wortführer der Ministerialen und Ein- wohner, der Ausstellung des wichtigen Dokumentes bei. Damit soll natürlich nicht bestritten werden, dass das Pri- vileg auch dem Bischof und seinen Beamten Schranken setzte und namentlich einer etwaigen willkürlichen Ver-

1) Regesten der Bischöfe von Strassburg I?, Nr. 431 u. 432.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 71

legung der Gerichtsstätten vorbeugte!): aber zu einer wirk- samen und wertvollen Waffe im Kampf gegen die bischöf- liche Gewalt wurde es für die Stadt erst vom ı3. Jahr- hundert ab, wo der Rat sich allmählich die Stellung der obersten Gerichtsbehörde errang und nun mehr und mehr für sich ausschliesslich die Stellung als »civitatis judices« in Anspruch nahm.

Dieser liess sich denn auch im Jahre 1211, als er von Otto IV. eine Bestätigung aller Gebräuche und Gewohn- heiten der Stadt erlangte, ausdrücklich das Privileg Lothars bekräftigen, das allerdings nur kurz, ohne nähere Kenn- zeichnung seines Inhalts in der neuen Urkunde angeführt wurde?). Die weitere Entwicklung der Freiheit nimmt nun mit einem Male einen seltsamen Verlauf. Als Friedrich II. im Januar 1219 die Stadt feierlich begnadigte, sie in seinen Schutz nahm und in ihren alten Rechten und Gewohn- heiten beliess, verkündigte er zugleich, dass, so lange sie ihm treu bleibe, keiner der Ihrigen irgendwo im Reiche von irgend einer Person, sei es Geistlicher oder Laie, auf unrechtmässige Weise beschwert oder belästigt oder vor Gericht gezogen werden dürfte (ənullo unquam in loco Romani imperii ab aliqua persona seculari sive ecclesiastica aliquis vestrum extra formam juris impediatur aut mole- stetur vel in iudicium trahature«)3), Im September des gleichen Jahres erlangten die Strassburger von dem jungen König die Bestätigung ihrer Freiheiten; in dem darüber ausgestellten Diplom wurde zuerst das wichtige Privileg König Philipps vom Jahre ı205, das der Stadt den beson- deren königlichen Schutz und in gewisser Hinsicht ihren Bürgern Steuerfreiheit verlieh, mit dem gleichen Wortlaut, aber ohne Bezugnahme auf die Vorurkunde, erneuert; dann lautet der Text weiter: »preterea constituimus, tradidimus et auctoritate regia consensuque principum nostrorum con- firmavimus institutum et jus quoddam, quod cives ejusdem civitatis habuerunt ab antecessoribus nostris dive memorie Lotharii et Philippi Romanorum regibus gloriosis, ut nullo unquam in loco ab aliqua persona seculari sive ecclesiastica

!) Winter, Geschichte des Rates in Strassburg S. 80. ?) Strassb. Urkundenbuch I Nr. 154, S. 123 f. ®) Ebenda Nr. 172, S. 135 f.

72 Stenzel.

aliquis eorum extra formam juris inpediatur aut molestetur vel in judicium trahatur extra civitatem vel prorsus ab aliquo cogatur pro sua proprietate seu possessione ibi cui- quam respondere, sed, si aliquis adversus aliquem eorum aliquid habuerit, infra civitatem coram ipsius civitatis judicibus eum impetat ibique ei respondeat et satisfaciat, advocati etiam, quorum censuales, infra civitatem domos habuerint aut manserint, censum debitum ab eis in civitate accipiant et, si supersederint vel dare noluerint, justiciam et satisfactionem coram judicibus civitatis inde accipiant«!). Zunächst fällt uns auf, dass in der Urkunde neben Lothar auch Philipp genannt wird; es ist uns nicht bekannt, dass die Stadt von ihm eine Bestätigung ihrer Gerichtsfreiheit erhielt, es müsste denn eine Lücke in unserer Über- lieferung vorliegen. Das letztere ist möglich, aber nur wenig wahrscheinlich, da bei der sorgfältigen Aufbewahrung, die die Stadt gerade diesen ihren ältesten Privilegien an- gedeihen liess, sich sicher eine anderweitige Überlieferungs- spur gefunden haben würde. Direkt stutzig wird man, wenn man Wortlaut und Inhalt des obigen Passus ansieht. Ganz unbestreitbar liegt da der Text des Privilegs von Lothar zugrunde; aber er hat doch nicht unwesentliche Änderungen erfahren. Gleich die erste Bestimmung (»ut nullo« bis »trahatur«) ist ein Zusatz, der unzweifelbar wort- wörtlich der oben erwähnten Urkunde Friedrichs vom Januar desselben Jahres entnommen und mit dem Zusatz ‚extra civitatem« versehen, an Stelle des ersten Teiles (»ut videlicet« bis »adeat«) der Lotharschen Urkunde getreten ist. Der Zweck dieser Umgestaltung wird ohne weiteres klar: das Privileg erhält so eine schärfere, allgemeinere Fassung und wird vor allem auch den Geistlichen gegen- über ausdrücklich zur Geltung "gebracht. Die übrigen grösseren Veränderungen dass unter den Klagegegen- ständen ausdrücklich Besitz und Eigentum der Bürger hervorgehoben wird und die Ausnahme für Prozesse um Erbe und Eigen fehlt kommen hier für uns nicht so sehr in Betracht wie die Tatsache, dass schon damals der privilegierte Gerichtsstand der Bürger den geistlichen An-

1) Ebenda, Nr. 175, S. 137 ff.

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Geistliche Gerichte zu Strassburg im ı5. Jahrhundert. 73

sprüchen gegenüber gesichert wurde. Dass sich aber auch diese Erweiterung des Privilezgs noch nicht gegen den Bischof in erster Linie richtete, zeigt allein dessen An- wesenheit bei der Ausstellung der Urkunde. Schwieriger ist die Frage zu entscheiden, auf Grund welcher Unter- lagen die letztere erteilt und ausgefertigt wurde. Die Möglichkeit, dass schon eine Bestätigung König Philipps die Freiheit in der veränderten Gestalt enthielt, verliert dadurch noch an Glaubwürdigkeit, dass, wie wir sahen, der eine Passus doch wahrscheinlich der Urkunde Friedrichs II. vom Januar 1219 entnommen ist; es ist auch wohl kaum anzunehmen, dass dem König ein gefälschtes Diplom als Vorlage unterbreitet wurde. Es scheint sich vielmehr was ja auch sonst vorkommt um eine stillschweigend gewährte Abänderung und Erweiterung der alten Freiheit zu handeln; die Nennung König Philipps in dem Zusammen- hang kann von einem durch eine Verwechslung mit dem voranstehenden Privileg von ı205 bedingten Versehen der Kanzlei herrühren. |

Wie dem auch sei, jedenfalls blieb von nun an die neue Formulierung des Privilegs massgebend, allerdings in der etwas veränderten (restalt, die ihm Friedrich II. im Jahre 1236, da er als Kaiser die städtischen Freiheiten nochmals bestätigte, verlieh '). Abgesehen von geringen stilistischen Veränderungen blieben damals vor allem die Bestimmungen weg, die die Zinszahlung der Zinspflichtigen betrafen. Übrigens sah sich noch im gleichen Jahr der Kaiser durch die Bitten der Strassburger veranlasst, dem Prokurator des Landgrafen von Werd und zugleich allen übrigen Richtern im Reiche nachdrücklich einzuschärfen, dass Bürger der Stadt vor kein auswärtiges Gericht zur Rechtfertigung gezogen werden dürften, da sie bereit seien, einem jeden vor ihrem städtischen Richter zur Rede zu stehen2), ein Beweis dafür, dass es zunächst noch aus- wärtige, und zwar weltliche Gerichtsherren waren, gegen die die Stadt sich und ihre Bürger mit Hilfe des ihr zu- erkannten privilegierten Gerichtsstands zu schützen suchte. Wenn sie sich dann im Jahre 1247 von Papst Innozenz IV.®)

1) Ebenda, Nr. 246, S. 192 fl. ?) Ebenda, S. 195, Nr. 248. `) Ebenda, Nr. 316, S. 237 f.

74 Stenzel.

und 11 Jahre später von Alexander IV.!) ausdrücklich die Urkunde Friedrichs II. von 1236 und die darin enthaltenen Freiheiten bestätigen liess, so geschah das wohl vor allem deshalb, weil in diesen Zeiten des Verfalls der kaiserlichen Macht die Konfirmation durch die Päpste dem Inhalt einen gewissen Nachdruck verlieh, und nicht, wie man sich später zurecht legte?), aus dem Grunde, dass nach kanonistischer Auffassung die kaiserliche Freiheit nicht genügte, um etwa entgegenstehende Bestimmungen des geistlichen Rechts kraftlos zu machen. Diese Erwägung hat zweifellos erst in späteren Jahrhunderten, als die geistliche Jurisdiktion in der von uns schon früher gekennzeichneten reichen Enlt- wicklung stand, wie bereits oben bemerkt wurde, eine grosse Rolle gespielt.

Bei der Bestätigung der städtischen Freiheiten durch Richard von Cornwallis im Jahr 1262 unterlief es übrigens, dass, da man, ohne näher zuzusehen, den Text der Ur- kunde Lothars sowohl wie den des Diploms von 1236 über- nahm, beide Fassungen des Gerichtsprivilegs unbedenklich nebeneinander gestellt wurden®). Dagegen wurde unter allen folgenden Königen und Kaisern, unter Rudolf (1275)), Adolf von Nassau (1293)5), Albrecht I. (1298)®) und Hein- rich VII. 1310)7) ausschliesslich die Fassung von 1236 zu- grunde gelegt. Dasselbe geschah auch unter Ludwig dem Bayern (1315, 1328)8); nur erweiterte dieser das Privileg dahin, dass es nicht nur für Realklagen, sondern auch für Personalklagen jeder Art gelten sollte. Durch Karl IV. (1347, 1355)°) erhielt es dann unverändert mit dem Zusatze Ludwigs deutsches Gewand, in dem es nahezu gleich- lautend in die Bestätigungen Wenzels (1379)1%), Ruprechts (1400)!!) und Sigmunds (1413)!2) übernommen wurde.

I) Ebenda, Nr. 418, S. 315. 2) Vgl. die Ausführungen Seb. Brants im Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 59. S. auch oben S. 53 f. 3) Urkundenbuch ], Nr. 507. +) Urkundenbuch II, Nr. 47. 5) Ebenda, Nr. 188. ®) Ebenda, 215. 1) Ebenda, Nr. 280. °) Ebenda, Nr. 326 u. 490. °?) Urkundenbuch V, Nr. 155 u. 346. 10) Ebenda, Nr. 1345 u. 1365. !!) Urkundenbuch VI, Nr. 1586, S. 801 f. 12) Strassb. Stadt- archiv AA 4. Die Originale der zeitlich nach 1400 liegenden, also nicht mehr im Urkundenbuch veröffentlichten Urkunden konnten leider nicht mehr, wie ursprünglich beabsichtigt, einer nochmaligen Durghsicht unterzogen

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 75

Nachdem bereits Wenzel in den Jahren 13811) und 1396?) die Stadt und die Bürgerschaft insgemein von Ladungen vor das Landgericht zu Rottweil, das königliche Hofgericht und sonstige Landgerichte ausdrücklich befreit hatte, nahm dann Sigmund, als er nach seiner Kaiserkrönung der Stadt im Jahre 1433 ihre Freiheiten noch einmal bestätigte, in den Wortlaut des Privilegs, das den bevorzugten Gerichts- stand der Bürger betraf, auch die Bestimmung auf, dass letzterer selbst dem kaiserlichen Hofgericht, dem Landgericht zu Rottweil und den übrigen Landgerichten gegenüber gültig sei’). In dieser erweiterten Gestalt wurde es dann von Albrecht II. (1439)*) und von Friedrich III. (144 1, 1452)), der einfach die Urkunde Sigmunds in sein Privileg inse- rierte, konfirmiert. Auch auf Anerkennung ihrer Frei- heiten durch die obersten geistlichen Autoritäten war Strassburg, so oft sich Gelegenheit bot, bedacht gewesen; 1329 hatte Papst Johann XXIL$®), ı424 Martin V.7) dem Wunsche der Stadt entsprochen; schliesslich hatte sie auch für das Privileg in der Form, die es 1433 erhielt, vom Basler Konzil (1440)8) und von Papst Nikolaus V. (1452)°) sich Bestätigungen erwirkt.

Als Ende ı489 die Streitigkeiten zwischen der Stadt und Bischof wegen der geistlichen Gerichtsbarkeit aufs neue aufflackerten, war die letzte Bestätigung der Privi- legien der Stadt diejenige, die Friedrich III. nach seiner Kaiserkrönung im Jahre ı452 ausgestellt hatte. Da in den unten geschilderten Auseinandersetzungen die Auslegung des Passus, der den privilegierten Gerichtsstand der Strass- burger Bürger betraf, eine grosse Rolle spielt, sei der Wortlaut, wie er sich in dem ebengenannten Diplome vor- findet, soweit er für unsere Ausführungen Interesse hat,

werden, da das Stadtarchiv Strassburg für längere Zeit geschlossen ist und seine Bestände nicht zugänglich sind. Ich musste mich daher mit alten Drucken soweit vorhanden behelfen.

1) Urkundenbuch VI, Nr. 8, S. 3 f. ?) Ebenda, Nr. 1068, S. 620 f. 2) Strassb. Stadtarch. AA u. 5, gedruckt bei Lünig, Reichsarchiv XIV, S. 751 f. 4) Strassb. Stadtarch. AA u. 6. 5) 1441: Strassb. Stadtarch. AA u6; 1452: Strassb. Stadtarch. AA u. 7, gedruckt bei Lünig, a. a. O. S. 759 fl. ©) Urkundenbuch JI, Nr. 501, S. 454 f. ?) Strassb. Stadtarch. AA u. 5. 8) Ebenda AA u. 6. °) Ebenda AA u. 7.

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hier wiedergegeben: »... das su noch deheiner under in geirret oder geleidiget werde iemer von deheiner personen geistlicher oder weltlicher oder vor geriht gezogen oder geladen werde der stat Strasburg, es sij fur unser keiserlich hofgericht oder lantgeriht zu Rotwil oder dehein ander lantgeriht oder ander geriht, von was sache das were, oder von yemand getrenget werde umb sin eigent- schaft oder umb sin gütere yeman doselbes zu antwurten; wann hat yeman, wer der ist, nyeman usgenommen, gegen inen oder ir deheiner clage oder ansproch, so sol er sie ansprechen inwendig der vorgenanten stat Stras- burg vor der selben stat rihtern und sullent im auch do antwurten und volletun.« |

Da Bischof und Offiziale schliesslich einsahen'), dass sie vergebens gegen die Gültigkeit dieses Privilegs an- kämpften, vielmehr auf diese Weise die Stadt in eine an Erbitterung stetig zunehmende Opposition trieben, ver- änderten sie mit einem Male ihre Haltung und erklärten, selbst wenn die städtische Freiheit zu Recht bestehe und durch die ihnen verliehenen Privilegien nicht aufgehoben würde, so helfe das dem Rate nichts; denn das Offzialat gehöre auch zu den städtischen Gerichten und der Offizial sei demgemäss gleichfalls ein Richter der Stadt; also ver- leihe die städtische Freiheit der Bürgerschaft keineswegs, wie der Rat es behaupte, Exemption von der Gerichtsbar- keit des geistlichen Gerichts, sondern bestätige geradezu die von diesem in Anspruch genommenen Rechte in vollem Umfange. Nun wurden ja allerdings dem strengen Wort- laut des Privilegs nach nur die ausserhalb Strassburgs gelegenen Gerichtstätten in Gregensatz zu den Stadtgerichten gestellt und von dem darin ausgesprochenen Verbote be- troffen; man konnte daher zugunsten der Öffizialate an- führen, dass diese ihren Sitz und auch einen Teil ihres Wirkungskreises innerhalb Strassburgs hatten. Rufen wir uns jedoch demgegenüber die eben geschilderte geschicht- liche Entwicklung ins Gedächtnis zurück, so ergibt sich uns ganz zweifellos, dass, wenn dies auch nicht ausdrück- lich angegeben wird, es sich in dem Privileg allein um die weltliche Gerichtsbarkeit handelt, dass mit den »Stadt-

') Vgl. hierzu oben S. 69.

=a elle non fälle Herguniäken

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richterne von vornherein nur die weltlichen Organe der bischöflichen Verwaltung und Rechtsprechung, der Vogt und die von ihnen abhängigen Richter und Gerichte, später dann, dem Gang der Geschichte entsprechend, der an ihre Stelle getretene städtische Rat und die von ihm geschaffenen Rechtsinstitute gemeint waren. Zur Zeit, da den Strass- burgern zum erstenmal der privilegierte Gerichtsstand ge- währt wurde, gab es überdies wohl eine geistliche Recht- sprechung, die der Bischof in der Diözese Strassburg aus- übte, aber noch nicht das Institut der Offizialate!). Dieses entwickelte sich erst im ı3. und ı4. Jahrhundert, also in einem Zeitraum, wo der Begriff Stadtrichter schon längst feststand und es den Bischöfen nicht mehr möglich war, neue Organe zur Handhabung der Rechtsprechung in der Stadt zu schaffen, da sie hier bereits alle Macht an den Stadtrat verloren hatten und darum froh sein konnten, wenn sie wenigstens für ihre alten Beamten, Vogt und Schultheiss, der Form nach die Stellung als »Richter der Stadt« aufrecht erhielten. Auch waren ja die Öffiziale nicht als Richter speziell für Strassburg, sondern für die ganze Diözese oder für Teile derselben eingesetzt und lediglich durch praktische Erwägungen und durch die Bestimmungen des Pfandbriefes von 1366 an die Stadt als Amtssitz gebunden; die bedeutsamen Kompetenzerweite- rungen, die starke Inanspruchnahme der Offizialate in welt- lichen Angelegenheiten, die ihnen im ı5. Jahrhundert wohl in mancher Hinsicht den äusseren Anschein von »Stadt- gerichten« gaben und daher die klerikalen Ansprüche als nicht ungerechtfertigt erscheinen liessen, waren lediglich Ergebnisse einer späteren Entwicklung und hatten mit den ursprünglichen Bestimmungen der geistlichen Gerichtsbar- keit nichts zu tun. Der Versuch des Bischofs und seines Anhangs, das städtische Privileg zugunsten der geistlichen Gerichte auszulegen, war daher rechtlich wenig begründet; um so zäher wurde er, namentlich von seiten des Dom- kapitels, durchgeführt.

Zum erstenmal wird in unsern Akten auf diesen ge- wagten Vorstoss der geistlichen Gewalten gegen die Haupt-

1) Vgl. hierzu L. Ober, Die Entstehung des bischöflichen Hofrichter- amts (Strassburger Diözesanblatt 1909, S. 314 ff., S. 349 fl.).

78 Stenzel.

stellung der Macht des Stadtrats in der bereits oben erwähnten Instruktion angespielt'), die der Rat für die Gesandtschaft, welche Anfang Dezember an den Bischof geschickt werden sollte, aufgesetzt hatte. Die Boten wurden darin angewiesen, sofern ihnen Albrecht entgegenhalte, der geistliche Richter sei auch ein Richter der Stadt, zu erwidern, es gebe geistliche und weltliche Personen in der Stadt und demgemäss auch geistliche und weltliche Gerichte, deren jedes seine Jurisdiktion für sich habe; wenn man nun beanspruche, dass die Laien um ihrer Forderungen willen den Geistlichen vor deren ordentlichen Richter nachfolgten, warum sollten nicht dann auch ihrerseits die Geistlichen in Fällen, wo es sich um weltliche Klaggegenstände handele, den Laien vor deren zuständiges Gericht nachfolgen? Man sieht, die Strassburger wussten, von den damals bestehen- den tatsächlichen Verhältnissen ausgehend, im ersten Augen- blick nichts Schlüssiges den Ansprüchen der geistlichen Gerichte entgegenzustellen; aber in Verlegenheit gerieten sie deshalb noch lange nicht. Vielmehr erhielten die Ge- sandten für den Fall, dass es wirklich einige Irrung wegen der städtischen Freiheit geben und der Bischof diese anders auslegen und das Wort »Stadtrichtere anders verstehen wollte als der Rat, ausdrücklich die Weisung, in diesen Streitfragen von Albrecht kein Rechtgebot vor die in der freundschaftlichen Einung zwischen Bischof und Stadt aus- gemachten Austragsgerichte anzunehmen, sondern sich vor den Kaiser als die einzig zuständige Stelle zu Recht zu erbieten und für die Zwischenzeit, bis Friedrich III. den Sinn der Freiheit festgestellt und erläutert hätte, Einstellung der umstrittenen, vor dem geistlichen Gericht schwebenden Pro- zesse und aller sonstigen Schritte in diesen Angelegenheiten zu verlangen.

Nun liess aber die Stadt auf das bereits oben?) be- sprochene, heftige Schreiben des Bischofs vom 4. Dezember den Plan der Gesandtschaft zunächst fallen; da Albrechtjedoch auch jetzt ebensowenig wie früher die wahrscheinlich von den Öftizialen und dem Domkapitel ausgehende neue Aus-

1) Vgl. oben S. 67 f.; die Instruktion im Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 118. NS. 68. i

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 79

legung des Wortes »Stadtrichter« sich zu eigen machte, ja darauf überhaupt nicht zu sprechen kam, sondern sich lediglich auf die Privilegien seines Stiftes stützte,. konnte die Stadt sich immerhin noch auf weitere gütliche Ver- handlungen einlassen und ersuchte ihn deshalb in ihrer Antwort vom ọ. Dezember!), in der sie im übrigen mit allem Nachdruck ihren Standpunkt wahrte, er möge ihr nur einen Tag angeben und zeitig vorher verkündigen, an dem es ihm gelegen sei, eine Gesandtschaft ihres Rats zu verhören. In einer Besprechung, die in Anknüpfung an diesen Schriftwechsel um die Jahreswende zwischen Albrechts Kanzler Gottfried Quinckener von Saarburg und einigen Strassburger Ratsfreunden stattfand ?), wurde darauf zur Erörterung der ganzen Streitigkeiten für den 18. Januar 1490 nach Zabern ein gütlicher Tag angesetzt, der dann vom Bischof, angeblich weil er wichtiger Geschäfte halber in die Obermundat musste, zunächst abgesagt®) und schliess- lich auf den 4. Februar verschoben wurde). Zu diesem Tag entsandte die Stadt eine sechsgliedrige Botschaft unter der Führung des regierenden Stettmeisters Herrn Wilhelm Böcklin und des Altammeisters Peter Schott mit dem Auf- trag, den Bischof um Beobachtung der alten Freiheiten und Gewohnheiten der Stadt und um Zurechtweisung des widerrechtlichen Vorgehens des Offizials zu ersuchen’). Im übrigen wurde den Gresandten ziemlich freie Hand gelassen, je nachdem die Antwort Albrechts schroff oder entgegenkommend ausfiel; sie erhielten sogar die Vollmacht, gegebenenfalls in den Vorschlag, man solle eine aus Ver- tretern beider Parteien gebildete Kommission ernennen, die, ohne den beiderseitigen Rechtsansprüchen nahezutreten, die Streitsache gütlich verhören sollte, einzuwilligen, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass der Offizial in der Zwischenzeit mit seinen Prozessen stillstände.

Aber gerade hier lag der wunde Punkt, da letzteres bei dem Bischof wohl kaum zu erreichen war. Hatte

1) Strassb. Stadtarch. VDG, Bd. 117, fol. 10. ?) Vgl. Schreiben des Bischofs vom 2. Januar 1490 (Strassb. Stadtarch. VDG, Bd. 117, fol. 11). 3) Ebenda. +) Schreiben des Bischofs vom 18. Januar (Strassb. Stadtarch. VDG, Bd. 117, fol. 12) 5) Bedacht des Rates im Strassb. Stadtarch. VDG, Bd. 117, fol. 70; weitere Kopie in VDG, Bd. 107, fol. 212.

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Albrecht doch sogar dem Offizial in einem offenen Briefe den ausdrücklichen Befehl erteilt'), in den schwebenden Verfahren nicht einzuhalten, sondern darin weiter vorzu- gehen, wie es nach seiner Ansicht Recht und Herkommen der geistlichen Gerichte gebot. Das zeigte sich auch in der schon früher?) kurz berührten Streitsache zwischen Hans Jörger und dem Herrn von Sickingen. Die wenigen Stücke, die uns von diesem Prozess erhalten sind, tragen leider alle kein Datum; doch kann mit Rücksicht auf das noch zu erwähnende Schreiben des Pfalzgrafen) in dieser Angelegenheit kaum ein Zweifel daran erhoben werden, dass sie in den Anfang des Jahres 1490 zu setzen sind. Auch in diesem Falle bemühte sich der Offizial unaus- gesetzt, das von Sickingen angestrengte Verfahren zu Ende durchzuführen, obwohl sich Jörger jedesmal, wenn er vor- geladen wurde, weigerte, ihn als den zuständigen Richter anzuerkennen und sich auf die städtischen Freiheiten berief, deren Wortlaut er schliesslich, vom Rat unterstützt, sowohl aus den Privilegien der Kaiser als auch aus den Be- stätigungen der Päpste und des Basler Konzils verlesen liess. Daraufhin hatte der geistliche Richter erklärt®), er beabsichtige keineswegs gegen diese Privilegien zu ver- stossen oder Sachen, die nicht vor sein Forum gehörten, vor sich zu behalten; aber die städtische Freiheit wende sich lediglich gegen die Gerichte ausserhalb der Stadt, und schliesse die Rechtsübung der Offiziale der geistlichen Höfe nicht aus; vielmehr seien diese in den ihnen zustehenden Angelegenheiten auch für die Bürger Strassburgs die ordent- lichen Richter. Dementsprechend entschied er auch dahin, dass das Verfahren seinen weitern Verlauf nehmen müsse; immerhin schob er aber die endgültige Entscheidung noch einmal hinaus und setzte den nächsten Termin erst auf acht Tage später fest, um dem Angeklagten, Gelegenheit zu geben, sich gegebenenfalls das nötige Material zu einem Einspruch gegen die richterlichen Ausführungen zu beschaffen.

1) Erwähnt in seinem Schreiben an Heinrich Martin vom 18. Januar 1490 (Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 119) ?) Vgl. oben S. 64. 3) Vgl. unten S. 82. 4) Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 108, fol. 246 (deutsche Übersetzung).

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 81

Die Stadt suchte die Sache unter allen Umständen vor ihr Gericht zu ziehen, selbst auf die Gefahr hin, dass sie diese, ihrer »Natur« entsprechend, wieder an das geist- liche Gericht zurückverweisen müsste, und liess sich des- halb, anscheinend von ihrem Syndikus Dr. Weltzer, ein eingehendes Rechtsgutachten über die Sachlage aufsetzen!). Dieser verhehlte keineswegs, dass der Standpunkt des Rats seine schwachen Seiten hatte; er hob vor allem hervor, dass die früheren Rechtsgänge über die strittigen Be- sitzungen sich vor dem Offizialat abgespielt hätten und daraus sich für den Offizial eigentlich ergebe, dass auch die weiteren Rechtsübungen in dieser Sache dem gleichen Forum verbleiben müssten; auch bemerkte er, der geist- licne Richter könne sich darauf berufen, dass in der städti- schen Freiheit nicht ausdrücklich von weltlichen Richtern die Rede sei, und sich deshalb gleichfalls für einen »Stadtrichter« achten. Weltzer zweifelte trotzdem natürlich nicht daran, dass das bessere Recht auf Seiten des Rates sei. Er schlug vor, Jörger solle auch bei dem nächsten Termin dem geist- lichen Richter die Anerkennung der Zuständigkeit ver- weigern, und zwar mit der Begründung, dass, nachdem in einem früheren Rechtsgang die Einspruchsklage seines Gegners für nichtig erklärt worden sei, die Prozessache damit endgültig abgeschlossen und die umstrittenen Güter in seinen Besitz übergegangen seien, sowie auf Grund der Freiheit, die vor allem dahin laute, dass Klagen gegen Bürger wegen deren Eigentum und Besitz nur vor der Stadt Strassburg Richtern eingelegt werden dürften, und laut des gemeinen Rechts Weisung vor das ordentliche Gericht verlangen. Lehnte der Offizial die Forderung jetzt ab, dann konnte die Stadt eingreifen und kraft eines ihr im Jahr 1435 von Sigmund verliehenen und von Friedrich III. bestätigten Privilegs?) fordern, dass die Entscheidung über die Zuständig- keit zum Schutze ihrer gefährdeten Freiheit entweder vor der Stadt Basel oder vor Worms oder vor Ulm, die alle drei zur Wahrnehmung des privilegierten Gerichtsstands Strass- burgs und seiner Bürgerschaft als »Konservatoren« eingesetzt

1) Strassb. Stadtarch. VDG, Bd. 108, fol 247 f. (Abschrift, nicht von Weltzers Hand). ?) Strassb. Stadtarch. AA. 6, gedruckt bei Lünig,

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waren, zum Austrag gebracht werde. Dieser Weg schien freilich Weltzer nicht unbedenklich, da es nicht sicher war, dass die Stadt bei der Gegenpartei ihren Willen durch- setzen werde; viel besser schien es ihm zu sein, wenn Jörger ausdrücklich dem Offizial erkläre, mit dem Worte »der Stadt Richter« in der Freiheit könnten natürlich nur die weltlichen Richter gemeint sein, da ja die geistlichen Richter von der Stadt nicht eingesetzt werden könnten, sondern allein im Namen des Bischofs ihr Amt versähen. Lehnte der Offizial es ab, diesem Einspruch Folge zu leisten, dann sollte Jörger gegen jede Entscheidung des Richters sofort Appellation beim Kaiser einlegen, da es sich ja jetzt um die Auslegung des von diesem der Stadt bewilligten und bestätigten Privilegs handele, und der Rat, während die Sache vor der Berufungsinstanz anhängig wäre, sich von Friedrich, als der einzig zuständigen Stelle, eine ent- sprechende Erklärung und Erweiterung ihrer Freiheit er- wirken.

Doch kam es zunächst nicht so weit; der Offizial wagte es mit Rücksicht auf die Haltung der Stadt vorläufig nicht, irgendwie ein endgültiges Urteil zu fällen. Freilich gab Herr Hans von Sickingen seine Sache damit noch nicht verloren; er wandte sich vielmehr ob im Einverständnis mit Bischof Albrecht, lässt sich nicht mehr feststellen an seinen Schirmherrn, den Pfalzgrafen, und stellte diesem vor, durch das drohende Verhalten seines Prozessgegners werde eine richterliche Entscheidung seiner Sache ver- hindert. Wirklich erreichte er auch, dass Kurfürst Philipp am 3. März bei dem Rat von Strassburg ein gutes Wort zu seinen Gunsten einlegte?); aber die Stadt liess sich da durch nicht einschüchtern und trat rückhaltslos für ihren Bürger ein; sie wies in ihrem Antwortschreiben vom 23. März darauf hin, dass laut einer Bestimmung der zwischen ihr und Philipp bestehenden, 1488 erneuerten freundlichen Einung für den Rechtsverkehr zwischen den beiderseitigen Untertanen ausgemacht worden sei, dass der Kläger dem Angeklagten im Rechtszug nachzufolgen habe, und bat daher den Pfalzgrafen, er möge bei Herrn Hans

1) Strassb. Stadtarch. VDG, Bd. 117 fol. 281a.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 83

dahin wirken, dass dieser seine Klage vor. dem Offizial zurückziehe und, wenn er durchaus auf seinen Ansprüchen zu beharren gedenke, den Bürger vor dem Ratsgericht belange, wo ihm unverzüglich Recht geschehen werde; stelle sich dann heraus, dass die Sache vor geistliches Gericht gehöre, so werde der Rat nicht anstehen, sie dem zuständigen Gericht zu überweisen!).

Inzwischen hatte aber die Stadt längst ernsthafte Schritte zur Wahrung ihrer Freiheit in dem von ihr vertretenen Umfange eingeleitet. Bereits um die Jahreswende hatten einige Räte der Stadt, da der Bischof die Prozesse am geistlichen Gericht trotz der schwebenden Verhandlungen nicht einstellte und den Anschein erweckte, als wollte er mit der Verlegung des festgesetzten gütlichen Tages ledig- lich die Sache hinausschleppen, mit dem neuernannten kaiserlichen Kammerprokuratorfiskal Heinrich Martin Füh- lung genommen und ihn natürlich im Auftrage und im Sinne der Stadt von den bestehenden Streitigkeiten zwischen dem Rat und dem Bischof wegen der geistlichen Gerichtsbarkeit unterrichtet?2). Martin, dessen Frau einem angesehenen elsässischen Rittergeschlecht entstammte?), war seit langer Zeit in Strassburg ansässig und hatte in der Stadt und ihrer weiteren Umgebung zahlreiche Be- sitzungen®). Er war im Dienst des Kaisers rasch empor- gekommen, weil er sich dessen Gunst und Vertrauen in hohem Masse zu erwerben gewusst hatte; 1487 begegnet er uns noch als kaiserlicher Diener und »hoffgesind«°); bald wurde er zum Rat ernannt und schliesslich am 4. November 1489 mit dem damals erledigten wichtigen Posten eines Prokuratorfiskals betrauts) einer der zahlreichen Elsässer und besonders Strassburger, die im 15. und 16. Jahrhundert

1) Ebenda, fol. 281b. ?) Vgl. hierzu das Schreiben des Rates an Martin vom 13. März 1490. Strassb. Stadtarch. VDG, Bd. 117, fol. 48. 3) Erwähnt im Schreiben des Bischofs, Jacobi 1482 (Strassb. Stadtarch. AA 1528). 4) Vgl. die Angaben in dem Schreiben Pfalzgraf Philipps an die Stadt 9. Jan. 1491, Strassb. Stadtarch. VDG, Bd. 117, fol. 44. °) Strassb. Stadtarch. AA 228, fol. 30. ®) Strassb. Stadtarch IV, 22. Auf das Schicksal Martins, dessen schnellem Aufstieg nach dem Tod Friedrichs II. ein ebenso jäher Sturz folgte und über dessen Hlinterlassenschaft ein un- schöner und langwieriger Streit zwischen seinen Erben und Maximilian 1.

entstand, gedenke ich einmal im Zusammenhang einzugehen. 6*

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unter den Habsburgern am kaiserlichen Hof einflussreiche Ämter bekleidet haben. Die Stadt, der Friedrich III. in einem besonderen Schreiben vom ı0. November ı489 die vollzogene Ernennung mitteilte!), gedachte sich nun gleich in den Händeln mit dem Bischof ihre engen Beziehungen zu dem neuen Fiskal zunutze zu machen, zumal da sie diesen bereits früher mehrfach in seinen Rechtshändeln unterstützt und sich verpflichtet hatte?). Wirklich erzeigte sich Martin auch alsbald dem Rate für die vor Jahren erwiesenen Gefälligkeiten erkenntlich und richtete sofort an den Bischof das schriftliche Begehren, er solle dem Offizial sofortigen Stillstand in den schwebenden Prozessen anbefehlen. Albrecht lehnte das in seiner Antwort vom 18. Januar 1490 entschieden ab, setzte aber doch, um den bösen Schein zu meiden, den gütlichen Tag mit der Stadt, wie schon oben erwähnt, auf den 4. Februar an8). Die Ver- handlungen führten aber, wie vorauszusehen war, obwohl man sie auf einer weiteren Tagung am 2. März fortsetzte‘), wohl in allen andern Streitfragen, wie z. B. wegen des Zollkellers und der weltlichen Gerichte des Bischofs, zu einem greifbaren Ergebnis, jedoch nicht in der Hauptsache, in den Auseinandersetzungen über die geistliche Gerichts- barkeit, da Albrecht sowohl wie sein Kapitel hartnäckig auf ihren bisherigen Kompetenzansprüchen bestehen blieben’).

Die Stadt war jetzt endlich des langen Hin und Her müde und entschloss sich, um die Dinge einer raschen Klärung zuzutreiben, mit Martins Unterstützung die Ent- scheidung des Kaisers anzurufen. Sie wusste wohl, dass es ihr um diese nicht besonders bange zu sein brauchte und dass sie nicht so leicht zugunsten des Bischofs aus- fallen würde. Die Beziehungen zwischen Friedrich III. und Albrecht waren, wie ich bereits mehrfach an anderer Stelle®) ausgeführt habe, aus persönlichen wie aus dynastischen Gründen nicht die besten; wenn auch der Bischof im Jahre

1) Strassb, Stadtarch. AA 228 fol. 44. ?) Vgl. Strassb. Stadtarch. AA 1528. ®) VDG Bd. 117, fol. 12. Vgl. oben S. 79. +) VDG Bd. 117, fol. 16. 5) Ebenda, fol. 14 u. 48. °) Diese Zeitschrift, Bd. 28, S. 455; meine Arbeit über die Politik der Stadt Strassburg am Ausgange des Mittel- alters (Beiträge zur Landes- und Volkeskunde von Elsass-Lothringen Bd. 49) S. 168 f.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 85

1486 nach vielen Demütigungen die Belehnung mit den Regalien erhalten hatte und, wie sein Vetter Herzog Albrecht von Bayern und die übrigen Wittelsbacher, durch Ent- sendung eines Truppenkorps zu dem flandrischen Feldzug im Jahre 1488, frühere Unterlassungssünden wieder gut zu machen suchte!), war damit der nachhaltige Groll des alten Kaisers gleichwohl nicht geschwunden. Hatten doch die letzten Jahre trotz der vermittelnden und ausgleichenden Haltung Maximilians infolge der kecken Vorstösse der Bayernherzöge, der Gründung des Schwäbischen Bundes durch Friedrich III. und der Vorgänge in den vorderöster- reichischen Erblanden eine erneute Verschärfung des Gegen- satzes zwischen dem Kaiser und den Wittelsbachern zur Folge gehabt?); eben im Frühjahr ı490 hatte Friedrich sich zu einem bedeutsamen persönlichen Verzicht ent- schliessen müssen, um Tirol und die übrigen Vorlande end- gültig dem bayrischen Einfluss zu entreissen?). Somit war der Zeitpunkt für das Unternehmen der Stadt nicht gerade ungünstig, zumal da diese es verstanden hatte, sich immer wieder der Gunst Friedrichs zu versichern; sie hatte nicht nur zur Befreiung Maximilians aus den Händen der flan- drischen Aufrührer im Jahre 1488 ein starkes, ausgezeichnet ausgerüstetes Kontingent entsandt‘), sondern auch zu dem erneuten Feldzug in den Niederlanden im Herbst 1489 eine weitere Truppenschar gestellt, die noch damals auf dem Kampfplatz weilte und sich mehrfach hervorgetan hatte).

Der Rat der Stadt beschloss nun, ein wenig von dem in dem Rechtsgutachten Weltzers vorgeschlagenen Modus abweichend, zu versuchen, ob er nicht vom Kaiser ein Inhi- bitionsmandat und einen Verbotsbrief an Bischof Albrecht und die Archidiakone, bzw. ihre Offiziale, auswirken könnte, worin Friedrich zum Schutze der bedrohten Freiheit der Stadt diesen unter ausdrücklicher Festlegung des Begriffs »der Stadt Richter« auf die weltlichen Gerichte, bei schweren Strafen gebot, von ihren Prozessen gegen die Bürger in weltlichen Dingen ohne weiteres abzustehen und die auf Grund der städtischen Freiheit abgeforderten Sachen ohne

1) Strassb. Stadtarch. AA 234, fol. 73, 42. ?) Vgl. im allg. hierzu Ulmann, Maximilian I., S. 47 f. ?°) Ebenda, S. 62 f. +, Vgl. Brief- wechsel im Strassb. Stadtarch. AA 234. °) Strassb. Stadtarch. AA 23:

86 Stenzel.

jeden Eintrag vor Meister und Rat zu weisen. Sollten die Gegner der Stadt im Glauben stehen, sie hätten rechts- kräftige und stichhaltige Einwände gegen dies Verbot, dann war der Rat bereit, dass man die Sache vor dem Kaiser zum rechtlichen Austrag brächte, allerdings wieder nur unter der Voraussetzung‘, dass in der Zwischenzeit die Offiziale und ihre Gerichtsherren ihre Rechtsverfahren gegen Bürger einstellten'), Den ursprünglichen Plan, zwei Rats- herren mit diesem Auftrage an den Hof zu senden, gab die Stadt bald auf?) und vertraute die Durchführung der ganzen Angelegenheit in einem Schreiben vom ı3. März dem Fiskal Martin an®), dem sie beglaubigte Transsumpte der Bestätigungen ihrer Freiheit, die ihr sowohl von Friedrich selbst als von Papst Innozenz IV. und dem Konzil zu Basel erteilt worden waren, sowie den Entwurf zu einer Suppli- kation an den Kaiser und zu einem Inhibitionsmandat über- schickte und im übrigen auch was die aufzuwendenden Kosten anlangte, völlig freie Hand liess.

Martin, der ja von der ganzen Sache bereits unter- richtet war, führte seinen Auftrag mit grossem Eifer und Geschick durch und trug dem Kaiser die Angelegenheit im Hofrat vor), indem er von dem angeblichen Anspruch der Offizialate auf Gleichstellung mit den übrigen welt- lichen Gerichten in Strassburg und dem Streit um die Aus- legung des Worts »der Stadt Richter. in der Freiheit aus- gehend hervorhob, dass die letztere von der Stadt für sie selbst und nicht für Bischof und Kapitel erwirkt worden sei und sich zudem natürlich bloss auf die Richter, die im Auftrage des Kaisers und des Reichs, nicht auf die, die aus päpstlicher Machtvollkommenheit in der Stadt ihr Amt versähen, also allein auf Meister und Rat und die von diesen eingesetzten Gerichte, beziehe. Er wies des weiteren auf die Gefahren hin, die für die Stellung der Stadt er- wachsen würden, wenn die geistlichen Gewalten ihre Ab- sicht durchsetzten, und führte dem Kaiser die guten Dienste, die ihm Strassburg in dem letzten Jahrzehnt, besonders in den flandrischen Feldzügen, erwiesen hatte, durch Angabe

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ı) Text der Supplikation an den Kaiser Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 47. ?) Erwähnt in Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 48. 3) Konzept ebenda. 4) Vgl. seinen unten erwähnten Bericht.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 87

einer runden Greldsumme, die die Stadt in seinen Diensten verausgabt habe, recht nachdrücklich vor Augen. Sein Gesuch, das er an diese Darlegungen anknüpfte, ging, dem Rat entsprechend, den ihm erfahrene Persönlichkeiten gaben, mit denen er sich am Hofe beredet hatte, weit über den Auftrag hinaus, den ihm die Strassburger erteilt hatten: er batden Kaiser, eine feierliche und endgültige Erklärung über den strittigen Begriff »der Stadt Richter« in der Strass- burger Freiheit abzugeben (die sogenannte »Deklaration«) und zugleich auf Grund derselben ein scharfes Mandat an alle die ergehen zu lassen, die die Stadt im Augenblick im Besitz ihres Privilegs störten. Der Kaiser fällte wirklich die gewünschte Entscheidung, in die er auch sofort den Wortlaut zu dem verlangten Mandat an Bischof und Kapitel aufnehmen liess.

Auch die Art und Weise, wie Deklaration und Mandat bekannt zu machen und ihnen zur Geltung zu verhelfen sei, wurde im kaiserlichen Rate besprochen; man hielt es für das beste, wenn die Stadt das selbst durch Übersendung eines rechtsgültigen Vidimus an Bischof und Kapitel ausführte und diese zugleich schriftlich ersuchte, sie ungestört im Besitz der nun erklärten Freiheit zu belassen und ihren Offizialen dementsprechende Weisung zu geben; falls der Bischof und seine Parteigänger sich nicht darum kümmerten, sondern etwa gar erklärten, der Kaiser habe ihnen. als vom Papst bevollmächtigten Richtern der Jurisdiktion halb nichts zu gebieten, so sollte der Rat ihnen noch einmal schreiben und jetzt zu verstehen geben, die Stadt werde, wenn die Offiziale in ihrem Vorgehen gegen die Bürger beharrten, sich genötigt sehen, sich selbst bei ihrer Frei- heit handzuhaben und der fortgesetzten Übergriffe zu er- wehren, und überlasse es dann ihnen, wenn sie glaubten, die Stadt handle darin wider Gebühr, sie deshalb vor ihrem ordentlichen Richter, dem Kaiser, der ihr die Privilegien verliehen, rechtlich zu belangen. Übrigens erhielt auch zu gleicher Zeit Martin als Fiskal den Befehl, falls der Bischof selbst dann Deklaration und Mandat nicht beachte, ihn und das Kapitel ihres Ungehorsams wegen vor das kaiserliche Hofgericht zu zitieren und sie in die in der Freiheit fest- gesetzten Strafe von 100 Mark Gold verurteilen zu lassen,

78 Stenzel.

stellung der Macht des Stadtrats in der bereits oben erwähnten Instruktion angespielt’), die der Rat für die Gesandtschaft, welche Anfang Dezember an den Bischof geschickt werden sollte, aufgesetzt hatte. Die Boten wurden darin angewiesen, sofern ihnen Albrecht entgegenhalte, der geistliche Richter sei auch ein Richter der Stadt, zu erwidern, es gebe geistliche und weltliche Personen in der Stadt und demgemäss auch geistliche und weltliche Gerichte, deren jedes seine Jurisdiktion für sich habe; wenn man nun beanspruche, dass die Laien um ihrer Forderungen willen den Geistlichen vor deren ordentlichen Richter nachfolgten, warum sollten nicht dann auch ihrerseits die Geistlichen in Fällen, wo es sich um weltliche Klaggegenstände handele, den Laien vor deren zuständiges Gericht nachfolgen? Man sieht, die Strassburger wussten, von den damals bestehen- den tatsächlichen Verhältnissen ausgehend, im ersten Augen- blick nichts Schlüssiges den Ansprüchen der geistlichen Gerichte entgegenzustellen; aber in Verlegenheit gerieten sie deshalb noch lange nicht. Vielmehr erhielten die Ge- 'sandten für den Fall, dass es wirklich einige Irrung wegen der städtischen Freiheit geben und der Bischof diese anders auslegen und das Wort »Stadtrichtere anders verstehen wollte als der Rat, ausdrücklich die Weisung, in diesen Streitfragen von Albrecht kein Rechtgebot vor die in der freundschaftlichen Einung zwischen Bischof und Stadt aus- gemachten Austragsgerichte anzunehmen, sondern sich vor den Kaiser als die einzig zuständige Stelle zu Recht zu erbieten und für die Zwischenzeit, bis Friedrich III. den Sinn der Freiheit festgestellt und erläutert hätte, Einstellung der umstrittenen, vor dem geistlichen Gericht schwebenden Pro- zesse und aller sonstigen Schritte in diesen Angelegenheiten zu verlangen. |

Nun liess aber die Stadt auf das bereits oben?) be- sprochene, heftige Schreiben des Bischofs vom 4. Dezember den Plan der Gesandtschaft zunächst fallen; da Albrechtjedoch auch jetzt ebensowenig wie früher die wahrscheinlich von den Offizialen und dem Domkapitel ausgehende neue Aus-

ı) Vgl. oben S. 67 f.; die Instruktion im Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 118. 2) S. 68.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 79

legung des Wortes »Stadtrichter« sich zu eigen machte, ja darauf überhaupt nicht zu sprechen kam, sondern sich lediglich auf die Privilegien seines Stiftes stützte,. konnte die Stadt sich immerhin noch auf weitere gütliche Ver- handlungen einlassen und ersuchte ihn deshalb in ihrer Antwort vom g. Dezember!), in der sie im übrigen mit allem Nachdruck ihren Standpunkt wahrte, er möge ihr nur einen Tag angeben und zeitig vorher verkündigen, an dem es ihm gelegen sei, eine Gesandtschaft ihres Rats zu verhören. In einer Besprechung, die in Anknüpfung an diesen Schriftwechsel um die Jahreswende zwischen Albrechts Kanzler Gottfried Quinckener von Saarburg und einigen Strassburger Ratsfreunden stattfand), wurde darauf zur Erörterung der ganzen Streitigkeiten für den 18. Januar 1490 nach Zabern ein gütlicher Tag angesetzt, der dann vom Bischof, angeblich weil er wichtiger Geschäfte halber in die Obermundat musste, zunächst abgesagt®) und schliess- lich auf den 4. Februar verschoben wurde®). Zu diesem Tag entsandte die Stadt eine sechsgliedrige Botschaft unter der Führung des regierenden Stettmeisters Herrn Wilhelm Böcklin und des Altammeisters Peter Schott mit dem Auf- trag, den Bischof um Beobachtung der alten Freiheiten und Gewohnheiten der Stadt und um Zurechtweisung des widerrechtlichen Vorgehens des Offizials zu ersuchen?). Im übrigen wurde den Gesandten ziemlich freie Hand gelassen, je nachdem die Antwort Albrechts schroff oder entgegenkommend ausfiel; sie erhielten sogar die Vollmacht, gegebenenfalls in den Vorschlag, man solle eine aus Ver- tretern beider Parteien gebildete Kommission ernennen, die, ohne den beiderseitigen Rechtsansprüchen nahezutreten, die Streitsache gütlich verhören sollte, einzuwilligen, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass der Offizial in der Zwischenzeit mit seinen Prozessen stillstände.

Aber gerade hier lag der wunde Punkt, da letzteres bei dem Bischof wohl kaum zu erreichen war. Hatte

1) Strassb. Stadtarch. VDG, Bd. 117, fol. ro. ?) Vgl. Schreiben des Bischofs vom 2. Januar 1490 (Strassb. Stadtarch. VDG, Bd. 117, fol. 11). *) Ebenda. 4) Schreiben des Bischofs vom 18. Januar (Strassb. Stadtarch. VDG, Bd. 117, fol. 12). 5) Bedacht des Rates im Strassb. Stadtarch. VDG, Bd. 117, fol. 70; weitere Kopie in VDG, Bd. 107, fol. 212.

So Stenzel.

Albrecht doch sogar dem Offizial in einem offenen Briefe den ausdrücklichen Befehl erteilt'), in den schwebenden Verfahren nicht einzuhalten, sondern darin weiter vorzu- gehen, wie es nach seiner Ansicht Recht und Herkommen der geistlichen Gerichte gebot. Das zeigte sich auch in der schon früher?) kurz berührten Streitsache zwischen Hans Jörger und dem Herrn von Sickingen. Die wenigen Stücke, die uns von diesem Prozess erhalten sind, tragen leider alle kein Datum; doch kann mit Rücksicht auf das noch zu erwähnende Schreiben des Pfalzgrafen 8) in dieser Angelegenheit kaum ein Zweifel daran erhoben werden, dass sie in den Anfang des Jahres 1490 zu setzen sind. Auch in diesem Falle bemühte sich der Offizial unaus- gesetzt, das von Sickingen angestrengte Verfahren zu Ende durchzuführen, obwohl sich Jörger jedesmal, wenn er vor- geladen wurde, weigerte, ihn als den zuständigen Richter anzuerkennen und sich auf die städtischen Freiheiten berief, deren Wortlaut er schliesslich, vom Rat unterstützt, sowohl aus den Privilegien der Kaiser als auch aus den Be- stätigungen der Päpste und des Basler Konzils verlesen liess. Daraufhin hatte der geistliche Richter erklärt®), er beabsichtige keineswegs gegen diese Privilegien zu ver- stossen oder Sachen, die nicht vor sein Forum gehörten, vor sich zu behalten; aber die städtische Freiheit wende sich lediglich gegen die Gerichte ausserhalb der Stadt, und schliesse die Rechtsübung der Offiziale der geistlichen Höfe nicht aus; vielmehr seien diese in den ihnen zustehenden Angelegenheiten auch für die Bürger Strassburgs die ordent- lichen Richter. Dementsprechend entschied er auch dahin, dass das Verfahren seinen weitern Verlauf nehmen müsse; immerhin schob er aber die endgültige Entscheidung noch einmal hinaus und setzte den nächsten Termin erst auf acht Tage später fest, um dem Angeklagten Gelegenheit zu geben, sich gegebenenfalls das nötige Material zu einem Einspruch gegen die richterlichen Ausführungen zu beschaffen.

1) Erwähnt in seinem Schreiben an Heinrich Martin vom 18. Januar 1490 (Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 119). ?) Vgl. oben S. 64. 3) Vgl. unten S. 82. 4) Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 108, fol. 246 (deutsche Übersetzung).

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Die Stadt suchte die Sache unter allen Umständen vor ihr Gericht zu ziehen, selbst auf die Gefahr hin, dass sie diese, ihrer »Natur« entsprechend, wieder an das geist- liche Gericht zurückverweisen müsste, und liess sich des- halb, anscheinend von ihrem Syndikus Dr. Weltzer, ein eingehendes Rechtsgutachten über die Sachlage aufsetzen!), Dieser verhehlte keineswegs, dass der Standpunkt des Rats seine schwachen Seiten hatte; er hob vor allem hervor, dass die früheren Rechtsgänge über die strittigen Be- sitzungen sich vor dem ÖOffizialat abgespielt hätten und daraus sich für den Offizial eigentlich ergebe, dass auch die weiteren Rechtsübungen in dieser Sache dem gleichen Forum verbleiben müssten; auch bemerkte er, der geist- liche Richter könne sich darauf berufen, dass in der städti- schen Freiheit nicht ausdrücklich von weltlichen Richtern die Rede sei, und sich deshalb gleichfalls für einen »Stadtrichter« achten. Weltzer zweifelte trotzdem natürlich nicht daran, dass das bessere Recht auf Seiten des Rates sei. Er schlug vor, Jörger solle auch bei dem nächsten Termin dem geist- lichen Richter die Anerkennung der Zuständigkeit ver- weigern, und zwar mit der Begründung, dass, nachdem in einem früheren Rechtsgang die Einspruchsklage seines Gegners für nichtig erklärt worden sei, die Prozessache damit endgültig abgeschlossen und die umstrittenen Güter in seinen Besitz übergegangen seien, sowie auf Grund der Freiheit, die vor allem dahin laute, dass Klagen gegen Bürger wegen deren Eigentum und Besitz nur vor der Stadt Strassburg Richtern eingelegt werden dürften, und laut des gemeinen Rechts Weisung vor das ordentliche Gericht verlangen. Lehnte der Offizial die Forderung jetzt ab, dann konnte die Stadt eingreifen und kraft eines ihr im Jahr 1435 von Sigmund verliehenen und von Friedrich III. bestätigten Privilegs?) fordern, dass die Entscheidung über die Zuständig- keit zum Schutze ihrer gefährdeten Freiheit entweder vor der Stadt Basel oder vor Worms oder vor Ulm, die alle drei zur Wahrnehmung des privilegierten Gerichtsstands Strass- burgs und seiner Bürgerschaft als »Konservatoren« eingesetzt

I) Strassb. Stadtarch. VDG, Bd. 108, fol 247 f. (Abschrift, nicht von Weltzers Hand). 2°) Strassb. Stadtarch. AA. 6, gedruckt bei Lünig,

Reichsarchiv XIV, S. 753 ff.). Zeitschr. f, Gesch. d. Oberrh. N.F. XXX. ır. 6

So Stenzel.

Albrecht doch sogar dem Offhizial in einem offenen Briefe den ausdrücklichen Befehl erteilt!'), in den schwebende Verfahren nicht einzuhalten, sondern darin weiter vorz gehen, wie es nach seiner Ansicht Recht und Herkommen der geistlichen Gerichte gebot. Das zeigte sich auch in der schon früher?) kurz berührten Streitsache zwischen Hans Jörger und dem Herrn von Sickingen. Die wenigen Stücke, die uns von diesem Prozess erhalten sind, tragen leider alle kein Datum; doch kann mit Rücksicht auf das noch zu erwähnende Schreiben des Pfalzgrafen>) in dieser Angelegenheit kaum ein Zweifel daran erhoben werden, dass sie in den Anfang des Jahres 1490 zu setzen sind. Auch in diesem Falle bemühte sich der Offizial unaus gesetzt, das von Sickingen angestrengte Verfahren zu Ende durchzuführen, obwohl sich Jörger jedesmal, wenn er vor geladen wurde, weigerte, ihn als den zuständigen Richter anzuerkennen und sich auf die städtischen Freiheiten berief, deren Wortlaut er schliesslich, vom Rat unterstützt, sowohl aus den Privilegien der Kaiser als auch aus den Be stätigungen der Päpste und des Basler Konzils verlesen liess. Daraufhin hatte der geistliche Richter erklärt*), er beabsichtige keineswegs gegen diese Privilegien zu ver stossen oder Sachen, die nicht vor sein Forum gehörten, vor sich zu behalten; aber die städtische Freiheit wende sich lediglich gegen die Gerichte ausserhalb der Stadt, und schliesse die Rechtsübung der Offiziale der geistlichen Höfe nicht aus; vielmehr seien diese in den ihnen zustehenden Angelegenheiten auch für die Bürger Strassburgs die ordent- lichen Richter. Dementsprechend entschied er auch dahin. dass das Verfahren seinen weitern Verlauf nehmen müsst: immerhin schob er aber die endgültige Entscheidung noch einmal hinaus und setzte den nächsten Termin erst au acht lage später fest, um dem Angeklagten Gelegenheit zu geben, sich gegebenenfalls das nötige Material zu einem HWinspruch gegen die richterlichen Ausführungen zt beschaffen.

tI) Erwähnt in seinem Schreiben an Heinrich Martin vom 18. Januar

1400 (Strassh. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 119). °) Vgl. oben S. 64.

3; Vgl. unten S. R2 4) Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 108, fol. 24° !dantsche Übersetzung).

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 81

Die Stadt suchte die Sache unter allen Umständen vor ihr Gericht zu ziehen, selbst auf die Gefahr hin, dass sie diese, ihrer »Natur« entsprechend, wieder an das geist- liche Gericht zurückverweisen müsste, und liess sich des- halb, anscheinend von ihrem Syndikus Dr. Weltzer, ein eingehendes Rechtsgutachten über die Sachlage aufsetzen!). Dieser verhehlte keineswegs, dass der Standpunkt des Rats seine schwachen Seiten hatte; er hob vor allem hervor, dass die früheren Rechtsgänge über die strittigen Be- sitzungen sich vor dem Offizialat abgespielt hätten und daraus sich für den Offizial eigentlich ergebe, dass auch die weiteren Rechtsübungen in dieser Sache dem gleichen Forum verbleiben müssten; auch bemerkte er, der geist- liche Richter könne sich darauf berufen, dass in der städti- schen Freiheit nicht ausdrücklich von weltlichen Richtern die Rede sei, und sich deshalb gleichfalls für einen »Stadtrichter« achten. Weltzer zweifelte trotzdem natürlich nicht daran, dass das bessere Recht auf Seiten des Rates sei. Er schlug vor, Jörger solle auch bei dem nächsten Termin dem geist- lichen Richter die Anerkennung der Zuständigkeit ver- weigern, und zwar mit der Begründung, dass, nachdem in einem früheren Rechtsgang die Einspruchsklage seines Gegners für nichtig erklärt worden sei, die Prozessache damit endgültig abgeschlossen und die umstrittenen Güter in seinen Besitz übergegangen seien, sowie auf Grund der Freiheit, die vor allem dahin laute, dass Klagen gegen Bürger wegen deren Eigentum und Besitz nur vor der Stadt Strassburg Richtern eingelegt werden dürften, und laut des gemeinen Rechts Weisung vor das ordentliche Gericht verlangen. Lehnte der Offizial die Forderung jetzt ab, dann konnte die Stadt eingreifen und kraft eines ihr im Jahr 1435 von Sigmund verliehenen und von Friedrich III. bestätigten Privilegs?) fordern, dass die Entscheidung über die Zuständig- keit zum Schutze ihrer gefährdeten Freiheit entweder vor der Stadt Basel oder vor Worms oder vor Ulm, die alle drei zur Wahrnehmung des privilegierten Grerichtsstands Strass- burgs und seiner Bürgerschaft als »Konservatoren« eingesetzt

I) Strassb. Stadtarch. VDG, Bd. 108, fol 247 f. (Abschrift, nicht von Weltzers Hand). ?) Strassb. Stadtarch. AA. 6, gedruckt bei Lünig,

Reichsarchiv XIV, S. 753 ff.). Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. N.F. XXX. ı. 6

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waren, zum Äustrag gebracht werde. Dieser Weg schien freilich Weltzer nicht unbedenklich, da es nicht sicher war, dass die Stadt bei der Gegenpartei ihren Willen durch- setzen werde; viel besser schien es ihm zu sein, wenn Jörger ausdrücklich dem Offizial erkläre, mit dem Worte »der Stadt Richter« in der Freiheit könnten natürlich nur die weltlichen Richter gemeint sein, da ja die geistlichen Richter von der Stadt nicht eingesetzt werden könnten, sondern allein im Namen des Bischofs ihr Amt versähen. Lehnte der Offizial es ab, diesem Einspruch Folge zu leisten, dann sollte Jörger gegen jede Entscheidung des Richters sofort Appellation beim Kaiser einlegen, da es sich ja jetzt um die Auslegung des von diesem der Stadt bewilligten und bestätigten Privilegs handele, und der Rat, während die Sache vor der Berufungsinstanz anhängig wäre, sich von Friedrich, als der einzig zuständigen Stelle, eine ent- sprechende Erklärung und Erweiterung ihrer Freiheit er- wirken.

Doch kam es zunächst nicht so weit; der Offizial wagte es mit Rücksicht auf die Haltung der Stadt vorläufig nicht, irgendwie ein endgültiges Urteil zu fällen. Freilich gab Herr Hans von Sickingen seine Sache damit noch nicht verloren; er wandte sich vielmehr ob im Einverständnis mit Bischof Albrecht, lässt sich nicht mehr feststellen an seinen Schirmherrn, den Pfalzgrafen, und stellte diesem vor, durch das drohende Verhalten seines Prozessgegners werde eine richterliche Entscheidung seiner Sache ver- hindert. Wirklich erreichte er auch, dass Kurfürst Philipp am 3. März bei dem Rat von Strassburg ein gutes Wort zu seinen Gunsten einlegte?); aber die Stadt liess sich da- durch nicht einschüchtern und trat rückhaltslos für ihren Bürger ein; sie wies in ihrem Antwortschreiben vom 23. März darauf hin, dass laut einer Bestimmung der zwischen ihr und Philipp bestehenden, 1488 erneuerten freundlichen Einung für den Rechtsverkehr zwischen den beiderseitigen Untertanen ausgemacht worden sei, dass der Kläger dem Angeklagten im Rechtszug nachzufolgen habe, und bat daher den Pfalzgrafen, er möge bei Herrn Hans

1) Strassb. Stadtarch. VDG, Bd. 117 fol. 281a,

PU

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 83

dahin wirken, dass dieser seine Klage vor, dem Offizial zurückziehe und, wenn er durchaus auf seinen Ansprüchen zu beharren gedenke, den Bürger vor dem Ratsgericht belange, wo ihm unverzüglich Recht geschehen werde; stelle sich dann heraus, dass die Sache vor geistliches Gericht gehöre, so werde der Rat nicht anstehen, sie dem zuständigen Gericht zu überweisen!).

Inzwischen hatte aber die Stadt längst ernsthafte Schritte zur Wahrung ihrer Freiheit in dem von ihr vertretenen Umfange eingeleitet. Bereits um die Jahreswende hatten einige Räte der Stadt, da der Bischof die Prozesse am geistlichen Gericht trotz der schwebenden Verhandlungen nicht einstellte und den Anschein erweckte, als wollte er mit der Verlegung des festgesetzten gütlichen Tages ledig- lich die Sache hinausschleppen, mit dem neuernannten kaiserlichen Kammerprokuratorfiskal Heinrich Martin Füh- lung genommen und ihn natürlich im Auftrage und im Sinne der Stadt von den bestehenden Streitigkeiten zwischen dem Rat und dem Bischof wegen der geistlichen Gerichtsbarkeit unterrichtet2). Martin, dessen Frau einem angesehenen elsässischen Rittergeschlecht entstammte?), war seit langer Zeit in Strassburg ansässig und hatte in der Stadt und ihrer weiteren Umgebung zahlreiche Be- sitzungen®). Er war im Dienst des Kaisers rasch empor- gekommen, weil er sich dessen Gunst und Vertrauen in hohem Masse zu erwerben gewusst hatte; 1487 begegnet er uns noch als kaiserlicher Diener und »hoffgesind«°); bald wurde er zum Rat ernannt und schliesslich am 4. November 1489 mit dem damals erledigten wichtigen Posten eines Prokuratorfiskals betraut®s) einer der zahlreichen Elsässer und besonders Strassburger, die im 15. und 16. Jahrhundert

1) Ebenda, fol. 281b. ?) Vgl. hierzu das Schreiben des Rates an Martin vom 13. März 1490. Strassb. Stadtarch. VDG, Bd. 117, fol. 48. $) Erwähnt im Schreiben des Bischofs, Jacobi 1482 (Strassb. Stadtarch. AA 1528). 4) Vgl. die Angaben in dem Schreiben Pfalzgraf Philipps an die Stadt 9. Jan. 1491, Strassb. Stadtarch. VDG, Bd. 117, fol. 44. 5) Strassb. Stadtarch. AA 228, fol. 30. ®) Strassb. Stadtarch IV, 22. Auf das Schicksal Martins, dessen schnellem Aufstieg nach dem Tod Friedrichs III. ein ebenso jäher Sturz folgte und über dessen Flinterlassenschaft ein un- schöner und langwieriger Streit zwischen seinen Eıben und Maximilian 1.

entstand, gedenke ich einmal im Zusammenhang einzugehen. 6*

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unter den Habsburgern am kaiserlichen Hof einflussreiche Ämter bekleidet haben. Die Stadt, .der Friedrich III. in einem besonderen Schreiben vom ıo. November ı48g die vollzogene Ernennung mitteilte!), gedachte sich nun gleich in den Händeln mit dem Bischof ihre engen Beziehungen zu dem neuen Fiskal zunutze zu machen, zumal da sie diesen bereits früher mehrfach in seinen Rechtshändeln unterstützt und sich verpflichtet hatte?). Wirklich erzeigte sich Martin auch alsbald dem Rate für die vor Jahren erwiesenen Grefälligkeiten erkenntlich und richtete sofort an den Bischof das schriftliche Begehren, er solle dem Offizial sofortigen Stillstand in den schwebenden Prozessen anbefehlen. Albrecht lehnte das in seiner Antwort vom 18. Januar 1490 entschieden ab, setzte aber doch, um den bösen Schein zu meiden, den gütlichen Tag mit der Stadt, wie schon oben erwähnt, auf den 4. Februar an8). Die Ver- handlungen führten aber, wie vorauszusehen war, obwohl man sie auf einer weiteren Tagung am 2. März fortsetztet), wohl in allen andern Streitfragen, wie z. B. wegen des Zollkellers und der weltlichen Gerichte des Bischofs, zu einem greifbaren Ergebnis, jedoch nicht in der Hauptsache, in den Auseinandersetzungen über die geistliche Gerichts- barkeit, da Albrecht sowohl wie sein Kapitel hartnäckig auf ihren bisherigen Kompetenzansprüchen bestehen blieben 5).

Die Stadt war jetzt endlich des langen Hin und Her müde und entschloss sich, um die Dinge einer raschen Klärung zuzutreiben, mit Martins Unterstützung die Ent- scheidung des Kaisers anzurufen. Sie wusste wohl, dass es ihr um diese nicht besonders bange zu sein brauchte und dass sie nicht so leicht zugunsten des Bischofs aus- fallen würde. Die Beziehungen zwischen Friedrich III. und Albrecht waren, wie ich bereits mehrfach an anderer Stelle®s) ausgeführt habe, aus persönlichen wie .aus dynastischen Gründen nicht die besten; wenn auch der Bischof im Jahre

1) Strassb. Stadtarch. AA 228 fol. 44. ?) Vgl. Strassb. Stadtarch. AA 1528. 3) VDG Bd. 117, fol. ı2. Vgl. oben S. 79. #4) VDG Bd. 117, fol. 16. 5) Ebenda, fol. 14 u. 48. *) Diese Zeitschrift, Bd. 28, S. 455; meine Arbeit über die Politik der Stadt Strassburg am Ausgange des Mittel-

alters (Beiträge zur Landes- und Volkeskunde von Elsass-Lothringen Bd. 49) S. 168 f.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 85

1486 nach vielen Demütigungen die Belehnung mit den Regalien erhalten hatte und, wie sein Vetter Herzog Albrecht von Bayern und die übrigen Wittelsbacher, durch Ent- sendung eines Truppenkorps zu dem flandrischen Feldzug im Jahre 1488, frühere Unterlassungssünden wieder gut zu machen suchte), war damit der nachhaltige Groll des alten Kaisers gleichwohl nicht geschwunden. Hatten doch die letzten Jahre trotz der vermittelnden und ausgleichenden Haltung Maximilians infolge der kecken Vorstösse der Bayernherzöge, der Gründung des Schwäbischen Bundes durch Friedrich III. und der Vorgänge in den vorderöster- reichischen Erblanden eine erneute Verschärfung des Gegen- satzes zwischen dem Kaiser und den Wittelsbachern zur

Folge gehabt?); eben im Frühjahr ı490 hatte Friedrich

sich zu einem bedeutsamen persönlichen Verzicht ent- schliessen müssen, um Tirol und die übrigen Vorlande end- gültig dem bayrischen Einfluss zu entreissen?). Somit war der Zeitpunkt für das Unternehmen der Stadt nicht gerade ungünstig, zumal da diese es verstanden hatte, sich immer wieder der Gunst Friedrichs zu versichern; sie hatte nicht nur zur Befreiung Maximilians aus den Händen der flan- drischen Aufrührer im Jahre 1488 ein starkes, ausgezeichnet ausgerüstetes Kontingent entsandt*), sondern auch zu dem erneuten Feldzug in den Niederlanden im Herbst 1489 eine weitere Truppenschar gestellt, die noch damals auf dem Kampfplatz weilte und sich mehrfach hervorgetan hatte).

Der Rat der Stadt beschloss nun, ein wenig von dem in dem Rechtsgutachten Weltzers vorgeschlagenen Modus abweichend, zu versuchen, ob er nicht vom Kaiser ein Inhi- bitionsmandat und einen Verbotsbrief an Bischof Albrecht und die Archidiakone, bzw. ihre Offiziale, auswirken könnte, worin Friedrich zum Schutze der bedrohten Freiheit der Stadt diesen unter ausdrücklicher Festlegung des Begriffs der Stadt Richters auf die weltlichen Gerichte, bei schweren Strafen gebot, von ihren Prozessen gegen die Bürger in weltlichen Dingen ohne weiteres abzustehen und die auf Grund der städtischen Freiheit abgeforderten Sachen ohne

1) Strassb. Stadtarch. AA 234, fol. 73, 42. °) Vgl. im allg. hierzu Ulmann, Maximilian I., S. 47 fl. °) Ebenda, S. 62 f. *) Vgl. Brief- wechsel im Strassb. Stadtarch. AA 234. 5) Strassb. Stadtarch. AA 235.

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jeden Eintrag vor Meister und Rat zu weisen. Sollten die Gegner der Stadt im Glauben stehen, sie hätten rechts- kräftige und stichhaltige Einwände gegen dies Verbot, dann war der Rat bereit, dass man die Sache vor dem Kaiser zum rechtlichen Austrag brächte, allerdings wieder nur unter der Voraussetzung, dass in der Zwischenzeit die Offiziale und ihre Gerichtsherren ihre Rechtsverfahren gegen Bürger einstellten'),, Den ursprünglichen Plan, zwei Rats- herren mit diesem Auftrage an den Hof zu senden, gab die Stadt bald auf?) und vertraute die Durchführung der ganzen Angelegenheit in einem Schreiben vom 13. März dem Fiskal Martin an®), dem sie beglaubigte Iranssumpte der Bestätigungen ihrer Freiheit, die ihr sowohl von Friedrich selbst als von Papst Innozenz IV. und dem Konzil zu Basel erteilt worden waren, sowie den Entwurf zu einer Suppli- kation an den Kaiser und zu einem Inhibitionsmandat über- schickte und im übrigen auch was die aufzuwendenden Kosten anlangte, völlig freie Hand liess.

Martin, der ja von der ganzen Sache bereits unter- richtet war, führte seinen Auftrag mit grossem Eifer und Geschick durch und trug dem Kaiser die Angelegenheit im Hofrat vor), indem er von dem angeblichen Anspruch der Offizialate auf Gleichstellung mit den übrigen welt- lichen Gerichten in Strassburg und dem Streit um die Aus- legung des Worts »der Stadt Richter« in der Freiheit aus gehend hervorhob, dass die letztere von der Stadt für sie selbst und nicht für Bischof und Kapitel erwirkt worden sei und sich zudem natürlich bloss auf die Richter, die im Auftrage des Kaisers und des Reichs, nicht auf die, die aus päpstlicher Machtvollkommenheit in der Stadt ihr Amt versähen, also allein auf Meister und Rat und die von diesen eingesetzten Gerichte, beziehe. Er wies des weiteren auf die Gefahren hin, die für die Stellung der Stadt er- wachsen würden, wenn die geistlichen Gewalten ihre Ab- sicht durchsetzten, und führte dem Kaiser die guten Dienste, die ihm Strassburg in dem letzten Jahrzehnt, besonders in den flandrischen Feldzügen, erwiesen hatte, durch Angabe

m —n

1) Text der Supplikation an den Kaiser Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 47. ?) Erwähnt in Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 48. 3) Konzept ebenda. #) Vgl. seinen unten erwähnten Bericht.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 87

einer runden Geldsumme, die die Stadt in seinen Diensten verausgabt habe, recht nachdrücklich vor Augen, Sein Gesuch, das er an diese Darlegungen anknüpfte, ging, dem Rat entsprechend, den ihm erfahrene Persönlichkeiten gaben, mit denen er sich am Hofe beredet hatte, weit über den Auftrag hinaus, den ihm die Strassburger erteilt hatten: er batden Kaiser, eine feierliche und endgültige Erklärung über den strittigen Begriff »der Stadt Richter« in der Strass- burger Freiheit abzugeben (die sogenannte »Deklaration«) und zugleich auf Grund derselben ein scharfes Mandat an alle die ergehen zu lassen, die die Stadt im Augenblick im Besitz ihres Privilegs störten. Der Kaiser fällte wirklich die gewünschte Entscheidung, in die er auch sofort den Wortlaut zu dem verlangten Mandat an Bischof und Kapitel aufnehmen liess.

Auch die Art und Weise, wie Deklaration und Mandat bekannt zu machen und ihnen zur Geltung zu verhelfen sei, wurde im kaiserlichen Rate besprochen; man hielt es für das beste, wenn die Stadt das selbst durch Übersendung eines rechtsgültigen Vidimus an Bischof und Kapitel ausführte und diese zugleich schriftlich ersuchte, sie ungestört im Besitz der nun erklärten Freiheit zu belassen und ihren Offizialen dementsprechende Weisung zu geben; falls der Bischof und seine Parteigänger sich nicht darum kümmerten, sondern etwa gar erklärten, der Kaiser habe ihnen. als vom Papst bevollmächtigten Richtern der Jurisdiktion halb nichts zu gebieten, so sollte der Rat ihnen noch einmal schreiben und jetzt zu verstehen geben, die Stadt werde, wenn die Offiziale in ihrem Vorgehen gegen die Bürger beharrten, sich genötigt sehen, sich selbst bei ihrer Frei- heit handzuhaben und der fortgesetzten Übergriffe zu er- wehren, und überlasse es dann ihnen, wenn sie glaubten, die Stadt handle darin wider Gebühr, sie deshalb vor ihrem ordentlichen Richter, dem Kaiser, der ihr die Privilegien verliehen, rechtlich zu belangen. Übrigens erhielt auch zu gleicher Zeit Martin als Fiskal den Befehl, falls der Bischof selbst dann Deklaration und Mandat nicht beachte, ihn und das Kapitel ihres Ungehorsams wegen vor das kaiserliche Hofgericht zu zitieren und sie in die in der Freiheit fest- gesetzten Strafe von 100 Mark Gold verurteilen zu lassen,

78 Stenzel.

stellung der Macht des Stadtrats in der bereits oben erwähnten Instruktion angespielt"), die der Rat für die Gesandtschaft, welche Anfang Dezember an den Bischof geschickt werden sollte, aufgesetzt hatte. Die Boten wurden darin angewiesen, sofern ihnen Albrecht entgegenhalte, der geistliche Richter sei auch ein Richter der Stadt, zu erwidern, es gebe geistliche und weltliche Personen in der Stadt und demgemäss auch geistliche und weltliche Gerichte, deren jedes seine Jurisdiktion für sich habe; wenn man nun beanspruche, dass die Laien um ihrer Forderungen willen den Geistlichen vor deren ordentlichen Richter nachfolgten, warum sollten nicht dann auch ihrerseits die Geistlichen in Fällen, wo es sich um weltliche Klaggegenstände handele, den Laien vor deren zuständiges Gericht nachfolgen? Man sieht, die Strassburger wussten, von den damals bestehen- den tatsächlichen Verhältnissen ausgehend, im ersten Augen- blick nichts Schlüssiges den Ansprüchen der geistlichen Gerichte entgegenzustellen; aber in Verlegenheit gerieten sie deshalb noch lange nicht. Vielmehr erhielten die Ge- sandten für den Fall, dass es wirklich einige Irrung wegen der städtischen Freiheit geben und der Bischof diese anders auslegen und das Wort »Stadtrichter« anders verstehen wollte als der Rat, ausdrücklich die Weisung, in diesen Streitfragen von Albrecht kein Rechtgebot vor die in der freundschaftlichen Einung zwischen Bischof und Stadt aus- gemachten Austragsgerichte anzunehmen, sondern sich vor den Kaiser als die einzig zuständige Stelle zu Recht zu erbieten und für die Zwischenzeit, bis Friedrich III. den Sinn der Freiheit festgestellt und erläutert hätte, Einstellung der umstrittenen, vor dem geistlichen Gericht schwebenden Pro- zesse und aller sonstigen Schritte in diesen Angelegenheiten zu verlangen. |

Nun liess aber die Stadt auf das bereits oben?) be- sprochene, heftige Schreiben des Bischofs vom 4. Dezember den Plan der Gesandtschaft zunächst fallen; da Albrechtjedoch auch jetzt ebensowenig wie früher die wahrscheinlich von den Offizialen und dem Domkapitel ausgehende neue Aus-

1!) Vgl. oben S. 67 f.; die Instruktion im Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 118. 2) S. 68. '

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legung des Wortes »Stadtrichter« sich zu eigen machte, ja darauf überhaupt nicht zu sprechen kam, sondern sich lediglich auf die Privilegien seines Stiftes stützte,. konnte die Stadt sich immerhin noch auf weitere gütliche Ver- handlungen einlassen und ersuchte ihn deshalb in ihrer Antwort vom g. Dezember !), in der sie im übrigen mit allem Nachdruck ihren Standpunkt wahrte, er möge ihr nur einen Tag angeben und zeitig vorher verkündigen, an dem es ihm gelegen sei, eine Gesandtschaft ihres Rats zu verhören. In einer Besprechung, die in Anknüpfung an diesen Schriftwechsel um die Jahreswende zwischen Albrechts Kanzler Gottfried Quinckener von Saarburg und einigen Strassburger Ratsfreunden stattfand ?), wurde darauf zur Erörterung der ganzen Streitigkeiten für den 18. Januar 1490 nach Zabern ein gütlicher Tag angesetzt, der dann vom Bischof, angeblich weil er wichtiger Geschäfte halber in die Obermundat musste, zunächst abgesagt®) und schliess- lich auf den 4. Februar verschoben wurde). Zu diesem Tag entsandte die Stadt eine sechsgliedrige Botschaft unter der Führung des regierenden Stettmeisters Herrn Wilhelm Böcklin und des Altammeisters Peter Schott mit dem Auf- trag, den Bischof um Beobachtung der alten Freiheiten und Gewohnheiten der Stadt und um Zurechtweisung des widerrechtlichen Vorgehens des Offizials zu ersuchen). Im übrigen wurde den Gesandten ziemlich freie Hand gelassen, je nachdem die Antwort Albrechts schroff oder entgegenkommend ausfiel; sie erhielten sogar die Vollmacht, gegebenenfalls in den Vorschlag, man solle eine aus Ver- tretern beider Parteien gebildete Kommission ernennen, die, ohne den beiderseitigen Rechtsansprüchen nahezutreten, die Streitsache gütlich verhören sollte, einzuwilligen, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass der Offizial in der Zwischenzeit mit seinen Prozessen stillstände.

Aber gerade hier lag der wunde Punkt, da letzteres bei dem Bischof wohl kaum zu erreichen war. Hatte

1) Strassb. Stadtarch. VDG, Bd. 117, fol. 10. 9) Vgl. Schreiben des Bischofs vom 2. Januar 14540 iStrassb. Stadtarch. VDG, Bd. 117, fol. 11). 3) Ebenda. $) Schreiben des Bischofs vom 1%. Januar (Strassb. Stadtarch. VDG, Bd. 117, fol. 12. °) Bedacht des Rates im Strassb. Staitarch. VDG, Bd. 117, fol. 70; weitere Kopie in VDG, Bd. 107, fol. 212.

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Albrecht doch sogar dem Offizial in einem offenen Briefe | den ausdrücklichen Befehl erteilt!), in den schwebenden Verfahren nicht einzuhalten, sondern darin weiter vorzu- | gehen, wie es nach seiner Ansicht Recht und Herkommen | der geistlichen Gerichte gebot. Das zeigte sich auch in der schon früher?) kurz berührten Streitsache zwischen Hans Jörger und dem Herrn von Sickingen. Die wenigen Stücke, die uns von diesem Prozess erhalten sind, tragen leider alle kein Datum; doch kann mit Rücksicht auf das noch zu erwähnende Schreiben des Pfalzgrafen 8) in dieser Angelegenheit kaum ein Zweifel daran erhoben werden, dass sie in den Anfang des Jahres 1490 zu setzen sind. Auch in diesem Falle bemühte sich der Offizial unaus gesetzt, das von Sickingen angestrengte Verfahren zu Ende durchzuführen, obwohl sich Jörger jedesmal, wenn er vor geladen wurde, weigerte, ihn als den zuständigen Richter anzuerkennen und sich auf die städtischen Freiheiten berief, deren Wortlaut er schliesslich, vom Rat unterstützt, sowohl aus den Privilegien der Kaiser als auch aus den Be stätigungen der Päpste und des Basler Konzils verlesen liess. Daraufhin hatte der geistliche Richter erklärt‘), er beabsichtige keineswegs gegen diese Privilegien zu ver stossen oder Sachen, die nicht vor sein Forum gehörten. vor sich zu behalten; aber die städtische Freiheit wende sich lediglich gegen die Gerichte ausserhalb der Stadt und schliesse die Rechtsübung der Offiziale der geistlichen Höfe nicht aus; vielmehr seien diese in den ihnen zustehenden Angelegenheiten auch für die Bürger Strassburgs die ordent: lichen Richter. Dementsprechend entschied er auch dahin dass das Verfahren seinen weitern Verlauf nehmen mis: immerhin schob er aber die endgültige Entscheidung noth einmal hinaus und setzte den nächsten Termin erst & acht Tage später fest, um dem Angeklagten, Gelegenhei zu geben, sich gegebenenfalls das nötige Material 1 einem Einspruch gegen die richterlichen Ausführungen beschaffen.

1) Erwähnt in seinem Schreiben an Heinrich Martin vom 18. Jana! 1490 (Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 119). ?) Vgl. oben S$ 0 3) Vgl. unten S. 82. 4) Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 108, fol 4t (deutsche Übersetzung).

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 81

Die Stadt suchte die Sache unter allen Umständen vor ihr Gericht zu ziehen, selbst auf die Gefahr hin, dass sie diese, ihrer »Natur« entsprechend, wieder an das geist- liche Gericht zurückverweisen müsste, und liess sich des- halb, anscheinend von ihrem Syndikus Dr. Weltzer, ein eingehendes Rechtsgutachten über die Sachlage aufsetzen!). Dieser verhehlte keineswegs, dass der Standpunkt des Rats seine schwachen Seiten hatte; er hob vor allem hervor, dass die früheren Rechtsgänge über die strittigen Be- sitzungen sich vor dem Öffizialat abgespielt hätten und daraus sich für den Offizial eigentlich ergebe, dass auch die weiteren Rechtsübungen in dieser Sache dem gleichen Forum verbleiben müssten; auch bemerkte er, der geist- liche Richter könne sich darauf berufen, dass in der städti- schen Freiheit nicht ausdrücklich von weltlichen Richtern die Rede sei, und sich deshalb gleichfalls für einen »Stadtrichter« achten. Weltzer zweifelte trotzdem natürlich nicht daran, dass das bessere Recht auf Seiten des Rates sei. Er schlug vor, Jörger solle auch bei dem nächsten Termin dem geist- lichen Richter die Anerkennung der Zuständigkeit ver- weigern, und zwar mit der Begründung, dass, nachdem in einem früheren Rechtsgang die Einspruchsklage seines Gegners für nichtig erklärt worden sei, die Prozessache damit endgültig abgeschlossen und die umstrittenen Güter in seinen Besitz übergegangen seien, sowie auf Grund der Freiheit, die vor allem dahin laute, dass Klagen gegen Bürger wegen deren Eigentum und Besitz nur vor der Stadt Strassburg Richtern eingelegt werden dürften, und laut des gemeinen Rechts Weisung vor das ordentliche Gericht verlangen. Lehnte der Offizial die Forderung jetzt ab, dann konnte die Stadt eingreifen und kraft eines ihr im Jahr 1435 von Sigmund verliehenen und von Friedrich III. bestätigten Privilegs?) fordern, dass die Entscheidung über die Zuständig- keit zum Schutze ihrer gefährdeten Freiheit entweder vor der Stadt Basel oder vor Worms oder vor Ulm, die alle drei zur Wahrnehmung des privilegierten Gerichtsstands Strass- burgs und seiner Bürgerschaft als »Konservatoren« eingesetzt

1) Strassb. Stadtarch. VDG, Bd. 108, fol 247 f. (Abschrift, nicht von Weltzers Hand). 2?) Strassb. Stadtarch. AA. 6, gedruckt bei Lünig,

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waren, zum ÄAustrag gebracht werde. Dieser Weg schien freilich Weltzer nicht unbedenklich, da es nicht sicher war, dass die Stadt bei der Gegenpartei ihren Willen durch- setzen werde; viel besser schien es ihm zu sein, wenn Jörger ausdrücklich dem Offizial erkläre, mit dem Worte »der Stadt Richter« in der Freiheit könnten natürlich nur die weltlichen Richter gemeint sein, da ja die geistlichen Richter von der Stadt nicht eingesetzt werden könnten, sondern allein im Namen des Bischofs ihr Amt versähen, Lehnte der Offizial es ab, diesem Einspruch Folge zu leisten, dann sollte Jörger gegen jede Entscheidung des Richters sofort Appellation beim Kaiser einlegen, da es sich ja jetzt um die Auslegung des von diesem der Stadt bewilligten und bestätigten Privilegs handele, und der Rat, während die Sache vor der Berufungsinstanz anhängig wäre, sich von Friedrich, als der einzig zuständigen Stelle, eine ent- sprechende Erklärung und Erweiterung ihrer Freiheit er- wirken.

Doch kam es zunächst nicht so weit; der Offizial wagte es mit Rücksicht auf die Haltung der Stadt vorläufig nicht, irgendwie ein endgültiges Urteil zu fällen. Freilich gab Herr Hans von Sickingen seine Sache damit noch nicht verloren; er wandte sich vielmehr ob im Einverständnis mit Bischof Albrecht, lässt sich nicht mehr feststellen an seinen Schirmherrn, den Pfalzgrafen, und stellte diesem vor, durch das drohende Verhalten seines Prozessgegners werde eine richterliche Entscheidung seiner Sache ver- hindert. Wirklich erreichte er auch, dass Kurfürst Philipp am 3. März bei dem Rat von Strassburg ein gutes Wort zu seinen Gunsten einlegte'); aber die Stadt liess sich da- durch nicht einschüchtern und trat rückhaltslos für ihren Bürger ein; sie wies in ihrem Antwortschreiben vom 23. März darauf hin, dass laut einer Bestimmung der zwischen ihr und Philipp bestehenden, 1488 erneuerten freundlichen Einung für den Rechtsverkehr zwischen den beiderseitigen Untertanen ausgemacht worden sei, dass der Kläger dem Angeklagten im Rechtszug nachzufolgen habe, und bat daher den Pfalzgrafen, er möge bei Herrn Hans

1) Strassb. Stadtarch. VDG, Bd. 117 fol. 281a.

an A = a =

n 0

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dahin wirken, dass dieser seine Klage vor, dem Offizial zurückziehe und, wenn er durchaus auf seinen Ansprüchen zu beharren gedenke, den Bürger vor dem Ratsgericht belange, wo ihm unverzüglich Recht geschehen werde; stelle sich dann heraus, dass die Sache vor geistliches Gericht gehöre, so werde der Rat nicht anstehen, sie dem zuständigen Gericht zu überweisen!).

Inzwischen hatte aber die Stadt längst ernsthafte Schritte zur Wahrung ihrer Freiheit in dem von ihr vertretenen Umfange eingeleitet. Bereits um die Jahreswende hatten einige Räte der Stadt, da der Bischof die Prozesse am geistlichen Gericht trotz der schwebenden Verhandlungen nicht einstellte und den Anschein erweckte, als wollte er mit der Verlegung des festgesetzten gütlichen Tages ledig- lich die Sache hinausschleppen, mit dem neuernannten kaiserlichen Kammerprokuratorfiskal Heinrich Martin Füh- lung genommen und ihn natürlich im Auftrage und im Sinne der Stadt von den bestehenden Streitigkeiten zwischen dem Rat und dem Bischof wegen der geistlichen Gerichtsbarkeit unterrichtet?). Martin, dessen Frau einem angesehenen elsässischen Rittergeschlecht entstammte), war seit langer Zeit in Strassburg ansässig und hatte in der Stadt und ihrer weiteren Umgebung zahlreiche Be- sitzungen®). Er war im Dienst des Kaisers rasch empor- gekommen, weil er sich dessen Gunst und Vertrauen in hohem Masse zu erwerben gewusst hatte; 1487 begegnet er uns noch als kaiserlicher Diener und »hoffgesind«°); bald wurde er zum Rat ernannt und schliesslich am 4. November 1489 mit dem damals erledigten wichtigen Posten eines Prokuratorfiskals betraut®) einer der zahlreichen Elsässer und besonders Strassburger, die im ı5. und ı6. Jahrhundert

1) Ebenda, fol. 281b. ?) Vgl. hierzu das Schreiben des Rates an Martin vom 13. März 1490. Strassb. Stadtarch. VDG, Bd. 117, fol. 48. 3) Erwähnt im Schreiben des Bischofs, Jacobi 1482 (Strassb. Stadtarch. AA 1528). 4) Vgl. die Angaben in dem Schreiben Pfalzgraf Philipps an die Stadt 9. Jan. 1491, Strassb. Stadtarch. VDG, Bd. 117, fol. 44. °) Strassb. Stadtarch. AA 228, fol. 30. ®) Strassb. Stadtarch IV, 22. Auf das Schicksal Martins, dessen schnellem Aufstieg nach dem Tod Friedrichs IIl. ein ebenso jäher Sturz folgte und über dessen Hlinterlassenschaft ein un- schöner und langwieriger Streit zwischen seinen Erben und Maximilian 1.

entstand, gedenke ich einmal im Zusammenhang einzugehen. 6*

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unter den Habsburgern am kaiserlichen Hof einflussreiche Ämter bekleidet haben. Die Stadt, der Friedrich II. in einem besonderen Schreiben vom ı0. November ı489 die vollzogene Ernennung mitteilte!), gedachte sich nun gleich in den Händeln mit dem Bischof ihre engen Beziehungen zu dem neuen Fiskal zunutze zu machen, zumal da sie diesen bereits früher mehrfach in seinen Rechtshändeln unterstützt und sich verpflichtet hatte2). Wirklich erzeigte sich Martin auch alsbald dem Rate für die vor Jahren erwiesenen Gefälligkeiten erkenntlich und richtete sofort an den Bischof das schriftliche Begehren, er solle dem Offizial sofortigen Stillstand in den schwebenden Prozessen anbefehlen. Albrecht lehnte das in seiner Antwort vom 18. Januar 1490 entschieden ab, setzte aber doch, um den bösen Schein zu meiden, den gütlichen Tag mit der Stadt, wie schon oben erwähnt, auf den 4. Februar an8). Die Ver- handlungen führten aber, wie vorauszusehen war, obwohl man sie auf einer weiteren Tagung am 2. März fortsetzte‘), wohl in allen andern Streitfragen, wie z. B. wegen des Zollkellers und der weltlichen Gerichte des Bischofs, zu einem greifbaren Ergebnis, jedoch nicht in der Hauptsache, in den Auseinandersetzungen über die geistliche Gerichts- barkeit, da Albrecht sowohl wie sein Kapitel hartnäckig auf ihren bisherigen Kompetenzansprüchen bestehen blieben’).

Die Stadt war jetzt endlich des langen Hin und Her müde und entschloss sich, um die Dinge einer raschen Klärung zuzutreiben, mit Martins Unterstützung die Ent- scheidung des Kaisers anzurufen. Sie wusste wohl, dass es ihr um diese nicht besonders bange zu sein brauchte und dass sie nicht so leicht zugunsten des Bischofs aus- fallen würde. Die Beziehungen zwischen Friedrich III. und Albrecht waren, wie ich bereits mehrfach an anderer Stelle®) ausgeführt habe, aus persönlichen wie aus dynastischen Gründen nicht die besten; wenn auch der Bischof im Jahre

1) Strassb. Stadtarch. AA 228 fol. 44. ?) Vgl. Strassb. Stadtarch. AA 1528. 3) VDG Bd. 117, fol. 12. Vgl. oben S. 79. *) VDG Bd. 117, fol. 16. 5) Ebenda, fol. 14 u. 48. °) Diese Zeitschriit, Bd. 28, S. 455; meine Arbeit über die Politik der Stadt Strassburg am Ausgange des Mittel- alters (Beiträge zur Landes- und Volkeskunde von Elsass-Lothringen Bd. 49) S. 168 f.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 85

1486 nach vielen Demütigungen die Belehnung mit den Regalien erhalten hatte und, wie sein Vetter Herzog Albrecht von Bayern und die übrigen Wittelsbacher, durch Ent- sendung eines Truppenkorps zu dem flandrischen Feldzug im Jahre 1488, frühere Unterlassungssünden wieder gut zu machen suchte!), war damit der nachhaltige Groll des alten Kaisers gleichwohl nicht geschwunden. Hatten doch die letzten Jahre trotz der vermittelnden und ausgleichenden Haltung Maximilians infolge der kecken Vorstösse der Bayernherzöge, der Gründung des Schwäbischen Bundes durch Friedrich III. und der Vorgänge in den vorderöster- reichischen Erblanden eine erneute Verschärfung des Gegen- satzes zwischen dem Kaiser und den Wittelsbachern zur Folge gehabt?); eben im Frühjahr ı490 hatte Friedrich sich zu einem bedeutsamen persönlichen Verzicht ent- schliessen müssen, um Tirol und die übrigen Vorlande end- gültig dem bayrischen Einfluss zu entreissen?). Somit war der Zeitpunkt für das Unternehmen der Stadt nicht gerade ungünstig, zumal da diese es verstanden hatte, sich immer wieder der Gunst Friedrichs zu versichern; sie hatte nicht nur zur Befreiung Maximilians aus den Händen der flan- drischen Aufrührer im Jahre 1488 ein starkes, ausgezeichnet ausgerüstetes Kontingent entsandt®), sondern auch zu dem erneuten Feldzug in den Niederlanden im Herbst 148g eine weitere Iruppenschar gestellt, die noch damals auf dem Kampfplatz weilte und sich mehrfach hervorgetan hatte).

Der Rat der Stadt beschloss nun, ein wenig von dem in dem Rechtsgutachten Weltzers vorgeschlagenen Modus abweichend, zu versuchen, ob er nicht vom Kaiser ein Inhi- bitionsmandat und einen Verbotsbrief an Bischof Albrecht und die Archidiakone, bzw. ihre Offiziale, auswirken könnte, worin Friedrich zum Schutze der bedrohten Freiheit der Stadt diesen unter ausdrücklicher Festlegung des Begriffs »der Stadt Richters auf die weltlichen Gerichte, bei schweren Strafen gebot, von ihren Prozessen gegen die Bürger in weltlichen Dingen ohne weiteres abzustehen und die auf Grund der städtischen Freiheit abgeforderten Sachen ohne

1) Strassb. Stadtarch. AA 234, fol. 73, 42. °) Vgl. im allg. hierzu Ulmann, Maximilian I., S. 47 ff. °) Ebenda, S. 62 f. *) Vgl. Brief- wechsel im Strassb. Stadtarch. AA 234. 5) Strassb. Stadtarch. AA 235.

86 Stenzel.

jeden Eintrag vor Meister und Rat zu weisen. Sollten die Gegner der Stadt im Glauben stehen, sie hätten rechts- kräftige und stichhaltige Einwände gegen dies Verbot, dann war der Rat bereit, dass man die Sache vor dem Kaiser zum rechtlichen Austrag brächte, allerdings wieder nur unter der Voraussetzung, dass in der Zwischenzeit die Offiziale und ihre Gerichtsherren ihre Rechtsverfahren gegen Bürger einstellten'). Den ursprünglichen Plan, zwei Rats- herren mit diesem Auftrage an den Hof zu senden, gab die Stadt bald auf?) und vertraute die Durchführung der ganzen Angelegenheit in einem Schreiben vom ı3. März dem Fiskal Martin an®), dem sie beglaubigte Transsumpte der Bestätigungen ihrer Freiheit, die ihr sowohl von Friedrich selbst als von Papst Innozenz IV. und dem Konzil zu Basel erteilt worden waren, sowie den Entwurf zu einer Suppli- kation an den Kaiser und zu einem Inhibitionsmandat über- schickte und im übrigen auch was die aufzuwendenden Kosten anlangte, völlig freie Hand liess.

Martin, der ja von der ganzen Sache bereits unter- richtet war, führte seinen Auftrag mit grossem Eifer und Geschick durch und trug dem Kaiser die Angelegenheit im Hofrat vor®), indem er von dem angeblichen Anspruch der Offizialate auf Gleichstellung mit den übrigen welt- lichen Gerichten in Strassburg und dem Streit um die Aus- legung des Worts »der Stadt Richter« in der Freiheit aus- gehend hervorhob, dass die letztere von der Stadt für sie selbst und nicht für Bischof und Kapitel erwirkt worden sei und sich zudem natürlich bloss auf die Richter, die im Auftrage des Kaisers und des Reichs, nicht auf die, die aus päpstlicher Machtvollkommenheit in der Stadt ihr Amt versähen, also allein auf Meister und Rat und die von diesen eingesetzten Gerichte, beziehe. Er wies des weiteren auf die Gefahren hin, die für die Stellung der Stadt er- wachsen würden, wenn die geistlichen Gewalten ihre Ab- sicht durchsetzten, und führte dem Kaiser die guten Dienste, die ihm Strassburg in dem letzten Jahrzehnt, besonders in den flandrischen Feldzügen, erwiesen hatte, durch Angabe

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I) Text der Supplikation an den Kaiser Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 47. ?) Erwähnt in Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 48- 3) Konzept ebenda. 4) Vgl. seinen unten erwähnten Bericht.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 87

einer runden Geldsumme, die die Stadt in seinen Diensten verausgabt habe, recht nachdrücklich vor Augen, Sein Gesuch, das er an diese Darlegungen anknüpfte, ging, dem Rat entsprechend, den ihm erfahrene Persönlichkeiten gaben, mit denen er sich am Hofe beredet hatte, weit über den Auftrag hinaus, den ihm die Strassburger erteilt hatten: er batden Kaiser, eine feierliche und endgültige Erklärung über den strittigen Begriff »der Stadt Richter« in der Strass- burger Freiheit abzugeben (die sogenannte »Deklaration«) und zugleich auf Grund derselben ein scharfes Mandat an alle die ergehen zu lassen, die die Stadt im Augenblick ° im Besitz ihres Privilegs störten. Der Kaiser fällte wirklich die gewünschte Entscheidung, in die er auch sofort den Wortlaut zu dem verlangten Mandat an Bischof und Kapitel aufnehmen liess.

Auch die Art und Weise, wie Deklaration und Mandat bekannt zu machen und ihnen zur Geltung zu verhelfen sei, wurde im kaiserlichen Rate besprochen; man hielt es für das beste, wenn die Stadt das selbst durch Übersendung eines rechtsgültigen Vidimus an Bischof und Kapitel ausführte und diese zugleich schriftlich ersuchte, sie ungestört im Besitz der nun erklärten Freiheit zu belassen und ihren Offizialen dementsprechende Weisung zu geben; falls der Bischof und seine Parteigänger sich nicht darum kümmerten, sondern etwa gar erklärten, der Kaiser habe ihnen. als vom Papst bevollmächtigten Richtern der Jurisdiktion halb nichts zu gebieten, so sollte der Rat ihnen noch einmal schreiben und jetzt zu verstehen geben, die Stadt werde, wenn die Offiziale in ihrem Vorgehen gegen die Bürger beharrten, sich genötigt sehen, sich selbst bei ihrer Frei- heit handzuhaben und der fortgesetzten Übergriffe zu er- wehren, und überlasse es dann ihnen, wenn sie glaubten, die Stadt handle darin wider Gebühr, sie deshalb vor ihrem ordentlichen Richter, dem Kaiser, der ihr die Privilegien verliehen, rechtlich zu belangen. Übrigens erhielt auch zu gleicher Zeit Martin als Fiskal den Befehl, falls der Bischof selbst dann Deklaration und Mandat nicht beachte, ihn und das Kapitel ihres Ungehorsams wegen vor das kaiserliche Hofgericht zu zitieren und sie in die in der Freiheit fest- gesetzten Strafe von 100 Mark Gold verurteilen zu lassen,

88 Stenzel.

ja selbst mit den schärfsten und äussersten Strafmassnahmen gegen sie vorzugehen. |

So schien alles in schönster Ordnung zu sein und die Stadt rascher, als sie es gehofft hatte, ihr Ziel erreicht zu haben; am ıo. April bereits berichtete Martin mit trium- phierender Selbstgefälligkeit von seinen erfolgreichen Be- mühungen!) um seine Verdienste recht leuchten zu lassen, legte er seinem Schreiben, allerdings unter der Bedingung strengster Verschwiegenheit, eine ausführliche Darstellung des Verlaufs seiner Werbung und der Verhand- lungen im kaiserlichen Rat bei?) und meldete, er über- schicke der Stadt zu gleicher Zeit das kaiserliche Mandat mit der Deklaration der Wortes Stadtrichter. Aber Martin hatte zu früh gejubelt: am ıı. April, in letzter Stunde, hielt der Kaiser die bereits zur Siegelung gerüstete Ur- kunde zurück, und wollte sie trotz aller Bemühungen des Fiskals, der sie, wie versprochen, den Strassburgern gerne zugeschickt hätte, nicht herausgeben 3).

Was hatte den plötzlichen Umschwung am Hofe ver- anlasst? Der Fiskal wusste es angeblich anfangs selbst nicht. Als er in den Kaiser drang, ihm doch die Ursache seiner Sinnesänderung mitzuteilen, liess Friedrich ihm durch zwei Hofleute, Graf Hans von Montfort und Ritter Wolfgang Görger sagen, er habe »mercklich ursach« dazu und bat ihn, sich bis auf weiteres zu gedulden; die beiden unterrich- teten ihn auch des näheren über Friedrichs Beweggründe, gestanden ihm jedoch, wie er behauptete, nicht zu, dass er vorläufig Strassburg davon mündlich oder schriftlich in Kenntnis setze. Man kann sich denken, dass die Stadt über die Mitteilung von diesen Vorfällen in Aufregung geriet und gerne gewusst hätte, wodurch sie sich eigent- lich die kaiserliche Ungnade zugezogen hatte. Martin rückte nicht mit der Sprache heraus und vertröstete sie schliesslich auf seine persönliche Ankunft in Strassburg, wo er dem Rat nähere Aufschlüsse geben wolltet), Dem gemäss erhalten wir natürlich aus den uns vorliegenden

I) Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 17. ?) Ebenda, fol. 34. 3) Bericht Martins vom 19. April (VDG Bd. 117, fol. 18 f.).. +) Vgl. sein Schreiben vom 22. Mai (Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 22).

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 89

~ Schriftstücken keine Klarheit über das ganze Zwischenspiel

und sehen uns völlig auf Vermutungen angewiesen. Nicht unmöglich ist es, dass die damals eintreffende Kunde von dem am 5. April erfolgten Tod des alten

- Gegners Friedrichs III. Matthias Corvinus und den dadurch

= sich eröffnenden Aussichten auf die Rückgewinnung der

Kaane

verlorenen Erblande und den Erwerb der ungarischen Krone

durch die Habsburger!) hervorgerufen wurde. Man mochte - unter dem Einfluss Maximilians, der damals eifrig um eine - Verständigung unter den süddeutschen Fürsten bemüht war

und zwischen seinem Vater und den Bayernherzögen zu vermitteln suchte?), es am kaiserlichen Hof für besser halten, jetzt, da man voraussichtlich die Hilfe der Stände für einen Feldzug in Ungarn in Anspruch nehmen musste, die ohne-

„œ hin schon gespannten Beziehungen zu den Wittelsbachern

durch Bekanntgabe der für Bischof Albrecht ungünstigen

. Entscheidung Friedrichs nicht aufs neue zu belasten. War

doch bereits wenige Tage zuvor bei der ersten Besprechung des Gesuchs der Stadt im Hofrat nachdrücklich darauf hin- gewiesen worden, Strassburg müsse es unbedingt vermeiden, am Hof klagweise vorzugehen, sondern, wenn die Sachen soweit getrieben würden, darauf achten, dass dem Bischof die Rolle des Anklägers zufiele; deshalb hatte man auch den von Martin der Stadt bekannt gegebenen und oben gekenn- zeichneten Ratschlag erteilt, bei dem doch deutlich das Bestreben hervortritt, den Kaiser bei den ganzen Streitig- keiten möglichst wenig aktiv hervortreten zu lassen. Schon damals übte man also in Erwartung des baldigen Abganges des kränkelnden ungarischen Königs eine gewisse Rück- sichtnahme auf die Empfindlichkeit der Wittelsbacher. Aber das war in unserer Angelegenheit doch von kurzer Dauer, da es Martin wenige Tage später gelang, dem König wenigstens die Ausfertigung eines vorläufigen Mandats abzuringen®). Auch die Vermutung, dass man etwa be- absichtigte, die Vollziehung der Urkunde erst dann vorzu-, nehmen, wenn die Stadt sich zu einer möglichst weitgehenden Beteiligung an dem bevorstehenden Feldzug entschlossen

1) Vgl. dazu Ulmann, Maximilian I., S. 75 fl. ?) Ebenda, S. 88 ff. 3) Darüber s. die folgenden Ausführungen.

go Stenzel.

hätte, und auf diese Weise einen gewissen Zwang auf Strass- burg auszuüben, ist nicht recht stichhaltig, da, als bald darauf an zahlreiche Stände Mandate wegen einer Hilfe gegen die Widersacher Maximilians in Ungarn ergingen, der Fiskal es mit Leichtigkeit hintertreiben konnte, dass die Stadt ein solches Schreiben zugesandt erhielt !). Mögen aber nun auch solche Erwägungen immerhin stark mit im Spiele gewesen sein, wichtiger war doch wohl die aller- dings nirgends “offen ausgesprochene Absicht des Kaisers sowohl wie der Hofleute, sich die Sache möglichst gut bezahlen zu lassen und daher ihre endgültige Erledigung durch allerhand Winkelzüge hinauszuschieben. Martin selbst war, wie auch sein späteres Schicksal bewies, nicht gerade wählerisch in den Mitteln, wenn es galt, sich finanzielle Vorteile zu verschaffen; es ist ganz gut möglich, dass er, um seine Verdienste erst recht herauszustreichen und sich einen möglichst grossen »Ehrensold« seitens der Stadt zu versichern, den ganzen Zwischenfall ein wenig künstlich aufbauschte und in der Schilderung der zu überwindenden Widerstände übertrieb. So sehr man sich aber auch das vor Augen halten muss, so kann man sich doch anderseits wieder kaum dem Eindruck entwinden, dass in letzter Hinsicht das Grerede bis zu einem gewissen Grade einen ernsthaften Hintergrund hatte, da Bischof Albrecht offensichtlich über einflussreiche Freunde und Helfer verfügte, die ihren ganzen Einfluss zu seinen Grunsten aufboten, und dass die Stadt auch wirklich vorübergehend in Ungnade gefallen war allerdings aus uns unbekannten, nicht mehr festzustellenden Ursachen.

Im ersten Moment scheint denn auch wirklich dem Fiskal die plötzliche Wendung überraschend gekommen zu sein?); den bei ihm weilenden Strassburger Boten, den er bereits mit seinem Schreiben vom ıo. April hatte ab- fertigen wollen, hielt er schleunigst zurück und versuchte nun, wenn erdie Ausfertigung der allgemeiner gehaltenen De- klaration nicht erlangen konnte, wenigstens die Ausstellung eines Inhibitionsmandats an Bischof und Kapitel, wie es die Stadt gewünscht hatte, zu erwirken, das aufder Erklärung

I) Schreiben Martins vom 19. April (VDG Bd. 117, fol. 21). ?) Vel. sein Schreiben vom 19. April an die Dreizehner (VDG Bd. 117, fol. 18 f.).

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. gi

fusste und wenigstens auf sie kurz Bezug nahm. Das setzte er denn auch am ı7. April durch. Es hatte im allgemeinen die Form, wie sie sich die Strassburger in ihrem Entwurf gedacht hatten; nur in Einzelheiten war es abgeschwächt worden. Der Kaiser erklärte darin, von den Streitigkeiten zwischen Bischof und Stadt ausgehend, es sei nie seine Meinung gewesen, dass unter dem Wort »der Stadt Richter« auch die geistlichen Gerichte zu verstehen seien, weil ja dadurch sonst seine Obrigkeit und der weltliche Gerichts- zwang: geschmälert würde, und gebot deshalb Albrecht ‘und seinem Domkapitel bei der in den Privilegien fest- gesetzten Strafe, die Stadt und die Ihrigen an der Übung ihres weltlichen Gerichts nicht zu irren und sie auf keinen Fall um weltliche Sachen von ihren geistlichen Richtern zu Strassburg belangen zu lassen; alle dem zuwider vor- genommene Rechtshandlungen wurden für ungültig und wirkungslos erklärt!). Als Martin am ıg. dies Mandat der Stadt überschickte, gab er ihr zugleich für dessen Verwer- tung unter Anlehnung an die Besprechungen im Hofrat die Anweisung, sie solle für sich lediglich ein Vidimus davon zurückbehalten, dagegen das Original Bischof und Kapitel überreichen und an beide zugleich unter Hinweis auf die in diesen Privilegien festgesetzten Strafen schriftlich das Ersuchen richten, Stadt und Bürger künftig dem Mandat gemäss ungeirrt im Genuss ihrer Freiheit zu belassen. Sofern das auf Albrecht und die Domherren keinen Ein- druck machen würde, so müsse eben die Stadt zusehen, wie sie sich selbst bei ihrer Freiheit handhabe, nachdem diese wenigstens vorläufig durch den Kaiser erläutert worden sei. Dringend warnte er den Rat davor, als Kläger auf- zutreten; er sollte vielmehr ruhig die Gegenpartei den Klageweg beschreiten lassen; dann sei die Sache der Stadt schon von vornherein gewonnen.

In einem besonderen Schreiben an die Dreizehner ’?), die mit der Führung der politischen Geschäfte betraute Kommission des Strassburger Regiments, ging er näher auf den Verlauf der Verhandlungen am Hofe ein, vor allem

Kopie in VDG Bd. 117, fol. 73 u. 85. ?) Vgl. oben S. 90 Anm. 1.

92 Stenzel.

auf seinen Versuch, die Deklaration, von der erin dem an den Rat gerichteten Brief überhaupt nicht sprach, zu erwirken. Er fragte an, ob ihnen daran gelegen sei, diese sich schliess- lich doch noch zu verschaffen und versprach ihnen, darin sein Möglichstes zu tun, sofern sie ihm etwa einen halben Monat vor Pfingsten näheren Bescheid an den kaiserlichen Hof zugehen liessen. Die Strassburger Ratsherren nahmen natürlich dies Angebot mit Freuden an und baten ihn, ihnen die Deklaration so rasch als möglich zugehen zu lassen, da sie in Anbetracht der Schwierigkeiten, die sich wegen derselben erhoben hatten, nicht wagten, das kaiser- liche Mandat zu veröffentlichen, aus Besorgnis, sie möchten sich irgendwie durch eine Voreiligkeit den Unwillen des Kaisers zuziehen. Martin erreichte nun auch wie er wenigstens darstellte —, dass Friedrich das Dokument mit seinem Siegel versehen liess und ihm grundsätzlich zusagte, es den Strassburgern ausliefern zu lassen'). Nur wollte der Kaiser die Deklaration angeblich aus bestimmten Gründen noch für eine gewisse Zeit bei sich behalten. Auf die besorgten Anfragen des Rats erwiderte Martin beschwichtigend, wenn auch der Kaiser vor kurzem aus triftigen Ursachen, über die er der Stadt in Kürze mündlich nähere Mitteilungen machen werde, es habe ja ein jeder seine Freunde und Feinde eine wenig freundliche Ge- sinnung gegen die Stadt gehegt habe, so sei er doch inzwischen wieder von seinem Unwillen abgestanden und verzögere die Auslieferung der Deklaration daher nicht der Ungnade halb. Ja er hatte geradezu von Friedrich am 18.. Mai ein Schreiben an die Stadt erwirkt?), worin dieser bestätigte, dass Martin sich eifrig um die Deklaration be- müht habe und ihnen persönlich berichten werde, weshalb bisher damit zurückgehalten worden sei, und versicherte der Stadt nachdrücklich, dass zum mindesten der Kaiser in nichts, was sich gegen die vielbesprochene Urkunde richte, einwilligen werde; es entspreche vielmehr durchaus dessen Wünschen, dass die Stadt sofort das Mandat an Bischof und Kapitel bekannt gebe; Friedrich habe ihm sogar auf-

1) Vgl. seinen Bericht vom 22. Mai (VDG Bd. 117, fol. 22). 2) VDG Bd. 117, fol. 23.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 93

getragen, im Falle, dass diese den Gehorsam verweigerten, ein weiteres Mandat mit einer fiskalischen Ladung an sie ausgehen zu lassen und nach Recht und Ordnung gegen sie zu verfahren.

Inzwischen war aber der Bischof auch nicht müssig gewesen. Er hatte am 19. März, also unmittelbar nachdem die Stadt die ersten Schritte am kaiserlichen Hofe ein- geleitet hatte, wahrscheinlich weil er darüber Kundschaft erhielt, ein verbindliches Schreiben an den Rat gerichtet, in dem er sich über das Ergebnis des letzten geistlichen Tages äusserte!); da er jedoch keine wesentlichen Zuge- ständnisse machte, hatte die Stadt ihm am 26. höflich aber kühl erwidert und ihren Standpunkt aufs neue in scharfen Worten verteidigt?). Als er aber näheres über die Bemühungen des Rates am kaiserlichen Hof hörte, leitete er gleichfalls daselbst eine Aktion ein, und zwar, da er immerhin der Fürsprache beim Kaiser bedurfte, durch hoch- geborene »sollicitatores«e, die jedoch, wie Martin in seinem Bericht vom 22. Mai der Stadt schrieb, ausserhalb des kaiserlichen Hofes standen, d. h. nicht zu der näheren und einflussreichen Umgebung Friedrichs gehörten; auch hatte er seine (sesandten zum Kaiser geschickt, vor allem seinen vertrauten Rat, den Ritter Burkhard Beger von Greispolsheim®). Fürs erste hatte dieser allerdings der eifrigen Tätigkeit Martins gegenüber nichts ausrichten können. Der Kaiser hatte vielmehr seinen Fiskal Anfang Juni beauf- tragt, mit Albrecht im Interesse der Stadt Verhandlungen anzuknüpfen. Als Martin kurz darauf seine den Strass- burgern schon seit längerer Zeit angekündigte Reise nach dem Rheine antrat, traf er auf dem Wege von Linz, wo der kaiserliche Hof lange Zeit weilte, nach Nürnberg mit dern Bischof, der offenbar damals gerade sich bei seinem Bruder Pfalzgraf Otto von Mosbach aufhielt, zusammen und rich- tete ihm den ihm von Friedrich erteilten Auftrag aus; als er im Verlauf des Gesprächs darauf hinwies, dass der Kaiser das Wort »der Stadt Richter« in der Freiheit der

1) Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 14. ?) Ebenda, fol. 15. 3) Vgl. Martins Berichte vom 22. Mai (VDG Bd. 117, fol. 22) und vom 10. Juni (Ebenda, fol. 24). Beger war 1488 auch Hauptmann des bischöf- lichen Kontingents in Flandern (Strassb. Stadtarch. AA 1535).

94 Stenzel.

Stadt Strassburg allein auf die vom Reiche eingesetzten Richter bezogen wissen wolle, brauste der Bischof offenbar heftig auf und schob dem Fiskal in heftigen Worten wie wir wissen, nicht ganz mit Unrecht die Schuld an der für ihn ungünstigen Entscheidung des Kaisers zu.

Martin hatte eigentlich vorgehabt, wenn er nach Strass- burg käme, der Stadt näheres über diese Unterredung mit- zuteilen, da er doch laut kaiserlichen Beglaubigungs- schreibens vom 22. Mai!) auch an sie seine besonderen Aufträge hatte: einmal handelte es sich um ihre Streitig- keiten mit dem Bischof, dann aber vor allem um die Hilfe, die der Kaiser von den Ständen zur Wiedereroberung der verlorenen österreichischen Lande forderte und derent- wegen ja Strassburg bisher durch Martins Vermittlung un- ersucht geblieben war. Wichtige Geschäfte zwangen jedoch den Fiskal, seine Reise nach Strassburg aufzuschieben; er bat deshalb die Stadt, sie möchte, falls sie inzwischen von andern Städten wegen der Hilfe befragt werde, des guten Eindrucks wegen keinen Zweifel daran, dass sie bereit sei, dem Kaiser Gehorsam zu leisten, aufkommen und vor allem nichts von der ihr bisher zugute gekommenen Be- vorzugung verlauten lassen. In ihrem Handel mit dem Bischof riet er ihnen dringend, unverzüglich das erlangte Mandat Albrecht und dem Kapitel zu überantworten; wenn das geschehen sei und wenn er dann nach Strassburg komme, werde er ihnen eröffnen, was ihm in der Ange- legenheit befohlen worden sei, und die weiteren Schritte einleiten.

Der Fiskal befahl den Strassburgern jedenfalls schon deshalb Beschleunigung in der Veröffentlichung des Man- dats an, weil er wusste, dass der Bischof alles daran setzen werde, diese zu verhindern. Wirklich erliess Albrecht auch gerade in dieser Zeit und, wie durch seine eigene sowohl, wie seines Domscholasters Ausführungen bestätigt wird’), in dieser Absicht für seine Diözese ein Generalmandat, worin er verbot, irgend einen päpstlichen oder kaiserlichen oder sonstigen Rechtsakt (Prozess) zu veröffentlichen oder zu

I) Strassb. Stadtarch. AA 237, fol. 6. ?) VDG Bd. 117 fol. 121 und t2ıb,

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. ..95

insinuieren, der nicht zuvor in des Bischofs Kanzlei vidi- miert und von hier aus für zulässig erklärt worden sei. Da, wie bereits ausgeführt wurde, die in Strassburg amtieren- den Notare fast durchweg Beamte des geistlichen Gerichts waren'!), wäre es Albrecht, wenn er überall Gehorsam ge- funden hätte, ein Leichtes gewesen, die rechtmässige Publi- zierung des kaiserlichen Mandats zu hintertreiben.

Aber der Rat wurde dadurch in seinem Vorgehen kaum behindert; er liess sich zunächst von der Stadt Schlettstadt ein beglaubigtes Vidimus des Mandats aus- fertigen und fand auch Notare, die ihm zu Willen waren und zunächsteinige kollationierte Kopien, deren man bedurfte, herstellten?2). Am ıq4. Juni überreichte der mit der Insi- nuierung beauftragte Notar Paul Grofe®) den damals resi- dierenden Mitgliedern des Domkapitels, dem Domscholaster und Vertreter des Dechanten Heinrich von Henneberg, dem Kustos Heinrich von Hewen und dem Domherrn Graf Heinrich von Werdenberg, im Bruderhof eine der kolla- tionierten Kopien des kaiserlichen Erlasses; die Verlesung desselben hatten die Herren kurzweg mit der Begründung abgelehnt, sie kännten den Inhalt bereits; zugleich empfing auch der zufällig dabei sitzende Offizial der Archidiakonet), Dr. Nikolaus Sachs von Speyer, eine Kopie, die er allerdings nur für den Fall annahm, dass der Inhalt sich nicht gegen seine Herren, die Archidiakone und deren Jurisdiktion richte. Zu Zabern fand Grofe den Bischof nicht vor, aber wohl seinen Kanzler und Statthalter Gottfried Quinckener von Saarburg, der das Original gleichfalls ohne Verlesung in Empfang nahm; am Tag darauf endlich wurde eine weitere Abschrift dem bischöflichen Offizial Dr. Johann Theoderici überreicht. Zu gleicher Zeit hatte auch die Stadt, wie ihr Martin geraten, an Bischof und Kapitel Schreiben gerichtet, worin sie unter Hinweis auf die in ihrem Privileg festgesetzte Strafe von 50 Pfund Gold die Adressaten aufforderte, sie un- geirrt im Besitz ihrer Freiheit zu belassen), (Schluss folgt.)

a a -

1) Diese Zeitschr., Bd. 29, S. 368 f. u. S. 390. °?) Vgl. die Notizen VDG Bd. 117, fol. 57. 3) Notariatsinstrument VDG Bd. 117, fol. 224. i) Also der damalige »hintere« Oftizial (vgl. diese Zeitschr. Bd. 29, S. 375). 5), VDG Bd. 117, fol. 73b.

Die Grafschaft Wertheim im dreissigjährigen Krieg (1618 1620).

Cd

Von

Flamin Heinrich Haug.

Seit die Grafen von Wertheim die vor den Toren ihrer Stadt liegende Ortschaft Eichel dem Bistum Eichstätt ab- gelöst hatten, beherrschten sie nicht nur die wichtige Wasserstrasse, den Main, von der Grenze des Bistums Würzburg bis zu der des Erzbistums Mainz, sie waren von

da an auch die Herren der bei Urphar über den Main

ziehenden Passtrasse nach dem Süden ins Taubertal. So günstig diese lage von Schloss und Grafschaft im Frieden war, so gefährlich musste sie in einem Kriege werden, in dem fortwährend Truppenverschiebungen von Nord nach Süd, von Ost nach West und umgekehrt stattfanden. Dazu hatte die fortwährende Fehde mit Würzburg und zeitweise auch mit Mainz die Grafen gezwungen, wollten sie nicht zwischen den beiden mächtigen Bistümern wehrlos der Aufteilung ihres Gebietes zusehen, Burg und Stadt derart zu befestigen, dass um 1600 Wertheim einer der bedeutend- sten Verteidigungspunkte am Main war.

Graf Ludwig von Loewenstein, nach dem Tode Ludwigs von Stolberg Mitregent und später alleiniger Herr in der Grafschaft Wertheim, musste gar bald die Fehde mit Würz- burg wieder aufnehmen, die unter dem Stolberger einige Jahre geruht hatte. Als Anhänger der Augsburger Reli- gion, als ein Mann, der sich mehr auf die Stärke der Waffen, als auf Verträge und Geldspenden stützte, musste

peru

Grafschaft Wertheim im dreissigjährigen Krieg. 97

er von vornherein dem Bischof ein unliebsamer Lehen- träger und Nachbar sein. Das zwang Ludwig, in seiner Grafschaft eine Wehr zu organisieren, die jederzeit zur Verteidigung der Landesgrenze bereit war. So liess er allenthalben in der Grafschaft Schützengilden erstehen, wenn sie nicht an den einzelnen Orten schon bestanden. Die bestehenden Gilden wurden bedeutend verstärkt!) und durch Verleihung von Preisen und Zuschüssen unter- stützt. Was Ludwig unter dem Deckmantel des Ver- gnügens heimlich gegen Würzburg organisierte, sollte wenige Jahre nach seinem Tod (1611) zur allgemeinen Bürgerwehr ausgestaltet werden.

Das erste Jahr des dreissigjährigen Krieges, 1618, liess die Grafschaft völlig unberührt. Die vier Söhne, welche Ludwig überlebten, Christoph Ludwig, Ludwig, Wolfgang Ernst und Johann Dietrich regierten gemeinsam in der Grafschaft Wertheim. Am 2. Februar 1618 starb Christoph Ludwig und Friedrich Ludwig folgte ihm in der Regierung. Christoph Ludwig wie sein Sohn weilten meist in der ihnen und Ludwig zugeteilten Grafschaft Löwenstein, Johann Dietrich verwaltete die ihm und Wolfgang Ernst zugeteilte Teilherrschaft der Grafschaft Breuberg und die Besitzungen in den Niederlanden. Das Regiment in Wertheim führten zu Anfang des Krieges hauptsächlich Ludwig und Wolf- gang Ernst. Bald eilte auch der kriegerische Johann Dietrich herbei, um seine Heimatstadt zu schützen. An der Spitze der gemeinsamen Regierung stand damals in Wertheim als erster Beamter Philipp Reinhard. Er war ein äusserst energischer und weitblickender Mann, wenn er auch gleichwohl von politischen Fehlgriffen nicht frei blieb. Aus seiner Hand flossen alle organisatorischen Ver- teidigungsmassnahmen in der Grafschaft?). Er hatte seine Berichterstatter in Frankfurt, in Hamburg und Wien und

1) Gemeinschaft. Archiv Wertheim, Urpharer Akten. Urphar stellte 2. B. auf seine Veranlassung statt der bisherigen 2—3 jetzt 35 Schützen. Die Remlinger Schützengilde, die unter Wertheim und Castel stand, umfasste 141 Mann. Kriegsakten Nr. 15 a. a. O. ?) So korrigiert sich, was Ferd. Wibel (Die alte Burg Wertheim a. Main Freiburg 1895 pag. 339 ff.) u. Al. Kaufmann (A. f. Unterfr. u. Aschaffenb. XIX. 3 pag. 32) über Johann Dietrich, Wolfgang Ernst und Philipp Reinhard schrieben.

Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. N.F. XXX. ı. 7

98 Haug.

war über die Bewegungen der Engländer ebenso auf den Laufenden wie über den Vormarsch Bethlen Gabors und der Türken.

Schon im April ı619 begann man in Wertheim die Rüstungen. Am 8. April erging ein Schreiben der Grafen Ludwig, Wolfgang Ernst, Johann Dietrich, Friedrich Ludwig, Ernst und Johann Hermann!) an Andreis Schumacher, Hauptmann, in Schwäbisch-Hall. Die Grafen ersuchten den Hauptmann ihnen »bei diesen gefährlichen Läufen und ‚Kriegsempörungen zur Versicherung von Schloss und Stadt wohl versuchte und der christlichen Religion zugetane Sol- daten« zu schicken. Sie versprachen guten Sold?). Am gleichen Tag wandten sie sich an den Grafen Friedrich von Solms und ersuchten ihn um einen Reiterhauptmann, da sie wegen der Kriegsempörungen im Reich und be- sonders wegen der Rüstungen in ihrer Nachbarschaft gesonnen seien, Soldaten zu werben?). Es scheint, dass diese Bitte keinen Erfolg hatte; denn bald darauf steht ein Wertheimer Bürger als Wachtmeister an der Spitze der Soldateska. Auch Schumacher schrieb am ı3. Juni zurück, er könne keine Soldaten senden, da kurz zuvor dreimal in Hall geworben worden sei. Nur den Über- bringer des Briefes, einen Bürgerssohn aus Schwäbisch- Hall, der bereits 9 Jahre Kriegsdienste geleistet habe, könne er empfehlen?). Was die Grafen in ihrer Nachbar- schaft bedrohlich fanden und weshalb sie in erster Linie rüsteten, ersehen wir aus dem Briefwechsel des Markgrafen Christian von Brandenburg mit dem Grafen Karl zu Lim- purg und zwischen diesem und den Grafen zu Wertheim. Darnach hatte Würzburg schon im Mai 200 Mann Garnison in Lauda aufgestellt, wogegen sich die dortigen Bauern energisch wehrten. Wohl versicherte der Bischof3), seine Rüstungen hätten keinen Bezug auf Wertheim; wohl liess er Ende Mai auf dem Kreistage die Erklärung abgeben, dass er trotz der gerichtlichen Entscheidung in der wert-

') Diese beiden letzteren Söhne des Grafen Christoph Ludwig. - 2) Gem. Archiv Wertheim. Kriegsakten Nr. 18. 3) Auf ein Promemoria Reinhards hin liess Wertheim auf dem Kreistage beim Bischof anfragen, gegen wen seine Rüstungen gerichtet seien. Über das Ganze: Gem. Archiv. Kreisakten Nr. 107.

Grafschaft Wertheim im dreissigjährigen Krieg. 99

heim-würzburgischen Streitfrage auch jetzt noch bereit sei, sich einem Schiedsgericht zu unterwerfen, aber in Wert- heim traute man den Versicherungen des Würzburger Bischofst) nicht. Wolfgang Ernst war in den ersten Tagen des Mai von Frankfurt nach Köln gereist »ad audiendum et videndum«s, wie er an Markgraf Christian schreibt, und hatte dort die starken Rüstungen der Spanier und Bayern gesehen. Die Spanier zahlten 20—5o Taler für das Pferd. Und für die Bayern warb Oberst Binninghausen ein Regi- ment zu Fuss und 1000 Mann zu Pferd. Wolfgang be- fürchtete, die Bayern möchten »durch die Pfaffengasse« herauf marschieren. Und auch Markgraf Christian war Ger Ansicht, »dass der Krieg wohl in Franken seinen Sitz« erhalten werde. Zugleich erfuhr man in Wertheim, dass Würzburg 100 Mann in das von Wertheim zwei Stunden entfernte Kloster Bronnbach legen wolle. Bronnbach stand aber unter Wertheimer Vogtei. Damit wäre Würzburg von Lauda aus bis hart an die Mauern Wertheims vor- gerückt. Da aber Bronnbach die Passtrasse nach dem Süden beherrschte, und man von Bronnbach aus jederzeit die von Wertheim über Urphar nach Süden ziehende Strasse sperren konnte, machte Wolfgang Ernst diese Bedrohung zu einer Kreisangelegenheit und erreichte offenbar auch sein Ziel. Die Besetzung Bronnbachs unterblieb. Um diese Zeit begann auch der fränkische Kreis seine Rüstung. Wertheim musste ı5 Pferde und 75 Mann zu Fuss stellen. Die Grafschaft stand auf dem Kreistage auf der Seite der evangelischen Stände: Brandenburg, Henneberg, Hohenlohe, Castel, Erbach, Limpurg, Seinsheim, Nürnberg, Rothenburg, Windsheim, Schweinfurt und Weissenburg a. S. Die katho- lischen Stände waren vertreten durch Würzburg, Bamberg, Eichstätt, den Deutschorden, Rieneck und Schwarzenberg. Der Union gehörte Wertheim damals noch nicht an. Denn am 24. Juni 1619 schreibt Markgraf Christian an Wolfgang Ernst, er könne die angebotene Werbung von über 300 Mann nicht annehmen, da er sich selbst nicht zu sehr belasten wolle. Auch habe er Nachricht erhalten, dass »wegen der löblichen Union dem evangelischen Wesen zum Besten mit

!) Johann Gottfried von Aschhausen 1617—1622. 7%

100 Haug.

Wertheim dieser angebotenen Soldaten halber ein gewisser Akkord getroffen werden soll«, er könne sich aber deshalb dem Grafen gegenüber noch nicht offen erklären. Es scheint aber, dass sich die Grafen in den Sommermonaten der Union anschlossen. Graf Wolf Ernst erhielt von Mark- graf Christian von Ansbach den Befehl, der Union 100 Pferde zuzuführen. Nach einer erhebenden Abendmahlfeier in der Kirche am 6. August ı679 zogen die Grafen Wolfgang Ernst, Johann Hermann und Ernst mit drei wohlgerüsteten Reisewagen und ı00 Reitern am ı3. August von dannen; wohin, das verrät der Chronist leider nicht!).

In Wertheim hatte man also trotz des anfänglichen Misserfolges ınit den Rüstungen Ernst gemacht. Am 8. Mai erging aus der gräflichen Kanzlei ein Erlass, der eine vorübergehende Kriegssteuer anordnete. Zur Unterhaltung einer mässigen Leib-, Schloss- und Stadt-Garde wurden 2 fl. Steuer auf den Kopf für ein Jahr und »bis man sieht, wohin diese Schwierigkeiten auslaufen wollen« aus- geschrieben. Dagegen befreite die Herrschaft die Bürger von der Schlosswache und versprach, sie nur in besondern Fällen hierzu zu gebrauchen?). Hierüber meldet der Chronist weiter, die Bürgerschaft habe sofort eine Eingabe gemacht, die Herrschaft möge die Schatzung verteilen und ermässigen. Das sei aber nicht geschehen, was »viele betrübte Leute gemacht.. Einen kleinen Erfolg hatte die Eingabe aber dennoch. Ein Erlass vom 22. Mai verfügte Verteilung der Steuereinhebung auf vier Termine: Jakobi, Galli, Pauli Bekehrung und Philippi Jakobi. Befreit sollte aber kein Einwohner werden. Auch die Ausländer, die Häuser in der Stadt hatten, mussten zahlen. Die Juden, welche von aller Wache und Heeresfolge exempt waren, mussten das - Doppelte entrichten. Am 27. Mai übermittelte der Rat das Dekret den Zünften. Am 20. November erfolgte ein weiterer Erlass wegen der ausständigen Schatzung. Die Regierungsdekrete verfehlten natürlich ihre Wirkung auf die Jugend nicht. Schon am ıg. Mai stellte sich eine An- zahl junger Dertinger den Grafen »zur Verteidigung des Vaterlandes« zur Verfügung. Sie erhielten den Bescheid,

I) Stadtarchiv. Braunes Buch pag. 701. °) Ebenda pag. 404:7.

Grafschaft Wertheim im dreissigjährigen Krieg. 101

sich in ı4 Tagen persönlich zu melden!),, Während man nun in Wertheim eine Söldnerwache aufstellte, wurde in der Grafschaft die allgemeine Bürgerwehr organisiert. Am 2. Juni erhielten Johann Cuntz, ÖOberschultheiss zu Der- tingen?) und Johann Konrad Grimm, der Vogt, den Befehl, am folgenden Tage in Wenkheim die Untertanen zu mustern, »da die Zeiten je länger, desto beschwerlicher werden«?). Dass die gräflichen Beamten den Befehl auch vollzogen, und die Gemusterten sich selbst ausrüsten mussten, ersehen wir aus einem unmittelbar darauf eingelaufenen Gesuch des Hans Miltenberger von Wenkheim. Er hatte sich eben sein Häuslein neu erbaut und konnte das Geld zur Ausrüstung nicht aufbringen. Deshalb Bat er, man möge ihm statt einer Muskete eine Hellebarde zur Auflage machen 4). Die Schützengilden des Grafen Ludwig wurden jetzt zu Musketierabteilungen ausgebildet5). Während die Musterung in der übrigen Grafschaft im allgemeinen regel- recht vor sich ging, machte in Wenkheim der Hundt Schwierigkeiten. Am 14. Juni musste der Vogt J. Konrad Grimm berichten, dass der Hundt, obwohl er noch schwach vom Schwalbacher Sauerbrunnen heimgekommen sei, ver- gangenen Sonntag die Untertanen gemustert habe. Als der Vogt abends von seinem Krankenlager ein wenig auf- gestanden sei, habe er erfahren, dass es der Hundt im grossen ganzen bei der von ihm und dem Oberschult- heissen kürzlich getroffenen Anordnung belassen habe. 12 Personen habe er aber ausgewählt und ihnen mitgeteilt, dass sie ausziehen müssten, wenn die Ritterschaft ihrer bedürfe, Die gräfliche Kanzlei griff sofort mit dem Ver- bot an die Untertanen ein, der Ritterschaft im Odenwald, für die Hundt gemustert hatte, irgend eine Hilfe zu leisten. Hanns Philipp Hundt wurde wegen der bisher verübten Händel und Lehensentziehungen seiner Lehen verlustig erklärt. Die Grafschaft hob in Wenkheim 56 Musketiere

) G. A. Kriegssachen Nr. 17. ?) Die Grafschaft war in drei Ober- schultheissenämter geteilt: Dertingen, Reicholzheim und Kreuzwertheim. °) Kriegssachen Nr. 16b. 4) Kriegsakten 16b. (Das Gesuch wurde abge- schlagen.) 5) Wer bei der zweiten Besichtigung nicht ausgerüstet war, erhielt unter Androhung einer Strafe von 5 fl. eine endgültige Frist von 14 Tagen.

92 Stenzel.

auf seinen Versuch, die Deklaration, von der erin dem an den Rat gerichteten Brief überhaupt nicht sprach, zu erwirken. Er fragte an, ob ihnen daran gelegen sei, diese sich schliess- lich doch noch zu verschaffen und versprach ihnen, darin sein Möglichstes zu tun, sofern sie ihm etwa einen halben Monat vor Pfingsten näheren Bescheid an den kaiserlichen Hof zugehen liessen. Die Strassburger Ratsherren nahmen natürlich dies Angebot mit Freuden an und baten ihn, ihnen die Deklaration so rasch als möglich zugehen zu lassen, da sie in Anbetracht der Schwierigkeiten, die sich wegen derselben erhoben hatten, nicht wagten, das kaiser- liche Mandat zu veröffentlichen, aus Besorgnis, sie möchten sich irgendwie durch eine Voreiligkeit den Unwillen des Kaisers zuziehen. Martin erreichte nun auch wie er wenigstens darstellte —, dass Friedrich das Dokument mit seinem Siegel versehen liess und ihm grundsätzlich zusagte, es den Strassburgern ausliefern zu lassen’). Nur wollte der Kaiser die Deklaration angeblich aus bestimmten Gründen noch für eine gewisse Zeit bei sich behalten. Auf die besorgten Anfragen des Rats erwiderte Martin beschwichtigend, wenn auch der Kaiser vor kurzem aus triftigen Ursachen, über die er der Stadt in Kürze mündlich nähere Mitteilungen machen werde, es habe ja ein jeder seine Freunde und Feinde eine wenig freundliche Ge- sinnung gegen die Stadt gehegt habe, so sei er doch inzwischen wieder von seinem Unwillen abgestanden und verzögere die Auslieferung der Deklaration daher nicht der Ungnade halb. Ja er hatte geradezu von Friedrich am 18.. Mai ein Schreiben an die Stadt erwirkt?), worin dieser bestätigte, dass Martin sich eifrig um die Deklaration be- müht habe und ihnen persönlich berichten werde, weshalb bisher damit zurückgehalten worden sei, und versicherte der Stadt nachdrücklich, dass zum mindesten der Kaiser in nichts, was sich gegen die vielbesprochene Urkunde richte, einwilligen werde; es entspreche vielmehr durchaus dessen Wünschen, dass die Stadt sofort das Mandat an Bischof und Kapitel bekannt gebe; Friedrich habe ihm sogar auf-

!) Vgl. seinen Bericht vom 22. Mai (VDG Bd. 117, fol. 22). 2) VDG Bd. 117, fol. 23.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 93

getragen, im Falle, dass diese den Gehorsam verweigerten, ein weiteres Mandat mit einer fiskalischen Ladung an sie ausgehen zu lassen und nach Recht und Ordnung gegen sie zu verfahren.

Inzwischen war aber der Bischof auch nicht müssig gewesen. Er hatte am 19. März, also unmittelbar nachdem die Stadt die ersten Schritte am kaiserlichen Hofe ein- geleitet hatte, wahrscheinlich weil er darüber Kundschaft erhielt, ein verbindliches Schreiben an den Rat gerichtet, in dem er sich über das Ergebnis des letzten geistlichen Tages äusserte!); da er jedoch keine wesentlichen Zuge- ständnisse machte, hatte die Stadt ihm am 26. höflich aber kühl erwidert und ihren Standpunkt aufs neue in scharfen Worten verteidigt?). Als er aber näheres über die Bemühungen des Rates am kaiserlichen Hof hörte, leitete er gleichfalls daselbst eine Aktion ein, und zwar, da er immerhin der Fürsprache beim Kaiser bedurfte, durch hoch- geborene »sollicitatores«e, die jedoch, wie Martin in seinem Bericht vom .22. Mai der Stadt schrieb, ausserhalb des kaiserlichen Hofes standen, d. h. nicht zu der näheren und einflussreichen Umgebung Friedrichs gehörten; auch hatte er seine (resandten zum Kaiser geschickt, vor allem seinen vertrauten Rat, den Ritter Burkhard Beger von Geispolsheim®). Fürs erste hatte dieser allerdings der eifrigen Tätigkeit Martins gegenüber nichts ausrichten können. Der Kaiser hatte vielmehr seinen Fiskal Anfang Juni beauf- tragt, mit Albrecht im Interesse der Stadt Verhandlungen anzuknüpfen. Als Martin kurz darauf seine den Strass- burgern schon seit. längerer Zeit angekündigte Reise nach dem Rheine antrat, traf er auf dem Wege von Linz, wo der kaiserliche Hof lange Zeit weilte, nach Nürnberg mit dern Bischof, der offenbar damals gerade sich bei seinem Bruder Pfalzgraf Otto von Mosbach aufhielt, zusammen und rich- tete ihm den ihm von Friedrich erteilten Auftrag aus; als er im Verlauf des Gesprächs darauf hinwies, dass der Kaiser das Wort »der Stadt Richter« in der Freiheit der

1) Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 14. ?) Ebenda, fol. 15. 3) Vgl. Martins Berichte vom 22. Mai (VDG Bd. 117, fol. 22) und vom 10. Juni (Ebenda, fol. 24). Beger war 1488 auch Hauptmann des bischöf- lichen Kontingents in Flandern (Strassb. Stadtarch. AA 1535).

94 Stenzel.

Stadt Strassburg allein auf die vom Reiche eingesetzten Richter bezogen wissen wolle, brauste der Bischof offenbar heftig auf und schob dem Fiskal in heftigen Worten wie wir wissen, nicht ganz mit Unrecht die Schuld an der für ihn ungünstigen Entscheidung des Kaisers zu.

Martin hatte eigentlich vorgehabt, wenn er nach Strass burg käme, der Stadt näheres über diese Unterredung mtt- zuteilen, da er doch laut kaiserlichen Beglaubigung: schreibens vom 22. Mai!) auch an sie seine besonderen Aufträge hatte: einmal handelte es sich um ihre Streitig- keiten mit dem Bischof, dann aber vor allem um die Hilfe, die der Kaiser von den Ständen zur Wiedereroberung der verlorenen österreichischen Lande forderte und derent- wegen ja Strassburg bisher durch Martins Vermittlung un ersucht geblieben war. Wichtige Geschäfte zwangen jedoch den Fiskal, seine Reise nach Strassburg aufzuschieben; er bat deshalb die Stadt, sie möchte, falls sie inzwischen von andern Städten wegen der Hilfe befragt werde, des guten Eindrucks wegen keinen Zweifel daran, dass sie bereit sei dem Kaiser Gehorsam zu leisten, aufkommen und vor allem nichts von der ihr bisher zugute gekommenen Be- vorzugung verlauten lassen. In ihrem Handel mit dem Bischof riet er ihnen dringend, unverzüglich das erlangte Mandat Albrecht und dem Kapitel zu überantworten; wenn das geschehen sei und wenn er dann nach Strassburg komme, werde er ihnen eröffnen, was ihm in der Ange legenheit befohlen worden sei, und die weiteren Schritte einleiten.

Der Fiskal befahl den Strassburgern jedenfalls schon deshalb Beschleunigung in der Veröffentlichung des Man- dats an, weil er wusste, dass der Bischof alles daran setzen werde, diese zu verhindern. Wirklich erliess Albrecht auch gerade in dieser Zeit und, wie durch seine eigene sowohl, wie seines Domscholasters Ausführungen bestätigt wird?) in dieser Absicht für seine Diözese ein Generalmandat, worin er verbot, irgend einen päpstlichen oder kaiserlichen oder sonstigen Rechtsakt (Prozess) zu veröffentlichen oder Zu

1) Strassb. Stadtarch. AA 237, fol. 6. ?) VDG Bd. 117 fol. ni und 121b.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. ..95

insinuieren, der nicht zuvor in des Bischofs Kanzlei vidi- miert und von hier aus für zulässig erklärt worden sei. Da, wie bereits ausgeführt wurde, die in Strassburg amtieren- den Notare fast durchweg Beamte des geistlichen Gerichts waren'), wäre es Albrecht, wenn er überall Gehorsam ge- funden hätte, ein Leichtes gewesen, die rechtmässige Publi- zierung des kaiserlichen Mandats zu hintertreiben.

Aber der Rat wurde dadurch in seinem Vorgehen kaum behindert; er liess sich zunächst von der Stadt Schlettstadt ein beglaubigtes Vidimus des Mandats aus- fertigen und fand auch Notare, die ihm zu Willen waren und zunächsteinige kollationierte Kopien, deren man bedurfte, herstellten?2). Am 14. Juni überreichte der mit der Insi- nuierung beauftragte Notar Paul Grofe!) den damals resi- dierenden Mitgliedern des Domkapitels, dem Domscholaster und Vertreter des Dechanten Heinrich von Henneberg, dem Kustos Heinrich von Hewen und dem Domherrn Graf Heinrich von Werdenberg, im Bruderhof eine der kolla- tionierten Kopien des kaiserlichen Erlasses; die Verlesung desselben hatten die Herren kurzweg mit der Begründung abgelehnt, sie kännten den Inhalt bereits; zugleich empfing auch der zufällig dabei sitzende Offizial der Archidiakone ®), Dr. Nikolaus Sachs von Speyer, eine Kopie, die er allerdings nur für den Fall annahm, dass der Inhalt sich nicht gegen seine Herren, die Archidiakone und deren Jurisdiktion richte. Zu Zabern fand Grofe den Bischof nicht vor, aber wohl seinen Kanzler und Statthalter Gottfried Quinckener von Saarburg, der das Original gleichfalls ohne Verlesung in Empfang nahm; am Tag darauf endlich wurde eine weitere Abschrift dem bischöflichen Offizial Dr. Johann Theoderici überreicht. Zu gleicher Zeit hatte auch die Stadt, wie ihr Martin geraten, an Bischof und Kapitel Schreiben gerichtet, worin sie unter Hinweis auf die in ihrem Privileg festgesetzte Strafe von 5o Pfund Gold die Adressaten aufforderte, sie un- geirrt im Besitz ihrer Freiheit zu belassen’). (Schluss folgt.)

mn. 0

1) Diese Zeitschr., Bd. 29, S. 368 f. u. S. 390. °?) Vgl. die Notizen VDG Bd. 117, fol. 57. 3) Notariatsinstrument VDG Bd. 117, fol. 224. $) Also der damalige »hintere« Oftizial (vgl. diese Zeitschr. Bd. 29, S. 375). 5) VDG Bd. 117, fol. 73b.

Die Grafschaft Wertheim im dreissigjährigen Krieg (1618— 1620).

Cd

Von

Flamin Heinrich Haug.

Seit die Grafen von Wertheim die vor den Toren ihrer Stadt liegende Ortschaft Eichel dem Bistum Eichstätt ab- gelöst hatten, beherrschten sie nicht nur die wichtige Wasserstrasse, den Main, von der Grenze des Bistums Würzburg bis zu der des Erzbistums Mainz, sie waren von da an auch die Herren der bei Urphar über den Main ziehenden Passtrasse nach dem Süden ins Taubertal. So günstig diese Lage von Schloss und Grafschaft im Frieden war, so gefährlich musste sie in einem Kriege werden, in dem fortwährend Truppenverschiebungen von Nord nach Süd, von Ost nach West und umgekehrt stattfanden. Dazu hatte die fortwährende Fehde mit Würzburg und zeitweise auch mit Mainz die Grafen gezwungen, wollten sie nicht zwischen den beiden mächtigen Bistümern wehrlos der Aufteilung ihres Gebietes zusehen, Burg und Stadt derart zu befestigen, dass um ı600 Wertheim einer der bedeutend- sten Verteidigungspunkte am Main war.

Graf Ludwig von Loewenstein, nach dem Tode Ludwigs von Stolberg Mitregent und später alleiniger Herr in der Grafschaft Wertheim, musste gar bald die Fehde mit Würz- burg wieder aufnehmen, die unter dem Stolberger einige Jahre geruht hatte. Als Anhänger der Augsburger Reli- gion, als ein Mann, der sich mehr auf die Stärke der Waffen, als auf Verträge und Geldspenden stützte, musste

Grafschaft Wertheim im dreissigjährigen Krieg. 97

er von vornherein dem Bischof ein unliebsamer Lehen- träger und Nachbar sein. Das zwang Ludwig, in seiner Grafschaft eine Wehr zu organisieren, die jederzeit zur Verteidigung der Landesgrenze bereit war. So liess er allenthalben in der Grafschaft Schützengilden erstehen, wenn sie nicht an den einzelnen Orten schon bestanden. Die bestehenden Gilden wurden bedeutend verstärkt!) und durch Verleihung von Preisen und Zuschüssen unter- stützt. Was Ludwig unter dem Deckmantel des Ver- gnügens heimlich gegen Würzburg organisierte, sollte wenige Jahre nach seinem Tod (1611) zur allgemeinen Bürgerwehr ausgestaltet werden.

Das erste Jahr des dreissigjährigen Krieges, 1618, liess die Grafschaft völlig unberührt. Die vier Söhne, welche Ludwig überlebten, Christoph Ludwig, Ludwig, Wolfgang Ernst und Johann Dietrich regierten gemeinsam in der Grafschaft Wertheim. Am 2. Februar 1618 starb Christoph Ludwig und Friedrich Ludwig folgte ihm in der Regierung. Christopn Ludwig wie sein Sohn weilten meist in der ihnen und Ludwig zugeteilten Grafschaft Löwenstein, Johann Dietrich verwaltete die ihm und Wolfgang Ernst zugeteilte Teilherrschaft der Grafschaft Breuberg und die Besitzungen in den Niederlanden. Das Regiment in Wertheim führten zu Anfang des Krieges hauptsächlich Ludwig und Wolf- gang Ernst. Bald eilte auch der kriegerische Johann Dietrich herbei, um seine Heimatstadt zu schützen. An der Spitze der gemeinsamen Regierung stand damals in Wertheim als erster Beamter Philipp Reinhard. Er war ein äusserst energischer und weitblickender Mann, wenn er auch gleichwohl von politischen Fehlgriffen nicht frei blieb. Aus seiner Hand flossen alle organisatorischen Ver- teidigungsmassnahmen in der Grafschaft?). Er hatte seine Berichterstatter in Frankfurt, in Hamburg und Wien und

1) Gemeinschaft]. Archiv Wertheim, Urpharer Akten. Urphar stellte z. B. auf seine Veranlassung statt der bisherigen 2—3 jetzt 35 Schützen. Die Remlinger Schützengilde, die unter Wertheim und Castel stand, umfasste 141 Mann. Kriegsakten Nr. 15 a. a. O. ?) So korrigiert sich, was Ferd. Wibel (Die alte Burg Wertheim a. Main Freiburg 1895 pag. 339 ff.) u. Al. Kaufmann (A. f. Unterfr. u. Aschaffenb. XIX. 3 pag. 32) über Johann Dietrich, Wolfgang Ernst und Philipp Reinhard schrieben.

Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. N.F. XXX. ı. 7

Haug.

iJ)

war über die Bewegungen der Engländer ebenso auf dem Laufenden wie über den Vormarsch Bethlen Gabors und der Türken.

Schon im April 1619 begann man in Wertheim die Rüstungen. Am 8. April erging ein Schreiben der Grafen Ludwig, Wolfgang Ernst, Johann Dietrich, Friedrich Ludwig, Ernst und Johann Hermann!) an Andreis Schumacher, Hauptmann, in Schwäbisch-Hall. Die Grafen ersuchten den Hauptmann ihnen »bei diesen gefährlichen Läufen und Kriegsempörungen zur Versicherung von Schloss und Stadt wohl versuchte und der christlichen Religion zugetane Sol- daten« zu schicken. Sie versprachen guten Sold?). Am gleichen Tag wandten sie sich an den Grafen Friedrich von Solms und ersuchten ihn um einen Reiterhauptmann, da sie wegen der Kriegsempörungen im Reich und be- sonders wegen der Rüstungen in ihrer Nachbarschaft zesonnen seien, Soldaten zu werben?). Es scheint, dass diese Bitte keinen Erfolg hatte; denn bald darauf steht ein Wertheimer Bürger als Wachtmeister an der Spitze der Soldateska. Auch Schumacher schrieb am ı3. Juni zurück, er könne keine Soldaten senden, da kurz zuvor dreimal in Hall geworben worden sei. Nur den Über- bringer des Briefes, einen Bürgerssohn aus Schwäbisch- Hall, der bereits 9 Jahre Kriegsdienste geleistet habe, könne er empfehlen?), Was die Grafen in ihrer Nachbar- schaft bedrohlich fanden und weshalb sie in erster Linie rüsteten, ersehen wir aus dem Briefwechsel des Markgrafen Christian von Brandenburg mit dem Grafen Karl zu Lim- purg und zwischen diesem und den Grafen zu Wertheim. Darnach hatte Würzburg schon im Mai 200 Mann Garnison in Lauda aufgestellt, wogegen sich die dortigen Bauern energisch wehrten. Wohl versicherte der Bischof3), seine Rüstungen hätten keinen Bezug auf Wertheim; wohl liess er Ende Mai auf dem Kreistage die Erklärung abgeben, dass er trotz der gerichtlichen Entscheidung in der wert-

') Diese beiden letzteren Söhne des Grafen Christoph Ludwig. -- 2) Gem. Archiv Wertheim. Kriegsakten Nr. 18. 3) Auf ein Promemoria Reinhards hin liess Wertheim auf dem Kreistage beim Bischof anfragen, gegen wen seine Rüstungen gerichtet seien. Über das Ganze: Gem. Archiv. Kreisakten Nr. 107.

Grafschaft Wertheim im dreissigjährigen Krieg. 99

heim-würzburgischen Streitfrage auch jetzt noch bereit sei, sich einem Schiedsgericht zu unterwerfen, aber in Wert- heim traute man den Versicherungen des Würzburger Bischofs 1) nicht. Wolfgang Ernst war in den ersten Tagen des Mai von Frankfurt nach Köln gereist sad audiendum et videndum«, wie er an Markgraf Christian schreibt, und hatte dort die starken Rüstungen der Spanier und Bayern gesehen. Die Spanier zahlten 20—50 Taler für das Pferd. Und für die Bayern warb Oberst Binninghausen ein Regi- ment zu Fuss und 1000 Mann zu Pferd. Wolfgang be- fürchtete, die Bayern möchten »durch die Pfaffengasse« herauf marschieren. Und auch Markgraf Christian war Ger Ansicht, »dass der Krieg wohl in Franken seinen Sitz« erhalten werde. Zugleich erfuhr man in Wertheim, dass Würzburg 100 Mann in das von Wertheim zwei Stunden entfernte Kloster Bronnbach legen wolle. Bronnbach stand aber unter Wertheimer Vogtei. Damit wäre Würzburg von Lauda aus bis hart an die Mauern Wertheims vor- gerückt. Da aber Bronnbach die Passtrasse nach dem Süden beherrschte, und man von Bronnbach aus jederzeit die von Wertheim über Urphar nach Süden ziehende Strasse sperren konnte, machte Wolfgang Ernst diese Bedrohung zu einer Kreisangelegenheit und erreichte offenbar auch sein Ziel. Die Besetzung Bronnbachs unterblieb. Um diese Zeit begann auch der fränkische Kreis seine Rüstung. Wertheim musste ı5 Pferde und 75 Mann zu Fuss stellen. Die Grafschaft stand auf dem Kreistage auf der Seite der evangelischen Stände: Brandenburg, Henneberg, Hohenlohe, Castel, Erbach, Limpurg, Seinsheim, Nürnberg, Rothenburg, Windsheim, Schweinfurt und Weissenburg a. S. Die katho- lischen Stände waren vertreten durch Würzburg, Bamberg, Eichstätt, den Deutschorden, Rieneck und Schwarzenberg. Der Union gehörte Wertheim damals noch nicht an. Denn am 24. Juni 1619 schreibt Markgraf Christian an Wolfgang Ernst, er könne die angebotene Werbung von über 300 Mann nicht annehmen, da er sich selbst nicht zu sehr belasten wolle. Auch habe er Nachricht erhalten, dass »wegen der löblichen Union dem evangelischen Wesen zum Besten mit

!) Johann Gottfried von Aschhausen 1617—1622. 7

100 Haug.

Wertheim dieser angebotenen Soldaten halber ein gewisser Akkord getroffen werden solle, er könne sich aber deshalb dem Grafen gegenüber noch nicht offen erklären. Es scheint aber, dass sich die Grrafen in den Sommermonaten der Union anschlossen. Graf Wolf Ernst erhielt von Mark- graf Christian von Ansbach den Befehl, der Union 100 Pferde zuzuführen. Nach einer erhebenden Abendmahlfeier in der Kirche am 6. August ı679 zogen die Grafen Wolfgang Ernst, Johann Hermann und Ernst mit drei wohlgerüsteten Reisewagen und 100 Reitern am ı3. August von dannen; wohin, das verrät der Chronist leider nicht!).

In Wertheim hatte man also trotz des anfänglichen Misserfolges ınit den Rüstungen Ernst gemacht. Am 8. Mai erging aus der gräflichen Kanzlei ein Erlass, der eine vorübergehende Kriegssteuer anordnete. Zur Unterhaltung einer mässigen Leib-, Schloss- und Stadt-Garde wurden 2 fl. Steuer auf den Kopf für ein Jahr und »bis man sieht, wohin diese Schwierigkeiten auslaufen wollen: aus- geschrieben. Dagegen befreite die Herrschaft die Bürger von der Schlosswache und versprach, sie nur in besondern Fällen hierzu zu gebrauchen?). Hierüber meldet der Chronist weiter, die Bürgerschaft habe sofort eine Eingabe gemacht, die Herrschaft möge die Schatzung verteilen und ermässigen. Das sei aber nicht geschehen, was »viele betrübte Leute gemacht.. Einen kleinen Erfolg hatte die Eingabe aber dennoch. Ein Erlass vom 22. Mai verfügte Verteilung der Steuereinhebung auf vier Termine: Jakobi, Galli, Pauli Bekehrung und Philippi Jakobi. Befreit sollte aber kein Einwohner werden. Auch die Ausländer, die Häuser in der Stadt hatten, mussten zahlen. Die Juden, welche von aller Wache und Heeresfolge exempt waren, mussten das : Doppelte entrichten. Am 27. Mai übermittelte der Rat das Dekret den Zünften. Am 20. November erfolgte ein weiterer Erlass wegen der ausständigen Schatzung. Die Regierungsdekrete verfehlten natürlich ihre Wirkung auf die Jugend nicht. Schon am ıg. Mai stellte sich eine An- zahl junger Dertinger den Grafen »zur Verteidigung des Vaterlandes« zur Verfügung. Sie erhielten den Bescheid,

I) Stadtarchiv. Braunes Buch pag. 701. ?°) Ebenda pag. 404:7-

Grafschaft Wertheim im dreissigjährigen Kıieg. 101

sich in ı4 Tagen persönlich zu melden’). Während man nun in Wertheim eine Söldnerwache aufstellte, wurde in der Grafschaft die allgemeine Bürgerwehr organisiert. Am 2. Juni erhielten Johann Cuntz, Oberschultheiss zu Der- tingen?) und Johann Konrad Grimm, der Vogt, den Befehl, am folgenden Tage in Wenkheim die Untertanen zu mustern, əda die Zeiten je länger, desto beschwerlicher werdene«?). Dass die gräflichen Beamten den Befehl auch vollzogen, und die Gemusterten sich selbst ausrüsten mussten, ersehen wir aus einem unmittelbar darauf eingelaufenen Gesuch des Hans Miltenberger von Wenkheim. Er hatte sich eben sein Häuslein neu erbaut und konnte das Geld zur Ausrüstung nicht aufbringen. Deshalb Dat er, man möge ihm statt einer Muskete eine Hellebarde zur Auflage machen®). Die Schützengilden des Grafen Ludwig wurden jetzt zu Musketierabteilungen ausgebildet5). Während die Musterung in der übrigen Grafschaft im allgemeinen regel- recht vor sich ging, machte in Wenkheim der Hundt Schwierigkeiten. Am ı4. Juni musste der Vogt J. Konrad Grimm berichten, dass der Hundt, obwohl er noch schwach vom Schwalbacher Sauerbrunnen heimgekommen sei, ver- gangenen Sonntag die Untertanen gemustert habe. Als der Vogt abends von seinem Krankenlager ein wenig auf- gestanden sei, habe er erfahren, dass es der Hundt im grossen ganzen bei der von ihm und dem Öberschult- heissen kürzlich getroffenen Anordnung belassen habe. ı2 Personen habe er aber ausgewählt und ihnen mitgeteilt, dass sie ausziehen müssten, wenn die Ritterschaft ihrer bedürfe. Die gräfliche Kanzlei griff sofort mit dem Ver- bot an die Untertanen ein, der Ritterschaft im Odenwald, für die Hundt gemustert hatte, irgend eine Hilfe zu leisten. Hanns Philipp Hundt wurde wegen der bisher verübten Händel und Lehensentziehungen seiner Lehen verlustig erklärt. Die Grafschaft hob in Wenkheim 56 Musketiere

1) G. A. Kriegssachen Nr. 17. ?) Die Grafschaft war in drei Ober- schultheissenämter geteilt: Dertingen, Reicholzheim und Kreuzwertheim. 3) Kriegssachen Nr. 16b. 4) Kriegsakten 16b. (Das Gesuch wurde abge- schlagen.) 5) Wer bei der zweiten Besichtigung nicht ausgerüstet war, erhielt unter Androhung einer Strafe von 5 fl. eine endgültige Frist von ı4 Tagen.

102 Haug.

und 24 Hellebardiere aus. Inzwischen war in Wertheim selbst die Aufstellung der Söldnertruppe vor sich gegangen. Am 5. Juli wurden ihr die Kriegsartikel verlesen. Die Soldaten wurden vereidigt auf die Grafen Ludwig, Wolf- gang Ernst, Johann Dietrich, Friedrich Ludwig Ernst und Johann Hermann, sowie ihre Befehlshaber. Es wurde ihnen zur Pflicht gemacht, an Sonntagen die Predigt zu besuchen und während des Gottesdienstes das Wirtshaus zu meiden. Grotteslästerliche Reden, Beschädigung ihrer Wehr, Be- lästigung der Untertanen wurden verboten. Sie mussten versprechen, sich zu Kriegszügen und Wachen und zur Verteidigung der Grafschaft mit Leib und Leben gebrauchen zu lassen. Als Monatssold erhielten sie 6 fl., den fl. zu 60 Kr. gerechnet!), Fahnenflucht, Verleitung zur Flucht, Meuterei und Verrat wurden mit Todesstrafe bedroht. Dem einfachen Mann wurde es verboten, mit dem Feind in Verhandlungen zu treten. Der Posten hatte jeden, der sich näherte, dreimal zum Stehen aufzufordern und dann zum Rittmeister zu weisen. Blieb der Betreffende nicht stehen, so musste auf ihn geschossen werden. Streit unter den Soldaten sollten die Befehlshaber schlichten. Wer bei einer Balgerei auf dreimalige Mahnung nicht Frieden hielt, durfte erschlagen werden. Wer einen Wehrlosen, Fried- fertigen oder Liegenden erschlug, wurde vors Gericht gestellt.

Ohne Not innerhalb der Stadt zu schiessen, war ver- boten. Verlassen des Postens, Versäumnis der Wachpflicht, Schlafen auf Posten wurden mit strengen Strafen an Leib und Leben bedroht. Die Stadt ohne Befehl zu verlassen, war den Soldaten verboten. Wer Mord, Diebstahl, Ver- räterei beging, wurde dem Profoss übergeben. Vergehen im Rausch wurden doppelt bestraft. Wer auf der Wache betrunken war, musste in Eisen gelegt werden. Keiner durfte ohne Befehl »Lärm ant schlagen. Bei »Lärm ant musste jeder bei Lebensverlust auf seinen Platz eilen. Den Soldaten war jegliches Spiel verboten. Gewissenhafte Ein- übung im Waffendienst war ihnen zur Pflicht gemacht.

Ihre Hauptaufgabe war die Verteidigung von Stadt

!) Während einer Krankheit ging der Sold fort bis zur Abdankung.

Grafschaft Wertheim im dreissigjährigen Krieg. 103

und Schloss. Noch am selben Tage wurden auch dem Hauptmann und Stadtkommandanten die Kriegsartikel ver- lesen. Wir kennen sie leider nur in der späteren Um- arbeitung.

Am ı2. Juli wurde das wertheimische Kreiskontingent zu Pferd in Neustadt a. d. Aisch vom Markgrafen Christian als dem Kreisobersten gemustert.

Die Söldner in der Stadt wurden im Mühlenviertel einquartiert, also in nächster Nähe der damaligen gräflichen Hofhaltung. Der Wertheimer Bürger und Tuchmacher Hauptrecht Firnhaber wurde zum Wachtmeister der Stadt- garde ernannt. Wenn ihm sein Gesuch vom 20, Juli ge- nehmigt wurde, erhielt er doppelt so viel Sold, als ein Soldat!). So klein auch die Stadtgarde war, die Ausgaben dafür wuchsen sehr rasch. Am 18. August verrechnet das gräfl. Rentamt: ı24 fl. 8 Kr. 4 DI. an Geld, 40 Musketen, 146 @ Pulver, 661, @ Blei, 745 Klafter?) Lunten. Am 11. September richtete die Soldateska an die Grafen die Bitte, man möge die Wehr nicht vom Sold abziehen. Graf Wolfgang Ernst habe bei der Einstellung und auch bei der Beschwörung der Kriegsartikel davon nichts gesagt.

Wolfgang Ernst wird also hier wiederum als die Seele der ganzen Rüstung erkannt. Dass aber Philipp Reinhard überall die Hand im Spiele hatte, sieht man aus den Akten, die bei allen Organisationsarbeiten seine Schrift aufweisen. Ob die Soldaten ihr Ziel erreichten, wissen wir nicht. Als Gegenleistung boten sie der Herrschaft an, die Uniformen selbst bestellen zu wollen. Sie erklärten, sie wollten sie selbst »aus besserem Tuch machen lassen, damit es ein Ansehen habe«. Mit der geworbenen Sol- dateska hatte es aber keine lange Dauer. Am 14. November wurde sie entlassen. Einige Soldaten hatten den Grafen 3, einige 5 Monate gedient. Zum Abschied baten sie um ein Reisegeld3) und erwähnten dabei in ihrem Gesuch, dass sie sowohl in der Stadt, als auch etliche Male auf dem Feld des Feindes gewärtig sein mussten. Der nahende

1) G. A. Kriegsakten Nr. 18. Wir haben nur das Gesuch. ?) Klafter ist hier Längenmass. Die Lunten waren Hanfstricke, die in Öl getränkt waren. 3) »eine Postpart«.. K. A. Nr. 18.

104 IT aug.

Winter machte den Iruppenbewegungen und einstweilen auch den Rüstungen ein Ende. Im Dezember zogen Trierer und Kölner Gesandte durch Reicholzheim!), auch einige Reisige zogen durch, aber niemand wusste, woher und wohin. So war das Jahr 1619 ohne nennenswerten Schaden für die Grafschaft vorübergegangen. Aber das herrliche Schloss in Wertheim hatte eine Unglücksnacht an den Rand des Verderbens gebracht?). Es war am 30. März, als Graf Wolfgang Ernst von einer seiner Erkundigungs- reisen von Frankfurt um ı2 Uhr nachts nach ‘dem Schloss heimkehrte. Bei dieser Gelegenheit brannte einer Magd das Bett in der Kammer an, sie eilte um Wasser; das Feuer griff inzwischen weiter und erreichte im Gremach daneben 4 # Pulver. Ein gewaltiger Donnerschlag rollte über das Tal hinweg, das Schloss stand in hellen Flammen, die beiden hinteren, neueren Bauwerke gegen die Tauber brannten bis zur Hälfte nieder. Und hätte man nicht eine andere Pulvermenge aus dem Schloss gerettet, so wäre der Untergang von Schloss und Stadt nahe gewesen?). Über den Rest der Gebäude setzte man im Mai ein ver- lorenes Dach, um sie dem Einfluss der Witterung zu ent- ziehen. Die nötigen Verteidigungswerke wird man wohl bald wieder angelegt haben. Zu Anfang des Jahres 1620 (Febr.) war beim Eicheltor ein grosses Stück Stadtmauer eingefallen und so eine Bresche in der Schlossbefestigung entstanden, was das abergläubische Volk damals als ein böses Zeichen deutete,

So begann das Jahr 1620, in dem in Böhmen die ersten Kriegswürfel fallen sollten. Franken hatte zwar von Truppendurchzügen, Werbungen und Rüstungen manches zu ertragen, aber die Gefahren des Krieges lagen doch weit ab. Im Januar übersandte die gräfliche Kanzlei dem Rat der Stadt Wertheim eine Verordnung, welche die zu beschaffenden Vorräte, die notwendigen Bauten und sonstigen Vorbereitungen namhaft machte!).

)G. A. K. A. Nr. 19. 2) Braunes Buch fol. 699; Kaufmann in A. f. U. v. Aschaffenb. XIX 3 pag. 32. 3) Wiebel, Ferd., Die alte Burg Wertheim a. M. Freiburg 1895. Mohn. pag. 227. Siehe hierzu auch die alten Ansichten von Kieser II und Merian I. 4) Braunes Buch pag. 44

Grafschaft Wertheim im dreissigjährigeu Krieg. 105

Der Rat musste zu den bisherigen Vorräten beschaffen: 2 Ztr. Pulver für die Doppelhacken und ebensoviel für die Musketen, 2 Ztr. Lunten und 4 Ztr. Blei, 2000 Kugeln für die Doppelhacken, !/, Ztr. Schwefel und 4 Ztr. Pech.

An Lebensmitteln mussten auf Lager gelegt werden: 30 Scheiben Salz, etliche Ztr. Butter, ıoo Malter Korn, 10 Malter Mehl. Dazu wurden verlangt: 10 Wagen mit Kohlen, ein Vorrat Unschlitt, 1000 Bretter, ebensoviele starke Latten, eine Anzahl von Feuerpfannen in der Stadt, ı Dutzend Öllampen, 4000 Pechkränze und ein Vorrat an Ziegelsteinen!),, Die Hauptstrassen sollten Ketten- sperrungen erhalten, die Brücken in Zugbrücken umgebaut werden, und Palisadenbauten und Schlagbäume sollten vor den Toren erstehen. Gegen das »Petartierene mussten die Tore mit Schutzgräben versehen werden. Die Türme sollten Mauerdurchbrechungen, Wehren und sonstige Um- bauten erhalten, so dass man Geschütze und Doppelhacken darauf aufstellen konnte. Schutzgatter, Wachhäuser u. a. mussten errichtet werden. Hinter der Münze wurde gegen das Türmchen eine Quermauer verlangt. Weiter sollten den Main und die Tauber entlang Schiesslöcher durch die Mauern gebrochen werden. Zur Reparierung der Stadt- mauer, zur -Anlegung des Grabens vor dem Eicheltor sollten schon jetzt die Anstalten getroffen werden, damit nach dem Auftauen des Bodens sofort mit der Arbeit begonnen werden konnte. Wer von den Bürgern nicht selbst mitarbeiten wollte, musste eine Person stellen. Der Turm in Bestenheid musste so umgebaut werden, dass man eine ständige Wache hinein legen konnte. Die Wachen in der Stadt sollten verstärkt werden. Haupt- recht Firnhaber wurde aus der Bürgerschaft zum Wacht- meister vorgeschlagen. Ihm wurden die Viertelmeister unterstellt. Diese Massnahnıe verrät uns die Organisierung der Bürgerwehr an Stelle der entlassenen Söldner. Mehr aber noch das Folgende: Jeder Schütze und Musketier, er sei im Ausschuss oder nicht, sollte 2 X Pulver, 2 @ Blei und Lunten im Vorrat haben. Der Ausschuss waren die aus der Bürgerwehr zum Zug ins Feld Ausgewählten.

1) »„Weckensteinen«

106 ` Haug.

Bürger mit 200 fl. schatzungsmässigem Vermögen mussten 2, mit 500 fl.: 3, mit 1000 fl.: 4, darüber 6 Malter Kornhalbmehl im Vorrat halten. ıatägige Visitationen durch Ratsmitglieder sollten für das Vorhandensein der Vorräte sorgen. KRechtzeitige Sperrung der Tore und Öffnung erst nach Tagesanbruch wurde streng angeordnet. Wenn nicht der Wachtmeister den Ersatz erlaubte, musste der Bürger selbst auf die Wache ziehen. Die Juden er- hielten als Auflage: die Bereithaltung von ı Ztr. Pulver, ı Ztr. Blei, 20 Scheiben Salz, 30 Malter Korn, 200 Malter Haber, ı Ztr. Lunten, ı Ztr. Unschlitt, 3 Tonnen Leinöl, etlicher Zentner Butter, 6 Malter Kornhalbmehl und 2 lederner Eimer in jedem Haus. Die Vorräte durften nicht angegriffen werden. Im Bedarfsfall sollten sie den Juden abgekauft werden.

Während in Wertheim alle Vorkehrungen zur Ver- teidigung getroffen wurden, drängten die Ereignisse im Reich zur Entscheidung. Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz hatte die böhmische Königskrone angenommen. Aber schon am ıg. Mai kam zur löwensteinischen Herrschaft auf den Breuberg die Kunde'), dass man in Frankfurt am Tage vorher abends ıo Uhr ein Kammermandat angeschlagen habe, in dem der König von Böhmen aufgefordert wurde, innerhalb kurzer Frist das Land zu räumen, andernfalls er der Acht verfallen sein sollte. Ein zweites Mandat warne alle Reichsstände, der Union keinen Vorschub zu leisten. Von Mainz kam die Kunde, die Achterklärung des Kur- fürsten sei bereits angeschlagen). In dieser Zeit suchte man in Wertheim einen tüchtigen Festungsbaurneister, um die Stadtbefestigung modern auszubauen. Jetzt sehen wir in Wertheim Friedrich Ludwig, Christoph Ludwigs Sohn im Vordergrunde Er zieht vom Breuberg Erkundigung ein über den kurpfälzischen Baumeister Adam Stapff von Mannheim, der Umstadt mit Wall und Graben versehen hatte und nun in der Pfalz vier Orte befestigte. Am ı. Juni 1620 sendet er an den Obersten der pfälzischen Guber-

) G. A. K. A. Nr. 18. -- 2) Dazu bemerkt Balthasar Gannß (von Ötzberg), der diese Nachrichten an den f. löwensteinischen Amtmann Dr. Gottfried Georg Cuno auf dem Breuberg sandte: »Mir gefällt der Handel gar nicht.«

Grafschaft Wertheim im dreissigjährigen Krieg. 107

nation in Mannheim, einen Herrn von Schönberg, seinen Leutnant Johann Caspar Weihel, damit dieser den Bau- meister Adam Stapff hole, auf dass er einige Tage in Wert- heim die Defensionsarbeiten in Schloss und Stadt leite. Am 4. Juni schrieb nun Stapff an den Grafen Friedrich Ludwig, er habe über Heidelberg den Brief des Leutnants resp. des Grafen erhalten. Es wachse ihm aber in der weitläufigen Pfalz bereits die Arbeit über den Kopf. Doch komme er um Johanni nach Umstadt wegen der Befestigung dort; von da wolle er nach Breuberg und dann nach Wert- heim kommen, um dort die Befestigung zu leiten. Ende Juni machte Hauptrecht Firnhaber der Herrschaft einen neuen Vorschlag wegen der Stadtwache. Sie sollte aus jungen Bürgern bestehen, die statt der bisherigen 3 fl. 4 im Monat erhalten sollten. Im Monat sollten 36 Bürger zu Soldaten ausgewählt werden. Von diesen wären täglich ı2 zur Schlosswache aufzuführen, am andern Tage sollten hievon 10 abziehen und die 2 Zurückbleibenden die Schild- wache auf dem Schloss bilden. Die ro sollten den lag über die Wache der Stadttore haben, so dass in drei Tagen an jeden einmal die Wache komme. Um das Mehr der Ausgabe aufzubringen, möge man die vermögenden Bürger in der Stadt mit dem doppelten Wachgeld belegen, wie die Bewohner auf dem Land. Es scheint aber, dass schon seit Entlassung der Söldner Bürgersöhne die Wache hielten, nur war sie offenbar noch nicht so ausgebaut, wie sie Firn- haber hier vorschlug. Schon im April nimmt sich die Sattlerzunft eines Soldaten bei den Grafen an, der in eine Rauferei mit einem gräflichen Diener geraten war. Auf diesen Vorschlag Firnhabers schrieb Philipp Reinhard am letzten Juli aus Wiesbaden an den wertheimischen Regi- strator. Die Gefahr sei zurzeit nicht so gross, dass man eine so starke Wache aufstelle.e. Als Schlosswache möge man ı2 Mann monatlich aufstellen, dazu 4 Mann mit Jahres- sold für die Nachtwache. Wenn es nötig sei, könne man die Zahl vermehren!). Im Herbst 1620 greift Johann Dietrich in die Sicherungsmassnahmen ein. Wir sehen ihn auch von da ab auf der Seite der Habsburger und des Kaisers.

t) Der Brief trägt den Abdruck einer schönen Gemme.

106 ` Haug.

Bürger mit 200 fl. schatzungsmässigem Vermögen mussten 2, mit 500 fl.: 3, mit 1000 fl.: 4, darüber 6 Malter Kornhalbmehl im Vorrat halten. ıatägige Visitationen durch Ratsmitglieder sollten für das Vorhandensein der Vorräte sorgen. KRechtzeitige Sperrung der Tore und Öffnung erst nach Tagesanbruch wurde streng angeordnet. Wenn nicht der Wachtmeister den Ersatz erlaubte, musste der Bürger selbst auf die Wache ziehen. Die Juden er- hielten als Auflage: die Bereithaltung von ı Ztr. Pulver, ı Ztr. Blei, 20 Scheiben Salz, 30 Malter Korn, 200 Malter Haber, ı Ztr. Lunten, ı Ztr. Unschlitt, 3 Tonnen Leinöl, etlicher Zentner Butter, 6 Malter Kornhalbmehl und 2 lederner Eimer in jedem Haus. Die Vorräte durften nicht angegriffen werden. Im Bedarfsfall sollten sie den Juden abgekauft werden.

Während -in Wertheim alle Vorkehrungen zur Ver- teidigung getroffen wurden, drängten die Ereignisse im Reich zur Entscheidung. Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz hatte die böhmische Königskrone angenommen. Aber schon am ıg. Mai kam zur löwensteinischen Herrschaft auf den Breuberg die Kunde'), dass man in Frankfurt am Tage vorher abends ıo Uhr ein Kammermandat angeschlagen habe, in dem der König von Böhmen aufgefordert wurde, innerhalb kurzer Frist das Land zu räumen, andernfalls er der Acht verfallen sein sollte. Ein zweites Mandat warne alle Reichsstände, der Union keinen Vorschub zu leisten. Von Mainz kam die Kunde, die Achterklärung des Kur- fürsten sei bereits angeschlagen). In dieser Zeit suchte man in Wertheim einen tüchtigen Festungsbaumeister, um die Stadtbefestigung modern auszubauen. Jetzt sehen wir in Wertheim Friedrich Ludwig, Christoph Ludwigs Sohn im Vordergrunde Er zieht vom Breuberg Erkundigung ein über den kurpfälzischen Baumeister Adam Stapff von Mannheim, der Umstadt mit Wall und Graben versehen hatte und nun in der Pfalz vier Orte befestigte. Am ı. Juni 1620 sendet er an den Obersten der pfälzischen Guber-

)G. A. K. A. Nr. 18. -- 2) Dazu bemerkt Balthasar Gannß (von Ötzberg), der diese Nachrichten an den f. löwensteinischen Amtmann Dr. Gottfried Georg Cuno auf dem Breuberg sandte: »Mir gefällt der Handel gar nicht.«

Grafschaft Wertheim im dreissigjährigen Krieg. 107

nation in Mannheim, einen Herrn von Schönberg, seinen Leutnant Tohann Caspar Weihel, damit dieser den Bau- meister Adam Stapff hole, auf dass er einige Tage in Wert- heim die Defensionsarbeiten in Schloss und Stadt leite. Am 4. Juni schrieb nun Stapff an den Grafen Friedrich Ludwig, er habe über Heidelberg den Brief des Leutnants resp. des Grafen erhalten. Es wachse ihm aber in der weitläufigen Pfalz bereits die Arbeit über den Kopf. Doch komme er um Johanni nach Umstadt wegen der Befestigung dort; von da wolle er nach Breuberg und dann nach Wert- heim kommen, um dort die Befestigung zu leiten. Ende Juni machte Hauptrecht Firnhaber der Herrschaft einen neuen Vorschlag wegen der Stadtwache. Sie sollte aus jungen Bürgern bestehen, die statt der bisherigen 3 fl. 4 im Monat erhalten sollten. Im Monat sollten 36 Bürger zu Soldaten ausgewählt werden. Von diesen wären täglich ı2 zur Schlosswache aufzuführen, am andern Tage sollten hievon 10 abziehen und die 2 Zurückbleibenden die Schild- wache auf dem Schloss bilden. Die 10 sollten den lag über die Wache der Stadttore haben, so dass in drei Tagen an jeden einmal die Wache komme. Um das Mehr der Ausgabe aufzubringen, möge man die vermögenden Bürger in der Stadt mit dem doppelten Wachgeld belegen, wie die Bewohner auf dem Land. Es scheint aber, dass schon seit Entlassung der Söldner Bürgersöhne die Wache hielten, nur war sie offenbar noch nicht so ausgebaut, wie sie Firn- haber hier vorschlug. Schon im April nimmt sich die Sattlerzunft eines Soldaten bei den Grafen an, der in eine Rauferei mit einem gräflichen Diener geraten war. Auf diesen Vorschlag Firnhabers schrieb Philipp Reinhard am letzten Juli aus Wiesbaden an den wertheimischen Regi- strator. Die Gefahr sei zurzeit nicht so gross, dass man eine so starke Wache aufstelle.e. Als Schlosswache möge man 12 Mann monatlich aufstellen, dazu 4 Mann mit Jahres- sold für die Nachtwache. Wenn es nötig sei, könne man die Zahl vermehren!). Im Herbst 1620 greift Johann Dietrich in die Sicherungsmassnahmen ein. Wir sehen ihn auch von da ab auf der Seite der Habsburger und des Kaisers.

1) Der Brief trägt den Abdruck einer schönen Gemme.

108 Haug.

Von Herzog Albrecht von Österreich erwirkte er eine Salva Guardia für die Wertheimer Lande zu Franken und in den Niederlanden. Die Urkunde ist ausgestellt am ı3. Sept. ı620 auf dem Lusthaus zu Marienberg, und zwar auf die Grafen Johann Dietrich, Ludwig, Wolfgang Ernst, Friedrich Ludwig und Ernst. Zum Zeichen des Schutzes erhielt Johann Dietrich die Erlaubnis, auf allen seinen Schlössern das Wappen des Herzogs anzuschlagen!) Am 6. November erteilte auch Ambrosius Spinola, Markgraf zu Sesto, im Feidlager eine Salva Guardia für Graf Johann Dietrich, seine Untertanen und Herrschaften?). Zwei Tage nachher fiel in Böhmen der Kriegswürfel zwischen Union und Liga. Graf Johann Kasimir aus der Linie Löwenstein-Scharfeneck, also der älteren löwensteinischen Linie, die mit ihm und seinem Bruder Georg Ludwig im Mannesstamm erlosch, hatte König Friedrich (V.) von Böhmen, dem Kurfürsten von der Pfalz ein Regiment zugeführt. So befand sich auch er unter den Geschlagenen in der Schlacht am weissen Berge.

Wertheim selbst bekam aber erst im folgenden Jahre durch starke Einquartierungen den Krieg zu kosten.

I) Rosenberg. Arch. B184. 2) G. A. Kriegsakten_Nr. 162.

Miszellen.

Das älteste katholische Kirchenbuch Badens. In seinen verdienstlichen Studien über die Kirchenbücher Badens hat Dr. Franz (Zeitschr. f. Geschichte d. Oberrheins, Ergänzungsheft ı, Heidelberg 1912) als das älteste erhaltene katholische Kirchen- buch Badens das von Überlingen festgestellt, das 1563 als Ehe- buch begann (S. 52). In einer Anzeige der Untersuchung von Franz in der Karlsruher Zeitung (1912 September) konnte ich schon darauf hinweisen, dass das mit 1572 beginnende Frei- burger Taufbuch von Einträgen »in priori - libro« spricht, dass also auf katholischer Seite im Gebiete unseres Grossherzogtums wahrscheinlich Freiburg mit der Einführung von Kirchenbüchern begonnen habe. Diese Annahme hat sich seither bestätigt. Im Ratsprotokoll 1555/57 (Band XVI) findet sich zum 8. Juni 1556 (f. 285) der Eintrag: »Es ist erkannt, dem pfarrer anzezeigen, ain sonder buoch ze machen, darein er und seine helfer die inschreiben sollen, so allhie den eelichen kirchgang tund, darmit ein ieder, so dessen etwan nodturftig, solchs finden möge.«e Wie anderwärts wurde also auch in Freiburg mit der Einführung eines Ehebuchs begonnen. Das Werk scheint aber nicht weit über die ersten Anfänge hinausgekommen zu sein. Immerhin ist die Notiz erfreulich, als Zeugnis, welchen Wert man welt- licherseits auf die Einführung von Eheregistern legte. Ob das nützliche Werk infolge passiven Widerstands der Pfarrbehörde einging oder nur lau gefördert wurde, ist unbekannt. Befremdend ist es, nach dem erfreulichen Vorgehen des Rats in dem Rats- protokoll von 1568 (Bd. XXIII f. 188) unterm 8. Oktober fol- genden Eintrag zu finden: |

»Herr oberstmaister hat angezaigt, das der alhieig pfarherr ine berichtet, wie uf jungst gehaltenem synodo zu Costentz under anderm erkennt und ainem ieden pfarher uferlegt worden seie, furohin, wenn ein Kind zur tauf gebracht werde, desselben vater und muter, auch des Kinds und der gotten namen und zunamen, darbei auch den tag und das jar aigentlich ufzeschreiben, des- gleichen wenn eeleut eingesegnet werden, derselben namen und zunamen, auch den tag und das jar zu verzeichnen und uber bede stuck sonder buoch zu halten. Sodann das in latinischen und teutschen schulen ain catholischer catechismus gelesen und

LIO Miszellen.

die jugent darus underwisen werden solle etc., und dweil aber er, pfarheir, solichs one hilf und zutun aines rats nit ins werk pringen konne, seie sein beger, ime darin die hand ze pieten, Daruf ist erkant, den hebammen und mößneren ufzelegen und zu bevelhen, auch zu gebieten, die namen der Kinder und der- selben älteren, auch der gotten allwegen zu erkundgen und dem vierherren anzezeigen; der neuen eeleuten namen hat der vier- herr, wenn er si beicht höret, selbs zu erkundgen und zu ver- zeichnen. Des catechismi halben soll mit dem buchtrucker gehandlet werden, solche latinisch und teutsch alher ze pringen.

Mindestens jetzt wurde der Befehl, wenigstens für die Tauf- bücher, ausgeführt. Die Notizen im Taufbuch (von 1572 an) bemerken nämlich zu Einträgen vom ı8. Februar bis 4. März 1573 »hisce nominibus non sunt additi dies in priori libros und zum Juli desselben Jahres »dies non erant additi in priori libro«.. Das erhaltene älteste Ehebuch beginnt als Teil des Taufbuchs mit dem ı2. Januar 1579, das Taufbuch mit dem I. März 1572. Zwischen diesen Jahren und 1556 bzw. 1567 wurde also schon ein Ehebuch und wahrscheinlich gleichzeitig mit diesem oder bald darauf auch ein Taufbuch angelegt. Beide sind leider nicht mehr erhalten.

Freiburg i. Br. t H. Flamm.

Aus den Aufzeichnungen eines französischen Kurgastes über Baden-Baden vom Jahre 1673. H. Flamm hat unlängst auf eine Handschrift der Departementsbibliothek in Arras hingewiesen, die eine wertvolle Sammlung von Zeich- nungen alter Grabdenkmale und Grabinschriften, u. a. auch aus Freiburg, enthält!) und im letzten Drittel des ı7. Jahr- hunderts, wie er wohl mit Recht vermutet, von einem fran- zösischen Offizier oder Ingenieur zusammengestellt wurde. Unzweifelhaft von derselben Hand, wie eine Vergleichung der Schriftzüge zeigt, stammen Aufzeichnungen in französischer Sprache. die sich am Schlusse einer andern Handschrift jener Bibliothek (Ms. nr. 176)?) erhalten haben und nach ihrem Inhalt eine kurze Besprechung an dieser Stelle verdienen.

Sie beziehen sich auf den Aufenthalt des Verfassers in Baden, dessen heilkräftige Bäder er von Philippsburg aus, wo er wohl in Garnison stand, wiederholt zum Kurgebrauch aufsuchte: nach den Angaben, die er gelegentlich über das Alter der baden- badischen Prinzen macht, etwa in den Jahren 1673/74, jedenfalls vor der Belagerung und Rückeroberung der Grenzfestung durch die Reichsarmee (1676).

1) Ms. nr. 192. ?) Brunner, Quellen z. Geschichte Badens und der Pfalz. Mitt. der Bad. Histor. Kommission Nr. 20 S. m5r. Für die auf diplomatischem Wege vermittelte gütige Überlassung der Handschrift bin ich der Verwaltung der Departementsbibliothek zu Dank verpflichtet.

Miszellen. III

Er beginnt mit einigen Bemerkungen über die fürstlichen Grabdenkmäler im Chor der Stiftskirche, von denen er fünf hervorhebt und, seine Mussestunden benützend, in etwas unge- lenken Federzeichnungen wiedergibt: links vom Eingang die eherne Grabplatte der Markgräfin Katharina, geb. Herzogin von Österreich (tł 1493) in Halbrelief, rechts davon, ebenfalls in Erz getrieben, die Grabmäler der Markgräfinnen Katharina, geb. Herzogin von Lothringen (t 1439), Elisabeth, geb. Herzogin von Bayern ( 1522), und Ottilia, geb. Grafin von Katzenellenbogen (t 1517); endlich links, beim Hochaltar!), in einer Mauernische, das stattliche Grabmonument des Markgrafen Friedrich von Baden, Bischofs von Utrecht (t 1517), dem eine eingehende Beschreibung gewidmet wird. Da von diesen Epitaphen nur die beiden letzt- genannten sich erhalten haben, die übrigen aber bei dem Brande von 1689 und später zerstört wurden und ihre Inschriften nur teilweise überliefert sind, besitzen die Kopien der Arraser Hand- schrift?) um so grösseren Wert. Die Grabschriften lauten:

1. MARCHIONVM . MATER . TITVLO - PERFVNCTA - BADENSI.

AVSTRIA -QVAM -GENVIT . HIC . KATARINA -IACET. INTERIT - PRIDIE - SEPTEMBRIS - CIRCITER -IDVS, POST . FRATREM . CESAR -TE -FRIDERICE - SVVMS:.

2. ANNO :- DOM - MCCCCXXXIX - PRIMA - MENSIS . MART’ . OBIIT -ILL - PRINCIPISSA . DOMINA -KATHARINA - DE - LVTERINGEN : MARCHIONISSA - BADEN - REQVIES- CAT- IN- PACE.4)

3. ILLVST’: DO. ELISABETH. EX. ILL’: DVCV . BA- VARIÆ : CO’. PAL’. RHEN’. AC. PR . ELEC . SEMAT . NAA. ILL’: PRN’. AC. DO’. PHIL’. MARCHOIS. A. BADEN - CONX. LEGITIMA . DIE. 10 . BAP’. DEF. HIC . QVIESCIT - M- D. XXII5).

!) »A la main gauche entre les fermes et le grand autel«. ?) Photo- graphische Nachbildungen in der Bildersammlung des Grossh. Generallandes- archivs. Man darf bei der Beurteilung der ziemlich unbeholfenen Zeichnungen freilich nicht vergessen, dass sie nur eine ungefähre Vorstellung von den Originalen geben. Das zeigt sich am besten, wenn man bei dem heute noch vorhandenen Grabmale der Markgräfin Ottilie Original und Kopie vergleicht: letztere lässt alles Individuelle in den Gesichtszügen und alle künstlerischen Feinheiten in der Behandlung der Gewandung vermissen; die Gestalt erscheint gedrückt, fast kniend. 3) Bruchstückweise bei Sachs IT, 504. *) Damit wird die Angabe des Todestags bei Ladisl. Suntheim bestätigt. Witte, Regesten der Markgrafen von Baden III nr. 5910. ë) Das Epitaph der Mark- gräfin Elisabeth war 1754 noch vorhanden; wir besitzen sogar noch eine Abbildung in Federzeichnung, die damals angefertigt wurde und an Feinheit der Ausführung die der Arraser Handschrift bei weitem übertrifft. Es kam

112 Miszellen.

Die übrigen Grabdenkmäler werden nicht erwähnt, unser Franzose geht vielmehr zu einer Schilderung der Bäder und Badesitten über, die nicht ohne Interesse ist:

»Tout au haut de la ville a la hauteur de la place du coste du levant jay veu vne voute que lon ferme a la clef quy peut auoir quinze piedz quarres quy est le magazin ou entre la fontaine d’eau chaude au sortir du rocher, d’ou elle se distribue par des canaux de bois dans les cabaretz et autres lieux pour des Bains soit pour l’usage des estrangers qui y abordent de tous costez depuis le comancement de may iusque en septembre, soit pour l’vsage des particuliers de tout quoy lon donne quel- que resconnoissance soit au prince ou aux directeurs de la ville?)

Cette fontaine en fournit aussy au bain publicq dont j'ay parlé cy dessus et encore a vn autre ou entrent les honnestes gens et les fames quy est enclos des bastimens.

Il y en a encore deux fontaines d’eaus chaudes, mais quy ne seruent que pour l’vsage du comun quy y va plumer des poules, oyes, canardz et mesme des cochons de laict, l’eau en est chaude comme sy eile bouilloit, je ne scays sy elle mest pas bonne pour le bain.

Chasque cabaret a ses bains quy tous tiennent les vns aux autres et separez par des cloisons afin que chacun puisse se baigner en particulier, Pon peut pourtant se baigner deux dans chacun quand lon veut. L’eau se fournit par des canaux de bois dont chasque bain a vn robinet quy fournit autant d'eau chaude que lon veut quy vient d’un grand reseruoir dont chas- que cabaret est furny d’autant que la source quy m'est pas fort grasse (quoyque je ne laye peu voir au sujet de la fumée) ne leur en pourroit funir la quantité necessaire a quoy supplee le magazin (quy s'entretient en chaleur par l’eau quy se renouuelle toujours).

dann mit den Epitaphien der Markgrafen Albert Karl (f 1626) und Albert (f 1488), sowie der Markgräfin Ottilie nach Rastatt zur Ausbesserung, da die Platten, die auf dem Fussboden der Kirche lagen, stark abgenützt waren, blieb dort liegen und geriet in Vergessenheit. Im Jahre 1800 war, wie sich herausstellt, von dem allem nur noch das Epitaph der Ottilie und die Frag- mente einiger Umschriften vorhanden. Das Übrige war, wie der Schloss- verwalter zu Rastatt vermutet, in den Kriegszeiten, vor allem 1796/7, wo das Schloss als Lazarett diente, entwendet oder mutwillig zerstört worden. Akten des Grossh. Haus- u. Staatsarchivs. Haus- u. Hofsachen. Fürstliche Grüfte Fasz. 18—20.

1) Nach dem Freiheitsbriefe des Markgrafen Christoph für Baden vom Jahre 1497 6 Pfennige von jedem Badegaste, die allwöchentlich eingesammelt und zwischen dem Markgrafen und der Stadt geteilt wurden. ?) Die grosse und kleine Brühquelle.

Miszellen. 113

Le premier jour de may par vue ancienne coustume les paisans de la Suäube!) quy sont voisins de la viennent se baigner auec leurs fames et cela en trouppes, ils couchent dans le bain ou ils boiuent et mangent comme des alemans et puis dorment, apres quoy ils disent qu’ils se portent bien le long de lannée?). Cela est pour les catholiques. Les paisans quy ne sont pas catholiques viennent aussy se baigner dix iours apres quy est leur premier jour de may selon l’ancien calendrier et apres pareilles beuuettes s’en retournent auec la mesme prouision de santé pour toute l’annde.«

Die Deutschen erzählt unser Gewährsmann weiter denken, wenn sie die Bäder gebrauchen, nicht daran, ihre Lebens- weise danach zu regeln: als seine Wirtin hört, dass er keinen Wein trinke, meint sie entsetzt: »helas, le pauure gentilhomme, il mourra puisquil. ne boira pas de vin.«

»Les allemans donc boiuent du vin (mais non pas tant qu’ä leur ordinaire), se vont promener et prennent lair à toutes heures, mesme comme les bains sont hors des chambres, ils passent la cour, montent les escaillers au sortir du bain, sans autrement prendre garde à eux; aussy la pluspart s’en retournent plus malades qu’auparauant, peu guerissent tout a fait, aucuns mesme en meurent, pour avoir pris lair, leur corps ayant tous ses pores ouverts.

Pour moy j’observuay un bon régime8) pendant un mois, je ne sortis pas de ma chambre ou on m’apportoit le bain et je ne men mouuay fort bien.« i

Während' eines zweiten fünfwöchentlichen Aufenthaltes im September wird unser Franzose dem jungen Prinzen Ludwig Wilhelm vorgestellt, der gerade von Nancy zurückkehrt, wo er den König begrüsst, und zu einer Hirschjagd nach Ettlingen eingeladen. Vom Hofe nehmen daran teil der alte achtzigjährige Markgraf Wilhelm, Prinz Karl Bernhard und Prinzessin Anna Sohn aus zweiter und Tochter aus erster Ehe und seine Enkel und Enkelin, die Prinzen Leopold Wilhelm und Ferdinand und die Prinzessin Marianne, sowie ihre Mutter, Prinzessin Maria Franziska. In Ettlingen gesellen sich zu ihnen Maria Augusta, die junge Gemahlin des Markgrafen Friedrich Magnus von Baden- Durlach, mit einer Schwägerin und ein Prinz von Braunschweig- Wolfenbüttel. i

1) ? Souabe? ?) Die Sitte hängt wohl damit zusammen, dass am 1, Mai sämtliche Bürger und Einwohner der Stadt, die Kinder ausgenommen, dem Bader den sog. Maipfennig zu entrichten hatten und dafür das Recht erhielten, das Freibad das ganze Jahr hindurch unentgeltlich zu benutzen. Gefl. Mitteilung des Herrn Archivrats Frankhauser, des besten Kenners des Badener Badewesens. 3) Unter Behandlung eines französischen Chirurgen Sr. Oudot. |

Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. N.F. XXX. ı. 8

114 Miszellen.

Es ist die Zeit der Hirschbrunft, für unsern Gewährsmann offenbar ein ungewohntes Schauspiel, das er ausführlich schildert. Um den Kampf der Tiere besser aus der Nähe beobachten zu können, ist im Walde eine mit Baumrinde verkleidete auf vier Pfählen ruhende und mit Glasfenstern versehene Hütte errichtet, in der die Gesellschaft sich, bis die Hirsche kommen, die Zeit mit Kartenspiel vertreibt. Nach der Jagd geht man zu Tisch; man speist in der »Nymphenhüttes, einem 1668 von Ferdinand Maximilian erbauten Jagdhause bei Bruchhausen, das längst wieder verschwunden ist!).

»C’est un corps de logis heisst es von ihm presque carré, maison de cinquante huit sur 40 piedz quy n’a qu’vn estage. Le milieu est une dome octogone, soustenu de huict piliers dont les bazes, les corps et les autres ornemans sont de-

. uestus d’escorce de chesnes, a chacune des faces en haut sont

les portraitz de quatre princes vestus en chasseurs et de quattre princesses representans Diane et ses nimphes. Les deux entrees de ce bastiment vis a vis vne et lautre respondent dans ce dome, a la gauche en entrant est la cuisine quy est separće par vne petite allée d’une salle ou mangent les dames et les gentishommes de la Cour, a la droite est la salle ou les princes et les princesses mangent et a costé est vne chambre avec vn poesle pour quand il fait froid ou ils peuuent estre en leur particulier. Les trois coins du rond du dome seruent !’vn pour le buffet, ayant vne grand ouuerture dans la grande salle par ou lon donne a boire; lautre du mesme costé sert de garderobe pour les dames a coste de leur chambre, le troiziesme sert de cave ou lon met le vin, le quattriesme est du contenu de la cuisine<?). |

Von Jagdbräuchen wird berichtet: wer einen Hirsch fehlt, muss, wenn es ein Prinz ist, einen Dukaten, ein Adeliger 30 Heller, an die Jäger zahlen und zur Busse einen dürren Zweig so lange auf seinem Hut tragen, bis einem andern das gleiche Miss- geschick begegnet. Wer einen Hirsch dagegen trifft, darf sich einen grünen Eichenzweig aufstecken und ihn den ganzen Tag, auch beim Tanze, tragen. Wilddiebe, die zum ersten- oder zweitenmal auf verbotener Hirschjagd betroffen werden, haben eine Geldstrafe zu zahlen; werden sie aber wiederum rückfällig, so befestigt man ihnen am Kopfe ein Hirschgeweih (bois de cerf), das sie nicht abnehmen können und Tag und Nacht tragen müssen, widrigenfalls sie an den Galgen kommen.

1) Das Jagdhaus lag nördlich von Bruchhausen am Wealdrande, in der Gegend des heutigen Exerzierplatzes. Eine Schilderung der Einweihung nebst einer Aquarellansicht enthält die Handschrift Rastatt 93 der Grossh. Hof- und Landesbibliothek. ?) Beigefügt sind dem Texte Auf- und Grundriss

in Federzeichnung.

Miszelle. 115

Der grausame Brauch, wonach Wildfrevier mit Stricken auf einen starken Hirsch gebunden und ihrem Schicksal überlassen werden, wird in der Markgrafschaft nicht geübt. Er bestand aber, wie Prinz Ludwig Wilhelm dem Franzosen erzählt, vor kurzem noch in Sachsen, wo sein Grossvater, Markgraf Wilhelm, in den Kriegszeiten mit seinem Gefolge einst einen der Unglück- lichen, halb zerfetzt und halb tot in einem Walde getroffen und aus seiner furchtbaren Lage befreit habe. |

Ein festliches Nachtmahl mit nachfolgendem Tanz beschliesst die Jagd; am anderen Morgen kehrt die ganze Gesellschaft nach Baden zurück. Damit enden auch die vorliegenden Auf- zeichnungen.

Karlsruhe. K. Oöser.

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1006 l Haug.

Bürger mit 200 fl. schatzungsmässigem Vermögen mussten 2, mit 500 fl.: 3, mit 1000 fl.: 4, darüber 6 Malter Kornhalbmehl im Vorrat halten. ıatägige Visitationen durch Ratsmitglieder sollten für das Vorhandensein der Vorräte sorgen. KRechtzeitige Sperrung der Tore und Öffnung erst nach Tagesanbruch wurde streng angeordnet. Wenn nicht der Wachtmeister den Ersatz erlaubte, musste der Bürger selbst auf die Wache ziehen. Die Juden er- hielten als Auflage: die Bereithaltung von ı Ztr. Pulver, ı Ztr. Blei, 20 Scheiben Salz, 30 Malter Korn, 200 Malter Haber, ı Ztr. Lunten, ı Ztr. Unschlitt, 3 Tonnen Leinöl, etlicher Zentner Butter, 6 Malter Kornhalbmehl und 2 lederner Eimer in jedem Haus. Die Vorräte durften nicht angegriffen werden. Im Bedarfsfall sollten sie den Juden abgekauft werden.

Während -in Wertheim alle Vorkehrungen zur Ver- teidigung getroffen wurden, drängten die Ereignisse im Reich zur Entscheidung. Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz hatte die böhmische Königskrone angenommen. Aber schon am ıg. Mai kam zur löwensteinischen Herrschaft auf den Breuberg die Kunde'), dass man in Frankfurt am Tage vorher abends ıo Uhr ein Kammermandat angeschlagen habe, in dem der König von Böhmen aufgefordert wurde, innerhalb kurzer Frist das Land zu räumen, andernfalls er der Acht verfallen sein sollte. Ein zweites Mandat warne alle Reichsstände, der Union keinen Vorschub zu leisten. Von Mainz kam die Kunde, die Achterklärung des Kur- fürsten sei bereits angeschlagen?). In dieser Zeit suchte man in Wertheim einen tüchtigen Festungsbaumeister, um die Stadtbefestigung modern auszubauen. Jetzt sehen wir in Wertheim Friedrich Ludwig, Christoph Ludwigs Sohn im Vordergrunde. Er zieht vom Breuberg Erkundigung ein über den kurpfälzischen Baumeister Adam Stapff von Mannheim, der Umstadt mit Wall und Graben versehen hatte und nun in der Pfalz vier Orte befestigte. Am ı. Juni 1620 sendet er an den Obersten der pfälzischen Guber-

)G. A. K. A. Nr. 18. -- 2) Dazu bemerkt Balthasar Gannß (von Ötzberg), der diese Nachrichten an den f. löwensteinischen Amtmann Dr. Gottfried Georg Cunv auf dem Breuberg sandte: »Mir gefällt der Handel gar nicht.«

ep.

Grafschaft Wertheim im dreissigjährigen Krieg. 107

nation in Mannheim, einen Herrn von Schönberg, seinen Leutnant Johann Caspar Weihel, damit dieser den Bau- meister Adam Stapff hole. auf dass er einige Tage in Wert- heim die Defensionsarbeiten in Schloss und Stadt leite. Am 4. Juni schrieb nun Stapff an den Grafen Friedrich Ludwig, er habe über Heidelberg den Brief des Leutnants resp. des Grafen erhalten. Es wachse ihm aber in der weitläufigen Pfalz bereits die Arbeit über den Kopf. Doch komme er um Johanni nach Umstadt wegen der Befestigung dort; von da wolle er nach Breuberg und dann nach Wert- heim kommen, um dort die Befestigung zu leiten. Ende Juni machte Hauptrecht Firnhaber der Herrschaft einen neuen Vorschlag wegen der Stadtwache. Sie sollte aus jungen Bürgern bestehen, die statt der bisherigen 3 fl. 4 im Monat erhalten sollten. Im Monat sollten 36 Bürger zu Soldaten ausgewähit werden. \on diesen wären täglich ı2 zur Schlosswache aufzuführen, am andern Tage sollten hievon 10 abziehen und die 2 Zurückbleibenden die Schild- wache auf dem Schloss bilden. Die 10 sollten den lag über die Wache der Stadttore haben, so dass in drei Tagen an jeden einmal die Wache komme. Um das Mehr der Ausgabe aufzubringen, möge man die vermögenden Bürger in der Stadt mit dem doppelten \Wachgeld belegen, wie die Bewohner auf dem Land. Es scheint aber, dass schon seit Entlassung der Söldner Bürgersöhne die Wache hielten, nur war sie offenbar noch nicht so ausgebaut, wie sie Firn- haber hier vorschlug. Schon im April nimmt sich die Sattlerzunft eines Soldaten bei den Grafen an, der in eire Rauferei mit einem gräflichen Diener geraten war. Auf diesen Vorschlag Firnhabers schrieb Philipp Reinhard am letzten Juli aus Wiesbaden an den wertheinmischen Regi- strator. Die Gefahr sei zurzeit nicht so gross, dass man eine so starke Wache aufstelle..e Als Schlosswache möge man ı2 Mann monatlich aufstellen, dazu 4 Mann mit Jahres- sold für die Nachtwache. Wenn es nötig sei, könne man die Zahl vermehren !). Im Herbst 1620 greift Johann Dietrich in die Sicherungsmassnahmen ein. Wir sehen ihn auch von da ab auf der Seite der Habsburger und des Kaisers.

I) Der Brief trägt den Abdruck einer schönen Gemme.

108 Haug.

Von Herzog Albrecht von Österreich erwirkte er eine Salva Guardia für die Wertheimer Lande zu Franken und in den Niederlanden. Die Urkunde ist ausgestellt am ı3. Sept. 1620 auf dem Lusthaus zu Marienberg, und zwar auf die Grafen Johann Dietrich, Ludwig, Wolfgang Ernst, Friedrich Ludwig und Ernst. Zum Zeichen des Schutzes erhielt Johann Dietrich die Erlaubnis, auf allen seinen Schlössern das Wappen des Herzogs anzuschlagen!) Am 6. November erteilte auch Ambrosius Spinola, Markgraf zu Sesto, im Feidlager eine Salva Guardia für Graf Johann Dietrich, seine Untertanen und Herrschaften?). Zwei Tage nachher fiel in Böhmen der Kriegswürfel zwischen Union und Liga. Graf Johann Kasimir aus der Linie Löwenstein-Scharfeneck, also der älteren löwensteinischen Linie, die mit ihm und seinem Bruder Georg Ludwig im Mannesstamm erlosch, hatte König Friedrich (V.) von Böhmen, dem Kurfürsten von der Pfalz ein Regiment zugeführt. So befand sich auch er unter den Geschlagenen in der Schlacht am weissen Berge.

Wertbeim selbst bekam aber erst im folgenden Jahre durch starke Einquartierungen den Krieg zu kosten.

1) Rosenberg. Arch. B184. 2) G. A. Kriegsakten_Nr. 162.

Miszellen.

Das älteste katholische Kirchenbuch Badens. In seinen verdienstlichen Studien über die Kirchenbücher Badens hat Dr. Franz (Zeitschr. f, Geschichte d. Oberrheins, Ergänzungsheft ı, Heidelberg 1912) als das älteste erhaltene katholische Kirchen- buch Badens das von Überlingen festgestellt, das 1563 als Ehe- buch begann (S. 52). In einer Anzeige der Untersuchung von Franz in der Karlsruher Zeitung (1912 September) konnte ich schon darauf hinweisen, dass das mit 1572 beginnende Frei- burger Taufbuch von Einträgen »in priori -libro« spricht, dass also auf katholischer Seite im Gebiete unseres Grossherzogtums wahrscheinlich Freiburg mit der Einführung von Kirchenbüchern begonnen habe. Diese Annahme hat sich seither bestätigt. Im Ratsprotokoll 1555/57 (Band XVI) findet sich zum 8. Juni 1556 (f. 285) der Eintrag: »Es ist erkannt, dem pfarrer anzezeigen, ain sonder buoch ze machen, darein er und seine helfer die inschreiben sollen, so allhie den eelichen kirchgang tund, darmit ein ieder, so dessen etwan nodturftig, solchs finden möge.e Wie anderwärts wurde also auch in Freiburg mit der Einführung eines Ehebuchs begonnen. Das Werk scheint aber nicht weit über die ersten Anfänge hinausgekommen zu sein. Immerhin ist die Notiz erfreulich, als Zeugnis, welchen Wert man welt- licherseits auf die Einführung von Eheregistern legte. Ob das nützliche Werk infolge passiven Widerstands der Pfarrbehörde einging oder nur lau gefördert wurde, ist unbekannt. Befremdend ist es, nach dem erfreulichen Vorgehen des Rats in dem Rats- protokoll von 1568 (Bd. XXIII f. 188) unterm 8. Oktober fol- genden Eintrag zu finden:

»Herr oberstmaister hat angezaigt, das der alhieig pfarherr ine berichtet, wie uf jungst gehaltenem synodo zu Costentz under anderm erkennt und ainem ieden pfarher uferlegt worden seie, furohin, wenn ein Kind zur tauf gebracht werde, desselben vater und muter, auch des Kinds und der gotten namen und zunamen, darbei auch den tag und das jar aigentlich ufzeschreiben, des- gleichen wenn eeleut eingesegnet werden, derselben namen und zunamen, auch den tag und das jar zu verzeichnen und uber bede stuck sonder buoch zu halten. Sodann das in latinischen und teutschen schulen ain catholischer catechismus gelesen und

110 | Miszellen.

die jugent darus underwisen werden solle etc., und dweil aber er, pfarheır, solichs one hilf und zutun aines rats nit ins werk pringen konne, seie sein beger, ime darin die hand ze pieten. Daruf ist erkant, den hebammen und mößneren ufzelegen und zu bevelhen, auch zu gebieten, die namen der Kinder und der- selben älteren, auch der gotten allwegen zu erkundgen und dem vierherren anzezeigen; der neuen eeleuten namen hat der vier- herr, wenn er si beicht höret, selbs zu erkundgen und zu ver- zeichnen. Des catechismi halben soll mit dem buchtrucker gehandlet werden, solche latinisch und teutsch alher ze pringen.«

Mindestens jetzt wurde der Befehl, wenigstens für die Tauf- bücher, ausgeführt. Die Notizen im Taufbuch (von 1572 an) bemerken nämlich zu Einträgen vom 18. Februar bis 4. März 1573 »hisce nominibus non sunt additi dies .in priori libros und zum Juli desselben Jahres »dies non erant additi in priori libro«.. Das erhaltene älteste Ehebuch beginnt als Teil des Taufbuchs mit dem ı2. Januar 1579, das Taufbuch mit dem I. März 1572. Zwischen diesen Jahren und 1556 bzw. 1567 wurde also schon ein Ehebuch und wahrscheinlich gleichzeitig mit diesem oder bald darauf auch ein Taufbuch angelegt. Beide sind leider nicht mehr erhalten.

Freiburg i. Br. t H. Flamm.

Aus den Aufzeichnungen eines französiscħen Kurgastes über Baden-Baden vom Jahre 1673. H. Flamm hat unlängst auf eine Handschrift der Departementsbibliothek in Arras hingewiesen, die eine wertvolle Sammlung von Zeich- nungen alter Grabdenkmale und Grabinschriften, u. a. auch aus Freiburg, enthält!) und im letzten Drittel des ı7. Jahr- hunderts, wie er wohl mit Recht vermutet, von einem fran- zösischen Offizier oder Ingenieur zusammengestellt wurde. Unzweifelhaft von derselben Hand, wie eine Vergleichung der Schriftzüge zeigt, stammen Aufzeichnungen in französischer Sprache, die sich am Schlusse einer andern Handschrift jener Bibliothek (Ms. nr. 1ı76)?) erhalten haben und nach ihrem Inhalt eine kurze Besprechung an dieser Stelle verdienen.

Sie beziehen sich auf den Aufenthalt des Verfassers in Baden,

dessen heilkräftige Bäder er von Philippsburg aus, wo er wohl in Garnison stand, wiederholt zum Kurgebrauch aufsuchte: nach den Angaben, die er gelegentlich über das Alter der baden- badischen Prinzen macht, etwa in den Jahren 1673/74, jedenfalls vor der Belagerung und Rückeroberung der Grenzfestung durch die Reichsarmee (1676). 1) Ms. nr. 192. ?) Brunner, Quellen z. Geschichte Badens und der Pfalz. Mitt. der Bad. Histor. Kommission Nr. 20 S. msı. Für die auf diplomatischem Wege vermittelte gütige Überlassung der Handschrift bin ich der Verwaltung der Departementsbibliothek zu Dank verpflichtet.

Miszellen. LII

Er beginnt mit einigen Bemerkungen über die fürstlichen Grabdenkmäler im Chor der Stiftskirche, von denen er fünf hervorhebt und, seine Mussestunden benützend, in etwas unge- lenken Federzeichnungen wiedergibt: links vom Eingang die eherne Grabplatte der Markgräfin Katharina, geb. Herzogin von Österreich (t 1493) in Halbrelief, rechts davon, ebenfalls in Erz getrieben, die Grabmäler der Markgräfinnen Katharina, geb. Herzogin von Lothringen (} 1439), Elisabeth, geb. Herzogin von Bayern (f 1522), und Ottilia, geb. Grafin von Katzenellenbogen (t 1517); endlich links, beim Hochaltar 1), in einer Mauernische, das stattliche Grabmonument des Markgrafen Friedrich von Baden, Bischofs von Utrecht 1517), dem eine eingehende Beschreibung gewidmet wird. Da von diesen Epitaphen nur die beiden letzt- genannten sich erhalten haben, die übrigen aber bei dem Brande von 1689 und später zerstört wurden und ihre Inschriften nur teilweise überliefert sind, besitzen die Kopien der Arraser Hand- schrift?) um so grösseren Wert. Die Grabschriften lauten:

1. MARCHIONVM . MATER - TITVLO - PERFVNCTA . BADENSI.

AVSTRIA -QVAM -GENVIT . HIC - KATARINA - IACET. INTERIIT - PRIDIE - SEPTEMBRIS - CIRCITER -IDVS, POST - FRATREM . CESAR -TE -FRIDERICE - SVVMS..

2. ANNO - DOM - MCCCCKXXXIX . PRIMA - MENSIS . MART -OBIIT -ILL - PRINCIPISSA -DOMINA -KATHARINA . DE - LVTERINGEN - MARCHIONISSA - BADEN - REQVIES- CAT- IN- PACE.“)

3. ILLVST’. DO. ELISABETH. EX. ILL’. DVCV . BA- VARIE . CO’: PAL’. RHEN’. AC- PR. ELEC . SEMA . NAA. ILL’. PRN’. AC. DO’. PHIL’. MARCHOIS. A. BADEN - CONX: LEGITIMA . DIE. 1O . BAP’. DEF. HIC - QVIESCIT . M- D- XXIIS).

t) »A la main gauche entre les fermes et le grand autel«.. ?) Photo- graphische Nachbildungen in der Bildersammlung des Grossh. Generallandes- archivs. Man darf bei der Beurteilung der ziemlich unbeholfenen Zeichnungen freilich nicht vergessen, dass sie nur eine ungefähre Vorstellung von den Originalen geben. Das zeigt sich am besten, wenn man bei dem heute noch vorhandenen Grabmale der Markgräfin Ottilie Original und Kopie vergleicht: letztere lässt alles Individuelle in den Gesichtszügen und alle künstlerischen Feinheiten in der Behandlung der Gewandung vermissen; die Gestalt erscheint gedrückt, fast kniend. 3) Bruchstückweise bei Sachs II, 504. 4) Damit wird die Angabe des Todestags bei Ladisl. Suntheim bestätigt. Witte, Regesten der Markgrafen von Baden III nr. 5910. 5) Das Epitaph der Mark- gräfin Elisabeth war 1754 noch vorhanden; wir besitzen sogar noch eine Abbildung in Federzeichnung, die damals angefertigt wurde und an Feinheit der Ausführung die der Arraser Handschrift bei weitem übertrifft. Es kanı

112 Miszellen.

Die übrigen Grabdenkmäler werden nicht erwähnt, unser Franzose geht vielmehr zu einer Schilderung der Bäder und Badesitten über, die nicht ohne Interesse ist:

»Tout au haut de la ville a la hauteur de la place du coste du levant j’ay veu vne voute que l’on ferme a la clef quy peut auoir quinze piedz quarres quy est le magazin ou entre la fontaine d’eau chaude au sortir du rocher, d’ou elle se distribue par des canaux de bois dans les cabaretz et autres lieux pour des Bains soit pour l’usage des estrangers qui y abordent de tous costez depuis le comancement de may iusque en septembre, soit pour l’vsage des particuliers de tout quoy l’on donne quel- que resconnoissance soit au prince ou aux directeurs de la ville!).

Cette fontaine en fournit aussy au bain publicq dont j'ay parlé cy dessus et encore a vn autre ou entrent les honnestes gens et les fames quy est enclos des bastimens.

Il y en a encore deux fontaines d’eaus chaudes, mais quy ne seruent que pour l'vsage du comun quy y va plumer des poules, oyes, canardz et mesme des cochons de laict, leau en est chaude comme sy eile bouilloit, je ne scays sy elle m'est pas bonne pour le bain.

Chasque cabaret a ses bains quy tous tiennent les vns aux autres et separez par des cloisons afin que chacun puisse se baigner en particulier, Pon peut pourtant se baigner deux dans chacun quand lon veut. L’eau se fournit par des canaux de bois dont chasque bain a vn robinet quy fournit autant d'eau chaude que lon veut quy vient d’un grand reseruoir dont chas- que cabaret est furny d’autant que la source quy n’est pas fort grasse (quoyque je ne laye peu voir au sujet de la fumée) ne leur en pourroit funir la quantité necessaire a quoy supplée le magazin (quy s'entretient en chaleur par leau quy se renouuelle toujours).

dann mit den Epitaphien der Markgrafen Albert Karl (f 1626) und Albert (f 1488), sowie der Markgräfin Ottilie nach Rastatt zur Ausbesserung, da die Platten, die auf dem Fussboden der Kirche lagen, stark abgenützt waren, blieb dort liegen und geriet in Vergessenheit. Im Jahre 1800 war, wie sich herausstellt, von dem allem nur noch das Epitaph der Ottilie und die Frag- mente einiger Umschriften vorhanden. Das Übrige war, wie der Schloss verwalter zu Rastatt vermutet, in den Kriegszeiten, vor allem 1796/7, wo das Schloss als Lazarett diente, entwendet oder mutwillig zerstört worden. Akten des Grossh. Haus- u. Staatsarchivs.. Haus- u. Hofsachen. Fürstliche Grüfte Fasz. 18—20.

)) Nach dem Freiheitsbriefe des Markgrafen Christoph für Baden vom Jahre 1497 6 Pfennige von jedem Badegaste, die allwöchentlich eingesammelt und zwischen dem Markgrafen und der Stadt geteilt wurden. ?) Die gross und kleine Brühquelle.

Miszellen. 113

Le premier jour de may par vue ancienne coustume les paisans de la Suäube!) quy sont voisins de la viennent se baigner auec leurs fames et cela en trouppes, ils couchent dans le bain ou ils boiuent et mangent comme des alemans et puis dorment, apres quoy ils disent qu’ils se portent bien le long de l’ann&e?). Cela est pour les catholiques. Les paisans quy ne sont pas catholiques viennent aussy se baigner dix iours apres quy est leur premier jour de may selon ancien calendrier et apres pareilles beuuettes s’en retournent auec la mesme prouision de santé pour toute l’annde.«

Die Deutschen erzählt unser Gewährsmann weiter denken, wenn sie die Bäder gebrauchen, nicht daran, ihre Lebens- weise danach zu regeln: als seine Wirtin hört, dass er keinen Wein trinke, meint sie entsetzt: »hélas, le pauure gentilhomme, il mourra puisquil.ne boira pas de vin.

»Les allemans donc boiuent du vin (mais non pas tant qu’ä leur ordinaire), se vont promener et prennent l’air à toutes heures, mesme comme les bains sont hors des chambres, ils passent la cour, montent les escaillers au sortir du bain, sans autrement prendre garde à eux; aussy la pluspart s’en retournent plus malades qu’auparauant, peu guerissent tout a fait, aucuns mesme en meurent, pour avoir pris lair, leur corps ayant tous ses pores ouverts,

Pour moy j’observuay un bon regime®) pendant un mois, je ne sortis pas de ma chambre ou Pon m’apportoit le bain et je ne men mouuay fort bien.

Während’ eines zweiten fünfwöchentlichen Aufenthaltes im September wird unser Franzose dem jungen Prinzen Ludwig Wilhelm vorgestellt, der gerade von Nancy zurückkehrt, wo er den König begrüsst, und zu einer Hirschjagd nach Ettlingen eingeladen. Vom Hofe nehmen daran teil der alte achtzigjährige Markgraf Wilhelm, Prinz Karl Bernhard und Prinzessin Anna Sohn aus zweiter und Tochter aus erster Ehe und seine Enkel und Enkelin, die Prinzen Leopold Wilhelm und Ferdinand und die Prinzessin Marianne, sowie ihre Mutter, Prinzessin Maria Franziska. In Ettlingen gesellen sich zu ihnen Maria Augusta, die junge Gemahlin des Markgrafen Friedrich Magnus von Baden- Durlach, mit einer Schwägerin und ein Prinz von Braunschweig- Wolfenbüttel,

1) ? Souaber ?) Die Sitte hängt wohl damit zusammen, dass am Il, Mai sämtliche Bürger und Einwohner der Stadt, die Kinder ausgenommen, dem Bader den sog. Maipfennig zu entrichten hatten und dafür das Recht erhielten, das Freibad das ganze Jahr hindurch unentgeltlich zu benutzen. Gefl. Mitteilung des Herrn Archivrats Frankhauser, des besten Kenners des Badener Badewesens. 3) Unter Behandlung eines französischen Chirurgen Sr. Oudot. |

Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. N.F. XXX. ı. 8

114 M:zze.\eı2.

Es ist die Zeiz: der Eiscnbreunf, für unsem Gewährsmann offenbar ein urzewscz:es Scnaauspiel, das er aus’üntti:h schildert. Um den Kampf der Tiere besser aus der Näne beobachten zu können, ist im Wadge eine mit Baumrinde verk:ieidete auf vier Pfänlen rukkende und mit Giastecstern versehene Hütte errichtet, in der die Geseisczat sich. bis die Hirsche kommen, die Zeit mit Kartenspiel vertreiot. Nach der Jagd gebt man zu Fisch; man speist in der »\ymphezrütte:, einem 1003 von Ferdinand Maximilian erbauten Jagzchause bei Bruchhausen, das längst wieder verschwunden ist!.

»C’est un corps de logis heisst es von ihm presque carré, maison de cinquante huit sur 40 piedz quy n’a qu’wn estage. Le mileu est une dome octozone, soustenu de huict piliers dont les bazes, les corps et les autres ornemans sont de- uestus d’escorce de chesnes, a chacune des faces en haut sont les portraitz de quatre princes vestus en chasseurs et de quattre princesses representans Diane et ses nimphes. Les deux entrees de ce bastiment vis a vis vne et lautre respondent dans ce dome, a la gauche en entrant est la cuisine quy est separce par vne petite allce d’une salle ou mangent les dames et les zentishommes de la Cour, a la droite est la salle ou les princes et les princesses mangent et a costé est vne chambre avec vn poesle pour quand il fait froid ou ils peuuent estre en leur particulier. Les trois coins du rond du dome seruent !’vn pour le buffet, avant vne grand ouuerture dans la grande salle par ou Pon donne a boire, lautre du mesme costc sert de garderobe pour les dames a coste de leur chambre, le troiziesme sert de cave ou lon met le vin, le quattriesme est du cortenu de la cuisine:?).

Von Jagdbräuchen wird berichtet: wer einen Hirsch fehlt, muss, wenn es ein Prinz ist, einen Dukaten, ein Adeliger 30 Heller, an die Jäger zahlen und zur Busse einen dürren Zweig so lange auf seinem Hut tragen, bis einem andern das gleiche Miss- geschick begegnet. Wer einen Hirsch dagegen trifft, darf sich einen grünen Eichenzweig aufstecken und ihn den ganzen Tag, auch beim Tanze, tragen. Wilddiebe, die zum ersten- oder zweitenmal auf verbotener Hirschjagd betroffen werden, haben eine Geldstrafe zu zahlen; werden sie aber wiederum rückfällig, so befestigt man ihnen am Kopfe ein Hirschgeweih (bois de cerf), das sie nicht abnehmen können und Tag und Nacht tragen müssen, widrigenfalls sie an den Galgen kommen.

ı, Das Jagdhaus lag nördlich von Bruchhausen am Waldrande, in der Gegend des heutigen Exerzierplatzes. Eine Schilderung der Einweihung nebst einer Aquarellansicht enthält die Handschrift Rastatt 93 der Grossh. Hof- und Landesbibliothek. ?) Beigefügt sind dem Texte Auf- und Grundriss in Federzeichnung.

Miszelle. 115

Der grausame Brauch, wonach Wildfrevier mit Stricken auf einen starken Hirsch gebunden und ihrem Schicksal überlassen werden, wird in der Markgrafschaft nicht geübt. Er bestand aber, wie Prinz Ludwig Wilhelm dem Franzosen erzählt, vor kurzem noch in Sachsen, wo sein Grossvater, Markgraf Wilhelm, in den Kriegszeiten mit seinem Gefolge einst einen der Unglück- lichen, halb zerfetzt und halb tot in einem Walde getroffen und aus seiner furchtbaren Lage befreit habe. |

Ein festliches Nachtmahl mit nachfolgendem Tanz beschliesst die Jagd; am anderen Morgen kehrt die ganze Gesellschaft nach Baden zurück, Damit enden auch die vorliegenden Auf- - zeichnungen,

Karlsruhe. | K. Oöser.

8*+

Zeitschriftenschau und Literaturnotizen.

Mein Heimatland. ı. Jahrgang. Heft 4 u. 5. Werner Kümmel: Die Steinbrüche am Hohenstoffeln. S. 97 100. -—— Ernst Fehrle: Bilder aus Mosbach. S. 1o01 106. Mosbach als Stadtbild. F. Landes: Das »Gutleut«- Haus und -Kapelle zu Mosbach. S. 107—110. Über die bau- und kunstgeschichtliche Bedeutung der beiden Bauten. Fritz Landes: Biedermeierpoesie auf Mosbacher Schützenscheiben. S. 110—113. Th. Reinhard: Fast- nacht im südlichen Odenwald. S. 113—114. Eugen Fehrle: Der magische Kreis. S. 115. Magische Kreise dienen nach einem auch in Baden weitverbreiteten Aberglauben zur Fernhaltung von Krankheiten und gefährlichen Tieren. Walter Zimmermann: Die Eidechse im badischen Volks- munde. S. 116—117. K. August Maier: Das Maifest in Knielinsen. S. 117—118. Die 6. Landesversamm- lung des Vereins Badische Heimat. Überlingen, 6. und 7. Juli 1914. S. 119-128.

Freiburger Diözesan-Archiv. Neue Folge. XV. (der ganzen Reihe 42.) Band. Joseph Elble: Die Einführung der Reformation im Markgräfler Land (1556—1561). S. ı —110,. Behandelt auf Grund der Karlsruher, Innsbrucker und Münchner Akten die unter Markgraf Karl II. unter der Leitung von Simon Sulzer erfolgte Einführung der Reformation und ihre Wirkungen, wobei ‚freilich zu bemerken ist, dass die Visitations- protokolle eine zuverlässige Statistik nicht gestatten. Der Wider- stand bei dem Klerus und der Bevölkerung erlahmt von Jahr zu Jahr, wird aber fortgesetzt von Seiten der kathol. Prälaten und des Kaisers. Joseph Riegel: Bischof Salomo ]. von Konstanz und seine Zeit. S. 111—188. Schildert Leben und Wirken des hochbedeutenden Kirchenfürsten, seine Tätigkeit innerhalb der Diözese und seine Sorge für Herstellung geord- neter Zustände, seine Stellung in der deutschen Nationalkirche und am Hofe Ludwigs des Deutschen. Karl Rögele: Dr. Heinrich von Brentano, Geistlicher Rat und Aposto- lischer Vikar. S. 189—290. Aufgewachsen in den Anschau-

Zeitschriftenschau und Literaturnotizen. 117

ungen des Josefinismus, ein Schüler Sailers und Freund von Christoph v. Schmid, kam Br. früh in einflussreiche Stellung nach Stuttgart, wurde dann, als er 1808 auf eine auch heute noch nicht genügend geklärte Weise in Ungnade fiel, Pfarrer zu Radolf- zell und späterhin zu Löffingen und starb zu Freiburg 1831. Das Leben dieses wenig zum Vorbild geeigneten Priesters, dessen Wesen, voll starker Widersprüche, bedenklich ans Pathologische streift, bildet eine fortlaufende Kette unerquicklicher Streitig- keiten, in die er mit aller Welt gerät und ohne die er nicht auskommen kann. Eine der wenigen Lichtseiten bildet seine verdienstliche, eifrige Fürsorge für Schule und Unterricht. Im übrigen darf man es m. E. nur als ein Glück bezeichnen, dass dem Vorschlag seines alten Gönners Papst Leo XII., der ihn an erster Stelle als Kandidaten für den Freiburger erzbischöflichen Stuhl benannte, nicht entsprochen wurde. Kleinere Mit- teillungen. Ant. Wetterer: Das Kollationsrecht der ehe- maligen Fürstbischöfe von Speier. S. 297—301. Nach dem Stande von 1797. Peter Zierler: Der Exorcist P. Engelbert von Dillingen. S. 302—308. Nachrichten über sein Leben (t 1779) und sein »Less-Kranken- und Bettbuch«. Karl Seeger: Der Taufstein in der Pfarrkirche zu Möhringen. S. 308—310. Erklärung der Wappen und Bild- nisse. Dominik Dröscher: Nachruf auf den Pfarrer Franz Anton Helin in Amoltern. S. 310—311. Dominik Dröscher: Wertschätzung des Wettersegensim 18. Jahrh. S. 311—312. H. Göring: Notiz aus dem Totenbuch der Gemeinde Schwarzach. S. 312. Heinrich Feur- stein: Die Heiligenpatronate in ihrer Bedeutung für die ‚älteste Pfarrgeschichte. S. 313—316. Hinweis auf den häufigen Wechsel der Kirchenpatrone in ältester Zeit und ihre Bedeutung für die Erschliessung besitzrechtlicher Verhältnisse. Notwendigkeit einer genauen Ermittelung der ursprünglichen Patrone für jede einzelne Pfarrei für das gesamte fränkische Invasionsgebiet Süddeutschlands, einschliesslich der schwäbischen Teile der Schweiz und Vorarlbergs. Aufforderung zur Mitarbeit und Winke für dieselbe. Adolf Rösch: Zur kirchlichen Statistik der Erzdiözese Freiburg. S. 317—367. Karl Rieder: Die kirchengeschichtliche Literatur Badens in den Jahren 1912 und 1913. S. 368—381. Literarische Anzeigen. S. 382— 386. Bericht über das Vereinsjahr

1913/14. S. 387 390.

Mannheimer Geschichtsblätter. XV. Jahıg. Nr. 11/12. Ernst v. Nischer: Julians Feldzüge am Rhein (356—361). Sp. 194—205 (Fortsetzung; s. diese Zs. NF. XXIX, 718). Die Feldzüge der Jahre 358—361. Friedrich Walter: Mann- heimer Einquartierung im Kriegsjahre 1815. Sp. 206—211. Auszüge aus dem Tagebuche des Sekretärs der städtischen Ein-

Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. N.F. XXX. ı. 9

118 Zeitschriftenschau und Literaturnotizen.

quartierungskommission. Kleine Beiträge. Karl Christ: Das Weinheimer Landkapitel im 18. Jahrhundert. Sp. 211 212. Berg—op—Zoom. Sp. 212—213. Inschrift- tafel von 1822 in Scharhof. Sp. 213—214. Hermann Häring: Zur Berufung des Theologen H. E. G. Paulus nach Heidelberg. Sp. 214—216. Abdruck eines Briefes von Paulus an den badischen Geheimen Hofrat Dominicus Ring. Neuerwerbungen und Schenkungen. Sp. 216.

Neue Heidelberger Jahrbücher. Band XVIII, Heft 2. Martin Josef Funk: Der Kampf der merkantilistischen mit der physiokratischen Doktrin in der Kurpfalz. S. 103—200. Schildert auf Grund einer umfangreichen Literatur und der in dem Speyrer Kreisarchiv und dem Karlsruher General- landesarchiv aufbewahrten Archivalien die Stiftung und die weitere Entwicklung der »Kurpfälzisch physikalisch-ökonomischen Gesell- schafte und der aus ihr hervorgegangenen »Kameral-Hoheschule« zu Kaiserslautern (1777— 1784) und »Staatswirtschafts-Hoheschule« zu Heidelberg (1784—1803), unter besonderer Berücksichtigung der an diesen Schulen gelehrten staats- und volkswirtschaftlichen Theorien und der von ihnen entfalteten praktischen Wirksam- keit. Samuel Brandt: Zur Geschichte einer Tacitus- ausgabe. S. 201—209. Wie Brandt überzeugend nachweist, ist die 1638 unter dem Namen des bekannten Strassburger Uni- versitätsprofessors Matthias Bornegger erschienene Ausgabe in der Hauptsache ein Werk seines Schwiegersohnes Johann Freinsheim, des berühmten spätern Heidelberger Universitäts- professors.

Jahrbuch für Geschichte, Sprache und Literatur Elsass- Lothringens: XXX. Jahrgang. 1914. t Menges: Das Ober- gericht zu Stundweiler im Kreis Weissenburg. S. 14 24. Abdruck und Erläuterung einer undatierten Aufzeichnung, die sich abschriftlich (»aus den uralten bei dem Oberamt Lauter- burg befindlichen Kellereischriften gezogen«e) im Pfarrarchiv zu Stundweiler befindet. Frankhauser: Briefe von Gottlieb Konrad Pfeffel an Friedrich Dominikus Ring. S. 25—124. Gibt zunächst nach den in der Freiburger Universitätsbibliothek befindlichen Originalen den Briefwechsel bis zum Anfang des Jahres 1763 bekannt; die vollständig wiedergegebenen Stücke sind für die Kenntnis Pfeffels in hohem Grade charakteristisch. Wendling: Zur Biographie G. D. Arnolds. S. 125—132. Auszüge aus Briefen von Görres und Jakob Grimm, die von Arnolds Beziehungen zu Vertretern der jüngeren deutschen Romantik Kunde geben. Marckwald: Beiträge zur Lebens- geschichte G. D. Arnolds. S. 1335 135. Kleinigkeiten. Behrend: Wolfhart Spangenberg. S. 136—160. Würdigung des Dichters, dessen Werke aus seiner Arbeit für das akademische

Zeitschriftenschau und Literaturnotizen. 119

Theater und durch sein Wirken als Meistersänger und für die Meistersänger entstanden sind. Beigegeben sind drei Meister- gesänge aus der Frühzeit und ein Lobspruch von 1609; weitere Verdichtungen sollen folgen. Wendling: Görres’ Reise ins Elsass 1818. S. ı61—ı66. Sucht die Zeit festzustellen (Ankunft in Strassburg wahrscheinlich am ı3. November). Walter: Burgen und Adel im Sulzmattertal. S. 167—198. Hübscher, auf archivalischer Grundlage ruhender Überblick über die Schicksale der aussergewöhnlich zahlreichen Geschlechter des Tals und ihres Besitzes. Müller: Die elsässischen Deutchordenskommenden im Jahre 1414. S. 199—251. Abdruck der an Ort an Stelle abgehörten Jahresrechnungen der Kommenden Mülhausen, Gebweiler, Sundheim, Kaysersberg, Andlau und Strassburg, deren Quellenwert um so höher ist, als sich aus dem Mittelalter nur wenige Nachrichten über den Deutschorden im Elsass erhalten haben. Aus einem Kopierband im Kgl. Württemberg. Staatsfilialarchiv zu Ludwigsburg, mit Orts- register und Glossar. Beemelmans: Dr. Blasius Spiess und seine Bücher. S. 252—281. Abdruck des Vermögens- inventars des 1584 verstorbenen Würzburger Rechtsgelehrten, das in einer von seinen elsässischen’ Angehörigen beim Zaberner Hofgericht eingereichten Prozesschrift enthalten ist. Eingehende Nachweise zu den zahlreich vorhandenen Büchern, deren Schicksal unbekannt ist. Krämer: Ein »Frantzosen-Vatterunser« aus dem Jahre 1790. S. 282—284. Gibt eine wohl zu Saar- gemünd angeschlagene Bitte an den König um Gewährung weiterer Reformen bekannt,

Öffentliche Kunstsammlung in Basel. 66. Jahresbericht. Neue Folge 10. Dem von dem Konservator Professor Dr. Paul Ganz erstatteten Jahresberichte, S. 1—33, ist u. a. zu entnehmen, dass von den »Handzeichnungen Hans Holbeins d. J.«, die P. Ganz herausgibt, im Berichtsjahre die Lieferungen 9—ı5 erschienen sind und die Veröffentlichung eines Werkes über »die Buchmalerei in den Basler Sammlungen« von Konr. Escher bevorsteht. Nach einem Beschluss des Schweizer Museenver- bandes soll künftig erstmals 1914 ein »Jahrbuch für Schweizer Kunst und Kunstpflege« ausgegeben werden. Unter den Erwerbungen sei hier auf eine Federzeichnung des Meisters von Messkirch hingewiesen, den Entwurf des von dem Grafen von Zimmern 1538 für die Stadtkirche zu M. gestifteten Renaissancealtars,. Paul Ganz, Die Professor Joh. Jak. Bachofen-Burckhardt-Stiftung«e. S. 45—89. Würdigung der im wesentlichen von der kunstsinnigen Stifterin Frau Luise Bachofen-B. zusammengebrachten, heute 306 Gemälde umfassen- den kostbaren Sammlung, die späterhin in dem Neubau des Kunstmuseums Aufnahme finden soll und dessen Bestände um ein Viertel vermehren wird. Ihre Hauptbedeutung besteht in

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120 Zeitschriftenschau und Literaturnotizen.

den Werken der älteren deutschen und niederländischen Malerei vom 15.— 18. Jahrhundert, die reichlich und vortrefflich vertreten ist. Wichtig und wertvoll ist aber auch der Zuwachs, den die in der Basler Kunsthalle bisher nur spärlich und mit wenigen Ausnahmen, auch nur mässig vertretenen Abteilungen der ita- lienischen und französischen Kunst durch die Schenkung erfahren.

Als Eduard Heydenreichs »Familiengeschichtliche Quellen- kundes 1909 erschien, wurde des verdienstlichen Buches auch an dieser Stelle anerkennend gedacht (NF. XXIV, S. 531 ff.). Nach zwei Jahren schon war die erste Auflage vergriffen, ein Beweis, wie sehr es einem Bedürfnisse weiter Kreise entsprach. Der Wunsch nach einer Neuauflage machte sich geltend, und Autor und Verleger trugen ihm Rechnung. Seit kurzem liegt diese vor. Aus dem einen Bande von 517 Seiten sind zwei mit ins- gesamt 881 Seiten geworden. Das Werk, das nunmehr als »Handbuch der praktischen Genealogie: (Leipzig, Degener) bezeichnet wird, ist durchweg auf breiterer Basis aufgebaut und nach den verschiedensten Richtungen hin ergänzt und verbessert worden. Grössere neue Abschnitte über Genealogie und Rechts- wissenschaft, genealogische Tabellen, Genealogie und Sozial- wissenschaft, Familiengeschichte und Topographie u. a., die sach- kundige Gelehrte, wie v. Dungern, Forst-Battaglia, A. Tille u. a. als Mitarbeiter übernahmen, sind hinzugetreten. Neu und wert- voll ist ferner die Zusammenstellung der familiengeschichtlichen, genealogischen, sphragistischen und heraldischen Sammlungen in Bibliotheken, Museen und Archiven, auch ausserhalb Deutsch- lands. Hingewiesen sei weiter noch auf die Abschnitte über Familienfideikommissakten, über das Porträt, auf die ergänzenden Ausführungen über archivalische Quellen (Partezettel, Patenzettel, Totenzettel usw.), auf die Übersicht über Schülerverzeichnisse deutscher Mittelschulen und Alte-Herren-verzeichnisse. So ist ein Werk echten deutschen Gelehrtenfleisses entstanden, aus- gezeichnet durch Sorgfalt und Gründlichkeit, von staunenswerter, fast erschöpfender Vollständigkeit, unentbehrlich als zuverlässiger Helfer und Berater für Jeden, der sich mit Personen- und Familiengeschichte beschäftigt. K. 0.

F. Wündisch, Geschichtsübersicht für Elsass- Lothringen. Strassburg, Du-Mont Schauberg 1914. VI, 1318.

Der Plan, die Geschichte des Reichslands Elsass-Lothringen und der darin aufgegangenen ehemaligen Territorien bis zur Gegenwart auf wissenschaftlicher Grundlage in einer zusammen- fassenden, in Tabellenform gehaltenen Übersicht darzustellen, ist angesichts des Mangels einer durchweg geschichtlich bedingten Einheit und Geschlossenheit im Entwicklungsgange des ganzen in Betracht kommenden Gebiets und der verwirrenden Viel-

e

Zeitschriftenschau und Literaturnotizen. 121

gestaltigkeit des territorialen Lebens, nicht minder aber auch angesichts des gewaltigen Umfangs und der völligen Zersplitterung der heranzuziehenden Literatur, sowie des trotz dieser eifrigen publizistischen Tätigkeit keineswegs überall erfreulichen Stands der Forschung ein entsagungsvolles und mühseliges, darum aber um so dankenswerteres und nützlicheres Unternehmen, das m. W. in dem vorliegenden Büchlein zum erstenmal ernsthaft angefasst worden ist. Wenn ich auch daher dem Verfasser schon mit Rücksicht darauf, dass er ein geschichtlich interessierter Laie ist, ein Anrecht auf weitgehende Nachsicht zubillige, so sehe ich mich doch bei näherer Prüfung ausserstande, in die ihm an anderer Stelle (vgl. Strassburger Post 1914, Nr. 84; Jahrb. f. lothr. Gesch. 25, S. 549 f.) für seine Leistung in überreichem Masse zuerteilten Lobsprüche einzustimmen. Ich verkenne nicht, dass die Arbeitsweise des Verfassers, die sich in dem Werkchen geltend macht, in doppelter Hinsicht anerkennenswerte Eigen- schaften aufweist: einmal in dem Streben nach einer klaren, straffen und einheitlichen Auswahl und Gliederung des Stoffs unter möglichster Verknüpfung der Lokal- und Territorial- geschichte mit dem grossen Gang der geschichtlichen Entwick- lung des deutschen Reichs und seiner westlichen Nachbarnstaaten, andererseits in dem redlichen Bemühen, im Gegensatz zu einem grossen Teil der lokalen Literatur auch die neuesten Ergebnisse der historischen Forschung heranzuziehen und zu verwerten. Aber damit ist noch nicht gesagt, dass er darin vom Erfolg begünstigt und imstande gewesen ist, seine Absicht auch wirklich durchzuführen. |

In ersterem Punkte wird man dem Verfasser ein gewisses Geschick nicht abstreiten können. Er hat das Werkchen in drei grosse Abteilungen zerlegt. Die erste, die bis zum Beginn der Franzosenzeit reicht, führt uns zunächst in 5 Abschnitten, der historischen Entwicklung entsprechend, die Geschicke von Elsass und Lothringen gemeinsam vor Augen bis zu ihrer end- gültigen Trennung im Anfang des 10. Jahrhunderts, sodann in einem weiteren Abschnitt die Schicksale des Herzogtums Lothringen bis zu seinem Übergang an Frankreich (1766) und in den beiden letzten Kapiteln die Geschichte des Elsass als eines Bestandteils des Herzogtums Schwaben und nach dessen Auflösung als eines Konglomerats verschiedener reichsunmittel- barer Territorien bis zum Westfälischen Friedensschlusse. In der 2. Abteilung werden die Geschicke der wichtigsten Einzel- gebiete durchgegangen, in der 3. der französische Zeitraum bis 1870 und die Entwicklung des Reichslands bis zur Gegenwart. Doch muss hier gleich hervorgehoben werden, dass es W. nicht gelungen ist, Abteilung I u. II mit Il, wo er naturgemäss an anderer Stelle Gebrachtes des öfteren wiederholen musste, recht in Einklang und Zusammenhang zu bringen. Eine Angabe wie die folgende (S. 31): »1136 Schlacht am Kochersberg« ist völlig

112 Miszellen.

Die übrigen Grabdenkmäler werden nicht erwähnt, unser Franzose geht vielmehr zu einer Schilderung der Bäder und Badesitten über, die nicht ohne Interesse ist:

»Tout au haut de la ville a la hauteur de la place du coste du levant jay veu vne voute que lon ferme a la clef quy peut auoir quinze piedz quarres quy est le magazin ou entre la fontaine d’eau chaude au sortir du rocher, d’ou elle se distribue par des canaux de bois dans les cabaretz et autres lieux pour des Bains soit pour l’usage des estrangers qui y abordent de tous costez depuis le comancement de may iusque en septembre, soit pour lvsage des particuliers de tout quoy Pon donne quel- que resconnoissance soit au prince ou aux directeurs de la ville!).

Cette fontaine en fournit aussy au bain publicq dont j'ay parlé cy dessus et encore a vn autre ou entrent les honnestes gens et les fames quy est enclos des bastimens.

Il y en a encore deux fontaines d’eaus chaudes, mais quy ne seruent que pour l'vsage du comun quy y va plumer des poules, oyes, canardz et mesme des cochons de laict, Peau en est chaude comme sy eile bouilloit, je ne scays sy elle mest pas bonne pour le bain.

Chasque cabaret a ses bains quy tous tiennent les vns aux autres et separez par des cloisons afin que chacun puisse se baigner en particulier, ’on peut pourtant se baigner deux dans chacun quand on veut. L’eau se fournit par des canaux de bois dont chasque bain a vn robinet quy fournit autant d'eau chaude que lon veut quy vient d’un grand reseruoir dont chas- que cabaret est furny d’autant que la source quy n’est pas fort grasse (quoyque je ne laye peu voir au sujet de la fumée) ne leur en pourroit funir la quantité necessaire a quoy supplee le magazin (quy s’entretient en chaleur par l’eau quy se renouuelle toujours).

dann mit den Epitaphien der Markgrafen Albert Karl (f 1626) und Albert (f 1488), sowie der Markgräfin Ottilie nach Rastatt zur Ausbesserung, da die Platten, die auf dem Fussboden der Kirche lagen, stark abgenützt waren, blieb dort liegen und geriet in Vergessenheit. Im Jahre 1800 war, wie sich herausstellt, von dem allem nur noch das Epitaph der Ottilie und die Frag- mente einiger Umschriften vorhanden. Das Übrige war, wie der Schloss- verwalter zu Rastatt vermutet, in den Kriegszeiten, vor allem 1796/7, wo das Schloss als Lazarett diente, entwendet oder mutwillig zerstört worden. Akten des Grossh. Haus- u. Staatsarchivs. Haus- u. Hofsachen. Fürstliche Grüfte Fasz. 18—20.

3) Nach dem Freiheitsbriefe des Markgrafen Christoph für Baden vom Jahre 1497 6 Pfennige von jedem Badegaste, die allwöchentlich eingesammelt und zwischen dem Markgrafen und der Stadt geteilt wurden. ?) Die grosse und kleine Brühquelle.

Miszellen. 113

Le premier jour de may par vue ancienne coustume les paisans de la Suäube!) quy sont voisins de la viennent se baigner auec leurs fames et cela en trouppes, ils couchent dans le bain ou ils boiuent et mangent comme des alemans et puis dorment, apres quoy ils disent qu’ils se portent bien le long de l’ann&e?), Cela est pour les catholiques. Les paisans quy ne sont pas catholiques viennent aussy se baigner dix iours apres quy est leur premier jour de may selon l'ancien calendrier et apres pareilles beuuettes s’en retournent auec la mesme prouision de santé pour toute l’annde.«

Die Deutschen erzählt unser Gewährsmann weiter denken, wenn sie die Bäder gebrauchen, nicht daran, ihre Lebens- weise danach zu regeln: als seine Wirtin hört, dass er keinen Wein trinke, meint sie entsetzt: »hélas, le pauure gentilhomme, il mourra puisquil.ne boira pas de vin.«

»Les allemans donc boiuent du vin (mais non pas tant qu’à leur ordinaire), se vont promener et prennent l’air à toutes heures, mesme comme les bains sont hors des chambres, ils passent la cour, montent les escaillers au sortir du bain, sans autrement prendre garde à eux; aussy la pluspart sen retournent plus malades qwauparauant, peu guerissent tout a fait, aucuns mesme en meurent, pour avoir pris lair, leur corps ayant tous ses pores ouverts.

Pour moy j’observuay un bon régime’) pendant un mois, je ne sortis pas de ma chambre ou lon m’apportoit le bain et je ne men mouuay fort bien.«

Während’ eines zweiten fünfwöchentlichen Aufenthaltes im September wird unser Franzose dem jungen Prinzen Ludwig Wilhelm vorgestellt, der gerade von Nancy zurückkehrt, wo er den König begrüsst, und zu einer Hirschjagd nach Ettlingen eingeladen. Vom Hofe nehmen daran teil der alte achtzigjährige Markgraf Wilhelm, Prinz Karl Bernhard und Prinzessin Anna Sohn aus zweiter und Tochter aus erster Ehe und seine Enkel und Enkelin, die Prinzen Leopold Wilhelm und Ferdinand und die Prinzessin Marianne, sowie ihre Mutter, Prinzessin Maria Franziska. In Ettlingen gesellen sich zu ihnen Maria Augusta, die junge Gemahlin des Markgrafen Friedrich Magnus von Baden- Durlach, mit einer Schwägerin und ein Prinz von Braunschweig- Wolfenbüttel,

1) ? Souabe? ?) Die Sitte hängt wohl damit zusammen, dass am . Mai sämtliche Bürger und Einwohner der Stadt, die Kinder ausgenommen, dem Bader den sog. Maipfennig zu entrichten hatten und dafür das Recht erhielten, das Freibad das ganze Jahr hindurch unentgeltlich zu benutzen. Gefl. Mitteilung des Herrn Archivrats Frankhauser, des besten Kenners des Badener Badewesens. 3) Unter Behandlung eines französischen Chirurgen

Sr. Oudot. | Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. N.F. XXX. ı. 8

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Ar le Lasücert va a vis we et [aume respozdesi dans œ enge, a la gauche en entrant est la cuiise QEY est jan? par vne petite alze Fune saie ou manzect les dames è e zentinoromea de la Cour, a la droite est ia saje oa ies prime ei ies prinre:ses Manzent et a cosie est me chambre awe T porze pour quand il fait froid ou iis percent esse ez ku parti-miier, Les trois coins du rond du come seruen: Fwa peur le buffet, avant vne grand ouuerture dans la grande sae par on Von donne a boire, Vautre du mesme costé sert de gardere® pour les dames a coste de leur chambre, le troiziesme ser de cave ou Vem met le vin, le quattriesme est du cortena de l cuisine: ?,,

Von Jagdbräuchen wird berichtet: wer einen Hirsch feri muss, wenn es ein Prinz ist, einen Dukaten, ein Adelizser 50 Heiler, an die Jäger zahlen und zur Busse einen dürren Zweig so lange auf seiner Hut tragen, bis einem andern das gleiche Mis- geschick begegnet. Wer einen Hirsch dagegen trifit, darf sich einen grünen HKichenzweig aufstecken und ihn den ganzen Tag, auch beim Tanze, tragen. Wilddiebe, die zum ersten- oder „weitentnal auf verbotener Hirschjagd betroffen werden, haben eine Geldstrafe zu zahlen; werden sie aber wiederum rückfallig, so befestigt man ihnen am Kopfe ein Hirschgeweih (bois de cerf), das sie nicht abnehmen können und Tag und Nacht tragen müssen, widrigenfalls sie an den Galgen kommen.

', Das Jagdhaus lag nördlich von Bruchhausen am Waldrande, in der Gegend des heutigen Exerzierplatzes. Eine Schilderung der Einweihung nebst einer Aquarellansicht enthält die Handschrift Rastatt 93 der Grossh. Hof und Landesbibliothek. ?) Beigefügt sind dem Texte Auf- und Grundriss in Federzeichnung.

Miszelle. 115

Der grausame Brauch, wonach Wildfrevier mit Stricken auf einen starken Hirsch gebunden und ihrem Schicksal überlassen werden, wird in der Markgrafschaft nicht geübt. Er bestand aber, wie Prinz Ludwig Wilhelm dem Franzosen erzählt, vor kurzem noch in Sachsen, wo sein Grossvater, Markgraf Wilhelm, in den Kriegszeiten mit seinem Gefolge einst einen der Unglück- lichen, halb zerfetzt und halb tot in einem Walde getroffen und aus seiner furchtbaren Lage befreit habe. |

Ein festliches Nachtmahl mit nachfolgendem Tanz beschliesst die Jagd; am anderen Morgen kehrt die ganze Gesellschaft nach Baden zurück. Damit enden auch die vorliegenden Auf- - zeichnungen.

Karlsruhe. K. Oöser.

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Zeitschriftenschau und Literaturnotizen.

Mein Heimatland. ı. Jahrgang. Heft 4 u. 5. Werner Kümmel: Die Steinbrüche am Hohenstoffeln. S. 9 —100. Ernst Fehrle: Bilder aus Mosbach. S. ioi 106. Mosbach als Stadtbild. F. Landes: Das »Gutleut«- Haus und -Kapelle zu Mosbach. S. 107—110. Über die bau- und kunstgeschichtliche Bedeutung der beiden Bauten. Fritz Landes: Biedermeierpoesie auf Mosbacher Schützenscheiben. S. 110—-113. Th. Reinhard: Fast- nacht im südlichen Odenwald. S. 113—114. Eugen Fehrle: Der magische Kreis. S. 115. Magische Kreise dienen nach einem auch ın Baden weitverbreiteten Aberglauben zur Fernhaltung von Krankheiten und gefährlichen Tieren. Walter Zimmermann: Die Eidechse im badischen Volks- munde. S. 116—117. K. August Maier: Das Maifest in Knielingen. S. 117—118. Die 6. Landesversamm- lung des Vereins Badische Heimat. Überlingen, 6. und 7. Juli 1914. S. 119-128,

Freiburger Diözesan-Archiv. Neue Folge. XV. (der ganzen Reihe 42.) Band. Joseph Elble: Die Einführung der Reformation im Markgräfler Land (1556—1561). S.! —110. Behandelt auf Grund der Karlsruher, Innsbrucker und Münchner Akten die unter Markgraf Karl II. unter der Leitung von Simon Sulzer erfolgte Einführung der Reformation und ihre Wirkungen, wobei ‚freilich zu bemerken ist, dass die Visitations- protokolle eine zuverlässige Statistik nicht gestatten. Der Wider- stand bei dem Klerus und der Bevölkerung erlahmt von Jahr zu Jahr, wird aber fortgesetzt von Seiten der kathol. Prälaten und des Kaisers. Joseph Riegel: Bischof Salomo 1. von Konstanz und seine Zeit. S. 111—188. Schildert Leben und Wirken des hochbedeutenden Kirchenfürsten, seine Tätigkeit innerhalb der Diözese und seine Sorge für Herstellung geord- neter Zustände, seine Stellung in der deutschen Nationalkirche und am Hofe Ludwigs des Deutschen. Karl Rögele: Dr. Heinrich von Brentano, Geistlicher Rat und Aposto- lischer Vikar. S. 189— 296. Aufgewachsen in den Anschau-

Zeitschriftenschau und Literaturnotizen. 117 ungen des Josefinismus, ein Schüler Sailers und Freund von Christoph v. Schmid, kam Br. früh in einflussreiche Stellung nach Stuttgart, wurde dann, als er 1808 auf eine auch heute noch nicht genügend geklärte Weise in Ungnade fiel, Pfarrer zu Radolf- zell und späterhin zu Löffingen und starb zu Freiburg 1831. Das Leben dieses wenig zum Vorbild geeigneten Priesters, dessen Wesen, voll starker Widersprüche, bedenklich ans Pathologische streift, bildet eine fortlaufende Kette unerquicklicher Streitig- keiten, in die er mit aller Welt gerät und ohne die er nicht auskommen kann. Eine der wenigen Lichtseiten bildet seine verdienstliche, eifrige Fürsorge für Schule und Unterricht. Im übrigen darf man es m. E. nur als ein Glück bezeichnen, dass dem Vorschlag seines alten Gönners Papst Leo XII., der ihn an erster Stelle als Kandidaten für den Freiburger erzbischöflichen Stuhl benannte, nicht entsprochen wurde. Kleinere Mit- teillungen. Ant. Wetterer: Das Kollationsrecht der ehe- maligen: Fürstbischöfe von Speier. S. 297—301. Nach dem Stande von 1797. Peter Zierler: Der Exorcist P. Engelbert von Dillingen. S. 302—308. Nachrichten über sein Leben (t 1779) und sein »Less-Kranken- und Bettbuch«. Karl Seeger: Der Taufstein in der Pfarrkirche zu Möhringen. S. 308—310. Erklärung der Wappen und Bild- nisse. Dominik Dröscher: Nachruf auf den Pfarrer Franz Anton Helin in Amoltern. S. 310—311. Dominik Dröscher: Wertschätzung des Wettersegens im 18. Jahrh. S. 311—312. H. Göring: Notiz aus dem Totenbuch der Gemeinde Schwarzach. S. 312. Heinrich Feur- stein: Die Heiligenpatronate in ihrer Bedeutung für die älteste Pfarrgeschichte. S. 313—316. Hinweis auf den häufigen Wechsel der Kirchenpatrone in ältester Zeit und ihre Bedeutung für die Erschliessung besitzrechtlicher Verhältnisse. Notwendigkeit einer genauen Ermittelung der ursprünglichen Patrone für jede einzelne Pfarrei für das gesamte fränkische Invasionsgebiet Süddeutschlands, einschliesslich der schwäbischen Teile der Schweiz und Vorarlbergs. Aufforderung zur Mitarbeit und Winke für dieselbe. Adolf Rösch: Zur kirchlichen Statistik der Erzdiözese Freiburg. S. 317—367. Karl Rieder: Die kirchengeschichtliche Literatur Badens in den Jahren 1912 und 1913. S. 368—381. Literarische Anzeigen. S. 382—386. Bericht über das Vereinsjahr

1913/14. S. 387 390.

Mannheimer Geschichtsblätter. XV. Jahıg. Nr. 11/12. Ernst v. Nischer: Julians Feldzüge am Rhein (356—361). Sp. 194—205 (Fortsetzung; s. diese Zs. NF. XXIX, 718). Die Feldzüge der Jahre 358—361. Friedrich Walter: Mann- heimer Einquartierung im Kriegsjahre 1815. Sp. 206—211. Auszüge aus dem Tagebuche des Sekretärs der städtischen Ein-

Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. N.F. XXX. ı. 9

118 Zeitschriftenschau und Literaturnotizen.

quartierungskommission. Kleine Beiträge. Karl Christ: Das Weinheimer Landkapitel im 18. Jahrhundert. Sp. 211 212. Berg—op—Zoom. Sp. 212—213. Inschrift- tafel von 1822 in Scharhof. Sp. 213—214. Hermann Häring: Zur Berufung des Theologen H. E. G. Paulus nach Heidelberg. Sp. 214—216. Abdruck eines Briefes von Paulus an den badischen Geheimen Hofrat Dominicus Ring. Neuerwerbungen und Schenkungen. Sp. 216.

Neue Heidelberger Jahrbücher. Band XVIII, Heft 2. Martin Josef Funk: Der Kampf der merkantilistischen mit der physiokratischen Doktrin in der Kurpfalz. S. 103—200. Schildert auf Grund einer umfangreichen Literatur und der in dem Speyrer Kreisarchiv und dem Karlsruher General- landesarchiv aufbewahrten Archivalien die Stiftung und die weitere Entwicklung der »Kurpfälzisch physikalisch-ökonomischen Gesell- schaft«e und der aus ihr hervorgegangenen »Kameral-Hoheschule« zu Kaiserslautern (1777— 1784) und »Staatswirtschafts-Hoheschule« zu Heidelberg (1784—1803), unter besonderer Berücksichtigung der an diesen Schulen gelehrten staats- und volkswirtschaftlichen Theorien und der von ihnen entfalteten praktischen Wirksam- keit. Samuel Brandt: Zur Geschichte einer Tacitus- ausgabe. S. 201—209. Wie Brandt überzeugend nachweist, ist die 1638 unter dem Namen des bekannten Strassburger Uni- versitätsprofessors Matthias Bornegger erschienene Ausgabe in der Hauptsache ein Werk seines Schwiegersohnes Johann Freinsheim, des berühmten spätern Heidelberger Universitäts- professors.

Jahrbuch für Geschichte, Sprache und Literatur Elsass- Lothringens: XXX. Jahrgang. 1914. t Menges: Das Ober- gericht zu Stundweiler im Kreis Weissenburg. S. 14 24. Abdruck und Erläuterung einer undatierten Aufzeichnung, die sich abschriftlich (»aus den uralten bei dem Oberamt Lauter- burg befindlichen Kellereischriften gezogen«) im Pfarrarchiv zu Stundweiler befindet. Frankhauser: Briefe von Gottlieb Konrad Pfeffel an Friedrich Dominikus Ring. S. 25—124. Gibt zunächst nach den in der Freiburger Universitätsbibliothek befindlichen Originalen den Briefwechsel bis zum Anfang des Jahres 1763 bekannt; die vollständig wiedergegebenen Stücke sind für die Kenntnis Pfeffels in hohem Grade charakteristisch. Wendling: Zur Biographie G. D. Arnolds. S. 125—132. Auszüge aus Briefen von Görres und Jakob Grimm, die von Arnolds Beziehungen zu Vertretern der jüngeren deutschen Romantik Kunde geben. -— Marckwald: Beiträge zur Lebens- geschichte G. D. Arnolds. S. 133—135. Kleinigkeiten. Behrend: Wolfhart Spangenberg. S. 136—160. Würdigung des Dichters, dessen Werke aus seiner Arbeit für das akademische

Zeitschriftenschau und Literaturnotizen. 119

Theater und durch sein Wirken als Meistersänger und für die Meistersänger entstanden sind. Beigegeben sind drei Meister- gesänge aus der Frühzeit und ein Lobspruch von 1609; weitere Verdichtungen sollen folgen. Wendling: Görres’ Reise ins Elsass 1818. S. 161—166. Sucht die Zeit festzustellen (Ankunft in Strassburg wahrscheinlich am ı3. November). Walter: Burgen und Adel im Sulzmattertal. S. 167—198. Hübscher, auf archivalischer Grundlage ruhender Überblick über die Schicksale der aussergewöhnlich zahlreichen Geschlechter des Tals und ihres Besitzes. Müller: Die elsässischen Deutchordenskommenden im Jahre 1414. S. 199—251. Abdruck der an Ort an Stelle abgehörten Jahresrechnungen der Kommenden Mülhausen, Gebweiler, Sundheim, Kaysersberg, Andlau und Strassburg, deren Quellenwert um so höher ist, als sich aus dem Mittelalter nur wenige Nachrichten über den Deutschorden im Elsass erhalten haben. Aus einem Kopierband im Kgl. Württemberg. Staatsfilialarchiv zu Ludwigsburg, mit Orts- register und Glossar. Beemelmans: Dr. Blasius Spiess und seine Bücher. S. 252—281. Abdruck des Vermögens- inventars des 1584 verstorbenen Würzburger Rechtsgelehrten, das in einer von seinen elsässischen’ Angehörigen beim Zaberner Hofgericht eingereichten Prozesschrift enthalten ist. Eingehende Nachweise zu den zahlreich vorhandenen Büchern, deren Schicksal unbekannt ist. Krämer: Ein »Frantzosen-Vatterunser« aus dem Jahre 1790. S. 282—284. Gibt eine wohl zu Saar- gemünd angeschlagene Bitte an den König um Gewährung weiterer Reformen bekannt.

Öffentliche Kunstsammlung in Basel. 66. Jahresbericht. Neue Folge 10. Dem von dem Konservator Professor Dr. Paul Ganz erstatteten Jahresberichte, S. 1—33, ist u. a. zu entnehmen, dass von den »Handzeichnungen Hans Holbeins d. J.«, die P. Ganz herausgibt, im Berichtsjahre die Lieferungen ọ— 15 erschienen sind und die Veröffentlichung eines Werkes über »die Buchmalerei in den Basler Sammlungen« von Konr. Escher bevorsteht. Nach einem Beschluss des Schweizer Museenver- bandes soll künftig erstmals ıgı4 ein »Jahrbuch für Schweizer Kunst und Kunstpflege« ausgegeben werden. Unter den Erwerbungen sei hier auf eine Federzeichnung des Meisters von Messkirch hingewiesen, den Entwurf des von dem Grafen von Zimmern 1538 für die Stadtkirche zu M. gestifteten Renaissancealtars,. Paul Ganz, Die Professor Joh. Jak. Bachofen-Burckhardt-Stiftunge. S. 45—89. Würdigung der im wesentlichen von der kunstsinnigen Stifterin Frau Luise Bachofen-B. zusammengebrachten, heute 306 Gemälde umfassen- den kostbaren Sammlung, die späterhin in dem Neubau des Kunstmuseums Aufnahme finden soll und dessen Bestände um ein Viertel vermehren wird. Ihre Hauptbedeutung besteht in

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120 Zeitschriftenschau und Literaturnotizen.

den Werken der älteren deutschen und niederländischen Malerei vom 15.— 18. Jahrhundert, die reichlich und vortrefflich vertreten ist. Wichtig und wertvoll ist aber auch der Zuwachs, den die in der Basler Kunsthalle bisher nur spärlich und mit wenigen Ausnahmen, auch nur mässig vertretenen Abteilungen der ita- lienischen und französischen Kunst durch die Schenkung erfahren.

Als Eduard Heydenreichs »Familiengeschichtliche Quellen- kundes 1909 erschien, wurde des verdienstlichen Buches auch an dieser Stelle anerkennend gedacht (NF. XXIV, S. 531 ff.). Nach zwei Jahren schon war die erste Auflage vergriffen, ein Beweis, wie sehr es einem Bedürfnisse weiter Kreise entsprach. Der Wunsch nach einer Neuauflage machte sich geltend, und Autor und Verleger trugen ihm Rechnung. Seit kurzem liegt diese vor. Aus dem einen Bande von 517 Seiten sind zwei mit ins- gesamt 881 Seiten geworden. Das Werk, das nunmehr als »Handbuch der praktischen Genealogie: (Leipzig, Degener) bezeichnet wird, ist durchweg auf breiterer Basis aufgebaut und nach den verschiedensten Richtungen hin ergänzt und verbessert worden. Grössere neue Abschnitte über Genealogie und Rechts- wissenschaft, genealogische Tabellen, Genealogie und Sozial- wissenschaft, Familiengeschichte und Topographie u. a., die sach- kundige Gelehrte, wie v. Dungern, Forst-Battaglia, A. Tille u. a. als Mitarbeiter übernahmen, sind hinzugetreten. Neu und wert- voll ist ferner die Zusammenstellung der familiengeschichtlichen, genealogischen, sphragistischen und heraldischen Sammlungen in Bibliotheken, Museen und Archiven, auch ausserhalb Deutsch- lands. Hingewiesen sei weiter noch auf die Abschnitte über Familienfideikommissakten, über das Porträt, auf die ergänzenden Ausführungen über archivalische Quellen (Partezettel, Patenzettel, Totenzettel usw.), auf die Übersicht über Schülerverzeichnisse deutscher Mittelschulen und Alte-Herren-verzeichnisse. So ist ein Werk echten deutschen Gelehrtenfleisses entstanden, aus- gezeichnet durch Sorgfalt und Gründlichkeit, von staunenswerter, fast erschöpfender Vollständigkeit, unentbehrlich als zuverlässiger Helfer und Berater für Jeden, der sich mit Personen- und Familiengeschichte beschäftigt. K. 0.

F. Wündisch, Geschichtsübersicht für Elsass- Lothringen. Strassburg, Du-Mont Schauberg 1914. VI, 1318.

Der Plan, die Geschichte des Reichslands Elsass-Lothringen und der darin aufgegangenen ehemaligen Territorien bis zur Gegenwart auf wissenschaftlicher Grundlage in einer zusammen- fassenden, in Tabellenform gehaltenen Übersicht darzustellen, ist angesichts des Mangels einer durchweg geschichtlich bedingten Einheit und Geschlossenheit im Entwicklungsgange des ganzen in Betracht kommenden Gebiets und der verwirrenden Viel-

Zeitschriftenschau und Literaturnotizen. 121

gestaltigkeit des territorialen Lebens, nicht minder aber auch angesichts des gewaltigen Umfangs und der völligen Zersplitterung der heranzuziehenden Literatur, sowie des trotz dieser eifrigen publizistischen Tätigkeit keineswegs überall erfreulichen Stands der Forschung ein entsagungsvolles und mühseliges, darum aber um so dankenswerteres und nützlicheres Unternehmen, das m. W. in dem vorliegenden Büchlein zum erstenmal ernsthaft angefasst worden ist. Wenn ich auch daher dem Verfasser schon mit Rücksicht darauf, dass er ein geschichtlich interessierter Laie ist, ein Anrecht auf weitgehende Nachsicht zubillige, so sehe ich mich doch bei näherer Prüfung ausserstande, in die ihm an anderer Stelle (vgl. Strassburger Post 1914, Nr. 84; Jahrb. f. lothr. Gesch. 25, S. 549 f.) für seine Leistung in überreichem Masse zuerteilten Lobsprüche einzustimmen. Ich verkenne nicht, dass die Arbeitsweise des Verfassers, die sich in dem Werkchen geltend macht, in doppelter Hinsicht anerkennenswerte Eigen- schaften aufweist: einmal in dem Streben nach einer klaren, straffen und einheitlichen Auswahl und Gliederung des Stoffs unter möglichster Verknüpfung der Lokal- und Territorial- geschichte mit dem grossen Gang der geschichtlichen Entwick- lung des deutschen Reichs und seiner westlichen Nachbarnstaaten, andererseits in dem redlichen Bemühen, im Gegensatz zu einem grossen Teil der lokalen Literatur auch die neuesten Ergebnisse der historischen Forschung heranzuziehen und zu verwerten. Aber damit ist noch nicht gesagt, dass er darin vom Erfolg begünstigt und imstande gewesen ist, seine Absicht auch wirklich durchzuführen. |

In ersterem Punkte wird man dem Verfasser ein gewisses Geschick nicht abstreiten können. Er hat das Werkchen in drei grosse Abteilungen zerlegt. Die erste, die bis zum Beginn der Franzosenzeit reicht, führt uns zunächst in 5 Abschnitten, der historischen Entwicklung entsprechend, die Geschicke von Elsass und Lothringen gemeinsam vor Augen bis zu ihrer end- gültigen Trennung im Anfang des 10. Jahrhunderts, sodann in einem weiteren Abschnitt die Schicksale des Herzogtums Lothringen bis zu seinem Übergang an Frankreich (1766) und in den beiden letzten Kapiteln die Geschichte des Elsass als eines Bestandteils des Herzogtums Schwaben und nach dessen Auflösung als eines Konglomerats verschiedener reichsunmittel- barer Territorien bis zum Westfälischen Friedensschlusse. In der 2. Abteilung werden die Geschicke der wichtigsten Einzel- gebiete durchgegangen, in der 3. der französische Zeitraum bis 1870 und die Entwicklung des Reichslands bis zur Gegenwart. Doch muss hier gleich hervorgehoben werden, dass es W. nicht gelungen ist, Abteilung I u. III mit II, wo er naturgemäss an anderer Stelle Gebrachtes des öfteren wiederholen musste, recht in Einklang und Zusammenhang zu bringen. Eine Angabe wie die folgende (S. 31): »ı136 Schlacht am Kochersberg« ist völlig

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Weruos. WEOL WEO WK Zusteict au È., Du verwiesen werden, wi Ger Veriasser pe: as Lusammerstehung der für das Bistum >tzassbuie wicnugel Jate as meiche Lreienis mit der Bemer- sun „Ver Bisno? peser Herzog Friedrich bei Gugenheim« etwas DuC Gamm ae frühere, Notiz erst Inbalt und Wert giaa Lvenst wenig amne i. 1. die Einsetzung königlicher Frawien.. dee au’ 5. 22. fir Soasspurc erwähnt wird, in der 5: omeilmug volie ÜberscnseL weraen, Ga dieses Amt doch au im dee ennaii eencuafen wurde. Auch scheint mir ie Verneinung aes Sipfies uuler die verschiedenen Abteilungen seit. ML eILWELITeE ZE Seil: Mabches, was in II unter- genacı! zeuörie, buas asl IL l uni 1] nnd umgekehrt. (Wenn guugens W, we Nour ze irta CMosbem wieder bischöflich« no auimiuper wolne. hate er zum mindesten vorher darauf niweisel bouel. Gast M. sen oem Ansrane des 12. Jahrh. ein nehireiz ZWislueL Rainer und Jusim gewesen ist.) Des voii aB BIE W., ze, Antasscne Ser einzelnen Notizen über wet Lyser beine Werkes Lu recm kiar veworden. Dass es vet lu WI eine Ar hepenioriem Tür einen allgemein bekannten em era. bonner wWjernehr rm einen Führer durch ein u Qt probbeL TeL seirer Leser viir nenes Gebiet handelte, ara LILE er Goih wil von Arlarz an nicht im Zweifel z “ae: ourien LILI selizlich aile Tatsachen um der Tat- ost pun Kerzen um cer Namen wilien angeführt, son- ww eg Züskien anib Ursache und Wirkung hervorgehoben sA yr eriärerle Nouzen in aler Kürze gegeben werden, Mag 3... ugn eine Beschränkung der Zahl der angeführten ra At 1420 aurzieichen lassen. So sind denn Angaben wie + 4, -4142 Zeitarer der Kreuzrüse. Mönch Rudolf (S. 31), „rt 32,7 Rann Waäin Reichsschuitheisse (ebenda), »127)5 AtA Kss von Habsburg gegen den Bischof von Basel sur wertoser Ballast, da sie dem Laien nichts may’, Art gegen die von dem Verfasser getroffene Aus- pen sáa ih manches einwenden. So hätte z. B. zu 1504 voL a.f nen Vfalzgrafenkrieg hingewiesen werden dürfen; in

A,s,.ung geschieht mit keinem Worte des wichtigen I nn ar bendang (d’Angervillier!) Erwähnung, während uns hagad 354hhr.ber Generalgouverneure, die doch eine rein deko- er rk sarden, aufgezählt werden. Andererseits hätte sich vr 409. mwe Wekenlose Anführung der ältesten Strassburger 0%, 0 enen uns doch nichts als der Name bekannt ist, sat sr, ebenso auch die in ihrer Überfülle nur dem Landareei verständlichen Geschlechtstabellen der Hugo- oh FVozisheiiser) und der Ardennengrafen, wenngleich anzu- kennen Ist, dass der Verfasser diesen für die ältere Geschichte bedeutungsvollen Geschlechtern nähere Berücksichtigung hat zuteil werden lassen,

Zeitschriftenschau und Literaturnotizen. 123

Im zweiten Punkte der Verwertung der Ergebnisse der neueren Forschung hat W. das gilt namentlich für die ältere Zeit eine wenig glückliche Hand gehabt. Man kann

sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die zahlreichen Literatur- angaben, die das Werkchen enthält, oft nur äusserlich angehängt, dagegen für den Text selbst nicht fruchtbar gemacht worden sind. Daher würde sich wohl auch erklären, dass sie ziemlich wahllos zusammengestellt sind und vielen unnützen Ballast auf- weisen, während manches Wertvolle fehlt. Die gleiche Ursache wird wohl auch zugrunde liegen, wenn W. z. B. auf S. 67 zum Jahre 639 die Notiz bringt »Errichtung des selbständigen Bis- tums Strassburg«e, obwohl docł der auf der gleichen Seite von ihm angeführte Aufsatz Wentzckes über die älteste Geschichte der Strassb. Kirche ihn über die Wertlosigkeit dieser aus der Literatur des 17. Jahrh. übernommenen Angabe hätte aufklären können! Ebenso hätte der Verf. manchen Irrtum Grandidiers in der älteren Geschichte des Strassb. Bistums (z. S. 68) nicht wieder aufwärmen dürfen, wenn er wirklich die von ihm genannten Regesten der Bischöfe verwertet hätte; desgleichen ist auch die Darstellung der Verfassungsgeschichte der Stadt Strassburg (S. f.) verfehlt. Wie diese wenigen angeführten Beispiele beweisen, geht dem Verf. offenbar das nötige kritische Schei- dungsvermögen ab.

Man wird nach alledem das Werkchen, dessen Plan gewiss lobenswert ist, bis auf weiteres nicht für den Gebrauch in Schule und Haus empfehlen können, wenn nicht der Verf. es zuvor einer gründlichen Überarbeitung und Säuberung unterzieht. Vor- läufig wird es nur für den Forscher und den geschichtlich ge- bildeten Laien, der die Spreu vom Weizen zu trennen imstande ist, als nicht unwillkommenes Hilfsmittel zu einer ersten, flüch- tigen Orientierung in Betracht kommen. Karl Stenzel.

Georg Strach, Der keltische und römische Einfluss auf den Städtebau im Elsass. Mit 26 Kartentafeln. Berlin, R. v. Deckers Verlag, 1912. VI u. 114 S.

Es ist eine reizvolle Aufgabe, aus dem Grundriss eines Dorfes oder einer Stadt die ursprüngliche Anlage herauszuschälen und von hier aus Rückschlüsse auf die. Entstehung und nach- malige Entwicklung des Ortes zu ziehen. Die Anfänge mensch- licher Siedelung, grundlegend für alle Zeit, aber nur selten durch direkte Nachrichten erhellt, werden im Lichte solcher Betrach- tung zu historischem Leben erweckt.

Vorliegende Arbeit, eine bei der Technischen . Hochschule zu Darmstadt eingereichte Dissertation, bemüht sich an der Hand der Grundrisse den keltischen und römischen Einfluss auf den Städtebau im Elsass festzustellen. Die Ausbeute ist sehr ver- ‚schieden: für die keltische Zeit nur gering, für die römische

114 Miszellen.

Es ist die Zeit der Hirschbrunft, für unsern Gewährsmann offenbar ein ungewohntes Schauspiel, das er ausführlich schildert. Um den Kampf der Tiere besser aus der Nähe beobachten zu können, ist im Walde eine mit Baumrinde verkleidete auf vier Pfählen ruhende und mit Glasfenstern versehene Hütte errichtet, in der die Gesellschaft sich, bis die Hirsche kommen, die Zeit mit Kartenspiel vertreibt. Nach der Jagd geht man zu Tisch; man speist in der »Nymphenhüttes, einem 1668 von Ferdinand Maximilian erbauten Jagdhause bei Bruchhausen, das längst wieder verschwunden ist!).

»C’est un corps de logis heisst es von ihm presque carré, maison de cinquante huit sur 40 piedz quy ma quvn estage. Le milieu est une dome octogone, soustenu de huict piliers dont les bazes, les corps et les autres ornemans sont de- uestus d’escorce de chesnes, a chacune des faces en haut sont les portraitz de quatre princes vestus en chasseurs et de quattre princesses representans Diane et ses nimphes. Les deux entrées de ce bastiment vis a vis vne et lautre respondent dans ce dome, a la gauche en entrant est la cuisine quy est separce par vne petite allée d’une salle ou mangent les dames et les gentishommes de la Cour, a la droite est la salle ou les princes et les princesses mangent et a costé est vne chambre avec vn poesle pour quand il fait froid ou ils peuuent estre en leur particulier. Les trois coins du rond du dome seruent l’vn pour le buffet, ayant vne grand ouuerture dans la grande salle par ou lon donne a boire; l’autre du mesme costé sert de garderobe pour les dames a coste de leur chambre, le troiziesme sert de caue ou lon met le vin, le quattriesme est du contenu de la cuisine<?). |

Von Jagdbräuchen wird berichtet: wer einen Hirsch fehlt, muss, wenn es ein Prinz ist, einen Dukaten, ein Adeliger 30 Heller, an die Jäger zahlen und zur Busse einen dürren Zweig so lange auf seinem Hut tragen, bis einem andern das gleiche Miss- geschick begegnet. Wer einen Hirsch dagegen trifft, darf sich einen grünen Eichenzweig aufstecken und ihn den ganzen Tag, auch beim Tanze, tragen. Wilddiebe, die zum ersten- oder zweitenmal auf verbotener Hirschjagd betroffen werden, haben eine Geldstrafe zu zahlen; werden sie aber wiederum rückfällig, so befestigt man ihnen am Kopfe ein Hirschgeweih (bois de cerf), das sie nicht abnehmen können und Tag und Nacht tragen müssen, widrigenfalls sie an den Galgen kommen.

1) Das Jagdhaus lag nördlich von Bruchhausen am Waldrande, in der Gegend des heutigen Exerzierplatzes. Eine Schilderung der Einweihung nebs! einer Aquarellansicht enthält die Handschrift Rastatt 93 der Grossh. Hof und Landesbibliothek. ?) Beigefügt sind dem Texte Auf- und Grundriss in Federzeichnung.

Miszelle. 115

Der grausame Brauch, wonach Wildfrevier mit Stricken auf einen starken Hirsch gebunden und ihrem Schicksal überlassen werden, wird in der Markgrafschaft nicht geübt. Er bestand aber, wie Prinz Ludwig Wilhelm dem Franzosen erzählt, vor kurzem noch in Sachsen, wo sein Grossvater, Markgraf Wilhelm, in den Kriegszeiten mit seinem Gefolge einst einen der Unglück- lichen, halb zerfetzt und halb tot in einem Walde getroffen und aus seiner furchtbaren Lage befreit habe.

Ein festliches Nachtmahl mit nachfolgendem Tanz beschliesst die Jagd; am anderen Morgen kehrt die ganze Gesellschaft nach Baden zurück. Damit enden auch die vorliegenden Auf- zeichnungen.

Karlsruhe. K. Oöser.

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Zeitschriftenschau und Literaturnotizen.

Mein Heimatland. ı. Jahrgang. Heft 4 u. 5. Werner Kümmel: Die Steinbrüche am Hohenstoffeln. S. 97 —100. Ernst Fehrle: Bilder aus Mosbach. S. ıoı 106. Mosbach als Stadtbild. F. Landes: Das »Gutleut«- Haus und -Kapelle zu Mosbach. S. 107—110. Über die bau- und kunstgeschichtliche Bedeutung der beiden Bauten. Fritz Landes: Biedermeierpoesie auf Mosbacher Schützenscheiben. S. 110—-ı13. Th. Reinhard: Fast- nacht im südlichen Odenwald. S. 113—114. Eugen Fehrle: Der magische Kreis. S. 115. Magische Kreise dienen nach einem auch in Baden weitverbreiteten Aberglauben zur Fernhaltung von Krankheiten und gefährlichen Tieren. Walter Zimmermann: Die Eidechse im badischen Volks- munde. S. 116—117. K. August Maier: Das Maifest in Knielingen. S. 117—118. Die 6. Landesversamm- lung des Vereins Badische Heimat. Überlingen, 6. und 7. Juli 1914. S. 119-128,

Freiburger Diözesan-Archiv. Neue Folge. XV. (der ganzen Reihe 42.) Band. Joseph Elble: Die Einführung der Reformation im Markgräfler Land (1556—1561). S. —110. Behandelt auf Grund der Karlsruher, Innsbrucker und Münchner Akten die unter Markgraf Karl Il. unter der Leitung von Simon Sulzer erfolgte Einführung der Reformation und ihre Wirkungen, wobei ‚freilich zu bemerken ist, dass die Visitations- protokolle eine zuverlässige Statistik nicht gestatten. Der Wider- stand bei dem Klerus und der Bevölkerung erlahmt von Jahr zu Jahr, wird aber fortgesetzt von Seiten der kathol. Prälaten und des Kaisers. Joseph Riegel: Bischof Salomo ]. von Konstanz und seine Zeit. S. 111—188. Schildert Leben und Wirken des hochbedeutenden Kirchenfürsten, seine Tätigkeit innerhalb der Diözese und seine Sorge für Herstellung geord- neter Zustände, seine Stellung in der deutschen Nationalkirche und am Hofe Ludwigs des Deutschen. Karl Rögele: Dr. Heinrich von Brentano, Geistlicher Rat und Aposto- lischer Vikar. S. 189— 296. Aufgewachsen in den Anschau-

Zeitschriftenschau und Literaturnotizen. 117

ungen des Josefinismus, ein Schüler Sailers und Freund von Christoph v. Schmid, kam Br. früh in einflussreiche Stellung nach Stuttgart, wurde dann, als er 1808 auf eine auch heute noch nicht genügend geklärte Weise in Ungnade fiel, Pfarrer zu Radolf- zell und späterhin zu Löffingen und starb zu Freiburg 1831. Das Leben dieses wenig zum Vorbild geeigneten Priesters, dessen Wesen, voll starker Widersprüche, bedenklich ans Pathologische streift, bildet eine fortlaufende Kette unerquicklicher Streitig- keiten, in die er mit aller Welt gerät und ohne die er nicht auskommen kann. Eine der wenigen Lichtseiten bildet seine verdienstliche, eifrige Fürsorge für Schule und Unterricht. Im übrigen darf man es m. E. nur als ein Glück bezeichnen, dass dem Vorschlag seines alten Gönners Papst Leo XII., der ihn an erster Stelle als Kandidaten für den Freiburger erzbischöflichen Stuhl benannte, nicht entsprochen wurde. Kleinere Mit- teillungen. Ant. Wetterer: Das Kollationsrecht der ehe- maligen: Fürstbischöfe von Speier. S. 297—301. Nach dem Stande von 1797. Peter Zierler: Der Exorcist P. Engelbert von Dillingen. S. 302—308. Nachrichten über sein Leben (t 1779) und sein »Less-Kranken- und Bettbuch«. Karl Seeger: Der Taufstein in der Pfarrkirche zu Möhringen. S. 308—310. Erklärung der Wappen und Bild- nisse. Dominik Dröscher: Nachruf auf den Pfarrer Franz Anton Helin in Amoltern. S. 310— 311. Dominik Dröscher: Wertschätzung des Wettersegensim 18. Jahrh. S. 311—312. H. Göring: Notiz aus dem Totenbuch der Gemeinde Schwarzach. S. 312. Heinrich Feur- stein: Die Heiligenpatronate in ihrer Bedeutung für die ‚älteste Pfarrgeschichte S. 313—316. Hinweis auf den häufigen Wechsel der Kirchenpatrone in ältester Zeit und ihre Bedeutung für die Erschliessung besitzrechtlicher Verhältnisse. Notwendigkeit einer genauen Ermittelung der ursprünglichen Patrone für jede einzelne Pfarrei für das gesamte fränkische Invasionsgebiet Süddeutschlands, einschliesslich der schwäbischen Teile der Schweiz und Vorarlbergs. Aufforderung zur Mitarbeit und Winke für dieselbe. Adolf Rösch: Zur kirchlichen Statistik der Erzdiözese Freiburg. S. 317—367. Karl Rieder: Die kirchengeschichtliche Literatur Badens in den Jahren ıgı2 und 1913. S. 368—381. Literarische Anzeigen. S. 382— 386. Bericht über das Vereinsjahr

1913/14. S. 387 390.

Mannheimer Geschichtsblätter. XV. Jahıg. Nr. 11/12. Ernst v. Nischer: Julians Feldzüge am Rhein (356—361). Sp. 194—205 (Fortsetzung; s. diese Zs. NF. XXIX, 718). Die Feldzüge der Jahre 358—361. Friedrich Walter: Mann- | heimer Einquartierung im Kriegsjahre 1815. Sp. 206—211. Auszüge aus dem Tagebuche des Sekretärs der städtischen Ein-

Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. N.F. XXX. ı. 9

118 Zeitschriftenschau und Literaturnotizen.

quartierungskommission. Kleine Beiträge. Karl Christ: Das Weinheimer Landkapitel im 18. Jahrhundert. Sp. 211 212. Berg—op— Zoom. Sp. 212—213. Inschrift- tafel von 1822 in Scharhof. Sp. 213—214. Hermann Häring: Zur Berufung des Theologen H. E. G. Paulus nach Heidelberg. Sp. 214—216. Abdruck eines Briefes von Paulus an den badischen Geheimen Hofrat Dominicus Ring. Neuerwerbungen und Schenkungen. Sp. 216.

Neue Heidelberger Jahrbücher. Band XVIII, Heft >. Martin Josef Funk: Der Kampf der merkantilistischen mit der physiokratischen Doktrin in der Kurpfalz. S. 103—200. Schildert auf Grund einer umfangreichen Literatur und der in dem Speyrer Kreisarchiv und dem Karlsruher General- landesarchiv aufbewahrten Archivalien die Stiftung und die weitere Entwicklung der »Kurpfälzisch physikalisch-ökonomischen Gesell- schaft« und der aus ihr hervorgegangenen »Kameral-Hoheschule« zu Kaiserslautern (1777— 1784) und »Staatswirtschafts-Hoheschule« zu Heidelberg (1784—1803), unter besonderer Berücksichtigung der an diesen Schulen gelehrten staats- und volkswirtschaftlichen Theorien und der von ihnen entfalteten praktischen Wirksam- keit. Samuel Brandt: Zur Geschichte einer Tacitus- ausgabe. S. 201—209. Wie Brandt überzeugend nachweist, ist die 1638 unter dem Namen des bekannten Strassburger Uni- versitätsprofessors Matthias Bornegger erschienene Ausgabe in der Hauptsache ein Werk seines Schwiegersohnes Johann Freinsheim, des berühmten spätern Heidelberger Universitäts- professors.

Jahrbuch für Geschichte, Sprache und Literatur Elsass- Lothringens: XXX. Jahrgang. 1914. } Menges: Das Ober- gericht zu Stundweiler im Kreis Weissenburg. S. 14 24. Abdruck und Erläuterung einer undatierten Aufzeichnung, die sich abschriftlich (»aus den uralten bei dem Oberamt Lauter- burg befindlichen Kellereischriften gezogen«) im Pfarrarchiv zu Stundweiler befindet. Frankhauser: Briefe von Gottlieb Konrad Pfeffel an Friedrich Dominikus Ring. S. 25—124. Gibt zunächst nach den in der Freiburger Universitätsbibliothek befindlichen Originalen den Briefwechsel bis zum Anfang des Jahres 1763 bekannt; die vollständig wiedergegebenen Stücke sind für die Kenntnis Pfeffels in hohem Grade charakteristisch. Wendling: Zur Biographie G. D. Arnolds. S. 125—132. Auszüge aus Briefen von Görres und Jakob Grimm, die von Arnolds Beziehungen zu Vertretern der jüngeren deutschen Romantik Kunde geben. Marckwald: Beiträge zur Lebens- geschichte G. D. Arnolds. S. 133—135. Kleinigkeiten. Behrend: Wolfhart Spangenberg. S. 136—160. Würdigung des Dichters, dessen Werke aus seiner Arbeit für das akademische

Zeitschriftenschau und Literaturnotizen. IIQ

Theater und durch sein Wirken als Meistersänger und für die Meistersänger entstanden sind. Beigegeben sind drei Meister- gesänge aus der Frühzeit und ein Lobspruch von 1609; weitere Verdichtungen sollen folgen. Wendling: Görres’ Reise ins Elsass 1818. S. 161—166. Sucht die Zeit festzustellen (Ankunft in Strassburg wahrscheinlich am ı3. November), Walter: Burgen und Adel im Sulzmattertal. S. 167—198. Hübscher, auf archivalischer Grundlage ruhender Überblick über die Schicksale der aussergewöhnlich zahlreichen Geschlechter des Tals und ihres Besitzes. Müller: Die elsässischen Deutchordenskommenden im Jahre 1414. S. 199—251. Abdruck der an Ort an Stelle abgehörten Jahresrechnungen der Kommenden Mülhausen, Gebweiler, Sundheim, Kaysersberg, Andlau und Strassburg, deren Quellenwert um so höher ist, als sich aus dem Mittelalter nur wenige Nachrichten über den Deutschorden im Elsass erhalten haben. Aus einem Kopierband im Kgl. Württemberg. Staatsfilialarchiv zu Ludwigsburg, mit Orts- register und Glossar. Beemelmans: Dr. Blasius Spiess und seine Bücher. S. 252—281. Abdruck des Vermögens- inventars des 1584 verstorbenen Würzburger Rechtsgelehrten, das in einer von seinen elsässischen’ Angehörigen beim Zaberner Hofgericht eingereichten Prozesschrift enthalten ist. Eingehende Nachweise zu den zahlreich vorhandenen Büchern, deren Schicksal unbekannt ist. Krämer: Ein »Frantzosen-Vatterunser« aus dem Jahre 1790. S. 282—284. Gibt eine wohl zu Saar- gemünd angeschlagene Bitte an den König um Gewährung weiterer Reformen bekannt.

Öffentliche Kunstsammlung in Basel. 66. Jahresbericht. Neue Folge 10. Dem von dem Konservator Professor Dr. Paul Ganz erstatteten Jahresberichte, S. 1—33, ist u. a. zu entnehmen, dass von den »Handzeichnungen Hans Holbeins d. ].«, die P. Ganz herausgibt, im Berichtsjahre die Lieferungen 9—15 erschienen sind und die Veröffentlichung eines Werkes über »die Buchmalerei in den Basler Sammlungen« von Konr. Escher bevorsteht. Nach einem Beschluss des Schweizer Museenver- bandes soll künftig erstmals 1914 ein »Jahrbuch für Schweizer Kunst und Kunstpflege« ausgegeben werden. Unter den Erwerbungen sei hier auf eine Federzeichnung des Meisters von Messkirch hingewiesen, den Entwurf des von dem Grafen von Zimmern 1538 für die Stadtkirche zu M. gestifteten Renaissancealtars,. Paul Ganz, Die Professor Joh. Jak. Bachofen -Burckhardt-Stiftung«e S. 45—89. Würdigung der im wesentlichen von der kunstsinnigen Stifterin Frau Luise Bachofen-B. zusammengebrachten, heute 306 Gemälde umfassen- den kostbaren Sammlung, die späterhin in dem Neubau des Kunstmuseums Aufnahme finden soll und dessen Bestände um ein Viertel vermehren wird. Ihre Hauptbedeutung besteht in

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120 Zeitschriftenschau und Literaturnotizen.

den Werken der älteren deutschen und niederländischen Malerei vom 15.— 18. Jahrhundert, die reichlich und vortrefflich vertreten ist. Wichtig und wertvoll ist aber auch der Zuwachs, den die in der Basler Kunsthalle bisher nur spärlich und mit wenigen Ausnahmen, auch nur mässig vertretenen Abteilungen der ita- lienischen und französischen Kunst durch die Schenkung erfahren.

Als Eduard Heydenreichs»Familiengeschichtliche Quellen- kunde« 1909 erschien, wurde des verdienstlichen Buches auch an dieser Stelle anerkennend gedacht (NF. XXIV, S. 531 ff.). Nach zwei Jahren schon war die erste Auflage vergriffen, ein Beweis, wie sehr es einem Bedürfnisse weiter Kreise entsprach. Der Wunsch nach einer Neuauflage machte sich geltend, und Autor und Verleger trugen ihm Rechnung. Seit kurzem liegt diese vor. Aus dem einen Bande von 517 Seiten sind zwei mit ins- gesamt 881 Seiten geworden. Das Werk, das nunmehr als »Handbuch der praktischen Genealogie: (Leipzig, Degener) bezeichnet wird, ist durchweg auf breiterer Basis aufgebaut und nach den verschiedensten Richtungen hin ergänzt und verbessert worden. Grössere neue Abschnitte über Genealogie und Rechts- wissenschaft, genealogische Tabellen, Genealogie und Sozial- wissenschaft, Familiengeschichte und Topographie u. a., die sach- kundige Gelehrte, wie v. Dungern, Forst-Battaglia, A. Tille u. a. als Mitarbeiter übernahmen, sind hinzugetreten. Neu und wert- voll ist ferner die Zusammenstellung der familiengeschichtlichen, genealogischen, sphragistischen und heraldischen Sammlungen in Bibliotheken, Museen und Archiven, auch ausserhalb Deutsch- lands. Hingewiesen sei weiter noch auf die Abschnitte über Familienfideikommissakten, über das Porträt, auf die ergänzenden Ausführungen über archivalische Quellen (Partezettel, Patenzettel, Totenzettel usw.), auf die Übersicht über Schülerverzeichnisse deutscher Mittelschulen und Alte-Herren-verzeichnisse. So ist ein Werk echten deutschen Gelehrtenfleisses entstanden, aus- gezeichnet durch Sorgfalt und Gründlichkeit, von staunenswerter, fast erschöpfender Vollständigkeit, unentbehrlich als zuverlässiger Helfer und Berater für Jeden, der sich mit Personen- und Familiengeschichte beschäftigt. K. 0.

F. Wündisch, Geschichtsübersicht für Elsass- Lothringen, Strassburg, Du-Mont Schauberg 1914. VI, 131.

Der Plan, die Geschichte des Reichslands Elsass-Lothringen und der darin aufgegangenen ehemaligen Territorien bis zur Gegenwart auf wissenschaftlicher Grundlage in einer zusammen- fassenden, in Tabellenform gehaltenen Übersicht darzustellen, ist angesichts des Mangels einer durchweg geschichtlich bedingten Einheit und Geschlossenheit im Entwicklungsgange des ganzen in Betracht kommenden Gebiets und der verwirrenden Viel-

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Zeitschriftenschau und Literaturnotizen. 121

gestaltigkeit des territorialen Lebens, nicht minder aber auch angesichts des gewaltigen Umfangs und der völligen Zersplitterung der heranzuziehenden Literatur, sowie des trotz dieser eifrigen publizistischen Tätigkeit keineswegs überall erfreulichen Stands der Forschung ein entsagungsvolles und mühseliges, darum aber um so dankenswerteres und nützlicheres Unternehmen, das m. W. in dem vorliegenden Büchlein zum erstenmal ernsthaft angefasst worden ist. Wenn ich auch daher dem Verfasser schon mit Rücksicht darauf, dass er ein geschichtlich interessierter Laie ist, ein Anrecht auf weitgehende Nachsicht zubillige, so sehe ich mich doch bei näherer Prüfung ausserstande, in die ihm an anderer Stelle (vgl. Strassburger Post 1914, Nr. 84; Jahrb. f. lothr. Gesch. 25, S. 549 f.) für seine Leistung in überreichem Masse zuerteilten Lobsprüche einzustimmen. Ich verkenne nicht, dass die Arbeitsweise des Verfassers, die sich in dem Werkchen geltend macht, in doppelter Hinsicht anerkennenswerte Eigen- schaften aufweist: einmal in dem Streben nach einer klaren, straffen und einheitlichen Auswahl und Gliederung des Stoffs unter möglichster Verknüpfung der Lokal- und Territorial- geschichte mit dem grossen Gang der geschichtlichen Entwick- lung des deutschen Reichs und seiner westlichen Nachbarnstaaten, andererseits in dem redlichen Bemühen, im Gegensatz zu einem grossen Teil der lokalen Literatur auch die neuesten Ergebnisse der historischen Forschung heranzuziehen und zu verwerten, Aber damit ist noch nicht gesagt, dass er darin vom Erfolg begünstigt und imstande gewesen ist, seine Absicht auch wirklich durchzuführen. |

In ersterem Punkte wird man dem Verfasser ein gewisses Geschick nicht abstreiten können. Er hat das Werkchen in drei grosse Abteilungen zerlegt. Die erste, die bis zum Beginn der Franzosenzeit reicht, führt uns zunächst in 5 Abschnitten, der historischen Entwicklung entsprechend, die Geschicke von Elsass und Lothringen gemeinsam vor Augen bis zu ihrer end- gültigen Trennung im Anfang des 10. Jahrhunderts, sodann in einem weiteren Abschnitt die Schicksale des Herzogtums Lothringen bis zu seinem Übergang an Frankreich (1766) und. in den beiden letzten Kapiteln die Geschichte des Elsass als eines Bestandteils des Herzogtums Schwaben und nach dessen Auflösung als eines Konglomerats verschiedener reichsunmittel- barer Territorien bis zum Westfälischen Friedensschlusse. In der 2. Abteilung werden die Geschicke der wichtigsten Einzel- gebiete durchgegangen, in der 3. der französische Zeitraum bis 1870 und die Entwicklung des Reichslands bis zur Gegenwart. Doch muss hier gleich hervorgehoben werden, dass es W. nicht gelungen ist, Abteilung I u. III mit II, wo er naturgemäss an anderer Stelle Gebrachtes des öfteren wiederholen musste, recht in Einklang und Zusammenhang zu bringen. Eine Angabe wie die folgende (S. 31): »1136 Schlacht am Kochersberg« ist völlig

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wertlos, wenn wir nicht zugleich auf S. 69 verwiesen werden, wo der Verfasser bei der Zusammenstellung der für das Bistum Strassburg wichtigen Daten gas gleiche Ereignis mit der Bemer- kung »Der Bischof besiegt Herzog Friedrich bei Gugenheim« erwähnt und damit der früheren Notiz erst Inhalt und Wert gibt. Ebenso wenig durfte z. B. die Einsetzung königlicher Prätoren, die auf S. 92 f. für Strassburg erwähnt wird, in der 3. Abteilung völlig übergangen werden, da dieses Amt doch auch für die Zehnstädte geschaffen wurde. Auch scheint mir die Verteilung des Stoffes unter die verschiedenen Abteilungen nicht immer einwandfrei zu sein; manches, was in II unter- gebracht gehörte, findet sich in I und Ill und umgekehrt. (Wenn übrigens W. die Notiz zu 1274 »Molsheim wieder bischöflich« in l anbringen wollte, hätte er zum mindesten vorher darauf hinweisen sollen, dass M. seit dem Ausgang des ı2. Jahrh. ein Streitobjekt zwischen Kaiser und Bistum gewesen ist.) Des weiteren ist sich W. bei Abfassung der einzelnen Notizen über den Zweck seines Werkes nicht recht klar geworden. Dass es sich nicht um eine Art Repertorium für einen allgemein bekannten Tatsachenkreis, sondern vielmehr um einen Führer durch ein für den grossen Teil seiner Leser völlig neues Gebiet handelte, darüber konnte er doch wohl von Anfang an nicht im Zweifel sein; daher durften nicht lediglich die Tatsachen um der Tat- sachen und Namen um der Namen willen angeführt, son- dern es mussten auch Ursache und Wirkung hervorgehoben und sonst erklärende Notizen in aller Kürze gegeben werden, was sich durch eine Beschränkung der Zahl der angeführten Daten hätte ausgleichen lassen. So sind denn Angaben wie »1147— 1192 Zeitalter der Kreuzzüge. Mönch Rudolf« (S. 31), »1215—1237 Albin Wölflin Reichsschultheiss« (ebenda), »1273 Krieg Rudolfs von Habsburg gegen den Bischof von Basel: (S. 33) usw. nur wertloser Ballast, da sie dem Laien nichts besagen. Auch gegen die von dem Verfasser getroffene Aus- wahl lässt sich manches einwenden, So hätte z. B. zu 1504 ruhig auf den Pfalzgrafenkrieg hingewiesen werden dürfen; in der Ill. Abteilung geschieht mit keinem Worte des wichtigen Amts der Intendanz (d’Angervillier!) Erwähnung, während uns dagegen sämtliche Generalgouverneure, die doch eine rein deko- rative Rolle spielten, aufgezählt werden. Andererseits hätte sich W., z. B. die lückenlose Anführung der ältesten Strassburger Bischöfe, von denen uns doch nichts als der Name bekannt ist, sparen können, ebenso auch die in ihrer Überfülle nur dem Geschichtskenner verständlichen Geschlechtstabellen der Hugo- niden (Egisheimer) und der Ardennengrafen, wenngleich anzu- erkennen ist, dass der Verfasser diesen für die ältere Geschichte bedeutungsvollen Geschlechtern nähere Berücksichtigung hat zuteil werden lassen,

Zeitschriftenschau und Literaturnotizen. 123

Im zweiten Punkte der Verwertung der Ergebnisse der neueren Forschung hat W. das gilt namentlich für die ältere Zeit eine wenig glückliche Hand gehabt. Man kann

sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die zahlreichen Literatur- angaben, die das Werkchen enthält, oft nur äusserlich angehängt, dagegen für den Text selbst nicht fruchtbar gemacht worden sind. Daher würde sich wohl auch erklären, dass sie ziemlich wahllos zusammengestellt sind und vielen unnützen Ballast auf- weisen, während manches Wertvolle fehlt. Die gleiche Ursache wird wohl auch zugrunde liegen, wenn W. z. B. auf S. 67 zum Jahre 639 die Notiz bringt »Errichtung des selbständigen Bis- tums Strassburg«e, obwohl dochr der auf der gleichen Seite von ihm angeführte Aufsatz Wentzckes über die älteste Geschichte der Strassb. Kirche ihn über die Wertlosigkeit dieser aus der Literatur des 17. Jabrh. übernommenen Angabe hätte aufklären können! Ebenso hätte der Verf. manchen Irrtum Grandidiers in der älteren Geschichte des Strassb. Bistums (z. S. 68) nicht wieder aufwärmen dürfen, wenn er wirklich die von ihm genannten Regesten der Bischöfe verwertet hätte; desgleichen ist auch die Darstellung der Verfassungsgeschichte der Stadt Strassburg (S. f.) verfehlt. Wie diese wenigen angeführten Beispiele beweisen, geht dem Verf. offenbar das nötige kritische Schei- dungsvermögen ab.

Man wird nach alledem das Werkchen, dessen Plan gewiss lobenswert ist, bis auf weiteres nicht für den Gebrauch in Schule und Haus empfehlen können, wenn nicht der Verf. es zuvor einer gründlichen Überarbeitung und Säuberung unterzieht. Vor- läufig wird es nur für den Forscher und den geschichtlich ge- bildeten Laien, der die Spreu vom Weizen zu trennen imstande ist, als nicht unwillkommenes Hilfsmittel zu einer ersten, flüch- tigen Orientierung in Betracht kommen. Karl Stenzel,

Georg Strach, Der keltische und römische Einfluss auf den Städtebau im Elsass. Mit 26 Kartentafeln. Berlin, R. v. Deckers Verlag, 1912. VI u. 114 S.

Es ist eine reizvolle Aufgabe, aus dem Grundriss eines Dorfes oder einer Stadt die ursprüngliche Anlage herauszuschälen und von hier aus Rückschlüsse auf die Entstehung und nach- malige Entwicklung des Ortes zu ziehen. Die Anfänge mensch- licher Siedelung, grundlegend für alle Zeit, aber nur selten durch direkte Nachrichten erhellt, werden im Lichte solcher Betrach- tung zu historischem Leben erweckt. i

Vorliegende Arbeit, eine bei der Technischen Hochschule zu Darmstadt eingereichte Dissertation, bemüht sich an der Hand der Grundrisse den keltischen und römischen Kinfluss auf den Städtebau im Elsass festzustellen. Die Ausbeute ist sehr ver- “schieden: für die keltische Zeit nur gering, für die römische

/wtschrifienschau und Literaturnntizen.

o: ser ale Maßen gross. Wo auch immer der Stadtplan e> Nso teck mit rostförmizen Sirassenzügen oder auch nur x ren aes solchen aufweist, da nimmt der Verf. römisches

acce chema und romischen Ursprung an. Dass dieses Schema est ‚m Mittelatter durch ein Zurückgreifen auf römisches Vor- C æ istanden sei, erscheint dem Verf. im Hinbiick auf die jsir von Kirche, Rathaus und Markt insofern werig glaubhaft, x ue Mittelpunkte imittelalterlichen Lebens in einer mittelalter- ten Anlare auch an zentrale Stelle zu stehen kämen, nun ss" der Auzenschein lehrt, dass sie erst nachtraziich as Fremd- x "rer in ein schon vorhandenes, also in der Römerzeit ent- za jenes Stadtbild hineinzezwanzt worden sind. Auf Grund esser Kritenien wird ausser Städten wie Strassburg und Zabern. veren antiker Ursprung durch \Mauerreste und literarische Nacn- -<hten bereuzt ist, noch eine ganze Reihe eisässischer Ort- schatten. worunter selbst solche, die keine einzige römische bundsiatte bicher aufweisen, römiskher Herkunft und römischem Kastasıbema vindirıert. Namentich einer grösseren Anzahl der \aöesprochenen Weierorie steit der Verf. einen römischen \asscbein aus, indem er sie ais Festungs- urd Wohnorze "ser "shrbunderts anspricht, errichtet durch die zurückweicherde cosu hbe Bevö.serung zum Schutze gezen die eindrinzenden \ a \..n wird neben den andern Lösungsversuchen des Siede- syenblems auch diese Hypothesen geien lassen und mit x aufnehmen, was sie über die verschiedenen Typen x swesscher Stadtgründungen beibringen. Mit den ausschmücken- o> Linzelheiten, die der Phantasie des Autors mehr Ehre ca. ben als seiner kritischen Einsicht, wird man nicht allzu schart x Gericht gehen, weil sie sich ohne Mühe ausscheiden lassen wd au den Kern der These selbst nicht rühren. Hingegen a. man bedauern, dass der Verf. kein Material aus andern \rzelden. insbesondere aus solchen, in denen nachweislich erst whrend des AMittelaiters das Kasteiischema eingeführt wurde val. J. Flach, Etude sur les orizines et les vicissitudes histo- ugues de l'habitation en France S. zo f. in der Enquête sur les conditions de l'habitation en France Ed. II), zum Vergleich heranzient und seinen Gesichtskireis auf das Elsass beschränkt. Diese Unterlassung ist um so tadeinswerter, als der elsässische Stot nicht ausreicht, um schiüssise Resultate zu erzielen. \Vollends versagt die historische Kritik. Rietschel, der topographischen Sinr. und geschichtliche Kenntnisse in se.tener Akribie zu verbinden wusste, wird wohl zitiert, aber nicht nachzeahmt. Nirgends wird auf die Quellen selbst zurückgegangen, die historischen Nach- richten werden unbesehen aus zweiter und dritter Hand über- nommen. Daher wimmelt die Arbeit von Irrtümern. Nur einige seien erwähnt. Für eine Nachricht des 3. Jahrhunderts wird Tacitus als Gewährsmarn zitiert an Stelle des Dio Cassius (S. 15),

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für die erste Erwähnung des Namens Strassburg eine Urkunde genannt anstatt des Gregor von Tours (S. 41).

Dass eine solche Arbeitsweise auf die Ergebnisse ungünstig einwirkte, ist selbstverständlich. Nicht ohne Geist wird die Idee durchgeführt, dass sich die allmähliche Emanzipation des deut- schen Wesens von römischer Bevormundung auch in der Ent- wicklung des Stadtbildes kundgebe. Sinngemäss stehe zu Strass- burg das ursprüngliche Rathaus, die heutige Handelskammer, am Gutenbergplatz mitten zwischen der römischen und der germa- nischen Siedelung, welche es zur Einheit einer deutschen Stadt zusammenfasse (S. 48). Dagegen ist einzuwenden, dass das ursprüngliche Rathaus nicht die heutige Handelskammer, auch nicht die Pfalz weiter nordwestlich auf demselben Platz gewesen ist, sich vielmehr der Rat, wie Koenigshofen erzählt (ed. Hegel II, 743), bis zum Jahre 1321 im bischöflichen Fronhof, also innerhalb des römischen Mauerrings, zu versammeln pflegte.

Der »Anzeiger für elsässische Altertumskunde« dürfte Strach entgangen sein; sonst wäre der römische Mauerring von Zabern etwas genauer bestimmt worden, als es geschehen ist (vgl. H. Blaul, Römische Befestigungsmauer von Zabern l. c. I, 9. 34. Über das römische Strassburg neuerdings R. Forrer ibid. V, VI).

So anregend die Arbeit Strachs in mancher Hinsicht ist, ihre Ergebnisse wird man in jedem einzelnen Punkte nachprüfen, ehe man sie sich zu eigen machen darf. E. Kiener.

Eine dankbar aufzunehmende Fortführung der zur Edition bestimmten Auswahl aus der Materialsammlung für den zweiten Band der Strassburger Bischofsregesten, mit der Alfred Hessel in dieser Zeitschrift N.F. 27, S. 338 ff. begonnen hatte, stellt das stattliche Heft dar, das er soeben unter dem Titel: Elsässische Urkunden, vornehmlich des 13. Jahrhunderts veröffentlicht hat (Schriften der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Strassburg 23. Strassburg, Trübner 1915. 74 S. mit einer Tafel in Lichtdruck). Die bekannt gegebenen Stücke entfallen meistenteils auf elsässische bzw. süddeutsche Archive, einige stammen aus der Pariser Nationalbibliothek (vgl. Anhang HI über die Sammlung Oberlin); die Edition ist gut und sorgfältig, die Erläuterung sachgemäss. Auch inhaltlich bieten die Ur- kunden überraschend viel, sie spiegeln in der Tat die Mannig- faltigkeit vergangenen Lebens in jenem für die elsässische Geschichte so wichtigen Zeitraum deutlich wider. Besonderes diplomatisches Interesse besitzt ein angebliches Schreiben Papst Alexanders IV. an Bischof Heinrich von Strassburg vom 30. August 1257 (Nr. 24) und die Urkunde Innocenz’ IV. vom 28. April 1249 (Nr. 143, vgl. die beigegebene Lichtdrucktafel), die später an die päpstliche Kanzlei zurückgegangen ist und dort als Supplik und Minute für eine neue Bewilligung (Nr. 14b) gedient hat. AH. Kaıser.

Zeitschriftenschau und Literaturnotizen.

Kreuzbüchlein von Graf Sigmund von Hohenlohe.

t5325, Neu herausgegeben von Johannes Ficker. (Strassburg 1913; Verlag von Karl J. Trübner.) Diese Veröffentlichung ist erschienen als erstes Heft der ‚Quellen und Forschungen zur Kirchen- und Kulturgeschichte von Elsass und Lothringen, durch deren Begründung und Herausgabe Herr Professor D. Ficker sich ein neues Verdienst um unser Heimatland erworben hat.

„Kleider machen Leute«. Dies Sprüchwort birgt weder für Menschen noch für Bücher eine tiefere Wahrheit. Doch kann man zuweilen vom Gewand auf den Mann schliessen. Dass da, wo Professor Ficker die Verantwortung trägt, an Druck und Ausstattung das Beste geboten wird, weiss bei uns jeder Kundige. Das Kreuzbüchlein verdient das vornehme Gewand, in dem es erneut ausgegangen ist.

Wohl bietet der Inhalt des Büchleins, der auf Seiten nach dem Orizinaldruck von 1525 (Strassburg, Köpfel) wieder- vereben ist, kaum etwas Originales, im wesentlichen durchaus Selbstindiges. Gleichsam als Auslegung des Christuswortes: „Wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folget mir, der ist mein nieht werte vernenmen wir einen »persönlichen Widerhall paulinisch-tuiherischer Gedankenz, in engem Anschluss an die enangehsche Auffassung unserer Strassburger Reformatoren. Aber «oast von Seite zu Seite ein durchaus persönlicher Widerhall. \u' Schritt und Tritt spüren wir uns einer evangelischen Per- nichkeit gegenüber, die aus ehrlicher Überzeugung heraus, onne Nebenrücksichten, auch ohne Rücksicht auf die Stellung uud Zukunft, schreibt, Was der Dekan des Domkapitels seinen suttsherren, die ihn nicht anhören wollen wegen seiner Ketzerei, ins Gewissen hineinruft, ist ein persönliches mannhaftes Be- kenntnis zu rechtem geistlichem Leben, zum Gottesdienst der Tat in Glaube und Liebe.

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Das evangelische Lebensideal ist in schlichter Weise dar- gelegt. So wundert man sich nicht, dass dieses Kreuzbüchlein so manches Mal erneut ausging; von 1523 bis 1852 acht Mal. Diese neunte Neudruck hatte eine persönliche Veranlassung; der Meiausgeber widmete ihn dem Fürsten Hermann zu Hohen- Iohe-Langenburg, unserem früheren Statthalter, zur Vollendung des KO, Lebensjahres am 31. August 1912. Zu diesem Tag war ein vorläufiger Abdruck hergestellt. |

Mit sicherer Hand hat Professor Ficker das Kreuzbüchlein auch in «den grossen Rahmen seiner Entstehungszeit hinein- veste We Geschah das (auf ANNXVH Seiten) zum Teil auch nur sndentunpsweise und skizzenhaft, so sind doch der grosse Hinter- vind und dic einzelnen Abhängigkeiten klar aufgedeckt. Auch Ho «lie Flolzschnitte der Titteiblätter, die anhangsweise in y Fahda eine prächtige Wiedergabe erlebten und in denen ein

Zeitschriftenschau und Literaturnotizen. 127

starker Einfluss Dürers und Strassburger Eigentümlichkeiten fest- gestellt wird. Aug. Ernst. Eine Studie von Hermann Bikel will uns die Wirt- schaftschaftsverhältnisse des Klosters S. Gallen von der Gründung bis zum Ende des XII. Jahrhunderts (Freiburg, Herder. 1914. XIV + 351 S.) vor Augen führen. Nach einem geschichtlichen Überblick über die Zeit der Grün- dung bis auf Salomon IlI. sucht der Verf. uns ein Bild zu geben von der Entstehung des Klosterbesitzes (Weihegaben an den Altar; Landschenkungen, Rodung, Tausch, Kauf und Verkauf), der örtlichen und zentralen Verwaltung der Güter, der persön- lichen Stellung der Mönche und Gotteshausleute und dem wirt- schaftlichen Niedergang des Klosters. Die Arbeit hätte viel ge- wonnen, wenn Bikel versucht hätte, sich mit den durch Dopsch vorgetragenen Auffassungen da auseinanderzusetzen, wo es ge- boten war. Das ist leider zumeist nicht geschehen, obwohl ihm Dopsch’ Forschungen bekannt waren. Es ist allerdings schwer verständlich, wie der Name wiederholt Topsch geschrieben werden konnte. Ebenso heisst der Bearbeiter der Münz- und Geldgeschichte der im Grossherzogtum Baden vereinigten Ge- biete Cahn, nicht Kahn, der Herausgeber der Kapitularien Boretius, nicht Boretus. Diese und eine fast unübersehbare Menge anderer Flüchtigkeiten (z. B. Freiherren von Regensburg statt Regens- berg oder »das Dach war mit eichenen Ziegeln bedeckte) lassen auf Bikels Arbeitsweise ein nicht eben günstiges Licht fallen. H. Barer.

Die Peutingerstudien von Erich König (Studien und Darstellungen aus dem Gebiete der Geschichte. Jm Auftrage der Görres-Gesellschaft herausg. von Hermann Grauert. IX. Band, ı. und 2. Heft. Freiburg, Herder. 1914. 178 S.) geben neue Mitteilungen aus Peutingers Leben, betrachten ihn als Humanisten, Bücher- und Handsclıriftensammler und untersuchen seine Stellung- nahme zu den kirchlichen und Handelsfragen seiner Zeit. König schätzt ihn nicht hoch als Forscher und Schriftsteller, wohl aber als Bahnbrecher in der Geschichte der historischen Methode. Hier sind die Forschungen erwähnt mit Rücksicht auf zwei Gut- achten, die Peutinger für die Stadt Konstanz schrieb, nachdem sie 1525 und 1526 die Gerichts- und Steuerprivilegien der Geist- lichkeit angetastet und sich des Münsterschatzes versichert hatte. Peutinger erklärt sich mit dem Vorgehen der Stadt einverstanden und gibt dabei Ratschläge für die Begründung, falls die Sache zum gerichtlichen Austrag käme. Das im Anhang vollständig zum Abdruck gebrachte zweite Gutachten ist merkwürdig, weil es die einzige Stelle enthält, aus der man auf Peutingers völlige Zustimmung zur Reformation schliessen könnte.

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In seinem trefflichen und grundlegenden Aufsatz »Über die ältesten Armenordnungen der Reformationszeit (1522—1525) (Historische Vierteljahrschrift 1914, S. 187—228, S. 361—400) weist Otto Winckelmann im Gegensatz zu der von katholischer und nationalökonomischer Seite vertretenen Ansicht überzeugend nach, dass die ersten, in den Jahren 1522/23 entstandenen Armenordnungen der der neuen Lehre zugetanen Städte keineswegs nur als Weiterentwicklungėn der mittelalterlichen Anschauungen und Bestrebungen, die W. zu Beginn unter besonderer Berücksichtigung der Stellung Geilers von Kaysersberg zur Armenfrage kurz skizziert, zu betrachten sind. Vielmehr haben sie mit ihrem unbedingten und allge- meinen Bettelverbot und mit der Einführung der obligatorischen Armenfürsorge, wie W. in der chronologisch geordneten Be- sprechung der einzelnen Ordnungen (Wittenberg, Augsburg, Nürnberg, Altenburg, Leisnig, Kitzingen, Regensburg, Strassburg) des näheren darlegt, wirklich neue, durch die von W. treffend gekennzeichnete Auffassung Luthers und seiner Mitarbeiter be- fruchtete Elemente in die Armenpflege gebracht und auch für die von den katholischen Forschern hervorgehobenen Bemühungen in den katholischen niederländischen Städten, wie Ypern, und für die von dem damals in den Niederlanden lebenden Huma- nisten Vives in seiner Schrift »de subventione pauperum« ver- tretenen Ansichten als Vorbild gedient: Die Strassburger Ord- nung ist, wie W. auf Grund bisher unbekannten Materials zeigt, in der Hauptsache das Werk Matthis Pfarrers und nicht das Kaspar Hedios gewesen, der lediglich später (1532) das neue System der Armenfürsorge durch Veröffentlichung einer Über- setzung des Büchleins von Vives zu unterstützen und zu ver- teidigen suchte, und ist dann durch den hochverdienten ersten Almosenschaffner Lukas Hackfurt kräftig gefördert und auf eine hohe Stufe der Leistungsfähigkeit emporgehoben worden. Sie ist zwar von der Nürnberger Ordnung beeinflusst, zeichnet sich aber vor dieser und denen der übrigen Städte. durch die von Anfang an durchgeführte Ausschaltung des geistlichen Wett- bewerbs, durch die sorgfältige Trennung von Kirchen- und Armenwesen (Schaffung eines besonderen, gut finanzierten Armen- fonds) und durch die Einrichtung des Amts des Almosenschaffners vorteilhaft aus und bildet, da sie unverändert bis in die Neuzeit bestehen und erfolgreich wirksam blieb, den besten Beweis dafür, dass, wenn ÖOrganisationsmängel, wie sie sich in Nürnberg und anderwärts finden, wie z. B. die Schaffung eines für Kirchen-, Schul- und Armenzwecke zugleich bestimmten Fonds (des soge- nannten »gemeinen Kastens«) vermieden wurden, die Reformation keineswegs, wie von anderer Seite behauptet worden ist, unbe- dingt einen qualitativen Rückgang der sozialen Wohlfahrtspflege bringen musste und dass die neuerrichtete städtische Almosen- verwaltung später nicht überall zu einer gewöhnlichen Stiftung

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nerabsank. Hoffentlich führt Winckelmann die dankenswerte Absicht, das von ihm aufgefundene, reichhaltige Strassburger Material zu veröffentlichen, recht bald aus. K. Stenzel,

In seinem in der »Allgemeinen Zeitschrift für Psychiatrie und psychisch-gerichtliche Medizin« (Bd. 70, S. 432—473) ver- öffentlichten Aufsatze »Zur Geschichte des Waisen-, Toll- und Krankenhauses, sowie Zucht- und Arbeitshauses in Pforzheims behandelt W. Stemmer auf Grund der in dem Karlsruher Generallandesarchiv und in der Heil- und Pilege- anstalt Illenau aufbewahrten Archivalien in sehr lesenswerten Ausführungen die Geschichte dieser Anstalt von ihren Anfängen bis zu der im Jahre 1813 erfolgten Aufhebung. Die Anstalt, die ihre Entstehung der tatkräftigen Initiative des Markgrafen Karl Wilhelm, des bekannten Erbauers der neuen Residenzstadt Karlsruhe, verdankt, wurde 1718 eröffnet und vereinigte, wie dies schon aus der uns heute merkwürdig anmutenden Bezeich- nung eines Waisen-, Zucht-, Siechen- und Tollhauses hervor- geht, die verschiedensten Zweckbestimmungen in sich, die heute in grundsätzlich getrennten Anstalten verfolgt werden. Trotz mannigfacher Fehler in der von Stemmer anschaulich geschil- derten Organisation wirkte die Anstalt sehr segensreich, bis sie sich im Jahre 1803 nach 86jährigem Bestehen in ihre Haupt- zweige aufspaltete und nur das Irren- und Siechenhaus in Pforz- heim verblieb. Die Geschichte dieser letzteren Anstalt be- handelt Stemmer in einem weiteren im 71. Bande (S. 289—301) derselben Zeitschrift gedruckten Aufsatze »Das Irren- und Siechenhaus Pforzheim und seine Ärzte bis zu ihrer im Jahre ı826 erfolgten Verlegung nach Heidelberg. Von den an ‘der Anstalt wirkenden Ärzten verdienen besondere Hervorhebung und werden von Stemmer eingehend gewürdigt der ältere (Johann Christian) Roller, der Verfasser des »Ersten Versuchs einer Be- schreibung der Stadt Pforzheim, mit besonderer Beziehung auf das physische Wohl seiner Bewohner« (Pforzheim. 1811) und Vater Christian Friedrich Rollers, des berühmten Reformators der Irrenpflege, und der spätere Heidelberger Universitätsprofessor Friedrich Gross. Fr.

Franz Schneider, Geschichte der Universität Heidel- berg im ersten Jahrzehnt nach der Reorganisation durch Karl Friedrich (1803 1813). Preisschrift der Korps-Suevia- Stiftung. Heidelberg 1913. Carl Winter. (Heidelberger Abhand- lungen zur mittleren und neueren Geschichte. Heft 38) VHI u. 356 S. 9.20 M.

Richard August Keller, Geschichte der Universität Heidelberg etc. etc. (Heidelberger Abhandlungen. Heft 40) VI u. 346 S. 9 M.

130 Zeitschriftenschau und Literaturnotizen.

Mit dem Eintritt des badischen Markgrafen in die Herr- schaft der rechtsrheinischen Pfalz überkam die nunmehr kur- badische Regierung in der Universität Heidelberg eine Erbschaft, die im Augenblick kaum einen reellen Wert darbot, ihr aber eine Aufgabe stellte, deren Lösung eine ihrer besten Leistungen in der Geschichte des ıg9. Jahrhunderts bedeutet. Der eine Teil dieser Aufgabe, die materielle Neufundierung, schon von dem bayerischen Kurfürsten Max Joseph, aber mit unzulänglichen Mitteln in Angriff genommen, vollzog sich unter Brauers Initiative in der Weise, dass sich die privilegierte Rentenempfängerin in eine reine Staatsanstalt. verwandelte, für die der finanziell äusserst angestrengte Staat bis 1813 die stattliche Summe von 550000 fl. verausgabte. Der zweite Teil der Aufgabe, der eine geistige Wiedergeburt der Hochschule sich zum Ziele nehmen musste, schien aber gerade durch die straffe Bindung an die staatliche Gewalt, wie sie im 13. ÖOrganisationsedikt vom ı3. Mai 1803 enthalten war, gefährdet. Aber niemals ganz durchgeführt, liess es dank späterer Ergänzungen dem geistigen Leben die ihm gebührende Freiheit, ohne dem Staate die nicht ganz entbehr- liche Möglichkeit zu nehmen, die Zügel im Notfalle straffer an- zuziehen. Die verwaltungstechnische Einteilung der Disziplinen in 6 Sektionen, neben der die alte Fakultätsverfassung zur Er- teilung der akademischen Würden unverändert bestehen blieb, führte zu mancherlei Schwierigkeiten, deren grösste, die Ein- ordnung der aus der alten »Staatswirtschafts hohen Schule« ge- bildeten staatswirtschaftlichen Sektion in die Fakultätsverfassung, erst ı812 nach Thibauts immer wertvollen Vorschlägen die Lösung fand, nach der jene endlich in der philosophischen Fakultät aufging.

Unerquickliche Intriguen kennzeichnen die unruhige Ge- schichte des Kuratoriums. Brauer und nach ihm der Geh. Referendär Hofer, die Schöpfer der äusseren Organisation, ver- traten beide, Hofer minder ängstlich als Brauer, den Geist der Staatsbevormundung im Sinne des 13. Organisationsedikts. Der fähigste in der ganzen Reihe der Kuratoren, Sigismund Freih. v. Reitzenstein, der Begründer der Auszeichnung Heidelbergs mit seinem norddeutsch-protestantischen Gepräge vor der süddeutsch- katholischen Universität Freiburg, wohin 1807 die kath. Ab- teilung der Heidelberger theologischen Fakultät verlegt wurde, wich bald schon dem anmassungsvollen Ehrgeiz Klübers, der, gestützt auf eine Faktion gekränkter Professoren und bekannter Hof- und Regierungskreise, kurze Zeit faktisch die Kuratel aus- übte. Bei der Einführung des Ministerialsystems im Sommer 1808 wurde die Uhniversitätsverwaltung dem Ministerium des Innern, bei der Verwaltungsreform Reitzensteins von 1809 dem Generaldirektorium dieses Ministeriums, die Anstellung der Pro- fessoren aber der Ministerialkonferenz übertragen.

Durch die Personalreform, die durch den damals Marburger

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Juristen Savigny wertvolle Unterstützung fand, aber dauernd unter finanziellen Rücksichten zu leiden hatte, gesellten sich zu den aus dem alten Lehrkörper übernommenen würdigen Kräften: den kath. Theologen Dereser und Kübel, den Protestanten Wundt und Daub, den Medizinern Mai und Zuccarini, den Kameralisten Suckow und Gatterer, dauernd oder vorübergehend die Kirchen- historiker Marheinecke und Neander, der Exeget de Wette, der Systematiker Schwarz, seit 1811 Paulus, der letzte der grossen Rationalisten; in Arnold Heise und Justus Thibaut, dem Impe- rator der Universität, zwei hervorragende Pandektisten, in Klüber und Zachariae ebenso ausgezeichnete Vertreter der staatsrecht- lichen Fächer; in der medizinischen Sektion der Anatom und Chirurg Ackermann, dem ein brauchbares anatomisches Institut und eine chirurgische Ambulanz, wie Mai ein Gebärhaus ihre Entstehung verdankten; weiterhin der Kameralist und Mathe- matiker Langsdorf, der Philosoph Fries, als strenger Kantianer ein heftiger Gegner Hegels, der ihn 1816 ersetzte, der feurige Görres, der über Ästhetik und Philosophie las, als einer der glänzendsten Sterne der Universität der klassische Philolog Creuzer, mit dem als Staatspensionär in Heidelberg lebenden Joh. Hch. Voss wegen seiner romantischen Anschauungen un- versöhnlich verfeindet; der aus Wolffs Schule hervorgegangene August Boeckh, schliesslich der Historiker Wilken, von hervor- ragendem Verdienst als Reorganisator der Universitätsbibliothek, die er noch 1815/16 um 840 in Paris wiedergewonnene Hand- schriften der alten Palatina bereicherte. Marheinecke und Neander, de Wette, Boeckh und Wilken wurden bald an die Berliner Universität berufen, für Heidelberg ein grosser Verlust, aber nicht minder hohe Ehre. Die Bedeutung der mit der Universität aufs engste verknüpften Heidelberger Romantiker- schule ist bekannt, auch ihre Kämpfe mit den Rationalisten um Paulus und Voss, gegen die sie auch in dem Ringen um das von der Regierung geförderte literarische Unternehmen der Heidelberger Jahrbücher« Sieger blieben.

Der steigenden Bedeutung des Lehrkörpers entsprach ein starkes Wachsen der Frequenz. Die Immatrikulationen stiegen bis 1806 von 93 auf 231; die Gesamtfrequenz schwankte von 1807—1813 zwischen 300— 430, naturgemäss auch abhängig von den politischen Ereignissen. Auffallend ist das Überwiegen der Juristen und der Nichtbadener. Das studentische Leben dieses Jahrzehnts ist von wechselnden Interessen und Gegen- sätzen erfüllt. Das Logentum der erst mit dem republikanischen Schwärmertum in Heideiberg eingekehrten Orden der Konstan- tisten und Harmonisten fand seit 1802 eine kräftige und gesunde Opposition in den neu entstehenden Landsmannschaften mit vertieftem Freundschafts- und Lebensprinzip. Heftige Zusammen- stösse mit den Orden, andere mit dem Militär führten 1805 zur Auflösung und zum Verbot aller Verbindungen. Sofort aber

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entstanden neue Landsmannschaften mit gemeinsamem Burschen- komment, den sie auch den nicht ihnen angeschlossenen, den Renoncen, aufzudrängen suchten. Wilde Raufereien endeten mit der Auflösung dieses Verbandes und einer Neuorganisation in fünf »Korps«, die den landsmannschaftlichen Grundsätzen den Gedanken der Gleichheit aller Studierenden hinzufügten und grundsätzlich jeden Studierenden eo ipso nach Massgabe seiner Heimat als zu einem Korps gehörig betrachteten. Politische Kund- gebungen oder gar Äusserungen national-patriotischer Regungen waren, wie sich versteht, streng verboten und blieben es selbst noch einige Wochen nach dem 18. Oktober 1813.

Dies in den Grundzügen der Inhalt zweier umfangreicher Bücher, deren jedes daneben eine Fülle politisch, verwaltungs- und vor allem kulturgeschichtlich interessanter Einzelheiten bietet, beide entstanden als Bearbeitungen einer Preisaufgabe der Uni- versität Heidelberg. Ein Unterschied in der. Bewertung dürfte heute kaum mehr bestehen, da sich jede der beiden Schriften durch deutliche Vorzüge vor der andern auszeichnet. Beide beruhen auf dem zuverlässigsten Quellenmaterial, den Akten des Generallandesarchivs und des Uhnterrichtsministeriums in Karls- ruhe, sowie des Heidelberger Universitätsarchivs,. Schneiders grosser Vorzug ist eine fast restlose Aufarbeitung vorab des amtlichen Materials, wodurch vielleicht abgesehen von der finanziellen Seite eine lückenlose Darstellung des verwaltungs- geschichtlichen Teils der Aufgabe entstanden ist. Aber freilich sind die Akten oft genug nicht derart verarbeitet, dass sich daraus ein angenehmes Gesamtbild entwickelt hätte, und nicht nur die oft viele Seiten langen Aktenauszüge wirken ermüdend, mehr noch fast der Eindruck, die ganzen Dinge einseitig vom Ministersessel aus behandelt zu sehen. Eine Schwäche liegt nicht minder in der oft rein chronologischen Anordnung des Stoffes, wodurch die Darstellung -— deutlich z. B. in den Kapiteln über die Personalorganisation zerrissen und unübersichtlich wurde; doch treten gerade in diesen wiederum die mannigfach zur Geltung gebrachten Einflüsse berufener und unberufener Personen und Kreise bestimmter hervor als in in dem Parallel- werk.

Im Gegensatz zu Schneider überrascht Keller durch den leichten Fluss seiner Erzählung, und während bei Schneider in erster Linie der Staats- und Verwaltungshistoriker auf seine Rechnung kommt, befriedigt Keller vorwiegend den Kultur-, auch den Lokalhistoriker. Glücklicher als bei Schneider und durchweg nach sachlichen Rücksichten orientiert scheint mir die ganze Anlage des Kellerschen Buches. Auch er hat die Akten gelesen, freilich nicht mit der Aufmerksamkeit Schneiders, und lässt aus dem Gelesenen ein klares, einheitliches Bild erstehen, wobei er sozusagen die Dinge in Heidelberg selbst miterlebt. Dabei tritt die Rolle der Regierung zurück, wogegen das neue

Zeitschriftenschau und Literaturnotizen. 133 Leben der Universität selbst in ansprechender Form aufgerollt wird, Das gilt in gesteigertem Masse von den Kapiteln über das Studententum. Während sich hier Schneiders Untersuchungen der ganzen Art seiner Arbeitsweise gemäss fast ausschliesslich auf die Entstehung und Umbildung der akademischen Gesetze und auf die Stellung der Regierungsbehörden zu dem studen- tischen Leben und Verbindungswesen beschränken, erzählt uns Keller, dem auch die Archive des Korps Suevia zur Verfügung standen, von dem studentischen Leben an der Universität, vor allem von der nicht nur kulturgeschichtlich interessanten Ent- wicklung der studentischen Organisationen seit dem Ausgang des 18. Jahrhunderts bis zu den Jahren der Befreiungskriege. Vierneisel.

Mit dem Eintritt von Hans Rott in die Reihe der Mitarbeiter an den »Kunstdenkmälern des Grossherzogtums Baden« ist ein frischer Zug in das ganze Unternehmen gekommen. Dank seiner rastlosen Energie und Schaffensfreude konnte schon nach Jahresfrist ein weiterer Einzelband, die zweite Abteilung des neunten Bandes (Kreis Karlsruhe) erscheinen (Tübingen, J. C. B. Mohr (P. Siebeck) 357 S.). Er behandelt die »Kunstdenk- mäler des Amtsbezirks Bruchsal, Im Vordergrunde steht die Amtsstadt selbst, die einstige Bischofsresidenz, der nahezu 200 Seiten gewidmet sind, mit den Überresten ihrer alten Mauer- wehr und des alten Schlosses aus dem 14./15. Jahrhundert, dem Renaissancebau des Hohenegger Hofs, und den prächtigen Denk- mälern des Barock und Rokoko, ihrer Liebfrauen- und Peters- kirche und dem Juwel des Schönbornschlosses. Wohl haben Wille, Hirsch und Heiligenthal dem Verf. hier grundlegend vor- gearbeitet, aber überall bemüht er sich doch, in den Akten- massen der Archive schürfend, ihre Forschungen zu ergänzen. Mit welchem Erfolg, das ersieht man beispielsweise aus der «Fülle neuer Daten, die er über die Restauration der Liebfrauen- kirche, oder über die Bauherren, Baumeister und Künstler des Schlosses und den Bau selbst beizubringen weiss. In der viel- umstrittenen Frage nach dem Schöpfer der Gesamtidee des Baues scheidet auch für ihn Balthasar Neumann als Planentwerfer aus, wenngleich er beim Blick aufs Ganze neben Schönborn stets an erster Stelle genannt werden muss. Auf Ritter als Planfertiger hat Hirsch hingewiesen; vieles spricht dafür, aber die Gründe, die er anführt, sind nicht zwingend. Lohmeyer hat aus stil- kritischen Gründen den Generalplan auf Welsch zurückzuführen versucht, und es ist Rott gelungen, weitere Belege hierfür bei- zubringen. Aber auch hier kommt man über ein hohes Mass von Wahrscheinlichkeit nicht hinaus, und so bleibt es denn, bis entscheidende Beweise erbracht werden, vorläufig bei einem non liquet.

Schwere Kriegsnot hat im alten Reiche das Bruhraingebiet

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aui ze wir stola sein dürfen, Den dringenden Wunsch, dass, Kurz, wenn irgend moglich, jedem Einzelbande, zum mindesten

aber ener einen Ricis behandelnden Bandreihe, ein Register beige gen werde, muss ich freilich auch diesmal wiederhoier

und eramiz unterstreichen, Mit demselben Recht, mit dem die Bad. ii, a Kommission verlangt, dass all ihren grösseren Is F

Pur ,szreen Register beigefügt werden, darf und muss man die:

auch vor cer vorliegenden verlangen. Erst dann wird ihre Be- nutz_ry far den Historiker, vor allem den Kunsthistoriker, s0 erieilzter, wie er es wünschen muss, Ich sehe keinen Grund ein, warum diese selbstverstündliche Forderung, wo es sich um ein novie cii ium handelt, nicht erfüllt werden soll und kant. Oder solen wir wirklich warten, bis die ganze Publikation nach Jahren abz=s hiossen sein wird? Dies käme, zumal die erst- erschienenen Ende doch einer völligen Umarbeitung bedürfen, fast einer Vera sung ad kalendas graecas gleich. K. Ożser.

Zeitschriftenschau und Literaturnotizen. 135

Die Karlsruher Dissertation von Arthur Valdenaire: »Friedrich Weinbrenner, Seine künstlerische Erziehung und der Ausbau Karlsruhes.« (69 S.) bringt die ersten Kapitel einer auf mehrjährigen sorgfältigen Studien beruhenden, grundlegenden Biographie des genialen Baumeisters, die in dem Karlsruher Verlage von C. F. Müller erscheinen wird. Wir werden auf das Werk, das auf zwei Bände berechnet ist, sobald es vorliegt, aus- führlicher zurückkommen.

Die Mitteilungen der Gesellschaft für Erdkunde und Kolonial- wesen zu Strassburg i. E. IV (1914), S. 105— 172 bringen eine eingehende, auf die Quellen zurückgehende Arbeit von Karl Schott über die Entwicklung der Kartographie des Elsasses, die als erster Versuch Anerkennung verdient. Verf. behandelt zunächst die verschiedenen kartographischen Typen, die durch die sechs Stichworte (Übersichtskarten, Spezialkarten, Pläne, Ansichten aus der Vogelschau, Modelle und Itinerarien). veranschaulicht werden, um dann kurz den Karteninhalt und seine Eigentümlichkeiten zu besprechen. Die zeitliche Grenze bildet das Erscheinen der sog. Cassinischen Karte (1793). Zwei Abbildungen älterer Karten (Waldseemüller 1513, Speckel ı576) bilden eine willkommene Beigabe. Störend wirken allerlei Flüchtigkeiten, wenn z. B. Waldseemüllers Studium in Freiburg um 1450 angesetzt wird (S. ı10l, in Wirklichkeit ist er am 7. Dezember 1490 dort immatrikuliert worden) oder wenn S. 118 gar zu lesen ist, dass das Dorf Hundsfeld i. B. von dem Mark- graben (!!) von Hanau zerstört worden sei. H. Kaiser. -

Das reich illustrierte und fein ausgestattete Jahrbuch Mannheimer Kultur 1913 (herausg. von Karl Hönn; Mann- heim ıgı4, H. Haas) enthält auch einige landesgeschichtliche Arbeiten. Wissenschaftlich besonders wertvoll ist der Aufsatz von Hermann Gropengiesser »Die römische Basilika in Ladenburg« - (vgl. die Besprechung NF. XXIX, 726). Von den Artikeln des Jahrbuchs sind an dieser Stelle ausserdem noch zu nennen eine von Friedrich Walter verfasste kunstgeschichtliche Beschreibung des in der Sammlung des Mannheimer Altertumsvereines befind- lichen Rother Altares, eines Werkes spätgotischer Plastik aus der Gegend um Messkirch, weiterhin ein zusammenfassender Bericht über »Liselotte im Lichte der jüngsten Forschung« von F. Schnabel, und schliesslich der Aufsatz »Richard Wagner und Mannheime, in welchem Karl Heckel auf Grund der meist schon bekannten Papiere Emil Heckels, des Begründers der Wagner- vereine und Vorkämpfers für Richard Wagner, die wichtigen Beziehungen darstellt, welche Leben und Kunst Richard Wagners mit Mannheim verknüpft haben.

134 Zeitschriftenschau und Literaturnotizen.

nur zu oft heimgesucht; verhältnismässig klein ist darum die Zahl der Kunstdenkmäler, die über das 18. Jahrhundert hinaus- reichen. Romanischen Ursprungs ist nur der aus dem 12. Jahr- hundert stammende Berchfrit des Kisslauer Schlosses, der in der Schönbornzeit dann in so origineller Weise als Mittelpunkt der neuen Schlossanlage verwertet wurde; als frühmittelalterlich sind auch Berchfrit und Ringmauer der Oberburg zu Obergrombach in ihren ältesten Teilen zu bezeichnen. In die Zeit der Gotik hinein ragen in ihren Anfängen die Kirchen zu Langenbrücken, Mingolsheim, Neuenburg, Oberöwisheim .(Langhaus und Chor), Rheinhausen, Stettfeld und Zeutern, sowie die Oberburg und Burgkapelle zu Obergrombach. Auch die Kanzel der Bruchsaler Liebfrauenkirche, die beachtenswerten Ölberge zu Oberöwisheim, Östringen, Stettfeld und Zeutern, die Wandmalereien zu Helms- heim und Obergrombach, sowie der aus Flandern stammende Schnitzaltar zu Kirrlach verdienen als Schöpfungen der späteren Gotik in diesem Zusammenhang Erwähnung. Als Renaissancebau kommt nur der obengenannte Hohenegger Hof zu Bruchsal in Betracht Um so reicher ist dann wieder die Zeit des Barock und Rokoko vertreten: wir nennen, abgesehen von Bruchsal, die Kirchen zu Kirrlach, Philippsburg, Ubstatt, die Michelskapelle bei Untergrombach, die Wallfahrtskirche und Eremitage zu Wag- häusel, die Schlösser zu Kisslau und Karlsdorf. Die Namen von Balth. Neumann, Stahl und Rohrer sind mit ihnen verknüpft. An Profanbauten finden sich hübsche Fachwerkhäuser des 16./17. Jahrhunderts zu Heidelsheim, Ober- und Untergrombach, Östringen, UÜbstatt und Unteröwisheim. Interessante Überreste alter Stadtbefestigungen haben sich zu Bruchsal, Heidelsheim und Obergrombach erhalten. So bietet auch dieser Band mit seinem reichen Inhalt und geschickt ausgewählten Bildermaterial eine Fülle vielseitiger Belehrung und reiht sich würdig ein in die grosse kunstgeschichtliche Publikation unseres Heimatlandes, auf die wir stolz sein dürfen. Den dringenden Wunsch, dass, künftig, wenn irgend möglich, jedem Einzelbande, zum mindesten aber jeder einen Kreis behandelnden Bandreihe, ein Register beigegeben werde, muss ich freilich auch diesmal wiederholen und kräftig unterstreichen. Mit demselben Recht, mit dem die Bad. Historische Kommission verlangt, dass all ihren grösseren Publikationen Register beigefügt werden, darf und muss man dies auch von der vorliegenden verlangen. Erst dann wird ihre Be- nutzung für den Historiker, vor allem den Kunsthistoriker, so erleichtert, wie er es wünschen muss. Ich sehe keinen Grund ein, warum diese selbstverständliche Forderung, wo es sich um ein nobile officium handelt, nicht erfüllt werden soll und kann. Oder sollen wir wirklich warten, bis die ganze Publikation nach Jahren abgeschlossen sein wird? Dies käme, zumal die erst- erschienenen Bände doch einer völligen Umarbeitung bedürfen, fast einer Vertagung ad kalendas graecas gleich. K. Oöser.

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Zeitschriftenschau und Literaturnotizen. 135

Die Karlsruher Dissertation von Arthur Valdenaire: Friedrich Weinbrenner. Seine künstlerische Erziehung und der Ausbau Karlsruhes.« (69 S.) bringt die ersten Kapitel einer auf mehrjährigen sorgfältigen Studien beruhenden, grundlegenden Biographie des genialen Baumeisters, die in dem Karlsruher Verlage von C., F. Müller erscheinen wird. Wir werden auf das Werk, das auf zwei Bände berechnet ist, sobald es vorliegt, aus- führlicher zurückkommen.

Die Mitteilungen der Gesellschaft für Erdkunde und Kolonial- wesen zu Strassburg i. E. IV (1914), S. 105—172 bringen eine eingehende, auf die Quellen zurückgehende Arbeit von Karl Schott über die Entwicklung der Kartographie des Elsasses, die als erster Versuch Anerkennung verdient. Verf. behandelt zunächst die verschiedenen kartographischen Typen, die durch die sechs Stichworte (Übersichtskarten, Spezialkarten, Pläne, Ansichten aus der Vogelschau, Modelle und Itinerarien). veranschaulicht werden, um dann kurz den Karteninhalt und seine Eigentümlichkeiten zu besprechen. Die zeitliche Grenze bildet das Erscheinen der sog. Cassinischen Karte (1793). Zwei Abbildungen älterer Karten (Waldseemüller 1513, Speckel ı576) bilden eine willkommene Beigabe. Störend wirken allerlei Flüchtigkeiten, wenn z. B. Waldseemüllers Studium in Freiburg um 1450 angesetzt wird (S. ı10l, in Wirklichkeit ist er am 7. Dezember 1490 dort immatrikuliert worden) oder wenn S. 118 gar zu lesen ist, dass das Dorf Hundsfeld i. B. von dem Mark- graben (!!) von Hanau zerstört worden sei. H. Kaiser. :

Das reich illustrierte und fein ausgestattete Jahrbuch Mannheimer Kultur 1913 (herausg. von Karl Hönn; Mann- heim ıgı4, H. Haas) enthält auch einige landesgeschichtliche Arbeiten. Wissenschaftlich besonders wertvoll ist der Aufsatz von Hermann Gropengiesser »Die römische Basilika in Ladenburg« - (vgl. die Besprechung NF. XXIX, 726). Von den Artikeln des Jahrbuchs sind an dieser Stelle ausserdem noch zu nennen eine von Friedrich Walter verfasste kunstgeschichtliche Beschreibung des in der Sammlung des Mannheimer Altertumsvereines befind- lichen Rother Altares, eines Werkes spätgotischer Plastik aus der Gegend um Messkirch, weiterhin ein zusammenfassender Bericht über »Liselotte im Lichte der jüngsten Forschung« von F. Schnabel, und schliesslich der Aufsatz »Richard Wagner und Mannheims, in welchem Karl Heckel auf Grund der meist schon bekannten Papiere Emil Heckels, des Begründers der Wagner- vereine und Vorkämpfers für Richard Wagner, die wichtigen Beziehungen darstellt, welche Leben und Kunst Richard Wagners mit Mannheim verknüpft haben.

136 Personalien.

Personalien,

Für neuere Geschichte habilitierten sich an der Universität Heidelberg Dr. Wolfgang Windelband, an der Universität Strassburg Dr. G. A. Rein aus Jena.

Dem früheren langjährigen Redakteur des elsässischen Teils der Zeitschrift, Professor Dr. W. Wiegand in Strassburg, ist beim Scheiden aus dem akademischen Lehramt der Kgl. Kronen- orden Il. Klasse verliehen worden. Dieselbe Auszeichnung ist aus dem gleichen Anlass unserem Mitarbeiter Professor Dr. G. Dehio, bisher Vertreter der Kunstgeschichte an der Uni- versität Strassburg zuteil geworden.

Durch Verleihung des, Eisernen Kreuzes Il. Klasse wurden ausgezeichnet unsere Mitarbeiter Dr. Burckhardt, Hilfsarbeiter an der Universitätsbibliothek Heidelberg, Dr. Fl. Haug, fürstlich Löwensteinscher Archivar in Wertheim, Dr. Herm. Haering, Hilfsarbeiter am Grossh. Generallandesarchiv Karlsruhe, Karl Loh- meyer, Konservator der Städtischen Sammlungen zu Heidelberg, Dr. Katterfeld (Mülhausen i. E.) und Dr. O. Wiltberger (Metz).

Auf dem Felde der Ehre sind gefallen der als Nachfolger Dehios von Basel nach Strassburg berufene Kunsthistoriker Pro- fessor Dr. Ernst Heidrich, der fürstlich Fürstenbergische Biblio- thekar zu Donaueschingen Professor Dr. Otto Heinrich und unser früherer Mitarbeiter Professor Dr. Alfred Winkelmann, Direktor des Realprogymnasiums zu Mosbach, ein Sohn des ver- storbenen Heidelberger Historikers und ersten Vorstandes der Badischen Historischen Kommission,

Zu Beginn des neuen Jahres, am 17. Januar starb zu Frei- burg i. Br. der frühere städtische Archivar Dr. Hermann Flamm. Wir werden im Aprilhefte seine letzte grössere wissenschaftliche Arbeit bringen und seiner Verdienste um die heimatliche Ge- schichtsforschung gedenken. l

Er re en a An GM ni h m. a ee. ya

K 37. 1915

MITTEILUNGEN

der

Badischen Historisehen Kommission.

Ze ige

Bericht

über die

Ordnung und Verzeichnung der Archive und Registraturen der Gemeinden, Pfarreien, Grundherrschaften, Korporationen und Privaten des Grossherzogtums Baden durch die Pfleger der Badischen Historischen Kommission im Jahre 1913/14.

I. Bezirk.

Die Verzeichnung des Stadtarchivs in Meersburg hat Professor Dr. Hunn daselbst soweit gefördert, dass dieselbe zu Beginn des nächsten Jahres abgeschlossen werden kann.

Von den Archivalien der Gemeinde Nussdorf hat der Oberpfleger Hofrat Dr. Roder ein neues Verzeichnis in etwas erweiterter Fassung aufgestellt, da das frühere, in den »Mitteilungen« Nr. 13 (1891) veröffentlichte des damaligen Pflegers Dr. Ziegler vergriffen ist.

Die seit einer Reihe von Jahren unbesetzte Stelle des Pflegers für den Bezirk Konstanz-Land hat Professor Dr. Hunn übernommen.

Der für den ebenfalls erledigten Stadtbezirk Donau- eschingen als Pfleger in Aussicht genommene fürstlich fürstenbergische Konservator und Bibliothekar Professor Heinrich ist inzwischen im Kampf fürs Vaterland gefallen.

II. Bezirk. Der Pfleger Dr. Rest hat die Archivalien in ı2 Ge- meinden des Amtsbezirks Freiburg neu geordnet und

verzeichnet, Mitt. d, Bad. Hist. Kom. Nr. 37. I

ın2 Bericht über die Verzeichnung der Archive usw.

Dr. Hefele in Freiburg den zweiten Hauptteil die Akten des freiherrl. von Gaylingschen Archivs in Ebnet erledigt und zwei der vorhandenen drei Kopial- bücher bearbeitet.

III. Bezirk.

Die Neuordnung und Verzeichnung des Stadtarchivs in Kenzingen hat der Pfleger Stadtpfarrer Renner weiter- geführt.

Der Oberpfleger Hofrat Dr. Pfaff hat die Überführung der im »Storchenturm« zu Denzlingen befindlichen Akten in das Rathaus daselbst bewirkt und mit deren eingehender Durchsicht begonnen.

In Oppenau hat Ratschreiber Jos. Ruf ein Ver- zeichnis der im Pfarrarchiv vorhandenen Archivalien auf- gestellt und die Neuordnung des Gremeindearchivs in An- griff genommen.

Die von Professor Dr. Mayer in Offenburg im ver- gangenen Jahre begonnene Arbeit im freiherrlich von Frankensteinschen Archiv ist ziemlich weit fortge- schritten, konnte aber noch nicht beendigt werden.

IV. Bezirk.

Im Amtsbezirk Eppingen hat Verwaltungssekretär Mock die Archive von ı4 Gemeinden neugeordnet und ver- zeichnet; zu erledigen ist noch das Stadtarchiv in Eppingen.

V. Bezirk.

Professor Dr. K. Hofmann in Karlsruhe erledigte die Neuordnung und Verzeichnung der Gemeindearchive im Amtsbezirk Bruchsal.

Im Amtsbezirk Sinsheim hat Pfarrer Wehn in Ehr- stätt das Amt des Pflegers niedergelegt. An seine Stelle ist Pfarrer J. Falkenberg in Hilsbach getreten.

Verzeichnis

der Pfleger der Badischen Historischen Kommission. (Stand vom 31. Dezember 1914.)

I. Bezirk.

Oberpfleger: Hofrat Dr. Christian Roder, Realschuldirektor a. D. in Überlingen.

Bonndorf:

Donaueschingen: Engen:

Konstanz, Stadt:

» Land: Messkirch: Pfullendorf: Säckingen:

Stockach:

Überlingen, Stadt:

» Land:

Villingen s

Waldshut:

Landgerichtsdirektor Adolf Birken- mayer in Waldshut.

Unbesetzt.

Pfarrer Anton Keller in Ducht- lingen.

Stadtarchivar Dr. Anton Maurer

in Konstanz.

Professor Dr. Hunn in Konstanz.

Pfarrer Jakob Ebner in Bietingen

Pfarrer Joseph Wolfin Burgweiler.

LandgenichtsdirektorAdolfBirken- mayer in Waldshut.

Pfarrer Karl Seeger in Möhringen.

Hofrat Dr. Christian Roder,

= Realschuldirektor a. D. in Über- lingen.

Pfarrer Anton Walter in Mimmen- hausen.

Hofrat Dr. Christian Roder, Realschuldirektor a. D. in Über- lingen.

LandgerichtsdirektorAdolfBirken-

mayer in Waldshut. 1>

130 Zeitschriftenschau und Literaturnotizen.

Mit dem Eintritt des badischen Markgrafen in die Herr- schaft der rechtsrheinischen Pfalz überkam die nunmehr kur- badische Regierung in der Universität Heidelberg eine Erbschaft, die im Augenblick kaum einen reellen Wert darbot, ihr aber eine Aufgabe stellte, deren Lösung eine ihrer besten Leistungen in der Geschichte des ıg. Jahrhunderts bedeutet. Der eine Teil dieser Aufgabe, die materielle Neufundierung, schon von dem bayerischen Kurfürsten Max Joseph, aber mit unzulänglichen Mitteln in Angriff genommen, vollzog sich unter Brauers Initiative in der Weise, dass sich die privilegierte Rentenempfängerin in eine reine Staatsanstalt. verwandelte, für die der finanziell äusserst angestrengte Staat bis 1813 die stattliche Summe von 550000 fl. verausgabte. Der zweite Teil der Aufgabe, der eine geistige Wiedergeburt der Hochschule sich zum Ziele nehmen musste, schien aber gerade durch die straffe Bindung an die staatliche Gewalt, wie sie im 13. ÖOrganisationsedikt vom 13. Mai 1803 enthalten war, gefährdet. Aber niemals ganz durchgeführt, liess es dank späterer Ergänzungen dem geistigen Leben die ihm gebührende Freiheit, ohne dem Staate die nicht ganz entbehr- liche Möglichkeit zu nehmen, die Zügel im Notfalle straffer an- zuziehen. Die verwaltungstechnische Einteilung der Disziplinen in 6 Sektionen, neben der die alte Fakultätsverfassung zur Er- teilung der akademischen Würden unverändert bestehen blieb, führte zu mancherlei Schwierigkeiten, deren grösste, die Ein- ordnung der aus der alten »Staatswirtschafts hohen Schule« ge- bildeten staatswirtschaftlichen Sektion in die Fakultätsverfassung, erst ı812 nach Thibauts immer wertvollen Vorschlägen die Lösung fand, nach der jene endlich in der philosophischen Fakultät aufging.

Unerquickliche Intriguen kennzeichnen die unruhige Ge- schichte des Kuratoriums. Brauer und nach ihm der Geh. Referendär Hofer, die Schöpfer der äusseren Organisation, ver- traten beide, Hofer minder ängstlich als Brauer, den Geist der Staatsbevormundung im Sinne des 13. Organisationsedikts. Der fähigste in der ganzen Reihe der Kuratoren, Sigismund Freih. v. Reitzenstein, der Begründer der Auszeichnung Heidelbergs mit seinem norddeutsch-protestantischen Gepräge vor der süddeutsch- katholischen Universität Freiburg, wohin 1807 die kath. Ab- teilung der Heidelberger theologischen Fakultät verlegt wurde, wich bald schon dem anmassungsvollen Ehrgeiz Klübers, der, gestützt auf eine Faktion gekränkter Professoren und bekannter Hof- und Regierungskreise, kurze Zeit faktisch die Kuratel aus- übte. Bei der Einführung des Ministerialsystems im Sommer 1808 wurde die Uhniversitätsverwaltung dem Ministerium des Innern, bei der Verwaltungsreform Reitzensteins von 1809 dem Generaldirektorium dieses Ministeriums, die Anstellung der Pro- fessoren aber der Mlinisterialkonferenz übertragen.

Durch die Personalreform, die durch den damals Marburger

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Zeitschriftenschau und Literaturnotizen. 131

Juristen Savigny wertvolle Unterstützung fand, aber dauernd unter finanziellen Rücksichten zu leiden hatte, gesellten sich zu den aus dem alten Lehrkörper übernommenen würdigen Kräften: den kath, Theologen Dereser und Kübel, den Protestanten Wundt und Daub, den Medizinern Mai und Zuccarini, den Kameralisten Suckow und Gatterer, dauernd oder vorübergehend die Kirchen- historiker Marheinecke und Neander, der Exeget de Wette, der Systematiker Schwarz, seit 1811 Paulus, der letzte der grossen Rationalisten; in Arnold Heise und Justus Thibaut, dem Impe- rator der Universität, zwei hervorragende Pandektisten, in Klüber und Zachariae ebenso ausgezeichnete Vertreter der staatsrecht- lichen Fächer; in der medizinischen Sektion der Anatom und Chirurg Ackermann, dem ein brauchbares anatomisches Institut und eine chirurgische Ambulanz, wie Mai ein Gebärhaus ihre Entstehung verdankten; weiterhin der Kameralist und Mathe- matiker Langsdorf, der Philosoph Fries, als strenger Kantianer eim heftiger Gegner Hegels, der ihn 1816 ersetzte, der feurige Görres, der über Ästhetik und Philosophie las, als einer der glänzendsten Sterne der Universität der klassische Philolog Creuzer, mit dem als Staatspensionär in Heidelberg lebenden Joh. Hch. Voss wegen seiner romantischen Anschauungen un- versöhnlich verfeindet; der aus Wolffs Schule hervorgegangene August Boeckh, schliesslich der Historiker Wilken, von hervor- ragendem Verdienst als Reorganisator der Universitätsbibliothek, die er noch 1815/16 um 840 in Paris wiedergewonnene Hand- schriften der alten Palatina bereicherte. Marheinecke und Neander, de Wette, Boeckh und Wilken wurden bald an die Berliner Universität berufen, für Heidelberg ein grosser Verlust, aber nicht minder hohe Ehre. Die Bedeutung der mit der Universität aufs engste verknüpften Heidelberger Romantiker- schule ist bekannt, auch ihre Kämpfe mit den Rationalisten um Paulus und Voss, gegen die sie auch in dem Ringen um das von der Regierung geförderte literarische Unternehmen der »Heidelberger Jahrbücher« Sieger blieben.

Der steigenden Bedeutung des Lehrkörpers entsprach ein starkes Wachsen der Frequenz. Die Immatrikulationen stiegen bis 1806 von 93 auf 231; die Gesamtfrequenz schwankte von 1807—1813 zwischen 300— 430, naturgemäss auch abhängig von den politischen Ereignissen. Auffallend ist das Überwiegen der Juristen und der Nichtbadener. Das studentische Leben dieses Jahrzehnts ist von wechselnden Interessen und Gegen- sätzen erfüllt. Das Logentum der erst mit dem republikanischen Schwärmertum in Heideiberg eingekehrten Orden der Konstan- tisten und Harmonisten fand seit 1802 eine kräftige und gesunde Opposition in den neu entstehenden lLandsmannschaften mit vertieftem Freundschafts- und Lebensprinzip. Heftige Zusammen- stösse mit den Orden, andere mit dem Militär führten 1805 zur Auflösung und zum Verbot aller Verbindungen. Sofort aber

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Im Gegensatz zu Schneider ülerrascht Keller durch den leichten Fiuss seiner Erzixiurz, und während bei Schneider in erster Linie der Staats- uud Verwaitungshistoriker auf seine Kechnung kommt, Deiriedist Reker vorwiegend den Kultur, auch den Lokalnistoriser. Giücklicher als bei Schneider und durchweg nach sach!ichen Rücksichten orientiert scheint mir die ganze Anlage des Kelierschen Buches. Auch er hat die Akten gelesen, freilich nicht mit der Aufmerksamkeit Schneiders, und lasst aus dem Gelesenen ein klares, einheitliches Bild erstehen, wobei er sozusagen die Dinge in Heidelberg selbst miterlebt. Dabei tritt die Rolle der Regierung zurück, wogegen das neue

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Zeitschriftenschau und Literaturnotizen. 133

Leben der Universität selbst in ansprechender Form aufgerollt wird. Das gilt in gesteigertem Masse von den Kapiteln über das Studententum. Während sich hier Schneiders Untersuchungen der ganzen Art seiner Arbeitsweise gemäss fast ausschliesslich auf die Entstehung und Umbildung der akademischen Gesetze und auf die Stellung der Regierungsbehörden zu dem studen- tischen Leben und Verbindungswesen beschränken, erzählt uns Keller, dem auch die Archive des Korps Suevia zur Verfügung standen, von dem studentischen Leben an der Universität, vor allem von der nicht nur kulturgeschichtlich interessanten Ent- wicklung der studentischen Organisationen seit dem Ausgang des 18. Jahrhunderts bis zu den Jahren der Befreiungskriege. Vierneisel.

Mit dem Eintritt von Hans Rott in die Reihe der Mitarbeiter an den »Kunstdenkmälern des Grossherzogtums Baden« ist ein frischer Zug in das ganze Unternehmen gekommen. Dank seiner rastlosen Energie und Schaffensfreude konnte schon nach Jahresfrit ein weiterer Einzelband, die zweite Abteilung des neunten Bandes (Kreis Karlsruhe) erscheinen (Tübingen, J. C. B. Mohr (P. Siebeck) 357 S.). Er behandelt die »Kunstdenk- mäler des Amtsbezirks Bruchsal.« Im Vordergrunde steht die Amtsstadt selbst, die einstige Bischofsresidenz, der nahezu 200 Seiten gewidmet sind, mit den Überresten ihrer alten Mauer- wehr und des alten Schlosses aus dem 14./15. Jahrhundert, dem Renaissancebau des Hohenegger Hofs, und den prächtigen Denk- mälern des Barock und Rokoko, ihrer Liebfrauen- und Peters- kirche und dem Juwel des Schönbornschlosses. Wohl haben Wille, Hirsch und Heiligenthal dem Verf. hier grundlegend vor- gearbeitet, aber überall bemüht er sich doch, in den Akten- massen der Archive schürfend, ihre Forschungen zu ergänzen. Mit welchem Erfolg, das ersieht man beispielsweise aus der Fülle neuer Daten, die er über die Restauration der Liebfrauen- kirche, oder über die Bauherren, Baumeister und Künstler des Schlosses und den Bau selbst beizubringen weiss. In der viel- umstrittenen Frage nach dem Schöpfer der Gesamtidee des Baues scheidet auch für ihn Balthasar Neumann als Planentwerfer aus, wenngleich er beim Blick aufs Ganze neben Schönborn stets an erster Stelle genannt werden muss. Auf Ritter als Planfertiger hat Hirsch hingewiesen; vieles spricht dafür, aber die Gründe, die er anführt, sind nicht zwingend. Lohmeyer hat aus stil- kritischen Gründen den Generalplan auf Welsch zurückzuführen versucht, und es ist Rott gelungen, weitere Belege hierfür bei- zubringen. Aber auch hier kommt man über ein hohes Mass von Wahrscheinlichkeit nicht hinaus, und so bleibt es denn, bis entscheidende Beweise erbracht werden, vorläufig bei einem non liquet. |

Schwere Kriegsnot hat im alten Reiche das Bruhraingebiet

134 Zeitschriftenschau und Literaturnotizen.

nur zu oft heimgesucht; verhältnismässig klein ist darum die Zahl der Kunstdenkmäler, die über das ı8. Jahrhundert hinaus- reichen. Romanischen Ursprungs ist nur der aus dem 12. Jahr- hundert stammende Berchfrit des Kisslauer Schlosses, der in der Schönbornzeit dann in so origineller Weise als Mittelpunkt der neuen Schlossanlage verwertet wurde; als frühmittelalterlich sind auch Berchfrit und Ringmauer der Oberburg zu Obergrombach in ihren ältesten Teilen zu bezeichnen. In die Zeit der Gotik hinein ragen in ihren Anfängen die Kirchen zu Langenbrücken, Mingolsheim, Neuenburg, Oberöwisheim „(Langhaus und Chor), Rheinhausen, Stettfeld und Zeutern, sowie die Oberburg und Burgkapelle zu Obergrombach. Auch die Kanzel der Bruchsaler Liebfrauenkirche, die beachtenswerten Ölberge zu Oberöwisheim, Östringen, Stettfeld und Zeutern, die Wandmalereien zu Helms- heim und ÖObergrombach, sowie der aus Flandern stammende Schnitzaltar zu Kirrlach verdienen als Schöpfungen der späteren Gotik in diesem Zusammenhang Erwähnung. Als Renaissancebau kommt nur der obengenannte Hohenegger Hof zu Bruchsal in Betracht Um so reicher ist dann wieder die Zeit des Barock und Rokoko vertreten: wir nennen, abgesehen von Bruchsal, die Kirchen zu Kirrlach, Philippsburg, Ubstatt, die Michelskapelle bei Untergrombach, die Wallfahrtskirche und Eremitage zu Wag- häusel, die Schlösser zu Kisslau und Karlsdorf. Die Namen von Balth. Neumann, Stahl und Rohrer sind mit ihnen verknüpft. An Profanbauten finden sich hübsche Fachwerkhäuser des ı6./17. Jahrhunderts zu Heidelsheim, Ober- und Untergrombach, Östringen, Ubstatt und Unteröwisheim. Interessante Überreste alter Stadtbefestigungen haben sich zu Bruchsal, Heidelsheim und Obergrombach erhalten. So bietet auch dieser Band mit seinem reichen Inhalt und geschickt ausgewählten Bildermaterial eine Fülle vielseitiger Belehrung und reiht sich würdig ein in die grosse kunstgeschichtliche Publikation unseres Heimatlandes, auf die wir stolz sein dürfen. Den dringenden Wunsch, dass, künftig, wenn irgend möglich, jedem Einzelbande, zum mindesten aber jeder einen Kreis behandelnden Bandreihe, ein Register beigegeben werde, muss ich freilich auch diesmal wiederholen und kräftig unterstreichen. Mit demselben Recht, mit dem die Bad. Historische Kommission verlangt, dass all ihren grösseren Publikationen Register beigefügt werden, darf und muss man dies auch von der vorliegenden verlangen. Erst dann wird ihre Be- nutzung für den Historiker, vor allem den Kunsthistoriker, so erleichtert, wie er es wünschen muss. Ich sehe keinen Grund ein, warum diese selbstverständliche Forderung, wo es sich um ein nobile officium handelt, nicht erfüllt werden soll und kann. Oder sollen wir wirklich warten, bis die ganze Publikation nach Jahren abgeschlossen sein wird? Dies käme, zumal die erst- erschienenen Bände doch einer völligen Umarbeitung bedürfen, fast einer Vertagung ad kalendas graecas gleich. Ä. Obser.

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Zeitschriftenschau und Literaturnotizen. 135

Die Karlsruher Dissertation von Arthur Valdenaire: ‚Friedrich Weinbrenner. Seine künstlerische Erziehung und der Ausbau Karlsruhes.« (69 S.) bringt die ersten Kapitel einer auf mehrjährigen sorgfältigen Studien beruhenden, grundlegenden Biographie des genialen Baumeisters, die in dem Karlsruher Verlage von C. F. Müller erscheinen wird. Wir werden auf das Werk, das auf zwei Bände berechnet ist, sobald es vorliegt, aus- führlicher zurückkommen.

Die Mitteilungen der Gesellschaft für Erdkunde und Kolonial- wesen zu Strassburg i. E. IV (1914), S. 105—172 bringen eine eingehende, auf die Quellen zurückgehende Arbeit von Karl Schott über die Entwicklung der Kartographie des Elsasses, die als erster Versuch Anerkennung verdient. Verf. behandelt zunächst die verschiedenen kartographischen Typen, die durch die sechs Stichworte (Übersichtskarten, Spezialkarten, Pläne, Ansichten aus der Vogelschau, Modelle und Itinerarien). veranschaulicht werden, um dann kurz den Karteninhalt und seine Eigentümlichkeiten zu besprechen. Die zeitliche Grenze bildet das Erscheinen der sog. Cassinischen Karte (1793). Zwei Abbildungen älterer Karten (Waldseemüller 1513, Speckel ı576) bilden eine willkommene Beigabe. Störend wirken allerlei Flüchtigkeiten, wenn z. B. Waldseemüllers Studium in Freiburg um 1450 angesetzt wird (S. ı10l, in Wirklichkeit ist er am 7. Dezember 1490 dort immatrikuliert worden) oder wenn S. 118 gar zu lesen ist, dass das Dorf Hundsfeld i. B. von dem Mlark- graben (!!) von Hanau zerstört worden sei. H. Kaiser. -

Das reich illustrierte und fein ausgestattete Jahrbuch Mannheimer Kultur 1913 (herausg. von Karl Hönn; Mann- heim 1914, H. Haas) enthält auch einige landesgeschichtliche Arbeiten. Wissenschaftlich besonders wertvoll ist der Aufsatz von Hermann Gropengiesser »Die römische Basilika in Ladenburg« - (vgl. die Besprechung NF. XXIX, 726). Von den Artikeln des Jahrbuchs sind an dieser Stelle ausserdem noch zu nennen eine von Friedrich Walter verfasste kunstgeschichtliche Beschreibung des in der Sammlung des Mannheimer Altertumsvereines befind- lichen Rother Altares, eines Werkes spätgotischer Plastik aus der Gegend um Messkirch, weiterhin ein zusammenfassender Bericht über »Liselotte im Lichte der jüngsten Forschung« von F. Schnabel, und schliesslich der Aufsatz »Richard Wagner und Mannheime, in welchem Karl Heckel auf Grund der meist schon bekannten Papiere Emil Heckels, des Begründers der Wagner- vereine und Vorkämpfers für Richard Wagner, die wichtigen Beziehungen darstellt, welche Leben und Kunst Richard Wagners mit Mannheim verknüpft haben,

20 Personalien.

Personalien.

Für neuere Geschichte habilitierten sich an der Universitä: Heidelberg Dr. Wolfgang Windelband, an der Universit: Strassburg Dr. G. A. Rein aus Jena.

Dem früheren langjährigen Redakteur des elsässischen Teis der Zeitschrift, Professor Dr. W. Wiegand in Strassburg, is beim Scheiden aus dem akademischen Lehramt der Kgl. Kronen- orden Il. Klasse verliehen worden. Dieselbe Auszeichnung ist aus dem gleichen Anlass unserem Mitarbeiter Professor Dr. G. Dehio, bisher Vertreter der Kunstgeschichte an der Uri- versität Strassburg zuteil geworden.

Durch Verleihung des. Eisernen Kreuzes Il. Klasse wurcer ausgezeichnet unsere Mitarbeiter Dr. Burckhardt, Hilfsarbeie: an der Universitätsbibliothek Heidelberg, Dr. Fl. Haug, türt:. Löwensteinscher Archivar in Wertheim, Dr. Herm. Haeri:z. Hilfsarbeiter am Grossh. Generallandesarchiv Karlsruhe, Karl Le- mever, Konservator der Städtischen Sammlungen zu Heide ter. Dr. Katterfeld (Mülhausen i. E.) und Dr. O. Wiltberger Mex.

Auf dem Felde der Ehre sind gefallen der als Nazia Dehios von Basel nach Strassburg berutene Kunsthistorizer Fz- tessor Dr. Ernst Heidrich, der fürstlich Fürstenbergische 2:1! thekar zu Donaueschingen Protessor Dr. Otto Heinrica u! unser früherer Mitarbeiter Protessor Dr. Alfred Winke.maz!. Direktor des Realprosvmnasiums zu Mosbach, ein Sohn ces vet- storbenen Heidelberger Historikers und ersten Vorstands der Badischen Historischen Kommission.

Zu Beginn des neuen Jahres, am 17. Januar starb zu Frei burg i Br. der frühere städtische Archivar Dr. Hermarn F.ıı1.

Arbeit bringen und seiner Verdienste um die heima:li.ze te- syhichtsiorschung gedenken.

„RB 37. | 1915

MITTEILUNGEN

der

Badischen Historisehen Kommission.

ee

Bericht

über die

Ordnung und Verzeichnung der Archive und Registraturen der Gemeinden, Pfarreien, Grundherrschaften, Korporationen und Privaten des Grossherzogtums Baden durch die Pfleger der Badischen Historischen Kommission im Jahre 1913/14.

I. Bezirk.

Die Verzeichnung des Stadtarchivs in Meersburg hat Professor Dr. Hunn daselbst soweit gefördert, dass dieselbe zu Beginn des nächsten Jahres abgeschlossen werden kann.

Von den Archivalien der Gemeinde Nussdorf hat der Öberpfleger Hofrat Dr. Roder ein neues Verzeichnis in etwas erweiterter Fassung aufgestellt, da das frühere, in den »Mitteilungen«Nr. 13 (1891) veröffentlichte des damaligen Pflegers Dr. Ziegler vergriffen ist.

Die seit einer Reihe von Jahren unbesetzte Stelle des Pflegers für den Bezirk Konstanz-Land hat Professor Dr. Hunn übernommen.

Der für den ebenfalls erledigten Stadtbezirk Donau- eschingen als Pfleger in Aussicht genommene fürstlich fürstenbergische Konservator und Bibliothekar Professor Heinrich ist inzwischen im Kampf fürs Vaterland gefallen.

II. Bezirk. Der Pfleger Dr. Rest hat die Archivalien in 12 Ge- meinden des Amtsbezirks Freiburg neu geordnet und

verzeichnet, Mitt. d, Bad. Hist. Kom. Nr. 37. I

ın2 Bericht über die Verzeichnung der Archive usw.

Dr. Hefele in Freiburg den zweiten Hauptteil die Akten des freiherrl. von Gaylingschen Archivs in Ebnet erledigt und zwei der vorhandenen drei Kopial- bücher bearbeitet.

III. Bezirk.

Die Neuordnung und Verzeichnung des Stadtarchivs in Kenzingen hat der Pfleger Stadtpfarrer Renner weiter- geführt.

Der Oberpfleger Hofrat Dr. Pfaff hat die Überführung der im »Storchenturm« zu Denzlingen befindlichen Akten in das Rathaus daselbst bewirkt und mit deren eingehender Durchsicht begonnen.

In Oppenau hat Ratschreiber Jos. Ruf ein Ver- zeichnis der im Pfarrarchiv vorhandenen Archivalien auf- gestellt und die Neuordnung des Gemeindearchivs in An- griff genommen.

Die von Professor Dr. Mayer in Offenburg im ver- gangenen Jahre begonnene Arbeit im freiherrlich von Frankensteinschen Archiv ist ziemlich weit fortge- schritten, konnte aber noch nicht beendigt werden.

IV. Bezirk.

Im Amtsbezirk Eppingen hat Verwaltungssekretär Mock die Archive von ı4 Gremeinden neugeordnet und ver- zeichnet; zu erledigen ist noch das Stadtarchiv in Eppingen.

V. Bezirk.

Professor Dr. K. Hofmann in Karlsruhe erledigte die Neuordnung und Verzeichnung der Gemeindearchive im Amtsbezirk Bruchsal.

Im Amtsbezirk Sinsheim hat Pfarrer Wehn in Ehr- stätt das Amt des Pflegers niedergelegt. An seine Stelle ist Pfarrer J. Falkenberg in Hilsbach getreten.

Verzeichnis

der Pfleger der Badischen Historischen Kommission. (Stand vom 31. Dezember 1914.)

I. Bezirk.

Oberpfleger: Hofrat Dr. Christian Roder, Realschuldirektor a. D. in Überlingen.

Bonndorf:

Donaueschingen: Engen:

Konstanz, Stadt:

» Land: Messkirch: Pfullendorf: Säckingen:

Stockach:

Überlingen, Stadt:

» Land:

Villingen:

Waldshut:

Landgerichtsdirektor Adolf Birken- mayer in Waldshut.

Unbesetzt.

Pfarrer Anton Keller in Ducht- lingen.

Stadtarchivar Dr. Anton Maurer

in Konstanz.

Professor Dr. Hunn in Konstanz.

Pfarrer Jakob Ebner in Bietingen

Pfarrer Joseph Wolf in Burgweiler.

LandgenichtsdirektorAdolfBirken- mayer in Waldshut.

Pfarrer Karl Seeger in Möhringen.

Hofrat Dr. Christian Roder,

Realschuldirektor a. D. in Über- lingen.

Pfarrer Anton Walter in Mimmen- hausen.

Hofrat Dr. Christian Roder, Realschuldirektor a. D. in Über- lingen.

LandgerichtsdirektorAdolfBirken-

mayer in Waldshut. 1>

130 Zeitschriftenschau und Literaturnotizen.

Mit dem Eintritt des badischen Markgrafen in die Herr- schaft der rechtsrheinischen Pfalz überkam die nunmehr kur- badische Regierung in der Universität Heidelberg eine Erbschaft, die im Augenblick kaum einen reellen Wert darbot, ihr aber eine Aufgabe stellte, deren Lösung eine ihrer besten Leistungen in der Geschichte des ıg. Jahrhunderts bedeutet. Der eine Teil dieser Aufgabe, die materielle Neufundierung, schon von dem bayerischen Kurfürsten Max Joseph, aber mit unzulänglichen Mitteln in Angriff genommen, vollzog sich unter Brauers Initiative in der Weise, dass sich die privilegierte Rentenempfängerin in eine reine Staatsanstalt. verwandelte, für die der finanziell äusserst angestrengte Staat bis 1813 die stattliche Summe von 550000 fl. verausgabte. Der zweite Teil der Aufgabe, der eine geistige Wiedergeburt der Hochschule sich zum Ziele nehmen musste, schien aber gerade durch die straffe Bindung an die staatliche Gewalt, wie sie im 13. Örganisationsedikt vom 13. Mai .1803 enthalten war, gefährdet. Aber niemals ganz durchgeführt, liess es dank späterer Ergänzungen dem geistigen Leben die ihm gebührende Freiheit, ohne dem Staate die nicht ganz entbehr- liche Möglichkeit zu nehmen, die Zügel im Notfalle straffer an- zuziehen. Die verwaltungstechnische Einteilung der Disziplinen in 6 Sektionen, neben der die alte Fakultätsverfassung zur Er- teilung der akademischen Würden unverändert bestehen blieb, führte zu mancherlei Schwierigkeiten, deren grösste, die Ein- ordnung der aus der alten »Staatswirtschafts hohen Schule« ge- bildeten staatswirtschaftlichen Sektion in die Fakultätsverfassung, erst 1812 nach Thibauts immer wertvollen Vorschlägen die Lösung fand, nach der jene endlich in der philosophischen Fakultät aufging.

Unerquickliche Intriguen kennzeichnen die unruhige Ge- schichte des Kuratoriums. Brauer und nach ihm der Geh. Referendär Hofer, die Schöpfer der äusseren Organisation, ver- traten beide, Hofer minder ängstlich als Brauer, den Geist der Staatsbevormundung im Sinne des 13. Organisationsedikts. Der fähigste in der ganzen Reihe der Kuratoren, Sigismund Freih. v. Reitzenstein, der Begründer der Auszeichnung Heidelbergs mit seinem norddeutsch-protestantischen Gepräge vor der süddeutsch- katholischen Universität Freiburg, wohin 1807 die kath. Ab- teilung der Heidelberger theologischen Fakultät verlegt wurde, wich bald schon dem anmassungsvollen Ehrgeiz Klübers, der, gestützt auf eine Faktion gekränkter Professoren und bekannter Hof- und Regierungskreise, kurze Zeit faktisch die Kuratel aus- übte. Bei der Einführung des Ministerialsystems im Sommer 1808 wurde die Universitätsverwaltung dem Ministerium des Innern, bei der Verwaltungsreform Reitzensteins von 1809 dem Generaldirektorium dieses Ministeriums, die Anstellung der Pro- fessoren aber der Ministerialkonferenz übertragen.

Durch die Personalreform, die durch den damals Marburger

Zeitschriftenschau und Literaturnotizen. 131

Juristen Savigny wertvolle Unterstützung fand, aber dauernd unter finanziellen Rücksichten zu leiden hatte, gesellten sich zu den aus dem alten Lehrkörper übernommenen würdigen Kräften: den kath, Theologen Dereser und Kübel, den Protestanten Wundt und Daub, den Medizinern Mai und Zuccarini, den Kameralisten Suckow und Gatterer, dauernd oder vorübergehend die Kirchen- historiker Marheinecke und Neander, der Exeget de Wette, der Systematiker Schwarz, seit 1811 Paulus, der letzte der grossen Rationalisten; in Arnold Heise und Justus Thibaut, dem Impe- rator der Universität, zwei hervorragende Pandektisten, in Klüber und Zachariae ebenso ausgezeichnete Vertreter der staatsrecht- lichen Fächer; in der medizinischen Sektion der Anatom und Chirurg Ackermann, dem ein brauchbares anatomisches Institut und eine chirurgische Ambulanz, wie Mai ein Gebärhaus ihre Entstehung verdankten; weiterhin der Kameralist und Mathe- matiker Langsdorf, der Philosoph Fries, als strenger Kantianer ein heftiger Gegner Hegels, der ihn 1816 ersetzte, der feurige Görres, der über Ästhetik und Philosophie las, als einer der glänzendsten Sterne der Universität der klassische Philolog Creuzer, mit dem als Staatspensionär in Heidelberg lebenden Joh. Hch. Voss wegen seiner romantischen Anschauungen un- versöhnlich verfeindet; der aus Wolffs Schule hervorgegangene August Boeckh, schliesslich der Historiker Wilken, von hervor- ragendem Verdienst als Reorganisator der Universitätsbibliothek, die er noch 1815/16 um 840 in Paris wiedergewonnene Hand- schriften der alten Palatina bereicherte. Marheinecke und Neander, de Wette, Boeckh und Wilken wurden bald an die Berliner Universität berufen, für Heidelberg ein grosser Verlust, aber nicht minder hohe Ehre. Die Bedeutung der mit der Universität aufs engste verknüpften Heidelberger Romantiker- schule ist bekannt, auch ihre Kämpfe mit den Rationalisten um Paulus und Voss, gegen die sie auch in dem Ringen um das von der Regierung geförderte literarische Unternehmen der Heidelberger Jahrbücher« Sieger blieben.

Der steigenden Bedeutung des Lehrkörpers entsprach ein starkes Wachsen der Frequenz. Die Immatrikulationen stiegen bis 1806 von 93 auf 231; die Gesamtfrequenz schwankte von 1807—1813 zwischen 300—430, naturgemäss auch abhängig von den politischen Ereignissen. Auffallend ist das Überwiegen der Juristen und der Nichtbadener. Das studentische Leben dieses Jahrzehnts ist von wechselnden Interessen und Gegen- sätzen erfüllt. Das Logentum der erst mit dem republikanischen Schwärmertum in Heideiberg eingekehrten Orden der Konstan- tisten und Harmonisten fand seit 1802 eine kräftige und gesunde Opposition in den neu entstehenden Landsmannschaften mit vertieftem Freundschafts- und Lebensprinzip. Heftige Zusammen- stösse mit den Orden, andere mit dem Militär führten 1805 zur Auflösung und zum Verbot aller Verbindungen. Sofort aber

132 Zeitschriftenschau und Literaturnotizen.

entstanden neue Landsmannschaften mit gemeinsamem Burschen- komment, den sie auch den nicht ihnen angeschlossenen, den Renoncen, aufzudrängen suchten. Wilde Raufereien endeten mit der Auflösung dieses Verbandes und einer Neuorganisation in fünf »Korps«, die den landsmannschaftlichen Grundsätzen den Gedanken der Gleichheit aller Studierenden hinzufügten und grundsätzlich jeden Studierenden eo ipso nach Massgabe seiner Heimat als zu einem Korps gehörig betrachteten. Politische Kund- gebungen oder gar Äusserungen national-patriotischer Regungen waren, wie sich versteht, streng verboten und blieben es selbst noch einige Wochen nach dem 18. Oktober 1813.

Dies in den Grundzügen der Inhalt zweier umfangreicher Bücher, deren jedes daneben eine Fülle politisch, verwaltungs- und vor allem kulturgeschichtlich interessanter Einzelheiten bietet, beide entstanden als Bearbeitungen einer Preisaufgabe der Uni- versität Heidelberg. Ein Unterschied in der Bewertung dürfte heute kaum mehr bestehen, da sich jede der beiden Schriften durch deutliche Vorzüge vor der andern auszeichnet. Beide beruhen auf dem zuverlässigsten Quellenmaterial, den Akten des Generallandesarchivs und des Uhnterrichtsministeriums in Karls- ruhe, sowie des Heidelberger Universitätsarchivs. Schneiders grosser Vorzug ist eine fast restlose Aufarbeitung vorab des amtlichen Materials, wodurch vielleicht abgesehen von der finanziellen Seite eine lückenlose Darstellung des verwaltungs- geschichtlichen Teils der Aufgabe entstanden ist. Aber freilich sind die Akten oft genug nicht derart verarbeitet, dass sich daraus ein angenehmes Gesamtbild entwickelt hätte, und nicht nur die oft viele Seiten langen Aktenauszüge wirken ermüdend, mehr noch fast der Eindruck, die ganzen Dinge einseitig vom Ministersessel aus behandelt zu sehen. Eine Schwäche liegt nicht minder in der oft rein chronologischen Anordnung des Stoffes, wodurch die Darstellung -— deutlich z. B. in den Kapiteln über die Personalorganisation zerrissen und unübersichtlich wurde; doch treten gerade in diesen wiederum die mannigfach zur Geltung gebrachten Einflüsse berufener und unberufener Personen und Kreise bestimmter hervor als in in dem Parallel- werk.

Im Gegensatz zu Schneider überrascht Keller durch den leichten Fluss seiner Erzählung, und während bei Schneider in erster Linie der Staats- und Verwaltungshistoriker auf seine Rechnung kommt, befriedigt Keller vorwiegend den Kultur-, auch den Lokalhistoriker. Glücklicher als bei Schneider und durchweg nach sachlichen Rücksichten orientiert scheint mir die ganze Anlage des Kellerschen Buches. Auch er hat die Akten gelesen, freilich nicht mit der Aufmerksamkeit Schneiders, und lässt aus dem Gelesenen ein klares, einheitliches Bild erstehen, wobei er sozusagen die Dinge in Heidelberg selbst miterlebt. Dabei tritt die Rolle der Regierung zurück, wogegen das neue

Zeitschriftenschau und Literaturnotizen. 133

Leben der Universität selbst in ansprechender Form aufgerollt wird. Das gilt in gesteigertem Masse von den Kapiteln über das Studententum. Während sich hier Schneiders Untersuchungen der ganzen Art seiner Arbeitsweise gemäss fast ausschliesslich auf die Entstehung und Umbildung der akademischen Gesetze und auf die Stellung der Regierungsbehörden zu dem studen- tischen Leben und Verbindungswesen beschränken, erzählt uns Keller, dem auch die Archive des Korps Suevia zur Verfügung standen, von dem studentischen Leben an der Uhniversität, vor allem von der nicht nur kulturgeschichtlich interessanten Ent- wicklung der studentischen Organisationen seit dem Ausgang des 18. Jahrhunderts bis zu den Jahren der Befreiungskriege. Vierneisel.

Mit dem Eintritt von Hans Rott in die Reihe der Mitarbeiter an den »Kunstdenkmälern des Grossherzogtums Baden« ist ein frischer Zug in das ganze Unternehmen gekommen. Dank seiner rastlosen Energie und Schaffensfreude konnte schon nach Jahresfrist ein weiterer Einzelband, die zweite Abteilung des neunten Bandes (Kreis Karlsruhe) erscheinen (Tübingen, J. C. B. Mohr (P. Siebeck) 357 S.). Er behandelt die »Kunstdenk- mäler des Amtsbezirks Bruchsal. Im Vordergrunde steht die Amtsstadt selbst, die einstige Bischofsresidenz, der nahezu 200 Seiten gewidmet sind, mit den Überresten ihrer alten Mauer- wehr und des alten Schlosses aus dem 14./15. Jahrhundert, dem Renaissancebau des Hohenegger Hofs, und den prächtigen Denk- mälern des Barock und Rokoko, ihrer Liebfrauen- und Peters- kirche und dem Juwel des Schönbornschlosses. Wohl haben Wille, Hirsch und Heiligenthal dem Verf. hier grundlegend vor- gearbeitet, aber überall bemüht er sich doch, in den Akten- massen der Archive schürfend, ihre Forschungen zu ergänzen. Mit welchem Erfolg, das ersieht man beispielsweise aus der Fülle neuer Daten, die er über die Restauration der Liebfrauen- kirche, oder über die Bauherren, Baumeister und Künstler des Schlosses und den Bau selbst beizubringen weiss. In der viel- umstrittenen Frage nach dem Schöpfer der Gesamtidee des Baues scheidet auch für ihn Balthasar Neumann als Planentwerfer aus, wenngleich er beim Blick aufs Ganze neben Schönborn stets an erster Stelle genannt werden muss. Auf Ritter als Planfertiger hat Hirsch hingewiesen; vieles spricht dafür, aber die Gründe, die er anführt, sind nicht zwingend. Lohmeyer hat aus stil- kritischen Gründen den Generalplan auf Welsch zurückzuführen versucht, und es ist Rott gelungen, weitere Belege hierfür bei- zubringen. Aber auch hier kommt man über ein hohes Mass von Wahrscheinlichkeit nicht hinaus, und so bleibt es denn, bis entscheidende Beweise erbracht werden, vorläufig bei einem non liquet. |

Schwere Kriegsnot hat im alten Reiche das Bruhraingebiet

134 Zeitschriftenschau und Literaturnotizen.

nur zu oft heimgesucht; verhältnismässig klein ist darum de Zahl der Kunstdenkmäler, die über das 18. Jahrhundert hinu reichen. Romanischen Ursprungs ist nur der aus dem 12. jii hundert stammende Berchfrit des Kisslauer Schlosses, der in der Schönbornzeit dann in so origineller Weise als Mittelpunkt de neuen Schlossanlage verwertet wurde; als frühmittelalterlich sind auch Berchfrit und Ringmauer der Oberburg zu Obergrombath in ihren ältesten Teilen zu bezeichnen. In die Zeit der Gotk hinein ragen in ihren Anfängen die Kirchen zu Langenbrücke, Mingolsheim, Neuenburg, Überöwisheim .(Langhaus und Chor) Rheinhausen, Stettfeld und Zeutern, sowie die Oberburg mt Burgkapelle zu Obergrombach. Auch die Kanzel der Bruchsal: Liebfrauenkirche, die beachtenswerten Ölberge zu Oberöwishein, Östringen, Stettfeld und Zeutern, die Wandmalereien zu Helm heim und Obergrombach, sowie der aus Flandern stammend Schnitzaltar zu Kirrlach verdienen als Schöpfungen der späteren Gotik in diesem Zusammenhang Erwähnung. Als Renaissance kommt nur der obengenannte Hohenegger Hof zu Bruchsal it Betracht Um so reicher ist dann wieder die Zeit des Bard und Rokoko vertreten: wir nennen, abgesehen von Bruchsal, dit Kirchen zu Kirrlach, Philippsburg, Ubstatt, die Michelskapell bei Untergrombach, die Wallfahrtskirche und Eremitage zu Way häusel, die Schlösser zu Kisslau und Karlsdorf. Die Namen vot Balth. Neumann, Stahl und Rohrer sind mit ihnen verknipt. An Profanbauten finden sich hübsche Fachwerkhäuser ı6./17. Jahrhunderts zu Heidelsheim, Ober- und Untergrombach Östringen, Ubstatt und Unteröwisheim. Interessante Überreste alter Stadtbefestigungen haben sich zu Bruchsal, Heidelshein und Obergrombach erhalten. So bietet auch dieser Band mt seinem reichen Inhalt und geschickt ausgewählten Bildermateri eine Fülle vielseitiger Belehrung und reiht sich würdig ein M die grosse kunstgeschichtliche Publikation unseres Heimatlandes auf die wir stolz sein dürfen. Den dringenden Wunsch, dass, künftig, wenn irgend möglich, jedem Einzelbande, zum mindesten aber jeder einen Kreis behandelnden Bandreihe, ein Registe beigegeben werde, muss ich freilich auch diesmal wiederholen und kräftig unterstreichen. Mit demselben Recht, mit dem die Bad. Historische Kommission verlangt, dass all ihren grösseren Publikationen Register beigefügt werden, darf und muss man die auch von der vorliegenden verlangen. Erst dann wird ihre Be nutzung für den Historiker, vor allem den Kunsthistoriker, © erleichtert, wie er es wünschen muss. Ich sehe keinen Grund ein, warum diese selbstverständliche Forderung, wo es sich W ein nobile officium handelt, nicht erfüllt werden soll und kam. Oder sollen wir wirkich warten, bis die ganze Publikation nach Jahren abgeschlossen sein wird? Dies käme, zumal die erst erschienenen Bände doch einer völligen Umarbeitung bedürfen, fast einer Vertagung ad kalendas graecas gleich. X. Obser.

x

Zeitschriftenschau und Literaturnotizen. 135

Die Karlsruher Dissertation von Arthur Valdenaire: Friedrich Weinbrenner. Seine künstlerische Erziehung und der Ausbau Karlsruhes.« (69 S.) bringt die ersten Kapitel einer auf mehrjährigen sorgfältigen Studien beruhenden, grundlegenden - Biographie des genialen Baumeisters, die in dem Karlsruher

>- Verlage von C. F. Müller erscheinen wird. Wir werden auf das

Werk, das auf zwei Bände berechnet ist, sobald es vorliegt, aus-

-. führlicher zurückkommen.

Die Mitteilungen der Gesellschaft für Erdkunde und Kolonial-

- wesen zu Strassburg i. E. IV (1914), S. 105—172 bringen eine ~: eingehende, auf die Quellen zurückgehende Arbeit von Karl

Schott über die Entwicklung der Kartographie des Elsasses, die als erster Versuch Anerkennung verdient. Verf. behandelt zunächst die verschiedenen kartographischen Typen, die durch die sechs Stichworte (Übersichtskarten, Spezialkarten,

u Pläne, Ansichten aus der Vogelschau, Modelle und Itinerarien).

- veranschaulicht werden, um dann kurz den Karteninhalt und - seine Eigentümlichkeiten zu besprechen. Die zeitliche Grenze - bildet das Erscheinen der sog. Cassinischen Karte (1793). Zwei Abbildungen älterer Karten (Waldseemüller 1513, Speckel 1576) bilden eine willkommene Beigabe. Störend wirken allerlei Flüchtigkeiten, wenn z. B. Waldseemüllers Studium in Freiburg um 1450 angesetzt wird (S. 1102, in Wirklichkeit ist er am 7. Dezember 1490 dort immatrikuliert worden) oder wenn S. 118 - gar zu lesen ist, dass das Dorf Hundsfeld i. B. von dem Mark- graben (!!) von Hanau zerstört worden sei. H. Kaiser. :

Das reich illustrierte und fein ausgestattete Jahrbuch Mannheimer Kultur 1913 (herausg. von Karl Hönn; Mann- heim 1914, H. Haas) enthält auch einige landesgeschichtliche Arbeiten. Wissenschaftlich besonders wertvoll ist der Aufsatz von Hermann Gropengiesser »Die römische Basilika in Ladenburg« - (vgl. die Besprechung NF. XXIX, 726). Von den Artikeln des Jahrbuchs sind an dieser Stelle ausserdem noch zu nennen eine von Friedrich Walter verfasste kunstgeschichtliche Beschreibung des in der Sammlung des Mannheimer Altertumsvereines befind- lichen Rother Altares, eines Werkes spätgotischer Plastik aus der Gegend um Messkirch, weiterhin ein zusammenfassender Bericht über »Liselotte im Lichte der jüngsten Forschung« von F. Schnabel, und schliesslich der Aufsatz »Richard Wagner und Mannheime, in welchem Karl Heckel auf Grund ‘der meist schon bekannten Papiere Emil Heckels, des Begründers der Wagner- vereine und Vorkämpfers für Richard Wagner, die wichtigen Beziehungen darstellt, welche Leben und Kunst Richard Wagners mit Mannheim verknüpft haben.

136 - Personalien.

Personalien,

Für neuere Geschichte habilitierten sich an der Universität Heidelberg Dr. Wolfgang Windelband, an der Universität Strassburg Dr. G. A. Rein aus Jena.

Dem früheren langjährigen Redakteur des elsässischen Teils der Zeitschrift, Professor Dr. W. Wiegand in Strassburg, ist beim Scheiden aus dem akademischen Lehramt der Kgl. Kronen- orden Il. Klasse verliehen worden. Dieselbe Auszeichnung ist aus dem gleichen Anlass unserem Mitarbeiter Professor Dr. G. Dehio, bisher Vertreter der Kunstgeschichte an der Uni- versität Strassburg zuteil geworden.

Durch Verleihung des. Eisernen Kreuzes II. Klasse wurden ausgezeichnet unsere Mitarbeiter Dr. Burckhardt, Hilfsarbeiter an der Universitätsbibliothek Heidelberg, Dr. Fl. Haug, fürstlich Löwensteinscher Archivar in Wertheim, Dr. Herm. Hoaering, Hilfsarbeiter am Grossh. Generallandesarchiv Karlsruhe, Karl Loh- meyer, Konservator der Städtischen Sammlungen zu Heidelberg, Dr. Katterfeld (Mülhausen i. E.) und Dr. O. Wiltberger (Metz).

Auf dem Felde der Ehre sind gefallen der als Nachfolger Dehios von Basel nach Strassburg berufene Kunsthistoriker Pro- fessor Dr. Ernst Heidrich, der fürstlich Fürstenbergische Biblio- thekar zu Donaueschingen Professor Dr. Otto Heinrich und unser früherer Mitarbeiter Professor Dr. Alfred Winkelmann, Direktor des Realprogymnasiums zu Mosbach, ein Sohn des ver- storbenen Heidelberger Historikers und ersten Vorstandes der Badischen Historischen Kommission,

Zu Beginn des neuen Jahres, am 17. Januar starb zu Frei- burg i. Br. der frühere städtische Archivar Dr. Hermann Flamm. Wir werden im Aprilhefte seine letzte grössere wissenschaftliche Arbeit bringen und seiner Verdienste um die heimatliche Ge- schichtsforschung gedenken.

K 37. 1915

MITTEILUNGEN

der

Badisehen Historisenen Kommission.

Bericht

über die

Ordnung und Verzeichnung der Archive und Registraturen der Gemeinden, Pfarreien, Grundherrschaften, Korporationen und Privaten des Grossherzogtums Baden durch die Pfleger der Badischen Historischen Kommission im Jahre 1913/14.

I. Bezirk. |

Die Verzeichnung des Stadtarchivs in Meersburg hat Professor Dr. Hunn daselbst soweit gefördert, dass dieselbe zu Beginn des nächsten Jahres abgeschlossen werden kann.

Von den Archivalien der Gemeinde Nussdorf hat der Öberpfleger Hofrat Dr. Roder ein neues Verzeichnis in etwas erweiterter Fassung aufgestellt, da das frühere, in den »Mitteilungen«Nr. 13 (1891) veröffentlichte des damaligen Pflegers Dr. Ziegler vergriffen ist.

Die seit einer Reihe von Jahren unbesetzte Stelle des Pflegers für den Bezirk Konstanz-Land hat Professor Dr. Hunn übernommen.

Der für den ebenfalls erledigten Stadtbezirk Donau- eschingen als Pfleger in Aussicht genommene fürstlich fürstenbergische Konservator und Bibliothekar Professor Heinrich ist inzwischen im Kampf fürs Vaterland gefallen.

II. Bezirk. Der Pfleger Dr. Rest hat die Archivalien in ı2 Ge- meinden des Amtsbezirks Freiburg neu geordnet und

verzeichnet, Mitt. d, Bad. Hist. Kom. Nr. 37. I

ın2 Bericht über die Verzeichnung der Archive usw.

Dr. Hefele in Freiburg den zweiten Hauptteil die Akten des freiherrl. von Gaylingschen Archivsin Ebnet erledigt und zwei der vorhandenen drei Kopial- bücher bearbeitet.

III. Bezirk.

Die Neuordnung und Verzeichnung des Stadtarchivs in Kenzingen hat der Pfleger Stadtpfarrer Renner weiter- geführt.

Der Oberpfleger Hofrat Dr. Pfaff hat die Überführung der im »Storchenturm« zu Denzlingen befindlichen Akten in das Rathaus daselbst bewirkt und mit deren eingehender Durchsicht begonnen.

In Oppenau hat Ratschreiber Jos. Ruf ein Ver- zeichnis der im Pfarrarchiv vorhandenen Archivalien auf- gestellt und die Neuordnung des Gremeindearchivs in An- griff genommen. | |

Die von Professor Dr. Mayer in Offenburg im ver- gangenen Jahre begonnene Arbeit im freiherrlich von Frankensteinschen Archiv ist ziemlich weit fortge- schritten, konnte aber noch nicht beendigt werden.

IV. Bezirk.

Im Amtsbezirk Eppingen hat Verwaltungssekretär Mock die Archive von 14 Gemeinden neugeordnet und ver- zeichnet; zu erledigen ist noch das Stadtarchiv in Eppingen.

V. Bezirk.

Professor Dr. K. Hofmann in Karlsruhe erledigte die Neuordnung und Verzeichnung der Gemeindearchive im Amtsbezirk Bruchsal.

Im Amtsbezirk Sinsheim hat Pfarrer Wehn in Ehr- stätt das Amt des Pflegers niedergelegt. An seine Stelle ist Pfarrer J. Falkenberg in Hilsbach getreten.

os r

Verzeichnis

der Pfleger der Badischen Historischen Kommission. (Stand vom 31. Dezember 1914.)

I. Bezirk.

Oberpfleger: Hofrat Dr. Christian Roder, Realschuldirektor a. D. in Überlingen.

Bonndorf:

Donaueschingen: Engen:

Konstanz, Stadt:

» Land: Messkirch: Pfullendorf: Säckingen:

Stockach:

Überlingen, Stadt:

» Land:

Villingen:

Waldshut:

Landgerichtsdirektor Adolf Birken- mayer in Waldshut.

Unbesetzt.

Pfarrer Anton Keller in Ducht- lingen.

Stadtarchivar Dr. Anton Maurer

in Konstanz.

Professor Dr. Hunn in Konstanz.

Pfarrer Jakob Ebner in Bietingen

Pfarrer Joseph Wolf in Burgweiler.

LandgenichtsdirektorAdolfBirken- mayer in Waldshut.

Pfarrer Karl Seeger in Möhringen.

Hofrat Dr. Christian Roder,

. Realschuldirektor a. D. in Über- lingen.

Pfarrer Anton Walter in Mimmen- hausen.

Hofrat Dr. Christian Roder, Realschuldirektor a. D. in Über- lingen.

LandgerichtsdirektorAdolfBirken-

mayer in Waldshut. 1>

m4 Verzeichnis der Pfleger der Bad. Hist. Kommission.

II. Bezirk.

Oberpfleger: Stadtarchivrat Professor Dr. Peter Paul Albert in Freiburg i. Br.

S l Dr. J. Rest in Freiburg i. Br.

Lörrach: Landgerichtsdirektor AdolfBirken- mayer in Waldshut.

Müllheim: Kreisschulrat Dr. Benedikt Ziegler in Freiburg i. Br.

Neustadt: Landgerichtsdirektor AdolfBirken-

| mayer in Waldshut.

St. Blasien: _Derselbe.

Schönau: Derselbe.

Schopfheim: Derselbe.

Staufen: | i Kreisschulrat Dr. Benedikt Ziegler

Waldkirch: J in Freiburg i. Br.

III. Bezirk.

Oberpfleger: Hofrat Professor Dr. Fridrich Pfaff, in Freiburg i. Br.

Achern: Direktor Dr. Hermann Schindler

in Sasbach.

Emmendingen: Hofrat Professor Dr. Fridrich Pfaff fm Freiburg i. Br.

Ettenheiin: | Stadtpfarrer Viktor Rennerin Ken- zingen.

Kehl: Unbesetzt.

Lahr: Stadtpfarrer ViktorRennerin Ken- zingen.

Oberkirch: Stadtpfarrer Rudolf Seelinger in Oberkirch.

Offenburg: Lehramtspraktikant Dr. Ernst Batzer in Offenburg.

Triberg: Unbesetzt.

Wolfach: Unbesetzt.

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r

Verzeichnis der Pfleger der Bad. Hist. Kommission. m5

IV. Bezirk. Oberpfleger: Archivdirektor Geh. Rat Dr. Karl Obser

Baden: Bretten: Bühl: Durlach: Eppingen: Ettlingen:

Karlsruhe: Pforzheim:

Rastatt:

in Karlsruhe.

Stadtrat Anton Klein in Baden.

Stadtpfarrer Karl Renz in Bretten.

Pfarrer Dr. Karl Reinfried in Moos.

Pfarrer Karl Heinrich Neu in Söllingen.

Stadtpfarrer Ludwig Friedrich Rei- mold in Eppingen.

Oberlehrer Benedikt Schwarz in Karlsruhe.

Derselbe.

Professor Dr. Karl Hofmann in Karlsruhe.

Realschuldirektior Prof. Heinrich Funk in Gernsbach.

V. Bezirk.

Oberpfleger: Professor Dr. Friedrich Walter in Mannheim.

Adelsheim: Boxberg: Bruchsal: Buchen:

Eberbach, Gemeinden: Eberbach, Pfarreien:

Heidelberg:

Mannheim: Mosbach:

Bürgermeister Dr. Johann Gustav Weiss in Eberbach.

Professor Dr. Karl Hofmann in Karlsruhe.

Stadtpfarrer Anton Wetterer in Bruchsal.

Bürgermeister Dr. Johann Gustav Weiss in Eberbach.

Derselbe.

Stadtpfarrer Karl Johann Schück in Eberbach.

Konservator der Städt. Sammlungen Karl Lohmeyer in Heidelberg.

Unbesetzt.

Bürgermeister Dr. Johann Gustav Weiss in Eberbach.

Verzeichnis der Pfleger der Bad. Hist. Kommission.

Schwetzingen: Professor Ferdinand August Maier, Direktor der Realschule in Schwetzingen.

Sinsheim: Pfarrer J. Falkenberg in Hilsbach.

Tauberbischofsheim: ProfessorDominik M üller in Tauber- bischofsheim.

Weinheim: Professor O. Keller in Weinheim.

Wertheim, Gemeinde- u. kath. Pfarr-

archive: Professor Dr. Karl Hofmann in Karlsruhe. > evang. Pfarr- archive: Stadtpfarrer und Dekan Johann

Ludwig Camerer in Wertheim.

Wiesloch: Pfarrer Otto Hagmaier in Wal-

dorf.

Veröffentlichungen

der

Badischen Historischen Kommission.

I. Mittelalterliche Quellen, insbesondere Regestenwerke.

Regesta episcoporum Constantiensium. Bd. I, bearb. .von P. Ladewig u. Th. Müller. Bd. Il, bearb. von A. Car- tellieri, wit Nachträgen und Registern von Æ. Rieder. Bd. II. Lief. 1—4, bearb. von Æ. Rieder. 4°. brosch. 78 M. Innsbruck, Wagner. 1887—1913.

Römische Quellen zur Konstanzer Bistumsgeschichte zur Zeit der Päpste in Avignon. 1305—1378. Bearbeitet von Äarl Rieder. Lex.-8%. brosch, 30 M. Innsbruck, Wagner. 1908. |

Regesten der Pfalzgrafen am Rhein. Bd. I, bearb. von A. Koch und J. Wille. Bd. II. Lief. 1ı—3, bearb. von Graf L. von Oberndorf. 4°. brosch. 48 M. Innsbruck, Wagner. 1894. 1912.

Regesten der Markgrafen von Baden und Hachberg. Bd. 1, bearb. von R. Fester. Bd. II. Lief. ı u. 2, bearb. von Heinrich Witte. Bd. IIl, bearb. von Heinrich Witte. Mit Register von Fritz Frankhauser. Bd. IV. Lief. 1—4, bearb. von A. Krieger. 4°. brosch. 95,80 M. Innsbruck, Wagner. 1892—1912.

Quellen und Forschungen zur Geschichte der Abtei

' Reichenau. Bd. 1l. Æ. Brandi, Die Reichenauer Urkundenfälschungen. Mit ı7 Taf. in Lichtdruck. 4°. brosch, ı2 M. Bd. II. X. Brandi, Die Chronik des Gallus Öhem. Mit 27 Taf. in Lithographie. 4°. brosch. 20 M. Heidelberg, Winter. 1890—1893.

Codex diplomaticus Salemitanus. Mit Unterstützung Sr. Königl. Hoheit des Großherzogs, des } Markgrafen Maximilian und der Badischen Historischen Kommission. Bd. I—III, bearb. von Zr. v. Weech. Mit 40 Taf. in Lichtdruck. Lex,-8°. brosch. 42,40 M. Karlsruhe, Braun. 1881—1895.

Oberrheinische Stadtrechte. I. Abteilung. Fränkische Rechte. 1.—8. Heft. ı. Wertheim, Freudenberg und Neubrunn,

m8 Veröffentlichungen der Badischen Historischen Kommission.

bearb. von R. Schroeder. 2 M. 2. Der Oberhof Wimpfen mit - seinen Tochterrechten Eberbach, Waibstadt, Ober- schefflenz, Bönnigheim und Mergentheim, bearb. von R. Schroeder. 5,50 M. 3. Mergentheim, Lauda, Ballen- berg und Krautheim, Amorbach, Walldürn, Buchen, Kü!s- heim und Tauberbischofsheim, bearp. von ÆR. Schroeder. 6 M. 4. Miltenberg, Obernburg, Hirschhorn, Neckar- steinach, Weinheim, Sinsheim und Hilsbach, bearb. von R. Schroeder und C. Koehne. 6 M. 5. Heidelberg, Neckar- gemünd und Adelsheim, bearb. von Carl Koehne. 7 M. 6. Ladenburg, Wiesloch, Zuzenhausen, Bretten, Gochs- heim, Heidelsheim, Zeutern, Boxberg, Eppingen, bearb.

von Carl Koehne. 5 M. 7. Bruchsal, Rotenberg, Philipps-

burg (Udenheim), Obergrombach und Steinbach, bearb. von Carl Koehne. 5 M. 8. Grünsfeld, Neidenau und Osterburken, bearb. von Carl Koehne. 2,50 M. Lex.-8°.

brosch. Heidelberg, Winter. 1895—1909.

II. Abteilung. Schwäbische Rechte. ı. u. 2. Heft. ı. Villingen, bearb. von Christian Roder. 8 M. Lex.-8". brosch. Heidelberg, Winter. 1905. Nachtrag und Register. ı M. 1909. 2. Überlingen, bearb. -von Fritz Geier. 23 M. Lex.-80. brosch. Heidelberg, Winter. 1908.

Die Konstanzer Ratslisten des Mittelalters. Bearb. von K. Beyerle. Lex.-8%. brosch. 8 M. Heidelberg, Winter. 1898.

II. Quellenpublikationen zur neueren Geschichte.

B. Erdmannsdörfer und Ä. Oöser. Politische Korrespondenz Karl Friedrichs von Baden. 1783—1806. Bd. I—V. I. 1783—1792. 16 M. II. 1792—1797. 20 M. UI 1797 1801. 16 M. IV. 1801—1804. 20 M. V. 1804—1806. 25 M. Lex.-8°, brosch. Heidelberg, Winter. 1888—1901.

K. Knies. Karl Friedrichs von Baden brieflicher Verkehr mit Mirabeau und Du Pont. 2 Bde. Lex.-80. brosch. 25 M. Heidelberg, Winter. 1892.

M. Immich. Zur Vorgeschichte des Orleans’schen Krieges. Nuntiaturberichte aus Wien und Paris 1685 1688. Mit einem Vorwort von Zr. von Weech. Lex.-8!. brosch. ı2 M. Heidelberg, Winter. 1898.

A. Thorbecke. Statuten und Reformationen der Universität Heidelberg. Lex-8°%. brosch. 16 M. Leipzig, Duncker & Humblot. 1891.

Tr. Schiess. Briefwechsel der Brüder Ambrosius und Thomas Blaurer. 1509— 1567. Bd. I. 1509— Juni 1538. 30M. Bd. II. August 1538 —Ende 1548. 30 M. Bd. M. 1549—1567. 30 M. Lex.-8%. Freiburg i. B., Fehsen- feld. 1908— ıg12.

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Veröffentlichungen der Badischen Historischen Kommission. mg

III. Bearbeitungen.

\

A. Krieger.. Topographisches Wörterbuch des Großherzog- tums Baden. 2. Auflage. Bd. I u. II. Mit ı Karte. Lex.-8°. brosch. 46 M. Heidelberg, Winter. 1904— 1905.

J. Kindler von Knobloch u. O. Freiherr von Stolzingen. Ober- badisches Geschlechterbuch. Bd. . A—Ha. Mit 973 Wappen. Bd. II. He—Lysser. Mit 683 Wappen. Bd. III Lief. 1—8. Macello— von Rotberg. 4°. brosch. 132,50 M. Heidelberg, Winter. 1898— 1913.

E. Heyck. Geschichte der Herzoge von Zähringen. Lex.-8°. brosch. 16 M. Freiburg, Mohr. 1891.

E. Gothein. Wirtschaftsgeschichte des Schwarzwaldes und der angrenzenden Landschaften. Bd. I. Lex.-8°., brosch. ı8 M. Strassburg, Trübner. 1892.

A. Schulte. Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden und der Reichskrieg gegen Frankreich 1693—1697. 2 Bde. Bd. I. Darstellung mit einem Bild in Heliogravüre. Bd. IJ. Quellen mit 9 Tafeln in Lichtdruck. Zweite billige Ausgabe. Lex.-8°%. brosch. ı2 M. Heidelberg, Winter. 1901.

K. Oöser. Denkwürdigkeiten des Markgrafen Wilhelm von Baden. l. 1792—1818. Mit einem Portrait und zwei Karten. Lex.-8°. brosch. 14 M. Heidelberg, Winter, 1906.

A. Schulte. Geschichte des mittelalterlichen Handels und Verkehrs zwischen Westdeutschland und Italien unter Ausschluß Venedigs. 2 Bde. brosch. 30 M. Leipzig, Duncker & Humblot. 1900.

J. Cahn. Münz- und Geldgeschichte der im Grossherzog- tum Baden vereinigten Gebiete. I. Teil. Konstanz und das Bodenseegebiet im Mittelalter. Lex. 80, brosch. 17,50 M. Heidelberg, Winter. ıgı1.

W. Andreas. Geschichte der badischen Verwaltungsorga- nisation und Verfassung in den Jahren 1802—1818. I. Bd. Lex.-8°. brosch. ı2 M. Leipzig, Quelle & Meyer. 19135.

Siegel der badischen Städte in chronologischer Reihenfolge. Der erläuternde Text von Zr. von Weech, A. Krieger und F, Frankhauser, die Zeichnungen von Ær. Held. 3 Hefte. I. Die Siegel der Städte in den Kreisen Mosbach, Heidel- berg, Mannheim, Karlsruhe. Mit 290 Siegelreproduktionen auf Tafeln und 32 Seiten Text. 2. Die Siegel der Städte in den Kreisen Baden und Offenburg. Mit 202 Siegelreproduktionen auf 41 Tafeln und 16 Seiten Text. 3. Die Siegel der Städte in den Kreisen Freiburg, Villingen und Lörrach. Mit 350 Siegelreproduktionen auf 68 Tafeln und 27 Seiten Text. Lex.-8%. brosch. 24 M. Heidelberg, Winter. 1899 1909.

mıo Veröffentlichungen der Badischen Historischen Kommission.

Badische Biographien. V. Teil. 1891— 1901. Herausgegeben ' von Zr. von Weech und A. Krieger. 2 Bde. brosch. 23,40 M. 8%. Heidelberg, Winter. 1906. 1883—1908. Fünfundzwanzig Jahre der Badischen Histo- rischen Kommission. Gr.-8%. brosch. ı M. Heidel- berg, Winter. 1908.

IV. Periodische Publikationen.

Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins. Neue Folge. Bd. I—XXIX. 80. brosch. 348 M. Heidelberg, Winter. 1886—1914.

Ergänzungshefte zur Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins. N. F. 1. Z. Franz, Alter und Bestand der Kirchenbücher insbesondere im Grossherzogtum Baden. 8°. brosch. 3,50 M. Heidelberg, Winter. 19012.

Mitteilungen der Badischen Historischen Kommission. Nr. ı— 36. Beigabe zu den Bänden 36—39 der älteren Serie und Band I—XXIX der Neuen Folge der obigen Zeitschrift. 1883—1914.

Inhaltsverzeichnis der Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins. Alte Folge. Band 1—39, bearb. von Aarl Sopp. 8°. brosch. 3 M. Heidelberg; Winter. 1908.

Badische Neujahrsblätter. Blatt ı - 7. gr. 8%. brosch. je ı M. Karlsruhe, Braun. 1891--1897.

1. (1891.) Æ. Bissinger. Bilder aus der Urgeschichte des badischen Landes, Mit 25 Abbildungen.

2. (1892.) Fr. von Weech. Badische Truppen in Spanien 1810—1813 nach Aufzeichnungen eines badischen Off- ziers, Mit einer Karte,

3. (1893.) B. Zrdmannsdörffer. Das badische Oberland im Jahre 1785.

4. (1894.) F. L. Baumann. Die Territorien des Seekreises 1800. Mit einer Karte. (Vergriffen.)

5. (1895.) Æ. Gothein. Bilder aus der Kulturgeschichte der Pfalz nach dem dreißigjährigen Kriege.

6. (1896.) R. Fester. Markgraf Bernhard I. und die An- fänge des badischen Territorialstaates.

7. (1897.) J. Wille. Bruchsal. Bilder aus einem geistlichen Staat im 18. Jahrhundert. Mit 6 Abbildungen. (Ver- griffen.) (Eine 2. Auflage erschien in besonderer Aus- stattung mit 8 in den Text gedruckten Abbildungen. Lex.-8%, brosch. 2 M. Heidelberg, Winter. 1900.)

Neujahrsblätter der Badischen Historischen Kommission. Neue Folge. gr. 80, brosch. je 1,20 M. Heidelberg, Winter. 1898 ff.

1. (1898.) Fr. von Weech. Römische Prälaten am deutschen Rhein 1761 1764.

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17.

Veröffentlichungen der Badischen Historischen Kommission, miıI

. (1899.) 2. Gothein. Joh. G. Schlosser als badischer Beamter. . (1900.) Æ. Beyerle. Konstanz im dreißigjährigen Kriege.

Schicksale der Stadt bis zur Aufhebung der Belagerung durch die Schweden 1628—1633.

. (1901.) P. Albert. Baden zwischen Neckar und Main in

den Jahren 1803—1806.

. (1902.) Æ. Krlian. Samuel Friedrich Saue. Ausgewählte

Gedichte. Mit einem Titelbild.

. (1903.) Z. Finke. Bilder vom Konstanzer Konzil. . (1904.) Zr. Panzer. Deutsche Heldensage im Breisgau.

(1905.) Æ. Fabricius. Die Besitznahme Badens durch die Römer. Mit einer Karte,

. (1906.) Æ. Hauck. Rupprecht der Kavalier, Pfalzgraf bei

Rhein. (1619—1682).

. (1907.) Æ. Gothein. Der Breisgau unter Maria Theresia

und Joseph II.

. (1908.) ZF. Pfaf. Der Minnesang im Lande Baden. . (1909.) Æ. Baas. Mittelalterliche Gesundheitspflege im

heutigen Baden.

. (1910.) Æ. Gothein. Die badischen Markgrafschaften im

16. Jahrhundert.

. (1g11.) J. Sauer. Die Anfänge des Christentums und

der Kirche in Baden.

. (1912.) W. Andreas. Baden nach dem Wiener Frieden - von 18009. . (1913.) J. Wille. August Graf von Limburg-Stirum, Fürst-

bischof von Speier. Miniaturbilder aus einem geistlichen Staate des 18. Jahrhunderts,

(1914) AR. Sülib. Schloss Favorite und die Eremitagen der Markgräfin Franziska Sibylla Augusta von Baden-Baden.

V. Historische Grundkarten des Grossherzogtums Baden.

I. Sektion Tauberbischofsheim. 2. u. 3 » Woọorms-Mannheim. 4. u. 5. » Mosbach-Miltenberg. 6. » Karlsruhe. 3 » Pforzheim. 8.u.9 » Rastatt-Bühl. IO. U. II. » Offenburg-Waldkirch. 12. U. 13. » Freiburg-Waldshut. 14. » Stühlingen. 15.0. 16. » Sigmaringen-Überlingen. 17.u. 18 » Villingen-Tuttlingen.

Die einzelnen Karten können vom Sekretariat der Badischen Historischen Kommission in Karlsruhe, Nördl. Hildapromenade 2, zum Preise von 30 Pf. für die Sektion, bezw. 60 Pf. für die Doppelsektion bezogen worden.

I.

Freiherrlich von Holzing-Berstett’sches Archiv!) ın Karlsruhe,

geordnet und verzeichnet von

Archivrat Fritz Frankhauser.

I. Urkunden. A. Familiensachen und Personalien.

I. von Berstett.

1280 Juni 13. Rudolf der Münzer, Hainrich Gyray und Berthold von Bezzenweiler als Erben der Frau Willebirg, Herm Stainlins Witwe, vertragen sich mit dem Johanniterhause zu Rott- weil, wegen eines dem letzteren von H. Stainlin vermachten Hauses. 2 Pap. Kop. Unter den Zeugen: Bruder Johanns von Berstett. I

1409 Nov. 3. Ritter Hans Marx, Claus Marx und Hans Adolf Marx [von Eckwersheim] einerseits und Hug von Kunheim (Kienheim) als Vogt Hugos, Sohnes von Wirich von Berstett, andrerseits, machen eine Teilung von des Hauses und der Burg wegen zu Berstett »innewendig der zargen des graben und der ryngmuren«, da das halbe Haus und die halbe Burg ihnen bis jetzt ungeteilt gehört hatte; unter Zuziehung von Hans Beinheim, Maurer, und Walter Thummeler, Zimmermann, geschworenen Werkleuten der Stadt Strassburg. Orig. Perg. 2

1430 Juni 2. Bechtold Kranz von Geispolsheim, Coneman von Mittelhausen, Hug Kaltesche, Vogt zu Buchsweiler, Walter Slappe und Hans von Waltenheim gen. Gulffesheim vermitteln einen Vergleich zwischen Fritschemann von Utweiler und seiner Hausfrau Else von Mühlhausen einerseits und Heinrich von Ber- stett, ihrem Schwager, anderseits wegen der Erbschaft Heinrichs von Mühlhausen, ihres Schwiegervaters. Orig. Perg. 3

I) Hinterlegt im Grossh. General-Landesarchiv.

m om

Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. mı3

1442 Okt. 28. Revers des Hug von Berstett bei seiner Ernennung zum Amtmann über die Dörfer Reichstett, Suffel- weiersheim, Gambsheim, Kilstett, Bettenhofen, Honau, ‚Wanzenau und Abertsheim durch Dekan, Kapitel und Vikarien des Hohen Stifts zu Strassburg. Beglaubigter Extrakt aus dem Liber actorum der Kollegiatkirche St. Peter zu Strassburg fol. 7ov. Papier. 1 S. 4

1477 April 13. Vor dem Hofgericht des Archidiakonats infra Sornam et Matram schenkt Albert von Mutzig, einst per- petuus vicarius der Pfarrkirche in Eckwersheim, an Wirich von Berstett alle seine Güter »mobilia, immobilia, bona, domus, uten- silia, vestimenta, clenodia« unter der Bedingung des lebensläng- lichen Unterhalts. Orig. Perg. und Kop. Pap. (fehlerhaft). 5

1484 April 13. Garsilius von Berstett bevollmächtigt seinen Bruder Hugo die gesamten Berstettischen Lehen zu empfangen und zu verwalten. Orig. Perg. auf zepbe aufgezogen. Notariats- instrument nebst 2 Kop. 6

1491 Nov. 26. Rudolf von Endingen und Adam Zorn, Ritter, entscheiden die Streitigkeiten und Irrungen zwischen Gar- silius, Hug, Görgen und Michel von Berstett, die zwischen den genannten Brüdern aus Anlass der Teilung ihres väterlichen und mütterlichen Erbes in, einigen Punkten wegen der Lehen und wegen des Schlosses zu Berstett entstanden waren, Orig. Perg. und Kop. Pap. 7

1494 April 28. Jakob Kranich von Kirchheim und Emerich Ritter, Zinsmeister in des Reichs Pflege zu Hagenau, vermitteln, “in Abänderung eines bereits vor mehreren Jahren abgeschlossenen Ehevertrags, einen neuen Ehevertrag zwischen Hug von Berstett und seiner Hausfrau Merge von Remchingen, durch den die Wittums- und Morgengabeverhältnisse neu geregelt werden. Orig.

Perg. 8 1526 Juli 24. Ehevertrag zwischen Adam von Berstett und Veronika Marx von Eckwersheim. Orig. Perg. 9

1532 Dez. 2. Die Grafen Simon Wecker und Jakob von Zweibrücken-Bitsch erteilen Adam von Berstett, ihrem Amtmann zu Brumat, bei Ablage seiner Rechnung für das Jahr 1531 Entlastung. Orig. Perg. S. IO

1532 Dez. 23. Amelia von Oberkirch, Meisterin, Dorothea von Mittelhausen, Priorin, und der Konvent von St. Johann be- kennen, dass Adam von Berstett, Amtmann zu Brumat, und Wolf von Sulz, Amtmann zu Buchsweiler, ihre Base Maria von Berstett, Jergs von Berstett Tochter, die bei ihnen Profess abgelegt hat, mit 5o fl. strassburg., mit einem Bett und der nötigen Kleidung ausgestattet und desgleichen das Imbissmahl bezahlt haben. Dafür verzichtet Maria von Berstett auf alle Ansprüche an das Erbe ihres Vaters und des Garsilius von Berstett; von allen weiteren ihr zufallenden Erbfällen wird sie jeweils nicht mehr als 200 fl. erhalten. Orig. Perg. (schadhaft) und Kop. Pap. II

mI Frankhauser.

1534 Sept. 5. Batt von Fegersheim, Amtmann zu Gugen- heim, und Wolf Zorn von Dunzenheim legen auf einem Tage zu Brumat den Streit zwischen Ursula von Auwe Nittirau von Berstett an einem und Adam von Berstett am andern Ende. betr. die Ansprüche der Ursula auf ıo fl. und 10 Vierte‘ Korn Leibgeding in Güte dahin bei, dass Ursula auf ihre An sprüche verzichtet, wogegen ihr Adam von Berstett 100 #. zz 50 Viertel Korn bar auszahlt in jährlichen Raten von 10 f. nd 5 Viertel Korn. Ferner tritt Ursula das ihr und ihrer Tochter zustehende Wiederlösungsrecht an genannten Gülten zu Berstett, Olvisheim und Kaltenhausen ab. Orig. Perg. 12

1536 Dez. ı2. Testament des Adam von Berstett,; Errich- tung des von Berstettischen Majorats zu Berstett, Orig. Perg. Notariätssignet und 3 Kop. 1;

1536 Dez. 12. Erläuterung des Adam von Berstett zu seinen Testament vom gleichen Tage mit das Schloss zu Berstett und dessen Unterhalt betreffenden Ausführungen und Bestimmunge. Orig. (?) 14

1544 März ı. Erläuterung des Adam von Berstett zu dt in seinem Testament von 1536 Dezember 12 bezüglich dei Schlosses Berstett getroffenen Bestimmungen. Orig. (?) Pap Libell. I:

1550 Okt. 9. Jakobe von Aldtenrodt Witwe geborene Y Armstein quittiert Adam von Berstett über Kostgeld im Beta

von 84 fl. für den dreijährigen Aufenthalt seiner Tochter Kat rina. Orig. Pap. 0

1579 April 21. Heiratsvertrag zwischen Ernst von Bent und Esther von Westhausen, Tochter Joachims von W esthause’. Orig. Perg. y

1591 Aug. 10. Jerg und Adolf Baumann, Gebrüder, Philipp von Müllenheim, Hans Wilhelm und Hans Christoph Wu die letzteren drei als Ehevögte ihrer Frauen Susanna, Martha und Ursula Baumann, einerseits, Ernst Adam von Berstett, Kathe rina von Mittelhausen, und Maria Zuckmantel, beide geboren von Berstett, andererseits vergleichen sich unter Vermittlung % Hans Philipp von Kettenheim, Stättmeister zu Strassburg» von Sulz, Oberschultheiss zu Hagenau, Jakob Pfaffenlapp 7" sul und Michael Theurer, Einundzwanziger der Stadt Strassbib wegen des von den ersteren als Erben ihrer Mutter Ursula Mat von Eckwersheim an die von Berstett erhobenen Ansprüche ° den 5. Teil der von ihrer Mutter-Schwester Veronika Mar 2 KEckwersheim, Gemahlin des Adam von Berstett sel., des Vate” der genannten Geschwister von Berstett, hinterlassenen Habe, welch Ansprüche die Geschwister Baumann auch auf dem Rechtsweg" zu Zabern und zu Speyer erfochten hatten, dahin, dass die £ nannten Geschwister von Berstett an die Geschwister Bauman, eine Summe von 1500 fi. zahlen. Orig. Perg. Í

“er Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. mi5

m: 1592 Jan. 12. Strassburg. Testament des Ernst von Berstett. -m »-tig. Perg. Not.instr. 19 ʻa”. 1600 Sept. 24. Speyer. Kaiser Rudolf II. ernennt Adam erx: m Berstett und Klaus Friedrich von Westhausen zu Vormündern : isr minderjährigen Joachim, Hanst Ernst, Anna Maria und Ursula z iaria von Berstett, Kinder des verstorbenen Ernst von Berstett vw: nd seiner gleichfalls verstorbenen Hausfrau Esther geborene -z n Westhausen. Orig. Perg. | 20

xio 1603 Juli 18. Strassburg. Ehevertrag zwischen Philipp vz Aietrich Böcklin und Anna Maria von Berstett. Orig. Perg.

Fez Siegel, 21 aT 1606 Sept. 11. Testament des Adam von Berstett. Orig. n Xz: erg. Auf Leinwand aufgezogen. `’ 22

1608 Aug. 30. Zabern. Die bischöflich strassburg. Kanzlei „v: 2escheinigt, dass Adam von Berstett für sich und Joachim und ~~ Hans Ernst von Berstett bei Statthalter, Kanzler und Räten des .. „Bistums Strassburg um Belehnung nachgesucht habe. Orig. Pap. 23

1609 Nov. 23. Die Gebrüder Joachim und Hans Ernst von ...Berstett schlagen nachfolgende Güter dem von Berstettischen ..Stammgute zu: 1. den halben Teil an dem Berstettischen Hofe zu Strassburg, dessen andere Hälfte bereits Adam von Berstett

dem Stammgute zugewendet hatte, mit allem Zubehör; 2. den . -halben Teil der ihnen gehörigen Pfennig-, Wein-, Kappen- und . Kornzinsen zu Eckartsweier, Otterstal, St. Johann, Zabern, Wolx- - heim, Rieding, deren andere Hälfte gleichfalls von Adam von _ Berstett dem Stammgute überwiesen wurde; 3. den 12. Teil an . Hipsheim samt dem 4. Teil am Kirchensatz und genannten i“ Gülten daselbst. Not.instr. des Hilarius Meyger. Orig. Perg. si 24 1612 April ı2. Herzog Johann Friedrich von Württemberg

c- verkauft mit Zustimmung von Prälaten und Landschaft an Hans = von Bodeckh für 20000 Reichstaler »an Kgl. Philippsorthen, je “- fünff für einen Philipstaler gerechnet« einen 6proz. Zins »ußer = von und ab unserer Statt und Ambt Heidenheim Renten, Nutzen, - Zinsen, Gülten, Zöllen, Steuern und allen anderen Gefällen«. iz Nach einer Notiz wurde 1653 Aug. 5./15. die Hälfte der Schuld- = summe, 10000 Reichstaler, vermöge kaiserl. Kommissionsrezesses z- an Hugo Wirich von Berstett und seine Ehefrau Katharina, sowie an ihre Stief- und leibliche Kinder zediert und transportiert.

:- Kop. der von der Stadt Frankfurt 1655 März 28 beglaubigten w Kop. Pap. 4 fol. 25 2 1615 Sept. 19. Joachim und Hans Ernst von Berstett setzen die Rechte fest, die dem jeweils Stammesältesten von Berstett, der das Stammhaus zu Berstett bewohnt, an Holzrechten und an Eckerichrechten in dem gemeinsamen Walde zu Berstett, sowie an Frohnden von den Bewohnern der Dörfer Olvisheim und Berstett zustehen söllen. Orig. Perg. Not.instr. 26

mıd Frankhauser.

1632 Okt. ọ. Strassburg. Testament des Rittmeisters Hars Ernst von Berstett. Kop. vidim. Pap. Libell. f

1638 Juli 30. Oberkirch. Requisitionsschein der bischói, strassburg. Regierung für Joachim von Berstett. Orig. Pap. S. x 1641 Juni 19. Strassburg. Bescheinigung, dass Hug Wiri von Berstett nach dem Tode seines Vaters Joachim die Iwe stitur mit den bischöfl. strassburgischen Lehen bei Vizekanzler und Rat nachgesucht habe. Pap. Orig. Siegel. 24

1641 Juni 22. Benfeld. Heiratsabrede zwischen Hugo Wirich von Berstett, Major zu Benfeld, und Katharina vo Welschenengsten genannt Bernkott verwitwete von Quernheinb. Kop. vid. Pap. 30

1648 Jan. 12. Strassburg. Vollmacht Hug Wirichs vor Berstett für sich und seinen Bruder Johann Jakob von Berstet an Paul Bertram zum Lehensempfang der bischöflich strassburg. Lehen. Konz. Pap. J!

1648 März 15. Stuttgart. Eheabrede zwischen Eberhart von Anweil und Maria Marthanna von Berstett, Tochter de: Joachim von B. und der Maria Elisabeth geborene Zuckmanie. von Brumat. Orig. Pap. Siegel und Unterschriften abgeschnitten. Libell. 3?

1649 Sept. 4. Langendernbach. Erbteilung auf Ableben des Obristleutnants Johann Wilhelm von Welschenengsten ge nannt Bernkott zwischen dessen Töchtern Anna Elisabeth, Ge- mahlin Johann Philipps von Dettlingen, und Katharina, Gemahlin des Majors Hugo Wirich von Berstett, und seinen beiden Enkelinnen, Töchtern seines Sohnes Johann, Katharina Elisabeth und Loisa Christina, vertreten durch ihre Mutter Juliana Loys geborene von Burghausen, durch Johann Georg von Waltmans hausen und Johann Wilhelm von Burghausen. Orig. Pap. 5 Siegel. Libell. 3)

1653 Aug. 15./5. Regensburg. Die auf Grund einer dem Erzbischof Johann Philipp von Mainz und Bürgermeister und Rat von Frankfurt übertragenen kaiserlichen Kommission von diesen ernannten Subdelegierten fällen ein Schiedsspruch i. S. Hugo Wirichs von Berstett und seiner Ehefrau Katharina geborene von Bernkott, als Vertretern der aus der ersten Ehe Katharinas mit Arnold von Quernheimb stammenden Kinder, einerseits gegen Christoph von Rothleben andererseits. Hugo Wirich beanspruchte Rückzahlung einer Summe von 20000 Reichstalern, die Arnold von Quernheimb Christoph von Rothleben behufs Anlage in den Niederlanden gegeben hatte. Gegen Verzicht auf ihre Ansprüche erhalten die Kläger von den Beklagten ı. eine auf 12256 Reichs- taler lautende Schuldverschreibung des Herzogs Eberhard von Württemberg; 2. eine zweite auf 5000 Reichstaler lautende Schuldverschreibung der Stadt Strassburg; 3. 500 Reichstaler in barem Geld. Pap. Kopie. l 34

sol

Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. mı7

, j 1655 Juli 16. Stuttgart. Heiratsabrede zwischen Johann ““ akob von Berstett und Maria Dorothea Schaffelitzky von Mücken-

‘nal, Tochter des württemb. Rats und Obervogts Schaffelitzky inet, ‚nd der Anna Barbara geborene Jäger von Gärtingen. Orig. Pap.

‚S. Libell. 35 ven 1655 Juli 16. Marie Dorothea Schaffelitzky von Mücken- it hal, Ehefrau des Johann Jakob von Berstett, verzichtet zugunsten ṣi» hrer drei Brüder Eberhard, Georg Konrad und Ernst auf ihr

„. äterliches Erbe. Pap. Orig. 4 Siegel. 36 1657 Jan. 17. Stuttgart. Testament Hugo Wirichs von „Berstett, fürstl. württemb. Haushofmeisters zu Stuttgart. Orig. ap. Libell. 9 Siegel. | 37

-E 1658 Juli 10. Requisitionsschein von Kanzler und Räten les Stifts Strassburg für Johann Jakob von Berstett. Orig. Pap. Siegel. 38

D 1663 Juni 16. Strassburg. Heiratsvertrag zwischen Johann

Jakob von Berstett und Maria Charitas von Rathsamhausen zu

w Ehnweier, Tochter Beat Jakobs von Rathsamhausen. Orig. Pap.

= Io Siegel. Libell und Konz. Pap. 39

Ss 1663 Juli 10. Strassburg. Vollmacht des Johann Christof "E Sittich von Quernheimb für Johann Philipp von Dettlingen in

seiner Streitsache mit Johann Jakob von Berstett. Johann Christof 2 :"Sittich von Quernheimb beanspruchte von Johann Jakob von Ber-

'stett auf Grund eines Urteils des Strassburger Grossen Rates von al 1658 März 11: 1. die Auslieferung der seiner Mutter Katharina =- von Berstett Witwe geborene von Welschenengsten verwitweten E von Quernheimb gehörigen Mobilien; 2. entweder dass Berstett "ihn aus der ihm eigentümlichen Quart an dem Berstettischen ‘- Hofe zu Strassburg auskaufe oder dass der Hof proportionaliter > abgeteilt werde. Orig. Pap. 40

Í 1663 Juli 11. Elsass-Zabern. Requisitionsschein für Hans Jakob von Berstett aus Anlass des Regierungsantritts des Bischofs - Franz Egon von Strassburg. Orig. Pap. 41 1676 Mai 2. Geburtsschein für Philipp Jakob von Berstett, Sohn von Johann Jakob und Charitas von Berstett. Orig. Pap. 42

| 1684 Juni 8. Elsass-Zabern. Requisitionsschein des strass- .: burg. -Bischofs Wilhelm Egon von Fürstenberg für Johann Jakob .. von Berstett. Orig. Pap. 43 1686 Nov. 15. Führungszeugnis des Grafen von Marchin, Capitaine-Lieutenant des Gensd’armes de Flandre, für Jakob Adam von Berstett nach Abschluss einer fünfjährigen Dienstzeit. Orig. Pap. Siegel. 44 1688 März 18. Strassburg. Requisitionsschein des Nikolaus

Le Laboureur, Propst von St. Michael und Alt-St. Peter zu Strassburg, für Johann Jakob von Berstett. Orig. Pap. Siegel. 45 1689 Juni 22. Protokoll über die Beschlagnahme der sämt-

lichen Renten und Einkünfte des [Jakob Adam] von Berstett Mitt, d. Bad. Hist. Kom. Nr, 37. 2

mıß Frankhauser.

zu Berstett von seiten der französischen Regierung, da sich Jakob Adam in auswärtigen Diensten befindet, Orig. Pap. 46

1689 Juni 22. Protokoll über die Beschlagnahme aller Renten und Einkünfte des [Jakob Adam] von Berstett zu Olvis- heim, da sich letzterer in ausländischen Diensten befindet, Orig. Pap. 47

1690 April 7. Strassburg. Jean Le Laboureur, Kantor zu Alt-St. Peter in Strassburg, bescheinigt Jakob Adam von Berstett in Abwesenheit des Propstes die von letzterem nachgesuchte

Belehnung. Orig. Pap. Siegel. 48.

1690 Okt. ı7. Basel. Joachim Ernst von Berstett bekennt von Peter Fuchs, Kaufmann zu Basel, für 50o Gulden Waren entnommen zu haben. Orig. Pap. Siegel. 49

1705 März 4. Zabern. Lehensindult des strassburg. Lehen- hofs für Jakob Adam von Berstett nach geschehener Lehens- requisition bis zu wirklicher Belehnung. Orig. Pap. Siegel abg. 50

1718 Aug. 9. Strassburg. Ehevertrag zwischen Philipp Jakob von Berstett und Eva Margaretha Forstner von Dambenoy, Tochter des Ludwig Christoph Forstner von Dambenoy. Orig. (?), nicht vollzogen. Libell, 5I

1720 Nov. 6. Strassburg. Erklärung (von Riccius), dass Jakob Adam von Berstett durch Schreiben vom 4. d. M. bei dem Prince de Rohan die Belehnung mit dem sogenannten Rathsamhausenschen Lehen nachgesucht habe. Orig. Pap. 52

1731 Nov. 2ı. Strassburg. Jean Le Laboureur, Propst von Alt-St. Peter zu Strassburg, bescheinigt Jakob Adam von Berstett, dass er die Belehnung mit dem von Alt-St. Peter her- rührenden Lehen nachgesucht habe. Orig. Pap. Siegel. 53

1740 Jan. 25. Strassburg. Karl Eugen von Weitersheim erteilt nach seiner Volljährigkeitserklärung Jakob Adam von Ber- stett Entlastung für die von ihm geführte Vormundschaft. Orig. Pap. 54

1742 April 5. Testament der Eva Margaretha von Berstett gebor. Forstner von Dambenoy, Witwe des Philipp Jakob von Berstett, Orig. Pap. Libell, 55

1742 April 13. Strassburg. Eva Margarete von Berstett 'gebor. Forstner von Dambenoy, Witwe Philipp Jakobs von Ber- stett, sowie dessen Kinder aus den zwei ersten Ehen schliessen einen Vergleich über Philipp Jakobs Verlassenschaft, bei der die Passiva die Aktiva übersteigen. Begl. Kop. Pap. Libell. 56

1742 Mai 23. Berstett. Jakob Adam von Berstett tritt seinem Neffen Philipp Reinhard von Berstett Schloss und Stamm- gut zu Berstett ab, bestimmt seine eigenen, teils ererbten, teils erkauften, teils ertauschten Güter, wie auch Kadukgüter zu einem Stammgut und trifft Bestimmungen über die Verteilung seines sonstigen Nachlasses. Orig. extr. aus dem ritterschaftl. Kon- traktenprotokoll. Siegel. 57

Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. mıg

1744 Okt. ı. Berstett. Geburts- und. Taufschein für Philipp Jakob Reinhard von Berstett. Extr. aus dem luther. Taufbuch d.d. 1756 Aug. 10. 58

1746 April 28. Diplom der juristischen Fakultät zu Strass- burg für Wilhelm Jakob von Berstett als Lizentiaten der Juris- prudenz. Orig. Perg. Siegel. 59

1748 Sept. 17. Strassburg. Attestat des Präsidenten und der Räte des Direktoriums der unterelsässischen Ritterschaft, dass nach dem am ı9. Mai d. J. erfolgten Tode von Jakob Adam von Berstett das Recht, die erledigten Lehen zu vermannen, auf Philipp Reinhard von Berstett, als den ältesten der Familie, übergegangen sei. Pap. Kop. 60.

1748 Sept. 27. Zabern. Lehensindult des bischöfl. strass- burg. Lehenpropstes Mehlem für Philipp Reinhard von Bersteti für sich und Philipp Jakob Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett. Orig. Pap. Siegel. 61

1748 Nov. 3. Strassburg. Vollmacht des Philipp Reinhard von Berstett für Lic. jur. utr. Aulbert zum Empfange der hanau- lichtenberg. Lehen an seiner Statt. Pap. Kop. 62

1750 März 13. Zabern. Lehensinduit des bischöfl. strass- burg. Lehenpropstes Mehlem für Philipp Reinhard von Berstett für sich und Wilhelm Jakob von Berstett. Orig. Pap. S. ab. 63

1750 Sept. 28. Auszug aus dem Leichenbuch zu Berstett, das Ableben der Elisabeth Charlotte von Berstett geborene von Berckheim betr. Pap. 64

1757 Mai 4. Zabern. Lehensindult des bischöfl. strassburg. Lehenpropstes Mehlem für Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob

von Berstett. Orig. Pap. S. 65 1758 Mai 8. Strassburg. Testament des Wilhelm Jakob von Berstett. Pap. Kop. Libell. 66

1768 Febr. 20. Strassburg. Ehevertrag zwischen Philipp Jakob Reinhard von Berstett und Karoline Christiane Leopoldine von Dettlingen, Tochter Philipp Leopolds von Dettlingen und von Magdalene Beatrix Schenk von Schmittburg. Orig. Perg. Not.instr. | 67

1772 Mai ı4. Strassburg. Vollmacht des Freiherrn Philipp Reinhard von Berstett für Wilhelm Helmbrecht zum Empfang der bischöfl. strassburg. Lehen. Pap. Kop. 68

1780 März ı. Zabern. Lehensindult des bischöfl. strass- burg. Lehenpropstes Mehlem für Philipp Reinhard und Philipp

Jakob Reinhard von Berstett. Orig. Pap. S. 69 1780 Nov. 7. Strassburg. Testament der Sophie Sidonie von Berstett. Kop. Pap. 70

1782 Nov. 13. Zabern. Lehensindult des bischöfl. strass- burg. Lehenpropstes Mehlem für Philipp Jakob Reinhard, Wil- helm Leopold Reinhard und Christian Jakob August von Berstett. Orig. Pap. S. 71

2*

m2o Frankhauser.

1794 Okt. 4. Verleihung des kaiserl. ritterschaftlichen Ordens der Schwäbischen Reichsritterschaft an Wilhelm Ludwig Leopold Reinhard von Berstett. Orig. Pap. S. : 72

1819 Nov. 15. Karlsruhe. Kabinettsordre, enthaltend die Zusicherung Grossherzogs Ludwig für den Staatsminister von Berstett, »dass, im Fall seines kinderlosen Absterbens, die ihm durch Beschluss vom ten dieses Monats zugesicherte Lehen auf seine Witwe zur lebenslänglichen Nutzniessung übergehen sollen«. Orig. Pap. 73

ı820 Febr. 28. Karlsruhe. Die Markgrafen Leopold, Wil- helm und Max von Baden geben dem Staatsminister von Berstett . die feierliche Zusicherung, dass sie für den Fall, dass während der Regierung des Grossherzogs Ludwig nicht so viele Ritter- lehen heimfallen sollten, daß eine jährliche reine Rente von 6000 fl. dadurch vollständig konstituiert ist: »Wir als Nachfolger in der Regierung der vollen Kraft und Wirkung dieser Anwart- schaft entsprechen werdene Zugleich wird diese Zusicherung auf die Kabinettsordre von 1819 Nov. ı5 ausgedehnt. Orig. Pap. 3 S. | 74

1820 Dez. ı. Die Stadt Mannheim verleiht dem Staats- minister Reinhard von Berstett das Ehrenbürgerrecht. Orig. Perg. S. in Elfenbeinkapsel. 75

1821 März 15. Ehrenbürgerbrief der Stadt Karlsruhe für den Staatsminister Freiherrn Reinhard von Berstett. Orig. Perg. Roter Sammeleinband. Siegel in vergoldeter Kapsel mit Quasten.

76

1821 Sept. 5. Karlsruhe. Grossherzog Ludwig von Baden verordnet in Ergänzung der Staatsministerialentschliessung vom 8. November 1819 Nr. 3528, durch die dem Staatsminister von Berstett die Anwartschaft auf so viele heimfallende Ritterlehen erteilt wird bis dadurch eine Rente von 6000 fl. konstituiert sein wird, und in Ergänzung der Kabinettsordre vom ı5. November 1810 Nr. 289, durch die der Witwe im Falle kinderlosen Ab- sterbens des Staatsministers von Berstett der lebenslängliche Genuss dieser Rente zugesichert wird, noch weiter, dass im Falle von Berstett sterbe, ehe die Rente von 6000 fl. aus heim- fallenden Lehen konstituiert sein würde, diese Rente durch weitere Verleihungen an seine Erben oder an seine Witwe bis auf 6000 fl. ergänzt werden soll. Orig. Perg. S. 2 fol. 77

1825 Aug. 12. König Karl X. von Frankreich gestattet dem Grossh. badischen Staatsminister Philipp Reinhard von Ber- stett in badischen Diensten zu bleiben, ohne seine Eigenschaft als Franzose hierdurch zu verlieren. Perg. Orig. S. 78

18260 Jan. 18. Berlin. Patent für Christian Jakob August von Berstett als Ritter des Königlich preussischen St. Johanniter- ordens. Orig. Pap. S. Unterschrift des Grossmeisters Prinzen Heinrich von Preussen. 79

Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. m21

1826 März 23. Strassburg. Jakob Christian August von Berstett erteilt seinem Bruder Wilhelm Ludwig Leopold Rein- hard von Berstett, Grossh. badischem Staatsminister, General- und Spezialvollmacht zur Verwaltung seiner in Baden und Frankreich liegenden beweglichen und unbeweglichen Besitzungen. Orig. Pap. Not.instr. 80

1832 April 10. Karlsruhe. Stammgutsstatut, entworfen durch den Staatsminister Freiherrn von Berstett. Pap. Konz. ŝi

1832 April 18. Karlsruhe. Eigenhändiges Testament des Grossh. Staatsministers Freiherrn Wilhelm Ludwig Leopold Rein- hard von Berstett. Orig. Pap. S. -Dabei 2 Kodizille von 1832 April 21 Karlsruhe, und von 1833 Sept. 10 Watthalden bei Ett- lingen. Orig. Pap. 82

1835 Mai 7. Heiratsvertrag zwischen Freiherrn Karl Adrian Reinhard von Berstett und Ida Luise Georgine von Lilier. Begl. Pap. Kop. 83

1852 Okt. 15. Testament der Freifrau von Berstett gebor. Gräfin von Luxburg, Witwe des Staatsministers Reinhard von Berstett, mit Nachträgen usw. 2 Pap. Kop. 84

1860 Dez. ı. Freiherr August von Berstett, k. k. Major, verkauft an Freifrau Ida von Berstett näher bezeichnetes Silber, Not.instr. Orig. Pap. S. 85

1873 Nov. 27. I, Testament des Freiherrn Karl Adrian von Berstett. Begl. Pap. Kop. d.d. 1876 April 20. 86

1875 Dez. 3. II. Testament des Freiherrn Karl Adrian von Berstett. Begl. Pap. Kop. vom 14. April 1876. 87

2. von Berckheim.

1572 Juni 16. Hans Jakob von Berckheim und Hans Christoph Brenner zu Neuenburg als Vormund der Kinder Hans Bastians Brenners, seines Bruders selig, schliessen mit Beistand genannter Verwandter und Freunde einen Vergleich über die Verlassenschaft der Barbara von Berckheim geborene von Breu- ninghofen. Orig. Pap. 8 S. 88

3. Böcklin von Böcklinsau.

1592 Aug. 7. Strassburg. Eheberedung zwischen Philipp Dietrich Böckhlen und Anna Maria Zuckmantel von Brumat. 2 Orig. Perg. 7 S. 89

1601 April 3. Strassburg. Testament des Philipp Dietrich Böcklin und seiner Ehefrau Anna Maria geborene Zuckmantel von Brumat. Orig. Perg. 90

1637 Juni 6. Eheberedung zwischen Jakob Christoph Böckle und Rosina Böcklin von Böcklinsau. Orig. Perg. 5 S. gi

m1 Trarknauser

1902 Apri 17.'7. Direxior. Kare und Ausschüsse der wter «sassischer Kıtierscouaf: DeurzunaeL die beiiegung von Streitig- Kener zwisluer Puiupps Uimanr Bözklm. von böcklinsau, Meylach voL LettungeL, josanL FPniupps voL Dettingen, Hieronymus Curisio? baps: voL boienbem ais Kurator der Kinder des Hans Miczae. von katosamsauseL, Pniiipps Ludwig von Kippenheim, XV. zu Strassburg uuc Kurator ıonanr Ludwirs von Kippenhein Lachıge:assenen vier Sönke, und Gen sechs Kindern Klaus Lud- wg orms von Pıopsneim. Siättmeisters. wegen gegenseitiger For GerungeL. Orig. Fap. Exu. aus gem Rırerschaftsprotokoll, 9?

1959 jul 15. 5. vo Wiposheim. Heiratsverschreibung ZWÍSCUŁL Puilipp Chnrisio? Pòockiin von þÞòcklinsau und Susanna Sup:ia von Kattısamnausen zu Ennwever, Tochter Beat Jakobs vor Kaltısambausen seig. 2 (mig. Pap. 08, gi

19$2 Nov. 10. Sırasspurg. Testament des Jakob Christoph böcklin von Böcklinsau, Sıarmeisters und Dreizehners zu Strass vurg, und seiner Eneirau Rosina böckäün. Kop. vid. Pap. 9

ıu&2 Nov. 10. Strassburg. Nachtrassbestimmung des Stätt- roeisters und Dreizehners jakob Chrisiopt Böcklin von Böcklinsat und seiner Ehefrau Rosiva zu inrem am cleichen Tage at gesetzten Testamente bezürlich eines der letzteren im vorat aus der Veriasseuschaft Jakob Chrisıophs zu zahlenden Kapitals und der Erziehung der Nachkommenschaft ihres jüngsten Sohnes Pnilipp Christian. Pap. Kop. vidim. 95

1654 Febr. 7. Strassburg. Nachdisposition von Frau Rosin Böcklin von Böcklinsau zu dem von ihr gemeinsam mit ihren HEhemaune, Stättmeister und Dreizehner Jakob Christof Böcklin, unteren 16. November 1652 gemeinschaftlich aufgesetzten Teste mentum clausum. Pap. Kop. vidim. g0

1690 Aug. 6. Zweite Nachdisposition der Frau Rosin Böcklin von Böcklinsau zu dem von ihr gemeinsam mit ihren Fhemann, Stättmeister und Dreizehner Jakob Christoph Böcklin, unterm 16. November 1682 aufgesetzten Testament. Kop. vid. Pap. 9

1694 Okt. 23. Strassburg. Dritter Nachtrag der Frau Rosin 3öcklin von Böcklinsau zu dem von ihr gemeinsam mit ihren F.hemanne, Stättmeister und Dreizehner Jakob Christoph Böcklin, unterm 16, November 1682 aufgesetzten Testamente. Pap. Kop. vidim. g

1711 Febr. 12. Strassburg. Jakob Christoph Böcklin vol Böcklinsau schliesst unter Vermittlung des Philipp Christian Böckli und des Philipp August Böcklin von Böcklinsau mit seinem liruder Wolfgang Sigmund einen Tauschvergleich dahin ab, dass er letzterem seine Hälfte an genannten Gütern und Gülten 2 Rust und seinen vierten Teil an dem Haus in Strassburg abtn! und dafür von Wolfgang Sigmund dessen Hälfte von Schlos Rust und die dazu gehörigen Gebäude, Rechte und Gerechtif keiten, Gärten und Güter usw. erhält. Orig. Pap. 5 S 9

na De ann Ah a 16, asen

it Hel «Aesge

Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. m23

von Dettlingen.

1632 Febr. ı4. Strassburg. Schuldschein des Hans Jakob - von Dettlingen gegen seinen Bruder Hans Philipp über 8900 Reichs- ~ taler, verzinslich mit 400 Reichstalern. Orig. Pap. S. 100 1633 Sept. ı2. Strassburg, Ehevertrag zwischen Hans - Philipp von Dettlingen und Maria Martha von Landsperg, Tochter Wolf Jakobs von Landsperg. Orig. Pap. 13 S. ab. 101

1634 Dez. 13. Strassburg. Testament des Hans Philipp von Dettlingen und seiner Hausfrau Maria Martha geborene von

-~ Landsperg von 1634 Dez. ı3. Nachtrag dazu von 1635 Okt. 18

und Instrument über dessen Eröffnung nach dem Tode der Maria Martha von 1635 Nov. 21. Kop. vidim. Pap. . 102 1647 März 11./21. Vergleich zwischen Johann Philipp, dessen Sohn Meylach, und Jakob Christoph von Dettlingen, be- treffend Bewirtschaftung und Nutzniessung ihres rappoltsteinischen Lehens zu Scharrachbergheim, unter Vermittlung der Lehensherr- schaft abgeschlossen. Orig. Pap. 103 1659 ... Heiratsabrede zwischen Wolf Friedrich Eckbrecht

= von Dürkheim und Anna Philippina von Dettlingen. Orig. Pap. 104

1682 Juni 10. Strassburg. Vergleich zwischen Meylach

von Dettlingen und Katharina Sophia von Landsperg geborene von Helmstatt auf Ableben der Katharina Sophia von Dettlingen geborene von Landsperg, Ehefrau bezw. Tochter der Vertrag- schliessenden. Orig. Pap. 105

1689 Jan. 4. Strassburg. Heiratsabrede zwischen Meynlach von Dettlingen und Agatha Dorothea Wurmser von Vendenheim, Tochter des Otto Reinhard Wurmser von Vendenheim und dessen Gattin Agatha Maria geborene von Dürrmenz. Orig. Pap. S.

i 100

1718 Mai 3. Paris. Patent Ludwigs XV. für den sieur Etlinger (! = von Dettlingen) als Capitaine reformé in der Kom- pagnie Stier des Regiments Infanterie allemande d’Alsace. Orig. Perg. | | 107

1718 Mai 5. Strassburg. Eheverschreibung zwischen Friedrich Ferdinand von Dettlingen und Dorothea Marianne Okane von Bolsenheim, Tochter des Johann Ökane von Bolsenheim und der Magdalena Sophia geborene Schenk von Schmittburg. Orig. Pap. 10 S. 108

1719 Mai 26. Strassburg. Eheverschreibung zwischen Leopold Philipp von Dettlingen und Luise Magdalena von Landsperg, Tochter Wolf Sigmunds von Landsperg und der Katharina Mar- garethe geborene Schenk von Schmittburg. Orig. Pap. 8S. 109

1652 Juni 20/10. Rappoltsweiler. Requisitionsschein für Meylach von Dettlingen nach Ableben Georg Friedrichs Herrn zu Rappoltstein, i | 103a

m22 Frankhauser.

1665 April ı7./7. Direktor, Räte und Ausschüsse der unter- elsässischen Ritterschaft beurkunden die Beilegung von Streitig- keiten zwischen Philipps Ulmann Böcklin von Böcklinsau, Meylach von Dettlingen, Johann Philipps von Dettlingen, Hieronymus Christof Bapst von Bolsenheim als Kurator der Kinder des Hans Michael von Rathsamhausen, Philipps Ludwig von Kippenheim, XV. zu Strassburg und Kurator Johann Ludwigs von Kippenheim nachgelassenen vier Söhne, und den sechs Kindern Klaus Lud- wig Zorns von Plobsheim, Stättmeisters, wegen gegenseitiger For- derungen. Orig. Pap. Extr. aus dem Ritterschaftsprotokoll. 92

1680 Juli 15. (st. v.) Wibolsheim. Heiratsverschreibung zwischen Philipp Christof Böcklin von Böcklinsau und Susanna Sophia von Rathsamhausen zu Ehnweyer, Tochter Beat ae von Rathsamhausen selig. 2 Orig. Pap. 9 S.

1682 Nov. 16. Strassburg. Testament des Jakob Christoph Böcklin von Böcklinsau, Stättmeisters und Dreizehners zu Strass- burg, und seiner Ehefrau Rosina Böcklin. Kop. vid. Pap. 94

1682 Nov. 16. Strassburg. Nachtragsbestimmung des Stätt- meisters und Dreizehners Jakob Christoph Böcklin von Böcklinsau und seiner Ehefrau Rosina zu ihrem am gleichen Tage auf- gesetzten Testamente bezüglich eines der letzteren im voraus aus der Verlassenschaft Jakob Christophs zu zahlenden Kapitals und der Erziehung der Nachkommenschaft ihres jüngsten Sohnes Philipp Christian. Pap. Kop. vidim. 95

1684 Febr. 7. Strassburg. Nachdisposition von Frau Rosina Böcklin von Böcklinsau zu dem von ihr gemeinsam mit ihrem Ehemanne, Stättmeister und Dreizehner Jakob Christof Böcklin, unterm 16. November 1682 gemeinschaftlich aufgesetzten Testa- mentum clausum. Pap. Kop. vidim. 96

1690 Aug. 6. Zweite Nachdisposition der Frau Rosina Böcklin von Böcklinsau zu dem von ihr gemeinsam mit ihrem Ehemann, Stättmeister und Dreizehner Jakob Christoph Böcklin, unterm 16. November 1682 aufgesetzten Testament. Kop. vid. Pap. 97

1694 Okt. 23. Strassburg. Dritter Nachtrag der Frau Rosina Böcklin von Böcklinsau zu dem von ihr gemeinsam mit ihrem Ehemanne, Stättmeister und Dreizehner Jakob Christoph Böcklin, unterm 16. November 1682 aufgesetzten Testamente. Pap. Kop. vidim. 98

ı71ı Febr. 12. Strassburg. Jakob Christoph Böcklin von Böcklinsau schliesst unter Vermittlung des Philipp Christian Böcklin und des Philipp August Böcklin von Böcklinsau mit seinem Bruder Wolfgang Sigmund einen Tauschvergleich dahin ab, dass er letzterem seine Hälfte an genannten Gütern und Gülten zu Rust und seinen vierten Teil an dem Haus in Strassburg abtritt und dafür von Wolfgang Sigmund dessen Hälfte von Schloss Rust und die dazu gehörigen Gebäude, Rechte und Gerechtig- keiten, Gärten und Güter usw. erhält. Orig. Pap. 5 S. 99

a -

Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. m23

von Dettlingen.

1632 Febr. ı4. Strassburg. Schuldschein des Hans Jakob von Dettlingen gegen seinen Bruder Hans Philipp über 8900 Reichs- taler, verzinslich mit 400 Reichstalern. Orig. Pap. S. 100

1633 Sept. ı2. Strassburg. Ehevertrag zwischen Hans Philipp von Dettlingen und Maria Martha von Landsperg, Tochter Wolf Jakobs von Landsperg. Orig. Pap. 13 S. ab. 101

1634 Dez. 13. Strassburg. Testament des Hans Philipp von Dettlingen und seiner Hausfrau Maria Martha geborene von Landsperg von 1634 Dez. 13. Nachtrag dazu von 1635 Okt. 18 und Instrument über dessen Eröffnung nach dem Tode der Maria Martha von 1635 Nov. 21. Kop. vidim. Pap. . 102

1647 März ıı1./2ı. Vergleich zwischen Johann Philipp, dessen Sohn Meylach, und Jakob Christoph von Dettlingen, be- treffend Bewirtschaftung und Nutzniessung ihres rappoltsteinischen Lehens zu Scharrachbergheim, unter Vermittlung der Lehensherr- schaft abgeschlossen, Orig. Pap. 103

1659 ... Heiratsabrede zwischen Wolf Friedrich Eckbrecht von Dürkheim und Anna Philippina von Dettlingen. Orig. Pap. 104

1682 Juni 10. Strassburg. Vergleich zwischen Meylach von Dettlingen und Katharina Sophia von Landsperg geborene von Helmstatt auf Ableben der Katharina Sophia von Dettlingen geborene von Landsperg, Ehefrau bezw. Tochter der Vertrag- schliessenden. Orig. Pap. 105

1689 Jan. 4. Strassburg. Heiratsabrede zwischen Meynlach von Dettlingen und Agatha Dorothea Wurmser von Vendenheim, Tochter des Otto Reinhard Wurmser von Vendenheim und dessen Gattin Agatha Maria geborene von Dürrmenz. Orig. Pap. 9 S.

106

1718 Mai 3. Paris. Patent Ludwigs XV. für den sieur Etlinger (! = von Dettlingen) als Capitaine reform& in der Kom- pagnie Stier des Regiments Infanterie allemande d’Alsace. Orig. Perg. 107

1718 Mai 5. Strassburg. Eheverschreibung zwischen Friedrich Ferdinand von Dettlingen und Dorothea Marianne Okane von Bolsenbeim, Tochter des Johann Ökane von Bolsenheim und der Magdalena Sophia geborene Schenk von Schmittburg. Orig. Pap. 10 S. 108

1719 Mai 26. Strassburg. Eheverschreibung zwischen Leopold Philipp von Dettlingen und Luise Magdalena von Landsperg, Tochter Wolf Sigmunds von Landsperg und der Katharina Mar- garethe geborene Schenk von Schmittburg. Orig. Pap. 8 S. 109

1652 Juni 20/10. Rappoltsweiler. Requisitionsschein für Meylach von Dettlingen nach Ableben Georg Friedrichs Herrn zu Rappoltstein. 1034

m24 Frankhauser.

1745 Aug. 23. Strassburg. Notarieller Vergleich zwischen Luise Magdalene von Landsperg,. Gemahlin von Leopold Philipp von Dettlingen, als Erbin ihrer Mutter Katharina Margarete Schenk von Schmittburg, der Gemahlin Wolf Sigmunds von Landsperg, und ihrer Schwester Esther Klara einer- und Samson Ferdinand von Landsperg, vertreten durch den Ritterschaftssyndikus Franz Nikolaus Schwend, andererseits, bezüglich auf die Beilegung ihrer Streitigkeiten wegen der Verlassenschaft des Wolf Sigmund von Landsperg; Samson Ferdinand von Landsperg zahlt an Luise Magdalena von Dettlingen 18000 livres, bis zu ihrer Bezahlung verzinslich mit 5 Proz. und eine lebenslängliche Rente von 700 livres jährlich. Orig. Perg. 110

1745 Sept. 16. Testament der Luise Magdalene von Dett- lingen geborene von Landsperg, Gemahlin Leopold Philipps von Dettlingen. Mit Protokoll über Hinterlegung und Eröffnung des Testaments und Vermerk über Eintrag in das ritterschaftliche Protokoll. Kop. Pap. III

1749 Nov. 22. Strassburg. Heiratsabrede zwischen Leopold Philipp von Dettlingen, königlich französischer brigadier des armées usw., und Magdalene Beatrice Schenk von Schmittburg, Tochter Friedrich Schenks von Schmittburg und der Sophia Augusta Franziska gebor. Wetzel von Marsilien. Orig. Perg. Not.instr. 112

1759 Aug. 7. Abrede zwischen Leopold Philipp von Dett- lingen und Meylach Christian von Dettlingen wegen des Genusses einiger eigentümlicher und Lehengefälle. Orig. Pap. 113

1759 Aug. 7. Strassburg. Vergleich zwischen Leopold Philipp von Dettlingen und Meylach Christian von Dettlingen und seinen Geschwistern wegen des Genusses einiger eigentüm- licher sowohl als auch Lehengefällen. Orig. Pag. 114

5. von Holzing-Berstett,

1652 Okt. 16. Kaiser Ferdinand erteilt Johann Holzing den Adelsstand unter Verbesserung seines angeborenen adeligen Wappens. Begl. Pap. Kop. d.d. 1685 April 18. S. IIS

1696 Sept. 12. Trauschein für Johann Jakob Holzing, Kammerdiener des Markgrafen Leopold von Baden-Baden, und Ludmilla Klaudius von Klaudenburg aus Prag. Extrakt aus dem Kirchenbuch von 1786 Okt. 15. | 116

1789 Jan. 3. Kaiser Joseph II. erneuert dem Johann Baptist ' Holzing, markgräflich badischen Hof- und Regierungsrat, und dem Franz Holzing, Amtmann zu Ettlingen, Gebrüdern, den Adel. Orig. Perg. Libell mit eingezeichnetem Wappen. Roter Sammeteinband. S. in vergoldeter Kapsel, 117

1793 Mai 22. Geburtszeugnis für Christine Karoline Weissin- ger, Gemahlin des Grossh. Oberltsumeisten Josef von Holzing. Orig. Pap. 118

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Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. m25

1808 (?). Empfehlung der Loge la Zélée à l’Orient de Bayonne für Leopold von Holzing, Grossh. badischen Hauptmann. Orig. Perg. 119

1813 Dez. 30. Karlsruhe. Ehepakten zwischen dem Major

3 und Flügeladjutanten Leopold Hartmann von Holzing und Blanche iw, Jeanne Eléonore Nelly le Pays de Bourjolly. Begl. Pap. Kopie.

120 1820 Aug. 21. König Ludwig XVIII. von Frankreich nimmt

Leopold von Holzing in den Orden der Ehrenlegion auf mit Datum von 1808 Dez. 8. Orig. Perg. S. 121

1831 Mai ı9. Zeugnis des Katholischen Oberstadtpfarr- amts Mannheim über das am ıg. Mai 1831 erfolgte Ableben

w. des Flügeladjutanten Leopold von Holzing, Kommandeurs des x Grossh. Badischen Dragonerregiments. Orig. Pap. S. 122

1864 Nov. 24. Ehevertrag zwischen Adolf von Holzing, Grossh. badischen Oberst und Reisestallmeister, und Amalie Freiin von Berstett. Begl. Pap. Kopie. 123

1877 Juni 11. Freifrau Amalie von Holzing geborene von Berstett errichtet aus den ihr aus der Verlassenschaft ihres Vaters

- zugefallenen abgelösten Lehensgütern ein von Holzing’sches Stamm- gut, unter Zustimmung ihres Ehegatten des Grossh. badischen .: Oberststallmeisters Adolf von Holzing und der Vormünder ihrer

minderjährigen Kinder. 1877 Juli 21 erfolgt die Bestätigung

. des Stammgutsstatuts durch Grossh. Ministerium der Justiz, des = Kultus und Unterrichts. Orig. Pap. Libell in Einband. 124

1877—1903. Kaufbriefe über sämtliche Liegenschaften, welche zu dem von Holzingschen Stammgute hinzu erworben und dem Stammgute einverleibt worden sind. Orig. nebst

weiteren hierher gehörigen Aktenstücken. --- Betrifft die Orte Bollschweil, Bodersweier, Buchheim, Grossweier, Hugstetten. ı Faszikel. 125

1878 Febr. 23. Vergleich zwischen der Witwe und den Erben des C. D. Kornberger, als Vermögensverwalters des Frei- herrn Karl Adrian von Berstett, und dem Oberststallmeister von Holzing, die Ausgleichung der wechselseitigen Forderungen aus der geführten Vermögensverwaltung betr. Orig. Pap. 126

1884 März 2ı. Freifrau Ida von Berstett schenkt ihrer Tochter Amalie von Holzing ihre Liegenschaften zu Homburg, Bierbach, Lautzkirchen, Webenheim, Einöd-Ingweiler, Ixheim usw, in der Pfalz gegen ein lebenslängliches Leibgeding von 2000 M. Orig. Pap. S. 127

1884 Mai 26. Freifrau Ida von Berstett schenkt ihrer Tochter Amalie von Holzing ihr gesamtes liegenschaftliches Be- sitztum zu Karlsruhe und Buchheim. Begl. Pap. Kop. S. 128

1887 Febr. ı5. Patent als Sekond-Lieutenant im ı. Bad. Leib-Dragoner-Regiment Nr. 20 für den Portepeefähnrich Max von Holzing. Orig. Pap. S. 129

mı8 Frankhauser.

zu Berstett von seiten der französischen Regierung, da sich Jakob Adam in auswärtigen Diensten befindet. Orig. Pap. 46

1689 Juni 22. Protokoll über die Beschlagnahme aller Renten und Einkünfte des [Jakob Adam] von Berstett zu Olvis- heim, da sich letzterer in ausländischen Diensten befindet. Orig. Pap. 47

1690 April 7. Strassburg. Jean Le Laboureur, Kantor zu Alt-St. Peter in Strassburg, bescheinigt Jakob Adam von Berstett in Abwesenheit des Propstes die von letzterem nachgesuchte Belehnung. Orig. Pap. Siegel. 48.

1690 Okt. ı7. Basel. Joachim Ernst von Berstett bekennt von Peter Fuchs, Kaufmann zu Basel, für 5o Gulden Waren entnommen zu haben. Orig. Pap. Siegel. 49

1705 März 4. Zabern. Lehensindult des strassburg. Lehen- hofs für Jakob Adam von Berstett nach geschehener Lehens- requisition bis zu wirklicher Belehnung. Orig. Pap. Siegel abg. 50

1718 Aug. 9. Strassburg. Ehevertrag zwischen Philipp Jakob von Berstett und Eva Margaretha Forstner von Dambenoy, Tochter des Ludwig Christoph Forstner von Dambenoy. Orig. (?), nicht vollzogen. Libell. 51

1720 Nov. 6. Strassburg. Erklärung (von Riccius), dass Jakob Adam von Berstett durch Schreiben vom 4. d. M. bei dem Prince de Rohan die Belehnung mit dem sogenannten Rathsamhausenschen Lehen nachgesucht habe. Orig. Pap. 52

1731 Nov. 21. Strassburg. Jean Le Laboureur, Propst von Alt-St. Peter zu Strassburg, bescheinigt Jakob Adam von Berstett, dass er die Belehnung mit dem von Alt-St. Peter her- rührenden Lehen nachgesucht habe. Orig. Pap. Siegel. 53

1740 Jan. 25. Strassburg, Karl Eugen von Weitersheim erteilt nach seiner Volljährigkeitserklärung Jakob Adam von Ber- stett Entlastung für die von ihm geführte Vormundschaft. Orig. Pap. 54

1742 April 5. Testament der Eva Margaretha von Berstett gebor. Forstner von Dambenoy, Witwe des Philipp Jakob von Berstett. Orig. Pap. Libell. 55

1742 April 13. Strassburg. Eva Margarete von Berstett 'gebor. Forstner von Dambenoy, Witwe Philipp Jakobs von Ber- stett, sowie dessen Kinder aus den zwei ersten Ehen schliessen einen Vergleich über Philipp Jakobs Verlassenschaft, bei der die Passiva die Aktiva übersteigen. Begl. Kop. Pap. Libell. 56

1742 Mai 23. Berstett. Jakob Adam von Berstett tritt seinem Neffen Philipp Reinhard von Berstett Schloss und Stamm- gut zu Berstett ab, bestimmt seine eigenen, teils ererbten, teils erkauften, teils ertauschten Güter, wie auch Kadukgüter zu einem Stammgut und trifft Bestimmungen über die Verteilung seines sonstigen Nachlasses. Orig. extr. aus dem ritterschaftl. Kon- traktenprotokoll. Siegel, 57

Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. mıg

1744 Okt. ı. Berstett. Geburts- und. Taufschein für Philipp Jakob Reinhard von Berstett. Extr. aus dem luther. Taufbuch d.d. 1756 Aug. 10. 58

1746 April 28. Diplom der juristischen Fakultät zu Strass- burg für Wilhelm Jakob von Berstett als Lizentiaten der Juris- prudenz. Orig. Perg. Siegel. | 59

1748 Sept. 17. Strassburg. Attestat des Präsidenten und der Räte des Direktoriums der unterelsässischen Ritterschaft, dass nach dem am ıg. Mai d. J. erfolgten Tode von Jakob Adam von Berstett das Recht, die erledigten Lehen zu vermannen, auf Philipp Reinhard von Berstett, als den ältesten der Familie, übergegangen sei. Pap. Kop. 60.

1748 Sept. 27. Zabern. Lehensindult des bischöfl. strass- burg. Lehenpropstes Mehlem für Philipp Reinhard von Berstett für sich und Philipp Jakob Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett. Orig. Pap. Siegel. 61

1748 Nov. 3. Strassburg. Vollmacht des Philipp Reinhard von Berstett für Lic. jur. utr. Aulbert zum Empfange der hanau- lichtenberg. Lehen an seiner Statt. Pap. Kop. 62

1750 März t3. Zabern. Lehensindult des bischöfl. strass- burg. Lehenpropstes Mehlem für Philipp Reinhard von Berstett für sich und Wilhelm Jakob von Berstett. Orig. Pap. S. ab. 63

1750 Sept. 28. Auszug aus dem Leichenbuch zu Berstett, das Ableben der Elisabeth Charlotte von Berstett geborene von

Berckheim betr. Pap. 64

1757 Mai 4. Zabern. Lehensindult des bischöfl. strassburg,

Lehenpropstes Mehlem für Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob

von Berstett. Orig. Pap. S. 65 1758 Mai 8. Strassburg. Testament des Wilhelm Jakob von Berstett. Pap. Kop. Libell. 66

1768 Febr. 20. Strassburg. Ehevertrag zwischen Philipp Jakob Reinhard von Berstett und Karoline Christiane Leopoldine von Dettlingen, Tochter Philipp Leopolds von Dettlingen und von Magdalene Beatrix Schenk von Schmittburg. Orig. Perg. Not.instr. | 67

1772 Mai 14. Strassburg. Vollmacht des Freiherrn Philipp Reinhard von Berstett für Wilhelm Helmbrecht zum Empfang der bischöfl. strassburg. Lehen. Pap. Kop. 68

1780 März ı. Zabern. Lehensindult des bischöfl, strass- burg. Lehenpropstes Mehlem für Philipp Reinhard und Philipp

Jakob Reinhard von Berstett. Orig. Pap. S. 69° 1780 Nov. 7. Strassburg. Testament der Sophie Sidonie von Berstett. Kop. Pap. 79

1782 Nov. 13. Zabern. Lehensindult des bischöfl. strass- burg. Lehenpropstes Mehlem für Philipp Jakob Reinhard, Wil- helm Leopold Reinhard und Christian Jakob August von Berstett. Orig. Pap. S. Ä 71

2*

m2o Frankhauser.

1794 Okt. 4. Verleihung des kaiserl. ritterschaftlichen Ordens der Schwäbischen Reichsritterschaft an Wilhelm Ludwig Leopold Reinhard von Berstett. Orig. Pap. S. 72

ı819 Nov. ı5. Karlsruhe. Kabinettsordre, enthaltend die Zusicherung Grossherzogs Ludwig für den Staatsminister von Berstett, »dass, im Fall seines kinderlosen Absterbens, die ihm durch Beschluss vom 8ten dieses Monats zugesicherte Lehen auf seine Witwe zur lebenslänglichen Nutzniessung übergehen sollen«. Orig. Pap. 73 ı820 Febr. 28. Karlsruhe. Die Markgrafen Leopold, Wil- helm und Max von Baden geben dem Staatsminister von Berstett . die feierliche Zusicherung, dass sie für den Fall, dass während der Regierung des Grossherzogs Ludwig nicht so viele Ritter- lehen heimfallen sollten, daß eine jährliche reine Rente von 6000 fl. dadurch vollständig konstituiert ist: »Wir als Nachfolger in der Regierung der vollen Kraft und Wirkung dieser Anwart- schaft entsprechen werdene Zugleich wird diese Zusicherung auf die Kabinettsordre von 1819 Nov. 15 ausgedehnt. Orig. Pap. 3 S. | 74 1820 Dez. ı. Die Stadt Mannheim verleiht dem Staats- minister Reinhard von Berstett das Ehrenbürgerrecht. Orig. Perg. S. in Elfenbeinkapsel. 75 1821 März ı5. Ehrenbürgerbrief der Stadt Karlsruhe für

den Staatsminister Freiherrn Reinhard von Berstett. Orig. Perg. Roter Sammeleinband. Siegel in vergoldeter Kapsel mit Quasten. 76

1821 Sept. 5. Karlsruhe. Grossherzog Ludwig von Baden verordnet in Ergänzung der Staatsministerialentschliessung vom 8. November 1819 Nr. 3528, durch die dem Staatsminister von Berstett die Anwartschaft auf so viele heimfallende Ritterlehen erteilt wird bis dadurch eine Rente von 6000 fl. konstituiert sein wird, und in Ergänzung der Kabinettsordre vom 15. November ı819 Nr. 289, durch die der Witwe im Falle kinderlosen Ab- sterbens des Staatsministers von Berstett der lebenslängliche Genuss dieser Rente zugesichert wird, noch weiter, dass im Falle von Berstett sterbe, ehe die Rente von 6000 fl. aus heim- fallenden Lehen konstituiert sein würde, diese Rente durch weitere Verleihungen an seine Erben oder an seine Witwe bis auf 6000 fi. ergänzt werden soll. Orig. Perg. S. 2 fol. 17

1825 Aug. 12. König Karl X. von Frankreich gestattet dem Grossh. badischen Staatsminister Philipp Reinhard von Ber- stett in badischen Diensten zu bleiben, ohne seine Eigenschaft als Franzose hierdurch zu verlieren. Perg. Orig. S. 78

1826 Jan. 18. Berlin. Patent für Christian Jakob August von Berstett als Ritter des Königlich preussischen St. Johanniter- ordens. Orig. Pap. S. Unterschrift des Grossmeisters Prinzen Heinrich von Preussen. 79

B in E

Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. m21ı

1826 März 23. Strassburg. Jakob Christian August von Berstett erteilt seinem Bruder Wilhelm Ludwig Leopold Rein- hard von Berstett, Grossh. badischem Staatsminister, General- und Spezialvollmacht zur Verwaltung seiner in Baden und Frankreich liegenden beweglichen und unbeweglichen Besitzungen. Orig. Pap. Not.instr. 80

1832 April 10. Karlsruhe. Stammgutsstatut, entworfen durch den Staatsminister Freiherrn von Berstett. Pap. Konz. 81

1832 April 18. Karlsruhe. Eigenhändiges Testament des Grossh. Staatsministers Freiherrn Wilhelm Ludwig Leopold Rein- hard von Berstett. Orig. Pap. S. Dabei 2 Kodizille von 1832 April 21 Karlsruhe, und von 1833 Sept. ıo Watthalden bei Ett- lingen. Orig. Pap. 82

1835 Mai 7. Heiratsvertrag zwischen Freiherrn Karl Adrian Reinhard von Berstett und Ida Luise Georgine von Lilier. Begl. Pap. Kop. 83

1852 Okt. 15. Testament der Freifrau von Berstett gebor. Gräfin von Luxburg, Witwe des Staatsministers Reinhard von Berstett, mit Nachträgen usw. 2 Pap. Kop. 84

1860 Dez. ı. Freiherr August von Berstett, k. k. Major, verkauft an Freifrau Ida von Berstett näher bezeichnetes Silber. Not.instr. Orig. Pap. S. 85

1873 Nov. 27. I. Testament des Freiherrn Karl Adrian von Berstett. Begl. Pap. Kop. d.d. 1876 April 20. 80

1875 Dez. 3. II. Testament des Freiherrn Karl Adrian von Berstett. Begl. Pap. Kop. vom 14. April 1876. 87

2. von Berckheim.

1572 Juni 16. Hans Jakob von Berckheim und Hans Christoph Brenner zu Neuenburg als Vormund der Kinder Hans Bastians Brenners, seines Bruders selig, schliessen mit Beistand genannter Verwandter und Freunde einen Vergleich über die Verlassenschaft der Barbara von Berckheim geborene von Breu- ninghofen. Orig. Pap. 8 S. 88

3. Böcklin von Böcklinsau.

1592 Aug. 7. Strassburg. Eheberedung zwischen Philipp Dietrich Böckhlen und Anna Maria Zuckmantel von Brumat. 2 Orig. Perg. 7 S. 89

ı601 April 3. Strassburg. Testament des Philipp Dietrich Böcklin und seiner Ehefrau Anna Maria geborene Zuckmantel von Brumat. Orig. Perg. 90

1637 Juni 6. Eheberedung zwischen Jakob Christoph Böckle und Rosina Böcklin von Böcklinsau. Orig. Perg. 5 S. gi

m22 Frankhauser.

1665 April ı7./7. Direktor, Räte und Ausschüsse der unter- elsässischen Ritterschaft beurkunden die Beilegung von Streitig- keiten zwischen Philipps Ulmann Böcklin von Böcklinsau, Meylach von Dettlingen, Johann Philipps von Dettlingen, Hieronymus Christof Bapst von Bolsenheim als Kurator der Kinder des Hans Michael von Rathsamhausen, Philipps Ludwig von Kippenheim, XV. zu Strassburg und Kurator Johann Ludwigs von Kippenheim nachgelassenen vier Söhne, und den sechs Kindern Klaus Lud- wig Zorns von Plobsheim, Stättmeisters, wegen gegenseitiger For- derungen. Orig. Pap. Extr. aus dem Ritterschaftsprotokoll. 92

1680 Juli 15. (st. v.) Wibolsheim. Heiratsverschreibung zwischen Philipp Christof Böcklin von Böcklinsau und Susanna Sophia von Rathsamhausen zu Ehnweyer, Tochter Beat ne von Rathsamhausen selig. 2 Orig. Pap. 9 S.

1682 Nov. 16. Strassburg. Testament des Jakob Christoph Böcklin von Böcklinsau, Stättmeisters und Dreizehners zu Strass- burg, und seiner Ehefrau Rosina Böcklin. Kop. vid. Pap. 94

1682 Nov. 16. Strassburg. Nachtragsbestimmung des Stätt- meisters und Dreizehners Jakob Christoph Böcklin von Böcklinsau und seiner Ehefrau Rosina zu ihrem am gleichen Tage auf- gesetzten Testamente bezüglich eines der letzteren im voraus aus der Verlassenschaft Jakob Christophs zu zahlenden Kapitals und der Erziehung der Nachkommenschaft ihres jüngsten Sohnes Philipp Christian. Pap. Kop. vidim. 95

1684 Febr. 7. Strassburg. Nachdisposition von Frau Rosina Böcklin von Böcklinsau zu dem von ihr gemeinsam mit ihrem Ehemanne, Stättmeister und Dreizehner Jakob Christof Böcklin, unterm 16. November 1682 gemeinschaftlich aufgesetzten Testa- mentum clausum. Pap. Kop. vidim. 90

1600 Aug. 6. Zweite Nachdisposition der Frau Rosina Böcklin von Böcklinsau zu dem von ihr gemeinsam mit ihrem Ehemann, Stättmeister und Dreizehner Jakob Christoph Böcklin, unterm 16. November 1682 aufgesetzten Testament. Kop. vid. Pap. 97 1694 Okt. 23. Strassburg. Dritter Nachtrag der Frau Rosina Böcklin von Böcklinsau zu dem von ihr gemeinsam mit ihrem Ehemanne, Stättmeister und Dreizehner Jakob Christoph Böcklin, unterm 16. November 1682 aufgesetzten Testamente. Pap. Kop. vidim. 8

ı71ı Febr. 12. Strassburg. Jakob Christoph Böcklin von Böcklinsau schliesst unter Vermittlung des Philipp Christian Böcklin und des Philipp August Böcklin von Böcklinsau mit seinem Bruder Wolfgang Sigmund einen Tauschvergleich dahin ab, dass er letzterem seine Hälfte an genannten Gütern und Gülten zu Rust und seinen vierten Teil an dem Haus in Strassburg abtritt und dafür von Wolfgang Sigmund dessen Hälfte von Schloss Rust und die dazu gehörigen Gebäude, Rechte und Gerechtig- keiten, Gärten und Güter usw. erhält. Orig. Pap. 5 S. 99

Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. m23

von Dettlingen.

1632 Febr. 14. Strassburg. Schuldschein des Hans Jakob von Dettlingen gegen seinen Bruder Hans Philipp über 8900 Reichs- taler, verzinslich mit 400 Reichstalern. Orig. Pap. S. 100

1633 Sept. ı2. Strassburg. Ehevertrag zwischen Hans Philipp von Dettlingen und Maria Martha von Landsperg, Tochter Wolf Jakobs von Landsperg. Orig. Pap. 13 S. ab. 101

1634 Dez. 13. Strassburg. Testament des Hans Philipp von Dettlingen und seiner Hausfrau Maria Martha geborene von Landsperg von 1634 Dez. ı3. Nachtrag dazu von 1635 Okt. 18 und Instrument über dessen Eröffnung nach dem Tode der Maria Martha von 1635 Nov. 21. Kop. vidim. Pap. . 102

1647 März ıı./2ı. Vergleich zwischen Johann Philipp, dessen Sohn Meylach, und Jakob Christoph von Dettlingen, be- treffend Bewirtschaftung und Nutzniessung ihres rappoltsteinischen Lehens zu Scharrachbergheim, unter Vermittlung der Lehensherr- schaft abgeschlossen. Orig. Pap. 103

1659 ... Heiratsabrede zwischen Wolf Friedrich Eckbrecht von Dürkheim und Anna Philippina von Dettlingen. Orig. Pap.

104

1682 Juni 10. Strassburg. Vergleich zwischen Meylach von Dettlingen und Katharina Sophia von Landsperg geborene von Helmstatt auf Ableben der Katharina Sophia von Dettlingen geborene von Landsperg, Ehefrau bezw. Tochter der Vertrag- schliessenden. Orig. Pap. 105

1689 Jan. 4. Strassburg. Heiratsabrede zwischen Meynlach von Dettlingen und Agatha Dorothea Wurmser von Vendenheim, Tochter des Otto Reinhard Wurmser von Vendenheim und dessen Gattin Agatha Maria geborene von Dürrmenz. Orig. Pap. 9 S.

106

1718 Mai 3. Paris. Patent Ludwigs XV. für den sieur Etlinger (!= von Dettlingen) als Capitaine reforme& in der Kom- pagnie Stier des Regiments Infanterie allemande d’Alsace. Orig. Perg. 107

1718 Mai 5. Strassburg. Eheverschreibung zwischen Friedrich Ferdinand von Dettlingen und Dorothea Marianne Okane von Bolsenheim, Tochter des Johann Ökane von Bolsenheim und der Magdalena Sophia geborene Schenk von Schmittburg. Orig. Pap. Io S, 108

1719 Mai 26. Strassburg. Eheverschreibung zwischen Leopold Philipp von Dettlingen und Luise Magdalena von Landsperg, Tochter Wolf Sigmunds von Landsperg und der Katharina Mar- garethe geborene Schenk von Schmittburg. Orig. Pap. 8S. 109

1652 Juni 20/10. Rappoltsweiler. Requisitionsschein für Meylach von Dettlingen nach Ableben Georg Friedrichs Herrn zu Rappoltstein. l 103a

m24 Frankhauser.

1745 Aug. 23. Strassburg. Notarieller Vergleich zwischen Luise Magdalene von Landsperg,. Gemahlin von Leopold Philipp von Dettlingen, als Erbin ihrer Mutter Katharina Margarete Schenk von Schmittburg, der Gemahlin Wolf Sigmunds von Landsperg, und ihrer Schwester Esther Klara einer- und Samson Ferdinand von Landsperg, vertreten durch den Ritterschaftssyndikus Franz Nikolaus Schwend, andererseits, bezüglich auf die Beilegung ihrer Streitigkeiten wegen der Verlassenschaft des Wolf Sigmund von Landsperg; Samson Ferdinand von Landsperg zahlt an Luise Magdalena von Dettlingen 18000 livres, bis zu ihrer Bezahlung verzinslich mit 5 Proz. und eine lebenslängliche Rente von 700 livres jährlich. Orig. Perg. IIO

1745 Sept. 16. Testament der Luise Magdalene von Dett- lingen geborene von Landsperg, Gemahlin Leopold Philipps von Dettlingen. Mit Protokoll über Hinterlegung und Eröffnung des Testaments und Vermerk über Eintrag in das ritterschaftliche Protokoll. Kop. Pap. III

1749 Nov. 22. Strassburg. Heiratsabrede zwischen Leopold Philipp von Dettlingen, königlich französischer brigadier des armées usw., und Magdalene Beatrice Schenk von Schmittburg, Tochter Friedrich Schenks von Schmittburg und der Sophia Augusta Franziska gebor. Wetzel von Marsilien. Orig. Perg. Not.instr. 112

1759 Aug. 7.. Abrede zwischen Leopold Philipp von Dett- lingen und Meylach Christian von Dettlingen wegen des Genusses einiger eigentümlicher und Lehengefälle. Orig. Pap. 113

1759 Aug. 7. Strassburg. Vergleich zwischen Leopold Philipp von Dettlingen und Meylach Christian von Dettlingen und seinen Geschwistern wegen des Genusses einiger eigentüm- licher sowohl als auch Lehengefällen. Orig. Pag. . I14

5. von Holzing-Berstett,

1652 Okt. ı6. Kaiser Ferdinand erteilt Johann Holzing den Adelsstand unter Verbesserung seines angeborenen adeligen Wappens. Begl. Pap. Kop. d.d. 1685 April 18. S. 115

1696 Sept. 12. Trauschein für Johann Jakob Holzing, Kammerdiener des Markgrafen Leopold von Baden-Baden, und Ludmilla Klaudius von Klaudenburg aus Prag. Extrakt aus dem Kirchenbuch von 1786 Okt. 15. | 116

1789 Jan. 3. Kaiser Joseph Il, erneuert dem Johann Baptist ` Holzing, markgräflich badischen Hof- und Regierungsrat, und dem Franz Holzing, Amtmann zu Ettlingen, Gebrüdern, den Adel. Orig. Perg. Libell mit eingezeichnetem Wappen. Roter Sammeteinband. S. in vergoldeter Kapsel. 117

1793 Mai 22. Geburtszeugnis für Christine Karoline Weissin- ger, Gemahlin des Grossh. Oberforstmeisters Josef von Holzing. Orig. Pap. 118

Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. m25

1808 (?). Empfehlung der Loge la Zelee à l’Orient de Bayonne für Leopold von Holzing, Grossb. badischen Hauptmann. Orig. Perg. 119

1813 Dez. 30. Karlsruhe. Ehepakten zwischen dem Major und Flügeladjutanten Leopold Hartmann von Holzing und Blanche Jeanne Eléonore Nelly le Pays de Bourjolly. Begl. Pap. Kopie.

120

1820 Aug. 21. König Ludwig XVIJI. von Frankreich nimmt Leopold von Holzing in den Orden der Ehrenlegion auf mit Datum von 1808 Dez. 8. Orig. Perg. S. 121

1831 Mai 19. Zeugnis des Katholischen Oberstadtpfarr- amts Mannheim über das am ıg. Mai 1831 erfolgte Ableben des Flügeladjutanten Leopold von Holzing, Kommandeurs des Grossh. Badischen Dragonerregiments. Orig. Pap. S. 122

1864 Nov. 24. Ehevertrag zwischen Adolf von Holzing, Grossh. badischen Oberst und Reisestallmeister, und Amalie Freiin von Berstett. DBegl. Pap. Kopie. 123

1877 Juni 11. Freifrau Amalie von Holzing geborene von Berstett errichtet aus den ihr aus der Verlassenschaft ihres Vaters zugefallenen abgelösten Lehensgütern ein von Holzing’sches Stamm- gut, unter Zustimmung ihres Ehegatten des Grossh. badischen Oberststallmeisters Adolf von Holzing und der Vormünder ihrer minderjährigen Kinder. 1877 Juli 21 erfolgt die Bestätigung des Stammgutsstatuts durch Grossh. Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts. Orig. Pap. Libell in Einband. 124

1877—1903. Kaufbriefe über sämtliche Liegenschaften, welche zu dem von Holzingschen Stammgute hinzu erworben und dem Stammgute einverleibt worden sind. Orig. nebst

weiteren hierher gehörigen Aktenstücken. --- Betrifft die Orte Bollschweil, Bodersweier, Buchheim, Grossweier, Hugstetten. ı Faszikel. 125

1878 Febr. 23. Vergleich zwischen der Witwe und den Erben des C. D. Kornberger, als Vermögensverwalters des Frei- herrn Karl Adrian von Berstett, und dem Öberststallmeister von Holzing, die Ausgleichung der wechselseitigen Forderungen aus der geführten Vermögensverwaltung betr. Orig. Pap. 126

1884 März 2ı. Freifrau Ida von Berstett schenkt ihrer Tochter Amalie von Holzing ihre Liegenschaften zu Homburg, Bierbach, Lautzkirchen, Webenheim, Einöd-Ingweiler, Ixheim usw. in der Pfalz gegen ein lebenslängliches Leibgeding von 2000 M. Orig. Pap. S. 127

1884 Mai 26. Freifrau Ida von Berstett schenkt ihrer Tochter Amalie von Holzing ihr gesamtes liegenschaftliches Be- sitztum zu Karlsruhe und Buchheim. Begi. Pap. Kop. S. 128

1887 Febr. 15. Patent als Sekond-Lieutenant im ı. Bad. Leib-Dragoner-Regiment Nr. 20 für den Portepeefähnrich Max von Holzing. Orig. Pap. S. 129

:m26 Frankhauser.

1891 Mai 13. Ehevertrag zwischen dem Grossh. Badischen Geheimerat Arthur von Brauer und Fräulein Karola von Holzing. Begl. Pap. Kop. 130

1890 April 22. Ehevertrag zwischen dem Premierlieutnant Max von Holzing und Fräulein Elsa von Seldeneck. Begl. Pap. Kop. 131

1898 Aug. 26. Grossherzog Friedrich I. von Baden erhebt den Adolf Wilhelm Franz von Holzing, Grossh., Oberststallmeister, in den Freiherrnstand unter Verleihung des Namens von Holzing- Berstett. Orig. Perg. in Prachtband mit Golddruck. Die Wappen in Farben eingemalt. 132

6. von Lilier.

1834 April 14. König Ludwig von Baiern erhebt die Amalie Karoline Auguste Lilier geb. Freiin von Esebeck in den Adel- stand. Pap. Kop. mit Wappenmalerei. 133

7. von Marsilien.

1675 Jan. ı. Pfalzgraf Christian IJ. von Birkenfeld bestellt Johann Wetzel von Marsilien zu seinem Hofmeister. Orig. Pap. 134

1701 Febr. 18. Strassburg. Heiratsvertrag zwischen Friedrich Johann Reinhard Schenk von Schmittburg und Sophia Augusta Franziska Wetzel von Marsilien. Pap. Kop. 135

8. von Mundolsheim.

ı611 März 16. Strassburg. Gemeinschaftliches Testamentum clausum des Philipp Joham von Mundolsheim und seiner Ehe- frau Maria Magdalena Johamin geborene Marx von Eckwersheim. Orig. Perg. 136

g. von Oberkirch.

1738 Aug. 18. Quatzenheim. Testament der Magdalena Maria von Oberkirch geborene von Buch. Nebst dem Protokoll über die Eröffnung von 1745 März 30. Kop. Pap. 137

10, von Rathsamhausen.

1389 April 29. Bürgermeister und Rat zu Breisach sprechen in der Streitsache des Edelknechts Johann von Rathsamhausen von Triberg und des Kuntzlin Kesseler, der des genannten Johann v. R. Schultheiss des Kesslerhandwerks ist, einerseits gegen Hamman von Sennheim, Kupferschmid za Freiburg, andrerseits zu Recht, dass der genannte Hammann Johann v. R. in seine Freiheit gegriffen und die überfahren hätte und dass er ihm deshalb zur

Freih. von Holzing-Bexstett’sches Archiv in Karlsruhe. m27

Besserung verfallen ist »libe und gut« und ihm damit bessern soll »untz uff sin gnad«. Orig. Perg. 138

1432 Mai 5. Hartmann, Hartmanns Sohn von Strassburg, Hans Martins Vetter zu Schlettstadt, der Kessel und andere Geschirre zu Denzlingen feil gehalten hat und deshalb von Ritter Egenolf von Rathsamhausen ergriffen worden war, verspricht bei seiner Freilassung, dass er ausserhalb seines Hauses das Kessler- noch Kaltschmiedhandwerk in des von Rathsamhausen Gebiet nicht betreiben und kein Geschirr ausserhalb seines Hauses, es sei denn auf freien Jahrmärkten, feilhalten will. Orig. Perg. 139

1438 Aug. 5. Hans Bruckslegel, Schultheiss, Hans von Onheim, Altvogt, und Klaus Berner, des Rats zu St. Pilt, ent- scheiden einen Streit zwischen Klaus Kannengiesser, Spengler von Rappoltsweiler, und Niklaus Frünt von Erfurt einerseits und Meister Hans dem Kessler von Schlettstadt andrerseits dahin, dass den beiden ersten untersagt wird, zu bletzen oder einen Nagel aus Kupfer zu schlagen oder auch Kupfer zu kaufen und zu ver- kaufen auf Gewinn in dem Gebiete zwischen dem Hagenauer Forst und dem Hauenstein und dem First und dem Schwarz- wald. Orig. Perg. 140

1458 Mai 18. Heinrich Zülöuff von Rappoltsweiler, ein Kessler, der von Dietrich von Rathsamhausen, als Inhaber des Kesslerlehens vom Hauenstein bis gen Pruntrut und von da bis zum Hagenauer Forst und ennent Rheins bis zur der alten Brucken zwischen dem First und dem Schwarzwald, ferner von Klaus Kessler von Schlettstadt und Lauwelin Kessler von Breisach zu Lahr mit Gericht fürgenommen und beklagt worden ist, als er zu Hugsweier wider des genannten Kesslerbezirks Freiheit Kessel gebletzt hatte bei Lahr, schwört, nachdem er von den beiden Amtleuten Andreas Röder und Konrad von Iberg, sowie von Schultheiss und Rat zu Lahr mit den Anklägern wieder gütlich vereint ist, Urfehde. Orig. Perg. 141

1665 Febr. 5. (st. v.) Strassburg. Heiratsverschreibung zwischen dem Freiherrn Georg Konrad Schaffelitzky von Mücken- thal und Veronika Magdalena von Rathsamhausen, Tochter Beat Jakobs von R. zu Ehnweier. Orig. Perg. 6 S. 142

1668 Jan. 8. Testament des Beat Jakob von Rathsam- hausen zu Ehnweier und seiner Hausfrau Susanna Ursula gebor. Röder von Diersburg. Orig. Pap. Libell. 8 S. 143

= 1673 Jan. 8. Nachtrag zu dem Testamente des Beat Jakob von Rathsamhausen und seiner Ehefrau Susanna Ursula gebor. Röder von Diersburg von 1668 Jan. 8, betreffend die Nicht- anrechnung der von ihren Söhnen Hans Kaspar und Franz Jakob auf ihrer Informationsreise ausgegebenen Gelder auf ihren Erb- teil betr. Pap. Kop. 144

(1679). Johann Jakob von Berstett, der Ritterschaft im Unterelsass Rat und Ausschuss, als Ehevogt von Frau Maria

m28 Frankhauser.

litzki von Muckadell und seiner Ehefrau Veronika Magdalena gebor. von Rathsamhausen zu Ehnweier; Freiherr Karl von Stein, Rat der evangelischen Kapitularherren des Bruderhohs zu Strass-

Beistand Jakob Christof Böcklin von Böcklinsau, strassburg. Stätt- meister und Dreizehner; Philipp Friedrich Böckle von Böcklinsau

Ständer schliessen einen Vergleich, betr. die Ergänzung des der

zustehenden veränderten Guts und des ihr in dem Ehevertrag zugesagten Wittums. Orig. Pap. Libell, Seite mit Siegel, Datum und Unterschrift fehlt, 145

1754 Juli 14. Prenzlau. Erbprinz Ludwig von Hessen- Darmstadt Graf von Hanau-Lichtenberg gestattet dem Geheimen Rat Leopold Samson von Rathsamhausen, dass er seine Ehefrau auf diejenigen Lehen verwittume, die ihm nach dem Tode des Franz August Ferdinand Böcklin von Böcklinsau als heimgefallene Lehen zu Mannlehen übertragen worden waren; doch soll der von Böcklinschen Wittib der lebenslängliche Genuss verbleiben. Orig. Pap. S. | 146

II. Schnewelin Bernlapp von Bollschweil,

1585 Dez. ıı. Ensisheim, Johann Beat Graß gen. Vay,

von Bollschweil andererseits, Perg. Orig, 147

1718 April 5. Freiburg. Vermögensteilung zwischen den Söhnen des F ranz Ludwig Schnewlin genannt Berenlapp Freiherm von Bollschweil, und zwar zwischen Franz Heinrich aus dessen erster Ehe mit Maria Franziska Hipschman von Biberbach und

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Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in. Karlsruhe. m29

12. Voltz von Altenau.

1653 Mai ı2./22. Strassburg. E rbvergleich zwischen Johann = Reinhard Voltz von Altenau und seinen 9 Kindern über die Verlassenschaft seiner Ehefrau Esther geb, Böcklin von Böcklinsau.

-= Orig. Pap. 7 S.

149 1685 Juni 17. Heiratsverschreibung zwischen Philipp Jakob

v”. Voltz von Altenau und Susanna Elisabetha Müg von Bofszheim, = Tochter des Wilhelm Sebastian Müg von B. und der Anna

Katharina geb. Röder von Diersburg. 2 Orig. Pap. 8 S. ı51ı

1685 Juli 3. (st. n.) Strassburg. Heiratsverschreibung zwischen Heinrich Dietrich Voltz von Altenau und Maria Margareta Bapst von Bolsenheim, Tochter des Christoph Bapst von Bolsenheim.

~ Orig. Pap. 5 S. 152

1685 Juli 3. Strassburg. Ebepakten zwischen Heinrich Dietrich Voltz von Altenau und Marja Margareta Bapst von Bolsenheim. Kop. vidim. Pap. 153

1678 April 8. Bischheim. Testament der Frau Susanna Elisabeth Voltz von Altenau, gebor. Müg von Boofzheim, verwit- wete de Battincourt. Orig. Pap: ı S. 150

1700 Aug. 26. Testament des Philipp Jakob Voltz von Altenau und seiner Frau Susanna Elisabeth gebor. Müg von Bofszheim. Begl. Kop. Pap. 154

1702 Juni 10. Strassburg. Philipp Jakob Voltz von Altenau nimmt seine Stieftochter Anna Eleonora von Battincourt, aus der ersten Ehe seiner Frau Susanna Elisabeth mit Georg Ludwig von Battincourt, als Tochter an in der Weise, dass sie seinen eigenen Kindern aus seiner Ehe mit Susanna Elisabeth völlig gleichstehen soll. Gleichzeitig wird bestimmt, dass das von Philipp Jakob und seiner Ehefrau unterm 26. August 1700 auf- gesetzte Testamentum reciprocum in Kraft bleiben soll. Orig. Pap. Libell. 10 S, 155

13. von Westhausen.

O. D. (1592—1605). Pass des Grafen Friedrich von Fürsten- berg-Heiligenberg, österreich. Rats und Landvogts im Unterelsass, für den Forstmeister in Hagenau, Wolf Wehrich von Westhausen. Orig. Pap. S. 156

14. von Wickersheim.

1699 Juli g. Bescheinigung des Conseil souverain d’Alsace, dass Philipp Henry de Wickersheim für sich und seinen Neffen Georg Friedrich August dem französischen König für seine Lehen in der Umgegend von Hagenau den Treueid geleiste habe. Orig. extract. aus den Registres du Conseil souverain. 157

m30 Frankhauser.

1699 Juli 9. Requisitionsschein des Conseil souverain d’Al- sace für Philipp Heinrich von Wickersheim für sich und seinen Neffen Georg Friedrich August betr. seine königliche Lehen, Orig. extract. - 158

1716 Aug..20. Colmar. Der Conseil souverain d’Alsace erteilt Philipp Heinrich von Wickersheim, strassburg. Stättmeister, für sich und seinen Neffen einen Requisitionsschein über die nachgesuchte Belehnung mit den im Unterelsass gelegenen könjgl. Lehen. Orig. extract. 159

1716 Aug. 20. Philipp Heinrich von Wickersheim leistet vor dem Conseil souverain d’Alsace für sich und seinen Neffen Georg Friedrich August den Treueid für die von der französ. Krone herrührenden Lehen. Orig. extract. 160

1721 Juni 16. Der Conseil souverain d’Alsace setzt Georg Friedrich August von Wickersheim eine Frist von 6 Monaten, innerhalb deren er um die Belehnung mit den vom französischen König herrührenden Lehen nachzusuchen habe. Orig. extract.

| 161

1721 Nov. 21. Colmar. Requisitionsschein des Conseil souverain d’Alsace für Georg August von Wickersheim für sich und seinen Vetter Johann Philipp von Wickersheim für die königl. Lehen seiner Familie. Orig. extr. Perg. 162

1721 Nov. 21. Colmar. Georg August von Wickersheim leistet dem französ. König den Treueid für die von der französ. Krone herrührenden Lehen seiner Familie. Orig. extr. aus den Registres du Conseil souverain d’Alsace. Perg. 163

15. von Zuckmantel,.

ı601 Juni 8. Eckendorf. Testament des Hans Walraf Zuckmantel von Brumat und seiner Ehefrau Elisabeth Hüffel (Heufflerin). Kop. Pap. 164

B. Ortschaften. 1. Beckhofen (Amt Villingen).

1824 Aug. 2. Karlsruhe. Grossherzog Ludwig I. von Baden belehnt den Staats- und Kabinettsminister Wilhelm Ludwig Leopold Reinhard von Berstett mit dem heimgefailenen von Webersheim- schen Lehen, bestebend in den Heu-, Frucht und übrigen Klein- = zehnten von den beiden Höfen zu Beggenhofen im Bruggental in dem Banne der Gemeinde Beckhofen. Orig. Pap. S. 165

1832 Jan. 27. Karlsruhe. Grossherzog Leopold von Baden belehnt den Staats- und Kabinettsminister Wilhelm Ludwig Leopold Reinhard von Berstett mit dem Lehen »Zehnten auf beiden Höfen zu Beckhofen im Bruggenthak. Orig. Pap. S. 166

Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. m31

1838 Sept. 23. Karlsruhe. Grossherzog Leopold von Baden belehnt Karl Adrian Reinhard von Berstett mit dem Lehen zu Beckhofen. Orig. Pap. S. 167

2. Berstett (Kreis Strassburg-Land),.

O. D. Wirich von Berstett und Katharina Riedesel von Ruschenburg, dessen Ehefrau, verkaufen an die minderjährigen Brüder Nikolaus und Heinrich Mosung, vertreten durch ihren Vormund Martin Leimer, eine jährliche Gült von ı0 fl. jährlich fällig auf Dezember ı3 (?) für? Pap. Kop. ı9. Jhd. 168

1190. Bischof Konrad von Strassburg schlichtet den Streit zwischen dem Kapitel von Honau und Garsilius von Berstett wegen des Zehntens zu Berstett, Nieffern, Vendenheim und Lampertheim dahin, dass der Zehnten Stift Honau zugesprochen wird gegen eine an Garsilius zu zahlende Entschädigung von 7 Talenten. Pap. Kop. vidim. 169

1347 Dez. 31. Johannes, Propst, Dekan und Kapitel des Stifts zu Rheinau verleihen mit Zustimmung Bischof Bertholds von Strassburg dem Ritter Wirich von Berstett zwei Zweitel in dem Banne zu Berstett und einen Geren zur Besserung seines früheren Lehens bestehend in einer halben Hube zu Berstett. Mitsiegler: der Bischof. Orig. Perg. u. Pap. Kop. 170

1369 Okt. 30. Vor dem strassburg. Hofgericht verkauft Ellekindis, Tochter Wirichs von Berstett, an Hugelin von Berstett, Edelknecht, ihren Bruder, ihren Anteil an der elterlichen Erb- schaft an Schloss usw. zu Berstett gelegen an dem Kirchhofe usw. für 29 Æ strassburger Pfennige. Orig. Perg. 171

1432 März 24 u. 26. Vor dem strassburg. Hofgericht ver- kauft Johannes von Mittelhausen zugleich mit seiner Ehefrau Gertrudis gebor. von Endingen und Hugo von Berstett, Sohn der genannten Gertrudis aus deren erster Ehe mit Wirich von Berstett, an Nesa von Kageneck, Tochter des strassburg. Ritters Johannes von Kageneck, eine jährliche Gült von 5 Æ strassburg. Pfennigen, jährlich fällig auf März 25, ruhend auf Gülten und Gütern zu Berstett und Mittelhausen für 100 & strassburg. Pfennige. Orig.: Perg. 172

1449 Okt. 25. Vor dem strassburg. Hofrichter verkauft Thomas gen. Irmans Thomas von Berstett wohnhaft in Fessen- heim zugleich mit seiner Ehefrau Ottilia den minderjährigen Gebrüdern Diebold und Laurentius, vertreten durch ihren Vater Wendling Düringer, einen Acker zu Berstett für ı5 strassburg. fl. Orig. Perg. ı S. 173

1486 Mai 2. Hug von Berstett verleiht Walters Diebolt zu Berstett einen Baumgarten, der ehemals eine Hofstatt war, gegen eine jährliche Gült von zwei Kappen. Orig. Pap. 174

m32 Frankhauser.

1497 März 29. Garsilius von Berstett, Vikar des Hochstifts Strassburg, tritt an seinen Bruder Hugo sein Erbteil an dem Schlosse zu Berstett und seinen Teil an 18 8 strassburg. Pfennigen Gelts auf der Gemeinde zu Berstett ab und erhält dagegen von Hugo 2 Æ 18 ĝ ı6 » und drei Örtel Geld, die das Dorf Pfettis- heim an Hugo zu geben schuldig war. 2 Orig. Perg. u. Pap. Kop. 175

1504 Febr. ı. Hugo und Michel von Berstett, Gebrüder, schliessen im Beisein Adam Zorns und Klaus Berers, beide Ritter, einen Vertrag dahin ab, dass Michel seinem Bruder Hugo seinen vierten Teil zu Berstett leihen soll unter näher genannten Be- dingungen. Orig. Perg. 176

1513 Aug. 27. Jheronimus Betschlin, Propst des Stifts St. Michael und Alt St. Peter zu Strassburg, belehnt Hugo von Berstett zugleich als Träger seiner Brüder Jerg und Michel mit zwei Zweiteln Felds, mit einem Geren und einer halben Hub zu Berstett, Orig. Perg. 177

1524 Mai 6. Vor Diebolt von Heiltpronn, Schöffen zu Hagenau, einigen sich Thoman von Zweibrücken, Gegenschreiber der Landvogtei Hagenau, einerseits, Veltin Hürsemann, Krämer zu Hagenau, als Kollator der Pfründe über St. Johannis Baptisten Altar in der Burg zu Hagenau, und Heinrich Wernhart Hürse- mann, Domherr des Stifts zu Surburg und Possessor der ge- nannten Pfründe und Kaplanei, im Namen der genannten Pfründe andererseits über ihre Ansprüche an das von Berstettsche Gült- gut zu Berstett, das ihnen beiden und jedem einzeln für ge- nannte Schulden von Michel von Berstett und seiner Hausfrau Ursula von Ow verpfändet worden ist und in dessen Gewere sie beide von dem Reichsgericht auf der Laube zu Hagenau gesetzt worden sind. Orig. Perg. i 178

1535 April 13 u. Mai 21. Vor dem strassburg. Hofrichter verkaufen Johannes genannt Peterhans von Truchtersheim und seine Hausfrau Ursula Wagner an Laurentius gen. Schultheissen Diebolds Lorentz von Berstett genannte Güter im Banne von Berstett für ıo fl. strassburg. Orig. Perg. S. 179

1536 Juli 1. Jheronimus Betschlin, Propst zu St. Michael und Alt-St. Peter zu Strassburg, belehnt Adam von Berstett mit zwei Zweiteln Felds, einem Geren und einer halben Hub zu Berstett. Orig. Perg. 180

1542 Okt. 2. Johannes Brun, Propst zu St. Michael und Alt-St. Peter zu Strassburg, belehnt Adam von Berstett mit zwei Zweiteln, einem Geren und einer halben Hub zu Berstett. Orig. Perg. 181

1545 Febr. 24. Vor genannten Gerichtsschöffen zu Brumat verkaufen Gangolf Schmitt von Oberschäffolsheim und seine Haus- frau Anna im Namen von Gangolfs Mutter an Schultzen Diebolds Lorentz und seine Hausfrau Apollonia (Aplongen) zwei Zweitel Felds in Berstett um ı6 fl. Orig, Perg. S. 182

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Zeitschrift

für die

Geschichte des Oberrheins

herausgegeben

von der

; Badisohen Historisehen Kommission.

Neue Folge. Band XXX. Heft 2.

(Der ganzen Reihe 6. Band.)

Heidelberg. Carl Winters Universitätsbuchhandlung. 1915.

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m32 Frankhauser.

1497 März 29. Garsilius von Berstett, Vikar des Hochstifts Strassburg, tritt an seinen Bruder Hugo sein Erbteil an dem Schlosse zu Berstett und seinen Teil an 18 ĝ strassburg. Pfennigen Gelts auf der Gemeinde zu Berstett ab und erhält dagegen von Hugo 2@ 18 8 16% und drei Örtel Geld, die das Dorf Pfettis- heim an Hugo zu geben schuldig war. 2 Orig. Perg. u. Pap. Kop. 175

1504 Febr. ı. Hugo und Michel von Berstett, Gebrüder, schliessen im Beisein Adam Zorns und Klaus Berers, beide Ritter, einen Vertrag dahin ab, dass Michel seinem Bruder Hugo seinen vierten Teil zu Berstett leihen soll unter näher genannten Be- dingungen. Orig. Perg. 176

1513 Aug. 27. Jheronimus Betschlin, Propst des Stifts St. Michael und Alt St. Peter zu Strassburg, belehnt Hugo von Berstett zugleich als Träger seiner Brüder Jerg und Michel mit zwei Zweiteln Felds, mit einem Geren und einer halben Hub zu Berstett. Orig. Perg. 177

1524 Mai 6. Vor Diebolt von Heiltpronn, Schöffen zu Hagenau, einigen sich Thoman von Zweibrücken, Gegenschreiber der Landvogtei Hagenau, einerseits, Veltin Hürsemann, Krämer ; zu Hagenau, als Kollator der Pfründe über St. Johannis Baptisten Altar in der Burg zu Hagenau, und Heinrich Wernhart Hürse- | mann, Domherr des Stifts zu Surburg und Possessor der ge- nannten Pfründe und Kaplanei, im Namen der genannten Pfründe andererseits über ihre Ansprüche an das von Berstettsche Gült- ı gut zu Berstett, das ihnen beiden und jedem einzeln für ge- nannte Schulden von Michel von Berstett und seiner Hausfrau Ursula von Ow verpfändet worden ist und in dessen Gewere sie beide von dem Reichsgericht auf der Laube zu Hagenau gesetzt worden sind. Orig. Perg. 178

1535 April 13 u. Mai 2ı. Vor dem strassburg. Hofrichter verkaufen Johannes genannt Peterhans von Truchtersheim und seine Hausfrau Ursula Wagner an Laurentius gen. Schultheissen Diebolds Lorentz von Berstett genannte Güter im Banne von Berstett für 10 fl. strassburg. Orig. Perg. S. 179

1536 Juli 1. Jheronimus Betschlin, Propst zu St. Michael und Alt-St. Peter zu Strassburg, belehnt Adam von Berstett mit zwei Zweiteln Felds, einem Geren und einer halben Hub zu Berstett. Orig. Perg. 180

1542 Okt. 2. Johannes Brun, Propst zu St, Michael und Alt-St. Peter zu Strassburg, belehnt Adam von Berstett mit zwei Zweiteln, einem Geren und einer halben Hub zu Berstett. Orig. Perg. 181

1545 Febr. 24. Vor genannten Gerichtsschöffen zu Brumat verkaufen Gangolf Schmitt von Oberschäffolsheim und seine Haus- frau Anna im Namen von Gangolfs Mutter an Schultzen Diebolds Lorentz und seine Hausfrau Apollonia (Aplongen) zwei Zweitel Felds in Berstett um 16 f. Orig Perg. S. 182

Zeitschrift

für die

Geschichte des Oberrheins

herausgegeben

von der

Badisohen Historischen Kommission.

Neue Folge. Band XXX. Heft 2.

[Der ganzen Reihe 69. Band.)

Heidelberg. Carl Winters Universitätsbuchhandlung. 1915.

Inhalt.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. Ein Beitrag zur Kunst- geschichte des 19. Jahrhunderts, von Dr. Jos. a Beringer in Mannheim . 22 0 en TE

Die geistlichen Gerichte zu Strassburg im I5. TOE (Fort- setzung), von Dr. Kar! Stenzel in Strassburg i. Els. .

Der Titel Herzog von Zähringen, von Dr. + Hermann Flamm in Freiburg de ine dee Me Kr SE Fr

Miszellen:

Ein Verzeichnis von Traditionen der Abtei Amorbach aus dem 11. und 12. Jahrhundert, von Dr. Franz J. Bendel in Würzburg . . a a k

Eine ungedruckte Geschichte der. Bistums Strasso: von Dr. Alfred Hessel in Strassburg i. Els. . .

Zur Datierung zweier Urkunden für St. Fides in Schlett- stadt, von Dr. Alfred Hessel in Strassburg i. Els. .

Personalien

Zeitschriftenschuu 2: 2:20 on Alemannia. XLH, 3. 294. Basler Zeitschrift für Ge- Geschichte und Altertumskunde. XIV, 1. 296. Franken- land. I. 297. Freiburger Münsterblätter. X, 2. 295. Mannheimer Geschichtsblätter.e. XVI, 1—2. 295. Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und sciner Um- gebung. XLIII. 293. Zeitschrift der Gesellschaft für Beför- derung der Geschichts-, Altertums- und Volkskunde von Frei- burg, dem Breisgau und den angrenzenden Landschaften. XXX. 294.

Literaturnotizen ee n ee a

Bechtold, Maschensch: Bil ice: 309. Bossert, Briefe von und an Peter Venetscher. 302. Bossert, Zur Geschichte der Pfarrei Dürrmenz-Mühlacker. 302. Bossert, Augustin Bader von Augsburg. 302. Bossert, Zur Geschichte Stuttgarts. 302. Christ, Ein Statuetten-Zyklus auf dem Turme des Strass- burger Münsters. 307. Einblattdrucke des 15. Jahrhunderts. 309. Günter, Gerwig Blarer, Abt von Weingarten. 301. Kunz, Die Politik des Pfalzgiafen Georg Hans von Veldenz. 300. Major, Die zwei Halbfiguren der ehemaligen Kanzlei

(Fortsetzung des Inhalts auf der dritten Seite des Umschlags.)

Mnted in Germany,

Seite

298

Seit in Strassburg. 308. Müller, K. O., Aktenstücke zur Ge- di

schichte der Reformation ia Ravensburg. 303. Roth, Zwei Schlettstadter Bürgermeister in der Revolstionsselt, 304. Rott, Brachsat. Quellen zur Kunstgeschichte des Schlosses und der bischöflichen Residenzstadt. 308. Thieme-Becker, Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler. I—X. 298. Thimme, Das Kammeramt in Strassburg, Worms und Trier. 305. Strich, Liselotte wad Ludwig XIV. 303. Mitteilung der Redaktion . . 2 2 22 ve. 310 Mitteilungen der Badischen Historischen Kommission Nr. 37: I. Freiherrlich von Holzing-Berstett’schen Archiv in Karlsruhe, geordnet und verzeichnet von Archivrat Fritz Frankhauser in Karlsruhe (Fortsetzung) . . : 2 22000 a M33

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Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. Ein Beitrag zur badischen Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts.

Von

Jos. Aug. Berin ger.

Die Karlsruher Zeit des Meisters M. v. Schwind wird auch in den neueren, zusammenfassenden. Darstellungen vom Leben und Schaffen des Künstlers meist ziemlich kurz und vielfach mit Irrtümern und Fehlern in den Daten behan- delt. Diesen Darstellungen fehlte fast durchweg die genaue Kenntnis des reichen und authentischen Inhaltes der Akten, die Schwinds Beziehungen zu Karlsruhe in neue Beleuch- tung rücken, fehlte auch die Kenntnis manches privaten, noch zugänglichen Materials, das das Werk des Meisters klarzustellen und zu bereichern vermag..

Das Verdienst, auf diese fühlbare Lücke in der Bio- graphie Schwinds hingewiesen zu haben, gebührt Herrn Geheimrat Dr. Obser, der mir die Anregung gab, die Karlsruher Werke Schwinds nach ihrer Entstehung und nach ihrem innern und äussern Zusammenhang genau fest- zustellen. Ihm sowohl, wie der General-Intendanz der Grossh. Zivilliste verdanke ich die, mit Ausnahme des Vertrags zu den »Philostratischen Gremälden«!), hier erstmals veröffent- lichten Akten und die Schreiben Schwinds. Sie sind den Akten der Grossh. Greneral-Intendanz, des Grossh. Finanz- ministeriums (für die Kunsthalle und das Ständehaus) und des Ministeriums des Innern (für die Trinkhalle zu Baden) entnommen,

1) R. Förster, M. v. Schwinds Philostratische Gemälde, 1903; Kom.- Verlag von Breitkopf & Haertel, Leipzig. Zeitschr. f. Gesch, d. Oberrh. N.F. XXX, 2. 10

Pl

138 Beringer.

Der Grossh. General-Intendanz sei an dieser Stelle noch besonders für die an Allerhöchster Stelle erwirkte Erlaubnis der photographischen Aufnahme von vier bisher unbekannt und unreproduziert gebliebenen Gemälden auf Schloss Eber- stein gedankt. Desgleichen schulde ich Dank dem katho- lischen Pfarramt in Lichtental-Baden für die freundlichst gewährte Abschrift des Trauaktes; ferner Herrn und Frau Prof. von Ravenstein (Karlsruhe), Herrn Baron von Blitters- dorff (Ottenheim), Frau Baronin von Blittersdorff (Meran) für gütigst gestattete Einsicht und Aufnahme ihrer Schwind- Werke, der Buchhandlung C. G. Boerner, Leipzig, für den photographischen Abzug zum Karton des Einweihungs- bildes, meinem Amtsgenossen Prof. Heinikel für die treff- lichen Aufnahmen der Bilder auf Schloss Eberstein, sowie meinem Freund F. Beil (Karlsruhe) für die Feststellung der Schwindschen Wohnungen.

Es liess sich bald ersehen, dass die vier Karlsruher Schaffensjahre Schwinds an inneren und äusseren Ergeb- nissen reicher und bedeutsamer waren, als bis jetzt erkannt ist. Namentlich rückte auch das Verhältnis zu Hübsch in eine neue Beleuchtung. Oberbaurat Heinrich Hübsch (1795—1865) war damals die für das badische Bauwesen massgebende Persönlichkeit. Er war es, der sein Auge auf den Wiener Meister richtete, als er seine, den klassi- zierenden Weinbrennerstil fortbildenden, im Sinne Bra- mantes gedachten, schlichten und anmutig wirkenden Monumentalbauten in Baden auszuführen begann. Ihm war es vorbehalten gewesen, die unter Grossherzog Leopold entschieden grossartig einsetzende Bauperiode einzuleiten und zu führen. Das Anmutige lag ihm näher, als das Gewaltige und Dramatische. Ein Meister, wie Schwind, kam seiner eigenen Natur entgegen. Deshalb hat er diesen gewonnen und gehalten, so lange es ging. Nachdem Schwinds Temperament und sein Wegzug einen Ausgleich der wegen der Badener Fresken entstandenen Spannung unmöglich gemacht hatte, wandelte Hübsch seinen Lieb- haberstandpunkt in den des korrekten, aber der Malerei kühl gegenüberstehenden Baubeamten. Allerdings mögen auch die politischen Erschütterungen der 48er und 4ger Jahre auf seine Zurückhaltung eingewirkt haben. Für

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 139

Schwind aber ist die Karlsruher Zeit zwar nicht das Ende der Wanderjahre, aber wohl die Zeit des vollen Reifens gewesen: d. h. die Befreiung von den Schul- und den italienischen Einflüssen und der Auswirkung seines eigenen dichterisch gerichteten Ingeniums. Wie in Frankfurt damals Alf. Rethel zum dramatisch epischen Monumentalmaler reifte, so wuchs Schwind zu Karlsruhe in seinen lyrisch epischen Stil und unter den beglückenden Einflüssen seiner jungen Ehe in sein Malerpoetentum, in das freie und original _ schaffende Meistertum hinein, das gegenüber der Gedank- lichkeit der Cornelius- und Kaulbach-Epoche der lauteren Poesie das Heimatrecht in der Kunst erwarb.

* *

Die Berufung Schwinds in das Karlsruher Kunstleben hängt eng mit der Errichtung der Grossh. Kunsthalle durch Grossherzog Leopold zusammen. Diese wiederum ist das Ergebnis der kunstfreundlichen Fürsorge, die das badische Fürstenhaus dem Lande zuteil werden liess, nachdem die Folgen der Revolutions- und Napoleonischen Kriege über- wunden und die stürmischen Entwicklungsjahre des jungen Verfassungsstaates in ruhigere Bahnen gelenkt waren.

Vor Einführung der Verfassung war die Pflege der Kunst eine reine Sache des Hofes gewesen. Nach der Vergrösserung des Landes und bis zur Einführung der Verfassung liessen die misslichen Zeitverhältnisse eine Er- höhung des Aufwandes für Kunstzwecke nicht zu.

Während dann in einer längeren Friedenszeit die wirt- schaftlichen Verhältnisse sich gehoben hatten, und nachdem der junge Verfassungsstaat reichliche Bewilligungen »für Ver- besserungen der Kommunikationen, für Flusskorrektionen, Hafenbauten (Mannheim-Leopoldshafen), neue Strassenan- lagen, für die Zwecke der Landwirtschaft und des Berg- baues, für Hebung des Volksschulwesens, für Künste und Gewerbe« gewährt hatte, schien der Zeitpunkt gekommen, nun auch der höheren Volkskultur Aufmerksamkeit und Förderung zuzuwenden. Dazu waren aber »in der Civil- liste die Mittel nicht gegeben.« Wohl waren in den

10*

140 Beringer.

Jahren 1827—30 nur 10405 fl. »für Kunstzwecke«e verwendet worden. Diese Leistung wurde dann in den Jahren 1832 35 auf 20485 fl. erhöht. Eine weitere Belastung der Zivilliste durch diese Ausgaben war nicht angängig; doch erschien das Interesse des Staates in Beziehung auf Kunstpflege wesentlich beteiligt, »wo man für die Mittel der Volks- kultur in allen andern Richtungen so reichlich sorgte«').

Der Landtag des Jahres 1837 hatte demgemäss ein durch die Minister von Blittersdorff und von Boeckh ver- tretenes Gresetz zu verabschieden, demzufolge 100000 fl. zur Errichtung eines Akademiegebäudes und 25000 fl. zur Anschaffung von Kunstgegenständen verwendet werden konnten.

Damit wurde ein Zeitabschnitt eingeleitet, der für die Kunst Karlsruhes ähnliche Bedeutung hat, wie die Ära Ludwigs I. von Bayern für München, wie denn auch die Beziehungen zwischen diesen beiden Städten Ende der 3oer und Anfangs der 4oer Jahre recht lebhaft waren und auf einander wirkten.

Wie Klenze in München, war der Meister des grossen Baustiles zu dieser Zeit in Karlsruhe Heinrich Hübsch, und wie Cornelius’ strenge Gedankenwelt die Gewölbe und Wände der neuen Münchner Architektur schmückte, so gaben Moritz von Schwinds lebenssinnige Malpoesien den Räumen Hübschs in Karlsruhe eine neue und erhöhte Würde.

Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass Hübsch den Maler Schwind für Karlsruhe gewann. Hübsch hatte schon während seiner Studienzeit in Rom Beziehungen zum Kreise der Nazarener angeknüpft. Beim tragischen Ende seines hoffnungsvollen Landsmannes Karl Fohr hatte er dessen Tod in die Heimat gemeldet und seinen Nachlass ordnen helfen. Die Beziehungen Hübschs zu Cornelius und Schnorr von Carolsfeld wurden auch in München aufrecht erhalten, und als der badische Baukünstler den Freskomaler für seine Kunsthalle suchte, fand er ihn in Schwind, der zu dieser

1) Beilage ı z. Prot. der 36. öffentl. Sitzung der Zweiten Kammer vom 5. Juni 1837 und Akten des Grossh. Finanzministeriums. Repositur, Bausache,

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 141

Zeit in Wien weilte, wahrscheinlich durch Schnorr, auf- merksam gemacht, mit dem Schwind die neue Residenz auszuschmücken hatte. l

a) Das grosse Fresko der »Einweihung des Freiburger Münsters«.,

In seinem ersten Entwurf der neuen Kunsthalle vom ı. März 1837 »Kunstakademie« genannt in den Akten, weil auch Unterrichts- und Arbeitsräume darin gedacht waren sah Hübsch im Obergeschoss des Treppenhauses eine offene Halle (Loggia) vor, die, »vor Wetterschlag ge- schützt, mit Freskogemälden geschmückt werden solle. Um höheren Orts Freskomalereien neueren Stils vorweisen zu können, wurden 1837 von dem neu bewilligten Kunstfonds acht Kartons von Schnorr erworben. Unter diesen waren zwei von Schwind, der für Schnorr diese Entwürfe zu den Malereien in der »Residenz« gemacht hatte: die reizenden und genialen Kinderfriese zu Religion, Rechtswissenschaft, Medizin und Philosophie, sowie das Erntefest. Um diese »Zeichnungen«!) handelt es sich, wenn Schwind an Schnorr schreibt: »Wollte Gott, es wäre aus meiner Zeichnung zu schliessen, dass etwas Gutes von mir zu haben ist.« Zu dieser Zeit war dem Grossherzog wohl auch die Kunst Schwinds in dem ersten Aquarellentwurf zum »Sängerkrieg auf der Wartburg« 1837 bekannt und sympathisch geworden. Hübsch nahm die Verhandlungen mit Schwind auf, und am 11. Februar 1838 waren die Verhandlungen Hübschs mit Schwind zufolge Allerhöchsten Auftrags im Gange, die mit der Unterzeichnung eines Vertrages vom 5., bezw. 10. März 1838 durch Schwind und Hübsch endigten.

Die Ratifikation des Vertrages durch den Grossherzog erfolgte am ıg. März 1838.

Der Vertrag aus den Akten der (reneral-Intendanz der Grossh. Zivilliste lautet:

Unter Vorbehalt der Höchsten Genehmigung Sr. Königlichen

Hoheit des Grosherzogs von Baden wird folgender Vertrag über ein in dem Treppenhaus des neuen Academie Gebäudes in

1) Nr. 5 und 6 des Katalogs d. Kunsthalle zu Karlsruhe, abgebildet bei Weigmann, M. v. Schwind (Klassiker d. Kunst IX S. 147 u. 148).

142 Beringer.

Carlsruhe auszuführendes Wandgemälde abgeschlossen, zwischen dem Historien Maler Moritz von Schwindt, derzeit in Wien einer- seits und andererseits zwischen dem Höchsten Orts bevollmäch- tigten Oberbaurath Hübsch.

ı). Das Wandgemälde, welches oben mit einem gedrückten Bogen von 11'ją Bad. Fuß Wölbungs Höhe schließt, wird im Ganzen 20'a Bad. Fuß im Lichten hoch, und 30 Fuß im Lichten breit. Es soll in lebensgroßen Figuren die Einweihung des Freiburger Münsters unter Herzog Berthold dem Zähringer vorstellen. |

2). Der genannte Maler verbindet sich, noch im Laufe dieses Jahres [1838] -— um sich der Porträt-Ähnlichkeit Herzog Bertholds und der Situation des Münsters zu versichern nach Freiburg zu reisen, und den ausgeführten Carton nebst Farben Scizze längstens bis Ende des folgenden Jahrs [1839] zu Stande zu bringen, damit er, wenn es gewünscht wird, mit dem Früh- jahr 1840 das Bild selbst beginnen kann, woran er alsdann un- unterbrochen, so lange es die Länge des Tages zuläßt, zu arbeiten verspricht. Übrigens soll nach dem Wunsche des Malers das ganze Stiegenhaus geheizt werden.

3). Das Bild ist durchgängig al fresco zu malen, ohne Nachhilfe in unhaltbarer Tempera Malerei, und der Maler ver- bürgt solche Arbeit, welche sowohl in Betreff der Composition, als des Colorits gines tüchtigen Künstlers würdig ist.

4). Der Preis dieses Bildes wird auf achttausend Gulden festgesetzt, bei welcher Summe alle erforderliche Vorarbeiten und Auslagen mit inbegriffen sind, und nur die Herstellung der nöthigen Gerüste, die Feuerung und die Bezahlung des Maurers, welcher das tägliche Auftragen des Verputzes besorgt, und außer- dem zum Farbenreiben zu verwenden ist, ausgenommen sind.

Ein Dritttheil der genannten Summe erhält der Maler schon im Jahr 1839, während der Ausarbeitung des Cartons, die übrigen zwei Dritttheile nach dem Beginn des Bildes im Verhältnis der

vorgerückten Arbeit. Oder 4). Der Preis des Bildes ist auf fünftausend Gulden festgesetzt,

bei welcher Summe jedoch die baaren Auslagen nicht mit inbegriffen sind, die dem Maler gegen bescheinigten Ausweis vergütet werden, x. x.

5). Sollte das Beginnen oder Vollenden des Fresco Bildes durch Krankheit oder Tod des Malers verhindert werden, so bleiben die bisher durch Abschlagszahlungen honorirten Zeich- . nungen und Cartons Eigenthum Sr. Königl. Hoheit des Gros- herzogs, dagegen gehören nach gänzlicher Vollendung des Bildes diese Vorarbeiten dem Maler, welcher sich zugleich das alleinige Vorrecht zur Publication des Bildes durch Kupferstich oder Lythographie vorbehält,

Gegenwärtiger in duplo ausgefertigter Vertrag ist zum Zeichen der Anerkennung von beiden Seiten zu unterzeichnen,

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 143

und nach erfolgter Höchster Ratification tritt derselbe in Gültigkeit, und wird dem Maler ein Exemplar davon zu- gestellt,

Wien den 5. Merz 1838. Karlsruhe, den 10. Merz 1838.

(gez.) Moritz v. Schwind. (gez.) Hübsch. Maler. Oberbaurath u. Chef der Civilbaudirection.,

Seine Königliche Hoheit der Grosherzog genehmigen diesen Vertrag nach der ersten Fassung des $. 4.

Carlsruhe den 19. Merz 1838. | auf Seiner Königlichen Hoheit besondern Befehl, (L. S.) (gez.) v. Krieg Major und Flügeladjutant.

Aus diesem Vertrag ist zunächst zu ersehen, dass nur von dem einen Fresko der »Einweihung des Freiburger Münsters« die Rede ist. Das ist einstweilen festzuhalten. Über den Tag der Einweihung des Münsters sind wir aus einer Urkunde!) vom Jahr 1442 nur dahin unterrichtet, dass die Kirchweihe auf Sonntag vocem .iucunditatis (5. Sonntag nach Ostern) fiel. Unbekannt ist das Jahr, ebenso der Zähringer, unter dem dieses wichtige Er- : eignis vorfiel.

Die älteste Baugeschichte des Münsters!) ist vielfach in Dunkel gehüllt. Unter Herzog Konrad (1122—1152) soll der Bau des Münsters begonnen worden sein. Sein Enkel, Herzog Bernhard V. (1186--ı218), wurde in dem Münster begraben, von dem der Chor, das heutige Quer- schiff und zwei Joche bereits standen. Sein Grabmal aus späterer Zeit befindet sich heute noch im südlichen Quer- schiff. Unter Graf Konrad I. von Freiburg (1236—72), der ebenfalls im Münster begraben ist, wurde der Umbau des bis dahin spätromanischen Münsters ins Gotische be- gonnen und der West(Haupt)turm in Angriff genommen, der unter Graf Egon II. (1271—1316) wenigstens bis zum Glockenstuhl fertig gebaut war. Graf Konrad II. (1316

1) A. Schreiber, Das Münster zu Freiburg 1826.— Kempfu. Schuster, Das Freiburger Münster. 1906.

144 Beringer.

—1350) wurde noch im alten Chor des Münsters be- graben.

Von den am Dombau betätigten Zähringern hat also Herzog Konrad I. den romanischen, Graf Konrad I. den gotischen Teil begonnen, und beide werden in der Sage als Erbauer des Münsters unter dem Namen Konrad ver- einigt.

Ob der im Vertrag mit Schwind erwähnte Herzog Berthold (V.) von Zähringen bei der Einweihung beteiligt war, steht dahin. Schwind fand für die geschichtlichen Daten zu seinem Fresko nichts Gesichertes vor und war lediglich auf Professor H. Schreibers Schrift über das Münster und auf dessen mündliche Mitteilungen angewiesen, wie der nachfolgende Brief an Wilhelm Füssli auf der Züricher Stadtbibliothek vom Sommer 1841!) bekennt. Er lautet:

Hochverehrter Herr!

ae Das Bild, das ich hier male, stellt, wie Ihnen Merz geschrieben hat, die Gründung des Freiburger Münsters unter Conrad von Zeringen, dem Ahnherrn des badischen Hauses, dar. Von Büchern hatte ich nichts als die Beschreibung und Ge- schichte des Freiburger Münsters von Pr. Schreiber in Freiburg, den ich übrigens auch besucht und von seiner mündlichen Mit- teilung profitiert habe. Aus jener Zeit (1080) ist überhaupt wenig da, und was da ist, Urkunden und Stiftungsbriefe, geben wenig Ausbeute für das Malerische. Ich werde, wenn das Wetter nicht zu schlecht wird, wenigstens bis halben Oktober arbeiten, wahr- scheinlich aber bis Ende, und hoffe soweit zu kommen, daß etwa ein Viertheil der Arbeit für das nächste Jahr bleibt. Das Bild ist 32 Fuß breit und ı7 hoch, und die Composition reich, dazu an Nebenwerk eine bedeutende Arbeit. Übrigens habe ich dieses Jahr schon drei Lünetten über dem Bild gemalt, in der Mitte »die Architektur von Staat und Kirche beschützt« das ist, wenn Sie wollen, der Inhalt des Bildes —, dann die »Mathe- matik« und die »Phantasies als die Elemente der Baukunst.

Wenn Sie im Herbst nach Carlsruh kommen, wollen Sie nur in das neue Akademische Gebäude, und immer dahinein gehen, wo angeschrieben steht: »Verbotener Eingang«e. Da kommen Sie gerade zu mir, und ich werde Ihnen zeigen können, was noch für Räume da sind, von deren Verwandlung in Bilder der

1) Erstmals veröffentlicht von K. Ofbser) in der Unterhaltungsbeilage z. Karlsruher Tagblatt vom 9. Dez. 1913.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 145

Großherzog als von einer ausgemachten Sache spricht. Wenn das so fertig wird, ist es eine ganz bedeutende Arbeit.

Am Bilde existiert. keine Contur. Daran will ich denken, wenn ich sehe, daß es anspricht. Im Contract habe ich mir das ausschliessliche Recht, stechen zu lassen, ausbedungen, Das bedeutendste, was an Kunst hier ist, sind die Gebäude von Oberbaurath Hübsch. Mit verhältnißmäßig geringen Mitteln und ohne viel Lärmens stellt dieser treffliche Künstler Gebäude her, die ihrer soliden Construktion und ihrem eigenthümlichen Stil nach zu den bedeutendsten gehören. Sie werden sich wundern, Es ist da eine Kirche in Bulach, eine halbe Stunde von hier, mit Fresken von Dietrich in Stuttgart, das Finanzministerium, das Museumsgebäude, der Sitzungssaal der Ersten Kammer mit enkaustischen Bildern von mir, das Akademiegebäude und die Trinkhalle in Baden, die gewiß das zierlichste und eleganteste Gebäude neuerer Zeit ist. Wir haben eine Galerie, die nicht zu verachten ist gerade, viele Cartons, von denen aber nur der von Overbeck aufgestellt ist, und eine ganz respektable Vasen- sammlung. Hofmaler Grund ist hier, ich komme aber wenig mit ihm zusammen. Der Großherzog hat einige neuere Bilder im Schloß, und eine Zeichnung von mir; den Sängerkrieg auf der Wartburg, die ich Ihnen wohl zeigen möchte.

Kunstverein ist auch hier, aber gar kläglich. Die Herren wollen eben Direktoren und Ausschüsse spielen und Sitzungen halten, das ist alles, und nebenbei ist es eine Kupferstecher- spekulation, Das Unglück ist nur, daß diese Lotteriespieler glauben, sie seien in ı4 Tagen vollkommene Kenner und unter- stützen die Kunst, während mit jedem Zwanzig Mitglieder mehr das arme Deutschland zu einem Bild von 80 fl. Werth verurtheilt ist. Darüber ließe sich viel reden.

Nun glaube ich ziemlich alles beantwortet zu haben, was Sie wünschen. Ich hoffe Sie hier zu sehen oder möglichen Falls in Zürich zu besuchen. Danke schön für freundschaft- liche Einladung und wünsche gar sehr davon Gebrauch machen zu können,

Ihr ergebenster | M. v. Schwind.

Im wesentlichen ist also dieses Werk der »Einweihung des Münsters zu Freiburg i. B.« ein Idealbild eines ge- schichtlichen Vorganges. Schwind hat es hier zum ersten- mal unternommen, ein abstraktes Geschichtsbegebnis in unmittelbares Leben und Erleben umzusetzen. Es ist seinem dichterischen Können vollkommen gelungen, eine feierliche Repräsentation glaubhaft mit dem Schimmer patriotisch-

140 Beringer.

valkstilmlichen Geschehens zu umkleiden. Mit schauendem Getühl für das Verdichtende der Zeiten hat er durch Zeit- raume getrennte Personen und Geschehnisse in ein Schau- bild zusammengedrängt, ohne in frostige Allegorien und Symbole zu verfallen. Sein kompositorisches, koloristisches und schöpferisches Können feiert, wenn man des Bildes Kntstohungszeit und die damaligen deutschen Kunstver- hältnisso im Auge behält, einen Triumph in diesem Riesen- kemäldo von 4,25:9,25 m.

Schon dass Schwind bei der Raumaufteilung von dem jedenfalls projektierten und vertragsmässig vorgesehenen »gelttiekten Roven: \$ 1) des Bildfeldes absieht und den Nildgedanken in das dreisätzige Vorspiel der Mittel- Lünettenbiller und in das breit ausgeführte Hauptthema der »linwertungs cerieyt. um die Wirkung vorzubereiten id en stower, zeugt tür seine hervorragende Begabung hu dar mornrnertale Fach innerhalb der speziell Schwind- achen. muskan fivtiurischen. dynamisch bewegten und wählten Poret

Setwemd dar! in Sen Narsisriker und den Wartburg- Nexcken durchaus gioshaercg an die Seite des grossen

wietentheiuschen Minımer Xen Alf. Rethel gestellt wenlen, nur eier Lis exen dramatische Verdichtung bis ins wits a- za. während Schwinds mehr schmiegsame zuT rarere Wiener Art ebenso von Mozarts

\ihlichke: Pewarta we von Schuberts innerlicher lebens iis Loera l tiea War Schwind in den Werken der Minchher r eaierz und in čen Entwürfen für Hohen- schwarze, zewswermassen nah im nachnazarenischen Karorsii. im Saor- und Psvchervklus für Schloss Rüdigs- dorf unt in Ger Allegoren für das Arthabersche Haus in

Wien nos im ralenischen Freskasül befangen geblieben, im Fresz, zur Mlrstereinweihung brach seine unverkenn-

bar m Art mackıvoll und rein zum erstenmal durch. Figur Natur, Innerlichkeit und Lieblichkeit, sinnfällige Schallar keit und ein Reichtum an inneren Beziehungen schmeizen hier in ein reizvolles und köstliches Gedicht zusammen, das bei aller prächtigen Epik doch voll idyl- liter Lyrik und Behaglichkeit ist.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 147

Schon wie die (niemals existierende) Fassade des roma- nischen Münsters als Zentrum der von Staat und Kirche geförderten Architektur Hübsch war Profan- und Kirchenbau-Architekt aufgefasst ist, wie von beiden Seiten die weltliche und die kirchliche Gewalt, vom Volk begleitet, heranzieht, wie rechts, über dem Gefolge des Fürsten, der Blick zu der auf dem »Schlossberg« neu errichteten Burg der Zähringer Grafen von Freiburg ge- leitet wird, und wie links, über der Prozession der Domi- nikaner, der Kreuzzugprediger Bernhard von Clairvaux vor dem Wald erscheint, ist voll feiner Beziehungen, voll künstlerischen Ausdrucks. Dieselbe Feinfühligkeit hat Schwind in der Anordnung der einzelnen Gruppen und Figuren bewiesen. So, wenn der Dombaumeister mit der Tafel des romanischen Grundrisses über den Werkgehilfen mit dem gotischen Modell auf den heranschreitenden Fürsten mit der Gründungsurkunde deutet, wenn dem dahinter stehenden Fahnenträger mit feiner Huldigung die Züge des Grossherzogs Leopold gegeben werden, und wenn dieser von den zwei Knappen begleitet wird, deren einer sich auf das badische Schild stützt, während der andere die Züge des künftigen Thronerben trägt. Hinter der von links heranschreitenden Klerisei entwickelt sich das reiche Volksleben mit den bedeutungsvollen Momenten des Volks- wachstums: Verlobung, Ehe und Taufe.

Natürlich hat es sich Schwind nicht entgehen lassen, ausser dem Grossherzog Leopold noch weitere Porträts anzubringen. Sich selbst hat er als Zuschauer auf das obere Gerüst rechts gestellt. Hübsch steht mit dem Winkel- scheit hinter dem Dombaumeister; Freund Lachner geht mit brennender Kerze unter den Dominikanern.

Aber das Meisterliche liegt nicht bloss im Reichtum der Beziehungen, sondern auch in der Komposition, die bei strenger Zusammenfassung und Gliederung der Gruppen doch ungemein lebensvoll und bewegt ist. Schwinds bild- nerische Phantasie hat mit vielen Figuren gearbeitet; aber man kann von ihnen dasselbe sagen, was Mozart einst von den Noten seines Don Juan gesagt hat: »Keine einzige zu viele Trotzdem Schwind das Bild durch Architektur, Zeit- ereignisse, Zeremoniell, Gewandung etc. auf das strengere

138 Beringer.

Der Grossh. General-Intendanz sei an dieser Stelle noch besonders für die an Allerhöchster Stelle erwirkte Erlaubnis der photographischen Aufnahme von vier bisher unbekannt und unreproduziert gebliebenen Gemälden auf Schloss Eber- stein gedankt. Desgleichen schulde ich Dank dem katho- lischen Pfarramt in Lichtental-Baden für die freundlichst gewährte Abschrift des Trauaktes; ferner Herrn und Frau Prof. von Ravenstein (Karlsruhe), Herrn Baron von Blitters- dorff (Ottenheim), Frau Baronin von Blittersdorff (Meran) für gütigst gestattete Einsicht und Aufnahme ihrer Schwind- Werke, der Buchhandlung C. G. Boerner, Leipzig, für den photographischen Abzug zum Karton des Einweihungs- bildes, meinem Amtsgenossen Prof. Heinikel für die treff- lichen Aufnahmen der Bilder auf Schloss Eberstein, sowie meinem Freund F. Beil (Karlsruhe) für die Feststellung der Schwindschen Wohnungen.

Es liess sich bald ersehen, dass die vier Karlsruher Schaffensjahre Schwinds an inneren und äusseren Ergeb- nissen reicher und bedeutsamer waren, als bis jetzt erkannt ist. Namentlich rückte auch das Verhältnis zu Hübsch in eine neue Beleuchtung. Oberbaurat Heinrich Hübsch (1795—1865) war damals die für das badische Bauwesen massgebende Persönlichkeit. Er war es, der sein Auge auf den Wiener Meister richtete, als er seine, den klassi- zierenden Weinbrennerstil fortbildenden, im Sinne Bra- mantes gedachten, schlichten und anmutig wirkenden Monumentalbauten in Baden auszuführen begann. Ihm war es vorbehalten gewesen, die unter Grossherzog Leopold entschieden grossartig einsetzende Bauperiode einzuleiten und zu führen. Das Anmutige lag ihm näher, als das Gewaltige und Dramatische. Ein Meister, wie Schwind, kam seiner eigenen Natur entgegen. Deshalb hat er diesen gewonnen und gehalten, so lange es ging. Nachdem Schwinds Temperament und sein Wegzug einen Ausgleich der wegen der Badener Fresken entstandenen Spannung unmöglich gemacht hatte, wandelte Hübsch seinen Lieb- haberstandpunkt in den des korrekten, aber der Malerei kühl gegenüberstehenden Baubeamten. Allerdings mögen auch die politischen Erschütterungen der 48er und ager Jahre auf seine Zurückhaltung eingewirkt haben. Für

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 139

Schwind aber ist die Karlsruher Zeit zwar nicht das Ende der Wanderjahre, aber wohl die Zeit des vollen Reifens gewesen: d. h. die Befreiung von den Schul- und den italienischen Einflüssen und der Auswirkung seines eigenen dichterisch gerichteten Ingeniums. Wie in Frankfurt damals Alf. Rethel zum dramatisch epischen Monumentalmaler reifte, so wuchs Schwind zu Karlsruhe in seinen lyrisch epischen Stil und unter den beglückenden Einflüssen seiner jungen Ehe in sein Malerpoetentum, in das freie und original - schaffende Meistertum hinein, das gegenüber der Gedank- lichkeit der Cornelius- und Kaulbach-Epoche der lauteren Poesie das Heimatrecht in der Kunst erwarb.

* *

Die Berufung Schwinds in das Karlsruher Kunstleben hängt eng mit der Errichtung der Grossh. Kunsthalle durch Grossherzog Leopold zusammen. Diese wiederum ist das Ergebnis der kunstfreundlichen Fürsorge, die das badische Fürstenhaus dem Lande zuteil werden liess, nachdem die Folgen der Revolutions- und Napoleonischen Kriege über- wunden und die stürmischen Entwicklungsjahre des jungen Verfassungsstaates in ruhigere Bahnen gelenkt waren.

Vor Einführung der Verfassung war die Pflege der Kunst eine reine Sache des Hofes gewesen. Nach der Vergrösserung des Landes und bis zur Einführung der Verfassung liessen die misslichen Zeitverhältnisse eine Er- höhung des Aufwandes für Kunstzwecke nicht zu.

Während dann in einer längeren Friedenszeit die wirt- schaftlichen Verhältnisse sich gehoben hatten, und nachdem der junge Verfassungsstaat reichliche Bewilligungen »für Ver- besserungen der Kommunikationen, für Flusskorrektionen, Hafenbauten (Mannheim-Leopoldshafen), neue Strassenan- lagen, für die Zwecke der Landwirtschaft und des Berg- baues, für Hebung des Volksschulwesens, für Künste und Gewerbe« gewährt hatte, schien der Zeitpunkt gekommen, nun auch der höheren Volkskultur Aufmerksamkeit und Förderung zuzuwenden. Dazu waren aber »in der Civil-

liste die Mittel nicht gegeben.«e Wohl waren in den 10*

140 Beringer.

Jahren 1827—30 nur 10405 fl. »für Kunstzwecke« verwendet worden. Diese Leistung wurde dann in den Jahren 1832—35 auf 20485 fl. erhöht. Eine weitere Belastung der Zivilliste durch diese Ausgaben war nicht angängig; doch erschien das Interesse des Staates in Beziehung auf Kunstpflege wesentlich beteiligt, »wo man für die Mittel der Volks- kultur in allen andern Richtungen so reichlich sorgte«').

Der Landtag des Jahres 1837 hatte demgemäss ein durch die Minister von Blittersdorff und von Boeckh ver- tretenes Gesetz zu verabschieden, demzufolge 100000 fl. zur Errichtung eines Akademiegebäudes und 25000 fl. zur Anschaffung von Kunstgegenständen verwendet werden konnten.

Damit wurde ein Zeitabschnitt eingeleitet, der für die Kunst Karlsruhes ähnliche Bedeutung hat, wie die Ära Ludwigs I. von Bayern für München, wie denn auch die Beziehungen zwischen diesen beiden Städten Ende der goer und Anfangs der 4oer Jahre recht lebhaft waren und auf einander wirkten.

Wie Klenze in München, war der Meister des grossen Baustiles zu dieser Zeit in Karlsruhe Heinrich Hübsch, und wie Cornelius’ strenge Gedankenwelt die Gewölbe und Wände der neuen Münchner Architektur schmückte, so gaben Moritz von Schwinds lebenssinnige Malpoesien den Räumen Hübschs in Karlsruhe eine neue und erhöhte Würde.

Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass Hübsch den Maler Schwind für Karlsruhe gewann. Hübsch hatte schon während seiner Studienzeit in Rom Beziehungen zum Kreise der Nazarener angeknüpft. Beim tragischen Ende seines hoffnungsvollen Landsmannes Karl Fohr hatte er dessen Tod in die Heimat gemeldet und seinen Nachlass ordnen helfen. Die Beziehungen Hübschs zu Cornelius und Schnorr von Carolsfeld wurden auch in München aufrecht erhalten, und als der badische Baukünstler den Freskomaler für seine Kunsthalle suchte, fand er ihn in Schwind, der zu dieser

1) Beilage ı z. Prot. der 36. öffentl. Sitzung der Zweiten Kammer vom 5. Juni 1837 und Akten des Grossh. Finanzministeriums. Repositur, Bausache,

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 141

Zeit in Wien weilte, wahrscheinlich durch Schnorr, auf- merksam gemacht, mit dem Schwind die neue Residenz auszuschmücken hatte. l

a) Das grosse Fresko der »Einweihung des Freiburger Münsters«.,

In seinem ersten Entwurf der neuen Kunsthalle vom ı. März 1837 »Kunstakademie« genannt in den Akten, weil auch Unterrichts- und Arbeitsräume darin gedacht waren sah Hübsch im Obergeschoss des Treppenhauses eine offene Halle (Loggia) vor, die, »vor Wetterschlag ge- schützt, mit Freskogemälden geschmückt werden soll«. Um höheren Orts Freskomalereien neueren Stils vorweisen zu können, wurden 1837 von dem neu bewilligten Kunstfonds acht Kartons von Schnorr erworben. Unter diesen waren zwei von Schwind, der für Schnorr diese Entwürfe zu den Malereien in der »Residenz« gemacht hatte: die reizenden und genialen Kinderfriese zu Religion, Rechtswissenschaft, Medizin und Philosophie, sowie das Erntefest. Um diese »Zeichnungen«!) handelt es sich, wenn Schwind an Schnorr schreibt: »Wollte Gott, es wäre aus meiner Zeichnung zu schliessen, dass etwas Gutes von mir zu haben ist.« Zu dieser Zeit war dem Grossherzog wohl auch die Kunst Schwinds in dem ersten Aquarellentwurf zum »Sängerkrieg auf der Wartburg« 1837 bekannt und sympathisch geworden. Hübsch nahm die Verhandlungen mit Schwind auf, und am ıı. Februar 1838 waren die Verhandlungen Hübschs mit Schwind zufolge Allerhöchsten Auftrags im Gange, die mit der Unterzeichnung eines Vertrages vom 5., bezw. 10. März 1838 durch Schwind und Hübsch endigten.

Die Ratifikation des Vertrages durch den Grossherzog erfolgte am 19. März 1838.

Der Vertrag aus den Akten der General-Intendanz der Grossh. Zivilliste lautet:

Unter Vorbehalt der Höchsten Genehmigung Sr. Königlichen

Hoheit des Grosherzogs von Baden wird folgender Vertrag über ein in dem Treppenhaus des neuen Academie Gebäudes in

1) Nr. 5 und 6 des Katalogs d. Kunsthalle zu Karlsruhe, abgebildet bei Weigmann, M. v. Schwind (Klassiker d. Kunst IX S. 147 u. 148).

142 Beringer.

Carlsruhe auszuführendes Wandgemälde abgeschlossen, zwischen dem Historien Maler Moritz von Schwindt, derzeit in Wien einer- seits und andererseits zwischen dem Höchsten Orts bevollmäch- tigten Oberbaurath Hübsch.

1). Das Wandgemälde, welches oben mit einem gedrückten Bogen von 11tją Bad. Fuß Wölbungs Höhe schließt, wird im Ganzen 20!/; Bad. Fuß im Lichten hoch, und 30 Fuß im Lichten breit. Es soll in lebensgroßen Figuren die Einweihung des Freiburger Münsters unter Herzog Berthold dem Zähringer vorstellen,

2). Der genannte Maler verbindet sich, noch im Laufe dieses Jahres [1838] -— um sich der Porträt-Ähnlichkeit Herzog Bertholds und der Situation des Münsters zu versichern nach Freiburg zu reisen, und den ausgeführten Carton nebst Farben Scizze längstens bis Ende des folgenden Jahrs [1839] zu Stande zu bringen, damit er, wenn es gewünscht wird, mit dem Früh- jahr 1840 das Bild selbst beginnen kann, woran er alsdann un- unterbrochen, so lange es die Länge des Tages zuläßt, zu arbeiten verspricht. Übrigens soll nach dem Wunsche des Malers das ganze Stiegenhaus geheizt werden.

3). Das Bild ist durchgängig al fresco zu malen, ohne Nachhilfe in unhaltbarer Tempera Malerei, und der Maler ver- bürgt solche Arbeit, welche sowohl in Betreff der Composition, als des Colorits gines tüchtigen Künstlers würdig ist.

4). Der Preis dieses Bildes wird auf achttausend Gulden festgesetzt, bei welcher Summe alle erforderliche Vorarbeiten und Auslagen mit inbegriffen sind, und nur die Herstellung der nöthigen Gerüste, die Feuerung und die Bezahlung des Maurers, welcher das tägliche Auftragen des Verputzes besorgt, und außer- dem zum Farbenreiben zu verwenden ist, ausgenommen sind.

Ein Dritttheil der genannten Summe erhält der Maler schon im Jahr 1839, während der Ausarbeitung des Cartons, die übrigen zwei Dritttheile nach dem Beginn des Bildes im Verhältnis der

vorgerückten Arbeit. Oder 4). Der Preis des Bildes ist auf fünftausend Gulden festgesetzt,

bei welcher Summe jedoch die baaren Auslagen nicht mit inbegriffen sind, die dem Maler gegen bescheinigten Ausweis vergütet werden, x. x.

5). Sollte das Beginnen oder Vollenden des Fresco Bildes durch Krankheit oder Tod des Malers verhindert werden, SO bleiben die bisher durch Abschlagszahlungen honorirten Zeich- . nungen und Cartons Eigenthum Sr. Königl. Hoheit des Gros- herzogs, dagegen gehören nach gänzlicher Vollendung des Bildes diese Vorarbeiten dem Maler, welcher sich zugleich das alleinige Vorrecht zur Publication des Bildes durch Kupferstich oder Lythographie vorbehält,

Gegenwärtiger in duplo ausgefertigter Vertrag ist zum Zeichen der Anerkennung von beiden Seiten zu unterzeichnen,

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 143

und nach erfolgter Höchster Ratification tritt derselbe in Gültigkeit, und wird dem Maler ein Exemplar davon zu- gestellt.

Wien den 5. Merz 1838. Karlsruhe, den 10. Merz 1838.

(gez.) Moritz v. Schwind. (gez.) Hübsch. Maler. Oberbaurath u, Chef der Civilbaudirection.

Seine Königliche Hoheit der Grosherzog genehmigen diesen Vertrag nach der ersten Fassung des $. 4.

Carlsruhe den ıg. Merz 1838. | auf Seiner Königlichen Hoheit besondern Befehl, (L. S.) -> (gez.) v. Krieg Major und Flügeladjutant.

Aus diesem Vertrag ist zunächst zu ersehen, dass nur von dem einen Fresko der »Einweihung des Freiburger Münsters« die Rede ist. Das ist einstweilen festzuhalten. Über den Tag der Einweihung des Münsters sind wir aus einer Urkunde!) vom Jahr 1442 nur dahin unterrichtet, dass die Kirchweihe auf Sonntag vocem . iucunditatis (5. Sonntag nach Ostern) fiel. Unbekannt ist das Jahr, ebenso der Zähringer, unter dem dieses wichtige Er- - eignis vorfiel.

Die älteste Baugeschichte des Münsters!) ist vielfach in Dunkel gehüllt. Unter Herzog Konrad (1122—1152) soll der Bau des Münsters begonnen worden sein. Sein Enkel, Herzog Bernhard V. (1186--ı218), wurde in dem Münster begraben, von dem der Chor, das heutige Quer- schiff und zwei Joche bereits standen. Sein Grabmal aus späterer Zeit befindet sich heute noch im südlichen Quer- schiff. Unter Graf Konrad I. von Freiburg (1236—72), der ebenfalls im Münster begraben ist, wurde der Umbau des bis dahin spätromanischen Münsters ins Gotische be- gonnen und der West(Haupt)turm in Angriff genommen, der unter Graf Egon II, (1271—1316) wenigstens bis zum Glockenstuhl fertig gebaut war. Graf Konrad I. (1316

1) A. Schreiber, Das Münster zu Freiburg 1826.— Kempf u. Schuster, Das Freiburger Münster. 1906.

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1350) wurde noch im alten Chor des Münsters be- graben, l

Von den am Dombau betätigten Zähringern hat also Herzog Konrad I. den romanischen, Graf Konrad I. den gotischen Teil begonnen, und beide werden in der Sage als Erbauer des Münsters unter dem Namen Konrad ver- einigt.

Ob der im Vertrag mit Schwind erwähnte Herzog Berthold (V.) von Zähringen bei der Einweihung beteiligt war, steht dahin. Schwind fand für die geschichtlichen Daten zu seinem Fresko nichts Gesichertes vor und war lediglich auf Professor H. Schreibers Schrift über das Münster und auf dessen mündliche Mitteilungen angewiesen, wie der nachfolgende Brief an Wilhelm Füssli auf der Züricher Stadtbibliothek vom Sommer 1841!) bekennt. Er lautet:

Hochverehrter Herr!

ee Das Bild, das ich hier male, stellt, wie Ihnen Merz geschrieben hat, die Gründung des Freiburger Münsters unter Conrad von Zeringen, dem Ahnherrn des badischen Hauses, dar. Von Büchern hatte ich nichts als die Beschreibung und Ge- schichte des Freiburger Münsters von Pr. Schreiber in Freiburg, den ich übrigens auch besucht und von seiner mündlichen Mit- teilung profitiert habe. Aus jener Zeit (1080) ist überhaupt wenig da, und was da ist, Urkunden und Stiftungsbriefe, geben wenig Ausbeute für das Malerische. Ich werde, wenn das Wetter nicht zu schlecht wird, wenigstens bis halben Oktober arbeiten, wahr- scheinlich aber bis Ende, und hoffe soweit zu kommen, daß etwa ein Viertheil der Arbeit für das nächste Jahr bleibt. Das Bild ist 32 Fuß breit und 17 hoch, und die Composition reich, dazu an Nebenwerk eine bedeutende Arbeit. Übrigens habe ich dieses Jahr schon drei Lünetten über dem Bild gemalt, in der Mitte »die Architektur von Staat und Kirche beschützt« das ist, wenn Sie wollen, der Inhalt des Bildes —, dann die »Nathe- matik« und die »Phantasies als die Elemente der Baukunst.

Wenn Sie im Herbst nach Carlsruh kommen, wollen Sie nur in das neue Akademische Gebäude, und immer dahinein gehen, wo angeschrieben steht: »Verbotener Eingange. Da kommen Sie gerade zu mir, und ich werde Ihnen zeigen können, was noch für Räume da sind, von deren Verwandlung in Bilder der

1) Erstmals veröffentlicht von K. O(bser) in der Unterhaltungsbeilage z. Karlsruher Tagblatt vom 9. Dez. 1913.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 145

Großherzog als von einer ausgemachten Sache spricht. Wenn das so fertig wird, ist es eine ganz bedeutende Arbeit.

Am Bilde existiert. keine Contur. Daran will ich denken, wenn ich sehe, daß es anspricht. Im Contract habe ich mir das ausschliessliche Recht, stechen zu lassen, ausbedungen. Das bedeutendste, was an Kunst hier ist, sind die Gebäude von Oberbaurath Hübsch. Mit verhältnißmäßig geringen Mitteln und ohne viel Lärmens stellt dieser treffliche Künstler Gebäude her, die ihrer soliden Construktion und ihrem eigenthümlichen Stil nach zu den bedeutendsten gehören. Sie werden sich wundern. Es ist da eine Kirche in Bulach, eine halbe Stunde von hier, mit Fresken von Dietrich in Stuttgart, das Finanzministerium, das Museumsgebäude, der Sitzungssaal der Ersten Kammer mit enkaustischen Bildern von mir, das Akademiegebäude und die Trinkhalle in Baden, die gewiß das zierlichste und eleganteste Gebäude neuerer Zeit ist. Wir haben eine Galerie, die nicht zu verachten ist gerade, viele Cartons, von denen aber nur der von Overbeck aufgestellt ist, und eine ganz respektable Vasen- sammlung. Hofmaler Grund ist hier, ich komme aber wenig mit ihm zusammen,” Der Großherzog hat einige neuere Bilder im Schloß, und eine Zeichnung von mir; den Sängerkrieg auf der Wartburg, die ich Ihnen wohl zeigen möchte.

Kunstverein ist auch hier, aber gar kläglich. Die Herren wollen eben Direktoren und Ausschüsse spielen und Sitzungen halten, das ist alles, und nebenbei ist es eine Kupferstecher- spekulation. Das Unglück ist nur, daß diese Lotteriespieler glauben, sie seien in 14 Tagen vollkommene Kenner und unter- stützen die Kunst, während mit jedem Zwanzig Mitglieder mehr das arme Deutschland zu einem Bild von 8o fl. Werth verurtheilt ist. Darüber ließe sich viel reden.

Nun glaube ich ziemlich alles beantwortet zu haben, was Sie wünschen, Ich hoffe Sie hier zu sehen oder möglichen Falls in Zürich zu besuchen. Danke schön für freundschaft- liche Einladung und wünsche gar sehr davon Gebrauch machen zu können.

Ihr ergebenster | M. v. Schwind.

Im wesentlichen ist also dieses Werk der »Einweihung des Münsters zu Freiburg i. B.« ein Idealbild eines ge- schichtlichen Vorganges. Schwind hat es hier zum ersten- mal unternommen, ein abstraktes Geschichtsbegebnis in unmittelbares Leben und Erleben umzusetzen. Es ist seinem dichterischen Können vollkommen gelungen, eine feierliche Repräsentation glaubhaft mit dem Schimmer patriotisch-

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volkstümlichen Geschehens zu umkleiden. Mit schauendem Gefühl für das Verdichtende der Zeiten hat er durch Zeit- räume getrennte Personen und Geschehnisse in ein Schau- bild zusammengedrängt, ohne in frostige Allegorien und Symbole zu verfallen. Sein kompositorisches, koloristisches und schöpferisches Können feiert, wenn man des Bildes Entstehungszeit und die damaligen deutschen Kunstver- hältnisse im Auge behält, einen Triumph in diesem Riesen- gemälde von 4,25:9,25 m.

Schon dass Schwind bei der Raumaufteilung von dem jedenfalls projektierten und vertragsmässig vorgesehenen »gedrückten Bogen« ı) des Bildfeldes absieht und den Bildgedanken in das dreisätzige Vorspiel der Mittel- Lünettenbilder und in das breit ausgeführte Hauptthema der »Einweihung« zerlegt, um die Wirkung vorzubereiten und zu steigern, zeugt für seine hervorragende Begabung für das monumentale Fach innerhalb der speziell Schwind- schen, musikalisch rhythmischen, dynamisch bewegten und modulierten Form.

Schwind darf in den Karlsruher und den Wartburg- fresken durchaus gleichwertig an die Seite des grossen niederrheinischen Monumentalisten Alf. Rethel gestellt werden, nur eben dass dessen dramatische Verdichtung bis ins wuchtig Epische ging, während Schwinds mehr schmiegsame und heitere Wiener Art ebenso von Mozarts Lieblichkeit und Bewegtheit, wie von Schuberts innerlicher Lebensfülle überstrahlt blieb. War Schwind in den Werken der Münchner Residenz und in den Entwürfen für Hohen- schwangau gewissermassen noch im nachnazarenischen Kartonstil, im Amor- und Psychezyklus für Schloss Rüdigs- dorf und in den Allegorien für das Arthabersche Haus in Wien noch im italienischen Freskostil befangen geblieben, im Fresko zur Münstereinweihung brach seine unverkenn- bar deutsche Art machtvoll und rein zum erstenmal durch. Figur und Natur, Innerlichkeit und Lieblichkeit, sinnfällige Schaubarkeit und ein Reichtum an inneren Beziehungen schmelzen hier in ein reizvolles und köstliches Gedicht zusammen, das bei aller prächtigen Epik doch voll idyl- lischer Lyrik und Behaglichkeit ist.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 147

Schon wie die (niemals existierende) Fassade des roma- nischen Münsters als Zentrum der von Staat und Kirche geförderten Architektur Hübsch war Profan- und Kirchenbau-Architekt aufgefasst ist, wie von beiden Seiten die weltliche und die kirchliche Gewalt, vom Volk begleitet, heranzieht, wie rechts, über dem Gefolge des Fürsten, der Blick zu der auf dem »Schlossberg« neu errichteten Burg der Zähringer Grafen von Freiburg ge- leitet wird, und wie links, über der Prozession der Domi- nikaner, der Kreuzzugprediger Bernhard von Clairvaux vor dem Wald erscheint, ist voll feiner Beziehungen, voll künstlerischen Ausdrucks. Dieselbe Feinfühligkeit hat Schwind in der Anordnung der einzelnen Gruppen und Figuren bewiesen. So, wenn der Dombaumeister mit der Tafel des romanischen Grundrisses über den Werkgehilfen mit dem gotischen Modell auf den heranschreitenden Fürsten mit der Gründungsurkunde deutet, wenn dem dahinter stehenden Fahnenträger mit feiner Huldigung die Züge des Grossherzogs Leopold gegeben werden, und wenn dieser von den zwei Knappen begleitet wird, deren einer sich auf das badische Schild stützt, während der andere die Züge des künftigen Thronerben trägt. Hinter der von links heranschreitenden Klerisei entwickelt sich das reiche Volksleben mit den bedeutungsvollen Momenten des Volks- wachstums: Verlobung, Ehe und Taufe.

Natürlich hat es sich Schwind nicht entgehen lassen, ausser dem Grossherzog Leopold noch weitere Porträts anzubringen. Sich selbst hat er als Zuschauer auf das obere Gerüst rechts gestellt. Hübsch steht mit dem Winkel- scheit hinter dem Dombaumeister; Freund Lachner geht mit brennender Kerze unter den Dominikanern.

Aber das Meisterliche liegt nicht bloss im Reichtum der Beziehungen, sondern auch in der Komposition, die bei strenger Zusammenfassung und Gliederung der Gruppen doch ungemein lebensvoll und bewegt ist. Schwinds bild- nerische Phantasie hat mit vielen Figuren gearbeitet; aber man kann von ihnen dasselbe sagen, was Mozart einst von den Noten seines Don Juan gesagt hat: »Keine einzige zu viel.‘ Trotzdem Schwind das Bild durch Architektur, Zeit- ereignisse, Zeremoniell, Gewandung etc. auf ` engere

138 Beringer.

Der Grossh. General-Intendanz sei an dieser Stelle noch besonders für die an Allerhöchster Stelle erwirkte Erlaubnis der photographischen Aufnahme von vier bisher unbekannt und unreproduziert gebliebenen Gemälden auf Schloss Eber- stein gedankt. Desgleichen schulde ich Dank dem katho- lischen Pfarramt in Lichtental-Baden für die freundlichst gewährte Abschrift des Trauaktes; ferner Herrn und Frau Prof. von Ravenstein (Karlsruhe), Herrn Baron von Blitters- dorff (Ottenheim), Frau Baronin von Blittersdorff (Meran) für gütigst gestattete Einsicht und Aufnahme ihrer Schwind- Werke, der Buchhandlung C. G. Boerner, Leipzig, für den photographischen Abzug zum Karton des Einweihungs- bildes, meinem Amtsgenossen Prof. Heinikel für die trefi- lichen Aufnahmen der Bilder auf Schloss Eberstein, sowie meinem Freund F. Beil (Karlsruhe) für die Feststellung der Schwindschen Wohnungen.

Es liess sich bald ersehen, dass die vier Karlsruher Schaffensjahre Schwinds an inneren und äusseren Ergeb- nissen reicher und bedeutsamer waren, als bis jetzt erkannt ist. Namentlich rückte auch das Verhältnis zu Hübsch in eine neue Beleuchtung. Oberbaurat Heinrich Hübsch (1795—1865) war damals die für das badische Bauwesen massgebende Persönlichkeit. Er war es, der sein Auge auf den Wiener Meister richtete, als er seine, den klassi- zierenden Weinbrennerstil fortbildenden, im Sinne Bra- mantes gedachten, schlichten und anmutig wirkenden Monumentalbauten in Baden auszuführen begann. Ihm war es vorbehalten gewesen, die unter Grossherzog Leopold entschieden grossartig einsetzende Bauperiode einzuleiten und zu führen. Das Anmutige lag ihm näher, als das Gewaltige und Dramatische. Ein Meister, wie Schwind, kam seiner eigenen Natur entgegen. Deshalb hat er diesen gewonnen und gehalten, so lange es ging. Nachdem Schwinds Temperament und sein Wegzug einen Ausgleich der wegen der Badener Fresken entstandenen Spannung unmöglich gemacht hatte, wandelte Hübsch seinen Lieb- haberstandpunkt in den des korrekten, aber der Malerei kühl gegenüberstehenden Baubeamten. Allerdings mögen auch die politischen Erschütterungen der 48er und 49er Jahre auf seine Zurückhaltung eingewirkt haben. Für

A a En En En TE m PL te. m o a

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 139

Schwind aber ist die Karlsruher Zeit zwar nicht das Ende der Wanderjahre, aber wohl die Zeit des vollen Reifens gewesen: d. h. die Befreiung von den Schul- und den italienischen Einflüssen und der Auswirkung seines eigenen dichterisch gerichteten Ingeniums. Wie in Frankfurt damals Alf. Rethel zum dramatisch epischen Monumentalmaler reifte, so wuchs Schwind zu Karlsruhe in seinen lyrisch epischen Stil und unter den beglückenden Einflüssen seiner jungen Ehe in sein Malerpoetentum, in das freie und original schaffende Meistertum hinein, das gegenüber der Gedank- lichkeit der Cornelius- und Kaulbach-Epoche der lauteren Poesie das Heimatrecht in der Kunst erwarb,

* *

Die Berufung Schwinds in das Karlsruher Kunstleben hängt eng mit der Errichtung der Grossh. Kunsthalle durch Grossherzog Leopold zusammen. Diese wiederum ist das Ergebnis der kunstfreundlichen Fürsorge, die das badische Fürstenhaus dem Lande zuteil werden liess, nachdem die Folgen der Revolutions- und Napoleonischen Kriege über- wunden und die stürmischen Entwicklungsjahre des jungen Verfassungsstaates in ruhigere Bahnen gelenkt waren.

Vor Einführung der Verfassung war die Pflege der Kunst eine reine Sache des Hofes gewesen. Nach der Vergrösserung des Landes und bis zur Einführung der Verfassung liessen die misslichen Zeitverhältnisse eine Er- höhung des Aufwandes für Kunstzwecke nicht zu.

Während dann in einer längeren Friedenszeit die wirt- schaftlichen Verhältnisse sich gehoben hatten, und nachdem der junge Verfassungsstaat reichliche Bewilligungen »für Ver- besserungen der Kommunikationen, für Flusskorrektionen, Hafenbauten (Mannheim-Leopoldshafen), neue Strassenan- lagen, für die Zwecke der Landwirtschaft und des Berg- baues, für Hebung des Volksschulwesens, für Künste und Gewerbe« gewährt hatte, schien der Zeitpunkt gekommen, nun auch der höheren Volkskultur Aufmerksamkeit und Förderung zuzuwenden. Dazu waren aber »in der Civil-

liste die Mittel nicht gegeben« Wohl waren in den 10*

140 Beringer.

Jahren 1827—30 nur 10405 fl. »für Kunstzwecke« verwendet worden. Diese Leistung wurde dann in den Jahren 1832—35 auf 20485 fl. erhöht. Eine weitere Belastung der Zivilliste durch diese Ausgaben war nicht angängig; doch erschien das Interesse des Staates in Beziehung auf Kunstpflege wesentlich beteiligt, »wo man für die Mittel der Volks- kultur in allen andern Richtungen so reichlich sorgte«').

Der Landtag des Jahres 1837 hatte demgemäss ein durch die Minister von Blittersdorff und von Boeckh ver- tretenes Gesetz zu verabschieden, demzufolge 100000 fl. zur Errichtung eines Akademiegebäudes und 25000 fl. zur Anschaffung von Kunstgegenständen verwendet werden konnten.

Damit wurde ein Zeitabschnitt eingeleitet, der für die Kunst Karlsruhes ähnliche Bedeutung hat, wie die Ära Ludwigs I. von Bayern für München, wie denn auch die Beziehungen zwischen diesen beiden Städten Ende der goer und Anfangs der 4oer Jahre recht lebhaft waren und auf einander wirkten.

Wie Klenze in München, war der Meister des grossen Baustiles zu dieser Zeit in Karlsruhe Heinrich Hübsch, und wie Cornelius’ strenge Gredankenwelt die Gewölbe und Wände der neuen Münchner Architektur schmückte, so gaben Moritz von Schwinds lebenssinnige Malpoesien den Räumen Hübschs in Karlsruhe eine neue und erhöhte Würde.

Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass Hübsch den Maler Schwind für Karlsruhe gewann. Hübsch hatte schon während seiner Studienzeit in Rom Beziehungen zum Kreise der Nazarener angeknüpft. Beim tragischen Ende seines hoffnungsvollen Landsmannes Karl Fohr hatte er dessen Tod in die Heimat gemeldet und seinen Nachlass ordnen helfen. Die Beziehungen Hübschs zu Cornelius und Schnorr von Carolsfeld wurden auch in München aufrecht erhalten, und als der badische Baukünstler den Freskomaler für seine Kunsthalle suchte, fand er ihn in Schwind, der zu dieser

I) Beilage ı z. Prot. der 36. öffentl. Sitzung der Zweiten Kammer vom 5. Juni 1837 und Akten des Grossh. Finanzministeriums. Regpositur, Bausache,

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 14I

Zeit in Wien weilte, wahrscheinlich durch Schnorr, auf- merksam gemacht, mit dem Schwind die neue Residenz auszuschmücken hatte. i

a) Das grosse Fresko der »Einweihung des Freiburger Münsterse.

In seinem ersten Entwurf der neuen Kunsthalle vom ı. März 1837 »Kunstakademie« genannt in den Akten, weil auch Unterrichts- und Arbeitsräume darin gedacht waren sah Hübsch im Obergeschoss des Treppenhauses eine offene Halle (Loggia) vor, die, »vor Wetterschlag ge- schützt, mit Freskogemälden geschmückt werden soll. Um höheren Orts Freskomalereien neueren Stils vorweisen zu können, wurden 1837 von dem neu bewilligten Kunstfonds acht Kartons von Schnorr erworben. Unter diesen waren zwei von Schwind, der für Schnorr diese Entwürfe zu den Malereien in der »Residenz« gemacht hatte: die reizenden und genialen Kinderfriese zu Religion, Rechtswissenschaft, Medizin und Philosophie, sowie das Erntefest. Um diese sZeichnungen«!) handelt es sich, wenn Schwind an Schnorr schreibt: »Wollte Gott, es wäre aus meiner Zeichnung zu schliessen, dass etwas Gutes von mir zu haben ist.« Zu dieser Zeit war dem Grossherzog wohl auch die Kunst Schwinds in dem ersten Aquarellentwurf zum »Sängerkrieg auf der Wartburg« 1837 bekannt und sympathisch geworden. Hübsch nahm die Verhandlungen mit Schwind auf, und am ıı. Februar 1838 waren die Verhandlungen Hübschs mit Schwind zufolge Allerhöchsten Auftrags im Gange, die mit der Unterzeichnung eines Vertrages vom 5., bezw. 10. März 1838 durch Schwind und Hübsch endigten.

Die Ratifikation des Vertrages durch den Grossherzog erfolgte am ıg. März 1838.

Der Vertrag aus den Akten der Greneral-Intendanz der Grossh. Zivilliste lautet:

Unter Vorbehalt der Höchsten Genehmigung Sr. Königlichen

Hoheit des Grosherzogs von Baden wird folgender Vertrag über ein in dem Treppenhaus des neuen Academie Gebäudes in

e aeie e e ae

1) Nr. 5 und 6 des Katalogs d. Kunsthalle zu Karlsruhe, abgebildet bei Weigmann, M. v. Schwind (Klassiker d. Kunst IX S. 147 u. 148).

142 Beringer.

Carlsruhe auszuführendes Wandgemälde abgeschlossen, zwischen dem Historien Maler Moritz von Schwindt, derzeit in Wien einer- seits und andererseits zwischen dem Höchsten Orts bevollmäch- tigten Oberbaurath Hübsch,

ı). Das Wandgemälde, welches oben mit einem gedrückten Bogen von ıı'la Bad. Fuß Wölbungs Höhe schließt, wird im Ganzen 20'!/; Bad. Fuß im Lichten hoch, und 30 Fuß im Lichten breit. Es soll in lebensgroßen Figuren die Einweihung des Freiburger Münsters unter Herzog Berthold dem Zähringer vorstellen.

2). Der genannte Maler verbindet sich, noch im Laufe dieses Jahres [1838] -— um sich der Porträt-Ähnlichkeit Herzog Bertholds und der Situation des Münsters zu versichern nach Freiburg zu reisen, und den ausgeführten Carton nebst Farben Scizze längstens bis Ende des folgenden Jahrs [1839] zu Stande zu bringen, damit er, wenn es gewünscht wird, mit dem Früh- jahr 1840 das Bild selbst beginnen kann, woran er alsdann un- unterbrochen, so lange es die Länge des Tages zuläßt, zu arbeiten verspricht. Übrigens soll nach dem Wunsche des Malers das ganze Stiegenhaus geheizt werden.

3). Das Bild ist durchgängig al fresco zu malen, ohne Nachhilfe in unhaltbarer Tempera Malerei, und der Maler ver- bürgt solche Arbeit, welche sowohl in Betreff der Composition, als des Colorits gines tüchtigen Künstlers würdig ist.

4). Der Preis dieses Bildes wird auf achttausend Gulden festgesetzt, bei welcher Summe alle erforderliche Vorarbeiten und Auslagen mit inbegriffen sind, und nur die Herstellung der nöthigen Gerüste, die Feuerung und die Bezahlung des Maurers, welcher das tägliche Auftragen des Verputzes besorgt, und außer- dem zum Farbenreiben zu verwenden ist, ausgenommen sind.

Ein Dritttheil der genannten Summe erhält der Maler schon im Jahr 1839, während der Ausarbeitung des Cartons, die übrigen zwei Dritttheille nach dem Beginn des Bildes im Verhältnis der

vorgerückten Arbeit. Oder 4). Der Preis des Bildes ist auf fünftausend Gulden festgesetzt,

bei welcher Summe jedoch die baaren Auslagen nicht mit inbegriffen sind, die dem Maler gegen bescheinigten Ausweis vergütet werden, x. x.

5). Sollte das Beginnen oder Vollenden des Fresco Bildes durch Krankheit oder Tod des Malers verhindert werden, so bleiben die bisher durch Abschlagszahlungen honorirten Zeich- . nungen und Cartons Eigenthum Sr. Königl. Hoheit des Gros- herzogs, dagegen gehören nach gänzlicher Vollendung des Bildes diese Vorarbeiten dem Maler, welcher sich zugleich das alleinige Vorrecht zur Publication des Bildes durch Kupferstich oder Lythographie vorbehält.

Gegenwärtiger in duplo ausgefertigter Vertrag ist zum Zeichen der Anerkennung von beiden Seiten zu unterzeichnen,

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 143

und nach erfolgter Höchster Ratification tritt derselbe in Gültigkeit, und wird dem Maler ein Exemplar davon zu- gestellt.

Wien den 5. Merz 1838. Karlsruhe, den 10. Merz 1838.

(gez.) Moritz v. Schwind. (gez.) Hübsch. Maler. Oberbaurath u. Chef der Civilbaudirection.

Seine Königliche Hoheit der Grosherzog genehmigen diesen Vertrag nach der ersten Fassung des $. 4.

Carlsruhe den 19. Merz 1838. auf Seiner Königlichen Hoheit besondern Befehl, (L.S) > (gez.) v. Krieg Major und Flügeladjutant.

Aus diesem Vertrag ist zunächst zu ersehen, dass nur von dem einen Fresko der »Einweihung des Freiburger Münsters« die Rede ist. Das ist einstweilen festzuhalten. Über den Tag der Einweihung des Münsters sind wir aus einer Urkunde!) vom Jahr 1442 nur dahin unterrichtet, dass die Kirchweihe auf Sonntag vocem . iucunditatis (5. Sonntag nach Ostern) fiel. Unbekannt ist das Jahr, ebenso der Zähringer, unter dem dieses wichtige Er- - eignis vorfiel.

Die älteste Baugeschichte des Münsters!) ist vielfach in Dunkel gehüllt. Unter Herzog Konrad (1122—1152) soll der Bau des Münsters begonnen worden sein. Sein Enkel, Herzog Bernhard V. (1186--ı218), wurde in dem Münster begraben, von dem der Chor, das heutige Quer- schiff und zwei Joche bereits standen. Sein Grabmal aus späterer Zeit befindet sich heute noch im südlichen Quer- schiff. Unter Graf Konrad I. von Freiburg (1236—72), der ebenfalls im Münster begraben ist, wurde der Umbau des bis dahin spätromanischen Münsters ins Gotische be- gonnen und der West(Haupt)turm in Angriff genommen, der unter Graf Egon II. (1271—1316) wenigstens bis zum Glockenstuhl fertig gebaut war. Graf Konrad II. (1316

-—

1) A. Schreiber, Das Münster zu Freiburg 1826.— Kempf u. Schuster, Das Freiburger Münster. 1906.

144 Beringer.

1350) wurde noch im alten Chor des Münsters be- graben.

Von den am Dombau betätigten Zähringern hat also Herzog Konrad I. den romanischen, Graf Konrad I. den gotischen Teil begonnen, und beide werden in der Sage als Erbauer des Münsters unter dem Namen Konrad ver- einigt.

Ob der im Vertrag mit Schwind erwähnte Herzog Berthold (V.) von Zähringen bei der Einweihung beteiligt war, steht dahin. Schwind fand für die geschichtlichen Daten zu seinem Fresko nichts Gesichertes vor und war lediglich auf Professor H. Schreibers Schrift über das Münster und auf dessen mündliche Mitteilungen angewiesen, wie der nachfolgende Brief an Wilhelm Füssli auf der Züricher Stadtbibliothek vom Sommer 1841!) bekennt. Er lautet:

Hochverehrter Herr!

Ki Das Bild, das ich hier male, stellt, wie Ihnen Merz geschrieben hat, die Gründung des Freiburger Münsters unter Conrad von Zeringen, dem Ahnherrn des badischen Hauses, dar. Von Büchern hatte ich nichts als die Beschreibung und Ge- schichte des Freiburger Münsters von Pr. Schreiber in Freiburg, den ich übrigens auch besucht und von seiner mündlichen Mit- teilung profitiert habe. Aus jener Zeit (1080) ist überhaupt wenig da, und was da ist, Urkunden und Stiftungsbriefe, geben wenig Ausbeute für das Malerische. Ich werde, wenn das Wetter nicht zu schlecht wird, wenigstens bis halben Oktober arbeiten, wahr- scheinlich aber bis Ende, und hoffe soweit zu kommen, daß etwa ein Viertheil der Arbeit für das nächste Jahr bleibt. Das Bild ist 32 Fuß breit und 17 hoch, und die Composition reich, dazu an Nebenwerk eine bedeutende Arbeit. Übrigens habe ich dieses Jahr schon drei Lünetten über dem Bild gemalt, in der Mitte »die Architektur von Staat und Kirche beschützt« das ist, wenn Sie wollen, der Inhalt des Bildes —, dann die »Mathe- matik« und die »Phantasies als die Elemente der Baukunst.

Wenn Sie im Herbst nach Carlsruh kommen, wollen Sie nur in das neue Akademische Gebäude, und immer dahinein gehen, wo angeschrieben steht: »Verbotener Eingang«e. Da kommen Sie gerade zu mir, und ich werde Ihnen zeigen können, was noch für Räume da sind, von deren Verwandlung in Bilder der

I) Erstmals veröffentlicht von K. Okbser) in der Unterhaltungsbsilage z. Karlsruher Tagblatt vom 9. Dez. 1913.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 145

Großherzog als von einer ausgemachten Sache sprich. Wenn das so fertig wird, ist es eine ganz bedeutende Arbeit.

Am Bilde existiert. keine Contur. Daran will ich denken, wenn ich sehe, daß es anspricht. Im Contract habe ich mir das ausschliessliche Recht, stechen zu lassen, ausbedungen. Das bedeutendste, was an Kunst hier ist, sind die Gebäude von Oberbaurath Hübsch. Mit verhältnißmäßig geringen Mitteln und ohne viel Lärmens stellt dieser trefliche Künstler Gebäude her, die ihrer soliden Construktion und ihrem eigenthümlichen Stil nach zu den bedeutendsten gehören. Sie werden sich wundern. Es ist da eine Kirche in Bulach, eine halbe Stunde von hier, mit Fresken von Dietrich in Stuttgart, das Finanzministerium, das Museumsgebäude, der Sitzungssaal der Ersten Kammer mit enkaustischen Bildern von mir, das Akademiegebäude und die Trinkhalle in Baden, die gewiß das zierlichste und eleganteste Gebäude neuerer Zeit ist. Wir haben eine Galerie, die nicht zu verachten ist gerade, viele Cartons, von denen aber nur der von Overbeck aufgestellt ist, und eine ganz respektable Vasen- sammlung. Hofmaler Grund ist hier, ich komme aber wenig mit ihm zusammen.’ Der Großherzog hat einige neuere Bilder im Schloß, und eine Zeichnung von mir; den Sängerkrieg auf der Wartburg, die ich Ihnen wohl zeigen möchte.

Kunstverein ist auch hier, aber gar kläglich. Die Herren wollen eben Direktoren und Ausschüsse spielen und Sitzungen halten, das ist alles, und nebenbei ist es eine Kupferstecher- spekulation, Das Unglück ist nur, daß diese Lotteriespieler glauben, sie seien in ı4 Tagen vollkommene Kenner und unter- stützen die Kunst, während mit jedem Zwanzig Mitglieder mehr das arme Deutschland zu einem Bild von 80 fl. Werth verurtheilt ist. Darüber ließe sich viel reden.

Nun glaube ich ziemlich alles beantwortet zu haben, was Sie wünschen, Ich hoffe Sie hier zu sehen oder möglichen Falls in Zürich zu besuchen. Danke schön für freundschaft- liche Einladung und wünsche gar sehr davon Gebrauch machen zu können,

Ihr ergebenster.

Move Schwind:

Im wesentlichen ist also dieses Werk der »Einweihung des Münsters zu Freiburg i. B.« ein Idealbild eines ge- schichtlichen Vorganges. Schwind hat es hier zum ersten- mal unternommen, ein abstraktes Geschichtsbegebnis in unmittelbares Leben und Erleben umzusetzen. Es ist seinem dichterischen Können vollkommen gelungen, eine feierliche Repräsentation glaubhaft mit dem Schimmer patriotisch-

146 Beringer.

volkstümlichen Geschehens zu umkleiden. Mit schauendem Gefühl für das Verdichtende der Zeiten hat er durch Zeit- räume getrennte Personen und Geschehnisse in ein Schau- bild zusammengedrängt, ohne in frostige Allegorien und Symbole zu verfallen. Sein kompositorisches, koloristisches und schöpferisches Können feiert, wenn man des Bildes Entstehungszeit und die damaligen deutschen Kunstver- hältnisse im Auge behält, einen Triumph in diesem Riesen- gemälde von 4,25:9,25 m.

Schon dass Schwind bei der Raumaufteilung von dem jedenfalls projektierten und vertragsmässig vorgesehenen »gedrückten Bogen« ($ ı) des Bildfeldes absieht und den Bildgedanken in das dreisätzige Vorspiel der Mittel- Lünettenbilder und in das breit ausgeführte Hauptthema der »Einweihung« zerlegt, um die Wirkung vorzubereiten und zu steigern, zeugt für seine hervorragende Begabung für das monumentale Fach innerhalb der speziell Schwind- schen, musikalisch rhythmischen, dynamisch bewegten und modulierten Form.

Schwind darf in den Karlsruher und den Wartburg- fresken durchaus gleichwertig an die Seite des grossen niederrheinischen Monumentalisten Alf, Rethel gestellt werden, nur eben dass dessen dramatische Verdichtung bis ins wuchtig Epische ging, während Schwinds mehr schmieg'same und heitere Wiener Art ebenso von Mozarts Lieblichkeit und Bewegtheit, wie von Schuberts innerlicher l.ebensfülle überstrahlt blieb. War Schwind in den Werken der Münchner Residenz und in den Entwürfen für Hohen- schwangau gewissermassen noch im nachnazarenischen Kartonstil, im Amor- und Psychezyklus für Schloss Rüdigs- dorf und in den Allegorien für das Arthabersche Haus in Wien noch im italienischen Freskostil befangen geblieben, im Fresko zur Münstereinweihung brach seine unverkenn- bar deutsche Art machtvoll und rein zum erstenmal durch. Figur und Natur, Innerlichkeit und Lieblichkeit, sinnfällige Schaubarkeit und ein Reichtum an inneren Beziehungen schmelzen hier ın ein reizvolles und köstliches Gedicht zusammen, das bei aller prächtigen Epik doch voll idyl- Mischer Lyrik und Behaglichkeit ist.

-re

Ger ii annin

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 147

Schon wie die (niemals existierende) Fassade des roma- nischen Münsters als Zentrum der von Staat und Kirche geförderten Architektur Hübsch war Profan- und Kirchenbau-Architekt aufgefasst ist, wie von beiden Seiten die weltliche und die kirchliche Gewalt, vom Volk begleitet, heranzieht, wie rechts, über dem Gefolge des Fürsten, der Blick zu der auf dem »Schlossberg«e neu errichteten Burg der Zähringer Grafen von Freiburg ge- leitet wird, und wie links, über der Prozession der Domi- nikaner, der Kreuzzugprediger Bernhard von Clairvaux vor dem Wald erscheint, ist voll feiner Beziehungen, voll künstlerischen Ausdrucks. Dieselbe Feinfühligkeit hat Schwind in der Anordnung der einzelnen Gruppen und Figuren bewiesen. So, wenn der Dombaumeister mit der Tafel des romanischen Grundrisses über den Werkgehilfen mit dem gotischen Modell aufden heranschreitenden Fürsten mit der Gründungsurkunde deutet, wenn dem dahinter stehenden Fahnenträger mit feiner Huldigung die Züge des Grossherzogs Leopold gegeben werden, und wenn dieser von den zwei Knappen begleitet wird, deren einer sich auf das badische Schild stützt, während der andere die Züge des künftigen Thronerben trägt. Hinter der von links heranschreitenden Klerisei entwickelt sich das reiche Volksleben mit den bedeutungsvollen Momenten des Volks- wachstums: Verlobung, Ehe und Taufe.

Natürlich hat es sich Schwind nicht entgehen lassen, ausser dem Grossherzog Leopold noch weitere Porträts anzubringen. Sich selbst hat er als Zuschauer auf das obere Gerüst rechts gestellt. Hübsch steht mit dem Winkel- scheit hinter dem Dombaumeister; Freund Lachner geht mit brennender Kerze unter den Dominikanern.

Aber das Meisterliche liegt nicht bloss im Reichtum der Beziehungen, sondern auch in der Komposition, die bei strenger Zusammenfassung und Gliederung der Gruppen doch ungemein lebensvoll und bewegt ist. Schwinds bild- nerische Phantasie hat mit vielen Figuren gearbeitet; aber man kann von ihnen dasselbe sagen, was Mozart einst von den Noten seines Don Juan gesagt hat: »Keine einzige zu viele Trotzdem Schwind das Bild durch Architektur, Zeit- ereignisse, Zeremoniell, Gewandung etc. auf das strengere

148 Beringer.

Mittelalter gestimmt hat, ist doch die heitere, volkstümlich geniesserische Fülle einer neuen Zeit darin, ohne dass der raumschmückende Charakter der guten Freskoauffassung aufgegeben wäre. Man sieht deutlich noch die Nachklänge des teppichartigen Spätrenaissancestiles, dem Linien-, Luft- und Farbenperspektive noch nicht so sehr Selbstzweck geworden waren, wie im späteren Barock. Man sieht aber auch, wie Schwind aus dem Cornelianisch-Schnorrschen Kartonstil, wie er noch im Psychezyklus und bei den Arthaber-Werken besteht, hinausstrebt, und wie er zu seiner eigenen Ausdrucksart, seiner geistvoll schöpferischen und die Probleme in der Wurzel fassenden Kunstweise kommt. Schon in »Ritter Kurts Brautfahrt« war diese nur Schwind eigene, köstliche Weise, volle Lebensbeziehungen reichster Art herzustellen, angekündigt worden; doch stand die Zeit diesem organisch gewachsenen Werk noch ver- ständnislos gegenüber.

Sicher hat zu der glücklichen Lösung des grossen Freskoauftrages die absolute Freiheit des Schaffens bei- getragen, 'mit der der Auftrag fern von korrigierenden und modifizierenden Einflüssen als Karton entstehen konnte. Es scheint zweifellos zu sein, dass der Karton nur für das rechteckige Querformat der Wand entworfen wurde, was ja der Vertrag nicht vorsieht. Hübsch verwandelte dann die offene Loggia in ein geschlossenes Treppenhaus und zerfällte das zuerst projektierte grosse Flachgewölbe des Treppenhauses in zahlreiche kleinere Grewölbefelder. Ihre Schnitte mit den Seitenwänden ergaben halbkreisförmige Bogenfelder (Lunetten), die künstlerisch zu dekorieren waren, wenn nicht eine Disharmonie mit dem grossen Fresko entstehen sollte. Es stellt dem feinen Verständnis Schwinds für die neuen Raumgebilde von Hübsch und der glänzenden Erfindungsgabe des Meisters ein herrliches Zeugnis aus, dass er alsbald nach seiner Ankunft in Karls- ruhe, sie erfolgte an seinem Namenstag, am 22. Sep- tember ı840, die Entwürfe für die Lunetten über dem Fresko in Angriff nahm und bis Mitte Dezember schon die beiden Seitenlunetten in dem kaum fertigen Raum gemalt hatte.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 149

Der Gang der Arbeit an den Fresken des Treppen- hauses war im übrigen folgendermassen:

Nach Abschluss der Ratifikation des Vertrages über die Einweihung des Freiburger Münsterse schuf Schwind nach Führichs Angaben (S. 31) »in der engen Behausung seines Schulfreundes Steinhauser in der Josephstadt (zu Wien) den Karton, wovon die Teilung in vier Stücke deutlich Kenntnis gibt«]),

Bis im Dezember 1839 war Schwind über die Hälfte am Karton vorgerückt, wie »von der badischen Gesandt- schaft, der Schwind persönlich bekannt war, bezeugt werden konnte«2). Dieser Teil kann sich, wie der Karton erkennen lässt, nur auf den unteren, figural ausgestalteten Abschnitt beziehen. Mittlerweile war der Bau bis zum Dachstuhl fertig geworden. Im September (7. IX. 40) kündete Hübsch dem Finanzministerium an, dass Schwind in ı4 Tagen an- fangen werde, und dass bis dahin die Deckenverzierungen (von Meule in Baden-Baden) vollendet seien. Wie schon bemerkt, traf Schwind am 22. September 1840 in Karls- ruhe ein. Seine Wohnung, »so gross wie der Trienter Hofe, ist bis zu seiner Verehelichung Stephanienstrasse 20 (jetzt 18)3).

b) Die Lunettenbilder.

Des Künstlers nächste Arbeit war nun, die Lunetten- bilder zu entwerfen und zu malen. Hier nimmt Schwind, wahrscheinlich im Benehmen mit Hübsch, noch einmal das Hauptthema des Einweihungsbildes auf und gibt in der Mittellunette das Hauptmotiv des grossen Freskos in einer thematischen Engführung wieder: die »Architektur« (nicht, wie es sonst heisst, die »Kunste), von Kirche (links) und Staat (rechts) beschützt. In den beiden Seitenlunetten wird durch die »gebundene« Phantasie die Mathematik (links) und durch die »entfesselte« Phantasie die Begeisterung das Hauptthema der Baukunst in feinsinniger Weise variiert und durchgeführt. Diese vier spontan aus dem Innern

NL. v. Führich, M. v. Schwind. Leipzig 1871. ?) Akten des Finanzministeriums im General-Landesarchiv (27. Dez. 1839). ®) Nach Feststellung des Herrn Franz Beil und Stadtarchivar Dr. Vischer in Karlsruhe.

150 Beringer.

quellenden Werke mit ihrem einheitlichen Gedankenkreis der Baukunst sind in Schwinds Lebenswerk später noch zu einem voll entwickelten Beispiel musikalisch- bildnerischen Ausdrucks gereift: zur »>Symphonie« Das dem musikalischen Schaffen im Hauptthema, Engführung, Gegen- bewegung, Variation usf. entsprechende Gestalten tritt hier aber erstmals deutlich und in klarer Entfaltung auf, um in der »>Symphonie« die klassische Form zu erhalten und im »Aschenbrödel« und in der »Melusine« zu immer grösseren Symphonien ausgearbeitet zu werden. Schwind hat diese Lunetten sehr rasch erfunden und gemalt. Vom Ende September bis Mitte Dezember 1840 wurden die beiden Seitenlunetten schon fertig gestellt. Dann begab sich der Künstler in das »Hauptquartier nach München«, von wo er anfangs Mai 1841 zurückkam.

Diese Münchener Zeit ist ausgefüllt mit den Entwürfen für das »Serail der Tugenden« für das Ständehaus, wovon weiter unten noch die Rede sein wird, sowie mit dem Carton für die Mittellunette: die Baukunst, von Staat und Kirche beschützt. |

Nach der Rückkehr von München wurde diese, am 8. Mai 1841 »noch ausstehende Mittellunette« bis anfangs Juli gemalt, so dass erst nach dieser Zeit bis August 1842 das Fresko der »Einweihung« ausgeführt wurde. Im Sep- tember ‘1841, mitten in der Arbeit am grossen Fresko der »Einweihung« und einer Retouche der 1840 gemalten zwei Lunetten und der fertigen Mittellunette, bittet Schwind um eine Abschlagszahlung. Form und Inhalt des An- suchens sind interessant genug, um hier bekannt gegeben zu werden. Es lautet:

Verehrtester Herr und Freund!

werden höflichst ersucht, eine neue Abschlagszalung von 600 f. zu veranlassen. Mein Bild ist so weit gediehen, wie Sie gesehen haben, dass ich eine dergleichen Zalung ansprechen kann und die letzte, belastet mit Anschaffungen, und stark anticipiert, durch frisch malen der voriges Jahr gemalten Lunetten und Wartezeit auf vollkommenes Austrocknen der Mauer, langt nicht mehr. Hoffe baldmöglichst Erledigung und habe die Ehre zu verbleiben

Ihr ergebenster Diener Carlsruh. 2. Sept. 841. M. v. Schwind.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 151

Der Winter 1841/42 war an Arbeit und Erlebnissen reich bewegt. Während Schwind in dieser Zeit sich mit dem grossen Fresko den Ruf als Monumentalmaler be- gründete, während schon neue grosse Pläne in seiner Vor- stellung reiften, nahte sich ihm das Glück seines Lebens. Er lernte die ebenso schöne, als tapfere und praktische Luise Sachs kennen und lieben. Die Kämpfe fehlten auch diesem Herzensbund nicht. Zweifellos hat Schwind mit einer sicheren wirtschaftlichen Basis in den Ehestand treten wollen; deshalb hat er die Fertigstellung des grossen Freskos im Hochsommer 1842 bewirkt.

Am 25. August meldet er:

Grossherzogliches Hochpreisliches Finanz-Ministerium!

Das Freskobild im neuen Akademiegebäude, dessen An- fertigung ich um die Summe von 8000 fl. übernommen habe ist nunmehr, biss auf einige Retouchen, welche ich erst später anbringen kann vollendet.

Ich glaube daher, die Bitte stellen zu dürfen mir den Rest der Accord-Summe gefällig auszalen zu lassen,

Carlsruh 25. August 184.2. Moritz von Schwind.

Die Zahlung der Restsumme wurde am ı. September 1842, zwei lage vor der Hochzeit des Künstlers, genehmigt und erfolgte, wie alle übrigen Zahlungen, »aus dem für die Kunstsammlung bestimmten Fonds.

Des inhaltlichen Zusammenhangs wegen seien auch die übrigen Arbeiten des Treppenhauses an dieser Stelle ein- gefügt, obschon sie in eine spätere Zeit fallen.

Mit dem grossen Fresko der Münstereinweihung und den drei darüber befindlichen Lunettenbildern, die den bild- nerischen Hauptgedanken der Verherrlichung der Baukunst umfassen, wäre die Aufgabe Schwinds für das grosse Treppenhaus eigentlich zu Ende geführt gewesen, Alle am Bau Beteiligten mochten wohl einsehen, dass die akzen- tuierte Betonung der Baukunst allein etwas Einseitiges haben musste für ein Gebäude, das von Anfang an mehr- fache Bedürfnisse und Zweckbestimmungen zu befriedigen hatte: »Die vorhandenen Kunstschätze und die künftig an-

152 Beringer.

geschafft werdenden zweckmässig aufstellen zu können; für Arbeits- und Studiensäle und kleine, leicht heizbare Kabinette, um jungen Künstlern die Benützung der Kunst- schätze möglich zu machen; es fehlt ein Lokal für die Aus- stellung des Kunstvereins und für die Aufbewahrung vater- ländischer Altertümer«'). Also sollte die Kunsthalle allen Künsten und allen Kunstfreunden dienen. Zudem blieben über den Türen der »fliegenden Gänge« zu Seiten des Hauptbildes und der drei Mittellunetten breite Flächen frei, die nach Dekoration verlangten, sollte nicht die Wir- kung der ausgeführten Werke beeinträchtigt werden. Hübsch

selbst scheint diese Erwägungen dringlich empfunden und

Höchsten Ortes vorgetragen zu haben, denn kurz nach Fertigstellung und Honorierung des grossen Freskos kam unterm 10, Dezember 1842 zwischen Hübsch und Schwind ein neuer Vertrag zustande, der sich auf die Seitenbilder -- Malerei und Bildhauerei und die äusseren Lunetten Friede und Wohlhabenheit bezieht. Er lautet:

Unter Vorbehalt der Höchsten Genehmigung Seiner König- lichen Hoheit des Grosherzogs wird folgender Vertrag abge- schlossen zwischen dem Historien Maler M. von Schwind, einer- seits, und anderseits zwischen dem Höchsten Orts bevollmächtigten Nau-Director Hübsch, über vier kleinere Wandgemälde, welche in dem Treppenhaus des neuen Academie-Gebäudes in Carls- ruhe zu beiden Seiten der bereits bestehenden Fresco-Bilder noch zu malen sind, um die ganze Rückwand gleichmäßig aus- sutüllen.

ı). Auf den zu beiden Seiten des großen Bildes über den 'Y'hüren befindlichen 6’ breiten und 6! g' hohen Flächen ist auf einer Seite darzustellen, wie Herzog Berthold der Reiche?) durch Baldung Grün portraitirt wird, auf der andern Seite die Sabine, Tochter Erwins von Steinbach mit der Bildhauer-Arbeit des Stras- burger Münsters beschäftigt.

2). In den darüber befindlichen beiden Lünetten wird über dem ersten Bilde der Reichthum und über dem zweiten der Friede in allegorischen Figuren dargestellt.

3). Der genannte Maler verbindet sich, die sub ı und 2 beschriebenen Bilder saemtlich im Laufe des nächsten Sommers al Fresco zu malen, und verbürgt solche Arbeit, welche sowohl

I) S. S. 140 Anm. 1. (Beilage usw) ®) Im Fresko wurde Christoph I. daraus, dessen Bildnis von H. Baldung-Grien die Kunsthalle aufbewahrt.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 153

in Betreff der Composition, als des Colorits eines tüchtigen Künstlers würdig ist.

4). Der Preis der sub ı. genannten Bilder wird auf Vier- hundert Gulden pr. Stük, und der sub 2. genannten auf Drei- hundert Gulden pr. Stük, also zusammen auf Vierzehnhundert Gulden festgesetzt, bei welcher Summe alle erforderliche Vor- arbeiten und Auslagen mit inbegriffen sind, und nur die Her- stellung der nöthigen Gerüste, die Feuerung, und die Bezahlung des Maurers, welcher das tägliche Auftragen des Verputzes be- sorgt, und ausserdem zum Farbenreiben zu verwenden ist, aus- genommen sind,

5). Die Bezahlung erfolgt nach Vollendung der Bilder, jedoch können Abschlagszahlungen im Verhältnis zur vorgerückten Arbeit gegeben werden.

6). Der Maler behält sich das alleinige Recht zur Publikation der Bilder durch Kupferstich oder Lithographie vor.

Gegenwärtiger in duplo ausgefertigter Vertrag ist zum Zeichen der Anerkennung von beiden Seiten zu unterzeichnen; nach er- folgter Höchster Ratification tritt derselbe in Gültigkeit, und wird dem Maler ein Exemplar zugestellt.

Carlsruhe den 10. November 1842.

H. Hübsch.

M. v. Schwind.

Seine Königliche Hoheit der Großherzog genehmigen an- durch den vorstehenden Vertrag.

Karlsruhe den 10. Dezember 1842.

Großherzogliches Geheimes Kabinet. Frey.

Schon am g. Februar 1843 konnte Hübsch an die Allerhöchste Stelle berichten, dass zwei Kartons es sind wohl die beiden Seitenbilder vollendet seien, und dass die Auszahlung einer erbetenen Rate von 300 fl. gerechtfertigt wäre. Während im Laufe des Sommers die Fenster ein- gesetzt und die Fussböden mit Tannenriemen (statt, wie ursprünglich geplant, mit Plättchen) belegt wurden, malte Schwind die Fresken, die am ı7. November 1843 für voll- endet erklärt wurden. Die Restzahlung der ausbedungenen Summe erfolgte sofort auf Befehl des Grossherzogs.

Die kleinen, noch bei Frau Professor von Ravenstein erhaltenen Erstentwürfe Sehwinds zeigen gegenüber den

ausgeführten Werken einige Abweichungen. So ist nament- Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. N.F. XXX. 2. lI

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J.hben«o feinsinnig sind im »Reichtum« die Schätze des Acker- und Bergbaues, der Schiffahrt und des Handels angedeutet, die in Baden den Wohlstand der Bevölkerung nach schweren Kriegsnöten wieder heben halfen.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 155

Wenn man diese geistvollen und feinen Umdichtungen ins Bildnerische Götzenbergers wörtlichen Übersetzungen der Badener Sagen in der Trinkhalle gegenüberstellt, die, wegen ihrer Billigkeit, dort den Sieg über Schwinds Kunst davongetragen haben, wird man ebenso die Verärgertheit Schwinds begreifen, wie auch bedauern, dass nicht Mittel und Wege gefunden werden konnten, Schwind den Auf- trag in Baden doch zu sichern.

c) Die anderen Werke Schwinds für die Kunsthalle.

Während der Innenausbau der Kunsthalle fortschritt, und während Meister Schwind das Einweihungsfresko trotz der Winterszeit frohgemut unter den ihn tief beglückenden Empfindungen seiner rasch entflammten Liebe zu Luise Sachs förderte, hatte Hübsch einsehen lernen, dass die für die Gipsabgüsse bestimmten Säle des unteren Stockwerks durch die projektierten Stukkaturen, ebenso wie durch etwa eingerahmte Arabeskenverzierungen keinen ihres Inhalts würdigen Anblick gewähren und den Kunstgenuss nicht so steigern würden, wie es die höchste Willens- meinung und die Absicht der Regierung bei Inangriff- nahme des Baues gewesen war. Er war der Ansicht, dass dem hohen künstlerischen Inhalt der Säle auch ein ent- sprechend hoher geistiger Gehalt der Wanddekoration ent- sprechen müsse,

Hübsch beantragte‘ deshalb beim Finanzministerium, obgleich die ursprüngliche Bausumme schon bedeutend überschritten war, wohlbegründet die Ausgestaltung der der Plastik zugedachten Räume des unteren Stockwerkes mit folgenden Ausführungen vom 4. Januar 1842:

»Diese grossen Wandflächen blos mit Arabesken allein zu verzieren würde sehr arm und nüchtern aussehen. Es müssen notwendiger Weise hier grössere zwar allerdings durch Ara- besken umgebene Felder und Friese angelegt werden, welche passende historische Compositionen enthalten, z. B. Szenen aus den olympischen Spielen, aus der Ilias in 3—4 Fuss hohen Figuren, welche übrigens gleich den Darstellungen auf den hetrurischen Vasen und in ‘nehreren Sälen des Königsbaues in ‚München nur conturiert und ein- oder zweifarbig auf dunklem Grund oder auf hellem Grund auszuführen wären.

11*

156 Beringer.

Die Hauptarbeit besteht natürlicher Weise in der Composition dieser wohl die Zahl von 100 erreichenden Darstellungen und in der Anfertigung der Cartons, welche alsdann von einigen Jungen, sich mit einer mässigen Tagesgebühr begnügenden An: fängern unter der Direktion des Compositeurs schnell auf die Wände gepausst und angelegt sind. Solche Compositionen können nun nicht übereilt werden, und es wäre für die Sache wünschenswert, dass damit schon jetzt begonnen würde.

Ich sprach deswegen schon öfter mit dem Maler M. von Schwind, dessen Talent und Leichtigkeit im Componieren nach meiner Ansicht am ersten eine schnelle Förderung bei wohlfeiler Honorierung möglich machen. Er erklärte mir, dass er diese Arbeit zwar recht gern übernehmen wolle, doch müsse er wünschen, der Verakkordierung jedes einzelnen Stückes über- hoben zu sein. Dagegen wolle er sich (was für ihn ehrenvoller und für die Sache vorteilhafter wäre) verbindlich machen, die ganze Suite von Darstellungen binnen zwei Jahren von jetzt an gerechnet zu liefern, wenn ihm für jedes Jahr ein Aversalbetrag von 1000 fl, ausgesetzt würde,

Ich halte diese Forderung für ausserordentlich billig und so sehr im Interesse der Baukasse, dass ich mich beeile, auf hoch- gefällige baldige Genehmigung gehorsamst anzutragen«!),

Die Genehmigung des Grossherzogs zu diesem Vor- schlag Hübschs erfolgte am 31. Januar 1842, und das Finanzministerium verlangte unterm selben Datum eine vertragliche Abmachung zwischen Hübsch und Schwind.

Dieser Vertrag wurde am 5. Februar geschlossen und der General-Intendanz der Grossh. Zivilliste vorgelegt:

Abschrift.

In Folge hohen Erlasses Großherzoglichen Finanzministeriums vom zıten v, Mts. No 1048 in Betreff der Ausschmückung des neuen Academiegebäudes wird mit dem Historienmaler M. von Schwind folgender Vertrag abgeschlossen:

ı). Es sind die Felder und Friese, welche sich nach näherer

Angabe des Oberbauraths Hübsch (der die architectonische Deco- rirung der Gewölb- und Wandflächen in genanntem Bau aus- führt) dazu eignen, mit passenden historischen Darstellungen in durchschnittlich drei Fuß großen Figuren in der Art auszufüllen, daß die leztern nur contourirt und ein- oder zweifarbig, theils hell auf dunklem Grund, theils dunkel auf hellem Grund aus- geführt werden. Und hiezu liefert »

1) Akten des Finanzministeriums im Grossh. General-Landesarchiv, Bau- sache Nr. 58. (Schreiben vom 4. Jan. 1842).

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 157

2). M. von Schwind die Compositionen in der Gestalt, daß hiernach durch angehende Maler die Aufzeichnung im Großen und die Uibertragung auf die Wand ausgeführt werden kann.

3). Es sollen in Bälde einige taugliche angehende Maler, welche diese Arbeiten in einem Zimmer des neuen Academie- baues gegen einen mäßigen Monatsgehalt beginnen, durch M. von Schwind namhaft gemacht werden. Und der letztere hat dieselben gehörig zu unterrichten und sowohl die Aufzeichnung seiner Compositionen im Großen zu corrigiren, als die spätere Uiber- tragung auf die Wand fortwährend zu dirigiren.

4). Die Zahl dieser im Lichten durchschnittlich zwanzig Quadratfuß großen Felder wird sich auf hundert belaufen. M. von Schwind wird zunächst mit der Darstellung der olym- pischen Spiele (einem jedenfalls sehr passenden Sujet) beginnen, jedoch hinsichtlich der übrigen Sujets collegialische Berathung mit Gallerie-Director Frommel und ÖOberbaurath Hübsch pflegen, worüber alsdann die Resultate Höchsten Orts zur Genehmigung vorzulegen sind.

5). M. von Schwind, welcher sich verbindet, mit den be- treffenden Vorarbeiten baldigst zu beginnen und die erforder- liche Anzahl von Compositionen in der Art fördern, daß sämtliche Arbeiten längstens zu Ende des nächsten Jahres voll- endet sein werden, erhält, in regelmäßigen Quartalraten zahl- bar für das laufende Jahr einen Gehalt von Eintausend Gulden, und die gleiche Summe für das nächste Jahr.

6). Es sind obige Bestimmungen in duplo auszufertigen, durch M. v. Schwind zu unterzeichnen, und wird demselben nach beigefügter hoher Ratifikation ein Exemplar zugestellt.

Karlsruhe den 5ten Februar 1842.

(gez.) Moritz von Schwind. v. Pfeilsticker.

Es ist sehr interessant, zu verfolgen, wie sich Schwind mit dieser Aufgabe auseinandersetzte, wie geistreich und selbständig er sie löste, und wie er ihre künstlerische Be- deutung und Bewertung durch Anordnung und Ausführung zu betonen wusste. Gerade dieses Werk stellte schöpferisch und formal an den Künstler höchste Anforderungen. Er begab sich in Wettbewerb mit der Antike und mit Goethes Kunstanschauungen. Er musste also durchaus etwas Neues, dichterisch Geschautes im abstrakten zeichnerischen Stil geben, wollte er weder durch Anlehnung die Kritik heraus- fordern, noch durch Alltäglichkeit auf die reizvolle An- ziehungskraft seiner Schöpfung verzichten. Auch hier war

148 Beringer.

Mittelalter gestimmt hat, ist doch die heitere, volkstümlich geniesserische Fülle einer neuen Zeit darin, ohne dass der raumschmückende Charakter der guten Freskoauffassung aufgegeben wäre. Man sieht deutlich noch die Nachklänge des teppichartigen Spätrenaissancestiles, dem Linien-, Luft- und Farbenperspektive noch nicht so sehr Selbstzweck geworden waren, wie im späteren Barock. Man sieht aber auch, wie Schwind aus dem Cornelianisch-Schnorrschen Kartonstil, wie er noch im Psychezyklus und bei den Arthaber-Werken besteht, hinausstrebt, und wie er zu seiner eigenen Ausdrucksart, seiner geistvoll schöpferischen und die Probleme in der Wurzel fassenden Kunstweise kommt. Schon in »Ritter Kurts Brautfahrt« war diese nur Schwind eigene, köstliche Weise, volle Lebensbeziehungen reichster Art herzustellen, angekündigt worden; doch stand die Zeit diesem organisch gewachsenen Werk noch ver- ständnislos gegenüber.

Sicher hat zu der glücklichen Lösung des grossen Freskoauftrages die absolute Freiheit des Schaffens bei- getragen, 'mit der der Auftrag fern von korrigierenden und modifizierenden Einflüssen als Karton entstehen konnte. Es scheint zweifellos zu sein, dass der Karton nur für das rechteckige Querformat der Wand entworfen wurde, was ja der Vertrag nicht vorsieht. Hübsch verwandelte dann die offene Loggia in ein geschlossenes Treppenhaus und zerfällte das zuerst projektierte grosse Flachgewölbe des Treppenhauses in zahlreiche kleinere Grewölbefelder. Ihre Schnitte mit den Seitenwänden ergaben halbkreisförmige Bogenfelder (Lunetten), die künstlerisch zu dekorieren waren, wenn nicht eine Disharmonie mit dem grossen Fresko entstehen sollte. Es stellt dem feinen Verständnis Schwinds für die neuen Raumgebilde von Hübsch und der glänzenden Erfindungsgabe des Meisters ein herrliches Zeugnis aus, dass er alsbald nach seiner Ankunft in Karls- ruhe, sie erfolgte an seinem Namenstag, am 22. Sep- tember ı840, die Entwürfe für die Lunetten über dem Fresko in Angriff nahm und bis Mitte Dezember schon die beiden Seitenlunetten in dem kaum fertigen Raum gemalt hatte.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 149

Der Gang der Arbeit an den Fresken des Treppen- hauses war im übrigen folgendermassen:

Nach Abschluss der Ratifikation des Vertrages über ‚die Einweihung des Freiburger Münsters« schuf Schwind nach Führichs Angaben (S. 31) »in der engen Behausung seines Schulfreundes Steinhauser in der Josephstadt (zu Wien) den Karton, wovon die Teilung in vier Stücke deutlich Kenntnis gibt«!).

Bis im Dezember ı839 war Schwind über die Hälfte am Karton vorgerückt, wie »von der badischen Gesandt- schaft, der Schwind persönlich bekannt war, bezeugt werden konnte«2). Dieser Teil kann sich, wie der Karton erkennen lässt, nur auf den unteren, figural ausgestalteten Abschnitt beziehen. Mittlerweile war der Bau bis zum Dachstuhl fertig geworden. Im September (7. IX. 40) kündete Hübsch dem Finanzministerium an, dass Schwind in ı4 Tagen an- fangen werde, und dass bis dahin die Deckenverzierungen (von Meule in Baden-Baden) vollendet seien. Wie schon bemerkt, traf Schwind am 22. September 1840 in Karls- ruhe ein. Seine Wohnung, »so gross wie der Trienter Hofe, ist bis zu seiner Verehelichung Stephanienstrasse 20 (jetzt ı8)3).

b) Die Lunettenbilder.

Des Künstlers nächste Arbeit war nun, die Lunetten- bilder zu entwerfen und zu malen. Hier nimmt Schwind, wahrscheinlich im Benehmen mit Hübsch, noch einmal das Hauptthema des Einweihungsbildes auf und gibt in der Mittellunette das Hauptmotiv des grossen Freskos in einer thematischen Engführung wieder: die »Architektur« (nicht, wie es sonst heisst, die »Kunste), von Kirche (links) und Staat (rechts) beschützt. In den beiden Seitenlunetten wird durch die »gebundene« Phantasie die Mathematik (links) und durch die »entfesseltes Phantasie die Begeisterung das Hauptthema der Baukunst in feinsinniger Weise variiert und durchgeführt. Diese vier spontan aus dem Innern ©) L. v. Führich, M. v. Schwind. Leipzig 1871. ?) Akten des Finanzministeriums im General-Landesarchiv (27. Dez. 1839) 3) Nach Feststellung des Herrn Franz Beil und Stadtarchivar Dr. Vischer in Karlsruhe.

150 Beringer.

quellenden Werke mit ihrem einheitlichen Gedankenkreis der Baukunst sind in Schwinds Lebenswerk später noch zu einem voll entwickelten Beispiel musikalisch- bildnerischen Ausdrucks gereift: zur »Symphonie«. Das dem musikalischen Schaffen im Hauptthema, Engführung, Gegen- bewegung, Variation usf. entsprechende Gestalten tritt hier aber erstmals deutlich und in klarer Entfaltung auf, um in der »>Symphonie« die klassische Form zu erhalten und im »Aschenbrödel« und in der »Melusine« zu immer grösseren Symphonien ausgearbeitet zu werden. Schwind hat diese Lunetten sehr rasch erfunden und gemalt. Vom Ende September bis Mitte Dezember 1840 wurden die beiden Seitenlunetten schon fertig gestellt. Dann begab sich der Künstler in das »Hauptquartier nach Münchene, von wo er anfangs Mai 1841 zurückkam.

Diese Münchener Zeit ist ausgefüllt mit den Entwürfen für das »Serail der Tugenden« für das Ständehaus, wovon weiter unten noch die Rede sein wird, sowie mit dem Carton für die Mittellunette: die Baukunst, von Staat und Kirche beschützt.

Nach der Rückkehr von München wurde diese, am 8. Mai i841 »noch ausstehende Mlittellunette« bis anfangs Juli gemalt, so dass erst nach dieser Zeit bis August 1842 das Fresko der »Einweihung« ausgeführt wurde. Im Sep- tember ‘1841, mitten in der Arbeit am grossen Fresko der »Einweihung«e und einer Retouche der 1840 gemalten zwei Lunetten und der fertigen Mittellunette, bittet Schwind um eine Abschlagszahlung. Form und Inhalt des An- suchens sind interessant genug, um hier bekannt gegeben zu werden. Es lautet:

Verehrtester Herr und Freund!

werden höflichst ersucht, eine neue Abschlagszalung von 600 f. zu veranlassen. Mein Bild ist so weit gediehen, wie Sie gesehen haben, dass ich eine dergleichen Zalung ansprechen kann und die letzte, belastet mit Anschaffungen, und stark anticipiert, durch frisch malen der voriges Jahr gemalten Lunetten und Wartezeit auf vollkommenes Austrocknen der Mauer, langt nicht mehr. Hoffe anopienst Erledigung und habe die Ehre zu verbleiben

Ihr ergebenster Diener Carlsruh. 2. Sept. 841. M. v. Schwind.

- Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 151

Der Winter 1841/42 war an Arbeit und Erlebnissen reich bewegt. Während Schwind in dieser Zeit sich mit dem grossen Fresko den Ruf als Monumentalmaler be- gründete, während schon neue grosse Pläne in seiner Vor- stellung reiften, nahte sich ihm das Glück seines Lebens. Er lernte die ebenso schöne, als tapfere und praktische Luise Sachs kennen und lieben. Die Kämpfe fehlten auch diesem Herzensbund nicht. Zweifellos hat Schwind mit ‚einer sicheren wirtschaftlichen Basis in den Ehestand treten wollen; deshalb hat er die Fertigstellung des grossen Freskos im Hochsommer 1842 bewirkt.

Am 25. August meldet er:

Grossherzogliches Hochpreisliches Finanz-Ministerium!

Das Freskobild im neuen Akademiegebäude, dessen An- fertigung ich um die Summe von 8000 fl. übernommen habe ist nunmehr, biss auf einige Retouchen, welche ich erst später anbringen kann vollendet.

Ich glaube daher, die Bitte stellen zu dürfen mir den Rest der Accord-Summe gefällig auszalen zu lassen,

Carlsrub 25. August 1842. Moritz von Schwind.

Die Zahlung der Restsumme wurde am ı. September 1842, zwei Tage vor der Hochzeit des Künstlers, genehmigt und erfolgte, wie alle übrigen Zahlungen, »aus dem für die Kunstsammlung bestimmten Fonds«.

Des inhaltlichen Zusammenhangs wegen seien auch die übrigen Arbeiten des Treppenhauses an dieser Stelle ein- gefügt, obschon sie in eine spätere Zeit fallen.

Mit dem grossen Fresko der Münstereinweihung und den drei darüber befindlichen Lunettenbildern, die den bild- nerischen Hauptgedanken der Verherrlichung der Baukunst umfassen, wäre die Aufgabe Schwinds für das grosse Treppenhaus eigentlich zu Ende geführt gewesen. Alle am Bau Beteiligten mochten wohl einsehen, dass die akzen- tuierte Betonung der Baukunst allein etwas Einseitiges haben musste für ein Gebäude, das von Anfang an mehr- fache Bedürfnisse und Zweckbestimmungen zu befriedigen hatte: »Die vorhandenen Kunstschätze und die künftig an-

152 Beringer.

geschafft werdenden zweckmässig aufstellen zu können; für Arbeits- und Studiensäle und kleine, leicht heizbare Kabinette, um jungen Künstlern die Benützung der Kunst- schätze möglich zu machen; es fehlt ein Lokal für die Aus- stellung des Kunstvereins und für die Aufbewahrung vater- ländischer Altertümer«'). Also sollte die Kunsthalle allen Künsten und allen Kunstfreunden dienen. Zudem blieben über den Türen der »fliegenden Gänge«s zu Seiten des Hauptbildes und der drei Mittellunetten breite Flächen frei, die nach Dekoration verlangten, sollte nicht die Wir- kung der ausgeführten Werke beeinträchtigt werden. Hübsch selbst scheint diese Erwägungen dringlich empfunden und Höchsten Ortes vorgetragen zu haben, denn kurz nach Fertigstellung und Honorierung des grossen Freskos kam unterm ı0. Dezember ı842 zwischen Hübsch und Schwind ein neuer Vertrag zustande, der sich auf die Seitenbilder Malerei und Bildhauerei und die äusseren Lunetten Friede und Wohlhabenheit bezieht. Er lautet:

Unter Vorbehalt der Höchsten Genehmigung Seiner König- lichen Hoheit des Grosherzogs wird folgender Vertrag abge- schlossen zwischen dem Historien Maler M. von Schwind, einer- seits, und anderseits zwischen dem Höchsten Orts bevollmächtigten Bau-Director Hübsch, über vier kleinere Wandgemälde, welche in dem Treppenhaus des neuen Academie-Gebäudes in Carls- ruhe zu beiden Seiten der bereits bestehenden Fresco-Bilder noch zu malen sind, um die ganze Rückwand gleichmäßig aus- zufüllen.

1). Auf den zu beiden Seiten des großen Bildes über den Thüren befindlichen 6’ breiten und 0!/g’ hohen Flächen ist auf einer Seite darzustellen, wie Herzog Berthold der Reiche?) durch Baldung Grün portraitirt wird, auf der andern Seite die Sabine, Tochter Erwins von Steinbach mit der Bildhauer-Arbeit des Stras- burger Münsters beschäftigt.

2). In den darüber befindlichen beiden Lünetten wird über dem ersten Bilde der Reichthum und über dem zweiten der Friede in allegorischen Figuren dargestellt.

3). Der genannte Maler verbindet sich, die sub ı und 2 ‚beschriebenen Bilder saemtlich im Laufe des nächsten Sommers al Fresco zu malen, und verbürgt solche Arbeit, welche sowohl

1, S. S. 140 Anm. ı. (Beilage usw) 2) Im Fresko wurde Christoph I. daraus, dessen Bildnis von H. Baldung-Grien die Kunsthalle "aufbewahrt.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 153

in Betreff der Composition, als des Colorits eines tüchtigen Künstlers würdig ist.

4). Der Preis der sub ı. genannten Bilder wird auf Vier- hundert Gulden pr. Stük, und der sub 2. genannten auf Drei- hundert Gulden pr. Stük, also zusammen auf Vierzehnhundert Gulden festgesetzt, bei welcher Summe alle erforderliche Vor- arbeiten und Auslagen mit inbegriffen sind, und nur die Her- stellung der nöthigen Gerüste, die Feuerung, und die Bezahlung des Maurers, welcher das tägliche Auftragen des Verputzes be- sorgt, und ausserdem zum Farbenreiben zu verwenden ist, aus- genommen sind.

5). Die Berahlling erfolgt nach Vollendung der Bilder, jedoch können Abschlagszahlungen im Verhältnis zur vorgerückten Arbeit gegeben werden.

6). Der Maler behält sich das alleinige Recht zur Publikation der Bilder durch Kupferstich oder Lithographie vor.

Gegenwärtiger in duplo ausgefertigter Vertrag ist zum Zeichen der Anerkennung von beiden Seiten zu unterzeichnen; nach er- folgter Höchster Ratification tritt derselbe in Gültigkeit, und wird dem Maler ein Exemplar zugestellt,

Carlsruhe den 10. November 1842. H. Hübsch.

M. v. Schwind.

Seine Königliche Hoheit der Großherzog genehmigen an- durch den vorstehenden Vertrag.

Karlsruhe den 10. Dezember 1842.

Großherzogliches Geheimes Kabinet. Frey.

Schon am ọ. Februar 1843 konnte Hübsch an die Allerhöchste Stelle berichten, dass zwei Kartons es sind wohl die beiden Seitenbilder vollendet seien, und dass die Auszahlung einer erbetenen Rate von 300 fl. gerechtfertigt wäre. Während im Laufe des Sommers die Fenster ein- gesetzt und die Fussböden mit Tannenriemen (statt, wie ursprünglich geplant, mit Plättchen) belegt wurden, malte Schwind die Fresken, die am 17. November 1843 für voll- endet erklärt wurden. Die Restzahlung der ausbedungenen Summe erfolgte sofort auf Befehl des Grossherzogs.

Die kleinen, noch bei Frau Professor von Ravenstein erhaltenen Erstentwürfe Sehwinds zeigen gegenüber den

ausgeführten Werken einige Abweichungen. So ist nament- Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. N.F. XXX. 2. II

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lich in dem »die Malerei« darstellenden Fresko, auf dem Hans Baldung den Markgrafen Christoph von Baden por- trätiert, der Kopf des Markgrafen nach dem Hans Baldung- schen Vorbild gegeben, während der Entwurf dieses Porträt nicht berücksichtigt.

Auf dem linken, die »Bildhauerei« darstellenden Fresko hält sich der Künstler an die Sage, Sabine, die Tochter Erwins von Steinbach, habe die berühmten Figuren der »Synagoges und der »christlichen Religione am Südportal des Strassburger Münsters geschaffen.

Leider sind die Kartons dieser beiden Fresken z. Z. nicht auffindbar, so dass die Umwandlung der kleinen Entwürfe in die heutige Form des Freskos nicht mehr Schritt für Schritt verfolgt werden kann Jedenfalls aber hat Schwind es auch hier verstanden, der verführerischen Nähe trockener Allegorienmalerei auszuweichen und Bild- hauerei, sowie Malerei mit lebendigem und vaterländischem Geist zu erfüllen. Vielleicht trägt Sabine sogar Züge seiner jungen Frau, so dass auch dieses Werk aus unmittelbarem Erleben herausgewachsen ist. Mit welcher poetischen Fein- heit Schwind die individuelle Seite dieser Stoffe in der Stube des Christophbildes und in der Werkstätte des Sabinenbildes mit dem Blumenstrauss vor der Statue herausgearbeitet hat, das bringt ein Beschauen der Bilder jedem zum Kunstgenuss fähigen Betrachter unmittelbar vor Auge und Herz.

Die zwischen September und November 1843 fertig- gestellten Lunetten, links der »Friede«, rechts der »Reich- tum«, zeigen wiederum die geniale, urtümliche Begabung Schwinds für Komposition. Denn gegenüber den in den Rundbildern für die Erste Kammer schon einmal behan- delten gleichen Themen ist Schwind hier wieder völlig neu in Form- und Raumausbildung. Geistvoll ist, wie der junge Vater Schwind das Motiv der Wiege einführt, mit dem »Frieden« (Lorbeer) in Verbindung bringt und damit aus dem unmittelbaren, häuslichen Erleben gestaltet.

Ebenso feinsinnig sind im »Reichtum« die Schätze des Acker- und Bergbaues, der Schiffahrt und des Handels angedeutet, die in Baden den Wohlstand der Bevölkerung nach schweren Kriegsnöten wieder heben halfen.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 155

Wenn man diese geistvollen und feinen Umdichtungen ins Bildnerische Götzenbergers wörtlichen Übersetzungen der Badener Sagen in der Trinkhalle gegenüberstellt, die, wegen ihrer Billigkeit, dort den Sieg über Schwinds Kunst davongetragen haben, wird man ebenso die Verärgertheit Schwinds begreifen, wie auch bedauern, dass nicht Mittel und Wege gefunden werden konnten, Schwind den Auf- trag in Baden doch zu sichern.

c) Die anderen Werke Schwinds für die Kunsthalle.

Während der Innenausbau der Kunsthalle fortschritt, und während Meister Schwind das Einweihungsfresko trotz der Winterszeit frohgemut unter den ihn tief beglückenden Empfindungen seiner rasch entflammten Liebe zu Luise Sachs förderte, hatte Hübsch einsehen lernen, dass die für die Gipsabgüsse bestimmten Säle des unteren Stockwerks durch die projektierten Stukkaturen, ebenso wie durch etwa eingerahmte Arabeskenverzierungen keinen ihres Inhalts würdigen Anblick gewähren und den Kunstgenuss nicht so steigern würden, wie es die höchste Willens- meinung und die Absicht der Regierung bei Inangriff- nahme des Baues gewesen war. Er war der Ansicht, dass dem hohen künstlerischen Inhalt der Säle auch ein ent- sprechend hoher geistiger Gehalt der Wanddekoration ent- sprechen müsse.

Hübsch beantragte deshalb beim Finanzministerium, obgleich die ursprüngliche Bausumme schon bedeutend überschritten war, wohlbegründet die Ausgestaltung der der Plastik zugedachten Räume des unteren Stockwerkes mit folgenden Ausführungen vom 4. Januar 1842:

»Diese grossen Wandflächen blos mit Arabesken allein zu verzieren würde sehr arm und nüchtern aussehen. Es müssen notwendiger Weise hier grössere zwar allerdings durch Ara- besken umgebene Felder und Friese angelegt werden, welche passende historische Compositionen enthalten, z. B. Szenen aus den olympischen Spielen, aus der Ilias in 3—4 Fuss hohen Figuren, welche übrigens gleich den Darstellungen auf den hetrurischen Vasen und in mehreren Sälen des Königsbaues in ‚München nur conturiert und ein- oder zweifarbig auf dunklem Grund oder auf hellem Grund auszuführen wären.

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156 Beringer.

Die Hauptarbeit besteht natürlicher Weise in der Composition dieser wohl die Zahl von 100 erreichenden Darstellungen und in der Anfertigung der Cartons, welche alsdann von einigen Jungen, sich mit einer mässigen Tagesgebühr begnügenden An- fängern unter der Direktion des Compositeurs schnell auf die Wände gepausst und angelegt sind. Solche Compositionen können nun nicht übereilt werden, und es wäre für die Sache wünschenswert, dass damit schon jetzt begonnen würde.

Ich sprach deswegen schon öfter mit dem Maler M. von Schwind, dessen Talent und Leichtigkeit im Componieren nach meiner Ansicht am ersten eine schnelle Förderung bei wohlfeiler Honorierung möglich machen. Er erklärte mir, dass er diese Arbeit zwar recht gern übernehmen wolle, doch müsse er wünschen, der Verakkordierung jedes einzelnen Stückes über- hoben zu sein. Dagegen wolle er sich (was für ihn ehrenvoller und für die Sache vorteilhafter wäre) verbindlich machen, die ganze Suite von Darstellungen binnen zwei Jahren von jetzt an gerechnet zu liefern, wenn ihm für jedes Jahr ein Aversalbetrag von 1000 fl. ausgesetzt würde, |

Ich halte diese Forderung für ausserordentlich billig und so sehr im Interesse der Baukasse, dass ich mich beeile, auf hoch- gefällige baldige Genehmigung gehorsamst anzutragene!),

Die Genehmigung des Grossherzogs zu diesem Vor- schlag Hübschs erfolgte am 3ı. Januar 1842, und das Finanzministerium verlangte unterm selben Datum eine vertragliche Abmachung zwischen Hübsch und Schwind.

Dieser Vertrag wurde am 5. Februar geschlossen und der General-Intendanz der Grossh. Zivilliste vorgelegt:

Abschrift.

In Folge hohen Erlasses Großherzoglichen Finanzministeriums vom z3ıten v, Mts. No 1048 in Betreff der Ausschmückung des neuen Academiegebäudes wird mit dem Historienmaler M. von Schwind folgender Vertrag abgeschlossen:

ı). Es sind die Felder und Friese, welche sich nach näherer Angabe des Oberbauraths Hübsch (der die architectonische Deco- rirung der Gewölb- und Wandflächen in genanntem Bau aus- führt) dazu eignen, mit passenden historischen Darstellungen in durchschnittlich drei Fuß großen Figuren in der Art auszufüllen, daß die leztern nur contourirt und ein- oder zweifarbig, theils hell auf dunklem Grund, theils dunkel auf hellem Grund aus- geführt werden. Und hiezu liefert »

I) Akten des Finanzministeriums im Grossh. General-Landesarchiv, Bau- sache Nr. 58. (Schreiben vom 4. Jan. 1842).

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Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 157

2). M. von Schwind die Compositionen in der Gestalt, daß hiernach durch angehende Maler die Aufzeichnung im Großen und die Uibertragung auf die Wand ausgeführt werden kann.

3). Es sollen in Bälde einige taugliche angehende Maler, welche diese Arbeiten in einem Zimmer des neuen Academie- baues gegen einen mäßigen Monatsgehalt beginnen, durch M. von Schwind namhaft gemacht werden. Und der letztere hat dieselben gehörig zu unterrichten und sowohl die Aufzeichnung seiner Compositionen im Großen zu corrigiren, als die spätere Uiber- tragung auf die Wand fortwährend zu dirigiren.

4). Die Zahl dieser im Lichten durchschnittlich zwanzig Quadratfuß großen Felder wird sich auf hundert belaufen. M. von Schwind wird zunächst mit der Darstellung der olym- pischen Spiele (einem jedenfalls sehr passenden Sujet) beginnen, jedoch hinsichtlich der übrigen Sujets collegialische Berathung mit Gallerie-Director Frommel und Oberbaurath Hübsch pflegen, worüber alsdann die Resultate Höchsten Orts zur Genehmigung vorzulegen sind.

5). M. von Schwind, welcher sich verbindet, mit den be- treffenden Vorarbeiten baldigst zu beginnen und die erforder- liche Anzahl von Compositionen in der Art zu fördern, daß sämtliche Arbeiten längstens zu Ende des nächsten Jahres voll- endet sein werden, erhält, in regelmäßigen Quartalraten zahl- bar für das laufende Jahr einen Gehalt von Eintausend Gulden, und die gleiche Summe für das nächste Jahr.

6). Es sind obige Bestimmungen in duplo auszufertigen, durch M. v. Schwind zu unterzeichnen, und wird demselben nach beigefügter hoher Ratifikation ein Exemplar zugestellt.

Karlsruhe den sten Februar 1842.

(gez.) Moritz von Schwind. v. Pfeilsticker.

Es ist sehr interessant, zu verfolgen, wie sich Schwind mit dieser Aufgabe auseinandersetzte, wie geistreich und selbständig er sie löste, und wie er ihre künstlerische Be- deutung und Bewertung durch Anordnung und Ausführung zu betonen wusste. Grerade dieses Werk stellte schöpferisch und formal an den Künstler höchste Anforderungen. Er begab sich in Wettbewerb mit der Antike und mit Goethes Kunstanschauungen. Er musste also durchaus etwas Neues, dichterisch Geschautes im abstrakten zeichnerischen Stil geben, wollte er weder durch Anlehnung die Kritik heraus- fordern, noch durch Alltäglichkeit auf die reizvolle An- ziehungskraft seiner Schöpfung verzichten. Auch hier war

158 Beringer.

der Weg durch die mündlichen und vertraglichen Ab- machungen mit Schwind in gewissem Sinne schon vor- geschrieben. Die Forderung, dass diese Wandverzierungen in der Art der »hetrurischen Vasen« ausgeführt werden sollten, hatte tiefere Gründe, als nur die dekorativ archi- tektonischer Zweckmässigkeit. Diese Darstellungen sollten gewissermassen die Probe auf das Exempel sein. Ende Februar ı839 hatte der badische Vertrauensmann in Kunst- angelegenheiten, der in Italien lebende Rittmeister Maler!) zu Neapel Vasen und Terrakotten im Betrag von 6600 fl. angekauft, die in den unteren Räumen der »Akademie: zum Studium für die jungen Kunst- und Architektur- beflissenen auf Tischen und Konsolen aufgestellt werden sollten. Die Anwendung dieser antiken Dekorationsweisen und Vorbilder ins praktische Leben der Zeit sollte in dem »neuen Akademiegebäude« dargetan werden. Schwind ging in genialer Weise über dieses unterrichtliche Ziel weit hinaus und schuf auch hier wieder Bilddichtungen voll tiefen und feinen Sinnes.

Wenn es nach Schwind allein gegangen wäre, so hätte die dekorative Ausgestaltung überhaupt einen im höheren Sinn künstlerischen Charakter erhalten, bei dem z. B. die Einzelthemata der Philostratischen Gemälde in eine dekorative Raumeinteilung eingefügt und ihr inhalt- licher Gedanke stärker herausgebildet gewesen wäre. Der auch in der architektonischen Raumaufteilung geniale (nicht ausgeführte) Entwurf im Besitz der Familie von Ravenstein ist Beweis dafür. Immerhin wusste Schwind die Anordnung der Gemälde so zu treffen, dass seine Lieblingsidee am stärksten zur Geltung kam.

Im ersten Saal (vom Eingang links) entwickelte er seine geniale Neu- und Umdichtung der sogenannten »Philostratischen Gemäldes.. Der zweite Saal enthält die olympischen Spiele. Im Galerieeingang (rechts vom Portal) befinden sich über die Wände verteilte, heute teilweise durch Kartons verdeckte Einzelfelder mit Figuren und Gruppen im Vasenstil, Szenen aus dem attischen Leben, wie Ringer, Opfernde, Reiter usf. Ein einheitlicher Gedanke

1) Badischer Geschäftsträger in Rom.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 159

scheint ihnen nicht zu unterliegen. Die daran anschliessen- den Säle sind der Verherrlichung der altrömischen Welt und der wichtigsten Städte der italienischen und deutschen Kunst gewidmet. |

Man darf annehmen, dass die vertraglich festgelegte, »kollegialische Beratung« nur für die allgemeinste Dispo- sition der Anlage stattgefunden hat, dass aber dem Künstler Schwind die weiteste Freiheit gelassen wurde. Jedenfalls aber ist die Ausgestaltung des ersten (links liegenden) Saales durchaus und ausschliesslich nur aus dem schöpfe- rischen Geiste Schwinds zu verstehen. Sie ist eine ori- ginale und künstlerische Grosstat des Meisters, trotz der Abschwächungen, die durch die Übertragung entstanden sind.

Die vortreffliche Arbeit Rich. Foersters über M. von Schwinds »Philostratische Gemälde« ist leider nur wenig bekannt. (Sie war z. B. aus keiner badischen öffentlichen Bibliothek zu bekommen; auch aus dem Grossh. Kupfer- stichkabinett der Kunsthalle nicht). Wir gehen deswegen, und um einige, in dieser Arbeit noch bestehende, kleine Unrichtigkeiten auszugleichen, kurz auf diese Werke hier ein.

Unter dem Namen der »Philostratischen Gemälde ist eine besondere Literaturgattung der Sophisten zu ver- stehen: die Beschreibung von Kunstwerken von Philostrat dem Älteren und dem Jüngeren. Ob diesen Beschreibungen wirkliche Gemälde einer im 3. Jahrhundert n. Chr. in Neapel angeblich vorhandenen Galerie oder nur rednerische Er- findungen zugrunde lagen, kann für unsere Darstellung ausser Betracht bleiben. (Goethe hat in seiner Schrift »Philostrats Gemälde und Antik und Moderne (1818) ein Verzeichnis und teilweise auch eine nähere Beschreibung dieser aus »herkulanischen Altertümern und neueren Künst- lern« ergänzten Themata gegeben.

Schon einmal hatte Schwinds Genius Goethes Lebens- und Schaffenskreis berührt. Das erstemal hatten Schwinds phantasievolle Illustrationen zu »Tausend und eine Nacht« (1826—27) dem Altmeister der Poesie so warme Worte der Anerkennung abgewonnen, dass der junge Künstler ihm für das erste gewichtige Lob immer verbunden und dank- bar blieb. Weiterhin hat Goethes Gedicht »Ritter Kurts

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Brautfahrt«e dem Künstler die Anregung zu dem herrlichen Dokument deutsch-romantischer Kunst gegeben. Das Bild wurde nach langen Irrfahrten und vielen Ablehnungen im August 1842 zum Preis von 1800 fl. für die Karlsruher Galerie erworben!). In den »Philostratischen Gemälden«s geht der Goethe-kundige Meister wieder auf den künst- lerischen Urquell zurück.

Schwind hält sich im wesentlichen an Goethes Auf-

zählung, geht sogar in einigen Dingen über Goethe hinaus, .

lässt aber auch mehrere Aufzeichnungen aus, d. h. Schwind geht wählend, sichtend und neu kombinierend vor. Damit bringt er in die bei Goethe unter 8 Haupttitel zusammen- gefassten 79 Themata einen einheitlichen Gedanken: das Bild des menschlichen Lebens von seiner Entstehung an bis zum Tode in der Form antiker Stoffe. Er fasst diesen Gedanken in 7 Kreise zusammen, von denen 6 je einen grösseren Fries mit den dazu gehörigen 5 kleineren Dar- stellungen (je 2 Quer-, 2 Hoch- und ı Rundbildchen) ent- halten. Nur der 7. Kreis enthält, wie grosse Schluss- fermaten, zwei grössere Friese. Demnach ergibt sich fol- gende Gliederung und Anordnung im I. Saal, wonach die Abbildungen bei Weigmann zu ordnen sind: I, a) Fries: Meerfahrt der Aphrodite. b) (Querbilder): Dionysos und Ariadne. | Meles und Kritheis. c) (Hochbilder): Perseus und Andromeda. Jason und Medea. d) (Mittelrundbild): Eros und Aphrodite, II. a) Geburt der Athene. b) Erziehung des Dionysos. Erziehung des Achill durch Cheiron. c) Hermes treibt die Rinder des Apoll in eine Höhle. Hermes entwendet Apollo den Bogen. d) Iris. | Ill. a) Herkules schmausend. b) Herkules als Kind, Schlangen erwürgend. Herkules mit seinen Kindern scherzend.

1) Mitteilung der General-Intendanz der Grossh. Zivilliste.

EEE a or EEE EREELGggSE-ERdEEEn Er _ _ Aut a

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 161

c) Herkules das Himmelsgewölbe tragend. Herkules und Antaios. d) Herkules und Hebe.

IV. a) Artemis und Aktäon. b) Meleager und Atalante. Kephalos und Prokris. c) Narkissos. Artemis und Endymion. d) Artemis. V. a) DionysosgegendietyrrhenischenSeeräuber. b) Die Insel Andros (Naxos). Dodonafer Hain). c) Amphitrite (Galatea). Kybele. | d) Der schlafende Pan.

VI. a) Poesie, Gesang und Tanz. b) Pan, von den Nymphen gefesselt. König Midas. c) Pindar. Orpheus. d) Apollo. VII. a) Arrhichion stirbt. b) Achill beweint den Antilochos.

In wie weit Schwind mit den Philostratischen Gemälden, die er aus irgend einer Übersetzung gekannt haben muss, und mit Goethe übereinstimmt oder von ihnen abweicht, mag durch Nachlesen von Goethes Schrift und von R. Foersters eingehender Arbeit festgestellt werden. Ich glaube, keinen Fehlschluss zu tun, wenn ich die unter VII genannten 2 Schlussfriese als Hauptdarstellungen und Kerne für 2 nicht völlig ausgeführte Kreise (VII und VIII) ansehe, womit Goethes 8 Gruppen erreicht wären. Der Grund für das Versagen der Ausgestaltung dieses 7. und 8. Kreises mag mehrere Ursachen gehabt haben. Das Nächstliegende wäre wohl, anzunehmen, dass Schwind eben nur 6 Ge- wölbefelder in dem einen Saal zur Verfügung hatte, und dass diese 2 Kreise für einen weiteren Saal nicht in Be- tracht kamen, da. diese Räume schon durch andere Ideen- kreise ausgefüllt waren. Ferner erkannte Schwind die

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grosse künstlerische Leistung seiner Entwürfe als nicht genügend honoriert. Dazu kam in derselben Zeit die schwere Enttäuschung des Künstlers bezüglich der Fresken für die Trinkhalle zu Baden. Die »Spannung«, die zwischen Hübsch und Schwind entstand, und die Meinung Schwinds, beim Grossherzog in Ungnade gefallen zu sein, riefen in dem leicht erregbaren Künstler das bittere Gefühl hervor, »ausgenützt« und »schlecht behandelte worden zu sein. Die Abneigung, zur Erfüllung des Vertrags weitere Entwürfe zu machen, ist aus dieser Verstimmung zu erklären.

Dem Vertrag gemäss, wurde mit dem II. Saal (linker Gebäudetrakt), den olympischen Spielen, begonnen. Die beiden Gehilfen Schwinds, Lucian Reich von Hüfingen und Anton Geck von Offenburg, fingen im Juni 1842 ihren mit Tagesgeldern von wöchentlich je 12 fl. entlohnten Dienst an, wobei ihnen »die (übrigens unbedeutenden) Aus- lagen für die öfter erforderlichen »lebendigen Modelle« erstmals am 6. Juli 1842 vergütet wurden«.

In den olympischen Spielen, die sich auf »Faustkampfs, »Ringkampfe, »Wettlaufs, »Wagenrennen«und »Wettrennenzu Pferd« erstrecken, knüpft Schwind nur insofern an den für die Kgl. Residenz (1836 u. f. J.) geschaffenen Fries mit allego- rischen Darstellungen der »>Segnungen des Friedens« an, als er die einzelnen Vorgänge friesartig zusammenfasst. Er will auch hier nur durch den Rhythmus der Gruppen und Bewegungen die Fläche dekorativ aufteilen und eine möglichst reiche Entfaltung von Stellungen und Bewegungen zur Anschau- ung bringen. Aber in der Beschränkung auf den Stil der »hetrurischen Vasen«, d. h. in der rein flächenmässigen, fast silhouettenhaften Darstellung hat Schwind ein neues Stilelement erobert und mit bewundernswertem Greschick durchgeführt. Auch hier hat der Künstler das Ihema ver- tieft. Er gab, wie es sich als Ergänzung aus den deko- rativen Füllungen mit den kleinen Rundbildern: Kind mit Fangball, Kind mit Triangel, Spiel mit mehreren Bällen, Spiel mit Stäbchenwerfen, flötenspielender Knabe, Knabe mit Flechtwerk und die Preise verteilende Athene erweisen lässt, gewissermassen die Vergeistigung der körper- lichen Durchbildung. Er stellt somit das Erziehungsideal der griechischen Antike in der harmonischen Ertüchtigung

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 16 3

von Körper und Geist dar, das in der Jugend reines Spiel, im reiferen Alter das Ringen um die beste Leistung an Mut, Ausdauer, Geschicklichkeit, Kraft und Tüchtig-

keit ist. Die zwei Wandflächen neben dem Fenster haben eben-

falls noch dekorativen Schmuck in den zwei Feldern er- halten, worin das Musische in der Ausbildung der Griechen und das religiöse Element, in dem körperliche und musische Erziehung untertauchten, sich angedeutet finden. Den linken Pfeiler ziert der Dichter und Musiker, der Sänger im weitesten Sinn, der von der heranschreitenden Nike bekrönt wird. Der rechte Pfeiler zeigt den bildenden Künstler mit der Nike in der Hand, opfernd vor dem Dreifuss sitzend. Beide Darstellungen sind bei Weigmann (Klassiker der Malerei IX. Bd.) nicht reproduziert.

Auch der III. Saal (rechts liegend) enthält in den Rundbildern -und Friesen aus der römischen (Geschichte gewissermassen ein Ideal: das des Staates. Am deutlichsten ist es in den drei Allegorien der Rundbilder ausgesprochen, in der siegreichen und herrschenden »Roma«, in der »Vesta«, der Hüterin des heiligen Feuers, und in der weisen tibur- ‚tinischen »Sybillee. Sie sind die Vertreter der Ideen der Gerechtigkeit, Familienhaftigkeit und Weisheit, die dem römischen Staatswesen die Festigkeit und Würde ver- liehen.

Die friesartigen, mehr stadtgeschichtlichen oder histo- rischen Darstellungen behandeln die Landung des »Aeneas bei Cumae«, die »Vermählung des Aeneas mit Lavinias, die »Wölfin mit Romulus und Remus«, den »Raub der Sabi- nerinnen« »Numa bei der Nymphe Egeria« und den »Tod der Virginia«, im weitesten Sinne also die, den römischen Staat gründenden und erhaltenden Momente.

Künstlerisch hat Schwind hier eine Darstellungsweise gewählt, die dem Hochreliefcharakter entspricht, indem er die Figuren lediglich durch Linien und einfache Farbtöne in grau, raumfüllend, fast plastisch, auf die Wandfläche modellierte.

In den Rundbildern des Durchgangssaales (rechts) sind die in der Kunst berühmt gewordenen Städte Rom, Köln, Nürnberg, München, Karlsruhe (!), Mailand, Venedig und

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Florenz durch Einzelfiguren mit entsprechenden Attributen dargestellt. Renaissance und Neuzeit, Italien und Deutsch- land allein sprechen hier. So bewundernswert Schwinds Variationsfähigkeit ist, die Einzelfigur in das Kreisrund einzuordnen, so darf hier doch die Anlehnung des Künstlers an die Figuren Michel Angelos in der Sixtinischen Kapelle nicht verkannt werden. Diese Rundbilder sind die letzten und schon befreiten Ausklänge der italienischen Eindrücke; denn in keinem späteren Werke Schwinds, etwa in den Wartburgfresken der heiligen Elisabeth oder in den sieben Werken der Barmherzigkeit oder in noch späteren Schöpfungen, sind die monumentalen Ausdrucksweisen so gewählt worden, wie hier. Schwind hat in diesen Alle- gorien eine ähnlich frostige Empfindung nicht überwinden können, wie er sie bei der Komposition der Tugenden für das Ständehaus gehabt hat. Kompositionen dekorativer Art waren eben doch weniger seine Sache, ‘als die dich- terische Kondensation seiner unendlich reichen Vor- stellungswelt.

Die Frage nach dem Verhältnis der antikisierenden Darstellungen Schwinds zu den antiken Vorbildern auf den angekauften »hetrurischen Vasen« muss hier noch kurz berührt werden. Dabei ist im Auge zu behalten, dass nur die Erfindung und Raumdisposition dieser Werke in kleinem Format von Schwind stammt, und dass ihre heute sichtbare Gestaltung den zwei künstlerisch damals noch unaus- gereiften Helfern zufiel. Was wir heute sehen, ist eine Übersetzung hinsichtlich der Grössenverhältnisse, wie des Ausdrucks. Schwinds kleine Originale, aufbewahrt in der sorgsamen Hut der jüngsten Tochter des Meisters, der Frau Professor von Ravenstein in Karlsruhe, sind zweifellos frischer, unmittelbarer und deshalb noch vom reichsten Leben und von der herrlichen Geistes- und Bildnerkraft des Genies erfüllt. Dass die ÖOriginalentwürfe ganz der antiken Formgebung angeglichen seien, darf man nicht sagen. Dazu sind sie eben doch zu sehr Kinder Schwinds. Bewegungen, Linien, Körperbildungen, Gruppierungen sind trotz aller »Vasenvorbilder« doch in das unmittelbare Leben der Zeit und des Schwindschen Künstlergeistes versetzt. Umso stärker ist demnach die Übersetzung ins Antike zu

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 16 5

empfinden, die ihnen durch die noch schulgerechten Kunst- . jünger zuteil geworden ist.

Immerhin sprechen diese Werke von den Wänden herunter eine so unverkennbare Sprache, wie älteste Kunst- weisen und Ideen viel späteren Zeiten und Kunstanschau- ungen fruchtbar und dienlich gemacht werden können, ohne den Reiz des Neugeschaffenen zu entbehren. Ihre Aufgabe, vorbildliche Muster zeitgemässer Ausschmückung neuer, würdevoller Räume zu sein, haben sie nicht nur für ihre Zeit erfüllt. Auch heute noch können sie jungen Bildnern und Baubeflissenen die grosse Wahrheit mitteilen, dass Neuschöpfung gegebener Ideen und Neuerfindung von Vorstellungen keine sich ausschliessenden oder feindlichen Gegensätze sind.

Leider endete dieses Werk mit Missklängen. Die Ver- gebung der Fresken für die Trinkhalle in Baden-Baden an Schwinds Konkurrenten Götzenberger hat unseren Meister tief verletzt und ihm den Aufenthalt in Karlsruhe unleid- lich gemacht. Noch fehlten, nach Hübschs Ansicht, für den Gralerieeingang links und für das Vestibül einige Kompositionen. Schon im Spätherbst 1843 (unterm 10. November) hatte der Architekt den Maler aufgefordert, die für das Vestibül nötigen Kompositionen zu liefern. Das Schreiben lautete infolge der eingetretenen Misstimmung zwar gesehäftlich, aber doch in gewissem Sinne entgegen- kommend, wie folgt:

Carlsruhe ro November 1843.

An Herrn M. v. Schwind der

Grossherzogl. Baudirektor Hübsch.

In dem Vestibul des Academie Baues sind zu ebener Erde über der Einfahrt, über den zwei Hauptthüren und zwischen den Wandsäulen die Wandflächen mit ähnlichen monochromen Darstellungen, wie der erste Saal enthält, auszufüllen. Nach dem beifolgenden Risse ergeben sich 7 friesartige und darunter 4 entsprechende grössere Felder, welche letztere, wenn Sie es wünschen, auch noch etwas höher angenommen werden könnten.

Indem ich Sie nun in Folge des bewussten Vertrags vom 5. Febr. v. J. ersuche für die ıı genannten Felder passende historische Compositionen gefälligst entwerfen zu wollen, füge

166 Beringer.

ich noch bei, dass Galleriedirektor Frommel und ich hinsichtlich der Gegenstände, welche Sie für passend halten werden, uns im Voraus einverstanden erklären.

Ich bitte übrigens die Figuren stehend und erwachsen gedacht zwischen drei und vier Fuss zu halten.

(gez) Hübsch.

Schwind erwiderte bis zu Ende des Jahres weder mit einer Antwort, noch mit Zeichnungen. Hübsch glaubte zur Verantwortung gezogen werden zu können und wieder- holte am 30. Januar 1844 seine Aufforderung an Schwind mit folgendem Schreiben:

Carlsruhe 30t Januar 1844. Euer Hochwohlgeboren

ersuche ich die Compositionen für die in meinem Schreiben vom 10. November v. J. benannten Felder baldgefällig dem Maler Reich übergeben zu wollen, damit die Aufzeichnung ins Grosse stattfinden kann und damit ich die Erfüllung des Accords vom 5. Febr. 1842 an Grossherz. Finanz Ministerium anzeigen, und auf Verabfolgung der letzten Zahlungs Rate antragen kann.

Es sind zwar von Ihrer Seite noch nicht so viele Com- positionen geliefert worden, als $ 4 des Accords bestimmt; indessen werde ich dennoch den Antrag dahin stellen, dass der Accord als erfüllt angesehen werden möge, und zweifle nicht an Hoher Genehmigung.

Mit .... (gez) Hübsch.

Diesmal antwortete Schwind seinem ehemaligen »Freund und Gönner« Hübsch in temperamentvoller Weise, indem er schrieb:

Euer Hochwohlgeboren.

Es ist schlimm genug dass ich mich Ihnen gegenüber auf den Wortlaut des Contracts berufen muss, und es ist mir ein langweiliges Geschäft. Indessen habe ich genau nachgesehen und gerechnet, und gefunden dass ich mich mit gutem Recht und Gewissen weiterer Arbeiten überhoben, und meine Ver- pflichtungen als erfüllt ansehen kann, indem statt für 2000 qFuss Wandfläche bei einer durchschnittlichen Höhe von 4 Fuss für 2500 qFuss Compositionen geliefert sind. Es ist mir übrigens gelegener, ein Paar Striche zu zeichnen, als viel zu schreiben,

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 167

nur nicht eher biss mir das letzte Geld ausgezalt ist, das mir in regelmässigen Quartalen zusteht. Ich finde in meinem Contract nichts von einer Caution und habe keine Lust mich darauf ein- zulassen.

O.D. (30.131. Jan. 1844). Mit vollkommener Hochachtung

M. v. Schwind.

4

Nun blieb Hübsch, der sowohl die Erfüllung eines von ihm verantwortlich gezeichneten Vertrages, als auch die dekorative Ausschmückung seines Bauwerkes gefährdet sah, nichts übrig, als dem Finanzministerium über die Sachlage Bericht zu erstatten und um oberinstanzliche Entscheidung zu bitten. Er beantragte, dass seine »spezi- fizierten Berechnungen der gelieferten und vergrösserten Arbeiten dem Herrn von Schwind zur Widerlegung oder Anerkennung mitgeteilt würdens, und dass dann entschieden werden möge, ob die Zahlung erfolgen und »die für das Vestibüll noch nothwendigen Kompositionen an einen anderen Historienmaler verakkordiert werden sollen, oder ob Herr von Schwind ausser den noch jedenfalls unent- behrlichen circa 250 (Quadratfuss betragenden Kompo- sitionen für das Vestibul selbst alle nach $ 4 des Vertrags noch fehlenden Kompositionen, welche in dem unteren Korridor sehr passend anzubringen wären, noch zu liefern habe. In letzterm Fall bitte ich sehr, die dortseitige Hohe Weisung direkt und nicht durch mich an Herrn von Schwind ergehen lassen zu wollen.

In dem Bericht des Finanzministeriums an den Gross- herzog hebt der Referent (Ziegler) hervor, dass Hübsch das Honorar ohnehin »gering findet« und beantragte, dass wegen der zwischen Hübsch und von Schwind eingetretenen Spannung, die den Ausgleich erschwere oder unmöglich machen würde, ein anderes Mitglied des Komitees zur Untersuchung und Erledigung eingesetzt werden solle.

Diese Aufgabe fiel dem Galeriedirektor Frommel zu, der sich in seinem Immediatbericht, wie folgt, ausspricht:

168 Beringer.

Seiner Koeniglichen Hoheit dem Grosherzoge Leopold!

Zum Hochpreisslichen Geheimen Cabinette.

Bericht des (salleriedirektors Frommels, die v. Schwind’sche Compositionen im Neubau betr.

Im Auftrag eines Rescript's des Finanz Ministeriums vom 28 v. M. N,,1478 eine genaue Untersuchung vorzunehmen, in wie weit Maler v. Schwindt, seine übernommene Verbindlichkeit bey der Ausschmückung der unteren Räume im neuen Museum durch historische Darstellungen nachgekommen sey und solches an ein hochpreisliches Geheime Cabinet zu berichten, habe ich unterthänigst zu berichten, dass die hier beyliegende unterm 5. Febr. d. J. durch Baudirektor Hübsch vorgenommene Messung dieser Compositionen nach (Juadratschuhen, ihre Richtigkeit habe und dieselben nicht mehr als 14,00, []’ betragen, während 2,000, []’ gefertigt werden sollen, ebenso sind es nur 75 Com- positionen statt 100, wenn man auch die kleinen Felder als Compositionen von 20, [)’ gelten lassen will.

Im Accord steht nun, dass v. Schwind 100 Compositionen, jede in durchschnittlich 3’ grossen Figuren zu liefern hat, es wurde aber vom Accord abgegangen und sehr viele Felder mit kleineren und gröseren Figuren als 3’ Höhe ausgeführt, so dass viele derselben statt 20, Q’ nur 4, [)’ füllen und die Figuren statt 3' nur 8 Zoll hoch sind, dagegen sind auch mehrere welche gröser als 3’ sind, in vielen Feldern ausgeführt. -

Baudirektor Hübsch hat daher, die grosen wie die kleinen Felder, durchschnittlich zusammen gemessen, welches obige 14,00, []’ beträgt, fehlten also noch 600, QJ’ zu 2,000, Q’.

v. Schwind damit nicht zufrieden behauptet, dass die Figuren welche er hierzu componiert hat, alle zu 3’ berechnet werden müssten, er halte sich nur an seine Zeichnung und da ergäben sich über 2,500, [] und somit also 500 [])’, zu viel geliefert,

Ich habe daher mit Architekt Engesser, nochmals in der Art sämtliche Felder ausgemessen wie folgende specificirte Rech- nung F. ausweist nehmlich dass jedes Bild auf 3 Schuh reducirt wurde (einer stehenden Figur) so dass die auf der Wand grösser ausgeführte Felder auf 3’ verkleinert und die kleineren auf 3’ proportionirt vergrösert wurden, welches nach dem Accorde die Höhe des Bildes .nehmlich eine stehende Figur a 3’ Höhe, gibt.

Nach dieser Berechnung, ergibt sich dennoch nur ein Mehrbetrag von 8, [] zu Gunsten des v. Schwindt, fehlen also immer noch 592, 0^.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 169

Aber auch hiermit ist v. Schwindt nicht zufrieden und beruft sich auf den Wortlaut im Accorde, dass jede Figur d. h. ein- zelne, 3’ enthalten müsse zu proportionirter Breite, er kümmre sich nicht darum, wie gros oder klein man seine Zeichnungen im Gebäude ausführe und halte sich nur an letztere und an den Accord, wo er pr Figur 3’ accordirt habe und dabei über 2,500, U)’ herausbringe von schon gefertigten Arbeiten.

Obschon dies im Accord sich nicht bestimmt ausspricht, so kann doch eine solche Berechnung nie statt finden, denn im ersten Saale z. B. sind sehr viele kleine Compositionen mit sehr vielen oft übereinander stehenden Figuren, sollte nun hier jede kleine Figur zu 3’ in Proportion mit der Breite vergrösert werden, so erschiene hier ein enormes Maas, welches weit die v. Schwindt angeführte 2,500 []’ überschreiten würde.

Der ganze Fehler liegt darin, dass der Accord nicht bündig

und umfassend genug ist und dass man auf mündliche Ueber- einkunft, da v. Schwindt es sehr wünschte, davon abgieng, ohne im Accord diese Aenderung als Nachtrag genau darin zu be- stimmen. Bey diesem Stand der Dinge, welche, wenn man sich von beiden Seiten mit gleicher Schärfe begegnen will, zu unerquik- lichen Prozessen führen würden und in Betracht dass v. Schwindt bey einer nur ihm eigenen Leichtigkeit eine so grose Anzahl von kleinen Figuren und reichen Compositionen gezeichnet hat und unsere beiden Berechnungen gegen ihn scharf und ohne irgend Zugabe gemessen sind, so wie endlich doch auch diese kleine auf der Wand aufgeführte Figuren ihm dieselbe Mühe verursacht haben bey der Composition, als wenn man sie gros ausgeführt hätte, so glaube ich unmasgeblich, dass man hier doch den Vertrag als erfüllt ansehen könne, zumal da der Preis von so vielen Compositionen und der dabei erforderlichen Correctur bey der Vergröserung derselben sowie der Beaufsichtigung bey der Ausführung im Gebäude selbst, mit fl. 2000, kein unbilliger genannt werden kann, indem dies eine lange und mühevolle Arbeit ist.

Es geht daher mein unterthänigster Antrag dahin, womit auch Baudirektor Hübsch sich einverstanden zeigt, dass man den Accord als erfüllt ansehe und v. Schwind den Rest seiner For- derung anweise.

Was die Monogromme (Monochrome) im Treppenhaus beym Eingang angeht, welche sich hauptsächlich auf Ornamente be- schränken sollen, so bin ich mit Baudirektor Hübsch der Meinung, dass man dieselbe vom Maler Reich, welcher die Corridore im obern Stock decorirt, fertigen liese, welcher dieselben ebenso zweckmäsig herstellen wird, besonders da letztere einfach gehalten werden sollen, um das Innere der Sääle desto mehr herauszuheben.

Carlsruhe, den 11. März 1844.

K. Frommel, Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. N. F. XXX. 2. 12

170 Beringer.

Schon am ı5. März erfolgte die Weisung, dass die Auszahlung des Restquartals an Schwind zu erfolgen habe, der am 20. d. M. entsprochen wurde.

In einem Schreiben vom 28. März berichtet das Finanz- ministerium .an den Grossherzog, dass die Sache geregelt sei, Hübsch sich aber dagegen verwahrt habe, dass der Vertrag mit Schwind »nicht bündig« genug abgefasst sei, wie Frommel bemerkt habe. In der Tat sind die Miss- helligkeiten zwischen Bauleiter und Maler und die Un- stimmigkeiten in den Berechnungen dadurch entstanden, dass Schwind von der Berechnung seiner Zeichnungen und mit einem zu hohen Durchschnittsmass 4 Fuss statt 3 für die Grösse der Figuren —, Hübsch aber von den in verschiedenen Grössenverhältnissen ausgeführten Wand- gemälden ausging. Nachdem einmal das gegenseitige Vertrauen und Wohlwollen durch die Vergebung der Baden-Badener Fresken gestört war, gab es keinen Boden zur Einigung mehr.

Die Schwindschen Entwürfe, deren Vergrösserungen auf den Kartons durch L. Reich und A. Geck leider ver- loren gegangen zu sein scheinen, wurden erst bis Spät- herbst 1844 zu Ende gemalt. Am ı2. November 1844 meldet Hübsch die Vollendung der. »Dekorierungen« und beantragt für die beiden Maler bei der Fertigstellung der Schwindschen Kompositionen, denen sie noch einige eigene Kompositionen angefügt hätten, eine Remuneration von 300 fl. Diesem Antrag wird stattgegeben.

d) Weitere Arbeiten für Hübschs Bauten. Ständehaus und Schloss Eberstein.

Die frischen, mit staunenswerter Schnelligkeit ent- worfenen und ausgeführten Arbeiten Schwinds in den Jahren 1840—1842 sind dem damals mit Bauaufträgen sehr beschäftigten Baudirektor Hübsch sicherlich höchst erwünscht gewesen. Hübsch war, wie aus all seinen, in dieser Zeit entstandenen, Werken hervorgeht, gern darauf bedacht, Architektur und Malerei mit einander in sinnvolle Verbindung zu bringen. Er war klug genug, in den Zeiten der politischen Spannung unter dem Regime

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 171

des Staatsministers von Blittersdorff, die Auftraggeber die Regierung und die das Geld bewilligenden Instanzen Landtag, Finanzministerium und Grossherzog von vornherein nicht mit grossen Forderungen für dekorative Zwecke zu erschrecken und bewilligungsunlustig zu machen. Er verstand es vortrefflich, man könnte sagen »in vorbild- licher Weisee, die ästhetischen Momente zur rechten Zeit in den Vordergrund zu schieben und ihre Erfüllung nach und nach mit verhältnismässig geringen Kosten zu er- reichen, ohne aber in seinen Bauten die Würde und Feinheit ihres malerischen Schmuckes zu beeinträchtigen. Sehr klar und beweiskräftig erhellt dies aus seinem Vorgehen bei dem Umbau des Sitzungssaales der Ersten Kammer.

Der in den Jahren 1820—25 im allgemeinen nach den Plänen Weinbrenners durch den Militärbaumeister Haupt- mann Arnold ausgeführte, im einzelnen modifizierte Stände- hausbau, Ecke der Ritter- und Kirchenstrasse, erwies sich gegen die qoer Jahre in einzelnen Teilen als unzulänglich. Namentlich stellte sich 1839 die Vergrösserung und Ver- änderung des Sitzungssaales der Ersten Kammer als not- wendig heraus. Der hierfür von Hübsch am 4. Juni 1840 aufgestellte Voranschlag belief sich auf 7379 fl. und 14 xr. In dieser Aufstellung war ein Posten für malerische Aus- schmückung nicht vorgesehen. Aber die Pos. 10 ver- zeichnet »für Stukkaturarbeit, Vergoldungen und sonstige Verzierungen an Wänden und Decken« einen Betrag von 1500 fl.

Kurz nach der Ankunft Schwinds in Karlsruhe am 6. Dezember 1840 berichtet Hübsch über die im Benehmen mit der Kommission vorgenommenen Arbeiten. Mehrere Positionen waren unter Voranschlag geblieben. Er be- merkt dann weiter:

»Hinsichtlich der verschiedenen Verzierungen bin ich zwar gegenwärtig noch nicht ganz im Reinen, indessen werde ich jedenfalls suchen, die würdige Ausstattung des Sitzungssaales auf möglichst einfache Weise zu erreichen, ohne dass eine Überschreitung eintritt.«

Der Einfall, Schwind zur Dekoration heranzuziehen, kann Hübsch also erst um die Jahreswende gekommen

sein, und Schwind muss sich sofort an die Arbeit gemacht, 12*

172 Beringer.

die Tugenden entworfen, die Kartons gezeichnet und die Bilder gemalt haben, denn schon am ı6. Juli 1841, also kurz nach der Rückkunft Schwinds aus München, berichtet Hübsch »über die bis jetzt eingelaufenen Rechnungen« und verzeichnet unter Pos. 18: Maler von Schwind fl. 979 xr. 48 mit dem Bemerken und dem Antrag:

Es werden die 8 Bilder, welche nächstens eingesetzt werden können, ohne Zweifel bei jedem Beschauer den Wunsch erzeugen, dass auch unter dem vorderen Bogen- fenster ein ähnliches Bild angebracht werden möchte, wozu ich für den Fall der Genehmigung vorläufig den Platz offen gelassen habe, und welches ca. 60 fl. kosten dürfte.

Im Juli 1841 waren also die 8 »Tugenden« fertig ge- stellt; das Huldigungsbild aber war noch nicht in Angriff genommen. Trotzdem eine genaue Berechnung des Auf- wandes für die Verzierungen des Sitzungssaales eine Über- schreitung von 562 fl. 159 xr. ergab, wurde die Fertig- stellung des Huldigungsbildes vom Finanzministerium beantragt Höchsten Orts bewilligt (Juli 1841) und im November als begonnen gemeldet. Hübsch hatte auch diesen Auftrag an M. von Schwind »zur Erzielung der Gleichförmigkeit mit den bereits vorhandenen Bildern« ver- mittelt. Schon anfangs Januar 1842 konnte »das Bild als seiner Vollendung nahe« und Mitte Februar »zum Einsetzen und Vergolden« fertig bezeichnet werden.

Das Anbringen und Vergolden des Rahmens erfolgte Ende April 1842 durch den Vergolder Wohlschlegel um den Preis von 51 fl.

Diese grossen Werke, deren Entstehen nunmehr für das Jahr 1841 und den Anfang des Jahres 1842 sicher festgestellt ist, geben dem im allgemeinen einfach mono- chrom gehaltenen Raum des Sitzungssaales den farbigen Glanz und die feine künstlerische Würde. Zweifellos haben Schwind auch bei diesen »Tugenden« die Figuren der Propheten und Sybillen aus der Sixtinischen Decke vor- geschwebt. Einzelne Bewegungsmotive sind in ihrer konden- sierten Fassung unmittelbar übernommen, und doch sind sie in kompositioneller und malerischer Haltung ziemlich weit entfernt von der terribilita, mit der der italienische Meister seine Gestalten erfüllt hat. Schwinds Werk atmet Ruhe

rn

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 173

und Sinnigkeit. Auch das symbolische und allegorische Beiwerk ist auf diesen Ton gestimmt, so dass sie in ihrer farbigen Gehaltenheit, der wohl die Intensität nicht man- gelt, den Eindruck vornehmer Würde und ernster Feier- lichkeit wecken und damit der Zweckbestimmung des Saales durchaus entsprechen.

Mit dem »Huldigungsbild«, d. h. der Darstellung der vier Stände, die, von links nach rechts Nähr-, Wehr-, Mehr- (Handels-) und Lehrstand um das Medaillon- bildnis des Grossherzogs Leopold (nicht Friedrich, wie Weigmann angibt), aufgestellt sind, hat Schwind mit feinem Verständnis die betonte Vertikalgliederung des Raumes aufgenommen und eingehalten. Ebenso ist er in der Auf- fassung und Ausdrucksweise der Gestalten sowohl volks- tümlich, als würdevoll geblieben. Ganz besonders wohl- tuend berührt die künstlerische und symbolische Einfach- heit, mit der die Aufgabe bewältigt ist und sich .in das Raumganze einfügt.

Gegenüber den noch erhaltenen ersten Entwürfen zeigen die ausgeführten Werke kleine Abweichungen, im Farbigen, wie in der Komposition. Am stärksten ist die Änderung im Huldigungsbild, bei dem die Füllung des Kranzgewindes anstelle der geplanten »Fidelitas« (Karls- ruhe) durch das Medaillonporträt des Grossherzogs Leopold ersetzt und der Kranz von zwei Putten getragen wird.

Auch die inhaltliche Seite hat eine kleine Verschiebung insofern erfahren, als die Figuren »Fidelitas« (Wappenwort des Karlsruher Stadtwappens) durch Fides und »Fortitudo« durch Virtus ersetzt wurden. Dadurch wurde eine sinn- volle Beziehung zwischen den einzelnen Stücken erzielt, so dass die 4 Stände über dem Sitz des Präsidenten von der

Justitia (Gerechtigkeit) und Sapientia (Weisheit) umrahmt links rechts

sind, während im Saal selbst Pietas (Frömmigkeit) und Fides (Treue), Prudentia (Klugheit) und Virtus (Tüchtigkeit), sowie Opulentia (Wohlhabenheit) und Pax (Friede) mit einander korrespondieren. Die Anordnung der Bilder scheint gegen- über der ersten Absicht geändert worden zu sein. In einem

174 Beringer.

Briefe an Bauernfeld aus dem Frühjahr 1841!) ist die Reihenfolge angegeben:

»Weisheit, Gerechtigkeit, Stärke und Klugheit, gegen- über Frömmigkeit, Treue, Friede und Reichtum«.,

Wie aus dem Briefwechsel Schwinds mit Bauernfeld bekannt ist, hat sich der Künstler nur auf Drängen des Ministers von Blittersdorff bereit finden lassen, den Tugenden der Ersten Kammer ein satirisch-ironisch gehaltenes Gegen- stück von Abgeordneten der Zweiten Kammer zu schaffen. Er schreibt am 23. Februar 1842, also kurz nach Fertig- stellung der Gemälde:

»Die badische Kammer betreffend bin ich in einer etwas genierten Lage. Ich kenne die meisten Deputierten persönlich recht gut und in Blittersdorffs Haus habe ich ein »Leben« nach Schober?). Ich weiss, ich thäte ihm den grössten Gefallen, mit einigen Caricaturen, ich mag aber nicht. Denn die Teufelskerle müssen das Geld bewilligen, von dem ich lebe, und es hätte den Anschein, als wollte man sich höhern Orts einschmeicheln. Indessen werde ich schon sehen, was zu machen ist. Der Tag ist nicht mehr fern, an dem Welker und lItzstein als lächerliche Personen dastehen werden.«

Schwind hat sich mit diesen Federzeichnungen in ge- wissem Sinne selbst karikiert und ironisiert, wie ein Ver- gleich der Abbildungen bei Weigmann ergibt. Auch hier sind einige kleine Unrichtigkeiten festzustellen. Die Namen der Abgeordneten heissen: Sander (Baden) nicht Sandel! Bassermann (Mannheim), Welker (Bonndorf), Itzstein (Ett- lingen) nicht Idstein! Mathy (Konstanz) und Kuenzer (Stockach), nicht Kneuzer! Von diesen Karikaturen und ihrer Veranlassung wird weiterhin noch zu reden sein.

Im engen Zusammenhang mit den Werken für den Sitzungssaal der Ersten Kammer stehen die, bisher in jeder Schwind-Biographie unbekannt gebliebenen, im Brief- wechsel mit Bauernfeld aber erwähnten »vier Engel nach Eberstein«, wo es unterm 23. Februar 1842 heisst:

1) W. Eggert-Windegg, Künstl. Erdenwallen. Briefe v. M. v. Schwind, S. 32, irrtümlich aus d. Frühj. 1840 datiert. 2) Franz v. Schober (1796—1882), ein Jugendfreund Schwinds, war nach Bauernfelds Ausdruck »Weltmann, besitzt eine grosse Suada und Dialektik«, mit der Schwind wiederholt in Kampf geriet.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 175

»}Im Augenblick mache ich das letzte Bild für den Saal der ersten Kammer und vier Engel nach Eberstein, langweilig, aber richt zu umgehen. Es ist verständlich, dass Schwind während seiner grossen Freskoarbeit, wäh- rend der grossen und geistreichen Entwürfe für die unteren Säle der Gemäldegalerie und für die Trink- halle in Baden, an den trotz aller Variation doch ziem- lich gleichartigen »acht runden Tugenden für den Sitzungssaal der ersten Kammer .. >.. auf allerhand Thronen sitzend« an den vier noch gleichartigeren Engeln für Ebersteinschloss kein allzu grosses inneres Interesse finden konnte. Diese Arbeit war eine reine Gelegenheits- arbeit. Grrossherzog Leopold weilte mit seiner Gemahlin gerne in Baden und Umgebung. Im Anfang der 4oer Jahre wurde Ebersteinschloss neu eingerichtet. Für das soge- nannte »gotische Zimmer« hatten die Markgrafen Max und Wilhelm aus ehemaligem Besitz des Klosters Salem mittel- alterliche Gemälde, Szenen aus dem Marienleben darstellend, geschenkt. Für die spätgotischen Bogenfelder über den vier Türen des Gemaches hatte Hübsch vier wappen- haltende Figuren vorgesehen. Schwind löste diese Auf- gabe, indem er holdselige Engelsgestalten in vierfach variierter Haltung des Kopfes und mit verschiedener Ge- wandung in die Bogen einpasste, Jeder Engel hält die zwei Wappen, die auf Eberstein den gräflichen Ahnen- paaren des Grossh. Hauses angehören. So haben wir also über der ersten Türe:

Otto comes ab Eberstein 1262 und Kunigunde comitissa ab Freiburg uxor, über der zweiten: Guillielmus II comes ab Eberstein 1385 und Margaretha comitissa ab Erbach uxor, über der dritten: Guillielmus IV comes ab Eberstein 1552 und Johanna comitissa ab Hanau-Lichtenberg uxor und über der vierten: !) Leopoldus, magnus dux Badensis und Sophia, princeps regia Suecica,

!) Siehe Abbildung Nr. 1.

176 Beringer.

wobei das Wappen des regierenden Hohen Herrn mit Gri: geziert ist. Schwind hat diese Wappenhalter nicht nur w allem Liebreiz der Erscheinung ausgestattet, sondern ihn auch in der festlichen, farbenfrohen Gewandung edle Wiri und Weihe gegeben.

Über diese vier Werke, an deren Echtheit nicht zu zweit! ist, sind Akten bis jetzt nicht aufzufinden gewesen. Es schem dass Hübsch die Kosten dafür in die allgemeinen Baukostt: für die Renovation des Raumes eingerechnet hat.

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e) Das Freskoprojekt für Baden-Baden.

Die Nachrichten über den grossen Auftrag, der fir Schwind in der zu Baden-Baden entstehenden Trinkhal:

Hübschs in Aussicht stand, gehen bis ins Jahr 1842 zurück. | Schon am 23. Februar 1842, während der Schlussarbeit fir $: die Erste Kammer und der Entwürfe für die Philostratischet $ «

und anderen Gemälde in der Kunsthalle, kommt in einen Briefe an Bauernfeld der Satz vor: »Die nächste Arbet ist in Baden, und das ist recht angenehm«'), Ausserdem bemerkt Schwind in einem Briefe vom 4. April d. J. % Bauernfeld: »Bevor das Freskomalen wieder angeht, wir noch nach Düsseldorf geflossen, ich will den Rhein en wenig verkosten und den Cölner Dom noch sehen, bevor ihn das uneinige Deutschland verhunzt.«e Und in einem Brief vom 4. November an Lud. Schaller?) ist die Bemerkung zu finden: »Über meine Badener und hiesigen Angelegen heiten soll bald etwas entschieden werden. Die Aussichten sind ziemlich günstig.«

Die Entscheidung nahte insofern, als kurz dara! Hübsch unterm ı4. November ı842 an das Ministerium des Innern berichtete, dass bei Gelegenheit der Besich- tigung des Neubaus der Trinklialle der Grossherzog den Wunsch geäussert habe, die passenden Stellen »auf der Wand durch Fresko-Gemälde geschmückt zu sehen«, und die Einleitung dieser Arbeit bald erwarte. Diesem Wunsch

1) Vom 23. Febr. 1842. M. Holland, Briefe von Moritz v. Schwind an Ed. v. Bauernfeld: Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft VI (1896).

2) Ludwig Schaller (1804—1865), einer der ältesten Wiener Freunde Schwinds. Bildhauer in München.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 177

shenfrgemäss schlug Hübsch für die im italienischen Stil gehal- nhie-tene, vor Wetter und Sonne geschützte Halle 14 Bilder

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und 3 Friese in Fresko vor und im Brunnensaal 8 Stück enkaustische Malereien. Er hebt hervor, dass Landschaften und Bilder aus der ernsten Geschichte sich kaum eignen würden, dagegen »heitere Gegenstände von allgemeinem

‚Interesse, z. B. aus Dichtern, was aber an anderen Orten hinlänglich ausgebeutet sei —, so dass im vorliegenden : Falle an etwas Neues zu denken wäre.« Spezielle Vor-

schläge könnten die im Lande befindlichen Maler Jakob Götzenberger (damals Galerieinspektor zu Mannheim) und M. v. Schwind machen.

Es ist demnach ausser Frage, dass Hübsch sich mit

»:Schwind über die Badener Aufgaben schon vor diesem ~ Bericht besprochen hat. Götzenberger, der sich mit seinen,

in Gemeinschaft mit Hermann gemalten Fresken der Uni-

‘x versitätsaula zu Bonn einen gewissen Namen erworben

hatte und von seinem Lehrer Cornelius sehr geschätzt und

x gefördert wurde, wird auch nicht untätig gewesen sein und .sich um den Auftrag dieser Werke bemüht haben.

Unterm 21. Februar 1843 erging die Aufforderung an

; die beiden Konkurrenten, ihre Vorschläge und Preisangaben

einzureichen. Es ist interessant für die Beurteilung der

beiden künstlerischen Individualitäten, die Vorschläge und . das Verhalten der beiden Künstler zu kennen. Götzen-

bergers Darlegungen gipfeln im wesentlichen in einer

.. Hervorkehrung der finanziellen Seite des Auftrages. Dieser

Künstler berechnet seine Arbeit nach der Weise des Tages-, bezw. Jahreslohnes. Bezüglich des Inhalts der Fresken sagt er kurz, dass er »ı4 Volkssagen heitern In- halts und Charakters für das Geeignetste auf die Seiten- wände und einen Fuss langen Fries in die Mitte mit Allegorien, welche mit den Sagen von Baden, der Heil- quellen und dem Badeleben in engster Verbindung stehen, halte.«e Als Honorar für die projektierten Fresken, die etwa fünf Jahre Herstellungszeit beanspruchen würden, berechnet er im ganzen 6000 fl., falls die Auslagen von seiten des Staates, 8000 fl, wenn sie von seiner Seite ge- tragen würden. Allerdings fügt er hinzu, »wenn ein anderer Künstler zu höheren Preisen arbeite, müsse er auch das-

168 Beringer.

Seiner Koeniglichen Hoheit dem Grosherzoge Leopold!

Zum Hochpreisslichen Geheimen Cabinette.

Bericht des Galleriedirektors Frommels, die v, Schwind’sche Compositionen im Neubau betr,

Im Auftrag eines Rescript's des Finanz Ministeriums vom 28 v. M. N,:478 eine genaue Untersuchung vorzunehmen, in wie weit Maler v. Schwindt, seine übernommene Verbindlichkeit bey der Ausschmückung der unteren Räume im neuen Museum durch historische Darstellungen nachgekommen sey und solches an ein hochpreisliches Geheime Cabinet zu berichten, habe ich unterthänigst zu berichten, dass die hier beyliegende unterm 5. Febr. d. J. durch Baudirektor Hübsch vorgenommene Messung dieser Compositionen nach (Juadratschuhen, ihre Richtigkeit habe und dieselben nicht mehr als 14,00, []’ betragen, während 2,000, [)’ gefertigt werden sollen, ebenso sind es nur 75 Com- positionen statt 100, wenn man auch die kleinen Felder als Compositionen von 20, [_)’ gelten lassen will.

Im Accord steht nun, dass v. Schwind 100 Compositionen, jede in durchschnittlich 3’ grossen Figuren zu liefern hat, es wurde aber vom Accord abgegangen und sehr viele Felder mit kleineren und gröseren Figuren als 3’ Höhe ausgeführt, so dass viele derselben statt 20, QJ’ nur 4, [)’ füllen und die Figuren statt 3’ nur 8 Zoll hoch sind, dagegen sind auch mehrere welche gröser als 3’ sind, in vielen Feldern ausgeführt, -

Baudirektor Hübsch hat daher, die grosen wie die kleinen Felder, durchschnittlich zusammen gemessen, welches obige 14,00, U)’ beträgt, fehlten also noch 600, D)’ zu 2,000, Q’.

v. Schwind damit nicht zufrieden behauptet, dass die Figuren welche er hierzu componiert hat, alle zu 3’ berechnet werden müssten, er halte sich nur an seine Zeichnung und da ergäben sich über 2,500, []' und somit also 500 [)’, zu viel geliefert,

Ich habe daher mit Architekt Engesser, nochmals in der Art sämtliche Felder ausgemessen wie folgende specificirte Rech- nung F. ausweist nehmlich dass jedes Bild auf 3 Schuh reducirt wurde (einer stehenden Figur) so dass die auf der Wand grösser ausgeführte Felder auf 3’ verkleinert und die kleineren auf 3’ proportionirt vergrösert wurden, welches nach dem Accorde die Höhe des Bildes .nehmlich eine stehende Figur a 3’ Höhe, gibt.

Nach dieser Berechnung, ergibt sich dennoch nur ein Mehrbetrag von 8, [] zu Gunsten des v. Schwindt, fehlen also immer noch 592, D’.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 169

Aber auch hiermit ist v. Schwindt nicht zufrieden und beruft sich auf den Wortlaut im Accorde, dass jede Figur d. h. ein- zelne, enthalten müsse zu proportionirter Breite, er kümmre sich nicht darum, wie gros oder klein man seine Zeichnungen im Gebäude ausführe und halte sich nur an letztere und an den Accord, wo er pr Figur 3’ accordirt habe und dabei über 2,500, I)’ herausbringe von schon gefertigten Arbeiten.

Obschon dies im Accord sich nicht bestimmt ausspricht, so kann doch eine solche Berechnung nie statt finden, denn im ersten Saale z. B. sind sehr viele kleine Compositionen mit sehr vielen oft übereinander stehenden Figuren, sollte nun hier jede kleine Figur zu 3’ in Proportion mit der Breite vergrösert werden, so erschiene hier ein enormes Maas, welches weit die v. Schwindt angeführte 2,500 7)’ überschreiten würde.

Der ganze Fehler liegt darin, dass der Accord nicht bündig

und umfassend genug ist und dass man auf mündliche Ueber- einkunft, da v. Schwindt es sehr wünschte, davon abgieng, ohne im Accord diese Aenderung als Nachtrag genau darin zu be- stimmen. Bey diesem Stand der Dinge, welche, wenn man sich von beiden Seiten mit gleicher Schärfe begegnen will, zu unerquik- lichen Prozessen führen würden und in Betracht dass v. Schwindt bey einer nur ihm eigenen Leichtigkeit eine so grose Anzahl von kleinen Figuren und reichen Compositionen gezeichnet hat und unsere beiden Berechnungen gegen ihn scharf und ohne irgend Zugabe gemessen sind, so wie endlich doch auch diese kleine auf der Wand aufgeführte Figuren ihm dieselbe Mühe verursacht haben bey der Composition, als wenn man sie gros ausgeführt hätte, so glaube ich unmasgeblich, dass man hier doch den Vertrag als erfüllt ansehen könne, zumal da der Preis von so vielen Compositionen und der dabei erforderlichen Correctur bey der Vergröserung derselben sowie der Beaufsichtigung bey der Ausführung im Gebäude selbst, mit fl. 2000, kein unbilliger genannt werden kann, indem dies eine lange und mühevolle Arbeit ist,

Es geht daher mein unterthänigster Antrag dahin, womit auch Baudirektor Hübsch sich einverstanden zeigt, dass man den Accord als erfüllt ansehe und v. Schwind den Rest seiner For- derung anweise, |

Was die Monogromme (Monochrome) im Treppenhaus beym Eingang angeht, welche sich hauptsächlich auf Ornamente be- schränken sollen, so bin ich mit Baudirektor Hübsch der Meinung, dass man dieselbe vom Maler Reich, welcher die Corridore im obern Stock decorirt, fertigen liese, welcher dieselben ebenso zweckmäsig herstellen wird, besonders da letztere einfach gehalten werden sollen, um das Innere der Sääle desto mehr herauszuheben.

Carisruhe, den 11. März 1844.

K. Frommel.

Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. N. F. XXX. 2. 12

170 Beringer.

Schon am ı5. März erfolgte die Weisung, dass die Auszahlung des Restquartals an Schwind zu erfolgen habe, der am 20. d. M. entsprochen wurde.

In einem Schreiben vom 28. März berichtet das Finanz- ministerium an den Grossherzog, dass die Sache geregelt sei, Hübsch sich aber dagegen verwahrt habe, dass der Vertrag mit Schwind »nicht bündig« genug abgefasst sei, wie Frommel bemerkt habe. In der Tat sind die Miss- helligkeiten zwischen Bauleiter und Maler und die Un- stimmigkeiten in den Berechnungen dadurch entstanden, dass Schwind von der Berechnung seiner Zeichnungen und mit einem zu hohen Durchschnittsmass 4 Fuss statt 3 für die Grösse der Figuren —, Hübsch aber von den in verschiedenen (Grrössenverhältnissen ausgeführten Wand- gemälden ausging. Nachdem einmal das gegenseitige Vertrauen und Wohlwollen durch die Vergebung der Baden-Badener Fresken gestört war, gab es keinen Boden zur Einigung mehr.

Die Schwindschen Entwürfe, deren Vergrösserungen auf den Kartons durch L. Reich und A. Geck leider ver- loren gegangen zu sein scheinen, wurden erst bis Spät- herbst 1844 zu Ende gemalt. Am ı2. November 1844 meldet Hübsch die Vollendung der »Dekorierungen« und beantragt für die beiden Maler bei der Fertigstellung der Schwindschen Kompositionen, denen sie noch einige eigene Kompositionen angefügt hätten, eine Remuneration von 300 fl. Diesem Antrag wird stattgegeben.

d) Weitere Arbeiten für Hübschs Bauten. Ständehaus und Schloss Eberstein.

Die frischen, mit staunenswerter Schnelligkeit ent- worfenen und ausgeführten Arbeiten Schwinds in den Jahren 1840—1842 sind dem damals mit Bauaufträgen sehr beschäftigten Baudirektor Hübsch sicherlich höchst erwünscht gewesen. Hübsch war, wie aus all seinen, in dieser Zeit entstandenen, Werken hervorgeht, gern darauf bedacht, Architektur und Malerei mit einander in sinnvolle Verbindung zu bringen. Er war klug genug, in den Zeiten der politischen Spannung unter dem Regime

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 171

des Staatsministers von Blittersdorff, die Auftraggeber die Regierung und die das Geld bewilligenden Instanzen Landtag, Finanzministerium und Grossherzog von vornherein nicht mit grossen Forderungen für dekorative Zwecke zu erschrecken und bewilligungsunlustig zu machen. Er verstand es vortrefflich, man könnte sagen »in vorbild- licher Weise«, die ästhetischen Momente zur rechten Zeit in den Vordergrund zu schieben und ihre Erfüllung nach und nach mit verhältnismässig geringen Kosten zu er- reichen, ohne aber in seinen Bauten die Würde und Feinheit ihres malerischen Schmuckes zu beeinträchtigen. Sehr klar und beweiskräftig erhellt dies aus seinem Vorgehen bei dem Umbau des Sitzungssaales der Ersten Kammer.

Der in den Jahren 1820—25 im allgemeinen nach den Plänen Weinbrenners durch den Militärbaumeister Haupt- mann Arnold ausgeführte, im einzelnen modifizierte Stände- hausbau, Ecke der Ritter- und Kirchenstrasse, erwies sich gegen die qoer Jahre in einzelnen Teilen als unzulänglich. Namentlich stellte sich 1839 die Vergrösserung und Ver- änderung des Sitzungssaales der Ersten Kammer als not- wendig heraus. Der hierfür von Hübsch am 4. Juni 1840 aufgestellte Voranschlag belief sich auf 7379 fl. und 14 xr. In dieser Aufstellung war ein Posten für malerische Aus- schmückung nicht vorgesehen. Aber die Pos. ıo ver- zeichnet »für Stukkaturarbeit, Vergoldungen und sonstige Verzierungen an Wänden und Decken« einen Betrag von 1500 fl.

Kurz nach der Ankunft Schwinds in Karlsruhe am 6. Dezember 1840 berichtet Hübsch über die im Benehmen mit der Kommission vorgenommenen Arbeiten. Mehrere Positionen waren unter Voranschlag geblieben. Er be- merkt dann weiter:

»Hinsichtlich der verschiedenen Verzierungen bin ich zwar gegenwärtig noch nicht ganz im Reinen, indessen werde ich jedenfalls suchen, die würdige Ausstattung des Sitzungssaales auf möglichst einfache Weise zu erreichen, ohne dass eine Überschreitung eintritt.«

Der Einfall, Schwind zur Dekoration heranzuziehen, kann Hübsch also erst um die Jahreswende gekommen

sein, und Schwind muss sich sofort an die Arbeit gemacht, 12*

172 Beringer.

die Tugenden entworfen, die Kartons gezeichnet und die Bilder gemalt haben, denn schon am ı6. Juli 1841, also kurz nach der Rückkunft Schwinds aus München, berichtet Hübsch »über die bis jetzt eingelaufenen Rechnungen« und verzeichnet unter Pos. 18: Maler von Schwind fl. 979 xr. 48 mit dem Bemerken und dem Antrag:

= Es werden die 8 Bilder, welche nächstens eingesetzt werden können, ohne Zweifel bei jedem Beschauer den Wunsch erzeugen, dass auch unter dem vorderen Bogen- fenster ein ähnliches Bild angebracht werden möchte, wozu ich für den Fall der Genehmigung vorläufig den Platz offen gelassen habe, und welches ca. 60 fl. kosten dürfte.

Im Juli 1841 waren also die 8 »Tugenden« fertig ge- stellt; das Huldigungsbild aber war noch nicht in Angriff genommen. Trotzdem eine genaue Berechnung des Auf- wandes für die Verzierungen des Sitzungssaales eine Über- schreitung von 562 fl. 159 xr. ergab, wurde die Fertig- stellung des Huldigungsbildes vom Finanzministerium beantragt Höchsten Orts bewilligt (Juli 1841) und im November als begonnen gemeldet. Hübsch hatte auch diesen Auftrag an M. von Schwind »zur Erzielung der Gleichförmigkeit mit den bereits vorhandenen Bildern« ver- mittelt. Schon anfangs Januar 1842 konnte »das Bild als seiner Vollendung nahe« und Mitte Februar »zum Einsetzen und Vergolden« fertig bezeichnet werden.

Das Anbringen und Vergolden des Rahmens erfolgte Ende April 1842 durch den Vergolder Wohlschlegel um den Preis von 51 fl.

Diese grossen Werke, deren Entstehen nunmehr für das Jahr 1841 und den Anfang des Jahres 1842 sicher festgestellt ist, geben dem im allgemeinen einfach mono- chrom gehaltenen Raum des Sitzungssaales den farbigen Glanz und die feine künstlerische Würde. Zweifellos haben Schwind auch bei diesen »Tugenden« die Figuren der Propheten und Sybillen aus der Sixtinischen Decke vor- geschwebt. Einzelne Bewegungsmotive sind in ihrer konden- sierten Fassung unmittelbar übernommen, und doch sind sie in kompositioneller und malerischer Haltung ziemlich weit entfernt von der terribilita, mit der der italienische Meister seine Gestalten erfüllt hat. Schwinds Werk atmet Ruhe

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 173

und Sinnigkeit. Auch das symbolische und allegorische Beiwerk ist auf diesen Ton gestimmt, so dass sie in ihrer farbigen Gehaltenheit, der wohl die Intensität nicht man- gelt, den Eindruck vornehmer Würde und ernster Feier- lichkeit wecken und damit der Zweckbestimmung des Saales durchaus entsprechen.

Mit dem »Huldigungsbild«, d. h. der Darstellung der vier Stände, die, von links nach rechts Nähr-, Wehr-, Mehr- (Handels-) und Lehrstand um das Medaillon- bildnis des Grossherzogs Leopold (nicht Friedrich, wie Weigmann angibt), aufgestellt sind, hat Schwind mit feinem Verständnis die betonte Vertikalgliederung des Raumes aufgenommen und eingehalten. Ebenso ist er in der Auf- fassung und Ausdrucksweise der Gestalten sowohl volks- tümlich, als würdevoll geblieben. Ganz besonders wohl- tuend berührt die künstlerische und symbolische Einfach- heit, mit der die Aufgabe bewältigt ist und sich in das Raumganze einfügt.

Gregenüber den noch erhaltenen ersten Entwürfen zeigen die ausgeführten Werke kleine Abweichungen, im Farbigen, wie in der Komposition. Am stärksten ist die Änderung im Huldigungsbild, bei dem die Füllung des Kranzgewindes anstelle der geplanten »Fidelitas« (Karls- ruhe) durch das Medaillonporträt des Grossherzogs Leopold ersetzt und der Kranz von zwei Putten getragen wird.

Auch die inhaltliche Seite hat eine kleine Verschiebung insofern erfahren, als die Figuren »Fidelitas« (Wappenwort des Karlsruher Stadtwappens) durch Fides und »Fortitudo« durch Virtus ersetzt wurden. Dadurch wurde eine sinn- volle Beziehung zwischen den einzelnen Stücken erzielt, so dass die 4 Stände über dem Sitz des Präsidenten von der

Justitia (Gerechtigkeit) und Sapientia (Weisheit) umrahmt links rechts

sind, während im Saal selbst Pietas (Frömmigkeit) und Fides (Treue), Prudentia (Klugheit) und Virtus (Tüchtigkeit), sowie Opulentia (Wohlhabenheit) und Pax (Friede) mit einander korrespondieren. Die Anordnung der Bilder scheint gegen- über der ersten Absicht geändert worden zu sein. In einem

174 Beringer.

Briefe an Bauernfeld aus dem Frühjahr 1841') ist die Reihenfolge angegeben:

»Weisheit, Gerechtigkeit, Stärke und Klugheit, gegen- über Frömmigkeit, Treue, Friede und Reichtum«,

Wie aus dem Briefwechsel Schwinds mit Bauernfeld bekannt ist, hat sich der Künstler nur auf Drängen des Ministers von Blittersdorff bereit finden lassen, den Tugenden der Ersten Kammer ein satirisch-ironisch gehaltenes Gegen- stück von Abgeordneten der Zweiten Kammer zu schaffen. Er schreibt am 23. Februar 1842, also kurz nach Fertig- stellung der Gemälde:

»Die badische Kammer betreffend bin ich in einer etwas genierten Lage. Ich kenne die meisten Deputierten persönlich recht gut und in Blittersdorffs Haus habe ich ein »Leben«e nach Schober?). Ich weiss, ich thäte ihm den grössten Gefallen, mit einigen Caricaturen, ich mag aber nicht. Denn die Teufelskerle müssen das Geld bewilligen, von dem ich lebe, und es hätte den Anschein, als wollte man sich höhern Orts einschmeicheln. Indessen werde ich schon sehen, was zu machen ist. Der Tag ist nicht mehr fern, an dem Welker und lItzstein als lächerliche Personen dastehen werden.«

Schwind hat sich mit diesen Federzeichnungen in ge- wissem Sinne selbst karikiert und ironisiert, wie ein Ver- gleich der Abbildungen bei Weigmann ergibt. Auch hier sind einige kleine Unrichtigkeiten festzustellen. Die Namen der Abgeordneten heissen: Sander (Baden) nicht Sandel! Bassermann (Mannheim), Welker (Bonndorf), Itzstein (Ett- lingen) nicht Idstein! Mathy (Konstanz) und Kuenzer (Stockach), nicht Kneuzer! Von diesen Karikaturen und ihrer Veranlassung wird weiterhin noch zu reden sein.

Im engen Zusammenhang mit den Werken für den Sitzungssaal der Ersten Kammer stehen die, bisher in jeder Schwind-Biographie unbekannt gebliebenen, im Brief- wechsel mit Bauernfeld aber erwähnten »vier Engel nach Eberstein«, wo es unterm 23. Februar 1842 heisst:

1) W. Eggert-Windegg, Künstl. Erdenwallen. Briefe v. M. v. Schwind, S. 32, irrtümlich aus d. Frühj. 1840 datiert. 2) Franz v. Schober (1796—1882), ein Jugendfreund Schwinds, war nach Bauernfelds Ausdruck »Weltmann, besitzt eine grosse Suada und Dialektik«, mit der Schwind wiederholt in Kampf geriet.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 175

‚Im Augenblick mache ich das letzte Bild für den Saal der ersten Kammer und vier Engel nach Eberstein, langweilig, aber richt zu umgehen.«e Es ist verständlich, dass Schwind während seiner grossen Freskoarbeit, wäh- rend der grossen und geistreichen Entwürfe für die unteren Säle der Gremäldegalerie und für die Trink- halle in Baden, an den trotz aller Variation doch ziem- lich gleichartigen »acht runden Tugenden für den Sitzungssaal der ersten Kammer .. `>.. auf allerhand Thronen sitzend« an den vier noch gleichartigeren Engeln für Ebersteinschloss kein allzu grosses inneres Interesse finden konnte. Diese Arbeit war eine reine Gelegenheits- arbeit. Grossherzog Leopold weilte mit seiner Gemahlin gerne in Baden und Umgebung. Im Anfang der 4oer Jahre wurde Ebersteinschloss neu eingerichtet. Für das soge- nannte »gotische Zimmere« hatten die Markgrafen Max und Wilhelm aus ehemaligem Besitz des Klosters Salem mittel- alterliche Gemälde, Szenen aus dem Marienleben darstellend, geschenkt. Für die spätgotischen Bogenfelder über den vier Türen des Gemaches hatte Hübsch vier wappen- haltende Figuren vorgesehen. Schwind löste diese Auf- gabe, indem er holdselige Engelsgestalten in vierfach variierter Haltung des Kopfes und mit verschiedener Ge- wandung in die Bogen einpasste. Jeder Engel hält die zwei Wappen, die auf Eberstein den gräflichen Ahnen- paaren des Grossh. Hauses angehören. So haben wir also über der ersten Türe:

Otto comes ab Eberstein 1262 und Kunigunde comitissa ab Freiburg uxor, über der zweiten: Guillielmus II comes ab Eberstein 1385 und Margaretha comitissa ab Erbach uxor, über der dritten: Guillielmus IV comes ab Eberstein 1552 und Johanna comitissa ab Hanau-Lichtenberg uxor und über der vierten:!) Leopoldus, magnus dux Badensis und Sophia, princeps regia Suecica,

1) Siehe Abbildung Nr. 1.

176 Beringer.

wobei das Wappen des regierenden Hohen Herrn mit Grün geziert ist. Schwind hat diese Wappenhalter nicht nur mit allem Liebreiz der Erscheinung ausgestattet, sondern ihnen auch in der festlichen, farbenfrohen Gewandung edle Würde und Weihe gegeben.

Über diese vier Werke, anderen Echtheit nichtzu zweifeln

ist, sind Akten bis jetzt nicht aufzufinden gewesen. Es scheint,

dass Hübsch die Kosten dafür in die allgemeinen Baukosten für die Renovation des Raumes eingerechnet hat.

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e) Das Freskoprojekt für Baden-Baden.

Die Nachrichten über den grossen Auftrag, der für Schwind in der zu Baden-Baden entstehenden Trinkhalle Hübschs in Aussicht stand, gehen bis ins Jahr 1842 zurück. Schon am 23. Februar 1842, während der Schlussarbeit für die Erste Kammer und der Entwürfe für die Philostratischen und anderen Gemälde in der Kunsthalle, kommt in einem Briefe an Bauernfeld der Satz vor: »Die nächste Arbeit ist in Baden, und das ist recht angenehm«!). Ausserdem bemerkt Schwind in einem Briefe vom 4. April d. J. an Bauernfeld: »Bevor das Freskomalen wieder angeht, wird noch nach Düsseldorf geflossen, ich will den Rhein ein wenig verkosten und den Cölner Dom noch sehen, bevor ihn das uneinige Deutschland verhunzt.e Und in einem Briefe vom 4. November an Lud. Schaller?) ist die Bemerkung zu finden: »Über meine Badener und hiesigen Angelegen- heiten soll bald etwas entschieden werden. Die Aussichten sind ziemlich günstig.«

Die Entscheidung nahte insofern, als kurz darauf Hübsch unterm ı4. November ı842 an das Ministerium des Innern berichtete, dass bei Gelegenheit der Besich- tigung des Neubaus der Trinklialle der Grossherzog den Wunsch geäussert habe, die passenden Stellen »auf der Wand durch Fresko-Gemälde geschmückt zu sehen«, und die Einleitung dieser Arbeit bald erwarte. Diesem Wunsche

ı) Vom 23. Febr. 1842. M. Holland, Briefe von Moritz v. Schwind an’ Ed. v. Bauernfeld: Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft VI (1896). 2) Ludwig Schaller (1804—1865), einer der ältesten Wiener Freunde Schwinds, Bildhauer in München.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 177

gemäss schlug Hübsch für die im italienischen Stil gehal- tene, vor Wetter und Sonne geschützte Halle ı4 Bilder und 3 Friese in Fresko vor und im Brunnensaal 8 Stück enkaustische Malereien. Er hebt hervor, dass Landschaften und Bilder aus der ernsten Geschichte sich kaum eignen würden, dagegen’ »heitere Gegenstände von allgemeinem Interesse, z. B. aus Dichtern, was aber an anderen Orten hinlänglich ausgebeutet sei —, so dass im vorliegenden Falle an etwas Neues zu denken wäre. Spezielle Vor- schläge könnten die im Lande befindlichen Maler Jakob Götzenberger (damals Galerieinspektor zu Mannheim) und M. v. Schwind machen.

Es ist demnach ausser Frage, dass Hübsch sich mit Schwind über die Badener Aufgaben schon vor diesem Bericht besprochen hat. Götzenberger, der sich mit seinen, in Gemeinschaft mit Hermann gemalten Fresken der Uni- versitätsaula zu Bonn einen gewissen Namen erworben hatte und von seinem Lehrer Cornelius sehr geschätzt und gefördert wurde, wird auch nicht untätig gewesen sein und sich um den Auftrag dieser Werke bemüht haben.

Unterm 21. Februar 1843 erging die Aufforderung an die beiden Konkurrenten, ihre Vorschläge und Preisangaben einzureichen. Es ist interessant für die Beurteilung der beiden künstlerischen Individualitäten, die Vorschläge und das Verhalten der beiden Künstler zu kennen. Götzen- bergers Darlegungen gipfeln im wesentlichen in einer Hervorkehrung der finanziellen Seite des Auftrages. Dieser Künstler berechnet seine Arbeit nach der Weise des Tages-, bezw. Jahreslohnes. Bezüglich des Inhalts der Fresken sagt er kurz, dass er »ı4 Volkssagen heitern In- halts und Charakters für das Geeignetste auf die Seiten- wände und einen Fuss langen Fries in die Mitte mit Allegorien, welche mit den Sagen von Baden, der Heil- quellen und dem Badeleben in engster Verbindung stehen, halte.« Als Honorar für die projektierten Fresken, die etwa fünf Jahre Herstellungszeit beanspruchen würden, berechnet er im ganzen 6000 fl., falls die Auslagen von seiten des Staates, 8000 fl, wenn sie von seiner Seite ge- tragen würden. Allerdings fügt er hinzu, »wenn ein anderer Künstler zu höheren Preisen arbeite, müsse er auch das-

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selbe höhere Honorar ausbitten, weil die Ehre der Auf- gabe dann nicht mehr halb so gross und es eines Künstlers unwürdig wäre, zu geringerem Preis zu arbeiten, was ihn auch in den Augen der Welt herabsetzen würde. Während der Arbeit könne indes seine Mannheimer Besoldung ab- gezogen werden.«

Ganz anders verhält sich Schwind. Er entwickelt seine Ideen für den Zyklus mit Rücksicht auf den Bau und die Besucher der Trinkhalle, und stellt fest und bündig seine (allerdings ziemlich hone) Forderung. Er verwahrt sich und die Würde seiner Idee ganz entschieden gegen eine etwaige Mitarbeit seitens des mitkonkurrierenden Götzenberger. Das Schriftstück des sich seines Wertes bewussten Künstlers ist bedeutsam genug, um hier zum erstenmale veröffentlicht zu werden.

Grossherzogliches Hochpreissliches Ministerium des Innern.

Auf deroselben hohen Erlass vom 2ı. Februar beehre ich mich Folgendes zu erwiedern.

Die in Frage stehenden Gegenstände für die in der Trink- halle und dem Brunnensaal auszuführenden Bilder werden sich als entsprechend herausstellen, wenn sie übereinstimmen mit der Bedeutung, dem Zweck und dem Styl des Gebäudes, zu dessen Ausschmückung sie bestimmt sind, und wenn sie ferner, allge- mein bekannt und verständlich, und für Einheimische und Fremde gleich intressant sind.

Von diesem Standpunkte ausgehend, erlaube ich mir fol- gende Vorschläge, wie ich sie schon früher Sr. Exzellenz dem Herrn Minister von Blittersdorf, Herrn Oberstlieutenant v. Krieg und Herrn Baudirektor Hübsch, auf Anfrage, mitzuteilen die Ehre hatte.

Für die Halle einen Cyklus von Darstellungen aus den Rhein-Sagen.

Für den Saal, als nächste Umgebung der Quelle, Darstellung der vier Elemente, oder, sofern er als abgeschlossene Fortsetzung der Halle betrachtet werden sollte: Darstellung der in der nächsten Umgebung Baadens heimischen geschichtlichen und traditionellen Momente,

Mit diesen Vorschlägen hoffe ich zu genügen: der Be- deutung des Gebäudes, das, dem höchsten und gebildesten Publicum Europas gegenüber, ein Monument unserer Bildungs- stufe in Gesinnung und Geschmack für immer bleiben soll. Dem Zweck des Gebäudes, das bestimmt ist, den Genuss der Quelle

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 179

und behaglicher Geselligkeit, mit dem Nachgenuss der Reise, in heiter-anregenden Bildern, zu umgeben. Sie werden überein- stimmen mit dem Styl des Gebäudes, der ein durchaus nationaler ist, frei hervorgegangen aus der Würdigung der Monumente unserer besten Vorzeit.

Sie sind dem Einheimischen von Jugend auf bekannt und dem Fremden, der seinen Weg mit einiger Aufmerksamkeit zurückgelegt hat, gewiss nicht fremd. Ebenso werden sie ge- eignet sein, jeden Gebildeten anzusprechen, als sie in gehöriger Auswahl und Folge, alle Richtungen deutscher Denk- und Dich- tungsweise anklingen,

Noch erlaube ich mir zu bemerken, dass dieser Stoff noch nirgends umfassend behandelt worden, mithin auch den Reiz der Neuheit für sich hat.

Die gewünschten Cartons betreffend, bin ich im Stande einen zur Ansicht anzubiethen. Wenn auch nicht zu diesem Zwecke gemacht, wird er der Idee nach den vorgeschlagenen Gegen- ständen verwandt, geeignet sein zu zeigen, in welchem Sinn ich mir den betreffenden Stoff anzueignen beflissen bin.

Anlangend den Preis erlaube ich mir vorläufig zu bemerken, dass abgesehen von dem Eifer, der jeden treibt, in seiner Kunst vorzuschreiten, ich namentlich an einem Orte wie Baaden mit dem allerbesten, was ich vermag, aufzutreten wage, daher in der Lage sein müsste mit aller Musse zu Werke zu gehen, dass der Aufenthalt kostspielig, und ich ohne Anstellung, nicht ausser Acht lassen darf, indem ich mich für meine besten Jahre ver- pflichte, auch für weiter hinaus zu sorgen.

Jedes der grossen Bilder zu 2000 fl., den grossen Fries zu 2000 fl. und jeden der Friese über den Seiteneingängen zu 1000 fl. macht für die Halle die Summe von 32000 fl., wobei der Stuckaturarbeiter mit eingerechnet ist.

Der Preis für die Bilder im Saal würde sich nach der Wahl des einen oder andern vorgeschlagenen Gegenstandes richten zwischen 12--1500 fl.

Schliesslich erlaube ich mir, über die Ausführung der Bilder- reihe durch Herrn Insp. Götzenberger und mich, meine An- sichten gehorsamst auszusprechen:

Diese Bilderreihe als ein ganzes betrachtend, folge ich lediglich dem Wesen des Baus, der in dem mir mitgeteilten Bericht des Herrn Baudirektors Hübsch beibehaltenen Ansicht und dem Umstand, dass ich früher mündlich, und nun auch schriftlich um Gegenstände gefragt wurde, die für die ganze Halle ausreichten, also respektive um einen,

Natürlicherweise kann ein Gedanke nur von einem Künstler ausgehen, dessgleichen die Wahl und Folge der einzelnen Gegen- Stände, woraus für den mitarbeitenden eine untergeordnete Stellung erfolgt, die Herr Insp. Goetzenberger nicht annehmen wird, und zu der ich mich auch nicht verstehen kann. Die

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Ausführung betreffend, ist Harmonie das erste und nothwendige Erforderniss, die aber bei den ganz verschiedenen Richtungen die Herr Insp. Goetzenberger und ich in der Kunst einschlagen, nicht denkbar ist.

Unter diesen Umständen lehrt mich auf vielfache Erfahrung gegründete Überzeugung, dass ein glücklicher Erfolg nicht zu erwarten ist. lm Interesse der Sache erlaube ich mir daher, diese Betrachtungen einer geneigten Erwägung gehorsamst zu empfehlen.

Moritz von Schwind.

Karlsruh 30ten Merz 1843.

Es ist mit Sicherheit anzunehmen, dass Schwind mit Hübsch den ganzen Auftrag besprochen hat, ehe Hübsch den Wettbewerb eröffnen konnte. Ebenso sicher kann angenommen werden, dass Schwind in Voraussicht eines Wettbewerbes den Karton des »Rheinbildes« schuf. Es muss hierbei im Auge behalten werden, dass Schwind zwar schon lange eine Reise an den Niederrhein geplant hatte, die aber nicht zustande gekommen war, wenigstens findet sich noch in einem Briefe vom 2. September 1843 an Frau von Frech die Bemerkung: »Ich gedenke nach Cöln zu fahren, um doch den Dom zu sehen, bevor sie ihn um schweres Geld verschandeln.«

Das Bild: »der Rhein mit seinen Nebenflüssen«, viel bewundert und viel gescholten, wie Helena im Faust, wäre in der Tat für Baden-Baden ein passendes Kernstück ge- wesen, an das sich links und rechts die Rheinsagen hätten anschliessen können. Dieses Bild erfüllte im höchsten Sinn den alten Arndtschen Machtspruch vom Rhein »als Deutsch- lands Strom, nicht Deutschlands Grenzee. Aber die Zeit war noch nicht reif für dieses vaterländische Werk. Auch die Finanzen Badens waren nicht derart, dass man, besonders in jener Zeit, die sehr beträchtliche Summe von 32000 fl., bezw. 42000 fl. für Freskogemälde auszugeben gewagt hätte, zumal die zahlreichen Karlsruher Werke Schwinds noch nicht den Betrag von zusammen 13000 fl. erreichten.

Trotzdem scheinen ernstliche Erwägungen über die Ausführung der Schwindschen Pläne stattgefunden zu haben. Vorschläge an Schwind, zu billigeren Preisen oder in Ge- meinschaft mit Götzenberger zu arbeiten, fanden keinen

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. ı8ı

Eingang, und so zerrann das wundervolle Projekt und die Aussicht, eine grosse Anzahl Schwindscher Werke in Baden- Baden zu sehen, leider ins Nichts.

Schwind hat das Thema vom »fiedelnden Rhein mit einigen Nebenflüssene später noch einmal in der Adresse aufgenomunen, die er 1856 zur Verlobung Grossherzog Friedrichs I. mit der Prinzessin Luise von Preussen ent- warf (Weigmann, a. a. O.).

Die von Götzenberger im März ı843 eingeforderten Skizzen fanden Genehmigung. Unterm ı. Mai 1844, als Schwind Karlsruhe schon verlassen hatte, erhielt (rötzen- berger, das badische Landeskind, vom Ministerium des Innern den Auftrag für die Arbeit, die allerdings doch noch zu grossen Unstimmigkeiten und Zerwürfnissen ge- führt hat.

Die Entscheidung über die Zuteilung des Auftrages scheint aber schon im Sommer ı843 gefallen zu sein, denn Schwind schreibt unterm 20. August 1843 an Bauernfeld: ‚Mit meinen badischen Aufträgen werde ich in der nächsten Woche fertig. Se. Hoheit sind sehr unzufrieden mit mir und haben die Malerei in der Badener Trinkhalle den wenigst Nehmenden hintan gegeben. Das ist nun eine Virtuosität, in der ich mich gern übertreffen lasse. Um mir nun nicht Unrecht getan zu haben, muss meine Arbeit nichts wert sein, und man machte die grausame Ent- deckung, dass ich ein Ausländer sei... Dir zum Trost erwähne ich, dass sämtliche Künstlerschaft mir alle Kom- _ plimente macht und meine Arbeit über den grünen Klee lobt.«

Die Geschichte des in Karlsruhe entstandenen Bildes vom »Rhein mit seinen Nebenflüssene ist ziemlich reich. Schwind liebte, wie bekannt, sein Schmerzenskind mit bevorzugender Liebe und verteidigte seine Eigenart mit Standhaftigkeit gegen alle und jedermann. Erst im Jahre 1858 kam das seit 1850, bezw. 1853 fertige Werk in den Besitz des Grafen Raczynski zu Berlin mit einer ziemlich eingehenden »Uebersetzung des Bildes in Worte«e. Der einleitende Satz der Erklärung greift auf die Karlsruher- Badener Zeit zurück, weshalb der noch wenig bekannten

182 Beringer.

Schwindschen »Erklärung« mit beiliegendem Brief hier Raum gegeben werden soll!) Das Werk selbst befindet sich heute im Kaiser Friedrich-Museum zu Posen.

München, 11. November 1858. Euer Exzellenz

erhalten beiliegend die gewünschte Uebersetzung meines Bildes in Worte. Wäre es an dem Orte seiner ursprünglichen Be- stimmung ausgeführt worden, so hätte ich auf ein Publikum rechnen können, das den Rhein und die nächste Umgebung von Baden kennt, dem also die einzelnen Gebäude und son- stigen bezeichnenden Beigaben nicht erst hätten müssen genannt werden. In Berlin ist das freilich anders, und ich will hoffen, verständlich genug geschrieben zu haben. Bild und Rahmen sind glücklich abgegangen und dürften meiner Rechnung nach mit oder sehr bald nach diesem Schreiben in Berlin eintreffen. Die Rechnungen des Vergolders und Emballeurs sind mir noch nicht zugegangen.

Nach Euer Exzellenz Wunsch habe ich das Bild unge- firnisst abgehen lassen, bitte aber es bald möglichst tüchtig zu überziehen, da das Bild in dem gegenwärtigen eingeschlagenen Zustand sich eigentlich gar nicht ähnlich sieht.

In der Hoffnung, dass mich Euer Exzellenz bald von der glücklichen Ankunft des Bildes werden benachrichtigen können, habe die Ehre mit der Versicherung ausgezeichneter Hoch- achtung zu verbleiben

Euer Exzellenz

ergebenster M. v. Schwind.

Das vorliegende Bild war bestimmt, als Hauptbild in der Trinkhalle in Baden-Baden ausgeführt zu werden, davon beide Seitenfluchten, jede zu sieben Bildern, mit den Rheinsagen aus- gefüllt werden sollten.

Es erscheint daher der Rhein, umgeben von den Nixen, die den Nibelungenhort tragen worunter der geheimnisvolle Ring & Gürtel, und das Nibelungenlied, auf bekränzter Rolle, die Fiedl des Volker spielend und die Rheinsagen singend.

Seine Zuhörer sind die Nebenflüsse. Ihm zunächst folgend die lller (sic!), kenntlich an dem Strassburger Münster, den sie trägt. Als Französin schwimmt sie einsam und beschämt. Es folgt die Gruppe der alemannischen Flüsse.

1) Nach der Veröffentlichung von W. Eggert-Windegg in der »Öster- reichischen Rundschaus« XXVI (1911) Heft 6.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 18 3

Den Freiburger Münsterturm tragend, mit Tannen bekrängzt, mit schwarzblauem Gewand, die Schwarzwälder Dreisam. Neben ihr das Ebersteiner Schloss tragend, die Murch (sic!). Mit den Heblischen Gedichten unterm Arm, die von Hebel besungenen Wiesen, die Schutter mit dem gleichnamigen Kirchlein dem ältesten im Rheingau und zuletzt ein Hirtenknabe mit dem Schweizer Wappen, der hintere Rhein als Jugendgespiele.

Im Vordergrunde dieser Seite schwimmt die Oos, das Badner Flüßchen, mit dem badischen Wappen und einem reichen Apfel- zweig, die Fruchtbarkeit der Gegend anzuzeigen. Sie trägt die Trinkhalle, an deren Wänden die Bilder ausgeführt werden sollten. Es ist nicht gleichgültig zu bemerken, dass die daselbst ausgeführten Bilder keineswegs von mir sind, da der mir vor- gezogene Künstler ins Zuchthaus gewandert ist.

Dem Rhein kommen entgegen und von rückwärts, d. h. der Westseite, die Mosel mit dem preussischen Wappen und dem bekannten Mosler Glas. An sie schmiegt sich die Nahe mit der Rheinpfalz bei Bingen und die kleine Sieg mit dem Kölner Domturm. Im Vordergrund Neckar und Main. Der erste, mit Kirschenblüten bekränzt, den Pedellstab mit dem Pfälzer und Württemberger Wappen tragend, als Anspielung auf die Heidel- berger und Tübinger Universität, wie denn auch der kleine Wolfsbrunnen mit dem Heidelberger Fass ihn näher bezeichnet, der Main mit Aehren bekränzt, trägt den Frankfurter Römer und das Frankfurter Wappen. An diesen schliesst sich der Donau-Main-Kanal, der einen kleinen Orientalen hereinbringt, um. anzuzeigen, dass er die Verbindung mit dem schwarzen Meer herstellt. Er trägt die bei Kehlheim im Bau begriffene Befreiungshalle, und die Patenpfennige, die er am Halse trägt eine Münze von Karl dem Grossen und eine von König Ludwig, mögen anzeigen, dass ihn der erste erbauen wollte, der andere wirklich zustande brachte. Noch ist dieser Gruppe, kenntlich an dem Nassauer Wappen, die Lahn beigegeben.,

Im Hintergrunde sitzen am Lande die drei Rheinstädte Speier, Worms und Mainz. Will sich der Beschauer durch die erste mit den Kaisergräbern an die Geschichte, durch das alte Worms, die Heimat der Nibelungen, an die Sage, und durch Mainz mit der doppelten Mauerkrone und der österreichischen und preussischen Fahne an den deutschen Bund erinnern lassen, wird’s mich freuen, wo nicht, kann von mir aus jeder denken

oder nicht denken, was er will. M. v. Schwind.

184 Beringer.

e) Andere Werke Schwinds aus der Karlsruher Zeit.

Schwinds Fruchtbarkeit und bildnerische Laune war in der Zeit seines Karlsruher Aufenthaltes ausserordentlich rege. Abgesehen von dem erstaunlich reichen Werk, das der Meister in den 3'1/,; Jahren seines mehrfach unter- brochenen Aufenthaltes in der badischen Residenz ent- worfen und ausgeführt hat, sind noch eine Reihe von teils bekannten, teils bis jetzt unbekannten Bildern und Zeich- nungen anzuführen, die der Karlsruher Zeit angehören.

Ich scheide zwar mit vollem Bedacht die bei Weig- mann (Klassiker der Kunst Bd. IX) ins Jahr 1842 ge- setzten Kalenderbilder aus, nicht nur weil äussere, innere und schriftliche Zeichen für diesen Zeitpunkt fehlen, sondern andere Zeichen für ihr Entstehen in der Münchener Zeit, also etwa 1834, sprechen. Darauf weist die Jahreszahl 1834 auf dem Fasse ebenso hin, wie das angedeutete Wappen mit den zwei roten Querbalken auf silbernem Schild nicht das »badisches Wappen ist!). Ausserdem deuten die blauen Wecken und das fränkische Wappen auf den Fahnen des Oktober geradezu auf Bayern. Auch der Christbauın des Dezemberbildes hat in den 40er Jahren bei Schwind eine wesentlich andere Form erhalten.

Eher würden die Anfänge für die nee zu »Dullers Erzherzog Karl« in die Karlsruher Zeit passen, denn sie enthalten für das 1845 erschienene Werk genug »Badisches«, z. B. Pforzheim, Freiburg und die unverkenn- baren Anklänge an Bilder zum Sitzungssaale der Ersten Kammer (z. B. Treue), an den Falkensteiner Ritt, an das »Rheinbild«, an die Greifen als Wappenhalter u.a. um die gleichzeitige Entstehungszeit für begründet annehmen zu dürfen.

Zweifellos in Karlsruhe entstanden sind aber eine Reihe anderer Werke, die von Weigmann und Nachfolgern später- hin angesetzt werden. Da wäre die früheste Fassung zu nennen vom »Einsiedler, der eines Ritters Rosse tränkte. Die fein ausgeführte Bleistiftzeichnung befindet sich in dem

1) Weigmann a. a. O. und Fr. Haack, M. v. Schwind. Künstler- Monographien Band 31.

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Album des von Blittersdorffschen Hauses, jetzt im Besitz der Frau Baronin Erika von Blittersdorff auf Schloss Pflanzenstein bei Meran (Tirol). Das Blatt zeigt den Ein- siedler mit den Pferden nach links gehend und einige Verschiedenheit in der Behandlung des felsigen Hinter- grundes und des Baumwerkes. Nach dieser Zeichnung hat Schwind eine feine Radierung gemacht, die die Situation durch den Abdruck in den Gegensinn kehrt. Nach dieser Radierung ist, mit Änderung des Baum- und Felsenwerkes, sowie mit Einfügung des Durchblickes zwischen den Felsen, das Bildchen in der Schackgalerie entstanden.

Ferner gehört hierher das sogenannte »Ugartische Bild« »der Ritt des Falkensteiners« (Leipzig, Städt. Museum) von dem die ersten Nachrichten auf den ı7. Dezember 1843 zurückgehen, und das am 29. Februhr 1844 an Schaller!) zu München »bis zum Lasieren fertig« gemeldet wird. Auch in diesem Werk hat Schwind das Erlebnis der Schwierigkeiten seiner Liebe in köstlicher Weise ver- dichtet, indem er die hilfreichen Geister der Natur, an die er glaubte, zu seinen Verbündeten machte. Sie waren es, die ihm den Weg zur Geliebten bahnten.

Am 15. Januar 1844 werden auch die »Elfen« (Städelsches Institut, Frankfurt a. M.) mit dem »Rheinbild« als versand- bereit gemeldet.

Unterm selben Datum wird an den Münchener Freund Schaller auch die herrliche, grosse Zeichnung des »hl. Bern- hard« im Dom zu Frankfurt (jetzt im Besitze des Herrn Dr. Th. Demmer, Frankfurt) als in Angriff genommen bezeichnet. Schwinds Worte darüber lauten: »Die Frank- furter haben meinen Gegenstand nicht placidiert. Dagegen habe ich einen anderen bewegterer Natur, der mich an- zieht. Der hl. Bernhard predigt den Kreuzzug. Conrad III., der erste Hohenstaufe, nimmt den kleinen Mann, da er im Gedränge nicht fortkann, auf die Schultern und trägt ihn hinaus.« Schwind hatte.den berühmten Prediger schon einmal in der Hintergrundepisode des »Einweihungsbildes« behandelt.

1) S. Künstlers Erdenwallen S. 59. Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. N.F. XXX. 2. 13

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Aber ausser diesen bekannten Werken haben sich bis jetzt noch eine Reihe bis in unsere Zeit unbekannter Aqua- relle und Zeichnungen finden lassen, die zu dem unmittel- baren Erleben und Schaffen des Künstlers in engster Be- ziehung stehen. Leider scheinen aus dem Verkehr mit den Freunden Hauptmann Keller und Graf Sponeck weder Briefe, noch bildnerische Stücke sich erhalten zu haben.

Dagegen haben die freundschaftlichen Beziehungen zum Hause des Ministers von Blittersdorff eine ganze An- zahl wichtiger künstlerischer und historischer Dokumente gezeitigt. Briefe haben sich leider auch nicht gefunden. Das grosse repräsentative Porträt des Ministers in der »Modernen Galerie zu Wien« ist bekannt. Es ist zweifellos schon in Karlsruhe begonnen worden, die Fertigstellung jedoch fällt in die Frankfurter Zeit. Im »Ministerhaus« zu Karlsruhe hatte Schwind »ein Leben« nach »Schober«. Der veistvolle und vielangefeindete Minister, der zudem leb- hafte Beziehungen nach Wien unterhielt, mag in dem geistig regen, literarisch bewanderten und feinsinnigen Schwind umsomehr eine anziehende Persönlichkeit gefunden haben, als Schwinds sprühender Witz sich gerne in Worten und Zeichnungen entlud. »Am frohesten waren wir alle, wenn abends Schwind zu uns kam, sich an unseren Tisch setzte und allerlei köstlich heitere Zeichnungen uns Kindern verfertigte,« so erzählte noch nach Jahren der Sohn des Ministers seinen Kindern.

Zunächst wären zwei Blatt Doppelporträts zu erwähnen, die sich im Besitz des Freiherrn von Blittersdorff in Ottens- heim (Oberösterreich) befinden. Das eine Blatt enthält die fein aquarellierten Brustbilder der Ministersgattin Maximiliane, Freifrau von Blittersdorff, geb. Brentano (1802—1861), rechts, und deren Tochter Ludowika, Freiin von Blittersdorff, ver- ehelichte von Rauch, geb. 1827, links'),

Das andere Blatt enthält in Bleistiftzeichnung_ die Bildnisse der anderen Kinder, nämlich Antonie, Freiin von Blittersdorff, geb. 1825, und Ludwig, Freiherr von Blittersdorff, geb. 1829.

') S. Abbildung Nr. 2.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 187

Alle vier Porträts sind ausserordentlich wahr und sicher ausgeführt. Dazu kommt vermutlich noch die Lithographie des alten Försters im Blittersdorffschen Hause, dessen stereotype Redensart auf jede Ansprache »Das kann seyn« lautete, wie es auch auf der, meines Wissens noch nirgends veröffentlichten, Lithographie vermerkt ist.

Diese Arbeiten stammen alle aus dem Jahre 1842.

In den Blättern des Albums der Ministersgattin nehmen 9 geistreiche und lustige F ederzeichnungen Schwinds Bezug auf Zeiterlebnisse und zwar: Blatt ı: Betrifft den Aka- demiebau. Baurat Hübsch, hinter ihm Schwind und Bild- hauer Lotsch, stehen vor einem riesigen Plan- und Akten- bündel. Die Unterschrift lautet:

(Die Anwesenden) »empfehlen Euer Excellenz hoher Protektion diese wenigen Pläne«'),

Die Blätter 2, 6, 7, 8 und g führen in die durch Blitters- dorfis Haltung herbeigeführte aufgeregte politische Zeit. Sein Standpunkt, ein Staatsdiener könne nicht zugleich Abgeordneter sein, der zu den bekannten Urlaubsver- weigerungen führte, hatte die politischen Köpfe seiner Zeit umsomehr aufgeregt, als schon im Anfang der 40er Jahre jene demokratischen Strömungen einsetzten, die zu dem revolutionären Putsch von 1848 führten.

Blatt 2 mit der Überschrift: »Popularite«, zeigt eine Gruppe von Abgeordneten, unter denen freilich mit Sicher- heit nur der Vertreter von Stockach, Dekan Kuenzer (Kunz-) aus Konstanz, zu erkennen ist?)

Blatt 6: Karlsruher Studenten, auf Betreiben von Ab- geordneten, wollen dem die Rechte der Krone verteidigen- den Minister die Fenster einwerfen, werden aber durch

') S. Abbildung Nr. 3. 2) S. Abbildung Nr. 4. Auf eine Debatte über das neue Akademiegebäude kann sich die Zeichnung nicht beziehen, denn als die erste stattfand, 1837, war Schwind noch nicht in Karlsruhe, und die zweite vom 31. Juli 1841 bietet keinerlei Anhaltspunkte zur Er- klärung. Insbesondere bleibt zweifelhaft, wen der Vorderste von den Vieren darstellt, der, unterm Arm das neue Akademiegebäude, viele Köpfe unter einen Hut gebracht hat. Ihn als den Abgeordneten Greiff-Wiesloch zu deuten, erscheint sachlich ebensowenig begründet, als ein Versuch, die beiden

Andern als die Abgeordneten Oberamtmann Lang und Ministerialrat Vogel- mann zu identifizieren.

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selbe höhere Honorar ausbitten, weil die Ehre der Auf- gabe dann nicht mehr halb so gross und es eines Künstlers unwürdig wäre, zu geringerem Preis zu arbeiten, was ihn auch in den Augen der Welt herabsetzen würde. Während der Arbeit könne indes seine Mannheimer Besoldung ab- gezogen werden.«

Ganz anders verhält sich Schwind. Er entwickelt seine Ideen für den Zyklus mit Rücksicht auf den Bau und die Besucher der Trinkhalle, und stellt fest und bündig seine (allerdings ziemlich hone) Forderung. Er verwahrt sich und die Würde seiner Idee ganz entschieden gegen eine etwaige Mitarbeit seitens des mitkonkurrierenden Götzenberger. Das Schriftstück des sich seines Wertes bewussten Künstlers ist bedeutsam genug, um hier zum erstenmale veröffentlicht zu werden.

Grossherzogliches Hochpreissliches Ministerium des Innern.

Auf deroselben hohen Erlass vom 21. Februar beehre ich mich Folgendes zu erwiedern.

Die in Frage stehenden Gegenstände für die in der Trink- halle und dem Brunnensaal auszuführenden Bilder werden sich als entsprechend herausstellen, wenn sie übereinstimmen mit der Bedeutung, dem Zweck und dem Styl des Gebäudes, zu dessen Ausschmückung sie bestimmt sind, und wenn sie ferner, allge- mein bekannt und verständlich, und für Einheimische und Fremde gleich intressant sind.

Von diesem Standpunkte ausgehend, erlaube ich mir fol- gende Vorschläge, wie ich sie schon früher Sr. Exzellenz dem Herrn Minister von Blittersdorf, Herrn Oberstlieutenant v. Krieg und Herrn Baudirektor Hübsch, auf Anfrage, mitzuteilen die Ehre hatte.

Für die Halle einen Cyklus von Darstellungen aus den Rhein-Sagen.

Für den Saal, als nächste Umgebung der Quelle, Darstellung der vier Elemente, oder, sofern er als abgeschlossene Fortsetzung der Halle betrachtet werden sollte: Darstellung der in der nächsten Umgebung Baadens heimischen geschichtlichen und traditionellen Momente.

Mit diesen Vorschlägen hoffe ich zu genügen: der Be- deutung des Gebäudes, das, dem höchsten und gebildesten Publicum Europas gegenüber, ein Monument unserer Bildungs- stufe in Gesinnung und Geschmack für immer bleiben soll. Dem Zweck des Gebäudes, das bestimmt ist, den Genuss der Quelle

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und behaglicher Geselligkeit, mit dem Nachgenuss der Reise, in heiter-anregenden Bildern, zu umgeben. Sie werden überein- stimmen mit dem Styl des Gebäudes, der ein durchaus nationaler ist, frei hervorgegangen aus der Würdigung der Monumente unserer besten Vorzeit. l l

Sie sind dem Einheimischen von Jugend auf bekannt und dem Fremden, der seinen Weg mit einiger Aufmerksamkeit zurückgelegt hat, gewiss nicht fremd. Ebenso werden sie ge- eignet sein, jeden Gebildeten anzusprechen, als sie in gehöriger Auswahl und Folge, alle Richtungen deutscher Denk- und Dich- tungsweise anklingen.

Noch erlaube ich mir zu bemerken, dass dieser Stoff noch nirgends umfassend behandelt worden, mithin auch den Reiz der Neuheit für sich hat.

Die gewünschten Cartons betreffend, bin ich im Stande einen zur Ansicht anzubiethen. Wenn auch nicht zu diesem Zwecke gemacht, wird er der Idee nach den vorgeschlagenen Gegen- ständen verwandt, geeignet sein zu zeigen, in welchem Sinn ich mir den betreffenden Stoff anzueignen beflissen bin.

Anlangend den Preis erlaube ich mir vorläufig zu bemerken, dass abgesehen von dem Eifer, der jeden treibt, in seiner Kunst vorzuschreiten, ich namentlich an einem Orte wie Baaden mit dem allerbesten, was ich vermag, aufzutreten wage, daher in der Lage sein müsste mit aller Musse zu Werke zu gehen, dass der Aufenthalt kostspielig, und ich ohne Anstellung, nicht ausser Acht lassen darf, indem ich mich für meine besten Jahre ver- pflichte, auch für weiter hinaus zu sorgen.

Jedes der grossen Bilder zu 2000 fl., den grossen Fries zu 2000 fl. und jeden der Friese über den Seiteneingängen zu 1000 fl. macht für die Halle die Summe von 32000 fl., wobei der Stuckaturarbeiter mit eingerechnet ist.

Der Preis für die Bilder im Saal würde sich nach der Wahl des einen oder andern vorgeschlagenen Gegenstandes richten zwischen 12--1500 fl.

Schliesslich erlaube ich mir, über die Ausführung der Bilder- reihe durch Herrn Insp. Götzenberger und mich, meine An- sichten gehorsamst auszusprechen:

Diese Bilderreihe als ein ganzes betrachtend, folge ich lediglich dem Wesen des Baus, der in dem mir mitgeteilten Bericht des Herrn Baudirektors Hübsch beibehaltenen Ansicht und dem Umstand, dass ich früher mündlich, und nun auch schriftlich um Gegenstände gefragt wurde, die für die ganze Halle ausreichten, also respektive um einen.

Natürlicherweise kann ein Gedanke nur von einem Künstler ausgehen, dessgleichen die Wahl und Folge der einzelnen Gegen- Stände, woraus für den mitarbeitenden eine untergeordnete Stellung erfolgt, die Herr Insp. Goetzenberger nicht annehmen wird, und zu der ich mich auch nicht verstehen kann. Die

180 Beringer.

Ausführung betreffend, ist Harmonie das erste und nothwendige Erforderniss, die aber bei den ganz verschiedenen Richtungen die Herr Insp. Goetzenberger und ich in der Kunst einschlagen, nicht denkbar ist.

Unter diesen Umständen lehrt mich auf vielfache Erfahrung gegründete Überzeugung, dass ein glücklicher Erfolg nicht zu erwarten ist. Im Interesse der Sache erlaube ich mir daher, diese Betrachtungen einer geneigten Erwägung gehorsamst zu empfehlen.

Moritz von Schwind.

Karlsruh 30ten Merz 1843.

Es ist mit Sicherheit anzunehmen, dass Schwind mit Hübsch den ganzen Auftrag besprochen hat, ehe Hübsch den Wettbewerb eröffnen konnte. Ebenso sicher kann angenommen werden, dass Schwind in Voraussicht eines Wettbewerbes den Karton des »Rheinbildess schuf. Es muss hierbei im Auge behalten werden, dass Schwind zwar schon lange eine Reise an den Niederrhein geplant hatte, die aber nicht zustande gekommen war, wenigstens findet sich noch in einem Briefe vom 2. September 1843 an Frau von Frech die Bemerkung: »Ich gedenke nach Cöln zu fahren, um doch den Dom zu sehen, bevor sie ihn um schweres Geld verschandeln.«

Das Bild: »der Rhein mit seinen Nebenflüssen«, viel bewundert und viel gescholten, wie Helena im Faust, wäre in der Tat für Baden-Baden ein passendes Kernstück ge- wesen, an das sich links und rechts die Rheinsagen hätten anschliessen können. Dieses Bild erfüllte im höchsten Sinn den alten Arndtschen Machtspruch vom Rhein »als Deutsch- lands Strom, nicht Deutschlands Grenzee. Aber die Zeit war noch nicht reif für dieses vaterländische Werk. Auch die Finanzen Badens waren nicht derart, dass man, besonders in jener Zeit, die sehr beträchtliche Summe von 32000 fl., bezw. 42000 fl. für Freskogemälde auszugeben gewagt hätte, zumal die zahlreichen Karlsruher Werke Schwinds noch nicht den Betrag von zusammen 13000 fl. erreichten.

Trotzdem scheinen ernstliche Erwägungen über die Ausführung der Schwindschen Pläne stattgefunden zu haben. Vorschläge an Schwind, zu billigeren Preisen oder in Ge- meinschaft mit Götzenberger zu arbeiten, fanden keinen

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Eingang, und so zerrann das wundervolle Projekt und die Aussicht, eine grosse Anzahl Schwindscher Werke in Baden- Baden zu sehen, leider ins Nichts.

Schwind hat das Thema vom »fiedelnden Rhein mit einigen Nebenflüssene später noch einmal in der Adresse aufgenommen, die er 1856 zur Verlobung Grossherzog Friedrichs I. mit der Prinzessin Luise von Preussen ent- warf (Weigmann, a. a. O.).

Die von Götzenberger im März ı843 eingeforderten Skizzen fanden Genehmigung. Unterm ı. Mai 1844, als Schwind Karlsruhe schon verlassen hatte, erhielt Grötzen- berger, das badische Landeskind, vom Ministerium des Innern den Auftrag für die Arbeit, die allerdings doch noch zu grossen Unstimmigkeiten und Zerwürfnissen ge- führt hat.

Die Entscheidung über die Zuteilung des Auftrages scheint aber schon im Sommer 1843 gefallen zu sein, denn Schwind schreibt unterm 20. August 1843 an Bauernfeld: »Mit meinen badischen Aufträgen werde ich in der nächsten Woche fertig. Se. Hoheit sind sehr unzufrieden mit mir und haben die Malerei in der Badener Trinkhalle den wenigst Nehmenden hintan gegeben. Das ist nun eine Virtuosität, in der ich mich gern übertreffen lasse. Um mir nun nicht Unrecht getan zu haben, muss meine Arbeit nichts wert sein, und man machte die grausame Ent- deckung, dass ich ein Ausländer sei... Dir zum Trost erwähne ich, dass sämtliche Künstlerschaft mir alle Kom- plimente macht und meine Arbeit über den grünen Klee lobt.«

Die Geschichte des in Karlsruhe entstandenen Bildes vom »Rhein mit seinen Nebenflüssene ist ziemlich reich. Schwind liebte, wie bekannt, sein Schmerzenskind mit bevorzugender Liebe und verteidigte seine Eigenart mit Standhaftigkeit gegen alle und jedermann. Erst im Jahre 1858 kam das seit 1850, bezw. 1853 fertige Werk in den Besitz des Grafen Raczynski zu Berlin mit einer ziemlich eingehenden »Uebersetzung des Bildes in Worte«. Der einleitende Satz der Erklärung greift auf die Karlsruher- Badener Zeit zurück, weshalb der noch wenig bekannten

182 Beringer.

Schwindschen »Erklärung« mit beiliegendem Brief hier Raum gegeben werden soll!) Das Werk selbst befindet sich heute im Kaiser Friedrich-Museum zu Posen.

München, 11. November 1858. Euer Exzellenz

erhalten beiliegend die gewünschte Uebersetzung meines Bildes in Worte. Wäre es an dem Orte seiner ursprünglichen Be- stimmung ausgeführt worden, so hätte ich auf ein Publikum rechnen können, das den Rhein und die nächste Umgebung von Baden kennt, dem also die einzelnen Gebäude und son- stigen bezeichnenden Beigaben nicht erst hätten müssen genannt werden. In Berlin ist das freilich anders, und ich will hoffen, verständlich genug geschrieben zu haben. Bild und Rahmen sind glücklich abgegangen und dürften meiner Rechnung nach mit oder sehr bald nach diesem Schreiben in Berlin eintreffen. Die Rechnungen des Vergolders und Emballeurs sind mir noch nicht zugegangen. |

Nach Euer Exzellenz Wunsch habe ich das Bild unge- firnisst abgehen lassen, bitte aber es bald möglichst tüchtig zu überziehen, da das Bild in dem gegenwärtigen eingeschlagenen Zustand sich eigentlich gar nicht ähnlich sieht.

In der Hoffnung, dass mich Euer Exzellenz bald von der glücklichen Ankunft des Bildes werden benachrichtigen können, habe die Ehre mit der Versicherung ausgezeichneter Hoch- achtung zu verbleiben

Euer Exzellenz

ergebenster M. v. Schwind.

Das vorliegende Bild war bestimmt, als Hauptbild in der Trinkhalle in Baden-Baden ausgeführt zu werden, davon beide Seitenfluchten, jede zu sieben Bildern, mit den Rheinsagen aus- gefüllt werden sollten.

Es erscheint daher der Rhein, umgeben von den Nixen, die den Nibelungenhort tragen worunter der geheimnisvolle Ring & Gürtel, und das Nibelungenlied, auf bekränzter Rolle, die Fiedl des Volker spielend und die Rheinsagen singend.

Seine Zuhörer sind die Nebenflüsse. Ihm zunächst folgend die ller (sic!), kenntlich an dem Strassburger Münster, den sie trägt. Als Französin schwimmt sie einsam und beschämt. Es folgt die Gruppe der alemannischen Flüsse.

1) Nach der Veröffentlichung von W. Eggert-Windegg in der »Öster- reichischen Rundschau«e XXVII (1911) Heft 6.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 183

Den Freiburger Münsterturm tragend, mit Tannen bekränzt, mit schwarzblauem Gewand, die Schwarzwälder Dreisam. Neben ihr das Ebersteiner Schloss tragend, die Murch (sic!). Mit den Heblischen Gedichten unterm Arm, die von Hebel besungenen Wiesen, die Schutter mit dem gleichnamigen Kirchlein dem ältesten im Rheingau und zuletzt ein Hirtenknabe mit dem Schweizer Wappen, der hintere Rhein als Jugendgespiele.

Im Vordergrunde dieser Seite schwimmt die Oos, das Badner Flüßchen, mit dem badischen Wappen und einem reichen Apfel- zweig, die Fruchtbarkeit der Gegend anzuzeigen. Sie trägt die Trinkhalle, an deren Wänden die Bilder ausgeführt werden sollten. Es ist nicht gleichgültig zu bemerken, dass die daselbst ausgeführten Bilder keineswegs von mir sind, da der mir vor- gezogene Künstler ins Zuchthaus gewandert ist.

Dem Rhein kommen entgegen und von rückwärts, d. h. der Westseite, die Mosel mit dem preussischen Wappen und dem bekannten Mosler Glas. An sie schmiegt sich die Nahe mit der Rheinpfalz bei Bingen und die kleine Sieg mit dem Kölner Domturm. Im Vordergrund Neckar und Main. Der erste, mit Kirschenblüten bekränzt, den Pedellstab mit dem Pfälzer und Württemberger Wappen tragend, als Anspielung auf die Heidel- berger und Tübinger Universität, wie denn auch der kleine Wolfsbrunnen mit dem Heidelberger Fass ihn näher bezeichnet, der Main mit Aehren bekränzt, trägt den Frankfurter Römer und das Frankfurter Wappen. An diesen schliesst sich der Donau-Main-Kanal, der einen kleinen Orientalen hereinbringt, um. anzuzeigen, dass er die Verbindung mit dem schwarzen Meer herstellt. Er trägt die bei Kehlheim im Bau begriffene Befreiungshalle, und die Patenpfennige, die er am Halse trägt eine Münze von Karl dem Grossen und eine von König Ludwig, mögen anzeigen, dass ihn der erste erbauen wollte, der andere wirklich zustande brachte. Noch ist dieser Gruppe, kenntlich an dem Nassauer Wappen, die Lahn beigegeben.

Im Hintergrunde sitzen am Lande die drei Rheinstädte Speier, Worms und Mainz. Will sich der Beschauer durch die erste mit den Kaisergräbern an die Geschichte, durch das alte Worms, die Heimat der Nibelungen, an die Sage, und durch Mainz mit der doppelten Mauerkrone und der österreichischen und preussischen Fahne an den deutschen Bund erinnern lassen, wird’s mich freuen, wo nicht, kann von mir aus jeder denken oder nicht denken, was er will.

M. v. Schwind.

184 Beringer.

e) Andere Werke Schwinds aus der Karlsruher Zeit.

Schwinds Fruchtbarkeit und bildnerische Laune war in der Zeit seines Karlsruher Aufenthaltes ausserordentlich rege. Abgesehen von dem erstaunlich reichen Werk, das der Meister in den 3'/2 Jahren seines mehrfach unter- brochenen Aufenthaltes in der badischen Residenz ent- worfen und ausgeführt hat, sind noch eine Reihe von teils bekannten, teils bis jetzt unbekannten Bildern und Zeich- nungen anzuführen, die der Karlsruher Zeit angehören.

Ich scheide zwar mit vollem Bedacht die bei Weig- mann (Klassiker der Kunst Bd. IX) ins Jahr 1842 ge- setzten Kalenderbilder aus, nicht nur weil äussere, innere und schriftliche Zeichen für diesen Zeitpunkt fehlen, sondern andere Zeichen für ihr Entstehen in der Münchener Zeit, also etwa 1834, sprechen. Darauf weist die Jahreszahl 1834 auf dem Fasse ebenso hin, wie das angedeutete Wappen mit den zwei roten Querbalken auf silbernem Schild nicht das »badische« Wappen ist!). Ausserdem deuten die blauen Wecken und das fränkische Wappen auf den Fahnen des Oktober geradezu auf Bayern. Auch der Christbaum des Dezemberbildes hat in den goer Jahren bei Schwind eine wesentlich andere Form erhalten.

Eher würden die Anfänge für die SE ION. zu »Dullers Erzherzog Karl« in die Karlsruher Zeit passen, denn sie enthalten für das 1845 erschienene Werk genug »Badisches«, z. B. Pforzheim, Freiburg und die unverkenn- baren Anklänge an Bilder zum Sitzungssaale der Ersten Kammer (z. B. Treue), an den Falkensteiner Ritt, an das »Rheinbild«, an die Greifen als Wappenhalter u. a. um die gleichzeitige Entstehungszeit für begründet annehmen zu dürfen.

Zweifellos in Karlsruhe entstanden sind aber eine Reihe anderer Werke, die von Weigmann und Nachfolgern später- hin angesetzt werden. Da wäre die früheste Fassung zu nennen vom »Einsiedler, der eines Ritters Rosse tränkt«. Die fein ausgeführte Bleistiftzeichnung befindet sich in dem

t) Weigmann a. a. O. und Fr. Haack, M. v. Schwind. Künstler- Monographien Band 31.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 185

Album des von Blittersdorffschen Hauses, jetzt im Besitz der Frau Baronin Erika von Blittersdorff auf Schloss Pflanzenstein bei Meran (Tirol). Das Blatt zeigt den Ein- siedler mit den Pferden nach links gehend und einige Verschiedenheit in der Behandlung des felsigen Hinter- grundes und des Baumwerkes. Nach dieser Zeichnung hat Schwind eine feine Radierung gemacht, die die Situation durch den Abdruck in den Gegensinn kehrt. Nach dieser Radierung ist, mit Änderung des Baum- und Felsenwerkes, sowie mit Einfügung des Durchblickes zwischen den Felsen, das Bildchen in der Schackgalerie entstanden.

Ferner gehört hierher das sogenannte »Ugartische Bild« »der Ritt des Falkensteiners« (Leipzig, Städt. Museum) von dem die ersten Nachrichten auf den ı7. Dezember 1843 zurückgehen, und das am 29. Februhr 1844 an Schaller!) zu München »bis zum Lasieren fertige gemeldet wird. Auch in diesem Werk hat Schwind das Erlebnis der Schwierigkeiten seiner Liebe in köstlicher Weise ver- dichtet, indem er die hilfreichen Geister der Natur, an die er glaubte, zu seinen Verbündeten machte. Sie waren es, die ihm den Weg zur Geliebten bahnten.

Am 15. Januar 1844 werden auch die »Elfen« (Städelsches Institut, Frankfurt a. M.) mit dem »Rheinbild« als versand- bereit gemeldet.

Unterm selben Datum wird an den Münchener Freund Schaller auch die herrliche, grosse Zeichnung des »hl. Bern- hard« im Dom zu Frankfurt (jetzt im Besitze des Herrn Dr. Th. Demmer, Frankfurt) als in Angriff genommen bezeichnet. Schwinds Worte darüber lauten: »Die Frank- furter haben meinen (segenstand nicht placidiert. Dagegen habe ich einen anderen bewegterer Natur, der mich an- zieht. Der hl. Bernhard predigt den Kreuzzug. Conrad III., der erste Hohenstaufe, nimmt den kleinen Mann, da er im Gedränge nicht fortkann, auf die Schultern und trägt ihn hinaus.« Schwind hatte.den berühmten Prediger schon einmal in der Hintergrundepisode des »Einweihungsbildes« behandelt.

1) S. Künstlers Erdenwallen S. 59. Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. N.F. XXX. 2. 13

year, Beringer.

n

Aber ausser diesen bekannten Werken haben sich bis jetzt noch eine Reihe bis in unsere Zeit unbekannter Aqua- relle und Zeichnungen finden lassen, die zu dem unmittel- haren Erleben und Schaffen des Künstlers in engster Be- tielung stehen, J.eider scheinen aus dem Verkehr mit den Freunden Hauptmann Keller und Graf Sponeck weder liriefe, noch bildnerische Stücke sich erhalten zu haben.

Dagegen haben die freundschaftlichen Beziehungen sum Hause des Ministers von Blittersdorff eine ganze An- zahl wichtiger künstlerischer und historischer Dokumente gezeitipt, Briefe haben sich leider auch nicht gefunden. Pan grosse repräsentative Porträt des Ministers in der Modernen Galerie zu Wiene ist bekannt. Es ist zweifellos whon in Karlsruhe begonnen worden, die Fertigstellung edoch Kalle in die Frankfurter Zeit. Im »Ministerhauss zu Karlsruhe hatte Schwind sein Leben« nach »Schobers, Der poiret und vielangefeindete Minister, der zudem leb- halto Beziehungen nach Wien unterhielt, mag in dem polly tegen, Üterartsch bewanderten und feinsinnigen Yıhhwind umsemehr eine anziehende Persönlichkeit gefunden haben, as Schwinds speühender Witz sich gerne in Worten ung Zeinhzingen entu ‚Am frohesten waren wir alle, wenn ienis ee za uns kam, sich an unseren Tisch setzre zul nieriet &scılch Kottere Zeichnungen uns Kindern vererg m erzinite noch nach Jahren der Sohn des

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Mousan wnen Andiem,

Lruvinnst wiren zwet Platt Doppelporträts zu erwähnen, die s1 a hesiz des Freiherrn von Blittersdorff in Ottens- heist Lhernrerreich) befinden. Das eine Blatt enthält die fein avunruliertan Brusthiider der Ministersgattin Maximiliane, Frei van %..2zersdorfl. geb. Brentano (1802—1861), rechts, une Geen s waet Ludowika, Freiin von Blittersdorff, ver- zennite yon Rauch, geb. 1827, links’).

zas antere Blatt enthält in Bleistiftzeichnung die „spe Ser anderen Kinder, nämlich Antonie, Freiin won 3u.zersdurt, geb. 1825, und Ludwig, Freiherr von K.tersäurh, geb. 1829.

‘, S. Abbildung Nr. 2

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 187

Alle vier Porträts sind ausserordentlich wahr und sicher ausgeführt. Dazu kommt vermutlich noch die Lithographie des alten Försters im Blittersdorffschen Hause, dessen stereotype Redensart auf jede Ansprache »Das kann seyn« lautete, wie es auch auf der, meines Wissens noch nirgends veröffentlichten, Lithographie vermerkt ist.

Diese Arbeiten stammen alle aus dem Jahre 1842.

In den Blättern des Albums der Ministersgattin nehmen g geistreiche und lustige Federzeichnungen Schwinds Bezug auf Zeiterlebnisse und zwar: Blatt ı: Betrifft den Aka- demiebau. Baurat Hübsch, hinter ihm Schwind und Bild- hauer Lotsch, stehen vor einem riesigen Plan- und Akten- bündel. Die Unterschrift lautet:

(Die Anwesenden) »empfehlen Euer Excellenz hoher Protektion diese wenigen Pläne«!),

Die Blätter 2, 6, 7, 8 und g führen in die durch Blitters- dorffs Haltung herbeigeführte aufgeregte politische Zeit. Sein Standpunkt, ein Staatsdiener könne nicht zugleich Abgeordneter sein, der zu den bekannten Urlaubsver- weigerungen führte, hatte die politischen Köpfe seiner Zeit umsomehr aufgeregt, als schon im Anfang der qoer Jahre jene demokratischen Strömungen einsetzten, die zu dem revolutionären Putsch von 1848 führten.

Blatt 2 mit der Überschrift: »Popularite«, zeigt eine Gruppe von Abgeordneten, unter denen freilich mit Sicher- heit nur der Vertreter von Stockach, Dekan Kuenzer (Kunz-) aus Konstanz, zu erkennen ist?)

Blatt 6: Karlsruher Studenten, auf Betreiben von Ab- geordneten, wollen dem die Rechte der Krone verteidigen- den Minister die Fenster einwerfen, werden aber durch

1) S. Abbildung Nr. 3. ?) S. Abbildung Nr. 4. Auf eine Debatte über das neue Akademiegebäude kann sich die Zeichnung nicht beziehen, denn als die erste stattfand, 1837, war Schwind noch nicht in Karlsruhe, und die zweite vom 31. Juli 1841 bietet keinerlei Anhaltspunkte zur Er- Klärung. Insbesondere bleibt zweifelhaft, wen der Vorderste von den „Vieren darstellt, der, unterm Arm das neue Akademiegebäude, viele Köpfe unter einen Hut gebracht hat. Ihn als den Abgeordneten Greiff-Wiesloch zu deuten, erscheint sachlich ebensowenig begründet, als ein Versuch, die beiden &Andern als die Abgeordneten Oberamtmann Lang und Ministerialrat Vogel- mann zu identifizieren.

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188 Beringer.

die Wachsamkeit der Polizei daran gehindert. Im Hinter- grund die kathol. Stadtkirche. Der Text lautet:

»Die Verschwörung gegen den Minister scheiterte an der Wachsamkeit der Polizei«!), (Madrider Zeitung.)

Schwind bemerkt in einem an DBauernfeld unterm 4. April 1842 gerichteten Brief dazu:

.»Die Kammer hat ihren Thee. Blittersdorff kann was ertragen und plagt mich eigentlich um Karrikaturen. Ich hab ihm eine Szene gezeichnet, wo man ihm die Fenster einwerfen will, das gefällt ihm sehr gut und er will es herausgegeben haben. Ich will es nicht abgelehnt haben und vor allem nicht, bis ich die Sache kenne.«

Blatt 7: Baronesse Tony von Blittersdorff trennt zwei kämpfende, mit Ordensband geschmückte Truthähne. Unter- schrift: »Königin: Blosse Schwerter! Carlos!

Schillers D. Carlos II. 6.«

Worauf sich dieses Blatt bezieht, lässt sich mit Be- stimmtheit nicht sagen: vielleicht auf einen Auftritt zwischen Blittersdorff und dem Minister von Boeckh.

Blatt 8: Aus einem Bett sieht ein rot punktierter Kopf mit hoch aufgeschwollenem Mund heraus. Eine Dame ruft dabei aus:

»Ach armes Kind! er ist kaum zu erkennen

Ludwig von Blittersdorff, der Sohn des Ministers, war an den Röteln erkrankt und mit seinem geschwollenen Mund, der wie ein Karpfenkopf aussah, zur Unkenntlich- keit entstellt.

Blatt 9 steht damit in engem Zusammenhang:

»Tony, Wika und Ludwig von Blittersdorff haben die Masern und werden von ihren Freunden beklagt.« Um das Porträt der drei Genannten haben sich das von ihnen gepflegte Hausgeflügel, sowie der Pudel versammelt und bringen mit leidvollen Gebärden und Thränen ihre Trauer zum Ausdruck.

Die Blätter 3, 4 und 5 beziehen sich auf die im Jahre 1842 erfolgte Verlobung der badischen Prinzessin Alexan- drine mit dem Prinzen Ernst von Koburg.

1) S. Abb. Nr. 5.

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Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 189

Blatt 3 mit der Überschrift »Tapisseries« zeigt eine Menge von Damen und Stickrahmen tragende Männer, worunter steht:

»Wir sind der Mittelpunkt der Bewegung geworden. {Carlsruher Ztg.).e

Blatt 4 zeigt den Schlossplatz, über den ein Riesen- teppich ausgespannt ist: das Verlobungsgeschenk der Damenwelt an die hohe Braut. Die Unterschrift lautet: »Das schönste Wetter begünstigte die Feyerlichkeit. (Carls- ruher Zeit.)«, sowie »Frau von Blittersdorff, unsere Lands- männin wurde von LI. K.K. H.H. mit dem trefflichen Dolland beschenkt, dessen sich I.I. K.K. H.H. zur Besich- tigung des Meisterwerkes bedient hatten.« (Didaskalia).

Blatt 5 zeigt einen italienischen Misericordia-Bruder mit vorgehaltener Sammelbüchse.

Als letztes und flüchtig mit Bleistift hingeworfenes Blatt dieses Albums ist von Schwind die Gestalt eines schwebenden Genius gezeichnet. Selbstverständlich gehört auch die schon veröffentlichte, in Ravensteinschem Besitz befindliche Zeichnung hierher, wie »Hübsch sich dem Teufel verschreibt.«

f) Eine Gruppe von unveröffentlichten Zeichnungen,

die dem glücklichen Liebesleben. des Meisters angehören, bewahrt die jüngste Tochter Schwinds, Frau Professor von Ravenstein, als köstliches Gut mit einer grossen Anzahl von anderen Werken ihres Vaters auf.

Soweit sie der Karlsruher Zeit angehören und noch nicht veröffentlicht sind, sollen sie hier angeführt werden.

Schwinds Karlsruher Leben.

Gleich zu Anfang dieses Abschnittes ist es Pflicht des Historikers, die Legende zu zerstören, dass an die Be- rufung Schwinds nach Karlsruhe die Forderungsklausel geknüpft gewesen sei, der Künstler habe bis zur Fertig- stellung seiner Fresken ledig zu bleiben, wogegen Schwind sich entschieden gewehrt habe'). Eine solche Klausel ist

1) Vgl. Holland, M. v. Schwind S. 99; Haack, a. a. O. S. 70; Weigmann, a. a. O. S. XXVII.

190 Beringer.

in keinem der hier veröffentlichten Verträge und auch sonst nirgends enthalten. Die Familientradition weiss nichts davon, und auch einer der ersten Biographen Schwinds, H. Holland in seinem trefflichen Büchlein über M. v. Schwind (1873), hält an der Legende nicht mehr fest. Die Heirat Schwinds, zwei Jahre nach seiner Ansiedelung in Karls- ruhe, widerspricht der angeblichen Klausel ebenso aufs entschiedenste. Es ist auch kaum anzunehmen, dass irgend eine Amtsstelle es gewagt hätte, den Wunsch des Künstler- Cölibates privatim zu äussern. Schwind war ja in der fraglichen Zeit mit seinen 36—38 Lebensjahren reichlich volljährig, selbständig und auch anerkannt genug, als dass man, selbst in jener biedermaierischen Zeit, ihm gegenüber “diesen Zug gewagt hätte. Wahrscheinlich ist die Legende einer jener Atelierwitze, die um ihrer guten Wirkung willen ein dauerhaftes Leben haben.

Nachdem am ıg. März ı838 der Vertrag für das grosse Fresko der Kunsthalle ratifiziertt und im Herbst 1840 das Gebäude so weit gefördert war, dass mit der Ausführung des in Wien gezeichneten Kartons an Ort und Stelle begonnen werden konnte, kam Schwind nach der badischen Residenz. Er kam gerne, stand ihm doch eine grosse und schöne Arbeit bevor, die weitere bedeutende Aufträge im Gefolge hatte. Nach seiner Ankunft (am 22. September 1840) gewöhnte er sich rasch ein. Gar lustig schreibt er schon im Februar an die ihm befreundete Familie von Frech in Wien'): »... Dient zur Nachricht, dass, nachdem ich an meinem Namenstag in Carlsruhe eingezogen, mit einem kleinen Fräulein Frech, die aber von Verwandten in Wien nichts weiss, getanzt, mich in die Grossherzogin verliebt und zwei Lunetten gemalt, ich erstens einen Abstecher nach Frankfurt gemacht und Mitte Dezember mein Hauptquartier nach München verlegt habe. Meine Wohnung ist so gross, wie der ganze Trienter Hof, ein Klavier habe ich, einen, der es spielt, und eine Geige, ausserdem male ich einen Serail von Tugenden, die im Ständehaus in Carlsruh die Wände verzieren oder ver- unstalten werden, jenachdem die Götter aufgelegt sind.

1) Trost, Briefe von M. v. Schwind an Therese und Marianne v. Frech. Grillparzer-Jahrbuch XIII (1903). Brief vom 15. Fehr. 1846.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. IQI

... Gehen Sie heuer in das Badner Land? Thun Sie es, es ist gar zu schön ..

Schwind hatte zu dieser Zeit seine Junggesellenwohnung in der Stephanienstrasse 20 (jetzt 18), also ganz nahe der Kunsthalle. Er fand rasch Anschluss in den besten Kreisen der Gesellschaft. Ganz vertraut verkehrte er im »Minister- hause, wie aus den Porträts und Aufzeichnungen zu ersehen ist, die mit der von Blittersdorffschen Familie zusammen- hängen. Ebenso hatten sich der mit Schwind gleichaltrige Oberleutnant Franz Keller und der um ıo Jahre jüngere Graf Willi Sponeck ihm freundschaftlich angeschlossen. Aber trotzdem blieb in seinem Leben eine Lücke: Frau und Familie, Häuslichkeit fehlten. Nach diesen sehnte sich der Meister, und wenn man es aus den Briefen nicht wüsste, wie stark diese Sehnsucht war, so würden es die herrlichen Werke der späteren Zeit sagen, wie tief des Meisters Kunst im Frieden geordneter Häuslichkeit ver- wurzelt war: der Abschied im Morgengrauen, das Hoch- zeitsbild, das Titelbild zur Melusine, die Morgenstunde u. a.m.

Diese Sehnsucht spricht sich in einem Briefe (vom 17. Dezember 1841 an Frau von Frech) deutlich genug aus, wenn es heisst: ».... Gar schad ist, dass Sie im Sommer nicht herauskommen, das wäre ganz prächtig. Ich kann jetzt nicht reisen, denn ich habe über Hals und Kopf zu thun, und es heisst kochen, so lange man den Löffel in der Hand hat. Dazu kommt, dass Carlsruh für mich die interessanteste Stadt der Welt geworden ist. Es gibt keine schönere Gegend, keine schöneren Strassen, keine schöneren Sterne als hier. Dieses neugebackene Loch ent- hält alles, was ich brauche, ob es darum mein wird, ist aber noch eine Frage. Wirkungskreis und Frau, den will ich sehen, der mehr verlangen kann, höchstens einen Haufen Kinder dazu.e - | |

Dieser »schönste Stern« am Karlsruher Himmel war ihm in Luise Sachs, der Tochter des verstorbenen Majors W. Sachs, aufgegangen, und die »schönste Strasse war unzweifelhaft die »Hirschstrasse«, die von der Stephanien- Strasse aus am Hirschgarten entlang, direkt auf das Haus der Geliebten (Langestrasse 221, jetzt Kaiserstrasse 229, heute der sogen. »Eckschmitt«) zuführte. Die Sache ins

DE) Beringer.

Keine zu bringen, war aber nicht ganz einfach. Wohl hatte Schwind schon im Spätherbst 1841 sich mit seiner liebe verständigt; aber zwei Dinge kamen hinderlich in den Weg. Einmal begannen bei dem zu Leibesfülle neirenden Schwind Leberbeschwerden sich fühlbar zu machen, die ärztliche Behandlung und Pflege verlangten. (Aus diesem Grund ist für kurze Zeit die Adresse Schwinds -Bürgierspital«e Karlsruhe.) Der Arzt verordnete dem Künst- ler reichlichere Bewegung und empfahl ihm das Reiten. Dieser schreibt darüber an Bauernfeld (am 23. Februar (842): »Ein Pferd habe ich allerdings und zwar die Stute des Propheten. Ich habe nicht gedacht, dass das Reiten no angenehm sei, Die Leber ist in Ordnung, wenigstens thut sie mir nicht mehr weh, und nebenbei ist etwas an dem Ausspruch, man habe zu Pferd eine andere Welt- annieht, Wenigstens weiss ich gewiss, dass, müsste ich eu Fua an den Rhein hinaus zappeln, er mir den Ein- druck nicht machte, als wenn man geritten kommt. Ich will mirs schmecken lassen, bis ich wieder auf den Esel komme. Mit der Matrresse ist es nichts, wohl aber dürfte über ein Kletitres gehetrathet werden. Ich werde nächster Gtelegenkeit ein Porträt einschicken, damit doch Jedermann aih üierzeigt. dass es der Mühe wert ist und auch die Hiochzeisisızsen nicht brauchen aufs gerade Wohl ge- macht zz werden. Aber Dank sei es dem grossen An- vehen. m dem die deutschen Künstler stehen, die Ver- wazi» nan steht noch immer mit gefälltem Spiess; wenn se mah wi machen. so gehe ich meiner Wege und lebe so mazar es geht auch „.. Fäindest Du was dran auszu- seuen. vnn Du den angenehmsten Umgang alle Tage bare” Ar freundliches (resicht und ein ordentliches Has. 73 sire} keine Kleinigkeiten, ich will meinem Herr Go Lar er. wenn es mir zu Theil wird, es setzt mehr vorz.2. z2 man glaubt, ist auch mehr wert ... %.2%..5 machte zu Pferd keine besonders glückliche Fig.r, ó e ging nicht ohne allerhand lustige Zwischen- fane a, úte Grfel und Pinsel des gelegentlich auch sich einst ironiserenden Künstlers festhielten. Die »Fenster- parajes Schwind in der Mitte —, bei Weigmann, a. a. O. S. IX, ist bekannt. Sie ist 1841 zu datieren, nicht 1840.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 193

Das hier wiedergegebene Blatt (im Besitz der Frau Pro- fessor von Ravenstein) zeigt einen »Reitunfalle, bei dem durch einen heftigen Seitensprung der »Florissa« (so hiess sein Falbe) Schwinds Zylinder vom Kopfe ge- fallen und vom Hunde aus dem »Landgraben« apportiert worden ist!).

Die Ritte am »Hirschgarten« entlang, am Fenster des Hauses der Geliebten vorbei, sind in Schwinds Kunst zu einem wichtigen Faktor geworden. Nicht nur, dass aus der Angebeteten, Luise Sachs, scherzweise ein Fräulein »Hirschlhuber« wurde, nicht nur, dass die Hirsche mit der Fee auf einem Handschuhkasten erscheinen, (Frau Professor von Ravenstein gehörend), auch Schwinds Haus in Frank- furt hatte Terracottaverzierungen mit Hirschen (nach frdl. Mitteilung von Herrn Dr. C. Gebhard), und der dekorative Teppichfries. des Sängerkriegsbildes auf der Wartburg, sowie die Bekrönung eines Grewehrschrankes nach des Meisters Zeichnung u. a. m. zeigen das Motiv des Hirsches in glücklicher Verwendung.

Viel schwieriger, als die bald sich hebende Unpäss- lichkeit Schwinds, die zu den glücklichen Reitübungen geführt hatte, war der Widerstand der Familie Sachs zu überwinden: »Mit dem Mädel ist alles gut« (schreibt Schwind am 17. Dezember 1841)?), »aber jetzt gehts mit der Mutter los, der ich wahrscheinlich zu arm bin. Plagt sich einer sein Leben durch, um sich dann sagen zu lassen, er habe kein sicheres Auskommen oder eigentlich Ein- kommen. Das wird eine schöne Geschichte werden. Den Erfolg werde ich alsobald melden. Das ist eine Person, wie ich mir noch gar nichts vorgestellt habe, die lebendige Tugend, ein Ding, das ich immer für etwas langweilig gehalten habe, aber wahrscheinlich nur, weil es nicht für den Augenblick zu verbrauchen ist. Ich wüsste keine unserer Freundinnen, der sie zu vergleichen wäre, ohne jemand einen Vorwurf zu machen. Brächte ich sie einmal nach Wien, so kann es leicht sein, es wird heissen, was hat der Schwind für eine praktische Frau, um nicht zu sagen »trockene«, wenn es nicht zuerst in die Augen fällt,

1) S. Abbildung Nr. 6. ?) Grillparzer-Jahrbuch VI.

194 Beringer.

dass sie sehr schön ist. Was nutzt aber das, jetzt muss ich der Mutter explizieren, von was wir leben wollen und mit der Antwort des Leporello wird sie sich nicht be- gnügen. Da möchte einer seinen Schwager bei den Ohren nehmen. Aber genug, bis Sie diesen Brief lesen, hab ich schon einen Korb oder eine Braut. -- Den ganzen Tag, die Zeit abgerechnet, wo ich nachdenke, was ich ihr das letzte Mal hätte alles sagen sollen, wiederhole ich für den Fall eines schlimmen Ausgangs die Verse von Mercutio:

»Ein Mann, der der Fortuna Schmeicheln

Und Stöss’ mit gleichem Dank hinnimmt.« ...

... Beifall habe ich mit dem Ritter Curt übrigens genug, aber es kauft ihn niemand. Wenn das nicht bald ein Ende nimmt, so werf ich ihn ins Feuer.

Was soll ich von mir schreiben. Ich arbeite was nur Kreuz möglich ist, Aufträge, Spekulationen, inzwischen immer wieder Pläne von Bildern die niemand brauchen kann, wies schon in einem solchen Geschäft zugeht. Meine ganze Wohnung steht voll Brettern und Leinwand und Grraffelwerk, dass ich kaum mehr gehen kann, es ist nichts, keine Ordnung, kein Behagen, das nützt aber alles nichts, ich mal drauf, gehts wie’s kann. Der Fuchs ist auf dem Rücken gedrückt; jetzt kann ich nicht reiten und zu Fuss sehe ich nicht ins Fenster hinein; lauter Lumperei. Abends ennuyre ich mich mörderisch; was macht man mit einem »Schoppen Seewein«? Mein einziger Freund Sponeck ist bis über die Ohren verliebt in eine Schönheit von Achern. Da verlangen die Ältern, er soll Hauptmann sein. Die Leute wissen nicht, was sie alles begehren sollen. Aber genug für heute. Leben Sie recht wohl und halten Sie mir den Daumen ...

Das zwischen den beiden Liebenden bindende Wort fiel 1841 an Weichnachten. Schwind hatte seine Luise nach Hause begleitet und ihr vor der Haustüre beim Ab- schied eine Düte mit Süssigkeiten überreicht’). Die öffent- liche Verlobung fand aber erst am ı4. Februar 1842 statt, wie Schwinds glückerfüllter Brief ausweist, wenn er am l 15. dieses Monats an von Frechs schreibt:

') S. Abbildung Nr. 7.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 105

»Gestern vormittag habe ich mich verlobt, mit Luise Sachs, Majorstochter von hier. Seit Weihnachten konnte ich aus der Mutter nichts Rechtes herauskriegen, bis ich gestern dranging und in ein paar Minuten alles erobert hatte. Das gute Mädel fing an zu weinen um ihren Vater und ihre Schwester, die beide in Zeit von acht Monaten gestorben sind, sie hat sich aber wieder getröstet. Alle Bekannten, Halbbekannten und selbst Fremde gratulieren mir, ich hätte das brävste Mädel auf weit und breit. Das auffallende Unglück, das sie zu bestehen hatte, machte auch ihr wackeres Betragen bekannt. Ich bin gestern mit ihr ausmarschiert und sah lauter vergnügte Gesichter. Dieser Mensch also, der so viel Unheil erlebt und ange- fangen hat, ist also endlich untergebracht Man spricht von den Beschwerden des Ehestandes, gut, was aber ein alter Junggesell für ein nichtnutziges, ungehöriges, abge- legtes Ding ist, davon kann ich auch reden. Nicht einmal seinen eigenen wirklichen Verdruss hat man, geschweige denn was anders.«

Aber mit der Verlobung waren die Schwierigkeiten noch lange nicht überwunden. Waren auch die wirtschaft- lichen Verhältnisse für Schwind zufriedenstellend, so gab es doch noch Unstimmigkeiten genug bis zur Hochzeit. Davon gibt die obige Briefstelle an Bauernfeld Zeugnis (vom 23. Februar 1842). Diese Schwierigkeiten lagen zum Teil in der Verschiedenheit des religiösen Bekenntnisses, zum Teil in der Art, wie die Hochzeit gehalten werden sollte. Luise Sachs war protestantisch, Schwind katholisch. Die Familie Sachs wünschte eine »grosse Hochzeit«, Schwind aber betrauerte den Tod seiner vor kurzem gestorbenen Mutter und wollte die stille Hochzeit im kleinsten Kreise gehalten wissen. Er fand den Ausweg darin, dass er kurz entschlossen die Eheschliessung nach Lichtental.-bei Baden verlegte, wo Elvira von Bauer, eine Freundin von Luisens Mutter lebte. Der Eheeintrag im Kirchenbuch von Beuern lautet:

»Moritz von Schwind und Louise Sachs $ ı6. Im Jahre 1842 den 3. Septbr. Morgens ı2 Uhr wurde in Folge der Ehe-

erlaubniss vom Grossh. badischen Stadt-Amt Karlsruhe den 20. August 1842 N: 12772 und nach erhaltener Entlassung von

196 Beringer.

Fürsterzbischöfl. Consistoriairathe und Rektor an der Metropolitan und Hauptpfarrkirche zu St. Stephan Joseph Schneider in Wien vom 16 Aug. 1342 sowie nach ernaitener Entlassung vom Katho!, und evang. Stadtptarramte in Karisrune in der Pfarrkirche zu Beuern nach erkiärter Einwilligung in die Ehe, welche vor mir Pfarrer Landherr und den unten genannten Zeugen geschah, öffentlich getraut: Herr Ritter Moritz von Schwind., akademischer Maler zu Wien, ehlich lediger Sonn des Reichsritters und KRaiserl. Koenig!. Oesterreichischen Hof Sekretaires Franz von Schwind zu Wien und der Frau Franziska zebonmnen von Holzmeister mit Fräulein Louise Sachs aus Karlsruhe, ehelich lediger Tochter des verstorbenen Grossh, Bad. Majors Herr Friedrich Sachs und der Frau Friederike zebohrenen Weis. Zeugen waren der Herr Franz Keller, Hauptmann bevm ersten Grossh. Bad. Infanterie Regiment!), und Herr Wiiheim Graf von Sponeck?), Grossh. Bad. Oberlieutenant beym ersten Infanterieregiment, beyde der Zeit zu Karisruhe, Beuern, den 3. Sept. 1342. J. B. Landherr Pfarrer.

Das Häuschen, in dem Schwind bei der »Iante« seiner Luise in Lichtental abgestiegen war, ist in einer kleinen Zeichnung noch erhalten.

Nun war die Junggesellenzeit, gewiss einer der be- trübtesten Zustände, in denen man sich befinden kann;, tür Schwind vorbei, und er konnte »über die Vergangen- heit ein Kreuz machen, wie ein Haux. Es war auch höchste Zeit gewesen. Schwind vwar die letzten vierzehn Tage vor der Hochzeit so hin, dass er nicht mehr recht auf den Füssen stehen konnte: Hitze, Arbeit, Herumlaufen und eine mörderische Cacarilla« brachten ihn ganz her- unter. Noch am Hochzeitstag gings fort über Offenburg, „son nach Donaueschingen, Konstanz, Lindau, Kempten ined über Reutte nach Innsbruck, Salzburg, Hallstadt, renz und Wien. Am 18. Oktober wurde die Rückreise ‚ser Linz, Ingolstadt, Donauwörth, Nördlingen, Gmünd ind Stuttgart angetreten. Am ı. November, einem Sonn- “ag Anend, trafen die Neuvermählten wieder in Karlsruhe en. Die Wohnung fand ich eingerichtet, (Stephanien-

!, Keiier, Franz, 1826 Kadett, 1833 Oberleutnant, 1842 Hauptmann, 179 (rerst. 9) Sponeck, Wilh. Graf von (geb. 18. Okt. 1813, gest. 24. Ang. 1%86 zu Diersburg:, war später Kammerherr beim Prinzen Wilhelm. Sen Burinis hat Schwind im Rahmen zu den -Sieben Raben« angebracht.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 197

strasse Nr. 70), geheizt und beleuchtet. Hochzeitsgeschenke die Menge und Schwiegermutter, Schwager und Freun- dinnen der Frau versammelt.«

Schwind hat sich sehr gut in seine junge Ehe hinein- gefunden. Sie war sein Glück. In der liebewarmen, für- sorglichen und geordneten Atmosphäre seines Hauses war Schaffen eine -Lust. Hätte man keine anderen Beweise, als die hohe Produktivität und die immer stärker sich

- geltend machende dichterische Durchdringung seiner Stoffe,

so müssten eine Reihe von Zeichnungen Beweis für das glückliche Behagen des jungen Ehemannes sein. So hat er einige Jahre später (Ende 1846 oder anfangs 47) die Geschichte seiner Liebe in reizenden Christbaum-Zeich- nungen festgehalten. Diese Folge von fünf Christbäumen sind gewissermassen geistreiche Variationen über das Thema »glückliche Liebe«.

Der Christbaum 1841 ee in der Mitte des Baumes die uns schon bekannte Düte des Bekenntnisses, die, wie in Wirklichkeit, so auch im Bild, als Orgelpunkt für alle weiteren Jahre festgehalten wird. Zu beiden Seiten des grünen Baumes flammen zwei rote Herzen.

1842; Düte im Baum, wie vorher. Die Herzen haben sich zusammengefunden und flammen mit gewaltiger Lohe auf der Spitze des Baumes, zu dessen Seiten die Eheringe glänzen. Unten der Hochzeitsreisewagen.

1843: Baum, Düte und Herzen mit ruhiger Flamme. Am Baume hängt, sorgfältig eingewickelt, als Christ- kindchen der erste Junge.

1844: Zu den Köstlichkeiten ist das Frankfurter Wappen getreten (Schwind ist in Frankfurt).

1845: Am Fusse des Baumes ist das im Bau begriffene Haus Schwinds in Frankfurt angedeutet.

1846: Der Umzug nach München ist angedeutet durch die Hofuniform, die Schwind sich durch Schaller beim Münchner Schneidermeister Daffner bestellt hat, »denn ‚ich muss in Uniform zum König gehen.

Eine Christbaumzeichnung von 1866 (Weignann, Klassiker IX), die in die glückvolle, schaffensfreudige Be- "haglichkeit des Münchener Lebens führt, gibt in den drei Gebäuden am Fusse des Baumes, links die Kirche in

198 Beringer.

Reichenhall, in der Mitte das Wiener Opernhaus mit den Loggien und rechts die Wartburg, die Hauptorte seiner Tätigkeit als Freskomaler. Karlsruhe, wo er doch auch Fresken geschaffen hatte, war ihm hier »nicht einmal mehr in der Erinnerung.

Weitere »Gelegenheitsgedichte ad familias« zeich- nerischer Art beziehen sich auf seine Schwägerin, verehe- -lichte Stadtdirektor von Noel, die als eine überaus fleissige Stickerin, im Wachen, Schlafen und Küssen eifrigst ihre Maschen durcheinanderflocht. Der Goethesche Spruch, den Schwind später auf die Eintrittskarte zu einem Künstlerball in München setzte Tages Arbeit, abends Gäste,

Saure Wochen, frohe Feste,

war ihm in seiner angestrengten Karlsruher Zeit schon Lebenselement geworden, und von der hohen Kunst der Wände erholte sich Schwind mit köstlichem Humor abends gern im Kreise der Familie durch die kleinen, sicher und treffend hingeworfenen Zeichnungen. Sie ergänzten sein vertraglich gebundenes Bilddenken mit der Fülle und Frei- heit des Lebens und der Laune.

Die glänzenden Aussichten für Baden-Baden, auf die Schwind sich während der Arbeit an den Seitenbildern und Aussenlunetten zum grossen Fresko der Kunsthalle gefreut hatte, haben sich, wie schon erwähnt, nicht verwirklicht. Es entstand jetzt nicht nur »die Spannung« zwischen Hübsch und dem Künstler, sondern Schwind fühlte sich auch in »der allerhöchsten Ungnade«, weil sich »für die Badener Arbeit ein Mitbewerber aufgetan hat, der nebst rotem Adlerorden auch die grosse Eigenschaft hat, 5mal weniger zu verlangen als ich. Mit alledem kann ich mich freilich nicht messen. Dazu ist es totschlächtig hier und armselig, dass es nicht in die Länge zu haben ist«!). Der Wind in Schwinds Leben wehte wieder schärfer und wehte von Karlsruhe fort.

Kurz nach der für Schwind betrüblichen und ärger- lichen Entscheidung wegen der Badener Fresken wurde ihm das erste Kind geboren. An seine Wiener Freunde schreibt er (am 2. September 1843) von diesem glücklichen

1) Brief an Frau v. Frech vom 25. Mai 1843, bei Trost a. a. O.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 199

Ereignis, wie folgt: »Der Storch ist schon am 6. Juli in der Früh angekommen und brachte unter langem und starkem Lärm einen kleinen Buben. Er wurde getauft Hermann August, da sich die Frau um die Welt nicht zu meinen Lieblingsnamen Wolfgang oder Christoph entschliessen konnte.

Man sagt, er sähe mir täuschend ähnlich, wenigstens hat er eine ähnliche Statur, ist dick und fett und brüllt und lässt sich seiner Mama Milch vortrefflich schmecken. Morgen sind wir ein Jahr verheiratet« ...

Im Glück über den Familienzuwachs aber klingt doch auch die Verärgertheit über. Baden nach, indem Schwind fortfährt: »Das deutsche Reich, wenigstens der Hosenträger von Basel bis Mannheim, ist mir höchst langweilig. Ich kann nur dadurch existieren, dass ich mich ganz auf zu Hause beschränke. Die Arbeit im Stiegenhaus wird in 8—14 Tagen abgegeben und ich bin aller Verpflichtungen ledig, die ausgenommen, ein kleines pro memoria an den Minister zu verfassen, worin dargetan wird, dass man mich schlecht behandelt hat.. Wäre das Kind schon grösser, so machte ich mich gleich davon, so aber will ich noch über- wintern< „... Dazu wird am ı7. Dezember 1843!) weiter geschrieben: »Von mir ist zu sagen, dass die Frau, die sich bestens empfiehlt und der kleine Hermann wohlauf sind. Letzterer bekommt einen rötlichen Schopf und ist ein leidenschaftlicher Musikliebhaber. Dazu produziert er täg- lich eine neue Kunst, im zutappen, schwätzen u. dgl., kurz, macht uns tausend Vergnügen. Die Wirtschaft geht ganz nach meinem Behagen und ich weiss jetzt doch auch, was Behagen ist. Die Ungnade des Allerhöchsten dauert fort«.... Und weiter: »Es steht mir übrigens eine tüchtige Bestellung etwas nördlicher bevor, und da kann ich nur doppelt froh sein, mich hier losgemacht zu haben ... Das Ministerhaus ist fort und mit ihm das einzige, das ich ausser der Familie

besuchte, findet sich aber in Frankfurt wieder ... Die Künstlerschaft hat dort auch eine Physiognomie und man kennt Freund und Feind gleich auseinander ... Meine

neueste Leidenschaft ist der Erbprinz, der schönste aller

<.

3) Grillparzer-Jahrbuch XJII.

190 Beringer.

in keinem der hier veröffentlichten Verträge und auch sonst nirgends enthalten. Die Familientradition weiss nichts davon, und auch einer der ersten Biographen Schwinds, H. Holland in seinem trefflichen Büchlein über M. v. Schwind (1873), hält an der Legende nicht mehr fest. Die Heirat Schwinds, zwei Jahre nach seiner Ansiedelung in Karls- ruhe, widerspricht der angeblichen Klausel ebenso aufs entschiedenste. Es ist auch kaum anzunehmen, dass irgend eine Amtsstelle es gewagt hätte, den Wunsch des Künstler- Cölibates privatim zu äussern. Schwind war ja in der fraglichen Zeit mit seinen 36—38 Lebensjahren reichlich volljährig, selbständig und auch anerkannt genug, als dass man, selbst in jener biedermaierischen Zeit, ihm gegenüber ~ diesen Zug gewagt hätte. Wahrscheinlich ist die Legende einer jener Atelierwitze, die um ihrer guten Wirkung willen ein dauerhaftes Leben haben.

Nachdem am ıg. März 1838 der Vertrag für das grosse Fresko der Kunsthalle ratifiziert und im Herbst 1840 das Grebäude so weit gefördert war, dass mit der Ausführung des in Wien gezeichneten Kartons an Ort und Stelle begonnen werden konnte, kam Schwind nach der badischen Residenz. Er kam gerne, stand ihm doch eine grosse und schöne Arbeit bevor, die weitere bedeutende Aufträge im Gefolge hatte. Nach seiner Ankunft (am 22. September 1840) gewöhnte er sich rasch ein. Gar lustig schreibt er schon im Februar an die ihm befreundete Familie von Frech in Wien'): »... Dient zur Nachricht, dass, nachdem ich an meinem Namenstag in Carlsruhe eingezogen, mit einem kleinen Fräulein Frech, die aber von Verwandten in Wien nichts weiss, getanzt, mich in die Grossherzogin verliebt und zwei Lunetten gemalt, ich erstens einen Abstecher nach Frankfurt gemacht und Mitte Dezember mein Hauptquartier nach München verlegt habe. Meine Wohnung ist so gross, wie der ganze Trienter Hof, ein Klavier habe ich, einen, der es spielt, und eine Geige, ausserdem male ich einen Serail von Tugenden, die im Ständehaus in Carlsruh die Wände verzieren oder ver- unstalten werden, jenachdem die Götter aufgelegt sind.

1) Trost, Briefe von M. v. Schwind an Therese und Marianne v. Frech. Grillparzer-Jahrbuch XIII (1903). Brief vom 15. Fehr. 1846.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. IQI

... Gehen Sie heuer in das Badner Land? Thun Sie es, es ist gar zu schön ...«

Schwind hatte zu dieser Zeit seine Junggesellenwohnung in der Stephanienstrasse 20 (jetzt 18), also ganz nahe der Kunsthalle. Er fand rasch Anschluss in den besten Kreisen der Gesellschaft. Ganz vertraut verkehrte er im »Minister- hause, wie aus den Porträts und Aufzeichnungen zu ersehen ist, die mit der von Blittersdorffschen Familie zusammen- hängen. Ebenso hatten sich der mit Schwind gleichaltrige Oberleutnant Franz Keller und der um ıo Jahre jüngere Graf Willi Sponeck ihm freundschaftlich angeschlossen. Aber trotzdem blieb in seinem Leben eine Lücke: Frau und Familie, Häuslichkeit fehlten. Nach diesen sehnte sich der Meister, und wenn man es aus den Briefen nicht wüsste, wie stark diese Sehnsucht war, so würden es die herrlichen Werke der späteren Zeit sagen, wie tief des Meisters Kunst im Frieden geordneter Häuslichkeit ver- wurzelt war: der Abschied im Morgengrauen, das Hoch- zeitsbild, das Titelbild zur Melusine, die Morgenstunde u. a. m.

Diese Sehnsucht spricht sich in einem Briefe (vom 17. Dezember 1841 an Frau von Frech) deutlich genug aus, wenn es heisst: »... Gar schad ist, dass Sie im Sommer nicht herauskommen, das wäre ganz prächtig. Ich kann jetzt nicht reisen, denn ich habe über Hals und Kopf zu thun, und es heisst kochen, so lange man den Löffel in der Hand hat. Dazu kommt, dass Carlsruh für mich die interessanteste Stadt der Welt geworden ist. Es gibt keine schönere Gegend, keine schöneren Strassen, keine schöneren Sterne als hier. Dieses neugebackene Loch ent- hält alles, was ich brauche, ob es darum mein wird, ist aber noch eine Frage. Wirkungskreis und Frau, den will ich sehen, der mehr verlangen kann, höchstens einen Haufen Kinder dazu. -: |

Dieser »schönste Sterne am Karlsruher Himmel war ihm in Luise Sachs, der Tochter des verstorbenen Majors W. Sachs, aufgegangen, und die »schönste Strasses war unzweifelhaft die »Hirschstrasse«, die von der Stephanien- strasse aus am Hirschgarten entlang, direkt auf das Haus der Geliebten (Langestrasse 221, jetzt Kaiserstrasse 229, heute der sogen. »Eckschmitt«) zuführte. Die Sache ins

142 Besirzer.

Keine zu bringen. war aber nicht ganz einfach. Wohl hatte Schwind schon im Spätherbst ı%51 sich mit seiner Jiebe verständigt; aber zwei Dinge kamen hinserlich in den Weg. Einmal begannen bei dem zu Leibesfülle neigenden Schwind Leberbeschwerden sich fünibar zu machen, die ärztliche Behandlung und Pilege verlangten. (Aus diesem Grund ist für kurze Zeit die Adresse Schwinds ‚Bürzer=pital«e Karlsruhe.) Der Arzt verordnete dem Künst- ler reichlichere Bewegung und empfahl ihm das Reiten. Jneser schreibt darüber an Bauernfelä (am 23. Februar ı842,: »Ein Pferd habe ich allerdings und zwar die Stute des Propheten. Ich habe nicht gedacht, dass das Reiten s9 angenehm sei. Die Leber ist in Ordnung, wenigstens thut sie mir nicht mehr weh, und nebenbei ist etwas an dem Ausspruch, man habe zu Pferd eine andere Welt- ansicht. Wenigstens weiss ich gewiss, dass, müsste ich zu Fuss an den Rhein hinaus zappeln, er mir den Ein- druck nicht machte, als wenn man geritten kommt. Ich will mirs schmecken lassen, bis ich wieder auf den Esel komme. Mit der Maitresse ist es nichts, wohl aber dürfte über ein kleines geheirathet werden. Ich werde nächster Gelegenheit ein Porträt einschicken, damit doch Jedermann sich überzeugt, dass es der Mühe wert ist und auch die Hochzeitshymnen nicht brauchen aufs gerade Wohl ge- macht zu werden. Aber Dank sei es dem grossen An- sehen, in dem die deutschen Künstler stehen, die Ver- wandschaft steht noch immer mit gefälltem Spiess; wenn sie mich toll machen, so gehe ich meiner Wege und lebe so weiter, es geht auch ... Fändest Du was dran auszu- setzen, wenn Du den angenehmsten Umgang alle Tage hättest? Ein freundliches Gesicht und ein ordentliches Haus, das sind keine Kleinigkeiten, ich will meinem Herr (sott danken, wenn es mir zu Theil wird, es setzt mehr voraus, als man glaubt, ist auch mehr wert ..« Schwind machte zu Pferd keine besonders glückliche ligur, und es ging nicht ohne allerhand lustige Zwischen- falle ab, die Griffel und Pinsel des gelegentlich auch sich sclbst ironisierenden Künstlers festhielten. Die »Fenster- parade« Schwind in der Mitte —, bei Weigmann, a. a.0. S. IX, ist bekannt, Sie ist 1841 zu datieren, nicht 1840.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 193

Das hier wiedergegebene Blatt (im Besitz der Frau Pro- fessor von Ravenstein) zeigt einen »Reitunfalle, bei dem durch einen heftigen Seitensprung der »Florissa« (so hiess sein Falbe) Schwinds Zylinder vom Kopfe ge- fallen und vom Hunde aus dem »Landgraben« apportiert worden ist!).

Die Ritte am »Hirschgarten« entlang, am Fenster des Hauses der Geliebten vorbei, sind in Schwinds Kunst zu einem wichtigen Faktor geworden. Nicht nur, dass aus der Angebeteten, Luise Sachs, scherzweise ein Fräulein »Hirschilhuber« wurde, nicht nur, dass die Hirsche mit der Fee auf einem Handschuhkasten erscheinen, (Frau Professor von Ravenstein gehörend), auch Schwinds Haus in Frank- furt hatte Terracottaverzierungen mit Hirschen (nach frdl. Mitteilung von Herrn Dr. C. Gebhard), und der dekorative Teppichfries. des Sängerkriegsbildes auf der Wartburg, sowie die Bekrönung eines Gewehrschrankes nach des Meisters Zeichnung u. a. m, zeigen das Motiv des Hirsches in glücklicher Verwendung.

Viel schwieriger, als die bald sich hebende Unpäss- lichkeit Schwinds, die zu den glücklichen Reitübungen geführt hatte, war der Widerstand der Familie Sachs zu überwinden: »Mit dem Mädel ist alles gut« (schreibt Schwind am 17. Dezember ı841)?), »aber jetzt gehts mit der Mutter los, der ich wahrscheinlich zu arm bin. Plagt sich einer sein Leben durch, um sich dann sagen zu lassen, er habe kein sicheres Auskommen oder eigentlich Ein- kommen. Das wird eine schöne Geschichte werden. Den Erfolg werde ich alsobald melden. Das ist eine Person, wie ich mir noch gar nichts vorgestellt habe, die lebendige Tugend, ein Ding, das ich immer für etwas langweilig gehalten habe, aber wahrscheinlich nur, weil es nicht für den Augenblick zu verbrauchen ist. Ich wüsste keine unserer Freundinnen, der sie zu vergleichen wäre, ohne jemand einen Vorwurf zu machen. Brächte ich sie einmal nach Wien, so kann es leicht sein, es wird heissen, was hat der Schwind für eine praktische Frau, um nicht zu sagen »trockene«, wenn es nicht zuerst in die Augen fällt,

1) S. Abbildung Nr. 6. 2) Grillparzer-Jahrbuch VI.

194 Beringer.

dass sie sehr schön ist. Was nutzt aber das, jetzt muss ich der Mutter explizieren, von was wir leben wollen und mit der Antwort des Leporello wird sie sich nicht be- gnügen. Da möchte einer seinen Schwager bei den Ohren nehmen. Aber genug, bis Sie diesen Brief lesen, hab ich schon einen Korb oder eine Braut. Den ganzen Tag, die Zeit abgerechnet, wo ich nachdenke, was ich ihr das letzte Mal hätte alles sagen sollen, wiederhole ich für den Fall eines schlimmen Ausgangs die Verse von Mercutio:

»Ein Mann, der der Fortuna Schmeicheln

Und Stöss’ mit gleichem Dank hinnimmt. ...

... Beifall habe ich mit dem Ritter Curt übrigens genug, aber es kauft ihn niemand. Wenn das nicht bald ein Ende nimmt, so werf ich ihn ins Feuer.

Was soll ich von mir schreiben. Ich arbeite was nur Kreuz möglich ist, Aufträge, Spekulationen; inzwischen immer wieder Pläne von Bildern die niemand brauchen kann, wies schon in einem solchen Geschäft zugeht. Meine ganze Wohnung steht voll Brettern und Leinwand und Grraffelwerk, dass ich kaum mehr gehen kann, es ist nichts, keine Ordnung, kein Behagen, das nützt aber alles nichts, ich mal drauf, gehts wie’s kann. Der Fuchs ist auf dem Rücken gedrückt; jetzt kann ich nicht reiten und zu Fuss sehe ich nicht ins Fenster hinein; lauter Lumperei. Abends ennuyre ich mich mörderisch; was macht man mit einem »>Schoppen Seewein«? Mein einziger Freund Sponeck ist bis über die Ohren verliebt in eine Schönheit von Achern. Da verlangen die Ältern, er soll Hauptmann sein. Die Leute wissen nicht, was sie alles begehren sollen. Aber genug für heute. Leben Sie recht wohl und halten Sie mir den Daumen ...

Das zwischen den beiden Liebenden bindende Wort fiel 1841 an Weichnachten. Schwind hatte seine Luise nach Hause begleitet und ihr vor der Haustüre beim Ab- schied eine Düte mit Süssigkeiten überreicht’). Die öffent- liche Verlobung fand aber erst am ı4. Februar ı842 statt, wie Schwinds glückerfüllter Brief ausweist, wenn er am 15. dieses Monats an von Frechs schreibt:

') S. Abbildung Nr. 7.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 105

»Gestern vormittag habe ich mich verlobt, mit Luise Sachs, Majorstochter von hier. Seit Weihnachten konnte ich aus der Mutter nichts Rechtes herauskriegen, bis ich gestern dranging und in ein paar Minuten alles erobert hatte. Das gute Mädel fing an zu weinen um ihren Vater und ihre Schwester, die beide in Zeit von acht Monaten gestorben sind, sie hat sich aber wieder getröstet. Alle Bekannten, Halbbekannten und selbst Fremde gratulieren mir, ich hätte das brävste Mädel auf weit und breit. Das auffallende Unglück, das sie zu bestehen hatte, machte auch ihr wackeres Betragen bekannt. Ich bin gestern mit ihr ausmarschiert und sah lauter vergnügte Gesichter. Dieser Mensch also, der so viel Unheil erlebt und ange- fangen hat, ist also endlich untergebracht Man spricht von den Beschwerden des Ehestandes, gut, was aber ein alter Junggesell für ein nichtnutziges, ungehöriges, abge- legtes Ding ist, davon kann ich auch reden. Nicht einmal seinen eigenen wirklichen Verdruss hat man, geschweige denn was anders.

Aber mit der Verlobung waren die Schwierigkeiten noch lange nicht überwunden. Waren auch die wirtschaft- lichen Verhältnisse für Schwind zufriedenstellend, so gab es doch noch Unstimmigkeiten genug bis zur Hochzeit. Davon gibt die obige Briefstelle an Bauernfeld Zeugnis (vom 23. Februar 1842). Diese Schwierigkeiten lagen zum Teil in der Verschiedenheit des religiösen Bekenntnisses, zum Teil in der Art, wie die Hochzeit gehalten werden sollte. Luise Sachs war protestantisch, Schwind katholisch. Die Familie Sachs wünschte eine »grosse Hochzeit«, Schwind aber betrauerte den Tod seiner vor kurzem gestorbenen Mutter und wollte die stille Hochzeit im kleinsten Kreise gehalten wissen. Er fand den Ausweg darin, dass er kurz entschlossen die Eheschliessung nach Lichtental -bei Baden verlegte, wo Elvira von Bauer, eine Freundin von Luisens Mutter lebte. Der Eheeintrag im Kirchenbuch von Beuern lautet:

»Moritz von Schwind und Louise Sachs § 16. Im Jahre 1842 den 3. Septbr. Morgens ı2 Uhr wurde in Folge der Ehe-

erlaubniss vom Grossh. badischen Stadt-Amt Karlsruhe den 20. August 1842 N: 12772 und nach erhaltener Entlassung von

196 Beringer.

Fürsterzbischöfl. Consistorialrathe und Rektor an der Metropolitan und Hauptpfarrkirche zu St. Stephan Joseph Schneider in Wien vom I6 Aug. 1842 sowie nach erhaltener Entlassung vom Kathol, und evang. Stadtpfarramte in Karlsruhe in der Pfarrkirche zu Beuern nach erklärter Einwilligung in die Ehe, welche vor mir Pfarrer Landherr und den unten genannten Zeugen geschah, öffentlich getraut: Herr Ritter Moritz von Schwind, akademischer Maler zu Wien, ehlich lediger Sohn des Reichsritters und Kaiserl, Koenigl. Oesterreichischen Hof Sekretaires Franz von Schwind zu Wien und der Frau Franziska gebohrnen von Holzmeister mit Fräulein Louise Sachs aus Karlsruhe, ehelich lediger Tochter des verstorbenen Grossh. Bad, Majors Herr Friedrich Sachs und der Frau Friederike gebohrenen Weis. Zeugen waren der Herr Franz Keller, Hauptmann beym ersten Grossh. Bad. Infanterie Regiment!), und Herr Wilhelm Graf von Sponeck?), Grossh. Bad. Oberlieutenant beym ersten Infanterieregiment, beyde der Zeit zu Karlsruhe, Beuern, den 3. Sept. 1842. J. B. Landherr Pfarrer.

Das Häuschen, in dem Schwind bei der »Tante« seiner Luise in Lichtental abgestiegen war, ist in einer kleinen Zeichnung noch erhalten.

Nun war die Junggesellenzeit, »gewiss einer der be- trübtesten Zustände, in denen man sich befinden kanns, für Schwind vorbei, und er konnte »über die Vergangen- heit ein Kreuz machen, wie ein Haus. Es war auch höchste Zeit gewesen. Schwind »war die letzten vierzehn Tage vor der Hochzeit so hin, dass er nicht mehr recht auf den Füssen stehen konnte: Hitze, Arbeit, Herumlaufen und eine mörderische Cacarilla« brachten ihn ganz her- unter. Noch am Hochzeitstag gings fort über Offenburg, dann nach Donaueschingen, Konstanz, Lindau, Kempten und über Reutte nach Innsbruck, Salzburg, Hallstadt, Linz und Wien. Am 18. Oktober wurde die Rückreise über Linz, Ingolstadt, Donauwörth, Nördlingen, Gmünd und Stuttgart angetreten. Am ı. November, einem Sonn- tag Abend, trafen die Neuvermählten wieder in Karlsruhe ein. »Die Wohnung fand ich eingerichtet, (Stephanien-

I) Keller, Franz, 1826 Kadett, 1833 Oberleutnant, 1842 Hauptmann, 1859 Oberst. ?) Sponeck, Wilh. Graf von (geb. 18. Okt. 1813, gest 24. Aug. 1886 zu Diersburg), war später Kammerherr beim Prinzen Wilhelm. Sein Bildnis hat Schwind im Rahmen zu den »Sieben Raben« angebracht.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 197

strasse Nr. 70), geheizt und beleuchtet. Hochzeitsgeschenke die Menge und Schwiegermutter, Schwager und Freun- dinnen der Frau versammelt.«

Schwind hat sich sehr gut in seine junge Ehe hinein- gefunden. Sie war sein Glück. In der liebewarmen, für- sorglichen und geordneten Atmosphäre seines Hauses war Schaffen eine -Lust. Hätte man keine anderen Beweise, als die hohe Produktivität und die immer stärker sich‘ geltend machende dichterische Durchdringung seiner Stoffe, so müssten eine Reihe von Zeichnungen Beweis für das glückliche Behagen des jungen Ehemannes sein. So hat er einige Jahre später (Ende 1846 oder anfangs 47) die Geschichte seiner Liebe in reizenden Christbaum-Zeich- nungen festgehalten. Diese Folge von fünf Christbäumen sind gewissermassen geistreiche Variationen über das Thema glückliche Liebes. Ä

Der Christbaum 1841 zeigt in der Mitte des Baumes die uns schon bekannte Düte des Bekenntnisses, die, wie in Wirklichkeit, so auch im Bild, als Orgelpunkt für alle weiteren Jahre festgehalten wird. Zu beiden Seiten des grünen Baumes flammen zwei rote Herzen. |

1842; Düte im Baum, wie vorher. Die Herzen haben sich zusammengefunden und flammen mit gewaltiger Lohe auf der Spitze des Baumes, zu dessen Seiten die Eheringe glänzen. Unten der Hochzeitsreisewagen.

1843: Baum, Düte und Herzen mit ruhiger Flamme. Am Baume hängt, sorgfältig eingewickelt, als Christ- kindchen der erste Junge.

1844: Zu den Köstlichkeiten ist das Frankfurter Wappen getreten (Schwind ist in Frankfurt).

1845: Am Fusse des Baumes ist das im Bau begriffene Haus Schwinds in Frankfurt angedeutet.

1846: Der Umzug nach München ist angedeutet durch die Hofuniform, die Schwind sich durch Schaller beim Münchner Schneidermeister Daffner bestellt hat, »denn ich muss in Uniform zum König gehen.

Eine Christbaumzeichnung von 1866 (Weigmann, Klassiker IX), die in die glückvolle, schaffensfreudige Be- 'haglichkeit des Münchener Lebens führt, gibt in den drei Gebäuden am Fusse des Baumes, links die Kirche in

198 Beringer.

Reichenhall, in der Mitte das Wiener Opernhaus mit den Loggien und rechts die Wartburg, die Hauptorte seiner Tätigkeit als Freskomaler. Karlsruhe, wo er doch auch Fresken geschaffen hatte, war ihm hier »nicht einmal mehr in der Erinnerung.

Weitere »Gelegenheitsgedichte ad familias« zeich- nerischer Art beziehen sich auf seine Schwägerin, verehe- -lichte Stadtdirektor von Noel, die als eine überaus fleissige Stickerin, im Wachen, Schlafen und Küssen eifrigst ihre Maschen durcheinanderflocht. Der Goethesche Spruch, den Schwind später auf die Eintrittskarte zu einem Künstlerball in München setzte Tages Arbeit, abends Gäste,

Saure Wochen, frohe Feste,

war ihm in seiner angestrengten Karlsruher Zeit schon Lebenselement geworden, und von der hohen Kunst der Wände erholte sich Schwind mit köstlichem Humor abends gern im Kreise der Familie durch die kleinen, sicher und treffend hingeworfenen Zeichnungen. Sie ergänzten sein vertraglich gebundenes Bilddenken mit der Fülle und Frei- heit des Lebens und der Laune.

Die glänzenden Aussichten für Baden-Baden, auf die Schwind sich während der Arbeit an den Seitenbildern und Aussenlunetten zum grossen Fresko der Kunsthalle gefreut hatte, haben sich, wie schon erwähnt, nicht verwirklicht. Es entstand jetzt nicht nur »die Spannung« zwischen Hübsch und dem Künstler, sondern Schwind fühlte sich auch in »der allerhöchsten Ungnade«, weil sich »für die Badener Arbeit ein Mitbewerber aufgetan hat, der nebst rotem Adlerorden auch die grosse Eigenschaft hat, 5mal weniger zu verlangen als ich. Mit alledem kann ich mich freilich nicht messen. Dazu ist es totschlächtig hier und armselig, dass es nicht in die Länge zu haben istel). Der Wind in Schwinds Leben wehte wieder schärfer und wehte von Karlsruhe fort.

Kurz nach der für Schwind betrüblichen und ärger- lichen Entscheidung wegen der Badener Fresken wurde ihm das erste Kind geboren. An seine Wiener Freunde schreibt er (am 2. September 1843) von diesem glücklichen

1) Brief an Frau v. Frech vom 25. Mai 1843, bei Trost a. a. O.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 199

Ereignis, wie folgt: »Der Storch ist schon am 6. Juli in der Früh angekommen und brachte unter langem und starkem Lärm einen kleinen Buben. Er wurde getauft Hermann August, da sich die Frau um die Welt nicht zu meinen Lieblingsnamen Wolfgang oder Christoph entschliessen konnte.

Man sagt, er sähe mir täuschend ähnlich, wenigstens hat er eine ähnliche Statur, ist dick und fett und brüllt und lässt sich seiner Mama Milch vortrefflich schmecken. Morgen sind wir ein Jahr verheiratet. ...

Im Glück über den Familienzuwachs aber klingt doch auch die Verärgertheit -über Baden nach, indem Schwind fortfährt: »Das deutsche Reich, wenigstens der Hosenträger von Basel bis Mannheim, ist mir höchst langweilig. Ich kann nur dadurch existieren, dass ich mich ganz auf zu Hause beschränke. Die Arbeit im Stiegenhaus wird in 8—1ı4 Tagen abgegeben und ich bin aller Verpflichtungen ledig, die ausgenommen, ein kleines pro memoria an den Minister zu verfassen, worin dargetan wird, dass man mich schlecht behandelt hat. Wäre das Kind schon grösser, so machte ich mich gleich davon, so aber will ich noch über- wintern« ... Dazu wird am ı7. Dezember 1843!) weiter geschrieben: »Von mir ist zu sagen, dass die Frau, die sich bestens empfiehlt und der kleine Hermann wohlauf sind. Letzterer bekommt einen rötlichen Schopf und ist ein leidenschaftlicher Musikliebhaber. Dazu produziert er täg- lich eine neue Kunst, im zutappen, schwätzen u. dgl., kurz, macht uns tausend Vergnügen. Die Wirtschaft geht ganz nach meinem Behagen und ich weiss jetzt doch auch, was Behagen ist. Die Ungnade des Allerhöchsten dauert fort<... Und weiter: »Es steht mir übrigens eine tüchtige Bestellung etwas nördlicher bevor, und da kann ich nur doppelt froh sein, mich hier losgemacht zu haben ... Das Ministerhaus ist fort und mit ihm das einzige, das ich ausser der Familie besuchte, findet sich aber in Frankfurt wieder ... Die Künstlerschaft hat dort auch eine Physiognomie und man kennt Freund und Feind gleich auseinander ... Meine neueste Leidenschaft ist der Erbprinz, der schönste aller

1) Grillparzer-Jahrbuch XIII.

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Menschen. Wäre der an der Regierung, so gings anders ...

Die volle Aufklärung über die Urgründe der Ver- stimmung in Karlsruhe und den Wegzug Schwinds nach Frankfurt gibt eine Bemerkung in dem letzten aus Karls- ruhe datierten Briefe des Meisters an Kaulbach, der das Grötzenbergersche Projekt kritisch abgefertigt hatte, wo es heisst: »Grleich nach Ostern ziehe ich hier weg, bereichert um eine vortreffliche Frau, einen rotbackigen Buben, ein gutes Stück Geld und einen schönen Auftrag für das Institut in Frankfurt. Da mögen sich andere in die hiesigen Verhältnisse mühsam eindrängen, an denen ich nichts gut finde, als dass sie für mich selbst in der Erinnerung nicht mehr existieren.«

Nach Ostern 1844 zog also Schwind von Karlsruhe weg nach Frankfurt, neuen Hoffnungen entgegen und neuen Enttäuschungen. Denn auch ihrem Liebling Schwind gaben die Götter alles und überall, die Freuden, die un- endlichen, wie die Schmerzen, ganz. Auch von der Karls- ruher Zeit schon gilt, was Bauernfeld anlässlich der Schwind- Ausstellung zu Wien nach dem Tode des Meisters (1871) in sein Tagebuch vermerkte:

»Seit mehreren Tagen Schwind-Ausstellung. Wunder- bar! Ein ganzes Menschenleben in Bildern! Phantastisches, Märchenhaftes und Gemütliches. Auch das Heroische fehlt nicht. Der Mensch war einzig. Es gibt keinen Zweiten, gab keinen, wird keinen wieder geben. Der Verlust ist unersetzlich. Und wer ihn erst kannte, ihm näher stand Die Ursprünglichkeit, das goldene Herz, der Humor! Ich gehe unter lauter Schemen herum.«

Beringer, Moritz v. Schwinds Karisruber Zez

Abbilöunr 1 wz. S. 7a

Abbildung 2 (vgl. S. 186).

schr, f, Gesch. d. Oberrh. N.F. XXX. 2.

190 Beringer.

in keinem der hier veröffentlichten Verträge und auch sonst nirgends enthalten. Die Familientradition weiss nichts davon, und auch einer der ersten Biographen Schwinds, H. Holland in seinem trefflichen Büchlein über M. v. Schwind (1873), hält an der Legende nicht mehr fest. Die Heirat Schwinds, zwei Jahre nach seiner Ansiedelung in Karls- ruhe, widerspricht der angeblichen Klausel ebenso aufs entschiedenste. Es ist auch kaum anzunehmen, dass irgend eine Amtsstelle es gewagt hätte, den Wunsch des Künstler- Cölibates privatim zu äussern. Schwind war ja in der fraglichen Zeit mit seinen 36—38 Lebensjahren reichlich volljährig, selbständig und auch anerkannt genug, als dass man, selbst in jener biedermaierischen Zeit, ihm gegenüber "diesen Zug gewagt hätte. Wahrscheinlich ist die Legende einer jener Atelierwitze, die um ihrer guten Wirkung willen ein dauerhaftes Leben haben.

Nachdem am ıg. März 1838 der Vertrag für das grosse Fresko der Kunsthalle ratifiziertt und im Herbst 1840 das Gebäude so weit gefördert war, dass mit der Ausführung des in Wien gezeichneten Kartons an Ort und Stelle begonnen werden konnte, kam Schwind nach der badischen Residenz. Er kam gerne, stand ihm doch eine grosse und schöne Arbeit bevor, die weitere bedeutende Aufträge im Gefolge hatte. Nach seiner Ankunft (am 22. September 1840) gewöhnte er sich rasch ein. Gar lustig schreibt er schon im Februar an die ihm befreundete Familie von Frech in Wien’): »... Dient zur Nachricht, dass, nachdem ich an meinem Namenstag in Carlsruhe eingezogen, mit einem kleinen Fräulein Frech, die aber von Verwandten in Wien nichts weiss, getanzt, mich in die Grossherzogin verliebt und zwei Lunetten gemalt, ich erstens einen Abstecher nach Frankfurt gemacht und Mitte Dezember mein Hauptquartier nach München verlegt habe. Meine Wohnung ist so gross, wie der ganze Trienter Hof, ein Klavier habe ich, einen, der es spielt, und eine Geige, ausserdem male ich einen Serail von Tugenden, die im Ständehaus in Carlsruh die Wände verzieren oder ver- unstalten werden, jenachdem die Götter aufgelegt sind.

1) Trost, Briefe von M. v. Schwind an Therese und Marianne v. Frech. Grillparzer-Jahrbuch XIII (1903). Brief vom 15. Fehr. 1846.

Die geistlichen Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert.

Von Karl Stenzel.

Fortsetzung !).

Im Anschluss an diese Vorgänge?) scheint nun auch in der vielerörterten Angelegenheit Sickingen-Jörger ein entscheidender Schritt erfolgt zu sein. Da nach dem Scheitern der gütlichen Verhandlungen der bischöfliche Offizial das für einige Zeit unterbrochene Rechtsverfahren wieder aufgenommen hatte und darin dem nun zur Öffent- lichen Kenntnis gebrachten generellen Inhibitionsbefehl des Kaisers zum Trotz unbekümmert fortfuhr, liess Jörger

1) Vgl. diese Zeitschrift N.F. 30, S. 52 ff. ?) Darstellung und Ein- reihung dieser Episode aus dem langwierigen Prozesse zwischen Jörger und Sickingen ist völlig auf Vermutungen aufgebaut, da hieraufbezügliche Akten- stücke und Angaben von Daten etc. fehlen. Nun wird aber Stromayr in der am 17. Juni abgefassten Beschwerde des Bischofs etc. ausdrücklich vor- geworfen, dass er »allerley appellacion, auch inhibicion imperiales dem official insenuiert«e habe. Bei der durch die Stadt veranlassten Insinuierung war jedoch, wie aus dem darüber vorliegenden Notariatsinstrument hervorgeht, lediglich Grofe beteiligt; auch handelte es sich dabei um keine Appellation. In späteren Akten (z. B. VDG Bd. 117, fol. 99: Januar 1491) wird aber ausdrücklich auf die erfolgte Appellation Jörgers an den Kaiser hingewiesen. Es hat daher viel Wahrscheinlichkeit für sich, dass die Beschwerde über Stromayr durch die Überreichung dieser Berufung an den Offizial veran- lasst worden ist. Möglich ist, dass Stromayr das gleiche zur selben Zeit auch in den andern umstrittenen Rechtsachen, von denen wir so gut wie nichts wissen (nur einmal wird ein Prozess erwähnt, worin das Wilhelmer- kloster die eine Partei bildete, vgl. VDG Bd. 117, fol. 99), getan hat; der

unbestimmte Wortlaut der Beschwerde würde diese Deutung zulassen. Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. N.F. XXX. 2. 14

192 Beringer.

Reine zu bringen, war aber nicht ganz einfach. Wohl hatte Schwind schon im Spätherbst 1841 sich mit seiner Liebe verständigt; aber zwei Dinge kamen hinderlich in den Weg. Einmal begannen bei dem zu Leibesfülle neigenden Schwind Leberbeschwerden sich fühlbar zu machen, die ärztliche Behandlung und Pflege verlangten. (Aus diesem Grund ist für kurze Zeit die Adresse Schwinds »Bürgerspital« Karlsruhe.) Der Arzt verordnete dem Künst- ler reichlichere Bewegung und empfahl ihm das Reiten. Dieser schreibt darüber an Bauernfeld (am 23. Februar 1842): »Ein Pferd habe ich allerdings und zwar die Stute des Propheten. Ich habe nicht gedacht, dass das Reiten so angenehm sei. Die Leber ist in Ordnung, wenigstens thut sie mir nicht mehr weh, und nebenbei ist etwas an dem Ausspruch, man habe zu Pferd eine andere Welt- ansicht. Wenigstens weiss ich gewiss, dass, müsste ich zu Fuss an den Rhein hinaus zappeln, er mir den Ein- druck nicht machte, als wenn man geritten kommt. Ich will mirs schmecken lassen, bis ich wieder auf den Esel komme. Mit der Maitresse ist es nichts, wohl aber dürfte über ein kleines geheirathet werden. Ich werde nächster Gelegenheit ein Porträt einschicken, damit doch Jedermann sich überzeugt, dass es der Mühe wert ist und auch die Hochzeitshymnen nicht brauchen aufs gerade Wohl ge- macht zu werden. Aber Dank sei es dem grossen An- sehen, in dem die deutschen Künstler stehen, die Ver- wandschaft steht noch immer mit gefälltem Spiess; wenn sie mich toll machen, so gehe ich meiner Wege und lebe so weiter, es geht auch ... Fändest Du was dran auszu- setzen, wenn Du den angenehmsten Umgang alle Tage hättest? Ein freundliches Gesicht und ein ordentliches Haus, das sind keine Kleinigkeiten, ich will meinem Herr Gott danken, wenn es mir zu Theil wird, es setzt mehr voraus, als man glaubt, ist auch mehr wert ...« Schwind machte zu Pferd keine besonders glückliche Figur, und es ging nicht ohne allerhand lustige Zwischen- fälle ab, die Griffel und Pinsel des gelegentlich auch sich selbst ironisierenden Künstlers festhielten. Die »Fenster- parade« Schwind in der Mitte —, bei Weigmann, a. a. 0. S. IX, ist bekannt. Sie ist 1841 zu datieren, nicht 1840.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 193

Das hier wiedergegebene Blatt (im Besitz der Frau Pro- fessor von Ravenstein) zeigt einen »Reitunfalle, bei dem durch einen heftigen Seitensprung der »Florissa« (so hiess sein Falbe) Schwinds Zylinder vom Kopfe ge- fallen und vom Hunde aus dem »Landgraben« apportiert worden ist!).

Die Ritte am »Hirschgarten« entlang, am Fenster des Hauses der Geliebten vorbei, sind in Schwinds Kunst zu einem wichtigen Faktor geworden. Nicht nur, dass aus der Angebeteten, Luise Sachs, scherzweise ein Fräulein »Hirschilhuber« wurde, nicht nur, dass die Hirsche mit der Fee auf einem Handschuhkasten erscheinen, (Frau Professor von Ravenstein gehörend), auch Schwinds Haus in Frank- furt hatte Terracottaverzierungen mit Hirschen (nach frdl. Mitteilung von Herrn Dr. C. Gebhard), und der dekorative Teppichfries. des Sängerkriegsbildes auf der Wartburg, sowie die Bekrönung eines Gewehrschrankes nach des Meisters Zeichnung u. a. m. zeigen das Motiv des Hirsches in glücklicher Verwendung.

Viel schwieriger, als die bald sich hebende Unpäss- lichkeit Schwinds, die zu den glücklichen Reitübungen geführt hatte, war der Widerstand der Familie Sachs zu überwinden: »Mit dem Mädel ist alles gut« (schreibt Schwind am 17. Dezember 1841)?), »aber jetzt gehts mit der Mutter los, der ich wahrscheinlich zu arm bin, Plagt sich einer sein Leben durch, um sich dann sagen zu lassen, er habe kein sicheres Auskommen oder eigentlich Ein- kommen. Das wird eine schöne Geschichte werden. Den Erfolg werde ich alsobald melden. Das ist eine Person, wie ich mir noch gar nichts vorgestellt habe, die lebendige Tugend, ein Ding, das ich immer für etwas langweilig gehalten habe, aber wahrscheinlich nur, weil es nicht für den Augenblick zu verbrauchen ist. Ich wüsste keine unserer Freundinnen, der sie zu vergleichen wäre, ohne jemand einen Vorwurf zu machen. Brächte ich sie einmal nach Wien, so kann es leicht sein, es wird heissen, was hat der Schwind für eine praktische Frau, um nicht zu sagen »trockene«, wenn es nicht zuerst in die Augen fällt,

1) S. Abbildung Nr. 6. 2?) Grillparzer-Jahrbuch VI.

194 Beringer.

dass sie sehr schön ist. Was nutzt aber das, jetzt muss ich der Mutter explizieren, von was wir leben wollen und mit der Antwort des Leporello wird sie sich nicht be- gnügen. Da möchte einer seinen Schwager bei den Ohren nehmen. Aber genug, bis Sie diesen Brief lesen, hab ich schon einen Korb oder eine Braut. -- Den ganzen Tag, die Zeit abgerechnet, wo ich nachdenke, was ich ihr das letzte Mal hätte alles sagen sollen, wiederhole ich für den Fall eines schlimmen Ausgangs die Verse von Mercutio:

»Ein Mann, der der Fortuna Schmeicheln

Und Stöss’ mit gleichem Dank hinnimmt.« ...

„.. Beifall habe ich mit dem Ritter Curt übrigens genug, aber es kauft ihn niemand. Wenn das nicht bald ein Ende nimmt, so werf ich ihn ins Feuer.

Was soll ich von mir schreiben. Ich arbeite was nur Kreuz möglich ist, Aufträge, Spekulationen, inzwischen immer wieder Pläne von Bildern die niemand brauchen kann, wies schon in einem solchen Geschäft zugeht. Meine ganze Wohnung steht voll Brettern und Leinwand und Graffelwerk, dass ich kaum mehr gehen kann, es ist nichts, keine Ordnung, kein Behagen, das nützt aber alles nichts, ich mal drauf, geht’s wie’s kann. Der Fuchs ist auf dem Rücken gedrückt; jetzt kann ich nicht reiten und zu Fuss sehe ich nicht ins Fenster hinein; lauter Lumperei. Abends ennuyre ich mich mörderisch; was macht man mit einem »>Schoppen Seewein«? Mein einziger Freund Sponeck ist bis über die Ohren verliebt in eine Schönheit von Achern. Da verlangen die Ältern, er soll Hauptmann sein. Die Leute wissen nicht, was sie alles begehren sollen. Aber genug für heute. Leben Sie recht wohl und halten Sie mir den Daumen«...

Das zwischen den beiden Liebenden bindende Wort fiel 1841 an Weichnachten. Schwind hatte seine Luise nach Hause begleitet und ihr vor der Haustüre beim Ab- schied eine Düte mit Süssigkeiten überreicht'). Die öffent- liche Verlobung fand aber erst am ı4. Februar 1842 statt, wie Schwinds glückerfüllter Brief ausweist, wenn er am, 15. dieses Monats an von Frechs schreibt:

1) S. Abbildung Nr. 7.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 105

»Gestern vormittag habe ich mich verlobt, mit Luise Sachs, Majorstochter von hier. Seit Weihnachten konnte ich aus der Mutter nichts Rechtes herauskriegen, bis ich gestern dranging und in ein paar Minuten alles erobert hatte. Das gute Mädel fing an zu weinen um ihren Vater und ihre Schwester, die beide in Zeit von acht Monaten gestorben sind, sie hat sich aber wieder getröstet. Alle Bekannten, Halbbekannten und selbst Fremde gratulieren mir, ich hätte das brävste Mädel auf weit und breit. Das auffallende Unglück, das sie zu bestehen hatte, machte auch ihr wackeres Betragen bekannt. Ich bin gestern mit ihr ausmarschiert und sah lauter vergnügte Gesichter. Dieser Mensch also, der so viel Unheil erlebt und ange- fangen hat, ist also endlich untergebracht Man spricht von den Beschwerden des Ehestandes, gut, was aber ein alter Junggesell für ein nichtnutziges, ungehöriges, abge- legtes Ding ist, davon kann ich auch reden. Nicht einmal seinen eigenen wirklichen Verdruss hat man, geschweige denn was anders.«

Aber mit der Verlobung waren die Schwierigkeiten noch lange nicht überwunden. Waren auch die wirtschaft- lichen Verhältnisse für Schwind zufriedenstellend, so gab es doch noch Unstimmigkeiten genug bis zur Hochzeit. Davon gibt die obige Briefstelle an Bauernfeld Zeugnis (vom 23. Februar 1842). Diese Schwierigkeiten lagen zum Teil in der Verschiedenheit des religiösen Bekenntnisses, zum Teil in der Art, wie die Hochzeit gehalten werden sollte. Luise Sachs war protestantisch, Schwind katholisch. Die Familie Sachs wünschte eine »grosse Hochzeit«, Schwind aber betrauerte den Tod seiner vor kurzem gestorbenen Mutter und wollte die stille Hochzeit im kleinsten Kreise gehalten wissen. Er fand den Ausweg darin, dass er kurz entschlossen die Eheschliessung nach Lichtental.-bei Baden verlegte, wo Elvira von Bauer, eine Freundin von Luisens Mutter lebte. Der Eheeintrag im Kirchenbuch von Beuern lautet:

»Moritz von Schwind und Louise Sachs $ ı6. Im Jahre 1842 den 3. Septbr. Morgens ı2 Uhr wurde in Folge der Ehe-

erlaubniss vom Grossh. badischen Stadt-Amt Karlsruhe den 20. August 1842 N: 12772 und nach erhaltener Entlassung von

196 Beringer.

Fürsterzbischöfl. Consistorialrathe und Rektor an der Metropolitan und Hauptpfarrkirche zu St. Stephan Joseph Schneider in Wien vom 16 Aug. 1842 sowie nach erhaltener Entlassung vom Kathol, und evang. Stadtpfarramte in Karlsruhe in der Pfarrkirche zu Beuern nach erklärter Einwilligung in die Ehe, welche vor mir Pfarrer Landherr und den unten genannten Zeugen geschah, öffentlich getraut: Herr Ritter Moritz von Schwind, akademischer Maler zu Wien, ehlich lediger Sohn des Reichsritters und Kaiser!. Koenigl. Oesterreichischen Hof Sekretaires Franz von Schwind zu Wien und der Frau Franziska gebohrnen von Holzmeister mit Fräulein Louise Sachs aus Karlsruhe, ehelich lediger Tochter des verstorbenen Grossh. Bad. Majors Herr Friedrich Sachs und der Frau Friederike gebohrenen Weis. Zeugen waren der Herr Franz Keller, Hauptmann beym ersten Grossh. Bad. Infanterie Regiment!) und Herr Wilhelm Graf von Sponeck?), Grossh. Bad. Oberlieutenant beym ersten Infanterieregiment, beyde der Zeit zu Karlsruhe. Beuern, den 3. Sept. 1842. J. B. Landherr Pfarrer.

Das Häuschen, in dem Schwind bei der »Tante« seiner Luise in Lichtental abgestiegen war, ist in einer kleinen Zeichnung noch erhalten.

Nun war die Junggesellenzeit, »gewiss einer der be- trübtesten Zustände, in denen man sich befinden kann;, für Schwind vorbei, und er konnte »über die Vergangen- heit ein Kreuz machen, wie ein Hause. Es war auch höchste Zeit gewesen. Schwind »war die letzten vierzehn Tage vor der Hochzeit so hin, dass er nicht mehr recht auf den Füssen stehen konnte: Hitze, Arbeit, Herumlaufen und eine mörderische Cacarilla« brachten ihn ganz her- unter, Noch am Hochzeitstag gings fort über Offenburg, dann nach Donaueschingen, Konstanz, Lindau, Kempten und über Reutte nach Innsbruck, Salzburg, Hallstadt, Linz und Wien. Am 18. Oktober wurde die Rückreise über Linz, Ingolstadt, Donauwörth, Nördlingen, Gmünd und Stuttgart angetreten. Am ı. November, einem Sonn- tag Abend, trafen die Neuvermählten wieder in Karlsruhe ein. »Die Wohnung fand ich eingerichtet, (Stephanien-

I) Keller, Franz, 1826 Kadett, 1833 Oberleutnant, 1842 Hauptmann, 1839 Oberst. 2) Sponeck, Wilh. Graf von (geb. 18. Okt. r813, gest 24. Aug. 1886 zu Diersburg', war später Kammerherr beim Prinzen Wilhelm. Sein Bildnis hat Schwind im Rahmen zu den »Sieben Raben« angebracht.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 197

strasse Nr. 70), geheizt und beleuchtet. Hochzeitsgeschenke die Menge und Schwiegermutter, Schwager und Freun- dinnen der Frau versammelt.«

Schwind hat sich sehr gut in seine junge Ehe hinein- gefunden. Sie war sein Glück. In der liebewarmen, für- sorglichen und geordneten Atmosphäre seines Hauses war Schaffen eine -Lust. Hätte man keine anderen Beweise, als die hohe Produktivität und die immer stärker sich‘ geltend machende dichterische Durchdringung seiner Stoffe, so müssten eine Reihe von Zeichnungen Beweis für das glückliche Behagen des jungen Ehemannes sein. So hat er einige Jahre später (Ende 1846 oder anfangs 47) die Geschichte seiner Liebe in reizenden Christbaum-Zeich- nungen festgehalten. Diese Folge von fünf Christbäumen sind gewissermassen geistreiche Variationen über das Ihema »glückliche Liebe«.

Der Christbaun 1841 geist. in der Mitte des Baumes die uns schon bekannte Düte des Bekenntnisses, die, wie in Wirklichkeit, so auch im Bild, als Orgelpunkt für alle weiteren Jahre festgehalten wird. Zu beiden Seiten des grünen Baumes flammen zwei rote Herzen.

1842; Düte im Baum, wie vorher. Die Herzen haben sich zusammengefunden und flammen mit gewaltiger Lohe auf der Spitze des Baumes, zu dessen Seiten die Eheringe glänzen. Unten der Hochzeitsreisewagen.

. 1843: Baum, Düte und Herzen mit ruhiger Flamme. Am Baume hängt, sorgfältig eingewickelt, als Christ- kindchen der erste Junge.

1844: Zu den Köstlichkeiten ist das Frankfurter Wappen getreten (Schwind ist in Frankfurt).

1845: Am Fusse des Baumes ist das im Bau begriffene Haus Schwinds in Frankfurt angedeutet.

1846: Der Umzug nach München ist angedeutet durch die Hofuniform, die Schwind sich durch Schaller beim Münchner Schneidermeister Daffner bestellt hat, »denn ‚ich muss in Uniform zum König gehen.

Eine Christbaumzeichnung von 1866 (Weigmann, Klassiker IX), die in die glückvolle, schaffensfreudige Be- "haglichkeit des Münchener Lebens führt, gibt in den drei Gebäuden am Fusse des Baumes, links die Kirche in

VUN Beringer.

Reichenhall, in der Mitte das Wiener Opernhaus mit den \uypgien und rechts die Wartburg, die Hauptorte seiner Vätigkeit als Freskomaler. Karlsruhe, wo er doch auch tesken geschaffen hatte, war ihm hier »nicht einmal mehr in der Erinnerung.

Weitere »Grelegenheitsgedichte ad familias« zeich- nerischer Art beziehen sich auf seine Schwägerin, verehe- lichte Stadtdirektor von Noel, die als eine überaus fleissige Stickerin, im Wachen, Schlafen und Küssen eifrigst ihre Maschen durcheinanderflocht. Der Goethesche Spruch, den Schwind später auf die Eintrittskarte zu einem Künstlerball in München setzte Tages Arbeit, abends Gäste,

Saure Wochen, frohe Feste,

war ihm in seiner angestrengten Karlsruher Zeit schon \.ebenselement geworden, und von der hohen Kunst der Wände erholte sich Schwind mit köstlichem Humor abends gom im Kreise der Familie durch die kleinen, sicher und ireffond hingeworfenen Zeichnungen. Sie ergänzten sein vertraglich gebundenes Bilddenken mit der Fülle und Frei- heit des Lebens und der Laune.

Die glänzenden Aussichten für Baden-Baden, auf die Schwind sich während der Arbeit an den Seitenbildern und Aussenlunetten zum grossen Fresko der Kunsthalle gefreut hatte, haben sich, wie schon erwähnt, nicht verwirklicht. Es entstand jetzt nicht nur »die Spannung« zwischen Hübsch und dem Künstler, sondern Schwind fühlte sich auch in »der allerhöchsten Ungnade«, weil sich »für die Badener Arbeit ein Mitbewerber aufgetan hat, der nebst rotem Adlerorden auch die grosse Eigenschaft hat, 5mal weniger zu verlangen als ich. Mit alledem kann ich mich freilich nicht messen. Dazu ist es totschlächtig hier und armselig, dass es nicht in die Länge zu haben istel). Der Wind in Schwinds Leben wehte wieder schärfer und wehte von Karlsruhe fort.

Kurz nach der für Schwind betrüblichen und ärger- lichen Entscheidung wegen der Badener Fresken wurde ihm das erste Kind geboren. An seine Wiener Freunde schreibt er (am 2. September 1843) von diesem glücklichen

1) Brief an Frau v. Frech vom 25. Mai 1843, bei Trost a. a. O.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 199

Ereignis, wie folgt: »Der Storch ist schon am 6. Juli in der Früh angekommen und brachte unter langem und starkem Lärm einen kleinen Buben. Er wurde getauft Hermann August, da sich die Frau um die Welt nicht zu meinen Lieblingsnamen Wolfgang oder Christoph entschliessen konnte.

Man sagt, er sähe mir täuschend ähnlich, wenigstens hat er eine ähnliche Statur, ist dick und fett und brüllt und lässt sich seiner Mama Milch vortrefflich schmecken. Morgen sind wir ein Jahr verheiratet.« ...

Im Glück über den Familienzuwachs aber klingt doch auch die Verärgertheit -über Baden nach, indem Schwind fortfährt: »Das deutsche Reich, wenigstens der Hosenträger von Basel bis Mannheim, ist mir höchst langweilig. Ich kann nur dadurch existieren, dass ich mich ganz auf zu Hause beschränke. Die Arbeit im Stiegenhaus wird in 8—14 Tagen abgegeben und ich bin aller Verpflichtungen ledig, die ausgenommen, ein kleines pro memoria an den Minister zu verfassen, worin dargetan wird, dass man mich schlecht behandelt hat. Wäre das Kind schon grösser, so machte ich mich gleich davon, so aber will ich noch über- wintern« ... Dazu wird am ı7. Dezember 1843!) weiter geschrieben: »Von mir ist zu sagen, dass die Frau, die sich bestens empfiehlt und der kleine Hermann wohlauf sind. Letzterer bekommt einen rötlichen Schopf und ist ein leidenschaftlicher Musikliebhaber. Dazu produziert er täg- lich eine neue Kunst, im zutappen, schwätzen u. dgl., kurz, macht uns tausend Vergnügen. Die Wirtschaft geht ganz nach meinem Behagen und ich weiss jetzt doch auch, was Behagen ist. Die Ungnade des Allerhöchsten dauert fort«.... Und weiter: »Es steht mir übrigens eine tüchtige Bestellung etwas nördlicher bevor, und da kann ich nur doppelt froh sein, mich hier losgemacht zu haben ... Das Ministerhaus ist fort und mit ihm das einzige, das ich ausser der Familie besuchte, findet sich aber in Frankfurt wieder... Die Künstlerschaft hat dort auch eine Physiognomie und man kennt Freund und Feind gleich auseinander ... Meine neueste Leidenschaft ist der Erbprinz, der schönste aller

1) Grillparzer-Jahrbuch XIII.

EIUTE) Beringer.

Menschen. Wäre der an der Regierung, so gings anders: ...

Die volle Aufklärung über die Urgründe der Ver- stimmung in Karlsruhe und den Wegzug Schwinds nach Frankfurt gibt eine Bemerkung in dem letzten aus Karls- ruhe udatierten Briefe des Meisters an Kaulbach, der das (söätzenbergersche Projekt kritisch abgefertigt hatte, wo es heisst: »Gleich nach Ostern ziehe ich hier weg, bereichert um eine vortreflliche Frau, einen rotbackigen Buben, ein gutes Stück (reld und einen schönen Auftrag für das Institut in Frankfurt, Da mögen sich andere in die hiesigen Verhältnisse mühsam eindrängen, an denen ich nichts gut finde, als dass sie für mich selbst in der Erinnerung nicht mehr existieren.<

Nach Ostern ı$S44 zog also Schwind von Karlsruhe weg nach Frankturt, neuen Hoffnungen entgegen und neuen Enttäuschungen. Denn auch ihrem Liebling Schwind gaben die Götter alles und überall, die Freuden, die un- endlichen, wie die Schmerzen. ganz. Auch von der Karls- wuher Zeit schon gilt, was Bauernteld anlässlich der Schwind- Ausstellung zu Wien nach dem Tode des Meisters (1871) me seit layenuch vermerkte:

‚Seit mehreren Tagen Schwind-Ausstellung. Wunder- bar) Ein zinges Menschenleben in Bildern! Phantastisches, Minmzennates und (remitiches. Auch das Heroische fehlt niiti Der Mensch war emiy. Es gibt keinen Zweiten, geb keinen, wmf keinen wieder geben. Der Verlust ist unera Umf wer ihn erst kannte, ihm näher stand Ine Urwrirzlichkeit. das goldene Herz, der Humor! Ich gebe unter lauter Schemen herum.

Beringer, Moritz v. Schwinds Karlsruher Zeit.

Abbildung 1 (vgl. S. 175).

Abbildung 2 (vgl. S. 186).

itschr, f, Gesch, d. Oberrh. N.F, XXX. 2.

Beriuger, Moritz v, Schwinds Karlsruher Zeit

(L81 'S'18a) p Zunpfigqy

(Lgr 'S da) Sunppqqy

"wog nbmnam INP UP] nyoy haty na; u.,

eitschr, £, Gesch. d. Oberrh. N.F. XXX. 2,

194 Beringer.

dass sie sehr schön ist. Was nutzt aber das, jetzt muss ich der Mutter explizieren, von was wir leben wollen und mit der Antwort des Leporello wird sie sich nicht be- gnügen. Da möchte einer seinen Schwager bei den Ohren nehmen. Aber genug, bis Sie diesen Brief lesen, hab ich schon einen Korb oder eine Braut. Den ganzen Tag, die Zeit abgerechnet, wo ich nachdenke, was ich ihr das letzte Mal hätte alles sagen sollen, wiederhole ich für den Fall eines schlimmen Ausgangs die Verse von Mercutio:

»Ein Mann, der der Fortuna Schmeicheln

Und Stöss’ mit gleichem Dank hinnimmt.« ...

... Beifall habe ich mit dem Ritter Curt übrigens genug, aber es kauft ihn niemand. Wenn das nicht bald ein Ende nimmt, so werf ich ihn ins Feuer.

Was soll ich von mir schreiben. Ich arbeite was nur Kreuz möglich ist, Aufträge, Spekulationen, inzwischen immer wieder Pläne von Bildern die niemand brauchen kann, wies schon in einem solchen Geschäft zugeht. Meine ganze Wohnung steht voll Brettern und Leinwand und Grraffelwerk, dass ich kaum mehr gehen kann, es ist nichts, keine Ordnung, kein Behagen, das nützt aber alles nichts, ich mal drauf, gehts wie’s kann. Der Fuchs ist auf dem Rücken gedrückt; jetzt kann ich nicht reiten und zu Fuss sehe ich nicht ins Fenster hinein; lauter Lumperei. Abends ennuyre ich mich mörderisch; was macht man mit einem »Schoppen Seewein«? Mein einziger Freund Sponeck ist bis über die Ohren verliebt in eine Schönheit von Achern. Da verlangen die Ältern, er soll Hauptmann sein. Die Leute wissen nicht, was sie alles begehren sollen. Aber genug für heute. Leben Sie recht wohl und halten Sie mir den Daumen ...

Das zwischen den beiden Liebenden bindende Wort fiel 1841 an Weichnachten. Schwind hatte seine Luise nach Hause begleitet und ihr vor der Haustüre beim Ab- schied eine Düte mit Süssigkeiten überreicht'). Die öffent- liche Verlobung fand aber erst am ı4. Februar ı842 statt, wie Schwinds glückerfüllter Brief ausweist, wenn er am 15. dieses Monats an von Frechs schreibt:

1) S. Abbildung Nr. 7.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 105

»Gestern vormittag habe ich mich verlobt, mit Luise Sachs, Majorstochter von hier. Seit Weihnachten konnte ich aus der Mutter nichts Rechtes herauskriegen, bis ich gestern dranging und in ein paar Minuten alles erobert hatte. Das gute Mädel fing an zu weinen um ihren Vater und ihre Schwester, die beide in Zeit von acht Monaten gestorben sind, sie hat sich aber wieder getröstet. Alle Bekannten, Halbbekannten und selbst Fremde gratulieren mir, ich hätte das brävste Mädel auf weit und breit. Das auffallende Unglück, das sie zu bestehen hatte, machte auch ihr wackeres Betragen bekannt. Ich bin gestern mit ihr ausmarschiert und sah lauter vergnügte Gesichter. Dieser Mensch also, der so viel Unheil erlebt und ange- fangen hat, ist also endlich untergebracht Man spricht von den Beschwerden des Ehestandes, gut, was aber ein alter Junggesell für ein nichtnutziges, ungehöriges, abge- legtes Ding ist, davon kann ich auch reden. Nicht einmal seinen eigenen wirklichen Verdruss hat man, geschweige denn was anders.«

Aber mit der Verlobung waren die Schwierigkeiten noch lange nicht überwunden. Waren auch die wirtschaft- lichen Verhältnisse für Schwind zufriedenstellend, so gab es doch noch Unstimmigkeiten genug bis zur Hochzeit. Davon gibt die obige Briefstelle an Bauernfeld Zeugnis (vom 23. Februar 1842). Diese Schwierigkeiten lagen zum Teil in der Verschiedenheit des religiösen Bekenntnisses, zum Teil in der Art, wie die Hochzeit gehalten werden sollte. Luise Sachs war protestantisch, Schwind katholisch. Die Familie Sachs wünschte eine »grosse Hochzeit«, Schwind aber betrauerte den Tod seiner vor kurzem gestorbenen Mutter und wollte die stille Hochzeit im kleinsten Kreise gehalten wissen. Er fand den Ausweg darin, dass er kurz entschlossen die Eheschliessung nach Lichtental.-bei Baden verlegte, wo Elvira von Bauer, eine Freundin von Luisens Mutter lebte. Der Eheeintrag im Kirchenbuch von Beuern lautet:

»Moritz von Schwind und Louise Sachs § 16. Im Jahre 1842 den 3. Septbr. Morgens ı2 Uhr wurde in Folge der Ehe-

erlaubniss vom Grossh. badischen Stadt-Amt Karlsruhe den 20. August 1842 N: 12772 und nach erhaltener Entlassung von

196 Beringer.

Fürsterzbischöfl. Consistorialrathe und Rektor an der Metropolitan und Hauptpfarrkirche zu St. Stephan Joseph Schneider in Wien vom 16 Aug. 1842 sowie nach erhaltener Entlassung vom Kathol. und evang. Stadtpfarramte in Karlsruhe in der Pfarrkirche zu Beuern nach erklärter Einwilligung in die Ehe, welche vor mir Pfarrer Landherr und den unten genannten Zeugen geschah, öffentlich getraut: Herr Ritter Moritz von Schwind, akademischer Maler zu Wien, ehlich lediger Sohn des Reichsritters und Kaiser!. Koenigl. Oesterreichischen Hof Sekretaires Franz von Schwind zu Wien und der Frau Franziska gebohrnen von Holzmeister mit Fräulein Louise Sachs aus Karlsruhe, ehelich lediger Tochter des verstorbenen Grossh. Bad. Majors Herr Friedrich Sachs und der Frau Friederike gebohrenen Weis. Zeugen waren der Herr Franz Keller, Hauptmann beym ersten Grossh. Bad. Infanterie Regiment!), und Herr Wilhelm Graf von Sponeck?), Grossh. Bad. Oberlieutenant beym ersten Infanterieregiment, beyde der Zeit zu Karlsruhe. Beuern, den 3. Sept. 1842. J. B. Landherr Pfarrer.

Das Häuschen, in dem Schwind bei der »Tante« seiner Luise in Lichtental abgestiegen war, ist in einer kleinen Zeichnung noch erhalten.

Nun war die Junggesellenzeit, »gewiss einer der be- trübtesten Zustände, in denen man sich befinden kann«, für Schwind vorbei, und er konnte »über die Vergangen- heit ein Kreuz machen, wie ein Haus«. Es war auch höchste Zeit gewesen. Schwind »war die letzten vierzehn Tage vor der Hochzeit so hin, dass er nicht mehr recht auf den Füssen stehen konnte: Hitze, Arbeit, Herumlaufen und eine mörderische Cacarilla« brachten ihn ganz her- unter. Noch am Hochzeitstag gings fort über Offenburg, dann nach Donaueschingen, Konstanz, Lindau, Kempten und über Reutte nach Innsbruck, Salzburg, Hallstadt, Linz und Wien. Am 18. Oktober wurde die Rückreise über Linz, Ingolstadt, Donauwörth, Nördlingen, Gmünd und Stuttgart angetreten. Am ı. November, einem Sonn- tag Abend, trafen die Neuvermählten wieder in Karlsruhe ein. »Die Wohnung fand ich eingerichtet, (Stephanien-

I) Keller, Franz, 1826 Kadett, 1833 Oberleutnant, 1842 Hauptmann, 1859 Oberst. ?) Sponeck, Wilh. Graf von (geb. 18. Okt. 1813, gest. 24. Aug. 1886 zu Diersburg), war später Kammerherr beim Prinzen Wilhelm. Sein Bildnis hat Schwind im Rahmen zu den »Sieben Raben« angebracht.

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strasse Nr. 70), geheizt und beleuchtet. Hochzeitsgeschenke die Menge und Schwiegermutter, Schwager und Freun- dinnen der Frau versammelt«

Schwind hat sich sehr gut in seine junge Ehe hinein- gefunden. Sie war sein Glück. In der liebewarmen, für- sorglichen und geordneten Atmosphäre seines Hauses war Schaffen eine Lust. Hätte man keine anderen Beweise, als die hohe Produktivität und die immer stärker sich‘ geltend machende dichterische Durchdringung seiner Stoffe, so müssten eine Reihe von Zeichnungen Beweis für das glückliche Behagen des jungen Ehemannes sein. So hat er einige Jahre später (Ende 1846 oder anfangs 47) die Geschichte seiner Liebe in reizenden Christbaum-Zeich- nungen festgehalten. Diese Folge von fünf Christbäumen sind gewissermassen geistreiche Variationen über das Thema »glückliche Liebe«.

Der Christbaum 1841 zeigt: in der Mitte des Baumes die uns schon bekannte Düte des Bekenntnisses, die, wie in Wirklichkeit, so auch im Bild, als Orgelpunkt für alle weiteren Jahre festgehalten wird. Zu beiden Seiten des grünen Baumes flammen zwei rote Herzen. |

1842; Düte im Baum, wie vorher. Die Herzen haben sich zusammengefunden und flammen mit gewaltiger Lohe auf der Spitze des Baumes, zu dessen Seiten die Eheringe glänzen. Unten der Hochzeitsreisewagen.

1843: Baum, Düte und Herzen mit ruhiger Flamme. Am Baume hängt, sorgfältig eingewickelt, als Christ- kindchen der erste Junge.

1844: Zu den Köstlichkeiten ist das Frankfurter Wappen getreten (Schwind ist in Frankfurt).

1845: Am Fusse des Baumes ist das im Bau begriffene Haus Schwinds in Frankfurt angedeutet.

1846: Der Umzug nach München ist angedeutet durch die Hofuniform, die Schwind sich durch Schaller beim Münchner Schneidermeister Daffner bestellt hat, »denn ich muss in Uniform zum König gehen.

Eine Christbaumzeichnung von 1866 (Weigmann, Klassiker IX), die in die glückvolle, schaffensfreudige Be- 'haglichkeit des Münchener Lebens führt, gibt in den drei Gebäuden am Fusse des Baumes, links die Kirche in

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Die giassonden Aussichten tür Baden-Baden, auf die Schwind sch während der Arbeit an den Seitenbildern uni Aussenlunetten zum grossen Fresko der Kunsthalle gefreut hatte, haben sich, wie schon a nicht verwirklicht. Es entstand jetzt nicht nur adie Spannung« zwischen Hübsch und dem Künstler, sondern Schwind fühlte sich auch in der allerhöchsten Ungnade, weil sich »für die Badener Arbeit ein Mitbewerber autyetan hat, der nebst rotem Adlerorden auch die grosse Eigenschaft hat, smal weniger zu verlangen als ich. Mit alledem kann ich mich freilich nicht messen. Dazu ist es totschlächtig hier und armselig: dass es nicht in die Länge zu haben istel). Der Wind in Schwinds Leben wehte wieder schärfer und wehte von Karlsruhe fort.

Kurz nach der für Schwind betrüblichen und ärger lichen Entscheidung wegen der Badener Fresken wurd ibm das erste Kind geboren. An seine Wiener Freund schreibt er (am 2. September 1843) von diesem glücklichen

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- Ereignis, wie folgt: »Der Storch ist schon am 6. Juli in der

=: Früh angekommen und brachte unter langem und starkem

- Lärm einen kleinen Buben. Er wurde getauft Hermann

= August, da sich die Frau um die Welt nicht zu meinen

Lieblingsnamen Wolfgang oder Christoph entschliessen - konnte.

= Man sagt, er sähe mir täuschend ähnlich, wenigstens -.. hat er eine ähnliche Statur, ist dick und fett und brüllt , und lässt sich seiner Mama Milch vortrefflich schmecken. -~ Morgen sind wir ein Jahr verheiratet. ...

Im Glück über den Familienzuwachs aber klingt doch .. auch die Verärgertheit über Baden nach, indem Schwind z fortfährt: »Das deutsche Reich, wenigstens der Hosenträger

.. von Basel bis Mannheim, ist mir höchst langweilig. Ich

kann nur dadurch existieren, dass ich mich ganz auf zu

< Hause beschränke. Die Arbeit im Stiegenhaus wird in

8—14 Tagen abgegeben und ich bin aller Verpflichtungen ledig, die ausgenommen, ein kleines pro memoria an den Minister zu verfassen, worin dargetan wird, dass man mich schlecht behandelt hat. Wäre das Kind schon grösser, so machte ich mich gleich davon, so aber will ich noch über- wintern« ... Dazu wird am ı7. Dezember 1843!) weiter geschrieben: »Von mir ist zu sagen, dass die Frau, die sich bestens empfiehlt und der kleine Hermann wohlauf sind. Letzterer bekommt einen rötlichen Schopf und ist ein leidenschaftlicher Musikliebhaber. Dazu produziert er täg- lich eine neue Kunst, im zutappen, schwätzen u. dgl., kurz, macht uns tausend Vergnügen. Die Wirtschaft geht ganz nach meinem Behagen und ich weiss jetzt doch auch, was Behagen ist. Die Ungnade des Allerhöchsten dauert fort<.... Und weiter: »Es steht mir übrigens eine tüchtige Bestellung etwas nördlicher bevor, und da kann ich nur doppelt froh sein, mich hier losgemacht zu haben ... Das Ministerhaus ist fort und mit ihm das einzige, das ich ausser der Familie besuchte, findet sich aber in Frankfurt wieder ... Die Künstlerschaft hat dort auch eine Physiognomie und man kennt Freund und Feind gleich auseinander .,. Meine neueste Leidenschaft ist der Erbprinz, der schönste aller

I) Grillparzer-Jahrbuch XIII.

200 Beringer.

Menschen. Wäre der an der Regierung, so gings anders ...

Die volle Aufklärung über die Urgründe der Ver- stimmung in Karlsruhe und den Wegzug Schwinds nach Frankfurt gibt eine Bemerkung in dem letzten aus Karls- ruhe datierten Briefe des Meisters an Kaulbach, der das Götzenbergersche Projekt kritisch abgefertigt hatte, wo es heisst: »Gleich nach Ostern ziehe ich hier weg, bereichert um eine vortreffliche Frau, einen rotbackigen Buben, ein gutes Stück Geld und einen schönen Auftrag für das Institut in Frankfurt. Da mögen sich andere in die hiesigen Verhältnisse mühsam eindrängen, an denen ich nichts gut finde, als dass sie für mich selbst in der Erinnerung nicht mehr existieren.«

Nach Ostern 1844 zog also Schwind von Karlsruhe weg nach Frankfurt, neuen Hoffnungen entgegen und neuen Enttäuschungen. Denn auch ihrem Liebling Schwind gaben die Götter alles und überall, die Freuden, die un- endlichen, wie die Schmerzen, ganz. Auch von der Karls- ruher Zeit schon gilt, was Bauernfeld anlässlich der Schwind- Ausstellung zu Wien nach dem Tode des Meisters (1871) in sein Tagebuch vermerkte:

»Seit mehreren Tagen Schwind-Ausstellung. Wunder- bar! Ein ganzes Menschenleben in Bildern! Phantastisches, Märchenhaftes und Gemütliches. Auch das Heroische fehlt nicht. Der Mensch war einzig. Es gibt keinen Zweiten, gab keinen, wird keinen wieder geben. Der Verlust ist unersetzlich. Und wer ihn erst kannte, ihm näher stand Die Ursprünglichkeit, das goldene Herz, der Humor! Ich gehe unter lauter Schemen herum.e

Beringer, Moritz v. Schwinds Karlsruher Zeit.

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Reichenhall, in der Mitte das Wiener Opernhaus mit den Loggien und rechts die Wartburg, die Hauptorte seiner Tätigkeit als Freskomaler. Karlsruhe, wo er doch auch Fresken geschaffen hatte, war ihm hier »nicht einmal mehr in der Erinnerung.«

Weitere »Gelegenheitsgedichte ad familias« zeich- nerischer Art beziehen sich auf seine Schwägerin, verehe- -lichte Stadtdirektor von Noel, die als eine überaus fleissige Stickerin, im Wachen, Schlafen und Küssen eifrigst ihre Maschen durcheinanderflocht. Der Goethesche Spruch, den Schwind später auf die Eintrittskarte zu einem Künstlerball in München setzte Tages Arbeit, abends Gräste,

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war ihm in seiner angestrengten Karlsruher Zeit schon Lebenselement geworden, und von der hohen Kunst der Wände erholte sich Schwind mit köstlichem Humor abends gern im Kreise der Familie durch die kleinen, sicher und treffend hingeworfenen Zeichnungen. Sie ergänzten sein vertraglich gebundenes Bilddenken mit der Fülle und Frei- heit des Lebens und der Laune.

Die glänzenden Aussichten für Baden-Baden, auf die Schwind sich während der Arbeit an den Seitenbildern und Aussenlunetten zum grossen Fresko der Kunsthalle gefreut hatte, haben sich, wie schon erwähnt, nicht verwirklicht. Es entstand jetzt nicht nur »die Spannung« zwischen Hübsch und dem Künstler, sondern Schwind fühlte sich auch in »der allerhöchsten Ungnade«, weil sich »für die Badener Arbeit ein Mitbewerber aufgetan hat, der nebst rotem Adlerorden auch die grosse Eigenschaft hat, 5mal weniger zu verlangen als ich. Mit alledem kann ich mich freilich nicht messen. Dazu ist es totschlächtig hier und armselig, dass es nicht in die Länge zu haben ist«!). Der Wind in Schwinds Leben wehte wieder schärfer und wehte von Karlsruhe fort.

Kurz nach der für Schwind betrüblichen und ärger- lichen Entscheidung wegen der Badener Fresken wurde ihm das erste Kind geboren. An seine Wiener Freunde schreibt er (am 2. September 1843) von diesem glücklichen

1) Brief an Frau v. Frech vom 25. Mai 1843, bei Trost a. a. O.

Moritz von Schwinds Karlsruher Zeit. 199

Ereignis, wie folgt: »Der Storch ist schon am 6. Juli in der Früh angekommen und brachte unter langem und starkem Lärm einen kleinen Buben. Er wurde getauft Hermann August, da sich die Frau um die Welt nicht zu meinen Lieblingsnamen Wolfgang oder Christoph entschliessen konnte.

Man sagt, er sähe mir täuschend ähnlich, wenigstens hat er eine ähnliche Statur, ist dick und fett und brüllt und lässt sich seiner Mama Milch vortrefflich schmecken. Morgen sind wir ein Jahr verheiratet. ...

Im Glück über den Familienzuwachs aber klingt doch auch die Verärgertheit -über Baden nach, indem Schwind fortfährt: »Das deutsche Reich, wenigstens der Hosenträger von Basel bis Mannheim, ist mir höchst langweilig. Ich kann nur dadurch existieren, dass ich mich ganz auf zu Hause beschränke. Die Arbeit im Stiegenhaus wird in 8—ı4 Tagen abgegeben und ich bin aller Verpflichtungen ledig, die ausgenommen, ein kleines pro memoria an den Minister zu verfassen, worin dargetan wird, dass man mich schlecht behandelt hat. Wäre das Kind schon grösser, so machte ich mich gleich davon, so aber will ich noch über- wintern« ... Dazu wird am ı7. Dezember 1843!) weiter geschrieben: »Von mir ist zu sagen, dass die Frau, die sich bestens empfiehlt und der kleine Hermann wohlauf sind. Letzterer bekommt einen rötlichen Schopf und ist ein leidenschaftlicher Musikliebhaber. Dazu produziert er täg- lich eine neue Kunst, im zutappen, schwätzen u. dgl., kurz, macht uns tausend Vergnügen. Die Wirtschaft geht ganz nach meinem Behagen und ich weiss jetzt doch auch, was Behagen ist. Die Ungnade des Allerhöchsten dauert fort«.... Und weiter: »Es steht mir übrigens eine tüchtige Bestellung etwas nördlicher bevor, und da kann ich nur doppelt froh sein, mich hier losgemacht zu haben ... Das Ministerhaus ist fort und mit ihm das einzige, das ich ausser der Familie besuchte, findet sich aber in Frankfurt wieder... Die Künstlerschaft hat dort auch eine Physiognomie und man kennt Freund und Feind gleich auseinander ... Meine neueste Leidenschaft ist der Erbprinz, der schönste aller

1) Grillparzer-Jahrbuch XTII.

200 Beringer.

Menschen. Wäre der an der Regierung, so gings anders ...

Die volle Aufklärung über die Urgründe der Ver- stimmung in Karlsruhe und den Wegzug Schwinds nach Frankfurt gibt eine Bemerkung in dem letzten aus Karls- ruhe datierten Briefe des Meisters an Kaulbach, der das Götzenbergersche Projekt kritisch abgefertigt hatte, wo es heisst: »Gleich nach Ostern ziehe ich hier weg, bereichert um eine vortrefflliche Frau, einen rotbackigen Buben, ein gutes Stück Geld und einen schönen Auftrag für das Institut in Frankfurt. Da mögen sich andere in die hiesigen Verhältnisse mühsam eindrängen, an denen ich nichts gut finde, als dass sie für mich selbst in der Erinnerung nicht mehr existieren.«

Nach Ostern 1844 zog also Schwind von Karlsruhe weg nach Frankfurt, neuen Hoffnungen entgegen und neuen Enttäuschungen. Denn auch ihrem Liebling Schwind gaben die Götter alles und überall, die Freuden, die un- endlichen, wie die Schmerzen, ganz. Auch von der Karls- ruher Zeit schon gilt, was Bauernfeld anlässlich der Schwind- Ausstellung zu Wien nach dem Tode des Meisters (1871) in sein Tagebuch vermerkte:

»Seit mehreren Tagen Schwind-Ausstellung. Wunder- bar! Ein ganzes Menschenleben in Bildern! Phantastisches, Märchenhaftes und Gemütliches. Auch das Heroische fehlt nicht. Der Mensch war einzig. Es gibt keinen Zweiten, gab keinen, wird keinen wieder geben. Der Verlust ist unersetzlich. Und wer ihn erst kannte, ihm näher stand Die Ursprünglichkeit, das goldene Herz, der Humor! Ich gehe unter lauter Schemen herum.

Beringer, Moritz v. Schwinds Karlsruher Zeit.

Abbildung 1 (vgl. S. 175).

Abbildung 2 (vgl. S. 186).

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Zeitschr, f, Gesch. d. Oberrh. N.F. XXX. 2.

Die geistlichen Gerichte zu Strassburg im ı5. Jahrhundert.

Von Karl Stenzel.

Fortsetzung !).

Im Anschluss an diese Vorgänge?) scheint nun auch in der vielerörterten Angelegenheit Sickingen-Jörger ein entscheidender Schritt erfolgt zu sein. Da. nach dem Scheitern der gütlichen Verhandlungen der bischöfliche Offizial das für einige Zeit unterbrochene Rechtsverfahren wieder aufgenommen hatte und darin dem nun zur öffent- lichen Kenntnis gebrachten generellen Inhibitionsbefehl des Kaisers zum Trotz unbekümmert fortfuhr, liess Jörger

1) Vgl. diese Zeitschrift N.F. 30, S. 52 ff. ?) Darstellung und Ein- reihung dieser Episode aus dem langwierigen Prozesse zwischen Jörger und Sickingen ist völlig auf Vermutungen aufgebaut, da hieraufbezügliche Akten- Stücke und Angaben von Daten etc. fehlen. Nun wird aber Stromayr in der am 17. Juni abgefassten Beschwerde des Bischofs etc. ausdrücklich vor- geworfen, dass er '»allerley appellacion, auch inhibicion imperiales dem official insenuiert« habe. Bei der durch die Stadt veranlassten Insinuierung war jedoch, wie aus dem darüber vorliegenden Notariatsinstrument hervorgeht, lediglich Grofe beteiligt; auch handelte es sich dabei um keine Appellation. In späteren Akten (z. B. VDG Bd. 117, fol. 99: Januar 1491) wird aber ausdrücklich auf die erfolgte Appellation Jörgers an den Kaiser hingewiesen. Es hat daher viel Wahrscheinlichkeit für sich, dass die Beschwerde über Stromayr durch die Überreichung dieser Berufung an den Offizial veran- lasst worden ist. Möglich ist, dass Stromayr das gleiche zur selben Zeit auch in den andern umstrittenen Rechtsachen, von denen wir so gut wie nichts wissen (nur einmal wird ein Prozess erwähnt, worin das Wilhelmer- kloster die eine Partei bildete, vgl. VDG Bd. 117, fol. 99), getan hat; der

unbestimmte Wortlaut der Beschwerde würde diese Deutung zulassen. Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh, N.F. XXX. 2. 14

202 . Stenzel.

durch den Gerichtsnotar Ulrich Stromayr ihm in rechts- gültiger feierlicher Form verkündigen, dass er auf Grund des ebengenannten Mandats gegen das widerrechtliche Vorgehen des geistlichen Gerichts Berufung beim Kaiser einlege.

Bischof und Domkapitel waren natürlich nicht wenig erbost darüber, dass sie so alle ihre Bemühungen vereitelt sehen mussten. Während sie anscheinend Grofe, der jeden- falls Bürger der Stadt war und in keinem engeren Amts- verhältnis zu den geistlichen Gerichtshöfen stand, nichts anhaben konnten, entlud sich zunächst ihr Groll und Un- wille auf das Haupt Stromayrs!), Da diesem sein Amt seinerzeit durch den damaligen Insiegler des mit der Dom- propstei verbundenen Archidiakonatsgerichts, Hans Hallt?), im Namen des Dompropsts Herzog Philipp von Kleve ver- liehen worden war, richteten Albrecht, sowie im Auftrag des Kapitels als Stellvertreter des damals abwesenden Dechanten der Domscholaster Graf Heinrich von Henne- berg in zwei gleichlautenden Schreiben vom 17. Juni eine heftige Beschwerde an Herzog Philipp, der wie übrigens die Mehrzahl der anderen Kapitelherren unter Vernach- lässigung seiner Residenzpflicht sich fast nie in Strassburg aufhielt, sondern wohl meist in Köln weilte, wo er gleich- falls dem Domkapitel angehörte®), Sie klagten in ener- gischen Worten den Notar des offenen Ungehorsams gegen das oben erwähnte bischöfliche Generalmandat und der Verletzung seines Amtseides und der darin beschworenen Grerichtsstatuten an, da die Appellation, sowie der durch ihn bei Bekanntgabe derselben nochmals insinuierte kaiserliche Inhibitionsbefehl geistliche Sachen zum Gegenstand hätten, die der geistlichen Gerichtsbarkeit auf keinen Fall entzogen werden dürften. Um den hohen Herrn zu einem Eingreifen um so geneigter zu machen, stellten sie ihm eindringlich

1) Vgl. ihre Schreiben an den Dompropst VDG Bd. 117, fol. 121. 2) »die zytt ewr jurisdiccion insigelere. Durch diesen von mir bisher über- sehenen Beleg bestätigt sich die von mir früher (diese Zeitschr., Bd. 29 S. 375) ausgesprochene Vermutung, dass sich bei den Insieglerämtern der Archi- diakonatsgerichte die Trennung ziemlich lange erhielt. 3) Vgl. Kisky, Die Domkapitel der geistlichen Kurfürsten nach ihrer persönlichen Zusammen- setzung im 14. und 15. Jahrhundert, S. 34 u. S. 58.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 203

dar, dass das Verhalten Stromayrs für die gesamte geist- liche Jurisdiktion und damit natürlich auch für die Ein- nahme der Insiegelkassen die schlimmsten Folgen nach sich ziehen könnte, und bemerkten, dass im gleichen Falle am bischöflichen wie an den übrigen Archidiakonatsgerichten ein Notar ohne weiteres abgesetzt worden wäre. Sie er- suchten demgemäss den Dompropst, seinen Notar dermassen : zu bestrafen, dass künftig andere sich vor einer ähnlichen Verfehlung hüteten, und das Amt gegebenenfalls ander- weitig zu besetzen. Herzog Philipp zeigte aber offenbar wenig Lust, diesen Beschwerden Folge zu geben, zumal da er mit Einwilligung von Bischof und Domkapitel das Notariat an Stromayr auf Lebenszeit verliehen und dafür von diesem ı00 Gulden erhalten hatte!), und da er jeden- falls einerseits das Geld nicht gern wieder herausgeben mochte, andererseits sich aber vor unangenehmen Ausein- andersetzungen mit Strassburg scheute, die ja ohne Zweifel zu erwarterı waren, wenn er den Notar ohne jede Ent- schädigung einfach seines Amts enthob. So blieb denn Stromayr unangefochten im Besitz seines Notariats, das er noch Jahre lang inne hatte?)

Bischof und Kapitelherren liessen es jedoch bei diesem mehr nebensächlichen Schritt nicht bewenden; sie wussten, was jetzt auf dem Spiel stand, und boten daher das äusserste Mittel auf, um ihrer Sache zum Sieg zu verhelfen. Freilich, bei dem gewagten Unterfangen, zu dem man sich nun verstand, hielt sich Albrecht, um sich wenigstens persönlich dem Kaiser gegenüber nicht allzusehr bloszustellen und die Interessen seines Bistums nicht zu schwer zu schädigen, klüglicherweise im Hintergrund und überliess dem Kapitel die Führung; aber es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass er das Ganze gebilligt und die Domherren ermächtigt hat, dabei in seinem und des Stiftes Namen zu handeln. Da nämlich am kaiserlichen Hof die vorläufige Entscheidung zu Ungunsten der Offizialate ausgefallen war und auch

1) Vgl. hierzu Strassb. Stadtarchh AA 1538, fol. 34; übrigens ein weiterer Beleg für die ungesetzliche Käuflichkeit der Ämter, vgl. diese Zeit- schrift Bd. 29, S. 401. ?) So noch z. B. 1499, wo ihm infolge eines Propstwechsels erneut Absetzung drohte (Strassb. Stadtarch. AA 1538, fol.

34—36). 14*

204 Stenzel.

keine Aussicht auf deren Rückgängigmachung zu bestehen schien, so lange Martin am Hof weilte und den greisen Kaiser bearbeitete, beschlossen Bischof und Kapitel, ihr Glück bei der römischen Kurie zu versuchen und deren Entscheidung anzurufen, zumal da nach ihrer Ansicht es sich um rein geistliche Dinge handelte, zu deren Regelung in letzter Instanz allein der Papst, und nicht der Kaiser, Macht und Befugnis hatte. Demgemäss traten am 23. Juni, : also noch ehe seit der am 14. und ı5. erfolgten Insinuierung die auf Grund der kanonisch-rechtlichen Bestimmungen bestehende zehntägige Frist für die Erhebung eines Ein- spruchs gegen das kaiserliche Inhibitionsmandat abgelaufen war und dieses endgültige Rechtskraft erhalten hatte, die in der Stadt residierenden Domherren es waren damals nur ihrer drei, die bereits oben genannt wurden t), im grossen Kapitelsaal des Bruderhofs zu einer Kapitelsitzung zusammen und gaben hier in Gegenwart der Priester Heinrich Rebelin und Dietrich Jölinger in feierlicher Form bekannt, dass sie mit gegenwärtiger Erklärung in ihrem Namen, sowie in dem des Bischofs, der abwesenden Archi- diakone und Kanoniker und der Offiziale gegen das an sie zugunsten der Stadt ergangene Gebot des Kaisers bei Papst Innozenz VIII. Berufung einlegten; zugleich erteilten sie dem Notar des bischöflichen Hofgerichts Johannes Spüll, einem Niederländer, der ebenfalls der Sitzung beiwohnte, den Auftrag, über die soeben eingelegte Appellation ein rechtsgültiges Instrument aufzusetzen. Das umfangreiche Schriftstück, das uns im städtischen Archiv?) in mehreren Kopien erhalten ist, beginnt mit einer eingehenden Schil- derung der Rechte und der Rechtsübung der Strassburger geistlichen Gerichte. Diese gründet sich auf die als oberster Grundsatz und unbestreitbare Tatsache hingestellte Be- hauptung, Kirche und Bistum von Strassburg und dem- gemäss auch die Strassburger Bischöfe und Archidiakone besässen seit unvordenklichen Zeiten bis zur Gegenwart

I), Vgl. oben S. 95. ?) Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 74 75, 78 (Abschrift einer durch die beiden uns bereits bekannten Kollatoral- notare Buchowe und Castmeister (vgl. unten S. 211) vidimierten Kopie); ebenda fol. 260—263 (beglaubigt von Paul Grofe); fol. 105—107 (unbe glaubigt).

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 205

für den Bereich von Stadt und Diözese die geistliche wie die weltliche Grerichtshoheit und ordentliche Gerichtsbar- keit in allen kriminellen wie zivilen, geistlichen wie welt- lichen Angelegenheiten über alle geistlichen und weltlichen, in Stadt und Diözese ansässigen Personen ohne jede Aus- nahme, und Bischof Albrecht, sowie die jetzigen Archi- diakone hätten diese entweder in eigener Person oder durch die von ihnen dazu bestellten Offiziale bisher - von den Schwierigkeiten und Hindernissen, die erst in aller- jüngster Zeit wider alles Recht ihnen von der Stadt Strass- burg in den Weg gelegt würden, abgesehen unbestritten ausgeübt. Mit besonderem Nachdruck wurde dabei hervor- gehoben, dass die dem Bischof und den Archidiakonen zustehende Gerichtsbarkeit und die von ihnen ernannten Richter immer vor allen andern Richtern und Gerichten in Stadt und Diözese Strassburg den Vorrang gehabt hätten und weit über diesen stünden, und dass daher, wenn einmal die beklagte Partei verlangte, dass man die Sache vor den in Betracht kommenden weltlichen Richter weise und die Zuständigkeit des geistlichen Gerichts bestritt, dem Bischof und den Archidiakonen, sowie ihren Offizialen von jeher das Recht zugestanden habe, über diese Gresuche unter Prüfung der vorgebrachten Gründe zu entscheiden und die Überweisung anzuordnen oder zu verwerfen.

Gerade in diesem Punkte vertrat also die Appellation den gleichen Standpunkt, den Albrecht bereits bei Beginn seiner Regierung während seiner ersten Streitigkeiten mit der Stadt dem Rat und dessen weltlicher Gerichtsbarkeit gegenüber geltend gemacht hatte, und den er seitdem zäh festzuhalten suchte!). Die Stadt hatte, wie wir schon sahen, sofort energisch Widerspruch gegen diese klerikalen An- massungen erhoben und, soweit die Gerichtshoheit über die Strassburger Bürger und Schirmverwandten in Betracht kam, für ihre eigene Gerichtsbarkeit die unbedingte Vor- rangstellung von jeder andern Jurisdiktion beansprucht. Das konnte von ihr auch nicht anders erwartet werden; sie musste im eigensten Interesse auf der Forderung be- stehen, dass alle Klagen, die sich gegen einen ihrer Bürger

1) Vgl. oben S. 55 ff.

204 Stenzel.

keine Aussicht auf deren Rückgängigmachung zu bestehen schien, so lange Martin am Hof weilte und den greisen Kaiser bearbeitete, beschlossen Bischof und Kapitel, ihr Glück bei der römischen Kurie zu versuchen und deren Entscheidung anzurufen, zumal da nach ihrer Ansicht es sich um rein geistliche Dinge handelte, zu deren Regelung in letzter Instanz allein der Papst, und nicht der Kaiser, Macht und Befugnis hatte. Demgemäss traten am 23. Juni, also noch ehe seit der am 14. und 15. erfolgten Insinuierung die auf Grund der kanonisch-rechtlichen Bestimmungen bestehende zehntägige Frist für die Erhebung eines Ein- spruchs gegen das kaiserliche Inhibitionsmandat abgelaufen war und dieses endgültige Rechtskraft erhalten hatte, die in der Stadt residierenden Domherren es waren damals nur ihrer drei, die bereits oben genannt wurden t), im grossen Kapitelsaal des Bruderhofs zu einer Kapitelsitzung zusammen und gaben hier in Gegenwart der Priester Heinrich Rebelin und Dietrich Jölinger in feierlicher Form bekannt, dass sie mit gegenwärtiger Erklärung in ihrem Namen, sowie in dem des Bischofs, der abwesenden Archi- diakone und Kanoniker und der Offiziale gegen das an sie zugunsten der Stadt ergangene Gebot des Kaisers bei Papst Innozenz VIII. Berufung einlegten; zugleich erteilten sie dem Notar des bischöflichen Hofgerichts Johannes Spüll, einem Niederländer, der ebenfalls der Sitzung beiwohnte, den Auftrag, über die soeben eingelegte Appellation ein rechtsgültiges Instrument aufzusetzen. Das umfangreiche Schriftstück, das uns im städtischen Archiv?) in mehreren Kopien erhalten ist, beginnt mit einer eingehenden Schil- derung der Rechte und der Rechtsübung der Strassburger geistlichen Gerichte. Diese gründet sich auf die als oberster Grundsatz und unbestreitbare Tatsache hingestellte Be- hauptung, Kirche und Bistum von Strassburg und dem- gemäss auch die Strassburger Bischöfe und Archidiakone besässen seit unvordenklichen Zeiten bis zur Gegenwart

1) Vgl. oben S. 95. ?) Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 74 75, 78 (Abschrift einer durch die beiden uns bereits bekannten Kollatoral- notare Buchowe und Castmeister (vgl. unten S. 211) vidimierten Kopie); ebenda fol. 260—263 (beglaubigt von Paul Grofe); fol. 105—107 (unbe- glaubigt).

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Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 205

für den Bereich von Stadt und Diözese die geistliche wie die weltliche Gerichtshoheit und ordentliche Gerichtsbar- keit in allen kriminellen wie zivilen, geistlichen wie welt- lichen Angelegenheiten über alle geistlichen und weltlichen, in Stadt und Diözese ansässigen Personen ohne jede Aus- nahme, und Bischof Albrecht, sowie die jetzigen Archi- diakone hätten diese entweder in eigener Person oder durch die von ihnen dazu bestellten Offiziale bisher -- von den Schwierigkeiten und Hindernissen, die erst in aller- jüngster Zeit wider alles Recht ihnen von der Stadt Strass- burg in den Weg gelegt würden, abgesehen unbestritten ausgeübt. Mit besonderem Nachdruck wurde dabei hervor- gehoben, dass die dem Bischof und den Archidiakonen zustehende Gerichtsbarkeit und die von ihnen ernannten Richter immer vor allen andern Richtern und Gerichten in Stadt und Diözese Strassburg den Vorrang gehabt hätten und weit über diesen stünden, und dass daher, wenn einmal die beklagte Partei verlangte, dass man die Sache vor den in Betracht kommenden weltlichen Richter weise und die Zuständigkeit des geistlichen Gerichts bestritt, dem Bischof und den Archidiakonen, sowie ihren Offizialen von jeher das Recht zugestanden habe, über diese (resuche unter Prüfung der vorgebrachten Gründe zu entscheiden und die Überweisung anzuordnen oder zu verwerfen.

Gerade in diesem Punkte vertrat also die Appellation den gleichen Standpunkt, den Albrecht bereits bei Beginn seiner Regierung während seiner ersten Streitigkeiten mit der Stadt dem Rat und dessen weltlicher Gerichtsbarkeit gegenüber geltend gemacht hatte, und den er seitdem zäh festzuhalten suchte!). Die Stadt hatte, wie wir schon sahen, sofort energisch Widerspruch gegen diese klerikalen An- massungen erhoben und, soweit die Gerichtshoheit über die Strassburger Bürger und Schirmverwandten in Betracht kam, für ihre eigene Gerichtsbarkeit die unbedingte Vor- rangstellung von jeder andern Jurisdiktion beansprucht. Das konnte von ihr auch nicht anders erwartet werden; sie musste im eigensten Interesse auf der Forderung be- stehen, dass alle Klagen, die sich gegen einen ihrer Bürger

1) Vgl. oben S. 55 ff.

2CcH Stenzel.

richteten, zunächst einmal ohne Ausnahme vor dem Rat einzulegen seien und letzterer allein das Recht besitzen dürfe, zu prüfen, ob die Natur der Klagsache ein anderes Forum erheische, und den Kläger dann, wenn das der Fall war, an das in Betracht kommende, z. B. das geist- liche, Gericht, zu verweisen. Gab die Stadt diesen An- spruch einmal preis, dann war die Stellung der Stadt- behörden als ordentliche Richter der Bürgerschaft, wie sie in ihren Privilegien begründet war, aufs schwerste er- schüttert; denn zweifellos hätte die Befugnis, Klagen gegen Strassburger Bürger, ehe sie beim Rat eingebracht und von diesem überwiesen waren, anzunehmen und darüber zu befinden, ob sie unter Umständen an die städtischen Gerichte zu überweisen seien, einem fremden Richter, und zumal den Öffizialen, deren Gerichte in der Stadt selbst tagten und diese in ihren Kompetenzbereich einschlossen, eine gefährliche Waffe gegen die Gerichtshoheit Strass- burgs in die Hand gegeben. Immerhin hätte die Stadt, wie schon oben erwähnt wurde, in der Praxis es schliess- lich geduldet und geschehen lassen, dass ihre Bürger, so- lange sie keinen Einspruch erhoben, vor den geistlichen Gerichten belangt wurden, wofern nur der Offizial auf Verlangen des Angeklagten oder des Rats die Sache sofort ohne nähere Prüfung, allein auf Grund der Tat- sache, dass die beklagte Partei das Strassburger Bürger- recht hatte, dem Ratsgericht überwies und diesem dann die Entscheidung über die Frage, welches Gericht der Natur der Klagsache entsprechend zuständig sei, und die eventuelle Zurückverweisung vor das geistliche Gericht anheimstellte. Dass die Inhaber der geistlichen Jurisdiktion jedoch sich mit diesem halben Zugeständnis nicht zufrieden gaben, ist ohne weiteres verständlich; denn, war einmal von ihnen aus der Anspruch der städtischen Gerichtsbar- keit auf die Vorrangstellung und auf die Befugnis, über die Zuständigkeit der verschiedenen Jurisdiktionen in den einzelnen Fällen zu entscheiden, ausdrücklich anerkannt, dann war bestimmt vorauszusehen, dass diese Kompetenzen in den Händen des Rats bei dessen bekannter Haltung,

1) Vgl. oben S. 67.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 207

die er dem privilegium fori und der für alle geistlichen Angelegenheiten beanspruchten Exemption gegenüber ein- nahm, zu einem wirkungsvollen Kampfmittel gegen die geistliche Gerichtsbarkeit werden und als solches zur end- gültigen und völligen Verdrängung derselben aus dem städtischen Machtbereich rücksichtslos Anwendung finden würde. In diesen Fragen lag ohne Zweifel, seitdem die Offizialate in ihrer Stellung wieder befestigt und gekräftigt waren und in mancher Hinsicht den städtischen weltlichen Gerichten als Rivalen entgegentraten, der eigentliche Angel- punkt der ganzen Streitigkeiten zwischen Stift und Stadt Strassburg über die geistliche Gerichtsbarkeit, während der Anspruch der Offiziale auf Anerkennung ihrer Stellung als ‚Stadtrichtere nur eine der dadurch bedingten Folge- erscheinungen war. Aus diesem Grund wurde denn auch dieser Punkt in der Appellation mit besonderem Nachdruck hervorgehoben.

In den nun folgenden Ausführungen des Schriftstücks wird dargelegt, dass die oben geschilderte bevorzugte Stellung der Offizialate auch durch die der Stadt von Kaisern und Königen verliehenen und von Papst Innozenz IV. be- stätigten Privilegien nicht eingeschränkt oder gar auf- gehoben werde, da sich deren Wirkung dem unzwei- deutigen Wortlaut nach allein gegen die richte, die ver- suchten, Bürger vor ausserhalb der Stadt tagende Gerichte und Richter zu schleppen. Da nun des weiteren der Papst diese kaiserlichen Privilegien bestätigt und damit diese und ihren gesamten Wortlaut zu seinem Eigentum gemacht habe, stünde allein ihm, und nicht dem Kaiser, die Be- fugnis zu, über darin enthaltene, unklare oder zweideutige Stellen und Worte rechtsgültige Erklärungen und Er- läuterungen abzugeben, zumal in einem Fall, wo die Interessen und das Präjudiz Bischof Albrechts, der Archi- diakone und des Kapitels der Strassburger Kirche auf dem Spiel stünden. Nichtsdestoweniger habe Meister und Rat der Stadt Strassburg, der doch alljährlich dem Bischof und dem Kapitel oder deren anwesenden Vertretern in erster Linie die Beobachtung der Ehre der Strassburger Kirche und erst an zweiter Stelle die der Ehre der Stadt eidlich zu geloben pflege, sich vom Kaiser, der doch gar keine

208 Stenzel.

Befugnis hierzu hatte, unter dem Anschein einer vorgeb- lichen Deklaration ein Mandat erpresst und suchten nun kraft dieser in Wirklichkeit rechtlich hinfälligen Deklaration und der darin festgesetzten Strafen Bischof, Archidiakone und deren Offiziale und Gerichtsbeamte zu belästigen und ihnen in ihrer bisher ungestört gehandhabten Gerichtsbar- keit, die doch hochstehender und vorzüglicher sei als die der Stadt, sofern diese überhaupt derartige Rechte besässe, Minderung und Abbruch zu tun zum nicht geringen Schaden und zur Beschwerung des ganzen Stifts.

Das ist der wesentliche Inhalt der Appellation, aus deren ganzen Ton man noch die hochgradige Erregung heraushört, in der sich die Abfasser befanden. Von dem Gegner wird mit einer beinahe ans Unglaubliche grenzen- den Hochfahrenheit gesprochen, wie sie wohl nur die adelsstolzet Abkömmlinge vornehmer Geschlechter zur Schau tragen konnten; es werden ihm nach Möglichkeit die unlautersten Motive und die unredlichste Handlungs- weise untergeschoben, so namentlich mit der äusserlich allerdings sehr vorsichtig gefassten Bemerkung, bei der Erlangung der Deklaration habe die Stadt so manche Tat- sache, die ihr die Erreichung ihres Ziels unmöglich gemacht hätte, verschwiegen, dafür andere Gesichtspunkte hervor- gehoben, die sie dazu unbedingt brauchte, und die sie.

deshalb das sagen zwar die Appellanten nicht aus- drücklich, aber aus dem ganzen Zusammenhang geht her- vor, dass sie dem Papst das so darstellen wollten will-

kürlich den wirklichen Verhältnissen zuwider in den Tat- bestand hineininterpretiert habe.

Das alles war nun aber an und für sich nichts so Unerhörtes; bedenklicher war jedoch die Tatsache, dass sie den Kaiser bei ihrer Berufung mit ins Spiel gezogen hatten. Zwar hatten sie tunlichst den Anschein vermieden, als richte sich ihre Appellation direkt gegen ihn, und ihn wenigstens persönlich in Hintergrund gelassen, dagegen die Strassburger, denen sie Schuld an allem zuschrieben, vorgeschoben; aber sie waren eben doch nicht ausgekommen, ohne dass sie gegen das von ihm erlassenen Mandat ihre Berufung richteten, auf sein Eingreifen zu sprechen kamen und ihm die rechtliche Befugnis dazu abstritten. Und eben

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 209

dieser Vorstoss gegen die kaiserliche Gewalt, der Versuch, die päpstliche Machtvollkommenheit gegen das Reichsober- haupt auszuspielen, war ein verzweifeltes und äusserst ge- wagtes Unternehmen, das nur dann Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, wenn der augenblickliche Papst ein charakter- voller und tatkräftiger, von den kirchlichen Idealen und Ansprüchen auf die unbedingte Vorrangstellung überzeugter Mann gewesen wäre, der sich nicht scheute, wegen einer solchen Angelegenheit sich auf einen Strauss mit dem Kaiser einzulassen, und der auch durch keinerlei politische Rücksichten diesem gegenüber gebunden war. Was war aber in dieser Hinsicht von einem geilen Wollüstling und doppelzüngigen, verschlagenen Ränkeschmied wie Inno- zenz VIII. zu erwarten, dessen grösste Sorgen schliesslich die Unterbringung seiner Nepoten und die Füllung seines (reldbeutels waren? Seit längerer Zeit spielte er in der Öffentlichkeit mit dem Plane eines von der gesamten Christenheit zu unternehmenden Kreuzzuges gegen die Türken, der von ihm natürlich wenig ernst gemeint war, sondern, nur die nötige Staffage abgeben sollte, um dem allenthalben verkündigten Jubelablass und Cruciat den gewünschten »klingenden« Erfolg zu sichern‘). Um bei dem gläubigen Volke das Vertrauen in das ganze Unter- nehmen nach Möglichkeit zu stärken, musste Innozenz nach Kräften auf ein gutes Verhältnis zu den gekrönten Häuptern der Christenheit bedacht sein, und bemühte er sich unauf- hörlich um die Herstellung der äusseren Einigkeit unter! ihnen, vor allem um die Versöhnung des Kaisers und seines Sohnes mit ihren (regnern, Matthias von Ungarn und dem König von Frankreich. Friedrich III. wie Maximilian hatten es denn auch nicht am Beweisen ihrer Freundschaft und ihres Entgegenkommens fehlen lassen, namentlich nach dem Tod des Matthias Corvinus, um sich die Unterstützung des Papstes in der ungarischen Erbfolgefrage zu sichern. Sie hatten zu dem von Innozenz in Sachen des Türken- zugs veranstalteten Kongress zu Rom im Frühjahr 1490 mit zahlreichen andern deutschen Fürsten ihre Gesandten abgeschickt und liessen durch diese dem Papst noch ins-

1) Vgl. hierzu Ulmann, Maximilian I., Bd. I, S. 69.

210 Stenzel.

besondere mitteilen, dass sie eine Werbung einer Gesandt- schaft König Ferdinands von Aragonien, mit dem Innozenz wegen der Anerkennung der päpstlichen Oberlehnsherr- schaft über Sizilien und des dafür jährlich zu entrichtenden Tributs in den ernstesten Auseinandersetzungen stand, zurückgewiesen und dem König eine für den Papst gün- stige Antwort gegeben hätten'). Ende Juni verliessen dann die deutschen Botschaften wieder Rom2); der Papst hatte die kaiserlichen und königlichen Gesandten beauftragt, Friedrich und Maximilian seinen Dank für ihre freundliche Haltung auszusprechen und sie seiner Unterstützung in den französischen und ungarischen Angelegenheiten zu ver- sichern. Ihm mochte es im Grunde genommen ganz recht sein, wenn sich Maximilian in Ungarn festlegte und seine Aufmerksamkeit in den Osten abgelenkt wurde; dann liess sich um so eher eine endgültige Verständigung zwischen ihm und König: Karl von Frankreich anbahnen und letzterer bekam die Hände frei, um Innozenz womöglich im Kampf gegen Ferdinand von Aragonien militärisch zu unter- stützen 8). Denn dass er in dieser Sache vom Kaiser keine Hilfeleistung erhoffen konnte, darüber bestanden bei ihm wohl keine Zweifel. Jedenfalls waren von Innozenz der ganzen politischen Lage nach irgend welche ernsthafte Schritte zugunsten des Strassburger Bischofs und seines Domkapitels im Gegensatz zu Friedrich III. im Augen- blick nicht zu erwarten. Vielleicht, dass er sich dazu ver- stehen mochte, beiläufig ein gutes Wort für sie einzu- legen; aber das genügte eben im vorliegenden Falle nicht. So war denn das ganze Unterfangen von Bischof und Kapitel schliesslich nichts mehr als eine politische Unklug- heit, die unter Umständen teuer zu stehen kam. Wenn sie wirklich auf anderweitige Unterstützung ihrer Sache, namentlich durch Verwendung befreundeter Fürsten am Kaiserhofe, rechneten, etwa der Domscholaster Heinrich von Henneberg auf die seines Bruders, Erzbischof Ber-

1) Vgl. hierzu im Urkundenanhang zu Bd. VIII von Lichnowski, Gesch. des Hauses Habsburg die undatierten Briefe (S. DCCXXIX fi.) Nr. 16—20; Müller, Reichstagtheatrum VI, S. 179 ff. °) Vgl. hierzu ebenda DCLX ff. die Regesten Nr. 1415—1419. 3) Ulmann, a. a. O S. 16 f.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im ı5. Jahrhundert. 211

tholds von Mainz, und Albrecht auf die verwandten baye- rischen Herzöge, besonders auf seinen Bruder Pfalzgraf Otto von Neumarkt, der mit Maximilian im besten Ver- hältnis stand und diesem in den letzten Monaten bei den Verhandlungen mit Ungarn wertvolle Dienste geleistet hatte'), dann hätten sie einen Schritt vermeiden sollen, der, sowie er am Hof bekannt und von der Gegenpartei. mit dem nötigen Nachdruck ausgebeutet wurde, Friedrich tief verstimmen und eigentlich dazu herausfordern musste, zu den in der Appellation entwickelten Anschauungen den praktischen Gegenbeweis durchzuführen.

Die Stadt Strassburg merkte denn auch sofort die schwache Seite ihres Gegners heraus und liess sich die ihr von ihren Gegnern in die Hand gespielten Trümpfe nicht entgehen, sowie ihr um den ıı. oder 12. Juli?) offiziell von der Einlegung der Berufung an den Papst Mitteilung ge- macht und die Appellation in einer von den beiden uns aus anderem Zusammenhang her bereits bekannten?) Kolla- teralnotaren des bischöflichen Hofgerichts, Degenhard Buchowe und Johann Castmeister, beglaubigten Kopie übergeben worden war. Man kann sich denken, welch ein Entrüstungssturm unter den Räten der Stadt losbrach, als ihnen durch Verlesung einer Übersetzung der Inhalt des Schriftstücks, das doch den damals tatsächlich be- stehenden Verhältnissen geradezu Hohn sprach, bekannt wurde. Die Stadt traf denn auch alsbald energische Gegen- massregeln zur Abwehr dieses Angriffs auf ihre Gerichts- hoheit. Am 20. Juli gaben Meister und Rat unter dem Vorsitz des derzeits amtierenden Stettmeisters Ott Sturm in der grossen Ratsstube der Pfalz in Gegenwart der nötigen Zeugen vor dem schon mehrfach genannten Notar Paul Grofe zum ewigen Gedächtnis eine feierliche Prote- station zur Handhabung der Gebräuche und der Rechte und Freiheiten ihres ordentlichen weltlichen Gerichtszwangs abt).

1) Vgl. z. B. Ulmann, a. a. O. S. ff.; Fraknoi, Matthias Corvinus,

S. 266. 2) Am 20. Juli waren noch keine 10 Tage seit der Überant- wortung der Appellation vergangen, sondern, wie die städtische Protestation sagt, erst 8—9; vgl. unten! 3) Vgl. diese Zeitschrift Bd. 29, S. 307,

Anm. 2 und S. 396. Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 223 (Perg. Orig. Notariatsinstrument).

212 Stenzei.

Zunachst stellten sie darın fest, dass sie seit unvordenk- licher Zeit letzteren auf Grund alter Rechtsübung und von Kaisern und Königen stammender Privilegien besässen und in weltlichen und peinlichen Sachen Recht gesprochen, was aber an geistlichen Sachen vor sie gekommen sei, stets vor den gebührenden Richter gewiesen hätten, und zwar alles im Namen der Stadt Strassburg und ihrer welt- lichen Regierung und Obrigkeit. Dann wandten sie sich gegen die von Bischof und Kapitel eingereichte Appellation, durch die zum ersten Mal dem Rat der ruhige Besitz seiner Grerichtshoheit ernstlich streitig gemacht werde. Nach ihrer Überzeugung war diese Berufung null und nichtig, da sie gegen göttliches und natürliches, geistliches und weltliches Recht, nicht minder auch gegen der Stadt Freiheit und Jurisdiktion verstosse, und konnte auch gegen deren Privilegien und Rechte, einschliesslich der Deklaration, keinerlei Geltung erhalten, weil ihr sowohl die allgemeine Rechtsordnung, nicht minder der vom Bischof mit Zu- stimmung des Domkapitels seinerzeit geleistete Eid, worin er der Stadt gelobt, sie und ihre Bürger im Genuss aller ihrer Freiheiten, Gerichten und Gewohnheiten zu belassen und diese eher zu mehren und zu mindern, und schliess- lich auch die Verpflichtungen, die die Appellanten in den über ihre vom Reich herrührenden Regalien und welt- lichen Rechte ausgesteliten Lehnsreversen dem Kaiser gegenüber übernommen hatten, hindernd im Wege stünden. Nachdrücklich wiesen sie darauf hin, dass die Recht- fertigung und Übertragung weltlicher Gerichtsbarkeit, wie im vorliegenden Falle, ganz allein dem Kaiser als dem Haupt und Ursprung der weltlichen Gerichtsobrigkeit zu- stehe, von dem auch die Freiheit der Stadt herstamme; daher sei der Rat gar nicht in der Lage, ohne des Kaisers ausdrückliche Ermächtigung, sich in dieser Angelegenheit dem geistlichen Gerichtszwang zu fügen und der Appellation nachzufolgen, obwohl übrigens, wenn sie letzteres auch täte, die Sache doch schliesslich ihrer Natur wegen wieder vor das weltliche Oberhaupt zurückverwiesen werden müsste, Aber die Strassburger gingen noch einen Schritt weiter; sie hoben den Satz, dass eine solche Deklaration allein dem Papst und nicht dem Kaiser zustehe, als den

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 213

eigentlichen Kernpunkt der ganzen Appellation heraus und erklärten, damit würden die beiden Häupter der Christen- heit als »houbtursacheres, d. h. als eigentliche Gegenparteien in dem ganzen Rechtsstreit einander gegenübergestellt; demgemäss gehe die ganze Berufung die Stadt überhaupt nichts an, die es Kaiser und Papst überlasse, sich über diese Rechtsfrage zu verständigen. Die Stadt halte des- halb bis auf weiteres unerschütterlich an ihrem bisherigen Standpunkt und an ihrer bisher beobachteten Rechtsordnung, sowie an der Deklaration fest; sofern der Gegner ver- meinte, sie habe falsche Tatsachen bei der Erlangung der eben erwähnten Urkunde vorgebracht und manches für sie Ungünstige verschwiegen, so möge er sie deshalb rechtlich vor dem Kaiser, von dem sie die Deklaration erwirkt habe und der einzig als ordentlicher Richter für die Sache in Betracht komme, auf dem Weg einer Appella- tion oder eines neuen Verfahrens rechtlich belangen. Da das Kaisertum nicht vaciere, die Gegenpartei als Grund für ihre Berufung an den Papst auch nicht Versagung des Rechts durch den Kaiser vorbringen könnte und schliess- lich weder letzterer noch die Stadt in diesen Dingen der weltlichen Jurisdiktion der römischen Kirche irgendwie unterworfen seien, entbehre übrigens der Rechtszug des Gegners, selbst wenn man die früher vorgebrachten Ge- sichtspunkte ausschalte, jeder äusseren rechtlichen Begrün- dung und sei vollständig hinfällig.

Man kann dieser städtischen Protestation die An- erkennung nicht versagen, dass sie mit Grewandtheit und Geschick und mit entschiedenem Nachdruck den Stand- punkt der weltlichen Obrigkeit den geistlichen Ansprüchen gegenüber verteidigt, nicht zuletzt ein Verdienst des der Stadt als Rechtsbeistand zur Seite stehenden Syndikus Dr. Weltzer, der überhaupt in dem ganzen Handel eine wichtige, freilich nur selten greifbare Rolle spielte. Da er erst im Jahre zuvor vielleicht im Zusammenhang mit diesen Auseinandersetzungen mit dem Bistum von dem Rat in.den Dienst der Stadt Strassburg aufgenommen worden war'), konnte Weltzer bei diesen Streitigkeiten

1) Ch. Schmidt, Histoire littéraire de P’Alsace I, S. 212; sein Dienst- revers im Strassb. Stadtarch. GUP u. 256.57. Vgl. auch oben S. 81.

214 Stenzel.

zum ersten Mal in grösserem Umfang seine juristischen Fähigkeiten und Kenntnisse betätigen; man muss ihm zu- erkennen, dass er entschieden Ehre damit einlegte. Des weiteren ist die Protestation aber auch ein Zeugnis dafür, wie stark doch bereits in den deutschen Stadtrepubliken trotz alles kleinlichen Krämergeistes der moderne Staats- begriff, die Anschauung von der unbedingten Souveränität des weltlichen Staats an Boden gewonnen hatte.

Noch am gleichen Tag, unmittelbar nach Abgabe der Protestation begab sich das Ratsmitglied Andres Hap- macher in Begleitung des Notars Grofe und zweier Zeugen in den Bruderhof und gab den Herren vom Domkapitel die der Stadt überantwortete Kopie der Appellation im Auftrag des Rats wieder!) mit der Bemerkung, der Rat schicke hiermit, noch ehe 10 Tage seit der Überantwortung verlaufen seien, die ihm zugestellte sogenannte Appellation zurück, da sie die Stadt überhaupt nichts angehe?). In einem der Kopie beigegebenen Schreiben an das Kapitel setzte der Rat des näheren seine Gründe für eine derartige Handlungsweise zum Teil mit dem gleichen Gedankengang, den wir schon aus der Protestation kennen, auseinander). Er erklärte, dass die Frage, wem das Recht zustehe, die Freiheit zu deklarieren, die Stadt schlechterdings nichts angehe und es dieser auch nicht gebühre, sich der Dinge, die Papst und Kaiser beträfen, anzunehmen; vielmehr werde sie sich auch weiterhin der kaiserlichen Deklaration und dem daraufhin ergangenen Mandat, sowie ihrer Freiheit, zu deren Beobachtung auch der Bischof sich bei seinem Regierungsantritt unter seinem und des Kapitels Siegel verpflichtet habe, entsprechend verhalten. Sofern jemand versuchen werde, sie daran zu hindern, würde sich der Rat mit Hilfe und Verwilligung des Kaisers zur Hand- habung dieser seiner Rechte veranlasst sehen; glaube jemand, dass die Stadt darin unrecht handle, so stehe ihm der Rechtsweg vor dem Reichsoberhaupt frei, vor dem sie sich zu Recht erbiete. Nachdrücklich wurde noch hervor- gehoben: allein wenn der Kaiser der Stadt auf Erfordern

1) Vorher hatte sich der Rat natürlich die uns noch heute erhaltenen (vgl. o.) Kopien genommen! ?) Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 225 (Perg, Orig. Notariatsinstrument). °) Ebenda, fol. 80 (Abschrift).

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 215

des Papstes in dieser oder jener Hinsicht still zu stehen gebiete, werde sie von ihrem bisherigen Standpunkt ab- gehen und dem kaiserlichen Befehl Gehorsam leisten; im übrigen fühlte sich der Rat zur Annahme der Appellation nicht verpflichtet.

Aus diesen Ausführungen wie auch schon aus der Protestation geht deutlich hervor, wie sehr die Stadt, dem Rate Martins gemäss!) bemüht war, bei einem Rechts- zug vor das Hofgericht der Gegenpartei die Rolle des Klägers zuzuspielen und nach Möglichkeit ein klagweises Vorgehen ihrerseits vor dem Kaiser gegen Bischof und Kapitel zu vermeiden. Dessenungeachtet erwog man doch damals schon im Rat ernsthaft den Gedanken, ob man nicht die gewaltigen Blössen, die sich der Gegner in seiner Appellation Friedrich gegenüber gegeben hatte, ausnützen und unter Darlegung der Entwicklung, die der ganze Handel seit Verkündigung des Inhibitionsmandats genommen hatte, am kaiserlichen Hof den Versuch machen sollte, für die Stadt weitere Vorteile herauszuschlagen, die das erst Errungene sichern sollten. Einmal lag dem Rat natürlich sehr viel daran, dass er endlich die eigentliche Deklara- tionsurkunde, die der Kaiser immer noch bei sich be- hielt, in die Hände bekam; sodann wäre es, sowie das erreicht war, zweifellos von Nutzen gewesen, wenn die Stadt sofort mit der Kurie wegen der Ungültigerklärung der Appellation von Bischof und Kapitel und einer aus- drücklichen urkundlichen Bestätigung des neuerrungenen, ihre alten von Kurie und Konzilien schon oft bestätigten Freiheiten ergänzenden Privilegs durch den Papst in Unter- handlungen trat. Setzte die Stadt das alles in Rom durch, dann konnte sie die kaiserliche Deklaration dem Bischof und dem Kapitel wie auch dem Klerus gegenüber mit ganz anderm Nachdruck geltend machen, denn bisher. Der Rat hielt aber zu diesen Schritten in Rom ein För- derungschreiben des Kaisers für notwendig oder mindestens erwünscht, worin Friedrich die Bitten der Stadt unter- stützte und dem Papst nahe legte, falls die Appellanten gegen die Deklaration begründete Einrede und Forderung

1) Vgl. oben S. gı.

216 Stenzel.

zu haben glaubten, sie vor den Kaiser, dem die Sachen des weltlichen Gerichtszwangs ihrer Natur und ihrem Ur- sprung nach zustünden, zu weisen. Wirklich wurde auch durch Dr. Weltzer der Text zu einer entsprechenden Suppli- kation an Friedrich ausgearbeitet, der mit zu den inter- essantesten Stücken unter den aus diesem Handel erwach- senen Akten gehört!). Vielfach begegnen uns in diesem Entwurf natürlich die bekannten, bereits mehrfach ent- wickelten Gedankengänge; immerhin bietet er aber so manche neue und glückliche Wendungen und Fassungen, dass es sich doch lohnt, im folgenden wenigstens einiges aus ihrem Inhalt hervorzuheben.

Er enthält im grossen und ganzen eine energische Abrechnung mit den in der Appellation von Bischof und Kapitel aufgestellten Behauptungen und Grundsätzen. Nach scharfer Kennzeichnung der darin zum Ausdruck kommen- den Missachtung der kaiserlichen Deklaration und der vom Kaiser herrührenden städtischen Freiheiten wird vor allem nachdrücklich hervorgehoben, wie doch der von den Gegnern vertretene Anspruch, dass die gesamte Jurisdiktion in Stadt und Bistum dem geistlichen Gerichtszwang unterstellt sei, im grellen Widerspruch mit der Tatsache stehe, dass die Appellanten selbst laut ihrer eigenen Bekenntnisse ihre Regalien und Temporalien und das Verfügungsrecht darüber vom Kaiser und vom Reich erhalten hätten, und zugleich das oberste (scsetz christlicher und rechtlicher Ordnung verletze, »gott zu tun, das gott, und dem keyser, das dem keyser zugehördt und nyemandt geistlicher under- steen ains andern weltlichen gebiet noch rechtlicher ober- keit yngriff oder abzug ze tun«. Der Anspruch der Appel- lanten wird allein für die Fälle als berechtigt anerkannt, in denen sich die Parteien freiwillig und widerspruchslos dem geistlichen Gerichtszwang unterworfen hätten. Im übrigen wird dann die Rechtsübung dargelegt, wie sie der Rat den geistlichen Gerichten gegenüber bisher beobachtet habe, und im Gegensatz dazu das rechtswidrige Verhalten der Offiziale, ihre Weigerung, die verlangten Überweisungen

1) Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 53 - 54 (Konzept von Weltzers Hand).

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 217

von Prozessen zuzugestehen, geschildert und auf die ver- hängnisvollen Folgen aufmerksam gemacht, die ihr Vor- gehen, wenn es sich einmal durchsetze, für die weltliche Gerichtsbarkeit haben müsse. Vor allem wendet sich die Supplikation gegen die Forderung der geistlichen Gerichts- herren, dass den Offizialaten allein das Recht der Unter- suchung und Entscheidung in Fragen der Zuständigkeit und der Überweisung von Prozessen zukomme; sie führt aus, dass diese Anschauung nicht nur den den Rechtszug zwischen Kläger und Angeklagtem regelnden Grundsätzen des gemeinen Rechts und der städtischen Freiheit zuwider sei, sondern auch der kaiserlichen Obrigkeit Abbruch tue, da die Offizialatenur wenigeoder richtiger so gut wie keine Rechts- sachen überwiesen und auch der Anrufung einer höheren weltlichen Instanz und dem Rechtszug vor dieselbe nicht Folge gäben, sondern unentwegt den Prozessgang vor der geistlichen Gerichtsbarkeit festhielten. Die Stadt konnte dabei auf nahe liegende Beispiele hinweisen: all die Pro- zesse, vor allem den zwischen Sickingen und Jörger, in denen trotz der nach Versagung der Überweisung vor das städtische Gericht beim Kaiser eingelegten Berufung und des von diesem erlassenen Inhibitionsmandats die Offizialate weiter prozediert hatten. Mit beissendem Spott wird die Behauptung der Appellanten abgefertigt, dass ihre An- sprüche sich auf der Vorrangstellung ihrer Gerichtsbarkeit begründeten, abgefertigt und demgegenüber festgestellt, es liege kein rechtlicher Grund vor, dass die Weltlichkeit den Geistlichen nachfolgen solle; auch könnten diese sich nicht über Kaiser, Papst und Konzil erheben, von denen die Freiheit der Stadt in Verleihung und Bestätigung herrühre. Des weiteren wird zwar zugegeben, dass aller- dings, wie die Appellanten hervorhöben, diese Freiheit sich zunächst nur gegen den Rechtszug vor ausserhalb der Stadt tagende Gerichte wende, aber doch darauf hin- gewiesen, dass sie auch die positive Bestimmung enthalte, dass der Bürger nur vor der Stadt Richter, also vor Meister und Rat, belangt werden dürfe; trotzdem lehnten die geist- lichen Richter sogar in den Fällen die Weisung ab, wo der Kläger ein »ußman«, d. h. ein Nichtbürger, sei. Der

Behauptung, dass allein dem Papst das Recht der Dekla- Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. N.F. XXX. 2. 15

218 ne Stenzel.

ration zugehöre, gegenüber wird es als eine klare und unbestreitbare Ordnung des Rechts festgestellt, dass Inter- pretation und Deklaration Sache dessen sei, der die Be- fugnis habe, die Freiheit zu verleihen, also des Kaisers; auch seien die Worte des Privilegs nicht zweideutig und unklar, sondern unmissverständlich; allein die rechtlich nicht begründeten Auslegungsversuche der Gegner der Stadt hätten Anlass zu der Deklaration gegeben, die nur den Zweck habe, ausdrücklich festzuhalten, was sich aus dem Wortlaut der Freiheit ohne weiters ergebe. Die Ver- leihung und Bestätigung durch Päpste und Konzilien gelte nur den geistlichen Personen und Sachen gegenüber und für den kirchlichen Machtbereich, und habe zur Folge, dass auch geistliche Personen unbedingt dem Beklagten nachfolgen müssten, um dann eventuell, wenn der Rat der Klagsache geistlichen Charakter zuerkenne, vor das geist- liche Gericht verwiesen zu werden, verschliesse aber keines- wegs dem Kaiser die Hand. Auch der Einwand, dass die Deklaration, da sie in Abwesenheit der Gegenpartei aus- gegeben sei, keine Rechtskraft habe, werde hinfällig, weil die Gegenwart der Parteien zu einem derartigen Rechtsakt nicht unbedingt erforderlich sei; wenn die Stadt wirklich bei Erlangung derselben, wie der Gegner behaupte, falsche Angaben gemacht und wirkliche Tatsachen verschwiegen habe, so sei es Sache des Kaisers, das zu strafen. Es werde wohl auch als bestimmt angenommen werden dürfen, dass der Papst als Nachfolger Christi sich nicht in Gegensatz zu den bereits oben erwähnten Worten des Erlösers, Gott zu tun, was Gottes und dem Kaiser, was des Kaisers ist, stellen und auch keinen Gefallen daran haben werde, dass die Geistlichen gegen ihre eigene und des Rechts Ord- nung und gegen jede Lehre so begierig (»gedürstickliche) nach weltlicher Ehre, Oberkeit und Regierung zum schweren Schaden und Abbruch von Reich und Stadt streben sollten und damit nur den Anlass zu Streitigkeiten zwischen Geist- lichen und Laien und zur schweren Störung und Beein- trächtigung des gemeinen Nutzens und des öffentlichen Friedens gäben. Schliesslich wendet sich die Publikation mit scharfen Worten gegen den direkt als unverschämt bezeichneten Versuch, aus dem Umstand, dass der Rat all-

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 219

jährlich zuerst die Ehre des Stifts und dann erst an zweiter Stelle die der Stadt beschwöre, Verpflichtungen und Vor- rangsansprüche abzuleiten; es wird demgegenüber auf das bereits mehrfach erwähnte, vom Bischof beim Antritt seiner Regierung der Stadt geleistete Gelöbnis !) hingewiesen und festgestellt, dass diese in dem ganzen Handel nur ihre Freiheit und Rechtsordnung festhalte und also damit nach einem bekannten Rechtsgrundsatz niemand Unrecht zufüge. Mit der Bitte, die von Strassburg dem Kaiser geleisteten Dienste in Betracht zu ziehen und die Stadt gegen alle diese Übergriffe zu schirmen, geht dann die Bittschrift auf den eigentlichen, bereits früher angegebenen Zweck des Gesuchs ein und bittet Friedrich, dem zu entsprechen.

Man muss es zugestehen, dies Schriftstück macht seinem Verfasser alle Ehre; mit grosser Geschicklichkeit werden darin alle Momente hervorgehoben, die beweisen, dass eben so sehr die Interessen des Kaisers wie die der Stadt durch das Vorgehen von Bischof und Kapitel gefährdet würden; auch die rechtliche Begründung und Verteidigung des Standpunkts des Rats ist jedenfalls dank der Tüchtigkeit Weltzers bedeutend überzeugender und stichhaltiger als früher, wo man sich über so manches nicht recht klar gewesen war. Trotzdem sah der Rat zunächst doch noch einmal davon ab, sie an Friedrich zu überschicken; offen- bar wollte man sich lieber noch zuvor mit Martin, dessen Ankunft jedenfalls unmittelbar bevorstand, persönlich dar- über bereden und inzwischen abwarten, wie sich die Herren des Domkapitels auf die Zurückweisung der Appellation seitens der Stadt hin verhalten würden.

Die Domherren sahen sich natürlich durch den Be- scheid, der ihnen vom Rat zuteil geworden war, in keine angenehme Lage versetzt; trotzdem dachten sie aber vor- läufig nicht daran, von ihrer Berufung an den Papst abzu- stehen, wenngleich sie sicher diese nicht sofort nach Rom sandten. Da kam es denn der Stadt viel darauf an, zu verhindern, dass die Angelegenheit sich zu einer gemein- samen Sache des gesamten Klerus der Diözese auswuchs, und Domkapitel und Bischof zu isolieren. Am 3. August

1) Vgl. oben S. 53 u. S. 214. ı5*

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besondere mitteilen, dass sie eine Werbung einer Gesandt- schaft König Ferdinands von Aragonien, mit dem Innozenz wegen der Anerkennung der päpstlichen Oberlehnsherr- schaft über Sizilien und des dafür jährlich zu entrichtenden Tributs in den ernstesten Auseinandersetzungen stand, zurückgewiesen und dem König eine für den Papst gün- stige Antwort gegeben hätten!). Ende Juni verliessen dann die deutschen Botschaften wieder Rom2); der Papst hatte die kaiserlichen und königlichen Gesandten beauftragt, Friedrich und Maximilian seinen Dank für ihre freundliche Haltung auszusprechen und sie seiner Unterstützung in den französischen und ungarischen Angelegenheiten zu ver- sichern. Ihm mochte es im Grunde genommen ganz recht sein, wenn sich Maximilian in Ungarn festlegte und seine Aufmerksamkeit in den Osten abgelenkt wurde; dann liess sich um so eher eine ‘endgültige Verständigung zwischen ihm und König Karl von Frankreich anbahnen und letzterer bekam die Hände frei, um Innozenz womöglich im. Kampf gegen Ferdinand von Aragonien militärisch zu unter- stützen®). Denn dass er in dieser Sache vom Kaiser keine Hilfeleistung erhoffen konnte, darüber bestanden bei ihm wohl keine Zweifel. Jedenfalls waren von Innozenz der ganzen politischen Lage nach irgend welche ernsthafte Schritte zugunsten des Strassburger Bischofs und seines Domkapitels im Gegensatz zu Friedrich III. im Augen- blick nicht zu erwarten. Vielleicht, dass er sich dazu ver- stehen mochte, beiläufig ein gutes Wort für sie einzu- legen; aber das genügte eben im vorliegenden Falle nicht. So war denn das ganze Unterfangen von Bischof und Kapitel schliesslich nichts mehr als eine politische Unklug- heit, die unter Umständen teuer zu stehen kam. Wen sie wirklich auf anderweitige Unterstützung ihrer Sache. namentlich durch Verwendung befreundeter Fürsten am Kaiserhofe, rechneten, etwa der Domscholaster Heinrich von Henneberg auf die seines Bruders, Erzbischof Ber-

1) Vgl. hierzu im Urkundenanhang zu Bd. VIII von Lichnowski, Gesch. des Hauses Habsburg die undatierten Briefe (S. DCCXXIX fl. Nr. 16—20; Müller, Reichstagtheatrum VI, S. 179 Æ. >?) Vgl. hierzu ebenda DCLX ff. die Regesten Nr. 1415—1419. 3) Ulmann, a. 4 Ö S. 16 f.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 211

tholds von Mainz, und Albrecht auf die verwandten baye- rischen Herzöge, besonders auf seinen Bruder Pfalzgraf Otto von Neumarkt, der mit Maximilian im besten Ver- hältnis stand und diesem in den letzten Monaten bei den Verhandlungen mit Ungarn wertvolle Dienste geleistet hatte!), dann hätten sie einen Schritt vermeiden sollen, der, sowie er am Hof bekannt und von der Gegenpartei. mit dem nötigen Nachdruck ausgebeutet wurde, Friedrich tief verstimmen und eigentlich dazu herausfordern musste, zu den in der Appellation entwickelten Anschauungen den praktischen Gegenbeweis durchzuführen.

Die Stadt Strassburg merkte denn auch sofort die schwache Seite ihres Gegners heraus und liess sich die ihr von ihren Gegnern in die Hand gespielten Trümpfe nicht entgehen, sowie ihr um den 11. oder 12. Juli?) offiziell von der Einlegung der Berufung an den Papst Mitteilung ge- macht und die Appellation in einer von den beiden uns aus anderem Zusammenhang her bereits bekannten?) Kolla- teralnotaren des bischöflichen Hofgerichts, Degenhard Buchowe und Johann Castmeister, beglaubigten Kopie übergeben worden war. Man kann sich denken, welch ein Entrüstungssturm unter den Räten der Stadt losbrach, als ihnen durch Verlesung einer Übersetzung der Inhalt des Schriftstücks, das doch den damals tatsächlich be- stehenden Verhältnissen geradezu Hohn sprach, bekannt wurde. Die Stadt traf denn auch alsbald energische Gegen- massregeln zur Abwehr dieses Angriffs auf ihre Gerichts- hoheit. Am 20. Juli gaben Meister und Rat unter dem Vorsitz des derzeits amtierenden Stettmeisters Ott Sturm in der grossen Ratsstube der Pfalz in Gegenwart der nötigen Zeugen vor dem schon mehrfach genannten Notar Paul Grofe zum ewigen Gedächtnis eine feierliche Prote- station zur Handhabung der Gebräuche und der Rechte und Freiheiten ihres ordentlichen weltlichen Gerichtszwangs abt).

1) Vgl. z. B. Ulmann, a. a. O. S. 81 ff.; Fraknoi, Matthias Corvinus, S. 266. ?) Am 20. Juli waren noch keine 10 Tage seit der Überant- wortung der Appellation vergangen, sondern, wie die städtische Protestation sagt, erst 8-9; vgl. unten! 3) Vgl. diese Zeitschrift Bd. 29, S. 307, Anm. 2 und S. 396. ı Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 223 (Perg. Orig. Notariatsinstrument).

212 Stenzel.

Zunächst stellten sie darin fest, dass sie seit unvordenk- licher Zeit letzteren auf Grund alter Rechtsübung und von Kaisern und Königen stammender Privilegien besässen und in weltlichen und peinlichen Sachen Recht gesprochen, was aber an geistlichen Sachen vor sie gekommen sei, stets vor den gebührenden Richter gewiesen hätten, und zwar alles im Namen der Stadt Strassburg und ihrer welt- lichen Regierung und Obrigkeit. Dann wandten sie sich gegen die von Bischof und Kapitel eingereichte Appellation, durch die zum ersten Mal dem Rat der ruhige Besitz seiner (Greerichtshoheit ernstlich streitig gemacht werde. Nach ihrer Überzeugung war diese Berufung null und nichtig, da sie gegen göttliches und natürliches, geistliches und weltliches Recht, nicht minder auch gegen der Stadt Freiheit und Jurisdiktion verstosse, und konnte auch gegen deren Privilegien und Rechte, einschliesslich der Deklaration, keinerlei Geltung erhalten, weil ihr sowohl die allgemeine Rechtsordnung, nicht minder der vom Bischof mit Zu- stimmung des Domkapitels seinerzeit geleistete Eid, worin er der Stadt gelobt, sie und ihre Bürger im Genuss aller ihrer Freiheiten, Gerichten und Gewohnheiten zu belassen und diese eher zu mehren und zu mindern, und schliess- lich auch die Verpflichtungen, die die Appellanten in den über ihre vom Reich herrührenden Regalien und welt- lichen Rechte ausgesteliten Lehnsreversen dem Kaiser gegenüber übernommen hatten, hindernd im Wege stünden. Nachdrücklich wiesen sie darauf hin, dass die Recht- fertigung und Übertragung weltlicher Gerichtsbarkeit, wie im vorliegenden Falle, ganz allein dem Kaiser als dem Haupt und Ursprung der weltlichen Gerichtsobrigkeit zu- stehe, von dem auch die Freiheit der Stadt herstamme; daher sei der Rat gar nicht in der Lage, ohne des Kaisers ausdrückliche Ermächtigung, sich in dieser Angelegenheit dem geistlichen Gerichtszwang zu fügen und der Appellation nachzufolgen, obwohl übrigens, wenn sie letzteres auch täte, die Sache doch schliesslich ihrer Natur wegen wieder vor das weltliche Oberhaupt zurückverwiesen werden müsste. Aber die Strassburger gingen noch einen Schritt weiter; sie hoben den Satz, dass eine solche Deklaration allein dem Papst und nicht dem Kaiser zustehe, als den

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 213

eigentlichen Kernpunkt der ganzen Appellation heraus und erklärten, damit würden die beiden Häupter der Christen- heit als »houbtursacheres, d. h. als eigentliche Gegenparteien in dem ganzen Rechtsstreit einander gegenübergestellt; demgemäss gehe die ganze Berufung die Stadt überhaupt nichts an, die es Kaiser und Papst überlasse, sich über diese Rechtsfrage zu verständigen. Die Stadt halte des- halb bis auf weiteres unerschütterlich an ihrem bisherigen Standpunkt und an ihrer bisher beobachteten Rechtsordnung, sowie an der Deklaration fest; sofern der Gegner ver- meinte, sie habe falsche Tatsachen bei der Erlangung der eben erwähnten Urkunde vorgebracht und manches für sie Ungünstige verschwiegen, so möge er sie deshalb rechtlich vor dem Kaiser, von dem sie die Deklaration erwirkt habe und der einzig als ordentlicher Richter für die Sache in Betracht komme, auf dem Weg einer Appella- tion oder eines neuen Verfahrens rechtlich belangen. Da das Kaisertum nicht vaciere, die Gegenpartei als Grund für ihre Berufung an den Papst auch nicht Versagung des Rechts durch den Kaiser vorbringen könnte und schliess- lich weder letzterer noch die Stadt in diesen Dingen der weltlichen Jurisdiktion der römischen Kirche irgendwie unterworfen seien, entbehre übrigens der Rechtszug des Gegners, selbst wenn man die früher vorgebrachten Ge- sichtspunkte ausschalte, jeder äusseren rechtlichen Begrün- dung und sei vollständig hinfällig.

Man kann dieser städtischen Protestation die An- erkennung nicht versagen, dass sie mit Gewandtheit und Geschick und mit entschiedenem Nachdruck den Stand- punkt der weltlichen Obrigkeit den geistlichen Ansprüchen gegenüber verteidigt, nicht zuletzt ein Verdienst des der Stadt als Rechtsbeistand zur Seite stehenden Syndikus Dr. Weltzer, der überhaupt in dem ganzen Handel eine wichtige, freilich nur selten greifbare Rolle spielte. Da er erst im Jahre zuvor vielleicht im Zusammenhang mit diesen Auseinandersetzungen mit dem Bistum von dem Rat in.den Dienst der Stadt Strassburg aufgenommen worden war'), konnte Weltzer bei diesen Streitigkeiten

I) Ch. Schmidt, Histoire littéraire de l Alsace I, S. 212; sein Dienst- revers im Strassb. Stadtarch. GUP u. 256,57. Vgl. auch oben S. 81.

214 Stenzel.

zum ersten Mal in grösserem Umfang seine juristischen Fähigkeiten und Kenntnisse betätigen; man muss ihm zu- erkennen, dass er entschieden Ehre damit einlegte. Des weiteren ist die Protestation aber auch ein Zeugnis dafür, wie stark doch bereits in den deutschen Stadtrepubliken trotz alles kleinlichen Krämergeistes der moderne Staats- begriff, die Anschauung von der unbedingten Souveränität des weltlichen Staats an Boden gewonnen hatte.

Noch am gleichen Tag, unmittelbar nach Abgabe der Protestation begab sich das Ratsmitglied Andres Hap- macher in Begleitung des Notars Grofe und zweier Zeugen in den Bruderhof und gab den Herren vom Domkapitel die der Stadt überantwortete Kopie der Appellation im Auftrag des Rats wieder!) mit der Bemerkung, der Rat schicke hiermit, noch ehe 10 Tage seit der Überantwortung verlaufen seien, die ihm zugestellte sogenannte Appellation zurück, da sie die Stadt überhaupt nichts angehe?). In einem der Kopie beigegebenen Schreiben an das Kapitel setzte der Rat des näheren seine Gründe für eine derartige Handlungsweise zum Teil mit dem gleichen Gredankengang, den wir schon aus der Protestation kennen, auseinander’). Er erklärte, dass die Frage, wem das Recht zustehe, die Freiheit zu deklarieren, die Stadt schlechterdings nichts angehe und es dieser auch nicht gebühre, sich der Dinge, die Papst und Kaiser beträfen, anzunehmen; vielmehr werde sie sich auch weiterhin der kaiserlichen Deklaration und dem daraufhin ergangenen Mandat, sowie ihrer Freiheit, zu deren Beobachtung auch der Bischof sich bei seinem Regierungsantritt unter seinem und des Kapitels Siegel verpflichtet habe, entsprechend verhalten. Sofern jemand versuchen werde, sie daran zu hindern, würde sich der Rat mit Hilfe und Verwilligung des Kaisers zur Hand- habung dieser seiner Rechte veranlasst sehen; glaube jemand, dass die Stadt darin unrecht handle, so stehe ihm der Rechtsweg vor dem Reichsoberhaupt frei, vor dem sie sich zu Recht erbiete. Nachdrücklich wurde noch hervor- gehoben: allein wenn der Kaiser der Stadt auf Erfordern

1) Vorher hatte sich der Rat natürlich die uns noch heute erhaltenen (vgl. o.) Kopien genommen! ?) Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 225 (Perg, Orig. Notariatsinstrument). 3) Ebenda, fol. 80 (Abschrift).

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 215

des Papstes in dieser oder jener Hinsicht still zu stehen gebiete, werde sie von ihrem bisherigen Standpunkt ab- gehen und dem kaiserlichen Befehl Gehorsam leisten; im übrigen fühlte sich der Rat zur Annahme der Appellation nicht verpflichtet.

Aus diesen Ausführungen wie auch schon aus der Protestation geht deutlich hervor, wie sehr die Stadt, dem Rate Martins gemäss!) bemüht war, bei einem Rechts- zug vor das Hofgericht der Gegenpartei die Rolle des Klägers zuzuspielen und nach Möglichkeit ein klagweises Vorgehen ihrerseits vor dem Kaiser gegen Bischof und Kapitel zu vermeiden. Dessenungeachtet erwog man doch damals schon im Rat ernsthaft den Gedanken, ob man nicht die gewaltigen Blössen, die sich der Gegner in seiner Appellation Friedrich gegenüber gegeben hatte, ausnützen und unter Darlegung der Entwicklung, die der ganze Handel seit Verkündigung des Inhibitionsmandats genommen hatte, am kaiserlichen Hof den Versuch machen sollte, für die Stadt weitere Vorteile herauszuschlagen, die das erst Errungene sichern sollten. Einmal lag dem Rat natürlich sehr viel daran, dass er endlich die eigentliche Deklara- tionsurkunde, die der Kaiser immer noch bei sich be- hielt, in die Hände bekam; sodann wäre es, sowie das erreicht war, zweifellos von Nutzen gewesen, wenn die Stadt sofort mit der Kurie wegen der Ungültigerklärung der Appellation von Bischof und Kapitel und einer aus- drücklichen urkundlichen Bestätigung des neuerrungenen, ihre alten von Kurie und Konzilien schon oft bestätigten Freiheiten ergänzenden Privilegs durch den Papst in Unter- handlungen trat. Setzte die Stadt das alles in Rom durch, dann konnte sie die kaiserliche Deklaration dem Bischof und dem Kapitel wie auch dem Klerus gegenüber mit ganz anderm Nachdruck geltend machen, denn bisher. Der Rat hielt aber zu diesen Schritten in Rom ein För- derungschreiben des Kaisers für notwendig oder mindestens erwünscht, worin Friedrich die Bitten der Stadt unter- stützte und dem Papst nahe legte, falls die Appellanten gegen die Deklaration begründete Einrede und Forderung

1) Vgl. oben S. 91.

216 Stenzel.

zu haben glaubten, sie vor den Kaiser, dem die Sachen des weltlichen Grerichtszwangs ihrer Natur und ihrem Ur- sprung nach zustünden, zu weisen. Wirklich wurde auch durch Dr. Weltzer der Text zu einer entsprechenden Suppli- kation an Friedrich ausgearbeitet, der mit zu den inter- essantesten Stücken unter den aus diesem Handel erwach- senen Akten gehört!). Vielfach begegnen uns in diesem Entwurf natürlich die bekannten, bereits mehrfach ent- wickelten Gedankengänge; immerhin bietet er aber so manche neue und glückliche Wendungen und Fassungen, dass es sich doch lohnt, im folgenden wenigstens einiges aus ihrem Inhalt hervorzuheben.

Er enthält im grossen und ganzen eine energische Abrechnung mit den in der Appellation von Bischof und Kapitel aufgestellten Behauptungen und Grundsätzen. Nach scharfer Kennzeichnung der darin zum Ausdruck kommen- den Missachtung der kaiserlichen Deklaration und der vom Kaiser herrührenden städtischen Freiheiten wird vor allem nachdrücklich hervorgehoben, wie doch der von den Gegnern vertretene Anspruch, dass die gesamte Jurisdiktion in Stadt und Bistum dem geistlichen Gerichtszwang unterstellt sei, im grellen Widerspruch mit der Tatsache stehe, dass die Appellanten selbst laut ihrer eigenen Bekenntnisse ihre Regalien und Temporalien und das Verfügungsrecht darüber vom Kaiser und vom Reich erhalten hätten, und zugleich das oberste (scsetz christlicher und rechtlicher Ordnung verletze, »gott zu tun, das gott, und dem keyser, das dem keyser zugehördt und nyemandt geistlicher under- steen ains andern weltlichen gebiet noch rechtlicher ober- keit yngriff oder abzug ze tun«. Der Anspruch der Appel- lanten wird allein für die Fälle als berechtigt anerkannt, in denen sich die Parteien freiwillig und widerspruchslos dem geistlichen Gerichtszwang unterworfen hätten. Im übrigen wird dann die Rechtsübung dargelegt, wie sie der Rat den geistlichen Gerichten gegenüber bisher beobachtet habe, und im Gegensatz dazu das rechtswidrige Verhalten der Offiziale, ihre Weigerung, die verlangten Überweisungen

1) Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 53 - 54 (Konzept von Weltzers Hand).

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 217

von Prozessen zuzugestehen, geschildert und auf die ver- hängnisvollen Folgen aufmerksam gemacht, die ihr Vor- gehen, wenn es sich einmal durchsetze, für die weltliche Gerichtsbarkeit haben müsse. Vor allem wendet sich die Supplikation gegen die Forderung der geistlichen Gerichts- herren, dass den Offizialaten allein das Recht der Unter- suchung und Entscheidung in Fragen der Zuständigkeit und der Überweisung von Prozessen zukomme; sie führt aus, dass diese Anschauung nicht nur den den Rechtszug zwischen Kläger und Angeklagtem regelnden Grundsätzen des gemeinen Rechts und der städtischen Freiheit zuwider sei, sondern auch der kaiserlichen Obrigkeit Abbruch tue, da dieOffizialatenur wenigeoderrichtigersogutwiekeine Rechts- sachen überwiesen und auch der Anrufung einer höheren weltlichen Instanz und dem Rechtszug vor dieselbe nicht Folge gäben, sondern unentwegt den Prozessgang vor der geistlichen Gerichtsbarkeit festhielten. Die Stadt konnte dabei auf nahe liegende Beispiele hinweisen: all die Pro- zesse, vor allem den zwischen Sickingen und Jörger, in denen trotz der nach Versagung der Überweisung vor das städtische Gericht beim Kaiser eingelegten Berufung und des von diesem erlassenen Inhibitionsmandats die Offizialate weiter prozediert hatten. Mit beissendem Spott wird die Behauptung der Appellanten abgefertigt, dass ihre An- sprüche sich auf der Vorrangstellung ihrer Gerichtsbarkeit begründeten, abgefertigt und demgegenüber festgestellt, es liege kein rechtlicher Grund vor, dass die Weltlichkeit den Geistlichen nachfolgen solle; auch könnten diese sich nicht über Kaiser, Papst und Konzil erheben, von denen die Freiheit der Stadt in Verleihung und Bestätigung herrühre, Des weiteren wird zwar zugegeben, dass aller- dings, wie die Appellanten hervorhöben, diese Freiheit sich zunächst nur gegen den Rechtszug vor ausserhalb der Stadt tagende Gerichte wende, aber doch darauf hin- gewiesen, dass sie auch die positive Bestimmung enthalte, dass der Bürger nur vor der Stadt Richter, also vor Meister und Rat, belangt werden dürfe; trotzdem lehnten die geist- lichen Richter sogar in den Fällen die Weisung ab, wo der Kläger ein »ußman«, d. h. ein Nichtbürger, sei. Der

Behauptung, dass allein dem Papst das Recht der Dekla- Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. N.F. XXX. 2. 15

218 er Stenzel.

ration zugehöre, gegenüber wird es als eine klare und unbestreitbare Ordnung des Rechts festgestellt, dass Inter- pretation und Deklaration Sache dessen sei, der die Be- fugnis habe, die Freiheit zu verleihen, also des Kaisers; auch seien die Worte des Privilegs nicht zweideutig und unklar, sondern unmissverständlich; allein die rechtlich nicht begründeten Auslegungsversuche der Gegner der Stadt hätten Anlass zu der Deklaration gegeben, die nur den Zweck habe, ausdrücklich festzuhalten, was sich aus dem Wortlaut der Freiheit ohne weiters ergebe. Die Ver- leihung und Bestätigung durch Päpste und Konzilien gelte nur den geistlichen Personen und Sachen gegenüber und für den kirchlichen Machtbereich, und habe zur Folge, dass auch geistliche Personen unbedingt dem Beklagten nachfolgen müssten, um dann eventuell, wenn der Rat der Klagsache geistlichen Charakter zuerkenne, vor das geist- liche Gericht verwiesen zu werden, verschliesse aber keines- wegs dem Kaiser die Hand. Auch der Einwand, dass die Deklaration, da sie in Abwesenheit der Gegenpartei aus- gegeben sei, keine Rechtskraft habe, werde hinfällig, weil die Gegenwart der Parteien zu einem derartigen Rechtsakt nicht unbedingt erforderlich sei; wenn die Stadt wirklich bei Erlangung derselben, wie der Gegner behaupte, falsche Angaben gemacht und wirkliche Tatsachen verschwiegen habe, so sei es Sache des Kaisers, das zu strafen. Es werde wohl auch als bestimmt angenommen werden dürfen, dass der Papst als Nachfolger Christi sich nicht in Gegensatz zu den bereits oben erwähnten Worten des Erlösers, Gott zu tun, was Gottes und dem Kaiser, was des Kaisers ist, stellen und auch keinen Gefallen daran haben werde, dass die Geistlichen gegen ihre eigene und des Rechts Ord- nung und gegen jede Lehre so begierig (»gedürstickliche) nach weltlicher Ehre, Oberkeit und Regierung zum schweren Schaden und Abbruch von Reich und Stadt streben sollten und damit nur den Änlass zu Streitigkeiten zwischen Geist- lichen und Laien und zur schweren Störung und Beein- trächtigung des gemeinen Nutzens und des öffentlichen Friedens gäben. Schliesslich wendet sich die Publikation mit scharfen Worten gegen den direkt als unverschämt bezeichneten Versuch, aus dem Umstand, dass der Rat all-

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 219

jährlich zuerst die Ehre des Stifts und dann erst an zweiter Stelle die der Stadt beschwöre, Verpflichtungen und Vor- rangsansprüche abzuleiten; es wird demgegenüber auf das bereits mehrfach erwähnte, vom Bischof beim Antritt seiner Regierung der Stadt geleistete Gelöbnis!) hingewiesen und festgestellt, dass diese in dem ganzen Handel nur ihre Freiheit und Rechtsordnung festhalte und also damit nach einem bekannten Rechtsgrundsatz niemand Unrecht zufüge. Mit der Bitte, die von Strassburg dem Kaiser geleisteten Dienste in Betracht zu ziehen und die Stadt gegen alle diese Übergriffe zu schirmen, geht dann die Bittschrift auf den eigentlichen, bereits früher angegebenen Zweck des Gresuchs ein und bittet Friedrich, dem zu entsprechen.

Man muss es zugestehen, dies Schriftstück macht seinem Verfasser alle Ehre; mit grosser Geschicklichkeit werden darin alle Momente hervorgehoben, die beweisen, dass eben so sehr die Interessen des Kaisers wie die der Stadt durch das Vorgehen von Bischof und Kapitel gefährdet würden; auch die rechtliche Begründung und Verteidigung des Standpunkts des Rats ist jedenfalls dank der Tüchtigkeit Weltzers bedeutend überzeugender und stichhaltiger als früher, wo man sich über so manches nicht recht klar gewesen war. Trotzdem sah der Rat zunächst doch noch einmal davon ab, sie an Friedrich zu überschicken; offen- bar wollte man sich lieber noch zuvor mit Martin, dessen Ankunft jedenfalls unmittelbar bevorstand, persönlich dar- über bereden und inzwischen abwarten, wie sich die Herren des Domkapitels auf die Zurückweisung der ADD seitens der Stadt hin verhalten würden.

Die Domherren sahen sich natürlich durch den Be- scheid, der ihnen vom Rat zuteil geworden war, in keine angenehme Lage versetzt; trotzdem dachten sie aber vor- läufig nicht daran, von ihrer Berufung an den Papst abzu- stehen, wenngleich sie sicher diese nicht sofort nach Rom sandten. Da kam es denn der Stadt viel darauf an, zu verhindern, dass die Angelegenheit sich zu einer gemein- samen Sache des gesamten Klerus der Diözese auswuchs, und a und Bischof zu isolieren. Am 3. August

1) Vgl. oben S. 53 u. S. 214. 15*

220 Stenzel.

wurde deshalb eine Ratsbotschaft unter der Führung des Altstettmeisters Peter Schott zu den Stiftern St. Thomas, Jung St. Peter und Alt St. Peter, sowie zu den Vikaren am Münster entsandt, um diese unter Darlegung der zwischen Stadt, Bischof und Kapitel ausgebrochenen Streitigkeiten zu befragen, welche Stellung sie in den ganzen Auseinandersetzungen einnehmen, ob sie dem Bischof und den Domherren in ihrem Unternehmen an- hängen oder eine andere Haltung vorziehen würden!) Leider sind uns die Antworten der Stiftsherren und Vikare nicht bekannt; aber man wird wohl als sicher annehmen dürfen, dass sie es vermieden, der Stadt, in deren Schutz und Schirm sie standen), vor den Kopf zu stossen, und sich daher in der Angelegenheit für neutral erklärten.

Anfang September kam dann offenbar der Fiskal endlich nach Strassburg, um sich dort seiner Aufträge zu entledigen®). In der Frage der Ungarnhilfe konnte er, wie aus seinen späteren Äusserungen hervorgeht), zunächst keine bestimmte Zusage beim Rat erzielen, da dieser wohl zuerst, ehe er sich band, die Gewissheit haben wollte, dass die leidige Geschichte mit der Deklaration jetzt ihre end- gültige Erledigung finden werde. Jedenfalls besprach die Stadt mit Martin eingehend die durch die Appellation des Bischofs und des Kapitels geschaffene Lage und die nun zu unternehmenden Schritte, wobei sicherlich der Rat die in der geplanten Bittschrift entwickelten Gesichtspunkte und die dort geäusserten Wünsche mit Nachdruck hervor- hob. Der Fiskal erklärte sich denn auch sofort bereit, die Wünsche der Stadt beim Kaiser zu vertreten, so dass diese von einer besonderen Gesandtschaft absehen konnte. Fürs erste wollte er indes noch einmal versuchen, ob sich Albrecht nicht durch ernstliche Vorstellungen zur Nach-

1) Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117 fol. 120b. ?) Vgl. den ursprüng- lichen Entwurf zu dem Vortrag an die Stifter, in dem auf diese Tatsache nachdrücklich hingewiesen und der bestimmten Erwartung Ausdruck verliehen wird, dass sie sich der Sache nicht annehmen würden (Ebenda fol. 120). >, Das ergibt sich aus seinem Schreiben an den Bischof vom 9. September, sowie aus einer Bemerkung in seinem Schreiben an die Stadt vom 18. Okt. (Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 25; vgl. unten S. 222!) *) Vgl. sein Schreiben vom 18. Okt.!

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 221

giebigkeit werde bestimmen lassen; deshalb richtete er am 9. September an den Bischof das dringende Ersuchen, er solle von der sogenannten Appellation abstehen und dem . kaiserlichen Inhibitionsmandat gemäss die Stadt Strassburg ungestört im Besitz ihrer Freiheit und ihres Herkommens besonders in Fragen des Gerichts und Rechts belassen, und legte ihm nahe, sich im Interesse seiner Person und seines Bistums sowie mit Rücksicht auf die in dem Mandat festgesetzte Strafe die Sache wohl zu überlegen, da sonst im Falle des Ungehorsams er als Fiskal seiner Amts- pflicht gemäss sich auf Erforderung des Kaisers veranlasst sehen werde, ihn deswegen rechtlich vorzunehmen und zu verklagen'). = |

: Wenngleich wir auch die Antwort, die Albrecht Martin darauf gab, nicht kennen, so können wir doch mit Be- stimmtheit sagen, dass der Bischof sich durch des Fiskals Drohungen nicht einschüchtern liess und nicht ans Ein- lenken dachte. War es ihm doch inzwischen gelungen, was Martin jedenfalls noch ganz unbekannt war —, der Sache beim Kaiser eine für ihn und das Domkapitel günstigere Wendung zu geben. Bischof und Kapitelherren hatten offenbar die Arbeit unter sich geteilt: während das Kapitel die Appellation und die damit verbundenen Ge- schäfte und Unterhandlungen durchführte, hatte Albrecht, von einigen Fürsten unterstützt, den Versuch gemacht, sich am kaiserlichen Hofe von neuem Gehör zu verschaffen und dort eine weitere Aktion zu seinen Gunsten einzu- leiten. Es war ihm nämlich wie Martin nachher be- hauptete, dank der Geschwätzigkeit eines der Strassburger Ratsmitglieder?) zu Ohren gekommen, dass die eigent- liche Deklaration sich noch nicht in den Händen der Stadt befinde; diesen Vorteil gedachte er sich zu nutze zu machen, nicht minder auch den Umstand, dass Martin infolge seiner Amtsgeschäfte für mehrere Monate am Rhein und in der Maingegend festgehalten war und in dieser ganzen Zeit seinen Einfluss am Hof nicht geltend machen konnte?).

«

) VDG Bd. 117, fol. 42/43. ?) Schreiben vom 19. Okt. (Strassb. Stadtarch. VDG, Bd. 117, fol. 27). 3) Vgl. hierzu und zum folgenden Martins Bericht vom 18. Okt. (Ebenda fol. 25).

222 Stenzel.

Albrecht hatte deshalb eine Gesandtschaft an den Kaiser geschickt, der es auch dank der Fürsprache gewichtiger Persönlichkeiten gelang, mit ihrem Anbringen bei Friedrich eine günstige Aufnahme zu finden. Sie setzte es durch, dass die ganze zwischen Stadt, Bischof und Domkapitel schwebende Angelegenheit den Händen Martins, der doch von vornherein Partei für die Stadt ergriffen hatte, entzogen und laut einer kaiserlichen Kommission an Wilhelm von Rappoltstein zu einer gütlichen Verhörung der Parteien überwiesen würde, wo sich nach der Äusserung der Ge- sandten herausstellen werde, dass die Dinge und Rechts- verhältnisse anders lägen, als die Stadt vorgegeben hätte. Auf ihr Begehren freilich, der Kaiser möge die versiegelte Deklaration bis zu Ende des gütlichen Verhörs bei sich behalten, scheinen sie keine unbedingt zusagende Antwort erhalten zu haben. Aber jedenfalls war das, was sie er- reicht hatten, wirklich ein ganz ansehnlicher Erfolg.

Jetzt sollten sich jedoch die Unklugkeiten, die Bischot und Domkapitel mit der Einreichung der Appellation und bei deren Abfassung begangen hatten, bitter rächen. Als Martin endlich am ı7. Oktober wieder in Linz am kaiser- lichen Hofe eintraf, erfuhr er von der neuen Wendung, die die Dinge genommen hatten. Er bot natürlich seinen ganzen Einfluss auf, das alles wieder rückgängig zu machen, und hatte damit auch schliesslich leichtes Spiel, da er nur das Unternehmen von Bischof und Domkapitel, eine Be- rufung beim Papst einzulegen und in dem Appellations- schreiben dem Kaiser gewisse Befugnisse zu bestreiten, Friedrich etwa in der Weise, wie die Stadt es in ihrer Supplikation hatte tun wollen, darzulegen brauchte, um in ihm den alten Groll gegen Albrecht wieder wachzurufen. Wirklich gelang es ihm überraschend schnell, den Raiser umzustimmen; bereits am 1€. hob dieser die an Rappolt- stein ergangene Kommission wieder auf, so dass Martin schon am nächsten Tag ein diesbezügliches an Graf Wil- helm gerichtetes Imhibitionsmandat!) dem Altammeister Peter Schott, den er offenbar um künftigen Indiskretionen

I) Kopie in Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117 fol. 28 (dat. Linz 18. Okt. 1490).

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 223

vorzubeugen nebst dem Ritter Hans Rudolf von Endingen zu seinem besonderen Vertrauensmann im Strassburger Rat | erhob!), zur Weiterbeförderung an den Adressaten über- mitteln konnte?). Freilich kam jetzt auch zum Vorschein, dass seine frühere Angabe, die Deklarationsurkunde sei auf sein Anbringen bereits im Mai versiegelt worden®), nicht stimmte, sei es, weil der Kaiser ihm eine anfänglich gemachte Zusage nicht erfüllt hatte, sei es, weil er des äussefen Eindrucks wegen der Stadt bewusst die Unwahr- heit gesagt hatte. War doch, wie sich später zeigte, die Urkunde noch nicht einmal mit dem Datum versehen ®)! Jedenfalls nahm er nach seiner ausdrücklichen Mitteilung Friedrich jetzt erst das bestimmte Versprechen ab, dass die Deklaration versiegelt und alsbald den Strassburgern überantwortet werden sollte, und erhielt von ihm die Er- mächtigung, seine eben gegen Bischof Albrecht aus- gesprochene Drohung wahr zu machen und gegen diesen und sein Kapitel im Namen des Kaisers mit einer fiska- lischen Ladung rechtlich vorzugehen. Wie wir wissen, war von einem derartigen gerichtlichen Verfahren und einem entsprechenden kaiserlichen Befehl an Martin bereits im April bei der Auswirkung der Deklaration im Hofrat die Rede gewesen; aber man war dann nie mehr . darauf zurückgekommen, seitdem Friedrich die Auslieferung der Urkunde an die Stadt verweigert hatte. Jetzt sollte aus Anlass des offenen Ungehorsams von Bischof und Kapitel und der Einlegung der Berufung beim Papst damit Ernst gemacht werden. Aber Friedrich verhehlte trotz seines Unwillens gleich von vornherein nicht, dass 'dieser Schritt bloss zur äusseren Wahrung seiner kaiserlichen Vorrechte unternommen werden und lediglich dazu be- stimmt sein sollte, Albrecht gefügig zu machen; im übrigen gab er wohl mit Rücksicht auf die hinter dem Bischof stehenden Fürsten es Martin als seinen bestimmten Wunsch zu erkennen, dass er nach Möglichkeit vermeiden

1) So lautet z. B. die Adresse s. Briefs vom 18. Okt. (ebenda fol. 25): ‚an mein ginestigen lieben herrn und gevattern hern Peter Schotten alt- ameinster der stat Strassburg oder in seinem abweßen dem strengen herrn Rudolffen von Endingen rittern«. ?) Schreiben vom 19. Okt. (ebenda fol. 27). 3) Vgl oben S. 92. *) Vgl. unten S. 225.

224 Stenzel.

müsse, mit der vollen Schärfe des Rechts gegen Albrecht vor- zugehen, und deshalb die fiskalische Ladung dazu benutzen sollte, um die beiden Parteien und ihre gegenseitigen Klagen zu verhören und gegebenenfalls durch eine end- gültige und rechtskräftige Entscheidung im Namen des Kaisers die Streitigkeiten auf gütlichem Wege beizulegen. So war es denn Martin möglich, dass er in dem gleichen Schreiben, in dem er der Stadt von dem kurzen Zwischen- spiel zugunsten Albrechts Mitteilung machte, bereits auch dem Rat durch Schott oder, wenn dieser nicht anwesend sein sollte, durch Endingen verkündigen lassen konnte, dass die ganzen Bemühungen des Bischofs umsonst ge- wesen waren und dank seines Einflusses die Sache für Strassburg wieder so gut als möglich stand. Freilich gab er auch dem Rat zu verstehen, dass es immerhin, um alles zum guten Ende zu bringen, noch einige Bedenken am Hofe zu beseitigen gebe. Einmal wies er darauf hin, dass er auf die Frage des Kaisers, wie es die Stadt mit der Hilfe zum Ungarnfeldzug halte, keine andere Antwort habe geben können als die, dass er, noch ehe das am 7. Sep- tember ergangene Aufgebot dem Rat überantwortet worden sei, Strassburg verlassen habe?). Er riet daher dringend, der Rat möchte im Interesse der Stadt sich unverzüglich nach dem Vorbild anderer Städte darin gehorsam erweisen und entweder die verlangte Geldsumme auszahlen oder statt dessen an die Bestellung des ihr auferlegten Kontin- gentes gehen, wobei er übrigens sie zu unterstützen sich erbot, damit sie möglichst billig wegkäme. Ferner be- merkte er in dem schon oben erwähnten Schreiben vom 19. Oktober, das er an Peter Schott persönlich richtete, es sei ihm soeben eröffnet worden, dass der Kaiser für die Ausfertigung der Deklaration, besonders für die Besiegelung mit dem grossen Majestätsinsiegel, etwas mehr als 250 Gul- den verlange. Auch hier wird wieder worauf ja schon früher hingewiesen wurde das Bestreben der kaiser- lichen Umgebung deutlich, möglichst viel bei dem ganzen

1) Vgl. hierzu und zum folgenden sein Schreiben vom 18. Okt. 2) Laut Präsentationsvermerk kam es auch wirklich erst am 2. Okt. in die Hände der Stadt (Strassb. Stadtarch. AA 237 fol. 5); vgl. im übrigen Ulmann, Maximilian IL, Bd I, S. 9ı.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 225

Handel zu verdienen. Diese Summe, von der zweifellos auch Martin seinen Teil erhielt, kam denn doch selbst dem Fiskal in Anbetracht der Kosten, die der Stadt bisher schon aus der Angelegenheit erwachsen waren, und der Anforderungen, die man zu gleicher Zeit wegen der Ungarn- hilfe an sie richtete, ein wenig hoch vor; er wagte deshalb nicht, trotz der ihm von dem Rat erteilten Vollmacht, sie ohne weiteres vorzustrecken, da er fürchtete, es werde sich im Rat Widerspruch und Mißstimmung erheben und die ganze Sache dann ihm zu Undank angerechnet werden. Er bat daher zu seiner Deckung Schott, sich nach der Meinung der Räte zu erkundigen und ihm unverzüglich mitzuteilen, ob sie zu dem finanziellen Opfer bereit wären, oder ob sie sich mit dem kleinen, bedeutend billigeren kaiserlichen Insiegel begnügen würden. Im übrigen ver- sprach er, sein bestes zu tun, um die kaiserliche Forderung herabzudrücken, und ersuchte zugleich Schott, im Hinblick auf die schon oben erwähnten Ausplaudereien dafür zu sorgen, dass der Inhalt seiner Schreiben und Unterhand-' lungen künftig nicht ausserhalb des Rats bekannt würde).

Martin war ohnedies ebensogut wie der Kaiser und die übrigen Hofleute davon überzeugt, dass der Rat keine ernstlichen Schwierigkeiten machen und schliesslich bereit- willig in die Zahlung der Geldsumme und in die Ungarn- hilfe einwilligen werde, wenn er nur dafür die Deklaration in die Hände bekam und sich auch weiter die Unterstützung des Kaisers sichern konnte. Deshalb wurde auch die Sache ruhig am Hofe weiter betrieben?); am 29. Oktober erging offenbar der Befehl an die kaiserliche Kanzlei, die Dekla- ration und die dazugehörigen Mandate und Ladungen, auf diesen Tag datiert, auszufertigen. Die Deklaration enthielt in ihrer endgültigen Gestalt allerdings nicht, wie die Strass- burger es in dem von ihnen angefertigten und jedenfalls auch Martin übermittelten Entwurf?) gewünscht hatten, die Festlegung des Begriffs Stadtrichter auf Meister und Rat der Stadt Strassburg, die jeweils amtierten, da der Kaiser

1) Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 27. ?) Die Antwort des

Strassburger Rats kam nach Martins Briefen zu schliessen erst gegen Mitte November, nach dem 12., in seine Hände, vgl. unten! 3) VDG Bd. 117,

fol. 71.

220 Stenzel.

offenbar auf die V'ogtei, obwohl diese doch inzwischen ganz zur Formsache geworden war, und auf die übrigen vom Bischot abhängigen weltlichen Gerichte Rücksicht nehmen wollte; aber Friedrich erklärte darin!) doch mit voller Schärfe und Deutlichkeit unter ausdrücklicher Zurückweisung des Aus- legungsversuchs von Bischof und Domkapitel, mit dem in der alten Freiheit enthaltenen Wort »der Stadt Richter: seien ganz allein des Kaisers und des Reichs weltliche Stadtrichter gemeint, und verbot zugleich unter Aufhebung und Ungültigkeitserklärung aller vom geistlichen Gericht auf Grund von Kompetenzüberschreitungen unternommenen Rechtsschritte Bischof und Stift wie auch allen übrigen Reichsständen aufs strengste, die Stadt an der Ausübung ihrer Freiheiten einschliesslich der Deklaration zu hindern. Zugleich erging ein Mandat an die Stadt, worin Friedrich kundgab, dass er über die von Bischof und Domkapitel der kaiserlichen Würde zur Schmach und Verachtung ein- gelegten Appellation an den Papst, vor den die Sachen ihrer Eigenschaft nach nicht gehörten, merkliches Miss- fallen empfinde und ein solches Unternehmen auf keinen Fall dulden werde; er gebot daher den Räten unter Hin- weis auf die ihnen noch zu eröffnenden Befehle, die er seinem Fiskal crteilt habe, sich von der Ausübung ihrer weltlichen Gerichtsbarkeit nicht drängen zu lassen, sondern sich darin auf Grund der ihnen erteilten Freiheiten und ihres Herkommens unbedingt handzuhaben, wozu er ihnen seinen kaiserlichen Schirm versprach?). Auch an Bischof und Domkapitel erliess Friedrich am gleichen Tag ein Schreiben3), das ihnen in heftigen Worten ihr freventliches Unterfangen vorhielt und verkündigte, dass sie durch Ein- legung der Appellation gegen sein Inhibitionsmandat nicht nur in die im Freiheitsbrief der Stadt Strassburg festgesetzte Poene, sondern auch gegen Kaiser und Reich in schwere Strafe und Busse verfallen und ihm deshalb Abtrag schuldig seien. Unter Hinweis auf das Anbringen des Kammer- prokuratorfiskals Martin, der ihn wegen dieser Vergehen

1) Original der Deklaration im Strassb. Stadtarch. AA u. 8; Druck bei Lünig, Reichsarchiv, Bd. XIV, S. 772 ff. ?) Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 109 (Kopie). 3) Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 110 u. 111 (Kopien).

Geistliche Gerichte zu Strassburg im. 15. Jahrhundert. 227

um Recht gegen Bischof und Domkapitel angerufen habe, gebot er ihnen bei den genannten Strafen unverzüglich die Appellation abzustellen und die Stadt an ihrem welt- lichen Gericht durch Belangung der Bürger um weltlicher Sachen willen vermittelst der geistlichen Gerichte zu Strass- burg nicht mehr zu irren, sowie sich zur Vermeidung weiterer Rechtschritte binnen Monatsfrist nach Überreichung des vorliegenden kaiserlichen Mandats mit dem Fiskal wegen der Poen und ihres Vergehens gütlich zu vertragen; für den Fall, dass sie dem keine Folge geben würden, lud er sie zu einem bestimmt angesetzten Termin gerichtlich vor sich oder seinen Stellvertreter, wo sie sich dann auf die Anklage des Fiskals verantworten könnten und ge- gebenenfalls zu den angedrohten Strafen verurteilt werden würden. Das war die sogenannte »fiskalische Ladung«, von der Martin der Stadt schon vorher berichtet hatte. Damit waren endlich die Beschlüsse, die man im April’im Hofrat gefasst hatte, natürlich mit den durch die weitere Entwick- lung gegebenen Veränderungen, zur Ausführung und zur Rechtskraft gelangt!) Es dauerte freilich noch bis zum ı2. November, bis der Fiskal die drei wichtigen Schrift- stücke von der Kanzlei ausgeliefert bekam, und zwar die Deklaration mit dem Majestätssiegel versehen ?).

Zufällig weilte nun in den ersten Novembertagen eine Gesandtschaft Innozenz’ VIII. am kaiserlichen Hof unter der Führung des päpstlichen Cubicularius und Mainzer Domherrn Ott von Langen). Auf Betreiben Martins be- sprach der Kaiser mit den Botschaftern die Strassburger Angelegenheit und ersuchte sie, unter Überreichung eines Schreibens, worin Friedrich auf die zwischen Kaiser und Papst bestehenden Abmachungen wahrscheinlich ist das Wiener Konkordat gemeint —, dass keiner von ihnen dem andern Eintrag in seiner Obrigkeit tun solle, hinwiest®), bei

1 Vgl. oben S. 85. ?) Vgl. hierzu und zum folgenden das Schreiben Martins an den Rat vom 12. November (Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 58. 3) Auch sonst öfters belegt, z. B. 1495 auf dem Reichstag zu Worms im Gefolge Kurfürst Bertholds von Mainz und auf der ersten Vor- schlagsliste für die Wahl der Kammergerichtsbeisitzer, die damals aufgestellt wurde; vgl. Smend, Reichskammergericht I, S. 389. +) Das ergibt sich aus dem unten erwähnten Schreiben vom 12. Nov. an Ammeister und Alt- ammeister.

228 l Stenzel.

Innozenz darauf hinzuwirken, dass die Appellation Bischof Albrechts nicht angenommen und in der Sache nicht ge- handelt würde. Da aber weder Martin noch der Kaiser es für angebracht hielten, der Stadt, wie sie gewünscht hatte, bei der Auswirkung einer päpstlichen Bestätigung der Deklaration behilflich zu sein, hatten diese Schritte nur für den Fall Wert, dass Albrecht und sein Kapitel trotz der kaiserlichen Mandate sich weigern sollten, die Berufung zurückzuziehen, oder, wenn sie sie noch nicht der Kurie unterbreitet hatten, davon überhaupt abzusehen.

Die nächsten Wochen sollten darüber Klarheit bringen, ob Bischof und Domherren wirklich in ihrer Hartnäckig- keit so weit gehen wollten. Martin überschickte gleich am ı2. November den Strassburgern durch einen speyerischen Boten!) das an die Stadt gerichtete Mandat, sowie die fiskalische Ladung an Bischof und Kapitel. Er bat sie dringend, letztere, bis er selbst zu ihnen käme oder weiteren Befehl gäbe, nicht ausserhalb des Rats bekannt werden zu lassen und sich lediglich inzwischen eine Kopie davon anzufertigen, damit sie bei späteren Händeln eine Unter- lage besässen. Im übrigen ersuchte er sie, inzwischen ja keine Rachtung mit ihren Gegnern einzugehen, da Friedrich ihm befohlen habe, im Anschluss an die fiskalische Ladung einen Versuch zu einer gütlichen Beilegung der zwischen Bischof und Rat bestehenden Irrungen unter voller Wahrung der städtischen Privilegien zu unternehmen; falls eine Ver- mittlung zustande käme, wünsche der Kaiser, dass die dabei getroffene Abrede durch Martin ihm überbracht und dann in seiner Kanzlei unter dem kaiserlichen Insiegel in Ur- kundenform ausgefertigt werde; sollte sich jedoch ein gütlicher Ausgleich als unmöglich erweisen, so habe er als Fiskal laut ausdrücklichen, vom Kaiser im Hofrat verkün- deten Beschlusses den bestimmten Auftrag, persönlich oder durch seinen Nebenfiskal vertreten, so lange den Rechts- weg zu verfolgen, bis er der Stadt den ungehinderten (renuss ihrer Freiheit erzwungen habe.

Man sieht, der Fiskal hatte es verstanden, dem bereits oben kurz berührten, durch die Rücksicht auf die Albrecht

1) Schreiben Martins vom 17. Nov. (VDG Bd. 117 fol. 36).

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 229

nahestehenden Fürsten veranlassten Entschluss des Kaisers'), von dern er übrigens schon am ı8. Oktober in allerdings etwas unklaren und andeutenden Worten dem Rat Mit- teilung gemacht hatte, eine Wendung und Gestalt zu geben, die sich auch für die Stadt nicht ungünstig anliess; denn dass natürlich eine gütliche Abrede, die durch den Kaiser urkundliche Kraft erhielt, eine gewichtigere Autorität dar- stellen und ganz andere Aussichten für künftige Kämpfe zwischen Stadt und Bischof eröffnen würde, als die bisherigen, vor den verschiedensten Mittelsleuten abgeschlossenen Rach- tungen, war doch augenscheinlich. Es kam nur darauf an, dass der Rat mit dem nötigen Geschick vorging, um eine für die Stadt möglichst vorteilhafte Gestaltung dieser unter Umständen doch entscheidenden Vereinbarung durchzu- setzen. Die Gewinnung dieses Zielpunkts war um so wahrscheinlicher, als ja der von Friedrich beauftragte Mittelsmann von vornherein Partei für die Stadt war und schliesslich auch am Hofe die kaiserliche Genehmigung einer für Strassburg günstigen Abrede durchsetzen konnte, Martin hütete sich freilich in seinem Schreiben an den gesamten Rat, diese Dinge zu berühren, und beschränkte sich hier vielmehr auf ein kurzes Referat über seine Ver- handlungen und Erfolge am kaiserlichen Hof, sowie auf einige Anweisungen über die Verwertung der von ihm ausgewirkten Mandate bis zu seinem persönlichen Eintreffen in Strassburg, wobei er seine eigene Stellungnahme in dem ganzen Handel möglichst wenig hervortreten liess. Er wurde zu dieser Vorsichtsmassregel nach seiner eigenen Angabe durch die Rücksicht auf einzelne Ratsangehörige bestimmt, die dem Bistum durch Lehenspflicht oder auf anderm Wege verpflichtet waren, also wahrscheinlich Mitglieder der städti- schen Adelsfamilien, aus deren Mitte offenbar die früheren Schwätzereien ausgegangen waren und von denen er auch jetzt Bruch der den Räten doch grundsätzlich und eidlich auferlegten Schweigepflicht befürchtete. Deshalb richtete er zu gleicher Zeit allein an die gewichtigsten unter den bürgerlichen Mitgliedern des städtischen Regiments, den Ammeister Claus Baumgartner und die Altammeister Jakob

1) Vgl. oben S. 223.

222 Stenzel.

Albrecht hatte deshalb eine Gesandtschaft an den Kaiser geschickt, der es auch dank der Fürsprache gewichtiger Persönlichkeiten gelang, mit ihrem Anbringen bei Friedrich eine günstige Aufnahme zu finden. Sie setzte es durch, dass die ganze zwischen Stadt, Bischof und Domkapitel schwebende Angelegenheit den Händen Martins, der doch von vornherein Partei für die Stadt ergriffen hatte, entzogen und laut einer kaiserlichen Kommission an Wilhelm von Rappoltstein zu einer gütlichen Verhörung der Parteien überwiesen würde, wo sich nach der Äusserung der Ge- sandten herausstellen werde, dass die Dinge und Rechts- verhältnisse anders lägen, als die Stadt vorgegeben hätte. Auf ihr Begehren freilich, der Kaiser möge die versiegelte Deklaration bis zu Ende des gütlichen Verhörs bei .sich behalten, scheinen sie keine unbedingt zusagende Antwort erhalten zu haben. Aber jedenfalls war das, was sie er- reicht hatten, wirklich ein ganz ansehnlicher Erfolg.

Jetzt sollten sich jedoch die Unklugkeiten, die Bischof und Domkapitel mit der Einreichung der Appellation und bei deren Abfassung begangen hatten, bitter rächen. Als Martin endlich am ı7. Oktober wieder in Linz am kaiser- lichen Hofe eintraf, erfuhr er von der neuen Wendung, die die Dinge genommen hatten. Er bot natürlich seinen ganzen Einfluss auf, das alles wieder rückgängig zu machen, und hatte damit auch schliesslich leichtes Spiel, da er nur das Unternehmen von Bischof und Domkapitel, eine Be- rufung beim Papst einzulegen und in dem Appellations- schreiben dem Kaiser gewisse Befugnisse zu bestreiten, Friedrich etwa in der Weise, wie die Stadt es in ihrer Supplikation hatte tun wollen, darzulegen brauchte, um in ihm den alten Groll gegen Albrecht wieder wachzurufen. Wirklich gelang es ihm überraschend schnell, den Kaiser umzustimmen; bereits am 18. hob dieser die an Rappolt- stein ergangene Kommission wieder auf, so dass Martin schon am nächsten Tag ein diesbezügliches an Grat Wil- helm gerichtetes Inhibitionsmandat!) dem Altammeister Peter Schott, den er offenbar um künftigen Indiskretionen

1) Kopie in Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117 fol. 28 (dat. Linz 18. Okt. 1490).

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 223

vorzubeugen nebst dem Ritter Hans Rudolf von Endingen zu seinem besonderen Vertrauensmann im Strassburger Rat | erhob), zur Weiterbeförderung an den Adressaten über- mitteln konnte?2). Freilich kam jetzt auch zum Vorschein, dass seine frühere Angabe, die Deklarationsurkunde sei auf sein Anbringen bereits im Mai versiegelt worden®), nicht stimmte, sei es, weil der Kaiser ihm eine anfänglich gemachte Zusage nicht erfüllt hatte, sei es, weil er des äussefen Eindrucks wegen der Stadt bewusst die Unwahr- heit gesagt hatte. War doch, wie sich später zeigte, die Urkunde noch nicht einmal mit dem Datum versehen %)! Jedenfalls nahm er nach seiner ausdrücklichen Mitteilung Friedrich jetzt erst das bestimmte Versprechen ab, dass die Deklaration versiegelt und alsbald den Strassburgern überantwortet werden sollte, und erhielt von ihm die Er- mächtigung, seine eben gegen Bischof Albrecht aus- gesprochene Drohung wahr zu machen und gegen diesen und sein Kapitel im Namen des Kaisers mit einer fiska- lischen Ladung rechtlich vorzugehen. Wie wir wissen, war von einem derartigen gerichtlichen Verfahren und einem entsprechenden kaiserlichen Befehl an Martin bereits im April bei der Auswirkung der Deklaration im Hofrat die Rede gewesen; aber man war dann nie mehr . darauf zurückgekommen, seitdem Friedrich die Auslieferung der Urkunde an die Stadt verweigert hatte. Jetzt sollte aus Anlass des offenen Ungehorsams von Bischof und Kapitel und der Einlegung der Berufung beim Papst damit Ernst gemacht werden. Aber Friedrich verhehlte trotz seines Unwillens gleich von vornherein nicht, dass 'dieser Schritt bloss zur äusseren Wahrung seiner kaiserlichen Vorrechte unternommen werden und lediglich dazu be- stimmt sein sollte, Albrecht gefügig zu machen; im übrigen gab er wohl mit Rücksicht auf die hinter dem Bischof stehenden Fürsten es Martin als seinen bestimmten Wunsch zu erkennen, dass er nach Möglichkeit vermeiden

1) So lautet z. B. die Adresse s. Briefs vom 18. Okt. (ebenda fol. 25): ‚an mein ginestigen lieben herrn und gevattern hern Peter Schotten alt- ameinster der stat Strassburg oder in seinem abweßen dem strengen herrn Rudolffen von Endingen rittern«. ?) Schreiben vom 19. Okt. (ebenda fol. 27). 3) Vgl oben S. 92. 4) Vgl. unten S. 225.

`

232 Stenzel.

hatte er so auch wieder am g. Juli 1490 einen Kammer- richter ernannt, dann am g. September unter Hinaus- schiebung des ursprünglich für Anfang November in Aus- sicht genommenen ersten Gerichtstags in einem allgemeinen Ausschreiben die Eröffnung des Gerichts auf Anfang Februar 1491 bestimmt zugesagt!). Von den in Aussicht genommenen ı2 Urteilssprechern sollten sechs von den Kurfürsten, drei von Maximilian und drei vom Kaiser ernannt werden. Als man nun am 24. Oktober am Hof sich über die Dinge beriet und beredete, ernannte der Kaiser Martin zu einem von den drei von ihm zu stellenden Räten, und zwar mit der ausdrücklichen Verfügung, dass er als Urteilsprecher dem Kammergericht angehören solle?). Diese ganze Sache war nun aber, wie Martin selbst in einem an den Altammeister Peter Schott gerichteten Schreiben mit einer beinahe naiv anmutenden Offenheit und Deutlichkeit berichtet, sehr wenig nach dem Geschmack des Fiskals, da mit Nach- druck bestimmt worden war, dass die Urteilsprecher von niemand künftig Greschenke und Belohnungen annehmen, sondern mit den ihnen zugeordneten Entschädigungen sich begnügen und allein dem Kaiser und dem König ver- pflichtet sein sollten. Er war denn auch über diese ihm zugemutete Entsagung gründlich »erschrockhen« und hatte deshalb sich sofort beim Kaiser die urkundlich beglaubigte Erlaubnis erwirkt, einmal, dass er seine »actus fiscales« vor dem Kammergericht ausüben und unter Einziehung des vierten Pfennigs wie bisher in solchen Angelegenheiten reden und handeln dürfe, wofern er nur nicht darin Urteil spreche und öffentlich auftrete, dann, dass er allein von der Stadt, bei der er Wohnung und Haushalt habe, Sold annehmen und ihr unter Vorbehalt von Kaiser und König verpflichtet sein dürfte. Dass Martin bei der letzteren Bestimmung natürlich von vornherein Strassburg im Auge hatte, ist wohl unzweifelhaft; um jedoch dem Rat gegen- über über ein gewisses Druckmittel zu verfügen und zu- gleich ein zweites Eisen im Feuer zu haben, hatte er durch

1) Vgl. Smend a. a. O. S. 13; das Ausschreiben an Strassburg im Strassb. Stadtarch. AA 237 fol. 5. 2) Vgl. hierzu und zum folgenden das interessante Schreiben des Fiskals an Peter Schott vom 17. Nov. (VDG Bd. 117, fol. 80 f.).

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 233

eine ihm nahestehende Persönlichkeit mit der Stadt Nürn- berg Verhandlungen angeknüpft, wobei er übrigens auf bereitwilliges Entgegenkommen stiess!). Das alles teilte er nun in einem vertraulichen Schreiben dem Altammeister Peter Schott mit und beauftragte ihn, einmal zu sondieren, ob der Strassburger Rat geneigt sein würde, auf seine Bedingungen, Bestellung mit drei Pferden auf Lebenszeit oder mindestens auf ı2 Jahre, einzugehen; falls Schott glaubte, dass die Sache von vornherein aussichtslos sei, so sollte er sie gar nicht zur Sprache bringen. Martin gab ihm aber zu verstehen, dass er dann ohne weiteres sich mit Nürnberg vereinbaren und auch seinen Haushalt und Wohnsitz dorthin verlegen werde; im übrigen dachte er es nicht nötig zu haben, dass sich Schott besonders für ihn verwende, da der Strassburger Rat ihn ja wohl kenne und auch wohl zu ermessen wisse, dass sich unter Um- ständen in den gemeinen Angelegenheiten der Stadt an einem Tag der Sold von zehn Jahren herausschlagen liesse. Wir kennen leider die Antwort Schotts nicht. Allzu gross scheint jedoch die Geneigtheit unter den Räten trotz der sich bietenden Vorteile nicht gewesen zu sein; denn Martin liess sich, als er auf seiner Reise durchs Reich am 9. Januar 1491 in Amtsgeschäften bei Pfalzgraf Philipp zu Germers- heim weilte, von diesem in der gleichen Angelegenheit ein Schreiben an die Stadt ausstellen, worin der Kurfürst die Bestellung des Fiskals durch Strassburg im gemein- samen Interesse aufs wärmste befürwortete?). Durch die Tatsache, dass es aber gar nicht zu der doch so bestimmt in Aussicht gestellten Eröffnung und Tagung des Kammer- gerichts kam, wurde wohl der ganze Handel hinfällig.

Martin war jedenfalls zu geschäftsklug, um wegen etwaigen Mangels an Entgegenkommen des Rats in dieser Angelegenheit mit der Stadt zu brechen, sondern führte die Sache Strassburgs unentwegt weiter. Er hatte, als er Anfang Dezember seine Reise ins Reich antrat, sich nicht gleich nach Strassburg begeben, da er offenbar wusste,

ı) Vgl. das Schreiben Niklas Gross d. Ä. von Nürnberg an Martin vom 9. Nov. 1490 (Kopie in Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 32).

2) Ebenda, fol. 44. Zeitschr. f. Gesch, d. Oberrh. N.F. XXX. 2.

224 Stenzel.

müsse, mit der vollen Schärfe des Rechts gegen Albrecht vor- zugehen, und deshalb die fiskalische Ladung dazu benutzen sollte, um die beiden Parteien und ihre gegenseitigen Klagen zu verhören und gegebenenfalls durch eine end- gültige und rechtskräftige Entscheidung im Namen des Kaisers die Streitigkeiten auf gütlichem Wege beizulegen.

So war es denn Martin möglich, dass er in dem gleichen Schreiben, in dem er der Stadt von dem kurzen Zwischen- spiel zugunsten Albrechts Mitteilung machte, bereits auch dem Rat durch Schott oder, wenn dieser nicht anwesend sein sollte, durch Endingen verkündigen lassen konnte, dass die ganzen Bemühungen des Bischofs umsonst ge- wesen waren und dank seines Einflusses die Sache für Strassburg wieder so gut als möglich stand. Freilich gab er auch dem Rat zu verstehen, dass es immerhin, um alles zum guten Ende zu bringen, noch einige Bedenken am Hofe zu beseitigen gebe. Einmal wies er darauf hin, dass er auf die Frage des Kaisers, wie es die Stadt mit der Hilfe zum Ungarnfeldzug halte, keine andere Antwort habe geben können als die, dass er, noch ehe das am 7. Sep- tember ergangene Aufgebot dem Rat überantwortet worden sei, Strassburg verlassen habe?). Er riet daher dringend, der Rat möchte im Interesse der Stadt sich unverzüglich nach dem Vorbild anderer Städte darin gehorsam erweisen und entweder die verlangte Geldsumme auszahlen oder statt dessen an die Bestellung des ihr auferlegten Kontin- gentes gehen, wobei er übrigens sie zu unterstützen sich erbot, damit sie möglichst billig wegkäme. Ferner be- merkte er in dem schon oben erwähnten Schreiben vom 19. Oktober, das er an Peter Schott persönlich richtete, es sei ihm soeben eröffnet worden, dass der Kaiser für die Ausfertigung der Deklaration, besonders für die Besiegelung mit dem grossen Majestätsinsiegel, etwas mehr als 250 Gul- den verlange. Auch hier wird wieder worauf ja schon früher hingewiesen wurde das Bestreben der kaiser- lichen Umgebung deutlich, möglichst viel bei dem ganzen

1) Vgl. hierzu und zum folgenden sein Schreiben vom 18. Okt. *) Laut Präsentationsvermerk kam es auch wirklich erst am 2. Okt. in die Hände der Stadt (Strassb. Stadtarch. AA 237 fol. 5); vgl. im übrigen Ulmann, Maximilian I., Bd I, S. 91.

u.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 225

Handel zu verdienen. Diese Summe, von der zweifellos auch Martin seinen Teil erhielt, kam denn doch selbst dem Fiskal in Anbetracht der Kosten, die der Stadt bisher schon aus der Angelegenheit erwachsen waren, und der Anforderungen, die man zu gleicher Zeit wegen der Ungarn- hilfe an sie richtete, ein wenig hoch vor; er wagte deshalb nicht, trotz der ihm von dem Rat erteilten Vollmacht, sie ohne weiteres vorzustrecken, da er fürchtete, es werde sich im Rat Widerspruch und Mißstimmung erheben und die ganze Sache dann ihm zu Undank angerechnet werden. Er bat daher zu seiner Deckung Schott, sich nach der Meinung der Räte zu erkundigen und ihm unverzüglich mitzuteilen, ob sie zu dem finanziellen Opfer bereit wären, oder ob sie sich mit dem kleinen, bedeutend billigeren kaiserlichen Insiegel begnügen würden. Im übrigen ver- sprach er, sein bestes zu tun, um die kaiserliche Forderung herabzudrücken, und ersuchte zugleich Schott, im Hinblick auf die schon oben erwähnten Ausplaudereien dafür zu sorgen, dass der Inhalt seiner Schreiben und Unterhand-“ lungen künftig nicht ausserhalb des Rats bekannt würde ').

Martin war ohnedies ebensogut wie der Kaiser und die übrigen Hofleute davon überzeugt, dass der Rat keine ernstlichen Schwierigkeiten machen und schliesslich bereit- willig in die Zahlung der (Greldsumme und in die Ungarn- hilfe einwilligen werde, wenn er nur dafür die Deklaration in die Hände bekam und sich auch weiter die Unterstützung des Kaisers sichern konnte. Deshalb wurde auch die Sache ruhig am Hofe weiter betrieben?); am 29. Oktober erging offenbar der Befehl an die kaiserliche Kanzlei, die Dekla- ration und die dazugehörigen Mandate und Ladungen, auf diesen lag datiert, auszufertigen. Die Deklaration enthielt in ihrer endgültigen Gestalt allerdings nicht, wie die Strass- burger es in dem von ihnen angefertigten und jedenfalls auch Martin übermittelten Entwurf?) gewünscht hatten, die Festlegung des Begriffs Stadtrichter auf Meister und Rat der Stadt Strassburg, die jeweils amtierten, da der Kaiser

I) Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 27. ?) Die Antwort des Strassburger Rats kam nach Martins Briefen zu schliessen erst gegen Mitte November, nach dem 12., in seine Hände, vgl. unten! ?) VDG Bd. 117,

fol. 71.

226 ` Stenzel.

offenbar auf die Vogtei, obwohl diese doch inzwischen ganz zur Formsache geworden war, und auf die übrigen vom Bischof abhängigen weltlichen Gerichte Rücksicht nehmen wollte; aber Friedrich erklärte darin!) doch mit voller Schärfe und Deutlichkeit unter ausdrücklicher Zurückweisung des Aus- legungsversuchs von Bischof und Domkapitel, mit dem in der alten Freiheit enthaltenen Wort »der Stadt Richtere« seien ganz allein des Kaisers und des Reichs weltliche Stadtrichter gemeint, und verbot zugleich unter Aufhebung und Ungültigkeitserklärung aller vom geistlichen Gericht auf Grund von Kompetenzüberschreitungen unternommenen Rechtsschritte Bischof und Stift wie auch allen übrigen Reichsständen aufs strengste, die Stadt an der Ausübung ihrer Freiheiten einschliesslich der Deklaration zu hindern. Zugleich erging ein Mandat an die Stadt, worin Friedrich kundgab, dass er über die von Bischof und Domkapitel der kaiserlichen Würde zur Schmach und Verachtung ein- gelegten Appellation an den Papst, vor den die Sachen ihrer Eigenschaft nach nicht gehörten, merkliches Miss- fallen empfinde und ein solches Unternehmen auf keinen Fall dulden werde; er gebot daher den Räten unter Hin- weis auf die ihnen noch zu eröffnenden Befehle, die er seinem Fiskal erteilt habe, sich von der Ausübung ihrer weltlichen Gerichtsbarkeit nicht drängen zu lassen, sondern sich darin auf Grund der ihnen erteilten Freiheiten und ihres Herkommens unbedingt handzuhaben, wozu er ihnen seinen kaiserlichen Schirm versprach?). Auch an Bischof und Domkapitel erliess Friedrich am gleichen Tag ein Schreiben3), das ihnen in heftigen Worten ihr freventliches Unterfangen vorhielt und verkündigte, dass sie durch Ein- legung der Appellation gegen sein Inhibitionsmandat nicht nur in die im Freiheitsbrief der Stadt Strassburg festgesetzte Poene, sondern auch gegen Kaiser und Reich in schwere Strafe und Busse verfallen und ihm deshalb Abtrag schuldig seien. Unter Hinweis auf das Anbringen des Kammer- prokuratorfiskals Martin, der ihn wegen dieser Vergehen

I) Original der Deklaration im Strassb. Stadtarch. AA u. 8; Druck bei Lünig, Reichsarchiv, Bd. XIV, S. 772 ff. 9 Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 109 (Kopie). 3) Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. r10 u. 111 (Kopien).

Geistliche Gerichte zu Strassburg im. ı5. Jahrhundert. 227

um Recht gegen Bischof und Domkapitel angerufen habe, gebot er ihnen bei den genannten Strafen unverzüglich die Appellation abzustellen und die Stadt an ihrem welt- lichen Gericht durch Belangung der Bürger um weltlicher Sachen willen vermittelst der geistlichen Gerichte zu Strass- burg nicht mehr zu irren, sowie sich zur Vermeidung weiterer Rechtschritte binnen Monatsfrist nach Überreichung des vorliegenden kaiserlichen Mandats mit dem Fiskal wegen der Poen und ihres Vergehens gütlich zu vertragen; für den Fall, dass sie dem keine Folge geben würden, lud er sie zu einem bestimmt angesetzten Termin gerichtlich vor sich oder seinen Stellvertreter, wo sie sich dann auf die Anklage des Fiskals verantworten könnten und ge- gebenenfalls zu den angedrohten Strafen verurteilt werden würden. Das war die sogenannte »fiskalische Ladung«, von der Martin der Stadt schon vorher berichtet hatte. Damit waren endlich die Beschlüsse, die man im April’im Hofrat gefasst hatte, natürlich mit den durch die weitere Entwick- lung gegrebenen Veränderungen, zur Ausführung und zur Rechtskraft gelangt'!). Es dauerte freilich noch bis zum ı2. November, bis der Fiskal die drei wichtigen Schrift- stücke von der Kanzlei ausgeliefert bekam, und zwar die Deklaration mit dem Majestätssiegel versehen),

Zufällig weilte nun in den ersten Novembertagen eine Gesandtschaft Innozenz’ VIII. am kaiserlichen Hof unter der Führung des päpstlichen Cubicularius und Mainzer Domherrn Ott von Langen). Auf Betreiben Martins be- sprach der Kaiser mit den Botschaftern die Strassburger Angelegenheit und ersuchte sie, unter Überreichung eines Schreibens, worin Friedrich auf die zwischen Kaiser und Papst bestehenden Abmachungen wahrscheinlich ist das Wiener Konkordat gemeint —, dass keiner von ihnen dem andern Eintrag in seiner Obrigkeit tun solle, hinwies4), bei

1 Vgl. oben S. 85. ?) Vgl. hierzu und zum folgenden das Schreiben Martins an den Rat vom 12. November (Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 58. 3) Auch sonst öfters belegt, z. B. 1495 auf dem Reichstag zu Worms im Gefolge Kurfürst Bertholds von Mainz und auf der ersten Vor- schlagsliste für die Wahl der Kammergerichtsbeisitzer, die damals aufgestellt

wurde; vgl. Smend, Reichskammergericht I, S. 389. *) Das ergibt sich aus dem unten erwähnten Schreiben vom 12. Nov. an Ammeister und Alt-

ammeister.

228 l Stenzel.

Innozenz darauf hinzuwirken, dass die Appellation Bischof Albrechts nicht angenommen und in der Sache nicht ge- handelt würde. Da aber weder Martin noch der Kaiser es für angebracht hielten, der Stadt, wie sie gewünscht hatte, bei der Auswirkung einer päpstlichen Bestätigung ier Deklaration behilflich zu sein, hatten diese Schritte nur für den Fall Wert, dass Albrecht und sein Kapitel trotz der kaiserlichen Mandate sich weigern sollten, die Berufung zurückzuziehen, oder, wenn sie sie noch nicht der Kurie unterbreitet hatten, davon überhaupt abzusehen.

Die nächsten Wochen sollten darüber Klarheit bringen, ob Bischof und Domherren wirklich ın ihrer Hartnäckig- keit so weit gehen wollten. Martin überschickte gleich am ı2. November den Strassburgern durch einen speyerischen Boten!) das an die Stadt gerichtete Mandat, sowie die tiskalische Ladung an Bischof und Kapitel. Er bat sie dringend, letztere, bis er selbst zu ihnen käme oder weiteren Befehl gäbe, nicht ausserhalb des Rats bekannt werden zu lassen und sich lediglich inzwischen eine Kopie davon anzufertigen, damit sie bei späteren Händeln eine Unter- lage besässen, Im übrigen ersuchte er sie, inzwischen ja keine Rachtung mit ihren Gegnern einzugehen, da Friedrich ihm befohlen habe, im Anschluss an die fiskalische Ladung einen Versuch zu einer gütlichen Beilegung der zwischen sischof und Rat bestehenden Irrungen unter voller Wahrung der städtischen Privilegien zu unternehmen; falls eine Ver- mittlung zustande käme, wünsche der Kaiser, dass die dabei getroffene Abrede durch Martin ihm überbracht und dann in seiner Kanzlei unter dem kaiserlichen Insiegel in Ur- kundenform ausgefertigt werde; sollte sich jedoch ein gütlicher Ausgleich als unmöglich erweisen, so habe er als lıskal laut ausdrücklichen, vom Kaiser im Hofrat verkün- deten Beschlusses den bestimmten Auftrag, persönlich oder durch seinen Nebenfiskal vertreten, so lange den Rechts- weg zu verfolgen, bis er der Stadt den ungehinderten (renuss ihrer Freiheit erzwungen habe.

Man sieht, der Fiskal hatte es verstanden, dem bereits oben kurz berührten, durch die Rücksicht auf die Albrecht

1) Schreiben Martins vom 17. Nov. (VDG Bd. 117 fol. 36).

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 229

nahestehenden Fürsten veranlassten Entschluss des Kaisers'!), von dern er übrigens schon am ı8. Oktober in allerdings etwas unklaren und andeutenden Worten dem Rat Mit- teilung gemacht hatte, eine Wendung und Gestalt zu geben, die sich auch für die Stadt nicht ungünstig anliess; denn dass natürlich eine gütliche Abrede, die durch den Kaiser urkundliche Kraft erhielt, eine gewichtigere Autorität dar- stellen und ganz andere Aussichten für künftige Kämpfe zwischen Stadt und Bischof eröffnen würde, als die bisherigen, vor den verschiedensten Mittelsleuten abgeschlossenen Rach- tungen, war doch augenscheinlich. Es kam nur darauf an, dass der Rat mit dem nötigen Geschick vorging, um eine für die Stadt möglichst vorteilhafte Gestaltung dieser unter Umständen doch entscheidenden Vereinbarung durchzu- setzen. Die Gewinnung dieses Zielpunkts war um so wahrscheinlicher, als ja der von Friedrich beauftragte Mittelsmann von vornherein Partei für die Stadt war und schliesslich auch am Hofe die kaiserliche Genehmigung einer für Strassburg günstigen Abrede durchsetzen konnte, Martin hütete sich freilich in seinem Schreiben an den gesamten Rat, diese Dinge zu berühren, und beschränkte sich hier vielmehr auf ein kurzes Referat über seine Ver- handlungen und Erfolge am kaiserlichen Hof, sowie auf einige Anweisungen über die Verwertung der von ihm ausgewirkten Mandate bis zu seinem persönlichen Eintreffen in Strassburg, wobei er seine eigene Stellungnahme in dem ganzen Hendel möglichst wenig hervortreten liess. Er wurde zu dieser Vorsichtsmassregel nach seiner eigenen Angabe durch die Rücksicht auf einzelne Ratsangehörige bestimmt, die dem Bistum durch Lehenspflicht oder auf anderm Wege verpflichtet waren, also wahrscheinlich Mitglieder der städti- schen Adelsfamilien, aus deren Mitte offenbar die früheren Schwätzereien ausgegangen waren und von denen er auch jetzt Bruch der den Räten doch grundsätzlich und eidlich auferlegten Schweigepflicht befürchtete. Deshalb richtete er zu gleicher Zeit allein an die gewichtigsten unter den bürgerlichen Mitgliedern des städtischen Regiments, den Ammeister Claus Baumgartner und die Altammeister Jakob

1) Vgl. oben S. 223.

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Amelung, Peter Schott, Matern Trachenfels und Marx Kerling ein vertrauliches Schreiben, worin er ziemlich offen die der Stadt sich bietenden Aussichten besprach'). Er betonte, dass, wofern der Rat nur den Willen und die Ent- schlusskraft dazu hätte, den Strassburgern mit den jetzt erreichten Vorteilen in ihrem Anliegen geholfen sei; es könnte dann leicht dahin gebracht werden, dass fürder die Pfaffheit sich zu einer grösseren Rücksichtnahme auf das städtische Regiment gezwungen, die Stadt dagegen ihrer- seits sich der Notwendigkeit, immer wieder den Bischof in den strittigen Dingen anzugehen und Botschaften nach Zabern zu schicken, enthoben sehen würde, ja dass auch dem Bischof und seinem Kapitel der nötige Respekt vor dem Rat eingeflösst werden und Strassburg daher bei ihnen .in der Zukunft in einem andern Ansehen stehen dürfte als bisher. Zugleich versprach ihnen Martin, er werde auch ferner »als ein guter Strassburger« bei Kaiser, König und Papst ihnen treulich behülflich sein, wofern sie es nur ver- stünden, mit der nötigen Vorsicht und Gewandtheit sich selbst zu helfen. Die leitenden Männer der Stadt konnten also den Vergleichsverhandlungen mit Ruhe entgegen- sehen.

Die Deklarationsurkunde hatte freilich der Fiskal noch zurückbehalten; wie er angab, wollte er sichere Botschaft abwarten, d. h. klar ausgedrückt, er wollte offenbar auf höheren Wink warten, bis endlich der Bote der Stadt Strassburg ankam, der die gewünschte Antwort, vor allem in Betreff der Haltung des Rats in der Frage der Ungarnhilfe, überbrachte, und diesem dann das Dokument anvertrauen. Kurz nach dem ı2. November, an dem er die übrigen Schriftstücke abgesandt hatte, traf denn auch das Antwortschreiben aus Strassburg ein, das eine unbedingte Zusage enthielt. Martin sorgte sofort für die Bestellung der von der Stadt zu unterhaltenden zwanzig Reisigen’?) und erwirkte bereits am 15. November bei Friedrich ein gnädiges Schreiben, worin dieser den Strassburgern in den huldvollsten Worten seinen Dank für ihre Dienst-

1) Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 37. 2) Vgl. s. Brief vom 17. Nov. (Strassb. Stadtarch. VDG Bd..ıı7, fol. 36).

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 231

bereitschaft aussprach!!). Da der Fiskal von seinem ursprüng- lichen Plan, sich zu Maximilian zu begeben, der sich damals aufdem Vormarsch gegen Stuhlweissenburg befand, abstehen und statt dessen auf kaiserlichen Befehl hin in Amts- geschäften zu einer Reise in das Reich rüsten musste), kündigte er Maximilian schriftlich die Aufstellung und den demnächst zu erwartenden Zuzug des Strassburger Kon- tingentes an, wobei er es nicht verfehlte, die Haltung der Stadt rühmend hervorzuheben3). Nachdem all diese Ge- schäfte erledigt waren, konnte der Strassburger Bote am 17. November seine Heimreise antreten, um seinen Herren die so hart umkämpfte Urkunde auszuhändigen, die ihm der Fiskal nebst einer Kopie des an Maximilian ergan- genen Schreibens übergeben hatte. Der Strassburger Rat konnte erleichtert aufatmen; in dem monatelangen, wechsel- vollen Ränkespiel hatte er einen wichtigen und endgültigen Erfolg davongetragen‘).

Martin hätte nun dafür, dass er der Stadt dazu ver- holfen hatte, auch für seine Person beim Rat gern einen dauernden Vorteil herausgeschlagen. Gewiss war wohl bisher in dem ganzen Handel in finanzieller Hinsicht mehr- fach etwas für ihn abgefallen; er hatte aber doch noch Wichtigeres im Auge. Wie bekannt, spielt seit dem Jahr 1486 auf den Reichstagsverhandlungen die Errichtung eines selbständigen Reichskammergerichts als ständig wieder- kehrende Forderung der Reichsstände eine grosse Rolle. Der alte Kaiser hatte es bisher immer verstanden, die Ver- wirklichung der Pläne zu verhindern, und war, um das wichtige Machtmittel des obersten Gerichts nicht seinem Einfluss entziehen zu lassen, gelegentlich dem Verlangen der Stände durch Besetzung des Kammergerichts nach alter Weise begegnet5); freilich, recht ernst war es ihm auch damit nicht gewesen: unausgesetzt wurden die Er- Öffnungstermine verschoben, bis schliesslich das ganze Unter- nehmen wieder der Vergessenheit anheimfiel. Um die Stände für die Ungarnhilfe möglichst günstig zu stimmen,

1) Strassb. Stadtarch. AA 237, fol. 10. ?) Schreiben Martins ohne Datum an Hans Rudolf von Endingen (VDG Bd. 117, fol. 26). 3) Kopie VDG Bd. 117, fol. 33. -- +) Vgl. Martins S. 230 Anm. 2 zitiertes Schreiben! 5) Vgl. hierzu Smend, Das Reichskammergericht I, S. 3 ff., bes. 12 f.

252 Sienzel

hatte er so auch wieder am co. Juli 120 einen Kammer- richter ernannt. dann am g. September unter Hinaus- schiedung des ursprünglich für Anfang November in Aus- sicht genommenen ersten Urerichtstags in einem allgemeinen Ausschreiben die Eröffnung des Gerichts auf Anfang Februar 1491 bestimmt zugesagt). Von den in Aussicht genommenen ı2 Urteilssprechern sollten sechs von den Kurfürsten, drei von Maximilian und drei vom Kaiser ernannt werden. Als man nun am 24. Oktober am Hof sich über die Dinge beriet und beredete, ernannte der Kaiser Martin zu einem von den drei von ihm zu stellenden Räten, und zwar mit der ausdrücklichen Verfügung, dass er als Urteilsprecher dem Kammergericht angehören solle?). Diese ganze Sache war nun aber, wie Martin selbst in einem an den Altammeister Peter Schott gerichteten Schreiben mit einer beinahe naiv anmutenden Öfenheit und Deutlichkeit berichtet, sehr wenig nach dem Geschmack des Fiskals, da mit Nach- druck bestimmt worden war, dass die Urteilsprecher von niemand künftig Geschenke und Belohnungen annehmen, sondern mit den ihnen zugeordneten Entschädigungen sich begnügen und allein dem Kaiser und dem König ver- ptlichtet sein sollten. Er war denn auch über diese ihm zugemutete Entsagung gründlich »erschrockhen« und hatte deshalb sich sofort beim Kaiser die urkundlich beglaubigte Erlaubnis erwirkt, einmal, dass er seine »actus fiscales« vor dem Kammergericht ausüben und unter Einziehung des vierten Pfennigs wie bisher in solchen Angelegenheiten reden und handeln dürfe, wofern er nur nicht darin Urteil spreche und öffentlich auftrete, dann, dass er allein von der Stadt, bei der er Wohnung und Haushalt habe, Sold annehmen und ihr unter Vorbehalt von Kaiser und König verpflichtet sein dürfte. Dass Martin bei der letzteren Bestimmung natürlich von vornherein Strassburg im Auge hatte, ist wohl unzweifelhaft; um jedoch dem Rat gegen- über über ein gewisses Druckmittel zu verfügen und zu- gleich ein zweites Eisen im Feuer zu haben, hatte er durch

1) Vgl. Smend a a. O. S. 13; das Ausschreiben an Strassburg im Strassb. Stadtarch. AA 237 fol. 5. 2) Vgl. hierzu und zum folgenden das interessante Schreiben des Fiskals an Peter Schott vom 17. Nov. (VDG Bd. 117, fol. 80 f.).

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 233

eine ihm nahestehende Persönlichkeit mit der Stadt Nürn- berg Verhandlungen angeknüpft, wobei er übrigens auf bereitwilliges Entgegenkommen stiess!), Das alles teilte er nun in einem vertraulichen Schreiben dem Altammeister Peter Schott mit und beauftragte ihn, einmal zu sondieren, ob der Strassburger Rat geneigt sein würde, auf seine Bedingungen, Bestellung mit drei Pferden auf Lebenszeit oder mindestens auf ı2 Jahre, einzugehen; falls Schott glaubte, dass die Sache von vornherein aussichtslos sei, so sollte er sie gar nicht zur Sprache bringen. Martin gab ihm aber zu verstehen, dass er dann ohne weiteres sich mit Nürnberg vereinbaren und auch seinen Haushalt und Wohnsitz dorthin verlegen werde; im übrigen dachte er es nicht nötig zu haben, dass sich Schott besonders für ihn verwende, da der Strassburger Rat ihn ja wohl kenne und auch wohl zu ermessen wisse, dass sich unter Um- ständen in den gemeinen Angelegenheiten der Stadt an einem Tag der Sold von zehn Jahren herausschlagen liesse. Wir kennen leider die Antwort Schotts nicht. Allzu gross scheint jedoch die Geneigtheit unter den Räten trotz der sich bietenden Vorteile nicht gewesen zu sein; denn Martin liess sich, als er auf seiner Reise durchs Reich am 9. Januar 1491 in Amtsgeschäften bei Pfalzgraf Philipp zu Greermers- heim weilte, von diesem in der gleichen Angelegenheit ein Schreiben an die Stadt ausstellen, worin der Kurfürst die Bestellung des Fiskals durch Strassburg im gemein- samen Interesse aufs wärmste befürwortete?). Durch die Tatsache, dass es aber gar nicht zu der doch so bestimmt in Aussicht gestellten Eröffnung und Tagung des Kammer- gerichts kam, wurde wohl der ganze Handel hinfällig.

Martin war jedenfalls zu geschäftsklug, um wegen etwaigen Mangels an Entgegenkommen des Rats in dieser Angelegenheit mit der Stadt zu brechen, sondern führte die Sache Strassburgs unentwegt weiter. Er hatte, als er Anfang Dezember seine Reise ins Reich antrat, sich nicht gleich nach Strassburg begeben, da er offenbar wusste,

ı) Vgl. das Schreiben Niklas Gross d. Ä. von Nürnberg an Martin vom 9. Nov. 1490 (Kopie in Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 32). ?) Ebenda, fol. 44.

Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. N.F. XXX. 2. 16

234 Stenzel.

dass während des Spätherbstes dort eine Seuche gewütet hattet), und da er wohl auch zunächst durch andere, wich- tigere Aufträge davon abgehalten wurde. Weil er jedoch noch keine Kunde darüber besass, ob die Stadt die Man- date und die Urkunde bereits in Händen hatte und ob inzwischen etwa neue Ereignisse in ihren Streitigkeiten mit Bischof und Kapitel vorgefallen waren, hatte er in Speyer, das er anscheinend gleich zu Anfang seiner Reise berührte, sich überall befragt, was man von neuen Zu- samımenstössen zwischen dem Strassburger Rat und Albrecht wüsste und wie es um die Seuche stünde, jedoch nichts in Erfahrung bringen können. Er ersuchte deshalb am 20. Dezember Strassburg schriftlich?), ihm die nötigen Mit- teilungen zu machen, und gab zugleich die Anweisung, seinem Boten, der den Brief überbrachte, das Mandat mit der fiskalischen Ladung an Bischof und Domkapitel aus- zuliefern, da dieser den Auftrag habe, es an die Adressaten zu bestellen; inzwischen sollte der Strassburger Rat sich darüber klar werden, wie weit er mit etwaigen Zugeständ- nissen der geistlichen Gerichtsbarkeit gegenüber bei einer gütlichen Verhandlung unter Wahrung des Interesses der Stadt gehen zu dürfen glaube. Nach Erledigung seiner Geschäfte beim Landgrafen von Hessen und bei Pfalzgraf Philipp wollte er gegen Mitte Januar in Strassburg ein- treffen, um in den Streitigkeiten zwischen Stift und Stadt zum Rechten zu sehen.

Wirklich wurde denn auch bereits kurz vor Weih- nachten®) dem Bischof die Ladung zugleich mit einem Brief Martins ausgehändigt, worin dieser Albrecht zur Erfüllung der darin enthaltenen Forderungen ermahnte, sich aber zugleich zu einer gütlichen Beilegung der zwischen ihm und der Stadt bestehenden Streitigkeiten erbot*). Albrecht,

1) Ratsbeschluss betr. eines Kreuzgangs wegen der »sterbote«e vom 20. Okt. (Strassb. Stadtarch. Mandate und Ordnungen Bd. II fol. 118b). 2) Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 40. ’) Am 22. Januar 1491 war die einmonatl. Frist abgelaufen (Domkapitelarchiv Strassb. Lib. Missivarum ad Principes 1491—1520 fol. 3 f.: Schreiben des Kapitels an den Bischof vom 22. Jan. 1491). *) Vgl. hierzu und zum folgenden das Schreiben des Donikapitels an den Bischof vom 8. Jan. 1491 (Domkapitelarchiv Strassb. Liber Miss. ad Principes 1491 1520).

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 235

der offenbar wieder in Zabern weilte, schickte sofort nach den Feiertagen seinen Vikar in spiritualibus Meister Andreas Hartmann mit den beiden Schriftstüicken zu den Herren des Kapitels, um ihre Ansicht einzuholen. In deren Mitte scheint sich inzwischen eine Meinungsänderung vollzogen zu haben. Aus allem, was wir hören, geht hervor, dass die eingelegte Appellation noch nicht den Weg nach Rom angetreten und die Kurie erreicht hatte. Die Herren hatten sie sich anscheinend zunächst nur als drohende Geste ge- dacht, durch die sie den Gegner einschüchtern und zur Nachgiebigkeit zwingen wollten. Wenngleich sie, wie wir sahen, damit nur das Gegenteil bewirkt hatten, waren sie wohl fürs erste dem äusseren Anschein nach auf ihrem Unternehmen bestehen geblieben; aber im Lauf der Zeit kamen ihnen bei der unerschütterlichen Haltung der Stadt und den eifrigen Bemühungen Martins am Hof doch mehr und mehr die gefährlichen Seiten ihres Schrittes zu Be- wusstsein. Obwohl sie früher die schärfere Tonart gebilligt, ja wohl geradezu mit veranlasst hatten, schien ihnen jetzt ein Einlenken geboten zu sein, da sie für den Fall, dass man dem neuerlichen kaiserlichen Mandat wiederum den Gehorsam verweigern sollte, angesichts der festen Ent- schlossenheit, mit der die Stadt die Sache betrieb, und des Einflusses des Fiskals beim Kaiser, als dessen Gewaltträger er in der Angelegenheit handelte, ernste Folgen befürch- teten. Sie stellten das dem Bischof denn auch in einem Schreiben vom 8. Januar 1491 eindringlich vor und baten ihn nachdrücklich, er möge Martin freundlich zu einer Unterredung einladen und ihn um seine Unterstützung er- suchen; es sei zu hoffen, dass der Fiskal, wenn sich ihm die Aussicht eröffnete, die Gunst Albrechts zu erwerben, sich entgegenkommender und gutwilliger gegen das Stift verhalten würde denn bisher.

Albrecht kam jedoch der Entschluss zur Nachgiebig- keit schwerer an als dem Domkapitel; Stolz und persön- liche Abneigung verboten es offensichtlich dem Fürsten, auf die Anregung der Kapitelherren einzugehen und sich vor dem kaiserlichen Günstling und Emporkömmling Martin zu demütigen. Ebensowenig war ihm im Gegensatz zur

Stadt der Gedanke daran angenehm, dass eine gütliche 16 *

236 Stenzel.

Abrede, die vor einem für die Stadt voreingenommenen Mittelsmann als Beauftragten und Vertreter des Kaisers zustande kam, im Namen und unter dem Insiegel des Reichsoberhaupts beurkundet und damit unter dessen Schutz gestellt werden sollte. Er wollte es daher lieber zunächst versuchen, durch direkte Verhandlungen ohne Mittelsmann mit der Stadt ins Reine zu kommen, und ersuchte daher den Rat, seine Gesandten zu ihm zu schicken!). Der städtischen Botschaft, die daraufhin bei ihm eintraf, drückte er sein Befremden darüber aus, dass der Rat ihn beim Kaiser verklagt habe, wo doch eigentlich er mehr Anlass zu Klagen hätte, da man in dem Handel Sickingen-Jörger seinem geistlichen Gericht schwer Abbruch tue; er hob hervor, dass dieser Prozess, da er seinen Anfang, seine Mitte und sein Ende vor dem Offizial genommen habe, auch weiterhin vor das gleiche Forum gehöre, und wies dabei auf die Zusage hin, die angeblich das Strassburger Ratsmitglied Adam Zorn Sickingen gegenüber gemacht hatte, nämlich, dass die Sache wieder an das geistliche Gericht zurückverwiesen werden würde, wenn nur Sickin- gen die Klage vor dem Rat einreichte. Im übrigen er- klärte er sich persönlich zu einem friedlichen Verhältnis mit der Stadt geneigt und bestritt, dass er je die weltliche Obrigkeit habe beeinträchtigen wollen.

Eines stösst uns an dem Anbringen des Bischofs sofort auf: der ganze Streit um die Auslegung des Wortes »Stadt- richter«, die von der Stadt erwirkte Deklarationsurkunde und die Appellation an den Papst werden mit keinen Wort berührt; offenbar hielt er es doch für geboten, diese Fragen ruhen zu lassen und schliesslich auch hierin den kaiserlichen Geboten nicht länger zu trotzen, sondern diese, sobald es ihm notwendig schien, stillschweigend zu befolgen. Zugleich wollte er auch wohl die Stadt durch Erörterung dieser Angelegenheiten nicht mehr reizen, da es ihm ja auf eine Verständigung ankam. Er knüpfte daher an das an ihn ergangene kaiserliche Mandat nur insoweit an, als

1) Vgl. hierzu und zum folgenden den undatierten Bedacht des Rats im Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 64 und das Schreiben des Rats an den Bischof vom 18. Januar, ebenda fol. 67b).

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 237

es ihm die Einstellung der der städtischen Freiheit zuwider vor den Offizialaten vorgenommenen Rechtshandlungen be- fahl, also in seiner Eigenschaft als »Inhibitionsmandat«, wie es übrigens auch die Domherren in ihrem Schreiben vom 8. Januar genannt hatten. Deshalb schob er denn auch den Prozess Sickingen-Jörger sichtlich in den Vordergrund, kam auf die prinzipiellen Fragen nur insoweit zu sprechen, als dieser Sonderfall es erforderte. Freilich liessen seine Darlegungen auch in dieser Einzelangelegenheit vorläufig noch wenig auf ein Entgegenkommen schliessen; lediglich in der Tatsache, dass er im Verkehr mit der Stadt denn doch wieder freundlichere Bahnen einschlug und es zu vermeiden suchte, sie allzu hart zu verletzen, lag eine gewisse Bürgschaft dafür, dass er nach friedlichem Aus- gleich strebte und durch Beilegung der vielerörterten Prozessangelegenheit den Klagen der Stadt den Boden zu entziehen suchte.

Die Boten der Stadt erbaten sich daraufhin Bedenkzeit, um sein Anbringen dem Rat zu berichten; dieser beschloss denn auch, den angesponnenen Faden nicht abreissen zu lassen, und beriet über eine eingehende Antwort, die man Albrecht geben wollte‘). Hier sollte der Bischof darauf hingewiesen werden, dass die Stadt zu ihren am kaiser- lichen Hof unternommenen Schritten nur durch die bittere Notwendigkeit, durch das Verhalten der Gegenpartei ihres Bürgers Jörger und das die städtische Freiheit verletzende Vorgehen der Offiziale, gezwungen worden sei. Im Gegen- satz zu der von Albrecht vertretenen Auffassung betonte der Rat, durch die vor etwa ı5 Jahren erfolgte gericht- liche Zuerkennung der strittigen Güter an Jörger und die spätere Nichtigkeitserklärung der Einspruchsklage Sickin- gens durch das geistliche Gericht seien diese früheren Rechtsgänge endgültig abgeschlossen; nur wenn etwa Jörger, der mit den ihm seinerzeits zuerkannten Gütern noch lange nicht völlig bezahlt sei und ausserdem noch von Sickingen 60 Gulden Expensen von dem zweiten Prozess her zugut habe, wegen dieser ÄAusstände seinen

1) Vgl. S. 236 Anm. ı; hierher gehört wohl auch der inVDG Bd. 117, fol. 61 u. 62 vorliegende Entwurf »der, stat ratsfründe ratslahen«.

238 Stenzel.

Gegner verklagt hätte, dann hätte dieser dritte Rechts- gang unbedingt vor dem gleichen Forum stattfinden müssen. Dagegen habe die erneute Klage Sickingens mit diesen früheren Prozessen nichts zu tun und sei eine völlig neue Sache, weshalb Jörger sowohl wie die Stadt Recht zu ihrem Verlangen der Weisung und ebenso nach Verweigerung der Remission Befugnis zur Einlegung der Appellation an den Kaiser gehabt hätten. Nach Ansicht des Rats konnte nämlich jemand, dem von einem Gericht der Besitz eines Guts zugesprochen war, nicht gezwungen werden, sich wegen desselben Besitzrechts vor dem gleichen Forum zu verantworten, sondern hatte Anspruch darauf, dass die Sache vor seine ordentlichen Richter gezogen würde. Ebensowenig vermochte die angebliche Zusicherung, die Adam Zorn gemacht hatte, dem Standpunkt der Stadt irgendwie Abbruch zu tun; denn nach der Darstellung des Rats hatte Zorn vollständig aus eigenem Ermessen und ohne jeden Auftrag gehandelt und war, als er im Auftrag Sickingens und wohl auch von den besten Absichten be- seelt, ein dementsprechendes Ansinnen an etliche Mitglieder des Regiments stellte, entschieden abgewiesen worden. Zum Schluss wurde dann in eingehender Darlegung nach- drücklich die Unterstellung zurückgewiesen, als hätte die Stadt mit ihrem Vorgehen die geistlichen Gerichte schädigen wollen; nochmals betonte der Rat, dass sie nur die trotz der eingelegten Berufung von der Gegenpartei und von den Offizialen unternommenen rechtlichen Handlungen, die der Freiheit der Stadt, den Sätzen des gemeinen Rechts und dem von jedem Bischof zu Beginn seines Regiments geleisteten Eid zuwiderliefen, auf diese Weise abwehren und sich einen dauernden Schutz gegen solche Vorfälle hätte schaffen wollen, aber auch das erst, als die zahllosen durch Botschaften und Schreiben unternommenen Versuche, den Bischof zur Abhilfe zu bewegen, sich als ergebnislos erwiesen hatten. l

Den Gesandten, die diese Antwort an Albrecht über- bringen sollten, wurde ausserdem die Weisung erteilt, dass die Stadt zu eirier gütlichen Verständigung bereit sei, aber nur unter der Bedingung, dass ihre Freiheit unverletzt bliebe. Der gangbarste Weg, um vor allem den viel-

Ba 2 me 1e

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 239

erörterten Prozess beizulegen, schien ihr der zu sein: der Bischof sollte die letzten rechtlichen Schritte und Hand- lungen, die auf Antrag Sickingens durchgeführt worden waren und gegen die dann Jörger appelliert hatte, kassieren; daraufhin sollte Jörger auch von seiner Berufung an den Kaiser abstehen; wollte Sickingen dann doch auf eine Klage nicht verzichten, so sollte er sich unter Be- achtung der städtischen Freiheit vor das Gericht des Rats wenden.

Auch an der von der Stadt beratenen Antwort fällt uns wie am Anbringen des Bischofs auf, dass sie den Fall Jörger-Sickingen zum Mittelpunkt nimmt, und die grossen Streitfragen nur nebenbei, eben in Verbindung mit diesem Prozess berührt, ja die Deklarationsangelegenheit und die Appellation an den Papst überhaupt übergeht!).

Der Rat ging also auf die Absichten des Bischofs ein, jedenfalls weil es ihm ganz erwünscht gewesen wäre, wenn endlich einmal die leidige Prozessangelegenheit im Sinne ihres Bürgers und zu dessen Vorteil ihre Erledigung ge- funden hätte, Die Verhandlungen über die übrigen, ins- besondere die grundsätzlichen Fragen gedachte er aber wohl dem Fiskal zu überlassen, da dieser ausdrücklich gewünscht hatte, dass die Stadt ohne seine Mitwirkung keine Rachtung mit Albrecht abschliesse?), und da sie sich die Vorteile, die ein vor einem Vertreter und Beauftragten des Kaisers zustande gekommene Vereinbarung bot, nicht entgehen lassen wollte. Nachdem man sich so über den dem Bischof zu erteilenden Bescheid klar geworden war, ersuchte die Stadt am 18. Januar Albrecht um Angabe eines Tags, an dem sie ihre Botschaft zu ihm senden könnte), und erhielt bereits Tags darauf von diesem die Antwort, dass er am 24. bereit sei, ihre Gesandten zu empfangen und das Gegenanbringen des Rats zu ver- hören). |

1) In dem Ratschlag der Ratsfreunde (vgl. S. 237 Anm. I) wird letztere allerdings berührt, jedoch nur mit der Bemerkung, dass diese des Kaisers Sache sei und die Stadt nichts angehe. ?) Vgl. oben S. 228. ?°) Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 67b (Kopie). *) Strassb. Stadtarch. AA 1534 fol. 6.

240 Stenzel.

Es kann als ziemlich sicher angenommen werden, dass Martin von dem Rat nicht von vornherein über die ange- knüpften Unterhandlungen unterrichtet wurde; als er kurz nach dem .ı5. Januar in Strassburg eintraf, fand er sie eben als feststehende Tatsache vor, wohl sehr zu seinem Leidwesen, da er natürlich durch Erledigung der gesamten Streitigkeiten die Stadt sich nach Möglichkeit verpflichten wollte. Er begann denn auch unverzüglich seinerseits in die Sachen einzugreifen; der Bischof beharrte aber offen- bar darauf, nicht mit ihm persönlich zu verhandeln, son- dern schickte seinen Offizial Theoderici den übrigens Martin mit seinem schlicht deutschen Namen Dietrichs nennt vor. Dieser ersuchte in einer Unterredung am ı7. den Fiskal allerdings unter voller Wahrung: des bischöflichen Standpunkts, namentlich der Ansicht, dass der Kaiser kein Recht habe, ein Verfahren vor geistlichem Gericht zu inhi- bieren, um vermittelndes Eingreifen in den Streitigkeiten, jedenfalls in der Absicht, ihn darüber auszuhorchen, was in dieser Hinsicht von ihm zu erwarten war!). Da Martins Äusserungen begreiflicherweise sehr wenig erhoffen liessen, entschied sich der Bischof für die Aufrechterhaltung seiner Ansprüche bis aufs äusserste; am 18. Januar?) erging vom bischöflichen Offizialat aufs neue eine gerichtliche Ladung

an Jörger aus, sicher nicht ohne Vorwissen und Billigung Albrechts.

Jetzt konnte die Stadt nicht mehr anders, als auch in der Prozessangelegenheit die Unterstützung Martins anzu- rufen. Der Fiskal gab zwar dem Rat zu verstehen, dass die Stadt, nachdem ihm der Auftrag des Kaisers, die Streitigkeiten beizulegen, zuteil geworden sei, sich eigent- lich auf solche Unterhandlungen nicht hätte einlassen dürfen, zeigte sich aber natürlich doch bereitwillig und richtete sofort an den bischöflichen Offizial ein Schreiben, worin er diesen unter Bezugnahme auf ihre letzte Unterredung in seinem eigenen wie des Bischofs Interesse dringend auf- forderte, sofort die Ladung zu widerrufen, da es sonst zu ernsten Schritten kommen könnte°). Im Rat überlegte

1) Vgl. das Schreiben Martins an den Offizial VDG Bd. 117, fol. 45 (Kopie). ?) VDG Bd. 117, fol. 45 (Kopie). ®) Vgl. oben Anm. 1.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 241

man es sich, welche Instruktion man auf diesen Zwischen- fall hin den Boten, die am 24. Januar zum Bischof gehen sollten, mitgeben wollte. Dr. Weltzer meinte, man müsse im grossen und ganzen die frühere Anweisung beibehalten'); nur fand er es für angebracht, dass die Gresandten gleich zu Beginn nach "Verlesung des am 29. Oktober an die Stadt ergangenen kaiserlichen Mandats, das ihr anbefahl, sich selbst in ihrer Freiheit und in ihrem Gerichtsprivileg zu hand- haben, den Bischof darauf hinwiesen, der Rat habe, obwohl ihm durch die frischergangene Ladung Anlass genug ge- geben wäre, um diesem Befehl des Kaisers gemäss zu handeln, Albrecht zu Ehren bisher davon abgesehen; wenn sich eine Verständigung, sowie die Widerrufung der Ladung nicht erzielen liesse und sie unausgerichteter Dinge abreiten müssten, so sollten sie vor ihrem Abschied ihn nochmals dringend darauf aufmerksam machen, dass die Stadt dem Mandat Gehorsam leisten müsse. Damit war Martin, der den Besprechungen vor Rat und Einundzwanzigern bei- wohnte, aber nicht zufrieden, da er selbst doch mehr zur Geltung kommen und Albrecht dazu zwingen wollte, mit ihm persönlich zu verhandeln. Er schlug deshalb vor, der Rat solle dem Bischof nach Verlesung des Mandats mit- teilen, der Kaiser habe dem Fiskal, der inzwischen in Strassburg eingetroffen sei, die Sache anbefohlen und der Stadt angekündigt, dass sie ohne Martins Wissen und Ein- willigung nichts darin verhandeln und abschliessen dürfe, und dann, nachdem die Botschaft die Abstellung der Zitation verlangt und Albrecht Antwort auf sein Anbringen erteilt hätte, zum Schluss die Erklärung abgeben, dass die Stadt, da der Fiskal im Lande sei, gern in eine gütliche Handlung einwilligen werde, die durch diesen unter Wah- rung ihrer Freiheit unternommen würde?).

Mit diesem Vorschlag war nun aber wiederum der Rat nicht-einverstanden, da er sicherlich von der Abneigung Albrechts gegen den Fiskal Kenntnis hatte und befürchtete, der Bischof würde, ohne Rücksicht darauf, dass in Kürze die monatliche Frist abliefe, lieber alles abschlagen, als

1) Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 60 »des doctors ratslahen«. ?) Ebenda, fol. 68: »herre Heinrich Martins rat vor rat und XXI gegeben«,

)

242 Stenzel.

sich von vornherein Martin als Mittelsmann aufdrängen zu lassen. Dem trug denn der Fiskal schliesslich auch Rech- nung und gab am 22. Januar seine Einwilligung dazu, dass die Boten: zunächst allein im Auftrag der Stadt mit Albrecht wegen der Abstellung der Zitation und der Prozessange- legenheit in Verhandlung träten, und erst nachher, sowie es etwa zum Abschluss einer Rachtung wegen dieser Dinge kommen sollte, auf den Fiskal hinwiesen mit der Bemer- kung, es empfehle sich für den Bischof, so bald als möglich mit ihm als Stellvertreter des Kaisers ins Reine zu kommen, da er nicht mehr lange in Strassburg bleiben werde, und die Stadt dem Bischof zu Gefallen von ihm nur habe er- wirken können, dass er noch bis zum 28. Januar in der Gegend zu finden sein werdel).

Eben am 22. lief nun auch die monatliche Frist, die Bischof und Kapitel in der fiskalischen Ladung gestellt war, ab?). Den Kapitelherren, die gerne schon längst sich mit Martin gütlich abgrefunden hätten, wurde es offenbar bedenklich zumute, da sie trotz aller Vorstellungen von Albrecht nur das Zugeständnis hatten erlangen können, sie sollten gleichsam aus eigenem Antrieb, ohne ihn selbst irgendwie zu nennen oder sich auf ihn zu berufen, mit Martin Unterhandlungen anknüpfen und zusehen, wie die Sache beizulegen wäre. Sie machten den Bischof dringend auf die Unschicklichkeit eines solchen Vorgehens aufmerk- sam, das dann leicht so ausgelegt werden könnte, als wollte Albrecht dem Fiskal damit nochmals seine Ver- achtung kundgeben, und wiesen auf die Tatsache hin, dass die Frist jetzt am Ablaufen sei und sie deshalb in Gefahr stünden, in die schweren, in dem Mandat angedrohten Strafen zu verfallen; da sie erfahren hatten, dass Martin immerhin noch einige Tage über die Frist hinaus in Strass- burg bleiben würde, baten sie Albrecht mit Hinblick auf diese Tatsachen dringend, er möge baldigst seinen Kanzler zu ihnen schicken, damit sie mit diesem zusammen, um allen Weiterungen zuvorzukommen, beratschlagen und

ı VDG Bd. 117, fol. 63 u. 66 (Konzept) »herre Heinrich Martins rat donoch gegeben«; Datum auf fol. 66. 2?) Vgl. hierzu und zum folgenden Domkapitelarchiv, Liber Missivarum ad Principes fol 3 f. (Brief an Albrecht vom 22. Jan.).

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 243

Mittel und Wege finden könnten, wie der von ihnen für unbedingt notwendig erachtete gütliche Austrag wenigstens in der Hauptsache zu erzielen sei. Wir wissen nicht, ob dann noch der Bescheid, den ihm am 24. die Botschaft des Strassburger Rats, etwa in der von Martin zuletzt ge- billigten Fassung, überbrachte, ihn in seinem Entschlusse beeinflusst hat, oder ob diese (sesandtschaft überhaupt unter- blieb; jedenfalls gab Bischof Albrecht schliesslich den Wün- schen seines Kapitels Gehör und beauftragte seinen Kanzler Gottfried Quinckener von Saarburg in seinem Namen an den gütlichen Verhandlungen teilzunehmen. Er selbst hielt sich persönlich von den Unterhandlungen fern '!).

Man muss es zugestehen, dass die Anerkennung der Vermittlerrolle des Fiskals für Bischof wie Kapitel ein grosses Zugeständnis bedeutete; denn unbedingte Voraus- setzung für diese gütlichen Verhandlungen war doch eben die Anerkennung der Bestimmungen der Deklarations- urkunde und die stillschweigende Bereiterklärung zur Er- füllung der Forderungen der fiskalischen Ladung, nämlich zur Zurückziehung der Appellation an den Papst und zur Einstellung der gegen die Freiheit der Stadt vor den Offi- zialen begonnenen Prozessverfahren. Dafür setzte aber der Bischof auch eine seiner Forderungen durch: Martin über- nahm die Vermittlung zwischen den Parteien als freiwillig von ihnen gewählter Mittelsmann, und nicht als Vertreter und Beauftragter des Kaisers, und gab demgemäss auch zu, dass die über die gütlichen Unterhandlungen und den endgültigen Abschied aufgesetzte Urkunde nicht in der kaiserlichen Kanzlei und unter dem kaiserlichen Insiegel ausgefertigt werde. Es war ja auch von diesen Dingen in der fiskalischen Ladung nicht die Rede; Martin hatte nach seinen seinerzeit der Stadt gemachten Angaben aller- dings vom Kaiser entsprechende Aufträge erhalten, ge- dachte aber offenbar diese eigenmächtige Abänderung mit Leichtigkeit vor Friedrich vertreten zu können, der auch zweifellos zufrieden war, wenn nur die leidige Sache end- lich zur Ruhe kam.

1) Dies und das folgende, soweit nicht anders angegeben, ist dem Text der gütlichen Abrede entnommen, die ein umfangreiches Verhandlungsprotokoll enthält: vgl. unten S. 250 Anm. ı.

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dass während des Spätherbstes dort eine Seuche gewütet hattet), und da er wohl auch zunächst durch andere, wich- tigere Aufträge davon abgehalten wurde. Weil er jedoch noch keine Kunde darüber besass, ob die Stadt die Man- date und die Urkunde bereits in Händen hatte und ob inzwischen etwa neue Ereignisse in ihren Streitigkeiten mit Bischof und Kapitel vorgefallen waren, hatte er in Speyer, das er anscheinend gleich zu Anfang seiner Reise berührte, sich überall befragt, was man von neuen Zu- samınenstössen zwischen dem Strassburger Rat und Albrecht wüsste und wie es um die Seuche stünde, jedoch nichts in Erfahrung bringen können. Er ersuchte deshalb am 20. Dezember Strassburg schriftlich?), ihm die nötigen Mit- teilungen zu machen, und gab zugleich die Anweisung, seinem Boten, der den Brief überbrachte, das Mandat mit der fiskalischen Ladung an Bischof und Domkapitel aus- zuliefern, da dieser den Auftrag habe, es an die Adressaten zu bestellen; inzwischen sollte der Strassburger Rat sich darüber klar werden, wie weit er-mit etwaigen Zugeständ- nissen der geistlichen Gerichtsbarkeit gegenüber bei einer gütlichen Verhandlung unter Wahrung des Interesses der Stadt gehen zu dürfen glaube. Nach Erledigung seiner Geschäfte beim Landgrafen von Hessen und bei Pfalzgraf Philipp wollte er gegen Mitte Januar in Strassburg ein- treffen, um in den Streitigkeiten zwischen Stift und Stadt zum Rechten zu sehen.

Wirklich wurde denn auch bereits kurz vor Weih- nachten3) dem Bischof die Ladung zugleich mit einem Brief Martins ausgehändigt, worin dieser Albrecht zur Erfüllung der darin enthaltenen Forderungen ermahnte, sich aber zugleich zu einer gütlichen Beilegung der zwischen ihm und der Stadt bestehenden Streitigkeiten erbot®t). Albrecht,

I) Ratsbeschluss betr. eines Kreuzgangs wegen der »sterbotee vom 20. Okt. (Strassb. Stadtarch. Mandate und Ordnungen Bd. II fol. 118b). 2) Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 40. 3) Am 22. Januar 1491 war die einmonatl. Frist abgelaufen (Domkapitelarchiv Strassb. Lib. Missivarum ad Principes 1491—1520 fol. 3 f.: Schreiben des Kapitels an den Bischof vom 22. Jan. 1491). *) Vgl. hierzu und zum folgenden das Schreiben des Donkapitels an den Bischof vom 8. Jan. 1491 (Domkapitelarchiv Strassb. Liber Miss. ad Principes 1491 1520).

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der offenbar wieder in Zabern weilte, schickte sofort nach den Feiertagen seinen Vikar in spiritualibus Meister Andreas Hartmann mit den beiden Schriftstücken zu den Herren des Kapitels, um ihre Ansicht einzuholen. In deren Mitte scheint sich inzwischen eine Meinungsänderung vollzogen zu haben. Aus allem, was wir hören, geht hervor, dass die eingelegte Appellation noch nicht den Weg nach Rom angetreten und die Kurie erreicht hatte. Die Herren hatten sie sich anscheinend zunächst nur als drohende Geste ge- dacht, durch die sie den Gegner einschüchtern und zur Nachgiebigkeit zwingen wollten. Wenngleich sie, wie wir sahen, damit nur das Gegenteil bewirkt hatten, waren sie wohl fürs erste dem äusseren Anschein nach auf ihrem Unternehmen bestehen geblieben; aber im Lauf der Zeit kamen ihnen bei der unerschütterlichen Haltung der Stadt und den eifrigen Bemühungen Martins am Hof doch mehr und mehr die gefährlichen Seiten ihres Schrittes zu Be- wusstsein. Obwohl sie früher die schärfere Tonart gebilligt, ja wohl geradezu mit veranlasst hatten, schien ihnen jetzt ein Einlenken geboten zu sein, da sie für den Fall, dass man dem neuerlichen kaiserlichen Mandat wiederum den Gehorsam verweigern sollte, angesichts der festen Ent- schlossenheit, mit der die Stadt die Sache betrieb, und des Einflusses des Fiskals beim Kaiser, als dessen Gewaltträger er in der Angelegenheit handelte, ernste Folgen befürch- teten. Sie stellten das dem Bischof denn auch in einem Schreiben vom 8. Januar 1491 eindringlich vor und baten ihn nachdrücklich, er möge Martin freundlich zu einer Unterredung einladen und ihn um seine Unterstützung er- suchen; es sei zu hoffen, dass der Fiskal, wenn sich ihm die Aussicht eröffnete, die Gunst Albrechts zu erwerben, sich entgegenkommender und gutwilliger gegen das Stift verhalten würde denn bisher.

Albrecht kam jedoch der Entschluss zur Nachgiebig- keit schwerer an als dem Domkapitel; Stolz und persön- liche Abneigung verboten es offensichtlich dem Fürsten, : auf die Anregung der Kapitelherren einzugehen und sich vor dem kaiserlichen Günstling und Emporkömmling Martin zu demütigen. Ebensowenig war ihm im Gegensatz zur

Stadt der Gedanke daran angenehm, dass eine gütliche 16?

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Abrede, die vor einem für die Stadt voreingenommene Mittelsmann als Beauftragten und Vertreter des Kaisers zustande kam, im Namen und unter dem Insiegel des Reichsoberhaupts beurkundet und damit unter dessen Schutz gestellt werden sollte. Er wollte es daher lieber zunächst versuchen, durch direkte Verhandlungen ohne Mittelsmann mit der Stadt ins Reine zu kommen, und ersuchte daher den Rat, seine Gesandten zu ihm zu schicken!). Der städtischen Botschaft, die daraufhin bei ihm eintraf, drückte er sein Befremden darüber aus, dass der Rat ihn beim Kaiser verklagt habe, wo doch eigentlich er mehr Anlass zu Klagen hätte, da man in dem Handel Sickingen-Jörger seinem geistlichen Gericht schwer Abbruch tue; er hob hervor, dass dieser Prozess, da er seinen Anfang, seine Mitte und sein Ende vor dem Offizial genommen habe, auch weiterhin vor das gleiche Forum gehöre, und wies dabei auf die Zusage hin, die angeblich das Strassburger Ratsmitglied Adam Zorn Sickingen gegenüber gemacht hatte, nämlich, dass die Sache wieder an das geistliche Gericht zurückverwiesen werden würde, wenn nur Sickin- gen die Klage vor dem Rat einreichte. Im übrigen er- klärte er sich persönlich zu einem friedlichen Verhältnis mit der Stadt geneigt und bestritt, dass er je die weltliche Obrigkeit habe beeinträchtigen wollen.

Eines stösst uns an dem Anbringen des Bischofs sofort auf: der ganze Streit um die Auslegung des Wortes »Stadt- richter«, die von der Stadt erwirkte Deklarationsurkunde und die Appellation an den Papst werden mit keinen Wort berührt; offenbar hielt er es doch für geboten, diese Fragen ruhen zu lassen und schliesslich auch hierin den kaiserlichen Geboten nicht länger zu trotzen, sondern diese, sobald es ihm notwendig schien, stillschweigend zu befolgen. Zugleich wollte er auch wohl die Stadt durch Erörterung dieser Angelegenheiten nicht mehr reizen, da es ihm ja auf eine Verständigung ankam. Er knüpfte daher an das an ihn ergangene kaiserliche Mandat nur insoweit an, als

1) Vgl. hierzu und zum folgenden den undatierten Bedacht des Rats im Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 64 und das Schreiben des Rats in den Bischof vom ı8. Januar, ebenda fol. 67b).

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 237

es ihm die Einstellung der der städtischen Freiheit zuwider vor den Offizialaten vorgenommenen Rechtshandlungen be- fahl, also in seiner Eigenschaft als »Inhibitionsmandat«, wie es übrigens auch die Domherren in ihrem Schreiben vom 8. Januar genannt hatten. Deshalb schob er denn auch den Prozess Sickingen-Jörger sichtlich in den Vordergrund, kam auf die prinzipiellen Fragen nur insoweit zu sprechen, als dieser Sonderfall es erforderte. Freilich liessen seine Darlegungen auch in dieser Einzelangelegenheit vorläufig noch wenig auf ein Entgegenkommen schliessen; lediglich in der Tatsache, dass er im Verkehr mit der Stadt denn doch wieder freundlichere Bahnen einschlug und es zu vermeiden suchte, sie allzu hart zu verletzen, lag eine gewisse Bürgschaft dafür, dass er nach friedlichem Aus- gleich strebte und durch Beilegung der vielerörterten Prozessangelegenheit den Klagen der Stadt den Boden zu entziehen suchte.

Die Boten der Stadt erbaten sich daraufhin Bedenkzeit, um sein Anbringen dem Rat zu berichten; dieser beschloss denn auch, den angesponnenen Faden nicht abreissen zu lassen, und beriet über eine eingehende Antwort, die man Albrecht geben wollte'), Hier sollte der Bischof darauf hingewiesen werden, dass die Stadt zu ihren am kaiser- lichen Hof unternommenen Schritten nur durch die bittere Notwendigkeit, durch das Verhalten der Gegenpartei ihres Bürgers Jörger und das die städtische Freiheit verletzende Vorgehen der Offiziale, gezwungen worden sei. Im Gegen- satz zu der von Albrecht vertretenen Auffassung betonte der Rat, durch die vor etwa ı5 Jahren erfolgte gericht- liche Zuerkennung der strittigen Güter an Jörger und die spätere Nichtigkeitserklärung der Einspruchsklage Sickin- gens durch das geistliche Gericht seien diese früheren Rechtsgänge endgültig abgeschlossen; nur wenn etwa Jörger, der mit den ihm seinerzeits zuerkannten Gütern noch lange nicht völlig bezahlt sei und ausserdem noch von Sickingen 60 Gulden Expensen von dem zweiten Prozess her zugut habe, wegen dieser Ausstände seinen

1) Vgl. S. 236 Anm. 1; hierher gehört wohl auch der inVDG Bd. 117, fol. 61 u. 62 vorliegende Entwurf »der stat ratsfründe ratslahen«.

238 Stenzel.

Gegner verklagt hätte, dann hätte dieser dritte Rechts- gang unbedingt vor dem gleichen Forum stattfinden müssen. Dagegen habe die erneute Klage Sickingens mit diesen früheren Prozessen nichts zu tun und sei eine völlig neue Sache, weshalb Jörger sowohl wie die Stadt Recht zu ihrem Verlangen der Weisung und ebenso nach Verweigerung der Remission Befugnis zur Einlegung der Appellation an den Kaiser gehabt hätten. Nach Ansicht des Rats konnte nämlich jemand, dem von einem Gericht der Besitz eines Guts zugesprochen war, nicht gezwungen werden, sich wegen desselben Besitzrechts vor dem gleichen Forum zu verantworten, sondern hatte Anspruch darauf, dass die Sache vor seine ordentlichen Richter gezogen würde. Ebensowenig vermochte die angebliche Zusicherung, die Adam Zorn gemacht hatte, dem Standpunkt der Stadt irgendwie Abbruch zu tun; denn nach der Darstellung des Rats hatte Zorn vollständig aus eigenem Ermessen und ohne jeden Auftrag gehandelt und war, als er im Auftrag Sickingens und wohl auch von den besten Absichten be- seelt, ein dementsprechendes Ansinnen an etliche Mitglieder des Regiments stellte, entschieden abgewiesen worden. ' Zum Schluss wurde dann in eingehender Darlegung nach- drücklich die Unterstellung zurückgewiesen, als hätte die Stadt mit ihrem Vorgehen die geistlichen Gerichte schädigen wollen; nochmals betonte der Rat, dass sie nur die trotz der eingelegten Berufung von der Gegenpartei und von den Offizialen unternommenen rechtlichen Handlungen, die der Freiheit der Stadt, den Sätzen des gemeinen Rechts und dem von jedem Bischof zu Beginn seines Regiments geleisteten Eid zuwiderliefen, auf diese Weise abwehren und sich einen dauernden Schutz gegen solche Vorfälle hätte schaffen wollen, aber auch das erst, als die zahllosen durch Botschaften und Schreiben unternommenen Versuche, den Bischof zur Abhilfe zu bewegen, sich als ergebnislos erwiesen hatten. ;

Den Gesandten, die diese Antwort an Albrecht über- bringen sollten, wurde ausserdem die Weisung erteilt, dass die Stadt zu einer gütlichen Verständigung bereit sei, aber nur unter der Bedingung, dass ihre Freiheit unverletzt bliebe. Der gangbarste Weg, um vor allem den viel-

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 239

erörterten Prozess beizulegen, schien ihr der zu sein: der Bischof sollte die letzten rechtlichen Schritte und Hand- lungen, die auf Antrag Sickingens durchgeführt worden waren und gegen die dann Jörger appelliert hatte, kassieren; daraufhin sollte Jörger auch von seiner Berufung an den Kaiser abstehen; wollte Sickingen dann doch auf eine Klage nicht verzichten, so sollte er sich unter Be- achtung der städtischen Freiheit vor das Gericht des Rats wenden.

Auch an der von der Stadt beratenen Antwort fällt uns wie am Anbringen des Bischofs auf, dass sie den Fall Jörger-Sickingen zum Mittelpunkt nimmt, und die grossen Streitfragen nur nebenbei, eben in Verbindung mit diesem Prozess berührt, ja die Deklarationsangelegenheit und die Appellation an den Papst überhaupt übergeht!).

Der Rat ging also auf die Absichten des Bischofs ein, jedenfalls weil es ihm ganz erwünscht gewesen wäre, wenn endlich einmal die leidige Prozessangelegenheit im Sinne ihres Bürgers und zu dessen Vorteil ihre Erledigung ge- funden hätte. Die Verhandlungen über die übrigen, ins- besondere die grundsätzlichen Fragen gedachte er aber wohl dem Fiskal zu überlassen, da dieser ausdrücklich gewünscht hatte, dass die Stadt ohne seine Mitwirkung keine Rachtung mit Albrecht abschliesse?), und da sie sich die Vorteile, die ein vor einem Vertreter und Beauftragten des Kaisers zustande gekommene Vereinbarung bot, nicht entgehen lassen wollte. Nachdem man sich so über den dem Bischof zu erteilenden Bescheid klar geworden war, ersuchte die Stadt am ı8. Januar Albrecht um Angabe eines Tags, an dem sie ihre Botschaft zu ihm senden könnte3), und erhielt bereits Tags darauf von diesem die Antwort, dass er am 24. bereit sei, ihre Gesandten zu empfangen und das Gegenanbringen des Rats zu ver- hören‘). |

1) In dem Ratschlag der Ratsfreunde (vgl. S. 237 Anm. 1) wird letztere allerdings berührt, jedoch nur mit der Bemerkung, dass diese des Kaisers Sache sei und die Stadt nichts angehe. ?) Vgl. oben S. 228. ë) Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 676 (Kopie). *) Strassb. Stadtarch. AA 1534 fol. 6.

240 Stenzel.

Es kann als ziemlich sicher angenommen werden, dass Martin von dem Rat nicht von vornherein über die ange- knüpften Unterhandlungen unterrichtet wurde; als er kurz nach dem .ı5. Januar in Strassburg eintraf, fand er sie eben als feststehende Tatsache vor, wohl sehr zu seinem Leidwesen, da er natürlich durch Erledigung der gesamten Streitigkeiten die Stadt sich nach Möglichkeit verpflichten wollte. Er begann denn auch unverzüglich seinerseits in die Sachen einzugreifen; der Bischof beharrte aber offen- bar darauf, nicht mit ihm persönlich zu verhandeln, son- dern schickte seinen Offizial Theoderici den übrigens Martin mit seinem schlicht deutschen Namen Dietrichs nennt vor. Dieser ersuchte in einer Unterredung am ı7. den Fiskal allerdings unter voller Wahrung: des bischöflichen Standpunkts, namentlich der Ansicht, dass der Kaiser kein Recht habe, ein Verfahren vor geistlichem Gericht zu inhi- bieren, um vermittelndes Eingreifen in den Streitigkeiten, jedenfalls in der Absicht, ihn darüber auszuhorchen, was in dieser Hinsicht von ihm zu erwarten war!). Da Martins Äusserungen begreiflicherweise sehr wenig erhoffen liessen, entschied sich der Bischof für die Aufrechterhaltung seiner Ansprüche bis aufs äusserste; am ı8. Januar?) erging vom bischöflichen Offizialat aufs neue eine gerichtliche Ladung an Jörger aus, sicher nicht ohne Vorwissen und Billigung Albrechts.

Jetzt konnte die Stadt nicht mehr anders, als auch in der Prozessangelegenheit die Unterstützung Martins anzu- rufen. Der Fiskal gab zwar dem Rat zu verstehen, dass die Stadt, nachdem ihm der Auftrag des Kaisers, die Streitigkeiten beizulegen, zuteil geworden sei, sich eigent- lich auf solche Unterhandlungen nicht hätte einlassen dürfen, zeigte sich aber natürlich doch bereitwillig und richtete sofort an den bischöflichen Offizial ein Schreiben, worin er diesen unter Bezugnahme auf ihre letzte Unterredung in seinem eigenen wie des Bischofs Interesse dringend auf- forderte, sofort die Ladung zu widerrufen, da es sonst zu ernsten Schritten kommen könnte?), Im Rat überlegte

1) Vgl. das Schreiben Martins an den Offizial VDG Bd. 117, fol. 45 (Kopie). ? VDG Bd. 117, fol. 45 (Kopie). ®) Vgl. oben Anm. 1.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 241

man es sich, welche Instruktion man auf diesen Zwischen- fall hin den Boten, die am 24. Januar zum Bischof gehen sollten, mitgeben wollte. Dr. Weltzer meinte, man müsse im grossen und ganzen die frühere Anweisung beibehalten'); nur fand er es für angebracht, dass die Gesandten gleich zu Beginn nach 'Verlesung des am 29. Oktober an die Stadt ergangenen kaiserlichen Mandats, das ihr anbefahl, sich selbst in ihrer Freiheit und in ihrem Gerichtsprivileg zu hand- haben, den Bischof darauf hinwiesen, der Rat habe, obwohl ihm durch die frischergangene Ladung Anlass genug ge- geben wäre, um diesem Befehl des Kaisers gemäss zu handeln, Albrecht zu Ehren bisher davon abgesehen; wenn sich eine Verständigung, sowie die Widerrufung der Ladung nicht erzielen liesse und sie unausgerichteter Dinge abreiten müssten, so sollten sie vor ihrem Abschied ihn nochmals dringend darauf aufmerksam machen, dass die Stadt dem Mandat Gehorsam leisten müsse. Damit war Martin, der den Besprechungen vor Rat und Einundzwanzigern bei- wohnte, aber nicht zufrieden, da er selbst doch mehr zur Geltung kommen und Albrecht dazu zwingen wollte, mit ihm persönlich zu verhandeln. Er schlug deshalb vor, der Rat solle dem Bischof nach Verlesung des Mandats mit- teilen, der Kaiser habe dem Fiskal, der inzwischen in Strassburg eingetroffen sei, die Sache anbefohlen und der Stadt angekündigt, dass sie ohne Martins Wissen und Ein- willigung nichts darin verhandeln und abschliessen dürfe, und dann, nachdem die Botschaft die Abstellung der Zitation verlangt und Albrecht Antwort auf sein Anbringen erteilt hätte, zum Schluss die Erklärung abgeben, dass die Stadt, da der Fiskal im Lande sei, gern in eine gütliche Handlung einwilligen werde, die durch diesen unter Wah- rung ihrer Freiheit unternommen würde?).

Mit diesem Vorschlag war nun aber wiederum der Rat nicht-einverstanden, da er sicherlich von der Abneigung Albrechts gegen den Fiskal Kenntnis hatte und befürchtete, der Bischof würde, ohne Rücksicht darauf, dass in Kürze die monatliche Frist abliefe, lieber alles abschlagen, als

1) Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 60 »des doctors ratslahen«. ?) Ebenda, fol. 68: »herre Heinrich Martins rat vor rat und XXI gegeben«.

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242 Stenzel.

sich von vornherein Martin als Mittelsmann aufdrängen zu lassen. Dem trug denn der Fiskal schliesslich auch Rech- nung und gab am 22. Januar seine Einwilligung dazu, dass die Boten: zunächst allein im Auftrag der Stadt mit Albrecht wegen der Abstellung der Zitation und der Prozessange- legenheit in Verhandlung träten, und erst nächher, sowie es etwa zum Abschluss einer Rachtung wegen dieser Dinge kommen sollte, auf den Fiskal hinwiesen mit der Bemer- kung, es empfehle sich für den Bischof, so bald als möglich mit ihm als Stellvertreter des Kaisers ins Reine zu kommen, da er nicht mehr lange in Strassburg bleiben werde, und die Stadt dem Bischof zu Gefallen von ihm nur habe er- wirken können, dass er noch bis zum 28. Januar in der Gegend zu finden sein werde).

© Eben am 22. lief nun auch die monatliche Frist, die Bischof und Kapitel in der fiskalischen Ladung gestellt war, ab?). Den Kapitelherren, die gerne schon längst sich mit Martin gütlich abgeefunden hätten, wurde es offenbar bedenklich zumute, da sie trotz aller Vorstellungen von Albrecht nur das Zugeständnis hatten erlangen können, sie sollten gleichsam aus eigenem Antrieb, ohne ihn selbst irgendwie zu nennen oder sich auf ihn zu berufen, mit Martin Unterhandlungen anknüpfen und zusehen, wie die Sache beizulegen wäre. Sie machten den Bischof dringend auf die Unschicklichkeit eines solchen Vorgehens aufmerk- sam, das dann leicht so ausgelegt werden könnte, als wollte Albrecht dem Fiskal damit nochmals seine Ver- achtung kundgeben, und wiesen auf die Tatsache hin, dass die Frist jetzt am Ablaufen sei und sie deshalb in Gefahr stünden, in die schweren, in dem Mandat angedrohten Strafen zu verfallen; da sie erfahren hatten, dass Martin immerhin noch einige Tage über die Frist hinaus in Strass- burg bleiben würde, baten sie Albrecht mit Hinblick aut diese Tatsachen dringend, er möge baldigst seinen Kanzler zu ihnen schicken, damit sie mit diesem zusammen, um allen Weiterungen zuvorzukommen, beratschlagen und

1) VDG Bd. 117, fol. 63 u. 66 (Konzept) »herre Heinrich Martins rat donoch gegeben«; Datum auf fol. 66. ?) Vgl. hierzu und zum folgenden Domkapitelarchiv, Liber Missivarum ad Principes fol 3 f. (Brief an Albrecht vom 22. Jan.).

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 243

Mittel und Wege finden könnten, wie der von ihnen für unbedingt notwendig erachtete gütliche Austrag wenigstens in der Hauptsache zu erzielen sei. Wir wissen nicht, ob dann noch der Bescheid, den ihm am 24. die Botschaft des Strassburger Rats, etwa in der von Martin zuletzt ge- billigten Fassung, überbrachte, ihn in seinem Entschlusse beeinflusst hat, oder ob diese (resandtschaft überhaupt unter- blieb; jedenfalls gab Bischof Albrecht schliesslich den Wün- schen seines Kapitels Gehör und beauftragte seinen Kanzler Gottfried Quinckener von Saarburg in seinem Namen an den gütlichen Verhandlungen teilzunehmen. Er selbst hielt sich persönlich von den Unterhandlungen fern').

Man muss es zugestehen, dass die Anerkennung der Vermittlerrolle des Fiskals für Bischof wie Kapitel ein grosses Zugeständnis bedeutete; denn unbedingte Voraus- setzung für diese gütlichen Verhandlungen war doch eben die Anerkennung der Bestimmungen der Deklarations- urkunde und die stillschweigende Bereiterklärung zur Er- füllung der Forderungen der fiskalischen Ladung, nämlich zur Zurückziehung der Appellation an den Papst und zur Einstellung der gegen die Freiheit der Stadt vor den Offi- zialen begonnenen Prozessverfahren. Dafür setzte aber der Bischof auch eine seiner Forderungen durch: Martin über- nahm die Vermittlung zwischen den Parteien als freiwillig von ihnen gewählter Mittelsmann, und nicht als Vertreter und Beauftragter des Kaisers, und gab demgemäss auch zu, dass die über die gütlichen Unterhandlungen und den endgültigen Abschied aufgesetzte Urkunde nicht in der kaiserlichen Kanzlei und unter dem kaiserlichen Insiegel ausgefertigt werde. Es war ja auch von diesen Dingen in der fiskalischen Ladung nicht die Rede; Martin hatte nach seinen seinerzeit der Stadt gemachten Angaben aller- dings vom Kaiser entsprechende Aufträge erhalten, ge- dachte aber offenbar diese eigenmächtige Abänderung mit Leichtigkeit vor Friedrich vertreten zu können, der auch zweifellos zufrieden war, wenn nur die leidige Sache end- lich zur Ruhe kam.

1) Dies und das folgende, soweit nicht anders angegeben, ist dem Text der gütlichen Abrede entnommen, die ein umfangreiches Verhandlungsprotokoll enthält: vgl. unten S. 250 Anm. 1.

244 | Stenzel.

Die Stadt war wohl weniger erbaut von dieser Wen- dung, machte aber doch gute Miene zum bösen Spiel, da ihr ja doch die Deklarationsurkunde und das Mandat des Kaisers, dass sie sich selbst in ihrer Freiheit handhaben dürfe, auch für die künftige Zeit als wirksame Abwehr und als Drohmittel bei etwaigen Übergriffen der geistlichen Gerichte frei zur Verfügung standen. Auch hatte sie sich zweifellos vorher mit Martin besprochen, wie weit sie in ihren Zugeständnissen gehen und welche Forderungen sie erheben wollte. Mittelpunkt der Erörterung war ja die vielumstrittene Frage der Remission, d. h. ob und in welchen Fällen die geistlichen und weltlichen Gerichte gegenseitig zur Überweisung der vor ihnen eingelegten Klagsachen verpflichtet waren und wer darüber zu ent- scheiden hatte. Ein Vorschlag, den Dr. Weltzer dem Rat unterbreitetel), ging zunächst auf die Einzelfälle, die den Streit mit heraufbeschworen hatten, ein, verlangte hier, vor allem im Prozess Jörger-Sickingen, Aufhebung und Un- gültigerklärung aller bisher unternommenen Rechtsschritte und machte die Zurückziehung der Appellation, die Jörger beim Kaiser eingelegt hatte, von der Abstellung der Be- rufung des Domkapitels an den Papst abhängig. Aber augenscheinlich hielt man es jetzt für besser, vor Klärung der grundsätzlichen Fragen diese besonderen Fälle, deren Erledigung sich ja dann von selbst ergab, nicht anzu- schneiden. Ein übrigens der Stadt sonst sehr günstiger Entwurf Martins, wie er sich die Sache dachte?), suchte vor allem den sachlichen Kompetenzenkreis der geistlichen und weltlichen Gerichte näher zu bestimmen und Prozesse wegen Pfründengut und Stittungen sowie Ehesachen unter Vorbehalt besonderer Bestimmungen für die Fragen der Defloration endgültig den Offizialaten zuzuweisen. Das war wohl auch wieder wenig nach dem Geschmack des Rats, der es gerne vermied, sich hier die Hände zu binden, und lieber diese Dinge im Unklaren liess, weil sich ihm dann immer genügend Spielraum zu Ausdehnung seiner Befug- nisse bot), Schliesslich fasste die Stadt die Vorschläge,

1) Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 99. ?) Ebenda fol. 84. 3) Vgl. meine Ausführungen diese Zeitschrift Bd. 29, S. 388 ff.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 245

die sie unter Wahrung ihrer Privilegien für eine gütliche Verständigung machen zu können glaubte, unter Benutzung der Anregungen Weltzers und Martins, in sechs Artikel zusammen'): ı. Die Stadt bleibt ungestört im Genuss ihrer Freiheiten, der kaiserlichen Deklaration und aller ihrer Rechte und Gewohnheiten. 2. Willigt ein Bürger, der vom Offizial eine Ladung erhält, in das Verfahren vor dem geistlichen Gericht ohne weiteres ein, so nimmt das Ver- fahren ungehindert seinen Lauf. 3. Verlangt aber der Bürger oder der Rat im Namen des Bürgers Weisung der Sache, so muss, wenn der Kläger ein Laie ist, dem sofort entsprochen werden. 4. Ebenso soll es gehalten werden, wenn der Kläger ein Geistlicher, aber die Klagsache welt- lich ist. 5. Ist der Charakter der Sache zweifelhaft und glaubt der geistliche Richter nicht zur Weisung verpflichtet zu sein, wird aber dennoch vom Angeklagten oder vom Rat die Weisung gefordert, so soll der Richter vor den Rat kommen oder Boten schicken und dartun, warum er die Forderung nicht erfüllen wollte; geben sich die Räte mit seiner Darlegung zufrieden, dann bleibt die Sache vor dem geistlichen Gericht; genügt sie aber dem Rat nicht, sondern besteht dieser auf seinem Verlangen, dann soll der Richter die Parteien weisen. Als sechster, aber offen- bar während der Verhandlungen nicht berührter Punkt trat die einzige, auf Festlegung strittiger Grenzgebiete der beiderseitigen Kompetenzkreise abzielende Bestimmung hinzu, dass es der Defloration halb bei den Satzungen und Ordnungen der Stadt bleiben, aber eigentliche Ehesachen vor dem geistlichen Gericht verhandelt werden sollten. Diese Artikel konnten nach Ansicht der Stadt die Basis für eine Verständigung abgeben.

Inzwischen hatte man eine regelrechte fünfköpfige Vermittlungsinstanz gebildet: dem Fiskal als eigentlichem Mittelsmann waren dem damaligen Brauch gemäss von beiden Parteien je zwei Beisitzer (»zusetz«) zugegeben worden: Bischof und Domkapitel, die in den Verhandlungen unter der Bezeichnung »das Stift« als eine Partei auftreten, wählten den geistlichen Vikar Andreas Hartmann und den hinteren

ı) VDG Bd. 117 fol. 96.

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Gtraasb, Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 97 f.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 247

gültig geklärt sei. Des weiteren wollten sie auch nichts davon wissen, dass der geistliche Richter in solchen An- gelegenheiten unter Umständen auf Wunsch des Rats ver- pflichtet sein sollte, vor den Rat zu kommen oder seine Vertreter zu schicken; kein Wunder, da sie ja sonst die Vorrangsansprüche des weltlichen Stadtgerichts anerkannt hätten. Sie meinten, der Rat hätte, sofern er vom Öffizial Bericht über irgend eine Weisungssache wünsche, allen Anlass dazu, diesen durch seinen Boten, den die Stadt ja doch, wenn sie die Weisung auf Ansuchen des Beklagten vom Offizial verlange, ins geistliche Gericht schicken müsse, bei dem geistlichen Richter einzuholen. Am energischsten war aber ihr Widerspruch gegen das Ansinnen der Stadt, dass in den Fällen, wo dem Rat die im Bericht des Offi- zials vorgebrachten Gründe für die Verweigerung der Weisung nicht genügten, sondern ihm die Remission für angebracht schien, der geistliche Richter gezwungen sein sollte, die Parteien zu weisen. Das lief nach ihrer Dar- legung der hergebrachten Gewohnheit und den Bestimmun- gen des geschriebenen Rechts zuwider, dass ein jeder Richter allein kraft seiner Pflicht handeln sollte; dem geistlichen Richter wäre es aber nicht mehr möglich diesen Rechtsgrundsatz zu entsprechen, wenn er nach Erkenntnis der Räte und nicht nach seinem Grewissen urteilen müsste. Auch hätte, selbst wenn der Offizial der Forderung der Stadt sich fügen würde, der Kläger Recht und Fug, gegen ein solches, das gemeine Recht verletzende Urteil Berufung an die höhere Instanz einzulegen, wodurch dem Ange- klagten wie dem Richter nur Unkosten und Schaden er- wüchsen. Aus diesen Gründen lehnten die Vertreter des Stifts die Annahme des fünften Artikels der Stadt in den meisten Punkten entschieden ab; aber zur Bezeugung ihres guten Willens und ihrer Entschlossenheit, widerrechtlich keine Sache vor ihren geistlichen Gerichten zu behalten, erklärten sie sich zu dem Zugeständnis bereit, dass die Offiziale künftig ausser ihrem gewöhnlichen Amtseid schwören sollten, dass sie nur die Sachen, die nach ge- meinem Recht dahin gehörten, vor ihrem Forum behalten und alle übrigen ohne jede Weigerung vor das zuständige Gericht überweisen würden; dafür verlangten sie alierdings

248 Stenzel.

einen entsprechenden Schwur von Meister und Rat der Stadt. Im übrigen, meinten sie, würde man über die sonst etwa bestehenden Irrungen rasch einig werden, falls man über diese oben erörterten Fragen eine Verständigung erzielen könnte. Die alten Streitpunkte, von denen die ganzen Auseinandersetzungen seinerzeit ihren Ausgang genommen hatten, traten also wieder, wenn auch in etwas verändertem, juristisch zugestutzten Gewande, mit voller Deutlichkeit hervor; wieder drehte es sich um den von beiden Seiten mit gleicher Hartnäckigkeit verfochtenen Anspruch auf Prüfung und Entscheidung in allen Weisungs- angelegenheiten, wobei diesmal allerdings hüben wie drüben, vor allem aber von seiten des Stifts, in kleinen neben- sächlicheren Fragen mehr Nachgiebigkeit an Tag gelegt wurde wie früher. Trotzdem standen die gegenseitigen Meinungen in einem unlöslichen Widerspruch zueinander.

Damit man zu einem Ergebnis käme, liessen die Ver- treter der Stadt in ihrer Erwiderung dann den hart um- strittenen Punkt fürs erste einfach fallen, ohne natürlich ihre Ansprüche irgendwie aufzugeben; sie erklärten, die sehr weitläufige Meinung des Bischofs und des Kapitels brauchten sie nicht anzunehmen und legten nun in einem ausführlichen Überblick über Entstehung und Entwicklung der gegenwärtigen Streitigkeiten unter Berufung auf ihre (serichtsfreiheit, auf den ihnen vom Bischof am Beginn seiner Regierung geschworenen Eid, auf den von Meister und Rat geleisteten Schwur, dass sie in ihrer Amtszeit alle Rechte, Gewohnheiten und Freiheiten der Stadt in deren Interesse handhaben würden, und auf die Deklaration dar, dass sie zu ihren Forderungen wohl Grund und Ursache hätten; falls die Gregenpartei sie nicht in dem ruhigen Besitz ihrer Freiheit und der Deklaration belassen wollte, so wiesen sie auf das an die Stadt ergangene kaiserliche Mandat hin, das dem -Rat direkt gebiete, sich bei ihren Privilegien selbst zu handhaben. Um aber den Anschein zu meiden, als wollten sie dem geistlichen Gericht in seiner ordent- lichen Jurisdiktion und Gerichtszwang Eintrag oder Ab- bruch tun, gingen sie auf die in der Antwort ihrer Gegen- partei zuletzt gegebene Anregung ein und erboten sich künftig, wie es jeher ihr Wunsch gewesen, von den bei

Geistliche Gerichte zu Strassburg im ı5. Jahrhundert. 249

= ihnen vorgebrachten Klagsachen alle die, welche, soweit sie `. das erkennen könnten, vor geistliches Gericht gehörten,

nicht vor dem eigenen Forum zu behalten, sondern an die

©! Offizialate zu überweisen. Diese Erklärung der Stadt fand

<- bei Bischof und Kapitel ohne weiteres Billigung; sie gaben

= ihrerseits das Versprechen ab, sie würden bei ihren Offi-

.. zialen darauf sehen, dass diese alle Klagsachen, die vor x< sie kämen und vor einen weltlichen Richter gehörten, auch

entsprechend überwiesen; zugleich erklärten sie mit Rück-

~ sicht auf die in der Darlegung der Stadt berührten Zwischen-

fälle der letzten Zeit, es sei nie ihre Absicht gewesen,

«x: gegen die Freiheit der Stadt zu verstossen und wofern

;- Ihre Untergebenen sich irgend eine Verfehlung in dieser

" Hinsicht hätten zu schulden kommen lassen, so sei das

Ohne ihren Befehl geschehen; sie wollten dafür sorgen, dass

$ künftig derartige Dinge nicht mehr vorkämen. Gegen

„: diese Äusserung der Widerpartei hatten die Vertreter der .. Stadt auch nichts einzuwenden; sie bedang sich nur aus, „~ dass künftig ihrer Freiheit einschliesslich der Deklaration

> kein Eintrag geschehe. Ebenso nahmen sie auch das An- „i erbieten an, das sich auf die Weisung der Offiziale bezog, - wollten das jedoch dahin verstanden wissen, dass in allen

Fällen, wo der Beklagte Bürger sei und die Stadt über

u dessen Sache Bescheid wisse, auf das auf Grund der

.. städtischen Freiheit an den Offizial gerichtete Ersuchen

- des Rats hin der geistliche Richter unbedingt die Weisung

o zugestehen müsse; falls je darin anders gehandelt werden

-. sollte, so würden sie sich an das kaiserliche Mandat und

ihre vorher gegebene Antwort halten.

Da Bischof und Kapitel diesen letzten Bescheid der Stadt, obwohl er in der Frage der Weisung die alten, von ihnen abgelehnten Forderungen wieder aufgriff, bedingungs- los annahmen, war der gewünschte Ausgleich hergestellt. Am 5. Februar gaben der Kanzler Quinckener von Saar- burg im Namen des Bischofs, Heinrich von Henneberg im Namen des Kapitels, der Altstettmeister Ritter Friedrich Bock, sowie die Ratsmitglieder Gottfried von Hohenburg und Bechtold Offenburg die feierliche Erklärung ab, dass sie die gesamte Abrede, besonders die letzte endgül-

tige Meinung, d. h. also die letzte, von der Gregenpartei Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. N. F. XXX. z. 17

250 Stenzel.

angenommenen Antwort (»Rede«) der Stadt, treulich ein- halten wollten, worauf der Fiskal und seine vier Beisitzer das über die Verhandlungen und die endgültige Verein- barung aufgesetzte Dokument besiegelten!). Da die be- stehenden Irrungen zwischen Stift und Stadt damit für endgültig beigelegt galten, war Martins Ziel erreicht; er verliess die Stadt, um weiter seinen Aufträgen im Reich nachzugehen.

Von den einzelnen Streitfällen verlautet in unseren Akten nichts mehr; man wird ruhig annehmen können, dass sie alle, wie etwa der Prozess Jörger-Sickingen, nach dem Wunsche des Rats erledigt wurden. Auch hatten wohl im Zusammenhang damit die Domherren ihre Appella- tion an den Papst, ebenso lörger die seinige an den Kaiser inzwischen endgültig zurückgezogen. Nach den über andert- halb Jahren andauernden erregten Diskussionen setzte nun wieder eine längere Pause der Ruhe ein.

Welches war nun aber das Ergebnis dieser wechsel- vollen Verhandlungen und eifrigen Bemühungen beider Parteien? Für die Stadt war die Bilanz nicht ungünstig, wenngleich sie auf manches hatte verzichten müssen: die Deklaration und das zugleich an sie ergangene Mandat, laut dessen sie selbst die nötigen Massregeln treffen durfte, um sich im Besitz ihrer Gerichtshoheit gegen Übergriffe, von Bischof und Kapitel zu schützen (»handhaben«), waren Errun- genschaften von dauerndem Wert. Von der gütlichen Abrede kann das nur bedingt gesagt werden. Allerdings war von den masslosen Ansprüchen, wie sie das Domkapitel in seiner Appellation an den Papst vertreten hatte, nicht mehr die Rede; die Inhaber der geistlichen Gerichte hatten die Beobachtung des Inhalts der städtischen Gerichtsfreiheit und der Deklaration ausdrücklich versprochen; sie hatten gelobt, alle vor ihrem Forum eingelegten Klagsachen welt- lichen Charakters an das Stadtgericht zu überweisen, wenn der Beklagte ein Bürger war, ja sie hatten sich durch die Annahme der letzten »Rede« der Stadt zur bedingslosen Weisung der Klagsachen verpflichtet, wenn die Stadt diese

1) Original des Domkapitels im Bezirksarch. Strassb. G 2723 (12), das der Stadt im Strassb. Stadtarch. AA u. 1536; Entwürfe dazu im Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 90—95; Kopie im Stadtarch. Briefbuch C fol. 300 fl.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 251

nach eingezogenem Bericht im Namen ihres Bürgers ver- langte. Zwar wurde die letztere Bestimmung, die auch geistliche Sachen betreffen konnte, durch das Erbieten der Stadt, sämtliche vor dem Rat eingelegten Klagsachen, wenn ihnen von diesem geistlicher Charakter zugebilligt wurde, an die Offizialate zu überweisen, wieder eingeschränkt; ausserdem hatte der Rat von seiner Forderung, dass alle Klagen gegen seine Bürger zunächst einmal ohne Aus- nahme bei ihm eingelegt werden müssten, zugunsten der Otfizialate in gewissem Sinne aufgegeben. Aber sowie man die in der über die Abrede aufgesetzten Urkunde weit von einander entfernten. Bestimmungen zusammenstellt, ergibt sich klar, dass die Stadt, was sie ausdrücklich nicht hatte erreichen können, sich auf Umwegen geradezu erschlichen hatte: das Recht, in den allermeisten Fällen über die Weisungen zu entscheiden. Ob das Domkapitel und der Bischof sich wirklich durch die Stadt und den Mittelsmann so hatten übertölpeln lassen? Es erscheint kaum glaublich; jedenfalls konnte man von vornherein von ihnen erwarten, dass sie alle aus der Abrede abgeleiteten Ansprüche dieser Art nie anerkennen würden. Also lag hier schon eine Quelle für neue Streitigkeiten. Dazu kam aber noch, dass Stadt und (seistlichkeit sehr verschiedene Anschauungen darüber hatten, was als geistliche, und was als weltliche Klag- sache zu betrachten war, und dass man nach schwachen Ansätzen es geradezu prinzipiell unterlassen hatte, wenig- stens in einigen Punkten über diese grundlegende Frage Klarheit zu schaffen, eben in der bestimmten Voraus- sicht,. dass darüber doch keine Einigkeit zu erzielen war. Schon aus diesen Gründen konnten die Träger der geistlichen Jurisdiktion die weitgehenden Befugnisse, die die Stadt durch die Abrede in die Hand bekam, nicht un- angefochten lassen. Wenn aber der Rat einer Sache welt- lichen, die geistlichen Richter der gleichen geistlichen Charakter zuerkannten, dann konnten beide Parteien von ihrem Standpunkt aus mit Recht einzelne Bestimmungen der Abrede zu ihren Gunsten geltend machen und eine neue Irrung war wieder heraufbeschworen. Da der Ver- gleich so jeder sicheren Grundlage entbehrte, konnte er eben keine dauernde, gesicherte Verhältnisse schaffen. 17*

252 Stenzel.

Das zeigte sich denn auch alsbald: schon im Jahr 1493 kamen bei den durch den Franckschen Handel veranlassten Auseinandersetzungen die alten Streitigkeiten wegen des geistlichen Gerichts wieder zur Erörterung, wenngleich se freilich nur als Nebensache behandelt wurden!); besonders heftig tobte aber der Kampf von 1505 an Jahre lang, als die Stadt dem geistlichen Gericht das Frönungsrecht aus stärkste zu beschneiden oder gar zu entreissen suchte?) in diesen Händeln konnte dann der Nachfolger Dr. Weltzers, Sebastian Brant, seine juristischen Fähigkeiten zur Geltung bringen. Die Strassburger Offizialate behielten noch bi tief in die Reformationszeit hinein im Rechts- und Geschäfts leben der Stadt ihre grosse Wichtigkeit; erst in der zweiten Hälfte des ı6. Jahrhunderts ging ihnen Stück um Stück

ihre alte Bedeutung verloren; am Ausgange des Jahrhun

derts waren sie im völligen Verfall. Die Reibungen und Zusammenstösse mit der städtischen Verwaltung dauerten aber unvermindert fort, ja verschärften sich ständig, b! schliesslich um das Jahr ı600 die Offizialate nach Mols heim verlegt und dort einer völligen Umgestaltung unter zogen wurden, die ihnen teilweise einen ganz neuen, der Stadt ferner liegenden Wirkungskreis zuwies.

Auf diesen hier nur angedeuteten Entwicklungsgang de geistlichen Gerichte im 16. Jahrhundert an dieser Stelle nähe einzugehen, ist nicht meine Absicht; das soll nach Samm lung und Sichtung des einschlägigen Quellenmaterials eine! späteren Arbeit, die unmittelbar an den hier vorgelegt Aufsatz anschliessen wird, vorbehalten bleiben. Zugleich bemerke ich, dass ich mir natürlich klar darüber bin, dass mit den Ausführungen, die ich hiermit beende, de ungeheuer reichhaltige Geschichte der Strassburger of- zialate im Ausgang des Mittelalters auch nicht annähernd erschöpft ist; so viele Probleme, wie die Stellung def Gerichtsnotare in den Streitigkeiten zwischen Stadt und Stift, die Frage, inwieweit in Strassburg ein freies, V den Offizialaten unabhängiges Notariatswesen bestanden habe, die Frage, aus welchen Bildungs- und Gesellschafts

1) Vgl. diese Zeitschrift, Bd. 28, S. 430 und das dort zitierte Material ?) Einzelnes darüber im Strassb. Stadtarch. AA 1534.

ll

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 253

-` schichten sich die Gerichtsbeamten rekrutierten, und „manches andere sind kaum berührt, zum Teil überhaupt

“„übergangen worden, weil mir selbst hier noch vieles unklar - geblieben ist und sich weitere Quellenstudien als notwendig “erwiesen haben. Besonders reizvoll und lehrreich wird es

:;. aber sein, die doch bereits ziemlich umfangreiche Literatur

terr

» über die geistlichen Gerichte in anderen Diözesen, vor allem «n für die gesamte Mainzer Kirchenprovinz, heranzuziehen und -= die darin enthaltenen Angaben dem für Strassburg ge- „.wonnenen Bild gegenüber zu halten. Ein Vergleich wird

„.. lehren, dass die Strassburger Entwicklung, soviel sie auch

c, mit denen anderer Offizialate gemeinsam hat, doch so manche, . auffällige und singuläre Erscheinungen aufweist, wie sie .. sich aber lange nicht in dem gleichen Umfang höch- ..stens noch in Basel vorfinden. Das alles soll in der Ein-

leitung zu der von mir geplanten Ausgabe der Statuten

und sonstiger Akten zur Geschichte der Strassburger geist-

a; lichen Gerichte nachgeholt werden, wo sich wohl auch

. manche Ergänzung und Richtigstellung zu den hier vor-

gelegten vorläufigen Resultaten finden wird. Mehr als

. einen ersten Entwurf will ja dieser Aufsatz nicht bieten;

ich hoffe, dass er doch mit Vorteil benutzt werden kann, zumal da er erste Spatenstiche in ein beinahe unberührtes Neuland geführt hat.

(Die Beilagen folgen im nächsten Heft.)

244 | Stenzel.

Die Stadt war wohl weniger erbaut von dieser Wen- dung, machte aber doch gute Miene zum bösen Spiel, da ihr ja doch die Deklarationsurkunde und das Mandat des Kaisers, dass sie sich selbst in ihrer Freiheit handhaben dürfe, auch für die künftige Zeit als wirksame Abwehr und als Drohmittel bei etwaigen Übergriffen der geistlichen Gerichte frei zur Verfügung standen. Auch hatte sie sich zweifellos vorher mit Martin besprochen, wie weit sie in ihren Zugeständnissen gehen und welche Forderungen sie erheben wollte. Mittelpunkt der Erörterung war ja die vielumstrittene Frage der Remission, d. h. ob und in welchen Fällen die geistlichen und weltlichen Gerichte gegenseitig zur Überweisung der vor ihnen eingelegten Klagsachen verpflichtet waren und wer darüber zu ent- scheiden hatte. Ein Vorschlag, den Dr. Weltzer dem Rat unterbreitete!), ging zunächst auf die Einzelfälle, die den Streit mit heraufbeschworen hatten, ein, verlangte hier, vor allem im Prozess Jörger-Sickingen, Aufhebung und Un- gültigerklärung aller bisher unternommenen Rechtsschritte und machte die Zurückziehung der Appellation, die Jörger beim Kaiser eingelegt hatte, von der Abstellung der Be- rufung des Domkapitels an den Papst abhängig. Aber augenscheinlich hielt man es jetzt für besser, vor Klärung der grundsätzlichen Fragen diese besonderen Fälle, deren Erledigung sich ja dann von selbst ergab, nicht anzu- schneiden. Ein übrigens der Stadt sonst sehr günstiger Entwurf Martins, wie er sich die Sache dachte?), suchte vor allem den sachlichen Kompetenzenkreis der geistlichen und weltlichen Gerichte näher zu bestimmen und Prozesse wegen Pfründengut und Stiftungen sowie Ehesachen unter Vorbehalt besonderer Bestimmungen für die Fragen der Defloration endgültig den Offizialaten zuzuweisen. Das war wohl auch wieder wenig nach dem Geschmack des Rats, der es gerne vermied, sich hier die Hände zu binden, und lieber diese Dinge im Unklaren liess, weil sich ihm dann immer genügend Spielraum zu Ausdehnung seiner Befug- nisse bot), Schliesslich fasste die Stadt die Vorschläge,

1) Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 99. ?) Ebenda fol. 84. 3) Vgl. meine Ausführungen diese Zeitschrift Bd. 29, S. 388 ff.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 245

die sie unter Wahrung ihrer Privilegien für eine gütliche Verständigung machen zu können glaubte, unter Benutzung der Anregungen Weltzers und Martins, in sechs Artikel zusammen '): 1. Die Stadt bleibt ungestört im Genuss ihrer Freiheiten, der kaiserlichen Deklaration und aller ihrer Rechte und Grewohnheiten. 2. Willigt ein Bürger, der vom Offizial eine Ladung erhält, in das Verfahren vor dem geistlichen Gericht ohne weiteres ein, so nimmt das Ver- fahren ungehindert seinen Lauf. 3. Verlangt aber der Bürger oder der Rat im Namen des Bürgers Weisung der Sache, so muss, wenn der Kläger ein Laie ist, dem sofort entsprochen werden. 4. Ebenso soll es gehalten werden, wenn der Kläger ein Geistlicher, aber die Klagsache welt- lich ist. 5. Ist der Charakter der Sache zweifelhaft und glaubt der geistliche Richter nicht zur Weisung verpflichtet zu sein, wird aber dennoch vom Angeklagten oder vom Rat die Weisung gefordert, so soll der Richter vor den Rat kommen oder Boten schicken und dartun, warum er die Forderung nicht erfüllen wollte; geben sich die Räte mit seiner Darlegung zufrieden, dann bleibt die Sache vor dem geistlichen Gericht; genügt sie aber dem Rat nicht, sondern besteht dieser auf seinem Verlangen, dann soll der Richter die Parteien weisen. Als sechster, aber offen- bar während der Verhandlungen nicht berührter Punkt trat die einzige, auf Festlegung strittiger Grenzgebiete der beiderseitigen Kompetenzkreise abzielende Bestimmung hinzu, dass es der Defloration halb bei den Satzungen und Ordnungen der Stadt bleiben, aber eigentliche Ehesachen vor dem geistlichen Gericht verhandelt werden sollten. Diese Artikel konnten nach Ansicht der Stadt die Basis für eine Verständigung abgeben.

Inzwischen hatte man eine regelrechte fünfköpfige Vermittlungsinstanz gebildet: dem Fiskal als eigentlichem Mittelsmann waren dem damaligen Brauch gemäss von beiden Parteien je zwei Beisitzer (»zusetze«) zugegeben worden: Bischof und Domkapitel, die in den Verhandlungen unter der Bezeichnung »das Stift« als eine Partei auftreten, wählten den geistlichen Vikar Andreas Hartmann und den hinteren

ı) VDG Bd. 117 fol. 96.

246 Stenzel.

Offizial Nicolaus Sachs, die Stadt den Altammeister Marx Kerling und das Ratsmitglied Jörg Berer. Die gegen- seitigen Auseinandersetzungen und der Austausch der Ant- worten wurden durchweg auf schriftlichem Wege erledigt.

Die Stadt händigte zunächst zur Bekundung ihrer Meinung ein Schriftstück, das die eben gekennzeichneten Artikel enthielt, dem Fiskal ein, der es an die Vertreter des Stifts zur Erwiderung weitergab. In ihrer Antwort!) nahmen diese Artikel ı des städtischen Vorschlags, jedoch mit dem Hinweis, dass die kaiserliche Freiheit nur weltliche Sachen betreffe, an, ebenso Artikel 2; auch in Artikel 3 willigten sie ein, machten aber den Vorbehalt, dass der Kläger ein Laie sein müsse und zuvor nicht auf den Ge- nuss der Freiheit verzichtet oder sich freiwillig dem geist- lichen Richter unterworfen haben dürfte. Mehr Schwierig- keiten machten sie aber schon bei Punkt 4, da sie diesen Artikel als der hergebrachten Übung der geistlichen Ge- richte zuwiderlaufend betrachteten, nach der auch in Fällen, da der Geistliche Kläger sei, das geistliche Forum allein zuständig sei. Immerhin versprachen die vom Stift er- . nannten Beisitzer, mit Bischof und Kapitel wegen dieser Frage noch einmal zu reden, und gaben der Hoffnung Ausdruck, diese würden um des Friedens willen die For- derung der Stadt zugestehen, dass in all solchen Fällen der Beklagte gewiesen werde, sofern er nicht auf Genuss der Freiheit verzichtet oder nicht freiwillig sich dem geist- lichen Richter unterworfen habe. Auf die meisten Be- denken und Schwierigkeiten stiess bei ihnen, wie ja voraus- zusehen war, der fünfte Artikel. Sie legten dar, in allen Fällen, wo der Beklagte Weisung begehre wegen des weltlichen Charakters der Klagsache, der Kläger aber dem aus bestimmten, von ihm vorgetragenen Ursachen wider- spreche und so die Sache der Weisung zweifelhaft werde, müsse billigerweise die rechtliche Untersuchung und Ent- scheidung über die Berechtigung der vom Kläger vor- gebrachten Gründe dem geistlichen Richter überlassen werden; allerdings sei dieser verpflichtet, in der Haupt- sache nicht rechtlich vorzugehen, ehe diese Frage end-

!) Strassb. Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 97 f.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 247

gültig geklärt sei. Des weiteren wollten sie auch nichts davon wissen, dass der geistliche Richter in solchen An- gelegenheiten unter Umständen auf Wunsch des Rats ver- pflichtet sein sollte, vor den Rat zu kommen oder seine Vertreter zu schicken; kein Wunder, da sie ja sonst die Vorrangsansprüche des weltlichen Stadtgerichts anerkannt hätten. Sie meinten, der Rat hätte, sofern er vom Öffizial Bericht über irgend eine Weisungssache wünsche, allen Anlass dazu, diesen durch seinen Boten, den die Stadt ja doch, wenn sie die Weisung auf Ansuchen des Beklagten vom Offizial verlange, ins geistliche Gericht schicken müsse, bei dem geistlichen Richter einzuholen. Am energischsten war aber ihr Widerspruch gegen das Ansinnen der Stadt, dass in den Fällen, wo dem Rat die im Bericht des Offi- zials vorgebrachten Gründe für die Verweigerung der Weisung: nicht genügten, sondern ihm die Remission für angebracht schien, der geistliche Richter gezwungen sein sollte, die Parteien zu weisen. Das lief nach ihrer Dar- legung der hergebrachten Gewohnheit und den Bestimmun- gen des geschriebenen Rechts zuwider, dass ein jeder Richter allein kraft seiner Pflicht handeln sollte; dem geistlichen Richter wäre es aber nicht mehr möglich diesen Rechtsgrundsatz zu entsprechen, wenn er nach Erkenntnis der Räte und nicht nach seinem Gewissen urteilen müsste. Auch hätte, selbst wenn der Offizial der Forderung der Stadt sich fügen würde, der Kläger Recht und Fug, gegen ein solches, das gemeine Recht verletzende Urteil Berufung an die höhere Instanz einzulegen, wodurch dem Ange- klagten wie dem Richter nur Unkosten und Schaden er- wüchsen. Aus diesen Gründen lehnten die Vertreter des Stifts die Annahme des fünften Artikels der Stadt in den meisten Punkten entschieden ab; aber zur Bezeugung ihres guten Willens und ihrer Entschlossenheit, widerrechtlich keine Sache vor ihren geistlichen Gerichten zu behalten, erklärten sie sich zu dem Zugeständnis bereit, dass die Offiziale künftig ausser ihrem gewöhnlichen Amtseid schwören sollten, dass sie nur die Sachen, die nach ge- meinem Recht dahin gehörten, vorihrem Forum behalten und alle übrigen ohne jede Weigerung vor das zuständige Gericht überweisen würden; dafür verlangten sie alierdings

248 Stenzel,

einen entsprechenden Schwur von Meister und Rat der Stadt. Im übrigen, meinten sie, würde man über die sonst etwa bestehenden Irrungen rasch einig werden, falls man über diese oben erörterten Fragen eine Verständigung erzielen könnte. Die alten Streitpunkte, von denen die ganzen Auseinandersetzungen seinerzeit ihren Ausgang genommen hatten, traten also wieder, wenn auch in etwas verändertem, juristisch zugestutzten Gewande, mit voller Deutlichkeit hervor; wieder drehte es sich um den von beiden Seiten mit gleicher Hartnäckigkeit verfochtenen Anspruch auf Prüfung und Entscheidung in allen Weisungs- angelegenheiten, wobei diesmal allerdings hüben wie drüben, vor allem aber von seiten des Stifts, in kleinen neben- sächlicheren Fragen mehr Nachgiebigkeit an Tag gelegt wurde wie früher. Trotzdem standen die gegenseitigen Meinungen in einem unlöslichen Widerspruch zueinander.

Damit man zu einem Ergebnis käme, liessen die Ver- treter der Stadt in ihrer Erwiderung dann den hart um- strittenen Punkt fürs erste einfach fallen, ohne natürlich ihre Ansprüche irgendwie aufzugeben; sie erklärten, die sehr weitläufige Meinung des Bischofs und des Kapitels brauchten sie nicht anzunehmen und legten nun in einem ausführlichen Überblick über Entstehung und Entwicklung der gegenwärtigen Streitigkeiten unter Berufung auf ihre (zerichtsfreiheit, auf den ihnen vom Bischof am Beginn seiner Regierung geschworenen Eid, auf den von Meister und Rat geleisteten Schwur, dass sie in ihrer Amtszeit alle Rechte, Gewohnheiten und Freiheiten der Stadt in deren Interesse handhaben würden, und auf die Deklaration dar, dass sie zu ihren Forderungen wohl Grund und Ursache hätten; falls die Gregenpartei sie nicht in dem ruhigen Besitz ihrer Freiheit und der Deklaration belassen wollte, so wiesen sie auf das an die Stadt ergangene kaiserliche Mandat hin, das dem -Rat direkt gebiete, sich bei ihren Privilegien selbst zu handhaben. Um aber den Anschein zu meiden, als wollten sie dem geistlichen Gericht in seiner ordent- lichen Jurisdiktion und Gerichtszwang Eintrag oder Ab- bruch tun, gingen sie auf die in der Antwort ihrer Gegen- partei zuletzt gegebene Anregung ein und erboten sich künftig, wie es jeher ihr Wunsch gewesen, von den bei

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 249

ihnen vorgebrachten Klagsachen alle die, welche, soweit sie das erkennen könnten, vor geistliches Gericht gehörten, nicht vor dem eigenen Forum zu behalten, sondern an die Offizialate zu überweisen. Diese Erklärung der Stadt fand bei Bischof und Kapitel ohne weiteres Billigung; sie gaben ihrerseits das Versprechen ab, sie würden bei ihren Offi- zialen darauf sehen, dass diese alle Klagsachen, die vor sie kämen und vor einen weltlichen Richter gehörten, auch entsprechend überwiesen; zugleich erklärten sie mit Rück- sicht auf die in der Darlegung der Stadt berührten Zwischen- fälle der letzten Zeit, es sei nie ihre Absicht gewesen, gegen die Freiheit der Stadt zu verstossen und wofern ihre Untergebenen sich irgend eine Verfehlung in dieser Hinsicht hätten zu schulden kommen lassen, so sei das ohne ihren Befehl geschehen; sie wollten dafür sorgen, dass künftig derartige Dinge nicht mehr vorkämen. Gegen diese Äusserung der Widerpartei hatten die Vertreter der Stadt auch nichts einzuwenden; sie bedang sich nur aus, dass künftig ihrer Freiheit einschliesslich der Deklaration kein Eintrag geschehe. Ebenso nahmen sie auch das An- erbieten an, das sich auf die Weisung der Offiziale bezog, wollten das jedoch dahin verstanden wissen, dass in allen Fällen, wo der Beklagte Bürger sei und die Stadt über dessen Sache Bescheid wisse, auf das auf Grund der städtischen Freiheit an den Offizial gerichtete Ersuchen des Rats hin der geistliche Richter unbedingt die Weisung zugestehen müsse; falls je darin anders gehandelt werden sollte, so würden sie sich an das kaiserliche Mandat und ihre vorher gegebene Antwort halten.

Da Bischof und Kapitel diesen letzten Bescheid der Stadt, obwohl er in der Frage der Weisung die alten, von ihnen abgelehnten Forderungen wieder aufgriff, bedingungs- los annahmen, war der gewünschte Ausgleich hergestellt. Am 5. Februar gaben der Kanzler Quinckener von Saar- burg im Namen des Bischofs, Heinrich von Henneberg im Namen des Kapitels, der Altstettmeister Ritter Friedrich Bock, sowie die Ratsmitglieder Gottfried von Hohenburg und Bechtold Offenburg die feierliche Erklärung ab, dass sie die gesamte Abrede, besonders die letzte endgül-

tige Meinung, d. h. also die letzte, von der Gregenpartei Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. N. F. XXX. z. 17

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angenommenen Antwort (»Rede«) der Stadt, treulich ein- halten wollten, worauf der Fiskal und seine vier Beisitzer das über die Verhandlungen und die endgültige Verein- barung aufgesetzte Dokument besiegelten!), Da die be- stehenden Irrungen zwischen Stift und Stadt damit für endgültig beigelegt galten, war Martins Ziel erreicht; er verliess die Stadt, um weiter seinen Aufträgen im Reich nachzugehen.

Von den einzelnen Streitfällen verlautet in unseren Akten nichts mehr; man wird ruhig annehmen können, dass sie alle, wie etwa der Prozess Jörger-Sickingen, nach dem Wunsche des Rats erledigt wurden. Auch hatten wohl im Zusammenhang damit die Domherren ihre Appella- tion an den Papst, ebenso lörger die seinige an den Kaiser inzwischen endgültig zurückgezogen. Nach den über andert- halb Jahren andauernden erregten Diskussionen setzte nun wieder eine längere Pause der Ruhe ein.

Welches war nun aber das Ergebnis dieser wechsel- vollen Verhandlungen und eifrigen Bemühungen beider Parteien? Für die Stadt war die Bilanz nicht ungünstig, wenngleich sie auf manches hatte verzichten müssen: die Deklaration und das zugleich an sie ergangene Mandat, laut dessen sie selbst die nötigen Massregeln treffen durfte, um sich im Besitz ihrer Gerichtshoheit gegen Übergriffe, von Bischof und Kapitel zu schützen (»handhaben«e), waren Errun- genschaften von dauerndem Wert. Von der gütlichen Abrede kann das nur bedingt gesagt werden. Allerdings war von den masslosen Ansprüchen, wie sie das Domkapitel in seiner Appellation an den Papst vertreten hatte, nicht mehr die Rede; die Inhaber der geistlichen Gerichte hatten die Beobachtung des Inhalts der städtischen Gerichtsfreiheit und der Deklaration ausdrücklich versprochen; sie hatten gelobt, alle vor ihrem Forum eingelegten Klagsachen welt- lichen Charakters an das Stadtgericht zu überweisen, wenn der Beklagte ein Bürger war, ja sie hatten sich durch die Annahme der letzten »Rede« der Stadt zur bedingslosen Weisung der Klagsachen verpflichtet, wenn die Stadt diese

1) Original des Domkapitels im Bezirksarch. Strassb. G 2723 (12), das der Stadt im Strassb. Stadtarch. AA u. 1536; Entwürfe dazu im Stadtarch. VDG Bd. 117, fol. 90—95; Kopie im Stadtarch. Briefbuch C fol. 300 ff.

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nach eingezogenem Bericht im Namen ihres Bürgers ver- langte. Zwar wurde die letztere Bestimmung, die auch geistliche Sachen betreffen konnte, durch das Erbieten der Stadt, sämtliche vor dem Rat eingelegten Klagsachen, wenn ihnen von diesem geistlicher Charakter zugebilligt wurde, an die Offizialate zu überweisen, wieder eingeschränkt; ausserdem hatte der Rat von seiner Forderung, dass alle Klagen gegen seine Bürger zunächst einmal ohne Aus- nahme bei ihm eingelegt werden müssten, zugunsten der Offizialate in gewissem Sinne aufgegeben. Aber sowie man die in der über die Abrede aufgesetzten Urkunde weit von einander entfernten. Bestimmungen zusammenstellt, ergibt sich klar, dass die Stadt, was sie ausdrücklich nicht hatte erreichen können, sich auf Umwegen geradezu erschlichen hatte: das Recht, in den allermeisten Fällen über die Weisungen zu entscheiden. Ob das Domkapitel und der Bischof sich wirklich durch die Stadt und den Mittelsmann so hatten übertölpeln lassen? Es erscheint kaum glaublich; jedenfalls konnte man von vornherein von ihnen erwarten, dass sie alle aus der Abrede abgeleiteten Ansprüche dieser Art nie anerkennen würden. Also lag hier schon eine Quelle für neue Streitigkeiten. Dazu kam aber noch, dass Stadt und (Geistlichkeit sehr verschiedene Anschauungen darüber hatten, was als geistliche, und was als weltliche Klag- sache zu betrachten war, und dass man nach schwachen Ansätzen es geradezu prinzipiell unterlassen hatte, wenig- stens in einigen Punkten über diese grundlegende Frage Klarheit zu schaffen, -- eben in der bestimmten Voraus- sicht,. dass darüber doch keine Einigkeit zu erzielen war. Schon aus diesen Gründen konnten die Träger der geistlichen Jurisdiktion die weitgehenden Befugnisse, die die Stadt durch die Abrede in die Hand bekam, nicht un- angefochten lassen. Wenn aber der Rat einer Sache welt- lichen, die geistlichen Richter der gleichen geistlichen Charakter zuerkannten, dann konnten beide Parteien von ihrem Standpunkt aus mit Recht einzelne Bestimmungen der Abrede zu ihren Gunsten geltend machen und eine neue Irrung war wieder heraufbeschworen. Da der Ver- gleich so jeder sicheren Grundlage entbehrte, konnte er eben keine dauernde, gesicherte Verhältnisse schaffen. 17*

252 Stenzel.

Das zeigte sich denn auch alsbald: schon im Jahr 1493 kamen bei den durch den Franckschen Handel veranlassten Auseinandersetzungen die alten Streitigkeiten wegen des geistlichen Gerichts wieder zur Erörterung, wenngleich sie freilich nur als Nebensache behandelt wurden!); besonders heftig tobte aber der Kampf von ı505 an Jahre lang, als die Stadt dem geistlichen Gericht das Frönungsrecht aufs stärkste zu beschneiden oder gar zu entreissen suchte?); in diesen Händeln konnte dann der Nachfolger Dr. Weltzers, Sebastian Brant, seine juristischen Fähigkeiten zur Geltung bringen. Die Strassburger Offizialate behielten noch bis tief in die Reformationszeit hinein im Rechts- und Geschäfts- leben der Stadt ihre grosse Wichtigkeit; erst in der zweiten Hälfte des ı6. Jahrhunderts ging ihnen Stück um Stück ihre alte Bedeutung verloren; am Ausgange des Jahrhun- derts waren sie im völligen Verfall. Die Reibungen und Zusammenstösse mit der städtischen Verwaltung dauerten aber unvermindert fort, ja verschärften sich ständig, bis schliesslich um das Jahr 1600 die ÖOffizialate nach Mols- heim verlegt und dort einer völligen Umgestaltung unter- zogen wurden, die ihnen teilweise einen ganz neuen, der Stadt ferner liegenden Wirkungskreis zuwies.

Auf diesen hier nur angedeuteten Entwicklungsgang der geistlichen Gerichte im 16. Jahrhundert an dieser Stelle näher einzugehen, ist nicht meine Absicht; das soll nach Samm- lung und Sichtung des einschlägigen Quellenmaterials einer späteren Arbeit, die unmittelbar an den hier vorgelegten Aufsatz anschliessen wird, vorbehalten bleiben. Zugleich bemerke ich, dass ich mir natürlich klar darüber bin, dass mit den Ausführungen, die ich hiermit beende, die ungeheuer reichhaltige Geschichte der Strassburger Off- zialate im Ausgang des Mittelalters auch nicht annähernd erschöpft ist; so viele Probleme, wie die Stellung der Gerichtsnotare in den Streitigkeiten zwischen Stadt und Stift, die Frage, inwieweit in Strassburg ein freies, von den Öffizialaten unabhängiges Notariatswesen bestanden habe, die Frage, aus welchen Bildungs- und Gesellschafts-

I) Vgl. diese Zeitschrift, Bd. 28, S. 430 und das dort zitierte Material. °) Einzelnes darüber im Strassb. Stadtarch. AA 1534.

Geistliche Gerichte zu Strassburg im 15. Jahrhundert. 253

schichten sich die (rerichtsbeamten rekrutierten, und manches andere sind kaum berührt, zum Teil überhaupt übergangen worden, weil mir selbst hier noch vieles unklar geblieben ist und sich weitere Quellenstudien als notwendig erwiesen haben. Besonders reizvoll und lehrreich wird es aber sein, die doch bereits ziemlich umfangreiche Literatur über die geistlichen Gerichte in anderen Diözesen, vor allem für die gesamte Mainzer Kirchenprovinz, heranzuziehen und die darin enthaltenen Angaben dem für Strassburg ge- wonnenen Bild gegenüber zu halten. Ein Vergleich wird lehren, dass die Strassburger Entwicklung, soviel sie auch mit denen anderer Offizialate gemeinsam hat, doch so manche, auffällige und singuläre Erscheinungen aufweist, wie sie ‚sich aber lange nicht in dem gleichen Umfang höch- stens noch in Basel vorfinden. Das alles soll in der Ein- leitung zu der von mir geplanten Ausgabe der Statuten und sonstiger Akten zur Geschichte der Strassburger geist- lichen Gerichte nachgeholt werden, wo sich wohl auch manche Ergänzung und Richtigstellung zu den hier vor- gelegten vorläufigen Resultaten finden wird. Mehr als einen ersten Entwurf will ja dieser Aufsatz nicht bieten; ich hoffe, dass er doch mit Vorteil benutzt werden kann, zumal da er erste Spatenstiche in ein beinahe unberührtes

Neuland geführt hat. (Die Beilagen folgen im nächsten Heft.)

Der Titel »Herzog von Zähringen«. Von

t Hermann Flamm.

Seit den Tagen des Bischofs Otto von Freising hat der Titel »Herzog von Zähringen« die Historiker beschäftigt. Aber während der grosse Chronist mit den Worten »vacuum nomen ducis: das Problem, wie sich zeigen wird, an seiner richtigen Stelle traf!), haben seine Nachfolger an der Ver- bindung des vornehmen Herzogtitels mit dem Namen einer kleinen Burg Anstoss genommen oder haben doch zum mindesten geglaubt, dieser Burg besonderes Ansehen zu- schreiben zu müssen. Es erübrigt sich, auf die nicht geringe Literatur einzugehen, die sich an die Erörterung dieser ältesten »Miszellee der Deutschen Verfassungsgeschichte knüpft. Die Hauptzüge hat Albert in seiner Geschichte der Burg Zähringen?) neuerdings zusammengestellt; über die viel diskutierte Frage des Zusammenhangs der erwähnten

1) Ottonis Gesta Friderici I imperatoris. Herausgegeben von G. W aitz in den Scriptores Rerum Germanicarum in usum scholarum. Hannoverae 1884 S. 20 f. Die ganze Stelle lautet: »At supra nominatus Berhtolfus vacuum exhinc nomen ducis gerens, id quasi hereditarium posteris reliquit; omnes enim usque ad presentem diem duces dicti sunt, nullum ducatum habentes soloque nomine sine re participantes nisi quis ducatum esse dicat comi- tatum inter Jurum et montem Jovis, quem post mortem Wilhelmi comitis filius suus Conradus ab imperatore Lothario suscepit, vel a ducatu Carentano, quem numquam habuerunt, ducis eos nomine honorandos contendat —, in aliis tamen rerum et honoris:non parva pollentes magnificentia.e ?) Albert, P. P. Zähringen, Die Burg und ihre Besitzer. Zeitschrift der Gesellschaft für Be- förderung der Geschichts-, Altertums- und Volkskunde von Freiburg, dem Breisgau und den angrenzenden Ortschaften. 28. Band. Freiburg i. Br. 1912 S. 10 ff.

Der Titel »Herzog von Zähringen«. 255

Benennung mit dem Titel eines Herzogs von Kärnthen referiert er ausführlich, ohne jedoch auf den Streit der Meinungen durch eine eigene Stellungnahme näher sich einzulassen. Mit Recht bestreitet er einen innern Zusammen- hang zwischen dem Familiennamen Zähringen und dem Herzogtite. Indem er jedoch mit der Erklärung des erstern sich begnügt, ist ihm der Kernpunkt des Problems ebenfalls entgangen. Die Wahl des Namens Zähringen ist allerdings allein durch den Hinweis auf eine seit Mitte des elften Jahrhunderts auftretende, seit 1100 aber sich allge- mein einbürgernde Sitte des Hochadels, übrigens noch mehr des niedern, zu erklären, die darin bestand, dass dem Taufnamen der Name einer Burg hinzugefügt wurde. Aber diese Sitte bedarf für die Inhaber von Herzogtiteln des Nachweises, und wenn nun zwischen Name und Titel zu scheiden ist und die Sitte nur den erstern erklärt, so stehen wir vor der Frage, die die einzige Schwierigkeit unseres Problems bildet: Wie konnten die Zähringer ohne Herzog- tum sich Herzöge nennen? Ich begnüge mich, die Ant- wort in aller möglichen Knappheit zu versuchen und freue mich, dass dabei die früher in dieser Zeitschrift aufgestellte Hypothese von der Entstehung der Markgrafschaft Baden um das Jahr ı100!)im Zusammenhang mit der erstmaligen Erwähnung des Herzogtitels von Zähringen eine neue Be- stätigung, sicher aber eine weitere Vertiefung erfährt; als ein willkommenes Nebenergebnis begrüsse ich die neuen Gesichtspunkte, die auch für die umstrittene Deutung einiger Stellen der ältesten Freiburger Verfassungsurkunden hervor- treten.

Die Gliederung dieser Untersuchung gestaltet sich dem- nach einfach. Das erste wird der Nachweis sein, dass in der Tat auch die Inhaber der höchsten Reichsämter zu der für uns in Frage kommenden Zeit nach ihren Burgen sich benannten. Ich brauchte, um es zu beweisen, aus der Reihe der heute noch regierenden lürstengeschlechter nur an die Häuser der Hohenzollern, Brandenburg, Habs- burg, Baden-Zähringen, Württemberg, Wittelsbach, Wettin,

1) Vgl. meinen Aufsatz »Ein neues Blatt des Rotulus San Petrinus aus dem Freiburger Stadtarchive. Diese Zeitschrift 1913 S. 77 ft.

256 | Flamm.

Koburg, Braunschweig, Oldenburg usw. hinzuweisen; auch hat Heyck zur Milderung der angestaunten Verbindung des Herzogtitels mit dem Namen der Burg Zähringen auf eine weitere Parallele zu diesem Beispiel aufmerksam ge- macht’): in einer Urkunde von 1105 nennt sich Herzog Welf trotz Verlust seines Herzogtums »dux de Altorfe. Manchen dürften diese Beispiele noch nicht genügen. Ohne jedes Streben nach Vollständigkeit füge ich daher noch einige weitere Fälle hinzu; ihre Zahl könnte bei syste-

matischer Durchsicht der Urkundenbücher literarische Quellen habe ich überhaupt nicht benützt, um gewisser- e massen nur amtliches Material zu geben sicher noch

leicht vermehrt werden. Um dann weiter im zweiten, um- fangreicheren Teil dieses Aufsatzes die Sitte der Benennung nach Burgen zu erklären und um zu zeigen, wie im Lauf des elften und zwölften Jahrhunderts die alten Amtstitel in vielen Fällen zu blossen Titulaturen werden konnten, dehne ich die Zusammenstellung auf Markgrafen und Grafen aus. Das Gleiche könnte auch für die übrigen Ämter, wie Pfalzgraf, Kämmerer, Truchsess, Marschall, ja selbst Land- graf an Beispielen illustriert werden, würde aber hier zu weit führen.

Verwandter Art wie die gleich zu erwähnenden Namen aus der Zahl der Herzöge, Markgrafen und Grafen ist schon der Titel eines »Königs von Jerusalem«, den sich Balduin, der Bruder des Herzogs Gottfried von Bouillon, nach Er- oberung der heiligen Stadt beilegte.e Nach Analogie der folgenden Beispiele ist es mir nicht zweifelhaft, dass hier nicht die Stadt, sondern die Burg Jerusalem den Namen gab.

Aus der Zahl der Herzöge notierte ich folgende Namen. Im Anschluss an den ebengenannten König Bal- ` duin sei dabei gleich daran erinnert, dass sein Bruder Gottfried, der Herzog von (Nieder)-Lothringen den Zusatz »von Bouillon« führte. Im Jahr 1100 erscheint zum ersten Mal der »dux de Zeringen«?). Das Beispiel des Herzogs Welf, »ducis de Altorf« ist schon erwähnt. Von besonderem

1) Heyck, E. Geschichte der Herzoge von Zähringen. Freiburg i. Br. 1891 S. 186 Anm. 614. ?) Heyck a. a. O. S. 185 f.

Der Titel »Herzog von Zähringen«. 257

Interesse sind wegen des Schwankens in der Führung des Herzogtitels die unten noch näher zu besprechenden Her- zoge von Limburg'). Dazu kommen:

Um 1130?) dux Karinthie Heinricus de Eppenstein.

11568) dux Fredericus de Stoupha (1166 Fridericus dux de Stoupha)?).

11625) dux Welfo de Rafensburch.

11656) Fridericus dux de Rothenburg.

11787) Egilolphus dux de Urselingen.

1 1808) dux Cinradus de Dachowe.

11869) Heinricus dux de Medlinc.

119010) Heinricus dux Lovaniae.

t1921!) Cunradus dux de Rotenburc.

119312) Bertholdus dux Meranie.

119513) Heinricus dux de Bruniswic.

1190714) Henricus filius ducis de Lempuro.

119915) dux de Bites.

120716) Bernhardus dux de Anehalt.

122017) Albertus dux de Berneburch.

Die gleiche Sitte in der Benennung nach Burgen mögen für den Markgrafentitel folgende Beispiele bezeugen: 110318) Heinricus marchio de Ilenburc, Uto marchio de

Staden. | 113419) Chuonradus marchio de Misine, Heinricus marchio de Glogou, Adalbertus marchio de Hiltagespurch.

1) Ficker, J. Vom Reichsfürstenstande Bd. I. Innsbruck 1861 S. 89 $ 60. ?) Hahn, J. Urkundenbuch des Herzogtums Steiermark. Bd. I Graz 1875 S. 139. ®) Monumenta Boica Vol. XXIX S. 135, 324, 325. *) Posse, Otto. Urkunden der Markgrafen von Meissen und Land- grafen von Thüringen. Erster Hauptteil Bd. II Leipzig 1889 S. 227, 228, 229. *) Urkundenbuch der Abtei St. Gallen, Teil MI (St. Gallen 1882) S. 44. °) Monum. Boica Vol. XXIX S. 375, 376. ') Albrecht, K. Rappoltsteinisches Urkundenbuch, Bd. I Colmar 1891 S. 49. °!) Württem- bergisches Urkundenbuch Bd. II (Stuttgart 1858) S. 210. °) Monumenta Boica Vol. XXIX S. 35. '%) A. v. Müller. Regesten zur Geschichte der Salzburger Erzbischöfe. Wien 1866 S. 153 Nr. 60. !!) Urkundenbuch der Stadt Strassburg. Bd. I (Strassburg 1897) S. 107. 12) Monumenta Boica Vol. XXXII Pars I S. 97. 13) Posse a. a. O. S. 409. 14) Ebenda S. 18. 15) Ebenda S. 34. !°) Monumenta Boica Vol. XXIX S. 538. 17) Ficker, J. Vom Reichsfürstenstand. S. 202. § 156. 1°) Monu- menta Boica XXIX S. 219. 19) Ebenda S. 263.

258 Flamm.

1147 ') marchio Engilbertus de Kreiburc.

1154?) Pertolfus marchio de Cambe.

11588) marchio Diepoldus de Voheburch.

11724) Otto marchio de Witingen.

11775) Dietricus marchio de Lusiz.

11806) marchio Otto de Orlemonde.

11857) Heinricus marchio de Rümesberc.

1185°) Bertholdus marchio de Andehse (der vollständige Titel lautet 1171 Bertholdus marchio Histriae et comes de Andehse?).

120910) Conradus marchio de Landesberg.

121511) Diepoldus marchio de Hohenburg.

123412) Heinricus marchio de Burgaue.

Für den Grafentitel hat Friedrichs?3) den beherrschen- den Einfluss der Burg in der Benennung der Grafschaften der Rheinlande gezeigt. In dem von ihm untersuchten Gebiet treten im elften und zwölften Jahrhundert 31 nach Burgen benannte Grafen auf. Nur bei ı5 bzw. ı7 von ihnen ist eine ältere Grafschaft als ursprüngliche Grund- lage der späteren Herrschaft nachzuweisen; bei einem Teil wird der Zusammenhang nicht mehr erkennbar sein, bei dem Rest aber muss es sich nach Friedrichs um wahre Neubildungen handeln, indem die Burgherren unter Exem- tion von der alten Grafschaft die gräflichen Rechte über ihre Grundherrschaften erhielten 14). Dabei müssen wir uns vorstellen, die Verbindung von Amtstitel und Burg be- zeichnete vorerst nur den Inhaber der Burg!5). Die Bei- spiele aus der Zahl der Herzöge und Markgrafen beweisen

1) Monumenta Boica Band I S. 219. ?) Ebenda Band XXIX S. 313. °) Ebenda Band III S. 539. *) Ebenda Band XXIX S. 41}. 5) Ebenda S. 427. °) Urkundenbuch der Stadt Basel. Band I (Basel 1890) S. 35. 7 Albrecht, K., Rappoltsteinisches Urkundenbuch Band I S. 54. 8) Monumenta Boica Band XXXI S. 425. °?) Ebenda Band XXIX S. 404, (1180) 439, (1182) 445. !%) Ebenda Band XXXI S. 473. !!) Ebenda Band XXX S. 25. 12) Ebenda Band XXX S. 216. !3) Friedrichs, J., Burg und territoriale Grafschaften. Bonner Dissertation 1907. Auf diese wertvolle Untersuchung hat mich Herr Geh. Rat Stutz in Bonn aufmerksam gemacht. Für mancherlei wertvolle Hinweise fühle ich mich auch meinem Freund Dr: Rest an der Freiburger Universitätsbibliothek zu Dank verpflichtet. 1) Friedrichs S. 58 fl. 15) Zum Teil anders Friedrichs S. 32, vgl. jedoch S. 27.

Der Titel »Herzog von Zähringen«. l 259

dies ohne weiteres; denn Herzogtümer Zähringen, Rotten- burg, Staufen, Ravensburg, Altdorf usw. und Markgraf- schaften, wie sie oben aufgezählt wurden, hat es nie ge- geben. Ursprünglich haben wir es also oder dies kann wenigstens der Fall sein bei manchen der aufgezählten Beispiele nur mit Titularträgern zu tun, die erst im Laufe der Zeit zu ihrer Würde mehr oder minder den staats- rechtlichen Inhalt hinzuerwarben. Wo dies gelang, oder schon gegeben war, da wurde die Burg zum Mittelpunkt eines Territoriums, das sich nun nach der Burg benannte und den staatsrechtlichen Titel von ihrem Inhaber entlieh. Die Herzogtümer Anhalt, Braunschweig, Nassau, die Mark- grafschaft Baden, die Grafschaften, die Friedrichs!) zu- sammenstellt, zeigen deutlich diesen Verlauf. So konnte es kommen, dass viele Staaten des alten deutschen Reichs ihren Namen von Burgen ableiteten, wie Anhalt, Baden, Berg, Brandenburg, Braunschweig, Hohenzollern, Holstein, Jülich, Lauenburg, Lichtenstein usw., ja dass sogar einzelne Gebiete nach dem Titel ihres Inhabers benannt wurden, wie das badische Markgräflerland, und vor allem die Pfalz und die Mark (d. i. Brandenburg).

Die Burg, die so zur Zentrale eines Territoriums wurde, scheint nach allgemeiner Annahme Mittelpunkt des Allo- dialbesitzes gewesen zu sein?). Bei der Burg Zähringen war dies nicht der Fall. Sie war Reichslehen®),. Ein Herzogtum oder eine Herrschaft Zähringen konnte sich deshalb nicht bilden. Der Stützpunkt des Breisgauer Herr- schaftsgrebietes der Zähringer wurde vielmehr die im Jahr 1120, also bald nach der erstmaligen Erwähnung des Titels Herzog von Zähringen erbaute Burg und Stadt Freiburg, die auf Allodialbesitz der Gründer lag}. Wenn nun trotz-

1) S. 33 f. ?) Friedrichs S. 37 f.; Hirsch, H., Die Kloster- immunität seit dem Investiturstreit. Weimar 1913 S. 12. ?) Albert a a O. S. 24 f. Dazu vergleiche Poinsignon, "A., Die Urkunden des Heiliggeistspitals zu Freiburg i. Br. Band I (Freiburg 1890) Nr. 58: 1307 des Kúniges zinsun gegen Ceringen«. Die hier erwähnten Zinsen waren von Gütern in der auf Reichsboden gelegenen Freiburger Predigervorstadt an die Burg Zähringen oder an den kaiserlichen Hof daselbst zu zahlen (vgl. dazu Nr. 761 vom Jahr 1274). *) »In loco mei proprii iurise sagt der Stadt- gründer Herzog Konrad in der Verfassungsurkunde von 1120. Ebenso heisst

260 Fiamm.

dem dauernd als Stammburg des Geschlechts das castrum Zähringen gewählt wurde, so muss dieser Burg entweder schon lange vorher im Besitz der Bertolde eine besondere Bedeutung zugekommen sein oder aber die Erbauung bzw. Auszeichnung der kleinen Feste erfolgte erst nach vor- heriger Verständigung mit dem zuständigen Breisgaugrafen als Inhaber des Befestigungsregals, also mit Markgraf Her- mann II. aus der älteren Linie der Nachkommen Herzog Bertolds I.'). Ersteres ist ganz unwahrscheinlich, die Be- nennung »von Zähringene kommt vor 1100 nie vor, und die Burg selbst wird im Jahr 1128 zum erstenmal urkund- lich erwähnt. Auf den zweiten Teil der eben gestellten Doppelfrage wird zum Schluss noch zurückzukommen sein. Mit voller Sicherheit hat die bisherige Untersuchung eines gezeigt: Der Familienname der Zähringer geht auf die gleichnamige Burg zurück und entbehrt so sehr jeden Zusammenhangs mit dem Herzogtum Kärnthen, dass sich eine Erörterung dieser etymologischen Deutung von selbst erübrigt. »Berhtolfus nomine de castro Zeringen« schreibt Otto von Freising?) völlig unzweideutig. Ebenso klar und bestimmt unterscheidet er aber zwischen Familienname und Herzogtitel mit den Worten: »vacuum nomen ducis gerens, . omnes ... duces dicti sunt, nullum ducatum habentes soloque nomine sine re participantesęe. Die Beantwortung der weitern Frage, was dann die Verbindung dux de Zaeringen eigentlich bedeutet, ist zum Teil schon gegeben; sie setzt aber die weitere Antwort voraus, wie überhaupt ein Amtstitel ohne Inhalt von seinem Inhaber auch nach Verlust des Amtes weitergeführt und sogar auf seine Nach- kommen vererbt werden konnte. Vor der Erörterung dieser Fragen bedarf es jedoch zuerst, soweit es sich um den Herzogstitel der Zähringer handelt, der Feststellung des Tatsachenmaterials; im übrigen beschränke ich mich auch hier wieder auf die in der Geschichte der Zähringer vor allem interessierenden Titel Herzog, Markgraf und Graf.

es im Rodel »in loco proprii fundi« und in den Marbacher Annalen (MG SS. XVII S. 157) »in proprio allodio Brisaugie«.

1) Über das gräfliche Befestigungsregal vgl. Schrader, E., Das Befesti- gungsrecht in Deutschland vou den Anfängen bis zum Beginn des 14. Jabr hunderts. Göttingen 1909 S. 60 f. Vgl. auch Fehr, H., Die Entstehung der Landeshoheit im Breisgau. Leipzig 1904 S. 129 f. ?) a. a. O. S. 16.

Der Titel »Herzog von Zähringen«. 261

Die erstmalige Erwähnung des Titels Herzog von Zähringen findet sich in zwei Urkunden aus dem Jahr ıı100. Wie Heyck!) festgestellt hat, geben auch die literarischen Quellen dem Herzog Bertold II. und seinem Vater Bertold I. erst von da ab den neuen Namen; wenn sie ihn nunmehr auch für die Zeit vor ıı00 anwenden, so ist dies lediglich zurückgreifende Übertragung. Beide Fürsten hatten ein Herzogtum erhalten, Bertold I. 1061 das Herzogtum Kärnthen, Bertold II. von 1092—ı098 Schwaben, beide hatten es wieder verloren. Jenes hat der Anwärter niemals innegehabt, doch hat er durch Weiterführung des Herzog- titels stets darauf Anspruch erhoben?) oder seinem Hause die Anwartschaft auf entsprechende Entschädigung wahren wollen. Auch seine Nachkommen haben erst spät end- gültig verzichtet, sodass der Titel dux Carinthiae gelegent- lich noch bis gegen die Mitte des zwölften Jahrhunderts vorkommt®), In Zusammenhang mit dieser Politik des offenen Protests mag es dann stehen, wenn die ältere Linie des Hauses den von Kärnthen herrührenden Titel eines Markgrafen mit dem Zusatz von Verona bis in das dreizehnte Jahrlıundert weiterführte und den Markgrafen- titel, den auch Bertold II. geführt hat, ehe er noch vor seiner Wahl zum Herzog von Schwaben im Jahr 1092 den Herzogtitel sich beilegte®), für immer beibehielt und unbedenklich auf das eigene Gebiet übertrug’). Für Ber- told II. und seine Beziehungen zum Herzogtum Schwaben ist die Situation den Beziehungen seines Vaters zum Herzog- tum Kärnthen in manchem verwandt. Wenn er sich an- fänglich Markgraf nannte, obwohl der Titel nur der älteren Linie des Hauses zukam, so zeigt das, wie sehr das Ge- ‚schlecht an diesen Ansprüchen festhielt und wie leicht Amtstitel angemasst werden konnten, deutet aber vielleicht auch an, dass die Auseinandersetzung zwischen der herzog- lichen und markgräflichen Linie noch nicht abgeschlossen

1!) a. a. O. S. 185 f. ?, Siehe oben die Stelle aus Otto von Freising (S. 21), Heyck a. a. O. S. 29 f. 3) Heyck S. 293 u. Anm. 393 u. 731. 4 Bernold S. 454: »iam dudum nomen ducis habere consuevit«; vgl. Heyck S. 114. 5) Im Jahr 1152 nennt sich Markgraf Hermann »marchio de Priscowe«; Fester, R., Regesten der Markgrafen von Baden und Hach- berg 1050—1515. Band I S. 9 Nr. 98.

262 Flam m.

war. Noch vor der Wahl zum Herzog von Schwaben nannte sich Bertold wie erwäänt Herzog und er konnte diesen blossen Titel mit grösserem Rechte führen ais den eines Herzogs von Schwaben, das ihm nicht rechtmässig vom König verliehen war, sondern durch die Wahl seitens der Opposition gegen Heinrich IV. zufiel und auf das er 1098 wieder Verzicht leisten musste. Immerhin konnte er sich nach diesem erzwungenen Entsagen nunmehr in doppelter Hinsicht für berechtigt halten, den Amtstitel eines Herzogs weiter zu führen; die Rechte auf Schwaben waren freilich aufgegeben. So blieben seinem Hause nur die Ansprüche auf Kärnthen, die wie gezeigt mit ausser- gewöhnlicher Zähigkeit festgehalten wurden. Auch Ber- told IH. (1111—1122) nannte sich Herzog, vielleicht nicht schon zu Anfang seiner Regierung, sicher aber seit 1113!), und die königliche Kanzlei erkannte diese Titulatur an, denn Bertold erscheint in dem sog. Wormser Konkordat von 1122 mit dem Herzogstitel als letzter der vier avf gezählten Herzöge. Ein Herzogtum hat Bertold III. nie- mals innegehabt, ja gerade unter ihm drohte das Haus der Bertolde mehr und mehr in die Art eines kleinen gräflichen Dynastengeschlechts zurückzusinken?). Unter seinem Nach- folger Konrad änderte sich die Sachlage. Er nannte sich von Anfang an Herzog, zunächst nicht ohne Widerspruch der königlichen Kanzlei, aber seit 1127 wurde der Herzogs- titel auch von dieser wieder aufgenommen und erhielt nun durch den Titel eines Rektor von Burgund zum erstenmal, _ wenn auch nur als Notbehelf, wie Heyck richtig bemerkt, einen gewissen Inhalt. König Konrad Ill. tat kurz nach seiner Wahl im Jahr 1138 auf dem Fürstentag zu Bamberg den letzten Schritt; in einer von da ausgestellten Urkunde für das Kloster St. Blasien nennt die königliche Kanzlei den Zähringer Herzog Konrad von Burgunds’), freilich bald auch wieder gelegentlich »dux«, »dux Ceringie«, ja sogar »dux Carinthiae. Konrads Sohn, Bertold IV., er- scheint schon in einer Urkunde vom Todestag seines Vaters als Herzog von Burgund®). Von da ab ist der Herzogstitel

I) Heyck S. 231, 243. ?) Heyck S. 249. °®) Heyck S. 291 293. $) Heyck S. 331.

Der Titel »Herzog von Zähringen«. 263

des Geschlechts nicht mehr angefochten worden. So un- bestritten scheint er zu tatsächlicher Anerkennung gelangt zu sein, dass die Brüder Bertolds IV. nach dessen Tod (1186) sich seinen Titel beilegen konnten, obwohl sie ihn zu seinen Lebzeiten nicht geführt hatten. Adalbert, der ältere, nannte sich schon 1187 Herzog von Teck, Hugo, der jüngere, bald darauf Herzog von Ulenburg, aber es fehlte beiden an der Macht; es war wohl auch nicht mehr die Zeit dafür, zu dem Rang von Reichsfürsten emporzusteigen!), Bertolds Sohn, Herzog Bertold V., ist anscheinend wieder zu dem Titel »Herzog von Zähringen: zurückgekehrt; so nennt er sich wenigstens auf einem Siegel vom Jahr 12102),

Von 1061 bis zum Aussterben des Geschlechts im Jahr 1218, so können wir als Ergebnis dieser Aufzählung zu- sammenfassen, war der Herzogstitel der Bertolde staats- rechtlich nur ein leerer Titel. Bewundernswert ist an diesem Tatbestand die Energie, mit der die herzogliche, wie ihrerseits übrigens auch die markgräfliche Linie ihren Titel verfocht und, wohl dank ihrer grossen Hausmacht, aufrecht erhielt. Ganz vereinzelt, wie man- zu glauben scheint, steht jedoch dieses Vorgehen nicht da. Als Heinrich von Limburg seit 1107 des Herzogtums Niederlothringen entsetzt war, behielt er nach Ficker wie andere (Grossen in ähnlichen Fällen den Herzogstitel bei°). »Sein Sohn Walram erscheint,« so führt Ficker weiter aus, »ıı2ı und 1124 wieder als Graf; später wurde er im Herzogtume restituiert.. Seit dieses dann seinem Sohne Heinrich von König Konrad wieder entzogen war, wechselt der Titel aufs auffallendste. Er selbst nennt sich Herzog von Lim- burg, und vereinzelt wird ihm dieser Titel auch von andern gegeben, (so in einer Kaiserurkunde von ıı52 Anm. ıı bei Ficker). In Kaiserurkunden erscheint er mehrfach als Graf, vereinzelt auch in einer kölnischen. Aber sowohl in Kaiserurkunden, wie durchgehends in den kölnischen Urkunden heisst er auch schlechtweg Henricus de Lim- burg oder dominus H. de Limburg, selbst da, wo sein

Ficker, J, Vom Reichsfürstenstand. Innsbruck S. 190 f. § 140. >~’) Heyck S. 427 u. 591; hier die Beschreibung eines Siegels von 1210 mt den Resten einer Umschrift [ZARI]JNGEN. 3) Ficker S. 89 $ 6o.

264 Flamm.

Bruder neben ihm als Graf erscheint; es scheint, als habe man ihm den Titel eines Herzogs nicht gewährt, er selbst den eines Grafen verschmäht. Seinem Sohne Heinrich wird dann wieder gewöhnlich der Herzogstitel beigelegt; doch finden wir auch ihn zuweilen noch einfach als Heinrich von Limburg bezeichnet, und er selbst bedient sich 1171 des geschraubten Titels: »Ego H. filius domini Henrici filii ducis Walrami de Lemburgh«, wie er ähnlich 1178 in einer Kölner Urkunde als »dominus H. filius domini H. et nepos ducis W.« bezeichnet wird. Auch in den Aachener Annalen _ erscheint er nur als »dominus H. Limburgensise. Ägidius von Orval sagt von ihm!): »qui licet dux diceretur, nihil tamen ducis habebat, sed ex re quam tenuerunt patres eius id solum nomen usurpabat«, und bei Giselbert heisst es: »Itaque ducatum cum suis pertinentiis cuidam viro nobili, Henrico scilicet de Lemborch, contulit, et sic ille et quidam eius filius ducatum illum tenuerunt, unde postea multi de Lemborch domini?), licet duces non fuerint, tamen duces appellati sunt«. »Deshalb ist aber doch kaum zu bezweifeln.« schliesst Ficker diesen Passus, »dass die Limburger nicht zu den Edeln, sondern zu den Fürsten gezählt wurden; denn in den Urkunden erscheinen sie nicht in der Reihe der Edeln, sondern, wenn sie auch zuweilen einer Mehrzahl von Grafen nachstehen, gewöhnlich vor allen Grafen, auch da, wo ihnen selbst der Grafentitel nicht beigelegt wird; mit dem Herzogstitel wird Heinrich 1166 ausdrücklich zu den Reichsfürsten gerechnet.«

Noch ein zweites Beispiel erwähnt Ficker, das hierher gehört3). Welf, der Bruder des Herzogs Heinrich von Bayern, nennt sich gewöhnlich Herzog, auch vor der Be- lehnung mit dem Herzogtum Spoleto. Da er aber kein Reichsamt hatte, so wird er mehrfach nur als dominus Welpho bezeichnet, wurde aber trotzdem unter den Zeugen den mächtigsten Reichsfürsten gleich-, ja sogar voran- gestellt, also zweifellos als Fürst betrachtet.

Auf zwei weitere hierher gehörige Fälle hat Heyck‘) hingewiesen. Der lange Zeit landlose Welf wird in einer

1) Man beachte die Übereinstimmung mit der ähnlichen Stelle von Otto von Freising, oben S. 254 Anm. 1. ?) Das Analogon Zum dominus de Friburg! 3) S. 90 § 60. 4) S. 186 Anm. 614.

Der Titel »Herzog von Zähringen«. 265

Urkunde von 1105 dux de Altorf genannt, ebenso hiess der Sohn Welfs IV. Herzog ').

Wenn nun schon, wie gezeigt, bei der Ausbildung des Herzogstitels im elften und zwölften Jahrhundert die staatsrechtliche Konsequenz vermisst wird, so dürfen wir denselben Gang der Entwicklung noch mehr bei andern Amtstiteln erwarten und daraus auf eine gemeinsame Grundlage der verfassungsrechtlichen Tendenzen jener Zeit schliessen.

Für den Markgrafentitel bietet die Geschichte der Zähringer selbst die beste Parallele. Es ist schon erwähnt, dass die ältere Linie des Hauses bis in das dreizehnte Jahr- hundert den Titel eines Markgrafen von Verona gebrauchte, dass sie ihn unbedenklich auf ihr breisgauisches Herrschafts- gebiet übertrug, wie die Erwähnung des »marchio de Pris- cowe« von 1152 beweist, und ich brauche nur hinzuzufügen, dass 1112 zum erstenmal die Verbindung »marchio de Baduon« vorkommt, obwohl weder das eine noch das andere Gebiet je eine Markgrafschaft war, ja dass schliesslich der oberrheinische Besitz, der stets eine (Land)-Grafschaft war, den speziellen Namen des Markgräflerlandes erhielt. All dies war nur unter den schon wiederholt betonten Voraus- setzungen möglich. Ob es noch mehrere Gegenbeispiele zu dem der badischen Markgrafen gibt, ist mir nicht be- kannt; nach Ficker?) heisst Ulrich von Attems, der 1166 und 1170 den Zusatz »quondam marchio Tusciaee führt, 1173 »marchio de ÄAttems«, erscheint indes gewöhnlich als »nobilis vir« oder »dominus de Attemss, `

Beim Amtstitel des Grafen ist entsprechend der Häufig- keit des Amtes die Fülle der Beispiele, die zitiert werden könnte, eine erdrückende. Ficker) spricht mit Recht von- einem ganz willkürlichen und schwankenden Gebrauch des Grafentitels. Statt vieler Beispiele möge deshalb der Hin- weis auf Friedrichs und die unten noch zu besprechenden Fälle aus dem Breisgau, die Grafen von Nimburg und die Herren bzw. Grafen von Freiburg und die Landgrafen des

Breisgaus genügen.

1) Heyck S. 418. 2) S. 90 $60. >) S. 90 f. $ 61. Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. N.F. XXX. 2. 18

266 Flamm.

Vorerst dürfen wir wieder zusammenfassend feststellen: Herzöge, Markgrafen und Grafen, ebenso natürlich auch Land-, Pfalz- und Burggrafen, die diese Titel führen, sind nicht immer Inhaber des zugehörigen Amtes. Wer einmal ein Amt bekleidet hatte, führte den Titel fort. Den Amts- titel des Vaters, so betont Ficker!), führten oft alle Söhne, nicht lediglich der, welcher im Amte folgte, oder die jün- geren Söhne eines Herzogs oder Markgrafen nannten sich Grafen. Mit andern Worten: die alten Amtstitel waren zu vererblichen blossen Titulaturen geworden; ihre Träger führten jedoch »solo nomine sine re participantes«, den Titel aus irgend welchen Gründen weiter und leiteten daraus oft wieder die Berechtigung zu höheren Ansprüchen ab. Wie stark diese Abschleifung im Gebrauch der Amtestitel war, zeigt der Umstand, dass ihr selbst der Königstitel nicht ganz. entging, ja ihr. vielleicht zuallererst unterlag. Das Wort König bezeichnet nämlich nach dem Grimmschen Wörterbuch?) keineswegs nur den Herrscher, sondern auch des Königs Brüder, Söhne; ja alle von königlichem Stamm hiessen Könige, Königinnen und ‘dies schon als Kinder. So in den Nibelungen und Gudrun, und das nicht etwa nur dichterisch oder gar aus Ungeschick des Ausdrucks, denn es erscheint fortgesetzt bis ins 16., ja 18. Jahrhundert?).

Mit dem bisher geführten Nachweis, dass auch die höchsten Würdenträger des Reichs -sich nach Burgen

1) S. 88 8 60. ?) Deutsches Wörterbuch. Band V. Leipzig 187; Sp. 1695 Abs. 3. °) Unter c) heisst es dazu: »Das Alter und die geschicht- liche Bedeutung dieses Gebrauches sind weiter zu erforschen. Bei den Mero- wingern ist er schon von Waitz (Verfassungsgeschichte II 103) beobachtet worden, und Sp. 569 ff.: »Der Grundgedanke davon, dass das Königtum, Fürstentum, überhaupt eine angeborene Eigenschaft ist, dem ganzen Ge- schlechte unveräusserlich anhaftet, gleichsam Sache des Blutes ist, dieser uranfängliche Grundgedanke ist übrigens noch heute auf deutschem Boden wiederzufinden in dem Durchzählen der Heinriche von Reuss, auch der nicht- regierenden, in dem Titel Erzherzog, den die kaiserlichen Prinzen von Öster- reich führen; und auch in dem französischen Prinz und Prinzessin, das seit dem 17. Jahrhundert den alten Gebrauch von König, Fürst usw. verdrängte, ist er eigentlich enthalten, denn prince ist ja nichts als Fürst. Bedeutsam ist endlich, dass jener Gebrauch auch bei den Griechen gegolten haben muss, denn Königssöhne heissen bei Homer ßacıleis, Nausikaa Baoıkei« (Odyssee VI 115), und noch in Ciceros Zeit werden asiatische Königsprinzen reges genant!; beides galt auch von Vornehmen überhaupt.«

Der Titel »Herzog von Zähringen«. 267

benannten und dass ihre Titel auch ohne Amt in der Familie weitervererben konnten, sind jedoch erst Tatsachen festgestellt. Ihre Ursachen sind noch klarzulegen. Als gemeinsamen Grundzug der ganzen Entwicklung möchte ich die Erblichkeit der Ämter ansehen, die in Verbindung mit der Erblichkeit der Lehen seit dem elften Jahrhundert vordrang. Indem so Ämter- und Lehensverfassung sich durchdrangen, wurde die Amitsgewalt der Inhaber der Reichsämter zu einer (territorialen) Herrschaftsgewalt mit dynastischen Tendenzen. Der Umfang der Geburtsaristo- kratie erfuhr auf diese Weise eine ausserordentliche Er- weiterung.

Bei dem Herzogstitel war eine solche Entwicklung, wie sie oben als Tatsache nachgewiesen wurde, in ihren Grundlagen eingeleitet, als an Stelle der ehemaligen Amts- herzöge Stammesherzöge traten. Durch die Stammes- herzogtümer entstanden herzogliche Dynastien, und alle Gelüste, die der Wunsch nach Weitervererbung der erworbenen Stellung in Verbindung mit der Teilbarkeit der Hausmacht hervorrufen mochte, konnten sich regen. Das elfte und zwölfte Jahrhundert sind erfüllt von den Kämpfen, die das Königtum gegen diese Bestrebungen seiner höchsten Würdenträger zu führen hatte. Der Kampf endete nach der Abschwächung der bisherigen Ämterver- fassung des Reichs gegen Ende des zwölften Jahrhunderts mit der Anerkennung eines neuen Reichsfürstenstandes und führte zur Absplitterung neuer Herzogtümer.

Die ähnliche Entwicklung des Markgrafentitels zu er- | klären, ist vielschwerer, dafür beweist sie aber um so mehr, was wir zeigen wollten. Da das Amt in grösserem An- sehen stand als das der einfachen Grafen, so ist zum Ver- ständnis wohl dieselbe oder ähnliche Deutung wie beim Herzogstitel beizuziehen. Dass man den Markgrafentitel auch auf Gebiete übertrug, die wie Baden oder Dillingen auch der Graf von Dillingen nennt sich einmal, 1204, marchio de Dillingen!) niemals Markgrafschaften waren und fern von der Reichsmark lagen, zeigt, wie wenig genau

1) Strassburger Urkundenbuch Band I (Strassburg 1879) S. 127. 18*

268 Flamm.

die Titel im zwölften und dreizehnten Jahrhundert nach ihrem präzisen staatsrechtlichen Inhalt aufgefasst wurden.

Mochte nun immerhin bei dem Herzogs- und Mark- grafentitel die hohe Stellung und die geringe Zahl der Ämter die Abschleifung und Entwertung des Titels er- schweren, weil sie sich nicht unbemerkt in aller Stille voll- ziehen konnte, so war diese Möglichkeit bei andern Reichs- ämtern, namentlich den Grafen, um so eher gegeben. Bei den letzteren, deren Zahl im Reich von jeher sehr gross gewesen ist, war infolge des der Auflösung der andern Reichsämter parallel gehenden Zerfalls der alten Graf- schaften die Gefahr des Absteigens zu blossen Titular- grafen und von da aus das Streben nach Ausfüllung des Titels besonders leicht gegeben. Infolgedessen begegnen gerade hier die mannigfachsten Verhältnisse; auch Entwick- lungen, die auf halbem Wege stecken blieben, kommen vor. Es veranschaulicht und verdeutlicht die Gresamtlage und den Charakter der Übergangszeit, wie sie das elfte, zwölfte, zum Teil auch noch das dreizehnte Jahrhundert auf diesem Gebiete sind, wenn wir gerade die Entwicklung der Grrafschaften näher betrachten und, wegen ihres schon angedeuteten engen Zusammenhangs mit der Geschichte der Zähringer, durch Beispiele aus dem Breisgau näher illustrieren.

Ursprünglich war das Reich in eine grosse Zahl von Grafschaften oder Gaue eingeteilt, und es deckten sich im allgemeinen Grafschaft und (sau. Seit der Herrschaft der Ottonen jedoch erfuhr dieser Zusammenhang eine fort- schreitende Lockerung, indem entweder einzelne Graf- schaften nur Teile eines ursprünglichen Gaues umfassten oder sich über Teile mehrerer Gaue erstreckten oder gar mehrere Grafschaften zusammengelegt wurden. Nur als Graf stand diesem eine Amtsgewalt über seinen Sprengel zu, als Grundherr hatte er eine Menge geistlicher und weltlicher Herrschaften neben sich, die mehr oder weniger, je nach Gelegenheit und Ehrgeiz, von der zuständigen (Grafengewalt exemt zu werden trachteten. Von den geist- lichen Gebieten ist dies Streben bekannt, ebenso weiss man, dass es mit Erfolg endete und zur Immunität von der Grafschaft führte. Ob es auch weltliche Immunitäten

Der Titel »Herzog von Zähringen«. 209

gab, ist nicht unbestritten. Nach v. Wyss, der diese wich- tige Frage der deutschen Verfassungsgeschichte als erster mit voller Entschiedenheit bejahte!), haben seit dem zehnten Jahrhundert die Herrschaften weltlicher Herren eine grosse Erweiterung erfahren. Besonders die Güter der königlichen Vasallen, daneben vielleicht auch anderer grösserer Grund- besitzer hätten über die Wirkung blosser Grundherrschaft hinaus hinsichtlich der Gerichtsbarkeit ein Vertretungsrecht erlangt, und so seien schliesslich als Kennzeichen dieser Herrschaften zu bezeichnen: die adelige, freie Abstammung der Inhaber; ein grösserer, mehrere Gemeinden umfassen- der, aber nicht immer zusammenhängender Bezirk; das Gericht, bisweilen mit Ausnahme des Blutgerichts; gewisse Hoheitsrechte und Gebühren (Wildbann, Recht auf Land- zöglinge, gefundene Sachen); manchmal Ministeriale und Herrschaft über die freien Leute innerhalb des Gebiets. Nicht immer waren alle diese Rechte einer Herrschaft zuständig; das wichtigste war: der Herr des Immunitäts- gebiets erhielt die volle Gerichtsbarkeit über die zustän- digen Straf- und Zivilfälle und natürlich auch die Gebühren davon. Ich halte diesen Zustand im ganzen für richtig gezeichnet. Zweifelhaft daran scheint mir nur die An- nahme, dass er nach v. Wyss auf besondere königliche und landesherrliche Verleihung zurückgehen soll. Das Richtige scheint mir Hirsch?) zu treffen, wenn er die Ent- 'stehung und Ausbildung solcher adeligen Herrschaften von immunitätsartigem Charakter in der Zeit vom zehnten bis dreizehnten Jahrhundert ausser allem Zweifel findet, da- gegen den Ausbau dieser Gebiete nicht sowohl auf be- sondere Privilegierung als auf allmähliche und tatsächliche Rechtsübung zurückführt. Wenn wir uns dieser Erklärung anschliessen, so finden die zahllosen Grafen, die seit dem elften Jahrhundert in steigender Menge begegnen, in Ver- bindung mit dem, was oben über die Erblichkeit der

1) Fr. von Wyss, Abhandlungen zur Geschichte des schweizerischen öffentlichen Rechts. Zürich 1892 S. 319 ff. ?) Hirsch, Hans, Die Kloster- immunität seit dem Investiturstreite. Weimar 1913 S. irf. Vgl. dagegen K. Beyerle, Neuere Forschungen zur Wirtschaftsgeschichte der Ostschweiz und der oberrheinischen Lande. Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh., N.F. XXII (1907) S. 93 ff. und 193 ff, besonders entschieden negierend S. 112.

260 Flamm.

dem dauernd als Stammburg des Geschlechts das castrum Zähringen gewählt wurde, so muss dieser Burg entweder schon lange vorher im Besitz der Bertolde eine besondere Bedeutung zugekommen sein oder aber die Erbauung bzw. Auszeichnung der kleinen Feste erfolgte erst nach vor- heriger Verständigung mit dem zuständigen Breisgaugrafen als Inhaber des Befestigungsregals, also mit Markgraf Her- mann Il. aus der älteren Linie der Nachkommen Herzog Bertolds I.'). Ersteres ist ganz unwahrscheinlich, die Be- nennung »von Zähringen« kommt vor 1100 nie vor, und die Burg selbst wird im Jahr 1128 zum erstenmal urkund- lich erwähnt. Auf den zweiten Teil der eben gestellten Doppelfrage wird zum Schluss noch zurückzukommen sein. Mit voller Sicherheit hat die bisherige Untersuchung eines gezeigt: Der Familienname der Zähringer geht auf die gleichnamige Burg zurück und entbehrt' so sehr jeden Zusammenhangs mit dem Herzogtum Kärnthen, dass sich eine Erörterung dieser etymologischen Deutung von selbst erübrigt. »Berhtolfus nomine de castro Zeringen« schreibt Otto von Freising?) völlig unzweideutig. Ebenso klar und bestimmt unterscheidet er aber zwischen Familienname und Herzogtitel mit den Worten: »vacuum nomen ducis gerens, . omnes ... duces dicti sunt, nullum ducatum habentes soloque nomine sine re participantes«. Die Beantwortung der weitern Frage, was dann die Verbindung dux de Zaeringen eigentlich bedeutet, ist zum leil schon gegeben; sie setzt aber die weitere Antwort voraus, wie überhaupt ein Amtstitel ohne Inhalt von seinem Inhaber auch nach Verlust des Amtes weitergeführt und sogar auf seine Nach- kommen vererbt werden konnte. Vor der Erörterung dieser Fragen bedarf es jedoch zuerst, soweit es sich um den Ilerzogstitel der Zähringer handelt, der Feststellung des Tatsachenmaterials; im übrigen beschränke ich mich auch hier wieder auf die in der Geschichte der Zähringer vor allem interessierenden Titel Herzog, Markgraf und Graf.

es im Rodel »in loco proprii fundie und in den Marbacher Annalen (MG SS. XVII S. 157) »in proprio allodio Brisaugie«.

1) Über das gräfliche Befestigungsregal vgl. Schrader, E., Das Befesti- gungsrecht in Deutschland vou den Anfängen bis zum Beginn des 14. Jahr- hunderts. Göttingen 1909 S. 60 f. Vgl. auch Fehr, H., Die Entstehung der Landeshoheit im Breisgau. Leipzig 1904 S. 129 f. ?) a. a. O. S. ı6.

Der Titel »Herzog von Zähringen«. 261

Die erstmalige Erwähnung des Titels Herzog von Zähringen findet sich in zwei Urkunden aus dem Jahr 1100. Wie Heyck!) festgestellt hat, geben auch die literarischen Quellen dem Herzog Bertold II. und seinem Vater Bertold I. erst von da ab den neuen Namen; wenn sie ihn nunmehr auch für die Zeit vor ıı00o anwenden, so ist dies lediglich zurückgreifende Übertragung. Beide Fürsten hatten ein Herzogtum erhalten, Bertold I. 1061 das Herzogtum Kärnthen, Bertold II. von 1092—ı098 Schwaben, beide hatten es wieder verloren. Jenes hat der Anwärter niemals innegehabt, doch hat er durch Weiterführung des Herzog- titels stets darauf Anspruch erhoben?) oder seinem Hause die Anwartschaft auf entsprechende Entschädigung wahren wollen. Auch seine Nachkommen haben erst spät end- gültig verzichtet, sodass der Titel dux Carinthiae gelegent- lich noch bis gegen die Mitte des zwölften Jahrhunderts vorkommt3), In Zusanımenhang mit dieser Politik des offenen Protests mag es dann stehen, wenn die ältere Linie des Hauses den von Kärnthen herrührenden Titel eines Markgrafen mit dem Zusatz von Verona bis in das dreizehnte Jahrhundert weiterführte und den Markgrafen- titel, den auch Bertold II. geführt hat, ehe er noch vor seiner Wahl zum Herzog von Schwaben im Jahr 1092 den Herzogtitel sich beilegte®), für immer beibehielt und unbedenklich auf das eigene Gebiet übertrug). Für Ber- told II. und seine Beziehungen zum Herzogtum Schwaben ist die Situation den Beziehungen seines Vaters zum Herzog- tum Kärnthen in manchem verwandt. Wenn er sich an- fänglich Markgraf nannte, obwohl der Titel nur der älteren Linie des Hauses zukam, so zeigt das, wie sehr das Ge- ‚schlecht an diesen Ansprüchen festhielt und wie leicht Amtstitel angemasst werden konnten, deutet aber vielleicht auch an, dass die Auseinandersetzung zwischen der herzog- lichen und markgräflichen Linie noch nicht abgeschlossen

1) a. a. O. S. 185 f. 2, Siehe oben die Stelle aus Otto von Freising

(S. 21). Heyck a. a. O. S. 29 f. °) Heyck S. 293 u. Anm. 393 u. 731.

*) Bernold S. 454: »iam dudum nomen ducis habere consuevit«; vgl.

Heyck S. 114. 5) Im Jahr 1152 nennt sich Markgraf Hermann »marchio

- de Priscowes; Fester, R., Regesten der Markgrafen von Baden und Hach- - berg 1050—1515. Band I S. 9 Nr. 98.

262 Flamm.

war. Noch vor der Wahl zum Herzog von Schwaben nannte sich Bertold wie erwähnt Herzog und er konnte diesen blossen Titel mit grösserem Rechte führen als den eines Herzogs von Schwaben, das ihm nicht rechtmässig vom König verliehen war, sondern durch die Wahl seitens der Opposition gegen Heinrich IV. zufiel und auf das er 1098 wieder Verzicht leisten musste. Immerhin konnte er sich nach diesem erzwungenen Entsagen nunmehr in doppelter Hinsicht für berechtigt halten, den Amtstitel eines Herzogs weiter zu führen; die Rechte auf Schwaben waren freilich aufgegeben. So blieben seinem Hause nur die Ansprüche auf Kärnthen, die wie gezeigt mit ausser- gewöhnlicher Zähigkeit festgehalten wurden. Auch Ber- told III. (1111—1122) nannte sich Herzog, vielleicht nicht schon zu Anfang seiner Regierung, sicher aber seit ı113!), und die königliche Kanzlei erkannte diese Titulatur an, denn Bertold erscheint in dem sog. Wormser Konkordat von 1122 mit dem Herzogstitel als letzter der vier auf- gezählten Herzöge. Ein Herzogtum hat Bertold III. nie- mals innegehabt, ja gerade unter ihm drohte das Haus der Bertolde mehr und mehr in die Art eines kleinen gräflichen Dynastengeschlechts zurückzusinken?). Unter seinem Nach- folger Konrad änderte sich die Sachlage. Er nannte sich von Anfang an Herzog, zunächst nicht ohne Widerspruch der königlichen Kanzlei, aber seit 1127 wurde der Herzogs- titel auch von dieser wieder aufgenommen und erhielt nun durch den Titel eines Rektor von Burgund zum erstenmal, _ wenn auch nur als Notbehelf, wie Heyck richtig bemerkt, einen gewissen Inhalt. König Konrad Ill. tat kurz nach seiner Wahl im Jahr 1138 auf dem Fürstentag zu Bamberg den letzten Schritt; in einer von da ausgestellten Urkunde für das Kloster St. Blasien nennt die königliche Kanzlei den Zähringer »Herzog Konrad von Burgund«?), freilich bald auch wieder gelegentlich »dux«, »dux Ceringie«, ja sogar »dux Carinthiae. Konrads Sohn, Bertold IV., er- scheint schon in einer Urkunde vom Todestag seines Vaters als Herzog von Burgund). Von da ab ist der Herzogstitel

1) Heyck S. 231, 243. ?) Heyck S. 249. °) Heyck S. 291, 293. 4) Heyck S. 331.

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Der Titel »Herzog von Zähringen., 263

des Geschlechts nicht mehr angefochten worden. So un- bestritten scheint er zu tatsächlicher Anerkennung gelangt zu sein, dass die Brüder Bertolds IV. nach dessen Tod (1186) sich seinen Titel beilegen konnten, obwohl sie ihn zu seinen Lebzeiten nicht geführt hatten. Adalbert, der ältere, nannte sich schon 1187 Herzog von Teck, Hugo, der jüngere, bald darauf Herzog von Ulenburg, aber es fehlte beiden an der Macht; es war wohl auch nicht mehr die Zeit dafür, zu dem Rang von Reichsfürsten emporzusteigen!), Bertolds Sohn, Herzog Bertold V., ist anscheinend wieder zu dem Titel »Herzog von Zähringen: zurückgekehrt; so nennt er sich wenigstens auf einem Siegel vom Jahr 12 10°).

Von 1061 bis zum Aussterben des Geschlechts im Jahr 1218, so können wir als Ergebnis dieser Aufzählung zu- sammenfassen, war der Herzogstitel der Bertolde staats- rechtlich nur ein leerer Titel. Bewundernswert ist an diesem Tatbestand die Energie, mit der die herzogliche, wie ihrerseits übrigens auch die markgräfliche Linie ihren Titel verfocht und, wohl dank ihrer grossen Hausmacht, aufrecht erhielt. Ganz vereinzelt, wie man. zu glauben scheint, steht jedoch dieses Vorgehen nicht da. Als Heinrich von Limburg seit 1107 des Herzogtums Niederlothringen entsetzt war, behielt er nach Ficker wie andere Grossen in ähnlichen Fällen den Herzogstitel bei?). »Sein Sohn Walram erscheint,« so führt Ficker weiter aus, »ıı2ı und 1124 wieder als Graf; später wurde er im Herzogtume restituiert. Seit dieses dann seinem Sohne Heinrich von König Konrad wieder entzogen war, wechselt der Titel aufs auffallendste.e. Er selbst nennt sich Herzog von Lim- burg, und vereinzelt wird ihm dieser Titel auch von andern gegeben, (so in einer Kaiserurkunde von 1152 Anm. ıı bei Ficker). In Kaiserurkunden erscheint er mehrfach als Graf, vereinzelt auch in einer kölnischen. Aber sowohl in Kaiserurkunden, wie durchgehends in den kölnischen Urkunden heisst er auch schlechtweg Henricus de Lim- burg oder dominus H. de Limburg, selbst da, wo sein

1) Ficker, J., Vom Reichsfürstenstand. Innsbruck S. ıgo f. $ 140. 2) Heyck S. 427 u. 591; hier die Beschreibung eines Siegels von 1210 mit den Resten einer Umschrift [ZARI]NGEN. 3) Ficker S. 89 § 60.

264 Flanm.

Bruder neben ihm als Graf erscheint; es scheint, als habe man ihm den Titel eines Herzogs nicht gewährt, er selbst den eines Grafen verschmäht. Seinem Sohne Heinrich wird dann wieder gewöhnlich der Herzogstitel beigelegt; doch finden wir auch ihn zuweilen noch einfach als Heinrich von Limburg bezeichnet, und er selbst bedient sich 1171 des geschraubten Titels: »Ego H. filius domini Henrici filii ducis Walrami de Lemburgh«, wie er ähnlich 1178 in einer Kölner Urkunde als »dominus H. filius domini H. et nepos ducis W.« bezeichnet wird. Auch in den Aachener Annalen erscheint er nur als »dominus H. Limburgensis«. Ägidius von Orval sagt von ihm!): »qui licet dux diceretur, nihil tamen ducis habebat, sed ex re quam tenuerunt patres eius id solum nomen usurpabat«, und bei Giselbert heisst es: »Itaque ducatum cum suis pertinentiis cuidam viro nobili, Henrico scilicet de Lemborch, contulit, et sic ille et quidam eius filius ducatum illum tenuerunt, unde postea multi de Lemborch domini?), licet duces non fuerint, tamen duces appellati sunt. »Deshalb ist aber doch kaum zu bezweifeln,« schliesst Ficker diesen Passus, »dass die Limburger nicht zu den Edeln, sondern zu den Fürsten gezählt wurden; denn in den Urkunden erscheinen sie nicht in der Reihe der Edeln, sondern, wenn sie auch zuweilen einer Mehrzahl von Grafen nachstehen, gewöhnlich vor allen Grafen, auch da, wo ihnen selbst der Grafentitel nicht beigelegt wird; mit dem Herzogstitel wird Heinrich 1166 ausdrücklich zu den Reichsfürsten gerechnet.<

Noch ein zweites Beispiel erwähnt Ficker, das hierher gehört®). Welf, der Bruder des Herzogs Heinrich von Bayern, nennt sich gewöhnlich Herzog, auch vor der Be- lehnung mit dem Herzogtum Spoleto. Da er aber kein Reichsamt hatte, so wird er mehrfach nur als dominus Welpho bezeichnet, wurde aber trotzdem unter den Zeugen den mächtigsten Reichsfürsten gleich-, ja sogar voran- gestellt, also zweifellos als Fürst betrachtet.

Auf zwei weitere hierher gehörige Fälle hat Hey ck4) hingewiesen. Der lange Zeit landlose Welf wird in einer

!) Man beachte die Übereinstimmung mit der ähnlichen Stelle von Otto von Freising, oben S. 254 Anm. I1. ?) Das Analogon Zum dominus de Friburg! 3) S. 90 $ 60. 4) S. 186 Anm. 614.

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Der Titel »Herzog von Zähringen«. 265

Urkunde von 1105 dux de Altorf genannt, ebenso hiess der Sohn Welfs IV. Herzog ').

Wenn nun schon, wie gezeigt, bei der Ausbildung des Herzogstitels im elften und zwölften Jahrhundert die staatsrechtliche Konsequenz vermisst wird, so dürfen wir denselben Gang der Entwicklung noch mehr bei andern Amtstiteln erwarten und daraus auf eine gemeinsame Grundlage der verfassungsrechtlichen Tendenzen jener Zeit schliessen.

Für den Markgrafentitel bietet die Geschichte der Zähringer selbst die beste Parallele. Es ist schon erwähnt, dass die ältere Linie des Hauses bis in das dreizehnte Jahr- hundert den Titel eines Markgrafen von Verona gebrauchte, dass sie ihn unbedenklich auf ihr breisgauisches Herrschafts- gebiet übertrug, wie die Erwähnung des »marchio de Pris- cowe« von 1152 beweist, und ich brauche nur hinzuzufügen, dass 1112 zum erstenmal die Verbindung »marchio de Baduon« vorkommt, obwohl weder das eine noch das andere Gebiet je eine Markgrafschaft war, ja dass schliesslich der oberrheinische Besitz, der stets eine (Land)-Grafschaft war, den speziellen Namen des Markgräflerlandes erhielt. All dies war nur unter den schon wiederholt betonten Voraus- setzungen möglich. Ob es noch mehrere Gregenbeispiele zu dem der badischen Markgrafen gibt, ist mir nicht be- kannt; nach Ficker?) heisst Ulrich von Attems, der 1166 und 1170 den Zusatz »quondam marchio Tusciaeę führt, 1173 »marchio de Attems«, erscheint indes gewöhnlich als »nobilis vir« oder »dominus de Attems«. \

Beim Amtstitel des Grafen ist entsprechend der Häufig- keit des Amtes die Fülle der Beispiele, die zitiert werden könnte, eine erdrückende. Ficker?°) spricht mit Recht von- einem ganz willkürlichen und schwankenden Gebrauch des Grafentitels. Statt vieler Beispiele möge deshalb der Hin- weis.auf Friedrichs und die unten noch zu besprechenden Fälle aus dem Breisgau, die Grafen von Nimburg und die Herren bzw. Grafen von Freiburg und die Landgrafen des Breisgaus genügen.

) Heyck S. 418. ?) S. 90 § 60. *)} S. 90 f. § 61. Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. N.F. XXX. 2. 18

266 Flamm.

Vorerst dürfen wir wieder zusammenfassend feststellen: Herzöge, Markgrafen und Grafen, ebenso natürlich auch Land-, Pfalz- und Burggrafen, die diese Titel führen, sind nicht immer Inhaber des zugehörigen Amtes. Wer einmal ein Amt bekleidet hatte, führte den Titel fort. Den Amts- titel des Vaters, so betont Ficker!), führten oft alle Söhne, nicht lediglich der, welcher im Amte folgte, oder die jün- geren Söhne eines Herzogs oder Markgrafen nannten sich Grafen. Mit andern Worten: die alten Amtstitel waren zu vererblichen blossen Titulaturen geworden; ihre Träger führten jedoch »solo nomine sine re participantes«, den Titel aus irgend welchen Gründen weiter und leiteten daraus oft wieder die Berechtigung zu höheren Ansprüchen ab. Wie stark diese Abschleifung im Gebrauch der Amtstitel war, zeigt der Umstand, dass ihr selbst der Königstitel nicht ganz. entging, ja ihr. vielleicht zuallererst unterlag. Das Wort König bezeichnet nämlich nach dem Grimmschen Wörterbuch?) keineswegs nur den Herrscher, sondern auch des Königs Brüder, Söhne; ja alle von königlichem Stamm hiessen Könige, Königinnen und ' dies schon als Kinder. So in den Nibelungen und Gudrun, und das nicht etwa nur dichterisch oder gar aus Ungeschick des Ausdrucks, denn es erscheint fortgesetzt bis ins 16., ja 18. Jahrhundert?).

Mit dem bisher geführten Nachweis, dass auch die höchsten Würdenträger des Reichs -sich nach Burgen

1) S. 88 8 60. ?) Deutsches Wörterbuch. Band V. Leipzig 1873 Sp. 1695 Abs. 3. °) Unter c) heisst es dazu: »Das Alter und die geschicht- liche Bedeutung dieses Gebrauches sind weiter zu erforschen. Bei den Mero- wingern ist er schon von Waitz (Verfassungsgeschichte Il 103) beobachtet worden, und Sp. 569 ff.: »Der Grundgedanke davon, dass das Königtum, Fürstentum, überhaupt eine angeborene Eigenschaft ist, dem ganzen Ge- schlechte unveräusserlich anhaftet, gleichsam Sache des Blutes ist, dieser uranfängliche Grundgedanke ist übrigens noch heute auf deutschem Boden wiederzufinden in dem Durchzählen der Heinriche von Reuss, auch der nicht- regierenden, in dem Titel Erzherzog, den die kaiserlichen Prinzen von Öster- reich führen; und auch in dem französischen Prinz und Prinzessin, das seit dem 17. Jahrhundert den alten Gebrauch von König, Fürst usw. verdrängte, ist er eigentlich enthalten, denn prince ist ja nichts als Fürst. Bedeutsam ist endlich, dass jener Gebrauch auch bei den Griechen gegolten haben muss, denn Königssöhne heissen bei Homer ßaoıleis, Nausikaa Paoıleix (Odyssee VI

115), und noch in Ciceros Zeit werden asiatische Königsprinzen reges genannt;

beides galt auch von Vornehmen überhaupt.«

Der Titel »Herzog von Zähringen«. 267

benannten und dass ihre Titel auch ohne Amt in der Familie weitervererben konnten, sind jedoch erst Tatsachen festgestellt. Ihre Ursachen sind noch klarzulegen. Als gemeinsamen Grundzug der ganzen Entwicklung möchte ich die Erblichkeit der Ämter ansehen, die in Verbindung mit der Erblichkeit der Lehen seit dem elften Jahrhundert vordrang. Indem so Ämter- und Lehensverfassung sich durchdrangen, wurde die Amtsgewalt der Inhaber der Reichsämter zu einer (territorialen) Herrschaftsgewalt mit dynastischen Tendenzen. Der Umfang der Geburtsaristo- kratie erfuhr auf diese Weise eine ausserordentliche Er- weiterung.

Bei dem Herzogstitel war eine solche Entwicklung, wie sie oben als Tatsache nachgewiesen wurde, in ihren Grundlagen eingeleitet, als an Stelle der ehemaligen Amts- herzöge Stammesherzöge traten. Durch die Stammes- herzogtümer entstanden herzogliche Dynastien, und alle Gelüste, die der Wunsch nach Weitervererbung der erworbenen Stellung in Verbindung mit der Teilbarkeit der Hausmacht hervorrufen mochte, konnten sich regen. Das elfte und zwölfte Jahrhundert sind erfüllt von den Kämpfen, die das Königtum gegen diese Bestrebungen seiner höchsten Würdenträger zu führen hatte. Der Kampf endete nach der Abschwächung der bisherigen Ämterver- fassung des Reichs gegen Ende des zwölften Jahrhunderts mit der Anerkennung eines neuen Reichsfürstenstandes und führte zur Absplitterung neuer Herzogtümer.

Die ähnliche Entwicklung des Markgrafentitels zu er- klären, ist vielschwerer, dafür beweist sie aber um so mehr, was wir zeigen wollten. Da das Amt in grösserem An- sehen stand als das der einfachen Grafen, so ist zum Ver- ständnis wohl dieselbe oder ähnliche Deutung wie beim Herzogstitel beizuziehen. Dass man den Markgrafentitel auch auf Gebiete übertrug, die wie Baden oder Dillingen auch der Graf von Dillingen nennt sich einmal, 1204, marchio de Dillingen !) niemals Markgrafschaften waren und fern von der Reichsmark lagen, zeigt, wie wenig genau

1) Strassburger Urkundenbuch Band I (Strassburg 1879) S. 127. ı8*

268 Flamm.

die Titel im zwölften und dreizehnten Jahrhundert nach ihrem präzisen staatsrechtlichen Inhalt aufgefasst wurden.

Mochte nun immerhin bei dem Herzogs- und Mark- grafentitel die hohe Stellung und die geringe Zahl der Ämter die Abschleifung und Entwertung des Titels er- schweren, weil sie sich nicht unbemerkt in aller Stille voll- ziehen konnte, so war diese Möglichkeit bei andern Reichs- ämtern, namentlich den Grafen, um so eher gegeben. Bei den letzteren, deren Zahl im Reich von jeher sehr gross gewesen ist, war infolge des der Auflösung der andern Reichsämter parallel gehenden Zerfalls der alten Graf- schaften die Gefahr des Absteigens zu blossen Titular- grafen und von da aus das Streben nach Ausfüllung des Titels besonders leicht gegeben. Infolgedessen begegnen gerade hier die mannigfachsten Verhältnisse; auch Entwick- lungen, die auf halbem Wege stecken blieben, kommen vor. Es veranschaulicht und verdeutlicht die Gesamtlage und den Charakter der Übergangszeit, wie sie das elfte, zwölfte, zum Teil auch noch das dreizehnte Jahrhundert auf diesem Gebiete sind, wenn wir gerade die Entwicklung der Grrafschaften näher betrachten und, wegen ihres schon angedeuteten engen Zusammenhangs mit der Geschichte der Zähringer, durch Beispiele aus dem Breisgau näher illustrieren.

Ursprünglich war das Reich in eine grosse Zahl von Grafschaften oder Gaue eingeteilt, und es deckten sich im allgemeinen Grafschaft und (sau. Seit der Herrschaft der Ottonen jedoch erfuhr dieser Zusammenhang eine fort- schreitende Lockerung, indem entweder einzelne Graf- schaften nur Teile eines ursprünglichen Gaues umfassten oder sich über Teile mehrerer Gaue erstreckten oder gar mehrere Grafschaften zusammengelegt wurden. Nur als Graf stand diesem eine Amtsgewalt über seinen Sprengel zu, als Grundherr hatte er eine Menge geistlicher und weltlicher Herrschaften neben sich, die mehr oder weniger, je nach Gelegenheit und Ehrgeiz, von der zuständigen (rrafengewalt exemt zu werden trachteten. Von den geist- lichen Gebieten ist dies Streben bekannt, ebenso weiss man, dass es mit Erfolg endete und zur Immunität von der Grafschaft führte. Ob es auch weltliche Immunitäten

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gab, ist nicht unbestritten. Nach v. Wyss, der diese wich- tige Frage der deutschen Verfassungsgeschichte als erster mit voller Entschiedenheit bejahtel), haben seit dem zehnten Jahrhundert die Herrschaften weltlicher Herren eine grosse Erweiterung erfahren. Besonders die Güter der königlichen Vasallen, daneben vielleicht auch anderer grösserer Grund- besitzer hätten über die Wirkung blosser (Grrundherrschaft hinaus hinsichtlich der Gerichtsbarkeit ein Vertretungsrecht erlangt, und so seien schliesslich als Kennzeichen dieser Herrschaften zu bezeichnen: die adelige, freie Abstammung der Inhaber; ein grösserer, mehrere Gremeinden umfassen- der, aber nicht immer zusammenhängender Bezirk; das Gericht, bisweilen mit Ausnahme des Blutgerichts; gewisse Hoheitsrechte und Gebühren (Wildbann, Recht auf Land- zöglinge, gefundene Sachen); manchmal Ministeriale und Herrschaft über die freien Leute innerhalb des Gebiets. Nicht immer waren alle diese Rechte einer Herrschaft zuständig; das wichtigste war: der Herr des Immunitäts- gebiets erhielt die volle Gerichtsbarkeit über die zustän- digen Straf- und Zivilfälle und natürlich auch die Gebühren davon. Ich halte diesen Zustand im ganzen für richtig gezeichnet. Zweifelhaft daran scheint mir nur die An- nahme, dass er nach v. Wyss auf besondere königliche und landesherrliche Verleihung zurückgehen soll. Das Richtige scheint mir Hirsch?) zu treffen, wenn er die Ent- stehung und Ausbildung solcher adeligen Herrschaften von immunitätsartigem Charakter in der Zeit vom zehnten bis dreizehnten Jahrhundert ausser allem Zweifel findet, da- gegen den Ausbau dieser Gebiete nicht sowohl auf be- sondere Privilegierung als auf allmähliche und tatsächliche Rechtsübung zurückführt. Wenn wir uns dieser Erklärung anschliessen, so finden die zahllosen Grafen, die seit dem elften Jahrhundert in steigender Menge begegnen, in Ver- bindung mit dem, was oben über die Erblichkeit der

!) Fr. von Wyss, Abhandlungen zur Geschichte des schweizerischen öffentlichen Rechts. Zürich 1892 S. 319 ff. ?) Hirsch, Hans, Die Kloster- immunität seit dem Investiturstreite. Weimar 1913 S. ırf. Vgl. dagegen K. Beyerle, Neuere Forschungen zur Wirtschaftsgeschichte der Ostschweiz und der oberrheinischen Lande. Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh., N.F. XXII (1907) S. 93 ff. und 193 ff, besonders entschieden negierend S. 112.

270 Flamm.

Titel ausgeführt wurde, die ungezwungenste Deutung. Wir haben in ihnen vielfach Nachkommen ehemaliger Grafen und Grossen zu erblicken, wie wir ja sahen, dass der Grafentitel oft nur noch ein Dekorum war, da Söhne von Herzögen nach Ficker sich Grafen nannten, offenbar vorerst nur, um ihre vornehme Abstammung in etwa zum Ausdruck zu bringen. Diese Herren führten zunächst den ererbten oder angemassten Titel ohne Amt; war dies ge- schehen und halbwegs oder ganz zur Anerkennung gelangt, so lag es einer zielbewussten Politik nahe genug, nach mehr zu zielen und eine Eximierung des eigenen Herr- schaftsgebiets von der übergeordneten Grafengewalt an- zustreben. Bisweilen mochten diese Grafen auch nur ehr- geizige Grundbesitzer sein, denen zunächst der vornehme Titel das Ziel war, oder auch mächtige Herren, denen der Erwerb von Immunitätsrechten schon gelungen war, und die nun zum Ausdruck ihrer Macht sich den Grafentitel beilegten oder sich ihn durch Verleihung (ob auch durch Einheirat?), verschafften. In den erregten Machtkämpfen der Übergangszeit, um die es sich hier handelt, war für die verschiedensten Möglichkeiten die Gelegenheit gegeben. Darum dürfen wir auch erwarten, neben jenen Grafen Herren zu finden, die zwar wichtige Immunitätsrechte für ihr Ge- biet besassen, aber den Grafentitel nicht anstrebten, weil sie aus irgend welchen Gründen eine Auseinandersetzung über die Rechtslage zu vermeiden für gut fanden oder auch nicht für nötig hielten. Für alle diese Situationen bietet die Entwicklung im Breisgau anschauliche Beispiele. Wir finden da einen Titulargrafen ohne alle Immunitäts- rechte und neben dem fast aller seiner Grafenrechte be- raubten (Land)-Grafen einen Inhaber der meisten Grafen- rechte ohne den entsprechenden Titel. In unserm Zu- sammenhang sind diese drei Fälle besonders interessant, weil sie unter Duldung und unmittelbarer Mitwirkung der beiden Linien der Zähringer sich auswuchsen, und weil ihre Untersuchung auch die erstmalige Erwähnung des Titels eines Herzogs von Zähringen im Jahr 1100 in neues Licht bringt. Ich glaube deshalb näher auf die Sachlage eingehen zu dürfen.

Der Titel »Herzog von Zähringen«. 271

Bekanntlich stand die Grafschaft im Breisgau seit Mark- graf Hermann I. der älteren Linie des (zähringischen) Hauses zu. Erst 1318 kam die Landgrafschaft durch Versetzung

‚als Heiratsgut an die Grafen von Freiburg. Von den letztern, die ihren Grafentitel von Urach in Württemberg brachten und 1218 nach dem Anfall der zähringischen Erb- schaft mit der Burg ob Freiburg verbanden, kann ich im folgenden absehen, da sie für die uns interessierende Zeit noch nicht in Betracht kommen. Im übrigen finden wir folgende Situation.

Beinahe gleichzeitig mit den markgräflichen Breisgau- grafen tritt seit der Mitte des elften Jahrhunderts das Ge- schlecht der Nimburger in Urkunden auf. Seit ı 100 führten sie meist den Grafentitel!). Da das Gebiet der Nimburger völlig in den Breisgau fiel und hier auch die Burg lag, nach der sie sich benannten, so ist an eine Grafschaft Nim- burg im staatsrechtlichen Sinn nicht zu denken. Von gräf- lichen Rechten dieses schon früh, zu Anfang des dreizehnten Jahrhunderts, ausgestorbenen Geschlechts hat Maurer?) nur eine Klostervogtei, über die Cluniacenser im Breisgau, ausfindig machen können. Die Nimburger hatten sie schon 1083 inne, also immerhin einige Zeit bevor sie sich Grafen nannten). Erbschaftsstreitigkeiten, die nach dem Aussterben der Nimburger zwischen beiden Linien der Zähringer, der markgräflichen und der herzoglichen und den Rechtsnach- folgern der letztern, den Grafen von Urach-Freiburg, aus- brachen, machen eine Verwandtschaft oder Verschwägerung der Zähringer mit den Nimburgern fast zur Gewissheit und lassen das Streben dieses Geschlechts nach Vornehmheit begreiflich erscheinen. Ihre »Grafschaft«e war, wie Maurer richtig erkannte, ein leerer Titel, der ausser der genannten K lostervogtei keinen Inhalt besass und in seinem unver- mittelten Ursprung ganz ungeklärt ist.

Während nun die Herren von Nimburg ungeachtet ihrer geringfügigen Immunitätsrechte den Grafentitel führten, ist

1) Vgl. Werkmann, L., Die Grafen von Nimburg. Freib. Diözesan- archiv Band X (1876) S. 71 ff ?) Maurer, H., Zur Geschichte der Grafen von Nimburg. Zeitschrift der Gesellschaft für Beförderung der Geschichts-, Altertums- und Volkskunde von Freiburg i. Br. Band VI (1883—1887) S. 451 fl. —°) Werkmanna. a. O. S. 74.

272 Flamm. ein anderer Herrschaftsbezirk im Breisgau, das Dominium Freiburg, trotz seiner weitgehenden Exemtion von der Breisgaugrafschaft stets nur eine »Herrschaft« geblieben. Der Titel seines Inhabers lautete: »dominus de Friburg« und bezog sich, wie ich früher schon zeigte’), auf die Burg oberhalb der Stadt, nicht auf die Stadt selbst. Nach dem, was wir oben über die Führung des Titels »dominus« an dem wesensverwandten Beispiel der Herzöge von Limburg kennen lernten, kann das Vorkommen dieses Titels auch bei den Herzogen von Zähringen nicht befremden. Es ent- sprach darum gewiss der Etikette jener Zeit, wenn auch der um ı200, also noch in herzoglicher Zeit abgeschlossene Rotulus San Petrinus den herzoglichen Kastvogt des Klosters an einigen Stellen kurzweg nur mit dem Titel »dominus« beehrt?), so z. B. in einer Stelle aus dem Jahr 1112: »domnus Bertholdus et frater eius Conradus, filii bone memorie Berh- toldi ducis, cenobii huiius fundatoris«, oder »supramemorati ducis filius domnus Berhtoldus advocatus noster«, und »Hein- ricus de Owon ... donavit in presentia domni sui Berhtoldi et fratris eius domni Conradi«, oder von Konrad, dem Gründer der Stadt Freiburg, allein »dux Berhtoldus et frater eius domnus Conradus filii bone memorie Berhtoldi ducis, huius ecclesie fundatoris«3). Und ebensowenig wird es einen Verstoss gegen das übliche Zeremoniell bedeuten, wenn Teile der ältesten Freiburger Stadtrechtsaufzeichnungen für den Stadtherrn nur den Titel »dominus« anwenden. Daraus, wie besonders Rietschel tut, zu folgern, diese Teile könnten folglich nicht unter den mächtigen Herzögen, sondern erst unter den Grafen von Freiburg, also nach 1218, entstanden sein, ist also in doppelter Hinsicht verfehlt. Denn erstens war der staatsrechtliche Titel des Stadtherrn von Freiburg der eines »dominus«e, und zweitens ist diese Titulatur, wie das Beispiel der Herzöge von Limburg zeigt, keineswegs so minderwertig, als man glaubte.

1) Zur Datierung des Freiburger Stadtrodels. Zeitschr. f. Geschichte d. Oberrheins, N.F., Band XXIX (10914) S. 106 ff. ?) Vgl. meinen Aufsatz, »Die älteren Stadtrechte von Freiburg im Breisgau.« Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung Band XXVIII S. 428. —- 3) Fr. v. Weech, Der Rotulus San Petrinus. Freiburger Diözesanarchiv, Band XV S. 139, 140, 167, 141 f.

Der Titel »Herzog von Zähringen«. 273

Das Dominium Freiburg war in weitestem Umfang von der zuständigen Landgrafschaft des Breisgaus exemt!). Von sämtlichen Regalien hatten die Landgrafen nur das Land- gericht und die Schirmvogtei über die Freien und Klöster, über letztere zudem nicht einmal vollständig. Die »Herren« von Freiburg dagegen besassen, zum Teil im Breisgau, zum Teil nur für ihr Gebiet, den Wildbann, die Silber- berge, das Geleite, den Zoll, das Marktrecht, die Münze, die Stromhoheit, das Fluss-, Strassen- und Bodenregal?), und sie haben selbst das Geleite gegen die Landgrafen für einen Bezirk zu behaupten gewusst, der weit über die Grenzen der Herrschaft Freiburg hinausging?). Die frühe Lostrennung dieses Dominiums von dem übrigen Macht- bereich der Herzöge von Zähringen und von der Breisgau- grafschaft beweist $ ı des ältesten Verfassungsbriefs von 1120, worin der Gründer der Stadt gelobt: »Ego vero pacem et securitatem itineris omnibus forum meum querentibus in mea potestate et regimine meo promitto. Si quis eorum in hoc spacio depredatus fuerit, si predatorem nominaverit, aut reddi faciam aut ego persolvam«®). Nach den obigen Ausführungen über die Entwicklung der Immu- nitäten und den Anspruch der Immunitätsherren auf die verschiedenen Grebühren ist es ohne weiteres verständlich, wenn die Bremgartener und Tennenbacher Aufzeichnung des Freiburger Stadtrechts das Freiburger Herrschafts- gebiet in $ 26 (= Iennenbach § 34)5) mit den Worten »per totum sue iuris solutionis ambitum« bezeichnen. Es ist das, wie auch Schultzes) übersetzt, das Gebiet der (Grebührenzahlung; ob ausschliesslich der Gebühr für das Geleite oder allgemein der Gebühren überhaupt, scheint mir nicht ganz sicher bezeichnet, denn der Freiburger Stadtrodel gibt in § 7 die Stelle, was in diesem Zusammen-

1) Zur Datierung des Freiburger Stadtrodels. Zeitschrift f. Gesch. d. Oberrh. Band XXIX S. 110. ?) Vgl. dazu Fehr, H., Die Entstehung der Landeshoheit im Breisgau. Leipzig 1904 S. 131 ff. 8) Ebenda S. 114, 4) Keutgen, F., Urkunden zur Städtischen Verfassungsgeschichte. Berlin 1899 S. 117. °) Rietschel, S., Neue Studien über die älteren Stadt- rechte von Freiburg, Br. In der Festgabe der Tübinger Juristenfakultät für Fr. v. Thudichum. Tübingen 1907 S. 38. ®) Schultze, A., Zur Text- geschichte der Freiburger Stadtrechtsaufzeichnungen. Diese Zeitschrift Band XXVIII (1913) S. 195.

274 Flamm.

hang nicht mehr verwundern kann, mit den Worten wieder »per totum sui comitatus ambitum«, Hier wird also plötz- lich das Freiburger Herrschaftsgebiet »comitatus« genannt. Rietschel!) hat daraus und aus der Wendung »per comi- tiam nostram« in $ 29 der Tennenbacher Fassung, um dies hier nebenbei endgültig zu widerlegen, folgern wollen, der Rodel und der Tennenbacher Text seien erst unter der Herrschaft der Grafen von Urach niedergeschrieben, also nach dem Aussterben der Herzöge von Zähringen im Jahr ı218. Wie schwankend indes schon im elften Jahrhundert der Sprachgebrauch war, und wie wenig die Zeitgenossen Bedenken trugen, die Bezeichnung Grafschaft auf das Breis- gauer Gebiet der Herzöge von Zähringen anzuwenden, obwohl die Breisgaugrafschaft schon längst der markgräf- lichen Linie des Hauses zustand, dies zeigt eine Urkunde von 1077. Damals war Herzog Bertold I. von Kaiser Heinrich IV. wegen Unterstützung des Gegenkönigs Rudolf abgesetzt worden, und Heinrich übertrug Bertolds Be- sitzungen im Breisgau, d. i. »quendam comitatum, situm in pago Brisgowe, Bertholfo iam non duci iusto iudicio sublatum« dem Bischof Wernher von Strassburg. An die Verleihung wurde die Zusicherung geknüpft, »ut idem Werinherus episcopus suique successores eundem comi- tatum omni aevo potestative possideant«?). Unter einer andern Voraussetzung, als dass hier ein Sprachgebrauch vorliegt, wie er in seiner offenbaren Ungenauigkeit eine Zeit der Auflösung alter Rechtszustände und des Über- gangs zu neuen Formen entspricht, hat ‚die Benennung »comitatus« an dieser Stelle gar keinen Sinn. Es sei denn, man wollte eine sehr frühe Teilung der Breisgaugrafschaft annehmen und die herzogliche Linie im Besitz des einen Teiles vermuten. Der »comitatus« in § 7 des Rodels und die »comitia« in $ 29 der Tennenbacher Aufzeichnung wären dann ohne weiteres erklärt und die Folgerungen Rietschels

1) Rietschel, S., Die älteren Stadtrechte von Freiburg im Breisgau. Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Band III (1905) S. 435. Derselbe in dem oben zitierten Aufsatz in der Festgabe für Thu- dichum S. 11. ?) Herrgott, M., Genealogiae Habsburgicae. Band Il, Viennae MDCCXXXVI Nr. 187 S. 127. Vgl. meinen Aufsatz, Dies Zeitschrift XXIX S. 116.

Der Titel »Herzog von Zähringen«. 275

auch so abgetan. So weit möchte ich indes nicht gehen. Denn einmal scheint mir Schultze die Gleichung »comitia« = Breisgaugrafschaft bewiesen zu haben, und dann halte ich das offensichtliche Schwanken des Sprachgebrauchs und die Ungenauigkeit seiner Anwendung für eine wichtige Warnung, aus dem Vorkommen eines Wortes in den Quellen allzu kühne Folgerungen zu ziehen. In dem Zu- sammenhang, in dem wir die »comitatus«-Stellen betrach- teten, erscheinen sie jedenfalls nicht mehr befremdend. Wir fanden im Breisgau einen (Land)-Grafen, der seiner meisten Rechte verlustig gegangen war, einen Grafen von Nim- burg ohne Grafenrechte und einen »Herrn« von Freiburg im Besitz der meisten gräflichen Regalien. Wäre es da zu verwundern, wenn unter der Herrschaft der mächtigen Zähringerherzöge für ihr Geleitsgebiet, das bestimmt über die Grenzen der Herrschaft Freiburg hinaus gereicht haben muss, die Bezeichnung »comitatus« vorkommt? Viel auf- fälliger ist gewiss, dass zwar das 1218 bis 1368 dauernde Regiment der Grafen von Urach fast sofort die Titulatur scomes de Friburg« einführt, aber staatsrechtlich in dieser ganzen Zeit stets das richtige »dominus«, »herre von Fri- burg« gebraucht!), so dass gerade die Bezeichnung »Graf- schaft« für das Freiburger Herrschaftsgebiet für diese ganze Periode äusserst selten ist und zum erstenmal 1299 vor- kommt. Einen ungenauen Sprachgebrauch bedeutet sie auch da, nur in umgekehrtem Sinn wie in dem Fall von 1077 und dem Beispiel des Rodels. Darum beweist sie zwar nichts für die Datierung des Rodels vor oder nach dem Auftreten der Grafen von Urach?), ist aber bezeichnend für das Ansehen der Stellung der Herzöge im Breisgau.

Nachdem nun in den obigen Ausführungen gezeigt wurde, dass infolge der unstaatsrechtlichen Entwicklung der Titel der Sprachgebrauch in ihrer Anwendung will- kürliche Schwankungen zeigt, dass ferner die Weiterführung

1) Vgl. meinen Aufsatz, Diese Zeitschrift XXIX S. 106 ff. ?) Auf die Frage, ob dem Wort comitatus in der Rodelstelle eine andere Bedeutung als Grafschaft zukommt, brauche ich nicht einzugehen. Eine präzise An- wendung des. Wortes liegt auf keinen Fall vor; es ist deshalb unzulässig, die Bezeichnung von den Grafen von Urach abzuleiten und damit den Rodel nach 1218 zu datieren.

276 Flamm.

des Herzogtitels nach dem Verlust des zugehörigen Herzog- tums durch die Zähringer keinen vereinzelt dastehenden Fall darstellt, ist die Deutung der Verbindung »dux-de Zaeringen« nicht mehr schwer. Sie ist überhaupt nichts Zusammengehöriges, vielmehr nur eine scheinbare. In einer Zusammensetzung wie z. B. Bertoldus dux de Zaeringen ist nicht zu lesen, Bertoldus dux de Zaeringen, sondern Bertoldus, dux, de Zaeringen. Dux ist hier lediglich als Apposition dem Personennamen unmittelbar nachgestellt, ohne deshalb zunächst mit dem folgenden Familiennamen die staatsrechtliche Verbindung einzugehen, die man, durch den Ortsnamen verleitet, vielfach in diese und ähnliche Zusammensetzungen hineinlegte. Dass aber der Titel in diesen Fällen lediglich die nach lateinischem Sprachgebrauch dem Namen nachgesetzte Apposition ist, möge statt mehrer das folgende besonders deutliche Beispiel zeigen. Zum Jahr 1191 wird in einer Urkunde des Klosters Salem ein »Ulricus Rischa minister ducis de Hiberlingen« erwähnt!). Hier ist nicht »dux« mit »de Hiberlingen« zu verbinden, sondern es ist, da die Reischach auch Besitzungen in Über- lingen besassen und sich darnach benannten, zu lesen: »Ulricus Rischa, minister ducis, de Hiberlingen« Und genau so ist es im Fall der Herzöge von Zähringen. Die Burg gab nur den Familiennamen, mehr nicht; es konnte, wie wir sahen, zwischen Titel und Burgname ein engeres Ver- hältnis entstehen, dies ist aber in unserm Fall nicht ge schehen.

Ist somit der lange umstrittene Titel »Herzog von Zähringen«, wie ich zu hoffen wage, restlos erklärt, so ent- steht die weitere Frage, was sagt er uns über die Ge- schichte der Burg und des Geschlechtes, das sich nach ihr benannte?

Die Baugeschichte einer Burg und ihre Wahl zur Stammburg eines (teschlechtes sind zwei Momente, die nicht in untrennbaren Zusammenhang gebracht werden dürfen. Auch Albert sucht dies zunächst zu vermeiden, indem er das Wort »erbauen« nicht wörtlich nimmt?). Als

1) Kindler-Knobloch, Oberbadisches Geschlechterbuch Band HI S. 454, unter Reischach. 2) a. a. O. S. 18.

Der Titel »Herzog von Zähringen«. 277

ziemlich sicher darf höchstens gelten, dass der zweite Tat- bestand nicht ohne Einfluss auf den ersten blieb, er hat auch möglicherweise die Erbauung der kleinen Feste erst veranlasst, ein zwingendes Baudatum daraus abzuleiten, ginge jedenfalls zu weit. Für sich allein können aber Erwägungen dieser und ähnlicher Art nicht den Ausschlag geben. Dazu bedürfte es der Untersuchung des Bauwerks selbst, was indes die in den letzten Jahren von Regierungs- baumeister Linde mit grosser Umsicht vorgenommenen Ausgrabungen ergaben, hat die von anderer Seite darauf gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt, denn die Erwartung, die Reste einer einstigen grossen Burg zu finden, hat sich nicht bestätigt. Was Pfaff!) und Heyck?) über die Bau- geschichte der Burg ausführten, gilt in der Hauptsache auch noch heute. In diesem Zusammenhang eingehend zu den baugeschichtlichen Fragen Stellung zu nehmen, würde zu weit führen. Nur was die historischen Nachrichten an Schlüssen gestatten, sei kurz erörtert. Dabei müssen wir eines scharf betonen. Wenn wir von Prämissen der poli- tischen Geschichte ausgehen, so muss die Antwort eben- falls politischer Natur sein. Baugeschichtliche Fragen, ob- wohl einem weiter abliegenden Gebiet angehörend, können dieser Art sein; um jedoch unschwer denkbare Fehlschlüsse zu vermeiden, müssen wir die zu untersuchende Frage einzig darauf zuspitzen, wann ist die Burg Zähringen zur Stammburg des Geschlechts der Herzöge erwählt worden,

Als Zeit der Erbauung bzw. Erweiterung der Burg und ihrer Erhebung zum Stammsitz des herzoglichen Ge- schlechts hat Albert die Jahre um 1078/79 angenommen?). Wichtig scheint sein Hinweis, in den bis 1078 sich ab- spielenden Kämpfen der Zähringer und Welfen mit den Hohenstaufen habe es sich um nichts anderes als um die Vorherrschaft in Schwaben, ja in Deutschland gehandelt und im Verlauf dieses Kampfes hätten die Zähringer nach dem Breisgau weichen müssen. Wenn Albert aber hinzu- fügt, dies sei durch den Bau der Burg Zähringen offen- kundig dargetan, so sind da Beweisgrund und Beweisthema

1) Pfaff, Fr., Zur Baugeschichte der Burg Zähringen. DBreisgauer Zeitung 1890 (Juni 22) Nr. 143. ?) a. a. O. S. 186 f. ?) S. ı7 f.

278 Flamm.

verwechselt. Zudem war die Stellung der Zähringer in Schwaben, worauf noch zurückzukommen sein wird, erst 1098 endgültig erschüttert, und es wird sich zeigen, dass das Milieu um dieses Jahr und die erstmalige Erwähnung des Titels »Herzog von Zähringen« im Jahr 1100 weit eher zusammenpassen. Der Hinweis auf Kreutters Vermutung, Herzog Bertold II. sei nach dem Verlust der Feste Hohen- twiel im Jahr 1086 und nach Abschluss der Weaffenruhe mit dem Abt von St. Gallen durch die Sorge für seine künftige Sicherheit zur Erbauung einer Burg im Schwarz- wald, eben der Burg Zähringen, veranlasst worden, kann doch unmöglich eine »Bestätigungs der Annahme Alberts bilden, die Burg Zähringen sei von Bertold II. um 1078/79 zwischen der Eroberung des Breisgaus und seiner nach Ostern erfolgten Vermählung mit Agnes von Rheinfelden erbaut und zu seinem Wohnsitz erwählt worden. Ebenso- wenig kann die Nachricht eines Einsiedler Annalisten von der Gründung der Stadt Freiburg im Jahr ıogı als »Be- stätigung« des Datums 1078/79 gelten. Für eine Datierung der Erbauung der Burg Zähringen vor oder nach 1091 beweist sie nichts, und will man Kreutters Gedankengang überhaupt verwerten, so folgt daraus einzig und allein, dass die Burg Zähringen nach 1086 erbaut wurde. Wie Albert von der genannten Voraussetzung aus zu einer Vordatierung kommen konnte, ist nicht einzusehen. Zu einer besser be- gründeten Fixierung des Baudatums der Zähringerburg, immer vom rein historischen Standpunkt aus, scheinen mir folgende Erwägungen zu führen.

Im Jahr 1092 war Bertold II. von der Opposition gegen König Heinrich IV. auf dem Tag zu Ulm zum Herzog von Schwaben gewählt worden und hatte so über Heinrichs Parteigänger Friedrich von Staufen triumphiert. Im Jahr darauf, 1093, transferierte Bertold das Hauskloster Weil- heim nach St. Peter im breisgauischen Schwarzwald. Hatte er also schon damals den Plan, den Hauptsitz seiner Macht nach dem Breisgau zu verlegen? Das wäre denkbar; aber sein Ausharren in den Kämpfen um Schwaben spricht eher dagegen. Auch war der Plan der TIransferierung des Klosters in dieser Form nicht Bertolds eigenem Wunsch entsprungen. Die Mönche von Hirsau waren

Der Titel »Herzog von Zähringen«. 279

es!), die von einem Wiederaufbau der seit Bertolds I. Tod zerstörten Propstei Weilheim abgeraten hatten und die Wahl eines abgelegenen Ortes empfahlen. Der Breisgau war also 1093 von Bertold Il. noch nicht in dem Mass und Umfang zum Mittelpunkt seiner Hausmacht ausersehen, wie es bald darauf geschehen ist. Erst als Bertold II. nach wechselvollen Kämpfen 1098 auf das Herzogtum Schwaben verzichten musste und davon nur die Reichsvogtei über Zürich behielt, konzentrierten sich die Interessen seines Hauses endgültig auf den Südwesten des Reichs und den breisgauischen Besitz. Ist es nun nicht höchst auffällig, wenn genau zu dieser Zeit die ältere, markgräfliche Linie des Geschlechts, die doch das Grafenamt im Breisgau inne- hatte, ihrerseits den Hauptsitz ihrer Macht vom Breisgau in den Uf- oder Ossgau verlegte? Im Jahr ıı00 nennt sich Bertold II. Herzog von Zähringen, ııo2 Markgraf Hermann II. Graf im Ufgau und ı1ıı2 zum erstenmal smarchin de Baduon«. In diesen Daten lässt sich ein innerer Zusammenhang nachweisen.

Auf Grund eines im Freiburger Stadtarchiv aufgefun- denen Blattes des Rotulus San Petrinus konnte ich auf die bisher unbekannte Tatsache hinweisen, dass die Zähringer um 1102 nach dem Aussterben der mit ihnen verwandten Grafen von Nellenburg in direkter Linie kraft Erbrechts, siure hereditario«, auf deren Nachlass Ansprüche erhoben). Allerdings wird in dem Blatt nur die Geltendmachung von Erbrechten auf Kirchheim an der Teck und die Kirche zu Nabern erwähnt, aber die Frage lag nahe genug, ob zu jener Zeit vielleicht auch andere Güter aus nellenburgischem Besitz an die Zähringer gelangten. Das scheint nun nament- lich bezüglich der Burg Baden im Oosgau, von der unser Land seinen Namen ableitet, der Fall gewesen zu sein. Die Nellenburger hatten 987 ein »praedium« zu Baden er- worben; zu diesem Praedium gehörten u. a. die Kirche, das Fischrecht und der Mühlbann. Das Patronatsrecht über die Kirche aber stand nach einer Nachricht aus dem Jahr 1245, wo es zur Stiftung des Klosters Lichtental diente,

-= nn

1) Heyck, a. a. O. S. 171. ?) Vgl. meinen Aufsatz. Diese Zeit- schrift N.F. XXIX (1913) S. 74 ff.

280 Flamm.

den Markgrafen von Baden zu, und Fischrecht und Wasser- zoll gehörten nach einer Notiz von 1297 zur Burg Baden. Aus diesen wichtigen Indizien glaube ich auf eine Iden- tität des nellenburgischen und des markgräflichen Baden schliessen zu dürfen und nehme an, dass jenes um 1102 durch Erbschaft von den Nellenburgern an die Markgrafen kam, die Entstehung der Markgrafschaft Baden also in die Zeit um 1102 falle. Dieser Gedankengang scheint mir um so berechtigter, als die bisher geltende Theorie über den Anfall Badens an die Markgrafen eine Art Zirkel- beweis bildet. Weil die Anwartschaft der Zähringer auf die nellenburgische Erbschaft aus den Quellen bisher nicht bekannt war, hatte man diesen Besitzerwerb durch Heirat erklärt, und da von der Gemahlin Hermanns II. nur Güter im fernen Backnang erwähnt werden, so wurde Baden zum Heiratsgut von Judith, der Gemahlin Hermanns I, der doch schon 1074 gestorben war, gestempelt, und man vermutete in dieser Markgräfin eine Tochter aus einem der umwohnenden Grafengeschlechter, Calw oder Eberstein; diese Verwandtschaft wurde ihrerseits mit dem Hinweis auf Baden, dessen Anfall an die Markgrafen auf andere Weise nicht zu erklären war, gestützt. Freilich hatte schon Schöpflin, von dem diese Theorie stammt, selbst hinzu- gefügt!): »Intelligimus facile, nondum compotem eum [Her- mannum ].] fuisse terrarum Badensium, quae nonnisi mortuo Bertoldo adeoque post annum 1078 ad Hermannum II., Clu- niacensis filium, pervenire potuerunt«; was indes Bertold I. mit diesen Gütern zu tun gehabt haben soll und weshalb sic erst nach seinem Tode an Hermann II. hätten gelangen können, ist im Gegenteil gar nicht leicht einzusehen. Das Zusammentreffen der obigen Daten ist daher um so auf- fallender. Ich stelle mir heute den Zusammenhang in erweiterter Gestalt in folgender Weise vor und freue mich, wie leicht sich die neuen Tatsachen in die bisherige Kon- struktion eingliedern und mit ihr das Bild aufs glücklichste organisch erweitern.

Als Bertold im Jahr 1098 des Herzogtums Schwaben

1) Schöpflin, Fr., Historia Zaringo-Badensis. Carolsruhae 1763 Bd. I S. 276.

Der Titel »Herzog von Zähringen«. 281

verlustig ging und den Schwerpunkt seiner Macht nach dem Breisgau verlegte, hatte er sich zuerst mit der mark- gräflichen Linie seines Hauses, die das Grrafenamt im Breis- gau seit Hermann I. innehatte, auseinanderzusetzen. An einem friedlichen Ausgleich der beiden Linien war auch Kaiser Heinrich mit Rücksicht auf seinen Parteigänger Hermann II. mitinteressiert, und so ist es zu vermuten, dass er dabei irgendwie mitwirkte, wie dies bei der Ab- findung Bertolds für den Verzicht auf Schwaben der Fall war!) Die Möglichkeit dazu bot die bevorstehende nellen- burgische Erbschaft; mit ihrer Hilfe konnten sich der Machtbereich der markgräflichen und herzoglichen Linie schärfer als bisher scheiden. Die Markgrafen erhielten bei dieser Auseinandersetzung, darin allein sehe ich die Mit- wirkung und Unterstützung des Kaisers, die Grafschaft im Oosgau, wo durch die nellenburgische Erbschaft die Burg Baden zum Mittelpunkt ihres Territoriums wurde. Im Jahr 1102 nennt sich, wie schon erwähnt, Markgraf Hermann II. zum erstenmal »comes in Uffgowe«, im Jahr 1112 zum erstenmal »marchio de Baduon«.

Während so die Markgrafen die Hauptstütze ihrer Hausmacht nach dem Oosgau verlegten und ihre dortige Stellung weiter ausbauten, war die herzogliche Linie, ob- wohl die jüngere, im Stammland des Geschlechts, dem Breisgau, geblieben. Hier wählte um ı100 Herzog Ber- told II. die Burg Zähringen zur Stammburg seines Hauses, wohl kaum wegen ihrer Grösse und Pracht, die man sich ungeachtet des mächtigen Herzogtitels nicht viel eindrucks- voller vorzustellen braucht, als die noch vorhandenen Reste und die Ergebnisse der Grabungen ahnen lassen;. möglich und denkbar ist, dass Bertold die Burg damals erst baute oder doch vergrösserte. Entscheidend bei der Wahl des Ortes mag wohl die Lage in der Nähe der beiden wich- tigsten Strassen des Landes gewesen sein, der Linie Frank- furt-Basel und der einzigen bedeutenden Strasse aus dem Breisgau nach Schwaben, die durch das Glottertal über den Schwarzwald führte. Es würde ausserdem mittelalter- licher Vorliebe für Analogien und Gleichklang entsprechen,

I) Heyck, a. a. O. S. 185. Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. N.F. XXX. 2. 19

282 Flamm..

wenn auch der Name der Burg und der Zusammenklang von Zaringia und Karinthia bei der Auswahl des Ortes in Betracht gezogen worden wäre, denn der Verlust von Kärnthen war noch immer nicht verwunden; damit wäre eine Möglichkeit gegeben, die beiden Namen in einen Zu- sammenhang zu bringen, freilich nur, um sie für jede andere Deutung sofort zu trennen und Kärnthen für immer auszuscheiden.

Die Stellung der Herzöge zu den blutsverwandten Grafen’ des Breisgaus war in einer Weise geregelt, die in dem Zusammenhang, wie wir hier die Ereignisse betrachten, ohne Schwierigkeiten verständlich wird. Ob zum Bau oder zur Rangerhöhung der Burg Zähringen, die auf Reichs- gebiet lag, die Genehmigung des Breisgaugrafen auch in diesem Falle nötig war und eingeholt wurde, wissen wir nicht; vom allgemeinen Rechtsstandpunkt aus wäre es erforderlich gewesen. Jedenfalls berührt es eigentümlich und bedarf der Erklärung, wieso das mächtige Herzogen- geschlecht trotz seines Reichtums an Allodialgut in der ganzen (regend, namentlich bei dem nahen Freiburg, seinen Familiensitz auf Boden wählte, der vom Reich zu Lehen stammte. Auf die Theorie Maurers von der Verpfändung der Breisgaugrafschaft an die Herzöge einzugehen, scheint mir unnötig, weil die Hauptstütze dieser Theorie, das Vorkommen der Worte »comitatus« und »comitia« in den Freiburger Ver- fassungsurkunden, einleuchtender gedeutet werden konnte. Aber wenn die Herzöge auch nicht das Grafenamt selbst verwalteten, so besassen sie doch die meisten von dessen Rechten, und es konnte wenigstens der Wunsch naheliegen, durch Benennung nach einer Burg auf Reichsgut in der Gregend als Vertreter von Reichsbefugnissen zu erscheinen und die Führung in diesem Gebiet zu behaupten; deshalb dann auch die ungewöhnlichen Exemtionen vom Grafen- amt, in deren Besitz wir die Zähringer fanden.

Im Weiterausbau dieser Machtstellung am Oberrhein wurde 1120 die Stadt Freiburg gegründet. Wahrscheinlich wurde zur selben Zeit, wie auch Albert annimmt, die her- zogliche Burg auf dem Schlossberg gebaut. Dafür spricht die Erwähnung eines herzoglichen Ministerialen »Burgolt de Friburc« in der Zeit zwischen ır08 und

Der Titel »Herzog von Zähringen«. 283

11321); denn es ist aus gleich zu erwähnenden Gründen ganz unwahrscheinlich, dass dieser Burgolt sich nach der neuen Kaufmannsstadt hätte benennen dürfen. Entweder bestand also vor 1120 ein Ort Freiburg, wie der Einsiedler Annalist und nach ihm die Marbacher Annalen berichten und was auch das Folgende nicht ausschliesst, oder es gab neben und ausserhalb der Stadt seit deren Gründung eine herrschaftliche Ansiedlung, deren Lage wir mit guten Gründen unmittelbar am Fusse des Schlossbergs vor dem Schwabentor vermuten können?), in dieser Gegend, am Gewerbekanal, lag auch, was als neuer Beweis noch dazu genannt sein mag, des Grafen Mühle, die schon zu Zeiten Herzog Bertolds V. erwähnt wird). Zur Ansiedlung her- zoglicher Dienstleute gehörte aber sicher auch ein Schloss auf dem Berg.

Mit feiner Klugheit haben es die Herzöge vermieden, sich nach dieser Burg zu benennen, wie es ihre Erben, die Grafen von Urach, nach dem Antritt der Erbschaft und dem Anfall der Burg Zähringen an die Herzöge von Teck sofort taten. Ja die Herzöge haben sogar in freisinnigstem Entgegenkommen für ihre eigenen Ministerialen und Dienst- leute das Wohnen in der Stadt von der Zustimmung der Bürger abhängig gemacht und sich selbst mit dem be- scheideneren Titel eines Herzogs von Zähringen begnügt, und in gleichem Geiste haben sie weiterhin ihren Ruhm in der Gründung von Städten gesucht, die durch das grosse liberale Prinzip der Selbstverwaltung denn nichts anderes bedeutet die der Stadt Freiburg im Breisgau gewährte freie Wahl des Schultheissen und Pfarrers in der Ent- wicklung der bürgerlichen Freiheit auf lange die führende Stellung erhielten.

Ich glaube, mit dieser kurzen Skizzierung diese Unter- suchung schliessen zu dürfen. Was wir als wichtigstes Ergebnis in deutlich erkennbaren Umrissen durch den Schleier der Überlieferung durchschimmern sehen, das ist die grosse Bedeutung, die der Annahme des Familiennamens

1) Vgl. darüber meinen Aufsatz in den Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 1907 S. 404 ff. ?) Ebenda S. 405 f. 3) An dieser Stelle den Beweis für diese nur lokalhistorisch interessierende Tatsache zu führen, muss ich mir aus Raumrücksichten ersparen.

1g*

284 Flamm.

von Zähringen in der Geschichte der Herzöge und des badischen Landes zukommt. Nicht eine schwer zu deutende, sonderbare Laune ist es, die zu dieser Namenswahl führte, sondern sie ist der Ausdruck einer Politik, die sich klug mit den Anverwandten des Geschlechts in die Hausmacht teilt und in dem staatsmännischen Ausbau der eigenen Stellung in freiheitlichen Städtegründungen ihre schönsten Erfolge sucht. Es war darum ein feinsinniger Gedanke des Markgrafen Karl Friedrich, als er vor hundert Jahren nach dem Anfall der vorderösterreichischen Gebiete an sein Haus mit dem Erwerb der Burg Zähringen und der Stadt Frei- burg den Titel eines Herzogs von Zähringen, der seiner Linie auch als Familienname nicht zukam, sich beilegte. Uralte Beziehungen wurden damit erneuert, die die Ver- schmelzung der neuerworbenen Gebiete mit dem. Gross- herzogtum Baden durch verständnisvolle Anknüpfung an historisch Gegebenes erleichterten und beschleunigten, indem sie den freiheitlichen Bürgersinn des badischen Herrscher- hauses aufs neue zu verheissungsvollem Ausdruck brachten.

Miszellen.

Ein Verzeichnis von Traditionen der Abtei Amorbach aus dem ıı. und ı2. Jahrhundert. -— Das nachstehende Ver- zeichnis hat bereits J. Gropp in seiner Geschichte der Abtei Amorbach!) veröffentlicht, jedoch so fehlerhaft, dass es für den Historiker ganz unbrauchbar ist. Dem Herausgeber soll damit kein Vorwurf gemacht werden; er hatte zweifellos nur eine schlechte Abschrift zur Verfügung. Die älteste Überlieferung dieser Traditionsnotizen kannte Gropp nicht; die betreffende Handschrift war damals der Abtei Amorbach längst entfremdet. Dieselbe befindet sich jetzt in der Universitätsbibliothek zu Würz- burg (M pthf71), wohin sie aus dem Würzburger Jesuitenkolleg nach dessen Aufhebung (1773) gelangte. Nach mehrfachen Besitzvermerken?) dieses Kollegs dürfte die Handschrift im 17. Jahrh. dorthin gekommen sein. Sie enthält auf 126 Per- gamentblättern in kl. Folio die Confessiones des hl. Augustin. Auf Blatt 126v schrieb eine Hand des 13. Jahrh. das nachfol- gende Verzeichnis hinzu; dasselbe reicht auch noch auf ein weiteres jetzt an den mit gepresstem Kalbleder überzogenen Holzdeckel innen angeleimtes Blatt der Handschrift.

Dass die Handschrift ehedem der Abtei Amorbach ange- hörte, steht ausser allem Zweifel. Bei zwei alten Besitzvermerken?) wurde zwar von den späteren Besitzern der Ortsname radikal ausradiert; allein schon in der ersten Traditionsnotiz ist die Zugehörigkeit ganz deutlich zu erkennen. Zeitlich werden die Schenkungen in die zweite Hälfte des 11. und erste Hälfte des 12. Jahrh. einzureihen sein; somit kann unsere Überlieferung selbst nur wieder eine Abschrift sein, was indes ihren Wert nicht verringert, da wir von Amorbach aus der Zeit vor 1200 fast gar kein urkundliches Material besitzen. Das Verzeichnis ist ferner sowohl wegen der zahlreichen darin vorkommenden Ortsnamen,

—m—na no

1) Aetas mille annorum monasterii B.M. V. in Amorbach ... (Frank- furt 1736), S. 193 f. ?) Auf Blatt 1: Collegii Societatis Jesu Herbipoli. Auf Bl. 2v desgleichen (auf Rasur). 3) Auf dem vorderen inneren Deckel, vielleicht von der Hand des Traditionenschreibers: Iste liber est ecclesie (das Übrige ausradiert); ferner von derselben Hand mit anderer Tinte: iste codex est s. Marie virg. (das Übrige wieder ausradiert).

286 Miszellen.

als auch für die Richtigstellung des Äbtekataloges !) von Wichtigkeit. Ein neuer Abdruck desselben dürfte daher nützlich sein, da Gropp nicht nur eine Reihe von Ortsnamen falsch gelesen, sondern auch durch falsche Interpunktion den Text mehrfach verunstaltet hat.

[Notitiae traditionum:]

[1] In pago Bachgowe?) Gerhardus comes in Bibinkein?) dedit predium suum cum XII hubis s[ancte] M[arie] et m[ultis] m[ancipiis]| ad Amorbach. |

[2] Godebolt et Adelha[l]m in Phlumheint), Drŷsin5).

[3] In Rengenheim®) Bvbo et Eberhart.

[4] In Rodin?ı Irmingart nobilis.

[5] In Slirbachs) hii dederunt nobis sua; deus retribuat eis eterna. |

[6] Hageno in tribus locis: in Heidebach?), Kirsefurth!®), in Lulingescheit!!); dominus reddat eis in celis.

[7] In Kenninkein!?2) Regenhart et Ida.

[8] In Crispinhofin!3) Swiger.

[9] In Giezzen!®) Aldum et Judda.

[10] Dominus Erlungus episcopus Herbipolensis dedit XXVI iugera in campo Graz!) apud Herbipolim.

- [11| Dominus Adelbero episcopus HerbipolensisW itegestat!®).

[12] Dominus Emehardus episcopus Herbipolensis dedit ecclesias in Heilcprunnin!?”), in Rohinkein!8) et in Slir- stat19) cum ecclesiolis sibi subditis.

') Derselbe ist von mir in der Zs. »Studien u. Mitteil. z. Gesch. des Benediktinerordens«, N.F. 4 (1914) veröffentlicht worden. 2) Der Bachgau lag am linken Mainufer sw. von Aschaffenburg, zwischen Main und Gersprenz. 3) ? Biebesheim a. Rhein, n. Gernsheim, hess. Prov. Starkenburg. 4) Pflaumheim, bayer. Rgb. Unterfranken, BA. Obernburg. 5) Unbekannt. *) Unbekannt; wohl nicht Rinschheim, bad. A. Buchen, dessen ältere Form Rindesheim lautet. 1) Unbekannt. £ê) Schlierbach, Ght. Hessen, Prov. Starkenburg, Kr. Dieburg. °) Gross-Heubach, bayer. Rgb. Unter- franken BA. Miltenberg. !") Kirschfurth, gegenüber Freudenberg a. Main, BA. Marktheidenfeld. 1t) Unbekannt, vermutlich in der Nähe der beiden anderen Orte. !?) Königheim, bad. Kr. Mosbach, A. Tauberbischofsheim. !8) Krispenhofen, württ. Jagstkr., OA. Künzelsau. 14) Vermutlich die Ödung Giess bei Osterburken, bad. Kr. Mosbach, A. Adelsheim. 1!) Flur- bezeichnung im Osten der Würzburger Stadtmarkung, gegen den Exerzierplatz. 16) Oberwittstadt, bad. Kr. Mosbach, A. Boxberg. 17) Weder Heil- bronn a. N. noch Heiligenbronn im württ. OA. Gerabronn, wie bisher ange- nommen wurde, sondern in der Nähe der beiden andern Orte (Roigheim und Schlierstatt) zu suchen; nach meiner Vermutung an der Stelle der Flurbezeich- nung »am Heiligenbrunnen« in der Gemarkung Osterburken (vgl. Krieger ÍI, 445). Über die Schenkung von Heiligbrunnen ist noch die Urkunde Bischof Emehards vorhanden (gedruckt: Mon. Boica, 45. Bd. S. ı no. 1; Württ. U.B. I, S. 312. !8) Roigheim, württ. Neckarkr., OA. Neckarsulm. 1?) Schlier- statt, bad. Kr. Mosbach, A. Adelsheim.

Miszellen. 287-

|13] Item Regelint ecclesiam in Brezinkein‘) et in Kazin- dal?) cum omnibus pertinentiis suis.

[14] Dominus abbasa) Bruno in He instatt®) emit t predium et sue depositioni disposuit.

[15] In Cymbern4) Adelhalm. et Cornii TN

[16] Nibertus cecus in Hohinstat5).

[17] Cuno de Aschusin®), Rudegerus, Rutoch et Venia in Adeloshein’?), et in Berolshein®) isdem Cvno. |

[18] In Marloch?) et in Winzinhofin!0) et in Stede- bach!1!) Draboto et Ita.

[19] In Baldradishusin!2?) II mansos Reinharth,

[20] In Schalkeberc13) Gundekar et Adelheit.

[21] In Sekahalt) Godebolt et Edilint..

[22] In yallebrunnin") et in Brambuch16) Walderat et Sabina.

[23] In Dorlichesbur!?) Egilolf.

[24] In Hephinkein!B) nn

[25] In Stetin!9) Eberwin.

[26] In Sindolfish[ein]20) Ida. _

[27] In Althein?!) Gozwin viculum Aphelbuch®)

[28] Irmingarth in Harthusin28),

[29] Hiltegart in Volmarsdorf2%) et in Gerach®) in die sepulture mariti sui, domini Vlrici.

è i SE We

a) abbas von späterer Hand hinzugesetzt. a =

1) Bretzingen, bad. Kr. Mosbach, A. Buchen. *) Katzental, bad. Kr. u. A. Mosbach. 3) Hainstatt, bad. Kr. Mosbach, A. Buchen. 1) Zimmern, bad. Kr. Mosbach, A. Adelsheim. 5) Hohenstatt, bad. Kr. Mosbach, A. Adelsheim. 6) Aschhausen, württ. Jagstkr., OA. Künzelsau. 7) Adelsheim, bad. Kr. Mosbach, Amtstadt. 8) Berolzheim, bad. Kr. Mosbach, A. Boxberg. °) Marlach, württ. Jagstkr, OA. Künzelsau. 10) Winzenhofen, bad. Kr. Mosbach, A. Tauberbischofsheim. 11) Nach Mitteilung von Hr. Geh. Archivrat Dr. Krieger vielleicht Stebbach, bad. A. Eppingen, wo allerdings Besitz des Klosters Amorbach nicht nach- gewiesen werden kann. 12) Abgegangener Hof bei Heckfeld, bad. A. Tauberbischofsheim. 13) Schallberg, ein abgegangener Hof, ehemals zum Weiler Heidachshof (bad. A. Adelsheim) gehörig. 4) Seckach, bad. Kr. Mosbach, A. Adelsheim. 15) Vielbrunn, Ght. Hessen, Prov. Starkenburg, Kr. Erbach. 18) Kirchbrombach, Ght. Hessen, Prov. Starkenburg, Kr. Erbach. 1) Dörlesberg, bad. Kr. Mosbach, A. Wertheim. 1?) Höpfingen, bad. Kr. Mosbach, A. Buchen. 1?) Waldstetten, bad. Kr. Mosbach, A. Buchen. 20) Sindolsheim, bad. Kr. Mosbach, A. Adelsheim. ?!) Altheim, bad. Kr. Mosbach, A. Buchen. 22) Kann nach gefl. Mitteilung von Hr. Geh. Archivrat Dr. Krieger nur so verstanden werden, dass Aphelbuch in Altheim aufgegangen oder bei demselben abgegangen ist. Der Name kommt jedoch auf der heutigen Gemarkungskarte nicht mehr vor. ?$) Wahrscheinlich nicht Harthausen, württ. Jagstkreis OA. Mergentheim, sondern ein gleichnamiger abgegangener Ort in der Markung von Bürg a./K., württ. OA. Neckarsulm. ?4) Volmersdorf, bad. Kr. Mosbach, A. Buchen. 25) Neckargerach, bad. Kr. Mosbach, A. Eberbach.

288 Miszellen.

[30] Dominus Richardus abbas erat vir bonus: ampi bona nostra scilicet in Durna 1), in Bodinkein?), in Limpac: in Bibinkein®), in Mettinheinö), in Gissinkeins)

vnum in Bachgowe®) cum XIII talentis, aliud in Harthe:: cum V talentis, Quartumb) jn Altheim!) cum III tale: quintum in Tertingin13) cum XX et VII talentis, sextun: monte qui dicitur Burk13) cum X talentis,

[33] Dominus Rlic]hardusa) ll.c) abbas acquisiuit furncz Heinrici de Biluirnkein!4) et in Hirslanden13) et in Beji gin16) et alium in Gotbrehsdorfi?) et alium in Kenninkeir"

Würzburg, Dr. Erang S. Beni

Folgen dem Unternehmen ein Ende. Die aus dem Schwarz waldkloster vertriebenen Mönche siedelten nach St, Paul in

a) Das tertium (allodium) fehlt, vielleicht vom Abschreiber übersehen. b) Vom Anfangsbuchstaben steht nur I (Majuskel), das Übrige und die (zwei, folgenden Buchstaben sind durch ein Wurmloch zerstört. Gropps Vorlage

1) Walldürn, bad. Kr. Mosbach, A. Buchen. ®) Bödigheim, bad. Kr. Mosbach, A. Buchen. ) Limbach, bad. Kr. Mosbach, A. Buchen. 1) ? Biebesheim a. Rh., vgl. oben. Bi: Mettenheim n. Worms. —. 6) Gissigheim, bad. Kr. Mosbach, A. Tauberbischofsheim. )) Steinbach, bad. Kr. Mosbach, A. Buchen. 8) Itter, Nebenbach r. zum Neckar, bei Eberbach einmündend; in seinem oberen Laufe Euterbach genannt.

bad. Kr. Mosbach, A. Buchen. 18) Vgl. no. 7. 3) Vgl. Brackmann in Hist. Zeitschr, 102, 327; Bader in Freiburger Diöcesanarchiv Bd. 8; die

verschiedenen Artikel in der Allg. deutsch. Biogr.; auch Pfeilschifter in dieser Zeitsch. N.F. 28, 306,

= Miszellen. 289

a ex nthen über und brachten ihre Handschriften und Sammlungen Fonn thin in Sicherheit!), Zu ihnen gehört die Historia episcoporum Argentinensium, die amı im Sommer 1912 in der Stiftsbibliothek zu St. Paul fand?) wg; | jüngst auf dem hiesigen Bezirksarchiv näher untersuchen mte8). Es verlohnt sich wohl, eine kurze Beschreibung des SRG rkes zu geben zumal zwar der Verfasser seinen Namen = t schweigt, aber mehrere persönliche Bemerkungen‘) auf den en „sterbibliothekar Ussermann weisen, der zu Gerberts Unter- e'u -amen 1790 und g2 den Prodromus beisteuerte, 1794 den = jscopatus Wirceburgensis und 1802 den Episcopatus Bamber- ¿x : asis veröffentlichte. sasz Es sind zwei Papierfolianten von 268 und 206 Blättern. azz:iann auch sorgfältig geschrieben, erwecken sie nicht den Ein- jr pack eines druckfertigen Manuskripts. Zu Anfang steht ein gestum chronologico-diplomaticum, daran schliesst sich nach = 2er kurzen Beschreibung der Diözese die Reihe der Bischofs- s Bs en in chronologischer Folge. Die nächsten Abschnitte be-

Le

uiet den Kirchen der Stadt Strassburg. Den Beschluss bilden nu? #3schreibungen der Klöster der Diözese in vorwiegend alpha- xeZ&stischer Ordnung. In Plan und Ausführung zeigt Ussermanns ; m®eschichte des Bistums Strassburg grosse Ähnlichkeit mit den wat hon erwähnten Werken, die er über Würzburg und Bamberg a Zeröffentlichte.e. Nur bringen die beiden Drucke stattliche An- ul 'änge vollständiger Urkundentexte, während sich in unserer Hand-

:hrift bloss Auszüge aus anderweitig herausgegebenen Dokumenten a nden. Auch sonst scheint der Verfasser ausser dem Manuskript en er Ellenhard-Chronik ungedruckte Materialien nicht benutzt zu “> aben. Aber die damals vorhandene Literatur wurde von ihm

=" nit Sorgfalt und kritischem Urteil verarbeitet.

. i Strassburg i. E.

qt P

A. Hessel.

Zur Datierung zweier Urkunden für St. Fides in ;:=Schlettstadt. Bei Würdtwein (Nova Subsidia Diplomatica X, +3210, nr. 74) sind folgende zwei Urkunden abgedruckt: A) Dom- „: propst Albert entscheidet als Vertreter des erwählten Bischofs - Heinrich von Strassburg, mit Rat des Dekans und des Kapitels, :: einen Streit zwischen dem Propst von St. Fides und dem Pfarrer von ;.Schlettstadt wegen des Begräbnisrechts zugunsten des Klosters). »-— B) Bischof Heinrich bestätigt diesen Spruch.

ı) Vgl. F. X. Kraus in dieser Zeitschr. N.F. 4, 59. ?) Signatur:

XXI. c/236. °®) Dem hochwürdigen Stiftsarchivar P. Dr. Christian möchte `. ich für die gütige Übersendung auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten . Dank aussprechen. *) So 1, fo. 115 u. 167. 5) Er bezieht sich dabei

. auf die Urkunde Bischof Ottos von Strassburg (Wentzcke, Reg. d. Bischöfe von Strassburg nr. 352) und das Privileg Papst Paschals II. (Jaffe-Löwen-

feld, Regesta pontif. Rom. nr. 6072).

290 Miszellen.

Die beiden Dokumente interessieren nicht nur den Schlett- stadter Lokalhistoriker, sondern verdienen auch als Quellen- material zur Entstehungsgeschichte des Strassburger Offizialats Beachtung!). Zu welchem Jahre sind sie einzureihen? Das Datum fehlt beiden Stücken. Da verschiedene Träger des Namens Heinrich dem Bistum Strassburg vorstanden, gibt nur der Name des Dompropstes einen chronologischen Anhaltspunkt. Wäre dieser wirklich Albert, so gehörten die Urkunden in den Anfang des 13. Jahrhunderts. Nun veröffentlichte aber Würdtwein nicht selbst bearbeitete Texte, sondern liess sie sich von Grandidier besorgen ?), in dessen Nachlass sich die Vorlagen noch finden’). Sie sind von einer Hand des 18. Jahrhunderts geschrieben; eigenhändig fügte Grandidier hinzu: Ex veteri apographo mem- branaceo palatii Argentinensis, korrigierte ferner den Namen des Dompropstes, der zweimal in der Abschrift Rodulfus lautete, in Albertus. Der berechtigte Verdacht, der elsässische Gelehrte habe hier eine willkürliche Änderung vorgenommen 4), lässt sich zur Gewissheit erheben durch die Feststellung, dass in einer anderen, von ihm unabhängigen Überlieferung sich beidemal Rodulfus findet). Handelt es sich aber um diesen Dompropst, dann kann seine Amtszeit nur zwischen die Jahre 1179 und 83 fallen®), mit Bischof Heinrich nur der erste dieses Namens ge- mein, A) nur um die Wende von 1180 auf 81, B) wenig später ausgestellt sein”),

4A. Hessel.

1) Vgl. Ober im Strassb. Diözesanblatt 1909, 349 und Die Rezeption der kanon. Zivilprozessformen im geistl. Gericht zu Strassb. 22. ?) Vgl. Gran- didier, Nouv. Œuvres inéd. 1, 46. °) Karlsruhe, Generallandesarchiv, II, 3 fo. 17. *) In seinen eigenhändigen Auszügen aus elsässischen Urkunden (Nachlass VII, 9, ı2) führt er die Urkunde noch als charta Rodulfi prae- positi an. 5) Fond Bodmann. Sammlung des Mainzer Professors Dürr. Notariell beglaubigte Abschrift von 1725. Herr Geheimrat Könnecke in Marburg hatte die grosse Güte, mir diesen Text zur Verfügung zu stellen. °) Vgl. Wentzcke, 1l. c. S. 411. *) Für die Richtigkeit dieser Einord- nung lassen sich noch zwei Momente anführen: Einmal ist der immerhin aussergewöhnliche Titel des Bischofs minister humilis noch mehrfach gerade bei Heinrich I. nachweisbar; dann ist wohl der in A) genannte Propst Pontius de Auriaco mit P. prepositus de Selehstad zu identifizieren, der sich in einer Urkunde von 1187 (Wentzcke l. c. nr. 630) findet.

Personalien.

Das Eiserne Kreuz II. Klasse und die badische Militärver- dienstmedaille erhielt der Mitarbeiter der Badischen Historischen Kommission Kriegsfreiwilliger Dr. Johannes Lahusen, den bayrischen Militärverdienstorden mit Schwertern der Hilfsarbeiter an der Grossh. Universitätsbibliothek in Heidelberg, Leutnant d. R. Dr. Herbert Burckhardt.

Im Kampfe fürs Vaterland fiel am 10. Januar 1915 als Kriegsfreiwilliger eines hessischen Infanterieregiments in Nord- frankreich der Privatdozent für germanische Philologie in Frei- burg Dr. Hans Schulz, der mit dem ersten Bande seines Fremdwörterbuchs auch der historischen Wissenschaft ein wert- volles Hilfsmittel schenkte. In den Karpathen fand am 21. Februar der junge Freiburger Historiker Dr. Hans Rohde, ein Schüler H. Finkes, als Kriegsfreiwilliger des 2. Schneeschuhbataillons den Heldentod. Er: war erst im November unter grossen Mühen aus Spanien zurückgekehrt, wo ihn der Krieg bei wissenschaftlichen Arbeiten für das Königl. preussische historische Institut in Rom überrascht hatte. Und am 1. April fiel in Flandern unser Mitarbeiter Dr. Herbert Burckhardt, Leutnant d. R. in einem bayr. Feld- artillerieregiment. Er hatte im Auftrag der Bad. Historischen Kommission die Bearbeitung einer »Bibliographie der Badischen Geschichtes übernommen und die Sammlung des Materials noch vor Kriegsausbruch nahezu zum Abschluss gebracht. Sein Name wird mit diesem Unternehmen, das nun ein Anderer zu Ende führen wird, dauernd in ehrenvoller Weise verknüpft bleiben. —.

Am 17. Januar d. J. starb zu Freiburg i. Br. im Alter von 44 Jahren unser Mitarbeiter, der Privatgelehrte Dr. Hermann Flamm. Geboren zu Günterstal am 7. September 1871, bezog er nach dem Besuch der Freiburger Volks- und Mittelschulen 1893 die dortige Universität, um sich dem Studium der Ge- schichte, Nationalökonomie und Jurisprudenz zu widmen. Als Hilfsarbeiter am Stadtarchive begann er im Auftrage der Stadt- verwaltung 1898 mit der Bearbeitung des zweiten Bandes der »Geschichtlichen Ortsbeschreibung der Stadt Freiburg i. B.«, der den Häuserstand von 1400— 1806 behandelte und 1903 erschien. Aus der Beschäftigung mit dem Häuserbuche erwuchs dann seine Dissertation über den »wirtschaftlichen Niedergang Frei-

292 Personalien.

_

burgs i. Br. und die Lage des städtischen Grundeigentums im 14. und ı5. Jahrhundert« (Karlsruhe, Braun, 1905), mit der er im Juli 1904 in der staatswissenschaftlichen Fakultät die Doktor- würde erwarb. Beides Veröffentlichungen, die für die Geschichte seiner Vaterstadt bleibenden Wert besitzen, charakteristisch für die Richtung seiner Studien und die Vorzüge seiner Arbeitsweise,

Im Zusammenhang mit seiner archivalischen Tätigkeit trat mehr und mehr die Erforschung der heimatlichen Vergangenheit für ihn in den Vordergrund; seiner Heimat gehörte dieser Mann mit allen Fasern seines Wesens. Erstaunlich gross ist die Zahl der Beiträge zur Geschichte Freiburgs, des Breisgaus und des Badener Landes, die er in unermüdlicher Arbeitskraft in ver- schiedenen fachwissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlichte), Auch unserer Zeitschrift stand er seit einigen Jahren als Mit- arbeiter nahe; ihr hat er seine letzte grössere Abhandlung über den Zähringer Herzogstitel, deren Manuskript er im Dezember v. ]. abschloss, übergeben. Wirtschafts- und rechtsgeschichtliche Pro- bleme waren es, die ihn mit Vorliebe anzogen; an der Dis- kussion über die Freiburger Stadtrechtsfrage hat er wiederholt klärend und fördernd Anteil genommen. Auch die Freiburger Kunstgeschichte verdankt ihm manche wertvolle Unterstützung. Und neben all diesen rein wissenschaftlichen Arbeiten, die sich durch Sorgfalt und Gründliohkeit, durch besonnenes Urteil und sicheren kritischen Blick auszeichnen, hat er es doch nie ver- schmäht, die Ergebnisse der Forschung in schlichter Darstellung durch die Tagespresse auch weiteren Kreisen des Voikes zu- gänglich zu machen und das Interesse für geschichtliche Ver- gangenheit in ihnen zu beleben. Für die vor Jahresfrist neu gegründete volkstümliche Zeitschrift: »Mein Heimatland« war er der gegebene Schriftleiter. Das Leben ist ihm nicht leicht ge- worden: er hat von Jugend auf oft hart zu kämpfen gehabt, und Entbehrungen und Enttäuschungen blieben ihm nicht erspart. Jahre hindurch war er gezwungen unter Verhältnissen zu arbeiten, die schwer auf ihm Jasteten, und als sich ihm im letzten Herbst endlich die Aussicht auf eine freundlichere, freiere Gestaltung seiner Zukunft eröffnete und das Unterrichtsministerium ihm die Bearbeitung einer Geschichte des badischen Volksschulwesens im 19. Jahrhundert übertrug, wurde er so wollte es die Tragik seines Schicksals im kräftigsten Mannesalter aus seinen Ent- würfen und Arbeiten durch den Tod abgerufen, mitten in dieser grossen entscheidungsschweren Zeit, die er innerlichst mitfühlte, miterlebte und mit durchkämpfte.

Ein bewährter, tüchtiger Gelehrter ist mit ihm heimgegangen, ein gründlicher Kenner und warmer Freund seiner badischen

1) Das Verzeichnis wird einem Nekrologe von Dr. Gustav Münzel bei- gegeben.

Personalien. 203 -`

Heimat, still und schlicht in seiner Art, zuverlässig und charakter- voll, abhold allem Scheine, in politischer Hinsicht bei tief reli- giöser, kirchentreuer Gesinnung doch unabhängig, getreu seinen Idealen seine eigenen Wege gehend und zu vermitteln und zu versöhnen bemüht. Ehre seinem Andenken. K. ©.

Am 8. Februar starb zu Freiburg nach längerem Leiden, 28 Jahre alt, der a. o. Professor der Nationalökonomie Dr. Hans Schönitz. Seine Arbeiten auf dem Gebiete der Privatwirtschafts- lehre waren grundlegend, und in seiner kurzen Lehrtätigkeit seit 1912 hatte er es verstanden, einen ungewöhnlich grossen Kreis von Schülern sich zu gewinnen. Auch des am 26. Februar ver- ‚storbenen, weit über Freiburgs Grenzen hinaus bekannten Ober- bürgermeisters a. D. Dr. Otto Winterer sei hier gedacht, der, zumal als Vorsitzender der Archivkommission und des Münster- bauvereins, voll Verständnis für den Wert geschichtlicher Über- lieferungen und Denkmale ihre Erhaltung und Pflege in gross- zügiger Weise förderte,

Einen schweren Verlust erlitt die Badische Historische Kom- mission durch den Tod ihres langjährigen ordentlichen Mitgliedes, des emeritierten Professors für neuere Geschichte an der Uni- versität Strassburg, Dr. Wilhelm Wiegand, der am 8. März einem qualvollen Herzleiden erlag. Es ist eine Ehrenpflicht für unsere Zeitschrift, diesem ausgezeichneten Gelehrten und hoch- verdienten Redakteur ihres elsässischen Teiles im nächsten Hefte einen eingehenden Nachruf zu widmen.

Zeitschriftenschau und Literaturnotizen.

Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung. 43. Heft. Gross: Der Überfall von Tuttlingen am 24. November 1643. Nach der am 19. November 1643 erfolgten Eroberung von Rottweil bezog die französisch-weimarische Armee Winterquartiere in und bei Tuttlingen; bereits am 24. desselben Monats wurde sie hier von bayerischen und kaiserlichen Truppen unter den Generalen von Mercy, von Werth und von Hatzfeld überfallen und zum grossen Teil aufgerieben. Wolfart: Erinnerungen aus der Ge- schichte des Hohentwiel, S. 14—21. Kurze Übersicht über die Geschichte der Burg. Wilh. Fox: Zur Geschichte der Reichsabtei Weissenau. S. 25—37. Weissenau unter den Äbten Bartholomäus Eberlin (1654—1681), Norbertus Schalter (1681— 1684), Michael Musacker (1684 —-1ı696) und Joh. Christo-

.. 204 Zeitschriftenschau und Literaturnotizen. phorus Korros (1696 1704). Fritz Kuhn: Gesamt-Inhalts- verzeichnis der Schriften .... 1.—42. Heft. S. 83—109.

Alemannia. Band 42. Heft 3. Fridrich Pfaff: Die Beschiessung Breisachs durch die Franzosen vom 15.—19. September 1793. S. 129—136. Abdruck von zeit- genössischen Berichten aus der Frankfurter Kaiserlichen Reichs- Ober-Post-Amts Zeitung und dem Moniteur universel, Fridrich Pfaff: Trauergesang von Breisachs Zerstörung und Auf- ruf an Deutschland zur einmütigen Vergeltung. S. 137 —140. Übersetzung des von dem bekannten Professor der Dogmatik an der Universität Freiburg i. Br. Engelbert Klüpfel verfassten lateinischen Originals. Rudolf Blume: Geschichte des Gasthauses zum »Löwen« in Staufen im Breisgau, der Stätte des Untergangs des geschichtlichen Faust. S. 141 157. Das Gasthaus, mit dessen Geschichte die Sage von dem schrecklichen Ende des geschichtlichen Faust nach den For- schungen des Verfassers auf das engste verknüpft ist, ist unter

diesem Namen seit 1620 urkundlich nachweisbar. Virgil Moser: Über Sprache und Orthographie Fischarts. S. 158. 174. Walter Zimmermann: Mundartliche Pflanzen-

namen aus Baden. S. 175—189. Fridrich Pfaff: Zum Tode Bernhards von Weimar. S. 189—191. Nach dem hier mitgeteilten zeitgenössischen Eintrag aus den Kasseler Uni- versitätsannalen dürfte es feststehen, dass Bernhards Todes- ursache die Pest war.

Zeitschrift der Gesellschaft für Beförderung der Ge- schichts-, Altertums- und Volkskunde von Freiburg, dem Breisgau und den angrenzenden Landschaften. XXX. Band. Karl Metzger: Die Entwicklung der Beamten- und Wirt- schaftsorganisation der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg. S. ı—ııı. Die Darstellung beschränkt sich auf die Zeit von der Gründung der Universität bis zu ihrem Übergang an Baden 1806. In 6 Kapiteln werden auf Grund der Univer- sitätsakten die regierenden Behörden und Organe der Universität, die Fakultätsorgane, die Kuratel- und Studienbehörden, die Kanzlei- und Verwaltungsorgane, die Bibliotheksverwaltung und das Amt des Pedellen behandelt. Beigegeben sind Verzeichnisse der Universitätsnotare und -Syndikusse. Adam Kaiser: Ge- schichte der Wollweberei in Schwaben bis zur Wende des 15. Jahrhunderts. S. ı12—-166. Zur Geschichte der Wollweberei in Ulm, Augsburg, Konstanz, Zürich und Villingen; unter den aus dem Villinger Stadtarchiv anhangsweise mitgeteilten Urkunden hebe ich besonders hervor die Villinger Tuchordnung betreffs des flämischen Tuchhandwerks von 1487. Peter P. Albert: Die Anfänge der ältesten Zeitung in Baden. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte des Freiburger

Zeitschriftenschau und Literaturnotizen. 295

Buchdrucks im siebzehnten Jahrhundert, S. 167—184. Auszüge aus Akten des Freiburger Stadtarchivs zur Geschichte der seit 1619 dort erscheinenden, von David Scheffer begrün- deten »Ordinari-Zeitung. Hermann Flamm: Testament und Grab Johannes Pistorius’? des Jüngern. S. 185—206. Abdruck des Testaments; nach der wohl abschliessenden Fest- stellung Flamms ist Pistorius am ıg. Juni 1608 gestorben und im Freiburger Augustinerkloster beigesetzt. R. Krauel: Tage- buch-Aufzeichnungen des Prinzen Wilhelm von Preussen über seinen Aufenthalt zu Freiburg i. Br. vom 4. bis 12, Januar 1914. S. 207—216. Friedrich Hefele: Drei ungedruckte Briefe Karl Theodor Welckers, S. 220—223. Anekdoten von Kaiser Joseph Il., als er im Jahr 1717 dahier in Freyburg war. S. 223—224. Aus dem »liber actorum chori sive praesentiae«. Friedrich Hefele: Inhalts- verzeichnis über die Zeitschrift ... Band 1—30. S. 225 —248.

Freiburger Münsterblätter. Jahrgang ıo (1914) Heft 2. Gustav Münzel: Der Mutter Anna-Altar im Freiburger Münster und sein Meister. S. 45—72. Errichtet um 1514, identisch mit dem 1515 »in capella lateris aquilonaris« geweihten Anna-Altare, 1820 an seinen heutigen Stahdort aus der Alexander- kapelle versetzt. Die volle ursprüngliche Gestalt ist nicht mehr zu ermitteln; alt sind heute nur noch die Skulpturen des Schreins. Wie auf dem Wege vergleichender stilkritischer Analyse nach- zuweisen versucht wird, wahrscheinlich ein Frühwerk des Meisters H. L. des Breisacher Hochaltars, dem wohl auch der Niederrot- weiler Altar zuzuschreiben ist. Die Auflösung des Meistermono- gramms umstritten. Verf. weist auf einen zu jener Zeit in Frei- burg lebenden Maler Hans Loy hin. Peter P. Albert: Urkunden und Regesten zur Geschichte des Freiburger Münsters. S. 76—85. Aus den J. 1467—1471. Kleine Mitteilungen. Joseph Riegel: Zu Hans Baldung Griens Aufenthalt und Tätigkeit zu Freiburg i. Br. S. 86—87. Erbringt den urkundlichen Beleg, dass die Glasgemälde der Stürzelkapelle von H. Baldung entworfen wurden, und weist als Todestag den 10. Aug. 1552 nach. [Joseph Riegel]: Zu Meister Hans Zitschmanns Leben und Wirken in Frei- burg i. Br. S. 87—89. Weitere Nachrichten aus den Münster- rechnungen. Karl Schuster: Der unterirdische Gang in das Münster. S. 89-90. Zur Entstehung und Erklärung der Sage. Karl Schuster: Baugeschichtliches über das Freiburger Münster aus alten Chroniken. S. 90. Betr. die Engelsstatuen im Chor. |

Mannheimer Geschichtsblätter. XVI. Jahrg. Nr. 1/2. Karl Christ: Die Beziehungen der Nibelungen zu den

294 Zeitschriftenschau und Literaturnotizen. phorus Korros (1696— 1704). Fritz Kuhn: Gesamt-Inhalts- verzeichnis der Schriften .... 1.—42. Heft. S. 83— 109.

Alemannia. Band 42. Heft 3. Fridrich Pfaff: Die Beschiessung Breisachs durch die Franzosen vom 15.—19. September 1793. S. 129—136. Abdruck von zeit- genössischen Berichten aus der Frankfurter Kaiserlichen Reichs- Ober-Post-Amts Zeitung und dem Moniteur universel. Fridrich Pfaff: Trauergesang von Breisachs Zerstörung und Auf- ruf an Deutschland zur einmütigen Vergeltung. S. 137 140. Übersetzung des von dem bekannten Professor der Dogmatik an der Universität Freiburg i. Br. Engelbert Klüpfel verfassten lateinischen Originals. Rudolf Blume: Geschichte des Gasthauses zum »Löwen« in Staufen im Breisgau, der Stätte des Untergangs des geschichtlichen Faust. S. ı4ı 157. Das Gasthaus, mit dessen Geschichte die Sage von dem schrecklichen Ende des geschichtlichen Faust nach den For- schungen des Verfassers auf das engste verknüpft ist, ist unter

diesem Namen seit 1620 urkundlich nachweisbar. Virgil Moser: Über Sprache und Oıthographie Fischarts. S. 158- 174. Walter Zimmermann: Mundartliche Pflanzen-

namen aus Baden. S. 175—189. Fridrich Pfaff: Zum Tode Bernhards von Weimar. S. 189—191. Nach dem hier mitgeteilten zeitgenössischen Eintrag aus den Kasseler Uni- versitätsannalen dürfte es feststehen, dass Bernhards Todes- ursache die Pest war.

Zeitschrift der Gesellschaft für Beförderung der Ge- schichts-, Altertums- und Volkskunde von Freiburg, dem Breisgau und den angrenzenden Landschaften. XXX. Band. Karl Metzger: Die Entwicklung der Beamten- und Wirt- schaftsorganisation der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg. S. ı1—ııı. Die Darstellung beschränkt sich auf die Zeit von der Gründung der Universität bis zu ihrem Übergang an Baden 1806. In 6 Kapiteln werden auf Grund der Univer- sitätsakten die regierenden Behörden und Organe der Universität, die Fakultätsorgane, die Kuratel- und Studienbehörden, die Kanzlei- und Verwaltungsorgane, die Bibliotheksverwaltung und das Amt des Pedellen behandelt. Beigegeben sind Verzeichnisse der Universitätsnotare und -Syndikusse.. Adam Kaiser: Ge- schichte der Wollweberei in Schwaben bis zur Wende des 15. Jahrhunderts. S. ı12—-1ı66. Zur Geschichte der Wollweberei in Ulm, Augsburg, Konstanz, Zürich und Villingen; unter den aus dem Villinger Stadtarchiv anhangsweise mitgeteilten Urkunden hebe ich besonders hervor die Villinger Tuchordnung betreffs des flämischen Tuchhandwerks von 1487. Peter P. Albert: Die Anfänge der ältesten Zeitung in Baden. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte des Freiburger

Zeitschriftenschau und Literaturnotizen. 295

Buchdrucks im siebzehnten Jahrhundert. S. 167—184. Auszüge aus Akten des Freiburger Stadtarchivs zur Geschichte der seit 1619 dort erscheinenden, von David Scheffer begrün- deten »Ordinari-Zeitung. Hermann Flamm: Testament und Grab Johannes Pistorius’ des Jüngern. S. 185—2006. Abdruck des Testaments; nach der wohl abschliessenden Fest- stellung Flamms ist Pistorius am ıg. Juni 1608 gestorben und im Freiburger Augustinerkloster beigesetzt. R. Krauel: Tage- buch-Aufzeichnungen des Prinzen Wilhelm von Preussen über seinen Aufenthalt zu Freiburg i. Br. vom 4. bis 12. Januar 1914. S. 207—216. Friedrich Hefele: Drei ungedruckte Briefe Karl Theodor Welckers. S. 220—223. Anekdoten von Kaiser Joseph Il., als er im Jahr 1717 dahier in Freyburg war. S. 223—224. Aus dem »liber

actorum chori sive praesentiae«. Friedrich Hefele: Inhalts- verzeichnis über die Zeitschrift ... Band 1—30. S. 225 248.

Freiburger Münsterblätter. Jahrgang ıo (1914) Heft 2. Gustav Münzel: Der Mutter Anna-Altarim Freiburger Münster und sein Meister. S. 45—72. Errichtet um 1514, identisch mit dem 1515 »in capella lateris aquilonaris« geweihten Anna-Altare, 1820 an seinen heutigen Staħdort aus der Alexander- kapelle versetzt. Die volle ursprüngliche Gestalt ist nicht mehr zu ermitteln; alt sind heute nur noch die Skulpturen des Schreins. Wie auf dem Wege vergleichender stilkritischer Analyse nach- zuweisen versucht wird, wahrscheinlich ein Frühwerk des Meisters H. L. des Breisacher Hochaltars, dem wohl auch der Niederrot- weiler Altar zuzuschreiben ist. Die Auflösung des Meistermono- gramms umstritten. Verf. weist auf einen zu jener Zeit in Frei- burg lebenden Maler Hans Loy hin. Peter P. Albert: Urkunden und Regesten zur Geschichte des Freiburger Münsters. S. 76—85. Aus den J. 1467—1471. Kleine Mitteilungen. Joseph Riegel: Zu Hans Baldung Griens Aufenthalt und Tätigkeit zu Freiburg i. Br. S. 86—87. Erbringt den urkundlichen Beleg, dass die Glasgemälde der Stürzelkapelle von H. Baldung entworfen wurden, und weist als Todestag den 10. Aug. 1552 nach. [Joseph Riegel]: Zu Meister Hans Zitschmanns Leben und Wirken in Frei- burg i. Br. S. 87—89. Weitere Nachrichten aus den Münster-

rechnungen. Karl Schuster: Der unterirdische Gang in das Münster. S. 89-90. Zur Entstehung und Erklärung der Sage. Karl Schuster: Baugeschichtliches über das

Freiburger Münster aus alten Chroniken. S. 90. Betr. die Engelsstatuen im Chor.

Mannheimer Geschichtsblätter. XVI. Jahrg. Nr. ı 2. Karl Christ: Die Beziehungen der Nibelungen zu den

296 Zeitschriftenschau und Literaturnotizen.

Donaulanden. Sp. 2—9. Friedrich Walter: Die Über- . gabe der Rheinschanze an die Franzosen (24. Dez. 1794). S. 9—ı9. Wiederabdruck eines von einem deutschen Offizier geschriebenen, den preussischen Standpunkt vertretenden Briefes vom 25. Dez. 1794 nach der 1795 erschienenen Druckschrift: »Briefe über den Feldzug 1794«, sowie des von dem französischen General Sorbier, dem Leiter der Belagerungsarbeiten, erstatteten Berichts: »Notes historiques sur l’expedition devant Mannheim: vom 27. März 1795. Gustav Christ: Der abgesägte Frei- heitsbaum in Zweibrücken. Sp. 19—21. Kleine Bei- träge: Schreckenstage in Neu-Mannheim 1693. Sp. 21 22. Liselotte über die Engländer Sp.-22—23. Zwei Schreiben des deutschen Vorparlaments von 1848. Sp. 23—24. —- Berg op Zoom. Sp. 24.

Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde. XIV. Band, Heft ı. Th. Burckhardt-Biedermann: Falsch- münzer in Augusta Raurica. S. 1—10. Eine offizielle Münz- stätte hat in Augst nie bestanden, dagegen wurde in den ersten Dezennien des dritten Jahrhunderts von Falschmünzern die Fabri- kation von Münzen sowohl mit Stempeln als auch mit bleiernen oder irdenen Gussformen ausgeübt. Hermann Christ: Zur Geschichte des alten Bauerngartens der Basler Land- schaft. S. 11—84. Ed. A. Gessler: Basler Geschütz- namen. S. 85—104. Der Kreis der Geschütznamen unter der Basler Artillerie war ein beschränkter; allgemein durchgeführt war die Sitte nie. Karl Gauss: Die Landgrafschaft im Sisgau. S. 105—144. Übersicht über die Geschichte der Land- grafschaft bis zu ihrem 1510 erfolgten endgültigen Übergang an Basel. Die genealogischen Ausführungen des Verfassers bedürfen wohl noch der Nachprüfung und Bestätigung. Karl Stehlin: Ein spanischer Bericht über ein Turnier in Schaffhausen im Jahr 1436. S. 145—176. Abdruck nebst Übersetzung und Erläuterungen. August Burckhardt: Herkunft der Grafen von Saugern und ihre Verwandtschaft mit den übrigen Gründern von Beinwil. S. 177—202. Gegenüber der von neueren Forschern vertretenen Ansicht, dass die Gründung von Kloster Beinwil in das Jahr 1124 zu setzen sei, hält Burckhardt mit einleuchtenden Gründen an der Angabe der Annales Hirsau- giae, nach denen die Gründung bereits 1085 von Hirsau aus erfolgt ist, fest. Von den als Gründern bezeichneten »viri nobiles« Oudalricus, Oudelhardus, Notkerus und Burchardus weist Burk- hard Ulrich dem Geschlechte der Grafen von Saugern, Udelhard dem Geschlechte der Grafen von Türkstein, Notker und Burchard einem burgundischen Geschlechte von Rümlingen zu. Gemein- samer Stammvater ist Udelhard von Egisheim-Blamont, von dem die beiden ersteren in männlicher, die beiden letzteren in weib- licher Linie abstammen dürften. Emil Dürr: Das mailän-

Zeitschriftenschau und Literaturnotizen. 297

ländische Kapitulat, Savoyen und der burgundisch- schweizerische Vertrag vom Jahre 1467. S. 203—273. Behandelt unter Zugrundelegung eines reichen archivalischen und gedruckten Materials die politischen Beziehungen und Ver- handlungen der Schweiz mit Frankreich, Burgund, Savoyen und Mailand besonders seit 1465, die dann im Jahre 1467 gleich- zeitig zu einem mailändisch-eidgenössischen Abkommen (Kapi- tulat) und zu einem Sonderbündnis Burgunds mit den vier Städten Bern, Freiburg i. Ü., Solothurn und Luzern führten. Rudolf Riggenbach: Zur Grünewaldbegeisterung des Pfeffel- schen Kreises. S. 274—277. Abdruck von zwei von Pfeffel und Lerse 1780/81 an Jakob Sarasin in Basel gerichteten Briefen, aus denen hervorgeht, dass Lerse der Verfasser einer heute in der Colmarer Stadtbibliothek aufbewahrten handschriftlichen Be- schreibung des Isenheimer Altars ist, deren besondere Bedeutung darin liegt, dass sie vor der teilweisen Zerstörung des Altars geschrieben ist.

Von der von dem fürstlich Löwenstein-Wertheimischen Archivar Dr. Hans Walter herausgegebenen, seit etwa Jahres- frist erscheinenden Zeitschrift »Frankenland. Illustrierte Monatsschrift für Geschichte, Kunst, Kunsthandwerk, Literatur, Volkskunde und Heimatschutz in Franken« (Dettelbach, Verlag von Konrad Triltsch) liegt nunmehr der I. Band abgeschlossen vor. Wie schon aus dem Untertitel und aus dem der Zeitschrift beigegebenen Programm ersichtlich, hat sich dieselbe in räumlicher und inhaltlicher Hinsicht ein weites Arbeitsfeld gesichert und hohe Ziele gesteckt. Räumlich, denn neben den drei bayerischen Frankenkreisen, sollen auch das heute württembergische und das badische Frankenland gleich- mässig berücksichtigt werden; inhaltlich, insofern alle Seiten des geschichtlichen und modernen Lebens und Fühlens erfasst werden, so dass neben dem Erforscher und Darsteller der fränkischen Vergangenheit auch die Führer der modernen fränkischen Lite- ratur und eines wieder erwachenden fränkischen Kunstgewerbes zu Worte kommen sollen. Inwieweit es allerdings dem Heraus- geber und dem Verlag gelingen wird, dieses Programm auch in die Tat umzusetzen, wird man erst beurteilen können, wenn einmal eine grössere Reihe von Bänden abgeschlossen vorliegt. Aus dem reichen Inhalt seien im folgenden kurz die auf das heutige badische Franken bezüglichen Arbeiten hervorgehoben. K. Wrede: Aus einem alten fränkischen Arzneibuch. S. 11—16, 79--87. Mitteilungen aus dem in dem fürstlich Löwenstein-Wertheimischen Archiv aufbewahrten Arzneibuch des

Hofapothekers Jakob Hoffmann von 1667. Josef Kauf- mann: Briefe Scheffels an Alexander Kaufmann. S. 18 —24. 4 Briefe Sch. aus den Jahren 1855/56. Gustav

Rommel: Die Flurnamen von Urphar am Main. S. 66—79. Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. N.F. XXX. 2. 20

298 Zeitschriftenschau und Literaturnotizen.

Fridolin Solleder: Hexenwahn, Zauberei und Wunder- glauben in Franken. S. 115—126, 176—183. Betrifft u. a. auch Hexenprozesse zu Lauda und Gamburg., Fritz Landes: Die Wandmalereien des Hospitals zu Mosbach. S. 184 187. Beschreibung der im Sommer 1913 gelegentlich einer Hausrenovierung im vordern Teil des sog. Hospitals zu M. neu auf- gefundenen Wandmalereien. Haug: Alexander Kaufmann. S. 205—211. Biographische Notizen über den 1817 zu Bonn geborenen, seit 1850 in Wertheim wirkenden, 1893 verstorbenen, besonders durch seine sagen- und kulturgeschichtlichen For- schungen bekannt gewordenen fürstlich Löwenstein-Wertheimischen Archivrat. O. Kienitz: Die Schanzen von Faulbach und Mondfeld. S. 375—376. Über Entstehungszeit und Zweck dieser verhältnismässig modernen Anlagen hat sich nichts er- mitteln lassen. O. Kienitz: Professor Ernst Volz gefallen. S. 449—450. Nekrolog. Joseph Schnetz: Die Namen der am Main zwischen Lohr und Wertheim gelegenen Orte. S. 463—473. Die Siedlungen auf der genannten Strecke sind sämtlich verhältnismässig späten Ursprungs, die Namen tragen durchweg germanischen Charakter. Gmelin: Das Wertheimer Gesangbuch. S. 531—545. Als ältestes von der evangelischen Kirche der Grafschaft Wertheim in Gebrauch genommenes Gesangbuch ist die von dem Superintendenten Philipp Jakob Förtsch 1689 herausgegebene »Hauptkirchex anzusehen, die bis 1701 in Gebrauch blieb; es folgen von 1701—1730 das Gesangbuch des Pfarrers Joh. Jakob Willius, von 1736—1789 das des Pfarrers Friedrich Jakob Firnhaber, seit 1772 in einer von Firnhabers Nachfolger J. Andr. Neidhardt stammenden Über- arbeitung, von 1789 bis zur Mediatisierung der Grafschaft das von Johann Michael Neidhardt im rationalistischen Sinne bear- beitete »Evangelische Gesangbuch für die sämtlichen Löwenstein- Wertheimischen Lande«.

Ulrich Thieme Felix Becker, Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler. Band 1—X. E. A. Seemann, Leipzig. (Preis des Bandes 32, geb. 35 Mk).

Kurz vor Kriegsausbruch ist der 10. Band des monumentalen Nachschlagewerkes erschienen, das ebenso sehr dem deutschen Örganisationsgeist, wie der deutschen Gründlichkeit und Zähig- keit ein glänzendes Zeugnis ausstellt, Das Werk, dessen Vor- arbeiten noch im 19. Jahrhundert ihren Anfang nahmen, begann 1907 bei W. Engelmann (Leipzig) zu erscheinen. Mit dem 4. Bande schied der Mitbegründer des Unternehmens, Professor Dr. Becker, aus der Redaktion, und der Verlag ging an die rühmlichst bekannte Kunstverlagsfirma E. A, Seemann (Leipzig) über, die seit 1912 regelmässig jährlich zwei Bände herausbringt. Seither leitet Professor Dr. Thieme allein mit seinem grossen und festen Redaktionsstab die Herausgabe. Über 300 Mitarbeiter

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Zeitschriftenschau und Literaturnotizen. 299 aus allen Teilen der Welt liefern die Manuskriptartikel für die etwa 600 zweispaltige Druckseiten umfassenden Bände in Lexikon- format, die einheitlich und übersichtlich gedruckt, sowie solid und geschmackvoll gebunden sind.

Es darf als ein bedeutsames Zeichen der hohen Wert- schätzung dieses grosszügigen wissenschaftlichen Unternehmens angesehen werden, dass seit 1913 das regelmässige Erscheinen der Bände durch Subvention aus den Kreisen der Wissenschaft und der Kunstfreunde gewährleistet wird. Diese Subventionen erstrecken sich auf 25 deutsche Stifter an ihrer Spitze der Kaiser auf je zwei amerikanische, österreichische und fran- zösische. Tatsächlich wird mit diesem auf breitester Grundlage und unter williger Mitarbeit kunsthistorischer und kunsttechnischer Forscher aufgebauten Werk grössten Stiles eine unvergleichlich grossartige Leistung geschaffen,

Die inneren Vorzüge des »grossen Thieme« beruhen zum ersten auf einer Vollständigkeit, die bis jetzt noch nie und nir- gends erreicht worden ist, insofern sie programmässig »die Biographien der bildenden Künstler und Kunsthandwerker aller Kulturländer von der Antike bis zur Gegenwart, und zwar sowohl der durch Werke, als der bloss literarisch und urkundlich be- kannten« enthalten. Dann gibt das Werk zu jeder Biographie, die der Bedeutung des Künstlers entsprechend knapper oder umfänglicher gefasst ist, weitgehende literarische Nachweise, Diese Literaturangaben sind Archive und Bibliotheken in nuce und ermöglichen Nachprüfung und Erweiterung des Artikels.

Für badische Verhältnisse kann bemerkt werden, dass Archi- tekten, Bildhauer, Graphiker, Maler und Kunsthandwerker unseres ebenso mannigfaltig zusammengesetzten, als beeinflussten Gebietes bis auf die neueste Zeit gründlich bearbeitet sind.

Unter den über zwei Dutzend Artikeln des letzterschienenen (X.) Baudes (von Dubolon bis Erlwein reichend) sind an wich- tigeren, zu Baden gehörigen Künstlern vertreten: Durm (Vater und Sohn), Dussault, die Generation Dyckerhoff, Eckert, die drei Egell, Ehret, Eichfeld, die Eichrodt, die Plastiker Ehehalt, Elkan, Elsässer usf.

In der Durchdringung und Darstellung des Stoffes sind nach anfänglichen Schwankungen nunmehr vollendete Typen lexika- lischer Biographie herausgebildet worden. Artikel, wie Dürer und Van Dyck, sind mustergültig. Aber auch die ‘weniger an- spruchsvollen Namen sind vortrefflich herausgebracht. Ein Bei- spiel für viele: Dem Kunstfreund sind die Plastiken des Schwetzinger Schlossgartens bekannt. Der Name Ceracchi taucht auf. Dieser Künstler mit seinem europäischen Schaffen und seiner Lebensromantik, von dem wir bisher recht wenig wussten, ist in 4 Spalten nunmehr völlig sicher gestellt. Oder aus der Gegen- wart: L. Dill, dessen künstlerische Entwicklung und Bedeutung

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300 Zens LTL LAL UDI LHETAUIONZEL.

vou seiner ]iesireuornsiälizieit bis zur sülsusıser Meisterschaft in der Malerei in 2: p Spa teL k.ar berausfearbeiier isn Hunderte sol ber bacisiner buvrrez men sind it ie 1D erzen Börde ein- gestreut. Der jeme Name ist Eriwein. cer käörzich an der Westfront gelzuen ISL

Für EiLiivwmsker, Samner, Kursiftrecnde, Ränder ist der »T:iemee ein edeıso werwu.es als onenideiriches Handbuch; denu er ist eine unerschörZche Foncerobe urerässicher Kennt- nisse, ein Schalzbeiäter reichsten Wissens czd cie Grundlage für jede An von kunsihistorischer Forschung. ÖfZertliche und private Samm.unsen soiien dem Werke ebenso ihre Aufmerk- semikeit zuwenden, wie ÖSenticte uLd private Ge.dmiitel flüssig gemacht werden so.lter, um dieses srossarüre Der.kmai deutschen Gelehrtenfeisses und deutscher Orzarisatorskraft seiner glück- ichen Voilendung zuzu’ühren. Dr. Beringer.

Nachtrazgiich sei au: die bereits 1012 erschienene Bonner I:.auguraldissertaion von Jobann Jakob Kunz über »Die Politik des Pialzgrafen Georg Hans von Veldenz« (82S$.) hingewiesen, da die seltsame urd vielumstrittene Fürstengestalt, mit der sie sich beschäftigt, auch in der elsässischen Geschichte in der zweiten Hälite des ı6. Jahrhunderts eine Rolle gespielt hat. Die Arbeit, die offenbar auf Anregung von Bezolds ent- standen ist, stützt sich in der Hauptsache auf die von letzterem besorgte Ausgabe der Briefe des Pfalzgraten Johann Casimir, daneben auch auf die zahlreichen andern für die Geschichte jener Zeit in Betracht kommenden Quellenpublikationen und Darstellungen. Ausserdem benutzt jedoch Kunz einen offenbar recht ergiebigen Aktenbestand des Kgl. Geh. Haus- und Staats- archives zu Stuttgart (Abt. Pfalz, Kuratelakten, Lösung L.ützel- stein), auf den elsässische Forscher aufmerksam gemacht seien, da augenscheinlich auch reiches Material über die elsässischen Besitzungen des Pfalzgrafen (Lützelstein, Steintal) sich darin vor- findet. Kunz’ Darstellung läuft darauf hinaus, Bezolds vernich- tendes Urteil über Georg Hans (:ein fürstlicher Praktikant ersten Ranges« usw.) vollinhaltlich zu bestätigen; um so mehr fällt auf, dass er, während sonst die elsässische und lothringische Literatur über den Veldenzer (Holländer, Benoit, Winckelmann, Fischer, Röhrich u. a.) nahezu vollständig herangezogen worden ist, die umfangreiche Aktenveröffentlichung G. Wolframs zur Geschichte der Gründung Pfalzburgs (Jahrb. f. lothr. Gesch. 1909, ıgıı, 1,12) übersehen und daher eine Auseinandersetzung mit dessen im diametralen Gegensatz stehenden Auffassung der Tätigkeit und Persönlichkeit von Georg Hans unterlassen hat. Das Urteil Bezolds wird wohl, wenn man die Fragen der grossen Politik allein in Betracht zieht, zu Recht bestehen bleiben; aber man wird es doch dahin ergänzen müssen, dass im engeren Rahmen

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der elsässischen und lothringischen Verkehrs- und Wirtschafts- fragen und der Verwaltung der veldenz-lützelsteinischen Terri- torien betrachtet, wie auch aus der neuerdings von K. E. Boch in seiner Geschichte des Steintals im Elsass (1914) gegebenen Darstellung hervorgeht, das Tun und Planen des Pfalzgrafen von einem nicht geringen wirtschaftspolitischen und organisatorischen Scharfblick und einer redlichen Fürsorge für das geistige und leibliche Wohl seiner Untertanen Zeugnis ablegt und z. T. auch wirkliche Erfolge aufzuweisen hat. KE. Stenzel.

Gerwig Blarer, Abt von Weingarten 1520—1507, ver- dient schon als Konstanzer Kind eine kurze Erwähnung in dieser Zeitschrift. Das Bild des Vorkämpfers der Gegenreformation in Oberschwaben, mehr als andere durch der Parteien Gunst und Hass verwirrt, tritt einer breiteren Öffentlichkeit zum erstenmal klar vor Augen, da der Tübinger Universitätsprofessor Heinrich Günter den ersten Band seiner Korrespondenz (Briefe und Akten 1518—1547) im Auftrag der württembergischen Kommission für Landesgeschichte (Geschichtsquellen Bd. XVI. Stuttgart 1914) veröffentlicht hat. Ein zweiter (Schluss-) Band ist im Manuskript fertiggestellt. Der Herausgeber hatte schon ein Jahr zuvor mit dem Beitrag zur Festschrift für Georg von Hertling über »Abt Gerwig Blarer und die Gegenreformation« einen Abriss der Geschichte des bedeutenden Mannes gegeben, demzufolge er auch weiterhin als »Prälat der Gegenreformation« gelten darf, wenn auch nicht der tridentinischen oder jesuitischen. Er ist vielmehr das Kind der »untergehenden Welt«, der kräf- tigen und klugen, standesbewussten, musik-, jagd-, trink- und liebefreudigen, vor allem aber politischen Bischöfe und Äbte des 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts, .die das auch auf katho- lischer Seite tiefempfundene Reformbedürfnis kaum begriffen, die Einheit der Kirche aber um so leidenschaftlicher vertraten. Wie dabei sein kirchliches und sein politisches Herz von dem katho- lischen, aber bedrohlich übermächtigen Österreich angezogen und abgestossen worden, bildet einen Hauptreiz seiner und der ober- schwäbischen Geschichte. Er hatte ein reiches Feld der Tätig- keit vor sich. Waren doch von den 31 schwäbischen Reichs- städten nur noch 7 katholisch!

Müssen wir es uns hier versagen, auf die wichtigsten Er- gebnisse dieser Briefe und Akten, die durch umfangreiche An- merkungen an Wert für die süddeutsche Geschichte überhaupt gewinnen, einzugehen, so sei umsomehr betont, wie vielfache Fäden zu den im heutigen Baden vereinten Territorien hinüber- laufen. Voran steht das Bistum Konstanz mit seinem Chor- gericht Radolfzell. Die Korrespondenz mit den Bischöfen Hugo von Hohenlandenberg, Johann von Lupfen, der das Bistum mit Gerwigs Hilfe verkaufen will, besonders aber mit Johann von

302 Zeitschriftenschau und Literaturnotizen.

Weeze, Erzbischof von Lund, umfasst einen grossen Teil des Bandes. Ein gemeinsames Ziel begehrlicher Wünsche für Kon- stanz und Weingarten war die Reichenau. Fleissige Korrespon- denten sind auch die Salemer Äbte, der temperamentvolle Jodocus Necker, Amandus Schäffer und Johann Fischer. Über die Vater- stadt Gerwigs und seines Vetters Ambrosius Blarer, ihre Refor- mation und Hinneigung zur Eidgenossenschaft erfahren wir mancherlei. In Pfullendorf und Überlingen fanden Tagungen der altgläubigen oberschwäbischen Prälaten, Grafen, Herren und Städte statt. Nach letzterer Stadt flüchtete Gerwig im Schmal- kaldischen Kriege seine Wertsachen; Dr. Jakob Kessenring, Alt- bürgermeister derselben, war Gerwigs vertrauter Rat. Hinzuweisen ist ferner auf Material zur Geschichte der Ritterschaft St. Georgen- schildes, sowie einzelner Geschlechter unseres Landes, wie Fürsten- berg, Schauenburg usw.

Editionsweise und Register stehen,’ wie nicht anders zu erwarten, auf der Höhe. Manche Worte sind unnötigerweise im Text und Register erklärt, manche dagegen an keiner von beiden Stellen. Erklärungen wie verhergen = verheeren sind doch wohl überflüssig, ebensowie das »sic« bei uffenthalt = Trost (Lexers Handlexikon) S. 9237. S. 217,4 ist wohl nur statt nun, S. 4923 leiden statt beiden zu lesen. H. Haering.

In seiner Schrift über»Augustin Bader von Augsburg, der ProphetundKönig« und seine Genossen (Arch. f. Reformations- gesch. Heft 38 S. 141 ff.) gedenkt G. Bossert auch der Be- ziehungen Baders zu der Strassburger Täuferkolonie, der Zu- sammenkunft in Schönberg bei Lahr, die er 1528 mit ihren Mitgliedern hatte, und seines Aufenthalts in der Schweiz, in Teufen und Basel. Auch weitere kirchengeschichtliche Veröffent- lichungen desselben Verf. sind in diesem Zusammenhang zu nennen: der wertvolle Beitrag »Zur Geschichte der Pfarrei Dürr- menz-Mühlacker« (Bll. f. württ. Kirchengesch., NF. 18, S. 54 —68) und die Mitteilungen über die »Briefe von und an Peter Venetscher« 1550—1557 (ebenda, S. 180 ff.), die, im Anschluss an V.s Freiburger Studienzeit die dortigen Verhält- nisse, insbesondere in der Kartause, beleuchten und die Refor- mation in dem damals badischen Wahlheim berühren. Endlich sei hier Bosserts vortrefflliche, auf mühsamer archivalischer For- schung beruhende Abhandlung »Zur Geschichte Stuttgarts in der ersten Hälfte des 16. Jahrh.« (Württ. Jahrb. f. Stat. u. Landeskunde J. 1194 S. 138—242) erwähnt, die u. a. über den aus Pforzheim gebürtigen hessischen Hofprediger Konr. Ottinger und sein Auftreten in Stuttgart, über den Durlacher Joh. Wurm, dessen Predigten in Ulm Anstoss erregten, sowie über Bau- meister Simon Vogt von Heidelberg, der beim Asperger Festungs- bau mitwirkte, mancherlei Nachrichten enthalten. K.

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Zeitschriftenschau und Literaturnotizen. 303

Zwecks Ergänzung und Berichtigung der Mitteilungen T. Hafners in dessen Schriftchen über die evangelische Kirche in Ravensburg veröffentlicht Karl Otto Müller in der Haupt- sache aus dem sog. Denkbuch der Stadt, zum geringeren Teile aus den Beständen des K, Staatsfilialarchivs in Ludwigsburg Aktenstücke zur Geschichte der Reformation in Ravens- burg von 1523 bis 1577. Münster, Aschendorff, 1914. 92 S. [= Heft 32.der von Greving herausgeg. Reformationsgeschicht- lichen Studien und Texte. Wenn wir diesen Akten -Glauben schenken dürfen, entfaltete der Bischof von Konstanz bzw. sein Generalvikar nur eine geringe Tätigkeit, um die Stadt bei der alten Kirche zu erhalten. Die Wiedergabe des Textes ist nur selten zu beanstanden, H., B. `

Strich, Michael: Liselotte und Ludwig XIV. München und Berlin, R. Oldenbourg. 1912. 154 S. Elisabeth Char- lotte, Herzogin von Orléans, die Pfälzer Liselotte, hat wie wenige denkwürdige Frauen eine literarische Würdigung gefunden, die ohne Zweifel schon in keinem Verhältnis mehr zu ihrer histo- rischen und persönlichen, Bedeutung steht. Mehr noch als ihren Zeitgenossen der französischen Gesellschaft ist diese Original- figur unsern Tagen interessant geworden, so dass bereits eine besondere Bibliographie uns durch die sonst unübersehbare Liselotte-Literatur hindurchführen muss. Um das Charakterbild selber kennen zu lernen in verschiėdenartiger und entgegen- gesetzter Beurteilung, darf man getrost den weitaus grössten Teil dieser literarischen Erzeugnisse unbeachtet lassen. Das land- läufge Bild der politischen und religiösen Dulderin, der unglücklichen Kämpferin für deutsches Wesen in der Fremde ist in seinem besonders die Frauenwelt bezaubernden Nimbus längst nicht mehr haltbar, wenn auch das urwüchsig Deutsche und Pfälzische in diesem Charakterbilde die Grundfarbe bleiben muss, denn gerade hierin ist es uns lieb und teuer geworden. Dennoch blieben, wie uns die vorliegende gründliche Unter- suchung des Verfassers beweist, noch bisher unbeachtete Töne übrig, deren manchmal kaum zu empfindende wechselvolle Schwingungen im Seelenleben einer merkwürdigen Frau nur eine ebenso eindringlich ernste, von Voreingenommenheit freie wie feinfühlende Untersuchung ergründen konnte. Wohl sind rein psychologisch betrachtet, solche Regungen und Wandlungen in einer jeden Frauenseele zu beobachten, bei Liselotte aber sind diese von besonderer historischer Bedeutung, weil ihr Leben in vierzig- jähriger Beziehung zu einem welthistorischen Boden sich abspielt, in dessen Mittelpunkt Ludwig XIV, steht. »Von Zeiten, Um- ständen und Persönlichkeiten wird nicht nur ihr Leben, sondern nicht minder ihr Verhältnis zu Ludwig bedingt«, sagt der Verf. über Liselotte. Eindringlicher und erfolgreicher als bisher, hat er darum diese historischen Bedingungen in den Wandlungen

304 Zeitschriftenschau und Literaturnotizen.

ihres Lebensbekenntnisses, in rein chronologischer Folge er- gründet und in tiefern psychologischen Zusammenhang gestellt, So verschiedenartig nun auch diese historischen Bedingungen sein mögen, in ihrem Grundzuge gehen sie alle nur von der Persönlichkeit des Königs aus, auf ihn wieder zurück. Lise- lottens glückliche Jahre in der vollen Gunst des Königs (1671 1682), die Jahre der Ungnade (1682—1085), deren Höhe- punkt sogar auf das Monatsdatum eine tiefeindringliche For- schung nachzuweisen versucht, die Zeit des offenen Konfliktes (1685—1701), wesentlich bedingt durch das ehrenfeste Auftreten der Herzogin gegen die eheliche Versorgung der natürlichen Kinder des Königs und die veränderte Stellung der Maintenon (seit 1683/84), endlich die Beziehungen Liselottens zum König seit dem Tode ihres Gemahles und die letzten Jahre ungetrübter Freundschaft, alle diese Wandlungen, Irrungen und Wirrungen bilden den Inhalt und die Grenzlinien der vom Verf. mit Glück versuchten historisch-psychologischen Analyse eines so vielfach gedeuteten Charakters. Die auf strenger Methodik aufgebaute gelehrte Untersuchung wirkt dabei zugleich als ein lebhaftes dramatisches Bild, in welchem innerlich mit dem Hauptkonfikt zusammenhängend eine ganze Reihe handelnder Figuren in neue Beleuchtung gesetzt werden. Vor allem ist es hier Frau Main- tenon, in deren Beurteilung als einer geistig hervorragenden, im Staate und Hause Ludwigs XIV. auch religiös ganz anders, als in der Vorstellung der gereizten und derben, mit natürlichem Takte wenig begabten Pfälzerin, wirkenden Erscheinung, ich mit dem Verf. übereinstimme. Auffallend bleibt mir dabei nur, dass der feinsinnige Essay Döllingers, der wohl als der erste das Verhältnis Liselottens zur Maintenon in seinen so wandel- baren Regungen ergründet, in der Beurteilung der Liselotte- Literatur keine, wenn auch noch so kurze Würdigung gefunden hat. Von besonderm Werte für die Beurteilung Liselottens in der »Konfliktszeit« mit ihrer Drohung einer Verbannung ist das vom Verf, aufgefundene Rechtfertigungsschreiben der Herzogin vom 24. Mai ı685, das einzige bis jetzt bekannte Schreiben der schreiblustigen Frau an den König. Wir müssen diesem Funde um so dankbarer sein, als er die Anregung zur vorliegenden Studie gab, die in der Liselotte-Literatur als eine bleibende wertvolle Bereicherung betrachtet werden muss. Je Wile.

J. Roth veröffentlicht unter dem Titel »Zwei Schlett- stadter Bürgermeisterin der Revolutionszeit. Ein Streif- zug durch die Revolutionsgeschichte von Schlettstadt« (Schlettstadt, E. Bürckel 1913, 115 + IX S.) anspruchslose, die Jahre 1789—1795 umfassende geschichtliche Skizzen, die sich mit zwei für die Revolution typischen Emporkömmlingen, dem ehemaligen Advokaten und Notar Dominik Ignaz Herrenberger

Zeitschriftenschau und Literaturnotizen. 305 und dem ehemaligen bischöflichen Kanzleischreiber Lambla und deren Treiben in der Schreckenszeit beschäftigen. Über seine Quellen hat sich der Verf. nicht besonders geäussert; doch scheint er neben den Arbeiten der beiden Dorlan zur Schlett- stadter Geschichte und Mühlenbecks Eulogius Schneider vor allem gleichzeitige Zeitungsartikel und Akten aus dem Schlett- stadter Stadtarchiv (Ratsprotokolie) herangezogen zu haben. Da er die Akten der Departementalverwaltung und die neuere Lite- ratur zur französischen Revolution nicht benutzt hat, ist die Dar- stellung natürlich recht lückenhaft, wie sie auch oft der nötigen Klarheit entbehrt. Aber man wird wohl kaum Masstäbe höherer Kritik an das Werkchen legen dürfen, das sich von der in der populären Literatur sonst reichlich spukenden Revolutionsromantik völlig frei gehalten hat. K. Stenzel.

Hans Thimme, Das Kammeramt in Strassburg, Worms und Trier (Abhandlungen zur Mittleren und Neueren Geschichte, herausg. von v. Below, Finke, Meinecke, Heft 43). Berlin und Leipzig, Dr. Walther Rothschild 1913. 54 S.

Verschiedenen Forschern schon ist es aufgefallen, dass unter den Handwerkerdiensten, die zu Strassburg und zu Trier dem bischöflichen Stadtherrn geschuldet waren, einige nicht durch die Gesamtheit des Gewerbes, sondern durch eine beschränkte Zahl von Auserwählten geleistet wurden. Das erste Strassburger Stadtrecht zählt für Strassburg, der liber annalium iurium für Trier diese Abteilungen auf. Es sind in Strassburg 12 Kürschner, 8 Schuster, 4 Handschuhmacher, zu denen noch die 4 fron- freien Bäcker gezählt werden, in Trier 7 Kürschner und 7 Schuster.

So verschieden auch bisher die Deutung dieser Sonder- gruppen war, gleichviel ob man sie als grundherrliches Hofamt (R. Eberstadt, Der Ursprung des Zunftwesens S. 55—67, 77 —82) oder als marktherrliches Amt (F. Keutgen, Ämter und Zünfte S. 79—99, 238—239) bewertete, man war geneigt, sie als den Kern einer Handwerksorganisation zu betrachten, die sich schliesslich zur Zunft auswachsen sollte. Wenn demgegen- über andere Forscher (F. Rudolph, Die camerarii der Stadt Trier, Trierisches Archiv Heft 13 S. 58—64; W. Müller, Zur Frage des Ursprungs der mittelalterlichen Zünfte S. 33; W. Dettmering, Beiträge zur älteren Zunftgeschichte der Stadt Strassburg S. 34 —35) der Ansicht waren, dass diese Abteilungen nicht zu den Grundbestandteilen der Handwerkerbewegung gehören, vielmehr erst nachträglich in der Form von Ausschüssen entstanden sind, so vermochten sie kaum aufzukommen gegen eine Theorie, die mit gewichtigen Argumenten eine lückenlose Entwicklung von den ersten Ansätzen bis zu den Zünften des späteren Mittel- alters zu konstruieren verstand. Zudem liessen auch sie diese Gruppen als ein Element des Zunftwesens, obschon in geschwächter Bedeutung, gelten.

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Abweichend von den bisher vertretenen Ansichten sucht Thimme zu erweisen, dass der Gegenstand seiner Untersuchung in keiner organischen Beziehung zum Zunftwesen steht, weder sein Ausgangspunkt noch ein Zunftausschuss gewesen ist, son- dern als ein Institut für sich bestanden hat. Seine beachtens- werten, in ihrem Gedankengang nicht immer durchsichtigen Aus- führungen seien kurz skizziert.

Thimme weist die Sonderverbände, in Strassburg officiati, in Trier camerarii genannt, dem weiteren Kreise der Haushand- werker zu. Ihre bevorzugte Stellung beruht auf der Herstellung der vornehmsten Artikel, deren die bischöfliche Hofhaltung be- darf (Pelze, Lederwerk, Brot), und einem demensprechend quali- fizierten Dienst. Dieser Definition widerspricht zwar die an anderer Stelle gemachte Beobachtung, dass gerade diese dem Bischof angeblich unentbehrlichen Haushandwerker zum Markt- verkehr zugelassen waren, während die übrigen dieser Freiheit darbten und in der Wirtschaft ihres Herrn aufgingen. Doch mögen auch im einzelnen Unklarheiten bestehen, ein Argument gegen die These des hofrechtlichen Ursprungs wollen wir hierin nicht ohne weiteres sehen. Auch ist zuzugeben, dass sich manche Eigenheiten dieser Handwerksämter, namentlich ihre Privilegien: Sondergericht und Freiheit von Bürgerlasten und Zoll, unge- zwungen aus ihrem Verhältnis zur herrschaftlichen Kammer her- leiten lassen. Ebenso ihr Emporsteigen unter die Reihen des städtischen Patriziats; nur hätte man gewünscht, dass der Verf. die wirtschaftliche Seite des Problems gründlicher untersucht hätte, als es geschehen ist.

Schlechthin schlüssige Resultate wird man bei der Sprödig- keit des Materials nicht erwarten. Auch zwei weitere Hand- werkergruppen, die der Verf. mit seinem Problem in Zusammen- hang bringt, vermögen unsern Gesichtskreis nur wenig zu erweitern. Es sind die becherarii episcopi des ersten Strassburger Stadtrechts, die mit den Lehnsbecherern des 14. Jahrhunderts identifiziert werden, und die Wildwerkerhausgenossen von Worms. Schon in ihrem Namen, hier die auszeichnende Hausgemein- schaft mit dem Herrn, dort den Begriff des Lehens oder Amtes betonend, will der Verf. das den Kammerlieferanten eigentüm- liche Merkmal erkennen: ursprüngliche Hofhörigkeit mit dem Akzent auf dem ministerialischen Dienst,

Fasst man die Kammerämter als in sich geschlossene Orga- nisationen, so bestimmt sich hiernach ihre Stellung zu den Zünften: sie bilden eine Ordnung neben einer andern. Wohl sind ihre Mitglieder, weil sie wirtschaftliche Freiheit besitzen, zugleich Mitglieder einer Zunft und nehmen an deren Entwicklung von Anfang an teil, doch geht darum ihre Organisation nicht in der umfassenderen der Zunft auf, besteht vielmehr neben derselben her. Freilich kann, da dem Kammeramt die Tendenz inne- wohnt, die Zunft zu beherrschen, das Nebeneinandersein zu

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einem Verhältnis der Über- und Unterordnung werden. Diese Entwicklung wird durch den patrizischen Charakter des Kammer- amtes erklärt, müsste aber noch auf ihre wirtschaftlichen Ur- sachen hin untersucht werden. Den grössten Erfolg haben die Strassburger ı2 Kürschner zu verzeichnen; sie setzen der Zunft den Meister, erheben die Bussen und Abgaben und erlassen 1368 selbstherrlich die Kürschnerordnung. Ihnen folgen auf dem Fusse die 8 Schuster; auch sie wählen dem Handwerk den Meister und beziehen immerhin einen Teil der Bussen. Doch waren sie nicht imstande, die Zunft so früh und auch so voll- ständig von der Obergewalt des Burggrafen zu befreien, wie es den Kürschnern gelungen ist. In Trier, zeigen die 7 Kammer- schuster ebenfalls Herrschergelüste gegenüber ihrer Zunft, dringen aber nicht durch. Von den andern Kammerämtern fehlen die einschlägigen Nachrichten. Die neue Auffassung des Problems musste gerade an diesem Punkte zum Ausdruck kommen: hatte man bisher die Sondergruppen aufgefasst als Rudimente aus der Entstehungszeit des Zunftwesens oder als nachträglich geschaffene Zunftausschüsse, so erscheint jetzt ihr Verhältnis zu den Zunft- verbänden als die Auseinandersetzung zwischen zwei verschiedenen und jedes auf sich gestellten Gebilden. ~ E. Kiener.

Die Monatshefte für Kunstwissenschaft bringen in Jahrg. VII (Leipzig, Klinkhardt & Bärmann. 1914) zwei beachtenswerte Auf- sätze über Strassburger Bildwerke des 15. Jahrhunderts. Den ersten Aufsatz (S. 283—94 mit Taf. 59—62) liefert Hans Christ unter dem Titel: »Ein Statuetten-Zyklus auf dem Turme des Strassburger Münsters.. Der Verf. untersucht die Gruppe der Figuren, die auf der Umgangsbrüstung beim Turmoktogon ihren Platz haben, in kauernder Stellung, alle den Blick nach oben gerichtet. Obwohl diese Statuetten (darunter eine h. Katha- rina, h. Barbara, eine Prophetenfigur und eine Porträtstatuette des Ulrich von Ensingen wohl richtig bestimmt) unter Verwitte- rung sehr gelitten haben, lässt sich ihre hohe künstlerische Qualität noch deutlich erkennen. Sie offenbaren einen ganz neuen Stil gegenüber der Tradition der Strassburger Münster- werkstatt, sie sind das erste Anzeichen für das Eindringen des Realismus in die Strassburger Bauhütte. Als Schöpfer dieser neuen, freieren Richtung ist ein eingewanderter Künstler anzu- nehmen, der völlig in französischer Formenanschauung auf- gegangen war. Die gleiche Künstlerhand lässt sich später an dem Figurenzyklus der Vorhalle des Ulmer Münsters wieder- finden. In Strassburg zeigt sich der neue Bildhauerstil des un- bekannten Meisters als im Werden begriffen, in Ulm in fort- geschrittener Entwicklung mit der Neigung zur Manier. Diese Beziehungen Strassburg-Ulm sind mit der Persönlichkeit des Architekten Ulrich von Ensingen sicher verknüpft.

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Fridolin Solleder: Hexenwahn, Zauberei und Wunder- glauben in Franken, S. 115—126, 176—183. Betrifft u. a. auch Hexenprozesse zu Lauda und Gamburg. Fritz Landes: Die Wandmalereien des Hospitals zu Mosbach. S&S. 184 187. Beschreibung der im Sommer 1913 gelegentlich einer Hausrenovierung im vordern Teil des sog. Hospitals zu M. neu auf- gefundenen Wandmalereien. Haug: Alexander Kaufmann, S. 205—211. Biographische Notizen über den 1817 zu Bonn geborenen, seit 1850 in Wertheim wirkenden, 1893 verstorbenen, besonders durch seine sagen- und kulturgeschichtlichen For- schungen bekannt gewordenen fürstlich Löwenstein-Wertheimischen Archivrat. O. Kienitz: Die Schanzen von Faulbach und Mondfeld. S. 375—376. Über Entstehungszeit und Zweck dieser verhältnismässig modernen Anlagen hat sich nichts er- mitteln lassen. O. Kienitz: Professor Ernst Volz gefallen. S. 449—450. Nekrolog. Joseph Schnetz: Die Namen der am Main zwischen Lohr und Wertheim gelegenen Orte. S. 463—473. Die Siedlungen auf der genannten Strecke sind sämtlich verhältnismässig späten Ursprungs, die Namen tragen durchweg germanischen Charakter. Gmelin: Das Wertheimer Gesangbuch. S. 531—545. Als ältestes von der evangelischen Kirche der Grafschaft Wertheim in Gebrauch genommenes Gesangbuch ist die von dem Superintendenten Philipp Jakob Förtsch 1689 herausgegebene »Hauptkirches anzusehen, die bis 1701 in Gebrauch blieb; es folgen von 1701—1736 das Gesangbuch des Pfarrers Joh. Jakob Willius, von 1736—1789 das des Pfarrers Friedrich Jakob Firnhaber, seit 1772 in einer von Firnhabers Nachfolger J. Andr. Neidhardt stammenden Über- arbeitung, von 1789 bis zur Mediatisierung der Grafschaft das von Johann Michael Neidhardt im rationalistischen Sinne bear- beitete »Ivangelische Gesangbuch für die sämtlichen Löwenstein- Wertheimischen Lande«.,

Ulrich Thieme Felix Becker, Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler. Band I—X. E. A. Seemann, Leipzig. (Preis des Bandes 32, geb. 35 Mk).

Kurz vor Kriegsausbruch ist der 10. Band des monumentalen Nachschlagewerkes erschienen, das ebenso sehr dem deutschen Organisationsgeist, wie der deutschen Gründlichkeit und Zähig- keit ein glänzendes Zeugnis ausstellt. Das Werk, dessen Vor- arbeiten noch im ıg. Jahrhundert ihren Anfang nahmen, begann 1907 bei W. Engelmann (Leipzig) zu erscheinen. Mit dem 4. Bande schied der Mitbegründer des Unternehmens, Professor Dr. Becker, aus der Redaktion, und der Verlag ging an die rühmlichst bekannte Kunstverlagsfirma E. A. Seemann (Leipzig) über, die seit 1912 regelmässig jährlich zwei Bände herausbringt. Seither leitet Professor Dr. Thieme allein mit seinem grossen und festen Redaktionsstab die Herausgabe. Über 300 Mitarbeiter

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aus allen Teilen der Welt liefern die Manuskriptartikel für die etwa 600 zweispaltige Druckseiten umfassenden Bände in Lexikon- format, die einheitlich und übersichtlich gedruckt, sowie solid und geschmackvoll gebunden sind. :

Es darf als ein bedeutsames Zeichen der hohen Wert- schätzung dieses grosszügigen wissenschaftlichen Unternehmens angesehen werden, dass seit 1913 das regelmässige Erscheinen der Bände durch Subvention aus den Kreisen der Wissenschaft und der Kunstfreunde gewährleistet wird. Diese Subventionen erstrecken sich auf 25 deutsche Stifter an ihrer Spitze der Kaiser auf je zwei amerikanische, österreichische und fran- | zösische. Tatsächlich wird mit diesem auf breitester Grundlage und unter williger Mitarbeit kunsthistorischer und kunsttechnischer Forscher aufgebauten Werk grössten Stiles eine unvergleichlich grossartige Leistung geschaffen,

Die inneren Vorzüge des »grossen Thieme« beruhen zum ersten auf einer Vollständigkeit, die bis jetzt noch nie und 'nir- gends erreicht worden ist, insofern sie programmässig »die Biographien der bildenden Künstler und Kunsthandwerker aller Kulturländer von der Antike bis zur Gegenwart, und zwar sowohl der durch Werke, als der bloss literarisch und urkundlich be- kannten« enthalten. Dann gibt das Werk zu jeder Biographie, die der Bedeutung des Künstlers entsprechend knapper oder umfänglicher gefasst ist, weitgehende literarische Nachweise, Diese Literaturangaben sind Archive und Bibliotheken in nuce und ermöglichen Nachprüfung und Erweiterung des Artikels.

Für badische Verhältnisse kann bemerkt werden, dass Archi- tekten, Bildhauer, Graphiker, Maler und Kunsthandwerker unseres ebenso mannigfaltig zusammengesetzten, als beeinflussten Gebietes bis auf die neueste Zeit gründlich bearbeitet sind.

Unter den über zwei Dutzend Artikeln des letzterschienenen (X.) Baudes (von Dubolon bis Erlwein reichend) sind an wich- tigeren, zu Baden gehörigen Künstlern vertreten: Durm (Vater und Sohn), Dussault, die Generation Dyckerhoff, Eckert, die drei Egell, Ehret, Eichfeld, die Eichrodt, die Plastiker Ehehalt, Elkan, Elsässer usf.

In der Durchdringung und Darstellung des Stoffes sind nach anfänglichen Schwankungen nunmehr vollendete Typen lexika- lischer Biographie herausgebildet worden. Artikel, wie Dürer und Van Dyck, sind mustergültig. Aber auch die "weniger an- spruchsvollen Namen sind vortrefflich herausgebracht. Ein Bei- spiel für viele: Dem Kunstfreund sind die Plastiken des Schwetzinger Schlossgartens bekannt. Der Name Ceracchi taucht auf. Dieser Künstler mit seinem europäischen Schaffen und seiner Lebensromantik, von dem wir bisher recht wenig wussten, ist in 4 Spalten nunmehr völlig sicher gestellt. Oder-aus der Gegen- wart: L. Dill, dessen künstlerische Entwicklung und Bedeutung

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von seiner Illustrationstätigkeit bis zur stilistischen Meisterschaft in der Malerei in 2!/, Spalten klar herausgearbeitet ist. Hunderte solcher badischer Biographien sind in die r0 ersten Bände ein- gestreut. Der letzte Name ist Erlwein, der kürzlich an der Westfront gefallen ist.

Für Bibliotheken, Sammler, Kunstfreunde, Händler ist der »Thieme< ein ebenso wertvolles, als unentbehrliches Handbuch; denn er ist eine unerschöpfliche Fundgrube unerlässlicher Kennt- nisse, ein Schatzbehälter reichsten Wissens und die Grundlage für jede Art von kunsthistorischer Forschung. Öffentliche und private Sammlungen sollten dem Werke ebenso ihre Aufmerk- samkeit zuwenden, wie öffentliche und private Geldmittel flüssig gemacht werden sollten, um dieses grossartige Denkmal deutschen Gelehrtenfleisses und deutscher Organisationskraft seiner glück- ichen Vollendung zuzuführen. Dr. Beringer,

Nachträglich sei auf die bereits ıgı2 erschienene Bonner Inauguraldissertation von Johann Jakob Kunz über »Die Politik des Pfalzgrafen Georg Hans von Veldenz« (82 S.) hingewiesen, da die seltsame und vielumstrittene Fürstengestalt, mit der sie sich beschäftigt, auch in der elsässischen Geschichte in der zweiten Hälfte des ı6. Jahrhunderts eine Rolle gespielt hat. Die Arbeit, die offenbar auf Anregung von Bezolds ent- standen ist, stützt sich in der Hauptsache auf die von letzterem besorgte Ausgabe der Briefe des Pfalzgrafen Johann Casimir, daneben auch auf die zahlreichen andern für die Geschichte jener Zeit in Betracht kommenden Quellenpublikationen und Darstellungen. Ausserdem benutzt jedoch Kunz einen offenbar recht ergiebigen Aktenbestand des Kgl. Geh. Haus- und Staats- archivs zu Stuttgart (Abt. Pfalz, Kuratelakten, Lösung L.ützel- stein), auf den elsässische Forscher aufmerksam gemacht seien, da augenscheinlich auch reiches Material über die elsässischen Besitzungen des Pfalzgrafen (Lützelstein, Steintal) sich darin vor- findet. Kunz’ Darstellung läuft darauf hinaus, Bezolds vernich- tendes Urteil über Georg Hans (sein fürstlicher Praktikant ersten Ranges« usw.) vollinhaltlich zu bestätigen; um so mehr fällt auf, dass er, während sonst die elsässische und lothringische Literatur über den Veldenzer (Holländer, Benoit, Winckelmann, Fischer, Röhrich u. a.) nahezu vollständig herangezogen worden ist, die umfangreiche Aktenveröffentlichung G. Wolframs zur Geschichte der Gründung Pfalzburgs (Jahrb. f. lothr. Gesch. 1909, 1911, 10912) übersehen und daher eine Auseinandersetzung mit dessen im diametralen Gegensatz stehenden Auffassung der Tätigkeit und Persönlichkeit von Georg Hans unterlassen hat. Das Urteil Bezolds wird wohl, wenn man die Fragen der grossen Politik allein in Betracht zieht, zu Recht bestehen bleiben; aber man wird es doch dahin ergänzen müssen, dass im engeren Rahmen

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der elsässischen und lothringischen Verkehrs- und Wirtschafts- fragen und der Verwaltung der veldenz-lützelsteinischen Terri- torien betrachtet, wie auch aus der neuerdings von K. E. Boch in seiner Geschichte des Steintals im Elsass (1914) gegebenen Darstellung hervorgeht, das Tun und Planen des Pfalzgrafen von einem nicht geringen wirtschaftspolitischen und organisatorischen Scharfblick und einer redlichen Fürsorge für das geistige und leibliche Wohl seiner Untertanen Zeugnis ablegt und z. T. auch wirkliche Erfolge aufzuweisen hat. K. Stenzel,

Gerwig Blarer, Abt von Weingarten 1520—1567, ver- dient schon als Konstanzer Kind eine kurze Erwähnung in dieser Zeitschrift. Das Bild des Vorkämpfers der Gegenreformation in Oberschwaben, mehr als andere durch der Parteien Gunst und Hass verwirrt, tritt einer breiteren Öffentlichkeit zum erstenmal klar vor Augen, da der Tübinger Universitätsprofessor Heinrich Günter den ersten Band seiner Korrespondenz (Briefe und Akten 1518—1547) im Auftrag der württembergischen Kommission für Landesgeschichte (Geschichtsquellen Bd. XVI. Stuttgart 1914) veröffentlicht hat. Ein zweiter (Schluss-) Band ist im Manuskript fertiggestellt. Der Herausgeber hatte schon ein Jahr zuvor mit dem Beitrag zur Festschrift für Georg von Hertling über »Abt Gerwig Blarer und die Gegenreformation« einen Abriss der Geschichte des bedeutenden Mannes gegeben, demzufolge er auch weiterhin als »Prälat der Gegenreformation« gelten darf, wenn auch nicht der tridentinischen oder jesuitischen. Er ist vielmehr das Kind der »untergehenden Welte, der kräf- tigen und klugen, standesbewussten, musik-, jagd-, trink- und liebefreudigen, vor allem aber politischen Bischöfe und Äbte des 15. und beginnenden 16, Jahrhunderts, .die das auch auf katho- lischer Seite tiefempfundene Reformbedürfnis kaum begriffen, die Einheit der Kirche aber um so leidenschaftlicher vertraten. Wie dabei sein kirchliches und sein politisches Herz von dem katho- lischen, aber bedrohlich übermächtigen Österreich angezogen und abgestossen worden, bildet einen Hauptreiz seiner und der ober- schwäbischen Geschichte. Er hatte ein reiches Feld der Tätig- keit vor sich.” Waren doch von den 31 schwäbischen Reichs- städten nur noch 7 katholisch!

Müssen wir es uns hier versagen, auf die wichtigsten Er- gebnisse dieser Briefe und Akten, die durch umfangreiche An- merkungen an Wert für die süddeutsche Geschichte überhaupt gewinnen, einzugehen, so sei umsomehr betont, wie vielfache Fäden zu den im heutigen Baden vereinten Territorien hinüber- laufen. Voran steht das Bistum Konstanz mit seinem Chor- gericht Radolfzell. Die Korrespondenz mit den Bischöfen Hugo von Hohenlandenberg, Johann von Lupfen, der das Bistum mit Gerwigs Hilfe verkaufen will, besonders aber mit Johann von

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Weeze, Erzbischof von Lund, umfasst einen grossen Teil des Bandes. Ein gemeinsames Ziel begehrlicher Wünsche für Kon- stanz und Weingarten war die Reichenau. Fleissige Korrespon- denten sind auch die Salemer Äbte, der temperamentvolle Jodocus Necker, Amandus Schäffer und Johann Fischer. Über die Vater- stadt Gerwigs und seines Vetters Ambrosius Blarer, ihre Refor- mation und Hinneigung zur Eidgenossenschaft erfahren wir mancherlei. In Pfullendorf und Überlingen fanden Tagungen der altgläubigen oberschwäbischen Prälaten, Grafen, Herren und Städte statt. Nach letzterer Stadt flüchtete Gerwig im Schmal- kaldischen Kriege seine Wertsachen; Dr. Jakob Kessenring, Alt- bürgermeister derselben, war Gerwigs vertrauter Rat. Hinzuweisen ist ferner auf Material zur Geschichte der Ritterschaft St. Georgen- schildes, sowie einzelner Geschlechter unseres Landes, wie Fürsten- berg, Schauenburg usw. Editionsweise und Register stehen, wie nicht anders zu

erwarten, auf der Höhe. Manche Worte sind unnötigerweise im Text und Register erklärt, manche dagegen an keiner von beiden Stellen. Erklärungen wie verhergen = verheeren sind doch wohl überflüssig, ebensowie das »sic« bei uffenthalt —= Trost (Lexers Handlexikon) S. Q227. S. 21754 ist wohl nur statt nun, S. 4923 leiden statt beiden zu lesen. H. Haering.

In seiner Schrift über »Augustin Bader von Augsburg, der ProphetundKönig« und seine Genossen (Arch. f. Reformations- gesch. Heft 38 S. 141 ff.) gedenkt G. Bossert auch der Be- ziehungen Baders zu der Strassburger Täuferkolonie, der Zu- sammenkunft in Schönberg bei Lahr, die er 1528 mit ihren Mitgliedern hatte, und seines Aufenthalts in der Schweiz, in Teufen und Basel. Auch weitere kirchengeschichtliche Veröffent- lichungen desselben Verf. sind in diesem Zusammenhang zu nennen: der wertvolle Beitrag»Zur Geschichte der Pfarrei Dürr- menz-Mühlackere (Bil. f. württ. Kirchengesch., NF. 18, S. 54 —68) und die Mitteilungen über die »Briefe von und an Peter Venetscher« 1550—1557 (ebenda, S. 180 ff.), die, im Anschluss an V.s Freiburger Studienzeit die dortigen Verhält- nisse, insbesondere in der Kartause, beleuchten und die Refor- mation in dem damals badischen Wahlheim berühren. Endlich sei hier Bosserts vortreffliche, auf mühsamer archivalischer For- schung beruhende Abhandlung »Zur Geschichte Stuttgarts in der ersten Hälfte des 16. Jahrh.« (Württ. Jahrb. f. Stat. u. Landeskunde J. 1194 S. 138—242) erwähnt, die u. a. über den aus Pforzheim gebürtigen hessischen Hofprediger Konr. Ottinger und sein Auftreten in Stuttgart, über den Durlacher Joh. Wurm, dessen Predigten in Ulm Anstoss erregten, sowie über Pau- meister Simon Vogt von Heidelberg, der beim Asperger Festungs- bau mitwirkte, mancherlei Nachrichten enthalten. K. 0.

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Zwecks Ergänzung und Berichtigung der Mitteilungen T. Hafners in dessen Schriftchen über die evangelische Kirche in Ravensburg veröffentlicht Karl Otto Müller in der Haupt- sache aus dem sog. Denkbuch der Stadt, zum geringeren Teile aus den Beständen des K., Staatsfilialarchivs in Ludwigsburg Aktenstücke zur Geschichte der Reformation in Ravens- burg von 1523 bis 1577. Münster, Aschendorff. 1914. 92 S. [= Heft 32.der von Greving herausgeg. Reformationsgeschicht- lichen Studien und Texte. Wenn wir diesen Akten -Glauben schenken dürfen, entfaltete der Bischof von Konstanz bzw. sein Generalvikar nur eine geringe Tätigkeit, um die Stadt bei der alten Kirche zu erhalten. Die Wiedergabe des Textes ist nur selten zu beanstanden. | H. B.

Strich, Michael: Liselotte und Ludwig XIV. München und Berlin, R. Oldenbourg. 1912. 154 S. Elisabeth Char- lotte, Herzogin von Orléans, die Pfälzer Liselotte, hat wie wenige denkwürdige Frauen eine literarische Würdigung gefunden, die ohne Zweifel schon in keinem Verhältnis mehr zu ihrer histo- rischen und persönlichen. Bedeutung steht. Mehr noch als ihren Zeitgenossen der französischen Gesellschaft ist diese Original- figur unsern Tagen interessant geworden, so dass bereits eine besondere Bibliographie uns durch die sonst unübersehbare Liselotte-Literatur hindurchführen muss. Um das Charakterbild selber kennen zu lernen in verschiėdenartiger und entgegen- gesetzter Beurteilung, darf man getrost den weitaus grössten Teil dieser literarischen Erzeugnisse unbeachtet lassen, Das land- läufige Bild der politischen und religiösen Dulderin, der unglücklichen Kämpferin für deutsches Wesen in der Fremde ist in seinem besonders die Frauenwelt bezaubernden Nimbus längst nicht mehr haltbar, wenn auch das urwüchsig Deutsche und Pfälzische in diesem Charakterbilde die Grundfarbe bleiben muss, denn gerade hierin ist es uns lieb und teuer geworden. Dennoch blieben, wie uns die vorliegende gründliche Unter- suchung des Verfassers beweist, noch bisher unbeachtete Töne übrig, deren manchmal kaum zu empfindende wechselvolle Schwingungen im Seelenleben einer merkwürdigen Frau nur eine ebenso eindringlich ernste, von Voreingenommenheit freie wie feinfühlende Untersuchung ergründen konnte. Wohl sind rein psychologisch betrachtet, solche Regungen und Wandlungen in einer jeden Frauenseele zu beobachten, bei Liselotte aber sind diese von besonderer historischer Bedeutung, weil ihr Leben in vierzig- jähriger Beziehung zu einem welthistorischen Boden sich abspielt, in dessen Mittelpunkt Ludwig XIV. steht. »Von Zeiten, Um- ständen und Persönlichkeiten wird nicht nur ihr Leben, sondern nicht minder ihr Verhältnis zu Ludwig bedingt«, sagt der Verf. über Liselotte. Eindringlicher und erfolgreicher als bisher, hat er darum diese historischen Bedingungen in den Wandlungen

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ihres Lebensbekenntnisses, in rein chronologischer Folge er- gründet und in tiefern psychologischen Zusammenhang gestellt, So verschiedenartig nun auch diese historischen Bedingungen sein mögen, in ihrem Grundzuge gehen sie alle nur von der Persönlichkeit des Königs aus, auf ihn wieder zurück. Lise- lottens glückliche Jahre in der vollen Gunst des Königs (1671 1682), die Jahre der Ungnade (1682—1685), deren Höhe- punkt sogar auf das Monatsdatum eine tiefeindringliche For- schung nachzuweisen versucht, die Zeit des offenen Konfliktes (1685 1701), wesentlich bedingt durch das ehrenfeste Auftreten der Herzogin gegen die eheliche Versorgung der natürlichen Kinder des Königs und die veränderte Stellung der Maintenon (seit 1683/84), endlich die Beziehungen Liselottens zum König seit dem Tode ihres Gemahles und die letzten Jahre ungetrübter Freundschaft, alle diese Wandlungen, Irrungen und Wirrungen bilden den Inhalt und die Grenzlinien der vom Verf. mit Glück versuchten historisch-psychologischen Analyse eines so vielfach gedeuteten Charakters. Die auf strenger Methodik aufgebaute gelehrte Untersuchung wirkt dabei zugleich als ein lebhaftes dramatisches Bild, in welchem innerlich mit dem Hauptkonflikt zusammenhängend eine ganze Reihe handelnder Figuren in neue Beleuchtung gesetzt werden. Vor allem ist es hier Frau Main- tenon, in deren Beurteilung als einer geistig hervorragenden, im Staate und Hause Ludwigs XIV. auch religiös ganz anders, als in der Vorstellung der gereizten und derben, mit natürlichem Takte wenig begabten Pfälzerin, wirkenden Erscheinung, ich mit dem Verf. übereinstimme. Auffallend bleibt mir dabei nur, dass der feinsinnige Essay Döllingers, der wohl als der erste das Verhältnis Liselottens zur Maintenon in seinen so wandel- baren Regungen ergründet, in der Beurteilung der Liselotte- Literatur keine, wenn auch noch so kurze Würdigung gefunden hat. Von besonderm Werte für die Beurteilung Liselottens in der »Konfliktszeit« mit ihrer Drohung einer Verbannung ist das vom Verf, aufgefundene Rechtfertigungsschreiben der Herzogin vom 24. Mai 1685, das einzige bis jetzt bekannte Schreiben der schreiblustigen Frau an den König. Wir müssen diesem Funde um so dankbarer sein, als er die Anregung zur vorliegenden Studie gab, die in der Liselotte-Literatur als eine bleibende wertvolle Bereicherung betrachtet werden muss. J. Wille.

J. Roth veröffentlicht unter dem Titel »Zwei Schlett- stadter Bürgermeisterin der Revolutionszeit. Ein Streif- zug durch die Revolutionsgeschichte von Schlettstadt« (Schlettstadt, E. Bürckel 1913, 115 + IX S.) anspruchslose, die Jahre 1789—1795 umfassende geschichtliche Skizzen, die sich mit zwei für die Revolution typischen Emporkömmlingen, dem ehemaligen Advokaten und Notar Dominik Ignaz Herrenberger

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und dem ehemaligen bischöflichen Kanzleischreiber Lambla und deren Treiben in der Schreckenszeit beschäftigen. Über seine Quellen hat sich der Verf. nicht besonders geäussert; doch scheint er neben den Arbeiten der beiden Dorlan zur Schlett- stadter Geschichte und Mühlenbecks Eulogius Schneider vor allem gleichzeitige Zeitungsartikel und Akten aus dem Schlett- stadter Stadtarchiv (Ratsprotokolie) herangezogen zu haben. Da er die Akten der Departementalverwaltung und die neuere Lite- ratur zur französischen Revolution nicht benutzt hat, ist die Dar- stellung natürlich recht lückenhaft, wie sie auch oft der nötigen Klarheit entbehrt. Aber man wird wohl kaum Masstäbe höherer Kritik an das Werkchen legen dürfen, das sich von der in der populären Literatur sonst reichlich spukenden Revolutionsromantik völlig frei gehalten hat. K. Stenzel,

Hans Thimme, Das Kammeramt in Strassburg, Worms und Trier (Abhandlungen zur Mittleren und Neueren Geschichte, herausg. von v. Below, Finke, Meinecke, Heft 43). Berlin und Leipzig, Dr. Walther Rothschild 1913. 54 S.

Verschiedenen Forschern schon ist es aufgefallen, dass unter den Handwerkerdiensten, die zu Strassburg und zu Trier dem bischöflichen Stadtherrn geschuldet waren, einige nicht durch die Gesamtheit des Gewerbes, sondern durch eine beschränkte Zahl von Auserwählten geleistet wurden. Das erste Strassburger Stadtrecht zählt für Strassburg, der liber annalium iurium für Trier diese Abteilungen auf. Es sind in Strassburg ı2 Kürschner, 8 Schuster, 4 Handschuhmacher, zu denen noch die 4 fron- freien Bäcker gezählt werden, in Trier 7 Kürschner und 7 Schuster.

So verschieden auch bisher die Deutung dieser Sonder- gruppen war, gleichviel ob man sie als grundherrliches Hofamt (R. Eberstadt, Der Ursprung des Zunftwesens S. 55—67, 77 82) oder als marktherrliches Amt (F. Keutgen, Amter und Zünfte S. 79—99, 238—239) bewertete, man war geneigt, sie als den Kern einer Handwerksorganisation zu betrachten, die sich schliesslich zur Zunft auswachsen sollte. Wenn demgegen- über andere Forscher (F. Rudolph, Die camerarii der Stadt Trier, Trierisches Archiv Heft 13 S. 58—64; W. Müller, Zur Frage des Ursprungs der mittelalterlichen Zünfte S. 33; W. Dettmering, Beiträge zur älteren Zunftgeschichte der Stadt Strassburg S. 34 35) der Ansicht waren, dass diese Abteilungen nicht zu den Grundbestandteilen der Handwerkerbewegung gehören, vielmehr erst nachträglich in der Form von Ausschüssen entstanden sind, so vermochten sie kaum aufzukommen gegen eine Theorie, die mit gewichtigen Argumenten eine lückenlose Entwicklung von den ersten Ansätzen bis zu den Zünften des späteren Mittel- alters zu konstruieren verstand. Zudem liessen auch sie diese Gruppen als ein Element des Zunftwesens, obschon in geschwächter Bedeutung, gelten.

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Abweichend von den bisher vertretenen Ansichten such f; Thimme zu erweisen, dass der Gegenstand seiner Untersuchung in keiner organischen Beziehung zum Zunftwesen steht, weder |...

sein Ausgangspunkt noch ein Zunftausschuss gewesen ist, so |... dern als ein Institut für sich bestanden hat. Seine beachtens |... werten, in ihrem Gedankengang nicht immer durchsichtigen Aus- f :; führungen seien kurz skizziert. n

Thimme weist die Sonderverbände, in Strassburg official, | ;, in Trier camerarii genannt, dem weiteren Kreise der Haushand- f y, werker zu. Ihre bevorzugte Stellung beruht auf der Herstellung f.,

der vornehmsten Artikel, deren die bischöfliche Hofhaltung be- f., darf (Pelze, Lederwerk, Brot), und einem demensprechend quali- fizierten Dienst. Dieser Definition widerspricht zwar die an f. anderer Stelle gemachte Beobachtung, dass gerade diese dem Bischof angeblich unentbehrlichen Haushandwerker zum Markt |... verkehr zugelassen waren, während die übrigen dieser Freiheit |... darbten und in der Wirtschaft ihres Herrn aufgingen. Doch H mögen auch im einzelnen Unklarheiten bestehen, ein Argumen |: gegen die These des hofrechtlichen Ursprungs wollen wir hierin f7. nicht ohne weiteres sehen. Auch ist zuzugeben, dass sich manche Eigenheiten dieser Handwerksämter, namentlich ihre Privilegien: | .; Sondergericht und Freiheit von Bürgerlasten und Zoll, unge zwungen aus ihrem Verhältnis zur herrschaftlichen Kammer her- leiten lassen. Ebenso ihr Emporsteigen unter die Reihen de städtischen Patriziats; nur hätte man gewünscht, dass der Verl. die wirtschaftliche Seite des Problems gründlicher untersucht hätte, als es geschehen ist.

Schlechthin schlüssige Resultate wird man bei der Sprödig- keit des Materials nicht erwarten. Auch zwei weitere Hand- werkergruppen, die der Verf. mit seinem Problem in Zusammen hang bringt, vermögen unsern Gesichtskreis nur wenig ZU erweitern. Es sind die becherarii episcopi des ersten Strassburger Stadtrechts, die mit den Lehnsbecherern des 14. Jahrhundert identifiziert werden, und die Wildwerkerhausgenossen von Worms. Schon in ihrem Namen, hier die auszeichnende Hausgemei- schaft mit dem Herrn, dort den Begriff des Lehens oder Amtes 3 betonend, will der Verf. das den Kammerlieferanten eigentin- liche Merkmal erkennen: ursprüngliche Hofhörigkeit mit den Akzent auf dem ministerialischen Dienst.

Fasst man die Kammeränmter als in sich geschlossene Orge nisationen, so bestimmt sich hiernach ihre Stellung zu den Ziünften: |. sie bilden eine Ordnung neben einer andern. Wohl sind ibe |" Mitglieder, weil sie wirtschaftliche Freiheit besitzen, zugleich |“ Mitglieder einer Zunft und nehmen an deren Entwicklung wm |. Anfang an teil, doch geht darum ihre Organisation nicht in der |.“ umfassenderen der Zunft auf, besteht vielmehr neben derselben |“ her. Freilich kann, da dem Kammeramt die Tendenz ime |" wohnt, die Zunft zu beherrschen, das Nebeneinandersein m |"

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einem Verhältnis der Über- und Unterordnung werden. Diese Entwicklung wird durch den patrizischen Charakter des Kammer- amtes erklärt, müsste aber noch auf ihre wirtschaftlichen Ur- sachen hin untersucht werden. Den grössten Erfolg haben die Strassburger ı2 Kürschner zu verzeichnen; sie setzen der Zunft den Meister, erheben die Bussen und Abgaben und erlassen 1368 selbstherrlich die Kürschnerordnung. Ihnen folgen auf dem Fusse die 8 Schuster; auch sie wählen dem Handwerk den Meister und beziehen immerhin einen Teil der Bussen, Doch waren sie nicht imstande, die Zunft so früh und auch so voll- ständig von der Obergewalt des Burggrafen zu befreien, wie es den Kürschnern gelungen ist. In Trier, zeigen die 7 Kammer- schuster ebenfalls Herrschergelüste gegenüber ihrer Zunft, dringen aber nicht durch. Von den andern Kammerämtern fehlen die einschlägigen Nachrichten. Die neue Auffassung des Problems musste gerade an diesem Punkte zum Ausdruck kommen: hatte man bisher die Sondergruppen aufgefasst als Rudimente aus der Entstehungszeit des Zunftwesens oder als nachträglich geschaffene Zunftausschüsse, so erscheint jetzt ihr Verhältnis zu den Zunft- verbänden als die Auseinandersetzung zwischen zwei verschiedenen und jedes auf sich gestellten Gebilden. © E. Kiener.

Die Monatshefte für Kunstwissenschaft bringen in Jahrg. VII (Leipzig, Klinkhardt & Bärmann. 1914) zwei beachtenswerte Auf- sätze über Strassburger Bildwerke des 15. Jahrhunderts. Den ersten Aufsatz (S. 283—94 mit Taf. 59—62) liefert Hans Christ unter dem Titel: »Ein Statuetten-Zyklus auf dem Turme des Strassburger Münsters«, Der Verf. untersucht die Gruppe der Figuren, die auf der Umgangsbrüstung beim Turmoktogon ihren Platz haben, in kauernder Stellung, alle den Blick nach oben gerichtet. Obwohl diese Statuetten (darunter eine h. Katha- rina, h. Barbara, eine Prophetenfigur und eine Porträtstatuette des Ulrich von Ensingen wohl richtig bestimmt) unter Verwitte- rung sehr gelitten haben, lässt sich ihre hohe künstlerische Qualität noch deutlich erkennen. Sie offenbaren einen ganz neuen Stil gegenüber der Tradition der Strassburger Münster- werkstatt, sie sind das erste Anzeichen für das Eindringen des Realismus in die Strassburger Bauhütte. Als Schöpfer dieser neuen, freieren Richtung ist ein eingewanderter Künstler anzu- nehmen, der völlig in französischer Formenanschauung auf- gegangen war. Die gleiche Künstlerhand lässt sich später an dem Figurenzyklus der Vorhalle des Ulmer Münsters wieder- finden. In Strassburg zeigt sich der neue Bildhauerstil des un- bekannten Meisters als im Werden begriffen, in Ulm in fort- geschrittener Entwicklung mit der Neigung zur Manier. Diese Beziehungen Strassburg-Ulm sind mit der Persönlichkeit des Architekten Ulrich von Ensingen sicher verknüpft.

308 Zeitschriftenschau und Literaturnotizen.

Der zweite uns interessierende Aufsatz der Monatshefte (S. 346 ff. und Taf. 77) hat Emil Major zum Verfasser - und behandelt »die zwei Halbfiguren der ehemaligen Kanzlei in Strassburg... Diese beiden rätselhaften, oft abgebildeten Halbbüsten, eine blühende Jungfrau und einen bärtigen Alten darstellend, haben schon mehrfach die Kunsthistoriker beschäf- tigt. Die Originalfiguren, die aus der Werkstatt des berühmten Bildhauers Nikolaus (Gerhaert) von Leiden hervorgegangen waren (um 1468), sind leider im Jahre 1870 zugrunde gegangen; erhalten sind aber gute Gipsabgüsse und Abbildungen aus dem Jahre 1858. Nach alten Berichten befanden sich die Original- bildwerke im Hofe des alten Kanzleigebäudes (am Gutenberg- platz), und zwar oberhalb der Türe zum Treppenturm. Bekannt ist, dass schon im 16. Jahrhundert der Strassburger Volkswitz die beiden Brustbilder als Darstellungen eines bekannten Liebes- paares, des Grafen Jakob von Lichtenberg und der schönen Bärbel von Ottenheim, gedeutet hat. Diese alte unwahrschein- liche Tradition hat sich im Elsass bis heute erhalten. Neuer- dings hat Leitschuh (und andere nach ihm) die beiden Figuren als Darstellungen eines Propheten und einer Sibylle erklären wollen. Eine ganz neue Deutung versucht jetzt E. Major. Er führt aus, dass die zwei Büsten nicht nebeneinander angebracht gewesen sein konnten, sondern übereinander, die Jungfrau oben am Fenster lehnend, unterhalb der Alte. Nach der Stellung der Figuren und dem Gesichtsausdruck hätte der Künstler die Szene darstellen wollen, wie die Tochter des römischen Kaisers den Zauberer Virgil zum besten hält. Die schwankhafte Erzählung vom verliebten Virgilius war seit dem späten Mittelalter weit verbreitet. Der betörte Alte lässt sich in einem Korbe zum Fenster seiner Geliebten emporziehen, diese lässt ihn aber in halber Höhe hängen und macht ihn zum allgemeinen Gespött. Diese komische Situation ist oft von Künstlerhand zur Darstellung gebracht worden, sie findet sich in alten Miniaturen und Hand- zeichnungen, in Skulpturen französischer Kirchen, und in der Folge in Kupferstichen und Holzschnitten wiedergegeben. Nach Major wären die beiden Halbfiguren Reste der Virgilszene, die Nikolaus von Leiden am Wendeltreppenturm der alten Kanzlei als bildnerischen Schmuck geschaffen habe. —h.

Es war ein glücklicher Gedanke von Hans Rott, dass er sich entschloss, das in verschiedenen Archiven, vor allem zu Karlsruhe, zerstreute umfangreiche Quellenmaterial zur Bruchsaler Kunstgeschichte, das er in den »Kunstdenkmälerns doch nur teil- weise und in Kürze verwerten konnte, zusammenzustellen und mit dankenswerter Unterstützung der Bruchsaler Stadtverwaltung im 11. Beihefte der »Zeitschrift für Geschichte der Architektur« (Bruchsal. Quellen zur Kunstgeschichte des Schlosses

Zeitschriftenschau und Literaturnotizen. 309

und der bischöflichen Residenzstadt. Heidelberg, Winter, 1914.) der Forschung zugänglich zu machen. Wenn man erwägt, dass die über die Jahre 1717— 1806 sich erstreckenden Auszüge 18 Druckbogen füllen, kein leichtes Stück Arbeit und über die lokale Umgrenzung hinausgreifend, wertvoll für jeden, der sich mit der Kunstgeschichte des ı8. Jahrhunderts beschäftigt und mit Hilfe eines sorgfältigen Registers über Architekten, Künstler und Kunsthandwerker jener Zeit für seine Zwecke Brauchbares hier finden kann. Jakob Wille hat auf Wunsch Rotts dem Hefte ein Geleitwort mit auf den Weg gegeben; den Herausgeber selbst hat die Pflicht zu den Waffen gerufen: möge es ihm ver- gönnt sein, nach glücklicher Heimkehr aus dem Felde in Friedens- zeiten die Arbeit rüstig wieder -aufzunehmen, zu Nutz und Frommen unserer Heimatgeschichte, die ihm schon so manche Förderung verdankt. K. O0.

In der »Zeitschrift für Bücherfreundes N.F. VI. 2. Bd. S. 269—278 bespricht Art. Bechtold unter dem Titel »Mosche- rosch-Bildnisse« die bekannt gewordenen Bildnisse des Dichters, seiner zweiten Ehefrau M. B. Paniel und seiner Familie. Nach- bildungen sind beigegeben.

Die »Sammlung bibliothekswissenschaftlicher Arbeiten<H. 35/36 (Halle, E. Karras. 1914.) enthält in einem stattlichen Band folgende verdienstliche Publikation: »Einblattdrucke des XV. Jahrhunderts, ein bibliographisches Verzeichnis, hsg. von der Kommission für den Gesamtkatalog der Wiegendrucke«. Als Vorarbeit für den künftigen allgemeinen Inkunabelkatalog wurde vorliegendes, über 1600 Nummern umfassendes Verzeichnis von Kleindrucken des 15. Jahrhunderts zusammengestellt. Dieser beschreibende Katalog bietet nicht allein für Bibliographen und Inkunabelforscher ein umfangreiches, zum grossen Teil neuent- decktes Studienmaterial, sondern er ergibt sich auch als äusserst wertvolles Quellenwerk für fast alle Zweige der Wissenschaft. Die Historiker finden darin zahlreiche kaiserliche Ausschreiben, päpstliche Bullen, städtische Ratserlasse, Münzordnungen u. ä., die Theologen Ablassbriefe, Berichte über Bruderschaften, Heiligen- verehrung, Klöster etc. Den Juristen nennt das Verzeichnis mancherlei Rechtsquellen, den Philologen seltene, teilweise un- bekannte deutsche und lateinische Dichtungen. Es ist auch eine Fundgrube für die Mediziner, denen es interessante Lasszettel und Blätter über Monstra, Franzosenkrankheit, Pest usw. auf- zählt, und ebenso für den Kulturforscher, dem reiches Material über Prophezeiungen, Praktiken, Schützenfeste, Trinksitten, Wein- fälschung u. ä. dargeboten wird.

Für die Leser dieser Zeitschrift sind besonders diejenigen Stücke beachtenswert, welche sich auf das Elsass beziehen,

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So nenne ich z. B. die Einblattdrucke von Seb. Brant, die von dem Meteor von Ensisheim und der Sau von Landser handeln. Unter den zahlreichen alten Almanachen, von denen viele in Strassburg hergestellt wurden, mögen als besonders wichtig die speziell für die Stadt Strassburg bestimmten Kalender für die Jahre 1476, 1477 und 1500 hervorgehoben werden. Einen Hin- weis verdienen ferner die Ablassverkündigungen für die Strass- burger Kirchen S, Maria Magdalena und S. Florentius (1477) und zum Besten des S. Odilienklosters (1479), sowie der Kirche zu Schlettstadt (1483). Erwähnenswert ist auch die Erneuerung der Privilegien der S. Eulogiusbruderschaft durch Bischof Albrecht von Strassburg (1487).

Selbstverständlich bringt vorliegende Publikation für die Ge- schichte des Strassburger Buchdrucks und Buchhandels einen ansehnlichen Gewinn; ı4 Strassburger Druckereien mit ca. 80 Einblattdrucken sind darin vertreten. Von der elsässischen Druckstätte Kirchheim (= Troiga) wird ein Stück aufgeführt, es ist aber vermutlich Strassburg zuzuweisen, und zwar der Offizin des Matthias Hupfufl, mit dessen Typen es gegen 1500 her- gestellt wurde.

Die Sorgfalt, mit welcher das besprochene Verzeichnis der Einblattdrucke vollführt ist, verdient das höchste Lob. Über den reichen Inhalt der in alphabetischer Ordnung aufgezählten Druck- werke gibt ein ausführliches Sachregister guten Aufschluss. -—A.

Mitteilung der Redaktion.

(K. O.) Wir erhalten vom städtischen Archivamte zu Frei- burg folgende Zuschrift:

Das Archiv der Stadt Freiburg im Breisgau.

Freiburg im Breisgau den 22. Februar 1913.

An Verehrliche Schriftleitung der Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins in Karlsruhe (Baden).

In dem soeben erschienenen 1. Heft des XXX. Bandes der (NF: der) Zeitschrift ist Seite 136 die Rede von dem »früheren städtischen Archivar Dr. Hermann Flamme. Diese Angabe ent- spricht nicht den Tatsachen. Dr. Flamm war nie städtischer Archivar, sondern laut seines Dienstvertrags vom 14. Juli 1909 »in widerruflicher Weise« angestellt als »ausserordentlicher Hilfsarbeiter bei den der Pflege der Kunst und Wissenschatt dienenden städtischen Ämtern (des Archivs, der Sammlungen und des Statistischen Amts). Um den »Titel« Archivar hatte er wohl wiederholt beim Stadtrat nachgesucht, ihn aber nicht erhalten.

In vorzüglicher Hochachtung Albert.

Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. m33

1548 Dez. 11. Johann Brun, Propst, und Wolfgang Jeuch, Dekan, und das Kapitel von St. Michael und Alt-St. Peter zu Strassburg beurkunden, dass Adam von Berstett mit 48 @ 15 $ strassburg. Pfennige einen ihnen und ihrer Pfarrei zu Berstett zu- stehenden Zins von ı @ ı9 ß Pfennige von dem Hofe und Garten und dem Schloss zu Berstett usw. abgelöst hat. Orig. Perg. 183

1563 Juli 2. Vor dem strassburg. Hofrichter bekennt Hans Erbe von Berstett, dass näher bezeichnete Güter zu Berstett nach dem Tode seiner Ehefrau in erbteilungsweise an Otilgen, Paulus, Gertrud und Briden, Kinder des verstorbenen Hans Erman, als Enkelkinder seiner Ehefrau, gefallen sind und dass ihm nur die lebenslängliche Nutzniessung daran zustehe,. Orig. Perg. 184

1569 Mai 26. Johannes Hessler, Propst zu St. Michael und Alt-St. Peter zu Strassburg, belehnt Adam von Berstett mit zwei Zweiteln Felds zu Berstett, mit einem Geren und einer halben Hub ebenda. Orig. Perg. 185

1573 April 16. Mattheus Gering, Propst zu St. Michael und Alt-St. Peter zu Strassburg, belehnt Ernst und Adam von Berstett mit zwei Zweiteln Felds zu Berstett, mit einem Geren und einer halben Hub ebenda. Orig. Perg. 186

1574 Juni 21. Vor dem strassburg. Hofrichter verkaufen Erhardts Jakob von Gugenheim und Eittels Klaus von Dettweiler und Barbara, Witwe Hellsten Barthels von Gimbrett, und Mar- garethe, Summers Wolfen zu Reitweiler Tochter, mit Beistand ihres Hauswirts Eittels Jörgen von Gimbrett, ferner Lorenz Straub von Hochfrankenheim als Vormund seines Neffen Simon Straub an Ernst und Adam von Berstett 6/9 an genannten Gütern im Banne von Berstett, die sie ungeteilt besitzen, um 126 fl. strass- burg. Orig. Perg. S. 187

1578 Mai 9. Vor dem strassburg. Hofrichter verkaufen Jörg Kelterer, der Stadt Strassburg Küfer, und Bryd, seine Haus- frau, ferner Thomas Schuch von Reitweiler an Wolf Bastian zu Berstett eine Mannsmatte zu Berstett um 120 fl. strassburg. Orig. Perg. Dazu 185

1578 Mai 9. Transfiıx: Wolf Sebastian von Berstett erklärt, dass er die genannte Matte im Namen von Ernst und Adam von Berstett gekauft habe. Orig. Perg. 188a

1579 Juni 3. Vor dem strassburg. Hofrichter verkauft Hans Flach von Eckwersheim an Ernst und Adam von Berstett einen Bletz Matten zu Berstett um 20 fl. strassburg. Währung. Orig. Perg. p 189

1580 März ı8. Vor dem strassburg. Hofrichter bekennt Lorenz Düringer, Schultheiss zu Berstett, dass er von Ernst von Berstett den sogenannten Weggarten zu Berstett für 18 Jahr lang gegen einen Zins von drei Kappen gepachtet habe. Orig. Perg. 190

Mitt. d, Bad. Hist. Kom. Nr. 37. 3

m34 Frankhauser. |

1581 Mai 8. Vor dem strassburg. Hofrichter erneuern Schultheiss, Geschworene und Schöffen des Gerichts zu Berstett Peter von Fürdenheim zu Neuweiler seine zu Berstett gelegenen Güter. Orig. Perg. 191

1581 Mai 8. Erneuerung der dem Junker Peter von Fürden- heim, sesshaft zu Neuweiler, im Banne von Berstett eigentümlich zuständigen Güter durch Schultheiss, Schöffen und Geschworene des dortigen Gerichts. Kop. Pap. 192

1583 März ı. Vor dem strassburg. Hofrichter verkaufen Peters Hans von Truchtersheim und seine Hausfrau Maria Lüth an Diebolt Lüthen von Berstett ein halb Zweiteil Felds zu Berstett um 13'/2 fl. strassburg. Orig. Perg. 103

1584 Mai 8. Sixt Pfrimer von Eckwersheim verkauft an die Gebrüder Ernst und Adam von Berstett als Bevollmächtigte ihrer verwitweten Mutter Veronika Marx von Eckwersheim 16 $ Pfennig-Gelts, jährlich fällig auf Sophientag, um 16 # strassburg. Pfennige von näher beschriebenen zwei Äckern zu Berstett. Orig. Perg. S. 104

1588 März 7. Vor dem strassburg. Hofrichter verkaufen Michels Lütten, des Schultheissen zu Berstett, Witwe, verbei- standet durch Pankratz Mattern, ferner Hans und Diebold Lütten von Berstett an Vix Lütten einen halben Acker Feld zu Berstett um 40 fl. strassburg. Orig. Perg. 195

1588 Okt. 11. Hans Michel von Reitweiler und Margred, seine Hausfrau, verkaufen Diebold Düringer von Berstett zwei Acker minder ein Vierzahl Felds zu Berstett um 23 @ strassburg. Pfennige. Orig. Perg. 196

1592 April 18. Mattheus Gering, Propst zu St. Michael und Alt-St. Peter zu Strassburg, belehnt Adam von Berstett und seine Neffen Joachim und Hans Ernst mit zwei Zweiteln Felds, einem Geren und einer halben Hub zu Berstett. Orig. Perg. 197

1593 Sept. 21. Diebolt Hildt zu Pfettisheim und seine Hausfrau Margred gebor. Rysshoffen verkaufen an Adam von Berstett ein Zweiteil Feldes im Berstetter Bann um 18 f strass- burg. Pfennige. Orig. Perg. 198

1593 Dez. 21. Martin Christmann zu Wiwersheim und seine Hausfrau Anna verkaufen an Adam von Berstett genannte Güter zu Berstett um 28 it strassburg. Pfennige. Orig. Perg. 199

1595 Febr. 7. Andreas Kym, sesshaft zu Berstett, verkauft Adam von Berstett zwei Teile an einem Bletz Matten um 9 # strassburg. Pfennige. Orig, Perg. 200

1599 Febr. 26. Vor genanntem Schultheiss und Schöffen des Gerichts zu Brumat verkauft Diebolt Möbs zu Berstett an Diebolt Dürringer zu Berstett und seine Hausfrau Barbara ein Acker Felds zu Berstett um 65 fl. strassb. Orig. Perg. 201

1604 Jan. 15. Statthalter und Räte des Bischofs Karl von Strassburg, röm. Kardinals, quittieren Adam von Berstett über

Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. m35

2500 fi., deren Bezahlung ihm bei der Neubelehnung mit den nach dem Aussterben der Marx von Eckwersheim dem Bistum heimgefallenen Lehen derselben zu Berstett und Niederolvisheim auferlegt worden war. Orig. Perg. S. 202 1607 Jan. 20. Joachim von Berstett verpachtet an Diebolt Diringer zu Berstett auf 12 Jahre einen Baumgarten zu Berstett für einen jährlichen Zins von drei Kapaunen und 8 ĝ strassburg. Pfennigen. Orig. Pap. S. 203 ı610 Febr. 2. Mattheus Gering, Propst des Stifts St. Michael

und Alt-St. Peter zu Strassburg, belehnt Joachim und Hans Ernst von Berstett mit zwei Zweiteln Feldes, einem Geren und einer halben Hub zu Berstett. Orig. Perg. 204 ı610 März 18. Zabern. Bischof Leopold von Strassburg belehnt Joachim und Hans Ernst von Berstett mit den halben Dörfern Berstett und Olvisheim. Orig. Perg. 205 1612 Juni ıg. Bastian Schmydt, Wagner zu Lampertheim,

und Anna Schott, seine Hausfrau, verkaufen mit Zustimmung ihres Bruders und Schwagers Rulmann Schott an Joachim von Berstett, Fünfzehner zu Strassburg, 8 Sester halb Weizen-, halb Roggen- gült um 32 ğ 10 ß strassburg. Pfennige von Gütern im Banne zu Berstett. Orig. Perg. S. 206 1614 Jan. 20. Exuperantius Langhanns, Propst des Stifts

St. Michael und Alt-St. Peter zu Strassburg, belehnt Joachim und Hans Ernst von Berstett mit zwei Zweiteln Felds im Banne von Berstett, mit einem Geren und einer halben Hube. Orig. Perg. 207

1617 März 11. Kaspar Lorenz von Rumersheim verkauft

auf der strassburg. Kontraktenstube an Friedrich Schwebel zu Berstett ein Acker Feldes im Berstetter Bann um 49 strassburg. Pfennige. Orig. Perg. 208 1618 Dez. 29. Hans Gassner von Wört und seine Haus-

frau Jakobea Schwebel verkaufen Joachim von Berstett, Drei- zehner des geheimen Regiments zu Strassburg, ein Zweiteil Felds zu Berstett um 22 R strassburg. Pfennige. Orig. Perg. S. 209 ı619 Nov. 26. Wendlings Hermann von Gimbrett verkauft

an Hans Hecker zu Berstett genannte näher beschriebene Äcker im Banne von Berstett um 42 und 10 ß Pfennige strassburg. Währung. Orig. Perg. 210 1620 April 7. Vor Adam Zorn, Statthalter des Meisters,

und Rat zu Strassburg verkauft Bastian Hans von Berstett als Hannsens Schwebells, der in Kriegsgeschäften in Niederlanden abwesend ist, Vogt, dem strassburg. Stättmeister Joachim von Berstett ein Zweiteil Felds zu Berstett um 20 {it strassburg. Pfennige. Orig. Perg. S. 211 1621 Sept. 19. Vor Schultheiss und Schöffen des Gerichts

zu Brumat verkaufen Michel Vogt und sein Sohn Georg aus Olvisheim an Johann von Berstett ein Zweiteil Felds zu Berstett um 13 % Pfennige. Orig. Perg. 212

3*

m 36 Frankhauser.

1624 April 2. Wendling Düringer von Mommenheim ver- kauft an Joachim von Berstett, Stättmeister zu Strassburg, ge- nannte Güter im Banne von Berstett um 183 Æ und 15 $ Pfennige, Orig. Perg. 213

1624 Mai 28. Bastian Wolf von Berstett verkauft auf der strassburg. Kontraktenstube dem strassburg. Altstättmeister Joachim von Berstett einen halben Acker Felds im Berstetter Banne um ı2 R strassburg. Pfennige. Orig. Perg. 214

1627 Sept. 17. Zabern. Dekan und Kapitel als bevoll- mächtigte Administratores des Stifts Strassburg belehnen Joachim und Hans Ernst von Berstett mit dem halben Teil an den Dör- fern Berstett und Oivisheim, das nach Absterben des Hans Jakob Marx von Eckwersheim als letzten des Stammes apert geworden war, Orig. Perg. 215

1627 Okt. r1. Martin Merckhlin, Propst zu St. Michael und Alt-St. Peter zu Strassburg, belehnt Joachim und Hans Ernst von Berstett mit zwei Zweiteln Felds im Banne von Berstett, mit einem Geren und einer halben Hub ebenda. Orig. Perg. 216

1628 Okt. 10. Hans Kim von Berstett verspricht Hans Ernst von Berstett jährlich zu zinsen 7 @ 10 ß strassburg. Pfennige, ablösig mit 150 il Pfennigen von genannten Gütern zu Berstett. Extr. der strassburg. Kanzleiköntraktenstube. 217

1632 Juli 23. Strassburg. Jakob Sturm von Sturmeck, Meister, und Rat von Strassburg, beurkunden die Erklärung des Stättmeisters Joachim von Berstett, dass ihm durch die kgl. (fran- zösischen) Soldaten an seinem Hause zu Berstett ein Schaden von 200 Reichstalern zugefügt worden sei. Kop. Pap. 218

16041 April 10. Martin Merckhlin, Propst des Stifts St. Michaei und Alt-St. Peter zu Strassburg, belehnt Hug Wirich und Johann Jakob von Berstett mit zwei Zweiteln Felds zu Berstett, einem Geren und einer halben Hub ebenda. Orig. Perg. 219

1644 Dez. 2. Meister Hans Reinhard Voltz von Altenau und der Rat von Strassburg beurkunden, dass, nach Ausweis der Registranda des kaiserl. Notars Hilarius Meyer, Diebold Roth von Lampertheim 1636 Dez. 29 an Andreas Heckher zu Berstett drei Zweitel Felds im Berstetter Bann um 45 # Pfennige ver- kauft habe. Orig. Perg. 220

1648 Jan. 23. Strassburg. Bischof Leopold Wilhelm von Strassburg belehnt Hugo Wirich und Hans Jakob von Berstett mit dem halben Dorf Berstett und Olvisheim. Orig. Perg. 221

1652 Febr. 12. Vergleich zwischen Hugo Wirich und Johann Jakob von Berstett, Gebrüdern, und den Gemeinden Berstett und Olvisheim wegen der Fron von Lichtmess 1652 bis dahin 1653. Orig. Pap. 2 S. 222

1657 Dez. 17. Berstett. Vor Jakob Stöffler, Pfarrer zu Berstett, bekennt Michel Rohr von Rumersheim, dass er an Hans Doßmann, gewesenen Schultheissen zu Berstett, vor ungefähr

Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. m37

20 Jahren zwei Zweiteil Felds um 20 ț Pfennige verkauft habe. Orig. Pap. 223

1664 Aug. 23. Elsass-Zabern. Bischof Franz Egon von Strassburg belehnt Johann Jakob von Berstett mit dem halben Teil an den Dörfern Berstett und Olvisheim und dem halben Teil an Nieffern (Hof, abgegangen bei Berstett). Orig. Perg. 224

1671 Dez. 6. Konstantinus Heldt, Propst des Stifts zu St. Michael und Alt-St. Peter zu Strassburg, belehnt Johann Jakob von Berstett mit zwei Zweiteln Felds zu Berstett, mit einem Geren und einer halben Hube. Orig. Perg. S. 225

1677 Jan. 8. Strassburg. Vor dem Pfarrer Dominikus Ring zu Berstett bekennt Johann Jakob von Berstett, dass er vor mehreren Jahren an den nunmehr verstorbenen Hans Schöttle, Schneider zu Berstett, tauschweise ein Zweiteil Felds zu Berstett gegen einen halben Acker Felds zu Olvisheim übergeben habe. Orig. Pap. i 226

1686 Aug. 26. Elsass-Zabern. Bischof Wilhelm Egon von Strassburg belehnt Johann Jakob von Berstett, mit dem halben - Teil an Berstett und Olvisheim und an Nieffern. Orig. Perg. 227

1692 Juni 10. Strassburg. Nikolaus Le Laboureur, Propst und Kapitularkanonikus zu Alt-St, Peter in Strassburg, - belehnt Jakob Adam von Berstett für sich und seine Brüder mit zwei Zweiteln Felds zu Berstett, mit einem Geren und einer halben Hub ebenda. Orig. Perg. 228

1701 Dez. 26. Jakob Adam von Berstett verpachtet an Klaus Dieringer auf 6 Jahre 83'/, Acker Felds samt einem Zweiteil Felds und einem genannten Garten, ferner zwei Acker und ein Zweiteil Reben zu Berstett unter näher bezeichneten Bedingungen. Orig. Pap. Libell. 229

1704 Jan. 9. Strassburg. Adam North, Bürger zu Berstett, überlässt dem Jakob Urban, Bürger zu Hürtigheim, einen Acker Felds in dem kleinen Feld und ı Zweitel Felds im Hohen Berzenfeld gegen einen Acker Felds im Steigenfeld, !/ Zweitel Matten in den Haubtbahren Matten, im Berstetter Banne, und 50 Gulden baren Geldes. Not.instr. Orig. Perg. ı S. 230

1710 Jan. 28. Berstett. Adam North, Bürger zu Berstett, verpflichtet sich vor Notar und Zeugen, auch im Namen seirer Gattin Gertrud Littin und seiner Erben, eine Jakob Adam von Berstett rückständige, von beiden Kontrahenten vierteljährig künd- bare Fruchtgülte im Werte von 35 fl. 9 8 6 Pfennige von !/, Acker Felds in der Stephans Gepreuth, im Mittelfeld im Berstetter Banne gelegen, bis zur völligen Schuldtilgung jährlich mit 5 Proz. zu verzinsen und setzt genanntes Grundstück zum Uhnterpfand. Not.instr. Orig. Pap. S. 231

1710 Mai 6. Berstett. Adam North, Bürger zu Berstett, verpflichtet sich vor Notar und Zeugen, auch im Namen seiner Gattin Gertrud Littin und seiner Erben, ein Jakob Adam von

m38 Frankhauser.

Berstett, als Vormund der Geschwister Jakob Friedrich und Maria Esther von Weitersheim, schuldiges, von beiden Kontra- henten vierteljährlich kündbares Kapital von ı6 fl. 5 ß bis zur völligen Schuldentilgung mit 8 8 3 Pfennigen jährlich von '/g Acker Felds, im Mittelfeld in der Stephans Gepreuth im Berstetter Banne gelegen, zu verzinsen und setzt genanntes Grundstück zum Unter- pfand. Not.instr. Orig. Pap. S. 232 1710 Okt. 2. Berstett. Kollokations- und Ausweisungsbrief, dass diejenigen Acker zu Berstett, welche Maria Charlottina und Wilhelmina Dorothea von Weitersheim von Andreas Schwebel zu Berstett um 85 fl. verpfändet gewesen, nachdem Jakob Adam von Berstett als Tutor der genannten Fräulein obiges Kapital samt Zinsen refundiert und anderweitig angelegt, nunmehr dem genannten Jakob Adam zu eigen zugehören. Orig. Perg. S. 233 1716 Nov. 10. Elsass-Zabern. Bischof Armand Gaston von Strassburg, röm. Kardinal, belehnt Jakob Adam und Philipp Jakob von Berstett mit dem halben Teil an den Dörfern Berstett und Olvisheim und dem halben Teil an Nieffern. Orig. Perg. 254

1728 Febr. 7. Strassburg. Leopold Philipp von Dettlingen tauscht seinen in den Bännen von Berstett, Weiersheim, Nieffern und Olvisheim gelegenen Grundbesitz ein gegen den seinem Bruder Friedrich Ferdinand von Dettlingen gehörigen Grund- besitz zu Gerstheim und Osthausen. Orig. Pap. Libell. 2 S. | 255

1728 Dez. 7. Berstett. Joh. Melchior Schmidt aus Strassburg,

jur. u. Dr., verpachtet an den Major Jakob Adam von Berstett genannte Matten zu Berstett auf 9 Jahre um einen jährlichen Zins von ı6 fl. Orig. Pap. 2 S. 230 1734 Aug. 28. Strassburg. Agathea Dorothea von Dett- lingen geb. Wurmser von Vendenheim, Witwe, verpachtet auf 9 Jahre ihr von Frau von Löw neu erkauftes Gültgut zu Berstett an Hans Holl und Martin Düringer gegen eine jährliche Gült von 7 Viertel und 3 Sester Weizen und 7 Viertel und 3 Sester Roggen. Orig. Pap. S. 237 1739 April 16. Berstett. Hans Diebold, Bürger und Ge- richtsmann zu Berstett, beurkundet zum Protokoll des Dorfes Berstett, dass im Jahre 1733 Diebold Freyß, um seinem Sohne Niklaus Freyß zum Bürgerrecht in Frankfurt zu verhelfen, seinem Tochtermann Hans Strub ein Zweiteil Felds in Berstett verkauft habe um 26 fi, von denen 16 fl. an den Berstetter Heiligen bezahlt, die übrigen 10 fl. nach Frankfurt geschickt wurden. Orig. Perg. 238 1739 Juni 4. Strassburg. Johannes Le Laboureur, Priester, Propst und Kapitularkanonikus zu Alt-St. Peter in Strassburg, belehnt Jakob Adam von Berstett und seine Brüder mit zwei Zweiteln Felds in Berstett, mit einem Geren und einer halben Hub. Orig. Perg. S. 239

Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. m39

1740 Juni 10. Strassburg. Johann Karl de Boisgautier, Propst und Kapitularkanonikus von Alt-St. Peter in Strassburg, belehnt Jakob Adam von Berstett mit zwei Zweiteln Felds in dem Banne von Berstett, ferner mit einem Geren und einer halben Hub. Orig. Perg. S. ab. 240

1742 Juli 26. Nikolaus Payen de Montmor, Propst des Kollegiatstifts Alt-St. Peter zu Strassburg, belehnt Jakob Adam von Berstett mit zwei Zweiteln Felds zu Berstett und einer halben Hub ebenda. Orig. Pap. S. 241

1742 Dez. 20. Berstett. Philipp Reinhard von Berstett verpachtet an Klaus Grad von Olvisheim auf 9 Jahre alle zum Schloss zu Berstett gehörigen Güter unter genannten Bedingungen. Orig. Not.instr. | 242

1742 Dez. 24. Strassburg. Johann Melchior Schmidt aus Strassburg, jur. u. Dr., verpachtet an Philipp Reinhard von Berstett genannte Matten zu Berstett auf 10 Jahre gegen einen jährlichen Zins von 20 fl. Orig. Pap. 2 S. 243

1745 Dez. 15. Strassburg. Heinrica Eleonora v. Berck- heim zu Buchsweiler verpachtet an Antoni Doßmann zu Berstett ihr Gültgut zu Berstett unter genannten Bedingungen gegen eine Gült von je 4 Viertel und 2 Sestern Weizen und Korn. Orig. Pap. 244

1746 Juli 28. Strassburg. Wolfgang Böckel von Böcklinsau und der Oberkornherr des Kornspeichers der Stadt Strassburg verpachten das Wolfgang Böckel und der Stadt Strassburg ge- meinschaftlich zugehörenden Gültgut zu Berstett an Hans Die- boldt, Fiskal, und Hans Eberhard, Bürger zu Berstett, auf 9 Jahre gegen eine Gült von 8 Viertel halb Weizen, halb Roggen. Orig. Pap. 245

1748 April 18. Berstett. Schuldschein des Hans Lütt, Ackersmann zu Berstett, gegen Philipp Reinhard von Berstett über 30 fl. Orig. Pap. 246

1748 Sept. 18. Strassburg. Nikolaus Payen de Montmor, Propst zu Alt-St. Peter zu Strassburg, belehnt Philipp Reinhard von Berstett mit zwei Zweiteln Felds und einer halben Hub zu Berstett. Orig. Pap. S. | "247

1750 Okt. 30. Strassburg. Wilhelm Jakob von Berstett verpachtet an Nikolaus Grad zu Berstett auf 10 Jahre seine Hälfte an dem sogenannten kleinen Briel gegen einen jährlichen Zins von 30 f. 2 Orig. Pap. 248

1750 Nov. 6. Berstett. Philipp Reinhard von Berstett ver- pachtet an Niklaus Grad zu Berstett sein Gut zu Berstett, be- stehend in 80 Ackern, seinem halben Anteil an der kleinen Brielmatte nebst Behausung und Gärtlein und dem Gras und Baumgenuss des Weihergartens, auf 10 Jahre gegen eine jähr- liche Pacht von 50 Viertel Weizen, 10o Viertel Roggen, 40 @ gehechelten Hanf, ein halb Sester Maagsamen und ein halb Sester Hanfsamen und genannte Verpflichtungen. Orig. Pap. 249

m40 Frankhauser.

1753 Aug. 22. Strassburg. Joh. Daniel Schmidt, jur. u, Li, verpachtet an Philipp Reinhard von Berstett genannte Matten zu Berstett auf 10 Jahre gegen einen jährlichen Zins von 20 f, Orig. Pap. 2 S. 250

1754 Jan. 29. Strassburg. Friedrich Ferdinand von Dett- lingen und seine Ehefrau Marianne Dorothea Katharina, verbei- standet durch ihren Bruder Friedrich Karl Okahane von Bolsen- heim, verkaufen an Freiherr Ferdinand von Menshengen, pfäl. Geh. Rat, und dessen Ehefrau Luise Magdalena geb. von Dett lingen, vertreten durch ihren Mandatar Christian Philipp von Kirchheim, drei und einen halben neunten Teil an der Her- schaft Berstett und drei sechste Teile an Dorf und Herrschaft Olvisheim um 4500 fl. Orig. Perg. 4 Bl. 251

1754 Okt. 5 u. 8. PBuchsweiler u. Strassburg. Eleonore Henrietta von Berckheim, Witwe, verpachtet an Diebold Zimmer zu Berstett ihre zu Berstett, Eckwersheim und Ölvisheim ge legenen Felder und Wiesen auf 9 Jahre unter genannten Be- dingungen gegen eine jährliche Gült von 8 Viertel, 4 Sester halb Weizen, halb Roggen. 2 Orig. Pap. 252

1756 Aug. 12. Strassburg. Philipp Reinhard von Berstelt und der Oberkornherr der Stadt Strassburg verpachten das zwischen der Familie Berstett und der Stadt Strassburg gemeinschaftliche Gültgut zu Berstett an Dieboldts Dieboldten und Veltins Michel zu Berstett auf 9 Jahre gegen eine jährliche Gült von 8 Vierte halb Weizen, halb Roggen. Orig. Pap. 259

1756 Okt. 6. Berstett. Philipp Reinhard von Berstett ver pachtet an Michels Michel und Michels Veltin, Gebrüder zu Berstett, eine Mannsmatte und sechs Schlagmatten zu Berstell auf 6 Jahre gegen eine jährliche Pacht von 20 fl. Orig. Pap.

254

1760 März 4. Joseph Ferdinand von Kirchheim, Kapitán im Regiment Royal allemand, verkauft an Joseph Andreas Y0 Gail, Stättmeister zu Strassburg, seinen Anteil an den Her schaften Berstett und Olvisheim um 1800 livres tournois. Orig Perg. 255

1762 Okt. 4. Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an Michel Eberhard zu Venden- heim auf 6 Jahre lang die sogenannte Waldmatte zu Berstell gegen einen jährlichen Zins von 33 fl. Orig. Pap. 25

1763 Jan. 20. Berstett. Jakob Schönenberger, Bürger Bäcker zu Berstett, verkauft an Philipp Reinhard von Berstel eine Matte ebenda um 36 fl. Orig. Perg. 251

1763 Mai 20. Strassburg. Johann Michael Meigers, Bleicher zu Strassburg, Erben verpachten an Wilhelm Jakob von Berstett genannte Matten zu Berstett auf 6 Jahre gegen einen jährlichen Zins von 18 fl. Orig. Pap. 23

1765 Nov, 5/6. Strassburg. Philipp Reinhard von P verpachtet an Diebold Zimmer auf g Jahre seine Felder,

ersteil Äcker

Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. m41I

ınd Wiesen zu Berstett, Eckwersheim und ÖOlvisheim unter ge- aannten Bedingungen gegen eine jährliche Gült von 8 Viertel, 4 Sester halb Hafer, halb Weizen. 2 Orig. Pap. 259 ı765 Nov. 30. Strassburg. Philipp Reinhard von Berstett, Kapitän im Regiment Picardie, und der Oberkornherr der Stadt Strassburg verpachten das zwischen der Stadt und Philipp Rein- hard gemeinschaftliche Gültgut zu Berstett an Diebolds Diebold und Michels Veltin auf 9 Jahre gegen eine jährliche Gült von 8 Viertel halb Weizen, halb Roggen. Orig. Pap. 260 1769 Juni 16. Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an Georg Pfrimmer, Ohlmann, und Hans Pfrimmer, Küfer zu Eckwersheim, auf g Jahre die sogenannte Waldmatte im Berstetter Bann gegen eine jährliche - Pacht von 36 fl. Orig. Pap. 261 1771 Jan. 12. Strassburg. Eleonore Wilhelm Mackau von Hürtigheim, Propst von Alt-St. Peter zu Strassburg, belehnt Philipp Reinhard von Berstett für sich und seinen Sohn Philipp Jakob Reinhard, sowie seinen Bruder Wilhelm Jakob mit zwei Zweiteln Felds und einer halben Hub zu Berstett. Orig. Pap. S. 262 1772 Juni 30. Zabern. Bischof Ludwig Konstantin zu Strassburg, röm. Kardinal, belehnt Philipp Reinhard von Berstett p für sich und Wilhelm Jakob von Berstett mit dem halben Teil an den Dörfern Berstett und Olvisheim und Nieffern. Orig. Perg. | 263

1772 Nov. 19. Berstett. Löw und David Levy, Gebrüder,

von Scherweiler und Jakob Salomon von Oberehnheim verkaufen steigerungsweise an Philipp Jakob Reinhard von Berstett den 4. Teil der sogenannten Hefßmatte zu Berstett um 250 fl. Orig. extr. 204 1773 Nov. 6. Strassburg. Philipp Reinhard von Berstett, Kapitän im Regiment Picardie, und die Oberkornherren der Stadt Strassburg verpachten an Diebolds Diebold und Michels Velten zu Berstett das der Stadt Strassburg und Philipp Rein- hard gemeinsam gehörige Gültgut zu Berstett auf o Jahre gegen eine Gült von 8 Vierteln halb Weizen halb Roggen. Orig. Pap. 205

1774 Jan. 14. Strassburg. Jakob Philipp Reinhard von Berstett verpachtet an Diebold Zimmer zu Berstett auf 9 Jahre lang ein von letzterem schon bisher bebautes Gültgut zu Berstett gegen eine jährliche Gült von ı8 Vierteln halb Weizen und halb Korn unter genannten Bedingungen. 3 Orig. Pap. 266 1774 Okt. 19. Philipp Jakob Reinhard von Berstett ver- pachtet an Adam Frayß und Diebold Zimmer zu Berstett 11 und 3 Viertel Acker zu Berstett und Nieffern auf Jahre gegen eine Gült von 6 Viertel Weizen. Orig. Pap. (Formular). 267 ı780 Mai 9. Strassburg. Schuldschein des Johann Ritter, Zimmermann zu Berstett, und seiner Hausfrau Brigitta Hamm gegen Philipp Jakob Bischoff d. j., Holzhändler zu Strassburg,

w42 Frankhauser.

über 372 fl. & Z unter Bürgschaft seines Vaters Hans Ritter, Ackersmann zu Holzheim. Kop. Pap. 208

17,80 Mai 24. Strassburg. Philipp Reinhard von Berstett verpachtet an Christina Oltz geb. Erhard und deren Sohn Johannes Oltz zu Vendenheim die sogenannte \Waldmatte im Berstetter Wald auf 15 Jahre lang gegen eine jährliche Pacht von 52 fl. Orig. Pap. 269

17581 Mai 5. Strassburg. Freiherr von Schacht, Reise- marschall und Musikintendant des Fürsten von Thurn und Taxis zu Regensburg, vertreten durch Ignatius Ellepauer, Kammerdiener desselben Fürsten, verkauft an Philipp Jakob Reinhard von Berstett und dessen Gemahlin Karoline Christiane Leopoldine von Dettlingen seinen Anteil an den Herrschaften Berstett und Olvisheim um 9600 livres. Orig. Perg. 270

1751 Mai 25. Strassburg. Philipp Reinhard von Berstett verpachtet an Georg Riehl zu Berstett sein Gut zu Berstett, bestehend in So Ackern, ferner dem halben Anteil an der Briel- matte, Haus und Gärtlein zu B. nebst dem Gras- und Baum- genuss aus dem kleinen Weihergarten, auf ġo Jahre gegen eine Gült von 50 Viertel Weizen, 10 Viertel Roggen und go & Hanf und genannte Naturalleistungen. Orig. Pap. Libell. 27i

1751 Dez. 31. Protokoll über die Versteigerung zweier Häuser zu Strassburg in der Jungferngasse, ferner von ?,; an ?/ oder von 5/,, an dem !,, der Herrschaft Berstett und von ?/; an Tiig von l; der Herrschaft Olvisheim, zur Verlassenschaft der Sidonie Dorothea von Kirchheim gehörig, bei der ein gewisser Bronner die beiden Häuser für Michel Leon Haurard und die Anteile an der Herrschaft für Philipp Jakob Reinhard von Berstett ersteigerte. Orig. Perg. Libell. 272

1752 Jan. 5. Strassburg. Johann Franz Hüffel, Propst des Stifts Alt-St. Peter zu Strassburg, belehnt Philipp Jakob Reinhard von Berstett zugleich als Träger für Wilhelm Ludwig Leopold Reinhard, seinen Sohn, mit zwei Zweiteln Felds und einer halben Hub zu Berstett. Orig. Pap. S. 275

1782 März ı4. Vor dem Schultheissen zu Berstett verkauft Jakob Philipp Ernst, Schneider zu Berstett, an Jakob Reinhard von Berstett einen’ halben Acker Felds zu Berstett um 40 fl. Orig. Perg. S. 274

1783 April 4. Philipp Jakob Reinhard von Berstett ver- pachtet an Valentin Eberhard, Bürger zu Berstett, auf g Jahre ein Gültgut zu Berstett, bestehend in 26 Ackern gegen eine Gülte von ıo Viertel Weizen und einem Acker Rüben. Orig. Pap. (Formular). 275

1783 April 4. Strassburg. Philipp Jakob Reinhard von Berstett verpachtet an Michel Velten zu Berstett ein Gültgütel zu Berstett, bestehend in drei Zweiteln Felds, auf g Jahre gegen eine Gült von 2 Sester Weizen und 4 Sester Korn. Orig. Pap. (Formular). 276

Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. m43

1783 April 4. Strassburg. Philipp Jakob Reinhard von Berstett verpachtet an Adam Freis d. j. auf Jahre ein Gültgut zu Berstett und Olvisheim, bestehend in gi/g Acker gegen eine Gült von drei Vierteln Weizen und ein Viertel Korn. Orig. Pap. (Formular). 277

1783 April 4. Strassburg. Philipp Jakob von Berstett ver- pachtet an Michael Schott zu Berstett !/; an dem sogen. Dr. Marx Otto Gut zu Berstett, bestehend in ı8'/,;, Ackern für 9 Jahre gegen eine Gült von 8 Viertel Weizen und ı Acker Klee. Orig. Pap. (Formular). 278

1783 April 9. Strassburg. Philipp Jakob Reinhard. von Berstett verpachtet an Veltin Michel, Veltin Diemer und Johannes Schönenberger zu Berstett zwei Gültgüter zu Berstett, das eine von 56 Ackern, das andere von ı4 Ackern und ı Zweiteil auf Q Jahre gegen eine Gült von 25 Vierteln Weizen und drei Acker Klee. Orig. Pap. (Formular). 279

1785 Okt. 27. Olvisheim. Steigprotokoll über ein zu Feld ausgestocktes und in verschiedene Lose eingeteiltes Stück des Berstetter Waldes, Philipp Reinhard von Berstett gehörig. Orig. Pap. 280

1786 Jan. 4. Strassburg. Joseph Andreas von Gail und seine Hausfrau Maria Anna Klara gebor. von Dettlingen ver- kaufen an Philipp Jakob Reinhard von Berstett ihren Anteil an den Herrschaften Berstett und ÖOlvisheim für den Preis von 7200 livres und 200 livres Nadelgeld. Orig. Perg. 281

1787 April 24. Berstett. Philipp Jakob Reinhard von Ber- stett verpachtet an Andreas Anstett und Michel Zimmer zu Berstett 118/4 Acker zu Berstett und Nieffern auf 9 Jahre gegen eine jährliche Gült von 6 Viertel Weizen. Orig. Pap. (Formular).

282

1787 April 24. Berstett. Philipp Jakob Reinhard von Berstett verpachtet an Diebolds Diebold und Michel Velten zu Berstett auf o Jahre. ein Gültgut zu Berstett bestehend aus ıı Ackern und einem Vierzel, darstellend den Berstettischen Anteil an dem früher mit Strassburg gemeinsamen Gültgut, gegen eine Gült von 2 Viertel 3 Sester Weizen und ı Viertel, 3 Sester Korn. Orig. Pap. (Formular), 283

3. Bischheim (Kreis Strassburg-Land).

1753 Nov. 14. Maria Magdalena Zimmer, des Adlerwirts Hans Georg Erhard zu Hönheim Witwe, verbeistandet durch den Dorfboten zu Bischheim Johann Peter Mettler, verkauft an den Metzger Lorenz Stahl zu Bischheim fünf und eine Quart Vierzel Felds am Salzweg zu Bischheim um 5300 fl. Orig. Perg.

284

m44 Frankhauser.

4. Bischofsheim (Kreis Molsheim).

1541 Juni 7. Vor dem strassburger Hofrichter bekennt Johannes genannt Burhanns von Bischofsheim bei Rosheim, dass er von Jakob von Dettlingen eine genannte Hofstatt zu Bischofs- heim als Erblehen empfangen habe für einen jährlichen Zins von ı6 ß Pfennigen, ablösbar mit 16 fl strassburger Pfennigen. Orig. Perg. 285

1582 Febr. ı u. Mai 18. Vor dem strassburg. Hofrichter pachten Paulus Schin und Hans Stoltz von Bischheim bei Ros- heim auf 9 Jahre das Hans Jakob von Eckwersheim gehörige Gültgut zu Bischheim für ı2 Viertel halb Roggen, halb Gerste und 4 Kappen jährlichen Zinses. Orig. Perg. 286

1637 Juni 5. Jeörg Rehin aus Bischofsheim verkauft vor Schultheiss, Heimburger und Gericht des Ortes an Wolf Georg von Landsberg ein Viertzall Baumstück für 8 fl. Orig. Perg. 287

5. Bitschhofen (Kreis Hagenau).

1481 Aug. 20. Smassmann Herr zu Rappoltstein usw., als Vormund der Gebrüder Glude Hans und Heinrich Grafen von Fels und Lützelstein, belehnt Garsilius, Hug Jörg und Michel von Berstett mit dem Dinghof zu Bitschhofen. Orig. Perg. 288

1488 Sept. 23. Wilhelm Herr zu Rappoltstein usw., für sich, seinen Bruder Smassmann und seinen Vetter Brun belehnt Hugo von Berstett, für sich und als Träger des Garsilius, Jörgs und Michels von Berstett mit dem Dinghof zu Bitschhofen, tut 52 Viertel Haberngelds. Orig. Perg. 289

1508 Aug. ı. Smassmann Herr zu Rappoltstein usw., für sich und seine Vettern Bruno und Wilhelm belehnt Hugo von Berstett, zugleich als Träger Jörgs und Michels von Berstett mit dem Dinghof zu Bitschhofen. Orig. Perg. 290

1519 Jan. 3. Wilhelm Herr zu Rappoltstein usw., kaiserl. Hofmeister, oberster Hauptmann und Landvogt im Elsass, belehnt Hug von Berstett mit dem Dinghof zu Bitschhofen. Orig. Perg.

2g1

1528 Juni 30. Wilhelm Herr zu Rappoltstein usw., be- lehnt Adam von Berstett mit dem Dinghof zu Bitschhofen. Orig. Perg. 297

1573 Juli 13. Gemar. FEgenolf Herr zu Rappoltstein usw., belehnt Ernst und Adam von Berstett mit dem Dinghof zu Bitsch- hofen. Orig. Perg. 293

1551 Febr. 5. Egenolf Herr zu Rappoltstein usw., belehnt Adam von Berstett mit dem Dinghof zu Bitschhofen. Orig. Perg.

294

1591 Juni 25. Eberhard Herr zu Rappoltstein usw., be- lehnt Ernst und Adam von Berstett mit dem Dinghof zu Bitsch- hofen. Orig. Perg. 295

Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. m45

1600 Juni 15. Johann Jakob Herr zu Rappoltstein usw., belehnt Johann Jakob von Berstett mit dem Lehen »Dinghof zu Bitschhofen«, bringt 52 Viertel Habergelts. Orig. Perg. 296

1770 Febr. ı9. Rappoltsweiler. Pfalzgraf Christian IV. von Birkenfeld als Mitherr der Grafschaft Rappoltstein und Vor- mund der Pfalzgrafen Karl August und Maximilian belehnt Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett mit dem Dinghof zu Bitschhofen, »thut 52 Viertel Habern Gelds«. Orig. Perg. 297

1782 Dez. 27. Rappoltsweiler. Pfalzgraf Maximilian von Zweibrücken für sich und seinen Bruder, Herzog Karl von Zwei- brücken, belehnt Philipp Jakob Reinhard von Berstett mit dem Dinghof zu Bitschhofen. Orig. Perg. 298

6. Bodersweier (Amt Kehl).

1753 Sept. 18. Buchsweiler. Erbprinz Ludwig von Hessen- Darmstadt belehnt Leopold Samson von Rathsamhausen von der Herrschaft Lichtenberg wegen mit dem Hubhof zu Bodersweier genannt Liebenzeller Hof. Orig.. Perg. S. 299

1802 Okt. 13. Darmstadt. Landgraf Ludwig X. von Hessen- Darmstadt verleiht dem hessischen Geheimen Rat und Regierungs- präsidenten Ludwig Samson von Rathsamhausen das nach Ab- leben seines Bruders Karl Christian Friedrich Siegfried Leopold von Rathsamhausen ledig gewordene Lehen »Hubhof oder Lieben- zellerhof«e zu Bodersweier. Orig. Perg. S. ab. 300

1824 Mai 28. Karlsruhe. Grossherzog Ludwig I. von Baden belehnt den Staatsminister Wilhelm Ludwig Leopold Reinhard von Berstett mit dem Hubhof zu Bodersweier, Lieben- zeller Hof genannt. Orig. Perg. S, 301

1832 Jan. 27. Karlsruhe. Grossherzog Leopold von Baden belehnt den Staatsminister von Berstett mit dem vormals von Rathsamhausenschen Lehen, dem Hubhof zu Bodersweier der Liebenzeller Hof genannt. Orig. Pap. S. 302

1838 Sept. 23. Karlsruhe. Grossherzog Leopold von Baden belehnt den Freiherrn Karl Adam Reinhard von Berstett mit dem sogenannten Liebenzeller Hof zu Bodersweier. Orig. Pap. S.

303

1853 Nov. 26. Karlsruhe. Grossherzog Friedrich I. von Baden belehnt den Freiherrn Karl Adrian Reinhard von Berstett mit dem Liebenzeller Hof zu Bodersweier. Orig. Pap. S. 304

1869 Juni 3. Karlsruhe. Grossherzog Friedrich I. von Baden beurkundet die Allodifikation des der freiherrl. Familie von Berstett gehörigen Lehens »der Liebenzeller Hof oder Hubertsgut zu Bodersweier«, nach Bezahlung der auf 468 fl. 10 kr. festgesetzten Abkaufssumme. Orig. Pap. S. 05

m46 Frankhauser.

7. Bollschweil (Amt Staufen).

1317 Mai ı6. Guntram, Bürger zu Freiburg, bekennt, dass er auf seinem Hofe zu Bollschweil, da er sein Silber wirkt, ohne besondere Erlaubnis der Herrn Schnewlin gen. Bernlappe »weder floß, leth, noch Kupfer gebrennen« soll, Siegler: Cunrad Dietrich und Cunzin Snewelin, sowie Gross Volmar von Munzingen. Kop. Pap. 306

1850. Zehntablösungsvertrag, abgeschlossen zwischen dem Grossh. Badischen Domänenärar und den Besitzern der sieben Bollschweiler Höfe. Kop. Pap. 307

8. Boofzheim (Kreis Erstein).

1491 März 24. Antony von Ramstein reversiert Graf Hein- rich von Zweibrücken - Bitsch - Ochsenstein, dass er innerhalb eines halben Jahres nach beschehener Mahnung die 5 fl. jähr- lichen Zinses, die er auf sein Lehen zu Boofzheim um ıoo fl. verkauft hat, wieder zurücklösen werde; doch darf die Mahnung frühestens nach 5 Jahren erfolgen. Orig. Perg. 308

9. Brumat (Kreis Strassburg-Land).

1644 Dez. 2. Hans Reinhard Voltz von Altenau, der Meister, und Rat von Strassburg, beurkunden, dass nach Ausweis der Registranda des verstorbenen Notars Hilarius Meyer 1636 April 5 Christina, weiland Simons Mathyßen zu Rumersheim Wittib, mit Beistand ihres Sohnes Adam Mathißen an Andres Heckher zu Berstett eine halbe Messmatte im Brumater Bann um ı7 @ Pfennige verkauft hat. Orig. Perg. 309

10. Buchheim (Amt Freiburg).

1844 Juli ı9. Karlsruhe. Grossherzog Leopold von Baden belehnt Freiherrn Adrian von Berstett mit dem Lehen Buchheim und Hochdorf, bestehend aus ı. Lehenkapitalien, 2. genannten Berechtigungen, Gülten und Zinsen zu Buchheim, Hochdorf, Benz- hausen, Weilersbach und Kirchzarten, 3. Grundstücken zu Buch- heim, Haslach, Mördingen und Kirchzarten. Orig. Pap. S. 310

1854 Juni 14. Karlsruhe. Grossherzog Friedrich von Baden belehnt den Freiherrn Adrian von Berstett mit dem Lehen »Buclı- heim und Hochdorf, bestehend in Liegenschaften auf den Ge- markungen Buchheim, Burg, Merdingen, Haslach, Ettenheim, Kippenheim, mit genannten Rechten und Gefällen und Lehen- kapitalien. Orig. Pap. S. 311

1856 Nov. ı7. Vertrag, abgeschlossen zwischen der Grund- herrschaft von Andlaw-Birseck und dem Freiherrn von Berstett einerseits und der Gemeinde und dem Stiftungsvorstand zu Buch- heim anderseits, die Ablösung der Kirchen- und Pfarrhausbau- lasten betr. Orig. Pap. S. 312

Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. m47

1868 Juli ọ. Karlsruhe. Grossherzog Friedrich I. von Baden hebt den ‘Lehensverband für das von Berstettsche Lehen »Buchheim und Hochdorf« auf, gegen Festsetzung der Abkaufs- summe auf 1153 fl. 28 Kr. Kop. Pap. 313

ı1. Buchholz (Amt Waldkirch‘.

1832 Jan. 27. Karlsruhe. Grossherzog Leopold von Baden belehnt den Staatsminister Ludwig Leopold Reinhard von Berstett mit dem vormals von lleinbrodschen Lehen, bestehend in der Grundherrschaft Buchholz nebst Zubehör. Orig. Pap. S. 314

1834 Dez. 30. Karlsruhe. Grossherzog Leopold von Baden gestattet dem Staatsminister Freiherrn von Berstett, die Grund- herrschaft Buchholz unter gewissen Vorbehalten und unter Be- stimmung einer Gebühr von 10 Prozent zu allodifizieren. Orig. Pap. S. 315

ı2. Dachstein (Kreis Molsheim).

1535 April 30. Vor dem strassburg. Hofgericht bekennt Wolfgangus de Wyler in Dachstein, dass er von Michael Huse, Seifensieder zu Strassburg, dessen Güter zu Dachstein zu einem rechten Erbe empfangen habe gegen einen Zins von Io ß Pfennigen. Orig. Perg. S. 3106

13. Dingsheim (Kreis Strassburg-Land).

158:1 März 7. Vor dem strassburger Hofrichter verkauft Jakob Diebold von Quatzenheim seinem Bannherren Pankratz von Landsberg einen Gulden jährlichen Zinses von einem Zweiteil Felds zu Dingsheim bei Griesheim, fällig auf Martini, um 20 fl. strassburg. Orig. Perg. 317

14. Dorlisheim (Kreis Molsheim).

1353 Nov. 26. Rodel der dem Ritter Wirich von Berstett in seinen Dinghof zu Dorlisheim fallenden Weinzinse. Orig. Perg. 318

15. Eckartsweiler (Kreis Zabern).

1371. Erneuerung der der Familie Fässler [von Zabern] zustehenden Wein-, Geld- und Kappenzinse zu Eckartsweiler. Perg. Rodel. | 319

1416 Febr. 28. Margarete zu der Weitenmühl, Meisterin, und der Konvent von St. Johann bei Zabern verkaufen die 3!/. Viertel Roggen- und die drei Viertel Haberngelds ewiger Zinse, die ihnen zustanden von allen zu Eckartsweiler liegenden Gütern der Gebrüder Hans und Götzemann Fässler [von Zabern], ferner 3 p strassburg. Pfenniggelts, die ihnen Kurin von Eckarts- weiler von etlichen derselben Güter gegeben hat, an die ge-

m38 Frankhauser.

Berstett, als Vormund der Geschwister Jakob Friedrich uad Maria Esther von Weitersheim, schuldiges, von beiden Kontra- -henten vierteljährlich kündbares Kapital von 16 fl. 5 ĝ bis zur völligen Schuldentilgung mit 8 $ 3 Pfennigen jährlich von '/ Acker Felds, im Mittelfeld in der Stephans Gepreuth im Berstetter Banne gelegen, zu verzinsen und setzt genanntes Grundstück zum Unter- pfand. KNot.nstr. Orig. Pap. S. 232 1710 Okt. 2. Berstett. Kollokations- und Ausweisungsbrief,

dass diejenigen Äcker zu Berstett, welche Maria Charlottina und Wilhelmina Dorothea von Weitersheim von Andreas Schwebel zu Berstett um 85 fl. verpfändet gewesen, nachdem Jakob Adam von Berstett als Tutor der genannten Fräulein obiges Kapital samt Zinsen refundiert und anderweitig angelegt, nunmehr dem genannten Jakob Adam zu eigen zugehören. Orig. Perg. S. 233 1716 Nov. ı0. Eilsass-Zabern. Bischof Armand Gaston

von Strassburg, röm. Kardinal, belehnt Jakob Adam und Philipp Jakob von Berstett mit dem halben Teil an den Dörfern Berstett und Olvisheim und dem halben Teil an Nieffern. Orig. Perg. 254

1728 Febr. 7. Strassburg. Leopold Philipp von Dettlingen tauscht seinen in den Bännen von Berstett, Weiersheim, Nieffern und Olvisheim gelegenen Grundbesitz ein gegen den seinem Bruder Friedrich Ferdinand von Dettlingen gehörigen Grund- besitz zu Gerstheim und ÖOsthausen. Orig. Pap. Libell. 2 S. | 255

1728 Dez. 7. Berstett. Joh. Melchior Schmidt aus Strassburg,

jur. u. Dr., verpachtet an den Major Jakob Adam von Berstett genannte Matten zu Berstett auf 9 Jahre um einen jährlichen Zins von 16 fl. Orig. Pap. 2 S. 230 1734 Aug. 28. Strassburg. Agathea Dorothea von Dett- lingen geb. Wurmser von Vendenheim, Witwe, verpachtet auf 9 Jahre ihr von Frau von Löw neu erkauftes Gültgut zu Berstett an Hans Holl und Martin Düringer gegen eine jährliche Gült von 7 Viertel und 3 Sester Weizen und 7 Viertel und 3 Sester Roggen. Orig. Pap. S. 237 1739 April 16. Berstett. Hans Diebold, Bürger und Ge- richtsmann zu Berstett, beurkundet zum Protokoll des Dorfes Berstett, dass im Jahre 1733 Diebold Freyß, um seinem Sohne Niklaus Freyß zum Bürgerrecht in Frankfurt zu verhelfen, seinen Tochtermann Hans Strub ein Zweiteil Felds in Berstett verkauft habe um 26 fl, von denen ı6 fl. an den Bersteiter Heiligen bezahlt, die übrigen 10 fl. nach Frankfurt geschickt wurden. Orig. Perg. 238 1739 Juni 4. Strassburg. Johannes Le Laboureur, Priester, Propst und Kapitularkanonikus zu Alt-St,. Peter in Strassburg, belehnt Jakob Adam von Berstett und seine Brüder mit zwei Zweiteln Felds in Berstett, mit einem Geren und einer halben Hub. Orig. Perg. S. 2390

Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. m39

1740 Juni 10. Strassburg. Johann Karl de Boisgautier, Propst und Kapitularkanonikus von Alt-St. Peter in Strassburg, belehnt Jakob Adam von Berstett mit zwei Zweiteln Felds in dem Banne von Berstett, ferner mit einem Geren und einer halben Hub. Orig. Perg. S. ab. 240

1742 Juli 26. Nikolaus Payen de Montmor, Propst des Kollegiatstifts Alt-St, Peter zu Strassburg, belehnt Jakob Adam von Berstett mit zwei Zweiteln Feids zu Berstett und einer halben Hub ebenda. Orig. Pap. S. 241

1742 Dez. 20. Berstett. Philipp Reinhard von Berstett verpachtet an Klaus Grad von Olvisheim auf 9 Jahre alle zum Schloss zu Berstett gehörigen Güter unter genannten Bedingungen. Orig. Not.instr. i 242

1742 Dez. 24. Strassburg. Johann Melchior Schmidt aus Strassburg, jur. u. Dr., verpachtet an Philipp Reinhard von Berstett genannte Matten zu Berstett auf 10 Jahre gegen einen jährlichen Zins von 20 fl. Orig. Pap. 2 S. 243

1745 Dez. 15. Strassburg. Heinrica Eleonora v. Berck- heim zu Buchsweiler verpachtet an Antoni Doßmann zu Berstett ihr Gültgut zu Berstett unter genannten Bedingungen gegen eine Gült von je 4 Viertel und 2 Sestern Weizen und Korn. Orig. Pap. 244

1746 Juli 28. Strassburg. Wolfgang Böckel von Böcklinsau und der Oberkornherr des Kornspeichers der Stadt Strassburg verpachten das Wolfgang Böckel und der Stadt Strassburg ge- meinschaftlich zugehörenden Gültgut zu Berstett an Hans Die- boldt, Fiskal, und Hans Eberhard, Bürger zu Berstett, auf g Jahre gegen eine Gült von 8 Viertel halb Weizen, halb Roggen. Orig. Pap. 245

1748 April ı8. Berstett. Schuldschein des Hans Lütt, Ackersmann zu Berstett, gegen Philipp Reinhard von Berstett über 30 fl. Orig. Pap. 246

1748 Sept. 18. Strassburg. Nikolaus Payen de Montmor, Propst zu Alt-St. Peter zu Strassburg, belehnt Philipp Reinhard von Berstett mit zwei Zweiteln Felds und einer halben Hub zu Berstett. Orig. Pap. S. ` 247

1750 Okt. 30. Strassburg. Wilhelm Jakob von Berstett verpachtet an Nikolaus Grad zu Berstett auf 10 Jahre seine Hälfte an dem sogenannten kleinen Briel gegen einen jährlichen Zins von 30 fi. 2 Orig. Pap. 248

1750 Nov. 6. Berstett. Philipp Reinhard von Berstett ver- pachtet an Niklaus Grad zu Berstett sein Gut zu Berstett, be- stehend in 80 Ackern, seinem halben Anteil an der kleinen Brielmatte nebst Behausung und Gärtlein und dem Gras und Baumgenuss des Weihergartens, auf 10 Jahre gegen eine jähr- liche Pacht von 530 Viertel Weizen, 10 Viertel Roggen, 40 % gehechelten Hanf, ein halb Sester Maagsamen und ein halb Sester Hanfsamen und genannte Verpflichtungen. Orig. Pap. 249

m40 Frankhauser.

1753 Aug. 22. Strassburg. Joh. Daniel Schmidt, jur. u. Li., verpachtet an Philipp Reinhard von Berstett genannte Matten zu Berstett auf 10 Jahre gegen einen jährlichen Zins von 20 fl Orig. Pap. 2 S. 250

1754 Jan. 29. Strassburg. Friedrich Ferdinand von Dett- lingen und seine Ehefrau Marianne Dorothea Katharina, verbei- standet durch ihren Bruder Friedrich Karl Okahane von Bolsen- heim, verkaufen an Freiherr Ferdinand von Menshengen, pfälz. Geh. Rat, und dessen Ehefrau Luise Magdalena geb. von Dett- lingen, vertreten durch ihren Mandatar Christian Philipp von Kirchheim, drei und einen halben neunten Teil an der Herr- schaft Berstett und drei sechste Teile an Dorf und Herrschaft Olvisheim um 4500 fl. Orig. Perg. 4 Bl. 251

1754 Okt. 5 u. 8. DBuchsweiler u. Strassburg. Eleonore Henrietta von Berckheim, Witwe, verpachtet an Diebold Zimmer zu Berstett ihre zu Berstett, Eckwersheim und Olvisheim ge- legenen Felder und Wiesen auf g Jahre unter genannten Be- dingungen gegen eine jährliche Gült von 8 Viertel, 4 Sester halb Weizen, halb Roggen. 2 Orig. Pap. 252

1756 Aug. 12. Strassburg. Philipp Reinhard von Berstett und der Oberkornherr der Stadt Strassburg verpachten das zwischen der Familie Berstett und der Stadt Strassburg gemeinschaftliche Gültgut zu Berstett an Dieboldts Dieboldten und Veltins Michel zu Berstett auf 9 Jahre gegen eine jährliche Gült von 8 Vierteln halb Weizen, halb Roggen. Orig. Pap. 253

1756 Okt. 6. Berstett. Philipp Reinhard von Berstett ver- pachtet an Michels Michel und Michels Veltin, Gebrüder zu Berstett, eine Mannsmatte und sechs Schlagmatten zu Berstett auf 6 Jahre gegen eine jährliche Pacht von 20 fl. Orig. Pap.

254

1760 März 4. Joseph Ferdinand von Kirchheim, Kapitän im Regiment Royal allemand, verkauft an Joseph Andreas von Gail, Stättmeister zu Strassburg, seinen Anteil an den Herr- schaften Berstett und Olvisheim um 1800 livres tournois. Orig. Perg. 255 1762 Okt. 4. Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an Michel Eberhard zu Venden- heim auf 6 Jahre lang die sogenannte Waldmatte zu Berstett gegen einen jährlichen Zins von 33 fi. Orig. Pap. 256

1763 Jan. 20. Berstett. Jakob Schönenberger, Bürger und Bäcker zu Berstett, verkauft an Philipp Reinhard von Berstett eine Matte ebenda um 36 fl. Orig. Perg. 257

1763 Mai 20. Strassburg. Johann Michael Meigers, Bleichers zu Strassburg, Erben verpachten an Wilhelm Jakob von Berstett genannte Matten zu Berstett auf 6 Jahre gegen einen jährlichen Zins von 18 fl. Orig. Pap. 258

1765 Nov. 5/6. Strassburg. Philipp Reinhard von Berstett verpachtet an Diebold Zimmer auf g Jahre seine Felder, Äcker

Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. m41I

und Wiesen zu Berstett, Eckwersheim und Olvisheim unter ge- nannten Bedingungen gegen eine jährliche Gült von 8 Viertel, 4 Sester halb Hafer, halb Weizen. 2 Orig. Pap. 259 1765 Nov. 30. Strassburg. Philipp Reinhard von Berstett, Kapitän im Regiment Picardie, und der Oberkornherr der Stadt Strassburg verpachten das zwischen der Stadt und Philipp Rein- hard gemeinschaftliche Gültgut zu Berstett an Diebolds Diebold und Michels Veltin auf 9 Jahre gegen eine jährliche Gült von 8 Viertel halb Weizen, halb Roggen. Orig. Pap. 260 1769 Juni 16. Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an Georg Pfrimmer, Ohlmann, und Hans Pfrimmer, Küfer zu Eckwersheim, auf 9 Jahre die sogenannte Waldmatte im Berstetter Bann gegen eine jährliche Pacht von 36 fl. Orig. Pap. 261 1771 Jan. ı2. Strassburg. Eleonore Wilhelm Mackau von Hürtigheim, Propst von Alt-St. Peter zu Strassburg, belehnt Pbilipp Reinhard von Berstett für sich und seinen Sohn Philipp Jakob Reinhard, sowie seinen Bruder Wilhelm Jakob mit zwei Zweiteln Felds und einer halben Hub zu Berstett. Orig. Pap. S. 262 1772 Juni 30. Zabern, Bischof Ludwig Konstantin zu Strassburg, röm, Kardinal, belehnt Philipp Reinhard von Berstett für sich und Wilhelm Jakob von Berstett mit dem halben Teil an den Dörfern Berstett und Olvisheim und Nieffern. Orig. Perg. 2063

1772 Nov. 19. Berstett. Löw und David Levy, Gebrüder,

von Scherweiler und Jakob Salomon von Oberehnheim verkaufen steigerungsweise an Philipp Jakob Reinhard von Berstett den 4. Teil der sogenannten Heßmatte zu Berstett um 250 fl. Orig. extr. 264 1773 Nov. 6. Strassburg, Philipp Reinhard von Berstett, Kapitän im Regiment Picardie, und die ÖOberkornherren der Stadt Strassburg verpachten an Diebolds Diebold und Michels Velten zu Berstett das der Stadt Strassburg und Philipp Rein- hard gemeinsam gehörige Gültgut zu Berstett auf 9 Jahre gegen eine Gült von 8 Vierteln halb Weizen halb Roggen. Orig. Pap. 265

1774 Jan. ı4. Strassburg. Jakob Philipp Reinhard von Berstett verpachtet an Diebold Zimmer zu Berstett auf 9 Jahre lang ein von letzterem schon bisher bebautes Gültgut zu Berstett gegen eine jährliche Gült von ı8 Vierteln halb Weizen und halb Korn unter genannten Bedingungen. 3 Orig. Pap. 266 1774 Okt. ı9. Philipp Jakob Reinhard von Berstett ver- pachtet an Adam Frayß und Diebold Zimmer zu Berstett 11 und 3 Viertel Acker zu Berstett und Nieffern auf 9 Jahre gegen eine Gült von 6 Viertel Weizen. Orig. Pap. (Formular). 267 ı780 Mai 9. Strassburg. Schuldschein des Johann Ritter, Zimmermann zu Berstett, und seiner Hausfrau Brigitta Hamm gegen Philipp Jakob Bischoff d. j., Holzhändler zu Strassburg,

m42 Frankhauser.

über 372 fl. 8 @ unter Bürgschaft seines Vaters Hans Riter Ackersmann zu Holzheim. Kop. Pap. 20)

1780 Mai 24. Strassburg. Philipp Reinhard von Berstet verpachtet an Christina Oltz geb. Erhard und deren Sohn Johanues Oltz zu Vendenheim die sogenannte Waldmatte im Berstetter Wald auf 15 Jahre lang gegen eine jährliche Pacht von 521. Orig. Pap. 26

1781 Mai 5. Strassburg. Freiherr von Schacht, Reis marschall und Musikintendant des Fürsten von Thurn und Tat: zu Regensburg, vertreten durch Ignatius Ellepauer, Kammerdiene desselben Fürsten, verkauft an Philipp Jakob Reinhard vo. Berstett und dessen Gemahlin Karoline Christiane Leopoldin von Dettlingen seinen Anteil an den Herrschaften Berstett ut Olvisheim um 9600 livres. Orig. Perg. 270

1781 Mai 25. Strassburg. Philipp Reinhard von Berti verpachtet an Georg Riehl zu Berstett sein Gut zu Berstl. bestehend in 80 Ackern, ferner dem halben Anteil an der Brie- matte, Haus und Gärtlein zu B. nebst dem Gras- und Baur genuss aus dem kleinen Weihergarten, auf g Jahre gegen eine Gült von 5o Viertel Weizen, 10 Viertel Roggen und 40 Ñ Hat und genannte Naturalleistungen. Orig. Pap. Libell. 27i

1781 Dez. 31. Protokoll über die Versteigerung zwei‘ Häuser zu Strassburg in der Jungferngasse, ferner von ?/ an ?/ 0d von 5/i an dem !/, der Herrschaft Berstett und von ?/; an: von l/a der Herrschaft Olvisheim, zur Verlassenschaft der Sidone Dorothea von Kirchheim gehörig, bei der ein gewisser Bronne! die beiden Häuser für Michel Leon Haurard und die Anteile al der Herrschaft für Philipp Jakob Reinhard von Berstett ersteigentt. Orig. Perg. Libell. 27:

1782 Jan. 5. Strassburg. Johann Franz Hüffel, Propst de: Stifts Alt-St. Peter zu Strassburg, belehnt Philipp Jakob Reinhard von Berstett zugleich als Träger für Wilhelm Ludwig Leop Reinhard, seinen Sohn, mit zwei Zweiteln Felds und einer halbe! Hub zu Berstett. Orig. Pap. S. 2)

1782 März 14. Vor dem Schultheissen zu Berstett verkault Jakob Philipp Ernst, Schneider zu Berstett, an Jakob Reinhart von Berstett einen’ halben Acker Felds zu Berstett um 40 * Orig. Perg. S. 2

1783 April 4. Philipp Jakob Reinhard von Berstett ver pachtet an Valentin Eberhard, Bürger zu Berstett, auf g Jahr ein Gültgut zu Berstett, bestehend in 26 Ackern gegen €" Gülte von 10 Viertel Weizen und einem Acker Rüben. On: Pap. (Formular). 2

1783 April 4. Strassburg. Philipp Jakob Reinhard \ Berstett verpachtet an Michel Velten zu Berstett ein Gültgtte zu Berstett, bestehend in drei Zweiteln Felds, auf g Jahre geger eine Gült von 2 Sester Weizen und 4 Sester Korn. Orig fap (Formular). 270

Gi

Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. m43

1783 April 4. Strassburg. Philipp Jakob Reinhard von Berstett verpachtet an Adam Freis d. j. auf Jahre ein Gültgut zu Berstett und Olvisheim, bestehend in g!/g Acker gegen eine Gült von drei Vierteln Weizen und ein Viertel Korn. Orig. Pap. (Formular). 277

1783 April 4. Strassburg. Philipp Jakob von Berstett ver- pachtet an Michael Schott zu Berstett !/j; an dem sogen. Dr. Marx Otto Gut zu Berstett, bestehend in 18'/ẹ Ackern für 9 Jahre gegen eine Gült von 8 Viertel Weizen und ı Acker Klee. Orig. Pap. (Formular). 278

1783 April 9. Strassburg. Philipp Jakob Reinhard. von Berstett verpachtet an Veltin Michel, Veltin Diemer und Johannes Schönenberger zu Berstett zwei Gültgüter zu Berstett, das eine von 56 Ackern, das andere von 14 Ackern und ı Zweiteil auf 9 Jahre gegen eine Gült von 25 Vierteln Weizen und drei Acker Klee. Orig. Pap. (Formular). 279

1785 Okt. 27. Olvisheim. Steigprotokoll über ein zu Feld ausgestocktes und in verschiedene Lose eingeteiltes Stück des Berstetter Waldes, Philipp Reinhard von Berstett gehörig. Orig. Pap. 280

1786 Jan. 4. Strassburg. Joseph Andreas von Gail und seine Hausfrau Maria Anna Klara gebor. von Dettlingen ver- kaufen an Philipp Jakob Reinhard von Berstett ihren Anteil an den Herrschaften Berstett und ÖOlvisheim für den Preis von 7200 livres und 200 livres Nadelgeld. Orig. Perg. 281

1787 April 24. Berstett. Philipp Jakob Reinhard von Ber- ‚stett verpachtet an Andreas Anstett und Michel Zimmer zu Berstett 118/4 Acker zu Berstett und Nieffern auf 9 Jahre gegen eine jährliche Gült von 6 Viertel Weizen. Orig. Pap. (Formular).

282

1787 April 24. Berstett. Philipp Jakob Reinhard von Berstett verpachtet an Diebolds Diebold und Michel Velten zu Berstett auf Jahre. ein Gültgut zu Berstett bestehend aus 11 Ackern und einem Vierzel, darstellend den Berstettischen Anteil an dem früher mit Strassburg gemeinsamen Gültgut, gegen eine Gült von 2 Viertel 3 Sester Weizen und ı Viertel, 3 Sester Korn. Orig. Pap. (Formular), 283

3. Bischheim (Kreis Strassburg-Land).

1753 Nov. 14. Maria Magdalena Zimmer, des Adlerwirts Hans Georg Erhard zu Hönheim Witwe, verbeistandet durch den Dorfboten zu Bischheim Johann Peter Mettler, verkauft an den Metzger Lorenz Stahl zu Bischheim fünf und eine Quart Vierzel Felds am Salzweg zu Bischheim um 500 fl. Orig. Perg.

284

m44 Frankhauser.

4. Bischofsheim (Kreis Molsheim).

1541 Juni 7. Vor dem strassburger Hofrichter bekennt Johannes genannt Burhanns von Bischofsheim bei Rosheim, dass er von Jakob von Dettlingen eine genannte Hofstatt zu Bischofs- heim als Erblehen empfangen babe für einen jährlichen Zins von 16 8 Pfennigen, ablösbar mit 16 A strassburger Pfennigen. Orig. Perg. 285

1582 Febr. ı u. Mai ı8. Vor dem strassburg. Hofrichter pachten Paulus Schin und Hans Stoltz von Bischheim bei Ros- heim auf 9 Jahre das Hans Jakob von Eckwersheim gehörige Gültgut zu Bischheim für ı2 Viertel halb Roggen, halb Gerste und 4 Kappen jährlichen Zinses. Orig. Perg. 286

1637 Juni 5. Jeörg Rehin aus Bischofsheim verkauft vor Schultheiss, Heimburger und Gericht des Ortes an Wolf Georg von Landsberg ein Viertzall Baumstück für 8 fl. Orig. Perg. 287

5. Bitschhofen (Kreis Hagenau).

1481 Aug. 20. Smassmann Herr zu Rappoltstein usw., als Vormund der Gebrüder Glude Hans und Heinrich Grafen von Fels und Lützelstein, belehnt Garsilius, Hug Jörg und Michel von Berstett mit dem Dinghof zu Bitschhofen. Orig. Perg. 288

1488 Sept. 23. Wilhelm Herr zu Rappoltstein usw., für sich, seinen Bruder Smassmann und seinen Vetter Brun belehnt Hugo von Berstett, für sich und als Träger des Garsilius, Jörgs und Michels von Berstett mit dem Dinghof zu Bitschhofen, tut 52 Viertel Haberngelds. Orig. Perg. 289

1508 Aug. ı. Smassmann Herr zu Rappoltstein usw., für sich und seine Vettern Bruno und Wilhelm belehnt Hugo von Berstett, zugleich als Träger Jörgs und Michels von Berstett mit dem Dinghof zu Bitschhofen. Orig. Perg. 290

1519 Jan. 3. Wilhelm Herr zu Rappoltstein usw., kaiserl. Hofmeister, oberster Hauptmann und Landvogt im Elsass, belehnt Hug von Berstett mit dem Dinghof zu Bitschhofen. Orig. Perg.

291

1528 Juni 30. Wilhelm Herr zu Rappoltstein usw., be- lehnt Adam von Berstett mit dem Dinghof zu Bitschhofen, Orig. Perg. 292

1573 Juli 13. Gemar. Egenolf Herr zu Rappoltstein usw., belehnt Ernst und Adam von Berstett mit dem Dinghof zu Bitsch- hofen. Orig. Perg. 203

1551 Febr. 5. Egenolf Herr zu Rappoltstein usw., belehnt Adam von Berstett mit dem Dinghof zu Bitschhofen. Orig. Perg.

294

1591 Juni 25. Eberhard Herr zu Rappoltstein usw., be- lehnt Ernst und Adam von Berstett mit dem Dinghof zu Bitsch- hofen. Orig. Perg. 295

Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. m45

1660 Juni 15. - Johann Jakob Herr zu Rappoltstein usw., belehnt Johann Jakob von Berstett mit dem Lehen »Dinghof zu Bitschhofen«, bringt 52 Viertel Habergelts, Orig. Perg. 296

1770 Febr. ıg. KRappoltsweiler. Pfalzgraf Christian IV. von Birkenfeld als Mitherr der Grafschaft Rappoltstein und Vor- mund der Pfalzgrafen Karl August und Maximilian belehnt Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett mit dem Dinghof zu Bitschhofen, »thut 52 Viertel Habern Gelds«. Orig, Perg. 297

1782 Dez. 27. Rappoltsweiler. Pfalzgraf Maximilian von Zweibrücken für sich und seinen Bruder, Herzog Karl von Zwei- brücken, belehnt Philipp Jakob Reinhard von Berstett mit dem Dinghof zu Bitschhofen. Orig. Perg. 298

6. Bodersweier (Amt Kehl).

1753 Sept. 18. Buchsweiler. Erbprinz Ludwig von Hessen- Darmstadt belehnt I.eopold Samson von Rathsamhausen von der Herrschaft Lichtenberg wegen mit dem Hubhof zu Bodersweier genannt Liebenzeller Hof. Orig.. Perg. S. 299

1802 Okt. 13. Darmstadt. Landgraf Ludwig X. von Hessen- Darmstadt verleiht dem hessischen Geheimen Rat und Regierungs- präsidenten Ludwig Samson von Rathsamhausen das nach Ab- leben seines Bruders Karl Christian Friedrich Siegfried Leopold von Rathsamhausen ledig gewordene Lehen »Hubhof oder Lieben- zellerhof« zu Bodersweier. Orig. Perg. S. ab. 300

1824 Mai 28. Karlsruhe. Grossherzog Ludwig I. von Baden belehnt den Staatsminister Wilhelm Ludwig Leopold Reinhard von Berstett mit dem Hubhof zu Bodersweier, Lieben- zeller Hof genannt. Orig. Perg. S. 301

1832 Jan. 27. Karlsruhe, Grossherzog Leopold von Baden belehnt den Staatsminister von Berstett mit dem vormals von Rathsamhausenschen Lehen, dem Hubhof zu Bodersweier der Liebenzeller Hof genannt. Orig. Pap. S. 302

1838 Sept. 23. Karlsruhe. Grossherzog Leopold von Baden belehnt den Freiherrn Karl Adam Reinhard von Berstett mit dem sogenannten Liebenzeller Hof zu Bodersweier. Orig. Pap. S.

305

1853 Nov. 26, Karlsruhe. Grossherzog Friedrich I. von Baden belehnt den Freiherrn Karl Adrian Reinhard von Berstett mit dem Liebenzeller Hof zu Bodersweier. Orig. Pap. S. 304

ı869 Juni 3. Karlsruhe. Grossherzog Friedrich I. von Baden beurkundet die Allodifikation des der freiherrl. Familie von Berstett gehörigen Lehens »der Liebenzeller Hof oder Hubertsgut zu Bodersweier«, nach Bezahlung der auf 468 fl. 10 kr. festgesetzten Abkaufssumme. Orig. Pap. S. 305

m46 Frankhauser.

7. Bollschweil (Amt Staufen).

1317 Mai 16. Guntram, Bürger zu Freiburg, bekennt, dass er auf seinem Hofe zu Bollschweil, da er sein Silber wirkt, ohne besondere Erlaubnis der Herrn Schnewlin gen. Bernlappe »weder floß, leth, noch Kupfer gebrennen« soll. Siegler: Cunrad Dietrich und Cunzin Snewelin, sowie Gross Volmar von Munzingen. Kop. Pap. 300

1850. Zehntablösungsvertrag, abgeschlossen zwischen dem Grossh. Badischen Domänenärar und den Besitzern der sieben Bollschweiler Höfe. Kop. Pap. 3507

8. Boofzheim (Kreis Erstein).

1491 März 24. Antony von Ramstein reversiert Graf Hein- rich von Zweibrücken -Bitsch - Ochsenstein, dass er innerhalb eines halben Jahres nach beschehener Mahnung die 5 fl. jäbr- lichen Zinses, die er auf sein Lehen zu Boofzheim um 1008. verkauft hat, wieder zurücklösen werde; doch darf die Mahnung frühestens nach 5 Jahren erfolgen. Orig. Perg. 308

9. Brumat (Kreis Strassburg-Land).

1644 Dez. 2. Hans Reinhard Voltz von Altenau, der Meister, und Rat von Strassburg, beurkunden, dass nach Ausweis der Registranda des verstorbenen Notars Hilarius Meyer 1630 April 5 Christina, weiland Simons Mathyßen zu Rumersheim Wittib, mi Beistand ihres Sohnes Adam Mathißen an Andres Heckher zu Berstett eine halbe Messmatte im Brumater Bann um 17 Pfennige verkauft hat. Orig. Perg. 309

10. Buchheim (Amt Freiburg).

1844 Juli 19. Karlsruhe. Grossherzog Leopold von Baden belehnt Freiherrn Adrian von Berstett mit dem Lehen Buchheim und Hochdorf, bestehend aus ı. Lehenkapitalien, 2. genannten Berechtigungen, Gülten und Zinsen zu Buchheim, Hochdorf, Benz- hausen, Weilersbach und Kirchzarten, 3. Grundstücken zu Buch- heim, Haslach, Mördingen und Kirchzarten. Orig. Pap. S. 310

1854 Juni 14. Karlsruhe. Grossherzog Friedrich von Baden belehnt den Freiherrn Adrian von Berstett mit dem Lehen »Buch- heim und Hochdorf, bestehend in Liegenschaften auf den Ge- markungen Buchheim, Burg, Merdingen, Haslach, Ettenheim, Kippenheim, mit genannten Rechten und Gefällen und Lehen- kapitalien, Orig. Pap. S. 3H

1856 Nov. ı7. Vertrag, abgeschlossen zwischen der Grund- herrschaft von Andlaw-Birseck und dem Freiherrn von Berstell einerseits und der Gemeinde und dem Stiftungsvorstand zu Buch- heim anderseits, die Ablösung der Kirchen- und Pfarrhausbau- lasten betr. Orig. Pap. S. 512

Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. m47

1868 Juli 9. Karlsruhe. Grossherzog Friedrich I. von Baden hebt den ‘Lehensverband für das von Berstettsche Lehen “»Buchheim und Hochdorf« auf, gegen Festsetzung der Abkaufs- summe auf 1153 fl. 28 Kr. Kop. Pap. 313

11. Buchholz (Amt Waldkirch‘.

1832 Jan. 27. Karlsruhe, Grossherzog Leopold von Baden belehnt den Staatsminister Ludwig Leopold Reinhard von Berstett - mit dem vormals von k\leinbrodschen Lehen, bestehend in der Grundherrschaft Buchholz nebst Zubehör. Orig. Pap. S. 314

1834 Dez. 30. Karlsruhe. Grossherzog Leopold von Baden gestattet dem Staatsminister Freiherrn von Berstett, die Grund- herrschaft Buchholz unter gewissen Vorbehalten und unter Be- stimmung einer Gebühr von 10 Prozent zu allodifizieren. Orig. Pap. S. 315

12. Dachstein (Kreis Molsheim).

1535 April 30. Vor dem strassburg. Hofgericht bekennt Wolfgangus de Wyler in Dachstein, dass er von Michael Huse, Seifensieder zu Strassburg, dessen Güter zu Dachstein zu einem rechten Erbe empfangen habe gegen einen Zins von I0 ß Pfennigen. Orig. Perg. S. 316

13. Dingsheim (Kreis Strassburg-Land).

1581 März 7. Vor dem strassburger Hofrichter verkauft Jakob Diebold von Quatzenheim seinem Bannherren Pankratz von Landsberg einen Gulden jährlichen Zinses von einem Zweiteil Felds zu Dingsheim bei Griesheim, fällig auf Martini, um 20 fl. strassburg. Orig. Perg. 317

14. Dorlisheim (Kreis Molsheim).

1353 Nov. 26. Rodel der dem Ritter Wirich von Berstett in seinen Dinghof zu Dorlisheim fallenden Weinzinse. Orig. Perg. 318

15. Eckartsweiler (Kreis Zabern).

1371. Erneuerung der der Familie Fässler [von Zabern] zustehenden Wein-, Geld- und Kappenzinse zu Eckartsweiler, Perg. Rodel. | 319

1416 Febr. 28. Margarete zu der Weitenmühl, Meisterin, und der Konvent von St. Johann bei Zabern verkaufen die 3!/a Viertel Roggen- und die drei Viertel Haberngelds ewiger Zinse, die ihnen zustanden von allen zu Eckartsweiler liegenden Gütern der Gebrüder Hans und Götzemann Fässler [von Zabern], ferner 3 $ strassburg. Pfenniggelts, die ihnen Kurin von Eckarts- weiler von etlichen derselben Güter gegeben hat, an die ge-

m48 Frankhauser.

nannten Gebrüder um ı2 Pfund strassburg. Pfennige. Orig. Perg. 2 S. 320

1513 Febr. 19. Zabern. Bischof Wilhelm von Strassburg beurkundet einen durch Dr. Simon Rybisen, Offizial, Dr. Jorg Übelin, Anton Mönch von Wilsberg und Wolf von Landsberg, Räte, zwischen Augustin Spengler, Kanoniker und Leutpriester zu Zabern und Besitzer der Frühmesse zu Eckartsweier, Erz- priester des Kapitels Bettbür, und German Fässler von Arnsberg geschlossenen Vergleich wegen eines jährlichen Zinses von ı Ohmen Wein. Orig. Perg. S. 321

1522 Juli 16. Meister Augustin Spengler, Erz- und Leut- priester zu Zabern, und Jerg Breitschwert, Stadtschreiber ebenda, vergleichen Junker German Fässler von Arnsberg und Küffers Wendling zu Otterstal wegen 4 Maas Weingelts, die German Fässler von einem halben Acker Reben zu Zabern zustanden, dahin, dass Küfers Wendling diese 4 Maas künftighin von einem Vierzel Reben zu Eckartsweiler zahlen soll, von dem Junker German bisher 4 Maas zustanden. Orig. Perg. 2 S. 322

1569 Nov. 24. Propst, Dekan und Kapitel U.L.Fr. Stifts zu Elsass-Zabern quittieren Ernst von Berstett zugleich für seine Mutter Veronika Marx von Eckwersheim und seine Geschwister, sowie gemeinen Fässlerschen Erben über 10% strassburg. Pfennige, mit denen derselbe einen auf den Fässlerschen Gütern zu Eckartsweiler ruhenden Geldzins von 10 8 Pfennigen abgelöst hat, Die 10 ĝ hatte vor »lang verloffnen« Zeiten Götz Fässler von Arnsberg dem Stift vermacht zur Abhaltung einer Jahrzeit für sich, seine Ehefrau Elisabeth von Wickersheim und ihre Vor- fahren und Nachkommen. Orig. Perg. 325

1759 März ı. Strassburg. Philipp Reinhard von Berstett, Kapitän, und Wilhelm Jakob von Berstett, strassburg. Fünfzehner, verpachten an den Maurermeister Josef Meng zu Eckartsweiler ihre dortigen näher bezeichneten Güter auf 9 Jahre um einen jährlichen Zins von 15 fl. und gegen die Verpflichtung, die den Verpächtern zustehenden Zinsen und Gefälle unentgeltlich ein- zuziehen. Orig. Pap. 324

1772 Sept. 29. Strassburg. Philipp Reinhard von Berstett verpachtet an Joseph Meng, Maurermeister zu Eckartsweiler, auf 6 Jahre seine Güter ebenda gegen eine Pacht von 24 Gulden und die Verpflichtung, die Berstettischen Gefälle und Zinse zu Eckartsweiler und Wolxheim einzuziehen, Orig. Pap. 325

16. Eckwersheim (Kreis Strassburg-Land).

1411 Juni 23. Eberlin von Greifenstein belehnt Rulin, Heinrich, Hans und Hug von Berstett mit 20 Viertel und !% Korngelts und 17 Viertel Korngelts, davon sind 7 eigen und 3'/ von dem Frongarten zu Eckwersheim, mit genannten Hofstätten, ferner mit dem Gereute, dem Hurst und dem Dinghof zu Hördt. Orig. Perg. 320

Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. m49

1460 Dez. ı. Jorg Herre zu Ochsenstein belehnt Wirich von Berstett mit dem Hochwald, dem Reitholz, dem Brüel und auf dem Dinghof zu Eckwersheim 4 Viertel Haber- und 14 8 Pfenniggelds. Orig. Perg. 327

1461 Juli 14. Walter von Thane belehnt Wirich von Ber- stett mit genannten Gülten und Hofstätten zu Eckwersheim und dem Dinghof zu Hördt. Orig. Perg. S. 328

1486 April 10, Graf Heinrich von Zweibrücken-Bitsch- Ochsenstein, Amtmann zu Lützelstein, belehnt Hugo von Berstett zugleich als Lehenträger seiner Brüder Garsilius, Jerg und Michel mit dem Hochwald,. dem Reytholz und dem Brühel und auf dem Dinghof zu Eckwersheim vier Viertel Habergelds und 14 $ Pfenniggelds. Orig. Perg. 329

1486 Okt. 18 oder ıg. Jerotheus von Rathsamhausen zum Stein belehnt Hug von Berstett und seine Brüder Garsilius, Jerg und Michel mit 20 Viertel und ı Achtel Korngelds zu Eck- wersheim, mit ı7 Viertel Korngelds, davon sind 7 Viertel eigen und 3!/ von dem Frongarten zu Eckwersheim, mit drei ge- nannten Höfen und dem Gereute, dem Hurst und dem Dinghof zu Hördt. Orig. Perg. 330

1498 Aug. 21. Jerg von Rathsamhausen zum Stein belehnt Hugo, Jerg und Michel von Berstett mit 20 Viertel und ı Achtel Korngelds, ferner mit 17 Viertel Korngelds, davon sind 7 Viertel eigen und 3!/2 Viertel von dem Frongarten zu Eckwersheim, und mit genannten drei Hofstätten, alles zu Eckwersheim, und mit dem Gereute, dem Hurst und dem Dinghof zu Hördt. Orig. Perg. "00331

1500 Juni 25. Graf Georg von Zweibrücken-Bitsch-Ochsen- stein belehnt Hug von Berstett in Gemeinschaft seiner Brüder Jorg und Michel mit dem Hochwald, dem Reitholz und dem Brühel und auf dem Dinghof zu Eckwersheim 4 Viertel Haber- gelds und 14 ß Pfenniggelds. Orig. Perg. 332

1524 Okt. 3. Graf Jerg von Zweibrücken-Bitsch-Ochsen- stein belehnt Adam von Berstett zugleich als Lehenträger für seinen Bruder Peter mit dem Hochwald, dem Reytholz und dem Brühel und auf dem Dinghofe zu Eckwersheim 4 Viertel Habern- und 14 ß Pfenniggelds. Orig. Perg. 333

1528 Mai 2. Georg von Rathsamhausen belehnt Adam vom Berstett mit 20 Viertel und ı Achtel Korngelds und 17 Viertel Korngelds, daran sind 7 Viertel eigen und 31/, von dem Frongarten zu Eckwersheim, ferner mit drei genannten Höfen und dem Gereute, dem Hurst und dem Dinghof zu Hördt. Orig. Perg. S. (besch.). 334

1529 Juli 8. Vergleich zwischen Adam von Berstett und der Gemeinde Eckwersheim wegen des Waidganges im sogen. Berstetter Wald, vermittelt durch Dr. jur. Jakob von Landsperg, Hans Bock, Ritter, Wolf von Wickersheim, Amtmann zu Reichs-

Mitt. d. Bad, Hist. Kom. Nr, 37. 4

m50 Frankhauser.

hofen, David Körner, Vogt zu Bischheim, als verordnete Schieds- leute der Grafen Reinhard und Jörig von Zweibrücken-Bitsch. Orig. Pap. S. 335 1533 April 7. Samson von Rathsamhausen zum Stein be- lehnt Adam von Berstett mit 20 Viertel und ı Achtel Korngelds, mit 17 Viertel Korngelds, davon sind 7 eigen und 3!/ von dem Frongarten zu Eckwersheim, mit drei genannten Höfen und dem Gereute, dem Hurst und dem Dinghof zu Hördt. Orig. Perg. S. 336

1539 April 29. Jakob von Rathsamhausen zum Stein be- lehnt Adam von Berstett mit 20 Viertel und ı Achtel Korngelds, mit 17 Viertel Korngelds, davon sind 7 Viertel eigen und 3!/ Viertel von dem Frongarten zu Eckwersheim, mit drei genannten Höfen und mit dem Gereute, dem Hurst und dem Dinghof zu Hördt. Orig. Perg. 337 1539 April 29. Adam von Berstett reversiert Jakob von Rathsamhausen zum Stein über seine Belehnung mit 20 Viertel und ı Achtel Korngelds und ı7 Viertel Korngelds, daran sind 7 Viertel eigen und 31/2 Viertel von dem Frongarten zu Eck- wersheim, und drei Hofstätten ebenda und dem Dinghof zu Hördt. Orig. Perg. 338 1548 April 27. Graf Jakob von Zweibrücken-Bitsch-Lichten- berg belehnt Adam von Berstett mit dem Hochwald, dem Reyt- holz und dem Brühel und auf dem Dinghof zu Eckwersheim 4 Viertel Habergelds und 14 ß Pfenniggelds. Orig. Perg. 339 1564. Adam von Berstett verpachtet an Thomans Jörgen, Erharts ‚Wolfen, Jörgen Jakoben, Marxen Jakoben und Marx Diebolts Jakoben auf Jahre lang die kleine Brühlmatte zwischen Eckwersheim und Vendenheim gelegen gegen einen jährlichen Zins von 6 % strassburg. Pfennigen. Orig. Pap. (Kerbzettel) o. D. 5 349

1567 April ọ. Wolf Dietrich von Rathsamhausen zum Stein belehnt Ernst und Adam von Berstett mit 20 Viertel und ı Achtel Korngelds, mit 17 Viertel Korngelds, davon sind 7 Viertel eigen und 3!/a Viertel von dem Frongarten zu Eckwersheim, mit drei genannten Höfen und mit dem Gereute, dem Hurste und dem Dinghof zu Hördt. Orig. Perg. | 34 1570 Sept. 13. Graf Philipp zu Hanau-Lichtenberg d. j.

als Administrator der von seinen Söhnen und Kindern nach dem Ableben des Grafen Jakob von Zweibrücken-Bitsch-Lichtenberg- Ochsenstein ererbten Herrschaft Ochsenstein, belehnt Ernst von Berstett für sich und als Träger seines Vaters Adam und seines Bruders Adam mit dem Hochwald, dem Reydtholz und dem Brühel und auf dem Dinghof zu Eckwersheim 4 Viertel Haber- gelds und 14 ß Pfenniggelds. Orig. Perg. 342 1575 Aug. 26. Hans Friedrich von Rathsamhausen zum Stein belehnt Ernst und Adam von Berstett mit 20 Viertel und ı Achtel Korngelds, ferner mit 17 Viertel Korngelds, davon sind

Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. m5ı

7 Viertel eigen und 3!/ von dem Frongarten zu Eckwersheim, ferner mit drei genannten Höfen und dem Gereute, dem Hurst und dem Dinghof zu Hördt. Orig. Perg. S. 343

1583 Juli 4. Blasius von Müllenheim, Philipps yon Flecken- stein, Wolfgang Krantz von Geispoltzheim, als Vormünder von Samson von Rathsamhausen zum Stein, belehnen Ernst von Ber- stett für sich und Adam von Berstett mit 20 Viertel und ı Achtel Korngelds, ferner mit 17 Viertel Korngelds, davon sind 7 Viertel eigen und 3!/ von dem Frongarten zu Eckwersheim, ferner mit drei genannten Höfen und dem Gereute, dem Hurst und dem Dinghof zu Hördt. Orig. Perg. 2 S. 344

1593 Juli 4. Bleß von Müllenheim, Hans Philipps von Kettenheim und Philipps von Fleckenstein, als Vormünder des Hans Samson von Rathsamhausen, belehnen Adam, Joachim und Hans Ernst von Berstett mit ihrem Lehen zu Eckwersheim und Hördt. Orig. Perg. ı S. 345

1594 Dez. 16. Graf Philipp zu Hanau-Lichtenberg belehnt Adam und Ernst von Berstett mit ihrem Lehen zu Eckwersheim, Orig. Perg. 346

1601 Mai 16. Graf Johann Reinhard zu Hanau-Zweibrücken- Lichtenberg-Bitsch-Ochsenstein belehnt Adam von Berstett zu- gleich als Träger seiner Neffen Joachim und Hans Ernst mit dem Hochwald, dem Reidtholz und dem Brühel und auf dem Dinghof zu Eckwersheim 4 Viertel Habergelds und 14 ß Pfennig- gelds. Orig. Perg. 347

1623 Nov. 18. Georg Friedrich von Rathsamhausen zum Stein belehnt für sich und im Namen seiner Brüder Joachim und Hans Ernst von Berstett mit 20 Viertel und ı Achtel Korn- gelds und dann ı7 Viertel Korngelds, »deren seindt 7 Viertel eigen und 31/, Viertel von dem Frongarten zu Eckwersheime, ferner mit 3 Hofstätten, dem Gereute, dem Hurst und dem Dinghof zu Hördt. Orig. Perg. 348

1623 Nov. 18. Revers Joachims von Berstett für sich und seinen Bruder Hans Ernst gegen Geörg Friedrich von Rathsam- hausen zum Stein über seine Belehnung mit »20 Viertel und ı Achtel Korngelds und dann 17 Viertel Korngelds, daran seindt 7 Viertel eigen und 3'/g Viertel von dem Frongarten zu Eck- wersheim«, ferner mit drei Hofstätten und dem Gereute und dem Hurst und dem Dinghof zu Hördt. Orig. Perg. 349

1641 April 28. Geörg Friedrich von Rathsamhausen zum Stein belehnt Hug Wirich von Berstett und Johann Jakob von Berstett mit 20 Viertel und ı AchtelKorngelds und dann ı7 Viertel Korngelds, »davon seind 7 Viertel eigen und 3!/, von dem Fron- garten zu Eckwersheinıx, ferner mit drei Hofstätten, dem Gereute, dem Hurst und dem Dinghof zu Hördt. Orig. Perg. 350

1658 Juli 24. Graf Friedrich Kasimir von Hanau-Lichten- berg belehnt Johann Jakob von Berstett mit seinem Lehen zu Eckwersheim. Orig. Perg. 351

4*

m52 Frankhauser.

1665 Jan. 7. Chirotheus Constantinus von Rathsamhausen zum Stein belehnt, zugleich im Namen seiner Brüder Georg Gott- fried, Philipp Sighart und Christoph Wilhelm, Hans Jakob von Berstett mit 20 Viertel und ı Achtel Korngelds und dann 17 Viertel Korngelds, davon sind 7 Viertel eigen und 3! Viertel von dem Frongarten zu Eckwersheim, ferner mit drei Hofstätten, dem Gerütt und Hurst und dem Dinghof zu Hördt. Orig. Perg. 352

1748 Nov. 5. Buchsweiler,. Ludwig Erbprinz und Land- graf zu Hessen-Darmstadt belehnt Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett mit dem Hochwald, dem Reutholz, dem Brühel und auf dem Dinghof zu Eckwersheim 4 Viertel Habergelds und 14 ß Pfenniggelds. Orig, Perg. S. 353

1749 Dez. ı2. Paris. Charles de Rohan belehnt Philipp Reinhard von Berstett mit dem ehemals von der Familie von Rathsamhausen zum Stein zu Lehen gehenden Afterlehen zu Eckwersheim und Hördt. Orig. Pap. S. 354

1754 Okt. 18. Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an Hans Ziller zu Eckwersheim ein Gültgütel ebenda auf Jahre gegen eine jährliche Gült von drei Sester Korn. Orig. Pap. 355

1754 Okt. 18. Strassburg. Philipp Reinhard von Berstett und Wilhelm Jakob von Berstett, Gebrüder, verpachten an Anna Hirt geb. Pfrimmer zu Eckwersheim, in Abwesenheit ihres Mannes verbeistandet durch Hans Lips, 2 Acker ı Viertzel Grund zu Eckwersheim auf 9 Jahre unter genannten Bedingungen. Orig. Pap. 356

1754 Okt. ı8. Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an Michael Riehl zu Eckwers- heim ein Gültgut ebenda auf 9 Jahre gegen eine jährliche Gült von 8 Viertel Korn. Orig. Pap. 357

1754 Okt. ı8. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an Hans Haberbusch zu Eckwersheim ein Gültgütel zu Eckwersheim auf 9 Jahre gegen eine Gült von 4 Viertel Korn. Orig. Pap. 358

1754 Okt. 18. Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an Hans Zimmer d. j. zu Eck- wersheim 2 Acker und ı Zweitel Grund ebenda auf Jahre unter genannten Bedingungen. Orig. Pap. 359

1754 Okt. ı8. Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an Andres Schultz zu Eckwers- heim ein Gültgut zu Eckwersheim auf g Jahre gegen eine jähr- liche Gült von 9 Viertel Korn. Orig. Pap. 360

1754 Okt. ı8. Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an Anna Riehl zu Eckwersheim ein Gültgütel ebenda auf g Jahre gegen eine jährliche Gült von ein Viertel Korn. Orig. Pap. 361

1754 Okt. 18. Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an Andres Pfrimmer, Ackersmann

Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. m53

zu Eckwersheim, ein Gültgütel ebenda auf 9 Jahre gegen eine jährliche Gült von 4 Viertel, ı Sester und 2 Vierling Korn. Orig. Pap. 362

1754 Okt. ı8. Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an Hans Wolff zu Eckwersheim ein Gültgütel ebenda auf 9 Jahre gegen eine jährliche Gült von drei Viertel Korn. Orig. Pap. 363

1754 Okt. ı8. Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an Andres Lobstein zu Eckwers- heim ein Gültgütel ebenda gegen eine jährliche Gült von ı Viertel Korn. Orig. Pap. 364

1754 Okt. ı8. Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm

‚Jakob von Berstett verpachten an Hans Veltin zu Eckwersheim

ein Gültgütel ebenda gegen eine jährliche Gült von 2 Viertel und 3 Sester Korn. Orig. Pap. 365

1754 Okt. ı8. Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an Jakob Berger zu Eckwersheim ein Gültgütel ebenda auf 9 Jahre gegen eine jährliche Gült von drei Sester Korn. Orig. Pap. 366

1754 Okt. ı8. Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an Jakob Pfrimmer zu Eckwers- heim ein Gültgütel ebenda gegen eine jährliche Gült von ı Viertel ı Sester ı Vierling Korn. Orig. Pap. 367

1754 Okt. ı8. Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an Jakob Pfrimmer d. ä. zu Eck- wersheim ein Gültgütel gegen eine jährliche Gült von 4 Viertel ı Sester Korn. Orig. Pap. 368

1754 Okt. 18. Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an Martin Straub zu Eckwersheim ein Gültgütel ebenda gegen eine jährliche Gült von 2 Viertel Korn. Orig. Pap. 369

1754 Okt. 18. Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an Jakob Pfrimmer d. j. zu Eck- wersheim ein Gültgütel ebenda gegen eine jährliche Gült von 2 Viertel 3 Sester Korn. Orig. Pap. 370

1754 Okt. 18. Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an Georg Pfrimmer d. j. zu Eck- wersheim ein Gültgütel ebenda gegen eine jährliche Gült von ı Viertel Korn. Orig. Pap. 371

1754 Okt. 18. Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an Klaus Pfrimmer zu Eckwers- heim ein Gültgütel ebenda gegen eine jährliche Gült von 2 Viertel Korn. Orig. Pap. 372

1754 Okt. 18. Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an Hans Hirt d. a. zu Eckwers- heim ein Gültgütel ebenda gegen eine jährliche Gült von 2 Viertel

und 3 Sester Korn. Orig. Pap. 373

m54 Frankhauser.

1754 Okt. ı8, Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an Michel Zimmer zu Eckwers- heim ein Gültgütel ebenda gegen eine jährliche Gült von 4 Viertel und 3 Sester Korn. Orig. Pap. 374

1754 Okt. 18. Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an Andres Zimmer, Hans Haber- busch und Jakob Irrmann zu Eckwersheim ein Gültgütel ebenda gegen eine jährliche Gült von 3 Viertel und 2 Sester Korn. Orig. Pap. | 375

1754 Okt. ı8. Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an Hans Zimmer zu Eckwersheim ein Gültgütel ebenda gegen eine jährliche Gült von 4 Viertel

3 Sester Korn. Orig. Pap. 370 1756 Nov. 19. Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten steigerungsweise die grosse

Brühlmatte zu Eckwersheim auf 6 Jahre lang an den Schult- heissen Frantz Wintz zu Vendenheim gegen eine Pacht von 160 fl. Orig. Pap. 377

1762 Jan. 19. Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an den Schultheissen Nikolaus Ammann zu Olvisheim und an Hans Freiß zu Berstett die sogen. grosse Brühlmatte zu Eckwersheim auf 6 Jahre lang gegen eine Pacht von 186 fl. jährlich. Orig. Pap. 378

1767 Juli 2. Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an Hans Frei zu Berstett und Veltins Veltin zu Nieffern die grosse Brühlmatte zu Eckwersheim auf 6 Jahre lang gegen eine jährliche Pacht von ıgo fl. Orig. Pap. 379

1773 April 21. Strassburg. Philipp Reinhard von Berstett verpachtet an Niklaus Gradt, Schlossmeier zu Berstett, die Hälfte an der kleinen sogen. Brielmatte zu Eckwersheim auf 9 Jahre gegen einen jährlichen Zins von 30 fl. Orig. Pap. 380

1780 März 20. Strassburg. Philipp Reinhard von Berstett verpachtet an Michel Veltin zu Berstett, Hans Veltin zu Nieffern und Hans Freiß zu Eckwersheim die grosse Brühlmatte zu Eck- wersheim auf 6 Jahre gegen einen jährlichen Pachtzins von 193 fl. Orig. Pap. 381

1781 Mai 25. Strassburg. Philipp Reinhard von Berstett verpachtet an seinen Schlossmeier Georg Riehl zu Berstett die von seinem Bruder ererbte Hälfte an der sogen. kleinen Brühl- matte zwischen Eckwersheimer Bann und dem Berstetter Lehen- wald gelegen auf 9 Jahre lang gegen einen jährlichen Zins von 30 f. Orig. Pap. 382

1784 Juli 4. Buchsweiler. "Landgraf Ludwig von Hessen belehnt Philipp Jakob Reinhard von Berstett mit dem Hochwald, dem Reutholz, dem Brühel und auf dem Dinghof zu Eckwers- heim 4 Viertel Haber- und 14 ß Pfenniggelds. Orig. Perg. 383

Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. m55

1787 April 24. Berstett. Philipp Jakob Reinhard von Berstett verpachtet an Hans Freyß, Kronenwirt zu Eckwersheim, und Adam Freyfß zu Berstett auf 9 Jahre lang die grosse Rrühl- matte zu Eckwersheim gegen eine jährliche Pacht von 193 fl. Orig. Pap. 384

ı787 Mai 2. Vergleich zwischen Philipp Jakob Reinhard von Berstett und der Gemeinde Eckwersheim unter Zuziehung des geschworenen Geometers beim kgl. Rat zu Colmar Striedbeck, betr. die Beilegung der Streitigkeiten wegen der Grenzen des Markschlages genannten Teiles des Berstetter Waldes. Orig. Pap.

385

17. Eichhofen (Kreis Schlettstadt).

1631 Nov. ıı. Vor Schultheiss, Heimburger und Gericht verkauft Martin Eckh d. j. Wolf Jakob von Landsperg einen halben Acker Reben zu Eichhofen um go fl. und ı Viertel Früchte. Orig. Perg. 386

18, Ettenheim.

1512 Mai 10. Vor dem strassburg. Hofrichter bekennen Georg Rutenstock von Altdorf und Anton Rutenstock von Wall- burg, dass sie von dem Ritter Ludwig Böckel zu Strassburg die sogen. Rutmatte im Banne von Ettenheim als Erblehen empfangen haben gegen einen Zins von 17 ß strassburg. Pfennigen. Orig. Perg. S. 387

1527 Aug. 29. Vor dem strassburg. Hofgericht bekennt Georg Scherer von Ettenheim, dass die in dem Pachtvertrag von 1512 Mai ı2 genannten Georg und Anton Rutenstock auf die in diesem Vertrag erwähnte sogen. Rutmatte im Banne von Ettenheim zu seinen Gunsten verzichtet hätten und verspricht, dem Ritter Ludwig Böcklin den in dem Vertrag stipulierten Erbzins von 17 8 strassburg. Pfennigen jährlich zu bezahlen. Orig. Perg. S. 388

1675 Febr. 14. Schultheiss, Bürgermeister und Rat der Stadt Ettenheim inmittieren und setzen Jakob Christoph Böckle von Böcklinsau in den Besitz einer näher beschriebenen, von demselben auf Grund einer Urkunde beanspruchten Matte. Orig. Perg. S. 389

1824 Febr. 20. Karlsruhe. Grossherzog Ludwig belehnt Wilhelm Ludwig Leopold Reinhard von Berstett mit dem ehemals von Ichtersheimischen Lehen, das »Mittelhofgut« zu Ettenheim. Orig. Perg. S. 390

1832 Jan. 27. Karlsruhe. Grossherzog Leopold von Baden belehnt den Staatsminister von Berstett mit dem von lIchters- heimischen Lehen, »das Mittelhofgut« zu Ettenheim. Orig. Perg. S.

391I

m56 Frankhanser.

1838 Sept. 23. Karlsruhe. Grossherzog Leopold von Baden belehnt den Freiherrn Karl Adrian Reinhard von Berstett mit dem, sogen. »Mittelhofgut, auch Askanigut« zu Ettenheim, gegen- wärtig bestehend aus Gütern zu Ettenheim, Altdorf, Herbolzheim und Kippenheim. Orig. Pap. S. 392

1854 Juni 14. Karlsruhe, Grossherzog Friedrich von Baden belehnt den Freiherrn Adrian von Berstett mit dem sogen. »Mittel- hofgut, auch Askanigut« zu Ettenheim, das ehemals dem Frei- . herrn Hannibal von Ichtersheim gehört hatte, bestehend in Liegen- schaften zu Ettenheim und Altdorf und Lehenkapitalien. Orig. Pap. S. 393

19. Feldkirch (Amt Staufen).

1832 März 30. Karlsruhe. Grossherzog Leopold von Baden belehnt den Staatsminister Wilhelm Ludwig Leopold Reinhard von Berstett mit dem ehemals von Badenschen Lehen zu Feld- kirch, bestehend in 60 Jauch Ackerland, auf den Bännen von Feldkirch und Hartheim gelegen, und in einem Lehenkapital von 7200 fl. Orig. Pap. S. 394

1838 Sept. 23. Karlsruhe, Grossherzog Leopold von Baden belehnt den Freiherrn Karl Adrian Reinhard von Berstett mit dem ehemals von Badenschen Lehen zu Feldkirch wie 1832 März 30. Orig. Pap. S. 395

20. Fessenheim (Kreis Strassburg-Land).

ı501 Jan. 22 und 1503 Juni 7. Vor dem strassburg. Hof- richter verkaufen Johannes genannt Stadelhanns von Winzen- heim und seine Hausfrau Margaretha Kornmann an Wendelin gen. Schmids Wendelin von Hürtigheim und dessen Hausfrau Margarethe Rorlenntz genannte Güter zu Fessenheim für 20 # strassb. Pfennige. Orig. Perg. 306

1573 März ı8. Vor dem strassburg. Hofrichter verkaufen Diebold Hecker von Quatzenheim und seine eheliche Hausfrau Katharina an Pankratz von Landsperg genannte Güter zu Fessen- heim und Quatzenheim um 120 fl. strassburg. Orig. Perg. 39;

21. Furchhausen (Kreis Zabern).

1537 Nov. ı2. Vor Uhnterschultheiss und Rat der Stadt Zabern bekennen Lienharts Hans Diebold und seine Hausfrau Anna von Furchhausen, dass sie von Wolfgang Voltz von Altenau Haus, Hof und Hofstatt zu Furchhausen zu Erblehen empfangen haben gegen einen jährlichen Zins von ı ® strassburg. Pfennige, fällig auf Martini. Orig. Perg. 398

1537 Nov. ı2. Vor Unterschultheiss und Rat zu Zabern bekennen Martin Kubler und seine eheliche Hausfrau Merg von

Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. m57

Furchhausen, dass sie von Wolfgang Voltz von Altenau ein Haus mit Hof, Hofstatt usw. zu Erblehen empfangen haben gegen einen jährlichen Zins von ı B strassburg. Pfennige und ı Kappen Gelds. Orig. Perg. S. (besch.). 399

1561 Sept. 27. Vor Schultheiss und Rat der Stadt Zabern verkaufen Klaus Rott von Furchhausen und Merga, seine Haus- frau, an- Hans Bidermann zu St. Johann ı Æ und 15 ß Pfennig- gelds, fällig auf Michaelis von Haus, Hof, Hofstatt usw. zu Furchhausen, um 35 ® strassburg. Pfennige. Orig. Perg. S. 400

1563 Febr. 8. Vor dem strassburg. Hofrichter verkaufen Adolf Gall und seine Hausfrau Barbara an die Geschwister Hans Jakob Wolf und Susanna Voltz von Altenau, vertreten durch ihren Untervogt Jorg Kuntzmann von Strassburg, einen jährlichen Zins von 6 ĝ Pfenniggelds von Haus, Hof, Hofstatt usw, zu Furch- hausen um 6 g strassburg. Pfennige. Orig. Perg. S. 401

1563 März 11. Vor dem strassburg. Hofrichter verkaufen Gall Kolb von Furchhausen und seine Hausfrau Applong an die Geschwister Jakob Wolf und Susanna Voltz von Altenau, vertreten durch ihren Untervogt Jörg Kuntzmann aus Strassburg, 8 8 Pfenniggelds von Hof, Haus, Hofstatt usw. zu Furchhausen um 8 g strassburg. Pfennige. Orig. Perg. S. 402

1566 Nov. 23. Vor Schultheiss und Rat zu Zabern ver- kaufen Jerg Hans Lorentz von Furchhausen und Anna, seine Ehefrau, an Ulrich Peter zu Olvisheim 10 ĝ Pfenniggelds strass- burg. Währung von genannten Gütern zu Furchhausen um 10 # strassburg. Pfennige. Orig. Perg. 403

1595 Febr. 25. Furchhausen. Vor Schultheiss, Heimburger und Gericht zu Furchausen bekennen Diebold Knoblauch und seine Hausfrau Othilia, dass sie Hans Jakob Voltz von Altenau von genannten Gütern zu Furchhausen und Schweinheim einen jährlichen Zins von 10 ĝ strassburg. Pfennigen, abzulösen mit ıo ® strassburg. Pfennigen, schuldig sind. Orig. Perg. 404

1595 Febr. 25. Furchhausen. Vor Schultheiss, Heimburger und Gericht zu Furchhausen bei Elsass-Zabern verkaufen Daniel Lang und seine Hausfrau Katharina an Jakob Voltz von Altenau einen jährlichen Zins von 9 ß 6 strassburg. Pfennigen, fällig auf St. Gregorientag, von Hof, Haus, Hofstatt, Garten zu Furch- hausen um 9 @ 10 ĝ strassburg. Pfennige. Orig. Perg. 405

1595 Febr. 26. Furchhausen. Vor Schultheiss, Heimburger und Gericht zu Furchhausen bekennen Matthys Gilgmar . und seine Hausfrau Anna, dass sie im Jahre 1573 Hans Jakob Voltz von Altenau einen jährlichen Zins von ı Æ 68 3 » von Hab und Gütern, fällig auf Martini, verkauft haben. Orig. Perg. 406

1603 Mai ı9. Mosse jud zu Schaffhausen und Bissel, seine Hausfrau, verkaufen an Johann Heinrich Voltz von Altenau- Kolbsheim und seiner Hausfrau Veronika von Endingen eine Behausung, Hof, Hofstatt usw. zu Furchhausen um r115 fl. Orig. Perg. 407

m58 Frankhauser.

1681 Sept. 13. Hans Heinrich Voltz von Altenau verkauft Vix Wendling zu Furchhausen und seiner Hausfrau Margarethe Hof, Haus, Hofstatt usw. zu Furchhausen nebst genannten Gütern um 130 % strassburg. Pfennige. Orig. Pap. 408

1620 März 21. Hans Heinrich Voltz von Altenau verkauft an Martin Rickhart zu Furchhausen Haus, Hof, Hofstatt zu Furch- hausen um 50 f strassburg. Pfennige. Orig. Pap. (Kerbzettel).

409

1622 Okt. 24. Hans Heinrich Voltz von Altenau verkauft an Hans Nisius, Meier zu Furchhausen, Haus, Hof, Hofstatt usw. zu Furchhausen um 250 fl. Orig. Pap. 410

1623 Okt. 16. Furchhausen. Vor Schultheiss und Schöffen des Gerichts zu Furchhausen machen Hans Monsch und seine Ehefrau Frawel einen Tausch mit ihrem Tochtermann Hans Achenheim und dessen Ehefrau Katharina bezüglich ihrer zu Furchhausen gelegenen Häuser, Hofraiten und Güter unter näher angegebenen Bedingungen. Orig. Perg. gl

1658 Jan. 8./18. Strassburg. Margarete Nysiussin, Witwe des verstorbenen Schultheissen Jakob Simon zu Furchhausen, verkauft an Johann. Reinhard Voltz von Altenau Haus, Hof, Hofstatt usw. zu Furchhausen nebst genannten Gütern um 300 fi. Orig. Pap. 412

22. Gebolsheim (Kreis Hagenau).

1388 Juli 31. Gößlin von Kageneck und Wirich von Ber- stett, Sohn Hugos von Berstett, reversieren Boëmund von Etten- dorf Herrn von Hohenfels über ihre Belehnung mit dem Kirchen- satze und 30 Vierteln Roggengelds auf dem Laienzehnten zu Gebolsheim. 2 Kop. Pap. 413

Geisweiler (Kreis Strassburg-Land).

1692 Okt. 24. DBuchsweiler. Jakob Adam und Philipp Jakob von Berstett verpachten an Jakob Heintz und Gangolfis Wendling zu Geisweiler auf 6 Jahre ihr Gültgut zu Geisweiler für eine jährliche Gült von 30 Viertel Hafer. Orig. Pap. Libell.

414

1721 Juli 10.. Buchsweiler. Jakob Adam und Philipp Jakob von Berstett verpachten an Jakob Heintz, Gerichtsschöffen, zu 2/3 und Gangolfs Wendling zu Geisweiler zu !/; ihr Gültgut zu Geisweiler gegen eine jährliche Gült von zusammen 40 Viertel Hafer auf 18 Jahre lang. Orig. Pap. Libell. S. in duplo. 415

1743 März 20. Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an Jakob Michel und Ganglof Wendlings Wittib zu Geisweiler ihr Gültgut zu Geisweiler, und zwar dem ersteren zu 2/,, der letzteren zu t/s, auf 18 Jahre

Fıeih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe.

m59 gegen eine jährliche Gült von insgesamt 42 Viertel und 7 Sester Hafer. Orig. Pap. Libell. 2 S. 416

1779 Dez. 27. Strassburg. Philipp Reinhard von Berstett verpachtet an Johannes Michel und Georg Gangloff zu Geis- weiler auf 9 Jahre das Gültgut zu Geisweiler, ersterem zu ?/s, letzterem zu !js;, gegen eine jährliche Gült von insgesamt 43 Viertel Hafer. Orig. Pap. S. 417

1789 Jan. 16. Strassburg. Philipp Jakob Reinhard von Berstett verpachtet an Johannes Michel und Georg Gangloff zu Geisweiler, ersterem zu ?/s, letzterem zu ją, sein Gültgut zu Geisweiler gegen eine jährliche Gült von 44 Viertel Hafer. Orig. Pap. 418

23. Gerstheim (Kreis Erstein).

1435 Juni 4. Vor dem strassburg. Hofgericht verpachtet Bernhard Böcklin zu Strassburg in seinem und des Georg Zorn Namen an Johann von Seckingen, Bürger zu Strassburg, auf ı2 Jahre ihren Anteil an der Schafweide zu Gerstheim für einen jährlichen Zins von 6 @ 4 £ und 6 strassburg. Pfennigen. Orig. Perg. S. 419

1446 Aug. 20. Vor dem strassburg. Hofrichter verkaufen Alexius gen. Megelin und Erhard gen. Hartunges Erhard, Metzger zu Strassburg, an Bernhard Böckel zu Strassburg eine Hofstätte mit Haus und Scheune zu Gerstheim, von der dem genannten Böckel und Georg Zorn bereits 8 8 Pfennige als Grundzins zustehen, für 6 # strassburg. Pfennige. Orig. Perg. 420

1447 März 22. Rudolf Zorn von Bulach, Ritter, der Meister und Rat von Strassburg entscheiden einen Streit zwischen ihren Bürgern Bernhard Böckel und Jerg Zorn einer- und Ulrich Bock d. ä. andererseits wegen des Fischwassers zu Gerstheim dahin, dass die zu dem Haus Bockstein gehörigen Wasser, .die Schwanauer Wog usw., Ulrich Bock zugehören sollen, die zu dem Dorfe Gerstheim gehörigen Wasser aber bei Bernhard Böckel und Jerg Zorn als den Bannerherren und bei dem Dorfe Gerst- heim verbleiben sollen. Orig. Perg. 421

1457 Sept. 24. Jerg Zorn, Ritter, verkauft an Klaus Zorn von Bulach, Sohn des Ritters Rudolf Zorn, seinen Anteil und seine Rechte an dem Turn zu Gerstheim, von dem Jerg Zorn von dem Ritter Johanns Böckel !/, gekauft hatte, um 30 fl. rheinisch, mit dem Rechte, den Turn, der lange öde gestanden, wieder wohnbar einzurichten. Orig. Perg. S. 422

1467 Mai 13. Jörg Zorn, Propst zum Jungen St. Peter, Hans Böcklin, Ritter, Klaus Zorn von Bulach und Stefan Bock von Bläsheim als Bannerherren zu Gerstheim erlassen eine Ord- nung für ihr Dorf Gerstheim. Orig. Perg. 3 S. "423

1514 Juni 20. Vor dem strassburg. Hofrichter verkaufen Nikolaus Wurmser, Dekan, und das Kapitel zu St. Thomas zu

moo Frankhauser.

Strassburg, ferner Friedrich Ungerer und Ursula Ungerer, seine Schwester und Ehefrau des Nikolaus Hammer, und Heinrich von St. Johann, Fürsprech des kleinen Rats, ferner Nikolaus Hammer als Vormund von Wolfgang, Georg und Johann, Söhnen des verstorbenen Johannes Ungerer, an Johann Bock von Gerstheim, Ritter, und den Goldschmied Lambert Sebold, alle zu Strassburg, genannte Güter, Zinsen und Gülten zu Gerstheim um 350 fl. rheinisch. Orig. Perg. 424

1606 Jan. 2. Maria Magdalena Johamin von Mundolsheim geb. Märxin von Eckwersheim verkauft mit Zustimmung ihres Gemahls Philipp Joham von Mundolsheim an Theobald Voltz, Bürger zu Gerstheim, Stück und Güter zu Gerstheim um 400 f strassburg. Pfennige. Kop. 17. Jahrh. Pap. 425

1621 Sept. 7. Michel Rieffel und Hans Schüllkopf von Gerstheim bekennen, dass sie von Hans Kaspar Wurmser das sogen. »Kleinen Hannß Michells Gut« zu Gerstheim als Erblehen empfangen haben gegen eine jährliche Gült von 2 Viertel Weizen und ı2 Viertel Hafer. 2 Orig. Perg. S. 426

1630 Aug. 9 und 1631 Febr. 4. Vor Statthalter und Ge- richt zu Gerstheim verkauft Lenhardt Henck bei der Kirchen der jung und seine Hausfrau Appolonia an Salome Böckin, Witwe, gebor. von Fegersheim einen jährlichen Zins von 4 Pfennigen Landeswährung, jährlich auf Laurentius fallend, und zwei Tauwen Matten um 50 % Pfennige oder 100 fl. Orig. Perg. 427

1634 Mai ı. Wolf Ludwig, Beat Jakob und Klaus Eber- hard Bock von Gerstheim, Gebrüder, übergeben Wolf Jakob von Landsperg ein genanntes Grundstück zu Gerstheim zu Eiger. Orig. Pap. 3 S. 428

1679 Mai g. Strassburg. Jakob Friedrich Bock von Bläs- heim und Gerstheim verkauft an Meylach von Dettlingen ver- schiedene genannte len zu Gerstheim um 150 fl. Orig. Pap. S. 429

‚1684 Nov. 2. Se Elisabeth Margaretha von Rath- samhausen zum Stein, Witwe, geb. Zorn von Bulach, Sophia und Anna Katharina Zorn von Bulach, alle drei Kinder des Ferdinand Zorn und der Anna Margarethe von Berstett, verbeistandet. durch Johann Jakob von Berstett und Franz Ludwig Zorn von Bulach, verkaufen Meilach von Dettlingen die sogen. Zembsmatte zu Gerstheim um ı40 fl. Orig. Pap. 6 S. Mit Bestätigung des Ritterschaftsdirektoriums von 1684 Nov. 23. 430

1690 Juli 26. Meylach von Dettlingen übergibt tauschweise seinen Anteil an dem sogen. Kagenecker Zehnten zu Venden- heim im Frtrage von 5 Viertel 4 Sester und ı Vierling halb Weizen, halb Roggen an Franz Jakob Wurmser von Vendenhein gegen 4 Tagen Matten zu Gerstheim, 5!/, Viertel Roggen, Gerste und Haber und 2 ® 3 £ und 4 Pfennige Gelds auf dem Ding- hof zu Scharrachbergheim. Orig. Perg. S. Not.instr, 45!

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Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. m6ı

1721 März ıı. Strassburg. Friedrich Ferdinand von Dett- lingen verkauft an Leopold Philipp von Dettlingen seinen Anteil an dem Dettlingen’schen Hause zu Gerstheim um ı50 fl. Extrakt aus dem ritterschaftl. Kontraktenprotokoll. Pap. 432

ı742 Dez. 5. Gerstheim. Friedrich Ferdinand von Dett- lingen vertauscht einen halben Acker Garten zu Gerstheim gegen einen halben Acker Feld ebenda, dem Bürger Hans Adam Schoch gehörig. Orig. Perg. 433

1744 Nov. 6. Strassburg. Johann Eberhard von Berckheim als Vormund der Kinder Christian Reinhards von Dettlingen ver- pachtet an Jakob Voltz zu Gerstheim auf 9 Jahre die von letzterem bis jetzt schon innegehabten Dettlingen’schen Kaduk- süter gegen eine jährliche Gült von 2 Viertel 2 Sester ı Vier- ling 2'/; Mass Hafer. Orig. Pap. 434

1748 Nov. 11. Franz Karl und Friedrich Heinrich Bock - von Gerstheim und Bläsheim tauschen den zu ihrem Gerstheimer = Stammgut gehörigen sogen. Kappelgarten ein gegen das dem Leopold Philipp von Dettlingen gehörige Feld, genannt die Graumatte, und gegen einen auf dem genannten Kappelgarten zu fundierenden Zins von 25 livres tournois. Orig. Pap. Extr. aus dem Kontraktenbuch der unterelsäss Ritterschaft. S. 435

1750 Jan. 28. Gerstheim. Andreas Wagner, evangelischer Pfarrer zu Gerstheim, vertauscht einen zum Wittumsgut gehörigen

Acker Feld gegen einen andern, dem Freiherrn Leopold Philipp von Dettlingen, Brigadier der königl. Armee, gehörigen. Orig. Perg. S. 436

| 1750 Jan. 28. Strassburg. Tauschvertrag zwischen Herrn von Kirchheim, seiner Ehefrau Dorothea Philippine von Dett- lingen einerseits und Leopold Philipp von Dettlingen andrer- seits, bezüglich genannter Äcker zu Gerstheim. Konz. (?) Pap. 437

1757 April 22. Gerstheim. Leopold Philipp von Dett- lingen, brigadier d’infanterie, tauscht von Joseph Strub die Hälfte von dessen auf seinen Meierhof stossenden Garten ein gegen einen halben Acker, 50 fl. und einen Nachlass an Gültfrüchten von zwei Vierteln, einem Sester Weizen und ebensoviel Gerste. Orig. extr. aus dem Gerstheimer Kontraktenprotokoll. 438

1759 Sept. 14. Strassburg. Sidonie Dorothea von Kirch- heim verkauft Leopold Philipp von Dettlingen Herrn von Gerst- heim, kgl. französ. Brigadier, ihren Anteil bestehend in zwei Dritteln an: 5/,s näher beschriebener Güter zu Gerstheim und Öttenheim, die sie von ihrer Mutter Dorothea Philippine geb. von Dettlingen ererbt hatte, um 13000 livres tournois. Not.instr., Perg. 4 BI. 439

1765 Febr. 25. Gerstheim. Aron Jakob, Schirmsverwandter zu Gerstheim, und Elge, seine Hausfrau, stellen der Frau von Dettlingen geb. Schenk von Schmittburg einen Schuldschein über 20 fl. aus. Orig. extr. 440

m52 Frankhauser.

1665 Jan. 7. Chirotheus Constantinus von Rathsamhausen zum Stein belehnt, zugleich im Namen seiner Brüder Georg Gott- fried, Philipp Sighart und Christoph Wilhelm, Hans Jakob von Berstett mit 20 Viertel und ı Achtel Korngelds und dann ı7 Viertel Korngelds, davon sind 7 Viertel eigen und 31/3 Viertel von dem Frongarten zu Eckwersheim, ferner mit drei Hofstätten, dem Gerütt und Hurst und dem Dinghof zu Hördt. Orig. Perg. 352

1748 Nov. 5. Buchsweiler. Ludwig Erbprinz und Land- graf zu Hessen-Darmstadt belehnt Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett mit dem Hochwald, dem Reutholz, dem Brühel und auf dem Dinghof zu Eckwersheim 4 Viertel Habergelds und 14 ĝ Pfenniggelds. Orig. Perg. S. 353

1749 Dez. 12. Paris. Charles de Rohan belehnt Philipp Reinhard von Berstett mit dem ehemals von der Familie von Rathsamhausen zum Stein zu Lehen gehenden Afterlehen zu Eckwersheim und Hördt. Orig. Pap. S. 354

1754 Okt. ı8. Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an Hans Ziller zu Eckwersheim ein Gültgütel ebenda auf 9 Jahre gegen eine jährliche Gült von drei Sester Korn. Orig. Pap. 355

1754 Okt. 18. Strassburg. Philipp Reinhard von Berstett und Wilhelm Jakob von Berstett, Gebrüder, verpachten an Anna Hirt geb. Pfrimmer zu Eckwersheim, in Abwesenheit ihres Mannes verbeistandet durch Hans Lips, 2 Acker ı Viertzel Grund zu Eckwersheim auf 9 Jahre unter genannten Bedingungen. Orig. Pap. 356

1754 Okt. 18. Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an Michael Riehl zu Eckwers- heim ein Gültgut ebenda auf Jahre gegen eine jährliche Gült von 8 Viertel Korn. Orig. Pap. 357

1754 Okt. 18. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an Hans Haberbusch zu Eckwersheim ein Gültgütel zu Eckwersheim auf g Jahre gegen eine Gült von 4 Viertel Korn. Orig. Pap. 358

1754 Okt. 18. Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an Hans Zimmer d. j. zu Eck- wersheim 2 Acker und ı Zweitel Grund ebenda auf g Jahre unter genannten Bedingungen. Orig. Pap. 359

1754 Okt. ı8. Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an Andres Schultz zu Eckwers- heim ein Gültgut zu Eckwersheim auf Jahre gegen eine jähr- liche Gült von 9 Viertel Korn. Orig. Pap. 360

1754 Okt. 18. Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an Anna Riehl zu Eckwersheim ein Gültgütel ebenda auf Jahre gegen eine jährliche Gült von ein Viertel Korn. Orig. Pap. 361

1754 Okt. 18. Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an Andres Pfrimmer, Ackersmann

Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. m63

1780 [Juni 6]. Johann Diebold Weiller, Bürger zu Gerst- heim, ersteigert ein Vierzel Feld, das zu dem freiadligen und immatrikulierten von Dettlingen’schen Gut zu Gerstheim gehört. Orig. Perg. S. 449

1780 Juni 29. Die Gemahlin Philipps Jakobs Reinhards von Berstett geb. von Dettlingen ersteigert aus der Verlassen- schaft der Katharina Lauffenburger, Witwe weil. Diebold Hencks zu Gerstheim, einen halben Acker Felds zu Gerstheim um 44 fl. strassburg. Orig. Perg. 450

1780 Juli 6. Strassburg. Joseph Lehmann, Handelsjude zu Bischheim, für sich und den Handelsjuden Jakob Wurmbser aus Rappoltsweiler verkauft an Philipp Jakob Reinhard von Ber- stett ein halb Ackerfeld in dem Dettlinger Gut, Kanton Pferrich zu Gerstheim, um soo & Pfennige. Pap. Kop. 451

1782 März 4. Diebold Weiler, Bürger zu Gerstheim, ver- kauft Philipp Jakob Reinhard von Berstett ein Vierzel Felds im hochadel. Bann Dettlingen zu Gerstheim um 8o fl. strassburg. Währung. Orig. extr. Perg. S. 452

1782 Juni 25. Gerstheim. Johann Michael Gaßer zu Gerstheim verkauft an Philipp Jakob Reinhard von Berstett ein Zweitel Feids um 120 fl. strassburg. Orig. extr. Perg. S. 453

24. Grenzach (Amt Lörrach).

1824 Aug. 2. Grossherzog Ludwig von Baden belehnt den Staatsminister Wilhelm Ludwig Leopold Reinhard von Berstett mit dem ehemals von Mundolsheim’schen Lehen, bestehend in genannten Geld-, Frucht- und Weinzinsen zu Grenzach. Orig.

Perg. S. 454

25. Griesheim (Kreis Strassburg-Land).

1424 Juli 17. Bischof Wilhelm von Strassburg belehnt Adam und Peter von Berstett mit Ackern zu Griesheim im Banne Spißholtz, mit 40 Viertein Habergelds von Hof, Äckern und Matten zu Geisweiler, mit Haus und Hof zu Dorlisheim und einem Dinghof ebenda. Orig. Perg. 455

1441 Dez. 8. Molsheim. Bischof Ruprecht von Strassburg belehnt Hans von Berstett mit dem Lehen zu Griesheim, Geis- weiler und Dorlisheim. Orig. Perg. | 456

1441 Dez. 8. Molsheim. Hans von Berstett reversiert, zugleich als Träger seines Vetters Hugo von Berstett, Bischof Ruprecht von Strassburg über seine Belehnung mit den Gütern zu Griesheim im Banne Spißholtz, mit 40 Viertel Habergelds von Hof, Acker und Matten zu Geisweiler, mit Haus und Hof zu Dorlisheim und dem Dinghof ebenda. Kop. Pap.. Bei-

müs Franzkhauser.

gefügt ein Verzeichnis der übrigen Revere az: Cez Jahre 1461 1647. i u s5: 1461 März ;. Zabem. Bischof Ruprec-- zu Srassbur;

beleint Wirich von Berstett mit den Ackern zu Kriezeicem in dem sogen. Banne Spiöholz, mit 40 Viertel Haber von einen Hofe, Acker und Matten zu Geisweiier, mit Haus cad Hof und dem sogen. Berstettischen Dinghof zu Dorlispeim. Oriz. Perz, 5$

1431 Aug. 17. Zabern. Bischof Albrecht von a belehnt Garsilius von Berstett für sich und seine Brüder Hur. Jörg und Michel mit Äckern zu Kriezeßheim im sogen. Spiĝ. holtz, mit 40 Viertel Haber zu Geisweiler, mit Haus und Ho zu Dorlisheim und dem Berstettischen Dingnof ebenda, Ori: Perg. 45. 1485 März 17. Zabern. Bischof Albrecht von Strassburg belehnt Hugo von Berstett für sich und als Träger seiner Brüder Garsilius, Jorg und Michel mit den Äckern zu Griesheim, mi 40 Viertel Habergelds von einem Hof, Acker und Matten zu Geisweiler, mit Haus und Hof zu Dorlisheim und dem Dinghoi ebenda. Orig. Perg. j

óo 1570 April 14. Johann, Elekt von Strassburg, belehnt Adam von Berstett mit den Äckern zu Griesheim im Banne Spißholız. mit 40 Viertel Habergelds von einem Hof, Äckern und Matte zu Geisweiler, mit Haus und Hof zu Dorlisheim und einem

Dinghof ebenda. Orig. Perg.

heim im Banne Spißholz, mit 40 Viertel Habergelds von Hot, Äckern und Matten zu Geisweiler, mit Haus und Hof zu Dorlis- heim und einem Dinghof daselbst. Orig. Perg. 462

1599 Nov. 29. Strassburg. Bischof Karl von Strassburg, röm. Kardinal, belehnt Adam, Joachim und Johann Ernst von Berstett mit Äckern zu Griesheim, gelegen im Spitzholzer Bann, mit 14 Viertel Habergelds von Hof, Äcker und Matten zu Geisweiler, mit Haus und Hof zu Dorlisheim und dem von Berstettischen Dinghofe ebenda. Orig. Perg. 463

1610 März 18. Zabern. Bischof Leopold von Strassburg (und Passau) belehnt Joachim und Hans Ernst von Berstett

stettischen Dinghof ebenda. Orig. Perg. 464

1027 Sept. 17. Zabern. Dekan und Kapitel als Admini- Stratores des Stifts Strassburg belehnen Joachim und Hans Ernst von Berstett mit Äckern zu Griesheim, gelegen im Banne Spitz- holtz, mit 14 Viertel Habergelds von Hof, Äcker und Matten zu Geisweiler, mit Haus und Hof zu Dorlisheim und dem Ber- stettischen Dinghof ebenda. Orig. Perg, 465

Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. m55

1787 April 24. Berstett. Philipp Jakob Reinhard von Berstett verpachtet an Hans Freyß, Kronenwirt zu Eckwersheim, und Adam Freyß zu Berstett auf 9 Jahre lang die grosse Rrühl- matte zu Eckwersheim gegen eine jährliche Pacht von 193 fl. Orig. Pap. | 384

ı787 Mai 2. Vergleich zwischen Philipp Jakob Reinhard von Berstett und der Gemeinde Eckwersheim unter Zuziehung des geschworenen Geometers beim kgl. Rat zu Colmar Striedbeck, betr. die Beilegung der Streitigkeiten wegen der Grenzen des Markschlages genannten Teiles des Berstetter Waldes. Orig. Pap.

385

17. Eichhofen (Kreis Schlettstadt).

1631 Nov. ıı. Vor Schultheiss, Heimburger und Gericht verkauft Martin Eckh d. j. Wolf Jakob von Landsperg einen halben Acker Reben zu Eichhofen um go fl. und ı Viertel Früchte. Orig. Perg. 386

18. Ettenheim.

1512 Mai 10. Vor dem strassburg. Hofrichter bekennen Georg Rutenstock von Altdorf und Anton Rutenstock von Wall- burg, dass sie von dem Ritter Ludwig Böckel zu Strassburg die sogen. Rutmatte im Banne von Ettenheim als Erblehen empfangen haben gegen’ einen Zins von 17 ß strassburg. Pfennigen. Orig. Perg. S. 387

1527 Aug. 29. Vor dem strassburg. Hofgericht bekennt Georg Scherer von Ettenheim, dass die in dem Pachtvertrag von ı512 Mai ı2 genannten Georg und Anton Rutenstock auf die in diesem Vertrag erwähnte sogen. Rutmatte im Banne von Ettenheim zu seinen Gunsten verzichtet hätten und verspricht, dem Ritter Ludwig Böcklin den in dem Vertrag stipulierten Erbzins von ı7 ß strassburg. Pfennigen jährlich zu bezahlen. Orig. Perg. S. 388

1675 Febr. 14. Schultheiss, Bürgermeister und Rat der Stadt Ettenheim inmittieren und setzen Jakob Christoph Böckle von Böcklinsau in den Besitz einer näher beschriebenen, von demselben auf Grund einer Urkunde beanspruchten Matte. Orig. Perg. S, 389

1824 Febr. 20. Karlsruhe. Grossherzog Ludwig belehnt Wilhelm Ludwig Leopold Reinhard von Berstett mit dem ehemals von Ichtersheimischen Lehen, das »Mittelhofgut« zu Ettenheim. Orig. Perg. S. 390

1832 Jan. 27. Karlsruhe. Grossherzog Leopold von Baden belehnt den Staatsminister von Berstett mit dem von lIchters- heimischen Lehen, »das Mittelhofguts zu Ettenheim, Orig. Perg. S.

391

m56 Frankhauser.

1838 Sept. 23. Karlsruhe. Grossherzog Leopold von Baden belehnt den Freiherrn Karl Adrian Reinhard von Berstett mit dem, sogen. »Mittelhofgut, auch Askanigut« zu Ettenheim, gegen- wärtig bestehend aus Gütern zu Ettenheim, Altdorf, Herbolzheim und Kippenheim. Orig. Pap. S. 392

1854 Juni 14. Karlsruhe, Grossherzog Friedrich von Baden belehnt den Freiherrn Adrian von Berstett mit dem sogen. »Mittel- hofgut, auch Askanigut« zu Ettenheim, das ehemals dem Frei- . herrn Hannibal von Ichtersheim gehört hatte, bestehend in Liegen- schaften zu Ettenheim und Altdorf und Lehenkapitalien. Orig. Pap. S. 395

19. Feldkirch (Amt Staufen).

1832 März 30. Karlsruhe. Grossherzog Leopold von Baden belehnt den Staatsminister Wilhelm Ludwig Leopold Reinhard von Berstett mit dem ehemals von Badenschen Lehen zu Feld- kirch, bestehend in 60 Jauch Ackerland, auf den Bännen von Feldkirch und Hartheim gelegen, und in einem Lehenkapital von 7200 fl. Orig. Pap. S. 394

1838 Sept. 23. Karlsruhe. Grossherzog Leopold von Baden belehnt den Freiherrn Karl Adrian Reinhard von Berstett mit dem ehemals von Badenschen Lehen zu Feldkirch wie 1832 März 30. Orig. Pap. S. 395

20. Fessenheim (Kreis Strassburg-Land).

1501 Jan. 22 und 1503 Juni 7. Vor dem strassburg. Hof- richter verkaufen Johannes genannt Stadelhanns von Winzen- heim und seine Hausfrau Margaretha Kornmann an Wendelin gen. Schmids Wendelin von Hürtigheim und dessen Hausfrau Margarethe Rorlenntz genannte Güter zu Fessenheim für 20 ä strassb. Pfennige. Orig. Perg. 396

1573 März ı8. Vor dem strassburg. Hofrichter verkaufen Diebold Hecker von Quatzenheim und seine eheliche Hausfrau Katharina an Pankratz von Landsperg genannte Güter zu Fessen- heim und Quatzenheim um ı20 fl. strassburg. Orig. Perg. 397

21. Furchhausen (Kreis Zabern).

1537 Nov. ı2. Vor Unterschultheiss und Rat der Stadt Zabern bekennen Lienharts Hans Diebold und seine Hausfrau Anna von Furchhausen, dass sie von Wolfgang Voltz von Altenau Haus, Hof und Hofstatt zu Furchhausen zu Erblehen empfangen haben gegen einen jährlichen Zins von ı Q strassburg. Pfennige, fällig auf Martini. Orig. Perg. 398

1537 Nov. ı2. Vor Unterschultheiss und Rat zu Zabern bekennen Martin Kubler und seine eheliche Hausfrau Merg von

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m58 Frankhauser.

1681 Sept. 13. Hans Heinrich Voltz von Altenau verkauft Vix Wendling zu Furchhausen und seiner Hausfrau Margarethe Hof, Haus, Hofstatt usw. zu Furchhausen nebst genannten Gütern um 130 % strassburg. Pfennige. Orig. Pap. 408

1620 März 2ı. Hans Heinrich Voltz von Altenau verkauft an Martin Rickhart zu Furchhausen Haus, Hof, Hofstatt zu Furch- hausen um 50 7 strassburg. Pfennige. Orig. Pap. (Kerbzettel).

409

1622 Okt. 24. Hans Heinrich Voltz von Altenau verkauft an Hans Nisius, Meier zu Furchhausen, Haus, Hof, Hofstatt usw. zu Furchhausen um 250 fl. Orig. Pap. 410

1623 Okt. 16. Furchhausen. Vor Schultheiss und Schöffen des Gerichts zu Furchhausen machen Hans Monsch und seine Ehefrau Frawel einen Tausch mit ihrem Tochtermann Hans Achenheim und dessen Ehefrau Katharina bezüglich ihrer zu Furchhausen gelegenen Häuser, Hofraiten und Güter unter näher angegebenen Bedingungen. Orig. Perg. qm

1658 Jan. 8./18. Strassburg. Margarete Nysiussin, Witwe des verstorbenen Schultheissen Jakob Simon zu Furchhausen, verkauft an Johann. Reinhard Voltz von Altenau Haus, Hof, Hofstatt usw. zu Furchhausen nebst genannten Gütern um 300 fi. Orig. Pap. 412

22. Gebolsheim (Kreis Hagenau).

1388 Juli 31. Gößlin von Kageneck und Wirich von Ber- stett, Sohn Hugos von Berstett, reversieren Boëmund von Etten- dorf Herrn von Hohenfels über ihre Belehnung mit dem Kirchen- satze und 30 \Vierteln Roggengelds auf dem Laienzehnten zu Gebolsheim. 2 Kop. Pap. 413

Geisweiler (Kreis Strassburg-Land).

1692 Okt. 24. DBuchsweiler. Jakob Adam und Philipp Jakob von Berstett verpachten an Jakob Heintz und Gangolfis Wendling zu Geisweiler auf 6 Jahre ihr Gültgut zu Geisweiler für eine jährliche Gült von 30 Viertel Hafer. Orig. Pap. Libell,

414

1721 Juli 10.. Buchsweiler. Jakob Adam und Philipp Jakob von Berstett verpachten an Jakob Heintz, Gerichtsschöffen, zu ĉj und Gangolfs Wendling zu Geisweiler zu !/; ihr Gültgut zu Geisweiler gegen eine jährliche Gült von zusammen 40 Viertel Hafer auf 18 Jahre lang. Orig. Pap. Libell. S. in duplo. 415

1743 März 20. Strassburg. Philipp Reinhard und Wilhelm Jakob von Berstett verpachten an Jakob Michel und Ganglof Wendlings Wittib zu Geisweiler ihr Gültgut zu Geisweiler, und zwar dem ersteren zu ?2/,, der letzteren zu 1/3, auf 18 Jahre

Fıeih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. m59

gegen eine jährliche Gült von insgesamt 42 Viertel und 7 Sester Hafer. Orig. Pap. Libell. 2 S. 416

1779 Dez. 27. Strassburg. Philipp Reinhard von Berstett verpachtet an Johannes Michel und Georg Gangloff zu Geis- weiler auf 9 Jahre das Gültgut zu Geisweiler, ersterem zu ?/;, letzterem zu !/s, gegen eine jährliche Gült von insgesamt 43 Viertel Hafer. Orig. Pap. S. 417

1789 Jan. ı6. Strassburg. Philipp Jakob Reinhard von Berstett verpachtet an Johannes Michel und Georg Gangloff zu Geisweiler, ersterem zu ?/s, letzterem zu !/,, sein Gültgut zu Geisweiler gegen eine jährliche Gült von 44 Viertel Hafer. Orig. Pap. 418

23. Gerstheim (Kreis Erstein).

1435 Juni 4. Vor dem strassburg. Hofgericht verpachtet Bernhard Böcklin zu Strassburg in seinem und des Georg Zorn Namen an Johann von Seckingen, Bürger zu Strassburg, auf ı2 Jahre ihren Anteil an der Schafweide zu Gerstheim für einen jährlichen Zins von 6% 4 ß und 6 strassburg. Pfennigen. Orig. Perg. S. | 419

1446 Aug. 20. Vor dem strassburg. Hofrichter verkaufen Alexius gen. Megelin und Erhard gen. Hartunges Erhard, Metzger zu Strassburg, an Bernhard Böckel zu Strassburg eine Hofstätte mit Haus und Scheune zu Gerstheim, von der dem genannten Böckel und Georg Zorn bereits 8 $# Pfennige als Grundzins zustehen, für 6 % strassburg. Pfennige. Orig. Perg. 420

1447 März 22. Rudolf Zorn von Bulach, Ritter, der Meister und Rat von Strassburg entscheiden einen Streit zwischen ihren Bürgern Bernhard Böckel und Jerg Zorn einer- und Ulrich Bock d. ä. andererseits wegen des Fischwassers zu Gerstheim dahin, dass die zu dem Haus Bockstein gehörigen Wasser, die Schwanauer Wog usw., Ulrich Bock zugehören sollen, die zu dem Dorfe Gerstheim gehörigen Wasser aber bei Bernhard Böckel und Jerg Zorn als den Bannerherren und bei dem Dorfe Gerst- heim verbleiben sollen. Orig. Perg. 421

1457 Sept. 24. Jerg Zorn, Ritter, verkauft an Klaus Zorn von Bulach, Sohn des Ritters Rudolf Zorn, seinen Anteil und seine Rechte an dem Turn zu Gerstheim, von dem Jerg Zorn von dem Ritter Johanns Böckel 1/,; gekauft hatte, um 30 fl. rheinisch, mit dem Rechte, den Turn, der lange öde gestanden, wieder wohnbar einzurichten. Orig. Perg. S. 422

1467 Mai 13. Jörg Zorn, Propst zum Jungen St. Peter, Hans Böcklin, Ritter, Klaus Zorn von Bulach und Stefan Bock von Bläsheim als Bannerherren zu Gerstheim erlassen eine Ord- nung für ihr Dorf Gerstheim, Orig. Perg. 3 S. "423

1514 Juni 20. Vor dem strassburg. Hofrichter verkaufen Nikolaus Wurmser, Dekan, und das Kapitel zu St. Thomas zu

mbo Frankhauser.

Strassburg, ferner Friedrich Ungerer und Ursula Ungerer, seine Schwester und Ehefrau des Nikolaus Hammer, und Heinrich von St. Johann, Fürsprech des kleinen Rats, ferner Nikolaus Hammer als Vormund von Wolfgang, Georg und Johann, Söhnen des verstorbenen Johannes Ungerer, an Johann Bock von Gerstheim, Ritter, und den Goldschmied Lambert Sebold, alle zu Strassburg, genannte Güter, Zinsen und Gülten zu Gerstheim um 350 fi. rheinisch. Orig. Perg. 424

ı606 Jan. 2. Maria Magdalena Johamin von Mundolsheim geb. Märxin von Eckwersheim verkauft mit Zustimmung ihres Gemahls Philipp Joham von Mundolsheim an Theobald Voltz, Bürger zu Gerstheim, Stück und Güter zu Gerstheim um 400 f strassburg. Pfennige. Kop. 17. Jahrh. Pap. 425

1621 Sept. 7. Michel Rieffel und Hans Schüllkopf von Gerstheim bekennen, dass sie von Hans Kaspar Wurmser das sogen. »Kleinen Hannß Michells Gute zu Gerstheim als Erblehen empfangen haben gegen eine jährliche Gült von 2 Viertel Weizen und ı2 Viertel Hafer. 2 Orig. Perg. S. 426

1639 Aug. 9 und 1631 Febr. 4. Vor Statthalter und Ge- richt zu Gerstheim verkauft Lenhardt Henck bei der Kirchen der jung und seine Hausfrau Appolonia an Salome Böckin, Witwe, gebor. von Fegersheim einen jährlichen Zins von 4 Ä Pfennigen Landeswährung, jährlich auf Laurentius fallend, und zwei lauwen Matten um 30 & Pfennige oder ı00 fl. Orig. Perg. | 427

1634 Mai ı. Wolf Ludwig, Beat Jakob und Klaus Eber- hard Bock von Gerstheim, Gebrüder, übergeben Wolf Jakob von Lanusperg ein genanntes Grundstück zu Gerstheim zu Eigen. Orig. Pap. 3 S. 428

1679 Mai g. Strassburg. Jakob Friedrich Bock von Bläs- heim und Gerstheim verkauft an NMeylach von Dettlingen ver- schiedene genannte Kapitalien zu Gerstheim um ı50 fl. Orig. Pap. S. 429

1624 Nov, 2. Strassburg. Elisabeth Margaretha von Rath- sarpranıen zum Stein, Witwe, geb. Zorn von Bulach, Sophia und Anna Kıttarına Zorn von Bulach, alle drei Kinder des Ferdinand Zorn nnd der Anna Margarethe von Berstett, verbeistandet. durch Johann faxnb von Berstett und Franz Ludwig Zorn von Bulach, verkanfen Meilach von Dettlingen die sogen. Zembsmatte zu (rerstheim um 140 fl. Orig. Pap. 6 S. Mit Bestätigung des Ritterschaftsdirektorinms von 1684 Nov. 23. 430

1690 Juli 26. Meylach von Dettlingen übergibt tauschweise seinen Anteil an dem sogen. Kagenecker Zehnten zu Venden- heim im Frtrage von 5 Viertel 4 Sester und ı Vierling halb Weizen, halb Kogzen an Franz Jakob Wurmser von Vendenheim gegen 4 Tagen Matten zu Gerstheim, 5!, Viertel Roggen, Gerste und Haber und 2 A 3 B und 4 Pfennige Gelds auf dem Ding- hof zu Scharrachbergheim. Orig. Perg. S. Not.instr, 451

Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. m61

1721 März ıı. Strassburg. Friedrich Ferdinand von Dett- lingen verkauft an Leopold Philipp von Dettlingen seinen Anteil an dem Dettlingen’schen Hause zu Gerstheim um ı50 fl. Extrakt aus dem ritterschaftl. Kontraktenprotokoll. Pap. 432

ı742 Dez. 5. Gerstheim. Friedrich Ferdinand von Dett- lingen vertauscht einen halben Acker Garten zu Gerstheim gegen einen halben Acker Feld ebenda, dem Bürger Hans Adam Schoch gehörig. Orig. Perg. 433

1744 Nov. 6. Strassburg. Johann Eberhard von Berckheim als Vormund der Kinder Christian Reinhards von Dettlingen ver- pachtet an Jakob Voltz zu Gerstheim auf 9 Jahre die von letzterem bis jetzt schon innegehabten Dettlingen’schen Kaduk- güter gegen eine jährliche Gült von 2 Viertel 2 Sester ı Vier- ling 2'/g Mass Hafer. Orig. Pap. 434

1748 Nov. ıı. Franz Karl und Friedrich Heinrich Bock von Gerstheim und Bläsheim tauschen den zu ihrem Gerstheimer Stammgut gehörigen sogen. Kappelgarten ein gegen das dem Leopold Philipp von Dettlingen gehörige Feld, genannt die Graumatte, und gegen einen auf dem genannten Kappelgarten zu fundierenden Zins von 25 livres tournois. Orig. Pap. Extr. aus dem Kontraktenbuch der unterelsäss Ritterschaft. S. 435

1750 Jan. 28. Gerstheim. Andreas Wagner, evangelischer Pfarrer zu Gerstheim, vertauscht einen zum Wittumsgut gehörigen Acker Feld gegen einen andern, dem Freiherrn Leopold Philipp von Dettlingen, Brigadier der königl. Armee, gehörigen. Orig. Perg. S. 430

1750 Jan. 28. Strassburg. Tauschvertrag zwischen Herrn von Kirchheim, seiner Ehefrau Dorothea Philippine von Dett- lingen einerseits und Leopold Philipp von Dettlingen andrer- seits, bezüglich genannter Äcker zu Gerstheim. Konz. (?) Pap.

457

1757 April 22. Gerstheim. Leopold Philipp von Dett- lingen, brigadier d’infanterie, tauscht von Joseph Strub die Hälfte von dessen auf seinen Meierhof stossenden Garten ein gegen einen halben Acker, 50 fl. und einen Nachlass an Gültfrüchten von zwei Vierteln, einem Sester Weizen und ebensoviel Gerste. Orig. extr. aus dem Gerstheimer Kontraktenprotokoll. 438

1759 Sept. 14. Strassburg. Sidonie Dorothea von Kirch- heim verkauft Leopold Philipp von Dettlingen Herrn von Gerst- heim, kgl. französ. Brigadier, ihren Anteil bestehend in zwei Dritteln an- 5/ıg näher beschriebener Güter zu Gerstheim und Öttenheim, die sie von ihrer Mutter Dorothea Philippine geb. von Dettlingen ererbt hatte, um 13000 livres tournois. Not.instr., Perg. 4 BH. 439

1765 Febr. 25. Gerstheim. Aron Jakob, Schirmsverwandter zu Gerstheim, und Elge, seine Hausfrau, stellen der Frau von Dettlingen geb. Schenk von Schmittburg einen Schuldschein über 20 fl. aus. Orig. extr. 440

m62 . Frankhauser.

1766 Okt. 10. Gerstheim. Gütertausch zwischen Magda- lena Beatrix von Dettlingen, Witwe Leopold Philipps von Dett- lingen, und Philipp Jakob von Berstett, als Vormund der Karolina Christina Leopoldina von D., einerseits und Johann Adam Gasser andrerseits, genannte Acker zu Gerstheim betr, Orig. Perg. S.

441

1766 Okt. 10o. Gerstheim. Gütertausch zwischen Magda- lene Beatrix von Dettlingen, Witwe Leopold Philipps von Dett- lingen, und Philipp Jakob von Berstett, als Vormund von Karoline Christiane Leopoldine von D., einerseits und dem strassburg. Domkapitel andrerseits, genannte Güter zu Gerstheim betr. Orig. Perg. S. 442

1767 Sept. 4. Gerstheim. Frau von Dettlingen geb. Schenk von Schmittburg mit Beistand ihres Schaffners Philipp Mathis und Zustimmung des Wilhelm Jakob von Berstett, als Vogts von Fräulein Karoline von Dettlingen, einerseits und Franz Matern Ludwig Zorn von Bulach, vertreten durch Martin Kauffer, Schult- heiss zu Gerstheim, andrerseits, tauschen genannte Äcker zu Gerstheim. Orig. extr. Perg. S. 443

1774 Okt. 7. Gerstheim. Auszug aus einem Versteigerungs- protokoll, wonach bei der am 17. Juli 1774 zu Gerstheim statt- gefundenen Versteigerung von der Familie von Dettlingen zuge- hörigen Gütern der Freiherr von Berstett ein Tagen Matten um 25 fl. ersteigert hat. Orig. Perg. S. 444

1776 Sept. ı5. Steigbrief über die von Johann Jakob Landmann und Philipp Jakob Ernst zu Gerstheim jeweils zur Hälfte aus dem Nachlass der Frau Margaretha Elisabetha Speckelin, ‚Ehefrau des Johannes Speckel, Kupferschmieds zu Barr, er- steigerten Güter, bestehend in einem Acker Felds zu Gerstheim und dem mittleren Teil des zweiten Drittels von vier Tagen Neubruch im Banne von Erstein. Der Steigpreis betrug 67 bzw. 106 fl. Orig. Perg. S. 445

1780 März 15. Gerstheim. Joseph Andreas von Gail und Philipp Jakob Reinhard von Berstett tauschen genannte Güter zu Gerstheim. Orig. extr, Perg. 446

1780 April 18. Gerstheim. Michael Rauch, Bürger zu Gerstheim, und Dyonisius Uhrweiller, letzterer als Erbe der Anna Maria Brohammer sel., der Witwe des Sebastian Mertz und Schwiegermutter des genannten Rauch, bekennen und bestätigen, dass der genannte Rauch und die Anna Maria Brohammer vor ein paar Jahren dem Freiherrn von Berstett ein Vierzel Felds zu Gerstheim um 20 fl. 6 $ verkauft haben. - Kop. Perg. 447

1780 Juni 6. Philipp Jakob Reinhard von- Berstett ersteigert auf der von den Juden Jakob Wormser und Joseph Lehmann zu Gerstheim abgehaltenen Steigerung von Gütern, die sie von Johann Leopold von Dettlingen erkauft hatten, genannte Güter um den Gesamtpreis von 254 fl. Orig. extr. Perg. S. 448

Freih. von Holzing-Berstett’sches Archiv in Karlsruhe. 3

1780 [Juni 6]. Johann Diebold Weiller, Bürger zu Gerst- heim, ersteigert ein Vierzel Feld, das zu dem freiadligen und immatrikulierten von Dettlingen’schen Gut zu Gerstheim gehört, Orig. Perg. S. 449

1780 Juni 29. Die Gemahlin Philipps Jakobs Reinhards von Berstett geb. von Dettlingen ersteigert aus der Verlassen- schaft der Katharina Lauffenburger, Witwe weil. Diebold Hencks zu Gerstheim, einen halben Acker Felds zu Gerstheim um 44 fl. strassburg. Orig. Perg. 450

1780 Juli 6. Strassburg. Joseph Lehmann, Handelsjude zu Bischheim, für sich und den Handelsjuden Jakob Wurmbser aus Rappoltsweiler verkauft an Philipp Jakob Reinhard von Ber- stett ein halb Ackerfeld in dem Dettlinger Gut, Kanton Pferrich zu Gerstheim, um 1o00 ® Pfennige. Pap. Kop. 451

1782 März 4. Diebold Weiler, Bürger zu Gerstheim, ver- kauft Philipp Jakob Reinhard von Berstett ein Vierzel Felds im hochadel. Bann Dettlingen zu Gerstheim um 80 fl. strassburg. Währung. Orig. extr. Perg. S. 452

1782 Juni 25. Gerstheim. Johann Michael Gaßer zu Gerstheim verkauft an Philipp Jakob Reinhard von Berstett ein Zweitel Felds um 120 fl. strassburg. Orig. extr. Perg. S. 453

24. Grenzach (Amt Lörrach).

1824 Aug. 2. Grossherzog Ludwig von Baden belehnt den Staatsminister Wilhelm Ludwig Leopold Reinhard von Berstett mit dem ehemals von Mundolsheim’schen Lehen, bestehend in genannten Geld-, Frucht- und Weinzinsen zu Grenzach. Orig.

Perg. S. 454

25. Griesheim (Kreis Strassburg-Land).

1424 Juli 17. Bischof Wilhelm von Strassburg belehnt Adam und Peter von Berstett mit Äckern zu Griesheim im Banne Spißholtz, mit 40 Viertein Habergelds von Hof, Äckern und Matten zu Geisweiler, mit Haus und Hof zu Dorlisheim und einem Dinghof ebenda. Orig. Perg. 455

1441 Dez. 8. Molsheim. Bischof Ruprecht von Strassburg belehnt Hans von Berstett mit dem Lehen zu Griesheim, Geis- weiler und Dorlisheim. Orig. Perg. 456

1441 Dez. 8. Molsheim. Hans von Berstett reversiert, zugleich als Träger seines Vetters Hugo von Berstett, Bischof Ruprecht von Strassburg über seine Belehnung mit den Gütern zu Griesheim im Banne Spißholtz, mit 40 Viertel Habergelds von Hof, Acker und Matten zu Geisweiler, mit Haus und Hof zu Dorlisheim und dem Dinghof ebenda. Kop. Pap.. Bei-

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1461 Marz 7. Zatem. Bicwf Kızseckt zu Soas belicht Wirich von Berstet mit den Ackem zu Kriereicenn iL Jein sugen. Banne Spißholz, mit 40 Viertel Haber wca eier liste, Acker und Matten zu Geisweiler, mit Haus und Hzd uzd eis sogen, Berstettischen Dinghof zu Dorlisheim. Orr. Ferz.

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