- ,r s £ ir - V - - -■ JuadK V &> ZOOLOGICA. Original-Abhandlungen aus dem Gesammtgebiete der Zoologie. Herausgegeben von Dr. Carl Chun in Leipzig. ZEJlfter Band. 1899. STUTTGART. Verlag von Erwin Nägele. Alle Rechte vorbehalten. Druck von A. Bonz' Erben in Stuttgart. Inhalt. Heft 26. Die psychischen Fähigkeiten der Ameisen. Von E. Wasmann. Mit 3 Tafeln. 189g. Heft '27. Die Lepidopterenfauna des Bismarck-Archipels. Mit Berücksichtigung der thier- geographischen und biologischen Verhältnisse , systematisch dargestellt. Von Dr. A. Pagenstecher. Teil 1. Die Tagfalter. Mit 2 Tafeln. 189g. Heft 28. Das Auge der Polyphemiden. Von Dr. O. Mutz. Mit 4 Tafeln. 1899. M'77 . ZOOLOGICA. Original-Abhandlungen aus dem Gesamtgebiete der Zoologie. Herausgegeben von Carl Chun in Leipzig. Heft 26. Die psychischen Fähigkeiten der Ameisen. Von E. Wasmann S. J. Zweite, bedeutend vermehrte Auflage. Mit 5 Tafeln. STUTTGART. E. Schweizerbartsche Verlagsbuchhandlung (E. Nägele). 1909. Die psychischen Fähigkeiten der Ameisen. Mit einem Ausblick auf die vergleichende Tierpsychologie. Von E. Wasmann S. J. (Zugleich 164. Beitrag zur Kenntnis der Myrmekophilen und Termitophilen.) Zweite, bedeutend vermehrte Auflage. Mit 5 Tafeln. STUTTGART. E. Seh weizerbartsche Verlagsbuchhandlung (E. Nägele). 1909. Alle Rechte vorbehalten. Satz und Druck der Chr. Belser'schen Buchdruckerei in Stuttgart. Vorwort zur zweiten Auflage. Die erste 1899 erschienene Auflage dieser Schrift ist vergriffen, und der Verleger wünschte von mir eine neue Ausgabe derselben. Nur mit Zögern kam ich, zumal bei meinem angegriffenen Gesundheitszustande, diesem Wunsche nach. Es ist in mancher Beziehung leichter, ein neues Buch zu schreiben, als ein Buch, das vor neun Jahren vielleicht ein aktuelles Interesse besaß, neu herauszugeben. Fast könnte es scheinen, als habe die Kritik der Bethe'schen Reflextheorie des Ameisenlebens nur noch ein historisches Interesse. Alle hervorragenden Kenner des Ameisenlebens, auch jene, deren theoretische Ansichten über Tierpsychologie von den meinigen abweichen, haben sich mit mir für die psychischen Fähigkeiten der Ameisen erklärt, wie ich in der Einleitung dieser Schrift kurz zeigen werde; ebenso verhält es sich auch mit den psychischen Fähigkeiten der Bienen. Wenn ich mich trotzdem entschloß, diese Schrift von 1899 neu herauszugeben, so liegt der Hauptgrund darin, daß sie schon in ihrer ersten Auflage keine sogenannte „Streitschrift"' war, sondern zur allgemeineren Orientierung über die Grundzüge der Ameisenpsychologie dienen und zugleich auch Streiflichter auf die gesamte vergleichende Psychologie werfen sollte. Diesem Zweck dürfte wohl auch die neue Auflage der Schrift entsprechen, zumal sie durch manche neue Beobachtungen erweitert ist und auch manchen neuen Ausblick auf allgemeinere Fragen bietet. Ich betone also ausdrücklich, daß diese Schrift keine Kampfesschrift gegen Bethe ist, dessen Arbeiten auf dem Gebiete der Nervenphysiologie und der mikroskopischen Anatomie des Nervensystems ich hochschätze, wenngleich ich mit seinen Anschau- ungen über die Beziehungen der Tierpsychologie zur Nervenphysiologie nicht einverstanden sein kann. Ich kann es nur bedauern, daß B e t h e in seiner Abhandlung „Nochmals über die psychischen Qualitäten der Ameisen" (Bonn 1900), welche sich gegen die erste Auflage der vorliegenden Schrift richtete, nicht bloß die Objektivität meiner Kritik, sondern auch diejenige meiner ganzen naturwissenschaftlichen Denkweise in Zweifel zu ziehen versuchte. Auf diese Seite der Polemik brauche ich in der neuen Auflage meiner Schrift gar nicht weiter zurückzukommen, zumal ich bereits anderswo 1) darauf kurz geantwortet habe. Den Zusammenhang der Bethe'schen Reflextheorie mit der Tropismentheorie V e r w o r n s sowie mit der „mechanischen Instinkttheorie" von J. I. o e b, und die schwerwiegenden Konsequenzen, die sich aus der durch v. Uexküll vorgeschlagenen Ersetzung der Tierpsychologie durch bloße Nervenphysiologie ergeben, werden in einem eigenen Schlußkapitel (XII.) beleuchtet werden. Das Vorgehen zur Strassens (1907) wird uns zeigen, wie dieser neueste Pfad der Tierpsychologie i n d e m R u i n all e r I' s y c h o- 1 o g i e endet. Viele neue Beobachtungen und Versuche aus dem Ameisenleben sind dieser neuen Auflage eingefügt worden; fast alle Kapitel sind infolgedessen erweitert worden. Um die Übersicht des Inhaltes zu erleichtern, wurden die Kapitel numeriert und mit Unterabteilungen versehen. ») Noch ein Wort zu Bethe's Reflextheorie (Biolog. Centralbl. 1902, No. 18.) - VI Völlig neubearbeitet ist der Abschnitt über die Mimicry bei Dorylinengästen (im VI. Kap.)- Die allzu leichte Weise, in welcher manche neuere Gegner der Mimicrytheorie (z. B. Piepers und R. France) jegliche „echte Mimicry" für abgetan erachten, ließ es angezeigt erscheinen, gerade bei den Ameisengästen diese Erscheinungen sorgfältig zu prüfen. Auch die Frage nach dem Gehörsvermögen der Ameisen ist in dieser Auflage in einem eigenen (VII.) Kapitel eingehender behandelt. In dem Abschnitt über die verschiedenen Formen des Lernens (X. Kap.) wurden die Resultate bei den höherenTi e r e u umfangreicher berücksichtigt als früher. Auch eine Übersicht über die „Instinktreg ulatione n" bei den Ameisen wurde (im XI. Kap.) beigefügt. Der neue Anhang II und die neuen Tafeln (IV u. V) beziehen sich auf das VI. Kapitel. Das ausführliche Inhaltsverzeichnis ermöglicht es, auch die wichtigsten Detailbeobachtungen, die in dem Buche enthalten sind, aufzufinden. Von Beifügung eines Sachregisters wurde deshalb abgesehen. Meinem Kollegen K. Frank S. J. spreche ich für seine Mithilfe bei Durchsicht der Korrektur- bogen besonderen Dank aus. Der Verlagshandlung gebührt meine Anerkennung für die schöne Aus- stattung der Tafeln und für den billigen Preis des Buches, der trotz der doppelten Vermehrung des Inhalts auf die Hälfte des Preises der ersten Auflage herabgesetzt wurde. Möge diese neue Auflage ebenso gute Aufnahme finden in den Kreisen meiner zoologischen Fach- kollegen wie die erste; möge sie zugleich auch beitragen zur Klärung unserer Anschauungen über die ver- gleichende Psychologie. Alle persönliche Polemik gegen irgend einen Vertreter abweichender Anschauungen lag mir dabei völlig fern. Luxemburg, 31. Juli 1908. E. W. Inhaltsübersicht. Vorwort zur zweiten Auflage I. Einleitung. Verschiedene Ansichten über das psychische Leben der Ameisen. 1. Die Ameisenpsychologie bis 1898 1 — 4 2. Die Ameisenpsychologie seit 1898 4 — 5 II. Die Grundlagen der Reflextheorie Bethe's 5—12 Nur dort dürfen psychische Qualitäten angenommen werden, wo die Tatsachen es erfordern und so weit als die Tatsachen es erfordern (S. 6). Das Modifikationsvermögen setzt bereits die einfachen psychischen Qualitäten als Vorstufe voraus: es kann somit nicht das einzige Kriterium für die Existenz psychischer Quali- täten sein (S. 7). Andere Kriterien zur Unterscheidung von Instinkttätigkeit und bloßer Reflextätigkeit (S. 9). Erläuterung durch einige Beispiele (S. 10). III. Wie erkennen die Ameisen sich untereinander? 12—21 Bisherige Ansichten über diese Frage (S. 12). Bethe's Versuche, Ameisen durch ein Bad aus „Freunden" in „Feinde" oder umgekehrt, zu verwandeln. Meine Versuche hierüber (S. 13). Das gegenseitige Erkennen der Ameisen beruht 11 i c h t auf einem bloßen „Chemoreflex", wie Bethe glaubte (S. 16). Beweise hiefür aus den gemischten Kolonien und aus den internationalen Beziehungen der Ameisengäste (S. 17). Die Bedeutung des Geruchs der Speicheldrüsensekrete für das Erkennen von Freund und Feind (S. 18). Die Reaktion auf den Geruchsstoff von Ameisen der eigenen Kolonie oder fremder Kolonien ist den Ameisen nicht angeboren, sondern wird von ihnen individuell erworben (S. 19). Die internationalen Beziehungen der Ameisengäste be- weisen, daß die Ameisen durch Sinneserfahrung zu lernen vermögen, in neuer Weise auf den Geruchsstoff fremder Tiere zu reagieren (S. 21). IV. Wie finden die Ameisen ihren Weg? 22—37 Verschiedenes Verhalten verschiedener Ameisengattungen beim Verfolgen ihres Weges (S. 22). 1. Das Wegfinden durch eine G e r u ch s s p u r (Lasius etc.) 23 — 33 Bethe's Versuche mit Lasius und Myrmica (S. 23). Seine „Polarisationshypothese": Prüfung der- selben an Bethe's Drehexperimenteu (S. 24). Unvereinbarkeit dieser Hypothese mit zahlreichen Beobachtungs- tatsachen (S. 26). Überflüssigkeit einer „Polarisation" der Fährte, da die „Geruchsform" der Spur die Tat- sachen viel einfacher erklärt (S. 28). Vergleich zwischen Lasius und anderen Ameisengattungen (S. 29). Das Finden des Weges beruht bei den Ameisen nicht auf einem bloßen Reflexmechanismus (S. 30). Die psychischen Faktoren des sinnlichen Empfindungs- und Strebevermögens sind dabei wesentlich beteiligt (S. 31). - VIII 2. Das W e g f i n J e n d u r c h ein „instinktives R i c li t u n g s b i 1 d" (Formica sanguinea etc.) 33—37 Beobachtungen über das Orientierungsvermögen von F. sanguinea (S. 33). Beteiligung des Gesichts- sinnes und des Gedächtnisses an demselben (S. 34). Beobachtungen an F. rufibarbis (S. 35). Versuche über den „Richtungssinn" verschiedener Formica-Arten (S. 36). Inwieweit laßt sich die Frage: wie finden die Ameisen ihren Weg? allgemein beantworten (S. 37). V. Können die Ameisen sehen? 37—44 Die Reaktionen der Formica-Arten auf Gesichtseindrucke beruhen nicht auf bloßen Photoreflexen. Versuche an F. sanguinea, rufa und pratensis (S. 38). Die Ameisen vermögen durch Erfahrung ihr ursprüngliches Verhalten gegenüber den Gegenständen ihrer Gesichtswahrnehmung zu modifizieren und deshalb zu „lernen" (S. 39). Beobachtungen über das Sehvermögen der Formica-Arten bei der Verfolgung von Dmarda (S. 41). Verschiedene Stufen des Sehvermögens bei verschiedenen Ameisengattungen (S. 43). VI. Die Mimicry bei Ameisengästen als Kriterium für die Sinnesfälligkeiten der Ameisen 44— :i Verschiedene Formen der Mimicry bei Ameisengästen (S. 44). 1. Die Mimicry bei einheimischen Ameisengästen 45 — 52 Bei Gästen von Ameisen mit gutentwickelten Netzaugen ist die Mimicry auf Täuschung des G e - Sichtssinnes der Wirte berechnet: sie beginnt mit Ähnlichkeit der Färbung zwischen Gast und Wirt und schreitet fort zu einer Ähnlichkeit der Gestalt beider, die jedoch nicht auf Formenähnlichkeit, sondern auf täuschenden Lichtreflexen beruht. Die Mimicry bei Dinarda und Chitosa (S. 45), bei Atemeies und Lnmechusa (S. 46), bei Myrmedonia und Homoeusa (S. 47). Vergleich zwischen den myrmekophilen und termito- philen Myrmedonien. Verschiedener Zweck der Mimicry bei den verschiedenen biologischen Klassen der Ameisengäste (S. 49). Vergleichende Untersuchungen über die Netzaugen verschiedener Ameisenarten und Gattungen. Der bilderzeugende Apparat als Kriterium für die Gesichtswahrnehmung der Tieres (S. 51). 2. Die Mimicry bei Dorylinengästen 52 — 66 Inwiefern ist von „Täuschung" durch Mimicry die Rede? (S. 52). Die Mimicry bei Gästen von W a n d e r am e i s e n (Dorylinen), welche statt der Netzaugen nur einfache Augen haben oder ganz blind sind, ist wesentlich verschieden von der Mimicry bei Gästen von Ameisen, welche facettenreiche Netzaugen haben. Übersicht über die verschiedenen morphologisch-biologischen Typen der Dorylinen- gäste (S. 53). Der M imicrytypus der Dorylinengäste. Allgemeiner Charakter desselben: Formenähnlichkeit zwischen Gast und Wirt (S. 55). Die höchste Stufe des Mimicrytypus bei Muneciton (S. 55). Die Mimicry von Ecitophya, Ecitomorpha und Ecitochara (S. 56); von Ecitonidia; von Dorylonümus (S. 57); von Dorylogaster (S. 58) und Dorylosteihus (S. 59). Zusammenfassung der Ergebnisse (S. 59) : Bei jenen Dorylinen, welche nur rudimentäre Ocellen haben oder ganz blind sind, ist die Mimicry aus- schließlich auf Täuschung des Tastsinnes der Wirte gerichtet; bei jenen Dorylinen dagegen, welche gut entwickelte Ocellen besitzen, ist die Mimicry überdies s e k u n d ä r auch auf Täuschung des Ge- sichtssinnes der Wirte gerichtet. Weitere Bestätigung des letzteren Satzes. Vergleich der Färbungsverhältnisse der Gäste von Eciton Burchelli, quadriglume, legionis, Schmitti etc. mit denjenigen der Gäste von Eciton praedalor und coecum (S. 60). Die Färbung der Xenocephalus- Arten (S. 62). Die Fäibungsverhältnisse der Gäste von unterirdisch lebenden Dorylus und von oberirdisch jagenden Anomma (S. 63); die Färbung der „Nestgäste" viiii Anomma verglichen mit jenen der „Jagdgäste" (S. 64). Folgerungen bezüglich der Sinnesfähigkeiten der Dorylinen: Ihr Hauptsinn ist der Fühlertastsi n n. Aber bei den mit gut entwickelten Ocellen ausgestatteten Eeiton ist auch der Ge- sichtssinn für ihren Verkehr mit den Gästen von Bedeutung, indem sie die F ä r b u n g derselben zu unterscheiden vermögen. :;. Die Mimicry bei Proctotrypiden 66 '' Solenopsia imitatrix, ein Beispie] der auf Täuschung des Fühlertastsinnes blinder Wirte berechneten Mimicry (S. 66). Ecitopria crassicornis (S. 68). Die Bedeutung des goldgelben Haartomentes von Tetra- mopria (S. 69). IX VII. Besitzen die Ameisen Gehörsvermögen? 71—76 Beobachtungen und Versuche über die Reaktion von Formica-Arten auf künstlich erzeugte hohe Schrillaute (S. 71 1. Natürliche Zirplaute und Klopflaute bei Ameisen. Bedeutung derselben als Kommunikations- mittel (S. 74). Beruht die Wahrnehmung dieser Laute auf einem Gehörsvermögen oder bloß auf einem Tast- vermögen der Ameisen? Wahrscheinlichkeit der ersteren Ansicht. Die mutmaßlichen Gehörorgane der Ameisen. Zusammenfassung (S. 75). VIII. Besitzen die Ameisen Mitteilungsvermögen? 76—90 Verschiedene Bedeutung des Wortes „Mitteilungsvermögen". Bisheriger Stand der Frage (S. 76). Bethe's Zweifel an dem Mitteilungsvermögen der Ameisen sind unbegründet (S. 78). Beobachtungen und Versuche über das Mitteilungsvermögen von Formten rufa beim Transport von Lomechusa (S. 80); von F. sanguinea beim Abholen von Kokons (S. 83); von F. fusca (S. 86). Übersicht über die verschiedenen Äußer- ungen des Mitteilungsvermögens bei den Ameisen (S. 86). Dieselben sind mit einer Reflextheorie des Ameisen- lebens unvereinbar. Die Nachahmung des Fühlerverkehrs der Ameisen durch gewisse echte Gaste (S. 88). Verhalten von Formica sanguinea gegenüber der aktiven Mimiery von Atemeies (S. 89). IX. Welche Beweise lassen sich gegen die Annahme psychischer Qualitäten bei den Ameisen erbringen? 90—98 Bethe's Versuch über die Intelligenz der Ameisen (S. 90). Schlußfolgerungen aus demselben. Prüfung der von B. gegen die Annahme eines sinnlichen Erkenntnisvermögens der Ameisen vorgebrachten Beweise (S. 91). Irrtümliche Begriffsbestimmungen von Intelligenz und Instinkt (S. 92). B.'s Berufung auf die „Weltanschauung" (S. 94). H. E. Zieglers und Emery's Einwände (S. 95). Die Frage über die psychischen Fähigkeiten der Tiere ist von jeder Weltanschauung an sich unabhängig (S. 97). X. Die verschiedenen Formen des Lernens 98—138 Bethe's Parallele zwischen der Zähmbarkeit eines Hundes uml einer Ameise (S. 98). Es ist unrichtig, daß die Ameisen durch individuelle Erfahrung nichts zu lernen vermögen (S. 100). Es ist unrichtig, daß die höheren Säugetiere alles erst lernen müssen wie der Mensch (S. 101). Auf Grund der biologischen Tatsachen müssen wir folgende sechs Formen des Lernens unterscheiden: 1. Erste Form des Lernens 103—104 Selbständiges Lernen durch instinktive E i n ü b u n g v o n Reflexbewegungen (S. 103): 2. Zweite Form des Lernens 104 — 108 Selbständiges Lernen durch Sinneserfahr u n g vermittelst der hiebei u n m i 1 1 e lb a r ge- bildeten Vorstellungsverbindungen (Assoziationen). Beispiele hiefür bei den Ameisen (S. 104). Sie haben assoziatives Gedächtnis (S. 105). Auch beiden höheren Wirbeltieren beruht diese Form des Lernens nicht auf Intelligenz. Thorndike's „Lernen durch Zufall". Lloyd Morgans „method of trial and error" (S. 107). 3. Dritte Form des Lernens 108—113 Selbständiges Lernen durch intelligentes Schließen von früheren Erfahrungen auf neue \erhältnisse (S. 108). Bei den Ameisen fehlt diese Form des Lernens (S. 109). Ebenso auch bei den höheren Wirbeltieren (S. 111). Thorndike's Versuche. Versuche von Kinnaman, Hobhouse u. s. w. Lloyd Morgans L'rteil über das „Denkvermögen" der Tiere (S. 112). 4. Vierte Form des Lernens 113 — 122 Das Lernen durch instinktive Nachahmun g: unterste Stufe des „Lernens durch fremden Einfluß" (S. 113). Beispiele hiefür bei den Ameisen: Dinarda -Verfolgung: Blattlausbesuch (S. 114): Auf- nahme fremder Ameisengäste, besonders von Lomeehusa und Atemeies (S. 116). Das Lernen durch Nachahmung bei höheren Wirbeltieren (S. 120). Die ..aktive Mimiery" bei Ameisengästen (S. 121). 5. Fünfte Form des Lernens 122— 1 27 Das Lernen durch Abrichtung (Dressur); zweite Form des Lernens durch fremden Einfluß. Wesentliche Elemente dieser Form des Lernens; beabsichtigte und unbeabsichtigte Dressur. Beispiele - X bei Ameisen (S. 123). Vergleich zwischen der Dressur von Ameisen und von höheren Wirbeltieren (S. 125). Die Dressierbarkeit der Tiere bildet keinen Beweis für ihre Intelligenz (S. 127). 6. Sechste Form des Lernens 127 134 Das Lernen durch intelligente Belehrung; dritte Form des Lernens durch fremden Ein- fluß (S. 127). Ohne eigenes Denkvermögen des Lernenden ist diese Form des Lernens unmöglich. Daher fehlt sie bei den Tieren. Prüfung einiger Beispiele. Das „Lesenlernen" des Pudels Van (S. 128). Das ,, Sprechenlernen" der Papageien (S. 129). Verschiedenheit des „psychischen Mechanismus" des Lernprozesses bei der Abrichtung und beim U n t e r r i c h t; die Absicht des Lehrers ist hiefür nicht maßgebend (S. 130). Das Wunderpferd des Herrn v. Osten, der „kluge Hans". Experimentelle Analyse seiner psychischen Leistungen durch S t u m p f und Pfungst(S. 131). Sie haben sich nicht als Wirkungen eines begrifflichen Denkvermögens, sondern bloß als Wirkungen einer assoziativen Sinneserfahrung herausgestellt (S. 133). Daher gehört dieser Lernprozeß zur fünften, nicht zur sechsten Form des Lernens, zur „Abrichtung", nicht zum „Unter- richt". Die Bedeutung des „klugen Hans" für die vergleichende Psychologie (S. 134). 7. Zusammenfassung der Ergebnisse dieses Kapitels und Schlußfolgerungen 134—138 Die Bedeutung des Analogieschlusses (S. 136). Anwendung der Reflextheorie Bethe's auf die höheren Tiere. Der richtige Mittelweg der Tierpsychologie liegt zwischen der Vermenschlichung des Tierlebens und der Maschinenerklärung desselben (S. 137). XI. Gibt es noch andere Beweise für die psychischen Fähigkeiten der Ameisen? 138—152 Überblick über die biologisch-psychologischen Erscheinungen des Ameisenlebens (S. 138). Vergleich zwischen unscheinbaren psychischen Tätigkeiten der Ameisen und ihren intelligenzähnlichsten Instinkthand- ungen (S. 140). 1 . Das Abholen von Zucker durch Formiea 140—141 Unvereinbarkeit dieser Tatsachen mit einer bloßen Reflextheorie (S. 141). 2. Die Anlage neuer Pilzgärten bei Atta 141 — 144 Die Pilzzucht der Attini ist nicht auf verstandesmäßige Überlegung zurückzuführen (v. Ihering), sondern auf ererbte Instinkte (S. 144). 3. Die „Spinnrädchen" der Weberameisen 144 — 147 Psychologische Bewertung dieses merkwürdigen Instinktes. Schwierigkeiten der Erklärung seiner Stammesgeschichte (S. 146). 4. Die Instinktregulationen bei den Ameisen 147—152 Psychisches Modifikationsvermögen und Regulationsvermögen. Übersicht über die Instinkt- regulationen der Ameisen: a) Im Nestbau (S. 147); b) in der Brutpflege (S. 147); c) im Verhalten gegenüber ihren Gästen (S. 148). Richtiger Mittelweg in der psychologischen Beurteilung der Lebenserscheinungen sowohl bei den Ameisen als bei den höheren Tieren (S. 149). Verhältnis der erwähnten Tatsachen zur Deszendenztheorie (S. 150). XII. Die Pfade der neueren Tierpsychologie 152—167 1. Die wahre vergleichende Psychologie auf experimenteller und kritisch analytischer Basis. Dieser Pfad führt aufwärts zu weiteren Fortschritten der Tierpsychologie 152 2. Die kritiklose Vermenschlichung des Tierlebens durch die „Vulgärpsychologie". Dieser Pfad führt abwärts zu einer dun haus unwissenschaftlichen Auffassung des Tierlet>ens 153 3. Diemechanistische Tierpsychologie, welche alle psychischen Faktoren aus dem Verhalten des Tieres aus- schalten und durch physikochemische Faktoren ersetzen will. Dieser Pfad endet in der Leugnung des „Psychischen", im Ruin aller „Psychologie" 153 Zur geschichtlichen Entwicklung der mechanistischen Tierpsychologie 154 — 157 Die Tropismentheorie. Die mechanische Instinkttheorie Loebs. Bethes Reflextheorie des Ameisen- lebens (S. 154). v. Uexküll leugnet die Möglichkeit einer vergleichenden Psychologie (S. 155). H. E. Zieglers Definitionen von Instinkt und Verstand. Die „Seelenlehre ohne Seele" (S. 156). — XI — Die „neueste Tierpsychologie" nach zur Straßen 157 — 167 Programm derselben: Elimination des psychischen Faktors aus dem Weltbilde. Beweisverfahren: Physikochemische Erklärung der Reizbewegungen bei Protozoen (S. 157); der Instinkttätigkeiten bei Metazoen (S. 158); des Lernens durch Erfahrung; der Begriffsbildung und Abstraktion (S. 159); der Intelli- genzhandlungen bei Tieren. Zusammenfassung (S. 160). Anwendung auf das menschliche Geistesleben (S. 161). L'homme machine. Berufung auf den psycho- physischen Parallelismus gegenüber der Tatsache des menschlichen Bewußtseins. Das Bewußtsein in der Tierreihe (S. 162). Endresultat der „neuesten Tierpsychologie": Drei unlösbare Widi-rspriirlie (S. 16.°.). Schlußfolgerungen hieraus für die Tierpsychologie und für die Psychologie überhaupt (S. 166). Nachtrag 1. Zum Gesichtssinne von Formten rnjibarbis 168 2. Zum Orientierungs- und Mi tteilungs vermögen von Polyergus. Eine typische Sklavenjagd der Amazonen- ameise 169—170 Anhang I. (1899.) Beschreibungen neuer myrmekophiler Proctotrypiden 171—174 Anhang II. (1908.) Beschreibungen neuer myrmekophiler Staphyliniden 175 — 182 Literaturverzeichnis ..... 183 — 188 Tafelerklärung 189—190 I. Einleitung. 1. Die Ameisenpsychologie bis 1898. Seitdem P e t e r H u b e r am Anfang des 19. Jahrhunderts durch seine vortrefflichen und in mancher Beziehung heute noch unübertroffenen Beobachtungen über das Ameisenleben die Aufmerksamkeit auf dieses höchst interessante Forschungsgebiet hingelenkt hatte, begann man auch für die Ameisenpsychologie sich immer mehr zu interessieren. Es dürfte von Interesse sein, vorerst über die verschiedenen Ansichten, die über das Seelenleben der Ameisen in letzter Zeit geäußert worden sind, einen vergleichenden Überblick zu geben. Auf der einen äußersten Seite stehen jene, die wie L. B ü c h n e r, G. J. R o m a n e s, Th. E i m e r, W. Marshall usw. den Ameisen einen hohen Grad von menschenähnlicher individueller Intelligenz und von selbstbewußter Aufopferung für das Wohl ihrer Kolonie zusehreiben. Das andere entgegengesetzte Extrem bildet die neuerdings von A. B e t h e vertretene Ansicht, daß die Ameisen, Bienen und überhaupt alle Wirbellosen bloße „Reflexmaschinen" seien ohne jede nachweisbare Spur von ..psychischen Qualitäten". In der Mitte zwischen diesen beiden Extremen stehen die Ansichten von Lubbnck, F o r e 1, E m e r y und anderen Ameisenforschern. Lubbock hatte in der Einleitung zu seinen interessanten „Beobachtungen über Ameisen, Bienen und Wespen" (188.3), die Meinung ausgesprochen, die Ameisen ständen auf der psychischen Stufen- leiter dem Menschen zunächst und seien in dieser Beziehung selbst über die anthropoiden Affen zu stellen. Andererseits hat jedoch Lubbnck in demselben Buche die Ansicht, daß die Ameisen einen hohen Grad von Intelligenz besitzen, durch kritisch sorgfältige Versuche widerlegt. August Forel hat in seinem an vortreff- lichen Beobachtungen so reichen Buche „Les fourmis de la Suisse" (1874) 1) eine Menge von tatsächlichen Beweisen für das psychische Leben der Ameisen erbracht ; er schreibt ihnen außer den sozialen Instinkten, l) Auch die „Etudes myrmecologiques" von 1875 — 1886 desselben Verfassers enthalten viel neues biologisches Material, ebenso wie auch viele seiner späteren Publikationen. Manche derselben werden im Folgenden noch zitiert werden. — Die „Fourmis d. 1. Suisse" möchte ich jedem, der sich mit Ameisenbiologie zu beschäftigen anfängt, zum Studium besonders empfehlen. Ich kann aus eigener Erfahrung versichern, daß dieselben einem noch ungeübten Beobachter des Ameisenlebens die besten Winke geben, nicht bloß für das Beobachtungsmateria], sondern auch für die richtige psychologische Erklärung desselben. Als ich im Jahre 1884 meine Beobachtungen über Ameisengäsle begann, leistete mir das Studium jenes Buches vortreffliche Dienste. Obwohl Forel selber keine eingehenderen Beobachtungen über die Wechselbeziehungen zwischen den Ameisen und ihren Gästen angestellt hatte, so bot doch seine Schilderung der Freundschafts- und Feindschaftsbezeugungen der Ameisen zugleich auch den Schlüssel für das rasche und sc here Verständnis der zwischen den Ameisen und den myrmekophilen Coleopteren sich ereignenden Vorgänge. — Forel's ..Experiences et Remarques critiques sur les sensations des Insectes" (Recueil Zoologique Suisse 1886 — 1888, T. IV. Nr. 1 — 4 und Como 1900 — 1901 (5 Teile)) enthalten auch bezüglich der Ameisen eine Reihe von vortrefflichen Unter- suchungen; seinen Schluß ..les msertes raisonnent" halte ich durch dieselben allerdings nicht für bewiesen. Obwohl ich ferner in manchen Einzelheiten der psychologischen Erklärung des Ameisenlebens nicht mit Forel einverstanden bin und namentlich die theoretischen Ansichten, welche derselbe Verfasser in seinen späteren Schriften „Gehirn und Seele" Zoologica. Heft 2G. 1 2 die auf sinnlichen Trieben, sinnlichem Wahrnehmungs- und Mitteilungsvermögen beruhen, auch einen gewissen Grad von individueller Intelligenz zu, bemerkt jedoch, daß die sozialen Instinkte bei weitem das Übergewicht über die individuelle Intelligenz besäßen, während bei den höheren Wirbeltieren das Umgekehrte der Fall sei. Emery1) stimmt mit Forel darin überein, daß das psychische Leben der Tiere Instinkt und Intelligenz umfasse, und daß die höheren Tiere einen bedeutend höheren Grad von Intelligenz besitzen als die Ameisen. Meine Ansicht (21, 24, 46, 58. 59) -) deckte sich mit derjenigen Forel's und Emery's insoweit, als auch ich den Tieren außer den erblichen Instinkten die Fähigkeit zuerkannte, auf Grund von Sinneswahr- nehmungen neue Vorstellungsverbindungen zu bilden und dadurch die Ausübung der angeborenen Instinkte in geringerem oder höherem Maße zu modifizieren. Letzteres Vermögen bezeichnete ich jedoch nicht als Intelligenz, da Intelligenz in dem hergebrachten Sinne des Wortes ein formelles Zweckbewußtsein (Einsicht in die Beziehung von Ursache und Wirkung, von Mittel und Zweck) einschließt, welches bei Tieren nach meiner Ansicht nicht existiert, da auch die sogenannten intelfigenten Handlungen höherer Tiere durch einfachere Assoziationsvorgänge (Wundt) sich erklären lassen. Wegen des innigen Zusammenhanges, der die Modifizierung eines angeborenen Instinktes durch die individuelle Sinneserfahrung mit jenem Instinkte selber verbindet, bezeichnete ich sie als ,, instinktiv im weiteren Sinne" im Gegensatz zu „Instinkt im engeren Sinne". Was speziell die Ameisen anlangt, hatte ich die Vermenschlichung des psychischen Lebens derselben eingehend zurückgewiesen und gezeigt, daß deren vorgebliche Intelligenz auf Instinkt teils im engeren, teils im weiteren Sinne zurückzuführen sei. Andererseits hatte ich jedoch auch verlangt, daß man das Seelenleben der höheren Tiere nicht a priori mit einem anderen Maßstabe messe als dasjenige der Ameisen; ich hatte auch nachgewiesen, daß dasjenige, was man bei den höheren Tieren als Intelligenz deutete, ebenfalls aus deren sinnlichem Erkenntnis- und Strebevermögen befriedigend erklärlich sei. Daß die Tätigkeiten der Ameisen in weiterem Umfange von angeborenen Instinkten (Instinkt im engeren Sinne) geleitet werden als jene der höheren Wirbeltiere, hatte ich ausdrücklich hervorgehoben (z. B. 59 S. 119, 2. Aufl. S. 137). Von der anderen Seite machte ich jedoch darauf aufmerksam, daß auch bei den Ameisen von einem starren „erblichen Automatismus" des psychischen Lebens keine Rede sein könne, indem auch bei ihnen mannigfaltige Beispiele von Modifizierung der angeborenen Instinkte unter dem Einfluß der individuellen Sinneswahrnehmung sich finden: ich betonte ferner, daß diese psychischen Äußerungen in manchen Fällen selbst hinter den sogenannten intelligenten Tätigkeiten der höheren Wirbeltiere nicht, zurückstehen. Was somit meine Ansicht von derjenigen Forel's und Emery's scheidet, liegt hauptsächlich in der verschiedenen E)efinition des Begriffs „Intelligenz" und in der Anwendung dieses Begriffes insbesondere auf die höheren Tiere. Aber daß es möglich sein sollte, den Ameisen überhaupt jedes psychische Leben abzusprechen, daran haben weder Forel noch Emery noch ich jemals gedacht. Der schwedische Ameisenforscher G. A d 1 e r z. dem wir besonders wertvolle Beobachtungen über die Lebensweise von Formicoxenus nitiiulus und Tomognathus sublaevis verdanken, und der die früher unbe- (Bonn 1894), und „Un apercu de Psychologie comparee" (l'Annee Psychologique, Paris 1896) ausgesprochen, nur zum Teile akzeptieren kann, so darf mich diese Differenz doch nicht hindern, Foreis Verdienste auf dem Gebiete der Biologie und Psychologie der Ameisen rückhaltlos aimierkennen. Es sei hier auch nochmals aufmerksam gemacht auf das erste klassische Werk über Ameisenbiologie, auf Peter Hubers „Recherches sur les moeurs des fourmis indigenes" (1810, Nouv. edition 1861), das oben schon erwähnt wurde. Eine kritische psychologische Erörterung lag nicht in der Absicht des Verfassers, obwohl seine Darstellung reich an interessanten Vergleichspunkten ist. ') Intelligenz und Instinkt der Tiere (Biol. Zentralbl. XIII. 1893 Nr. 4 u. 5. S, 151—155); Instinkt, Intelligenz und Sprache (Biol. Zentralbl. XVIII. 1898. Nr. 1. S. 17—21). -i Siehe das Literaturverzeichnis am Schlüsse vorliegender Arbeit. — 3 — kannten Männchen dieser Ameisenarten entdeckt hat, äußerte sich in seinen Ameisenstudien x), soweit meine unvollkommene Kenntnis der schwedischen Sprache reicht, nirgendwo ex professo über die psychischen Fähigkeiten der Ameisen. Daß er sie jedoch nicht für bloße Reflexmaschinen hält, geht aus seinen Schilde- rungen ihrer Biologie klar hervor. C h. Jane t, der in den letzten Jahren nicht wenige interessante Mitteilungen über die Ameisen veröffentlichte 2), hat sich über die psychischen Fähigkeiten derselben ebenfalls nicht eigens ausgesprochen; aber aus seinen Arbeiten geht hervor, daß er an dem sinnlichen Wahrnehmungsvermögen der Ameisen nicht im geringsten zweifelt. Ein anderer französischer Ameisenkenner, Ernest Andre, hat in seinem Buche „Les fourmis" (Paris 1885) sich zwar einerseits wiederholt, und mit vollem Recht, gegen die kritiklose Vermenschlichung des Ameisenlebens (durch Büchner etc.) geäußert; aber an den psychischen Fähig- keiten der Ameisen überhaupt zu zweifeln, lag ihm so ferne, daß er ihnen sogar „Intelligenz" zuerkennen zu müssen glaubt und sagt, es könne keinem genauen Beobachter des Ameisenlebens einfallen, dieselbe zu leugnen (p. 86). Da er die „intelligence" dem „mstinct aveugle" gegenüberstellt, wollte er mit jenem Worte wohl nur das sinnliche Assoziationsvermögen bezeichnen. Sachlich scheint daher auch Ernest Andre dieselbe Ansicht über die psychischen Fähigkeiten der Ameisen zu vertreten wie ich. Ja auch Herr H. E. Ziegler, der von der psychischen Begabung der Ameisen keine hohe Meinung hat3), ist doch weit davon entfernt, die Existenz der sinnlichen Wahrnehmung bei denselben zu leugnen und sie für empfindungs- lose Reflexmaschinen zu erklären. Dieser letztere Versuch ist nun endlich auch gemacht worden von Herrn A 1 b r e c h t B e t h e. Derselbe erörtert in einer 1898 erschienenen, interessanten Schrift4) die Frage ,,D ürfen wir den Ameisen und Bienen psychische Qualitäten zuschreiben?" und er glaubte diese Frage mit ,,n e i n" beantworten zu müssen. Da ich bereits in mehreren meiner früheren Schriften (21, 58, 59) die Vermenschlichung des Ameisen- lebens von Seiten der sogenannten „modernen Tierpsychologie", welche den instinktiven Tätigkeiten der Tiere intelligente Absichten unterschiebt, als unhaltbar nachgewiesen habe, werde ich in vorliegender Studie das entgegengesetzte Extrem, nämlich die mechanische Reflextheorie Bethe's, einer sorgfältigen Prüfung unterziehen. Ich werde die Grundlagen und die Schlußfolgerungen Bethe's und seine über die Ameisen ') Myrmecologiska Studier I. Formicoxenus nitidulus. (Öfv. Ak. Förh. Stockholm 1884 Nr. 8); Myrmeeolo- giska Studier II. Svenska myror och deras lefnadsförhallanden. (Bih. Svenska Ak. Stockholm 1886. Bd. 11 No. 18); Om digestionsekretionen jemte nagra dermed sammanhängande fenomen hos Insekter och Myriopoder (Bih. Svenska Ak. Stockholm 1890, Bd. 16. Afd. IV. No. 2); Stridulationsorgan och ljudförnimmelser hos myror (Öfv. Ak. Förh. Stockholm 1895 No. 10): Myrmecologiska Studier III. Tomognathus sublaevis (Bih. Svenska Ak. Bd. 21. Afd. IV. No. 4; Stockholm 1896; Myrmecologiska Notiser (Entom. Tidskr. 17. H. 2. 1896). 2) „Etudes sur les fourmis, les guepes et les abeilles." Von 1893 bis 98 sind 15 „Notes" über diesen Gegenstand erschienen, von denen Note 9, 10, 11 sich mit Vespa-Arlen befassen, während Note 2, 3 und 15 hauptsächlich Beobachtungs- apparate behandeln; No. 5, 6, 7, 8, 12 sind anatomischen Inhalts. Eine Reihe von Mitteilungen über Ameisen von demselben Verfasser finden sich überdies in dem Compt. Rend. Ac. Sei. Paris seit 1893. Von besonderem biologischen Interesse sind seine Beobachtungen über die in den Speicheldrüsen von F. rufa und Lasius jlavtis entdeckten parasitischen Nematoden, sowie über die Beziehungen der myrmekophilen Lepismiden zu den Ameisen und über die Lebensweise von Antennophorus Uhlmanni und Discopoma comata in den Ameisennestern. 3) Über den Begriff des Instinktes (Verh. deutsch. Zool. Ges. 1892, S. 122 — 136). Vergl. auch dessen Referat im Zool. Zentralbl. IV. 1897 No. 26 über No. 58 und 59 meiner Schriften, sowie sein Referat im Zool. Zentralbl V. 1898 Nr. 8. über Bethe's Ameisenstudie. In letzterer hat Herr Ziegler übersehen, daß B. den Ameisen nicht bloß das Vermögen zu lernen, sondern auch alle einfachen psychischen Qualitäten der Empfindung, Sinneswahrnehmung usw. nicht zuerkennen will. Ich mußte hierauf aufmerksam machen, da Ziegler daselbst glaubte, zwischen ihm und B. bestände eine bloße Differenz in der Ausdrucksweise, und er könne-letzterem „sachlich ganz zustimmen." (Vgl. auch Biol. Zentral- Matt XVIII. 1898, No. 15. S. 580. Anm. 1). 4) „Dürfen wir den Ameisen und Bienen psychische Qualitäten zusehreiben?" (Arch. f. d. ges. Physiol. 70. Bd. S. 15—100, mit 2 Taf., Sep. Bonn 1898). angestellten Experimentr vorzugsweise berücksichtigen x). Diese Kritik bietet jedoch bloß die nächste äußere Veranlassung zu vorliegender Arbeit. Dieselbe verfolgt den Zweck, ein möglichst unbefangenes und kritisch zuverlässiges, zugleich aber auch ein allseitiges Bild von den psychischen Fähigkeiten der Ameisen zu geben. Ich werde daher nicht bloß Altes wieder in Erinnerung bringen, sondern auch aus den seit 25 Jahren über meine Beobachtungen geführten Tagebuchnotizen vieles Neue beifügen. Von V o l I- ständigkeit wird auch dieses Bild allerdings noch weit entfernt sein; dazu wäre ein Werk von ganz anderem Umfange nötig. Allein schon für die Beziehungen der Ameisen zu ihren Gästen, welche in das psychische Leben dieser Tiere einen vortrefflichen Einblick gewähren, müßte ich, falls meine diesbezüglichen Beobach- tungen und Versuche sämtlich verwertet werden sollten, einen Band von 600 — 800 Seiten schreiben. Dazu hoffe ich später einmal zu kommen, nachdem alle Vorarbeiten abgeschlossen sind. Hier soll bloß eine zuverlässige Orientierung über die psychischen Fähigkeiten der Ameisen geboten werden, welche mir angesichts der obengenannten Extreme gerade jetzt sehr nützlich zu sein scheint. 2. Die Ameisenpsychologie seit 1898. Verfolgen wir hier noch kurz die weitere Entwicklung der Ameisenpsychologie seit dem Erscheinen der Bethe'schen Studie von 1898. Die Kritik, welche in der ersten Auflage der vorliegenden Schrift an der Reflextheorie des Ameisen- lebens geübt wurde, hat so vielfache und allseitige Zustimmung gefunden, daß B e t h e selbst diesen Umstand hervorheben zu müssen glaubte.2) Insbesondere die Kenner des Ameisenlebens — ebenso auch jene des Bienenlebens — sprachen sich entschieden dafür aus, daß diese Tiere das Vermögen besitzen, sinnliche Erfahrungen zu machen und zu verwerten. Aug. F o r e 1 s Standpunkt in dieser Frage ist bekannt. Er hat ihn namentlich in einem auf dem 5. internationalen Zoologenkongreß zu Berlin gehaltenen Vortrage 3) ausgesprochen, in welchem er den Ameisen und Bienen auch ,, instinktive Analogieschlüsse" zuschreibt. Sachlich meinte er damit dasselbe, was ich als „Lernen durch Sinnes-Erfahrung" bezeichnet hatte; seine Betonung des monistischen Standpunktes ist das einzige, was unsere Auffassungen bezüglich der Ameisen- psychologie eigentlich unterscheidet. Bezüglich der Bienen sei noch besonders auf v. Buttel-Reepen4) und Kathariner5) verwiesen, welche das Mitteilungsvermögen der Biene, ihr Gedächtnis und ihre Orientierung mittelst des Gesichtssinnes (nicht durch eine „unbekannte Kraft*' Bethe's) näher erörterten. Über die Orientierung der Ameisen durch den Gesichtssinn veröffentlichten Viehmeyer6) und ich7) neue Beobachtungen. Der vortreffliche nordamerikanische Ameisenforscher W. M. YV h e e 1 e r sprach sich ebenfalls wiederholt 8) für die psychischen Fähigkeiten der Ameisen und gegen Bethe's Reflextheorie ') Die Versuche Bethe's über die Bienen überlasse ich genaueren Kennern des Bienenlebens zur Beurteilung. Die logische Grundlage seiner Beweisführung, durch welche er auch bei den Bienen zur Leugnung aller psychischen Qualitäten gelangt, ist dieselbe wie bei den Ameisen: sie lautet „nicht erlernt, also reflex." Indem ich diesen Satz als einen Fehlschluß im Folgenden nachweise, wird selbstverständlich auch Bethe's Beweisführung bezüglich der Bienen auf ihren wahren Wert zurückgeführt. -) Nochmals über die psychischen Qualitäten der Ameisen, 1900, S. 39. 3) Die psychischen Fähigkeiten der Ameisen und einiger anderer Insekten, 1901. Siehe auch dessen Experiences et remarques eritiques sur les sensations des Insectes, 4m Pie., 1901, p. 20 ff. 4) Sind die Bienen Reflexmaschinen? Experimentelle Beiträge zur Biologie der Honigbiene. 1900. 5) Versuche über die Art der Orientierung bei der Honigbiene (Biol. Zentralbl. 1903, No. 19, S. 646 — 660). 6) Beobachtungen über das Zurückfinden von Ameisen zu ihrem Neste (Illustr. Zeitschr. f. Entomol. 1900, S, ;{ 1 1 — 313). 7) Zum Orientierungsvermögen der Ameisen (Allgem. Zeitschr. f. Entomol. 1901, S. 19 ff., 41 ff.). 8) The Compound and mixed nests of American Ants (American Naturalist XXXV., 1901) p. 812; The Poly- morphism of Ants, with an account of some Singular abnormalities eine to Parasitism (Bull. Am. Mus. Nat. Hist. Will, 1907), p. 84. aus; desgleichen Miss A. Fiel d e l). Der russische Ameisenforscher \V. Karawaie w äußerte sich in der 1906 herausgegebenen russischen Übersetzung meiner Schriften: „Instinkt und Intelligenz im Tierreich" (58, 3. Aufl.) und „Vergleichende Studien" (59, 2. Aufl.) zustimmend zu meinen Ansichten über die Ameisen- psychologie und über die Tierpsychologie überhaupt. K. Es c h e r i c h bestätigte in seinem empfehlens- werten Buche „Die Ameise, Schilderung ihrer Lebensweise" (1906) meine Kritik der Bethe'schen Reflex- theorie sowie der Ameisenintelligenz und faßte die Ansichten der Ameisenforscher und seine eigene über die psychische Begabung dieser Tiere fast mit den nämlichen Worten zusammen, wie ich es in der ersten Auflage der vorliegenden Schrift 1899 (S. 121) getan hatte: Die Ameisen sind weder intelligente Miniatur- menschen noch bloße Reflexmaschinen, sondern sie sind mit mannigfachen psychischen Fähigkeiten der Empfindung, der Wahrnehmung und des Gedächtnisses und eines plastischen Modifikationsvermögens ausgestattet. Nicht in bezug auf die Bewertung des Seelenlebens der Ameisen, sondern nur desjenigen der höheren Wirbeltiere weichen meine Anschau- ungen von denjenigen F o r e 1 s und Escherichs a b. Ich werde hierauf in einem späteren Kapitel dieser neuen Auflage noch zurückkommen. Die großen Fortschritte, welche die Ameisenbiologie seit 1899 gemacht, indem sie eine Fülle neuer interessanten Tatsachen über die Pilzzucht der Ameisen, über die Verfertigung von Gespinnstnestern mittelst der Larven, über die Koloniegründung bei parasitischen und sklavenhaltenden Arten usw. enthüllte, hat also das in der ersten Auflage dieser Schrift 1899 entworfene Bild von den psychischen Fähig- keiten der Ameisen nur bestätigt und vervollständigt, nicht verändert. B e t h e's Reflextheorie des Ameisenlebens ist von den Ameisenforschern nicht angenommen worden. Schon 1899 hat übrigens B e t h e selbst seinen früheren Standpunkt von 1898 aufgegeben. Mit v. U e x k ü 1 1 und Beer sprach er sich jetzt gegen die Verwendung des Analogieschlusses in der Tier- psychologie überhaupt aus; die vergleichende Nervenphysiologie sollte als wissenschaftlich einzig berechtigte Form der ehemaligen Tierpsychologie gelten; dadurch war selbstverständlich auch bei den Ameisen die Frage nach „psychischen Qualitäten" gegenstandslos geworden. Auf die Kritik dieser Anschauungen und ihrer unvermeidlichen Konsequenzen soll im Schlußkapitel dieser neuen Auflage etwas näher eingegangen werden, wie bereits im Vorworte erwähnt wurde. II. Kapitel. Die Grundlagen der Reflextheorie Bethe's. Unter ..psychischen Qualitäten" versteht Bethe in seiner Schrift von 1898 nicht etwa bloß die soge- nannte Intelligenz der Tiere, d. h. das Vermögen, mittelst der Sinneserfahrung des Einzelwesens die angeborenen Instinkte zu vervollkommnen (zu ..lernen"), sondern ausdrücklich auch jeg- liche Sinnesempfindung, Sinneswahrneh m u n g. sinnliche Vorstellung, jegliche Betätigung des sinnlichen Erkenntnis- und S t r e b e v e r m ö g e n >. die Lust und Unlust g e f ü hie und sämtlich e durch dieselben angeregten Triebe und somit alles, was man bisher als Instinkt i m enge r e n Sinne bezeichnete (S. 19 u. 24). Wir er trotzdem dazu kommt, den Ameisen alle psychischen Qualitäten abzusprechen, wird aus den Prämissen seiner Beweisführung verständlich. M Z. B.: Further study of an ant (Proc. Ac. Xat. Sc. Philad. 1901) p. 521. Supplementary notes on an ant (Proc. Ac. Nat. Sc. Philad. 1903), p. 493; The communal life of ants iXatural Study Review I. Xo. 6, 1905), p 250 — 6 - Bezüglich der Unhaltbarkeit des Panpsychismus von H a e e k e 1 u. A., welcher sämtlichen Atomen der Materie Empfindung und Strebevermögen zuschreibt, bin ich mit Herrn Bethe vollkommen einver- standen, da eine kritische Naturphilosophie verlangt, daß man nur dort psychische Qualitäten annehme, wo solche sich nachweisbar äußern. Ebenso stimme ich mit ihm in dem zweiten Grundprinzip völlig überein, daß wir den Tieren keine höheren psychischen Fähigkeiten zuschreiben dürfen, als zur Erklärung der Tatsachen erforderlich s i n d. Es ist dies derselbe Grundsatz, den Wundt 1) und ich gegenüber der populären Tierpsychologie nachdrücklich betont hatten, um deren willkürliche Vermenschlichung des Tierlebens zurückzuweisen. Hieran fügt Bethe jedoch bereits einen anderen Satz, den man nicht so schlechthin unterschreiben kann; er lautet : nur dort dürfen wir psychische Qualitäten annehmen, wo die- selben nachweisbar dazu dienen, die Handlungsweise des Tieres zu modifizieren; überall dort aber , wo eine solche Modifikation nicht nachweisbar ist, müssen wir bloße R e f 1 e x t ä t i g k e i t 2) voraussetzen. Prüfen wir diesen Satz etwas näher. Unter „Modifizierungsvermögen" versteht Bethe das Vermögen, auf Grund sinnlicher Erfahrungen neue Assoziationen zu bilden und zu „lerne n". Es ist somit dasselbe Assoziationsvermögen, welches man früher als sinnliches Gedächtnis (memoria sensitiva) bezeichnete, und welches die moderne Tierpsycho- logie irrtümlich „Intelligenz der Tiere" nannte.3) Es fragt sich nun, ob die von B. aufgestellte logische Alternative: entweder Modifizierungsvermögen oder bloße Reflextätigkeit eine vollständige sei. Mit anderen Worten: gibt es nicht noch ein Drittes, das zwischen beiden liegt? In der Tat liegt zwischen dem Vermögen, zusammengestellte Sinnesvorstellungen zu bilden und der bloßen Reflextätigkeit noch ein ungeheuer weites Gebiet in der Mitte: das ganze Gebiet der einfachen I nstinkte, das Vermögen der Tiere, auf bestimmte Empfindungen und Sinneswahrnehmungen unmittelbar in zweckmäßiger Weise zu reagieren, infolge der Lust- oder Unlustgefühle, welche durch die betreffenden Objekte in ihnen erregt werden. Dieses ganze Gebiet der einfachen Instinkte hat Bethe aus der Psychologie gestrichen und für bloße Reflextätigkeit erklärt. ') Bethe meint (S. 16), Wundt messe mit einem „vielleicht zu strengen Maße die psychischen Qualitäten der höheren Sauger." Ich glaube dagegen, daß Wundt seinen psychologischen Prinzipien auch gegenüber den höheren Tieren völlig konsequent bleibt, was bei Herrn Bethe nicht der Fall ist, indem er dieselben Erscheinungen bei den Ameisen und bei den höheren Tieren mit einem ganz verschiedenen psychologischen Maßstabe mißt. Hätte er jene „volle Skepsis", die er den Ameisen entgegenbringt, auch den Hunden und Affen entgegengebracht, so würde er wohl nicht behauptet haben, letztere müßten „Alles erst lernen wie der Mensch, selbst das Gehen und Fressen" (S. 69). 2) Als Reflextätigkeiten bezeichnet man bekanntlich jene motorischen Reaktionen, welche durch den Reiz eines sensorischen Nerven durch Vermittlung eines untergeordneten Reflexzentrums ohne Beteiligung des nervösen Zentralorgans (Gehirns) bewirkt werden. Die Empfindung verhält sich bei den Reflextätigkeiten höchstens begleitend, nicht verursachend für die Reaktion. Man kann demnach die Reflextätigkeit auch kurz definieren als „eine durch sensorischen Reiz ohne Beteiligung eines Bewußtseinsvorganges ausgelöste motorische Reaktion." Über die Einteilung der Reflexe siehe z. B. L. L a n d o i s, Physiologie des Menschen, 10. Aufl. 1900. S. 826 ff. A n g e b o r e n ist auch bei den Reflexen eigentlich nur die durch die Reflexbogen gegebene Reaktionsmöglichkeit, nicht aber die Reflexbewegung selbst. Immerhin nennt man gewöhnlich die Reflexe „angeboren", weil ihre Ausübung nicht erworben oder erlernt wird. Von diesen angeborenen Reflexen sind die durch Übung automatisch gewordenen Tätigkeiten zu unterscheiden; die Reaktionsähnlichkeit dieser automatischen Bewegungen mit den echten Reflexbewegungen beruht auf der Ausschaltung der ehemaligen psychischen Zwischenglieder aus dem Reaktionsvorgang. Über die verschiedenen Arten der Reflexerscheinungen siehe auch E d. H i t z i g, Welt und Gehirn, 1905. S. 28 ff. (Daß der Verf. die R e fl e x- vorgänge S. 28 Reflex i o n s Vorgänge nennt, beruht wohl nur auf einem Druckfehler, da Reflexion und Reflex extreme i iegensätze sind.) 3) Den eingehenden Beweis für die Irrtümlichkeit dieses Intelligenzbegriffes habe ich meiner Schrift „Instinkt und Intelligenz im Tierreich" (58 Kap. 2 und 3) erbracht. Der Grund, den er für dieses völlig neue Verfahren angibt, ist nicht stichhaltig. Lt. meint, ohne ein Modifizierungsvermögen, durch welches das Tier infolge früherer Sinneswahrnehmungen zu lernen imstande sei, hätten die einfachen psychischen Qualitäten der Empfindung und Sinneswahrnehmung „keinen Z w e c k". Das ist jedoch unrichtig. Die sinnliche Empfindung und Wahrnehmung hat an erster Stelle den Zweck, das Tier für die augenblicklichen Bedürfnisse zweckmäßig zu leiten, indem die sinnliche Wahrnehmung der Nahrung seinen Appetit, die sinnliche Wahrnehmung des Feindes seine Furcht anregt, usw. Dazu genügt aber die einfache sinnliche Wahrnehmung in Verbindung mit den entsprechenden instinktiven Trieben vollständig. Das Vermögen, fürdieZukunft Erfahrungen zu sammeln und infolge der früheren Wahrnehmungen ihre Handlungsweise zu modifizieren, ist selbst für die höheren Säugetiere nur ein sekundäres Bedürfnis im Vergleich zu jenem primären. Es ist also unhaltbar, zu behaupten, die einfachen psychischen Qualitäten hätten „keinen Zweck" ohne Verbindung mit einem „Modifizierungsvermögen". Aus diesen Erwägungen ergibt sich von selbst, was von der Schlußfolgerung, zu halten ist, welche in Bethe's Schrift fortwährend wiederkehrt: „Diese oder diese Tätigkeit der Ameisen, resp. der Bienen ist nicht erlernt: also beruht sie aufbloßer Reflex tätigkeit." Diese Folgerung ist ein offenbarer Fehlschluß, weil es noch ein Drittes gibt, das zwischen diesen beiden Möglichkeiten liegt: den erblichen Instinkt mit den einfachen psychischen Qualitäten der Empfindung und Sinnes- wahrnehmung, die notwendig zu ihm gehören. Daher ist das ganze Verfahren, durch welches B. den Ameisen und Bienen alle psychischen Qualitäten abspricht, ohne jede Beweiskraft.1) Da Bethe in seiner Ameisenstudie überdies auf eine frühere Arbeit verweist, in welcher er seine neue Reflextheorie näher begründet habe, muß ich auch auf diese Begründung hier zurückkommen. In einer Studie über „das Nervensystem von Carduus maenas,2) der man wegen ihrer schönen anatomischen und physio- logischen Untersuchungen volle Anerkennung zollen muß, hat B. in einem eigenen Abschnitte (S. 486 — 493) die psychologischen Grundlagen seiner Erklärung der tierischen Lebenstätigkeiten entwickelt. Auch hier bin ich in vielen Punkten mit seinen Ausführungen ganz einverstanden. Er führt zur Widerlegung des Haeckel'schen Panpsychismus die treffenden Worte Du Bois-Beymonds 3) an: „Er sündigt wider eine der ersten Regeln des Philosophierens: „Entia non sunt creanda sine necessitate"; denn wozu Bewußtsein, wo Mechanik reicht? Und wenn Atome empfinden, wozu noch Sinnesorgane?" Ebenso stimme ich Herrn Bethe darin bei, daß es in das Gebiet der Mythologie gehöre, den Pflanzen Empfindung und Bewußtsein zuzuschreiben, weil eben die betreffenden Erscheinungen sich einfacher erklären lassen. Ferner wendet er sich mit Recht gegen den Standpunkt jener, welche die tierpsychologischen Facta deshalb nicht als Gegen- stand der „exakten Forschung" anerkennen wollen, weil wir nur unser eigenes Geistesleben aus Erfahrung kennen und daher über die psychischen Vorgänge in anderen Wesen keine unmittelbare Kenntnis haben. B. verteidigt diesem Extreme gegenüber die Berechtigung des Analogieschlusses (S. 489) auf dem Gebiete der vergleichenden Psychologie und stellt, wie auch bereits andere es früher getan, den richtigen Grundsatz auf, man müsse die Erscheinungen des psychischen Lebens der Tiere mit den entsprechenden Erscheinungen beim Menschen vergleichen und dann die einfachsten jener Ursachen, welche wir durch die eigene psychische Erfahrung kennen, auch zur Erklärung der betreffenden tierischen Tätigkeiten heran- ziehen.4) So weit wären wir völlig einverstanden in unseren psychologischen Grundsätzen. Aber es scheint mir, daß Herr Bethe jene Prinzipien nicht folgerichtig angewandt habe. Schon am Beginne seiner dies- 1) Ähnlich bemerkt auch Escherich (Die Ameise, 1906, S. 196): „Bethe legt auf das Angeborensein einen großen Wert, indem er diese Eigenschaft geradezu als das Hauptcharakteristik um des Reflexes ansieht. Dies ist aber ein Irrtum; wohl sind alle Reflexe angeboren, andererseits aber ist nicht alles was angeboren ist, Reflex." 2) Archiv f. Mikroskop. Anat. 50. Bd. 1897, S. 460 — 546; 589—639. ') Die sieben Welträtsel. Reden v. E. Du Bois-Reymond, Erste Folge, Leipzig 1886, S. 388. 4) Leider hat Bethe diesen richtigen Standpunkt 1899 wieder verlassen. Siehe oben S. 5. bezüglichen Ausführungen (S. 486) sagt er: „Ob nun ein äußerer Reiz, der einem Wesen appliziert wird, zum Bewußtsein gelangt ist, können wir nicht konstatieren; das, was wir sehen können, ist nur eine eventuelle Reaktion, die das Wesen auf den Reiz ausübt." Falls man die Berechtigung und die Unentbehrlichkeit des Analogieschlusses auf dem Gebiete der vergleichenden Psychologie zugibt, wird man nicht umhin können, denselben auch hier anzuwenden, um mittelst desselben zu konstatieren, ob die betreffende Reaktion des Versuchstiers auf einfachen physiologischen Reflexen oder auf psychologischen Faktoren beruhe.1) Welches Kriterium sollen wir also für die Annahme der einfachsten psychischen Qualitäten aufstellen? Bethe glaubt, man dürfe nur dann die psychische Qualität der Empfindung einem Tiere zuschreiben, wenn dasselbe durch seine sinnliche Erfahrung zu lernen imstande sei. Dieses Kriterium halte ich jedoch für viel zu hoch. Folgendes Beispiel, welches B. selber anführt (S. 490), dürfte zum Belege dienen. „Wenn ich z. B. einen Hund mit einer Zange kneife und er quiekt und davonläuft, so würde ich nicht genötigt sein, das als Zeichen von stattgehabter Empfindung aufzufassen. Wenn er aber das nächstemal, wo ich wieder dieselbe Zange zur Hand nehme, schon vorher davonläuft, so scheint mir das ein genügender Beweis zu sein, daß er den Kniff gefühlt hat." Mir scheint dagegen jener „genügende Beweis" bereits dadurch erbracht zu sein, daß der Hund schon beim erstenmal, als er gekniffen wurde, quiekte und davonlief; denn wir müssen nach der Analogie mit den menschlichen Erfahrungen bei ähnlichen Gelegen- heiten annehmen, daß auch der Hund den Kniff schmerzlich gefühlt hat, und daß diese Schmerz- empfindung die psychische Ursache war, die ihn zum Quieken und Fortlaufen bewog. Daraus, daß manche Reaktionen, welche bei normalen Tieren durch wirkliche Empfindung ausgelöst werden, auch noch an ent- hirnten Tieren durch den Reiz bestimmter untergeordneter Nervenzentren sich ebenfalls noch hervorrufen lassen, darf man keineswegs schließen, daß der betreffende Vorgang auch bei dem normalen Tiere ein rein reflektorischer sei. Auch an einer menschlichen Leiche lassen sich bekanntlich Bewegungen der Extremi- täten durch künstliche Reize gewisser Nervenzentren hervorrufen, obwohl der normale lebendige Mensch jene Extremitäen „willkürlich" d. h. infolge psychischer Empfindung und Wahrnehmung zu bewegen pflegt. Ich bin daher zwar mit Herrn Bethe völlig einverstanden in dem Grundsatze, den er (S. 490) aus- gesprochen hat: „So lange sich ein Weg zeigt, die Lebenserscheinungen eines Tieres ohne Zuhilfenahme von psychischen Eigenschaften rein reflektorisch zu erklären, soll man nach meiner Meinung auch davon ahsehen, ihnen diese Eigenschaften zuzuschreiben." Aber in der Anwendung, die er von diesem Grundsatze macht, um seine Reflextheorie zu begründen, kann ich ihm, wie aus obigem Beispiele erhellt, unmöglich beipflichten. Wenn B. fernerhin (S. 491) den Satz aufstellt: „Einen Wert kann die Empfindung nur dann für ein Wesen haben, wenn auch Erinnerung, Kombinationsvermögen und die Fähigkeit, nach dem Resultat dieser Kombination zu handeln, zugleich vorhanden sind" — so kann ich ihm hierin ebenfalls nicht bei- stimmen. Für den gekniffenen Hund hat die Schmerzempfindung auch dann, wenn er sie später völlig vergessen haben sollte, doch einen keineswegs zu unterschätzenden Zweck gehabt, nämlich den, daß er augenblicklich davonlief. Dasselbe gilt überhaupt für die einfachen psychischen Qualitäten der Empfin- dung und Sinneswahrnehmung bei höheren und bei niederen Tieren: sie haben den primären Zweck, das Tier für die augenblicklichen Bedürfnisse zweckmäßig zu leiten; sekundär kann dann noch der andere Zweck hinzutreten, daß das Tier durch frühere Empfindungen und Wahrnehmung mittelst des sinn- lichen Gedächtnisses lerne, seine ursprüngliche Handlungsweise zu modifizieren. Daher scheint mir das Beweis verfahren Bethe's, welches lautet, „nicht erlernt, also bloß reflex", ein durchaus verfehltes zu sein. Bethe bemerkt zwar ausdrücklich (S. 492), er wolle damit, daß er mittelst jenes Beweisverfahrens keine psychischen Qualitäten bei den Arthropoden zu entdecken imstande sei, noch nicht einfachhin behaupten, daß solche gar nicht vorhanden seien; aber in der praktischen Anwendung seiner Beweismethode in der Schrift über die Ameisen und Bienen ist er meist weit darüber hinausgegangen, so daß jeder Leser ih n Eindruck erhält, daß die betreffenden tierischen Tätigkeiten, auf welche er das fatale Prinzip „nicht J) Siehe hierüber auch Franz Lukas, Psychologie der niedersten Tiere, 1905, S. 4. erlernt, also reflex" anzuwenden versucht, nach Be.the's Überzeugung bloße Reflextätigkeiten, und ihre Träger ,. bloße Reflexmaschinen" seien. Letzteren Ausdruck hat er ferner selbst an mehreren Stellen aus- drücklich gebraucht. Falls es wirklich kein anderes Kriterium für den Besitz psychischer Qualitäten bei einem Tiere gäbe, als das Vermögen zu lernen, so wäre damit für jene Tiere, die n i c h t zu lernen vermögen, noch kein hin- reichender Beweis erbracht, daß sie bloße Reflexmaschinen seien, wenn nicht andererseits auch nachgewiesen würde, daß bloße Reflextätigkeiten genügen, um die betreffenden biologischen Tatsachen zu erklären. Als ich in meinen beiden tierpsychologischen Schriften (58 u. 59) die Annahme einer Tierintelligenz widerlegte, hatte ich micht nicht darauf beschränkt, bloß negativ zu zeigen, daß wir keine sicheren Beweise für die Tierintellligenz besitzen, sondern auch nachgewiesen, daß die sogenannten intelligenten Tätigkeiten der Tiere aus ihrem sinnlichen Erkenntnis- und Begehrungsvermögen befriedigend erklärlich seien und zudem mit der Annahme einer Intelligenz des Tieres großenteils in unlösbarem Widerspruche stehen. Wir werden daher in vorliegender Studie auch zu untersuchen haben, inwiefern es Bethe gelungen ist, die sogenannten psychischen Tätigkeiten der Ameisen positiv durch bloße Reflexe zu erklären, und ob er Tatsachen beizubringen in der Lage war, welche überdies die Annahme eines sinnlichen Erkenntnis- und Begehrungsvermögens der Ameisen ausschließen. Hier noch einige weitere Bemerkungen ü b e r d a s Kriterium von Instinkttätigkeit und bloßer R e f I e x t ä t i g k e i t. Ein sehr wahrscheinliches Kriterium dafür, daß das betreffende Tier nicht eine bloße Reflexmaschine sei, sondern wenigstens bei seinen höheren Lebenstätigkeiten durch sinnliche Empfindung und Wahrnehmung auf Grund angeborener Instinkte geleitet werde, scheint mir folgendes zu sein : der Besitz bestimmter Sinnesorgane in Verbindung mit einem nervösen Zentralorga n1), sowie der zweckmäßige und mannigfaltige Gebrauch, durch welchen das Tier die äußeren Eindrücke für seine Lebensbedürfnisse verwertet. Reflex- tätigkeit ist ihrem Wesen nach bloß von untergeordneten Ganglien abhängig; sie beruht auch in jenen Fällen, wo sie von Bewußtsein begleitet ist, auf der durch ein Ganglion vermittelten Verbindung bestimmter Nervenreize mit bestimmten motorischen Reaktionen. Letztere brauchen dabei ebenso wenig zum Bewußtsein zu kommen wie der Reiz, welcher sie auslöst. Wir erfahren dies z. B. an den reflek- torischen Bewegungen des Herzmuskels, welche ein normaler Mensch im normalen Zustande gar nicht empfindet. Reflextätigkeit ist daher ihrem Wesen nach ein f a c h h i n gleichförmig und mechanisch schablonenmäßig. Man vergleiche nun einmal das Benehmen einer enthirnten Taube oder eines geköpften Frosches oder einer geköpften Ameise mit dem Benehmen der normalen Individuen. Bei ersteren erfolgt auf jeden bestimmten äußeren Reiz eine ganz bestimmte Reaktion, und dieselbe wiederholt sich mit konstanter Regelmäßigkeit in derselben Weise, so oft als der Reiz wiederholt wird, bis die physiologische Leistungs- fähigkeit der betreffenden Leitungsbahn erschöpft ist; in dem Gebrauche, den tue normalen Tiere von ihren Sinnes- und Bewegungsorganen machen, ist eine derartige Schablone nicht vorhanden, weder bei den Wirbeltieren noch bei den Ameisen. Die zweckmäßig geordnete Ausübung sämtlicher Lebenstätigkeiten unter Einwirkung der äußeren Sinneseindrücke ist bei den Ameisen wie bei den höheren Tieren abhängig von einem nervösen Zentralorgan, nicht bloß von den untergeordneten Nervenzentren, die auch nach M Bethe (Noch einmal über die psychischen Qualitäten, 1900, S. 44) will nicht zugeben, daß die vergleichende Anatomie des Nervensystems eine „Erkenntnisquelle für die Tierpsychologie" sein kenne. Ich verweise dagegen auf L. Edinger, der in seinen Werken wiederholt die Bedeutung der vergleichenden Hirnanatomie für die vergleichende Psychologie der Wirbeltiere hervorgehoben hat, besonders in seiner Abhandlung „Prinzipielles zur Tierseelenkunde" (Umschau 1908, No. 24, S. 461 ff.). Auch Ed. Hitzig, Welt und Gehirn, 1905, S. 28 ff. verwendet dieselbe Beweis- methode. Daß auch beiden Insekten die vergleichende Anatomie ihres nervösen Zentralapparates von Wichtigkeit ist für die Beurteilung ihrer psychischen Begabung, wurde vort mir (58, 3. Aufl., 1 . Kap.) näher ausgeführt, ist aber auch von Forel bezüglich der Struktur des Ameisengehirns wiederholt betont worden (z. B. in seiner Schrift I psychischen Fähigkeiten d. Ameisen", 1901, S. 56). Zoologica. Heft 2G. 2 — 10 — Entfernung oder Verletzung des ersteren noch Reflexbewegungen veranlassen können. Es ist bekannt, daß gerade bei den Ameisen, Bienen und den Arbeiterinnen anderer geselliger Hymenopteren das Gehirn und insbesondere die Corpora pedunculata desselben eine relativ enorme Entwicklung zeigen. Falls man nicht mit der Loeb'schen Segmentaltheorie,1) welche bei den deutschen Physiologen wenig Anklang gefunden hat2), das Tier, sei es nun ein Insekt oder ein Vertebrat, in ein bloßes Aggregat vn „einfachen Reflextieren" auflösen will, wird man der Existenz eines nervösen Zentralorgans auch für die psychische Einheit der Betätigung des Tieres eine höhere Bedeutung beimessen müssen als jene eines bloßen Hemmungsorganes für Reflexe. Ich bin daher auch heute noch der Ansicht, daß uns die Zentrali- sation des Nervensystems und der Besitz eines nervösen Zentralorgans auch ein Kriterium dafür zu bieten vermag, daß das betreffende Tier keine bloße Reflex maschine ist.3) Ferner muß man vom psychologischen Standpunkt aus berücksichtigen, daß das „Modifikations- vermögen", welches nach B e t h e und L o e b das einzige Kriterium psychischer Qualitäten bilden sollte, bereits einfachere psychische Elemente notwendig voraussetzt, nämlich die Sinnesempfindungen, speziell aber die Lust- und Unlustgefühle als subjektive Betonung derselben und die aus denselben entspringenden Bewegungsantriebe. Ohne Voraussetzung dieser einfacheren Elemente ist ein Modifikations- vermögen, eine Änderung der früheren Handlungsweise auf Grund der sinnlichen Erfahrung (des assoziativen Gedächtnisses) überhaupt undenkbar. Vom entwicklungstheoretischen Standpunkte aus müssen wir an- nehmen, daß diese einfacheren Elemente sich vor dem Modifikationsvermögen entwickelt haben. Dann müssen wir aber auch Kriterien annehmen für das Vorhandensein von einfacheren psychischen Faktoren, und die Erkennbarkeit eines psychischen Lebens nicht erst beim Modifikationsvermögen beginnen lassen.4) Wir werden im VI. Kapitel (am Schluß des ersten Abschnittes) beim bilderzeugenden Apparat der Augen und im X. Kapitel bei den verschiedenen Formen des Lernens (Zusammenfassung am Schluß) einige dieser Kriterien kennen lernen. Folgendes Beispiel dürfte ferner vielleicht geeignet sein, den Unterschied von Instinkt und Reflex- t.ilipkeit zu erläutern. Wenn die Bienenlaus Braula coeca, wie Pere z beobachtet hat, auf die Oberlippe der Honigbiene kriecht und sie dort so lange kitzelt, bis die Biene einen Futtersafttropfen heraufwürgt, so kann man wohl sagen, die Biene füttere den Parasiten rein reflektorisch, da sie ihn überhaupt gar nicht zu bemerken scheint, und der andauernde Kitzel eine adaequate Ursache für einen Würgreflex darstellen kann. Auch die myrmekophilen Milben der Gattung Antennophorus, welche Ch. Jan et, ich und Karawaiew näher beobachtet haben5), werden von ihren Wirten gleichsam reflektorisch gefüttert. Die Ameise macht oft verzweifelte Anstrengungen, sich des Parasiten zu entledigen, den sie auf der Unterseite des Kopfes trägt; derselbe schlägt mit seinen vorgestreckten und ausgebreiteten Vorderfüßen die Kopf- ') J. L o e b, Einleitung in die vergleichende Gehirnphysiologie und die vergleichende Psychologie, 1899. ■) Vgl. VV. N a g e 1 in seinem Referat über Loeb's Buch im Zoolog. Zentralbl. VI. 1899. Xo. 18 — 19. 3) Siehe hierüber auch 58, 3. Aufl. (1905), Kap. 7 und 8. 4) MaxEttlingerin seiner Studie „Untersuchungen über die Bedeutung der Deszendenztheorie für die Psychologie" (1903) bemerkt (S. 69) mit Recht gegen L o e b, der nur insoweit Empfindungen annehmen will, als asso- ziatives Gedächtnis vorhanden ist: „Loeb vergißt dabei ganz, daß das Dasein von Empfindungen die notwendige Voraus- setzung für die Betätigung des assoziativen Gedächtnisses ist." Dennoch meint Ettlinger mit Bethe und Loeb, daß wir kein Kriterium für die ersteren haben außer in letzterem; darin kann ich ihm nicht beistimmen. Dagegen ist Fr. L u c a s, (Die Psychologie der niedersten Tiere, 1905, S. 5 ff.) der Ansicht, daß wir auch bei den niederen Tieren bereits für die einfachen psychischen Qualitäten wahrscheinliche Kriterien aufstellen können. 5) Vgl. Ch. Janet, Sur le Lasius mi.rtus, V Antennophorus Uklmanni etc. Limoges 1897; E. Wasmann, Zur Kenntnis des myrmekophilen Antennophorus (Zool. Anz. XXV No. 661, 1902, S. 66 — 76); W. Karawaiew, Antennophorus Uhlmanni Hall, und seine biologischen Beziehungen zu Los ins fuliginosus und andern Ameisen (Kiew 1904, Sep. aus: Mein. Soc. Natur. Kiew XIX, 1905; es handelt sich um A. grandis Berl.); Versuche über die inter- nationalen Beziehungen der Antennophorus-Arten (Zeitschr. Wissenschaft. Insektenbiol. 1905, Heft 12, S. 485 — 493); Weitere Beobachtungen über Arten der Gattung Antennophorus (Mem. Soc. Natur. Kiew XX. 1906, S. 209 — 230). — 11 — Seiten der Ameise mit rasch wiederholten Schlägen in bestimmten Zeitintervallen; ist nun das Kröpfchen der Ameise voll, so wird durch diesen Kitzel der Würgreflex ausgelöst, ein Futtersafttropfen tritt auf die Unterlippe, den der Parasit dann aufleckt. Auch hier wird man mit Recht sagen dürfen, die Ameise füttere den Antennophorus „bloß reflektorisch". Wenn jedoch eine Ameise, die sich draußen bei den Blattläusen oder im Fütterungsapparat eines Beobachtungsnestes den Kropf mit Honig gefüllt hat, in das Nest zurückkehrt, zu den Larven geht und eine nach der anderen füttert,1) oder den übrigen Ameisen und den nach Ameisenart sich benehmenden Käfern der Gattung Atemeies und Lomechusa von ihrem Vorrate mitteilt (vgl. Taf. IV, Fig. 1), so geschieht diese Futterausteilung nach meiner Ansieht instinktiv, weil sie hier offenbar unter der Leitung des sinnlichen Wahrnehmungs- und Strebevermögens des Tieres erfolgt. Die leisen und oft nur momentanen Fühlerschläge allein, womit eine Ameise oder ein Atemeies oder eine Lomechusa die fütternde Ameise zur Mitteilung des Futtersaftes „auffordern", sind an sich betrachtet, noch kein adaequater physiologischer Grund für die Auslösung eines Würgreflexes. Eine Ameise mit gefülltem Kröpfchen kann auch tatsächlich diese Aufforderung unbeachtet lassen und weitergehen. Selbst wenn die „bettelnde" Ameise oder der „bettelnde" Atemeies die Vorderfüße erhebt und vor oder während der Fütterung die Kopfseiten der fütternden Ameise streichelt, so ist dieser Reiz gleichsam nur eine sekundäre Unterstützung der durch die Fühlerschläge erfolgten instinktiven Aufforderung zur Fütterung; und diese Unterstützung fällt nicht selten aus oder sie bleibt manchmal auch ebenso erfolglos wie die Fühler- schläge. Lomechusa strumosa wird von Formica sangninea sogar regelmäßig gefüttert, ohne daß der Käfer jemals die Kopfseiten der Ameisen mit den Vorderfüßen streichelt. Falls man diese Tatsachen vorurteilsfrei betrachtet, wird man sagen müssen: wenn eine Ameise ihre Larven oder ihre Gefährtinnen oder ihre echten Gäste füttert, so erfolgt d i e s e Fütterung n i c h t mit der unmittelbaren Notwendigkeit einer reflektorischen Reaktion wie die Fütterung einer Braula oder eines Antennophorus, sondern sie ist von dem sinnlichen Wahrnehmungs- und Strebevermögen des Tieres geleitet und in ihrer Ausführung bestimmt. Man mag derartige Unterschiede in der Erklärung der Beobachtungstatsachen vielleicht „fein" nennen; aber ohne Berücksichtigung derselben wird man den Tatsachen des Ameisenlebens, wie sie nun einmal vorliegen, nie und nimmer gerecht werden ; man wird sie einseitig vergewaltigen, nicht befriedigend erklären. Ich komme nun zu Herrn B e t h e's Experimenten über Ameisen und zu den Schluß- folgerungen, die er aus denselben im einzelnen gezogen. Die Experimente B's. sind zwar großenteils ') Die Fütterung der Ameisenlarven und die entsprechende Fütterung der Larven von Atemeies und Lome- chusa, sowie die Fütterung von Lomechusa strumosa (Image) durch die Formica-Arten erfolgt nach meinen zahlreichen diesbezüglichen Beobachtungen, die oft mit der Lupe angestellt wurden, in folgender Weise: Die fütternde Ameise nimmt mit nur halbgeöffneten Kiefern den Mund der Larve (bezw. der Lomechusa) in ihren Mund und p u m p t dann, wahrend sie dabei manchmal den Kopf leise hin- und herbewegt, den Futtersaft aus ihrem Munde in denjenigen des zu fütternden Wesens. Letzteres verhält sich dabei so passiv, daß man während einer oft eine Minute lang dauernden Fütterung kaum eine leise Bewegung seiner Unterlippe mit der Lupe wahrnehmen kann. Wenn dagegen eine Formica oder Myrmica eine andere Ameise oder einen Atemeies füttert (vgl. Taf. IV, Fig. 1), so öffnet sie weit die Oberkiefer und läßt einen Safttropfen auf . besonders S. 167 ff. - 12 Wiederholungen früherer Versuche Lubbock's und anderer, wurden aber in recht sinnreicher Weise angestellt und haben zur Lösung der einschlägigen Probleme, namentlich darüber, wie die Lasius-Arten ihren Weg finden, einen wichtigen neuen Beitrag geliefert. Leider wurden auch hier von ihm in mehreren Punkten einseitige und nicht hinreichend begründete Schlußfolgerungen gezogen, denen ich auf Grund meiner Beobachtungen nicht beistimmen kann, auch abgesehen von dem stets wiederkehrenden upüiov i}>eö8os, welches lautet: ,, nicht erlernt — also bloß reflex." Bethe's Versuche beziehen sich auf die Fragen: Kennen die Ameisen einer Kolonie sich „persön- lich?" Wie finden die Ameisen ihren Weg? Besitzen die Ameisen Mitteilungsvermögen? Weisen andere Verrichtungen der Ameisen auf den Besitz psychischer Qualitäten hin? III. Kapitel. Wie erkennen die Ameisen sich untereinander? Unter den Sinnen der Ameisen stehen — darin stimmen alle Myrmekologen überein — der T a s t- und der Geruchssinn an vornehmster Stelle. Als Organe des ersteren dienen die Tastborsten, die am ganzen Körper verteilt, aber an den Fühlern am zahlreichsten sind. Als Organe des letzteren sind die Geruchszapfen (coni olfactorii) und andere Sinneshaare anzusprechen,1) die bei den Ameisen hauptsächlich an der Fühlergeißel lokalisiert sind. Durch das tatsächliche Zusammentreffen der Tast- und Geruchsorgane an den Fühlern und durch die Beweglichkeit der Fühler werden diese zu „tastenden Nasen" und stellen ohne Zweifel die biologisch wichtigsten Sinneswerkzeuge der Ameisen dar. Die Qualität des Geruchs- sinns der Ameisenfühler ist insofern eine eigenartige, von unserem Geruchssinn verschiedene, als sie auch eine Formwahrnehmung des riechenden Objektes ermöglicht; diese Eigentümlichkeit hat F o r e 1 zutreffend als „t o p o c h e m i s c h e n G e r u c h s s i n n" der Ameisenfühler bezeichnet. Bei unserer Beurteilung der psychischen Fähigkeiten der Ameisen handelt es sich darum, ob der Gebrauch, den die Ameisen von ihrem Geruchssinn machen, ein rein reflektorischer ist oder nicht. Prüfen wir dies zuerst an dem sogenannten „Wiedererkennen der Ameisen.'' Nach Forel geschieht das gegenseitige „Erkennen" der zu einer Kolonie gehörigen Ameisen durch die ebenerwähnte eigentümliche Verbindung von Geruchs- und Tastwahrnehmung, die er mit dem sehr geeigneten Worte „o d e u r au c o n t a c t" (,.B erührungsgeruc h") bezeichnete. Als Werkzeug dieser Sinneswahrnehmung dienen die Fühler, insbesondere die Fühlerspitzen 2). Ich konnte mich auf Grund ') Vgl. Lubbock, On the senses, instincts und intelligence of animals, New Ed. London 1899. p. 50 ff. 2) Zur Bestätigung dieser Ansicht dienen auch meine Versuche über die Bedeutung der Fühler bei Myrmedonia. (Vgl. 19). Letztere Versuche beweisen überdies, daß bei m a n c h e n Geruchswahrnehmungen, z. B. den auf die Nahrung bezüglichen, neben den Fühlern auch die an ihrer Spitze mit einem Papillenkranze versehenen Taster beteiligt sind; die fühlerlosen Myrmedonien konnten noch ihre Nahrung wittern, aber nicht mehr ihre Feinde meiden. Über die biologische Bedeutung der Palpen bei den Insekten vgl. auch Biol. Zentralbl. IX. 1889. No. 10. S. 303 — 308. — Auch die interes- santen Versuche, welche Miß Adele F i e 1 d e seit 1901 über die Funktion der Ameisenfühler als Geruchsorgane usw. veröffentlicht hat, bestätigen die hohe Bedeutung dieser Organe für das „Wiedererkennen der Ameisen" und andere Bedürfnisse ihres sozialen Lebens. Die Lokalisation bestimmter Klassen von Geruchswahrnehmungen auf bestimmte Fühlerglieder — , z. B. die Wahrnehmung des Nestgeruchs durch das 12. Glied, des Individual- und Kolonie- geruches durch das 11. Glied, des Pfadgeruches durch das 10. Glied, des Brutgeruches durch das 8. und 9. Glied — , welche Fielde bei Stenamma fulvum annehmen möchte, scheint nur dagegen sehr fraglich. Vgl. A. F i e 1 d e, Further study of an ant (Proc. Ac. Nat. Sc. Philad. 1901, p. 521 ff.): A cause of feud between ants of the same species living in different communities (Biolog. Bullet. V, Xu. 6, 1903, p. 326 ff.); Power of recognition among ants (Biolog. Bullet. VII. \<> 5, 190',, p. 227 ff.); The progressive odor of ants (Biolog. Bullet. X. No. '.. 1905, p. 1 ff.). — 13 — meiner Beobachtungen und Versuche dieser Auffassung Foreis' völlig anschließen. Daß die Ameisen sich nicht in dem Sinne „persönlich kennen", als ob sie sich unabhängig von der durch die Fühlerspitzen vermittelten Sinneswahrnehmung, etwa durch eine willkürlich gewählte intelligente „Parole", z. B. durch eine bestimmte Form der Fühlerschläge, womit sie sich gegenseitig berühren, als Gefährtinnen zu erkennen vermöchten, das ist schon lange bekannt. Bereits 1891 (21. S. 211) schrieb ich hierüber: „Der Umstand, daß ihrer Fühler beraubte Ameisen von den Gefährtinnen noch erkannt werden durch Berührung mit den Fühlern, obwohl sie selbst diese Unterscheidungsfähigkeit eingebüßt haben, zeigt, daß es sich um eine Geruchswahrnehmung handelt, nicht um eine Parole, die in einer bestimmten Fühlerbewegung von beiden Seiten bestehen müßte." Ferner haben Forel und ich bereits wiederholt darauf hingewiesen, daß eine vereinzelte, von feindlicher Ameisensäure bespritzte Ameise von ihren eigenen Nestgenossen wenigstens anfangs nicht erkannt, sondern feindlich angegriffen, manchmal sogar getötet wird; auch hieraus schlössen wir, daß die gegenseitige Erkennung der Ameisen einer Kolonie durch einen bestimmten, ihnen anhaftenden Geruchsstoff vermittelt werde. Ein interessantes Beispiel dieser Art sei hier näher angeführt. Am 11. Februar 1886 hatte ich eine sanguinea in ein Beobachtungsnest von Polyergus rufescens (mit F. fusca als Hilfsameisen) gesetzt. Eine fusca, welche ihr begegnete, griff sie an, und die sanguinea bespritzte die fusca mit ihrem Gifte. Als die fusca hierauf den Feind losgelassen hatte und zu den Ihrigen zurückgekehrt war. wurde sie von mehreren fusca, ihren eigenen Gefährtinnen, angegriffen, eine halbe Stunde lang feindlich umhergezerrt und sogar mit Gift bespritzt; denn sie roch nach der sanguinea und wurde daher von den Ihrigen nicht mehr erkannt; sie wurde wie eine sanguinea behandelt, trotzdem ihre sonstige Erscheinung (Gestalt und Färbung) dieselbe geblieben war. B e t h e hat nun durch seine Versuche bestätigt, daß bei dem gegenseitigen „Erkennen" der Ameisen wirklich ein „G eruchsstoff" im Spiele sei. Er badete Ameisen in einem Alkohol-Wasserbad, ließ sie trocken werden und badete sie dann in der aus zerquetschten Ameisen fremder Arten bereiteten Brühe; dann wurden sie teils zu den eigenen Kolonien, teils zu jenen der betreffenden fremden Arten gesetzt; bei ersteren wurden sie infolge jenes Bades feindlich angegriffen, bei letzteren dagegen geduldet; wie lange, das sagt Herr Bethe leider nicht. Gerade das wäre sehr interessant gewesen, zu erfahren; denn bei der Frage, wie die Ameisen ihre Gefährtinnen von Fremden unterscheiden, genügt es nicht, bloß den ersten indifferenten Eindruck zu berichten, den z. B. ein mit Tetramorium-Brühe gebadeter Camponotus herculeaneus auf die betreffenden Tetramorium macht, wenn man ihnen die fremde Ameise auf die Nest- oberfläche srtzt. Es handelt sich vielmehr darum, ob die Tetramorium nicht durch Untersuchung des Fremden mittelst ihrer Fühlerspitzen in kurzer Zeit die Täuschung bemerken, indem sie den Eigengeruch des Camponotus von dem ihm anhaftenden Tetramorium-Geruche allmählich unterscheiden.1) Darüber berichtet Bethe nichts. Seine Angabe, man könne durch jenes Badeexperiment bewirken, „einen Feind so zu verwandeln, daß er wie ein Nestgenosse aufgenom m e n wird" (S. 36), ist daher durch sein.' Versuche nicht bewiesen worden. Da i's Tetramorium caespitum war, von welchem 1!. die Behauptung aufgestellt, daß man eine Myrmica oder einen Camponotus durch Baden in Tetramorium-BTilhe so zu verwandeln vermöge, machte ich einige diesbezügliche Versuche mit einem Beobachtungsneste von Tetramorium, in welchem die Behandlung der „verwandelten Feinde" sich leicht näher feststellen ließ. Am 15. April 1898 setzte ich in ein am Tag.' vorher eingerichtetes volkreiches Tetramoritim-Nes\ zuerst 1 Myrmica scabrinodis ^ und 1 Formica rufa ^ " h n e B a d. I >ie Myrmica (M, ) wird wenig angegriffen, l) In seiner Antwort (Nochmals über die psych. Qual. 1900 S. '.»ii bleibt Bethe dabei, es komme n u r auf die erste Reaktion an. Dies ist offenbar nicht richtig: denn die erste Reaktion beweist blos «laß die GeruchsstoftV als Mittel zur Wiedererkennung dienen, nicht aber daß die Wiedererkennung rein reflektorisch erfolge, ohne ein Unterscheidungsvermögen von Seite der Ameisen. — 14 da sie sich gleich anfangs in dem fremden Neste instinktiv „totstellt." 1) Viele Tetramorium laufen an ihr vorüber, berühren sie flüchtig mit den Fühlern und laufen weiter, ohne sie anzugreifen. Innerhalb 5 Minuten wird sie jedoch nach und nach von 5 Tetramorium angegriffen und mit dem Stachel bearbeitet. Die rufa (vx) wurde sofort mit großer Heftigkeit angegriffen von einer größeren Anzahl Tetramorium und ist von ihnen fast bedeckt; sie krümmt sich ein, wehrt sich heftig durch Beißen und spritzt Gift. Nun nahm ich in Zwischenräumen von je 5 Minuten aus demselben Myrmica-Neste zwei M. seabri- nodisty (M2undM3), und aus demselben rufa-Neste zwei rufa § (r2 und r3), behandelte sie sorgfältig mit dem Bethe'schen Doppelbade und ließ sie auf Filtrierpapier trocken werden.2) Zu dem zweiten Bade benützte ich, da Tetramorium sehr klein ist, eine aus einer Menge Ameisen des Tetramorium-Nestes bereitete Brühe, um den Erfolg zu sichern. Dann wurden die Gebadeten nacheinander in das Tetramorium-'Nest gesetzt. M2 wurde bei der ersten Begegnung mit den Tetramorium ebenso behandelt wie die ungebadete Mx. I >a sie sich sofort totstellte, wurde sie nicht heftig angegriffen ; manche Tetramorium berührten sie mit den Fühlern und gingen gleichgültig an ihr vorüber, während andere sie mit geöffneten Kiefern anfuhren. Nach einigen Minuten hatte sich auch an M2 ein halbes Dutzend Tetramorium festgebissen und zerrten und stachen sie. Also sie war doch erkannt worden wie Mv Ich dachte, die Dauer des Bades in der Tetramorium- Brühe sei vielleicht zu kurz gewesen und ließ daher M3 eine ganze Minute im Bade. Sie wurde dann von den Tetramorien einige Sekunden länger ignoriert ; aber schon nach 10 Sekunden waren zwei Feinde an ihr fest- gebissen und zerrten sie. Also auch M3 war rasch erkannt worden trotz des Bades. Nach 10 Minuten: Mx ist von mehreren Feinden umgeben, die sich an ihr festgebissen haben; sie stellt sich tot. M2 stellt sich tot; nur ein Feind ist an ihr festgebissen; soeben wird sie von einem zweiten Feinde angegriffen und an einem Beine gezerrt. M3 stellt sich ebenfalls tot, wird von vielen Ameisen ignoriert, von anderen jedoch mit den Fühlern untersucht und gebissen; ein Feind beißt sich jetzt an einem Bein von M3 fest und zerrt sie umher. Also: die Heftigkeit des ohnehin (auf Mx) schwachen Angriffes ist durch das Badeverfahren noch etwas abgeschwächt, aber die Fremden wurden trotzdem rasch „erkannt." Nun kommen die beiden unterdessen gebadeten rufa, abermals in Zwischenräumen von 5 Minuten. r2 wird fast unmittelbar nach ihrer Ankunft von einer Anzahl Feinden angegriffen; einige der Angreifer gehen weiter, während andere sich wütend an ihr festbeißen. Ebenso r3, die noch länger im zweiten (Tetra- morium-)Baide gewesen war. Von einem „Nichterkennen" der Fremden ist keine Bede, obwohl die Zahl der Angreifer nicht so groß ist und der Angriff nicht so plötzlich und heftig erfolgt wie auf die ungebadete rx. Hierzu trug nämlich auch der Umstand bei, daß die durch das vorhergegangene Doppelbad entmutigten rufa sich weniger heftig wehrten als die ungebadete rx. Aber auch r2 und r3 waren nach wenigen Minuten von einer größeren Anzahl Tetramorien bedeckt, die an ihnen sich festgebissen hatten oder an ihnen zerrten; als sie sich regungslos verhielten, ließen die meisten Feinde von ihnen ab, während einige festgebissen blieben. Die vorübergehenden Tetramorien ignorierten meist die regungslos daliegenden r2 und r3 ebenso wie die nun gleichfalls regungslose ungebadete r,. Ich nahm nun aus demselben Myrrnica-scabrinodis-Nesle einen echten Gast, Atemeies emarginatus, der nach meinen früheren Versuchen bei Tetramorium niemals aufgenommen wird, und badete ihn sorgfältig in dem Doppelbade, ließ ihn trocken werden und setzte ihn in das Tetramorium-'Nest. Obwohl der Käfer nicht durch erregtes Umherlaufen die Ameisen reizte und keine Geruchssalven gegen die ersten Angreifer abgab, wurde er konstant feindlich behandelt, wenn auch nicht mit derselben Heftigkeit wie sonst. Viele der an ihm vorübergehenden Ameisen berührten ihn mit den Fühlern und gingen ohne Angriff weiter, die meisten aber fuhren nach jener Untersuchung mit geöffneten Kiefern auf ihn los und zerrten ihn an den Fühlern oder den Beinen oder den Hinterleibsseiten. Sobald der Käfer anfing umherzulaufen, wurden ') Weßhalb ich nicht sage „in einen Starrkrampfreflex verfallt", wird weiter unten klar werden. 2) Benetzte Ameisen werden bekanntlich, auch wenn die Flüssigkeit nur Wasser ist, so lange sie naß sind, von ihren Gefährtinnen nicht leicht erkannt. — 15 — (wie gewöhnlich) die Angriffe sofort heftiger. Zwei Tetramorien bissen sich nun konstant an ihm fest und bearbeiteten das betreffende Bein, das sie gepackt hatten, mit ihrem Stachel. Am nächsten Morgen lagen die drei rufa, die zwei gebadeten wie die eine ungebadete, tot im Neste. Der Atemeies war bereits mit eingezogenen Hinterleibsringen dem Tode nahe; er war durch die erhaltenen Stiche gelähmt und zuckte nur noch mit den Tarsen. Von den drei Myrmica fand ich anfangs nur zwei, eine Stunde später auch die vorher von Erde bedeckte dritte. Sie schienen tot zu sein; ich nahm sie heraus; keine Ameise war an ihnen festgebissen. Als ich die Myrmica auf das Papier neben dem Beobachtungsneste niedergesetzt, liefen sie gleich davon; sie hatten sich vorher bloß „totgestellt" und gaben ihre regungslose Stellung sofort auf, als sie sich außerhalb des feindlichen Nestes fühlten. Ihr dicker Chitinpanzer hatte sie völlig unversehrt erhalten. Ich setzte sie hierauf in das Tetramorium-N est zurück ; sogleich nahmen sie ihn' instinktive regungslose Haltung wieder an. Die meisten Tetramorium, die an ihnen vorüberkamen, ignorierten sie; nach einigen Minuten waren jedoch alle drei von einzelnen Tetramorien umgeben, die an ihnen zerrten, bissen und stachen. Also auch hier keine Spur von einer „Aufnahme der in Freunde verwandelten Feinde!'' Ich machte noch eine Reihe von Versuchen, um durch das hübsch ausgedachte Badeexperiment Bethe's die Aufnahme von Atemeies emarginatus bei solchen Formica-Arten zu bewirken, welche diesen Gast sonst nicht aufzunehmen pflegen. Das Resultat war auch hier ein entschieden negatives. -Der erste Angriff auf den fremden Ankömmling wurde zwar in einigen Fällen gemildert; aber er wurde trotzdem als Fremdling erkannt und getötet. Näheres über diese Versuche später bei den „internationalen Beziehungen von Atemeies". Da Formica sanguinea unter gewissen Umständen selbst mit erwachsenen Ameisen fremder Formica-Arten sich relativ leicht zu einer „Allianzkolonie" verbindet, konnte man hoffen, durch die Bade- methode Bethe's hier bessere Ergebnisse zu erzielen. Am 10. April 1898 badete ich nacheinander vier rufa £ , die aus einer selbständigen nrafews*s-Arbeiterinnen, die mit ruja als Hilfsameisen in meinem großen srafe«s«-Arbeiterinnen aus einer fremden Kolonie in das Obernest, und zwar eine nach der anderen an zwei verschiedenen Tagen. Auch diese pratensis ließ ich vorher zwischen meinen Fingerspitzen eine Giftsalve abgeben und setzte sie genau unter denselben Umständen in das Obernest. Diese pratensis wurden jedoch von den sanguinea sofort mit derselben Heftigkeit angegriffen wie von den rufa und pratensis. Hieraus muß man schließen, daß bei obigem Versuche die sanguinea mittelst ihrer Fühler den Koloniegeruch der aus ihrer eigenen gemischten Kolonie genommenen pratensis von dem ihr anhaftenden fremdartigen Gerüche zu unterscheiden vermochten, während die rufa und pratensis kein so feines Unterscheidungsvermögen besaßen. Mit bloßen „Chemoreflexen" kommen wir bei F. sanguinea noch viel weniger aus als bei anderen Ameisen. Auf ein von Herrn B. übersehenes Moment möchte ich hier nochmals aufmerksam machen, auf die Bedeutung des Geruches der Speicheldrüsensekrete der Ameisen für die sogenannte Wieder- erkennung der Nestgenossen l). Schon 1892 hatte ich die Beobachtung mitgeteilt, daß die Aufnahme von Atemeies emarginatus in den gemischten Kolonien von sanguinea-jusca wiederholt dadurch vermittelt ward, daß die fusca den Gast zuerst beleckten, worauf er auch von den sanguinea nicht mehr feindlich angegriffen wurde (24, S. 596; vgl. auch ibid. S. 595 und 645; ferner 59, S. 10. 2. Aufl. S. 12), während unter denselben- Ver- hältnissen die Atemeies ohne jene Dazwischenkunft der fusca von den sanguinea zerrissen worden wären. Diese Beobachtungen dürften wenigstens einiges Licht darüber verbreiten, wie es möglich ist, daß in den gemischten Ameisenkolonien Angehörige ganz verschiedener Spezies denselben Nestgeruch (oder Familien- geruch) annehmen: es geschieht dies vorzugsweise2) durch die gegenseitige Beleckung und Fütterung. Auf diese Weise begreift es sich auch leichter, wie in den aus erwachsenen Ameisen verschiedener Arten ') Vgl. auch X. Lud \v i g, Futtersaft oder tierische Veranlagung als der Beherrscher und Ordner geheimnis- voller Vorgänge im Bienenvolk. Verlag der Leipziger Bienenzeitung 1896. Ludwig betont auch für die Bienen die hohe biologische Bedeutung des Geruches der Speicheldrüsensekrete. Bethe kann sich für seine Reflextheorie nicht auf Ludwig, den er zitiert, berufen, da letzterer gerade die rein reflektorische Erklärung des Bienenlebens durch „Futter- saftspannung" in jener Schrift eingehend widerlegt. 2) Ich sage bloß , .vorzugsweise" und füge bei „unter normalen Verhältnissen"; denn die von Forel (F. d. 1. Siusse p. 239 ff. und 278 ff.) und mir (21. S. 154 ff.) angestellten Schüttelexperimente zeigen, daß bei Kolonien derselben oder sehr nahe verwandter Arten auch durch bloßes Durcheinanderschütteln der Ameisen und ihres Nestmaterials schon ein neuer gemeinschaftlicher X e s t g e r u c h entstehen kann. Hier zeigt sich auch, daß der Ausdruck „Nestgeruch" manchmal passender ist als „Familiengeruch". — 19 — gebildeten „Bundeskolonien" ein neuer Koloniegeruch sieh ausbilden kann, der gewissermaßen eine Mischung des ursprünglichen Familiengerucb.es beider Komponenten darstellt. Man vergleiche hiezu die Beobachtungen von Forel (Fourmis d. I. Suisse, besonders p. 278) und mir (21, S. 83 und 146 — 156). Alles erklärt auch dieses Moment nicht, z. B. weshalb Formica sanguinea die Arbeiterpuppen fremder Formica- Arten aufzieht, diejenigen der J1 und ? dagegen frißt oder sie als junge Ameisen tötet. Alle diese Individuen wurden doch teils als Puppen, teils als junge Ameisen, nachdem sie aus den Kokons gezogen worden wann, von den Arbeiterinnen der betreffenden Kolonie längere Zeit b e 1 e c k t; trotzdem ist ihr endliches Schicksal ein ganz verschiedenes. Daß der Geruchsstoff der männlichen und weiblichen Puppen die Freßlust der Ameisen stärker reize, bietet auch keine adaequate Erklärung; denn sonst müßten die sanguinea ja auch ihre eigenen männlichen und weiblichen Puppen regelmäßig fressen. Nach B. kann übrigens von Freßlust bei Ameisen keine Rede sein, sondern nur von einem Freßreflex, der völlig frei ist von der ,, psychischen Qualität" des Hungergefühls und dessen Befriedigung. In dieser Erklärung löst ein Geruchsreflex je nach Bedürfnis des Er- klärers einen Freßreflex oder einen Leckreflex oder einen Fütterungsreflex oder irgend einen anderen Reflex ganz rein mechanisch aus. Ich kann mich einer derartigen Erklärung mit dem besten Willen nicht anschließen. Prüfen wir nochmals sorgfältig den von Bethe dafür vorgebrachten „Beweis", daß das gegenseitige ..Erkennen" der Ameisen nicht auf sinnlicher Wahrnehmung, sondern auf einem bloßen „Chemoreflex" beruhe. Sein Beweis lautete: Die Reaktion auf den betreffenden Geruchsstoff, der von den Mitgliedern der eigenen Familie ausgeht, wird von den Ameisen nicht erlernt: also beruht sie auf einem bloß e n H e f 1 e x. Nehmen wir einstweilen an, der Vordersatz sei richtig; dann fehlt trotzdem dem Schlußsalze noch jegliche Beweiskraft, weil noch ein Drittes zwischen diesen beiden Möglichkeiten liegt: der erbliche Instinkt mit den entsprechenden Vermögen der sinnlichen Empfindung und sinnlichen Wahrnehmung. Also hat Bethe mit jenem Schlüsse gar nichts bewiesen gegen die Existenz psychischer Qualitäten bei den Ameisen. Jetzt kommt aber erst noch die Prüfung des Vordersatzes, welcher lautete: die Reaktion der Ameisen gegen den Geruchsstoff der eigenen Koloniegenossen ist. nicht erlernt. Ist dieser Satz überhaupt richtig? Wenn jene Reaktion nicht erlernt, d. h. durch sinnliche Erfahrung erworben ist, so muß sie den Ameisen angeboren sein ; ein Drittes gibt es nicht. Wir haben also zu prüfen, ob den Ameisen einer und derselben Kolonie die friedliche Reaktion gegenüber dem Geruchsstoff ihrer Koloniegenossen angeboren ist oder n i c h t. Angeboren kann den Ameisen nur die friedliche Reaktion gegen den bestimmten Geruchsstoff jener Ameisen sein, mit denen sie durch A b s t a m m u n g von gemeinsamen Eltern verbunden sind. Niemanden wird es einfallen, zu behaupten, die friedliche Reaktion gegen jeden beliebigen Geruchsstoff einer fremden Kolonie oder fremden Art sei ihnen angeboren; denn das wäre ja in offenbarem Widerspruche mit den Beobachtungstatsachen. Also: angeboren kann einer Ameise nur die friedliche Reaktion gegen den Familiengeruchsstoff ihrer e i g e n e n A r t und i h r e r e i t,r e n e n K o 1 o n i e sein, von welcher sie abstammt, nicht aber eine friedliche Reaktion gegen den Geruehsstoff fremder Anieisenkolonien und fremder Ameisenarten, welche ja gerade an ihrem verschiedenen Geruchsstoffe als „Feinde" erkannt werden. Nun reagieren aber die in den Kolonien der Raubameisen aufgezogenen Hilfsameisen friedlich auf den Geruchsstoff der fremde n A r t (der sogenannten Herren in ihrer Kolonie), feindlich dagegen auf den Geruchsstoff der ei ge n e n S c h w e s t e r n, aus deren Kolonie sie als Puppen geraubt wurden. Also i-t den Ameisen die friedliche Reaktion auf den Geruchsstoff ihrer eigenen Koloniegenossen nicht angeboren, sondern sie ist von den einzelnen Ameisen individuell e r w o r b e n.1) Diese indivi- l) Diese Beweisführung der ersten Auflage ist durch die seither entdeckten interessanten Tatsachen über die Koloniegründung bei den sklavenhaltenden und parasitischen Ameisen (Wheele r, \Y a s m a n n, S a n t sc h i, Viehmeyer) keineswegs entkräftet worden (siehe 146 und 162). Die Königinnen der sklavenhaltenden Ameisen gründen ihre neuen Kolonien mit Hilfe von (erwachsenen oder jungen) Arbeiterinnen einer Hilfsameisenart. Dadurch wird der ..Familiengeruch" der gemischten Kolonie von anfang an ein gemischter, der sich aus zwei spezifisch verschiedenen Komponenten zusammensetzt. Hierauf hat auch Escherich (Die Ameise, 190fi, S. 197 aufmerksam gemacht, — 20 duelle Erwerbung erfolgt während der Periode, wo die junge frisch entwickelte Arbeiterin beginnt, sich zu erhärten und auszufärben. In dieser Periode entwickelt sich erst ihr eigener bestimmter individueller Geruchsstoff und in dieser Periode entwickelt sich auch das Geruchsvermögen ihrer Fühler, durch welches sie den Geruchsstoff ihrer Koloniegenossen von dem Geruchsstoffe anderer Ameisen unterscheidet. Dies ist eine durch zahlreiche Versuche von Forel, mir und anderen Forschern sicher feststehende Beobachtungstatsache! Also beruht das Unterscheidungsvermögen der Ameise für „Freund und Feind" nicht auf erblichen Reflexen, sondern auf der sinnlichen Wahrnehmung jenerGeruchs- eindrücke, welche sie während der ersten Tage ihres Imagolebens als Arbeiterin empfängt. Von einer Ausbildung neuer Reflexe kann in jenen paar Tagen nicht die Rede sein. Zur Illustrierung der Tatsache, wann und wie die erste Ausbildung des Koloniegeruches der Ameisen sowie des Unterscheidungsvermögens dieses Geruches von den Gerüchen fremder Kolonien und Arten erfolgt, erinnere ich hier noch an das hübsche Experiment Foreis (Fourmis d. 1. Suisse p. 261), welcher aus frisch ent- wickelten aus verschiedenen Kolonien genommenen Arbeiterinnen von F. exseda, sangumea und rufibarbis, denen er Kokons von F. pratensis, exseda, fusca, rufibarbis und sanguinea gegeben, eine aus fünf Formica- Arten bestehende gemischte Kolonie bildete. Überhaupt beruht die Möglichkeit der Existenz gemischter Ameisenkolonien, sowohl der natürlichen als der künstlich erzielten, eben darauf, daß die Reaktion gecren einen bestimmten Koloniegeruch den Ameisen nicht angeboren ist, sondern erst im Beginne ihres individuellen Imagolebens erworben wird. Die Fälle künstlich gemischter „Bundeskolonien", die aus völlig erwachsenen Arbeiterinnen verschiedener Ameisenkolonien von Forel und mir (21. S. 146 f.) gebildet wurden, beweisen überdies, daß selbst Ameisen, deren Koloniegeruch bereits vollkommen ausgebildet ist noch lernen können, auf einen fremden Koloniegeruch freundschaftlich zu reagieren. Ich nehme hievon jene Fälle aus, wo die fremden Ameisen vorher durcheinandergeschüttelt wurden und beziehe mich nur auf jene bezüglich ihrer psychischen Deutung unzweifelhaften Fälle, wo die verschiedenen Kolonien ohne jenes Manöver einander nahe gebracht worden sind. Die gegenseitige Annäherung geschieht hier anfangs nur mit unTeTMaubt mein obiger Einwand gegen Bethe's Behauptung werde dadurch „entschieden etwas gemildert." Dies durfte jSS nur scheinbar der Fall sein. Wenn den Ameisen die Reaktion auf einen bestimmten Sp-es- -d Farn. hen Geruchsstoff angeboren wäre, so wäre erstens schon die G r ü n d u n g gemischter Kolomen unmöglich Die ," cot Königin würde von den ^-Arbeiterinnen nicht adoptiert, sondern getötet oder vertrieben werden. Ebnso Z tonnte es einer SWWKönigm gelingen, aus den /^-Puppen Hilfsameisen zu erziehen, wenn bei letzteren die feindliche Reaktion gegen den sang^-Geruch ein angeborener Reflex wäre. Zw e , te n könnt n , ein »a^mea-Kolonie die neuen normalen Hilfsameisen, welche später durch Puppenraub in die gemischte Kolonie gelangen mch f iedl ch auf den fremden Geruchsstoff der letzteren reagieren, der aus zwei verschiedenen Artgeruchen sich tmmensetzt und zudem ein ganz verschiedener Koloniegeruch ist, während sie , f e in dl .on reagieren «■**» Geruchsstoff ihrer eigenen ehemaligen Mutterkolonie. Noch viel weniger konnte dies bei den anormale Hills amestfrL der Fall sein, die man einer sangUinea-Kolonie als Puppen gibt , und ^och reagieren «*££™£L den ihnen gänzlich fremden Geruchsstoff der gemischten Kolonie, dagegen feindlich auf den Ge^stof^ mr eigenen Kolonie! D.ese Tatsachen stehen in unlösbarem Widerspruche mit der Behauptung Bethes, daß du Reaküon der Ameisen auf einen bestimmten Familiengeruchsstoff ein „angeborener Reflex sei. Ich habe ferner experimentell festgestellt (146 und 162), daß Fornuca trunctcola und exsecta welche in freier Natur kerne sklavenhaltenden Ameisen sind, sondern nur in temporär gemischten Kolomen mit F. fusca lebe, de N Jung zur Erziehung von Arbeiterpuppen ihrer Hilfsameisenart auch noch ^^^^^f^^ aussterben der primären Hilfsameisen eine einfache trunckola- oder ««Kolonie geworden ist In den ^-M"* Kolomen laßt sich d.ese Neigung noch auf das Geruchsgedächtnis der Ameisen zurückfuhren da in denselben noch * 8 der Herrenart vorhanden sind, die durch fusca erzogen wurden^ Aber bei truncutola ^£f^f^ zur Wa-Zucht auch noch in alten, mehr als 8 jährigen Kolonien (162, 3. Kapitel, Biolog. Zentralbl. 1908, No. 0 S. 326). \Jy ,„„.,1 wir annehmen, daß die Neigung zur Erziehung von /^a-Puppen infolge der «?^™^^ Kolonien zu einem erblichen Elemen t in der Keimesanlage von trunctcola geworden ist oder zu ;^T^£«; steht. Es scheint somit ein Fall von Vererbung erworbener Eigens c h a f t e n ™^f™>^™^ auch für die Phylogenie des Sklavereiinstinktes nicht ohne Bedeutung ist, obwohl die Entwicklung der Sklaverei e.nen vom temporären sozialen Parasitismus nach anderer Richtung divergierenden Zwe.g darstellt. <- ->- (Blattläuse) Drehstück Bethe1) ist nun auf den genialen Gedanken gekommen, eine Polarisation der Spur anzunehmen, welche von den Ameisen hinterlassen wird, um dadurch die objektive Verschiedenheit der Geruchsfährte des vom Neste fort und des zum Neste h i n führenden Weges zu erklären. Wie die Ameisen diese Polarität subjektiv wahrnehmen sollen, sagt er nicht; doch sehen wir davon jetzt noch ab. Wir erhalten bei Annahme einer Polarisation der Spur folgendes Schema für das obige Experiment : Polarität vor der Drehung: (Nest.) -\ 1 -{ 1 Drehstück -\ h + — H (Blattläuse) Polarität n a c h der Drehung um 180 ° : -\ 1 — H h Drehstück — + — + H h - Die frühere Anordnung der Zeichen ist also an den Grenzen des Drehstückes jetzt in die entgegen- gesetzte verwandelt. Ich war über die Einfachheit dieser von Herrn B. gefundenen Erklärung anfangs wirklich sehr angenehm überrascht. Als ich jedoch über die Tatsache, zu deren Erklärung die Polarisations- hypothese aufgestellt war, tiefer nachdachte, wurde diese Illusion leider zerstört. Man beachte Folgendes. Die oben gegebene Erklärung und das beigefügte Schema basiert auf der Annahme, daß auf dem Drehstücke nur eine Ameisenstraße sich befand, deren Spur nur in einer einzigen Richtung führte. Diese Annahme ist jedoch falsch. Der Weg vom Neste zu den Blattläusen hin und von den Blatt- läusen zurück wurde in beiden Richtungen von einer durchschnittlich gleichen Anzahl Ameisen ') (Zusatz zur neuen Aufl.). Später (Nochmals die psych. Qual. 1900, S. 46) erklärte B e t h e, er habe sich bei dem Worte ,,P o 1 a r i s a t i o n" gar nichts Bestimmtes gedacht. „Die Tatsachen lassen hier vorläufig gar keine Schlüsse zu (?), und wenn es nach m ei n en W o r t e n scheint, als habe ich mich für eine polare An- ordnung der kleinsten chemischen Teile entschieden, so beruht das auf einer Un- klarheit des Ausdrucks, die ich selbst mit Überraschung wahrnahm, als ich nach der Lektüre des Was- mannschen Werkes die Stellen wieder las." (Die Sperrung im Zitate rührt von mir her). Hiemit hat Bethe die von ihm 1898 aufgestellte Polarisationshypothese selbst zurückgezogen. Trotzdem dürfte ihre Prüfung auch in dieser neuen Auflage noch von Interesse sein, zumal es nicht ausgeschlossen ist, daß man später einmal zu ihr zurückzukehren versucht. Bei O. zur Strassen 1907 (siehe unten das XII. Kap.) finden wir noch manche Anklänge an dieselbe. — Jedenfalls hat Bethe mit seiner Polarisationshypothese beweisen wollen, daß die betreffenden Ameisen beim Finden ihres Weges rein reflektorisch durch bloße „Chemoreflexe" bestimmt werden: diese Erklärung ist durch obige Ausführungen widerlegt worden, und das ist die Hauptsache. begangen. Also bestanden tatsächlich zwei voneinander unabhängige Vmeisenstraßen neben- einander, deren eine hin, die andere zurückführte. Nur bei dieser Annahme begreift es sich, daß die Ameisen an der Spur sofort auch die Richtung derselben wahrnehmen können. Die Polarisationshypothese fordert sogar eine scharfe Trennung beider Straßen, da sonst, wie Bethe selber bemerkt, die von den hinlau- fenden Ameisen -j gerichtete Spur von den zurückkehrenden sofort wieder in J- verwandelt würde, wodurch die ganze Polarisation aufgehoben würde. Nehmen wir nach dieser Korrektur der Voraussetzung i hmals dieselbe Drehung des Drehstückes um 180° vor wie oben. Wir erhalten: Spurrichtung vor der Drehung: (Nest.) Spurrichtung nach der Drehung des Drehstückes um 180°: 'da (Blattläuse) Oder, wenn wir für die Pfeile die Polarisationszeichen einsetzen: a , + — + - Polarität vor der Drehung: (Nest.) Polarität n a c h der Drehung des Drehstückes um 180": (Blattläuse) Was sagt dieses Schema jetzt? Die Drehung des D r e h s t ü c k e s u in 180° ä n d e r t weder die Zugrichtung der Fährte noch die P o 1 a r i t ä t der S p u r. Die beiden Fährten auf dem Drehstücke werden e i n I a c h vertausc h t, die frühere obere wird nun zur unteren und umgekehrt, aber an ihrer Richtung und an ihrer Polarisation wird nichts geändert. Ich schließe daraus: wenn die von beiden Seiten zum Dreh stücke hink n m m e n d e n Ameisen nach der Drehung desselben um 180 ° sich an beiden Grenzen staue n u n d den alten Weg nicht wiederfinden, so kann weder die Zugrichtung noch die Polarisation der Fährte die Ursache dieser Ersc li e i n u n g sei n. Also w i r d d u r c h dieses E x p e r i m e n t g a r nichts bewies e n für eine Polari- sation der von den Ameisen hinterlassenen Fährte. Daß die Ameisen die Richtung der Spur von oder zum Neste erkennen können, ist eine von obigem Experimente völlig unabhängige Beobachtungstatsache. Alier ich kann nicht annehmen, daß diese Tatsache durch eine Polarisation der Fährte zu erklären sei, wofür unten noch weitere Gründe folgen werden. In dem obigen Experimente müssen die Ameisen Bethe's also etwas a n d eres wahrgenommen haben, was sie in Verwirrung brachte und an der Fortsetzung ihres Weges hinderte. Die beiden Fährten a b unil c il. welche sie früher auf dem Drehstücke benutzt hatten, waren durch Drehung desselben v e r- ta uscht worden; die Ameisen, die vom Neste herkamen, stießen jetzt auf jene Fährte, welche ihnen und ihren Gefährtinnen früher als Rückweg von den Blattläusen her gedient hatte, aber jetzt in d erselben Richtung führte wie die alte, die sie verloren hatten und vergeblich suchten. Sic müssen also noch etwas anderes wahrgenommen haben als die bloße Richtung der Fährte. Was dieses andere war. ist natürlich schwer zu sagen, und ich möchte daher keine bestimmten Behauptungen aufstellen, sondern bloß einige Zoologica. Heft 26. i — 26 — Andeutungen geben. Die Richtung der Spuren war auf beiden Fährten nach der Drehung des Drehstücks um 1801 wahrscheinlich nicht mehr in Übereinstimmung mit dem anderweitigen Gerüche derselben: denn das Fährtestück c d hatte vor der Drehung den von den Blattläusen kommenden Ameisen als Weg gedient, und daher besaß es wahrscheinlich einen besonderen ,, Blattlausgeruch", während die Fährte b a. die früher den unmittelbar vom Neste kommenden Ameisen als Weg gedient hatte, wahrscheinlich einen besonderen „Nestgeruch" an sich hatte. Es fand also jetzt an den beiden Enden des Drehstückes e i n plötzlicher Geruchswechsel der Fährten statt, der vorher nicht, bestanden hatte. Außer diesem Geruchswechsel muß man allerdings a u c h noch die Richtung der Fährten in Betracht ziehen, um das Resultat jenes Experimentes zu erklären; denn sonst hätten die Ameisen nach der Drehung des Drehstückes bloß die beiden Fährten de und ab kreuzweise zu wechseln brauchen: sie hätten einfach auf li a hin und auf c d zurückgehen können. Aber auch dieses Element, die Wahrnehmung der Spurrichtung durch die Ameisen, glaube ich auf andere Weise besser erklären zu können, als durch die Annahme einer Polarisation der von den Ameisen hinterlassenen chemischen Spur. Bethe hat selber die kritische Frage nicht übersehen, die sich aus seiner Polarisationshypothese ergab und welche lautet: wie kann eine Ameise, die zum erstenmal einen Weg geht, dieselbe Spur für den Rückweg benutzen, ohne dadurch die Polarisation ihrer eigenen Fährte wieder aufzuheben? Wie ist es denn möglich, daß sie selber oder eine andere ihrer Gefährtinnen später denselben Weg wiederfindet und als Hinweg benutzt, obwohl die betreffende Polarisation durch den Rückweg der ersten Ameise auf- gehoben sein mußte? Er beantwortet diese Frage durch folgende neue These (S. 61): ,,D ie zum Nest hinführende Spur kann den vom Nest kommenden Tieren nicht als W e g- weiser dienen, und die vom Nest fortführende Spur ist nicht im Stande, Ameisen zum Neste hinzuleite n." Diese neue allgemeine Behauptung gründet B. auf ein einziges Experiment, welches er mit Lasius emarginatus gemacht hatte. Er sah, wie zu einem Neste von Lasius emarginatus gerade eine Anzahl ^ zurückkehrten, während zufällig gerade keine in entgegengesetzter Richtung vom Neste herkamen. Er hob nun schnell mit einem Messer einen kleinen Sandhaufen fort, über den die alte Ameisenstraße geführt hatte. Die zum Neste hingehenden Ameisen stauten sich an der Unter- brechungsstelle der alten Fährte und suchten schließlich einen neuen Weg, welcher um die abgestochene Stelle herumführte und dort wieder in den alten Weg einbog. So bildete sich für die heimkehrenden Ameisen ein neuer Geruchspfad. Unterdessen kamen andere Ameisen aus demselben Neste heraus und gelangten auf dem alten Wege bis an die Unterbrechungsstelle desselben, wo sie hin und her liefen und die Fährte suchten. Aber sie schlugen nicht den Weg ein, welchen die zurückkehrenden Ameisen bereits begingen, sondern wählten einen neuen, etwas kürzeren Weg unterhalb desselben. Er fragt sich nun: ist die von B. gezogene Schlußfolgerung berechtigt: die zum Neste hinführende Spur kann absolut nicht als Weg- weiser dienen für die vom Neste fortgehenden Ameisen? Ich glaube das keineswegs. Ich will ganz von der Frage absehen, wo die neue Rückkehrspur in die alte Spur einmündete. War die Mündungsstelle auch nur etwas unterhalb der Unterbrechungsstelle des alten Weges, so ist es sehr leicht begreiflich, daß die vom Neste* herkommenden Ameisen, an der Unter- brechungsstelle angelangt, einen eigenen Weg sich suchten; denn die alte Fährte war bedeutend stärker als die neue Rückspur, und die Ameisen, welche auf der alten Fährte vom Neste herkamen, hätten umkehren müssen, um sie zu suchen, was die Lasius bei derartigen Unterbrechungen ihrer Fährte gewöhnlich nicht tun. Alter selbst für den Fall, daß die neue Rückspur genau an der Unterbrechungsstelle der alten Fährte einmündete, ist der von B. gezogene allgemeine Schluß noch unberechtigt. Meines Erachtens bietet seine Beobachtung nur eine neue interessante Bestätigung für die auch anderweitig wahrscheinliche Annahme, daß auf einer alten (vielbegangenen) L«si«s-Sraße zwei von einander unab- hängige Geruchsfährten verlaufen, von denen die eine hin. die andere zurückführt, beide in ungefähr gleicher Stärke ausgeprägt, und beide werden von den Ameisen mittelst ihrer Antennen — 27 sofort unterschieden. Daher ist es leicht begreiflich, daß die vom Neste kommenden Ameisen nicht ohne weiteres eine neue und zwar viel schwächere R ü c kfährte als H i nfährte benutzten, sondern nach der alten, viel stärkeren Hinfährte suchten, und daß sie, da sie dieselbe nicht fanden, einen neuen Hinweg neben der neuen Rückfährte einschlugen. Auf die Stelle, wo der neue Hinweg zu liegen kam, lege ich kein besonderes Gewicht; denn dem ersten Lasius, welcher an irgend einem Punkte der Unterbrechungsstelle seiner alten Fährte den Übergang wagt, pflegen die übrigen wie die Schafe einer Herde zu folgen. Wäre die erste der hinübergehenden zufällig etwas weiter nach links gegangen, so würde die neue Hinfährte vielleicht mit der neuen Rückfährte sehr nahe zusammengefallen sein. Es war deshalb ganz verfehlt, aus einer derartigen Beobachtung den allgemeinen Schluß zu ziehen: also kann die Fährte der zum Neste zurück- gehenden Ameisen nie und nimmer den vom Neste fortgehenden Ameisen als Weg- weiser dienen. Diese Folgerung ist in der betreffenden Beobachtung nicht begründet, da letztere auch auf anderem Wege sich erklären läßt. Sie führt zudem zu Konsequenzen, die durchaus unhaltbar sind.1) Die erste dieser Konsequenzen wäre, daß eine Ameise, die zum erstenmal einen neuen Weg gegangen ist, ihre eigene Fährte nicht als Wegweiser für den Rückweg benutzen könnte. Das ist aber offenbar falsch und wird auch durch Bethe's eigene Versuche mit den auf dem berußten Glanzpapier gehenden Lasius widerlegt; er konstatierte ja selber, daß die Ameisen stets den Hinweg auch als Rückweg benutzten und nur die Schleifen desselben allmählich abschnitten. Ich möchte ferner die Verlegenheit sehen, in welche eine Amazonenarmee (Polyergus) geriete, wenn sie ihre erste Expedition (die erste Expedition des betreffenden Jahres) gegen ein weit entferntes Sklavennest unternommen hat; es wäre ihr durch Herrn Bethe absolut unmöglich gemacht, wieder auf demselben Wege nach Hause zu gelangen; aber sie geht nach Forel's und meinen Beobachtungen trotzdem auf demselben Wege heim, den sie gekommen ist. Auf eine These, die zu derartigen Schlußfolgerungen führt, braucht man wohl nicht weiter einzugehen. Man kann daher auch die Polarisationshypothese, zu deren Stütze sie aufgestellt wurde, nicht als einen gelungenen Erklärungs- versuch anerkennen, trotz des bestechenden Scheins der Wissenschaftlichkeit und Originalität, den sie bei oberflächlicher Betrachtung besitzt. Daß die Ameisen mittelst ihrer Antennen den Weg zum Neste hin von der entgegengesetzten Richtung unterscheiden können, ist eine Tatsache, welche durch unmittelbare Beobachtung längst bekannt ist und durch Bethe's hübsche Experimente neu bestätigt wurde. Aber daß dieses Orientierungsvermögen der Ameisen auf einer Polarisation der von ihnen hinterlassenen Geruchsspur beruhe, muß ich entschieden bestreiten, und zwar aus folgenden Gründen. Erstens. Eine Ameise könnte dann den eigenen Hinweg, den sie zum erstenmal gemacht, nicht als Rückweg benutzen, weil die Polarisation, welche sie auf der Geruehsfährte hinterlassen, sie nur vom Neste fort, aber nicht zum Neste hin leiten könnte. Dies gilt a fortiori gegen Bethe's Reflextheorie, nach welcher die Ameise gar kein sinnliches Wahrnehmungsvermögen besitzt, sondern rein mechanisch auf eine bestimmte „Chemorezeption" stets in derselben unabänderlichen Weise reagieren muß. Zweitens. Wenn sie trotzdem denselben Weg als Rückweg benutzt — was sie auch fast immer tut. obwohl sie es nach Bethe's Theorie nicht kann — so könnte weder sie noch irgend eine andere Ameise dieselbe Spur zum zweitenmal als Hinweg benutzen, weil die betreffende Hinweg-Polarisation von der zurückkehrenden Ameise wieder aufgehoben worden ist; auch diese Folgerung steht im Widerspruch mit den Tatsachen. Dritte n s. Es müßte auf den sehr schmalen und engbegrenzten Straßen von Lasius niger und verwandten Arten eine heillose Verwirrung entstehen, wenn eine Polarisation der Geruchsteilchen die Ursache der verschiedenen Leitungsrichtung der beiden Spuren wäre; denn die Hinspur liegt hier nicht bloß äußerst nahe der Rückspur, ') B. bemerkt (1900 S. 47), er habe dieselben Einwendungen gegen seine eigene Hypothese schon 1898 (bes. S. 61) gemacht, aber sie daselbst mit. seiner Theorie in Einklang gebracht. Daß B. jene Schwierigkeiten zum Teil angedeutet, ist wohl richtig; davon jedoch, daß er sie gelöst habe, kann ich mich um so weniger überzeugen, da B. seine damalige Polarisationshypothese selbst aufgegeben hat (1900 S. 16) — 28 — sondern berührt sich mit derselben vielfach oder führt sogar über dieselbe hin. Wir haben auf ilm Lasius- Straßen zwei qualitativ verschiedene Fährten vor uns, deren Verschiedenheit nicht auf Polarisation beruhen kann, da sonst die Leitungsrichtungen heider Spuren sich zum großen Teile gegenseitig aufheben müßten : denn eine scharfe räumliche Trennung beider Spuren ist meist tatsächlich nicht vorhanden. V i e r t e n s. Bei der eingehenden Erörterung eines der von Bethe vorgenommenen Drehungsversuche habe ich oben gezeigt, daß selbst bei der Annahme zweier nebeneinander verlaufender, räumlich scharf getrennter Spuren die tatsächliche Stauung der Ameisen nach einer Umdrehung des Drehstückes um 180 n durch Polarisation der Spuren nicht erklärt werden kann: denn die Polarität biet) nach jener Drehung völlig dieselbe wie vorher, während die beiden Fährten selber vertauscht worden waren. Ich schloß daraus, daß es etwas anderes sein müsse, woran die Ameisen die Verschiedenheit der beiden Fährten mittelst ihrer Antennen wahrnehmen. Fünftens. Es ist völlig unbegreiflich, wie die Fühler der Ameisen die Polarität der Fährte wahrnehmen — oder, um mit Bethe zu reden, chemorezipieren — sollten: dies gilt a fortiori bei der von Bethe gemachten Annahme, daß die Ameisen bloße Reflexautomaten ohne jede Spur von Wahrnehmung und Empfindung sind. Ziehen wir hier eine Parallele zwischen den Ameisen und denjenigen höheren Tieren, die ähnlich wie die Ameisen beim Finden des Weges hauptsächlich ihres Geruchssinnes sich bedienen. Bethe weist mit Recht darauf hin (S. 52), daß nicht bloß die Ameisen, sondern auch die Hunde mittelst ihres Geruchssinnes die Richtung zu unterscheiden vermögen, in welcher eine Fährte führt. Ein guter Jagdhund verfolgt die Spur eines Hasen sofort in der Richtung, in welcher der Hase sich entfernt hat, nicht in jener, in welcher der Hase hergekommen ist. Bethe schließt hieraus auf eine Polarisation der Geruchsfährte des Hasen. Ich halte jedoch diese Annahme auch hier für unbegründet, so bestechend sie im ersten Augenblick erscheint. Denn die von den Füßen des Wildes hinterlassene Spur hat eine ganz bestimmte F o r m, welche von der Form und Stellung des Einzelfußes, sowie von der Stellung der Füße zu einander bedingt ist (z. B. Kaninchenspur!) Aus der Form der Fährte ergibt sich aber von selbst ihre Richtung, und zwar nicht bloß für den Gesichtssi n n, was bei den Hunden wenig oder gar nicht in Betracht kommen wird, sondern auch für den Geruchssinn, weil der Form der Fährte auch eine ganz bestimmt geformte Geruchsfläche bezw. Gruppe von Geruchsflächen entspricht. Diese Anordnung der Geruchs- teilchen, die einer Fährte anhaften und die ich der Kürze halber als ,,G e r u c h s f o r m" derselben bezeichnen will, ist eine ganz verschiedene für eine von mir fort und für eine zu mir hinführende Fährte, weil eben die Form der Fährte selber in beiden Richtungen eine verschiedene ist. Diese Erklärung scheint mir viel einfacher und natürlicher zu sein, um begreiflich zu machen, wie ein guter Jagdhund beim Beschnüffeln der Fährte sofort auch deren Richtung wahrnimmt. Die Annahme einer Polarisation der chemischen Spur ist daher ü b erflüssig; sie muß als nicht hinreichend begründet fortfallen, da sie deni Geruchssinn des Hundes ein ganz rätselhaftes Vermögen für Unterscheidung von chemischen Polaritäten zuschreibt, dessen wir zur Erklärung der betreffenden Tatsachen gar nicht bedürfen. Ich komme nun zu den Ameisen, und zwar durch einen sehr naheliegenden Analogieschluß. Auch die von den Ameisen hinterlassene Fährte hat eine bestimmte F o r m, welche für eine hinführende und für eine rückführende Fährte eine verschiedene ist, weil die Stellung der Füße in beiden Fällen eine entgegengesetzte ist. Ferner sind die Ameisen, und zwar vorzugsweise die Z.«sn' soll es den Ameisen möglich sein, den Weg wiederzufinden, nachdem unterdessen Regengüsse und Winde die „flüchtige chemische Spur" verwischt haben? Was ist es ferner, das die Ameisen bestimmt, denselben Weg, den sie bereits vor mehreren Tagen zu einer erfolgreichen Expedition benutzt hatten, wiederum einzuschlagen? Warum suchen sie die Spur wieder, die sie damals zu jenem bestimmten Sklavenneste führte? Ohne die Annahme eines sinn- lichen Gedächtnisses,1) durch welches eine feste, wenigstens für mehrere Tage oder Wochen dauernde Assoziation zwischen verschiedenen, bei dem früheren Beutezug gemachten sinnlichen Wahr- nehmungen sich zu bilden vermag, bleibt diese Handlungsweise der Raubameisen völlig unbegrei flieh. Dies führt mich auf die letzte und hauptsächlichste Schlußfolgerung, welche Bethe aus seinen Ver- suchen über Lasius gezogen, und welche lautet : „Kurz: Das Finden des Weges beruht bei den Ameisen nicht auf einem psychischen Prozeß. Es ist vielmehr ein komplizierter, aber analysierbarer Reflex mechanismus" (S. 63). Wie hat Bethe diese kühne Schlußfolgerung bewiesen? Auf folgende Weise. Dadurch, daß die Ameisen mittelst ihrer Antennen die Geruchsspur des Weges „rezipieren", „ist das Finden des Weges auf einen einfachen physiologischen Reiz zurückgeführt. Da nun eine Ameise, die ganz jung aus dem Stock entfernt und bis zur Erhärtung isoliert gehalten wird, auf einen Weg ihres Mutternestes gesetzt, diesem folgt, so muß dieser physiologische Reiz von Geburt an adaequat sein, die Reaktion auf denselben wird also nicht erlernt, sie ist ein Reflex." Daß eine junge Lasius ^ auf den Geruch ihres Mutternestes durch eine angeborene Assoziation, die man früher einen erblichen Instinkt nannte, reagiert, ist auch meine Ansicht. Aber daß diese Reaktion auf einem bloßen Reflexe beruhe, hat Bethe nicht im entferntesten bewiesen. Seine stets wiederholte Schlußfolgerung: „was nicht erlernt ist, ist bloße Reflextätigkeit", kann keinen Anspruch auf Beweiskraft erheben, wie bereits oben gezeigt wurde. Daß man auf Grund eines solchen Schlusses den Ameisen jede Spur von sinnlicher Wahrnehmung und Empfindung absprechen will, dürfte fast ebenso verfehlt sein wie die kritiklose Vermenschlichung des Ameisenlebens durch die moderne Tierpsychologie. Bethe hat es zwar versucht, durch ein Beispiel seine Reflextheorie zu erhärten; aber gerade dieses Beispiel beweist die Unhaltbarkeit derselben. Er stellt in Sperrdruck den Satz auf (S. 63): „Das, was die Tiere (die Ameisen) unter gewöhnlichen Verhältnissen veranlaßt, der einen oder der anderen Spur zu folgen, ist offenbar die Belastung und der Mangel der Belastung. Belastung löst reflektorisch Gang zum Nest hin, Mangel an Belastung Gang vom Nest fort aus." Entweder wollte B. durch diesen Satz sagen, Belastung bezw. Mangel an Belastung sei der adae- quat e physiologische Auslösungsgrund für den Gang zum Neste hin bezw. vom Neste fort, und dann ist dieser Satz offenbar falsch, weil im Widerspruche mit unzähligen Tatsachen; oder er wollte bloß sagen, Belastung bezw. Niehtbelastung sei in vielen Fällen die nächste äußere Veran- lassung für den Weg zum Neste hin bezw. vom Neste fort, und dann ist der Satz richtig, beweist aber gar nichts für eine Reflextheorie. Wäre die Belastung oder Niehtbelastung der a d a e q u a t e physiologische Grund für die Auslösung eines „Heimkehrreflexes" oder „Fortgehreflexes", so wäre es für eine belastete Ameise physio- logisch unmöglich, das Nest zu verlassen, und für eine unbelastete Ameise wäre es physiologisch unmöglich, nach Hause zu gehen. Es wäre demnach für eine Ameise, die auf einer Nahrungssuche nichts gefunden, physiologisch unmöglich, wieder in ihr Nest zu gelangen; sie müßte denn auf den reflektorischen Einfall kommen, ein Steinchen oder einen anderen Ballast ins Maul zu nehmen, um umkehren zu können! Es wäre l) Dieses Gedächtnis ist bei den Ameisen wie bei den Hunden hauptsächlich als „G e r u c h s g e d ä c h t n i s" aufzufassen, nicht als „Erinnerungsbilder" im menschlichen Sinne. I!. scheint nur let/.tere Form des Gedächtnisses zu meinen. - 31 — für die Ameisen physiologisch unmöglich, die Leichen oder andere Nestabfälle aus dem Neste zu tragen, in einiger Entfernung vom Eingang niederzulegen und unbelastet wieder heimzugehen. Es wäre für die Formica-Arten, die beim Nestwechsel ihre Gefährtinnen im Maule zu tragen pflegen, physiologisch unmöglich, ihr altes Nest zu verlassen und ein neues zu gründen usw. Wie oft habe ich ferner gesehen, daß einzelne Formica sanguinca meines Beobachtungsnestes (Taf. I.), wenn ich ihnen in einen mit dem Neste durch eine Glasröhre von mehreren dem Länge verbundenen Glaszylinder Kokons von Sklavenarten gegeben hatte, zwei- oder dreimal auf dem Wege ins Nest wieder mit dem Kokon im Maule umkehrten, belastet zurück- gingen, dann wieder vorangingen, als ob sie die damals leider noch unentdeckte reflektorische Heimkehr- hypothese widerlegen wollten! Von einem notwendigen, unmittelbaren physiologischen Zusammenhange zwischen Belastung und Heimgehen, und Nichtbelastung und Fortgehen kann somit offenbar keine Rede sein. Aber einen solchen wollte wohl auch Herr Bethe kaum behaupten; das deutet die Klausel an, die er beifügt: „unter gewöhn- lichen Verhältnissen". Was sind denn das für „gewöhnliche Verhältnisse?" Wenn zwischen einem Ameisen- neste und einem anderen Punkte, wo es etwas für die Ameisen Angenehmes zu holen gibt, ein Zug von Ameisen sich gebildet hat, dann gehen „gewöhnlich" die heimkehrenden Ameisen belastet zurück, während die unbelasteten hingehen. Das ist der tatsächliche Sinn jener Klausel „unter gewöhnlichen Verhältnissen". Was folgt aber daraus für eine mechanische Reflextheorie ? Gar nichts anderes als ihre offenbare Unzulänglichkeit. 1 »i«-- selbe tatsächliche Erscheinung sehen wir ja auch, wenn zwischen zwei bestimmten Punkten, von deren einem es nach dem anderen hin etwas abzuholen gibt, ein Zug von menschlichen Packträgern sich gebildet hat. Auch hier ist die Belastung bezw. Nichtbelastung die nächste äußere Veranlassung, weshalb die belasteten Packträger zurück- und die unbelasteten hingehen. Wer würde aber daraus zu schließen wagen, daß die Belastung oder Nichtbelastung rein mechanisch einen Reflex des Hingehens oder des Zurückgehens auslöse? Das Argument des Herrn Bethe beweist somit garnichts für seine Reflex- theorie. Würde es sich im vorliegenden Falle um höhere Tiere handeln, etwa um einen Fuchs, der von seinem Baue aus auf Beute geht und dann mit einem Huhn belastet nach Hause zurückkehrt, so würde man schwerlich wagen, zu behaupten, die Nichtbelastung sei der adaequate physiologische Grund, der den Fuchs rein reflektorisch zwinge, seinen Bau zu verlassen und ein Huhn zu holen; die Belastung mit dem Huhn sei der adaequate physiologische Grund, der den Fuchs rein reflektorisch zwinge, wiederum nach Hause zu gehen etc. Für die höheren Tiere erkennt man die offenbare Unzulässigkeit einer solchen Erklärung unbe- denklich an; für die Ameisen aber sollte dieselbe Erklärung „wissenschaftlich befriedigend" sein? Ich halte es für eine Inkonsequenz, ganz ähnliche Erscheinungen bei den Ameisen und bei den höheren Tieren mit einem so verschiedenen Maße zu messen. Daß beim „Gehen" der Ameisen Reflexe mit im Spiele sind und zwar in bedeutendem Umfange, stelle ich nicht in Abrede. Aber ähnliches ist auch bei den Gehbewegungen der höheren Tiere sowie des Menschen der Fall, ohne daß man deshalb berechtigt wäre, auch dasjenige, was sie zu diesem oder jenem Gange psychisch bewegt, als bloße Reflextätigkeit zu erklären. W e n n m an den Ameisen nicht ein sinnliches Wahrneh m u n g s- und Strebevermögen, d a s V e r m ö g e n der Empfindung und d e r willkürlichen Bewegung zuerkenn t, wird man nie und nimmer zu einer befriedigenden Erklärung ihrer Lebenstätig- keiten gelangen. Eine „T i e r i n t e 1 1 i g e n z" brauchen wir zur Erklärung der Handlungs- weise der Tiere keineswegs, weder bei den Ameisen noch bei den höheren Tieren. Aber die Tiere zu bloßen Reflexmaschinen ohne Empfindung zu machen, ist ebenso unhaltbar. Die Wahrheit liegt in der Mitte. Es ist nur schwer begreiflich, wie Bethe die psychischeBasis der betreffenden Erscheinungen des Ameisenlebens so vollständig übersehen konnte. Wenn eine Ameise Nahrung sucht außerhalb des Nestes, so muß dieser „Suchreflex" (!) doch wenigstens seinen Grund haben in dem Gefühle des Nahrungs- — 32 — bedürfnisses. Und wenn sie ein Zuckerkrümehen findet, das diesem Bedürfnisse entspricht, so muß die sinnliche Wahrnehmung desselben, die Untersuchung mit den Fühlerspitzen und die Beleckung desselben einen angenehmen Eindruck auf sie machen; sonst würde sie es liegen lassen und sich nicht mehr darum kümmern als um irgend ein Sandkorn auf dem Wege. Nicht die B e 1 a s t u n g ist es, was sie eigentlich zur Heimkehr mit dem Zuckerkrümchen veranlaßt, sondern die sinnliche Wahrnehmung eines Gegenstandes, der ihrem Nahrungsbedürfnisse entspricht und in ihr deshalb den instinktiven Trieb erregt, das Ding zu belecken und dann mitzunehmen. Der Unterschied zwischen Instinkt und bloßer mechanischer Reflex- tätigkeit dürfte hier doch für einen aufmerksamen Beobachter klar genug vorliegen. Warum ,,s u c h t" eine Ameise die von ihr verlorene Spur, auf welcher sie vorher ging? Der Verlust der Spur hat nach Bethe einen „Unruhereflex" in ihr ausgelöst. Wenn dieser „Unruhereflex" nicht mit einem Unlustgefühl auf Seite der Ameise verbunden ist, dann ist er einleeres Wort, das gar nicht erklärt, weshalb die Ameise in Unruhe gerät. Der „U n r u h e r e f 1 e x" soll sodann einen „S u c h - r eile x" rein mechanisch auslösen. Aber was ist dieser „Suchreflex" anderes, als ein verblümter Ausdruck für das Streben der Ameise, die gewohnten sinnlichen Eindrücke, deren Mangel sie in Unruhe versetzt, wieder zu gewinnen? Ohne die Voraussetzung eines sinnlichen Empfindungs- und Strebevermögens werden alle diese so schön und wissenschaftlich klingenden „Reflexe" nichts als 1 e e r e Worte sein und bleiben, die zu keiner befriedigenden Erklärung auch nur der allergewöhnlichsten Erscheinungen des Ameisenlebens genügen.1) Man könnte zu einem derartigen Erklärungsversuch mit Recht sagen: wo die Begriffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein. Wenn eine bestimmte, der Nahrungssuche dienende Fährte von Lasius von einer Ameise mit Erfolg begangen ist, so bildet sich, wie auch Bethe selbst beobachtet hat, nach und nach eine Ameisenstraße, die in immer geraderer Richtung zu jenem Punkte hinführt und ihn mit dem Neste verbindet. Es fragt sich nun, weshalb gehen die Ameisen mit besonderer Vorliebe gerade diesen Weg? Wäre es bloß der Geruch der Fährte, der sie „rein reflektorisch" zum Vorangehen zwingt, dann müßten sie, wenn man die Geruchs- fährte unterbricht, entweder wie Stöcke stehen bleiben oder rein reflektorisch in der alten Richtung voran- stürzen oder umkehren. Sie tun aber meist nichts von alledem, sondern sie s u c h e n die verlorene Fährte, indem sie hin- und herlaufen; nachdem eine an irgend einer Stelle den Übergang in der alten Richtung gewagt hat, folgen ihr die übrigen, und gehen auf der wiedergefundenen Fährte weiter. Die „Chemorezeption" der Geruchsfährte ist also bloß der Wegweiser für das sinnliche Wahrnehmungs- und Strebevermögen der Tiere; der eigentliche Grund, weshalb sie vorangehen, ist, weil sie etwas suchen, was auf sie eine angenehme Anziehungskraft ausübt. Diese Anziehungskraft ist keine rein chemische, da die Geruchsfährte ja unterbrochen ist, sondern eine instinktive. Die betreffende Geruchswahrnehmung der Fährte hat in ihnen den Trieb angeregt, den s o riechenden Gegenstand zu s u c h e n. Und wenn sie ihn gefunden haben und durch die Beleckung desselben die Erfahrung gemacht haben, daß er angenehm schmeckt, so wird diese sinnliche Erfahrung ihren Instinkt unterstützen, so daß sie zum zweitenmal denselben Weg um so eifriger begehen. Zu diesem Ergebnisse gelangen wir durch eine vorurteilsfreie philosophische Analyse der betreffenden Tatsachen. Bei höheren Tieren würde es auch schwerlich jemand einfallen, die Richtigkeit dieser Erklärung zu bezweifeln. Wenn ein Raubtier, das irgendwo eine Beute erlegt hat, später zu derselben Stelle zurückkehrt, wird es nicht bloß durch den Geruch der Fährte, den es zurückgelassen, hiezu bestimmt werden, sondern a u c h durch die angenehme Erfahrung, die es an der betreffenden Stelle gemacht hat. Es ist nicht einzusehen, weshalb man für die Nahrungssuche der Ameisen eine andere Erklärung suchen sollte als (dien diese. E s c h e r i c h (Die Ameise 1906, S. 201) sagt bezüglich des „Wegfindens" bei Lasius: ..Vergleichen wir die Bethe'sche Erklärimg mit der Wasmann'schen, so sehen wir die beiden im Grunde doch überein- 1) Dies gilt auch gegenüber der von zur Strassen 190? versuchten mechanistischen Deutung der Instinkttätigkeit der Ameisen. Siehe unten im XII. Kapitel. — 33 — stimmen: denn beide nehmen an, daß die Spuren in der einen Richtung anders beschaffen sein müssen als in der anderen; Bethe nennt diese Eigentümlichkeit „Polarität", Was mann „verschiedene Geruchsform". Und beide nehmen an, daß zu dieser Eigenschaft noch Verschiedenheit des Geruches hinzukommen muß. Der Unterschied der Auffassung der beiden bezüglich des Richtungsproblems liegt auf einem andren Gebiete, nämlich darin, daß nach Bethe gemäß der Reflextheorie die verschiedenen Spuren lediglich als adaequater physiologischer Reiz für die Auslösung des Hin- und Herlaufreflexes dienen, und also die Ameisen maschienen- mäßig zwingen, nur diese oder jene Richtung zu laufen, während nach W a s m a n n die Ameisen die ver- schiedenen Geruchsformen und Qualitäten wirklich wahrnehmen, und es in der Hand haben, je nach den Umständen von dieser Wahrnehmung Gebrauch zu machen oder nicht, also die gemachten Wahrnehmungen zu neuen Assoziationen zu verarbeiten, dieselben im Gedächtnis zu behalten usw. J e d er, der das Ameisenleben etwas kennt und über die Tatsac h e n n a c h d e n k t , w i r d d i e Wasmann'sche Anschauung hierüber ohne weiteres u n terschreib.en." 2. Das Wegfinden durch ein instinktives Richtungsbild (Formica sanguinea usw.). Aus meinen Beobachtungen an Formica sanguinea, welche ich gelegentlich der statistischen Auf- nahme der sanguinea- Kolonien bei Exaten gemacht, sei hier die folgende angeführt, die von besonderem Interesse ist für die Frage, wie die Ameisen ihren Weg finden.1) Kolonie 305 meiner Karte ist eine jener sanguinea-Kolonien, welche gleichzeitig oder abwechselnd zwei weit voneinander entfernte Nester bewohnt. Das alte Nest (305), zugleich Winternest, befindet sich auf der Südseite eines mit Buchen bewachsenen, flachen Hügels. 18 m (60') davon entfernt nach N.W.N. liegt das andere Nest, welches wiederum aus mehreren, am Fuße einiger alten Eichenstrünke befindlichen Nestern sich zusammensetzt, von denen vorzugsweise eines (305 a) bewohnt wird. Zwischen diesem auf dem nördlichen Abhang des niedrigen Hügels gelegenen Neste und dem Neste 305 war im Jahre 1897 der Boden mit Haidekraut, Gras und Moos dicht bewachsen. Am 26. Juni 1897 hatte ich glücklicherweise gerade die Auswanderung von 305 nach 305 a beobachtet, wodurch die Feststellung der Zusammengehörig- keit derselben sicher war. Sonst fand ich später stets nur die beiden Nester teils gleichzeitig, teils abwech- selnd bewohnt, ohne daß Ameisen zwischen ihnen hin- und herliefen. Der nur selten, in Zwischenräumen von mehreren Wochen, stattfindende Nestwechsel wurde teils durch die Witterungsverhältnisse, teils auch durch die Besuche veranlaßt, die ich den Nestern abstattete, und bei denen ich die auf das Nest gelegten Haidekrautschollen aufhob, um den Stand der Kolonie zu beobachten. Am 24. Juli 1897 kam ich wieder einmal zu Nest 305 a und fand dasselbe beim Abheben der Scholle stark besetzt; auch eine Menge Arbeiterkokons war da. Zu meiner großen Überraschung nahmen sofort einige der sanguinea Arbeiterkokons ins Maul und flüchteten mit denselben in der geraden, unmittelbaren Richtung nach 305! Ich beobachtete diese Ameisen genau und sah, daß keine die Fährte der vorauslaufenden verfolgte, sondern unabhängig von dem Wege, den die andere genommen, dieselbe Richtung nach 305 genau einhielt. Hindernisse, wie Grasbüschel, Erdlöcher usw. wurden von den Ameisen in ganz verschiedener Weise umgangen, ohne daß eine derselben die Richtung verloren hätte, deren Einhaltung durch den dicht bewachsenen Weg und durch die Belastung der Ameisen 2) erschwert werden mußte. Ohne auch nur einen Augenblick auf dem Wege zu zögern, fanden diese sanguinea sofort den Weg nach 305, und zwar ohne vorher mit ihren Fühlern erst nach der Fährte zu suchen. Unabhängig von einer sklavisch verfolgten Geruchs- fährte (Lasiits) legten sie alle in raschem Laufe in wenigen Minuten in ganz gerader Richtung den 18 m langen Weg zum alten Neste zurück und verbargen dort die Kokons. In einer so auffallenden Weise war mir das M Vgl. hierüber auch „Zum Orientierungsvermögen der Ameisen" (Allg. Zeitschr. f. Entomol. 1901 No. 2 u. 3). 2) Daß mit Kokons belastete Ameisen den Weg schwerer finden als unbelastete, ist durch Foreis Beobachtungen langst bekannt, und ich fand es oft bestätigt. Zoologien. Heft 2C. 5 — 34 - Orientierungsvermögen der Ameisen nur seilen begegnet. Die eigentliche Ursache, weshalb diese sangninea sofort zum alten Neste flohen, kann ich nur in einem besonders lebhaften Gedächtniseindrucke finden, den sie von demselben sowie von dem Wege dahin behalten hatten. Sonst wäre gar kein Grund vorhanden gewesen, weshalb sie zum alten Neste schnurstracks zurückliefen, während die meisten andern ihre Kokons bei der Erhellung des Nestes 305 a in der Nähe des letzteren versteckten. Mit einer bloßen Reflextheorie kann man derartige Erscheinungen unmöglich erklären; wenn die Ameisen keiner sinnlichen Wahrnehmung fähig sind und nicht überdies einen gewissen Grad von Assoziationsvermögen besitzen, durch welches sie früher gemachte individuelle Erfahrungen mit den gegenwärtigen Wahrnehmungen zu verbinden vermögen, kommen wir einfach nicht aus. Ich halte daher nicht bloß bei den höheren Tieren sondern auch bei den Ameisen die Annahme psychischer Qualitäten, und zwar nicht bloß einfacher psychischer Qualitäten der Empfindung und Sinneswahrnehmung, sondern auch überdies eines sinnlichen Gedächtnisses, für eine notwendige Forderung einer denkenden Naturerklärung, die für jede Wirkung eine hinreichende Ursache verlangt. Von welcher Beschaffenheit die Sinneswahrnehmungen waren, die den nach Nest 303 zurücklaufenden sangninea als nächste Wegweiser dienten, ist eine andere Frage, ganz unabhängig von der Frage, ob wir ohne Sinneswahrnehmung und ohne sinnliches Assoziationsvermögen jene Erscheinung zu erklären vermögen oder nicht. Daß den Ameisen der Weg durch ein für sie leicht wahrnehmbares Kennzeichen bekannt war, ist offenbar, ebenso wie der Umstand, daß ihnen die Existenz und die Lage des Nestes bekannt war, zu dem sie zurückkehrten. Daß ihnen jedoch eine ,, flüchtige chemische Spur" als Wegweiser diente, kann ich nicht annehmen. Denn erstens wurde jener Weg zwischen beiden Nestern nur selten und in Zwischenräumen von mehreren Tagen oder Wochen begangen; wie konnte eine flüchtige chemische Spur sich da halten? Zweitens folgten sich die den Weg zurücklegenden Ameisen nicht auf einer bestimmten Geruchsfährte, eine hinter der anderen, sondern hielten unabhängig von dem genauen Wege, den die vorauslaufenden eingeschlagen hatten, bloß die Richtung zum Neste 305 ein. Wenn aber die Erklärung mittelst des Geruchssinnes — wenigstens mittelst dieses Sinnes allein — hier völlig versagt, so müssen wir unter den uns bekannten Sinnen wohl zunächst den Gesichtssinn her- beiziehen, der nach Forel's Versuchen auch an dem Orientierungsvermögen von Formica pratensis beteiligt ist. Das Sehvermögen von sangninea ist aber, wie in einem späteren Abschnitte gezeigt werden wird, sehr gut entwickelt. Allerdings können wir uns nur schwer vorstellen, wie es jenen sangninea auf einem von Bäumen beschatteten und mit Haidekraut, Grasbüscheln usw. dicht bewachsenen Terrain möglich war. sich durch bekannte Gesichtseindrücke auf einem so langen, 18 m messenden Wege über die genaue Richtung zum Neste 305 zu orientieren. Man könnte deshalb geneigt sein, zu einem uns unbekannten „Richtungs- sinn" Zuflucht zu nehmen, wie ihn H. Fahre für das Orientierungsvermögen der Amazonenameisen (Polyergus rufescens) annahm. Diese Annahme wäre immerhin verschieden von der „unbekannten Kraft", durch welche Bethe die Bienen den Weg zu ihrem Stock zurückfinden läßt, und welche von Büttel- Reepen, Forel und Kathariner zurückgewiesen worden ist, weil der Gesichtssinn zur Orientierung der Honigbiene genügt. Ich glaube aber, daß wir auch bei den Ameisen das so rätselhaft erscheinende Orien- tierungsvermögen auf bekannte, nicht auf unbekannte Faktoren zurückführen müssen und können. Folgende Erklärung dürfte vielleicht für das obige Wegfinden von F. sangninea die wahrscheinlichste sein. Ursprünglich wurde die Fährte vom Nest 305 zu 305 a von den Ameisen mittelst des G e r u c h s- sinnes (odeur au contact Forel's) verfolgt. Nachdem einzelne Arbeiterinnen die neue Neststelle zufällig gefunden und ausgekundschaftet hatten, kehrten sie zum alten Neste zurück und veranlaßten die erste Auswanderung eines Teiles der Kolonie, indem sie ihre Gefährtinnen zum neuen Neste trugen und andere ihrer Geruchsspur folgten. Da aber beide Nester mehrere Wochen lang bald gleichzeitig, bald abwechselnd bewohnt wurden, vollzog sich eine wiederholte Hin- und Rückwanderung zwischen beiden Nestern. Zu den ursprünglichen Geruchseindrücken des Weges gesellten sich dadurch nach und nach immer zahl- - 35 — reichere Gesichtseindrück e, welche auf die den Weg beschattenden Bäume und Sträucher, auf die größeren Haidekrautbüsehel am Wege usw. sich bezogen. Indem nun jene Gesichtseindrücke sich regelmäßig in derselben Reihe folgten, bildete sich allmählich im Gedächtnis der Ameise ein in seinen Einzelheiten zwar undeutliches, in seiner Gesamtheit aber bestimmtes Richtungsbild jenes Weges, welches die Grundlage eines instinktiven Richtungsgefühles wurde , durch das die Ameisen auch beim raschen Laufen von einem Neste zum andern sicher geleitet werden konnten. Aber dieses „ Richtungsgefühl " kann nicht als u n m i t t e 1 b a r e Wirkung des aus den Geruchs- und Gesichts- eindrücken resultierenden Gedächtnisbildes aufgefaßt werden, sondern es wurde zum Richtungs g e f ü h 1 erst durch die Muskelgefühle der Ameisen. Aus diesen dem Tastsinn beigeordneten Empfindungen, welche die Körperbewegungen der Ameisen beim Zurücklegen des betreffenden Weges regelmäßig begleiteten, dürfte wohl das Zustandekommen eines Richtungsgedächtnisses erst vollständig begreiflich werden. Dieses Richtungsgedächtnis kann auch als „instinktives Richtungsgef ü h 1" insofern bezeichnet werden, als es ohne bewußtes Wiedererkennen der Einzelheiten des früher zurückgelegten Weges dennoch sicher leitet. Ein solches instinktives Richtungsgefühl ist um so weniger etwas „Mystisches", da wir auch beim Menschen, und zwar nicht bloß bei Wilden, manche auffallende Beispiele desselben haben. Wenn ich einmal in einem bisher von mir noch nicht besuchten dichten Gebüsch zufällig ein neues interessantes Ameisennest gefunden hatte, so konnte ich oft schon beim zweiten Besuche desselben jenem instinktiven Richtungsgefühl mich anvertrauen, welches auf den latenten Gesichtseindrücken und Bewegungserinnerungen des ersten Besuches beruhte und mich mitten durch das Buschwerk in gerader Richtung zu dem gesuchten Neste führte. Da es sich hiebei bloß um eine Assoziation von Sinneswahrnehmungen und Gefühlen zu einem Gedächtnisbilde handelt, das bei der Ameise aus mannigfachen Elementen des Geruchs-, Tast- und Gesichtssinnes und des Muskelgefühls zusammengesetzt ist, so liegt ein derartiges Orientierungsvermögen wohl nicht jenseits des Bereichs der psychischen Fähigkeiten der Ameisen. Daß es der Geruchssinn der Fühler ist, durch welchen F. sanguinea einen ganz neuen, ihr noch unbekannten Weg z. B. zu einem Sklavenneste findet, welches sie aufspürt, scheint mir sicher zu sein auf Grund vieler Beobachtungen; ebenso, daß sie sich in diesem Falle auf dem Rückwege zur Orientierung der Geruchsspur bedienen muß, welche sie selber auf dem Hinwege zurückgelassen hat. Aber auf einem bestimmten Umkreis in der nächsten Umgebung ihres Nestes wird sie allmählich von der Verfolgung einer bestimmten Geruchsfährte völlig unabhängig; sie läuft geraden Weges auf das Nest zu, wenn man auch durch eine Schaufel die oberste Sandschicht auf eine beträchtliche Wegstrecke fortnimmt und dadurch alle dem Boden anhaftenden Geruchsspuren fortschafft. Hieraus muß man schließen, daß diese Ameisen durch die oftmaligen, in der Nähe ihres Nestes gemachten Erfahrungen die zu ihrem Neste führende Richtung infolge einer Art sinnlichen Gedächtnisses kennen. Das bloße „reflektorische Voranstürzen" erklärt diese Erscheinung nicht; denn wenn die Ameise durch in ihrem Weg liegende Hindernisse von der geraden Richtung auf das Nest abzuweichen genötigt wird, umgeht sie dieselben einfach und schlägt die alte Richtung wieder ein. Wie sicher und festgewurzelt dieses Orientierungsvermögen bei F. sanguinea sein kann, beobachtete ich am 22. August 1906 bei Lippspringe (Westfalen). Auf einem 2 m breiten Parkwege (Kieswege), der durch Buschwerk führte, liefen zwei sanguinea, 3 m voneinander entfernt, quer über den Weg. Ich nahm die eine derselben auf, um mich zu überzeugen, ob es sanguinea sei. Die Ameise biß in meinen Finger und bespritzte ihn mit Gift, war also in großer Aufregung; dann setzte ich sie wieder auf den Boden. Sie lief sofort in der früheren Richtung weiter. Ich zog nun die Verlängerungslinien der Richtungen, in denen die beiden Ameisen über den Weg liefen; genau an ihrem Schnittpunkt, 4 in weit im Gebüsch, fand sich das betreffende Nest von sanguinea (mit fusca als Sklaven). Ahnliche Wahrnehmungen über das Orientierungsvermögen habe ich auch wiederholt an F. rufibarbis gemacht; eine derselben sei hier erwähnt. Am 10. Mai 1907 waren bei warmem Sonnenschein die rufibarbis — 36 — einer starken Kolonie in unserem Garten zu Luxemburg eifrig auf der Insektenjagd in der Umgebung ihres Nestes, bis auf eine Entfernung von 12 in; sie liefen einzeln in allen möglichen Richtungen vom Neste fort und von allen Seiten zu demselben zurück, ohne irgend einen bestimmten „Pfad'* einzuhalten. Da das Nest an einer Ecke zwischen zwei breiten, vielbegangenen Gartenwegen lag. mußten die meisten der heim- kehrenden Ameisen diese Wege kreuzen, auf denen man ihre Richtung bequem beobachten konnte. Zwei Ameisen kehrten gerade mit Beute beladen von verschiedenen Seiten her zum Neste zurück; die eine war noch 7 m, die andere 6,5 m von Neste entfernt. Die erstere hatte eine Fliegenlarve im Munde und lief, ohne mit den Fühlern den Boden zu berühren, geradlinig auf das Nest zu. Die letztere dagegen schleppte rückwärtslaufend einen toten Käfer (Peltis atrata), der viel schwerer als sie selbst war, zum Neste hin. Hiebei mußte sie wiederholt kleine Steine und andere Hindernisse umgehen: sie kehrte sich dabei niemals um, sondern behielt, während ihr Kopf vom Neste abgewandt blieb, die genaue Richtung auf dasselbe bei. Auch hier scheint es zweifellos zu sein, daß nur ein auf dem Gedächtnis derAmeise beruhendes R i c h t u n g s g e f ü h 1 ihr den Weg weisen konnte. Unter den Elementen jenes Gedächtnisbildes dürften wohl die h abituellen G e s i c h t s e i n d r ü c k e bedeutend über die Geruchseindrücke überwiegen, ähnlich wie dies in den obigen Beispielen bei F. sanguinea der Fall war. Ich habe ferner in meinen Beobachtungsnestern von F. sanguinea, mit andern Formica- Arten (fusca, rufibarbis, rufa, pratensis) als Hilfsameisen, die Beobachtung gemacht, daß man Glasröhren, welche die von einander entfernten Teile eines solchen Nestes mit einander verbinden, fortnehmen und durch neue ersetzen kann, ohne daß die Ameisen von dieser Änderung auch nur die geringste Notiz nehmen. Obwohl die alte „Geruchsfährte" durch diesen Wechsel der Röhren völlig unterbrochen war, zeigten die Ameisen keine Spur von Verlegenheit beim Betreten der neuen Röhre, ja sie untersuchten dieselbe meist gar nicht einmal mit ihren Fühlern, sondern setzten ihren Weg fort wie früher. Auch hieraus muß man schließen, daß die Formica-Arten nicht durch bloße ,,Chemoreflexe" ihren Weg finden. Wenn ich dagegen bei einem derartigen Beobachtungsneste die frühere Richtung des Weges änderte, indem ich z. B. den einen Nestteil um 90' drehte, so sah ich, daß die Ameisen beim Betreten der alten, ihnen längst bekannten Verbin- dungsröhre zögerten, stehen blieben, wieder zurückgingen, nochmals voran und wieder zurückgingen und den neuen Weg untersuchten, als ob er ihnen unbekannt sei. Namentlich an dem großen, auf Taf. I abgebildeten Beobachtungsneste habe ich derartige Versuche wiederholt vorgenommen, indem ich entweder die das ,, Abfallnest" mit dem Vorneste verbindende Glasröhre durch eine neue, völlig geruchlose ersetzte, welche dieselbe Richtung hatte wie die alte, oder aber, indem ich die alte Verbindungsröhre samt dem Abfallneste um 90" — 270" drehte.1) Im ersteren Falle trat keine Störung des Verkehres ein, im letzteren dagegen erfolgte fast immer eine vorübergehende Verkehrsstörung. Ich bemerke dabei ausdrücklich, daß diese Drehung des Weges auch dann von den Ameisen wahrgenommen wurde, wenn in dem Abfallneste und in der Verbindungsröhre desselben gerade keine Ameise sich befunden hatte während der Drehung2); denn die an ') Eine Drehung um :S60° hatte dagegen keine Wirkung, was ich hier nur der Vollständigkeit halber beifüge. 2) Einen Fall dieser Art will ich hier näher berichten. Nach einer (am 9. April 1898) vorgenommenen Drehung ilrs Abfallnestes (vgl. die Abbildung auf Taf. I) um 90° liefen die ersten Ameisen, 2 rufa und 3 sanguinea, welche in Zwischenräumen von einigen Minuten nacheinander aus dem Vorneste in das Abfallnest wollten, in gewohnter Weise rasch voran, so lange sie noch in dem senkrecht stehenden (also in seiner Richtung unveränderten) Teile der Verbindungs- röhre waren. An der Biegungsstelle des Glasrohres, wo die Richtungsänderung begann, machten sie plötzlich Halt, zögerten und kehrten um, als ob sie den Weg verfehlt hätten. Erst 5 Minuten später kommt wiederum eine sanguinea. läuft bis zur Biegungsstelle des Glasrohres, macht einige Sekunden halt, prüft die Umgebung mit den Fühlern und kehrt um. Eine Minute später kommt eine andere, kleinere sanguinea, zögert abermals an der Biegungsstelle, geht aber dann langsam, mit vorgestreckten, oft die Glaswand berührenden Fühlern voran und legt so den ganzen Weg bis in das Abfallnest zurück. Bald darauf kommt eine rufa, macht es ebenso, gelangt in das Abfallnest und kehrt dann aus demselben nach einigen Minuten zurück. Auf dem Rückwege stutzt sie an beiden Biegungsstellen des Rohres, geht, in dem oberen Teile der Röhre nochmals hin und zurück, untersucht mit ihren Fühlern namentlich die letzte Biegungsstelle und kehrt dann langsam und vorsichtig in das Ohernest zurück. — 37 der Drehung aktuell teilnehmenden Ameisen bemerkten dieselbe meist sofort, hielten auf ihrem Wege inne oder kehrten um. Letztere Erscheinung erklärt sich, wie ich glaube, bereits aus dem während der Drehung stattfindenden Beleuchtungswechsel, indem die Stellung der Ameisen zu der Lichtquelle (Fenster) sich veränderte. Auch in jenen Fällen, wo die Ameisen die Drehung nicht mitgemacht hatten, ist es am wahr- scheinlichsten, daß sie ebenfalls infolge einer G esichtswahrnehmung die stattgehabte Richtungs- änderung bemerkten. Während sie früher beispielsweise auf ihrem Wege durch die Röhre stets zum Lichte hingelaufen waren, führte jetzt ihr Weg vom Lichte ab oder parallel zur Lichtquelle; was die Ameisen stutzig machte, scheint also die Änderung der bekannten Wegrichtung zur Lichtquelle gewesen zu sein; jedenfalls möchte ich diese Erklärung der Annahme einer unbekannten „Richtungskraft" vorziehen. Von einer allgemeinen Lösung der Frage ,,w ie finden die Ameisen ihren We g?" kann somit nur insofern die Rede sein, als sie nicht durch bloße Reflexe, sondern durch Sinnes- wahrnehmungen und durch die Kombination von Sinneseindrücken m i 1 1 e 1 st des Gedächtnisses geleitet werden. Im einzelnen aber herrscht beträchtliche Verschiedenheit je nach den Gattungen und Arten der Ameisen. Die Lasiits werden fast ausschließlich durch den Geruchs- Tastsinn der Fühler (Foreis topochemischen Geruchssinn) geleitet, und ebenso oder vielleicht in noch höherem Grade gilt dies für die blinden oder nur mit einfachen Ozellen ausgestatteten Dorylinen (Wanderameisen).1) Bei den Formica dagegen überwiegen vielfach die Elemente des Gesichtssinnes be- deutend über jene des Geruchssinnes für die Ausbildung ihres „instinktiven Richtungsgefühles." V. Kapitel. Können die Ameisen sehen? Die Gründe, welche B e t h e dafür angeführt, daß wir den Ameisen keinen Geruchssinn zuschreiben dürfen, sondern bloße Chemoreflexe, haben sich bei Erörterung der Frage, wie die Lasius ihren Weg finden, als hinfällig erwiesen. Die Frage, ob die Ameisen sehen können, hat er nicht behandelt, sondern nur im Vorübergehen von möglichen „P h o t oreflexe n" derselben gesprochen. Um auch nach dieser Seite hin ein der Wirklichkeit entsprechendes Bild von den psychischen Fähigkeiten der Ameisen zu bieten, will ich hier die Gründe zusammenstellen und durch neue Beobachtungen stützen, welche zeigen, daß wenigstens vielen Ameisenarten ein keineswegs zu unterschätzendes Sehvermögen zukommt. Bezüglich der verschiedenen Zahl der Facetten an den Netzaugen verschiedener Arten und verschiedener Kasten derselben Art verweise ich hauptsächlich auf Forel's diesbezügliche Untersuchungen (Fourmis d. 1. Suisse p. 117). Ich setze ferner als bekannt voraus, daß innerhalb derselben Art bei den Männchen und Weibchen, namentlich bei den ersteren, die Facettenaugen und mit ihnen der Gesichtssinn besser ent- wickelt sind als bei den Arbeiterinnen. Forel hat ferner bereits auf die auch von mir bestätigt gefundene ') Schon Belt berichtet hierüber (The Naturalist in Nicaragua, 1874, 2 Ed. 1888 p. 24) bezüglich eines mit gut entwickelten Ozellen versehenen Ecium (E. hamatum F.), daß diese Ameisen auf ihrem Zuge genau der Spur der ersten folgten, auch nachdem sie schon lange außer Sicht war. Wo immer jene einen kleinen Umweg gemacht hatte, da taten es auch die folgenden. Als Belt mit dem Messer einen kleinen Teil des Ameisenpfades abgekratzt hatte, waren die Ameisen anfangs vollkommen ,,at fault, which way to go." Sowohl die hinlaufenden als die zurücklaufenden hielten an der abgekratzten Stelle und machten kleine Umwege, bis sie den Geruchspfad wiedergefunden hatten: dann erst hatte die Zögerung an der Unterbrechungsstelle ein Ende. (Genau so machen es unsere Lasius niger und fuliginosus !) Über das Orientierungsvermögen von Eciton siehe auch Forel in: Ann. Soc. Ent. Belg. XLIII (1899) p. 444: Die psychischen Fähigkeiten der Ameisen 1901, S. 54 ff.: Wheeler, The female of Eciton Sumichrasti etc. (E. Schmitt/ Em.) in Amer. Naturalist 1900, p. 568 — 569. Über das Orientierungsvermögen von Anommn Wilverthi (nach Lujas Beobarhtungen siehe 158. - 38 — interessante Tatsache aufmerksam gemacht, daß bei den Männchen der Ameisen das Gehirn relativ viel schwächer entwickelt ist als bei den Arbeiterinnen, während umgekehrt der Sehnerv, entsprechend der besseren Entwicklung des Auges, bei den Männchen viel mächtiger ist als bei den Arbeiterinnen. Wozu haben die Ameisen überhaupt ein nervöses Zentralnrgan, wenn sie, wie Bethe vorgibt, bloße Reflexmaschinen ohne Empfindung und Wahrnehmung sind? Forel hat auch das Sehvermögen der Insekten in seinen Experiences et Remarques critiques ausdrücklich nachgewiesen und über die Eigentümlichkeiten desselben sich in einer Weise ausgesprochen, welche ich auf Grund meiner eigenen Beobachtungen und Versuche im wesentlichen durchaus bestätigen kann. Man sollte es daher eigentlich für überflüssig halten, noch einen Beweis dafür zu verlangen, daß Tiere, deren Augen ein kompliziertes optisches Sehwerkzeug bilden und deren Sehnerv mit einem Gehirn von der Entwicklung des Gehirns der Ameisen verbunden ist, wirklich zu sehen vermögen. Den ultra- skeptischen Einwendungen Bethe's, der in den angeblichen Gesichtswahrnehmungen der Ameisen bloße Photoreflexe sehen will, kommt, da sie auf einem Fehlschluß — , .nicht erlernt, also bloß reflex" — beruhen, ohnehin auch hier keine weitere Beweiskraft zu. Es bedürfte dafür ganz anderer Gründe, um die Tatsäch- lichkeit der Gesichtswahrnehmung der Ameisen zu leugnen und dieselben zu empfindungslosen Reflex- maschinen zu machen. Da jedoch das schöne Wort ..Reflex" für manche einen bestechenden Schein der Wissenschaftlichkeit hat, will ich hier nochmals auf die Frage eingehen: können die Ameisen wirklich sehen, oder reagieren sie rein reflektorisch auf sogenannte Gesichtsei n d r ü c k e ? Wenn man ein Beobachtungsnest von Formica sanguinea, rufa oder pratensis unter einer Glasglocke oder in einem oben verschlossenen Glasgefäß einrichtet, in welchem das Licht frei auf die Nestoberfläche fällt ; oder wenn man, wie auf Taf. I die verkleinerte (1 : 4) Abbildung eines saMgMwa-Beobachtungsnestes x) zeigt, ein für gewöhnlich bedeckt gehaltenes flaches Glasnest mit einem oder mehreren vom Lichte erhellten Glasgefässen verbindet, welche für die Ameisen die freie Umgebung ihres Nestes darstellen, so kann man wahrnehmen, daß sie anfangs sehr empfindlich sind für die durch Glaswände zu ihnen gelangenden Gesichts- eindrücke. Man braucht bloß den Finger auf einige Zentimeter Entfernung von dem Glasgefäße hin- und herzubewegen, und zwar an irgend einer Seite des Gefässes, nicht etwa bloß zwischen dem Fenster und dem Glasgefäß : sofort springen einzelne sanguinea auf jene Stelle der Glaswand los, durch welche sie den Finger sehen und versuchen hineinzubeißen. Die rufa und pratensis dagegen stellen sich auf die Hinterbeine und kehren mit drohend geöffneten Kiefern ihre Hinterleibsspitze gegen den sich bewegenden Finger, als ob sie eine Giftsalve gegen denselben abgeben wollten. Wenn nun die Ameisen bloße Reflexmaschinen wären, die ohne eine Spur von sinnlicher Wahrnehmung zu besitzen, durch bloße Photoreflexe zu jenen Verteidigungs- bewegungen gezwungen würden, so müßten die Ameisen auf die Wiederholung jenes Gesichtseindruckes stets in derselben Weise reagieren, solange bis die physiologische Leistungsfähigkeit der betreffenden Reflex- bahnen erschöpft ist. Was geschieht aber in Wirklichkeit? Macht man das Fingermanöver mehrmals nacheinander, mit einer Unterbrechung von wenigen Sekunden, so bleibt es bei Formica sanguinea meist s c h o n bei m dritten oder viertenmal wirkungslos; einige ') Es ist das in den letztjährigen Arbeiten (besonders 59) mehrfach erwähnte Beobachtungsnest mit einer gemischten Kolonie von F. sanguinea und mehreren Sklavenarten, das ich 12 Jahre (1893 — 1904) im Zimmer hielt. Hilfs- ameisen waren ursprünglich F.fusca, später gab ich (durch Arbeiterkokons) Arbeiterinnen von F. fusca, rujibarbis, rufa, pratensis und exseeta dazu. Frühling 1898 waren als Hilfsameisen bloß noch rufa und pratensis da, indem die letzten fusca und rujibarbis im Winter 97 — 98 starben. Später kamen wieder andere Sklavenarten dazu. Die eine der beiden sanguinea - Königinnen dieses Nestes erreichte ein Alter von 11, die andere von 13 Jahren; beide legten bis zu ihrem Tode befruchtete Eier, aus denen fast nur Arbeiterinnen erzogen wurden (nur im Herbst 1898 auch einige geflügelte Weibchen). — Mit schwarzem Tuch bedenkt sind das Haupt- und das Nebennest; Vornest, O b e r n e s t, A b f a 1 1 n e s t und Fütterungsrohr sind vom Lichte erhellte Glasapparate. 39 — Ameisen öffnen wohl noch drohend ihre Kiefer, aber sie kommen nicht her, um in den Finger zu beißen, und auch diese „Drohreflexe" bleiben bei Wiederholung des Versuches bald aus. Auf Formica ritja und pratensis bleibt das Fingermanöver länger wirksam: diese Ameisen reagieren überhaupt auf äußere Eindrücke viel gleichförmiger und konstanter als F. sanguinea. Aber auch bei rufa und pratensis wird die Wirkung des Experimentes bereits nach den ersten Versuchen sichtlich schwächer; wenn man es mehrmals rasch nacheinander wiederholt, kümmern auch sie sich immer weniger oder gar nicht mehr darum; man muß dann einige Zeit warten, bis es wieder gelingt. Wie sind diese Erscheinungen zu erklären? Man müßte den herkömmlichen Begriff der Reflex- bewegung in sein Gegenteil verkehren, wenn man behaupten wollte, diese Tatsachen seien durch b 1 o ß e Reflexe erklärlich. Die sanguinea, welche auf den Feind loszugehen und ihn zu beißen gewohnt sind, nehmen, wenn sie auf den hinter der Glaswand sich bewegenden Finger sich stürzen, sofort wahr, daß irgend etwas Undurchdringliches zwischen ihnen und dem sich bewegenden Gegenstande ist. Wenn sie diese Erfahrung einigemal gemacht haben, werden sie gleichgültig gegen das Fingermanöver, das sie anfangs in so große Aufregung versetzte. Wir müssen also sagen: Formica sanguinea 1 e r n t durch sinnlich e Erfahrung die Harmlosigkeit jenes Manövers kennen, und deshalb wird sie gleichgültig gegen dasselbe. Was sie zunächst erfährt, ist die Erfolglosigkeit des Versuches, den sich bewegenden Gegenstand zu fassen; sie stößt bei diesem Versuche auf einen andern Gegenstand, den sie nicht beißen kann und der völlig indifferent riecht. Hat sie diese Erfahrung mehrmals gemacht, so ist der sich hinter dem Glase bewegende Finger für sie ein völlig gleichgültiges Ding, obwohl er auf ihr Gesichtsorgan genau denselben optischen Eindruck macht wie vorher. Ich frage: nennt man das bloße Reflexbewegung, oder handelt es sich nicht vielmehr um eineVerbin- dung mehrerer sinnlicher Wahrnehmungen, deren regelmäüiges Zusammen- treffen eine neue Association in dem Gehirn der Ameise bewirkt, i n f o 1 u • • deren sie ihre frühere Handlungsweise modifiziert? Ich glaube, wenn man nicht auf eine vernünftige Erklärung dieser Erscheinung verzichten will, so wird man das letztere zugeben müssen. Da Formica rufa und pratensis bei den Verteidigungsbewegungen, zu denen der Gesichtseindruck des sich bewegenden Fingers sie reizt, meist in loco sitzen bleiben, können sie die Glaswand, die sie von dem- selben trennt, nicht so rasch kennen lernen wie F. sanguinea. Es ist dies wenigstens eine der Ursachen, welche bewirkt, daß sie auf das Fingermanöver länger reagieren als diese. Doch erfahren auch sie regel- mäßig, daß auf jene Fingerbewegungen hin weiter nichts Unangenehmes erfolgt. Dadurch bildet sich auch bei ihnen allmählich eine auffallende Gleichgültigkeit gegen jene Gesichtseindrücke aus. Daß es sich auch hiebei um einen psychischen Prozeß handelt, nicht bloß um einen reflektorischen Vorgang, geht schon daraus hervor, daß ein und dasselbe Individuum zum zweiten und drittenmal nicht in derselben Weise reagiert wie das erstemal, wenn man rasch nacheinander das Experiment wiederholt. Von einer unmittel- baren reflektorischen Nötigung kann auch hier keine Rede sein. Sonst müßten die rufa und pratensis sich ja leicht dazu verleiten lassen, in dem verschlossenen Glasgefässe gegen den sich hinter dem Glase bewegenden Finger wirklich zu s p r i t z e n, wie sie es auf dieselbe Distanz tun würden, wenn kein (das zwischen ihnen und dem Finger wäre. Aber es gelingt höchstens bei den allerersten Versuchen, und auch dann nur vorüber- gehend, die Ameisen durch das Fingermanöver zum tatsächlichen Ausspritzen des Giftes zu bewegen. Dei Ameisensäuregeruch, der sofort das verschlossene Glasgefäß erfüllt, ist ihnen selber so unangenehm, daß sie es nicht wieder tun, wenigstens nicht auf bloße Gesichtseindrücke hin. Die sanguinea meines auf Taf. I abgebildeten Beobachtungsnestes sind (1898) schon seit langer Zeil völlig gleichgültig dagegen, wenn ich dem Vorneste oder dem Oberneste meinen Finger nähere und rasch hin- und herbewege. Bei einer jungen, frisch entwickelten Ameise x) kommt es hie und da noch vor, daß ') Dieselben sind durch hellere Färbung oft noch monatelang kenntlich. Die Ausfärbung der Arbeiterinnen erfolgt bei manchen Individuen viel langsamer als bei anderen. — 40 — sie anfangs darüber erschrickt und die Kieler drohend öffnet; aber schon beim zweiten und dritten Versuche reagiert sie nicht mehr. Die F. rufa und pratensis desselben Beobachtungsnestes, die zum Teil zwei Jahre alt sind, verhalten sich im Vor- und Oberneste ebenfalls für gewöhnlich gegen jene Gesichtseindrücke indif- ferent; nur einzelne Individuen, die gerade als ., Wachtposten" besonders aufmerksam auf die Umgebung achten, lassen sich durch das Fingermanöver oft noch zum vorübergehenden Aufspringen und zum Öffnen der Kiefer reizen, zumal dann, wenn ich die Ameisen kurz vorher dadurch aufgeregt habe, daß ich die \ erbindungsröhre des Obernestes mit dem Abfallnest oder dein Fütterungsrohr herauszog und ihnen eine Fliege oder einen anderen Gegenstand durch diese Öffnung hineinsetzte. Auch wenn ich vorher das Oberncst um seinen Mittelpunkt ein wenig hin und her drehe, dadurch die Aufmerksamkeit der Ameisen errege und ihnen dann den sich bewegenden Finger vorhalte, springen manche rufa und pratensis beim Anblick des Fingers sofort auf, öffnen drohend die Kiefer und folgen für einige Augenblicke mit ihren Bewegungen denjenigen des Fingers. Während das Fingermanöver allein genommen sie jetzt für gewöhnlich gleichgültig läßt, erschrecken die rufa und pratensis im Oberneste, wenn ich den Kopf dem Glase nähere, sogar falls ich ihn nicht hin- und herbewege. Es ist dies für sie eben eine neue, völlig fremde sinnliche Wahrnehmung, die sie veranlaßt, sich in Verteidigungsstellung zu setzen. Sogar eine der F. sanguinea, die doch bereits in viel höherem Grade indifferent sind gegen die durch das Glas zu ihnen gelangenden Gesichtseindrücke, ließ sich am 22. März 1898 durch dieses neue Manöver beim erstenmal aufregen; sie sprang mit drohend geöffneten Kiefern auf die Stelle der Glaswand zu, wo der Kopf sichtbar wurde; aber damit war die Wirkung des Experimentes bei ihr schon zu Ende; selbst das Hin- und Herbewegen des Kopfes ließ sie gleich darauf völlig gleichgültig; sie ging wieder fort, ohne sich dadurch weiter reizen zu lassen. Daß die Indifferenz dieser Ameisen gegen die durch das Glas zu ihnen gelangenden Gesichtseindrücke nicht auf einer verminderten physiologischen Leitungsfähigkeit der betreffenden Reflexbahnen beruht, sondern auf einem psychischen Prozesse der sinnlichen Wahrnehmung und Erfahrung, zeigt sich auch aus folgenden Beobachtungen. Ich hatte den in der Abbildung (Taf. I) als Abfallnest bezeichneten Nestteil während des Winters 1897 — 98 fortgenommen, um ihn von den Ameisenleichen und den anderen Nestabfällen zu reinigen, welche die Ameisen im letzten Jahre daselbst aufgehäuft hatten. Als ich nach mehreren Monaten Anfang März 1898 das unterdessen sorgfältig ausgewaschene und getrocknete Abfallnest wieder mit dem Oberneste verband, mußten die Ameisen dasselbe erst wieder aufs neue kennen lernen. Einzelne sanguinea, rufa und pratensis untersuchten in den ersten Tagen das ganze Abfallnest sorgfältig mit ihren Fühlern und blieben dann dort lange Zeit ruhig sitzen. Bei ihnen gelang nun das Experiment mit den drohenden Fingerbewegungen anfangs wiederum vollkommen, und zwar nicht bloß bei rufa und pratensis, sondern sogar bei sanguinea. D i e- selben Ameisen benahmen sich gegenüber denselben Gesichtseindrücken ganz anders im Abfallneste als im Oberneste. Hätten die Ameisen im Sinne der Reflextheorie physiologisch verlernt, auf die betreffenden Gesichtseindrücke durch einen „Verteidigungsreflex" zu reagieren, so hätten sie auch jetzt im Abfallneste nicht mehr darauf reagieren können. Sie brauchten dann nicht erst wieder durch sinnliche Erfahrung zu lernen, daß auch hier eine schützende Wand von dem sich bewegenden Gegenstande sie trenne. Dieser Nestteil war ihnen eben n e u, weil er über ein Vierteljahr fortgewesen und zudem völlig ausgewaschen worden war. Daher fühlten sich die Ameisen bei den ersten neuen Besuchen hier noch nicht so sicher wie im Vor- nest; daher machte auch die Gesichtswahrnehmung des sich bewegenden Fingers hier wiederum anfangs auf sie einen beunruhigenden Eindruck, bis sie durch Erfahrung merkten, daß auch hier etwas Festes, Trennendes, zwischen ihnen und dem Finger sei. Besonders auffallend war mir dies bei einer der ersten sanguinea, welche das neue Abfallnest besuchten. Als ich ihr zum erstenmal den Finger drohend näherte, stürzte sie mit geöffneten Kiefern auf denselben los; aber an der Stelle der Glaswand angekommen, durch welche sie den Finger gesehen hatte, war sie sofort beruhigt und begann die Niederschläge an derselben aufzulecken. Das zweite und drittemal reagierte sie bereits gar nicht mehr auf dasselbe Experiment. — 41 — Daß die sanguinea in dem Vornest und dem Obernest sich gegenüber denselben Gesichtseindrücken gleichgültig verhalten, welche in dem neu angefügten Abfallneste sie anfangs wiederum in Aufregung versetzten, ist nicht bloß daraus zu erklären, daß etwa der Geruch der beiden ersteren Nestteile einen beruhigenden Eindruck auf sie ausübt; denn gegen Beutetiere oder Feinde, die ich ihnen dort hineinsetzte, benehmen sie sich ganz mit ihrer alten Wildheit wie in freier Natur. Ferner hatte ich im Winter 1897 — 98 auch diese beiden Nestteile für einen Tag fortgenommen, völlig ausgewaschen, mit einem Tuche ausgerieben und neu eingerichtet (mit frischer Erde im Vorneste und mit neuen Holzbrücken in beiden Nestteilen). Obwohl die alten Geruchsstoffe entfernt sein mußten, kannten die Ameisen diese beiden Nestteile doch sogleich wieder; sie untersuchten dieselben mit ihren Fühlern und benahmen sich in denselben dann genau wie vorher; sie waren ihnen nicht „fremd geworden", wie das mehrere Monate abwesende Abfallnest. Ohne die An- nahme eines sinnlichen Gedächtnisses, welches die früheren Eindrücke bewahrt hatte, dürften wir hier schwer- lich auskommen. Durch einen bloßenReflexmechanismus lassen sich derartige Tatsachen nicht erklären, sondern nur mit Zuhilfenahme sinnlicher Wahrnehmung, sinnlicher Empfindung und eines sinnlichen Gedächtnisses. Wenn man Affen oder andere höhere Tiere aus ihrer Freiheit in einen Glaskäfig bringt und in dem- selben hält, so müssen auch sie erst durch Erfahrung allmählich lernen, daß das Glas trotz seiner Durch- sichtigkeit ein fester Körper ist, welcher sie von der Umgebung schützend trennt. Auch sie reagieren anfangs durch Verteidigungs- oder Fluchtgebärden gegen drohende Bewegungen, die ihnen von draußen gemacht werden. Wenn sie nach und nach gegen derartige Gesichtseindrücke gleichgültig werden, so sagt man, sie hätten sich durch Erfahrung daran gewöhnt; die erfahrungsmäßige Unschädlichkeit jener Droh- bewegungen hinter der Glaswand mache sie gleichgültig gegen dieselben Gesichtseindrücke, welche sie anfangs in Schrecken setzten. Nun, ganz dasselbe ist auch bei Ameisen der Fall, namentlich bei Formten sanguinea, die ganz dasselbe sehr rasch lernt. Weshalb sollen also die Ameisen bloße „Reflexmaschinen" sein, die höheren Tiere dagegen nicht? Ein denkender Naturforscher kann eine derartige Inkonsequenz schwerlich billigen. Vielleicht scheint es manchem, ich hätte mich bei diesen Erwägungen länger aufgehalten als nötig war zum Beweise, daß die Gesichtswahrnehmungen der Ameisen keine bloßen „Photoreflexe" seien. Ich gehe daher zu anderen Beobachtungen über, welche über die Beschaffenheit jener Gesichtswahrnehmungen etwas mehr Licht geben dürften. Die äußerste Distanz, auf welche F. nija und pratensis den sieh bewegenden Finger durch die Glas- wand zu seilen vermögen, wenn man denselben nicht zwischen dem Fenster und dem Glase, sondern auf einer der Lichtquelle abgewandten Seite bewegt, beträgt nach meinen Beobachtungen l1/., dem. Für F. sanguinea ist die äußerste Distanz etwas geringer, nämlich nur 1 dem. I )aß die Ameisen sich bewegende Gegenstände leichter sehen als ruhende, ist bereits von F o r e 1 bemerkt und näher erläutert worden. Daß übrigens die Ameisen auch dann noch den Finger auf eine Distanz von 1 o — 1 dem zu sehen vermögen, wenn man denselben nach der Annäherung ruhig hält, habe ich bei obigen Experimenten mit den genannten drei Ameisenarten oft wahrgenommen. Kleinere Gegenstände dagegen, z. B. Käfer von der halben Größe der Ameisen, vermögen sie, wenn dieselben sich n i c h t bewegen, nur schwer und auf eine geringe Distanz von höchstens 4 — 5 mm zu sehen. Meine Versuche über die inter- nationalen Beziehungen der Ameisengäste boten mir in den letzten 25 Jahren reichliche Gelegenheit zu Beobachtungen über diesen Gegenstand. Ich hebe hier nur folgende besonders merkwürdige Punkte hervor. F. rufa, pratensis, sanguinea, rufibarbis und fusca konnten, wenn ihre Aufmerksamkeit auf die Ver- folgung von Dinarda gerichtet war, manchmal sogar eine still dasitzende Dinarda 1) (4 — 5 mm lang und 1,5 — 2 mm breit) auf eine Entfernung von 4 — 5 mm sehen. Daß nicht der Geruchssinn, sondern der Gesichts- sinn es war, der ihnen auf diese Distanz 2) die Anwesenheit der Dinarda kundgab, konnte ich wiederholt 1) Vgl. Dinarda dentata auf Tafel V, Fig. 1, D. 2) Da ich die Ameisen auch bei Nacht im Dunklen auf der Verfolgung von Dinarda wiederholt überniM hte, braucht wohl nicht erst erwähnt zu werden, daß sie a u c h durch ihren Fühlersinn (Geruchs- und Tastsinn) die Dinarda Zoologica. Heft 2G. 6 — 42 — mit Sicherheit konstatieren. In einem meiner Beobaehtungsnester von F. rufa war im März und April 1896 eine heftige Verfolgung gegen Dinarda dentata ausgebrochen, da ich dieselben in größerer Zahl zugleich in jenes Nest gesetzt hatte ; eine geringere Anzahl dieser Käfer würde von rufa wahrscheinlich wie bei früheren Versuchen ruhig geduldet worden sein.1) Durch den Anblick der plötzlich in Menge erschienenen Dinarda, die im Neste umherliefen, wurde eine allgemeine Verfolgung derselben veranlaßt; auch die ruhenden wurden von Ameisen, die sich ihnen näherten und sie manchmal auf mehrere Millimeter Entfernung wahrnahmen, angegriffen und verjagt. Während einer dieser Jagdszenen sah ich eine rufa längere Zeit ruhig dasitzen, während eine D. dentata fast unmittelbar unter ihrem Hinterleibe sich versteckt hielt. Sie konnte den Käfer wegen seiner Stellung nicht sehen, hätte ihn aber riechen müssen, wenn es der Geruchssinn wäre, der ihr die Nähe des Käfers anzeigte. Ein anderesmal saß eine D. dentata im Nestmaterial gerade unter einer Gruppe beisammensitzender rufa, ohne daß sie den Käfer bemerkten ; da lief eine andere Dinarda in einer Entfernung von ca. 5 mm von den rufa vorüber; sofort wurde diese von einer der Ameisen heftig verfolgt. Dafür, daß F. sanguinea mittelst des Gesichtssinnes sogar die etwas größere D. Märkeli von der kleineren D. dentata manchmal bereits auf mehrere Millimeter Entfernung, bevor sie den Käfer mit den Fühlern berührt hat, zu unterscheiden vermag, finde ich unter meinen Beobachtungen über die inter- nationalen Beziehungen von Dinarda mehrere Fälle verzeichnet. Dasselbe gilt auch für die Unterscheidung der beiden Dinarda-Ari&n bei F. rufa, nur im entgegengesetzten Sinne, indem bei rufa die D. dentata angegriffen, die D. Märkeli dagegen geduldet wurde, während F. sanguinea umgekehrt verfuhr. Für die Bedeutung der Gesichtswahrnehmung der Ameisen in ihrem Benehmen gegen Dinarda sei hier nur noch folgende neuere Beobachtung (vom 14. April 1898) mitgeteilt. „Heute Nachmittag wurden 4 Dinarda Märkeli aus dem Quarantaineglase, wo sie 5 Tage mit reiner Erde aus der Tiefe eines sanguinea- Nestes und mit mehreren Leichen von F. sanguinea, die ihnen als Nahrung dienten, zusammengewesen waren, direkt in das kleine Fütterungsgläschen der sanguinea-Ko\onie 86 II., die in einem Lubbock'schen Glasnest einquartiert war, übertragen. Die 4 Dinarda laufen sofort in das Nest hinein und in demselben wie gewöhnlich, langsam schwänzelnd, umher. Eine drängt sich gleich mitten in einen Klumpen beisammen- sitzender Ameisen. Eine fusca bemerkt den Käfer und berührt ihn mit prüfenden Fühlern und geöffneten Kiefern an der Hinterleibsspitze; dann zieht sie sich ruhig zurück. Die übrigen Ameisen, welche über und neben der Dinarda Märkeli sitzen, scheinen sie gar nicht zu bemerken. Es ist also nicht der Geruch, durch welchen die Anwesenheit der Dinarda sich verrät, sondern vielmehr eine Gesichts Wahrnehmung: 2 sanguinea nacheinander verfolgen kurz darauf eine D. Märkeli, welcher sie im Neste während der Er- hellung desselben begegnen; hier sehen sie nämlich den Käfer, was vorhin unmöglich war, weil jene Dinarda sich von hinten zwischen die mit den Köpfen gegeneinander zusammengedrängt sitzenden Ameisen eingeschlichen hatte. Nur eine daneben sitzende fusca hatte sie gesehen ; diese wurde dann durch den Geruch der Hinterleibsspitze des Käfers, die sie mit ihren Fühlern untersucht hatte, beruhigt. Es war also nicht der Geruch dieses Käfers, sondern sein Anblick, was die Ameisen zur Verfolgung desselben veranlagte. " Für die Gesichtswahrnehmung von F. sanguinea, rufibarbis und fusca ist ferner folgende Beobachtung von sicherer Beweiskraft. Wenn ich nachts das für gewöhnlich bedeckt gehaltene Hauptnest und Ni'bcnnest des auf Taf. I abgebildeten s<7>ig/n';/frt-Beobachtungsnestes abdeckte und dann langsam die Lampe näherte, sah ich während der Dinarda- Verfolgungen 1896 — 1899 oftmals, wie die Ameisen auch im I »unkeln eifrig auf der Dinar da- Jagd waren und jede ihnen zufällig begegnende Dinarda heftig angriffen. I >ie meisten Dinarda aber hatten sich in die Ecken des Nestes zurückgezogen und saßen dort ruhig beisammen. zu erkennen vermögen; aber die obigen Beobachtungen zeigen, welche wichtige Rolle der Gesichtssinn für die Distanz- wahrnehmung der Dinarda durch die Ameisen spielt. *) Die interessante Frage, ob die Ameisen zählen können, habe ich im Biol. Zentralbl. 1908 No. 9, S. 295 ff. ;iiif Grund dieser und neuerer Beobachtungen behandelt (162). Die Vermehrung oder Verminderung einer bestimmten Menge von Gegenständen, auf welche die Aufmerksamkeit der Ameisen gerichtet ist, vermögen sie zweifellos wahr- zunehmen ; aber ein Zählen i Addieren und Subtrahieren) im menschlichen Sinne dürfen wir ihnen deshalb nicht zuschreiben. — 43 — Die Ameisen stürzten, so lange es noch ziemlich dunkel war, regelmäßig an den Schlupfwinkeln der Käfer vorüber. Sobald aber die Lampe näher gerückt wurde, bemerkten sie die versteckten Dinarda, griffen sie an und vertrieben sie sofort aus den Ecken des Nestes. Hieraus muß man schließen, daß jene Formica einen Gesichtssinn besitzen, der nicht bloß sich bewegende, sondern auch ruhende Objekte von der Größe einer Dinarda (ca. 4 — 5 mm) auf eine Entfernung von mehreren Millimetern wahrzunehmen und deren Gestalt von anderen Objekten einigermaßen zu unterscheiden vermag. Die Färbung dieser Dinarda gleicht nämlich auffallend derjenigen unserer zweifarbigen (rot und schwarzen) Formica-Arten und konnte daher zur Erkennung der Dinarda nicht wesentlich beitragen, da ja die meisten Ameisen des Nestes (mit Ausnahme der F. fusca) dieselbe Färbung hatten wie die Dinarda. Bei Behandlung der internationalen Beziehungen der Dinarda werde ich noch viele Beobachtungen mitzuteilen haben, die ebenfalls für den Gesichtssinn und das sinnliche Unterscheidungsvermögen der Ameisen sprechen.1) Daß die Formica selbst ein sehr kleines Insekt, falls dasselbe sich bewegt, noch zu s e h e n vermögen, zeigt folgende Beobachtung an F. pratensis (vom 9. April 1898). Eine große Arbeiterin dieser Art saß an jenem Nachmittag lange Zeit unbeweglich im Glaskolben des Fütterungsrohres, auf Nahrung wartend (Taf. I). Da kam eine sehr kleine Fliege der Gattung Phora, nur 1,5 mm lang, herbeigeflogen, setzte sich von außen auf die Glaskugel und spazierte auf derselben ziemlich langsam umher. Als sie über die Stelle ging, wo die F. pratensis ihren Kopf (in einer Entfernung von etwa 3 — 4 mm von der Glaswand) hatte, sprang die Ameise sofort mit geöffneten Kiefern auf die draußen befindliche Fliege zu, als ob sie dieselbe packen oder vertreiben wollte. Einige Sekunden später kam die Phora abermals und setzte sich auf den (ihis- kolben; auch diesmal bewegte sich die pratensis und öffnete ihre Kiefer, als die Phora passierte, obwohl sie nicht mehr auf dieselbe zusprang. Selbstverständlich darf man nicht aus der Gesichtswahrnehmung der Formica- Arten einfachhin auf diejenige aller übrigen Ameisen schließen; denn die Vollkommenheit derselben hängt ab von der Größe und Wölbung der Netzaugen und von der Zahl ihrer Facetten. 1 >ie Lasius-Arten sind in viel ausgedehnterem Maße Geruchstiere als die Formica- Arien, bei denen die Gesichtswahrnehmung eine, wie wir soeben gesehen haben, keineswegs unbedeutende Bolle spielt. Unter den Lasius sieht L. fitliginosns besser als die übrigen, obwohl auch Lasius niger für Gesichtseindrücke nicht unempfänglich ist. Von Solenopsis fugax2) Q , deren Auge nur 5 — 9 Facetten besitzt, sagt Forel bereits ,,la vue est presque nulle" (F. d. 1. S. p. 385). Ich habe ferner darauf hingewiesen (21 S. 27), daß gerade die licht fremde, d. h. völlig unterirdische Lebens- weise dieser Diebsameise, mit der ihre Schwachsichtigkeit ohne Zweifel zusammenhängt, zugleich den Grund bildet, weshalb sie in Beobachtungsnestern aus Glas viel weniger lichtscheu sich erweist als andere Ameisen. Letztere wollen im Neste stets Dunkel haben; daher legen sie, wenn man sie in einem Glaszylinder mit Erde hält, ihre Gänge nicht unmittelbar am Glase an, sondern lassen fast immer eine dünnere oder dickere Erdschicht zwischen ihren Gängen und der dem Lichte ausgesetzten Glaswand. Hält man sie in flachen (Lubbock'schen) Glasnestern, so bekleben sie, falls man die obere Glasscheibe nicht bedeckt hält, dieselbe mit Erde, um das Licht abzuhalten.3) In flachen Glasnestern dagegen, die durch ein schwarzes *) Vgl. auch in vorliegender Arbeit das X. Kapitel: „Die verschiedenen Formen des Lernens bei dem Menschen und den Tieren." 2) Über ihre Lebensweise vgl. besonders Forel. Observations sur les moeurs de Solenopsis fugax (Mitth. Schweiz. Ent. Ges. III. Xo. 3,1869); Fourmis d. I. Suisse p. 69, 152, 385 etc., Wa s m ann 21 S. 18—29: Ch. J a n e t, Rapports d. anim. myrmeeoph. avec 1. fourmis, 1897, p. 58 — 61 ; Appareils pour l'observation d. fourmis, 1897 p. 318 — 321. 3) Ich gebe den Ameisenarten, die in freier Natur Erdnester bewohnen, trotzdem auch in den Beobachtungs- nestern stets Erde, da man sie sonst bei ihren Erdarbeiten und bei anderen Verrichtungen, zu denen sie Erde brauchen (Einbettung der Formica- und Lomechiisalarven etc.), nicht beobachten kann. Den von Janet erwähnten Übelständen der Erde in Beobachtungsnestern läßt sich auf andere Weise abhelfen. — 44 — Tuch dunkel gehalten werden, entsteht sofort eine allgemeine Aufregung, sobald man dem Lichte Zutritt in die Gänge und Kammern des Nestes gestattet. Solenopsis fugax verhält sich den Lichteindrücken gegen- über wesentlich anders. Ich hatte 1898 drei Nester dieser Ameise zur Beobachtung im Zimmer, zwei in bedeckt gehaltenen, flachen Glasnestern, deren eines nur ein Solenopsis-Nest, das andere ein zusammengesetztes Nest von Formica sanguinea (Kol. 86 I) und Solenopsis enthielt. Das dritte Nest befand sich in einem ringsum freien Glaszylinder. „In letzterem hat Solenopsis ein ungemein dichtes Gangnetz unmittelbar an den Glaswänden an- gelegt; die Gänge sind fortwährend gelb von Tausenden hin- und hergehender $ , die sich um das Licht abso- lut nicht kümmern. Bloß die Nestkammern mit den Larven sind mit Ausnahme einer kleinen Kammer im Innern der Erde angelegt. In den flachen Glasnestern sind die Kammern ebenso wie die meisten Gänge un- mittelbar an der Glaswand angelegt. Wenn ich das schwarze Tuch von der oberen Glaswand bei gewöhnlichem Tageslichte (nicht wenn die Sonne unmittelbar darauf scheint) fortziehe, so beginnen die Solenopsis meist erst nach 10 — 15 Sekunden unruhig zu werden und ihre Larven fortzutragen. Sie sind also keineswegs absolut blind, aber doch viel weniger empfindlich für Lieh t eindrücke als andere Ameisen." VI. Kapitel. Die Mimicry bei Ameisengästen als Kriterium für die Sinnesfähigkeiten der Ameisen. -Zwischen der Fähigkeit der Lichtempfindung und einer wirklichen Gesichtswahrnehmung, welche Farben und Gestalten zu unterscheiden vermag, ist noch ein großer Unterschied. Daher gibt es auch zwischen dem optischen Vermögen einer Solenopsis und einer Formica noch viele Zwischenstufen. Ich möchte hier auf einen interessanten Maßstab aufmerksam machen, welcher gestattet, über das Sehvermögen einer Ameisenart und sogar über den Grad desselben ein ziemlich sicheres Lirteil abzugeben. Dieser Maßstab wird geboten durch die Mimicry, die zwischen Ameisen und manchen ihrer Gäste besteht. Ich habe die zwischen Ameisengästen und ihren Wirten bestehende Ähnlichkeit bereits bei früheren Gelegenheiten einer eingehenden Erörterung unterzogen x) und hebe deshalb hier nur folgendes hervor. Die objektiv auf Täuschung der Ameisen berechnete passive Mimicry2) der Ameisengäste nimmt bei Gästen von solchen Ameisen, welche gut entwickelte Netzaugen besitzen, einen ganz anderen Charakter an als bei Gästen von solchen Ameisen, welche blind oder nahezu blind sind. Bei erster en beginnt die Mimicry mit Ähnlichkeit der Färbung und schreitet fort zu einer Ähnlichkeit der Gestalt, welche meist nicht auf wirklicher Formal) n- 1 i c h k e i t, sondern hauptsächlich auf täuschenden Lichtreflexe n b e r u h t. Bei letzteren beginnt die Mimicry mit Ähnlichkeit der Skulptur und Behaarung, schreitet fort zu einer Ähnlichkeit der Gestalt, welche auf einer wirklichen Formähnli c h k e i t der betreff e n d e n Körperteile mit jenen der Wirte beruht und gipfelt e n d 1 i c hin der G leichheit d e r F ü h 1 e r- bildung von Gast und Wirt. (Vgl. Taf. II und Taf. III etc.). Übersetzt man diese von der ') US. 59— 92; 2«: 42 S. 13— 35 (147— 169); 51 S. 428— 435; 60 S. 174 ff.; 73; 85; 95 S. 11— 58; 114 S. 275 ff. (61 ff.); 118 S. 737 ff.; 13(1; 133; 135; 138; 143 S. 231 ff.; 155; 157 S. 347 ff. ') Passive Mimicry bezeichnet die täuschende Ähnlichkeit der äußeren Erscheinung, aktive M i in i c r y die Nachahmung des Benehmens der Wirte. — Die Mimicry der Ameisengäste, deren Zweck die Täuschung der eigenen Wirte ist, muß wohl unterschieden werden von anderen Formen der Myrmecoidie bei den Arthropoden. Es gibt eine Myrmecoidie, die bloß eine morphologische Familieneigentümlichkeit ist, ohne nachweisbare biologische Bedeu- tung; es gibt ferner eine andere Myrmecoidie, welche zum Schutze gegen insektenfressende Wirbeltiere dient; es gibt endlich eine Myrmecoidie, welche auf Täuschung der Ameisen hinzielt und einen Anpassungscharakter an die myrme- cophile Lebensweise bildet (vgl. 51 S. 128 ff.). Hier ist nur von letzterer Myrmecoidie die Rede. — 45 - vergleichenden Morphologie gebotenen Tatsachen in biologische Sprache, so besagen sie folgendes : Bei Gästen von solchen Ameisen, welche gut entwickelte Augen besitzen, bezweckt die passive Mimicry der Gäste hauptsächlich die Täuschung des Gesichtssinnes der Wirte; bei Gästen von solchen Ameisen dagegen, welche blind oder nahezu blind sind, bezweckt die Mimicry der Gäste die Täuschung des Fühlertastsinnes der Wirte 1. Die Mimicry bei einheimischen Ameisengästen. Die schönsten Beispiele für jene .Mimicry, die auf Täuschung des Gesichtssinnes der Wirte berechnet ist, treffen wir in unserer europäischen Fauna bei Gästen von Formica- und Myrmica-Arten, nämlich bei Lomechusa strumosa in Gesellschaft von F. sanguinea, bei den Atemeies in Gesellschaft von Myrmica rubra, bei den Dinarda in Gesellschaft von Formica- Arten und von Aphaenogaster testaeeopilosa. Ich beginne mit Dinarda}) da hier die Mimicry sich auf Ähnlichkeit der Färbung zwischen Gast und Wirt beschränkt, während sie bei Atemeies und Lomechusa auch zu einer, hauptsächlich auf täuschenden Lichtreflexen beruhenden Ähnlichkeit der Gestalt von Gast und Wirt sich erhebt. Die einzige einfarbige Dinardine Europa's ist die schwarze Chitosa nigrita Rosh., die bei der einfarbig schwarzen Aphaenogaster testaeeopilosa des Mittelmeergebietes lebt. Die zweifarbigen, rot und schwarzen, Dinarda dentata Grv., Märkeli Ksw., Hagensi Wasm., pygmaea Wasm. leben sämtlich bei zweifarbigen, rot und schwarzen Formica- Arten, dentata bei sanguinea, Märkeli bei rufa, Hagensi bei exseeta, pygmaea bei rufibarbis. Sie sind ihren respektiven Wirten an erster Stelle angepaßt bezüglich der Körpergröße, indem bei der größeren Formica-Arl und bei jener, welche Haufen aus gemischtem Material baut, die größere Dinarda lebt, während bei der kleineren Formica-Ari und bei jener, welche meist bloße Erdnester anlegt, die kleinere Dinarda lebt. Diese Proportion erklärt sich daraus, daß die Dinarda indifferent geduldete Gäste von erheblicher Größe sind, deren indifferente Duldung auf ihrer normalen Unan- greifbarkeit beruht.2) Je kleiner die betreffende Formica ist, desto kleiner muß auch ihre normale Dinarda sein, damit es den Ameisen nicht gelinge, sie an den Extremitäten zu erwischen; denn Dinarda besitzt im übrigen einen vollendeten ,,T r u t z t y p u s" 3) durch ihren breiten, flach an den Boden sich anschmiegenden Vorderkörper, die gekielten Epipleuren und den kegelförmig zugespitzten Hinterleib, an welchem die Ameisen- kiefer abgleiten (Vgl.Taf. V. Fig. 1, D). Ferner kann sich eine Dinarda in den reinen Erdnestern nicht so leicht den eventuellen Angriffen der Wirte entziehen wie in den aus gemischtem Material bestehenden Haufen. Da- her die doppelte gesetzmäßige Proportionalität, die zwischen Körpergröße und Nestbau der Formica-Art und der Körpergröße ihrer entsprechenden Dinarda- tXsiSse*) besteht. Da nun aber die Dinarda die größten und da- her für den Gesichtssinn der Ameisen auffallendsten indifferent geduldeten Gäste jener Formica- (resp. Aphaeno- gaster-) Arten sind, deshalb kommt zu jener Proportion der Körpergröße noch die Ähnlichkeit der Färbung zwischen Gast und Wirt hinzu; dieselbe bewirkt, daß der Anblick dieser Käfer die mißtrauische Aufmerk- samkeit der Ameisen weniger erregt, sondern sie über die Anwesenheit jener Gäste gleichsam beruhigt. Daher lebt nicht bloß die einfarbig schwarze Dinarda (Chitosa) nigrita bei einfarbig schwarzen Ameisen und die vier zweifarbigen, rot und schwarzen Dinarda ebenfalls bei zweifarbigen, rot und schwarzen Ameisen, sondern es ist jedenfalls auch kein Zufall, daß gerade die dunkelste der zweifarbigen Dinarda, nämlich die typische D. pygmaea Wasm., gerade bei der dunkelsten Rasse von F. rufibarbis, bei der Vor. fusco-rujibarbis ') Vgl. hiezuauch 9; 10; HS. 70 ff.: 33: 37 S. 15 ff.: 38 S. 65 u. 66: 49; 118; 154: 157 S. 323 ff.- 2) Zahlreiche Beweise hiefür boten mir auch die Versuche über die internationalen Beziehungen dieser Ameisen- gäste, die in einer späteren Arbeit mitgeteilt werden sollen. 3) Vgl. hiezu 51 S. 435 ff. *) Die Gründe, weshalb ich jene vier zweifarbigen Dinarda für Rassen einer Art halte siehe 49. — 46 — For. lebt, wahrend bei den helleren Varietäten von rufibarbis auch hellere Varietäten von pygmaea vorzu- kommen pflegen.1) Eine täuschende Ähnlichkeit der Gestalt besteht zwischen Dinarda und ihren Wirten nicht; dieselbe ist durch den Trutztypus ihrer Körperform (vgl. Taf. V, Fig. 1, D.) ausgeschlossen, welcher ihr größere Sicherheit gegen die Angriffe der Ameisen gewährt als eine täuschende Ameisengestalt es vermöchte. Um so hübscher zeigt sich die auf den Gesichtssinn der Ameisen berechnete Ameisenähnlichkeit der Gestalt in Verbindung mit der Ähnlichkeit des Colorites bei unseren Atemeies (Taf. IV, Fig. 1) und Lomechusa (Taf. V, Fig. 1, L).2) Wer diese Käfer nur als Leichen neben einer Ameise auf weißem Karton aufgeklebt gesehen hat, wird sofort die auffallende Ähnlichkeit der Färbung eines Atemeies mit einer Myrmica sowie einer Lomechusa mit F. sanguinea zugeben; aber wie es möglich sein soll, zwischen der schlanken Ameise mit ihren scharfen Körpereinschnitten und dem plumpen, breiten, gar nicht eingeschnittenen Umrissen des Käfers eine Ähnlichkeit der Gestalt zu behaupten, das wird ihm nicht einleuchten. Und doch ist auch die letztere Ähnlichkeit vorhanden und zwar in einem Grade, der selbst das scharfe menschliche Auge so sehr täuscht, daß es den Käfer nicht mehr von der Ameise zu unterscheiden vermag; wie kommt das? Behandeln wir erst die Ähnlichkeit der Färbung. Die rotbraunen Atemeies sind in der Mitte (Flügel- decken) etwas heller, vorn und hinten dagegen dunkler, genau wie die Myrmica rubra, die ihre primären Wirte sind.3) Die dunklere Färbung des Hinterleibes der Myrmica wird an dem rotbraunen Hinterleibe des Käfers dadurch nachgeahmt, daß vor der Spitze desselben ein dunkleres Querband sich befindet, welches in der aufgerollten Normalstellung des Hinterleibes nach hinten und oben sichtbar wird und den Hinterleib des Käfers als eine dunkelbraune Kugel ähnlich dem Hinterleibe der Ameise erscheinen läßt. Bei Lomechusa strumosa ist der Gegensatz des Colorites zwischen den hellroten Flügeldecken und dem übrigen Körper viel stärker ausgeprägt als bei den Atemeies, entsprechend der lebhafteren Färbung von F. sanguinea mit ihrem hellroten Mittelkörper. Auch hier gleicht der aufgerollte Hinterleib von hinten und oben einer schwärzlichen Kugel, welche mit dem Hinterleibe einer dicken Formica eine unverkennbare Ähnlichkeit besitzt. So gestalten sich die Verhältnisse für das Auge, wenn wir Atemeies und Lomechusa in ihrer Normalstellung (mit aufgerolltem Hinterleib) neben der betreffenden Ameise auf weißem Untergrunde betrachten. Trotzdem wird noch niemand behaupten, diese Käfer sehen ihren Wirten „zum Verwechseln ähnlich!" Betrachten wir aber jetzt diese Käfer an ihrem normalen Aufenthaltsort, die Atemeies zwischen den Myrmica, die Lomechusa zwischen F. sanguinea sitzend. Jetzt ist der Hintergrund mit Käfer und Ameise gleichfarbig, und jetzt erst treten die täuschenden Lichtreflexe in Wirksamkeit, durch welche die Gestalt dieser Käfer derjenigen ihrer Wirte zum Verwechseln ähnlich wird. Selbst das Auge eines Ento- mologen, der sich Jahrzehnte mit der Beobachtung dieser Käfer beschäftigt hat, vermag jetzt Käfer und Ameise erst nach langem, aufmerksamen Suchen zu unterscheiden. Aus meinen zahlreichen diesbezüg- lichen Erfahrungen teile ich nur folgende Beobachtung (vom 23. März 1898) mit. ') Auch zwischen der am Kongo entdeckten Allodinarda Kohli Wasm. und ihrem Wirte (Myrmicana eumenoides Gerst.) besteht Ähnlichkeit der Färbung. Beschreibung von Allodinarda siehe im Anhang II und Abbildung auf Taf. IV, Fig. 2. ') Vgl. hiezu auch 11 S. 60 ff.; 51 S. 429 ff.; 60 S. 174 ff.: 95 S. 43 ff.; 149: 157 S. 341 ff. 3) Dasselbe gilt auch für die Ähnlichkeit der Färbung zwischen den Atemeies und ihren sekundären Wirten (Larvenwirten) aus der Gattung Formica. At. paradoxus Grv. gleicht im Kolorit der F. rufibarbis; At. paradoxus Var. nigricans Wasm. der F. fusco-rufibarbis; At. pubicollis Bris, der F. rufa; At. pubicollis\Ta.r. ForeliWasm. der F. sanguinea; At. pratensoides Wasm. (Taf. IV, Fig. 1) der F. pratensis (140; 149; 157 S. 341 ff.). Nur At. emarginatus Steph. ent- spricht in der Färbung seinem secundären Wirthe (F. fuscaj nicht; die var. nigricollis Kr. des emarginatus zeigt jedoch bereits eine Annäherung an die dunkle Färbung von F. fusca. Da die gemeinschaftliche Anpassung von Ate- meies an Myrmica phylogenetisch älter ist als die divergierende Anpassung der verschiedenen Atemeies an verschiedene Formica, so ist es begreiflich, weshalb die Atemeies in ihrer Färbung dem primären Wirte mehr angepaßt sind als den sekundären. Vgl. auch 149 S. 2 — 3 und 154 S. 49 über die drei Etappen in der hypothetischen Stammesgeschichte der Lomechusini, Ich hatte am 22. März ein neues Beobachtungsnest (flaches Glasnest Lubbock'scher Methode) mit einer Abteilung der Pseudogynenhaltigen sanguinea- Kolonie No. SÜ eingerichtet (86 I). Bei den mehreren hundert Ameisen hatte ich eine der im Neste gefundenen Lomechusa strumosa gelassen und wollte nun am 23. März nachmittags nach der Lomechusa sehen. Ich zog langsam das schwarze Tuch fort, welches die obere Glasplatte des Nestes bedeckte, und fand die Ameisen (wegen der kühlen Witterung) mitten im Neste zu einem großen, unbeweglichen Klumpen zusammengekauert, welcher vom Boden des Nestes bis zu der 20 mm entfernten oberen Glaswand reichte. Ich suchte nun 5 Minuten lang mit meinen Augen vergeblich nach der Lomechusa, die ich bei den Ameisen sitzend vermutete. Bereits glaubte ich, sie müsse im Innern des Ameisenklumpens oder anderswo im Neste versteckt sein, als ich sie plötzlich unmittelbar unter der oberen Glaswand, oben auf dem Ameisenklumpen sitzen sah. Kein einziger Teil ihres Rumpfes war von den umgebenden Ameisen verdeckt worden, die Lomechusa war völlig frei sichtbar während dieser ganzen Zeit; und doch mußte ich so lange suchen, bis ich sie endlich wahrnahm! Eine an derselben Stelle still sitzende Dinarda dentata würde ich, wie ich aus oftmaliger Erfahrung weiß, trotz der Ähnlichkeit ihrer Färbung mit jener der Ameisen, ohne Schwierigkeit erkannt haben, die viel größere und breitere Lomechusa aber nicht. Daß zwischen Lomechusa bezw. Atemeies und ihren Wirten eine für das Auge täuschende Ähnlichkeit der Gestalt unter normalen Verhältnissen besteht, dürfte hiemit wohl bewiesen sein. Die Lichtreflexe, welche jene Täuschung bewirken, gehen hauptsächlich vom Hinterleib und vom Halsschild des Käfers aus. Ersterer gleicht in seiner aufgerollten Haltung einer glänzenden Kugel von der Größe des Hinterleibes einer Formica- bezw. einer Myrtnica-Königm. Die tief ausgehöhlten und am äußersten Rande aufgebogenen Seiten des Halsschildes dagegen bewirken, daß das Mittelstück der Halsschildfläche durch stärkeren Glanz hervortritt und durch diesen Lichtreflex als ein morphologisch selbständiges, schmal gewölbtes Stück von der Breite eines Ameisenrückens erscheint. Auf das Sehvermögen der Netzaugen von Ameisen muß, wie auch aus Foreis Deduktionen über die Funktion der Facettenaugen hervorgeht, eine derartige auf Lichtreflexen beruhende optische Täuschung noch viel wirksamer sein als auf unser weit schärferes Auge. Wenn aber die Formica und Myrmica nicht selber ein gewisses optisches Unterscheidungs- vermögen für Gestalten besäßen, so wäre die ganze auf optischerTäuschung beruhende Ähnlichkeit jener Ameisengäste mit ihren Wirten offenbar völlig zwecklos; sie wäre ebenso zwecklos, wie bei Ameisen, die kein optisches Unterscheidungsvermögen für Farben besitzen, die farbige Ähnlichkeit der Gäste mit den Wirten zwecklos wäre. Dies wird dadurch bestätigt, daß in Gesellschaft von Ameisen, welche schwach entwickelte Netzaugen oder statt derselben nur einfache Ozellen besitzen, niemals eine solche. auf optischer Täuschung x) beruhende Ähnlichkeit der Gestalt der Gäste mit jener der Wirte sich findet. Eine gesetzmäßige, nur aus der objektiven Nachahmung der Wirtsfärbung erklärliche Ähnlichkeit des Kolorites zwischen Gast und Wirt finden wir ferner ebenfalls nur bei Gästen solcher einheimischer 2) Ameisen, welche ziemlich gut sehen können; für das Unterscheidungsvermögen der Farben liegt jedoch die untere Grenze des Sehvermögens tiefer als für das Unterscheidungsvermögen der Gestalten. Bevor ich zu den neotropischen Ecitongästen übergehe, muß noch die farbige Ähnlichkeit einiger anderen einheimischen Ameisengäste kurz berücksichtigt werden. Die gesetzmäßig myrmecophilen Arten der Gattung Myrmedonia leben zum größten Teil (6 Arten) bei der glänzend schwarzen Holzameise Lasius fuliginosus, eine derselben (Myrmedonia humeralis) überdies bei F. rufa ; Myrmedonia ruficollis Grimm und Hampei Kr. endlich leben bei dem südosteuropäischen Liome- topum microcephaluiu. Die Myrmedonien sind feindlich verfolgte Einmieter (Synechthren), die sich in Schlupf- *) Ich sage: auf optischer Täuschung, und zwar durch Lichtreflexe; denn bei den Gästen des Mimicrytypus der exotischen Wanderameisen (Dorylinen) finden wir eine Ähnlichkeit der Gestalt, welche auf Täuschung •des Fühlertastsinnes der Wirte berechnet ist; siehe unten im 2. Teil dieses Kapitels. 2) Die farbige Ähnlichkeit zwischen Gästen exotischer Wanderameisen und ihren Wirten wird im 2. Teil dieses Kapitels besprochen werden. — 48 winkeln des Nestes und beim Nesteingange verstecken, von dort aus namentlich nachts über vereinzelte Ameisen herfallen und sie in Stücke reißen. Wegen ihrer relativ bedeutenden Größe, welche jener der betref- fenden Ameisen gleichkommt oder sie sogar etwas übertrifft, haben diese Räuber es nicht leicht, sich der feindlichen Aufmerksamkeit der Ameisen zu entziehen, welche sie oft heftig verfolgen. Es ist nun sehr bezeichnend, daß von den 6 Myrmedonien, die bei Lasius fidiginosus leben, gerade die beiden glänzend rein schwarzen M. funesta und laticollis Grv. weitaus die häufigsten sind ; sie sind eben durch ihre Färbung, die mit derjenigen der Wirte vollkommen übereinstimmt, am besten gedeckt. Auch die etwas selteneren M. cognata und lugens und die seltene M. similis sind dunkel gefärbt, obwohl ihre Färbung derjenigen der Wirte nicht vollkommen gleicht. Eine Myrmcdonia-Avt scheint aber gar nicht zu Las. fidiginosus zu passen, nämlich die sehr große, rotgelb und schwarz gefärbte M. hnmeralis Grv. In der Tat ist sie nicht dieser Ameise angepaßt, sondern der größeren, rot und schwarzen F. rufa, welche ebenfalls ihr normaler Wirt ist. Ihre Färbung und Größe mußte nach derjenigen der beiden Wirtsameisen sich richten, welche ihr wegen ihrer größeren Scharfsichtigkeit, Stärke und Gewandtheit gefährlicher wird und zugleich schwerer von ihr zu bewältigen war; daher ist die Größe und die bunte Färbung von M. hnmeralis biologisch wohlbegründet. Eine sehr auffällige Ähnlichkeit der Färbung besteht ferner zwischen Myrmedonia riificollis und Liometopum microeephahtm. Bei beiden ist Kopf und Hinterleib schwarzgrau, der Mittelkörper hellrot; die roten Flügel- decken des Käfers haben einen breiten schwarzen Seitenrand, wodurch der rote Mittelkörper schmaler erscheint als er ist, dem schmalen Ameisenrücken entsprechend. .1/. Hampci gleicht ebenfalls in der Färbung ihrem Wirte. Da Liometopum gut entwickelte Netzaugen besitzt, müssen wir auch hier die farbige Ähnlichkeit der Gäste mit dem Wirte als eine echte Mimicry bezeichnen, die auf Täuschung des Gesichtssinnes der Ameise hinzielt. Auch zwischen Lasius niger und seinem normalen Gaste Homoeusa acuminata Mark, besteht eine ausgesprochene Ähnlichkeit des Kolorites. Der Käfer ist fast von der Größe der Ameise; beide sind vorn und hinten dunkler, in der Mitte heller braun. Myrmobiota crassicornis Cas., die amerikanische Form unserer H. acuminata, ist, entsprechend der helleren Färbung ihres Wirtes (Lasius americanus Em.) ebenfalls heller gefärbt. Die nähere Lebensweise der Homoeusa ist noch unbekannt; nach meinen Beobachtungen an H. acuminata1) ist ihr Verhältnis zu den Wirten ein ähnliches wie dasjenige von Dinarda. Bei den myrmekophilen Myrmedonien kommt zu der Ameisenähnlichkeit der Färbung auch noch eine Ameisenähnlichkeit der Gestalt hinzu, welche dadurch bewirkt wird, daß die Käfer mit auf- gerolltem Hinterleibe einherlaufen, der dann dem Hinterleibe einer Ameise gleicht. Ich habe selbst infolge dieser Mimicry wiederholt beim ersten Anblick eine M. funesta mit Lasius fuliginosus verwechselt. Eine vollkommenere, auf komplizierten Lichtreflexen beruhende Nachahmung der Ameisenform, wie wir sie hei Atemeies und Lomechusa finden, ist bei Myrmedonien nicht vorhanden.2) Sie würde auch zwecklos und wirkungslos sein, indem diese Käfer nicht in Mitte der Ameisen selber sich aufzuhalten pflegen, sondern nur in der Nachbarschaft derselben; daher treten sie den Ameisen nicht auf gleichfarbigem Hintergründe gegenüber, was für die optische Vortäuschung der Ameisengestalt von Alandes und Lomechusa die Vor- bedingung ist. Daß die Ähnlichkeit des Kolorites, die zwischen den myrmekophilen Myrmedonien und ihren mit gutentwickelten Netzaugen ausgestatteten Wirten besteht, diesen Käfern nicht etwa zum Schutze gegen äußere Feinde diene, sondern zur Täuschung der Ameisen selber, geht aus mehrfachen Gründen hervor. Gegenüber Insektenfressern, welche Ameisennester aufsuchen, um Ameisen zu fressen, wird die Ameisen- ähnlichkeit der Gäste den letzteren offenbar nicht zum Nutzen gereichen können. Ich habe ferner sehr oft beobachtet, daß die Myrmedonien, wenn sie von fremden Feinden, z. B. vom Menschen, beunruhigt werden, ») Siehe 14* S. 418 ff. 2) Die zwischen den Myrmedoniini und den Lomechusini stehende neue Gattung Myrmeckusa aus Abessinien (siehe Tat. V, Fig. 2: Beschreibung im Anhang II), deren Wirte unbekannt sind, nähert sich den Lomechusini auch in ihrer Mimicry (Lichtreflexe der ausgehöhlten Halsschildseiten). — 49 — sich sofort auf die Seite fallen lassen, sieh einkugeln und hartnäckig „totstellen".1) In dieser Haltung hat die Myrmedonia aber gar keine Ameisenähnlichkeit mehr an sich; sie gleicht dann einfach einem Erd- klümpchen oder einem kurzen Holzstückchen. Daher wird man schwerlich behaupten können, daß die Ameisenähnlichkeit der Myrmedonien dem Zwecke des Schutzes gegen äußere Feinde diene. Hiezu kommt noch, daß unter den sehr zahlreichen, bereits an 20 Arten zählenden termitophilen Myrmedonien Ostasiens 2) keine einzige Art sich findet, deren Färbung jene der Termiten auch nur im entferntesten nachahmt; und doch sind die Soldaten der Termes-Arten nicht minder bissig und wehrhaft als die Ameisen, aber sie sind eben völlig blind: daher wäre eine Täuschung des Gesichtssinnes der Wirte durch Termiten- ähnliehkeit von termitophilen Myrmedonien ein Unding.3) Aus diesen Erwägungen dürfte mit hinreichender Sicherheit hervorgehen, daß die auch für unser Auge auffallende Ameisenähnlichkeit der myrmekophilen Myrmedonien die biologische Bedeutung einer Mimicry besitzt, deren Zweck die Täuschung des Gesichtssinnes der eigenen Wirte ist. Der Zweck dieser Mimicry ist nicht ganz derselbe bei feindlich verfolgten Einmietern (Synechthren, z. B. Myrmedonia), indifferent geduldeten Gästen (Synoeken, z. B. Dinarda) und echten Gästen (Symphilen, z. B. Lomechusa und Atemeies), Bei den ersteren dient sie dazu, den Käfer den feindlichen Angriffen der Wirte leichter zu entziehen und es ihm andererseits zu ermöglichen, seine Beute, die eben in diesen Wirten besteht, leichter zu erreichen. Bei den zweiten dient sie dazu, den Käfer für seine Wirte minder auffällig und daher minder Mißtrauen erregend zu machen, so daß sie ihn in ihrer Nähe ruhig dulden. Bei den dritten endlich dient die passive Mimicry dazu, die Erscheinung des Käfers zu einer positiv angenehmen für die Ameisen zu machen und dadurch seine aktive Mimicry (Nachahmung des Fühlerverkehrs etc.) zu unter- stützen, durch welche er die Ameisen zur gastlichen Behandlung, namentlich zur Fütterung anregt. Dieser dreifache Zweck kann allerdings auch durch andere Mittel erreicht werden, welche eine Mimicry des Kleides überflüssig machen. Weitaus die meisten indifferent geduldeten Gäste entziehen sich durch andere Charaktere, z. B. durch ihre Kleinheit, die Schnelligkeit oder umgekehrt die extreme Langsamkeit ihrer Bewegungen, den Nachstellungen oder überhaupt der Aufmerksamkeit der Ameisen. Ferner zeigt z. B. die ganze Familie der Clavigeriden (Keulenkäfer), die bereits über 100, bei Ameisen der verschiedensten Länder lebende Arten zählt, keine oder fast keine Abhängigkeit ihres Kolorites vom demjenigen der Wirte; diese Käfer haben stets dieselbe rotgelbe bis rotbraune „Symphilenfärbung"4), die höchstens bei schwarzen Wirten 1) Über dieses „Sichtotstellen" vgl. auch das im VIII. Kapitel beim Transport von Lomechusa Gesagte. 2) Rechnet man dazu noch die Gattungen Termidonia Motsch., Glossacantha Motsch., Macrodonia Wasm., die ich ebenso wie Rynchodonia Wasm. wegen der Übergänge zu Myrmedonia Er. nur mehr für Untergattungen der letzteren halte, so ist ihre Zahl noch größer. 3) Bei den Hodotermes, deren Soldaten gut entwickelte, schwach gewölbte Netzaugen mit einer ziemlich großen Facettenzahl besitzen — bei H. vwtor Ltr. zählte ich 120 — 125 Facetten auf jedem Auge — sind noch keine termitophilen Myrmedonien bekannt; ebenso auch bei den Calotermes, wo die Soldaten mancher Arten zwar sehr kleine und flache, aber doch wenigstens andeutungsweise facettierte Augen haben. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, daß bei Gästen von Hodotermes eine auf Täuschung des Gesichtssinnes der Wirte berechnete Ähnlichkeit des Kolorites noch entdeckt werde. Bei den Soldaten von Termes und seinen Subgenera Termes L. Hag. sensu str., Cornitermes, Coptotermes, Eutermes, Armitermes, Capritermes, Mirotermes und Spinilermes Wasm. fehlt jede Spur von Augen. Vgl. Hagen, Monogr. d. Termiten (Linn. Entom. XII): Fr. Müller, Beiträge zur Kenntnis d. Termiten (Jen. Zeitschr. f. Naturw. 1873): Froggatt, Australian Termitidae pt. II. (Proc. Linn. Soc. X. S.AVales 1896): Wasmann 77, 129: G. D. H a v i- 1 a n d, Observations on termites (Linn. Soc. Journ. Zool. Vol. XXVI. 1897 — 98 p. 358 — 442): Y. S j ös te «1 t, Mono- graphie d. Termiten Afrikas, Stockholm 1900; Nachtrag, Stockholm 1904; F. Silvestri, Termitidi e Termitofili dell'Amer. Meridion., Portici 1903 (Redia, Vol. L): J. Desneux, Isoptera, Farn. Termitidae, Brüssel 1904 (Wytsman, Genera Insectorum, fasc. 25). 4) Bei den Atemeies und Lomechusa ist in der Farben verteilung eine Nachahmung des Kolorites ihrer Wirte ausgedrückt (siehe oben S. 46): daher mußten wir bei ihnen auf Mimicry der Färbung schließen, die aus der rot- braunen Grundfarbe dieser echten Gäste allein sich noch nicht ergeben würde. Zoologica. Heft 26. 7 - 50 — ein wenig dunkler wird als bei gelben. Daß bei den Clavigeriden keine Myrmecoidie der Färbung und Gestalt auftritt, erklärt sich daraus, daß dieselben aus anderen Gründen, unter denen namentlich die Entwicklung ihrer gelben Haarbüschel und Abdominalgruben zu nennen ist, auf das sinnliche Wahrnehmungsvermögen der Ameisen einen sehr angenehmen Geruchs- bezw. Geschmackseindruck machen,1) infolge dessen eine passive Mimicry völlig überflüssig wird. Die auf Täuschung der eigenen Wirte hinzielende Myrmecoidie ist eben nur einer unter mehreren Anpassungscharakteren der Myrmecophilen. Aber daß eine solche echte Ämeisenmimicry wirklich existiert,2) glaube ich im obigen hinreichend bewiesen zu haben; der verschiedene Charakter, den sie bei den Gästen von relativ scharfsichtigen und von schwachsichtigen oder blinden Ameisen annimmt, gibt uns zudem die interessantesten Aufschlüsse über die Sinneswahr- nehmungen ihrer Wirte. Eine anscheinend bedeutende Schwierigkeit gibt es. die man gegen diese biologische Erklärung der zwischen myrmekophilen Coleopteren und ihren Wirten bestehenden Ähnlichkeit2) erheben könnte: wie können die Ameisen die Färbung und Gestalt ihrer Gäste sehen, da es doch im Nestinnern ge- wöhnlich dunkel ist? Für die Mvrmedonien, die am Nesteingange zu leben pflegen, ist diese Schwierigkeit wohl nicht schwer zu lösen; sie begegnen den Ameisen häufiger außerhalb als innerhalb des eigentlichen Nestes. Bedenklicher ist die Sache für die Atemeies, Lomechusa, Dinarda, Homoeusa und andere Gäste, die man für gewöhnlich nur im Nestinnern antrifft. Aber erstens herrscht ja auch in den oberen Teilen der Erdnester und Ameisen- haufen, wo durch die Eingänge das Licht Zutritt hat, kein wirkliches Dunkel. Ferner erfolgt die A u f- nähme neuer Gäste in der Nähe der Nestoberfläche oder sogar vor dem Neste unter Laub etc., wo eine Anzahl Ameisen sich um die neuankommenden Atemeies, Dinarda etc. versammelt, wie ich öfters auch in freier Natur, nicht bloß in Beobachtungsnestern, wahrgenommen habe. Bevor ein derartiger Besucher in das dunkle Nestinnere kommt, ist er schon in Gesellschaft von Ameisen, die ihn bemerkt haben und ihn einer Untersuchung mittelst der Fühlerspitzen unterziehen, welche um so sorgfältiger ist, je fremd- artiger der erste Eindruck war, den die Erscheinung des Gastes auf sie machte. Während dieser Untersuchung können sie den Gast auch s e h e n ; ich glaube daher wirklich, daß die obenerwähnte Schwierigkeit des angeb- lichen Lichtmangels nicht imstande sein dürfte, die zahlreichen Beweise für das Sehvermögen der Ameisen zu entkräften, die sich aus dem Vergleiche der Färbung und Gestalt jener Gäste mit der Färbung und Gestalt ihrer Wirte ergaben. 1) Daß es nicht bloß der Geruchseindruck ist, welcher diese Käfer den Ameisen angenehm macht, geht aus den internationalen Beziehungen der Claciger hervor. Fremde Ameisenarten müssen die Annehmlichkeit des Claviger erst durch Geschmackserfahrung (Beleckimg) kennen lernen, bevor sie ihn als echten Gast pflegen (150). Über die Exsudatorgane und Exsudatgewebe der Symphilen siehe 134. 2) Auf die Frage, wie diese Formen von Mimicry entstanden sind, kann ich mich hier nicht näher ein- lassen; hier genügt es einstweilen, die biologische Bedeutung der betreffenden Erscheinungen nachzuweisen. Daß die Selectionstheorie zur genetischen Erklärung derselben nicht ausreicht, habe ich bereits früher nachgewiesen ( 60 ; 118: 135; 157 S. 353). Daß eine „unabhängige Entwicklungsgleichheit" (Homoeogenesis resp. Heterhodogenesis Eimers) noch viel weniger dazu im Stande ist, dürfte daraus hervorgehen, daß Käfer und Ameisen zu ganz verschiedenen Insektenordnungen gehören, somit die Ähnlichkeit beider nicht aus der zufälligen Gleichheit der betreffenden Entwicklungsrichtungen sich erklären läßt. Noch ohnmächtiger erweist sich die direkteEin Wirkung äußerer Ursachen z. B. die „photographische Wirkung des Lichtes" (Eimer), indem weitaus die Mehrzahl der indifferent geduldeten Gäste von F. n/fn, pratensis etc. wegen ihrer Kleinheit oder weil sie anderweitig geschützt sind, gar keine Ähnlichkeit der Färbung mit ihren Wirten zeigen. Völlig unerklärlich durch direkte äußere Einflüsse ist auch die auf Täuschung des Tastsinnes der Wirte berechnete Mimicry der Ecitongäste. Die von Piepers, Mimicry, Selection und Darwinismus, Leiden 1903, gegen die Mimicry bei Ameisengästen erhobenen Schwierigkeiten beruhen auf sehr mangel- hafter Kenntnis der einschlägigen Tatsachen und sind ganz unhaltbar; siehe 135. Zur Kritik von Piepers siehe auch: II Sc li m i t z, Der wissenschaftliche Wert der Mimikrytheorie (Natur u. Offenbarung, 1905). 51 — Ich füge hier einige Untersuchungen ein über die Größe und Form der Augen und die Zahl der Facetten bei den Arbeiterinnen einiger europäischen Ameisen 1), deren Gesichtswahrnehmung teils direkt, teils indirekt aus den obigen Beobachtungen sich ergab. Bei unseren Formica- Arten, welche unter den europäischen Ameisen das beste Sehvermögen besitzen, sind die Augen relativ groß, elliptisch oder (bei F. sangninea) länglich elliptisch, mäßig gewölbt, sehr fein facettiert. Bei den großen Arten, F. rufa, pratensis und sanguinea, beträgt die Zahl der Facetten eines Auges der großen Arbeiterinnen 600 — 700. Bei rufa und pratensis sind die Augen relativ etwas größer und breiter als bei sanguinea, deren Augen ohnehin im Vergleich zu der relativ bedeutenderen Größe des Kopfes etwas kleiner erscheinen als bei rufa und pratensis. Ob sich hieraus die größere Weitsichtigkeit der beiden letzteren erklärt, möchte ich jedoch bezweifeln; denn die Facettenzahl und die Feinheit der Facettierung ist bei sanguinea mindestens ebensogroß; ich zählte bei einer großen £ 690 Fazetten. Bei F. rnfibarbis und fusca sind die Augen relativ, d. h. im Vergleich zur geringeren Körpergröße, noch etwas größer als bei jenen großen Formica- Arten. Die Facettenzahl beträgt meist 500 — 600; bei einer sehr großen rnfibarbis kam ich bei der Zählung jedoch auf wenigstens 650 Facetten. Bei den als Myrmica rubra L. zusammengefassten kleinen Myrmica-Arten sind die Augen relativ kleiner als bei Formica, nicht elliptisch, sondern kreisförmig, mit einer weit geringeren Faeettenzahl und gröber facettiert; zum Ersatz hiefür sind sie jedoch viel stärker gew-ölbt, fast halbkugelförmig. Bei Myrmica scabrinodis $5 zählte ich 120 — 130 Facetten. Die südeuropäische Aphaenogaster testaceopilosa £ hat Augen von derselben relativen Größe, runden Form und fast ebenso starker Wölbung als jene Myrmica; aber sie sind feiner facettiert und haben bei den großen $ 180 — 190 Facetten. Bei dem südosteuropäischen Liome- topum microcephalum sind die Augen relativ größer als bei Myrmica, feiner facettiert, schwächer gewölbt und mehr elliptisch, den Formica- Augen ähnlicher; die Facettenzahl der größeren ^ zählte ich auf 170 — 180. Bei unserem Lasius fuliginosus ^ sind die Augen von derselben relativen Größe wie bei Liometopum, aber runder, ziemlich schwach gewölbt; die Zahl der ziemlich feinen Facetten erreicht 190 — 200. Bei Lasm\ niger £ sind die Augen relativ kaum kleiner als bei fuliginosus, aber gröber facettiert, mit höchstens 140 Facetten. Bei der schwarzen Basenameise (Tetramorium caespitum) sind die Augen ähnlich wie bei Myrmica, aber etwas schwächer gewölbt und gröber facettiert; die Zählung ergab 50 — 60 (meist zirka 56) Facetten an einem Auge der ^ • Bei c'er äußerst schwachsichtigen Solenopsis fugax Ltr. zählte ich die Facettenzahl eines Auges auf 5 — 9. Diese Augen erscheinen bei schwacher Vergrößerung nur wie winzige schwarze, ganz flache Punkte. Erst bei mehrhundertfacher Vergrößerung ist es möglich, eine schwache Wölbung des Auges und die Existenz seiner Facetten zu konstatieren. Auf die physiologischen Theorien einzugehen, wie durch die Facetten eines Netzauges ein einheit- liches Bild der Gegenstände sich bildet, halte ich hier nicht für erforderlich. Nach Exner geben die Netzaugen ein einziges aufrechtes Bild, dessen Klarheit von der Zahl der Facetten und von der Wölbung des Auges abhängt. Wegen der Unbeweglichkeit dieser Augen werden sich bewegende Gegenstände leichter wahrgenommen als ruhende.2) Die obigen vergleichenden Studien über die zwischen jenen Ameisen und ihren Gästen bestehende, auf Täuschung des Gesichtssinnes berechnete Ähnlichkeit der Färbung oder überdies der Gestalt (Atemeies, Lomechusa, Xenodusa) dürften hinreichend beweisen, daß die Facetten- *) Vgl. auch Forel, Fourmis d. 1. Suisse S. 117 u. 118. Die Abweichungen meiner Zählungsergebnisse von jenen Foreis sind nur ganz unbedeutend. Ich berechnete die Zahl der Facetten dadurch, daß ich unter dem Mikroskop die Facettenzahl auf je einem Quadranten des runden oder elliptischen Auges von außen nach innen zählte und dann mit vier multiplizierte. Die obigen Zahlen beziehen sich auf die Facettenzahl eines Netzauges. Bei Solenopsis wurden Sagittalschnitte durch den Kopf der 5 gemacht und die Augen bei 600-facher Vergrößerung (Zeiss D., Oc. 5) untersucht. 2) Vgl. hierüber namentlich A. Forel, Experiences et remarques critiques sur les sensations des Insectes I. (Como 1900); II. (1900); III. (1901); R.Hesse, Das Sehen der niederen Tiere. Jena 1907. Daß die Lichtempfindungen der Ameisen qualitativ von den menschlichen abweichen, indem sie auch auf Ultraviolett wie auf eine Farbe reagieren, ist durch Lubbock, Forel und F i e 1 d e gezeigt worden. äugen eine einheitliche Gesichtswahrnehmung ermöglichen. Daß diese Gesichtswahrnehmung unter günstigen Umstanden nicht bloß auf in Bewegung befindliche, sondern auch auf ruhende kleinere Gegen- stände sich erstreckt, dürfte ebenfalls aus den obigen Beobachtungen (Dinarda- Verfolgung, S. 42 — 43) hervorgehen. Entscheidende physiologische Bedenken dürften sich dagegen kaum erheben lassen, zumal auch beim Auge der höheren Tiere zwei umgekehrte Netzhautbilder zur Wahrnehmung eines einzigen, nicht umgekehrt, sondern aufrecht stehenden Objektes sich verbinden. Überhaupt ist die Existenz eines bilderzeugenden Sehapparates, wie wir ihn bereits in den Augen mancher Würmer und in höherer Vollkommenheit bei den Gliederfüßern — sowohl in den Netzaugen wie in den einfachen Augen derselben — finden, an sich schon ein gewichtiger Wahrschein- lichkeitsbeweis dafür, daß diese Tiere die Bilder der Objekte auch wahrzunehmen vermögen.1) Welchen Zweck sollte denn die Bilderzeugung vermittelst des Auges haben, wenn der ganze Reaktions- vorgang rein reflektorisch verliefe? In der Bildproduktion liegt offenbar bereits ein Mittel zur psychi- schen Orientierung über den Gegenstand der Gesichtsempfindung, von welchem der „optische Reiz" ausgeht. Für eine bloße Reflexmaschine wäre ein solches Auge ein ganz überflüssiger Kinemato- graph, da niemand da wäre, der die Bilder sehen und psychisch v e r w e r t e n könnte. Wir haben also in den bilderzeugenden Augen ein Beispiel für unsere obige Ansicht (S. 9), daß der Besitz bestimmter Sinnesorgane ein Kriterium für die psychischen Qualitäten des Tieres zu bieten vermöge. 2. Die Mimicry bei Dorylinengästen.2) Wir sahen soeben, daß bei den arktischen Ameisen, welche wie Formica, Myrmica, Aphaenogaster, Liometopum und Lasius mit zusammengesetzten Netzaugen ausgestattet sind, die Gäste des Mimicrytypus an erster Stelle in der Färbung ihren Wirten gleichen, und daß erst an zweiter Stelle, namentlich auf der höchsten Stufe dieser Mimicry (Lomechusa und Atemeies) auch eine Ähnlichkeit der Gestalt hinzutritt, welche jedoch nicht auf wirklicher Formenähnlichkeit zwischen Gast und Wirt, sondern auf täuschenden Lichtreflexen beruht (oben S. 46 ff.). Da diese Gäste in den Ameisennestern leben, wo sie vor Verfolgung durch äußere Feinde ohnehin geschützt sind, kamen wir zu dem Schlüsse, daß ihre Mimicry auf Täuschung des Gesichtssinnes der eigenen Wirte berechnet sei. Von einer Täuschung des Tastsinnes der Wirte kann dabei kaum die Rede sein, weil die Körperform einer Lomechusa auch bei aufgerolltem Hinterleib grundverschieden von der Körperform einer Ameise bleibt. Nur bei der aktiven Mimikry, welche bei den Symphilen des Mimicrytypus (Lomechusini) zur passiven Mimicry hinzutritt, vermag die Ameisenähnlichkeit im Benehmen des Käfers auch auf den Tastsinn der Ameisen zu wirken, obwohl auch hier von einer eigentlichen „Täuschung" wohl nicht gesprochen werden kann. Daß eine Formica einen Atemeies, der sie zur Fütterung auffordert, mit einer wirklichen Ameise „verwechsle", wird niemand annehmen, der das scharfe Unterscheidungs- vermögen dieser Ameisen kennt und den Aufnahmeprozeß eines Atemeies bei einer fremden Formica-Art einmal beobachtet hat. Daher bewirkt auch die o p t i s c h e A m e i s e n ä h n 1 i c h k e i t, welche ein Atemeies oder eine Lomechusa für den Gesichtssinn der Ameisen besitzt, keine eigentliche „Täuschung" der Wirte, sondern sie erleichtert nur die gastliche Behandlung des Symphilen. Bei jenen Gästen des Mimicry- typus, welche zu den indifferent geduldeten oder den feindlich verfolgten Einmietern gehören, kann man ') L u cas, Die Psychologie der niedersten Tiere (1905) hat diesen Gedanken bezüglich der Gesichtswahrnehmung Ihm Würmern näher ausgeführt (S. 236 ff.). 2) Dieser Abschnitt ist in der neuen Auflage völlig umgearbeitet und bedeutend erweitert worden, entsprechend den Fortschritten in der Kenntnis der Dorylinengäste seit 1899. Während beispielsweise damals noch kein Anommagast bekannt war (abgesehen von einer Notiz über eine in Anommazügen Sierra Leones gefundene „Myrmedonia" in den Proc. Ent. Soc. London (2) V 1859 — 61 p. 8.), kennen wir jetzt bereits 50 Arten aus 15 Gattungen. Daher ergeben sich auch manche neue Gesichtspunkte zur Beurteilung der Mimicry bei Dorylinengästen. — 53 — schon eher sagen, daß die farbige Ähnlichkeit dieser Käfer mit ihren Wirten zur „Täuschung" der letzteren diene, insofern sie die Aufmerksamkeit der Ameisen von den Fremdlingen ablenkt l). (Siehe oben S. i9). In diesem Sinne ist es also zu verstehen, wenn wir als Ergebnis der obigen Ausführungen den Satz aufstellten : De r M i m i c r y t y p u s der Gäste gut s e h e n d e r, m i t facettenreichen Netzauge n ausgestatteter Ameisen ist primär auf Täuschung des Ge- sichtssinnes der eigenen Wirte berechnet. Es ist daher schon von vornherein zu erwarten, daß die Mimicry hei Gästen solcher Ameisen, welche keine Netzaugen, sondern bloß einfache Ozellen besitzen oder ganz blind sind, einen wesentlich ver- schiedenen Charakter zeigen werde. Dies ist in der Tat beim Mimicrytypus der Dorylinen- gaste der Fall. Hier ist die Mimicry primär auf Täuschung des Fühler- tastsinnes2) der eigenen Wirte berechnet. Von dem G eruchssinn der Fühler, welcher tatsächlich mit dem Tastsinn kombiniert ist, müssen wir hier natürlich absehen, da die Elemente des Geruchssinnes in der Mimicry nicht zum Ausdrucke kommen. Ich setze hiebei als bekannt voraus, daß die Dorylinen sämtlich räuberische Insektenfresser sind und die Insektenjagd als ,, Wanderameisen" in großem Maßstäbe betreiben. Wir brauchen deshalb hier nicht erst zu fragen : bedürfen die Gäste dieser Ameisen3) besonderer Schutzmittel gegenüber ihren eigenen Wirten? Wir müssen im Gegenteil uns darüber wundern, daß gerade diese Wanderameisen die größte Zahl von eigentümlichen G a s t g a t t u n g e n unter sämtlichen Ameisen aufweisen. Wie schon früher (z. B. 138 S. 612, 157 S. 352 ff.) wiederholt betont wurde, spricht diese Tatsache sehr zugunsten der Entwicklungstheorie. Die Anpassungsnotwendigkeit war es, die als äußerer Entwicklungsimpuls die Anpassungshäufigkeit bedingte und zugleich innerhalb bestimmter Entwicklungsrichtungen, welche in der Entwicklungsfähigkeit der betreffenden Formen grundgelegt sein mußten, auch die Anpassungshöhe derselben bestimmte. Als psychische Elemente sind hiebei auch die I n s t i n k t e 4) sowohl der Wirte als der Gäste zu berücksichtigen. Erstere wirkten auslesend oder sogar züchtend auf bestimmte Gastformen, letztere beförderten bestimmte morphologische Entwicklungsrichtungen durch Spezialisierung der Lebensweise; letzteres tritt besonders in der aktiven Mimicry (Nachahmung der Bewegungsweise und des Fühlerverkehrs der Wirte) vieler Gäste hervor. Wir können unter den Dorylin engästen speziell unter den dorylophilen S t a p h y - 1 i n i d e n , folgende vier morphologisch-biologische Typ e n unterscheiden : a. Einen Symphilentypus, dessen Vertreter durch den Besitz gelber Haarbüschel oder anderer Exsudatorgane den Ameisen direkt angenehm sind: Ecitogaster5) unter den Ecitongästen, ') Was hier über den Begriff der „Täuschung" gesagt wurde, gilt auch für die folgenden Ausführungen. 2) Von dem Geruchssinn der Fühler, welcher tatsächlich mit dem Tastsinn kombiniert ist, müssen wir hier natürlich absehen, da die Elemente des Geruchssinns in der Mimicry nicht zum Ausdrucke kommen. 3) Zur Literatur über Dorylingäste siehe: 4: 6: 8: 1«; 26: 38; 42 S. 147—169: 51; 71; 73; 80: 85; 95 S. 49 ff; 110; 114: 130; 135; 138; 145; 154; 157 S. 346— 365 ; 158. Ferner: H. B r a u n s , Ein neuer Dorylidengast des Mimicrytypus (Wien, Ent.-Ztg. 1898, S. 224—227); R a f f ra y und Fauvel, Genres et especes de Staphylinides nouveaux d'Afrique (Rev. d'Entomol. 1899, Nr. 1 und 2); A. Fauvel, Staphylinides myrme.cophiles du Bresil (Revue d'Entomol. 1904, Nr. 10, 11, 12): W. M. Wheeler, The female pf Eeiton Sumichrasti Nort, with some notes on the habits of Texan Ecitons (Psyche, XXXIV, 1900, p. 563—574: Die Ameise ist Eeiton Schmitti Em: Ecitonidia Wheeteri Wasm. als Gast.) ; Wheeler und Long, The males of some Texan Ecitons (American Naturalist, XX XV, 1901, p. 157 — 173; Ecitopora tenella und Ecitonusa Schmitti als Gäste): C h. T. Brues, New and little known guests of Texan legionary ants (Americ. Naturalist XXXVI, 1902, p. 365—378); Two new Texan ant-and termite — guests (Entomological News 1902, p. 184 — 187). 4) Vgl. hierüber 60; 95S.124; 118 S. 740 ff.: 134 S. 307 ff.: 157 f.: 345, :i85. Über die Bedeutung der Instinkte für die Mimicry s. auch F. D o f 1 e i n. Über Schutzanpassung durch Ähnlichkeit (Biol. Zentralbl. 1908. Nr. 7, S. 243—25 1 °) Wo kein Autorname beigefügt ist, sind die betreffenden Gattungen von mir beschrieben worden. — 54 — Sympolemon1) unter den Anommagästen, (ferner die ecitophile Histeridengattung Teratosoma Lew.). Dieser Symphilentypus ist wahrscheinlich phylogenetisch von einer Stufe des Trutztypus (d) abzuleiten (130 S. 90), nicht vom Mimicrytypus. — Bei Ecitogaster und Sympolemon weist auch der Bau der Unter- lippe auf die Fütterung dieser Gäste aus dem Munde der Ameisen hin. b. Einen Mimicrytypus, dessen Vertreter eine ausgesprochene Ähnlichkeit der Körper- form mit der gleichgroßen Arbeiterform des Wirtes besitzen. Hauptvertreter unter den neotropischen Ecitongästen sind: Mimeciton und Ecitophya (Taf. II), ferner Ecitonidia, Ecitomorpha, Ecitochara und Ecito- nilla. In mancher Beziehung nähern sich diesem Typus auch Ecitoxenia, Ecitoxenidia2) und Ecitodulus; die Gattungen Scotodonia, Dromecüon Fvl. und Tetradonia bilden Übergänge vom indifferenten Typus ( Myrmedonia) zum Mimicrytypus von Ecitomorpha. Unter den Paederini zeigen Ecitonides, Mimophites Fvl. und Bolbophites Fvl. manche Merkmale des Mimicrytypus. Unter den afrikanischen Dorylinengästen sind die Hauptvertreter des Mimicrytypus: Dorylomimiis Wasm. (Taf. V, Fig. 3 und 4), Dorylostethus Brauns, in geringerem Grade auch Dorylogaster, Dorylocerits, Dorylobius Fvl. und Ocyplamis Fvl. (Dorylonia Wasm.). Auf der höchsten Stufe (bei Mimeciton und Dorylomimiis) ist der Mimicrytypus mit einem e c h t e n Gastverhältnisse verbunden (130 S. 90), auf niederen Stufen dient er wohl nur der indifferenten I Hildung der Gäste. Ferner läßt sich zwischen den niedersten Stufen des Mimicrytypus und dem nun folgenden indifferenten Typus keine scharfe Grenze ziehen in morphologischer Beziehung. c. Einen indifferenten Typus, der keine ausgesprochene Ähnlichkeit der Körperform zwischen Gast und Wirt aufweist, sondern die ursprüngliche Gestalt freilebender Verwandten beibehalten hat. Zu dieser zahlreichen Gruppe gehören namentlich die bei Wanderameisen lebenden Myrmedonien und deren Verwandte, besonders die Ecitopora unter den Ecitongästen, ferner viele kleine Aleocharinen- gattungen unter den afrikanischen Dorylinengästen. Dieser indifferente Typus ist durch mannigfache ('bergangsstufen mit dem Mimicrytypus verbunden (Scotodonia, Tetradonia, Dromeciton Fvl., Ecitonia etc.), während er andererseits auch Übergänge zum Trutztypus zeigt ( Aenictonia) . Mit dem echten Gastverhält- nisse hat dieser Typus wohl nur indirekte Beziehungen, einerseits durch den Trutztypus, andererseits durch den Mimicrytypus. «1. Einen Trutztypus, der durch die normale Unangreifbarkeit der Körpergestalt seine Besitzer vor den Angriffen der Ameisen schützt, in seinen Einzelheiten aber verschiedene Entwicklungswege auf- weist, wenngleich viel weniger mannigfaltige als der Mimicrytypus. Unter den amerikanischen Ecitongästen gehört hieher der Schutzdachtypus von Xenocephalus (Taf. V, Fig. 6) mit seinen zahlreichen Arten; unter den afrikanischen Dorylinengästen der Keilformtypus von Pygostenns Kr., Doryloxenus und Anommatoxenus ; ferner als vollkommenste Trutzgestalt der Blattformtypus von Trilobitideus Raffr., der einer Silphidenlarve gleicht (Taf. V, Fig. 5). Diese drei hauptsächlichen Trutzformen der Dorylinengäste bilden drei systematische I Fnterfamilien der Kurzflügler, die Cephaloplectini ( Xenocephalini) , Pygostenini und Trilobiteidini. Innerhalb der Pvgostenini bildet die Gattung Annommatophihis den wahrscheinlichen Ausgangspunkt für die Ent- wicklung des Symphilentypus von Sympolemon. Dagegen findet sich zwischen Trutztypus und Mimicry- typus kein Übergang, weil die geschlossene Körperform des ersteren das gerade Gegenteil von der „Ameisen- taille" des letzteren darstellt. Nach diesen Vorbemerkungen wollen wir es versuchen, uns ein unparteiisches Urteil über den M i m i c r y- typus der Dorylinengäste und über seine Beziehungen zu den Sinneswahrnehmungen der Wirte zu bilden. 1) Die Bedeutung der kurzen, pantoffelförmigen, dicht mit Haaren besetzten Tarsen von Sympolemon, die ich 138 S. 638 für Haftorgane zum Reiten auf den Wirten hielt, liegt vielleicht vorzugsweise darin, daß der sich springend fortschnellende Käfer (138 S. 640) nicht mit den Beinen im Sand versinkt. Die Analogie mit den befiederten Zehen des Steppenhuhns (Syrrhaptes paradoxus) legt diese Erklärung nahe. 2) n. gen. Beschreibung im Anhang II. 55 Die AI i m i c r y der Dorylinengäste beginnt mit Gleichheit der Skulptur und Behaarung von Gast und Wirt, schreitet fort zur Nachahmung der Körper.g estalt des Wirtes1) und gipfelt endlich in der Gleichheit der Fühlerbildung von Gast und Wirt. Alle diese Elemente beziehen sich auf den Tastsinn der Wirte, auf dessen Täuschung sie berechnet erscheinen. Zu der passiven Mimicry gesellt sich durch die Ähnlichkeit der Fühlerbildung von Gast und Wirt auch noch eine aktive Mimicry (Ähnlichkeit der Bewegungsweise, besonders des Fühlerverkehrs). Zu diesen Ergebnissen war ich schon 1895 (51 S. 432) auf Grund der damals bekannten Ecitongäste Brasiliens gelangt. Dieselben haben sich auch für die altweltlichen Dorylinengäste seither bestätigt, bedürfen aber der Ergänzung. Neben der primären, auf Täuschung des Tastsinns berechneten Mimicry treffen wir nämlich bei Gästen solcher Ecitonarten, die gut entwickelte Ozellen besitzen, auch eine sekundäre, auf Täuschung des Gesichtssinnes der Ameisen wirkende Mimicry. Betrachten wir nun näher einige Hauptvertreter des Mimicrytypus der Dorylinengäste: Mimeciton, Ecitophya, Ecitomorpha, Ecitochara und Ecitonidia unter den amerikanischen Ecitongästen, Dorylomimu^ und Dorylogaster unter den Gästen der oberirdisch wandernden A nomma Afrikas und Dorylostethus unter den Gästen der unterirdisch wandernden afrikanischen Dorylus s. str. Wir werden dabei auch darauf unsere Aufmerksamkeit richten, inwiefern neben der Tastmimicry noch eine Ähnlichkeit der Färbung vorliegt. Der vollkommenste Gast des Mimicrytypus ist ohne Zweifel der „Ecitonaffe" Mimeciton pulex (Taf. II, Fig. 1 ), der bei Eciton praedator Sm. in Brasilien lebt. Er ist hell rostrot, seine Wirtsameise schwarz ; von Färbungsähnlichkeit ist somit keine Spur vorhanden. Um so vollkommener ist die Tastmimicry. Skulptur und Behaarung entsprechen der kleinsten Arbeiterform des Wirtes. Die Gesamtform des Käfers erscheint unserem Auge keineswegs als eine getreue „Kopie'' eines kleinen Eciton; der Hinterleib ist relativ etwas größer, der Kopf kleiner. Betrachtet man aber unter der Lupe, namentlich bei schräger Seitenansicht, die einzelnen Körperabschnitte des Käfers, so kann man sich dem Eindruck nicht verschließen, daß sie den entsprechenden Körperteilen des Wirtes „nachgebildet" sind. Diese Formen- mimicry ist so hochgradig, daß ich bei der ersten Untersuchung längere Zeit zweifelte, ob ich überhaupt einen Käfer vor mir habe. Der Kopf gleicht einem schmalen Ecitonkopfe, der Prothorax mit seinen Ein- schnürungen ahmt genau den Ecitonrücken nach; ebenso gleicht der gestielte, kugelige Hinterleib dem- jenigen eines Eciton. Die größte morphologische Schwierigkeit bestand in der Kopierung der beiden Stielchen- glieder von Eciton an der Verbindungstelle vonThorax und Hinterleib ; aber auch sie ist erfolgreich überwunden : die gewölbten, knotenförmigen Flügeldecken des Käfers sind verwachsen und stellen das erste Stielchenglied dar, während das zweite durch das frei vortretende Metanotum des Käfers gebildet wird.2) Den Höhepunkt der Mimicry finden wir in der Fühlerbildung von Mimeciton. Das erste Fühlerglied ist schaftförmig verlängert und ersetzt den Schaft des Ecitonfühlers (vgl. Taf. II, Fig. 1 und 2); ebenso getreu ist die Nach- bildung der Fühlergeißel. An den langen Beinen von Mimeciton ist durch einen starken Sporn der Vorder- schienen sogar der kammförmige Sporn, den Eciton daselbst besitzt, wiedergegeben. Daß die ganze Körperform von Mimeciton eine hochgradige, auf Täu- schung des Fühlertastsinnes der W irte berechnete Mi m i c r y darstellt, ist wohl nicht zu bezweifeln. Alle anderen Erklärungen versagen hier. Auf „unabhängige Entwicklungsgleichheit" (Homoeogenesis) läßt sich diese raffinierte Kopierung der Körperteile eines Eciton M Daß es bei Käfern auch eine Myrmecoidie der Gestalt gibt, die eine rein morphologische Pseudomimiery ist (Falagria, Stilicus, Scydmaeniden etc.) ist bereits 1895 (51 S. 428) von mir betont worden und braucht hier nicht wiederholt zu werden. Derartige Fälle haben wir bei der obigen Untersuchung von vornherein ausgeschlossen. -) Man könnte auf diese morphologischen Abweichungen vom Staphylinidentypus mindestens eine eigene Unterfamilie (Mimecitonini) gründen. Da Mimeciton jedoch eine durch Anpassung ungewandelte Aleocharine ist, ver- zichtete ich auf eine Sonderstellung desselben im System. - 56 — durch einen Käfer ebensowenig zurückführen wie auf „Suggestion" (Piepers), durch welche der Käfer sein hartes Chitinskelett umgemodelt haben soll, um seinen Wirten ähnlicher zu werden. Das sind offenbar unhaltbare Erklärungsversuche. Auch zum Schutze gegen äußere Feinde kann die Ecitonähnlichkeit von Mimecüon nicht dienen; denn seine rostrote Färbung müßte ihn unter den schwarzen Ameisen sofort verraten. Es bleibt also nur die Erklärung durch eine echte Mimicry, welche auf Täuschung des Tast- sinnes der eigenen Wirte hinzielt, und zwar nur auf Täuschung des Tastsinnes. Hiemit stimmt auch die ganz rudimentäre Beschaffenheit der Ozellen von Ecüon praedator überein, die kein Unterscheidungs- vermögen für Farben, sondern nur für Licht und Dunkelheit zu besitzen scheinen. Wenden wir uns jetzt zu dem größten Vertreter des Mimicrytypus, zu Ecitophya simulans (Taf. II, Fig. 3 etc.), der bei Ecüon Burchelli Westw. (Foreli Mayr.) in Brasilien lebt. Auch hier ist eine ausgesprochene Nachahmung der Ecitongestalt vorhanden in den einzelnen Körperabschnitten des Käfers, aber nicht eine so vollkommene wie bei Mimcciton. Auch die Fühlerform des Wirtes ist nachgebildet in derjenigen des Gastes; aber die Kopie des Fühlerschaftes der Ameise wird hier durch die Verlängerung des dritten Gliedes bewirkt, welches mit den zwei ersten zusammen einen imaginären Fühlerschaft bildet; nach dem dritten Gliede ist der Käferfühler geknickt und sein übriger Teil entspricht der Fühlergeißel des Ecüon (Taf. II, Fig. ri). Auch die glanzlose Skulptur und die Behaarung von Ecitophya gleichen in hohem Grade der mittleren Arbeiterform von Ecüon Burchelli. Aber während bei Mimecüon keine Ähnlichkeit des Kolorites zwischen Gast und Wirt besteht, ist hier auch eine vollkommene Ähn- lichkeit der Färbung vorhanden. Die mit Ecitophya gleichgroßen ((> — 7 rnm langen) Arbeiterinnen von Ecü. Burchelli sind matt schwarzbraun, der Hinterleib namentlich gegen die Spitze hin meist braun; genau dieselbe Farbenverteilung findet sich auch bei Ecitophya. Hier tritt also zu der Ähnlich- keit der Gestalt auch eine Ähnlichkeit der F ä r b u n g hinzu, und zwar eine vollkommene Ähnlichkeit der Färbung mit der gleichgroßen Arbeiterform des Wirtes; die größte Arbeiterform jenes Ecüon ist nämlich gelbbraun bis gelb, die Soldaten sind gelb; nur die mittlere und kleine Arbeiterform ist schwarz mit braunem Hinterleib, und nur diese Färbung wird von Ecitophya — und, wie wir gleich sehen werden, auch von Ecüomorpha und Ecüochara — nachgeahmt. Wie ist diese Erscheinung zu erklären? Die Arbeiterinnen von Ecüon Burchelli haben gut entwickelte, ziemlich große und g e w ö 1 b t e 0 zellen an Stelle der Netzaugen, während die Ozellen bei Ecüon praedator r u d i m entär, sehr klein, punktförmig und flach sind. Wir müssen daher annehmen, daß die Mimicry von Ecitophya (sowie von Ecüomorpha und Ecüochara) zwar p rimä r auf Täuschung des Tastsinnes der Wirte berechnet ist, sekundär aber a u c h auf die Täuschung des Gesichtssinnes, während die Mimicry von Mimecüon bloß die erstere Seite aufwies. Die beiden anderen Aleocharinengattungen des Mimicrytypus, die bei Ecüon Burchelli leben, sind Ecüomorpha (Taf. II, Fig. 5) und Ecüochara. Ecüomorpha arachnoides (6. Taf. I, Fig. 1) ist 4 — 5 mm lang, Ecüochara fusicornis (4, Taf. V, Fig. I) kaum :\ nun. Auch diese Gäste gleichen nicht bloß in der Skulptur und Behaarung den kleinen Arbeitern jenes Ecüon, sondern auch in der Form ihrer Körperabschnitte. Aber diese Gestaltmimicry wird um so geringer, je kleiner die Gastart ist. Ecitophya übertrifft Ecüo- morpha bedeutend an Ecitonähnlichkeit der Körperform, diese ist wiederum weit ecitonähnlicher als Ecüo- chara, deren Körpergröße bereits u n t e r der niedersten Größenstufe des Wirtes steht. Ganz besonders aber nimmt mit der sinkenden Körpergröße die Ähnlichkeit der Fühlerbildung zwischen <'.ast und Wirt ab. Während Ecitophya die Fühlerform des Wirtes ausgesprochen nachahmt, ist bei Ecüo- morpha diese Nachahmung sehr schwach, bei Ecüochara ist sie gar nicht mehr vorhanden. Je kleiner die Gäste des Mimicrytypus von Ecüon Burchelli sind, desto mehr verdicke n sich nämlich ihre Fühler; bei Ecüomorpha ist die Fühlergeißel gegen die Spitze spindelförmig verdickt, bei Ecüochara bildet der ganze Fühler eine spindelförmige Keule. Diese Erscheinung ist wahrscheinlich daraus zu erklären, daß auch diese Gäste zur aktiven Täuschung der Wirte mit ihnen im Fühlerverkehr stehen: je kleiner der Gast, und je — Ol unvollkommener seine Formenmimicry ist,1) desto kräftiger müssen seine Fühlerschläge sein, um uicht bloß auf die kleinsten, sondern auch auf die größeren Arbeiterinnen einer so großen Eeitonart wie Burchelli eine Wirkung auszuüben. In der F ä r b u n g stimmen Ecitomorpha und Ecitochara genau mit der kleinsten Arbeiterform jenes Eciton überein, die mattschwarz mit mehr oder weniger braunem Hinterleibe ist. Auf die Ähnlichkeit des Kolorites, die auch zwischen anderen Gästen dieses Eciton und ihren Wirten besteht, weiden wir weiter unten zurückkommen. — Wir wenden uns jetzt von den brasilianischen Ecitongästen des Mimicrytypus zu den nordamerikanischen. Bei Ecitonidia Wheeleri,2) die bei Eciton Schmitti Em. in Texas von Wheeler entdeckt wurde, hellen wir ähnliche Verhältnisse wie bei Ecitophya und Ecitomorpha. Auch hier ist eine auffallende Ähnlich- keit der Körperform zwischen Gast und Wirt vorhanden, ebenso wie der Skulptur und Behaarung. Die Fühlerfor m ist ebenfalls jener der Ameise ähnlich, aber das erste Glied nur schwach verlängert, den Schaft des Ameisenfühlers bloß unvollkommen darstellend. Überhaupt ist die Ecitonmimiery der Gestalt nicht so groß wie bei Ecitophya oder auch nur wie bei Ecitomorpha, nur wenig größer als bei Ecito- nilla. Dagegen besteht bei Ecitonidia wie bei Ecitophya und Ecitomorpha eine ausgesprochene Ähnlichkeil der Färbung mit der gleichgroßen Form der Wirtsameise; der Vorderkörper ist bei beiden dunkler braun, der Hinterleib hell rotbraun. Untersuchen wir die Augen von Eciton Schmitti, so sehen wir relativ große, halbkugelförmig gewölbte Ozellen. Somit ist auch bei Ecitonidia eine Mimicry anzunehmen, die p r i m ä r auf Täuschung des Tastsinnes der Wirte, s e k u n d ä r aber auch auf Täuschung ihres Gesichtssinnes berechnet ist. Wenn die Ozellen auf das Sehen in der Nähe eingerichtet sind, steht der Annahme nichts im Wege, daß Eciton mit gut entwickelten Ozellen auch Färbungsunterschiede ihrer Gäste wahrzunehmen vermögen. Hiefür spricht der Umstand, daß die Far ben Verteilung auf Vorderkörper und Hinterleib von Ameise und Käfer genau dieselbe ist (ebenso wie bei Ecitophya, Ecitomorpha etc. bei Eciton Burchelli). Zum Schutz gegen äußere Feinde würde auch eine allgemeinere, unbestimmtere Färbungsähnlichkeit zwischen Gast und Wirt genügen, wie wir sie bei den Gästen der blinden afrikanischen Anomma finden (siehe unten). Der Doppelgänger 3) des brasilianischen Mimeciton ist Dorylomimus (Taf. V, Fig. 3 und 4) unter den Anommagästen Afrikas. Dorylomimus zeigt ebenfalls eine ausgesprochene Mimicry der Gestalt mit der kleinen oder der kleinsten Form der Wirtsameise. Dorylomimus Kohlt (Fig. 3) lebt bei Anomma Wüverthi, ist etwas größer, 3 — 4 mm lang (stets ohne die Fühler und Beine gerechnet) und schlanker. Er mimicriert in Gestalt und Fühlerbildung mit der kleine n, ca. 4 — 5 mm langen Arbeiterform seines Wirtes, welche schlanke, llgliedrige Fühler hat (nicht mit der allerkleinsten 3 mm langen Form derselben, welche verkürzte Fühler mit bloß achtgliedriger, verdickter Geißel besitzt). Dagegen ahmt Dorylomimus Lujaen. sp.4) (Fig. 4), der bei Anomma Kohlt lebt und sehr klein, nur 2 mm lang und weniger schlank ist, die aller- kleinsten Arbeiterinnen dieser Anommaart nach, die nur 3 mm lang sind und auffallend kurze, verdickte Fühler mit reduzierter Gliederzahl der Geißel aufweisen. In noch deutlicherer Weise als bei Mimeciton ist bei Dorylomimus die Mimicry nicht so sehr nach dem Gesamteindruck auf unser Auge als nach der Formenähnlichkeit der hauptsächlichen Körperteile des Gastes mit denjenigen seines Wirtes zu beurteilen. Der Hinterleib von Dorylomimus Kohlt (Taf. V, Fig. 3,3a) ist z. B. bedeutend größer als bei der gleich großen Arbeiterform von Anomma Wüverthi. E)as Profil von Kopf, Thorax und Hinterleib ist jedoch sehr ähnlich demjenigen der Ameise. Der weit kleinere Dorylo- mimus Litjae (Taf. V, Fig. 4) ist viel kürzer und gedrungener, und deshalb ist auch sein Profil minder ameisen- 1) Bei Mimeciton, Dorylomimus und Dorylostethus, welche ebenfalls mit der kleinen Arbeiterform ihres Wirtes mimicrieren, ist die Nachahmung der Ameisengestalt eine viel vollkommenere und deshalb auch ihre Fühlerbildung hochgradiger ameisenähnlich. 2) 114 S. 183—184 (69—70). Abbildung bei Wheeler 1900 S. 571. 3) Über die Konvergenzerscheinungen zwischen den neotropischen und den afrikanischen Dorylinengästen siehe 130 4) Beschreibung im Anhang II. Zoologica. Heft 26. 8 — 58 — ähnlich; bei Dorylomimus Kohlt ist die Formenmimicry offenbar h ö her entwickelt als bei Lujae. Alur bei beiden gipfelt die Mimicry in der Nachahmung der Fühlerfor m des Wirtes, und zwar der Fühlerform derjenigen Größenstufe desselben, die der Größe des Gastes proportioniert ist. Das erste Fühler- glied von Dorylomimus ist schaftförmig verlängert, dem Schafte des Ameisenfühlers ähnlich , bei Kohlt ist der Schaft länger und schlanker, bei Lujae kürzer und dicker, in beiden Fällen dem Schafte der betreffenden Arbeiterform, die nachgeahmt wird, entsprechend. Ebenso bilden die auf den Schaft folgenden 10 Fühlerglieder die Gestalt der Fühlergeißel ihrer Ameise nach; Kohlt (Fig. 3) hat die schlanke Fühlergeißel der kleinen Anomma mit llgliedrigen Fühlern, Lujae (Fig. 4) die verkürzte und verdickte Fühlergeißel der allerkleinsten Anomma mit nur 9gliedrigen Fühlern. Aber die Geißel des Käferfühlers ist auch bei Dorylomimus Lujae noch lOgliedrig, nicht Sgliedrig wie bei der Ameise; nur die Form der i ieißel, nicht ihre Gliederzahl wird nachgeahmt. Obwohl die Mimicry der Körperformen, die zwischen Dorylomimus und Anomma besteht, bei weitem nicht so vollendet ist wie zwischen Mimeciton und Eciton, so ist sie doch auch für unser Auge zweifellos vorhanden — aber nur bei der Seitenansicht des Gastes (Taf. V, Fig. 3). Betrachtet man einen Dorylomimus Kohlt von oben (Fig. 3 a), so verschwindet sie zum größten Teil; da sieht man, daß der Hinter- leib des Käfers nicht einfach gewölbt ist wie bei der Ameise, sondern einen hoben, schmalen Seitenrand besitzt; auch die Umrisse des Vorderkörpers sind bei der Oberansicht viel weniger ameisenähnlich als bei der Seitenansicht: nur die Mimicry der Fühlerbildung bleibt ungeschmälert bestehen. Die Lösung dieses Rätsels ist wohl darin zu suchen, daß der Fühlertastsinn der Ameisen bei Berührung des Käfers hauptsächlich die Prof il Verhältnisse der Oberseite wahrnimmt, die sich uns bei der Seitenansicht desselben zeigen. Auch bei Mimeciton ist die Seitenansicht des Käfers aus demselben Grunde täuschender ameisenähnlich als die Oberansicht; dasselbe gilt auch für Dorylostethus. Wie steht es bei Dorylomimus mit der Ähnlichkeit der Färbung zwischen Gast und Wirt? Die zwei bisher bekannten Arten dieser Gattung haben einen gelben Vorderkörper mit etwas dunklerem Kopfe und einen schwärzlichen Hinterleib. Dorylomimus Kohlt wurde von P. Hermann Kohl in größerer Anzahl in den Zügen von Anomma Wilverthi Em. am oberen Kongo (bei Stanleyville) gefunden, später auch von E. Luja (bei Sankuru) am unteren Kongo. Die zweite Art, Dorylomimus Lujae n. sp. wurde von Luja neuerdings in den Zügen von Anomma Kohlt Wasm. bei Sankuru entdeckt. Die beiden erwähnten Anomma sind ver- schieden gefärbt. Anomma Wilverthi ist schwarzbraun oder braun mit hellerem Mittelkörper, die kleine Arbeiterform, die dem Dorylomimus an Größe entspricht, ganz rotbraun. Anomma Kohlt ist in der größeren Arbeiterform rotbraun, in der kleineren rotgelb, stets einfarbig. Die beiden Dorylomimus-Arlen stimmen also in der Färbung n i c h 1 mit ihren Wirten überein. Von einer ausgesprochenen Färbungsähnlichkeit wird hier niemand reden können, höchstens von einer allgemeinen, unbestimmten Färbungsähnlichkeit, wie wir sie unten auch zwischen anderen Anommagästen und ihren Wirten treffen werden. La die Anomma augenlos sind, begreift es sich, weshalb der Mimicrytypus ihrer Gäste nur auf denTastsinn, nicht überdies auf den Gesichtssinn der Ameisen berechnet erscheint. Die mit Dorylomimus verwandte Aleocharinengattung Dorylogaster bietet ähnliche, aber von ersterer Gattung doch wieder etwas abweichende Erscheinungen einer ebenfalls auf den Tastsinn berechneten Mimicry. Dorylogaster longipes (138, Taf. XXXI. Fig. 4) lebt bei Anomma Wilverthi und stellt in der Körper- größe etwas unter der kleinsten Arbeiterform des Wirtes. Die Formen von Kopf, Thorax und Hinterleib sind ausgesprochen ameisenähnlich, jene des fast ungerandeten, herzförmigen Hinterleibs ist (für unser Auge!) sogar noch anommaähnlicher als bei Dorylomimus Lujae. Die Fühler und Beine des nur 2 mm großen Tierchens sind jedoch extrem verlängert und weisen auf eine andere Entwicklungsrichtung hin als bei Dorylomimus, bei welchem die kleinste Art die kürzesten Fühler und Beine hat. Die Gründe hiefür dürften in der Verschiedenheit der Lebensweise zu suchen sein. Dorylomimus klettert nach P. Kohl's Beobachtungen auf den Ameisen umher und hißt sich sosjar aus ihrem Munde als echter Gast füttern. Dorv- 59 — logaster dagegen seheint seinen Wirten nur zu Fuß zu folgen. Von einer ausgesprochenen Karbungsähnlichkeit zwischen dem graubraunen Gast und seinen Wirten kann man auch bei Dorylogaster nicht reden, obwohl die Färbungsverschiedenheit hier geringer ist als bei Dorylomimus. — Wir wenden uns jetzt von den Anommagästen zu den Dorylusgästen. Den Mimicrytypus der Gäste von unterirdisch lebenden, blinden Dorylus (sensu stricto) finden wir in der Gattung Dorylostethus Brauns. Wir kennen bisher zwei Arten, Dorylostethus Wasmanni Brauns (Taf. II, Fig. 8) und Raffrayi Wasm., (114 S. 266 (33) und Taf. XIV (II), Fig. 20), die bei Dorylus helvolus L. in Südafrika leben. Die Mimicry der Körpergestalt ist bei Dorylostethus zwar nicht so vollkommen wie bei Mimeciton, aber immerhin doch so groß, daß Brauns den Dorylost. Wasmanni beim ersten Anblick wirklich für eine sehr kleine Dorylus-Arbeiterin hielt, zumal die Art seiner Bewegung durchaus mit jener der Ameise übereinstimmte. Seine Skulptur und Behaarung entspricht ebenfalls jener der kleinsten Arbeiterform von Dorylus helvolus. Die Formverhältnisse des .Dorv/HS-Körpers sind in denjenigen von Dorylostethus ziemlieh getreu kopiert. Sehr sonderbar ist die Kopfform dieser Gäste. Schon bei manchen Ecitongästen des Mimi- crytypus, bei Mimeciton (Taf. II, Fig. 1) und insbesondere bei Ecitophya (Taf. II, Fig. 3) und Ecitonides (Taf. II, Fig. 6 und 7), treffen wir einen schmaleren, längeren Ameisenkopf als die betreffenden Wirte besitzen ; Dorylostethus aber hat einen exzessiv verlängerten Kopf, der hinter den Augen l) sogar eingeschnürt ist, wodurch beim Käfer noch ein ameisenähnlicher Körpereinschnitt mehr entsteht als bei der Wirts- ameise! (Vgl. Taf. II, Fig. 8). Den Höhepunkt der Mimicry finden wir bei Dorylostethus (wie bei Mimeciton, Ecitophya und Dorylomimus) in der Fühlerbildung; namentlich die Fühlerkeule mit ihrem stark verdickten und verlängerten kolbenförmigen Endgliede ist genau der Fühlerkeule von Dorylus helvolus nachgebildet (vg. Taf. II, Fig. 8 und 9). Dasselbe gilt auch für Dorylostethus Raffrayi. In der Färbung gleicht Dorylostethus Wasmanni seiner rotgelben Wirtsameise. Da dieselbe ganz unterirdisch lebt und zudem völlig blind ist, haben wir in dieser Farbenähnlichkeit keine ., Mimicry" zu sehen, sondern bloß eine gemeinschaftliche Hypogäenfärbung. Eine zweite Art derselben Gattung, Dorylost. Raffrayi Wasm., die bei der nämlichen Ameise später durch Baffray entdeckt wurde, ist zudem viel dunkler gefärbt, fast schwarzbraun. Die Mimicry von Dorylostethus ist also — ähnlich wie bei Mimeciton — nur auf Täuschung des Fühlertastsinnes der Wirte gerichtet. Über die Färbungsverhältnisse anderer Gäste von unterirdischen Dorylus werden weiter unten einige Bemerkungen folgen. Fassen wir nun die an obigen Vertretern des Mimicrytypus der Dorylinengäste gewonnenen Ergebnisse kurz zusammen : 1. Bei jenen Dorylinen, welche nur rudimentäre Ozellen haben (Eciton praedator Sm.) oder ganz blind sind (Anomma und Dorylus s. str.) ist die Mimicry der betreffenden Gäste (Mimeciton, Dorylomimus, Dorylogaster, Dorylostethus) ausschließ- lich auf Täuschung des Tastsinnes der Wirte gerichtet. 2. Bei jenen Eciton dagegen, welche gut entwickelte, gewölbte Ozellen besitzen (Eciton Burchelli, Schmitti etc.) ist die M i m i c r y d e r be treffenden Gäste 1) Die Augen sind bei Dorylost. Wasmanni trotz seiner blassen, durchscheinenden Hypogäenfärbung groß, halbkugelig vorragend, aber völlig pigmentlos, durchscheinend. Die Zahl der Facetten jedes Auges zählte ich unter dem Mikroskop auf ungefähr 100. Die äußere Morphologie des Auges ist somit noch erhalten, obwohl es wegen seiner Pig- mentlosigkeit nicht mehr zum Sehen dienen kann. Bei dem dunkelbraunen Dorylost. Raffrayi dagegen sind die großen, halhkugelförmigen Augen (mit ähnlicher Facettenzahl) schwarz, pigmentirt. Am merkwürdigsten sind die Augen von Mimeciton (26). Während die übrigen Ecitongäste des Mimicrytypus fein fazettierte und pigmentierte Netzaugen besitzen, ist bei Mimeciton an ihre Stelle je eine winzige, gelbe, punktförmige, ziemlich flache Ozelle getreten, welche derjenigen des Wirtes (Eciton praedator) gleicht, aber weiter nach vorne bis unter die Fühlerbasis in die Fühlergrube hineingerückt ist. (Vgl. Taf. II, Fig. le). Es ist dies das einzige mir bekannte Beispiel in der Ordnung der Koleopteren, daß die Xetzaugen durch einfache Augen ersetzt sind und zudem nicht frei an den Seiten des Kopfes, sondern in den Fühlergruben stehen. — 60 - (Ecitophya, Ecitomorpha, Ecitochara, Ecitonidia) außerdem s e k u n d ii r a u e )i auf Täuschung d e s ( i esichtssinnes d e r W i r t e gerichte t. Der erst e dieser beiden Sätze bedarf, wie ich glaube, nach obigen Ausführungen keines weiteren Beweises mehr. Der z w e i t e dagegen, der auf den Gesichtssinn der Ozellen von Eciton sich bezieht, soll hier noch durch weitere Relege ergänzt werden. Betrachten wir zuerst die Gäste von Eciton Burchelli Westw. (Foreli Mayr), dessen Arbeiterform (einschließlich der Soldatenform) gut entwickelte Ozellen besitzt und oberirdisch bei Tage jagt, von den Gästen begleitet. Es ist schon auffallend genug, daß bei dieser Ameise die Gäste des Mimicrytypus von der größten bis zur kleinsten Form (Ecitophya, Ecitomorpha, Ecitochara) nicht bloß in Skulptur und Behaarung, sondern auch in der Färbung (mattschwarz mit braunem Hinterleib) mit der gleichgroßen Arbeiterform der Wirtsameise vollkommen übereinstimmen. Aber diese Färbungsähnlichkeii zwischen Gast und Wirt erstreckt sich hier noch weiter, nämlich auch auf die Ubergangsstufen des Mimicry- typus zum indifferenten Typus (Scotodonia, Tetradonia), ja sogar auf den indifferenten Typus selbst (Ecitopora, Myrmedonia) . Selbst wo die Ähnlichkeit der Skulptur fehlt, indem wenigstens der Vorderkörper glänzend ist (Tetradonia, Myrmedonia) bleibt die Ähnlichkeit der Färbung bestehen: Vorder- körper schwärzlich, Hinterleib bräunlich. Unter den 10 Staphylinidenarten, die bisher als gesetzmäßige Gäste jenes Eciton bekannt sind, gleichen 9 in der Färbung und Farbenverteilung der entsprechenden Größen- stufe ihres Eciton. Der zehnte Gast, Xenocephalus clypeatus, macht hievon insofern eine Ausnahme, als er einfarbig dunkel rotbraun ist; seine Färbung entspricht somit nur der durchschnittlichen Helligkeitsstufe des Kolorites einer Armee jenes Eciton und kontrastiert mit ihr hauptsächlich nur durch den starken Glanz seines riesigen Halsschildes (Schutzdaches). Da Xenocephalus zum Trutztypus gehört und durch sein Schutzdach gegen die Angriffe der Wirte hinreichend gedeckt ist, muß seine mehr allgemeine Färbungsähn- lichkeit mit den Wirten wohl nicht so sehr auf den Schutz gegen die Ameisen bezogen werden wie bei den Gästen des Mimicrytypus und des indifferenten Typus. Wir werden daher auch im folgenden die farbige Ähnlichkeit zwischen Xenocephalus-Arten und ihren Eciton gesondert zu betrachten haben. Wenn die einfachen Augen von Eciton Burchelli nicht auch für Färbungsunterschiede empfänglich wären, so erschiene es schwer verständlich, weshalb bei diesem Eciton alle Gäste des Mimicry- typus und des indifferenten Typus ihren Wirten so g e n a u, bis auf die Farbenverteilung, gleichen. Zum Schutz gegen äußere Feinde würde auch jene allgemeine, unbestimmte Ähnlichkeit der Färbung genügen, die zwischen den Anommagästen und ihren Wirten besteht (siehe unten). Ganz dieselbe Erscheinung wie bei Eciton Burchelli treffen wir auch bei Eciton quadriglume Halid.. der ebenfalls gut entwickelte, gewölbte Ozellen besitzt und auch bei Tage oberirdisch jagt. Die Arbeiterinnen sind einfarbig mattschwarz, nur die Soldaten haben einen roten Kopf. Auch hier gleichen alle bisher bekannten 6 Gastarten aus der Familie der Staphyliniden in der Färbung den schwarzen Arbeiterinnen. Nicht bloß der Gast des Mimicrytypus (Ecitoxenia) sondern auch die Tetradonia- und Ecitopora-Arten. welche bei Eciton quadriglume leben, sind dunkler gefärbt als die Arten der nämlichen Gattung bei Eciton Burchelli. In der Skulptur stimmen sie mit der gleichgroßen Arbeiterform der Wirtsameise in derselben Weise überein, wie oben bei den Gästen von Eciton Burchelli bemerkt wurde. Die beiden Xenocephalus- Arten (Schmalzt und limulus), die bei Ec. quadriglume leben, sind die dunkelsten Arten ihrer Gattung, tief schwarz, aber stark glänzend im Gegensatz zu den Ameisen und ihren übrigen Gästen. Die Gäste vi in Eciton quadriglume bestätigen somit vollständig die bei den (lasten von Ec. Burchelli gewonnenen Ergebnisse. Da beide Ecifunarten oberirdisch ihre Raubzüge veranstalten, ist es nicht angängig, die dunklere Färbung der Gäste von quadriglume im Vergleich zu jenen von Burchelli durch ,, äußere Lichteinflüsse" zu erklären, zumal die Gäste von Eciton praedator (siehe unten) dieser Erklärung direkt widersprechen. Audi bei Eciton legionis Sm., der ebenfalls gut entwickelte, gewölbte Ozellen besitzt und ebenfalls hei Tage oberirdisch wandert, gleichen alle bisher entdeckten i Gastarten in der Färbung ihren Wirten, lil welche hellrotbraun oder gelbrot sind. Teratosoma longipes Lew. (114 S. 250 (36) und Taf. XIV (II), Fig. 17) ist ein Histeride aus der Gruppe der Hetaeriini, dessen stark entwickelte Thoraxgruben und gelbe Haar- büschel auf eine hohe Stufe der Symphilie hinweisen; seine rotbraune Färbung ist daher, wie bei allen Hetaeriini, eine Symphilenfärbung und hat mit Mimicry nichts zu tun. Dagegen ist bei Ecitodülus cras- sicornis und Myrmedonia Goeldii die rotgelbe Färbung wohl als eine auf den Gesichtssinn der Ameisen berechnete Mimicry zu deuten. Xenocephalus Goeldii, von welchem 15 Stück aus zwei verschiedenen Staaten Brasiliens (aus Rio de Janeiro von A. Göldi und aus S. Catarina von J. P. Schmalz) mir vorlagen, ist ebenfalls hell r o t g e 1 b, die hellste aller bisher bekannten Arten von Xenocephalus. An eine Hypogäenfärbung, die auf dem Mangel von Lichteinflüssen beruht, kann man hier wegen der oberirdischen Wanderungen von Eciton legionis,1) die von jenen Gästen begleitet sind, nicht denken. Also müssen wir die rotgelbe Färbung jener Gäste wenigstens bei Ecitodülus und der Myrmedonia, wo auch die Farbenverteilung mit jener des Wirtes übereinstimmt, als Mimicry erklären, die zum besseren Schutze gegen die eigenen Wirte dient, während die Ähnlichkeit des Kolorites zwischen Xenocephalus Goeldii und Eciton legionis vorzugsweise zum Schutze gegen äußere Feinde dienen dürfte. In den Südstaaten Nordamerikas treffen wir mehrere mit Eciton legionis verwandte Arten, die hell rotbraun oder rotgelb sind und gut entwickelte, gewölbte Ozellen besitzen : Eciton Schmitti Em., califor- nicum Mayr subsp. opacithorax Em. und carolinense Em. Alle ihre Gäste aus den Aleocharinengattungen Ecitonidia, Ecüoxenidia, Ecitonusa und Ecitopora gleichen in der Färbung auffallend ihren Wirten! Am ausgesprochensten ist die Mimicry des Kolorites bei Ecitonidia Wheeleri, dem obenerwähnten Gast des Mimicrytypus (oben, S. 57), dessen Farbenverteilung der entsprechenden Arbeiterform von Eciton Schmitti nachgebildet erscheint. Ob diese nordamerikanischen Eciton oberirdische Züge veranstalten, ist noch zweifelhaft. Wheeler 2) berichtet, daß es bei Eciton Schmitti nicht der Fall sei, wenigstens im Winter und Frühling. Immerhin deutet die gute Entwicklung der Ozellen dieser Arten darauf hin, daß sie nicht rein unterirdisch leben. Die Ähnlich- keit des Kolorites, die zwischen ihnen und ihren Gästen aus der Kurzflüglerfamilie besteht, ist meines Erachtens auch hier eine auf den Gesichtssinn der Ozellen von Eciton wirkende ,,e c h t e Mi m i c r y." Vergleichen wir, um uns hievon zu überzeugen, die Färbung der Gäste solcher brasilianischer Eciton. die gut entwickelte Ozellen besitzen (Eciton Burchelli, quadriglume, legionis) mit der Färbung der Gäste jener brasilianischen Eciton, die rudimentäre (höchstens punktförmige und ganz flache) Ozellen haben. Bei ersteren fanden wir Gleichfarbigkeit zwischen Gast und Wirt als allgemeines Gesetz. bei letzteren ist das Gegenteil davon der Fall. Eciton praedator Sm. ist die häufigste brasilianische Ecitonart, welche trotz ihrer rudimentären Ozellen auch bei Tage häufig oberirdisch jagt. Ihre Färbung ist schwarzbraun bis schwarz, ziemlich glänzend. Unter ihren 13 bisher bekannten Gastarten aus der Familie der Staphyliniden sind 10 hell oder bunt gefärbt, nur 3 stimmen mit der dunklen Färbung ihres Wirtes überein. Von diesen letzteren gehören einer zum Symphilentypus (Ecitogaster Schmalzi), zwei zum Trutztypus (Xenocephalus Schuppi und trilobita). Dagegen zählen die mit ihrem Wirte n i c h t gleichfarbigen Arten zum Mimicry- typus (Mimeciton, Ecitonilla, Ecitonides*) oder zum indifferenten Typus (Ecitonia, Ecitophila, Phileciton). Hier ist also das Gesetz der Färbungsgleichheit zwischen Gast und Wirt, das wir bei den Gästen von Eciton Burchelli und quadriglumc fanden, geradezu auf den Kopf gestellt! ') Bates (The Naturalist on the river Amazons, Ed. Clodd 1892 p. 356) bemerkt schon 1863, daß Eciton legionis auf offenen Plätzen seine Jagdzüge veranstaltet, während die meisten übrigen Eciton für ihre Expeditionen bei Tage das dichte Gebüsch bevorzugen. Die Beobachtungen von Göldi und Schmalz bestätigen die oberirdische, photophile Lebensweise von Eciton legionis und seiner Gäste. 2) The female of Eciton Sumichrasti etc. 1900, p. 570. ») Vgl. Taf. II, Fig. 6 und 7; eine neue Art (Ecitonides Fiebrigi) wird im Anhang II beschrieben. Ich vermag mir diese Tatsache nur daraus zu erklären, daß Eciton -Arten mit gut- ent wickelten, gewölbten Ozellen auch die Färbung ihrer Gäste wahr- zunehmen vermögen, während Eciton -Arten mit rudimentären Ozellen dazu nicht mehr imstande sind; sie dürften höchstens noch für Helligkeitsunter- schiede (Wechsel von Licht und Dunkelheit oder Schatten) in ihrer Umgebung empfänglich sein. Die dunkle, schwarzbraune Färbung der beiden Xenocephalus- Arten, die bei Eciton praedator leben, bietet keinen Gegenbeweis, da es sich um Gäste des hochgradigsten Trutztypus handelt, die gegen die Angriffe der Ameisen anderweitig geschützt sind. Gäste von Eciton coecum, der gleichfalls nur rudimentäre Ozellen besitzt, aber nur selten oberirdisch frei jagt,1) sind noch zu wenige bekannt, um ein allgemeines Urteil über ihre Färbungsverhältnisse zu er- möglichen. Ecitonides longiceps, der durch seinen exzessiv verlängerten Kopf und seine Fühlerbildung dem Mimicrytypus angehört, ist graugelb, nicht rot wie seine Wirte. Dagegen gleicht Xenocephalus ruftts n. sp.2), der bei Eciton coecum zu Rio Grande (Südbrasilien) entdeckt wurde, im Kolorite seinem Eciton, wie das auch für die Xenoce phalus- Arten bei Eciton praedator der Fall ist. Von Eciton rapax Sm., einer großen Art mit sehr gut entwickelten Ozellen, deren Arbeiter scharf zweifarbig sind (glanzlos schwarz mit hellgelbem Hinterleibe) ist bisher nur eine Gastart bekannt, nämlich ein sehr großer Xenocephalus (gigas n. sp.3), Taf. V, Fig. 6), der ganz rotbraun ist. Von einer „Nachahmung des Kolorites der Wirte" kann bei dieser Färbung des Gastes offenbar keine Rede sein. Er ist allerdings viel heller gefärbt als die schwarzen Xenocephalus (Schmalzi und limulus), die bei dem schwarzen Eciton quadrighime leben; aber auf eine Täuschung des Gesichtssinnes der Eciton -OzeWen kann eine derartige unbestimmte Ähnlichkeit der Färbung, wie sie zwischen dem riesigen Xenocephalus gigas und Eciton rapax besteht, unmöglich berechnet sein, während dies bei den Gästen des Mimicrytypus und des indifferenten Typus, die bei Eciton Burchelli und quadrighime leben, der Fall war, bis zu den kleinsten Vertretern jener Typen hinab. Dieses Beispiel bestätigt also, daß wir die Färbungsverhältnisse von Xenocephalus anders beurteilen müssen als jene der Gäste anderer morphologisch-biologischer Typen von Ecitongästen. Fassen wir die obigen Ergebnisse bezüglich der zum Trutztypus gehörigen Xenocephalus- Arten zusammen, so sehen wir, daß ihre Färbung der durchschnittlichen Helligkeitsstufe des Kolorites ihrer Wirte entspricht, mag nun die betreffende Eciton-Art gut entwickelte Ozellen haben (Eciton Burchelli, quadrighime, rapax, legionis) oder rudimentäre (Eciton praedator und coecum). Dr. E. A. Goeldi, Andreas Goeldi, J. P. Schmalz, und andere meiner brasilianischen Korrespondenten haben mir brieflich wiederholt mitgeteilt, daß die Xenocephalus-Arten mitten in den Zügen ihrer Wirte marschieren. während die Gäste des indifferenten Typus (Ecitopora usw.) mehr die Flanken des Zuges begleiten Eines Schutzes gegen die Ameisen selbst durch eine Färbungsmimicry bedarf der Schutzdachtypus von Xenoce- phalus nicht. Die farbige Ähnlichkeit, die trotzdem zwischen Xenocephalus und seinen Wirten in bezug auf die H elligkeitsstufe des Kolorites besteht, ist daher wahrscheinlich auf den Schutz gegen äußere Feinde berechnet, welche den Ecitonzügen als Insektenfresser folgen, wie die Fomicariidae (Ameisendrosseln) es tun. Nach B e 1 1 nähren sich letztere von den durch die Wanderameisen aufgescheuchten Insekten, nach B a t e s dagegen von den Ameisen selbst. Im ersteren Falle könnte auch für die Gäste des Trutz- typus ein gewisser Schutz darin liegen, daß ihre Färbung nicht in scharfem Kontraste zu derjenigen ihrer Wirte steht. Obwohl gegen diese Erklärung manche Einwände erhoben werden können — z. B. aus dem ') Nach den brieflichen Mitteilungen von Herrn J. P. Schmalz (S. Catarina) baut Eciton coecum, wenn die Ameisen im hellen Sonnenschein (nicht im schattigen Gebüsch) ihre Raubzüge veranstalten, gewölbte Gänge aus Erde und bewegt sich mit seinen Gästen dann nur in diesen. Diese schwachsichtigste der oberirdisch jagenden Ecitonarten scheint also auch lichtscheuer zu sein als die übrigen Verwandten. Wheeler (Ants of Texas, New Mexico and Arizona, 1908, p. 409) berichtet, daß diese Art in Texas unterirdisch lebe und in Gängen dicht unter der Erdoberfläche jage. 2) Beschreibung im Anhang II. '] Beschreibung im Anhang II. — 63 — starken Glänze von Xenocephalus, der sie unter glanzlosen Eciton (Burchelli, quadriglume, rapax) leicht verraten müßte, während er unter glänzenden Eeiton (praedator, coecum, legionisj minder verräterisch ist — so finde ich für die Färbungsverhältnisse von Xenocephalus doch einstweilen keine andere Deutung. Bestätigt wird sie dadurch, daß auch zwischen den blinden, oberirdisch jagenden Anomma und ihren Jagdgästen eine allgemein gehaltene, unbestimmte Färbungsähnlichkeit sich findet, die nicht auf den Gesichtssinn der Ameisen berechnet sein kann, aber auch nicht auf äußere Lichteinflüsse zurückführbar ist. Berücksichtigen wir noch kurz die farbige Ähnlichkeit, die zwischen altweltlichen Dorylinengästen und ihren Wirten (Dorylus, Anomma und Aenictus) besteht. Die Wirte sind hier v 6 1 1 i ie Beschreibung der Arten wird später erfolgen. '■) Auffallend ist die große Zahl unausgefärbter, frischentwickelter Exemplare von Myrmedonia scorpio, die sich in den Sendungen von Luja findet. Diese Käfer machen offenbar ihre ganze Entwicklung in den Nestern von Anomma Wilverthi durch. Sind die Ameisen unterdessen in ein anderes Nest gezogen, so müssen die Käfer, sobald der von den Wirten zurückgelassene Beutevorrat erschöpft ist, <\rn Spuren von Anomma folgen, bis sie deren neues Nest finden. Der Nestwechsel erfolgt nach Vosseier bei der „Siafu" (Anomma molesta) alle 8 bis 10 Tage. Bei Anomma Wil- verthi dagegen wird nach Lujas brieflichen Mitteilungen das Nest nur etwa alle 2 oder 3 Wochen gewechselt. So traf er z. B. am 10. Januar 1908 ein ungefähr 8 Tage altes Nest mit den gewöhnlichen obenerwähnten Nestgästen; erst am 21. Januar, nach einer regnerischen Nacht, fand ein abermaliger Nestwechsel statt (Brief an Herrn V. Ferrant vom 4. Febr. 1908). Hieraus begreift sich leichter die große Zahl frischentwickelter Exemplare von Myrmedonia scorpio in diesen Nestern. Zoologien. Heft 26. 9 — 66 — bildung von Gast und Wirt betrifft, bei ersteren. Dagegen sind bei Gästen des Mimierytypus solcher Ameisen, die facettenreiche Netzaugen besitzen, keine Fälle von ausgeprägter Tastmimicry bekannt.1) Bei ihnen erscheint die passive Mimicry vielmehr aus Gesichtselementen als aus Tastelementen zusammengesetzt, indem die Mimicry mit Ähnlichkeit der Färbung zwischen Gast und Wirt beginnt und in einer auf optischer Täuschung (Lichtreflexe) beruhenden Ähnlich- keit der Gestalt zwischen beiden gipfelt ( Lomechusini) . Wir dürfen daraus wohl schließen, daß die Dorylinen, auch die mit gewölbten Ozellen ausgestatteten, in noch höherem Grade „Tasttiere" sind als die mit Netzaugen versehenen Ameisen, welche man wenigstens in bezug auf die passive Mimicry ihrer Gäste als „Gesichtstiere" bezeichnen könnte.2) 2. Trotzdem dürfen wir auch den Gesichtssinn der Ozellen von Eciton nicht unter- schätzen. Die genaue Färbungsmimicry, die bei Gästen von Eciton mit gut entwickelten Ozellen zu der Formenmiinicry (Tastmimicry) hinzutritt, läßt sich nur dadurch erklären, daß die Ozellen auch die Färbung kleiner Objekte in der Nähe zu erkennen vermögen. Da sie zugleich auch die Bewegung derselben Objekte wahrnehmen, so isl es klar, daß wir den einfachen Augen von Eciton auch einen gewissen Grad von Gestaltwahrnehmung ihrer Gäste zuschreiben müssen. Von welcher Beschaffenheit diese „Umrißwahrnehmung" ist, darüber geben uns die Gäste des Mimierytypus keinen Aufschluß, da ihre Formennachahmung den Charakter einer Tastmimicry trägt. Jedenfalls bieten sie uns keine Beispiele einer auf optischer Täuschung durch Lichtreflexe beruhenden Gestaltmimicry, wie sie bei den Gästen des Mimierytypus von Ameisen, die mit facettenreichen Netzaugen ausgestattet sind, sich findet. 3. Alle farbigen Ähnlichkeiten, die uns zwischen Gästen augenloser oder nur mit rudimentären Ozellen versehener Dorylinen und ihren Wirten begegnen, lassen sich ohne Bezugnahme auf einen Gesichtssinn der Ameisen erklären, teils als Hypogäenfärbung (Gäste von Dorylus s. Str.), teils als eine auf Täuschung des Gesichtssinnes äußerer Feinde berechnete Mimicry (Xenocephalus. AnommagästeJ. 3. Die Mimicry bei Proctotrypiden.3) Es wäre ohne Zweifel von Interesse, wenn es gelänge nachzuweisen, daß auch bei solchen europäischen Ameisen, welche nahezu blind sind, die Mimicry der Gäste eine Form annimmt, welche derjenigen des Mimierytypus der Gäste von Eciton praedator und Dorylus helvolus sich nähert. Ein solches Beispiel bietet sich in der Tat bei einer kleinen Proctotrypide, welche ich als Solenopsia imitatrix beschrieben habe (siehe im Anhang undTafel III.), weil sie als gesetzmäßiger Gast bei Solenopsis fugax lebt und dieselbe nach- ahmt. Da in diesem Falle Gast und Wirt zu derselben Insektenordnung (Hymenopteren) gehören und daher die als „Wespentaille" bekannte Körperform bereits von vorneherein beiden zukommt, während sie bei den obigen myrmekophilen Käfern einen Anpassungscharakter darstellt, müssen wir bei Erforschung der Mimicry jener Solenopsia mit großer Vorsicht vorangehen, um nicht solche Eigentümlichkeiten, welche ein biologisch indifferentes morphologisches Erbstück sind, irrtümlich als Anpassungscharaktere an die myrme- kophile Lebensweise zu deuten. Es können deshalb nur jene Momente in Betracht kommen, in denen die gewöhnliche Proctotrypiden-Gestalt in eine Myrmiciden-Gestalt sich verwandelt hat. ') Ich spreche hier speziell von den myrmekophilen Koleopteren. Die Myrmekoidie der Färbung und Gestalt, die wir bei manchen in Gesellschaft von Ameisen lebenden Orthopteren und Heteropteren finden (bei Myrmecophana, Phyllosirlus, Myrmoplasta, Systeüonotus etc.) scheint hauptsächlich auf Täuschung des Gesichtssinnes äußerer Feinde berechnet, zumal jene Gesellschafter meist außerhalb der Ameisennester leben; in anderen Fällen (bei myrmekophagen Arten) dürfte sie auch zum leichteren Nahrungserwerb dienen. Vgl. 51, S. 428 — 429. 2) Selbstverständlich soll damit nicht geleugnet werden, daß bei allen Ameisen die allgemeine biologische Bedeutung des Tastsinnes (bezw. des Geruchstastsinnes) der Fühler eine viel wichtigere ist als jene des Gesichtssinnes. 3) Oder Serphiden, wie sie nach J. J. Kieffers Mitteilung jetzt heißen. — 67 Die genannte kleine Proctotrypide hatte ich im Frühling 1884 bei Exaten (Holland) in einer Solen- o^sj's-Kolonie, die mit einer Kolonie von F. rufibarbis ein zusammengesetztes Nest bildete, zum ersten Mal gefunden. Einige Beobachtungen über ihr Verhältnis zu Solenopsis wurden bereits früher (21 S. 25 ff.) mitgeteilt. Das einzige Exemplar, das noch in meiner Sammlung sich befand, sandte ich damals an den Hymenopterologen Prof. A. Förster (Aachen), bei dessen in demselben Jahre erfolgten Tode es in eine andere Sammlung überging. Förster hatte mir bloß mitgeteilt, daß das Tier zu einer neuen mit Diapria nahe verwandten Gattung gehöre. Da ich diesen Gast erst im Mai 1898 in einer Solenopsis- Kolonie, die mit F. pratensis (Kol. 4) ein zusammengesetztes Nest bildete, wiederfand, war es mir nicht möglieh, die Art früher zu beschreiben. Unterdessen traf Ch. Janet1) bei Beauvais (Oise) dieselbe Art bei Solenopsis fugax als gesetzmäßigen Gast an und teilte einige Beobachtungen über ihre Lebensweise mit. Er bemerkte mehr- mals, daß die kleine Proctotrypide von ihren Wirten wie eine Gefährtin putzend beleckt wurde. Er beobachtete ferner, daß sie ihre Wirte zur Fütterung aufforderte, indem sie mit den Fühlern den Vorderkopf der Ameisen schlug. Endlich sah er zwei- oder dreimal, wie diese kleine Wespe einer Ameise Mund an Mund gegenüberstand, so daß die Vermutung naheliegt, daß sie von den Ameisen als echter Gast gefüttert wird. Solenopsia imitatrix 2) ? (Taf. III Fig. J) ist von der Größe der mittelgroßen £ von Solenopsis fugax, 1,7 — 1,8 mm lang, flügellos, nur mit zahnförmigen Ansatzstellen der Flügel am Meso- und Metanotum und mit kurzen Flügelstummeln am Mesonotum, die nur mikroskopisch sichtbar sind. Sie ist glänzend schwarz, mit bräunlicher Basis des Hinterleibs, gelbbraunen Antennen und Beinen. In der Färbung besteht somit keine Ähnlichkeit zwischen ihr und den gelben oder gelbbraunen Wirten. Die Skulptur des Körpers ist glatt und glänzend wie bei der Ameise, die Behaarung entspricht gleichfalls vollkommen der Behaarung der Arbeiterin von Solenopsis; besonders auffällig ist dieseÄhnlichkeit der Behaarung an den Fühlern und Beinen, wo dieselbe bei anderen Proctotrypiden durchaus verschieden ist. Die Mimicry der Gestal t ist in folgenden Punkten enthalten: das Epinotum ist zu einem zweigliedrigem Hinterleibsstiel umgebildet, dessen erstes Glied kleiner und durch eine tiefe Einschnürung von dem zweiten, querknotenförmigen, breiteren und höheren Gliede getrennt ist, das wiederum von der Hinterleibsbasis scharf abgeschnürt ist. Ferner haben die Beine der Solenopsia völlig die Bildung der Sole nopsis-Be'me, was sich namentlich in der Form der Schienen und Tarsen zeigt. (Vgl. Taf. III, Fig. 1 b und Fig. 2a und b). Die Vorderschienen tragen an der Spitze einen kammförmigen Sporn von der Länge des betreffenden Organs bei den Ameisen; ebenso ist das erste Tarsenglied verlängert, die drei folgenden Glieder sehr kurz, wie bei der Ameise. Die Fühler von Solenopsia (Taf. III Fig. 1, 1 a) gleichen in hohem Grade der Form des Solenopsis-Fühlevs (Fig. 2). Sie sind nur 11-gliedrig, während alle übrigen Diapriini-% 12 — 14-gliedrige Fühler haben. Der Schaft des Ameisen- fühlers ist durch das verlängerte und verdickte erste Glied des Soknopsia-Fühlers vertreten, welches einen rechten Winkel mit dem übrigen, die Geißel des Ameisenfühlers darstellenden Teile bildet. Das erste Geißel- glied 3) ist etwas verlängert, die folgenden kurz, wie bei Solenopsis, die lange zweigliedrige Keule des S o l e n o p s ■ i s - F ü h 1 e r s, welche ein charakteristisches Merkmal dieser Ameisengatt um; ist, finden wir an dem S o l e n o p s i a - F ü h 1 e r genau nachgebildet durch die stark verlängerten und verdickten zwei Endglieder der Geißel; man könnte fast versucht sein, die kleine Proctotrypide für eine aberrante Zwischen form von § und ? der Solenopsis zu halten, wenn man ihre Fühler betrachtet. Der Unterschied zwischen dem Fühler der Ameise und des Gastes beschränkt sich darauf, daß bei ersterer der Schaft etwas länger und schlanker ist und die Geißel ein kleines Glied weniger hat als bei letzterem. ') Rapports d. Anim. myrmecoph. avec. 1. Fourm. 1897. p. 51. 2) Lateinische Diagnose siehe im Anhang I. 3) Dasselbe wird vielfach im Gegensatz zum eigentlichen Flagellum als Pedunculus bezeichnet. Da jedoch in der Morphologie der Ameisen diese Benennung nicht vorkommt, habe ich sie nicht angewandt. — 68 Ich halte es daher für wohlbegründet, daß wir in Solenopsia eine echteMimicry vor uns haben, welche auf passive und aktive Täuschung des Fühlertastsinnes der nahezu blinden Wirte berechnet ist. Diese Mimicry entspricht somit völlig derjenigen, welche bei den Ecitongästen und Dorylusgästen des Mimi- crytypus sich findet: sie umfaßt Ähnlichkeit der Skulptur und Behaarung von Gast und Wirt und eine auf wirklicher Formähnlichkeit der einzelnen Körperteile beider beruhende Ähnlichkeit der Gestalt, welche überdies (zur aktiven Täuschung des Wirtes) mit einer vollkommenen Nachahmung der Fühlerform des Wirtes sich verbindet. Die Ähnlichkeit der Färbung zwischen Gast und Wirt, die wir bei Begleitern von relativ gut sehenden Eciton-Arten (Bnrchelli, quadriglume, tegionis, Schmitti) antreffen, ist hier nicht vor- handen, weil der Wirt sehr schwach entwickelte (bezw. rückgebildete) Augen besitzt, deren Sehvermögen vielleicht sogar noch unter demjenigen von Eciton praedator und coecum steht; die Ozellen der letzteren sind minder flach als die winzigen schwarzen Pigmentpunkte, welche die Augen von Solenopsis fugax darstellen. Es gibt unter den Proctotrypiden Europas und Nordamerikas noch viele andere myrmekophile Gattungen, auf welche hier nicht näher eingegangen werden kann.1) Eine mit Solenopsia verwandte Procto- trypidengattung, Loxotropa Forst, hat auch mehrere Vertreter, die bei Solenopsis leben. Bei Solenopsis fugax in Holland (bei Exaten) fand ich Lox. longiceps Kieff., die icli in der ersten Auflage dieser Schrift (95 S. 127) irrtümlich als , worunter ein flügelloses, bei Tetramorium caespitum in Böhmen (Wran bei Prag, April bis Juni 1891) gefunden und 1 ? von Exaten. Die Zahl dieser Gäste in den Kolonien der genannten Ameise ist oft eine nicht unbeträchtliche; ich nahm gewöhnlich nur wenige Exemplare aus einer Kolonie mit. In einem sehr schwach bevölkerten Tetramorium-Nesle bei Linz a. Rh. traf ich im Oktober 1894 acht Stück (7 und 1 ) Linn. Soc. Journal Vol. XII. und XIII., Ameisen, Bienen und Wespen, 1883, S. 186 ff., Ants, bees and wasps, 1904, p. 222 ff. 2) The reaction of ants to material vibrations (Proc. Ac. Nat. Sc. Philad. 1904, p. 642 ff.). Die daselbst zitierten Arbeiten von W e I d und M e t c a 1 f, welche positive Resultate ergaben, waren mir nicht zugänglich. 3) Swinton, A. H., Note on the stridulation of Myrmica ruginodis and other Hymenoptera (Entom. M. Mag. \IY. 1877 — 78 p. 187): Wroughton, Our Ants, I. p. 15 (Journ. Bomb. Nat. Hist. Soc. 1892); Wasmann, Lautäußerungen der Ameisen (Biol. Zentralbl. XIII. 1893 No. 1. S. 39); Emery, Zirpende und springende Ameisen (Biol. Zentralbl. XIII. 1893. No. 6. S. 189); Sharp, D., On stridulation in ants (Trans. Ent. Soc, Lond. 1893 P. II. 199—213); Janet, Ch., Sur la produetion des sons chez les fourmis (Ann. Soc. Ent. Fr. LXII. 1893 p. 159 — 167); Adlerz, G., Stridulationsorgan och ljudförnimmelser hos myror (Öfv. Ak. Förh. 1895 No. 10 p. 769 — 782;) Weir, J., The ears of worms, crustaceans and ants (Scientif. Americ, April 1898, p. 282); Wheeler, W. M., Ethological observations on an American Ant. (Journal f. Psychologie u. Neurologie II. 1903, Heft. 1 und 2), p. 19. Anm. 1. (Zahlreiche Beispiele für Stridulation als Kommuni- kationsmittel bei Ameisen). 4) Fourmis d. 1. Suisse p. 354 ff. 5) Sur des bruits produits par deux especes americaines de fourmis et de termites (Bull. Soc, Ent. Fr. LXIX. p. 168). Siehe auch Escherich, Die Ameise (1906) S. 128—129. 6) 1903, p. 19; siehe Anmerkung 3 auf der folgenden Seite. 7) Observations on ants, bees and wasps (Linn. Soc. Journal 1874—81); Ameisen, Bienen und Wespen 1883, >S. 196; Ants, bees and wasps, 16. Ed. 1904, p. 2.33. — 75 — und Adlerz (1895) neigen zur Annahme eines wirklichen Gehörsvermögens der Ameisen. Dagegen glauben Forel1), Miss Fielde und G. H. Parker2) den Ameisen keinerlei Gehörssinn zuschreiben zu dürfen; die Reaktionen der Ameisen auf jene Alarmsignale sollen nur auf äußerst feinen Tastempfindungen beruhen, indem die zahlreichen Tastborsten dieser Tiere durch die Schwing- ungen der Unterlage oder des festen Mediums erregt werden. Wheele r sprach sich 1903 (1. cit. p. 19) auf Grund der Stridulationen, die bei Pogonomyrmex, Atta usw. als wichtiges Kommunikationsmittel zwischen den Ameisen einer Kolonie dienen, dahin aus, daß diese Laute von den Nestgenossen wahrgenommen werden müßten und zwar durch Gehörsvermögen (hearing).3) Später dagegen4) schloß er sich der Ansicht von Miss Fielde und Prof. Parker an, daß die betreffenden Schwingungen von den Ameisen durch die Tasthaare der Beine empfunden würden, nicht durch einen auf Luftschwingungen gestimmten Gehörssinn. Ich muß gestehen, daß meine obigen Beobachtungen an F. rufa. sanguinea usw. es nicht wahrschein- lich machen, die betreffenden Schwingungen, welche die Ameisen erregten, seien durch ein festes Medium vermittelt worden. Im Gegenteil, das Verhalten der Ameisen, welche ihre erhobenen Fühler prüfend nach oben streckten, von woher der Ton durch die Schwingungen der oberen Glasscheibe ausging, wenn eine Schellackstelle derselben mit einer Nadel geritzt wurde, läßt sich kaum anders deuten als durch eine Gehörswahrne h m u n g der Luftschwingungen selbst, die von der Glasscheibe zu den Ameisen sich fortpflanzten. Daher glaube ich, daß die Ameisen einen wirklichen Gehörssinn besitzen, wenngleich die Organe desselben noch nicht sicher feststehen. Lubbock (Lord Avebury) beschrieb schon 1875 5) chordotonale Sinnesorgane in den Tibien der Ameisen als mutmaßliche Gehörorgane. J anet entdeckte 18946) an der Fühlerbasis ein „organe preantennaire", welches er für das Gehörsvermögen in Anspruch nahm. Nach den oben mitgeteilten Versuchen scheint es mir wahrscheinlicher, daß der Sitz des Gehörssinnes an der von Janet angenommenen Stelle sich befindet, vielleicht auch in den Fühlern selbst, etwa in den schon von Hicks und Forel beschriebenen ,,flaschenförmigen Organen" der Fühler- spitze, welche bereits Lubbock 7) für mikroskopische Stethoskope hielt. Hoffentlich gelingt es späteren Forschungen, hierüber völlige Klarheit zu bringen. Fassen wir die Ergebnisse dieses Abschnittes kurz zusammen, so können wir sagen : 1. Es steht durch Beobachtung und Experiment fest, daß viele Ameisen Lautäußerungen erzeugen (Schrillaute oder Klopflaute), welche als Kommunikationsmittel zwischen den Mitgliedern derselben Kolonie dienen und deshalb auch von den Ameisen selber wahrgenommen werden müssen. 2. Es steht durch Beobachtung und Experiment fest, daß namentlich die größeren Formica-Arten auch auf künstlich erzeugte hohe Schrillaute reagieren, und zwar in einer Weise, ') Fourmis d. 1. Suisse 1874, p. 121; Experiences & remarques critiques, Ilme pie, 1900, p. 59. 2) A. M. Fielde und G. H. Parker, The reactions of ants to material vibrations. (Proc. Ac. Nat. Sc. Philad. 1904, p. 642—650.) 3) Wheeler sagt daselbst: „Stridulation, at least among the Myrmicinae, Ponerinae and Dorylinae, is an important means of communication, which Bethe has completely ignored and even Forel and other myrmecologists have failed to appreciate." Er bringt dann eine Reihe von Beispielen für die biologische Bedeutung der Stridulationslaute bei Ameisen ; für besonders wichtig hält er sie in den großen unterirdischen Nestern von Atta fervens. „Under such eonditions stridu- lation and hearing must be of great Service in maintaining the integrity of the colony and its excavations. The fact, that as yet no unquestionable auditory organs have been discovered in ants, is of secondary importance, vvhen it can be so easily shown, that these insects really respond in an adaptive manner to the sounds produced by other members of the colony." 4) The Fungus growing ants of North-America (Bull. Am. Mus. Nat. Hist. XXXI. 1907, p. 669—807) p. 740. 5) Ants bees and wasps 16. Ed. 1904, p. 232. 6) Sur les nerfs de l'antenne et les organes chordotonaux ches les fourmis (C. R. Ac. Sc. Paris, T. 118, 1894, p. 814—817). 7) On the senses, instincts and intelligence of animals 1899, p. 57. Ants, bees and wasps, 1904, p. 226 ff. — 76 — welche sich nur durch ein Empfindungsvermögen für Luftschwingungen (Schall- wellen) ungezwungen erklären läßt. 3. Es ist also zum mindesten sehr wahrscheinlich, daß die Ameisen einen wirklichen Gehörssinn haben; als wahrscheinlicher Sitz desselben ist die Fühlerregion anzusehen, vielleicht auch die Tibialregion. VIII. Kapitel. Besitzen die Ameisen „Mitteilungsvermögen"? Wir können mit Lloyd Morgan1) ein zweifaches Mitteilungsvermögen unter- scheiden, ein bloß anzeigendes (indicative) und ein beschreibendes (descriptive). Ersteres setzt nur die sinnlichen Assoziationsgesetze voraus, nach denen bestimmten Gefühlszuständen bestimmte sinnlich wahrnehmbare Zeichen (Laute oder Gebärden) entsprechen. Durch Vermittlung der Sinneserfahrung kann dieses anzeigende Mitteilungsvermögen auch auf die Gegenstände sich erstrecken, welche die Erregungs- ursache jener Gefühlszustände sind. Beide Stufen dieses anzeigenden Mitteilungsvermögens finden sich bei den höheren Tieren 2), und wie wir hier sehen werden, auch bei den Ameisen. Sie bilden bei den gesellig lebenden Tieren ein wichtiges Kommunikationsmittel ; auf ihnen beruht die sogen, instinktive Laut- oder Zeichensprache der Tiere. Das beschreibende Mitteilungsvermögen dagegen setzt die Erkenntnis der Beziehungen (relations) der Dinge zueinander und daher ein begriffliches Denken voraus, indem es bestimmte sinnliche Zeichen willkürlich wählt und zweckbewußt verbindet, um einem anderen intelligenten Wesen die Eigenschaften eines Dinges zu beschreiben. Auf diesem beschreibenden Mitteilungs- vermögen beruht die Wort-, S c h r i f t- und Zeichensprache des Menschen. Bei den Tieren dagegen fehlen alle tatsächlichen Beweise für die Existenz dieses zweiten Mitteilungsvermögens, und zwar auch bei den höchsten Affen.3) Schon seit den klassischen Beobachtungen Peter Hubers „Becherches sur les moeurs des fourmis indigenes" (1810) ist es bekannt, daß die Ameisen einer Kolonie sich gegenseitig durch Fühlerschläge zu manchen Tätigkeiten anregen, bei denen eine gemeinsame Mitwirkung mehrerer Individuen erforderlich oder wenigstens ersprießlich ist. Forel's ausgezeichnete Beobachtungen in seinen „Fourmis de la Suisse" (1874) und Lubbock's Versuche4) haben dieses Mitteilungsvermögen bestätigt und überdies viele neue Details über dasselbe geboten. Auch ich fand in den 25 Jahren meiner Ameisenbeobachtungen das Mitteilungsvermögen der Ameisen bestätigt und habe in meinen bisherigen Publikationen (besonders 21, 58, 59) auch manches darüber mitgeteilt, was hier als bekannt vorausgesetzt werden darf. Ich erklärte jenes Mitteilungsvermögen nicht für eine intelligente, auf willkürlich gewählten Zeichen und auf gegenseitiger Konvention beruhende „Verständigun g", sondern für eine, der sogenannten Laut- sprache mancher niederer und höherer Tiere analoge instinktive Zeichensprache. Wie bei jener einem bestimmten Gefühlszustande des Tieres ein bestimmter Laut, sei es nun ein Schrei oder ein Zirplaut, entspricht, durch den es diesen Zustand instinktiv äußert und dadurch auch zur Gehörswahr- nehmung von anderen Tieren seinesgleichen bringt (Paarungslaut, Warnungslaut etc.), so dienen bei den Ameisen bestimmte Fühlerschläge zur Unterstützung der sozialen Instinkte, um den subjektiven ') Introduction to comparative psychology 2. Ed. (1903) Chapt. XIV. p. 244 ff. 2) Siehe hierüber Lloyd Margan 1. c. ; ferner 58, 3. Aufl. S. 109 ff. 3) Über Garners „Sprache der Affen" sind die kritischen Urteile Lloyd Morgans u. s. w. zitiert in 58, 3. Aufl. S. 110. 4) Ameisen, Bienen und Wespen 1883, 7. Kap. Ants, bees and wasps 1904, Chapt. VII. — 77 — Gefühlszustand der betreffenden Individuen oder auch die Wahrnehmung bestimmter Objekte jenes Gefühlszustandes auf andere ihresgleichen zu übertragen.1) An erster Stelle dienen namentlich bei den Formica-Arlen die Fühlerschläge dazu, um die Aufmerk- samkeit der Gefährtinnen zu erregen und auf den Gegenstand hinzulenken, auf welchen ihr eigenes sinnliches Streben gerichtet ist. Durch Fühlerschläge wird die Aufforderung zur Fütterung eingeleitet ebenso wie die Aufforderung zum Nestwechsel. Durch heftigere Fühlerschläge teilen die wachehaltenden Ameisen am Nesteingang ihre eigene Aufregung den übrigen ihnen begegnenden Ameisen mit, wenn sie einen eindringenden Feind wahrgenommen haben. Ich habe in dem auf Taf. I abgebildeten s<7Hg!<««ra-Beobachtungsneste sogar wiederholt folgendes beobachtet. Wenn ich an dem Oberneste eine der beiden Glasröhren, die dasselbe mit dem Fütterungsrohr oder mit dem Abfallrohr verbinden, herausgezogen und nun rasch mit einer Pinzette eine der dort als Wachtposten sitzenden Ameisen herausgeholt hatte, kam es vor, daß eine der am Loche befindlichen Ameisen auf eine andere, die soeben durch die entstandene Öffnung hinausstürzen wollte, zusprang, mit heftigen Fühlerschlägen ihren Kopf berührte und, wenn dies nicht half, sie manchmal sogar an einem Beine erfasste und sie von der verdächtigen Öffnung zurückzog. Manchmal war es eine sanguinea, die gegenüber einer anderen sanguinea oder einer der Sklavenarten des Nestes so verfuhr; manchmal war es auch eine fusca oder eine rufibarbis. Wer derartige Vorkommnisse wiederholt gesehen hat, wird es in der Tat schwer begreiflich finden, wie man das sinnliche Mitteilungsvermögen der Ameisen in Zweifel ziehen und dieselben zu bloßen Reflexmaschinen degradieren kann. Ich muß es daher im Interesse der biologischen Ameisenkunde bedauern, daß Bethe diesen unglücklichen Versuch gemacht hat. Bei Lesern, welche selbst noch weniger beobachtet haben als er, muß dadurch die irrtümliche Meinung entstehen, das Mitteilungs- vermögen der Ameisen sei eine bislang unbewiesene bloße Behauptung, während es doch durch zuverlässige Beobachtungen längst feststeht. Durch eine Skepsis, welche alles bezweifelt, was sie nicht selber gesehen hat, wird die biologische Ameisenkunde nicht gefördert, sondern im Gegenteil um Jahrzehnte zurück- geschraubt. Ich will nun die von Bethe gegen das Mitteilungsvermögen der Ameisen erhobenen Zweifel näher prüfen. B. hat bei seinen Experimenten über die Frage, wie gewisse Ameisen (Lasius) ihren Weg finden (vgl. obenS. 23), folgende Wahrnehmung gemacht: „Hat ein Tier auf einem Wege nichts gefunden, so habe ich nie auf dem Blatt (mit Ruß geschwärztes Glanzpapier) verzeichnet gesehen, daß ein zweites Tier denselben Weg gegangen ist. Ist jedoch ein Tier zum Zucker, Honig oder Fleisch gelangt, so folgen fast immer andere Tiere der Spur, die es gegangen ist, und zwar meist ganz unabhängig von dem Tiere, das den Vorrat zuerst 1) Ich betone nochmals diese Definition des instinktiven Mitteilungsvermögens der Ameisen, weil manche Kritiker geglaubt haben, es handle sich hierbei um einen bloßen Wertstreit zwischen mir und Bethe. B. will jedes psychische E 1 e m e n t aus den betreffenden Vorgängen ausschließen und die Übertragung der Erregungszustände von einer Ameise auf die andere durch Fülllerschläge usw. rein reflektorisch erklären. Wenn eine Ameise, die eine Beute gefunden hat, durch Fühlerschläge eine Gefährtin anregt, ihr zu folgen, so soll der Geruchs- stoff, der den Fühlern der ersteren Ameise anhaftet, der „Mitteilende" sein, nicht aber die Ameise! So versichert B. in seiner Antwort (Nochmals die psychischen Qualitäten 1900 S. 51). Weshalb aber bei dieser Gelegenheit die eine Ameise auf die andere zuspringt und mit ihr die Fühler kreuzt, bleibt bei dieser rein reflektorischen Erklärung unbegreiflich. Für eine Maschine, die selber keine subjektiven Gefühlszustände hat, besteht doch gar keine Veranlassung, dieselben auf andere Maschinen zu übertragen. Wir müssen offenbar bei der Ameise einen instinktiven Trieb voraussetzen, mit ihresgleichen durch Fühlerschläge zu verkehren: hiebei dienen dann sowohl die Fühlerschläge als die den Fühlern anhaftenden Gerüche als Mittel zur Übertragung der subjektiven Gefühlszustände von einem Individuum auf das andere und manchmal auch zugleich zur Erregung der Wahrnehmung des Objektes, das jene Gefühlszustände hervor- gerufen hat. Das ist es, was ich „sinnliches Mitteilungsvermögen" bei den Ameisen nannte. Bethe behauptet (1900 S. 51) schlechthin, es sei „ein Anthropomorphismus oder — ein Sophismus", aus jenen Tatsachen „auf Mitteilungsvermögen in psychischem Sinne zu schließen." Mir scheint vielmehr der „Sophismus" darin zu liegen, daß B. hier das Mitteilungsvermögen in psychischem Sinne mit dem Mitteilungsvermögen in intelli- gentem (menschlichen Sinne) verwechselt, wie aus seinen Beispielen aus dem Menschenleben (S. 50 und 51) hervorgeht. Über das Mitteilungsvermögen der Ameisen siehe auch K. E s c h e r i c h, Die Ameise (1906) S. 202 ff. — 78 — fand. Es folgt daraus, daß jedes Tier nicht bloß eine Spur hinterläßt, welche anderen und ihm selbst als Wegweiser dient, sondern daß dieser Spur auch etwas anhaftet, was dem nachfolgenden Individuum einen „Fingerzeig" gibt, ob auf diesem Wege etwas zu finden ist oder nicht. Ich kann mit Bestimmtheit versichern, daß hiebei eine,, Mitteilung", wie sie von vielen Autoren als notwendig angenommen wird, nicht stattzufinden braucht. Ich sah nämlich mehrmals, daß, nachdem das erste Tier im Neste verschwunden war. ein Tier, von einem anderen Ort als dem Nest kommend, auf das Papier ging und der Spur des ersten, dem es nicht begegnet war, folgte." (Bethe 1898, S. 47). Derartiges habe ich bei meinen Beobachtungen ebenfalls manchmal gesehen; ich glaube daher auch, daß bei solchen Gelegenheiten eine Mitteilung nicht notwendig stattzufinden braucht. Dem Tiere, das z. B. beim Fleisch gewesen ist, kann ein Fleischgeruch anhaften, der auch der Fährte desselben sich mitteilt und dadurch andere Ameisen direkt auf die Spur des Fleisches leitet. Ich halte diese Annahme sogar für sehr wahrscheinlich. Andererseits jedoch drängt sich mir auf Grund meiner Beobachtungen an Lasius niger, emarginatus etc. die Frage auf: hat Herr Bethe denn nie gesehen, daß eine Ameise, welche einer zurückkehrenden begegnete, auf diese zusprang und unter lebhaften Fühlerschlägen mit ihr die Antennen kreuzte? Es ist dies eine so gewöhnliche und häufige Erscheinung auf den von Lasius niger und emarginatus begangenen Straßen, daß ich es für unmöglich halte, B. habe sie nicht ebenfalls oft gesehen. Er scheint demnach die biologische Bedeutung dieses Vorganges nicht erkannt zu haben. Die Fühler der Ameise dienen hier als Geruchswerkzeuge, um den der anderen Ameise anhaftenden Geruch wahrzunehmen; nimmt sie an ihr den Fleischgeruch wahr, so geht sie denselben Weg, um eben- falls zum Fleisch zu gelangen. Die Fühlerschläge dienen hier ferner dazu, um den den eigenen Fühlern anhaftenden Geruchsstoff der anderen Ameise mitzuteilen; denn die Fühler der Ameise, die z. B. Fleisch gefunden hat, kommen bei der Untersuchung dieses Gegenstandes in besonders innige und andauernde Berührung mit demselben; den Fühlern müssen daher, zwischen den Haaren und in den Gruben dieser Organe, die flüchtigen Geruchsstoffe des betreffenden Gegenstandes vorzugsweise anhaften. Kreuzen nun zwei Ameisen mit lebhaften Schlägen ihre Fühler, so gelangt der Geruchsstoff, welcher den Fühlern der einen anhaftet, zur Wahrnehmung der anderen Ameise und teilt ihr dadurch mit, was jene gefunden hat. Das ist aber ein Fall eben jenes „M itteilungs vermögen s", welches Herr Bethe bei den Ameisen nicht zu finden vermochte." (Siehe auch oben S. 77, Anm. 1.) Weiterhin (S. 64) kommt Bethe auf die von Lubbock (Ameisen, Bienen und Wespen, 7. Kap.) zur Prüfung des Mitteilungsvermögens der Ameisen angestellten Versuche und sagt bereits bei Einleitung derselben: „Aus den vielen Versuchen, die Lubbock zur Prüfung des Mitteilungsvermögens angestellt hat, geht hervor, daß etwas derartiges nicht existier t." Diese Behauptung Bethes ist ein psychologisches Rätsel. Allerdings waren eine Reihe von Versuchen, welche Lubbock in dieser Richtung mit Lasius niger, Formica fusca, Myrmica ruginodis angestellt, negativ oder richtiger ergebnislos. Ferner ist zuzugeben, daß in einem der Fälle, wo Lubbock mit Lasius niger ein positives Resultat erzielte (Lubbock S. 144), indem zu dem Glase mit vielen Larven in 52 Stunden 304 Ameisen gingen, während zu dem Glase mit wenig Larven in 59Vjj Stunden nur 104 Ameisen gingen, dieses Ergebnis sich auch daraus befriedigend erklären läßt, daß der eine der beiden Ameisenwege weit stärker nach den Ameisenlarven roch als der andere. Wären diese Versuche wirklich sämtliche Versuche Lubbock's, so wäre Bethe's obige Behauptung begreiflich. Aber wer Lubbock's Buch gelesen hat, fragt sich: wo bleiben denn die ü b r i g e n Versuche Lubbock's? Woher kommt es, daß Bethe, ohne dieselben mit einem Worte zu erwähnen, hier abbricht und als Schlußresultat aus sämtlichen Versuchen Lubbock's den (gesperrt gedruckten) Satz aufstellt: „Wir sehen also, daß die Ameisen, soweit es sich um die Besorgung von Futter und anderem handelt, nachweislich ein M itteilungs vermögen nicht be- sitzen, sondern nur normalen physiologischen Reizen reflektorisch folgen?" Bei Lubbock (S. 147 — 152) folgen nämlich noch eine Reihe anderer Versuche, mit Lasius niger, Aphaenogaster tesiaceopilosa, Pheidole megacephala und Formica fusca, welche ein positives Resultat ergaben — 79 — und zwar ein Resultat, welches mit großer Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß wirklich die betreffende Ameise, welche den Gegenstand (eine Fliege, eine Larve etc.) zuerst gefunden, bei ihrer Rückkehr zum Nest einige ihrer Gefährtinnen durch Fühlerschläge auf den Fund aufmerksam gemacht, und sie dadurch zur Begleitung bewogen hatte. Weshalb Bethe diese Versuche nicht erwähnt, ist mir unverständlich. Obwohl ich mit den von Lubbock gezogenen Schlußfolgerungen nicht ganz einverstanden bin, liegt doch kein Grund vor, weshalb ich an der Richtigkeit der Beobachtungen Lubbocks und an dem positiven Resultate, das seine letzterwähnte Versuchsreihe ergab, zweifeln sollte; denn meine eigenen Beobachtungen, deren einige neue im folgenden noch erwähnt werden sollen, hatten ein ganz ähnliches Ergebnis: E) i e Ameisen besitzen ein unzweifelhaftes Vermögen der sinnlichen Mit- teilung vermittelst gewisser Fühlerschläge und ähnlicher sinnlicher Zeiche n,1) obwohl sie nicht gerade immer dann von diesem Vermögen Gebrauch machen, wenn der Experimentator bei seinen ad hoc angestellten Versuchen es gerne möchte. Dafür, daß man bei jenem Mitteilungsvermögen der Ameisen eine gegenseitige „intelligente Ver- ständigung" unterlegen sollte, wie Lubbock zu tun geneigt scheint, ist meines Erachtens kein Grund vorhanden ; denn die einschlägigen Tatsachen lassen sich durch das sinnliche Instinktleben der Ameisen, durch ihr sinnliches Erkenntnis- und Strebevermögen völlig befriedigend erklären, ebenso wie das auf bestimmten Lautäußerungen beruhende Mitteilungsvermögen höherer Tiere. Eine ,, Tierintelligenz" brauchen wir deshalb nicht anzunehmen, wie ich bereits in früheren Schriften gezeigt habe (21, 58, 59). Nur jemand, der kein Mittelding kennt zwischen Intelligenz und Reflexmechanismus. wird durch derartige Tatsachen des Ameisenlebens in ernste Verlegenheit gesetzt werden. Bethe will (S. 65) für das gemeinsame Vorgehen der Raubameisen beim Überfall eines Sklavennestes wenigstens die Möglichkeit eines Mitteilungsvermögens der Ameisen zugeben. Er gesteht zu, darüber keine eigenen Beobachtungen gemacht zu haben. Ich glaube, daß Foreis und meine Beobachtungen auch für den Nachweis der Tatsächlichkeit dieser Erscheinung bereits völlig genügen.2) Wer das Benehmen der Raubameisen, namentlich von Polyergns, bei einem solchen Beutezuge einmal gesehen, wird schwerlich daran zweifeln können, daß die Aufregung der aufeinander zuspringenden, mit den Antennen einander auf den Kopf schlagenden Ameisen mit einer sinnlichen Mitteilung verbunden sei, durch welche der Aufbruch und die Richtung des Zuges bestimmt wird. Daß hiebei die Ameisen den eigenen Erregungszustand durch die Fühlerschläge auch auf andere übertragen, ergibt sich aus der unmittelbaren Beobachtung; w i e das geschieht, ist Gegenstand der Hypothese. Bethe glaubt, daß die Fühler der erregten Ameisen vielleicht einen besonderen Geruchsstoff produzieren, der durch die Fühlerschläge auf die Antennen der anderen Ameise übertragen werde. Ich halte das nicht für unmöglich, muß jedoch bemerken, daß die Hauptwirkung der Fühlerschläge hierin nicht bestehen kann ; denn die Amazonen kreuzen nicht die Fühler, sondern schlagen mit denselben auf den Vorderkopf der anderen Ameise. Die erste und hauptsächlichste Wirkung der Fühler- schläge ist daher jedenfalls, die A u f m erksamk e i t der anderen Ameise zu erregen, so daß diese der- jenigen nachfolgt, welche sie mit den Fühlern geschlagen hat. Daß bei dieser Gelegenheit auch eigene Geruchsstoffe produziert und übertragen werden, ist eine bloße Vermutung; auch wenn dieselbe sich 1) Vgl. die Übersicht am Schluße dieses Abschnittes. 2) Ich zitiere hier aus Foreis „Fourmis d. 1. Suisse" p. 296 bloß folgende Zeilen aus einer seiner vortrefflichen Beobachtungen über die Expeditionen von Polyergus: ,,Tandis que 1'armee entiere indecise cherche de tout cöte, on voit tout-ä-coup ä une place quelquonque un mouvement tres restreint, de quelques fourmis qui precipitent leur allure, se frappent de leur front, et s'elancent dans une direction, serrees les unes contre les autres en fendant la foule des inde- cises. Celles-ci ne les suivent point toutes ä la fois, mais parmi ceux qui ont donne le signal, il y en a qui retournent conti- nuellement en arriere et se jettent au milieu des indecises, les frappant l'une apres l'autre de leur front; des q'une fourmi a regu cet avertissement, eile suit le mouvement." Diese charakteristische Schilderung Foreis über das Mitteilungs- vermögen von Polyergus kann ich auf Grund meiner eigenen Beobachtungen über eine Anzahl Polyergus -Expeditionen bei Wien und bei Luxemburg nur bestätigen. - 80 — bestätigen sollte — was man wohl niemals wird experimentell nachweisen können — ist die Geruchsstoff- übertragung nur von sekundärer Bedeutung im Vergleich zu der ebenerwähnten primären Wirkung der Fühlerschläge. Bethe bezweifelt also das sinnliche Mitteilungsvermögen der Ameisen, obwohl er die Tatsache der gegenseitigen Fühlerschläge bei den Raubameisen zugibt und sogar eine neue Hypothese zur Erklärung ihrer physiologischen Wirkung aufstellt. Seine Bemerkung, daß es sich auch hiebei wohl nur um einen bloßen reflektorischen Vorgang handle, ist eine jener Behauptungen, durch welche er seine Reflextheorie trotz ihres Widerspruches mit den Tatsachen zu retten versucht. Empfindungslose Reflex- maschinen, die sich nicht angetrieben fühlen, den eigenen Erregungs- zustand, den sie selber nicht fühlen, auf andere ebenso empfindungs- lose Reflexmaschinen zu übertragen, es aber trotzdem rein reflek- torisch dennoch tun — das ist die philosophische Erklärung, welche jene Theorie für den obigen Vorgang bietet. Handelte es sich im vorliegenden Falle um „höhere Tiere", so würde man keine Bedenken tragen zu sagen: diese Erklärung ist unannehmbar. Ich sehe aber wahrlich nicht ein, weshalb bei den Ameisen, die doch auch ein relativ hochentwickeltes nervöses Zentralorgan besitzen und ihre Sinneswerkzeuge und Bewegungsorgane in ganz analoger Weise gebrauchen wie die höheren Tiere, dieselbe Erklärung nicht ebenso unannehmbar sein sollte. Ich will nun noch einige neue Versuche über das Mitteilungsvermögen der Ameisen hier beifügen. Aus dem ziemlich umfangreichen Material, das meine Notizbücher hiefür bieten, wähle ich nur zwei Beobachtungen aus, die besonders instruktiv für die vorliegende Frage zu sein scheinen. Die eine bezieht sich auf das gemeinschaftliche Abholen eines echten Gastes durch Formica rufa, die andere auf das gemeinschaftliche Abholen von Sklaven- kokons durch Formica sanguinea, beides infolge vorhergegangener Mitteilung durch einzelne Ameisen. Die erstere der beiden Beobachtungen bildet zugleich einen Nachtrag zu den internationalen Beziehungen von Lomechusa strumosa (24). Während vieler Jahre, besonders 1894 — 99, setzte ich häufig neue Exemplare von Lomechusa (Taf. V, Fig. 1 und 1 a), die ich in sanguinea-Ko\omen gefangen, zu Hause in das Obern est des auf Taf. I abgebildeten Beobachtungsnestes von F. sanguinea mit ihren vier Sklavenarten. Die im Oberneste befind- lichen sanguinea schenkten der neuankommenden Lomechusa meist nur geringe Aufmerksamkeit ; sie sprangen auf sie zu, berührten sie mit den Fühlern, beleckten sie oberflächlich und gingen dann meist ruhig weiter; die Lomechusa war für sie eine völlig bekannte Erscheinung, trotz des Geruches der fremden sanguinea, der dem aus einer fremden Kolonie kommenden, von den fremden sanguinea beleckten Gaste anhaften mußte. Wenn sie allein im Oberneste waren, besorgten sie auch häufig selber das Hinabtragen der neuen Lomechusa; gewöhnlich wurde dies jedoch von den im Oberneste anwesenden rufa und pratensis besorgt. F. fusca und rufibarbis verhielten sich im Oberneste gewöhnlich ebenso gegen die neu ankommenden Lome- chusa, wie die sanguinea es taten. Obwohl sie selber in ihren eigenen Nestern die Lomechusa strumosa nicht als Gast haben und dieselbe erst durch Erfahrung kennen lernen müssen (vgl. 24 S. 641 — 645), verhielten sie sich als Hilfsameisen von sanguinea sogar gegen die neu erscheinenden Lomechusen meist sofort ebenso „bekannt" wie die sanguinea. Durch die Erfahrungen an den früheren, in diesem Neste bereits vorhandenen Lomechusa1) ist es erklärlich, daß auch sie gegen den fremden Nestgeruch der fremden Lomechusa nicht mehr „feindlich reagierten"; sie nahmen eben bei Begegnung mit dem neuen Gaste sofort wahr, daß der fremd- artige Geruch von einem Wesen ausging, das sie bereits durch ihre früheren Geschmackserfahrungen als *) Teilweise ist diese Erscheinung wohl auch aus dem Nachahmungstriebe der Ameisen zu erklären, durch den die Hilfsameisen von F. sanguinea in manchen Punkten von ihren Herren zu lernen vermögen. Vgl. den Abschnitt „Die verschiedenen Formen des Lernens"; ferner „Über Instinktregulationen bei den Ameisen." — 81 — einen angenehmen Gast kennen gelernt hatten. Es ist dies einer der Beweise dafür, daß die Ameisen durch sinnliche Erfahrung lernen, d.h. infolge der durch Erfahrung gebildeten neuen Assoziationen ihre ursprüngliche instinktive Handlungsweise modifizieren können. Ich komme nun zu dem Verhalten von rufa und pratensis gegenüber den in das Obernest gesetzten neuen Lomechusen. Obwohl L. strumosa in den eigenen Kolonien dieser beiden Ameisen nur selten vorkommt (vgl. 38 S. 62; 83 S. 2), nehmen sie doch, wie ich auch früher (24 S. 596, 638) bereits berichtet, die von sanguinea zu ihnen kommenden Lomechusen meist freundschaftlich auf, aber nicht so unmittelbar wie sanguinea es zu tun pflegt. Der sinnliche Eindruck, den die erste Erscheinung dieses Gastes auf sie macht, ist zwar kein unangenehmer, aber doch ein unbekannter; daher die sorgfältige Fühlerprüfung desselben, die anfangs oft noch durch drohend geöffnete Kiefer oder sogar durch Zwicken in die Hinterleibsseiten des Käfers begleitet wird. Aber in wenigen Sekunden beginnen sie meist schon mit der Beleckung der gelben Haarbüschel des Gastes, und dann suchen sie ihn an den Haarbüscheln aufzuheben und in das Nest zu tragen, wenn der Käfer noch nicht im eigentlichen Nestinnern ist. Dieses Benehmen gegenüber Lomechusa strumosa behielten die rufa und pratensis auch als Hilfsameisen von sanguinea in meinem großen Beobachtungsneste wenigstens so weit bei, daß eine im Oberneste neu ankommende Lomechusa regelmäßig ihre Aufmerksamkeit in hohem Grade erregte; sie wurde sofort von rufa oder pratensis genau untersucht und beleckt, und dann begannen die komischen Transportversuche. Die Lomechusa besitzt ein besonderes Geschick, auf ihrer Unter- lage sich mit gespreizten Beinen festzustemmen und festzuhalten: selbst eine große, starke sanguinea, rufa oder pratensis muß oft lange arbeiten, bis es ihr gelingt, den passiven Widerstand der Lomechusa zu überwinden und sie aufzuheben. Sobald die Beine des Käfers in der Luft sind, zieht dieser Fühler und Beine an sich und läßt sich ruhig hintragen, wohin es der Ameise beliebt ; aber manche Ameise läßt wegen des Widerstandes der Lomechusa von ihrem Transportversuche ab, bevor es ihr gelungen ist, den Käfer aufzuheben. Bei einer solchen Gelegenheit machte ich die folgende Beobachtung über das Mitteilungsvermögen der Ameisen. Am 13. März 1896 hatte ich in der sanguinea- Kolonie No. 36 (Exaten) 2 Lomechusa gefunden. Sie wurden mitgenommen und in das Obernest meines großen Beobachtungsnestes (Taf. I.) gesetzt, wo gerade nur 3 rufa sich befanden. Eine derselben näherte sich alsbald einer Lomechusa, prüfte sie mit den Fühlerspitzen, packte sie dann an den Haarbüscheln der Hinterleibsseiten und versuchte sie aufzuheben : dazwischen beleckte sie den Käfer, aber nur kurz und oberflächlich. Ich nahm nun mit einer Pinzette diese und eine zweite rufa, welche es mit der anderen Lomechusa ebenso machte, heraus und sperrte die beiden Ameisen in den Glaskolben des Fütterungsrohrs, wo sie durch den unter ihnen aufgehäuften Zucker von der Rückkehr in das Obernest abgeschnitten waren. Eben wollte ich auch die beiden Lomechusa mit der Pinzette aus dem Oberneste herausnehmen, um sie unmittelbar durch eine der Öffnungen des Hauptnestes in das letztere zu setzen, weil ich befürchtete, die plumpen rufa möchten bei ihren Transportversuchen zu gewaltsam mit den Gästen verfahren, da sah ich, wie die allein noch im Oberneste befindliche rufa eine der beiden Lomechusen an einem der gelben Haarbüschel glücklich aufgehoben hatte und mit ihr zu dem Loche ging, das in das Obernest hinabführt.1) Da ich gerade in demselben Augenblicke das Obernest vom Vorneste abgehoben hatte, um die Lomechusen herauszunehmen, kehrte die rufa an dem Loche wieder um und setzte den Käfer nieder. Rasch befestigte ich das Obernest wieder auf dem Vorneste, um zu sehen, was jetzt geschehen würde. 2 fusca, die auf Fourage im Fütterungsrohre gewesen waren, kamen von dort zurück in das Obernest, prüften die Lomechusen mit den Fühlern, beleckten sie dann kurz und gingen weiter, in das Vornest hinab. Die zurückgebliebene rufa näherte sich abermals einer Lomechusa und versuchte fünf Minuten lang vergeblich, sie aufzuheben. Unterdessen war keine einzige Ameise in das Obernest heraufgekommen. Da ließ die rufa 'l Man vergleiche hierzu die Taf. I. Das Vornest ist oben durch einen dicken Korkpfropfen verschlossen, dessen Mitte von einer Glasröhre durchbohrt wird, welche durch den Korkboden des Obernestes geht und beide Nest- teile verbindet. Durch diese Vorrichtung ist es möglich, das Obernest durch eine leichte Drehung vom Vorneste abzu- heben, ohne daß die im letzteren befindlichen Ameisen davon die geringste Notiz nehmen. Zoologica. Heft 26. 1 1 — 82 - plötzlich von der Lomechusa ab, lief durch die Öffnung des Obernestes in das Vornest hinunter, wo eine Anzahl rufa (unter dem Korkpfropfen des Vornestes) beisammen saßen und schlug diese mit den Fühlern. Kaum 3 Sekunden waren seit dem Fortgehen der einen rufa aus dem Oberneste verflossen, da erschienen 5 rufa zugleich in der Öffnung des Obernestes und gingen, mit ihren Fühlern vorsichtig suchend, auf die Lomechnsen zu. Daß diese 5 rufa (oder wenigstens 4 derselben, da die fortgegangene wahrscheinlich auch dabei war) von der einen rufa geholt worden waren, halte ich für zweifellos. Die Lome- chusen wurden nun von mehreren rufa gleichzeitig aufzuheben versucht ; bei einem der beiden Käfer gelang es bereits nach wenigen Minuten, und eine der betreffenden rufa ging dann mit dem sich regunglos verhaltenden Gaste sofort zum Eingange des Vornestes, während die anderen rufa im Oberneste zurückblieben. Nachdem die Trägerin mit ihrer Last einige Sekunden nach dem Eingangsloche gesucht hatte, fand sie es, stieg dann mit der Lomechusa im Maule die Holzbrücke des Vornestes hinab und suchte mit ihr in die Verbindungs- röhre zu gelangen, welche in das Hauptnest führt. 5 Minuten lang fand sie jedoch das Loch nicht, sondern stieß immer mit der sich regungslos verhaltenden Lomechusa an der betreffenden Stelle oder an der Glaswand unmittelbar neben dem Loche an. Endlich setzte sie ihre Last nieder; die Lomechusa nahm sofort ihre gewöhnliche Haltung wieder an x) und blieb, mit den Fühlern trillernd, vor dem Eingang der Verbindungs- röhre sitzen. Unterdessen hatte eine zweite rufa endlich auch die zweite Lomechusa aufgehoben, kam mit ihr aus dem Obernest über die Holzbrücke des Vornestes herabgestiegen und ging ebenfalls direkt auf die Öffnung zu, die in das Hauptnest führte. Aber auch sie konnte nicht in die Verbindungsröhre gelangen und suchte 10 Minuten lang nach dem Loche, während sie die regungslose Lomechusa quer im Maule hielt. Sie hatte zwar die rechte Richtung, stieß aber immer mit ihrer Last an und drückte dieselbe gegen die Glas- wand. Schließlich setzte auch sie die Lomechusa hin und untersuchte das zum Hauptneste führende Loch der Verbindungsröhre. Jetzt erst bemerkte auch ich, weshalb die beiden rufa sich so lange vergeblich bemüht hatten, in die Verbindungsröhre zu gelangen; der Hinterleib einer dicken Schmeißfliege war bei einem früheren Transporte in der Mündung der Röhre stecken geblieben und verstopfte das Loch. Die Ameisen zogen nun mit vieler Anstrengung das Hindernis heraus; dann wurden die Lomechnsen von den rufa in das Hauptnest hinübergetragen. Daß die belasteten rufa die Verstopfung des Loches nicht rascher bemerkten, bietet keinen Beweis gegen das sinnliche Wahrnehmungsvermögen der Ameisen; denn die belasteten Ameisen sind im freien Gebrauche ihrer Fühler gehindert, namentlich wenn sie eine so breite Last wie eine Lomechusa im Maule tragen. Sehen konnten die beiden rufa das im Loche steckende Hindernis schon deshalb nicht, weil die Mündung der Verbindungsröhre in einem Korkpfropfen stak und dunkel war. Wenn die Ameisen bloße Reflexmaschinen wären, so würden sie auch nach Ablegung ihrer Last das Hindernis nicht wahrgenommen und entfernt haben; sie hätten dann ruhig gewartet, bis dasselbe durch die von der anderen Seite (vom Hauptneste) herkommenden Ameisen zufällig herausgestoßen würde. In dem eben berichteten Falle handelte es sich offenbar um eine Betätigung des anzeigenden Mitteilungs Vermögens (siehe oben S. 76), und zwar um mehrere Stufen desselben. Durch die *) Das tut die Lomechusa stets, sobald sie wieder festen Boden unter den Füßen hat. Ihre vorhergehende regungslose Haltung während des Transportes ist somit kein „Starrkrampfrefle x", wie Bethe für das „Sich- totstellen" der Tiere sagen möchte (S. 35). Beide Ausdrücke sind schief; die Wahrheit liegt auch hier in der Mitte; es handelt sich weder um eine absichtliche Verstellung von Seite des Tieres noch um einen Starrkrampf, sondern um die instinktive Einrollung des Körpers und Anziehung der Extremitäten, die durch bestimmte Sinneswahrneh- mungen des Tieres veranlaßt wird. Hier zeigt sich wiederum, wie verfehlt es von Bethe war, den Instinkt mit Reflex- tätigkeit zu verwechseln. Wenn beim Nestwechsel eine Formica oder eine Myrmica ihre Gefährtin im Maule trägt, so hält letztere sich in aufgerollter (Formica) oder schwach gebogener Stellung (Myrmica) regungslos: daß sie jedoch von einem „Starrkrampf" befallen sein soll, ist falsch, da sie sofort weiterläuft, sobald sie von der Trägerin niedergesetzt wird. Wir haben für diese instinktive, eingezogene, regungslose Haltung kein passendes Wort; daher wird die alte Bezeichnung „Sichtotstellen" kaum zu vermeiden sein. — 83 — Fülilerschläge der rufa, welche ihre Gefährtinnen herbeiholte, wurde hier dreierlei bewirkt: 1. die letzteren wurden zum sofortigen Nachfolgen veranlaßt, indem der Erregungszustand der ersten Ameise sich auf sie fortpflanzte. 2. Sie wurden zum Nachahmen einer bestimmten Tätigkeit der ersten Ameise veranlaßt, nämlich zum Such e n nach einem Gegenstand mittelst ihrer Fühler. 3. Welches dieser Gegenstand sei, war ihnen durch die den Fühlern der ersten Ameise anhaftenden Geruchsstoffe ebenfalls angezeigt worden; sie suchten offenbar nichts anderes als die Lomechusen, da sie sofort ihr Suchen einstellten, als sie den Käfern begegnet waren, und nun mit dem Transport derselben begannen. Jede andere Deutung dieses ganzen Vorganges müßte als eine durchaus gezwungene, unnatürliche erscheinen. Wir halten uns mit dieser Erklärung in der richtigen Mitte zwischen den beiden Extremen, nämlich zwischen der einseitig reflektorischen Deutung, welche gar keine psychischen Faktoren im Ameisenleben annehmen will, und der ebenso einseitigen anlhropomorphistischen Deutung, welche den suchenden Ameisen ,, intelligente Absichten" unterschiebt. Ich hatte bei der soeben mitgeteilten Beobachtung über das Mitteilungsvermögen von F. rufa gar nicht die Absicht gehabt, ein Experiment über diesen Gegenstand anzustellen. Daß sich alle Umstände vereinten, welche das günstige Resultat jener Beobachtung ergaben, wäre wahrscheinlich bei einem ad hoc eigens angestellten Versuche kaum gelungen. Das Ergebnis ist jedoch deshalb nicht weniger wertvoll; es beweist mehr für das Mitteilungsvermögen der Ameisen als 100 negativ verlaufende künstliche Versuche dagegen zu beweisen imstande sind. Wenn die Ameisen bloße Reflexmaschinen wären, wenn sie gleich blechernen Enten wären, denen man nur den Magneten vorzuhalten braucht, um sie zu einer bestimmten Bewegung zu veranlassen (Bethe S. 50), dann würde es allerdings leichter sein, mit ihnen zu experimentieren. Aber diese Vorstellung entspricht nicht der Wirklichkeit. Die Ameisen sind weder intelligente Miniaturmenschen noch bloße Reflex- maschinen. Sie sind mit dem Vermögen der sinnliehen Empfindung und willkürlichen Bewegung aus- gestattete Wesen, deren sinnliche Triebe (Instinkte) durch sinnliche Wahrnehmung und Empfindung in ihrer Ausführung geleitet werden und je nach der Verschiedenheit der augenblicklichen Wahrnehmungen und Empfindungszustände, sowie zum Teile auch durch den Einfluß früher gemachter Erfahrungen in mannigfaltiger Weise modifiziert werden können. Das ist eine Auffassung des Ameisenlebens, die mit den Tatsachen übereinstimmt und den Tieren weder zu viel noch zu wenig zuerkennt. Diese Auffassung hat auch den großen Vorzug, daß sie auf die höheren Tiere ebenfalls anwendbar ist und daher eine ein- heitliche Tierpsychologie bietet ; man braucht dann nicht die psychischen Lebensäuße- rungen der Ameisen und der höheren Tiere mit einem a priori verschiedenen Maßstab zu messen, eine Inkonsequenz, welche wegen der Ähnlichkeit jener Erscheinungen bei den Ameisen und den höheren Tieren völlig unhaltbar ist. Ich gebe hier noch einige von mir angestellte Versuche über das Verhalten der Ameisen — F. sanguinea und ihrer Hilfsameisen --beim Abholen von fremden Ameisenkokons. Obwohl auch bei den Raubzügen von F. sanguinea in freier Natur das gegenseitige Mitteilungs- vermögen der Ameisen in unzweifelhafter Weise durch die Fühlerschläge und deren Wirkung sich äußert, so hat doch hier, wie auch bereits durch Forel konstatiert ist, das Mitteilungsvermögen der Ameisen eine weit geringere biologische Wichtigkeit als bei Polyergus rufescens. Bei letzterer sind die durch die wechsel- seitigen Fühlerschläge vermittelten Anregungen viel häufiger und lebhafter und erzielen eine viel größere Einheit des Vorangehens als bei F. sanguinea. Wie die sanguinea truppweise und nicht in geschlossenen volkreichen Armeen (Polyergus) auf ihre Sklavenjagden ausziehen, so handelt auch innerhalb jener losen Trupps die einzelne Ameise viel selbständiger als es bei Polyergus zu geschehen pflegt. Hieraus ist es begreiflich, daß es in künstlichen, im Zimmer gehaltenen Beobachtungsnestern keine leichte Sache ist, einen „programmäßigen" Beutezug von F. sanguinea zu veranlassen, bei welchem das Mitteilungsvermögen der Ameisen in durchaus zweifelloser Weise sich äußert. Ich habe bei den zahlreichen Experimenten, die ich — 84 - in dieser Beziehung insbesondere mit dem großen, auf Taf. I abgebildeten Beobachtungsneste angestellt, indem ich in den als „Abfallnest" bezeichneten Glaszylinder Kokons von Arbeiterpuppen fremder Arten gab, zwar häufig die Fühlerschläge einzelner sanguinea gesehen, welche, aus dem Abfallneste kommend, anderen sanguinea begegneten und die letzteren dadurch veranlagten, ebenfalls dorthin zu laufen; aber daß eine einzelne sanguinea von den durch sie entdeckten Kokons direkt in das Hauptnest zurücklief und dort ein „Signa 1" für eine ganze Schar gleichzeitig hervorbrechender sanguinea gab, konnte ich nur e i n einzigesmal mit Sicherheit beobachten. Vorher sollen noch einige andere Fälle zum besseren Vergleiche berichtet werden. Daß die sanguinea nicht immer zu einem Beutezug aufgelegt sind, zeigt folgende Beobachtung. Am 13. August 1893 hatte ich meiner gemischten Kolonie eine kleine Anzahl Kokons von rufibarbis £ und eine sehr große Menge von § -Kokons des Lasius niger zum Abholen gegeben. Obwohl sanguinea auch die letzteren häufig raubt (als Beute zum Verzehren), wurden diesmal doch sämtliche Kokons fast nur von den /««sca-Sklaven der gemischten Kolonie abgeholt, während die sanguinea sich kaum daran beteiligten. Am 23. August 1893 gab ich ihnen eine größere Anzahl von rufibarbis- £ -Kokons; diesmal wurden die Kokons hauptsächlich von sanguinea abgeholt, während die fusca nur in geringer Zahl sich daran beteiligten. Bei später mit demselben Beobach- tungsneste angestellten Versuchen waren es meist bloß die sanguinea, welche die Kokons abholten, obwohl die Zahl der Hilfsameisen in jener Kolonie nicht abgenommen hatte. Daß die zum Abholen der Kokons aus dem Neste kommenden Ameisen hiebei nicht etwa bloß einer „Kokongeruchsfährte" reflektorisch folgen, die von den aus dem Abfallneste kommenden Ameisen zurück- gelassen wurde, geht aus folgender Wahrnehmung hervor. In das Dach des Obernestes (vgl. Taf. I) münden zwei Glasröhren, von denen die eine in das Abfallnest, die andere in das Fütterungsrohr führt. Bei einem am 18. Juni 1895 angestellten Versuche (mit Kokons von rufibarbis Q und L. niger ^ ) kam es nun häufig vor, daß die aus dem Hauptneste zum Abholen der Kokons herkommenden sanguinea zuerst in die falsche Röhre hineinliefen und, nachdem sie ein beträchtliches Stück in derselben zurückgelegt hatten, wieder umkehrten und den anderen, richtigen Weg einschlugen. Das Abfallnest war damals dem Beobachtungs- apparate erst vor kurzem neu angefügt worden, und die Ameisen kannten daher diesen Weg noch nicht so gut wie den anderen, in das Fütterungsrohr führenden. Der ganze Verlauf des am 18. Juni 1895 gemachten Experimentes war überhaupt ein derartiger, daß fast nur die gegenseitige Unabhängigkeit und individuelle Regellosigkeit des Vorangehens von F. sanguinea zu Tage trat, während von einem einheitlichen Verfahren kaum eine Spur zu sehen war. Ganz verschieden verlief ein 8 Tage später mit derselben Kolonie angestellter V ersuch. Da derselbe einen besonders zuverlässigen Beweis für das Mitteilungs vermögen der sanguinea beim Abholen von fremden Kokons bietet, will ich ihn hier eingehender (nach den damals aufgezeichneten stenographischen Notizen) wiedergeben. Ohne daß ich es vorher zu hoffen gewagt hätte, konnte ich diesmal einen „ful- minanten" Beutezug meiner Raubameisen beobachten. Am Nachmittag des 25. Juni 1895 hatte ich eine Anzahl Arbeiterkokons von F. fusca und rufibarbis in das „Abfallnest" getan. Es waren zur Zeit gar keine Ameisen meiner gemischten Kolonie in diesem Nest- teile anwesend. Noch nach 1 1/2 Stunden hatten die sanguinea und ihre Hilfsameisen nichts von den Kokons bemerkt, da gerade nur wenige Ameisen im Oberneste sich befanden und keine derselben während dieser ganzen Zeit zufällig in das Abfallnest hinübergegangen war. Ich nahm nun mit der Pinzette eine sanguinea vorsichtig aus dem Oberneste und setzte sie in das Abfallnest. Dort wurde sie von mehreren der feindlichen rufibarbis nacheinander angegriffen, verteidigte sich aber wacker, befreite sich endlich und lief nun in das Nest zurück, wo sie an der Biegungsstelle der langen Glasröhre, welche das Abfallnest mit dem Obernest verbindet, dreimal wieder umkehrte und eine kurze Strecke zurücklief. Dann lief sie in das Obernest und von dort unmittelba r ohne Aufenthalt durch das Vornest in das Hauptnest, in welchem sie verschwand. Kaum 10 Sekunden später kam eine ganze Flut von sanguinea durch die Verbindungsröhre des Hauptnestes — 85 — in das Yornest gelaufen ; von dort ging es direkt in das Obernest, wo sie die Glaswand zu erklettern suchten.1) Da ihnen dies wegen der Feuchtigkeit, mit welcher die Glaswand beschlagen war, nicht gelang, setzte ich rasch eine Papierbrücke hinein. Nun ging die Expedition direkt, nach einem Zögern von nur wenigen Sekunden (an der Biegungsstelle des Ansatzrohres, wo die ersten Ameisen ein- oder zweimal wieder kurz umkehrten), durch die Verbindungsröhre in das Abfallnest hinab; sofort begann der Transport der geraubten Kokons, der den ganzen Nachmittag hindurch währte. Daraus, daß vorher über eine Stunde lang keine einzige sanguinea oder Hilfsameise im Abfallneste gewesen war, sofort aber eine ganze Schar sanguinea aus dem Hauptneste herauskam und direkt in das Abfallnest eilte, geht offenbar hervor, daß die eine, dorthin unmittelbar vor dem Auszug der Schar zurück- gelaufene sanguinea, die ich zu den Kokons gesetzt hatte, den sanguinea des Hauptnestes ein Fühler- signal gegeben haben mußte. Der bloße Geruch der aus dem Abfallneste kommenden einen Ameise konnte nicht diese plötzliche Massenwirkung gehabt haben; denn ich habe oft bei ähnlichen Versuchen gesehen, wie eine bei den Kokons im Abfallneste gewesene, ja sogar mit den feindlichen Ameisen daselbst in Kampf geratene Ameise unter die im Oberneste oder Vorneste versammelten Ameisen zurückkehrte, ohne daß diese dadurch zum Besuche des Abfallnestes veranlaßt wurden; es fehlte eben das Fühler- signal, die durch die Fühlerschläge vermittelte Anregung, d. h. „die sinnliche Mitteilun g". Es ist ferner bemerkenswert, daß bei diesem am 25. Juni angestellten Versuche die sanguinea sich beim Abholen der Kokons nicht verirrten und anfangs nicht etwa in die falsche, zum Fütterungskolben führende Glasröhre liefen. Obwohl die beiden Bohren unmittelbar nebeneinander in das Korkdach des Obernestes mündeten, ging diesmal keine der von der einen sanguinea herbeigeholten Gefährtinnen zuerst in das falsche Loch, sondern alle in das richtige. Es ist dies wohl daraus zu erklären, daß die erstere Ameise an der Spitze des Zuges sich befand und durch ihr Vorangehen und ihre Fühlerschläge auch die Bichtung des Zuges leitete. Die bloße Wahrnehmung der Geruchsfährte vermochte, wie sich bereits aus dem am 18. Juni angestellten Versuche ergibt, nicht mit einer derartigen Sicherheit die richtige Glasröhre sofort anzuzeigen. Bei jenem Experimente vom 25. Juni 1895 habe ich noch folgende Beobachtung notiert: „Die sanguinea lassen sich nicht durch den Geruchssinn in entscheidender Weise bei der Verfolgung eines ihnen bereits bekannten Weges leiten." Da nämlich das rechtwinklig gebogene Glasrohr, welches das Abfallnest mit dem Oberneste verband,2) für den raschen Transport der Kokons sich als etwas eng erwies und wiederholte Stau- ungen verursachte, nahm ich es in einer Pause, wo gerade keine Ameisen hin oder zurück dasselbe passierten, fort und ersetzte es durch ein anderes weiteres, rechtwinklig gebogenes Glasrohr von 15 cm Länge, das seit Jahren unbenutzt in einem Schranke glegen hatte. Die sanguinea, welche gleich darauf mit Kokons aus dem Abfallneste heraufkamen, schienen diese Änderung ebensowenig auffallend zu finden als die unbelastet vom Hauptneste zurückkehrenden. Die Ameisen gingen von beiden Seiten ohne Zögern durch die neue Bohre hindurch, ja sie untersuchten dieselbe nicht einmal mit den Fühlern! Der ganze Unterschied bestand bloß darin, daß der Verkehr in der neuen, weiteren Bohre flotter von statten ging als in der alten, engeren; und doch war die „alte Geruchsfährte" auf 15 cm Länge vollkommen aufgehoben! Schon damals fügte ich jener Beobachtung die Bemerkung bei: „worauf es den sanguinea ankommt, ist offenbar nur, daß es eine Yerbindungsröhre ist, welche in der Bichtung zu ihrem Neste hingeht, und zwar in derselben Bichtung, in welcher sie von demselben gekommen sind." Durch Herrn Bethe's später entdeckte Chemo- reflextheorie des Ameisenlebens wurde ich auf diese und ähnliche frühere Notizen wiederum aufmerksam 1) Damals war noch keine Holzbrücke im Oberneste, die von der Basis bis zur Decke reicht und den Ameisen das Erklettern der Glaswand erspart. 2) Auf der Abbildung Taf. I bezeichnet die schraffierte Stelle des zum Abfallneste führenden Glasrohres das Kautschukrohr, durch welches die betreffenden Glasröhren verbunden sind: ebenso auf der anderen Seite die schraffierte Stelle des zum Fütterungskolben führenden Glasrohres. - 86 gemacht und habe dieselbe bereits oben (S. 36) zusammengefaßt und durch neu angestellte Versuche vervoll- ständigt. Das Ergebnis derselben, das für jene neue Theorie wenig günstig ist, wurde an jener Stelle mitgeteilt. Aus den Beobachtungen und Versuchen, die ich mit meinen im Zimmer gehaltenen Ameisennestern seit 1899 anstellte, sei hier nur eine erwähnt, die ebenfalls für das Mitteilungsvermögen der Ameisen spricht, wenngleich nicht in so bestimmter Weise wie die ebenerwähnten Fälle. Anfang Juni 1902 (Luxemburg) waren 7 F. fusca, die zu den Sklaven des obenerwähnten großen Beobachtungsnestes von sanguinea (Taf. I) gehörten, durch einen klaffenden, schmalen Sprung in einer Ecke der oberen Glasscheibe des Hauptnestes hinausgeschlüpft und liefen einzeln im Zimmer umher. Unter- dessen hatte ich jenen Sprung verschlossen und die fusca konnten bei ihrer Rückkehr nicht mehr in ihr Nest hinein. Nachdem sie vergeblich versucht hatten, eine andere Eingangsstelle zu finden, sammelten sie sich am 6. Juni an einer Spalte zwischen Glasscheibe und Holzrahmen eines fremden kleinen Lubbocknestes von sanguinea (aus Kolonie 240 von Exaten) und bemühten sich dort, in das Nest einzudringen, obwohl mehrere sanguinea der fremden Kolonie sich daselbst an der Innenseite der Glasscheibe postiert hatten und durch das Glas hindurch die fremden fusca mit geöffneten Kiefern bedrohten. Daß alle sieben fusca gerade an dieser Stelle des fremden Nestes sich zusammengefunden hatten und daselbst gemeinschaftlich Einlaß suchten, ist ohne ein Mitteilungsvermögen dieser Ameisen untereinander schwer begreiflich. Jedenfalls spricht diese Wahrnehmung für die psychischen Fähigkeiten der Ameisen. Wären jene fusca bloße „Reflexmaschinen" gewesen, so hätten sie wohl ewig vor der ver- schlossenen Spalte ihres eigenen Nestes sitzen bleiben müssen, wo sie von ihrem eigenen Nestgeruchs- stoff „reflektorisch angezogen wurden". Es lag für sie dann gar kein Grund vor, nach den erfolglosen Bemühungen, in ihr eigenes Nest zurückzukehren, eine ähnliche Spalte an einem fremden sanguinea- Neste aufzusuchen und dort trotz des fremden Koloniegeruches nach Einlaß zu streben. Zum Schlüsse dieses Abschnittes will ich die Resultate meiner Beobachtungen über das M i t t e i- lungsvermögen der Ameisen kurz zusammenzustellen versuchen. I. Die Fühlerschläge, mit denen eine Ameise Kopf und Fühler der anderen berührt, bewirken: 1. die Anregung der Aufmerksamkeit der anderen Ameise, wodurch dieselbe auf einen bestimmten Gegenstand oder eine bestimmte Tätigkeit hingelenkt wird; a) Fühlerschläge bewirken vor allem die Anregung des Nachahmungstriebes, durch den das Zusammen- wirken der verschiedenen Individuen einer Kolonie ermöglicht wird. b) Durch Fühlerschläge wird die Aufforderung zur Fütterung gewöhnlich eingeleitet, indem die „bettelnde" Ameise den Kopf der anderen Ameise leise schlägt und streichelt. c) Durch Fühlerschläge wird die Aufforderung zum Nestwechsel eingeleitet, indem die eine Ameise den Kopf der anderen mit den Fühlern schlägt und dann in der betreffenden Richtung sich entfernt. Bei den Formica-Arten folgt auf die Fühlerschläge dann meist noch ein weiterer, dem Transport- zwecke ausschließlich dienender Gestus: die Ameise, welche die andere mitnehmen will, ergreift dieselbe bei den Oberkiefern; ist letztere geneigt zu folgen, so rollt sie sich ein und läßt sich von der anderen tragen.1) In den gemischten Kolonien von F. sanguinea sind es meist die Herren, oft aber auch irgend eine der Sklavenarten, welche den Nestwechsel anregen und die übrigen ohne Unter- schied der Art tragen; in den gemischten Kolonien von Polyergus sind es fast immer (mit nur seltenen Ausnahmen) die Sklaven, welche den Nestwechsel anregen und ausführen. d) Durch Fühlerschläge gibt eine Ameise anderen oft die Anregung, ihr zu folgen, wenn sie etwas gefunden hat, was ihre Aufmerksamkeit in besonders lebhafter, angenehmer Weise erregt (Futter, echte Gäste, Kokons etc.). ') Ähnlich auch bei Myrmica, Leptothorax, Formicoxenus etc., wo jedoch die Stellung der getragenen Ameise eine verschiedene ist. - 87 — e) Durch heftige Fühlersehlage gibt eine Ameise ihren Gefährtinnen die Anregung zum Angriff auf einen Feind, den sie zuerst bemerkt hat. f) Durch heftige Fühlerschläge gibt eine Ameise den anderen die Anregung zur Flucht, wenn sie selber vor einem von ihr zuerst bemerkten Feinde flieht. g) Durch Fühlerschläge sucht eine Formica nicht selten eine ihrer Gefährtinnen vor einer Gefahr zu warnen, die von einer bestimmten, von ihr bemerkten Richtung herkommt; geht die andere Ameise trotzdem hin, so zieht sie dieselbe oft noch an einem Beine von der betreffenden Stelle gewaltsam zurück.1) In den gemischten Kolonien von F. sanguinea mit irgend welchen anderen Formica- Arten kommen derartige Warnungsversuche gegenseitig vor, ohne Unterschied der Ameisenart. h) Durch Fühlerschläge beschwichtigt ein Formica manchmal eine in heftiger Aufregung befindliche Gefährtin, indem sie ihr leise und andauernd mit den Fühlern auf den Kopf schlägt und sie dabei manchmal überdies an einem Vorderbeine festhält. Auch Forel hat dies bereits beobachtet und berichtet. i) Durch Fühlerschläge sucht eine vereinzelte Formica, die von fremden Ameisen derselben Art oder einer fremden Formica-Art angegriffen und festgehalten wird, oft die angreifenden Ameisen anfangs zu beschwichtigen; dann erst, wenn ihr dies nicht gelingt, verhält sie sich regungslos passiv. k) Durch Fühlerschläge wird insbesondere bei den Raubameisen der Gattung Polyergus und bei F. sanguinea 2) die Anregung zum Aufbruch der Expedition gegeben und auch die Richtung des Zuges bestimmt, indem jene Ameisen, welche den richtigen Weg gefunden haben, die anderen durch Fühlerschläge anregen, ihnen auf demselben zu folgen. 2. Durch Fühlerschläge wird ferner den Ameisen die Wahrnehmung des Geruchs- stoffes vermittelt, welcher einer anderen Ameise anhaftet, und zwar in intensiverer Weise, als es bei bloßer leiser Berührung mit den Fühlern geschehen würde. Infolgedessen dienen die Fühlerschläge: a) Zur raschen Unterscheidung von ,, Freund" und „Feind". b) Wahrscheinlich ist es, daß hieb ei auch die den Fühlern der berührten Ameise zufällig anhaf- tenden Geruchsstoffe in besonders lebhafter Weise wahrgenommen werden und daß dadurch a. Die Wahrnehmung einer von der berührten Ameise vorher gefundenen Beute an die Gefährtinnen vermittelt wird. Vgl. das obige Beispiel vom Abholen der Lomechusa S. 82. ß. Daß die von den Fühlern der berührten Ameise produzierten, den bestimmten Erregungs- zuständen (Furcht, Kampflust etc.) entsprechenden Geruchsstoffe, dem Geruchssinn der anderen Ameise hiebei zugänglich werden und dadurch den Erregungszustand der berührten Ameise auch auf die berührende übertragen können. Die Produktion derartiger, den verschiedenen subjektiven Gefühlszuständen einer Ameise entsprechenden Geruchsstoffe gehört jedoch einst- weilen bloß dem Gebiete der Vermutung an, während die unter I. 1 und I. 2 a, b, a verzeichneten Wirkungen der Fühlerschläge der direkten Beobachtung zugänglich sind. II. An zweiter Stelle dienen dem sinnlichen Mitteilungsvermögen der Ameisen außer den Fühlerschlägen auch noch andere sinnliche Zeichen, die ebenfalls in bestimmten willkürlichen Be- wegungen3) bestehen. Es sind vorzüglich folgende: 1. Eine um Nahrung bettelnde Ameise beleckt häufig nach den Fühlerschlägen (I. 1 b) zudringlich die Mundgegend derjenigen, von welcher sie gefüttert werden soll. *) Siehe oben Seite 77. 2) Sowie bei deren nordamerikanischen Verwandten, die gleichfalls Sklaven rauben. 3) „Willkürliche Bewegung" steht im Gegensatz zur bloßen Reflexbewegung und bezeichnet, wie es bisher allgemein üblich war und wahrscheinlich auch künftig üblich sein wird, die vom sinnlichen Erkenntnis- und Strebe- vermögen der Tiere geleiteten Tätigkeiten. — 88 — 2. Erhebt sie sehr oft auch vor oder während der Fütterung ihre Yorderfüße und streichelt mit raschen, leisen Schlägen die Kopfseiten der fütternden Ameise. •3. Beim Nestwechsel der Formica- Arten ergreift die eine Ameise nach den einleitenden Fühlerschlägen (I. 1 c) meist die Oberkiefer der Gefährtin, welche sie forttragen möchte; ist diese geneigt zu folgen, so rollt sie sich ein und läßt sich tragen. 4. Manchmal ergreift auch eine Ameise die Gefährtin an einem Beine, seltener an einem Fühler, und zieht sie in der gewünschten Richtung eine Strecke weit mit sich fort. (Vgl. auch I. 1 g). 5. In dieser Weise ziehen einzelne Arbeiterinnen bei Störung des Nestes, z. B. bei plötzlicher Erhellung desselben, ihre Königinnen, die sie dabei meist an den Oberkiefern fassen, sowie ihre geflügelten sowie andere ihrer Nestgenossen z. B. Lomcchusa, in einen anderen Nestteil mit sich fort. No. 5 leitet offenbar bereits zu jener Transportform über, wo die transportierten Subjekte, z. B. die Larven und Puppen der Ameisen, oder die Claviger, Hetaerins und andere echte Gäste rein passiv fortgetragen werden, während bei No. 3 und 4 noch eine aktive Beteiligung der Transportierten stattfindet. III. An dritter Stelle dienen als instinktives Kommunikationsmittel zwischen den Ameisen derselben Kolonie auch akustische Zeichen (Lautäußerungen), nämlich die oben (im VII. Kap. S. 74) erwähnten Zirplaute und Klopflaute, die bei vielen Ameisen als Alarmsignale usw. dienen und wahrscheinlich auf das Gehörs vermögen der Koloniegenossen wirken. Diese Zusammenstellung dürfte ein ziemlich vollständiges Bild von den sinnlichen Zeichen geben, welche bei den Ameisen zur gegenseitigen Anregung des Nachahmungstriebes und zur gegenseitigen Mitteilung bestimmter sinnlicher Wahrnehmungen oder Empfindungszustände zur Verwendung kommen. Man wird in diesen Tatsachen zwar keine ,, intelligente Verständigung" der Ameisen untereinander sehen dürfen, da die genannten Erscheinungen aus dem sinnlichen Erkenntnis- und Strebe vermögen der Tiere befriedigend erklärlich sind. Abep zu bloßen Reflex- maschinen wird man die Ameisen nur dann machen können, wenn man die Tatsachen in eine künstliche Schablone gewaltsam hinein zu zwängen versucht. Ich halte es kaum für nötig, hier eine eingehende Parallele zwischen dem sinnlichen Mitteilungs- vermögen der Ameisen und der höheren Tiere, z. B. der in Horden lebenden Affen, zu ziehen. Das den Ameisen in ihren mannigfaltigen Fühlerschlägen zu Gebote stehende Mitteilungsvermögen besitzt eine solche Universalität und eine so zweckmäßige Hinordnung auf die verschiedensten Bedürfnisse ihres Gesell- schaftslebens, daß die unartikulierten Laute und die handgreiflichen Gesten bei den in Herden lebenden höheren Tieren demselben schwerlich gleichkommen dürften. Die Mittel des Zusammenwirkens sind verschiedene, indem bei den Ameisen hauptsächlich oder ausschließlich Tast- und Geruchswahrnehmungen, bei den höheren Tieren dagegen hauptsächlich Gehörswahrnehmungen die dem Zusammenwirken dienenden sinnlichen Zeichen dem Individuum vermitteln. Aber die Art und Weise, wie diese sinnlichen Zeichen für die Bedürfnisse des sozialen Lebens von einem Individuum gegeben und vom anderen verwertet werden, ist eine völlig analoge bei den Ameisen und bei den höheren Tieren, ja sie ist bei ersteren in mehrfacher Beziehung sogar noch eine vollkommenere als bei letzteren. Auf die instinktive N a c h a h m u n g des Fühlerverkehrs der Ameisen durch gewisse Ameisen- g ä s t e aus der Ordnung der Coleopteren, die namentlich bei den doppelwirtigen Arten der Gattung Atemeies (siehe Taf. IV, Fig. 1) sehr hoch entwickelt ist, will ich hier nicht näher eingehen, da ich mich in vorliegender Studie bloß mit den psychischen Fähigkeiten der Ameisen zu beschäftigen vorhatte. Jene aktive Mimicry gehört jedenfalls zu den interessantesten biologischen Problemen und zugleich zu den drolligsten Schau- spielen des gesamten Tierlebens. Als ich vor 24 Jahren zum erstenmal sah, wie ein Atemeies emarginatus eine Myrmica nach Ameisenart zur Fütterung aufforderte und dabei nicht bloß den Kopf der Ameise mit seinen Fühlern betrillerte, sondern — 89 — sogar die Vorderfüße nach Ameisensitte erhob und die Kopfseiten der Ameise mit raschen, leisen Bewegungen streichelte, glaubte ich meinen Augen nicht mehr trauen zu dürfen; so fremdartig erschien mir dieses Benehmen. Seither ist es jedoch für mich durch Hunderte von Beobachtungen ein ganz gewöhnliches Schau- spiel geworden. Über die Art und Weise, wie fremdeAmeisena r t e n sich diesem ameisenähnlichen Benehmen der Käfer gegenüber verhalten, wird bei den ,.i n t e r n a t i o n a 1 e n Beziehungen der Atemeies" eingehend die Rede sein. Hier nur eine Bemerkung über die sonderbare Art und Weise, wie sich Formica sanguinea benimmt, wenn ein von ihr bereits vollkommen aufgenommener kleiner Atemeies (emar- ginatus oder paradoxus) sie zum erstenmal nach Ameisenart zur Fütterung auffordert, indem er ihren Kopf mit den Fühlern schlägt, ihre Mundgegend beleckt und dann mit erhobenen Vorderfüßen ihre Kopfseiten streichelt. Die Ameise reagiert nicht etwa reflektorisch auf diesen „Fütterungsreiz", sondern springt wie erschreckt zurück, untersucht den sonderbaren Gast mit den Fühlerspitzen, nahm ihn sogar manchmal an einem Vorderbeine auf und hielt ihn, mit den Fühlerspitzen ihn sorgfältig prüfend, längere Zeit in der Luft, bevor sie ihn wieder niedersetzte. Erst wenn der Käfer zum zweiten oder dritten Mal seine Aufforderung wiederholt hatte, ließ sie sich endlich dazu herbei, ihn zu füttern. Aber sie fütterte ihn nicht wie sie eine Ameise füttert (und wie die Atemeies bei allen anderen Ameisen gefüttert werden), sondern wie eine hilflose Ameisenlarve, gerade so wie sie die weit größere Lomechusa strumosa zu füttern pflegt, von welcher sie nicht durch Streicheln der Kopfseiten zur Fütterung aufgefordert wird! Ein noch so skeptischer Beobachter kann sich hier dem Eindrucke nicht verschließen, daß F. sanguinea den Atemeies trotz seiner vollendeten Ameisensitte bei der Aufforderung zur Fütterung nicht mit einer Ameise verwechselt, sondern seine Ähnlichkeit mit Lomechusa, die sich ganz anders zu benehmen pflegt, hinreichend wahrnimmt. Daher ihr anfängliches Erschrecken, wenn ein Atemeies sie ganz wie eine Ameise zur Fütterung auffordert; daher auch die nicht minder merkwürdige Tatsache, daß sie den Atemeles trotz seines Ameisenbenehmens nicht gleich einer Ameise füttert, sondern gleich einem hilflosen, von einer Ameise verschiedenen Wesen. Wer derartige Beobachtungen viele Jahre hindurch gemacht hat, wird sich selbstverständlich nicht zu der Ansicht bekennen können, daß die Ameisen bloße „Reflexmaschinen" seien. Bekanntlich hat Darwin in seiner „Abstammung des Menschen" (Deutsche Ausgabe, 1871, Bd. 1, S. 36) aus der von Brehm mitgeteilten Beobachtung, daß Affen vor unschuldigen Eidechsen und Fröschen eine sonderbare instinktive Furcht zeigen, den Schluß gezogen, daß die Affen „irgend eine Vor- stellung von zoologischerVerwandtschaft hätte n." *) Da jene harmlosen Lurche und Echsen manche sinnlich wahrnehmbare Eigenschaften, z. B. die glänzende, glatte, meist bunte Haut, die mit Warzen bezw. Schuppen besetzt ist, mit den Schlangen gemein haben, vor denen die Affen sich durch einen angeborenen Instinkt fürchten, so ist es leicht erklärlich, wenn die Ähnlichkeit des sinnlichen Eindruckes beim Anblicke von Eidechsen und Fröschen in den Affen Regungen der Furcht erweckt. Daß die Affen irgend eine abstrakte Vorstellung von zoologischer Verwandtschaft besitzen, wird dadurch selbstverständlich nicht im geringsten erwiesen und müßte daher als grundlose Vermenschlichung der Affen bezeichnet werden. Wer jedoch bei den höheren Tieren dies nicht zugeben will und die Affen auf Grund solcher Tatsachen für „intelligente Wesen" ausgibt, d e r in u ß dasselbe a fortiori auch bei den Ameisen tun. Vergleichen wir das erwähnte Benehmen der Affen gegenüber Fröschen und Eidechsen mit dem Benehmen der Formica sanguinea gegenüber den kleinen A teme les -Arten, so müssen wir, falls wir vorurteilslos die Tatsachen erwägen, zugestehen, daß jene Ameise ein noch vollkommeneres „Unterscheidungsvermögen f ü r z o o 1 o g i s c h e Verwandtschaf t" besitze als die Brehm'schen Affen. Sie läßt sich durch das vollendet ameisenähnliche Benehmen des Atemeles nicht täuschen; sie reagiert nicht durch Fütterung, sondern gibt Zeichen der Überraschung, wenn ein Käfer sich ihr gegenüber zum erstenmal so benimmt, wie es sonst nur eine um Nahrung bettelnde Ameise tut. Und wenn sie dann den Käfer nach wiederholter Aufforderung doch schließlich füttert, so füttert sie ihn ') Siehe hierüber auch 58, 3. Aufl. S. 88 ff. Zoologien. Hclt 26. 12 — 90 — nicht so, wie sie eine Ameise füttern würde, sondern sie füttert ihn wie einen kleinen Verwandten von Lomechusa strumosa, obwohl letztere viermal so groß ist und den Ameisen gegenüber niemals die Aufforderung zur Fütterung durch Streicheln der Kopfseiten der Ameise vornimmt! Man darf daher nicht die offenbare Inkonsequenz begehen, das psychische Leben der Ameisen und der höheren Tiere mit einem a priori verschiedenen Maßstabe zu messen. Der von mir bereits früher (58, 59) eingehend bewiesene Schluß: „wir brauchen keine Ameisenintelligenz, also brauchen wir auch überhaupt keine Tierintelligenz" - hat zwar in gewissen Kreisen einen leicht begreiflichen Widerspruch gefunden. Wenn sich jedoch aus einem unbefangenen Vergleiche des Seelenlebens der Ameisen und der höheren Tiere Schlußfolgerungen ergeben, welche für irgend eine moderne Lieblingshypothese, z. B. für die geistige Entwicklung des Menschen aus dem Tierreich, unbequem sind, so darf dies unsere Beurteilung der Beobach- tungstatsachen nicht beeinflussen. IX. Kapitel. Welche Beweise lassen sich gegen die Annahme psychischer Qualitäten bei den Ameisen erbringen?1) Der entsprechende Abschnitt in der Studie Bethe's trägt die Überschrift ,,W eisen andere Verrichtungen der Ameisen auf den Besitz psychischer Qualitäten hin?" Da Bethe auf den 4 Seiten dieses Abschnittes sämtliche von anderen früher erbrachten Beweise für das psychische Leben der Ameisen widerlegt zu haben glaubt, halte ich es für nützlich, die betreffende Frage einer sorgfältigen Prüfung auf Grund der Tatsachen zu unterwerfen. Bethe beginnt mit den von Lubbock 2) und mir 3) über die Intelligenz der Ameisen angestellten Versuchen, deren einen er selbst in veränderter Form erneuert hat. An ein Nest von Lasius niger wurde neben eine Ameisenstraße Honig auf einen über der Straße befindlichen Blechstreifen getan, so daß die Ameisen leicht zum Honig gelangen konnten. Nachdem der Honigbesuch drei Wochen gedauert hatte, wurde der Blechstreifen allmählich höher geschraubt, bis die Ameisen ihn nicht mehr von ihrer Straße aus besteigen konnten. Für ein intelligentes Wesen, das eine so große Fertigkeit im Erdbau besitzt wie Lasius niger, wäre es sehr leicht gewesen, wieder zum Honig zu gelangen; man brauchte nur ein wenig Erde unter dem Blechstreifen aufzutürmen, und die Verbindung war wiederhergestellt. Trotzdem machten die Lasius niger keinen Versuch dazu, obwohl sie sich auf die Hinterbeine stellten und die Fühler zum Honig emporstreckten. Bethe hat hier die früheren, von Lubbock und mir bei analogen Experimenten erhaltenen Besultate völlig bestätigt und zwar durch einen neuen, in origineller Weise angestellten Versuch. Bezüglich der Schluß- folgerung, die er aus demselben zieht, kann ich ihm jedoch nicht beistimmen. Dieselbe lautet: die Ameisen besitzen gar keine psychischen Qualitäten, sie sind empfindungslose Beflex- maschinen. Meines Erachtens geht diese Folgerung viel weiter, als die Tatsachen erlauben. Aus denselben folgt bloß, daß den Ameisen das Vermögen fehlt, aus früheren sinnlichen Wahrnehmungen einen intelligenten Schluß auf neue Verhältnisse zu ziehen. Dieses Schlußvermögen setzt eine Einsicht der Beziehung zwischen Mittel und Zweck voraus, somit eine „Intelligenz" im wirklichen, logischen Sinne dieses Wortes. Es wäre daher bereits zu weitgehend, wenn man aus diesen Tatsachen folgern wollte, die Ameisen besäßen gar kein Vermögen, durch früher gemachte sinnliche Wahrnehmungen ihre Handlungsweise zu modifizieren; nur soweit für diese Modifikation ein Schlußvermögen ') Dieses Kapitel ist in der neuen Auflage wesentlich unverändert geblieben. Die weitere Entwicklung der tierpsychologischen Kontroverse seit 1899 wird in einem eigenen Kapitel (Kap. XII.) kurz behandelt werden. 2) Ameisen, Bienen und Wespen. S. 201 ff. '■') 59 S. 84 ff.; 3. Aufl. S. 98 ff. — 91 — erforderlich ist, dürfen wir ihnen dasselbe absprechen, nicht jedoch, insoweit bloß ein sinnliches Assoziationsvermögen hierzu erforderlich ist. Daß die Ameisen letzteres besitzen, wissen wir aus anderen Tatsachen des Ameisenlebens, z. B. aus der Art und Weise, wie sie neue echte Gäste kennen lernen. Daher darf man nicht die Intelligenz und das sinnliche Assoziationsvermögen verwechseln, geschweige denn die Intelligenz und die psychischen Qualitäten der einfachen Sinneswahrnehmung. Wir kommen ohne diese Unterscheidungen nicht aus. So ungerne ich auf alles, was einer „Polemik" ähnlich sieht, mich einlasse, so bin ich doch verpflichtet, die Gründe zu prüfen, welche Bethe weiterhin gegen das von mir in früheren Schriften nachgewiesene ..sinnliche Erkenntnis- und Strebevermögen" der Ameisen anführt. Er erklärt, er halte meine Gründe für „absolut nicht zwingend1' und er sei „überzeugt, daß man diese Plastizität (des psychischen Lebens der Ameisen) ebensogut auf einfache physiologische Reflexe zurück- führen kann, wie das hier von anderen Lebenserscheinungen der Ameisen geschehen ist." (S. 69). Sein ganzer Beweis dafür lautet: „Die Plastizität, soweit sie sich auf den Wohnungsbau bezieht, ist angeboren, und die Korrelation in der Zahl der „Herren" und „Sklaven" wird man ebensowenig auf psychische Prozesse zurückführen dürfen wie die Korrelation in der Zahl der Mäuse zu der der Bussarde, oder der Nonnen zu der der Kuckucke." Prüfen wir den Wert dieser beiden Beweise Bethe's. Was heißt das: „die Plastizität des Wohnungs- baues ist den Ameisen angeboren?" Der wirkliche Sinn dieses Satzes ist: die verschiedenen Ameisen- arten besitzen ein verschiedenes erbliches Vermögen, ihren Bautrieb mannigfaltigen Verhältnissen in zweck- mäßiger Weise anzupassen, indem sie je nach der Verschiedenheit der Sinneseindrücke, welche auf sie wirken, ihr angeborenes Bauschema modifizieren. Es handelt sich also um die individuellen Modifikationen eines angeborenen Instinktes infolge der Sinneswahrnehmungen, welche die Ausübung jenes Instinktes leiten. Sind das etwa „einfache physiologische Reflexe"? Was den Ameisen angeboren ist, ist bloß die Neigung zu einer bestimmten Bauart ; diese Neigung nannte ich eine plastische, weil sie durch die aktuellen Sinneswahrnehmungen in mannigfaltiger Weise modifiziert werden kann. Die Plastizität des Bauvermögens ist also den Ameisen nur potentiell angeboren, nicht in ihrer aktuellen Ausübung. Dem Menschen ist auch die Plastizität seiner Vernunfttätigkeit potentiell angeboren. Wer wird aber daraus folgern wollen: also beruht die aktuelle Ausübung der Vernunfttätigkeit auf „einfachen physiologischen Reflexen?" Bethe hat also falsch geschlossen, indem er aus dem Angeborensein der Plasti- zität des Bauvermögens der Ameisen die Folgerung zog: also beruht die Betätigung jener Plastizität auf einfachen physiologischen Reflexen. Noch minder gelungen ist sein zweiter „Beweis", welcher die Behauptung enthielt, die Korrelation in der Zahl der Herren und Sklaven in den gemischten Kolonien der Ameisen sei ebenso ohne psychische Prozesse zu erklären, wie die Korrelation in der Zahl der Mäuse und Bussarde, der Nonnen und Kuckucke. Für die gemischten Kolonien von Polyergus enthält jener Vergleich wenigstens keinen Widerspruch, da hier die Zahl der Sklaven zur Zahl der Herren in geradem Verhältnisse steht; einen Beweis, daß dieses Verhältnis durch bloße Reflexe erklärlich sei, hat Bethe allerdings nicht erbracht, was er doch hätte tun müssen, falls er für seine Behauptung Glauben verlangt. Aber für die gemischten Kolonien von F. sanguinea enthält derselbe Vergleich sogar einen offenbaren Widerspruch; denn in diesen Kolonien treffen wir ja gerade die auffallende Erscheinung, daß die Zahl der Sklaven zur Zahl der Herren nicht in geradem, sondern vielmehr in umgekehrtem Verhältnisse steht: die stärksten Kolonien haben die relativ geringste, die schwächsten die relativ größte Sklavenzahl. Ich hatte hieraus geschlossen, daß F. sanguinea ihren eigenen Arbeitermangel durch Raub fremder Sklavenpuppen zu ersetzen suche, was ohne irgend eine Wahrnehmung dieses Bedürfnisses unmöglich ist. Als Gegenbeweis führt Bethe das Zahlenverhältnis zwischen den Mäusen und Bussarden, den Nonnen und den Kuckucken an, wobei er sich selber widerlegt; denn: je mehr Mäuse, um so mehr Bussarde; je mehr Nonnen, um so mehr Kuckucke; aber je mehr Herren, um so weniger Sklaven. 92 — Bethe verweist ferner zur Stütze seiner Reflextheorie und zur Widerlegung meiner früheren Beweise für das sinnliche Erkenntnis- und Strebevermögen der Ameisen auf die „anderen Lebenserscheinungen der Ameisen", die er in den vorigen Kapiteln seiner Studie als bloße Reflextätigkeiten erklärt habe. Halten wir nochmals einen Rückblick über diese „Beweise". Der erste und hauptsächlichste derselben, das Fundament seiner ganzen Argumentation, hatte gelautet „nicht erlernt, also reflex." Dieser angebliche Beweis hat sich als ein Fehlschluß herausgestellt. Mit den übrigen steht es nicht viel besser. Es wurde in den vorigen Kapiteln dieser Studie im einzelnen nachgewiesen, daß Bethe's Reflextheorie nicht einmal die einfachsten Erscheinungen des Ameisenlebens auch nur einigermaßen befriedigend erklärt. Man möge die dort gegebene Kritik seiner Erklärungsversuche über das gegenseitige „Erkennen" der Ameisen durch „bloße Chemoreflexe", über das Finden des Weges durch „den reflektorischen Reiz einer polarisierten chemischen Spur", über das Hin- und Zurückgehen der Ameisen durch die „reflektorische Wirkung der Belastung oder der Nichtbelastung" usw. nochmals vergleichen und dann darüber entscheiden, in wie weit Herrn Bethe „hier" sein Beweis geglückt oder mißglückt ist. Die allzu leichte Weise, wie er mit den Ver- suchen Lubbocks und anderen längst bekannten tatsächlichen Belegen für das Mitteilungsvermögen der Ameisen verfuhr, sei hier ebenfalls in Erinnerung gebracht. Die stets wiederholte Behauptung, es existiere nichts derartiges, was über eine bloße Reflextätigkeit hinausgehe, wird man wohl nicht an Beweisstelle annehmen können. Ich bedauere, daß Herr Bethe seine hübschen Experimente mit derartigen Schlußfolgerungen verbunden hat. Wäre er ebenso skeptisch gewesen gegen seine eigenen Schlüsse wie er gegen diejenigen anderer Beobachter war, so würde er wohl weniger neue und weniger weittragende, dafür aber richtigere Sätze als Ergebnis seiner Versuche aufgestellt haben. Bethe hat es versucht, auf dem tierpsychologischen Gebiete die neuen Bahnen der Reflextheorie zu wandeln. Wo das Neue durch gute Gründe gestützt wird, nehme ich es ebenfalls gerne an; ich bin kein Freund des Alten, weil es a 1 1 ist, sondern nur soweit es w a h r ist und den Fortschritten der modernen Forschung entspricht. Daher bin auch ich in der Erklärung des psychischen Lebens der Tiere, speziell in der näheren Begriffsbestimmung des Instinktes (58, Kap. 2 und 3), in einer selbständigen Weise vorgegangen; aber ich hielt es auch für nötig, meine von früheren Ansichten abweichende Meinung scharf und klar logisch zu begründen. Dies ist es eben, was ich bei Herrn Bethe's neuer Theorie vermisse. Bethe hat durch den Fehlschluß „nicht erlernt, also reflex" das ganze Gebiet des ehe- maligen Instinktes willkürlich in bloße Reflextätigkeit verwandelt (vgl. oben S. 6 ff.). Er sagt dies auch direkt auf S. 24 seiner Studie, wo er den bisherigen „Instinkt" für „nichts anderes als Reflex" erklärt und gegenüber Ziegler meint, es sei viel besser, für das Wort Instinkt „das nicht gut mißzuverstehende Wort „komplizierter oder zusammengesetzter Reflex" zu gebrauchen." Bereits Romanes J) hatte gegenüher dem Spencerschen Versuche, den Instinkt für bloße Reflextätigkeit zu erklären, die treffende Bemerkung gemacht: „Einen Spaten eine Keule zu nennen und dann zu schließen, daß, weil er eine Keule ist, er kein Spaten sein kann, ist ein nichtiges Beginnen; die Hauptsache liegt in dem Werte der Definition." Die Art und Weise, wie Bethe (S. 24) die von mir in meiner Schrift „Instinkt und Intelli- genz im Tierreich" (58) gegebenen Begriffsbestimmungen von Instinkt und Intelligenz zu widerlegen gesucht hat, darf ich hier ebenfalls nicht mit Stillschweigen übergehen, so gerne ich es im Interesse meines geschätzten Herrn Kollegen tun möchte. Er hat nämlich meine Darstellung in einer fast unbegreiflichen Weise mißverstanden. Ich hatte als „I n s t i n k t im engeren Sinne" dasjenige bezeichnet, was man bisher auch in der modernen Zoologie als Instinkt bezeichnet hatte. Ferner hatte ich die Modifizierung der erblichen Instinkte, die auf Grund der Sinneserfahrung des Individuums erfolgt, wegen ihres innigen Zusammenhanges mit den erblichen Instinkten als „I n s t i n k t im weiteren Sinn e" bezeichnet. Von dieser Unterscheidung sagt Bethe nichts, sondern er behauptet bloß, ich hätte „zwei ganz verschiedene l) Die geistige Entwicklung im Tierreich. Leipzig 1885, S. 283. - 93 — Dinge durcheinandergeworfen'" und meine Begriffsbestimmung sei „unklar". Etwas ausführlicher wendet er sich sodann gegen meine Definition der Intelligenz, die ich als „formelles Schluß- vermöge n", als „formelles Zweckbewußtsein" klar entwickelt hatte. Was Bethe hiegegen vorbringt, lautet wörtlich: „Wenn man lediglich den Maßstab Wasmann's anlegt, so kommt man auch bei den Menschen zu dem Resultat, daß das Gros dem Instinkt folgt, während nur wenige Bevorzugte Intelligenz besitzen. Der einfache Mann ißt, wie der Hund und das Pferd, instinktiv, weil er dem Trieb des Hungers folgt, weil es ihm gut schmeckt und er eventuell sagt: das ist notwendig, um das Leben zu erhalten. Das ist aber noch kein Zweckbewußtsein. Nur der physiologische Chemiker ißt mit Intelligenz; denn er allein gibt sich Antwort auf die Frage, warum er Nahrung zu sich nimmt. Der einfache Zimmermann schlägt seine Balken in bestimmter Weise zusammen, weil es erfahrungsgemäß so und so gemacht werden muß, rein instinktiv (nach Wasmann), ohne Zweckbewußtsein. Nur der studierte Baumeister, der die Regeln der Mechanik kennt, baut mit Intelligenz; denn er allein ist sich bewußt, warum er Balken von bestimmtem Querschnitt benutzen muß, warum er sie in dieser Weise und nicht anders zusammensetzt." Wenn das Gesagte wirklich aus meiner Definition der Intelligenz folgte, so würde ich es allerdings niemandem verargen, daß er sie unhaltbar findet. Aber es dürfte nicht schwer sein, zu erkennen, daß hier ein Irrtum von Seite Bethe's vorliegt. Er verwechselt zwei ganz verschiedene Begriffe: wirkliches (formelles) Zweckbewußtsein und vollkommenes (adaequates) Zweckbewußt- sein. Ersteres ist nach meiner Darlegung erforderlich zum Begriffe der Intelligenz, letzteres hat Herr Bethe statt dessen untergeschoben. Auch der gewöhnliche Mann ißt mit Intelligenz, weil er, wie B. selber zugibt, sich dabei des Zweckes bewußt ist, seinen Hunger zu stillen und sein Leben zu erhalten. Auch der einfache Zimmermann arbeitet mit Intelligenz, weil er die Absicht hat, diese oder jene bestimmte Balken- verbindung herzustellen. Daß zu einer intelligenten Handlung eine erschöpfende, vollständige Erkenntnis der in denselben enthaltenen Zweckbeziehungen erforderlich sei, ist ganz neu, und bisher meines Wissens nur von Herrn Albrecht Bethe aufgestellt worden. Es ist ferner unrichtig, wenn B. angibt, der Mensch esse rein instinktiv wie der Hund und das Pferd; denn er fügt ja selber bei, ersterer sage eventuell „das ist notwendig um das Leben zu erhalten". Darin zeigt sich gerade der Unterschied zwischen dem bloßen Instinkt des Tieres und dem mit Intelligenz verbundenen Instinkte des Menschen. Bethe, der mit „voller Skepsis" den psychischen Erscheinungen des Tierlebens gegenübersteht, wird nicht behaupten wollen, auch der Hund und das Pferd äßen eventuell in der intelligenten Absicht, ihr Leben zu erhalten ; denn dadurch würde er sich zu den Grundsätzen der vulgären Psychologie bekennen, welche das Tierleben willkürlich vermenschlicht. Ich kann daher das Urteil darüber, in wie weit es Herrn B. gelungen ist, meine Begriffsbestimmungen von Instinkt und Intelligenz zu widerlegen, anderen überlassen. Ferner macht Bethe die Bemerkung (S. 24), daß ich mich bei Erörterung der Begriffe von Instinkt und Intelligenz „auf allerhand Autoritäten, hauptsächlich Kirchenväter" berufen habe. Daß er die namhaften Vertreter der scholastischen Philosophie, die ich bei jener Gelegenheit nebenbei zitiert hatte, hauptsächlich für „Kirchenväter" ansieht, ist allerdings ein historischer Irrtum: denn die Periode der Kirchenväter endet bereits mit dem siebenten oder achten Jahrhundert, die von mir daselbst zitierten Philosophen gehörten dagegen mit Ausnahme von Aristoteles, der wohl kein „Kirchenvater" war, und von Thomas v. Aquino (f 1274), der kein Kirchenvater, sondern bloß ein Kirchenlehrer war, sämtlich der Neuzeit (nach 1500) an. Jenen Irrtum bezüglich der „Kirchenväter" darf man Herrn Bethe wohl nicht zu sehr verargen, da das betreffende Wissensgebiet ihm völlig fremd ist. Daher wäre es aber auch besser gewesen, wenn er dasselbe gar nicht berührt hätte. — 94 — Ich hielt es stets für meine Pflicht, das Gute, das sich in der Psychologie der alten philosophischen Schulen findet, anzuerkennen und jene Punkte, in denen ich mit denselben übereinstimme, nicht für neue eigene Entdeckung auszugeben. Ich ging dabei von dem Grundsatze aus, daß man auch eine alte Wahr- heit anerkennen müsse, wenn sie sich als Wahrheit erweist, während das Bestreben, absolut neue philoso- phische Theorien in die Welt zu setzen, sehr leicht zu f a 1 s c h e n Theorien führt. Daß ich den alten Begriff des Instinktes in neuerWeise, den Ergebnissen der modernen Forschung entsprechend, weitergebildet und teilweise umgestaltet habe, wofür ich zugleich meine Beweise eingehend entwickelte, das ist Herrn Bethe völlig verborgen geblieben. Während Bethe dasjenige, was man bisher Instinkt nannte, und was ich als „Instinkt im engeren Sinne" bezeichnet hatte, willkürlich für bloße Beflextätigkeit erklärt, lautet seine eigene neue Definition des Instinktes (S. 25) folgendermaßen: „Das Wort Instinkt bedeutet eine bestimmte Art von Handlungen, welche nicht rein reflektorisch, aber auch nicht rein psychisch sind und für die wir notwendigerweise eine Bezeichnung haben müssen." Diese Definition enthält aber gar nichts neues, sondern besagt dasselbe, was bereits der alte, auch von mir akzeptierte Instinktbegriff enthalten hatte: der Instinkt steht zwar in inniger Beziehung zur Reflextätigkeit, geht aber über dieselbe dadurch hinaus, daß er auch ein psychisches Element enthält. Wenn Bethe mit dieser angeblich neuen Definition etwas leisten wollte, mußte er, wie ich es bei meiner Erörterung des Instinktes getan hatte, näher darlegen, worin denn das eigentüm- liche psychische Element der Instinkttätigkeit bestehe. Das hat er gänzlich unterlassen; daher kann man seiner neuen Definition keine weitere Bedeutung beimessen. Wahrscheinlich wäre er bei näherer Erklärung derselben in einen unlösbaren Widerspruch mit seiner Reflextheorie geraten. Denn das psychische Element des Instinktes ist entweder etwas dem Tiere angeborenes oder etwas erlerntes; ist es etwas angeborenes, so ist es nach Bethe's Theorie nichts weiter als bloße Reflextätigkeit; ist es dagegen etwas erlerntes, so darf er es ebenfalls nicht als instinktiv bezeichnen ; denn sonst müßte Bethe den von mir aufgestellten Begriff des „Instinktes im weiteren Sinne" als berechtigt anerkennen. Am Schlüsse seiner Studie über die psychischen Fähigkeiten der Ameisen (S. 69) äußert sich Bethe folgendermaßen : „Im Grunde stimmen Wasmann und ich, soweit ich sehe, ziemlich überein, daß nämlich eigentlich keine Tatsache vorhanden ist, welche klar erweist, daß die Ameisen über psychische Qualitäten verfügen. Er hält seine eigentümliche und nach meiner Meinung falsche Auffassung vom Instinkt aufrecht und wird sie auch weiterhin aufrecht erhalten, und weiterhin leugnen, daß wir es bei den Ameisen mit reinen Reflex- handlungen zu tun haben, weil er zeigen muß, daß die Ameisen sich in ihren Lebenserscheinungen nicht wesentlich von den höheren Säugern unterscheiden, damit sich nicht am Ende eine progressive Entwicklung der psychischen Qualitäten herausstelle, die den Menschen nicht im Gegensatz zu den Tieren, sondern nur als höchstes Glied einer langen Entwicklungsreihe erscheinen ließe." Inwieweit ich mit Herrn Bethe übereinstimme oder nicht, ist nunmehr klar genug dargelegt worden. Darin dürfte Bethe wohl Recht haben, daß er meint, ich würde auf die von ihm bisher vorgebrachten Gründe hin meine frühere Ansicht über den Instinkt der Tiere und über das psychische Leben der Ameisen nicht ändern. Ich werde wahrscheinlich fortfahren müssen zu leugnen, daß die Ameisen bloße Reflexmaschinen seien, so lange man mir keine besseren Beweise dafür erbringt. Bezüglich des Beweggrundes, den er mir hiefür unterlegt, obwaltet jedoch ein Irrtum. Er sucht denselben viel zu weit, nämlich in meiner Welt- anschauung, die von der seinigen verschieden sei. Der wirkliche Grund liegt viel näher: Bethe hat ohne ausreichende Kenntnis der Beobachtungstatsachen und ohne die erforderliche Vorsicht der philosophischen Schlußfolgerungen seine neue „Reflextheorie des Ameisenlebens" allzu kühn konstruiert; die- selbe ist unannehmbar wegen ihrer inneren Unh alt barkeit, nicht wegen irgend einer Weltanschauung. — 95 — Bethe macht mir Mangel an Unbefangenheit in Beurteilung des Ameisenlebens zum Vorwurf, die aus aphoristischen Vorurteilen entspringe.1) Anderen scheint vielleicht Bethe's Beweisverfahren den Eindruck zu machen, als ob die extreme Skepsis, die er dem psychischen Leben der Ameisen entgegenbringt, aus dem Bestreben hervorgehe, dieselben in Reflexmaschinen zu verwandeln. Wer das Tierleben „vorurteilsfreier" auffaßt, lasse ich dahingestellt. Nur soweit die Absicht des Verfassers in seiner Beweisführung sich äußert, kann sie Gegenstand der Diskussion werden. In dieser Beziehung glaube ich, daß die Art und Weise, wie Bethe wiederholt die seiner neuen Theorie entgegenstehenden Tatsachen durch kühne Vergleiche oder durch die kühne Behauptung, daß etwas derartiges gar nicht existiere, zu entkräften versucht hat, nicht ganz objektiv war. Auch darin muß ich einen Mangel an Objektivität finden, daß er einerseits sämtliche Wirbellose für empfindungslose Reflexmaschinen hält,2) während er andererseits nicht einmal den Versuch macht, seine Reflextheorie auch auf die Wirbeltiere anzuwenden. Daß dies leicht möglich gewesen wäre und auch bezüglich der Wirbeltiere zu ähnlichen Schlußfolgerungen geführt hätte wie bezüglich der Wirbellosen, wird in den folgenden Abschnitten noch näher gezeigt werden. Auch von anderen Kollegen ist neuerdings wieder der Versuch gemacht worden, meine Auffassung des psychischen Lebens der Tiere durch Gründe zu widerlegen, die aus anderen Gebieten hergenommen sind. Herr Professor Dr. H. E. Ziegler hat in einer Besprechung meiner beiden vergleichend psychologischen Schriften (58 und 59) im „Zoologischen Zentralblatt'' (1897 No. 26) die in denselben enthaltenen Beobachtungen zum großen Teil mit einer Objektivität und sachlichen Sorgfalt referiert, für welche ich ihm meine aufrichtige Anerkennung ausspreche. Dagegen hat er jene Punkte in seiner Besprechung umgangen, in denen ich eine Parallele zwischen dem Seelenleben der Ameisen und der höheren Tiere gezogen und dadurch seine Beweise für die psychische Entwicklung der menschlichen Gesellschaftsformen aus den- jenigen der höheren Tiere 3) widerlegt hatte. Er erklärt bloß: „Ich werde Wasmann weder hier noch an anderer Stelle antworten denn seine Ein- wendungen entspringen lediglich daraus, daß er an der alten scholastischen Psychologie festhält. Wasmann wird stets die Handlungen des Menschen von denen der Tiere prinzipiell unterscheiden, da die ersteren stets bewußt seien und auf dem freien Willen beruhen. Dagegen bin ich (wie andere Naturforscher) der Ansicht, daß man gar nicht wissen kann, wie viel Bewußtsein oder Selbstbewußtsein die Handlungen der Tiere begleitet, und daß der sogenannte freie Wille des Menschen nur das Spiel stärkerer und schwächerer Motive ist." Ich will hier nicht mit Herrn Ziegler über die berühmte Frage der menschlichen Willensfreiheit mich auseinandersetzen, die man jedenfalls nicht durch die allzu billige Behauptung lösen kann, es handle sich dabei bloß um „das Spiel stärkerer oder schwächerer Motive." Dagegen bemerke ich zur Richtigstellung seiner obigen Beweisführung folgendes. Ob man den Tieren Intelligenz im eigentlichen Sinne zugestehen will, ist nicht von der „scholastischen Psychologie" abhängig. Professor Wilhelm Wundt, welchen Ziegler sicherlich nicht zu den Vertretern dieser Psychologie rechnen darf, ist bezüglich der Frage, ob die Tiere, auch die höheren, ein wirkliches Denkvermögen besitzen, schon in der zweiten Auflage seiner „Vor- lesungen über die Menschen- und Tierseele" (1892) zu denselben Ergebnissen gelangt wie ich.4) Es ist ferner irrtümlich, daß Ziegler mir unterschiebt, ich hätte behauptet, s ä m 1 1 i c h e Handlungen des Menschen seien von Selbstbewußtsein und freiem Willen geleitet; eine derartige offenbar falsche Behauptung habe ich niemals aufgestellt. Wenn er sich ferner auf sämtliche übrigen Naturforscher dafür beruft, daß man 1) Vgl. auch die Einleitung seiner Schrift (S. 16): „Wasmann, der mit so scharfem Verstände die Lebens- erscheimingen der Ameisen zergliedert und unbarmherzig die Tatsachen von anthropomorphistischen Vorurteilen befreit, kann nicht zur vollkommen unbefangenen Betrachtung der Verhältnisse gelangen, da ihn die vorgefaßte Meinung von der Existenz eines Schöpfers daran verhindert." 2) Vgl. hiezu S. 98 seiner Schrift. 3) H. E. Ziegler, Die Naturwissenschaft und die sozialdemokratische Theorie. Stuttgart 1893. 4) Ebenso auch Lloyd Morgan in der 2. Aufl. seiner „Introduction to comparative psychology" (1903) p. 307—308; siehe 58, 3. Aufl. (1905) S. 226—228. — 96 — „nicht wissen könne", ob die Tiere mit Selbstbewußtsein handeln oder nicht, so muß ich, ebenfalls im Namen derselben Naturforscher, hiegegen Einspruch erheben. Die Beobachtung der biologischen Tatsachen kann uns hierüber allerdings keinen direkt e n Aufschluß geben, da man das Selbstbewußtsein der Tiere nicht sehen, fühlen, hören oder riechen kann, wohl aber einen indirekten, indem wir unseren Verstand gebrauchen und aus den Erscheinungen auf ihre Ursachen schließen. Zeigen die Tiere keinerlei Tätigkeiten, welche bloß durch die Annahme eines Selbstbewußtseins erklärlich sind, so dürfen wir ihnen auch kein Selbst- bewußtsein zuschreiben; steht die Annahme eines Selbstbewußtseins der Tiere überdies im Widerspruch mit vielen anderen ihrer Tätigkeiten, so müssen wir als denkende Naturforscher überdies sagen: die Tiere haben kein Selbstbewußtsein. Verzichtet man darauf, aus den sichtbaren Äußerungen des tierischen Seelen- lebens auf die psychischen Fähigkeiten der Tiere zu schließen, so leistet man eo ipso auf eine vergleichende Tierpsychologie Verzicht und macht dieselbe zu einer bloßen vergleichenden Nervenanatomie und Nerven- physiologie. Das Prinzip, ein Naturforscher könne nicht wissen, ob eine Ameise oder ein Pferd mit Selbst- bewußtsein handle oder nicht, müßte folgerichtig auch auf sämtliche übrigen psychischen Qualitäten der Tiere ausgedehnt werden, die wir ebensowenig direkt sehen können wie das Selbstbewußtsein. Hieraus würde folgen, daß der Naturforscher den Tieren auch keine sinnliche Wahrnehmung und sinnliche Empfindung zuschreiben dürfe. Daher ergibt sich aus jenem Prinzip die unabweisbare Schlußfolgerung, daß es für den Naturforscher gar keine Tierpsychologie geben könne!1) Ich zweifle deshalb sehr daran, ob Herr Ziegler sich im Namen sämtlicher Naturforscher auf ein derartiges Prinzip berufen darf. Auch mein Freund E m e r y hat, nachdem er früher die Kontroverse über das psychische Leben der Tiere in so schöner, sachgemäßer Weise begonnen hatte, sich in seiner letzten Entgegnung 2) auf die Weltanschauung zurückgezogen und aus diesem Grunde ein „Weiterführen des Streites" abgelehnt. Er meint, meine Auffassung des Tierlebens komme daher, daß ich dem Menschen einen „mysteriösen Geist" zuerkennen wolle, der den Tieren natürlich fehlen müsse. Ich erwidere hierauf folgendes. Allerdings halte ich die Geistigkeit der menschlichen Seele für e i n e richtige Folgerung aus den Tatsachen des menschlichen Seelenlebens. Ater aus dieser Folgerung erkläre ich nicht die Tatsachen, sondern die Prüfung der Tatsachen führt mich erst zu jener Folgerung. Daher kann ich auch die psychischen Äußerungen der Tiere mit jenen des Menschen vorurteilsfrei vergleichen, ganz abgesehen von den Folgerungen, die sich aus jenem Vergleiche ergeben. Zudem sind ja Wundt und Lloyd Morgan, die dem Menschen keinen „mysteriösen Geist" zuerkennen, trotzdem bezüglich der Frage, ob die Tiere ein wirkliches Denkvermögen besitzen oder nicht, zu demselben negativen Ergebnisse gekommen wie ich. Es ist somit nicht zutreffend, für dieses Ergebnis die „Weltanschauung" verantwortlich machen zu wollen, wie Emery und späterhin auch noch andere meiner Kritiker es getan haben. Ich sage daher nochmals: die Fragen, ob die Tiere bloße Reflexmaschinen sind, oder ob wir ihnen ein sinnliches Erkenntnis- und Strebevermögen zuschreiben müssen; ob die Tiere bloß durch ihren Instinkt (den ich als die erbliche zweckmäßige Anlage des sinnlichen Erkenntnis- und Begehrungsvermögens näher erklärte) und durch die auf dieser Basis beruhenden Wahrnehmungen und Gedächtnisvorstellungen geleitet ') Diese Schlußfolgerung ist seither von Uexküll, Bethe usw. tatsächlich gezogen worden. Siehe hierüber das XII. Kapitel. s) Instinkt, Intelligenz und Sprache. Biolog. Zentralbl. XVIII. 1898. n. 1. Was die übrigen Punkte seiner Entgegnung anlangt, brauche ich nur auf meine von Emery besprochene Schrift „Instinkt und Intelligenz im Tierreich" l öS, Kap. 5 u. 6) zu verweisen, wo die betreffenden Fragen (Unterschied zwischen wirklichen Abstraktionen und zusammen- gesetzten Sinnesvorstellungen, Verhältnis der Intelligenz zur Sprache) eingehend behandelt worden sind. Daß ich den Ameisen einfachhin einen höheren Grad von psychischer Plastizität zugeschrieben, als den höheren Wirbeltieren, wie Emery in seiner letzten Entgegnung (S. 19. Anm. 1) vorgibt, ist ein Mißverständnis. In der folgenden, ihm ebenfalls zugegangenen Schrift „Vergleichende Studien über das Seelenleben der Ameisen und der höheren Tiere" (59), hätte er S 119 das gerade Gegenteil dieser mir zugeschriebenen Behauptung klar ausgesprochen finden können. — 97 — werden, oder ob sie überdies eine wirkliche Intelligenz, das Vermögen der Einsieht in das Verhältnis zwischen Ursache und Wirkung, zwischen Mittel und Zweck, besitzen, diese Fragen sind von jeder Weltanschauung an sich unabhängig. Zum Beweise hiefür diene noch folgendes. Descartes war Theist und ein Anhänger der christlichen Welt- und Naturanschauung; trotzdem glaubte er, alle Tiere in Maschinen ohne Empfindung und Gefühl verwandeln zu dürfen, gerade so wie Bethe es mit den Ameisen und mit sämtlichen wirbellosen Tieren macht, obwohl Bethe die Annahme eines persön- lichen Schöpfers infolge eines modernen Modevorurteils *) für unwissenschaftlich hält. Wundt ist kein Theist, sondern eher voluntaristischer Monist; trotzdem kommt er zu dem nämlichen Resultate wie ich, daß man nämlich auch den höheren Tieren kein Denkvermögen zuschreiben dürfe; andererseits ist er ebenso weit wie ich davon entfernt, die Tiere zu bloßen Reflexmaschinen zu machen. Unter den Vertretern der theistischen Weltanschauung gibt es ferner manche, welche wie Altum in seinem vortrefflichen, bereits in vielen Auflagen erschienenen Buche „Der Vogel und sein Leben", die psychischen Fähigkeiten dir Tiere weit niedriger taxieren als ich. Andererseits sind wieder manche andere Vertreter der theistischen Weltauffassung, insbesondere manche scholastische Psychologen, der Ansicht, ich hätte das psychische Leben der Tiere zu niedrig taxiert. Sie wollen nämlich den Tieren, wenigstens denjenigen, welche wie die Ameisen und die höheren Tiere eine nicht unbedeutende psychische Begabung zeigen, außer den erblichen Instinkten, die ich als ..Instinkte im engeren Sinne" bezeichnet hatte, und außer den vom Individuum auf Grund seiner Sinneserfahrung erworbenen Modifikationen dieser erblichen Instinkte, welche Modifikationen ich wegen ihres naturgemäßen Zusammenhanges mit den erblichen Instinkten als „instinktiv im weiteren Sinne" bezeichnet hatte, noch ein besonders intelligenzähnliches Vermögen zuschreiben. Ich hielt diese letztere Annahme jedoch für überflüssig. Indem ich den Instinkt als die mit dem Nervensystem wesentlich verknüpfte und durch dasselbe vererbte spezi- fische Anlage des sinnlichen Erkenntnis- und Strebe Vermögens im Tiere näher entwickelte, vermochte ich aus dieser Anlage und aus der Betätigung derselben durch die das Individuum treffenden sinnlichen Eindrücke eine befriedigende Erklärung der tierpsycholo- gischen Tatsachen zu bieten und hatte zudem den Vorteil einer einheitlichen, leicht verständlichen Auf- fassung, während jenes besondere intelligenzähnliehe Vermögen der Tiere von seinen Vertretern nicht weiter erklärt werden konnte. Die Weltanschauung hat mit dieser meiner Auffassung des Tierlebens gar nichts zu tun; es handelt sich um ein philosophisches Spezialproblem, das allerdings, wie überhaupt alle philoso- phischen Spezialprobleme, einen entfernten Zusammenhang mit sehr vielen anderen philoso- phischen Problemen und daher auch schließlich mit der philosophischen Weltanschauung hat. Aber ich muß dagegen Verwahrung einlegen, daß es wegen dieses Zusammenhanges unmöglich sein solle, jenes philo- sophische Spezialproblem wirklich vorurteilslos und objektiv zu behandeln.2) Wenn diese Behauptung meiner Kritiker richtig wäre, dann könnte man schließlich kein einziges biologisches Problem „vorurteilslos und objektiv" behandeln. Auch die von mir vor mehreren Jahren (1895) zuerst angeregte Frage, o b ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Entwicklung der pseudogynen Arbeiterform von ') Vgl. hierüber bereits meine Erklärung im Biologischen Zentralblatt 1895, S. 645. Ferner „Der Kampf um das Entwicklungsproblem, in Berlin" (Freiburg i. B. 190") S. 18 ff. 2) Man vergleiche hierüber auch das zweifellos unparteiische Urteil von Prof. Hans G u d d e n im „Archiv für Psychiatrie" Bd. 44. Heft 1, 1908, (Separ. S. 5), wo er sagt: „Die Definitionen Wasmanns (von Instinkt und Intelligenz) verlieren dadurch, daß \Y. als Theologe (?) eine strenge Scheidung zwischen Mensch und Tier errichtet, nichts von ihrem Wert, umsoweniger als die rein naturwissenschaftlichen Forschungen Wasmanns sich durchaus mit denjenigen eines Forel, Lloyd Morgan, Thorndike, Schönichen u. a. decken und alle zu dem Ergebnis gekommen sind, daß Intelligenz im Sinne der oben angeführten Definition einzig und allein der Mensch besitzt. Denn wenn z. B. Morgan unter „intelligence" der Tiere nichts weiter versteht als die Fähigkeit der Sinneserfahrung, d. h. das Vermögen des Tieres, durch sein sinnliches Bewußtsein die instinktiven Tätigkeiten zu kontrollieren und durch Erfahrung zu vervoll- kommnen, während er mit „reason" das Vermögen des begrifflichen Denkens (conceptual thougtj bezeichnet, so handelt es sich hier offenbar nur um eine Abweichung in der Auslegung des Wortes, nicht aber um sachliche Differenzen." Zoologica Heft 26. 13 — 98 Formica sangitinea und der Erziehung von Lomechusa strumosa bestehe, und w i e dieser Zusammenhang zu erklären sei (46, 130), ist ein philosophisches Spezialproblem, das mit vielen anderen philosophischen Problemen zusammenhängt, mit der vergleichenden Tierpsychologie, der Entwicklungstheorie und ihren verschiedenen Formen usw. Daß es deshalb unmöglich sein solle, dieses Problem vorurteilslos zu behandeln, das muß ich entschieden bestreiten. Bringt man von irgendwelcher Seite sachliche Gründe vor, welche gegen meine Auffassung des Tier- lebens und gegen meine Erklärung des Instinktes sprechen, so werde ich dieselben anerkennen und meine tierpsychologischen Ansichten, der Beweiskraft jener Argumente entsprechend, umgestalten. Es ist mir dabei völlig gleichgültig, ob diese wissenschaftlichen Gegner scholastische Philosophen oder moderne Natur- forscher, ob sie Theisten oder .Monisten oder Agnostiker sind. Beruft man sich jedoch auf die Verschiedenheit unserer Weltanschauungen, so kann ich das nur für einen Versuch ansehen, einer sachlichen Behandlung der Frage sich zu entziehen. Sogar die Entwicklungstheorie, die doch viel weiter in die Welt- anschauung eingreift, kann man annehmen oder verwerfen auf Grund der tatsächlichen Beweise, welche für oder gegen jene Theorie sprechen, unabhängig von der monistischen oder theistischen, der materialistischen oder spiritualistischen oder einer anderen Weltanschauung. A priori kann ein Theist ebensogut eine allmähliche oder stufenweise Entwicklung der Arten annehmbar finden wie ein Monist. Die Frage, ob und inwieweit eine Entwicklung der Arten stattgefunden hat, ist a posteriori zu entscheiden.1) Dasselbe gilt auch bezüglich der psychischen Fähigkeiten der Tiere. X. Kapitel. Die verschiedenen Formen des „Lernens" bei dem Menschen und den Tieren.-) Die Parallele, welche B e t h e zwischen dem psychischen Leben der Ameisen und der höheren Tiere gezogen hat, verdient eine besondere Berücksichtigung. Wenn wir dieselbe aufmerksam verfolgen, ergibt sich manches, was nicht bloß für das psychische Leben der Ameisen, sondern auch für die gesamte Tier- psychologie von Interesse ist. Forel3) hatte berichtet, daß es ihm gelungen sei, einen Wasserkäfer zu zähmen, und ich hatte mit- geteilt (59 S. 38; 2. Aufl. S. 43), daß es mir gelungen sei, ein wilde Ameise (Formica ntfibarbis) so weit zu zähmen, daß sie mir beim Öffnen des Korkpfropfens am Fütterungskolben meines srt«gm'M£a-Beobaehtungs- nestes (vgl. die AbbildungTaf. I) bereits entgegenkam, auf den vorgehaltenen Finger zuging, denselben besl ieg und ruhig den Honig ableckte, den sie dort fand, worauf sie entweder in die Öffnung des Fütterungskolbens zurückkehrte oder sich sogar von mir mit einer Pinzette am Hinterbein aufheben und ohne Zeichen der Auf- regung in das Nest zurücksetzen ließ. Bethe zieht nun (S. 23) eine Parallele zwischen einem bösen Hunde, den man in wenigen Tagen durch freundliches Benehmen und Darreichung von Futter zu zähmen vermag, und zwischen diesen beiden Beispielen und sagt dann bezüglich der letzteren: „solche Fälle beweisen gar nichts" für das psychische Leben der Insekten. Der Grund, den er hiefür angibt, ist folgender. B. behauptet ein- fach, man brauche ,,W o c h e n u n d M o n a t e" zum Gelingen eines solchen Versuches bei den Insekten, bei dem Hunde aber nur wenige Tage. Woher er diese Überzeugung von den ,, Wochen und Monaten" geschöpft, ist mir unbekannt. Wie lange Forel brauchte, um den Schwimmkäfer zu zähmen, weiß ich nicht, 1) Vgl. hierüber auch 60, 118, 145, 154; ferner: Die moderne Biologie und die Entwicklungstheorie (143: 157 [3. Aufl.] S. 276 ff.) ; Der Kampf um das Entwicklungsproblem in Berlin (Freiburg i. B. 1907) S. 11 ff. *) Dieses Kapitel ist in der vorliegenden neuen Auflage übersichtlicher eingeteilt und durch neue Belege, teils aus meinen eigenen Beobachtungen, teils aus denjenigen von Thorndike, Lloyd Morgan, Pfungst usw. erweitert worden. 3) Gehirn und Seele, Bonn 1891 S. 28. — 99 — Ich habe zwar selber wiederholt in früheren Jahren Dytiscus marginalis in Aquarien gehalten und kann Forel's Angabe bestätigen, daß man diese scheuen Käfer daran gewöhnen kann, herbeizukommen und Nahrung entgegenzunehmen, wenn man ihnen nur den Finger in das Wasser halt. Wie lange dazu nötig ist, habe ich damals leider nicht notiert. Bezüglich der Ameisen kann ich jedoch bestimmte Auskunft geben. Bei jener F. rufibarbis, von welcher in meinem, von Bethe angezogenen Berichte die Heile war, hatte ich bereits in wenigen, rasch nacheinander wiederholten Versuchen das Resultat erzielt, daß sie durch den Geruch meines Fingers sich nicht mehr in Furcht setzen ließ, sondern den Honig ruhig ableckte. Die „Wochen und Monate" sind daher von Herrn Bethe irrtümlich hinzugesetzt worden. Ähnliche Versuche mit demselben Beobach- tungsneste habe ich auch anderemale mit anderen Individuen angestellt, und mit demselben Erfolge und in derselben Zähmungszeit von bloß einigen Tagen. Bei F. fusca und rufibarbis gelingen diese Versuche am leichtesten und schnellsten, weil diese Ameisen sehr „findig" x) und zugleich sehr naschhaft sind. Die Vorbedingung für das Gelingen des Experimentes war. daß ich mir ein bestimmtes Individuum merkte, welches besonders häufig in den Fütterungsapparat kam und dort auf den Honig wartete; verfuhr ich dann in meinen Bewegungen sehr vorsichtig und langsam, um die Ameise nicht zu erschrecken, so gelang es bereits in ein paar Tagen, das Tier in der angegebenen Weise zu zähmen. Mit dem Gegenbeweis des Herren Bethe hat es somit wenig auf sich. Im Gegenteil, es besteht in diesem Punkte eine ganz auffallende Ähnlichkeit zwischen der Zähmung des bösen Hundes und der bösen Ameise. Vielleicht erwidert Bethe hierauf, die Zähmung der betreffenden Ameise sei bereits durch die Gewohnheit derselben, in den Fütterungsapparat zu kommen und dort auf den Honig zu warten, seit längerer Zeit vorbereitet worden; man müsse daher die Gesamtdauer der Zähmungszeit von dem Zeitpunkte an bemessen, wo die betreffende Ameise zuerst in das Beobachtungsnest gebracht worden sei. Dann muß aber auch die Zähmungsdauer des bösen Hundes von dem Augenblicke an bemessen werden, wo er aus seiner wilden Existenz eingebracht wurde. Herr Bethe muß daher keinen „canis familiaris" zu seinem Versuche wählen, sondern irgend ein Individuum einer wilden Hundeart; dann wollen wir ausrechnen, wer länger gebraucht habe zu seinem Zähmungsversuche, ob er mit seinem wilden Hunde oder ich mit meiner wilden Ameise! Weiterhin sagt Bethe am Schlüsse seiner Ameisenstudie (S. 69) folgendes: „Wie Wasmann im Ernst behaupten kann, daß keineUnterschiede zwischen den Lebenstätigkeiten der Ameisen, Bienen usw. und denen der höheren Säuger und der Vögel beständen, ist mir ganz unverständlich. Die A m e i s e bringt alles, was sie im Leben tut, als angeboren mit zur W e 1 1, der Hund und d e r Äff e m ü s s e n alles erst lern e n, genau wie der Mensch. Sie lernen gehen, sie lernen fressen, und sie 1er n e n u n t e r Anleitung des Menschen oft die kompliziertesten Handlungen. Was aber von allem am wichtigsten ist, sie vermögen selbständig und ohne Belehrung aus unzweifelhaften Erfahrungen heraus ihr Handeln z u modifizieren. Dies s c > 1 1 W a s m a n n von den Ameisen nachweisen, es w i r d ihm nicht gelingen!" Ich habe hierauf folgendes zu erwidern. Erstens. Die mir zugeschriebene Behauptung, daß zwischen den Lebenstätigkeiten der Ameisen und der höheren Säugetiere keine Unterschiede beständen, beruht auf einem Irrtum. B. zitiert zwar meine diesbezüglichen früheren Schriften (58 und 59) ') Für die Findigkeit von F. fusca sei hier noch folgende neue Beobachtung (Mai und Juni 1898) erwähnt. Ich hatte das Beobachtungsnest 86 II. von F. sanguinea als Vornest mit einem Glaszylinder versehen, welcher eine kleine Öffnung besaß, durch die eine F. fusca oder eine kleinere sanguinea durchschlüpfen konnte. Wahrend die sanguinea meist auf der Fensterbank umherliefen und auch durch das Fenster hinausliefen und dabei vielfach in den Garten hinab fielen, untersuchten die fusca hauptsächlich das Zimmer; eine von ihnen hatte bald auf einem Tisch am anderen Ende des Zimmers die Stelle gefunden, wo gewöhnlich ein Glas mit Zuckerwasser stand: dort füllte sie sich ihr Kröpfchen und kehrte dann zum Xeste zurück; mehrmals fiel sie auch in das Zuckerwasser hinein und winde dann mit einer Pinzette herausgeholt und in das Xest zurückgesetzt, ohne sich dadurch von der Wiederholung ihrer Besuche des Zuckerwassers abhalten zu lassen. 100 - in seinem Literaturverzeichnisse; er scheint sie jedoch nur flüchtig durchblättert zu haben. Ich brauche hiefür nur folgende Stelle (59, 1. Aufl. S. 119; 2. Aufl. S. 137) anzuführen, wo meine Ansicht über das Seelen- leben der Ameisen und der höheren Tiere vergleichend zusammengefaßt wurde: „In den unteren Tierkreisen überwiegt im allgemeinen die automatische Seite des Instinktes ganz bedeutend, während bei den höheren Tieren die plastische Seite durchschnittlich mehr in den Vordergrund tritt. Auch bei den Ameisen geht die erbliche Determination zu bestimmten Tätigkeiten weiter als bei den Hunden und Affen; der variierende Einfluß, den die individuelle Sinneserkenntnis auf die Betätigung der erblichen Instinkte ausübt, ist bei den letzten größer und mannigfal- tiger als bei den ersteren: insofern gleicht das Seelenleben der Ameisen mehr einem „Automatismus" als dasjenige der Säugetiere. Andererseits ist jedoch auch bei den Ameisen die plastische Seite des Instinktes vielfach hoch entwickelt, und sie äußert sich nicht selten in einer intelligenzähnlicheren Form als selbst bei den höchsten Wirbeltieren.'" — Diese Parallele zwischen den psychischen Fähigkeiten der Ameisen und der höheren Tiere halte ich auch heute noch (1908) als vollkommen richtig aufrecht. Zweitens. Die Behauptung Bethe's, daß die Ameise durch sinnliche Erfahrung nichts zu lernen vermöge, sondern alles, was sie im Leben tut, angeboren mit zur Welt bringe, steht mit zahlreichen Tatsachen des Ameisenlebens im Widerspruch und muß daher als unri c h t i g bezeichnet werden. Die betreffenden Tatsachen hätten Bethe wenigstens zum Teile bereits aus früheren Publikationen über die Ameisen von Forel, Lubbock und mir bekannt sein können. Eine spezielle Behandlung derselben hatte ich in einer früheren, Herrn Bethe bekannten Schrift (59) in einem eigenen Abschnitte „der vorgebliche Automatismus im Seelenleben der Ameisen" geliefert. Ich hatte damals noch keine Ahnung davon, daß es jemandem, der selber das Ameisenleben beobachtet hat, einfallen könne, die Ameisen zu bloßen Reflex- maschinen ohne Empfindung und Wahrnehmung zu machen. Meine damaligen Ausführungen waren somit nicht gegen die neue Theorie Bethe's gerichtet, die noch nicht existierte. Unter anderen, von Bethe völlig übersehenen Tatsachen ist daselbst auch bereits die folgende mitgeteilt. Einigen sanguinea meines Beobachtungsnestes J) war es nach vielen vergeblichen Versuchen endlich gelungen, einige Exemplare von Dinarda Märkeli, die ich ihnen hineingesetzt hatte, trotz der fast unangreifbaren Trutzgestalt dieser Käfer zu fangen ; die Gefangenen wurden getötet und aufgefressen. Diese an Dinarda Märkeli gemachte Erfahrung hatte nun die merkwürdige Folge, daß dieselben Ameisen ihre Fangversuche auch auf die ein wenig kleinere und daher noch schwerer zu fangende Dinarda dentata ausdehnten, welche bisher in diesem Neste (wie in allen sanguinea-N estern) als indifferent geduldeter Gast behandelt worden war. In ein paar Wochen hatten die Dinarda- Jägerimien ihre Geschicklichkeit im Fange so weit vervollkommnet, daß sie auch die D. dentata zu fangen vermochten und eine nach der anderen auffraßen, bis keine einzige Dinarda mehr im Neste war. Zur psychologischen Erklärung dieser Tatsache ist folgendes zu berücksichtigen. Die instinktive Duldung der D. dentata bei F. sanguinea beruht zwar in letzter Instanz auf der habituellen Unangreifbarkeit dieser Käfer; sie ist ein im Laufe vieler Jahrtausende erworbener Instinkt, der jedoch gegen- wärtig allen jungen F. sanguinea wirklich angeboren ist. Herr Bethe würde somit sagen „es ist ein erblicher Reflex." Das gewöhnliche Benehmen der Formica-Arten gegenüber der ihnen angepaßten Dinarda-Art (resp. Dinarda-Rasse) ist ein völlig friedliches. Nur hie und da springt eine Ameise, wenn sie eine Dinarda vorüberlaufen sieht, mit geöffneten Kiefern auf sie los und berührt sie mit den Fühlerspitzen, worauf der Käfer seine Hinterleibsspitze erhebt und dieselbe dem Munde der Ameise nähert: die Ameise zieht sich dann gleich wieder ruhig zurück. Dieses Benehmen der Ameisen gegen ihre Dinarda ist so wenig ein feindliches, daß G r i m, welcher es 1845 zum ersten Mal (zwischen F. ru/a und D. Märkeli) beobachtete, glaubte, die Ameise belecke die Hinterleibsspitze der Dinarda. Das war allerdings ein Irrtum; die gegenseitige Berührung ') Es ist dies das auf Taf. I abgebildete Beobachtungsnest der gemischten Kolonie von F. sanguinea mit mehreren Hilfsameisenarten. — 101 - zwischen der Hinterleibsspitze des Käfers und dem Munde der Ameise ist nur eine ganz flüchtige, momentane ; ich habe sie unzähligemal sogar unter der Lupe beobachtet und niemals dabei eine Leckbewegung an der Unterlippe der Ameise bemerkt. Jene Berührung scheint vielmehr auf den Geruchssinn der Ameise bloß einen beruhigenden Eindruck zu machen, so daß sie den Käfer nicht weiter verfolgt. Daß ein derartiger erblicher Instinkt, wie die indifferente Duldung der entsprechenden Dinar da-Rasse, durch die individuelle Erfahrung, welche die Ameisen AF. sanguinea) an einer anderen, ein wenig größeren Dinarda-Form gemacht, in kurzer Zeit in eine heftige Neigung zur feindlichen Verfolgung ihrer eigenen Dinarda-Rasse sich verwandeln kann, ist schon eine sehr merkwürdige Tatsache. Noch merkwürdiger ist es, daß überdies in derselben Zeit von wenigen Wochen auch die individuelle Geschicklichkeit der Ameisen im Fange der Dinarda sich durch Erfahrung und Übung so weit vervollkommnete, daß F. sanguinea die sonst für sie unangreifbare Dinarda dentata zu erwischen vermochte. Während sie anfangs auf die Hinterleibsspitze des Käfers, die derselbe ihnen sofort entgegenhielt, losstürzten und dieselbe vergeblich zu erfassen suchten, lernten sie allmählich, mit einem plötzlichen Sprunge von der Seite her einen Fühler oder ein Bein des Käfers zu ergreifen und ihn so festzuhalten; dann kamen andere Ameisen hinzu, faßten andere Extremitäten der gefangenen Dinarda und rissen sie als Beute in Stücke. Hier liegen Tatsachen vor, welche klar beweisen, daß auch Ameisen fähig sind, „selbständi g, aus unzweifelhaften Erfahrungen heraus, ihr Handeln zu modifiziere n." Ein vorurteilsfreier Beobachter wird hieran schwerlich zweifeln können. Auch die Tatsache, daß Ameisen ganz fremde echte Gäste, auf deren Geruchsstoff sie bei der ersten Begegnung in entschieden feindlicher Weise reagierten, durch individuelle Erfahrung als angenehme Wesen kennen lernen können und sie bald sogar wie ihresgleichen oder wie ihre eigene Brut pflegen, hätte Herrn Bethe bereits aus den „International in Beziehungen von Lomechusa strumosa" (24) einigermaßen bekannt sein können. Auch aus diesen Tatsachen ging bereits klar hervor, daß die Ameisen „selbständig und ohne Belehrung aus unzweifelhaften Erfahrungen heraus ihr Handeln zu modifizieren vermögen." Es scheint daher, daß die 1898 an mich gerichtete Aufforderung „D i e s soll W a s m a n n v o n d e n Ameisen nachweisen, es wird ihm nicht gelingen" — ein wenig zu spät erschienen ist. In vorliegender Arbeit wurde noch eine Reihe von neuen Beobachtungen mitgeteilt, welche den früher geführten Beweis bekräftigen, daß die Ameisen durch die sinnliche Erfahrung des Individuums wirklich manches zu „1 e r n e n" vermögen, was ihnen keineswegs „angehöre n'' war. Ich glaube nicht, daß Herr B. auch jetzt noch erklären wird, etwas derartiges existiere nicht ; denn er sagt am Schlüsse seiner Schrift (S. 98): „Ich will mich gern überzeugen lassen, daß auch die Wirbellosen, speziell die Hymenopteren, über psychische Qualitäten verfügen, wenn mir jemand vollgültige Beweise vorführt." 1) D r i t t e n s. Bethe hat ebendaselbst den Satz aufgestellt, die Hunde und Affen müßten alles erst lernen, genau wie der Mensch, selbst das Gehen und Fressen. Wer mit voller Unbefangenheit den psychischen Lebenserscheinungen in der Tierwelt gegenübertritt und das Tier nicht willkürlich zu vermenschlichen geneigt ist, wird zugeben müssen, daß jener Satz eine offenbare Ühertreibung enthalte und wegen dieser Übertreibung unrichtig sei.'2) Auch bei den höchsten Säugetieren ') In seiner Antwort auf die erste Aufl. dieser Schrift (Nochmals die psychischen Qualitäten, 1900, S 52 erklärt Bethe, noch nicht überzeugt zu sein durch jene Beweise: „Denn etwas strikt Beweisendes sehe ich in keinem Beispiel, weder in den früheren noch in den neuen. Sie wirken durch die große Masse, aber nicht, was allein wünschens- wert ist, durch die Wucht des Einzelnen. Sie sind alle mehr oder minder zweifelhaft, können so oder so gedeutet werden. Immerhin mag zugestanden werden, daß in einigen Fällen das Vorliegen einer Reizremanenz und von Modifikations- vermögen nicht unwahrscheinlich ist." Dieses Zugeständnis ist allerdings erfreulich, obwohl es die Beweiskraft jener Beispiele viel zu niedrig einschätzt. Das Urteil hierüber kann ich ruhig den psychologisch geschulten Lesern überlassen. 2) Bethe hat 1900 (Nochmals die psych. Qualitäten) S. 52 selbst zugegeben, daß jener Satz „willkürlich über- trieben" war. — 102 — geht die erbliche Determination zu bestimmten Tätigkeiten noch bedeutend weiter als beim Menschen. Was insbesondere das Gehen und Fressen der Hunde und Affen anlangt, hätte sich hier eine schöne Gelegen- heit geboten, die Reflextheorie auch auf die höheren Tiere anzuwenden ; denn gerade das sogenannte „Lernen" dieser Tätigkeiten untersteht nicht bloß bei den Ameisen, sondern auch bei den Hunden und Affen viel weniger dem psychischen Einfluß als die meisten übrigen ihrer instinktiven Handlungen. Wie eine frisch entwickelte Ameise anfangs nur langsam, unsicher und wackelnd ihre Beine beim Gehen zu bewegen vermag, so auch ein junger Hund oder ein junger Affe; ja auch das junge Menschenkind vermag sich anfangs, und zwar noch viel längere Zeit, nur wackelnd und unsicher zu bewegen — wenn die Mama es nicht bei der Hand führt, was man bisher bei den Hunden und Affen noch ebensowenig gesehen hat wie bei den Ameisen. Die Fertigkeit im Gehen wird allerdings bei den höheren Tieren weit langsamer erworben als bei den Glieder- tieren; aber das istorganisc h, nicht p s y c h i s c h zu erklären. Bei der Imago eines Insekts mit voll- kommener Verwandlung wie die Ameise ist das organische Wachstum des Individuums bereits fertig, wenn das Tier die Puppenhülle verläßt, während das junge Säugetier nach seiner Geburt noch Wochen, Monate oder Jahre lang weiterwachsen muß; daher ist es selbstverständlich, daß die Fertigkeit im Gebrauch der Bewegungsorgane bei einer jungen Ameise sich viel rascher entwickelt als bei einem jungen Hunde oder Affen. Das junge Menschenkind braucht noch weit länger als ein junger Affe, bis es allein gehen kann. Hier kommt bereits ein Unterschied hinzu, der zwischen den Ameisen und den Affen nicht besteht: das Menschenkind muß durch fremde Anleitung gehen lernen, wenn es diese Fertigkeit nicht unendlich langsam erwerben soll; bei den Affen ist eine derartige Notwendigkeit bisher ebensowenig konstatiert als bei den Ameisen. Aber auch beim ,,G ehen lernen" des Kindes ist dieses ,, Lernen" nur zum geringsten Teil ein psychischer Vorgang: der Hauptsache nach ist es auch hier eine bloße Einübung von Reflexbewegungen. Ahnlich verhält es sich mit dem „Fressen lernen." Auch hier ist der Unterschied zwischen den Ameisen und den Säugetieren ein weit geringerer als zwischen den höchsten Säugetieren und dem Menschen, soweit psychische Elemente hiebei in Betracht kommen. Der junge Hund oder Affe erkennt wie die junge Ameise durch den Geruchssinn unmittelbar seine ihm zusagende Nahrung infolge eines erblichen Instinktes, oder wie B. sagen würde, „eines erblichen Chemoreflexes"; das junge Menschenkind dagegen wäre schlimm daran, wenn es für seine Nahrungsaufnahme auf diesen Faktor angewiesen wäre. Es müßte, wenn es die Mutterbrust nicht mehr erhält, wirklich erst durch eigene sinnliche Erfahrung lernen, welche Nahrung ihm zusagt, welche nicht, da sein Instinkt hierin viel unvollkommener ist als jener des jungen Säugetieres. Wenn die Eltern des Kindes ihm den Lernprozeß nicht erleichterten, indem sie ihm die passende Nahrung reichen, würde das Kind in einer sehr fatalen Lage sich befinden bei seinem „Fressen lernen", während der junge Hund oder der junge Affe sich bereits selber zu helfen vermögen. Aller- dings wird auch bei den jungen Säugetieren der erbliche Instinkt, durch den sie ihre Nahrung am Gerüche usw. unmittelbar erkennen, noch überdies durch die sinnliche Erfahrung des Individuums vervollkommnet. Aber dasselbe ist, wenngleich in geringerem Grade, auch bei den Ameisen der Fall. Eine junge Ameise kann durch Lecken an einem trockenen Zuckerkrümchen, oder an einem andern Gegenstande, dessen Geruch sie durch keinen ererbten Instinkt kennt, die Erfahrung machen, daß der betreffende Gegenstand gut schmeckt, und sie kann dadurch ihre Naschhaftigkeit einem neuen, ihr völlig unbekannten Gegenstande zuwenden. Es scheint mir daher, daß jene beiden Beispiele vom ,, Lei-neu" des Gehens und Fressens etwas ganz anderes beweisen, als sie nach der Absicht Bethe's beweisen sollten. Bei näherer Prüfung zeigt sich klar, daß gerade in diesen Punkten eine weit größere Ähnlichkeit zwischen den Ameisen und den höheren Säuge- tieren besteht, als zwischen den höheren Säugetieren und dem Menschen. Bethe hat ebenso wie H. E. Ziegler und andere moderne Tierpsychologen unter dem Begriff des „Lernen s" eine Reihe ganz verschiedenartiger Dinge vermengt, welche man im Interesse einer kritischen Psychologie genau voneinander unterscheiden muß. Nicht j e d e vom Individuum ,,e r 1 er n t e" Tätigkeit - 103 — beruht auf einem intelligenten Lernen. Daher ist es völlig unzulässig, das Lernen schlechthin zu in K r i t e r i u m der „Intelligenz" zu machen, wie die moderne Tierpsychologie es tut, oder zum Kriterium der psychischen Qualitäten, wie Bethe es versucht hat. Vielleicht können die folgenden Ausführungen dazu dienen, diesen Irrtum aufzuklären. Ich bitte, dieselben vorurteilslos zu prüfen, ohne Rücksicht auf irgend ein „philosophisches System." Man muß meines Erachtens ein sechsfaches „Lerne n" auf Grund der biologischen Tat- sachen unterscheiden : 1. Erste Form des Lernens. Die erste und einfachste Form desselben zeigt sich bei jenen Fertigkeiten, welche vom Individuum durch bloße Einübung von Reflexbewegungen erworben werden. Sie beruht auf einem ererbten Reflexmechanismus und hat mit „Intelligenz" gar nichts zu schaffen. Hieher gehört z. B. die ebenerwähnte Art und Weise, wie die Ameisen und die höheren Tiere „Gehen lernen". Die Gehbewegungen, an sich betrachtet, sind Reflexbewegungen. Daß der ererbte Mechanismus, welcher ihnen zugrunde liegt, infolge der Übung vollkommener und rascher funktioniert, ist nicht eine Folge der sinnlichen Erfahrung des Tieres, sondern eine Folge der durch die Tätigkeit des betreffenden Reflex- mechanismus (Nerven- und Muskelmechanismus) erhöhten mechanischen und physiologischen Funktions- fähigkeit desselben. Hiezu kommt allerdings ein psychisches Element. Das Tier,1) ja auch der Mensch, hat den instinktiven Trieb, seine Bewegungsorgane zu gebrauchen. Dieser Trieb umschließt das psychische Element der sogenannten Muskelgefühle; der Vorgang ist daher nicht ein rein reflektorischer zu nennen, weil der Trieb zur Bewegung durch jene Muskelgefühle ausgelöst wird. Falls die Bewegung durch die sinnliche Wahrnehmung irgend eines äußeren Objektes veranlaßt wird, welchem das Tier sich nähert oder vor welchem es flieht, so kommen selbstverständlich noch die psychischen Elemente des sinnlichen W a h r n e h m u n g s- und Strebe Vermögens hinzu. Beim Menschen tritt, wie die Erfahrung an uns selber beweist, häufig noch irgend eine intelligente Erkenntnis, eine intelligente Absicht zur Leitung seiner Bewegungen als n e u e s psychisches Element zu den ebengenannten hinzu. Den Tieren dürfen wir dieses letztere Element erst dann zuschreiben, wenn die sinnliche Wahrnehmung und Vorstellungsverbindung nicht mehr ausreicht zur Erklärung der betreffenden Tatsachen. Solche Tatsachen sind jedoch meines Wissens bisher nicht erbracht worden. Die einfachste und ursprünglichste Form des „L e r n e n s" ist somit ihrem Wesen nach eine bloße Einübung von R e f 1 e x b e w e g u n g e n, welche durch einen instinktiven Trieb verursacht und durch die Muskelgefühle des Individuums ausgelöst wird. Das psychische Element ist hier noch ein relativ sehr unbedeutendes. E)ie jungen Lämmchen springen, weil ihre Muskelgefühle sie dazu reizen, und weil das Nichtspringen eine unangenehme Hemmung des unklar empfundenen Springbedürfnisses wäre. Durch diese instinktive Übung ihres reflektorischen Springvermögens 1 e r n e n sie immer besser und sicherer zu springen. Ebenso ist auch das „Spielen" der jungen Hunde und Katzen am natürlichsten zu erklären.-) sowie die „Spiele", welche die Formica- Arten ausführen, wenn sie in den ersten Strahlen der warmen Frühlingssonne klumpenweise auf der Nestoberfläche sich sammeln. Ich habe diese Spiele der Ameisen l) Selbstverständlich kann hier nur von jenen Tieren die Rede sein, welche ein Zentralnervensystem und quer- gestreifte Muskelfasern besitzen. ?) Groos, „Die Spiele der Tiere" (Jena, 1896, 2. Aufl. 1907) hat den sogenannten Spielen bei den höheren Tieren zum Teil eine Erklärung untergelegt, welche in der Vermenschlichung des Tieres zu weit zu gehen scheint. Bezuglich der Spiele der Ameisen (1. Aufl. S. 125 u. 135), die er mit Büchner als Jagdspiele und Kampfspiele deutet, wird man wohl ebenfalls zugeben müssen, daß diese Deutung einer absichtlichenVorbe r e i t u n g auf spätere ernste Gelegenheiten in den betreffenden Tatsachen nicht begründet ist. Vgl. auch das Referat von Max Ettlinger über die 2. Aufl. jenes Buches in der ..Zeitschrift f. angewandte Psychologie", Bd. I, Heft 4 — 5, 1907. 104 — sowohl im Freien als auch in meinen Beobachtungsnestern von F. rufa, pratensis und sanguinea häufig beobachtet. Mehr dahinter zu suchen, als eine instinktive Betätigung und Einübung reflektorischer Bewe- gungen, ausgelöst durch einen in Muskelgefühlen sich kundgebenden physiologischen Reiz, das halte ich nicht für begründet, weder bei den Ameisen noch bei den höheren Tieren. 2. Zweite Form des Lernens. Eine zweite Form des „Lernen s" ist jene, wo die neue individuelle Handlungsweise durch d i e selbständige sinnliche Erfahrung des Tieres erworben wird. Sie beruht hauptsächlich auf dem Gesetze der Berührungsassoziation: wenn in der Erfahrung mehrere Eindrücke tatsächlich aufeinanderfolgen, so erweckt später die Wiederkehr des ersten Eindruckes auch die Vorstellung des zweiten, der mit ihm verbunden war. Dieses Lernen durch Sinneserfah- rung (by sense-experience, wie Lloyd Morgan es nennt) muß als die hauptsächlichste und wichtigste Form des Lernens beim Tiere bezeichnet werden. Sie bildet zugleich auch die Grundlage für die fünfte Form des tierischen Lernens (Lernen durch Abrichtung). Alle tatsächlichen Beweise für die Annahme einer sogenannten Tierintelligenz sind entweder direkt oder indirekt auf das Lernen durch Sinneserfahrung zurückzuführen. Aber auch beim Menschen ist sie von großer Bedeutung und bildet den Ausgangspunkt für die höheren, ihm eigentümlichen Formen des Lernens (für die dritte und sechste Form). Wir werden daher die psychischen Faktoren der zweiten Form des Lernens besonders sorgfältig zu prüfen haben, um ihren wahren psychologischen Wert zu erkennen. Daß diese Form des Lernens beim Menschen sich findet, ist jedem bekannt. Aber auch bei den Tieren, sowohl bei den Wirbeltieren wie bei den Insekten, ist sie weit verbreitet. Auf diese Weise lernen z. B. die Ameisen neue echte Gäste (Claviger, Atemeies, Lomechusa, Hetaerüts usw.) kennen, deren Geruch sie anfangs zum feindlichen Angriff reizte. Indem sie jedoch durch zufällige Berührung ihres Mundes mit den gelben Haarbüscheln des Käfers die angenehme Erfahrung machen, daß es hier etwas zu lecken gibt, verwandelt sich oft schon innerhalb weniger Minuten ihr feindseliges Verfahren in ein friedliches. Sie reagieren fortan auf die Geruchs- und Gesichtswahrnehmung des neuen Gastes nicht mehr feindlich, sondern pflegen und füttern ihn sogar. Selbst andere, später hinzugesetzte Individuen derselben Käferart werden dann vielfach unmittelbar aufgenommen, selbst wenn sie mit einem fremden Ameisengeruch in ihr Nest kommen. Es ist diese Erscheinung nur daraus erklärlich, daß sich infolge der an dem ersten Individuu m gemachten angenehmen Erfahrungen eine neue sinnliche Assoziation gebildet hat, vermöge welcher bereits der erste Eindruck, den der zweite Käfer auf sie macht, ein ganz verschiedener ist von demjenigen, welchen der erste Käfer bei der ersten Begegnung auf sie gemacht hatte. Nach der modernen Definition der Tierintelligenz müßte man sonach den Ameisen unbedingt „Intelligen z" zuerkennen, allerdings nur durch einen Mißbrauch dieses Wortes. Weiterhin gehört in dieselbe zweite Klasse von biologischen Erscheinungen auch die obenerwähnte Tatsache, daß die Formica sanguinea meines Beobachtungsnestes ihren früher in normaler Weise indifferent geduldeten Gast Dinarda dentata feindlich anzugreifen, zu fangen und zu töten lernten infolge der Erfah- rungen, welche sie an einer nahe verwandten, ein wenig größeren Rasse von Dinarda (D. Märkelt) gemacht hatten.1) Hier kommt jedoch zu dem völlig selbständigen Lernen des Individuums noch ein einflußreiches neues psychisches Element hinzu, nämlich die Anregung des Nachahmungstriebes, welche von einer oder wenigen einzelnen Ameisen ausgehend auf andere Individuen derselben Kolonie sich ausdehnt und sie zu demselben Benehmen gegenüber dem betreffenden Gaste veranlaßt. Das „Lernen" infolge der instinktiven Nachahmung des Verhaltens anderer Wesen wird in einem eigenen Abschnitte als vierte Form des Lernens behandelt werden. Daher sei hier nur bemerkt, daß wir bei dem Vorgange, wie die Vgl. oben s. il u. 100 ff. — 105 — Ameisen jenes Nestes „lernten", die Dinarda zu verfolgen, ein doppeltes psychisches Element unterscheiden müssen: a) Die selbständige individuelle Erfahrung der einzelnen Ameise. b) Die s i n n 1 i c h e W a h r n e h m u n g des Benehmens anderer Gefährtinnen und die instinktive Na c hahmung desselben. Die nämlichen zwei Elemente finden wir auch in den psychischen Lebensäußerungen mancher höheren Tiere, z. B. der Hunde wieder. Ein Jagdhund kann durch seine eigene sinnliche Erfahrung ein neues Wild „kennen lernen" und verfolgt dasselbe später mit besonderem Eifer, sobald er nur auf die Geruchsfährte dieses Wildes stößt. Ein anderer Jagdhund, der das Benehmen des ersteren bemerkt und instinktiv nachahmt, kann dadurch auf die Verfolgung desselben Wildes gelenkt werden, das er sonst vielleicht nicht verfolgt hätte. Für die individuelle Geschicklichkeit, welche manche Ameisen jener gemischten Kolonie bei ihrem Dinarda-F&ng sich erwarben, ist a das maßgebende Element, während b hier zurücktritt. Die einzelnen Ameisen mußten selber die wiederholte zufällige Erfahrung machen, daß eine Dinarda von hinten nicht erwischt werden könne, wohl aber von der Seite oder von vorne, indem sie mit einem plötzlichen Sprunge einen Fühler oder ein Bein des Käfers zu erhaschen suchen. Durch diese Erfahrungen ist es erklärlich, daß eine Ameise, wie ich wiederholt beobachtete, zu einem Sprunge auf den Käfer sich einige Sekunden lang gleichsam duckte und dann in der angegebenen Weise plötzlich auf ihn losfuhr. In ähnlicher Weise vermögen auch die Katzen und andere höhere Baubtiere ihre instinktive Geschicklichkeit im Fange der Beute durch sinnliche Erfahrung zu vervollkommnen. Wie bei den Ameisen so wird auch bei ihnen ohne Zweifel überdies eine reflektorische Vervollkommnung der Fangbewegungen durch die wiederholte Übung erworben; aber bei den Ameisen wie bei jenen höheren Tieren steht diese Vervollkommnung unter der Leitung des sinnlichen Wahrnehmungsvermögens des Tieres und wird durch die früher gemachten sinnlichen Erfahrungen wesentlich unterstützt. Die zweite Form des „Lernens" der Tiere ist befriedigend erklärlich aus ihrem sinnlichen Erkenntnis- und Strebe vermögen: es handelt sich hier bloß um eine durch wiederholte sinnliche Erfahrung gebildete neue Assoziation sinnlicher Vorstellungen und Triebe. Dieses Assoziationsvermögen bezeichnete man früher als sinnliches Gedächtnis (memoria sensitiva). Man kann daher den Tieren ein sinnliches Gedächtnis zuschreiben, ohne ihnen Intelligenz zuzuschreiben. Durch die Vernachlässigung dieser wichtigen Unterscheidung ist die moderne Tierpsychologie zu ihrer Annahme einer „Tierintelligenz" gelangt. Ein wirkliches Schlußvermögen, also eine Intelligenz im eigentlichen Sinne des Wortes, brauchen wir zur Erklärung dieser Erscheinungen nicht anzunehmen ; daher dürfen wir es auch nicht. Denn wir müssen streng festhalten an dem folgenden Fundamentalsatz einer kritischen Naturforschung: man darf keine h ö h e r e n Faktoren zur Erklärung der betreffenden Tatsachen herbeiziehen, wenn einfachere, niedere Faktoren genügen. Sonst sind wir der kritiklosen Vermenschlichung des Tierlebens unrettbar ausgeliefert. Daß wir den Ameisen ein assoziatives Gedächtnis zuschreiben müssen, welches auf der Summierung einer Beihe von Sinneserfahrungen beruht, wurde bereits oben (im Kap. IV, S. 34 ff.) beim Orientierungsvermögen von Formica sanguinea und rufibarbis erwähnt. Aus meinen zahl- reichen Beobachtungen, die bei anderen Erscheinungen des Ameisenlebens ebenfalls die Annahme eines Gedächtnisses dieser Tiere fordern, seien hier nur folgende erwähnt, die sich auf die Bewachung der Puppen- wiegen von Lomechusa und Atemeies beziehen. Wenn ich die Ameisen aus einem Beobachtungsneste (z. B. einem Lubbockneste) in ein anderes umziehen lassen wollte, gab ich in das neue Nest feuchte Erde, streute Zucker in die Gänge desselben, bedeckte die obere Glasscheibe mit einem schwarzen Tuch und verband das neue Nest durch eine Glasröhre mit dem alten; letzteres wurde erhellt, und die Ameisen durch Klopfen auf die Glasscheibe etc. gestört. In wenigen Zoologica. Heft 2«. 1-t — 106 Stunden wanderte dann die ganze Kolonie mit „Rind und Kegel" aus dem alten Neste von selber in das neue hinüber. Dieses Auswanderungsexperiment gelang jedoch nicht oder nur sehr schwer, nach mehr- tägigem Widerstände der Ameisen, wenn dieselben im alten Neste Larven oder Puppen von Lomechusa oder Atemeies in der Erde eingebettet hatten. Zwei besonders charakteristische Fälle dieser Art beobachtete ich Ende Juni und Anfang Juli 1904 an einem sanguinea-Neste und einem rufibarbis-Neste; ich gehe nur auf den letzteren Fall hier näher ein. In einem Lubbockneste von F. rujibarbis waren zahlreiche Larven von Atemeies paradoxus erzogen worden; die Einbettung der letzten dieser Larven hatte schon vor vierzehn Tagen statt- gefunden. Durch die untere Glasscheibe des Nestes konnte ich in die meisten Puppenwiegen hineinsehen und die Entwicklung der Larven, Puppen und Käfer verfolgen; von oben war nur hie und da eine kleine kuppeiförmige Erhöhung der Erdschicht zu bemerken.1) Ich wollte nun, um die Entwicklungsstadien der Käfer für mikroskopische Zwecke zu erhalten, die Ameisen zum Umzug in ein neues Lubbocknest bewegen (nach der oben beschriebenen Methode). Aber wahrend die Ameisen vorher sich gar nicht weiter um die eingebetteten Käferlarven gekümmert hatten, hielten sie jetzt, nachdem das alte Nest erhellt worden war, konstant W a c h e ü b e r d e n P u p p e n w i e g e n und waren selbst durch grobe Störungen (Klopfen auf die Glasscheibe, Schütteln des Nestes usw.) nicht von den betreffenden Stellen zu vertreiben. Mehrere Tage lang waren meine Versuche, sie zur Auswanderung zu bewegen, vergeblich : ich mußte schließlich das Nest öffnen und die letzten der wachehaltenden Ameisen mit der Pinzette abfangen. Daß diese Ameisen durch ihr G e d ä c h t nis die Stellen, wo die Larven eingebettet worden waren, genau kannten, scheint mir aus dieser Beobachtung zuverlässig hervorzugehen. An einer frisch geöffneten, leeren Puppenwiege hielten sie nicht mehr Wache, sondern nur an jenen Stellen, wo noch Puppen (oder Käfer) in der Erde lagen. Es kann also nicht ein bloßer „Ghemoreflex" gewesen sein, der sie an den betreffen- den Stellen ..festhielt", sondern wir müssen hier einen assoziativen Gedächtnis Vorgang annehmen. Ein das Tierleben willkürlieh vermenschlichender Beobachter könnte allerdings leicht geneigt sein, der \iueise, welche einen neuen, ihr früher unbekannten echten Gast (z. B. Atemeies) aufnimmt, folgendes logische Schlußverfahren unterzulegen: Dieser von mir' anfangs für ein bloßes Beutetier gehaltene Käfer ist ja ganz angenehm zu belecken: zudem benimmt er sich in anständiger Weise wie eine freundliche Ameise und betrillert mich mit seinen Fühlern: deshalb will ich ihn als ein angenehmes Haustier behandeln und in meine Gesellschaft aufnehmen. Ebenso könnte ein oberflächlicher Beobachter den Ameisen bei ihrem Dumrdci-Fang den intelligenten Schluß unterschieben: Diese Kerle, die ich bisher ruhig geduldet habe, lassen sich also doch erwischen, wenn man es nur geschickt anzustellen weiß; zudem schmeckt ihr Fleich ganz vorzüglich ; deshalb ziehe ich es vor. sie zu fangen und zu fressen, anstatt sie zu dulden wie ich bisher getan. Ferner würde ein Anhänger der „Vulgärpsychologie" den Ameisen, die über den Puppenwiegen von Atemeies oder Lomechusa hartnäckig Wache halten, das Schlußverfahren unterlegen: Hier liegt ein Schatz verborgen, den man mir rauben will: deshalb weiche ich nicht von der Stelle, von der man mich zu vertreiben sucht; gerade weil ich diese Absicht merke, darum bleibe ich da! — Das wären in der Tat ganz lächerliche Vermenschlichungen des Tierlebens, weil eine derartige Erklärung in den betreffenden Tatsachen keine Begründung findet. Wenn man dagegen auf Grund derselben Tatsachen den Ameisen das Vermögen zuschreibt, d u r c h sei b s t ä n d i g e s i n n 1 i c he Erf a h r u n g neue A ssoziationen z u b i 1 d e n u n d d a d u r c h zu I e r n e n, so vermenschlicht man das Tierleben nicht: denn diese Erklärung wird eben von den Tatsachen gefordert. Wir nehmen die psychischen Faktoren nur so weit zu Hilfe als es nötig ist, weiter nicht. Sowohl die Ameisen wie die höheren Tiere besitzen also das Vermögen, durch selbständige sinnliche Erfahrung auf dem Wege der Berührungsassoziation manches zu „lernen", was über ihre angeborenen *) Die Puppengehäuse der Larven von Lomechusa und Atemeies gleichen einer größeren oder kleineren Erbse und sind innen mit einem sehr feinen Seidengespinnst ausgekleidet. 107 — Instinkte hinausgeht. Ich gebe auch gerne zu, daß dieses Vermögen bei den höchsten Säugetieren ein weiteres und allseitigeres ist als bei den Ameisen. Aber sie deshalb zu i n t e 1 1 i t,r e n t e n Wesen zu erheben und ihr Lernen als einen Beweis einer w i r k 1 i c li e n, in e n s c li e n ä h n 1 i c h e n Intelligenz auszugeben, das wäre auch bei den höheren Tieren e i n e will k ü r 1 i c h e V e r m e n s c h 1 i c hung des Tierlebens. Auch das selbständige, auf sinnlicher Erfahrung beruhende Lernen der höheren Tiere läßt sich aus derselben Basis der sinnlichen Vorstellungsassoziation erklären wie bei den Ameisen. Daß die betreffenden Sinneswahrnehmungen, auf denen bei den höheren Tieren die sinnliche Erfahrung des Individuums beruht, großenteils durch andere, höchstens analoge Sinnes- organe vermittelt werden als bei den Gliedertieren, berechtigt nicht dazu, das „Lernen"" der höheren Tiere auf einen wesentlich höheren psychischen Faktor zurückzuführen als das „Lernen" der Ameisen. Daher dürfen wir auch bei den höheren Tieren die durch individuelle Sinneserfahrung erworbenen Tätigkeiten so lange nicht auf ein wirkliches D e n k v e r möge n, auf eine wirkliche Intelligenz des Tieres beziehen, solange einfachere Faktoren zur Erklärung der Erscheinungen genügen. Zu dem nämlichen Ergebnisse kamen auch Thorndike und Lloyd .Morgan bei ihren Versuchen mit höheren Wirbeltieren. Was Thorndike als „Lernen durch Zufall" (by accidental success) und Lloyd -Morgan als ,,D i e Methode des Versuchens und Irren s" (Method of trial and error) bezeichnet, ist nämlich mit dieser zweiten Form des Lernens (Lernen durch Sinneserfahrung) identisch. Einige der betreffenden Versuche sollen dies hier kurz erläutern. E d w. T h o r n d i k e 1) machte eine Reihe von Experimenten mit Hunden und Katzen, um zu prüfen, ob die Behauptung von Romanes richtig sei, daß diese Tiere „durch eigene Überlegung" das Öffnen einer Tür lernen könnten. Er schloß die Versuchstiere in einen Käfig ein, dessen Tür nur durch Aufdrücken einer Klinke geöffnet werden konnte. Das Ergebnis war, daß jedes dieser Tiere tatsächlich stets d u r c h bloßen Zufall zum erstenmal die Bewegung machte, die mit dem Öffnen der Türe zusammenhing. Durch diese sinnliche Erfahrung bildete sich bei ihm dann allmählich eine feste Assoziation aus zwischen jener Bewegung und dem Triebe, hinauszukommen. Thorndike beantwortet daher die Frage, ob Hunde und Katzen das Öffnen einer Türe bloß durch Zufall lernen, ganz entschieden bejahend : certainly they do (p. 40). Dagegen konnte er bei allen seinen Versuchen auch nicht die geringste Spur eines Schlußverfahrens (inference) von seite des Tiers wahrnehmen. Eines derselben mochte dem anderen noch so oft zugesehen haben beim erfolgreichen Öffnen der Türe, es kam nicht auf den „Gedanken" das Manöver nachzumachen, weil es den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung nicht begriff! Auch die Affen, mit denen Thorndike2) später experimentierte, mußten den Handgriff, der zum Öffnen der Türe ihres Käfigs führte, stets durch eigene, anfangs rein zufällige Erfahrung lernen. Auch sie v e r m o c h t e n s ic h ü b e r d i e s e zweite F o r m des Lernens n i c h t z u e r h e b e n. Es nutzte nichts, wenn er ihnen den betreffenden Handgriff noch so oft vormachte; ebenso- wenig, wenn er den einen Affen zusehen ließ, wie der andere das Experiment ausführte; ja nicht einmal, wenn Thorndike die Hand des Affen nahm und dieselbe bei Ausführung des Experimentes leitete, vermochte M Animal Intelligence. An experimental study of thc assoziative processes in animals. New-York 1898. (Psychological Review, Monograph .Supplement No. 8.) 2) The mental life of the monkeys, 1901 (Psychological Review, Monograph Supplement No. 15). (Siehe auch .">». 3. Aufl. 1905, S. 197 ff). — Er unterscheidet daselbst (p. 2) drei Methoden des Lernens: 1. learning by trial and acci- dental success; 2. learning by imitation: 3. learning by ideas. Die erste entspricht unter den 1899 (95) von mir aufgestellten Formen des Lernens meiner zweiten Form, die zweite meiner vierten Form, die dritte meiner dritten und sechsten Form. Der Einfluß der Unterweisung (influence of tuition p. 31 ff), wird bei Thorndike auf die zweite und dritte seiner Formen des Lernens verteilt. Tatsächlich konnte er bei seinen Versuchstieren, sowohl bei Hunden und Katzen (1898) als auch bei Affen (1901) nur die erste seiner Formen des Lernens nachweisen. Von einem Lernen durch „free ideas" (durch freie Vorstellungen, d. h. durch Begriffsbildung) fand sich keine Spur. Siehe auch unten (bei der dritten Form des Lernens) Thorndikes Urteil über den Mangel des Denkvermögens bei den Tieren. — 108 — das Tier jenes einfache Experiment nachher auch selber auszuführen. Thorndike hatte daher völlig recht darin, daß er mit dem populären Vorurteil, das Lernen der Tiere beruhe auf „Denken"', reine Bahn machte! Auf seine Schlußfolgerungen werden wir bei der dritten Form des Lernens noch zurückkommen. Auch die Hunde, mit denen Lloyd Morgan1) seine Versuche anstellte, vermochten sich in ihrem selbständigen Lernen nur bis zur zweiten Stufe desselben zu erheben, nämlich so weit, als sie durch wiederholte direkte Sinneserfahrung mittelst der sinnlichen Assoziationsgesetze geleitet wurden. Wie sie dabei der „Methode des Versuchens und Irrens" folgten, zeigt unter anderen Beispielen die Art und Weise, in welcher ein Foxterrier Morgans lernen mußte, die Türklinke eines Hoftores zu öffnen (p. 291 ff.). Er lief anfangs aufs Geratewohl zu dem vergitterten Tore und steckte seinen Kopf zwischen die Gitterstäbe, um hinauszusehen; dabei berührte er manchmal zufällig mit seinem Kopfe die Türklinke von unten, so daß dieselbe sich hob und das Tor aufging. Aber es dauerte beinahe drei Wochen, bis sich zwischen der richtigen Stelle des Tores und den Versuchen des Hundes, hinauszukommen, eine feste Assoziation in dem Hunde- gehirn gebildet hatte. Aus diesen und ähnlichen zahlreichen Beobachtungen schließt Lloyd Morgan (p. 259) : „Was die Beobachtungen zeigen, soweit die erwähnten Hunde in Frage kommen, ist, daß ihre Methode, die Schwierigkeiten zu überwinden, diejenige des Versuchens und Irrens, d. h. d i e M e t h o d e der Sinneserfahrung ist. Mit anderen Worten, die beobachteten Tatsachen können vollständig erklärt werden in der Voraussetzung, daß nur die Sinneserfahrung sie leite t." Wie wir bei der dritten Form des Lernens sehen werden, spricht sich daher Lloyd Morgan entschieden gegen die Annahme eines Denkvermögens auch bei den höheren Tieren aus.2) Zwischen der ersten und zweiten Form des Lernens gibt es selbstverständlich manche Übergänge. Ein Beispiel hiefür bietet der Prozeß, wie die jungen Ameisen „lernen", auf den Geruchsstoff jener Gefähr- tinnen, in deren Gesellschaft sie die ersten Tage ihres Imagolebens zubringen, friedlich zu reagieren, selbst wenn diese einer fremden Art angehören, während sie auf den Geruchsstoff andrer Ameisen, ja sogar auf denjenigen ihrer eigenen Schwestern, aus deren Kolonie sie als Puppen geraubt wurden, feindlich zu reagieren „lernen". Es handelt sich hiebei um die nachhaltige Wirkung der ersten sinnlichen Eindrücke, denen das Individuum in jener Phase seiner individuellen Entwicklung ausgesetzt ist, in welcher das Unter- scheidungsvermögen der Ameisen für verschiedene Geruchsstoffe sich ausbildet und in welcher auch der Eigengeruch der betreffenden jungen Ameise selbst einen bleibenden, individuellen Charakter erhält (vgl. oben S. 19 und 20). Dieser Vorgang ist zwar minder reflektorisch als die instinktive Einübung eines Bewegungsmechanismus, aber doch andererseits in geringerem Grade von psychischen Elementen beeinflußt, als z. B. das Kennenlernen neuer echten Gäste durch die erwachsenen Ameisen. 3. Drifte Form des Lernens. Eine dritte Form des Lernens ist jene, wo die neue Handlungsweise des Individuums nur daraus erklärlich ist, daß es aus früheren Erfahrungen auf neue Verhältnisse selbständig schließt. Ein derartiges Lernen bietet einen wirklichen ') Introduction to comparative Psychology, 2. Ed. 1903, pp. 241 ff., 253 ff., 291 ff., 305 ff. Über die zweite Form des Lernens bei manchen niederen Tieren siehe H. J e n n i n g s, Contributions to the study of the behavior of lower organisms (Carnegie Institution 1904) pp. 237 ff. (The method of trial and error in the behavior of lower organisms) ferner: Modifiability in behavior (Journal Experiment. Zoology, II. No. 4, 1905, pp. 447 — 494; Behavior of the starfish Astcrias Forreri (Univ. Calif. Publications, Zool. IV. No. 2, 1907, pp. 53—185). '-) Obwohl er den Tieren die Fähigkeit, Relationen zu erkennen und begrifflieh zu denken, nicht zuerkennen will, spricht er ihnen wegen der zweiten Form des Lernens dennoch „Intelligenz" zu; aber er versteht eben unter Intelli- genz nur das sinnliche Assoziationsvermögen, insofern es die Handlungen des Tieres zweckmäßig leitet. In dieser Begriffsbestimmung der Intelligenz kann ich ihm natürlich nicht beistimmen, da Intelligenz die Einsicht in die Beziehungen der Dinge bedeutet. Siehe 58, 3. Auf., S. 207. — 109 — Beweis für die Intelligenz des betreffenden Wesens; denn hier genügen nicht mehr die durch sinnliche Erfahrung unmittelbar gebildeten neuen Vorstellungsassoziationen (die zweite Form des Lernens), sondern es kommt noch ein wesentlich höheres psychisches Ele- ment hinzu: Das intelligente Vergleichen früherer Verhältnisse mit den neuen, und die aus diesem Vergleiche gezogenen Schi ü s s e. Ein solches „Lernen" ist unerklärlich ohne das Vermögen einer wirklichen intelligenten Einsicht in die Beziehungen zwischen Ursache und Wirkung, zwischen Mittel und Zweck. Es setzt somit bei dem Indivi- duum, welches in dieser Weise zu „lernen" vermag, eine Intelligenz im wirklichen und eigentlichen Sinne des Wortes voraus. Wir müssen jetzt genau zusehen, ob ein Lernen, das auf diese psychischen Faktoren mit Sicherheit hinweist, bei den Ameisen oder bei den höheren Tieren vorhanden ist. Davon wird die Entscheidung abhängen, ob wir den Ameisen oder den höheren Tieren Intelligenz zuschreiben dürfen oder nicht. Bei den Ameisen sind keine Tatsachen bekannt, welche eine derartige Erklärung fordern.1) Bethe hat, wie wir oben (S. 90) gesehen, durch seinen über einer Straße von Lasius niger angebrachten, allmählich höher geschraubten Honigapparat die früheren Ergebnisse von Lubbock und mir durchaus bestätigt, daß es den Ameisen unmöglich ist, in diesem Sinne durch frühere Erfahrungen zu „lernen". So einfach und naheliegend es auch für einen noch so beschränkten Ameisenverstand gewesen wäre, bei der allmählich sich vergrößernden Distanz zwischen dem Honig und ihrer Straße den Schluß zu bilden: „um zu dem Honig zu gelangen, müssen wir etwas Erde aufhäufen" — so wurde dieser Schluß trotzdem von den Ameisen nicht gemacht. Ein scheinbar für die wirkliche Intelligenz von Formica sangninea sprechendes Beispiel ist von mir bereits früher (59 S. 85; 2. Aufl. S. 98) berichtet und erklärt worden. Auf die Mitte der Nestoberfläche eines Nestes von F. sanguinea, das in einer großen Kristallisationsschale sich befand, wurde ein weites, mit Wasser gefülltes Uhrglas gesetzt, in dessen Mitte eine kleine Insel errichtet war, auf welcher Ameisenkokons sich befanden, die ich den Ameisen aus ihrem eigenen Neste vorher genommen hatte. Die herzukommenden Ameisen streckten ihre Fühlernach den Kokons aus und versuchten anfangs vergeblich, zu ihnen zu gelangen; sobald sie mit den Vorderfüßen in das Wasser gerieten, kehrten sie um, wiederholten jedoch den vergeblichen Versuch immer wieder. Plötzlich begann eine sanguinea ein ganz anderes Verfahren. Sie trug Erdklümpchen, Holzstücke, Ameisenleichen und andere feste Gegenstände herbei und warf dieselben in das Wasser. Andere Ameisen folgten ihrem Beispiele und bald hatten sie einen Weg über das Wasser hergestellt. Nach Verlauf einer Stunde seit Beginn meines Experimentes hatten sie bereits sämtliche Kokons mittelst dieser „schwimmenden Brücke" von der Insel abgeholt. Als Kontrollversuch hatte ich später dasselbe Uhrglas, bloß mit Wasser gefüllt, wiederum auf dieselbe Stelle der Nestoberfläche gesetzt. Jetzt lag kein Grund für die Ameisen vor, eine „schwimmende Brücke" zu bauen, da es nichts abzuholen gab, und die Ameisen deshalb auch keine besonderen Versuche machten, in das Schälchen hineinzugelangen. Sie holten sieh nur zufällig nasse Füße, während sie das neue Objekt an den Bändern untersuchten. Diese unangenehme Erfahrung bewog sie dazu, auch diesmal nach und nach das Wasser mit Erde und anderen festen Stoffen zu bedecken. Ein ähnliches Verfahren befolgen sie auch sonst, wenn eindringendes Wasser oder klebrige Gegenstände in ihrem Neste ihnen einen unangenehmen Eindruck bei Begegnung mit denselben machen. Diese Erscheinung gehört unter die bei der zweiten Klasse des Lernens erwähnten biologischen Tatsachen und bietet deshalb keinen Beweis für eine „intelligente Absicht" der Tiere, weil es durch die unmittelbaren sinnlichen Erfahrungen derselben befriedigend erklärlich ist. Aus diesem Kontrollversuche hatte ich geschlossen, daß auch im ersteren Falle, wo die Ameisen eine „schwimmende Brücke" scheinbar zu dem intelligent beabsichtigten Zwecke gebaut hatten, um zu den Kokons zu gelangen, man eine solche intelligente Absicht ihnen nicht unter- legen dürfe. Allerdings war in jenem Falle die sinnliche Aufmerksamkeit der Ameisen auf ein bestimmtes Siehe hierüber auch 21, 3. Abschnitt: 58, :;. Aufl. 1905, 59, 2. Aufl. 1900, bes. S. 91 ff., 109 ff. — 110 — Ziel gerichtet, welches in der Mitte des betreffenden Wasserbassins sich befand; sie strebten unleugbar darnach, zu den Kokons zu gelangen. Aber daß sie um das Ziel dieses Strebens zu erreichen, den inte 1- ligenten Schluß gezogen haben „also müssen wir eine Brücke bauen, u m d o r t- h i n zu gelange n" - das ist meines Erachtens durchaus unbewiesen. Deshalb dürfen wir diese Erklärung nicht anwenden, weil eine einfachere genügt. Diese einfachere Erklärung ergibt sich aus dem Kontrollversuche. Die Ameisen legten den Weg, welcher sie zu den Kokons führte, deshalb trocken, weil die Feuchtigkeit, die sie an dem Beschreiten des Weges hinderte, ihnen unangenehm war. Diese psycho- logische Erklärung ist völlig genügend. Daher dürfen wir selbst der Formica sanguinea, welche mit Recht von Forel und mir als die „intelligenteste" aller einheimischen Ameisen bezeichnet wurde, trotzdem keine Intelligenz im wirklichen und e i g e n t lieh e n S i n n e zuschreiben. Diese Darlegung löst den scheinbaren Widerspruch, der sich zwischen verschiedenen Beobachtungs- tatsachen des Ameisenlebens findet. Einerseits gibt es nicht wenige Beweise dafür, daß die Ameisen durch sinnliche Erfahrung wirklich zu lernen vermögen; andererseits gibt es auch wiederum ebenso sichere Tatsachen, welche beweisen, daß die Ameisen durch sinnliche Erfahrung nicht zu lernen vermögen. Dieser Widerspruch kann nur dann befriedigend gelöst werden, wenn man zwischen den verschiedenen Formen des „Lernens" nach den Gesetzen einer kritischen Psychologie sorgfältig unterscheidet. Wer diese Unterscheidung ablehnt unter dem Vorwande, ein Naturforscher könne über die inneren psychischen Vorgänge „nichts wissen", der verschließt sich selber die Möglichkeit, die Tatsachen vernünftig zu erklären. Denselben scheinbaren Widerspruch finden wir ebenfalls in der Handlungsweise der höheren Tiere : einer- seits vermögen sie durch selbständige sinnliche Erfahrung zu lernen, andererseits nicht. Auch hier läßt sich dieser Widerspruch in ähnlicher Weise lösen wie bei den Ameisen. Die höheren Tiere können ebenfalls, und zwar in noch allseitigerer Weise als die Ameisen, durch ihre sinnliche Erfahrung insoweit lernen, als bloße sinnliche Yorstellungsassoziation (sinnliches Gedächtnis) hiezu erforderlich ist; weiter geht jedoch bei ihnen die Fähigkeit des „selbständigen Lernens" nicht.1) Ein Hund mag noch so oft gesehen haben, daß Kinder einen Schemel herbeiholen, um auf demselben zu einer Türklinke zu gelangen, die sie sonst nicht erreichen können; er mag ferner noch so oft die Erfahrung gemacht haben, daß er sonst die Türklinke, welche er öffnen möchte, nicht zu erreichen imstande ist: trotzdem wird er nie dazukommen, aus eigenem Antriebe einen Schemel her- beizuholen, um leichter zur Klinke der Türe zu gelangen. Es fehlt ihm das Vermögen, diesen so einfachen Schluß zu bilden, weil ihm die Einsicht in die Beziehung von Ursache und Wirkung, d. h. die Intelligenz fehlt. Ebenso verhält es sich auch mit dem Gebrauche von Werkzeugen bei den freilebenden höheren Tieren. Während Ameisen der Gattungen Oecophylla, Polyrhachis und C amponotus ihre eigenen Larven als „Webe- schiffchen" gebrauchen,2) um ihre Gespinnstnester zu verfertigen, ist selbst bei den höchsten Säugetieren ein Gebrauch von Werkzeugen in freier Natur nicht zu finden. Reisende haben zwar vielfach berichtet, die Affen brächen zur Verteidigung manchmal Baumäste ab, oder sie rollten Steine absichtlich auf ihre Verfolger hinab. Pec hu el - Loesche, sicher ein unverdächtiger Zeuge, hat diese Angaben auf Grund seiner sorgfältigen Beobachtungen für irrtümlich erklärt.3) Von einer auf den Bäumen fliehenden Affen- schar werden oft zufällig Baumäste oder Früchte abgebrochen und fallen dabei auf die Verfolger; ebenso löst eine Herde Paviane beim stürmischen Angriff oder bei der Flucht vor einem Feinde häufig Steine los, welche den Abhang hinabrollen. Aus derartigen Vorkommnissen hat sich nach Pechuel-Loesche die populäre Ansicht gebildet, daß die Affen Baumäste oder Steine als Werkzeuge zur Verteidigung benützten. Tatsachen, welche dies wirklich beweisen, existieren nicht. Und doch läge für hochorganisierte Säugetiere, wenn sie neben dein sinnlichen Erkenntnisvermögen auch ein bischen wirkliche Intelligenz besäßen, nichts näher, als aus ihren sinnlichen Erfahrungen selbständig den Schluß zu ziehen: „Baumäste und Steine können mir M Siehe hierüber auch 58, :i. Aufl. 1905, 10. Kap.: „Verstandesprohen einiger höheren Tiere." -j Wir werden auf diesen interessanten Instinkt weiter unten (im XI. Kapitel) zurückkommen. 3 Brehms Tierleben, :<. Auflage, I Band S. 50. — 111 — zur Verteidigung als Werkzeuge dienen." E)aß die Affen trotzdem bisher diesen Schluß nicht gezogen haben, durfte einen sicheren Beweis gegen die Intelligenz der höheren Tiere bieten. Nur dadurch, daß man mit dem Worte „Intelligenz" durchaus unklare Begriffe verbindet und deshalb jede auf sinnlicher Erfahrung des Tieres beruhende Modifikation der instinktiven Handlungsweise des Tieres für intelligent ausgibt, laßt sich die Annahme einer „Tierintelligenz" begründen. Ich vermag mich dieser Begriffsverwechslung nicht anzuschließen, weder bezüglich der Ameisen noch bezüglich der höheren Tiere. Wir müssen also genau unterscheiden zwischen den unter 2 und 3 erwähnten Formen des auf selb- ständiger sinnlicher Erfahrung beruhenden „L e r n e n s". Soweit die durch jene Erfahrungen u n m i 1 1 e 1- b a r gebildeten neuen sinnlichen Yorstellungsassoziationen zur Modifizierung der Handlungsweise des Tieres genügen, so weit vermag es selbständig zu lernen; soweit jedoch intelligente Schlüsse von früheren auf neue Verhältnisse zur Modifizierung der Handlungsweise erforderlich sind, so weit vermag das Tier selbständig nichts zu lernen. Nur durch diese wohl- begründete Unterscheidung dürfte es möglich sein, den scheinbaren Widerspruch zu lösen, der uns zwischen dem ,, Lernenkönnen" und „Nicht-Lernenkönnen" der Tiere entgegentritt. Daß wir den Ameisen kein formelles Schlußvermögen zuerkennen dürfen, wird — wenigstens von wissenschaftlicher Seite — jetzt fast allgemein zugegeben.1) Es liegen nicht bloß keine Tatsachen vor, welche ohne ein formelles Schlußvermögen dieser Tiere unerklärlich sind, sondern es gibt auch nicht wenige Tatsachen, die mit einer derartigen Annahme unvereinbar erscheinen. Die unverbrüchliche Anhänglichkeit der aus geraubten Puppen stammenden „Sklaven" an ihre Bäuber; die Unfähigkeit der Ameisen, ihre Bau- kunst für wirklieh neue Zwecke intelligent zu verwerten, z. B. um eine Brücke zum Honig zu bauen; die eifrige Erziehung der Lomechusa- und Atemeles-LdiVxen durch die Formica-Arten, trotz des großen Schadens, den ihnen diese Kuckucksbrut zufügt, und trotz des Urastandes, daß bei der Erziehung der Atemeles-Larven die Formica davon keinen Vorteil haben, sondern die fremde Ameisengattung Myrmica, zu welcher die Käfer dann übergehen — diese und noch viele andere Erscheinungen sprechen gegen die Annahme eines intelligenten Schlußvermögens der Ameisen. Lord Avebury (Sir John Lubbock) hat sich allerdings noch L906 2) dahin geäußert, daß er wenigstens „some vestiges and glimmerings of intelligence" den Ameisen auch heute noch wie vor 30 Jahren zuschreiben möchte. Aber unter der Lupe einer kritischen Psychologie lösen sich diese scheinbaren Intelligenztätigkeiten in einfachere Assoziationsprozesse auf, die zur Sinnes- erfahrung, nicht zum begrifflichen Schlußvermögen gehören. Wenigstens wird man m i r nicht den Vorwurf machen können, daß ich das Seelenleben der Ameisen ungebührend vermenschliche. Aber e l> e nsowenig will ich auch das Seelenleben der „höheren Tiere" vermenschlichen. Da mir von Seite mancher Kritiker stets entgegengehalten wird, ich stände mit meiner Leugnung der Denkfähigkeit der höheren Wirbeltiere völlig isoliert, so weise ich hier nochmals auf die Ergebnisse von Thorndike, Hobhouse, Kinnaman, Watson und Lloyd Morgan hin, denen man nicht den Vorwurf der „theo- logischen Voreingenommenheit" wird machen können. Auch sie stimmen mit mir darin überein, daß selbst b e i d e n h ö h e r e n W i r b e 1 1 i e r e n d i e d r i t t e F o r m des selbständigen Lernens f e h 1 t. Auf die Versuche von Stumpf und Pfungst, die beim „klugen Hans-' zu dem nämlichen Resultate führten, wird bei der sechsten Form des Lernens eingegangen werden. E d w. Thorndike3), über dessen Versuche bereits oben (S. 107) berichtet wurde, faßt die Ergeb- nisse seiner Experimente über das Lernvermögen von Hunden, Katzen und Küchlein in die Worte zusammen ') Man vergleiche z. B., was Escherich in seinem Buche „Die Ameise" (1906, S. 205 ff.) hierüber sagt. Auch Wheeler hat schon 1901 (The Compound and mixed nests of American antsp. 808) anerkannt, daß meine Studien über das Ameisenleben zu einer richtigen psychologischen Auffassung desselben viel beigetragen haben, obwohl er ganz andere philosophische Ansichten vertritt als ich. -| In einer sehr dankenswerten Besprechung meiner „Comparative studies in the psychology of ants and of higher animals" (1905) in „Nature" Febr. 1. 1906, p. 315—316. 3) Siehe Anmerkung ') auf p. 112. — 112- - (p. 46): „Meine Beobachtungen über das Benehmen aller dieser Tiere während der Monate, die ich mit ihnen zubrachte, ergaben nicht einen einzigen Fall, der einer Denktätigkeit auch nur ähnlich sah." Zu demselben Resultate kam er später 2) auch bezüglich der Affen (Cebus). Auch sie zeigten bei ihren Versuchen, die Türklinke ihres Käfigs zu öffnen, keinerlei Verständnis für den Zusammenhang von Ursache und Wirkung, sondern waren ganz auf das „Lernen durch Zufall" angewiesen. Auf bestimmte sichtbare Signale, die mit Darreichung oder Nichtdarreichung der Nahrung verknüpft wurden, lernten sie durch wiederholte Sinneserfahrung allmählich richtig reagieren; aber auch hier zeigte sich ihr Unvermögen, die Signalpaare untereinander zu vergleichen und selbständig weiter zu schließen. Thorndike faßt das Ergebnis in die Worte zusammen (p. 14) : „A uch bei den Affen ebenso wie bei den übrigen Säugetieren haben wir positive Evidenz für das Fehlen irgendwelcher allgemeinen Denkfähigkei t", und (p. 15): „Eine negative Antwort auf die Frage, ziehen die Affen Schlußfolge- rungen (do the monkeys reason), scheint daher unvermeidlic h." Die psychischen Fähigkeiten der Affen mit jenen anderer Säugetiere vergleichend (p. 56) sagt er sodann: „In ihrer Lernmethode gehen die Affen nicht weit über den allgemeinen Säugetiertypus hinaus, wohl aber in ihrer Leistungsfähigkeit in jener Methode. Sie scheinen wenigstens Assoziationen viel rascher zu bilden und sie bilden deren auch viel mehr. Sie scheinen auch in der Feinheit und Verwickeltheit der gebildeten Assoziationen den anderen Tieren überlegen zu sein und die einmal geformten Verbindungen scheinen dauernder zu sein" — aber trotzdem von selbständigem Schluß vermögen keine Spur! A. J. K i n n a m a n 3), der mit Macacus rhesus experimentierte, kam zu ähnlichen Ergebnissen wie Thorndike, nur formulierte er sie etwas anders. Er zeigte nämlich, daß hier kein anderes Problem vorliege als die Verbindung von Assoziationen zu sogen, „praktischen Analogieschlüssen." In diesen ist aber ebenso wie in den „instinktiven Analogieschlüssen", welche Forel4) den Ameisen und Bienen zuerkennt, und in den „praktischen Schlüssen", welche C. H. Turner5) den Ameisen zuschreibt, kein logisches Schluß- verfahren enthalten, sondern bloße Assoziationsvorgänge (Berührungs- und Ähnlichkeits-Assoziationen). Daß den Affen „Denkvermögen im höheren Sinne", d. h. begriffliches Abstraktionsvermögen fehle, gibt auch Kinnaman selber zu. Die vorgeblichen praktischen Analogieschlüsse beruhen also ganz auf der zweiten Form des Lernens, auf dem Lernen durch unmittelbare Sinneserfahrung. Dies hat auch Lloyd Morgan6) gegen Kinnaman schon hervorgehoben ; zwischen bloßer Sinneswahrnehmung von Ähnlichkeiten, die dann auch ähnliche Vorstellungen im Gefolge haben, und zwischen einer Erkenntnis der Ähnlichkeitsbeziehungen sei noch ein großer Unterschied. Nur bei letzterer dürfe man von wirklichen Analogieschlüssen sprechen, nicht aber bei ersterer. Daher kann bei Kinnamans Versuchen von einem wirklichen Schluß ver- mögen der Affen keine Rede sein. L. T. Hobhouse") stellte mit verschiedenen höheren Säugetieren, darunter auch mit einem Macacus rhesus und einem Schimpansen seine Versuche an. Im Gegensatz zu den übrigen Säugetieren glaubt er den Affen „bestimmtere Vorstellungen" (more articulate ideas) zuschreiben zu müssen. Aber dieselben sind nach ihm keine durch Abstraktion gewonnenen Begriffe: „Wenn wir den Tieren Vorstellungen zuschreiben, muß darunter verstanden werden, daß dies keine Vorstellungen sind, die irgend einem Prozeß der Analyse entspringen." Gegenüber der vulgär-psychologischen Auffassung des Affenlebens macht er ferner die kritische Bemerkung: „Die Vorsicht, die Klugheit und die Schlauheit von jener Sorte, von der ') Animal Intelligence 1898. 2) Mental life of the monkeys 1901. 3) The mental life of two Macacus rhesus in captivity (Amer. Journ. Psychology XIII, 1902). 4) Die psychischen Fähigkeiten der Ameisen usw., 1901, S. 30 und 32. Vgl. hierüber auch oben Kap. I. S. 4. 5) Do ants form practical judgments? (Biol. Bullet, XIII. 1907, S. 333—343.) 6) Introduction to comparative Psychology, 2. Ed. p. 303. 7i Mind in evolution (1901); siehe besonders pp. 234 und 3(V2 ff. — 113 — die Tiergeschichten so voll sind, bedeutet allgemein nichts mehr und nichts weniger als die konkrete Sinneserfahrung, die wir hier beschrieben haben." Auch J. B. Watson1) kam bei seinen Versuchen über das Nachahmungsvermögen der Affen zu dem Ergebnis, daß dieselben keine Spur von Erkenntnis der Beziehungen und von überlegender Nach- ahmung (inferential imitation) zeigten. Der Genfer Psychologe Ed. Cl aparede'2) gab kürzlich einen Überblick über die experimentellen Methoden der neuen Tierpsychologie. Sein Urteil lautete (S. 537): „Die Resultate, die sich aus den Ein- übungsexperimenten entwickeln lassen, laufen alle darauf hinaus, daß hei den Tieren keine In- telligenz und keine Überlegung vorhanden ist." Daß der hervorragende englische Tierpsychologe Lloyd Morgan in der 1903 erschienenen 2. Aufl. seiner „Introduction to comparative psychology" gegen die Annahme eines begrifflichen Denkvermögens auch bei den höchsten Säugetieren, einschließlich der Affen, sich ausgesprochen hat (besonders pp. 307 bis 308), muß hier ebenfalls betont werden. Das „Zahlvermögen" eines Schimpansen (Sally, im zoologischen Garten in London) wurde von ihm (p. 253) des anthropomorphen Charakters entkleidet und auf das „Ver- mögen der Sinneserfahrung" zurückgeführt.3) Wenn ich also die dritte Form des Lernens, welche ein logisches Schlußverfahren, d. h. ein begriffliches Denken, beim Lernenden voraussetzt, auch den höheren Tieren nicht zuschreiben zu dürfen glaube, so wird man dies nicht als „theologisches Vorurteil" erklären können. Die drei bisher angeführten Formen des Lernens bezogen sich auf das selbständige Lernen des Individuums, erstens durch die instinktive Einübung eines erblichen Reflexmechanismus; zweitens durch die sinnliche Erfahrung infolge der hiebei unmittelbar sich bildenden neuen Vorstellungs- assoziationen; drittens durch sinnliche Erfahrung u n d intelligente Schlußfolgerung von früheren Erfahrungen auf neue Verhältnisse. Die nun folgenden drei Formen des Lernens beziehen sich auf das Lernen durch den Einfluß anderer Individuen. 4. Vierte Form des Lernens. Die vierte Form des Lernens ist das Lernen durch instinktive Nachahmung des Benehmens anderer Wesen, mit denen der Lernende verkehrt. Diese Form des Lernens ist zugleich die unterste Stufe des Lernens durch den Einfluß anderer Individuen. Wie die erste Form des selbständigen Lernens sich innig anschließt an reflektorische Vorgänge und von denselben zu den eigentlichen psychischen Tätigkeiten überleitet, so auch hier bei der untersten Form des Lernens durch andere. Sogar beim Menschen kann man dies sehen. Wenn in einer Gesellschaft einer gähnt, gähnen auch andere, die es sehen, „unwillkürlich", man darf wohl sagen „reflektorisch" mit. Die Gesichtswahrnehmung der Gähnbewegungen des ersten Individuums löst bei den anderen unmittelbar, ohne weitere Beteiligung psychischer Faktoren, einen Gähnreflex aus. Ähnlich dürfte es sich auch bei den Tieren verhalten mit der einfachen, durch sinnliche Wahrnehmung angeregten instinktiven Nachahmung des Benehmens ihrer Genossen. Das psychische Element der Sinneswahrnehmung ist hier gleichsam nur das auslösende Moment für die Nachahmung der betreffenden Tätigkeit, ohne daß man dieser Nach- ahmung irgend eine „Absicht" unterschieben dürfte. Je weniger die betreffende Tätigkeit, welche nach- geahmt wird, in sich selber rein reflektorisch (wie z. B. das Gähnen) ist, in umso umfangreicherem Maße ■) Imitation in monkeys (Psycholog. Bullet. V. No. 6, 1008, S. 169—178). Vgl. auch das Referat über „Mammalian behavior" in demselben Heft S. 195 ff. 2) Über die verschiedenen Formen des Experimentes in der Tierpsychologie (Umschau, 1908, No. 26 u. 271. 3) Über das „Zählvermögen" der Ameisen siehe 162 (Biol. Zentralbl. 1908) S. 295—297. Über das Zählen der Tiere siehe auch Killermann, können die Tiere, msbesond. die Vögel zahlen'?' (Naturw. Wochenschr. 1906, Xo. 24 S. 373—377.) Zoologica. Heft 26. 15 — 114 - treten die psychischen Elemente in die Nachahmung ein, so daß man erst dann mit Recht von einem „Lernen durch Nachahmung" sprechen darf. Hierher gehören bei den Ameisen eine ganze Reihe von biologischen Tatsachen. Bei der Dinarda-Yer- f o 1 g u n g in meinen Beobachtungsnestern habe ich den Einfluß der Nachahmung häufig konstatieren können,1) namentlich in der obenerwähnten, in einem großen Beobachtungsneste (Taf. I) gehaltenen gemischten Kolonie von Formica sanguinea mit vierSklavenarten. (Siehe oben S. 100 u. 104.) Manchmal war es eine der als Hilfs- ameisen anwesenden rufibarbis, die auf eine neu erschienene Dinarda zuerst aufmerksam wurde, sie zu verfolgen begann und dadurch auch andere Individuen derselben Kolonie, Herren oder Sklaven, veranlaßte, in derselben Weise nach der Dinarda suchend umherzuspringen, bevor diese ihnen noch selber begegnet war. In anderen Fällen war es wiederum eine kleine sanguinea,2) welche die neue Dinarda zuerst bemerkte und die Jagd eröffnete, wodurch sie auch andere, ihr begegnende Ameisen zur Verfolgung des Käfers verleitete. Eine Mitteilung durch Fühlerschläge zwischen den sich begegnenden Ameisen war meist nicht zu beobachten; es genügte, daß die verfolgende Ameise an einer anderen nahe vorüberlief oder zufällig an sie anrannte, um auch letztere zur Nachahmung anzuregen, während wiederum andere Gefährtinnen bei demselben Zusammenstoß gleichgültig blieben, weil dadurch ihre Aufmerksamkeit nicht angeregt worden war. Der Einfluß des Nachahmungstriebes bei der Dinarda-Sagd zeigte sich nicht bloß zwischen F. sanguinea und ihren normalen Hilfsameisen (fusca und rufibarbis) , sondern auch zwischen sanguinea und ihren anormalen Hilfsameisen (rufa und pratensis). Die beiden letzteren, insbesondere rufa i. sp., haben als normalen, indif- ferent geduldeten Gast Dinarda Märkeli in ihren Nestern. Dieser Käfer wird von ihnen noch friedlicher behandelt als D. den/ata bei F. sanguinea ; sein Verhältnis zu rufa bildet fast einen Übergang von der indif- ferenten Duldung (Metoekie) zum echten Gastverhältnisse (Symphilie).3) Um so bemerkenswerter ist es, daß auch rufa und pratensis als Hilfsameisen von sanguinea in dem obenerwähnten großen Beobachtungs- neste manchmal (obwohl im Vergleich zu sanguinea nur selten) an der Verfolgung einer Dinarda Märkeli sich beteiligten. Es war hier sicherlich der Einfluß des Beispiels, das ihnen von sanguinea gegeben wurde und das sie veranlaßte, ihr erbliches instinktives Verhalten gegen jene Dinarda in das entgegen- gesetzte zu verwandeln. Da F. rufa und pratensis im übrigen weit weniger zu „lernen" vermögen als sanguinea und sich gleichmäßiger, automatischer benehmen als diese, glaube ich um so mehr, daß es hier hauptsächlich der Nachahmungstrieb war, der sie zur Modifizierung ihres Instinktes bewog; denn dieser Trieb ist gerade bei rufa und pratensis stärker entwickelt als bei sanguinea, fusca und rufibarbis, wo die einzelnen Individuen selbständiger voranzugehen pflegen und daher auch durch eigene sinnliche Erfahrung (zweite Form des Lernens) mehr zu lernen vermögen als jene. Ein anderes Gebiet, wo sich der Einfluß des Nachahmungstriebes auf die instinktiven Tätigkeiten der Ameisen erweisen läßt, ist die Blattlauszucht von F. sanguinea. Wie bereits Forel in seinen „Fourmis de la Suisse" vortrefflich dargelegt hat, beschäftigt sich diese Ameise unter gewöhnlichen Verhält- nissen fast ausschließlich mit dem Insektenraub als Nahrungserwerb; den Blattlausbesuch überläßt sie ihren Hilfsameisen (fusca oder rufibarbis). Letztere sind besonders naschhaft auf Blattlaus- und Blumenhonig. Auf Wiesen habe ich mit dem Streifnetze sehr häufig F. rufibarbis, seltener fusca, von den verschiedenen Blumen abgefangen, dagegen nie andere Formica- Arten. Forel hat nun in seinen „Etudes myrmecologiques en 1875" (p. 58) über eine natürliche Kolonie von F. sanguinea, welche rufa als Hilfsameisen hatte und daher zu den anormal gemischten Kolonien dieser Art gehörte, folgende Beobachtung mitgeteilt. Die ra/a-Sklaven dieser Kolonie hatten ein Gebüsch mit Blattläusen entdeckt, die früheren Blattlauszüchter (Lasius niger) ') Vgl. hiezu auch die bereits früher (59 S. 38, 2. Aufl. S. 41 ff.; ferner 162 S. 269) mitgeteilten Beobachtungen. 2) Die kleinsten Individuen waren gewöhnlich die eifrigsten und geschicktesten Dinarda- Jäger, da sie wegen ihrer Kleinheit den Käfer erfolgreicher an den Extremitäten erwischen konnten. 3) In meinen Mitteilungen aus dem Jahre 1889 „Zur Lebens- und Entwicklungsgeschichte von Dinarda" (9) war dieser l'nterschied zwischen L>. Märkrli und den/ata noch nicht erwähnt worden. \ — 115 — von demselben vertrieben und drei oder vier Tage hindurch allein den Blattlausbesuch besorgt. Dann kamen jedoch bereits einige sanguinea mit, und von da an wurden die Blattläuse von sanguinea und rufa in ungefähr gleicher Anzahl besucht. Das Vorgehen der rufa hatte hier für die sanguinea die Anregung zu dem neuen Nahrungserwerb gegeben. Die angenehmen Erfahrungen, welche sie mit dem Blattlaushonig machten, bewogen sie wahrscheinlich auch dazu, diesem neuen Erwerbszweige um so eifriger nachzugehen. Schon aus dieser Beobachtung Foreis ergibt sich, daß im vorliegenden Falle der Einfluß des Nachahmungs- triebes es war, der von den rufa ausging und von den individuellen Erfahrungen der sanguinea unterstützt wurde. Letzteres Moment muß jedenfalls auch berücksichtigt werden, weil die sanguinea manchmal sogar dann Blattlauszucht treiben, wenn sie keine rufa als Hilfsameisen haben. Einen solchen Fall hat der schwe- dische Ameisenforscher Adlerz 1896 berichtet.1) Er sah eine sanguinea-Kolonie, welche fusca als Sklaven hatte, auf Blattlausbesuch gehen; anfangs waren hiebei die fusca zahlreicher vertreten, später dagegen die sanguinea. Ich füge aus meinen Notizbüchern noch einige neue Beobachtungen über Blattlausbesuch von F. sanguinea bei. Am 26. Mai 1884 traf ich bei Blijenbeck (im nördlichen Teile von Holländisch Limburg) eine größere Anzahl sanguinea mit dem „Melken" grauschwarzer Blattläuse auf mehreren nahe beisammen- stehenden niedrigen Büschen von Pinus süvestris beschäftigt. Hilfsameisen waren bei diesem Blattlaus- besuche gar nicht zu sehen. Am 13. August 1889 fand ich am Laacher See (Rheinische Yordereifel) eine kleine Kolonie von F. sanguinea am Fuß einer Rottanne, auf welcher diese Ameisen mit dem Besuch von Blatt- läusen sich abgaben. Ich sah mehrere sanguinea hintereinander mit von Blattlaushonig strotzendem Hinter- leib den Stamm herabkommen, während andere leer hinaufgingen. Auch diesmal sah ich keine Sklaven bei dem Blattlausbesuche. Am 6. August 1896 fand ich auf dem „hohen Malberg" bei Ems eine starke sanguinea-Ko\ome von großer Rasse der § . mit nur sehr wenigen /«sca-Sklaven und einer Anzahl Dinarda dentata. Es waren vier Nester, 4 — 8 m von einander entfernt, darunter eines verlassen, eines neu begonnen und zwei volkreich; alle lagen unmittelbar oder nahe bei sehr dicken alten Föhrenstrünken. In einem der zwei letzteren Nester waren unter einem Rindenstück über einem Nesteingange zahlreiche 5 -Kokons von Lasius niger aufgespeichert sowie eine Menge unbedeckter (kokonloser) § -Puppen von sanguinea; auch ziemlich viele frisch entwickelte 5 von sanguinea befanden sich dort. E)ie sanguinea dieser Kolonie gingen in großer Anzahl zum Besuch von Blattläusen auf eine benachbarte hohe Lärche (Larix europaea), die hinaufgehenden mit dünnem Hinterleib, die herabkommenden mit einem von Honig geschwellten Hinterleib. Unter diesen Blattlausbesuchern sah ich keine einzige der Hilfsameisen (fusca). Am 2. Sep- tember 1896 beobachtete ich bei Kolonie 220 meiner statistischen Karte der sanguinea- Kolonien von Exaten folgendes. Der Nestplatz dieser Kolonie war mit einer in der Nähe stehenden Kiefer (Pinus süvestris) durch einen Zug von sanguinea verbunden, die zum Besuch von Blatt- oder Schildläusen den Stamm hinauf- gingen und mit dick gefülltem Kröpfe wieder herabkamen. Auch an diesem Blattlausbesuche sah ich keine einzige der Hilfsameisen sich beteiligen. Aus den anderen über Kolonie 220 aufgezeichneten Notizen entnehme ich noch die folgenden Bemerkungen. Diese Kolonie war sehr volkreich und bewohnte sieben benachbarte größere und kleinere Haufen. Die Zahl der /«sca-Sklaven betrug in den betreffenden Jahren (1896 und 1897), entsprechend der Stärke jener Kolonie, bloß */., — 1 Prozent, Aus diesen Beobachtungen folgt mit großer Wahrscheinlichkeit, daß F. sanguinea auch manchmal selbständig Blattlauszucht treibt, obwohl sie für gewöhnlich vi in Insektenraub lebt. Namentlich in dem Gebiete, welchem Kolonie 220 angehört, fand ich im Sommer 1896 — 98 ziemlich regelmäßig eine bedeutende Menge von nackten, grünen Spannerraupen aufgespeichert, welche durch die sanguinea- Kolonien dieses Distriktes als Beute von den Kiefern eingetragen worden waren. Durch den gelegentlichen selbständigen Blattlausbesuch von sanguinea ist es selbstverständlich nicht ausgeschlossen, daß, wie Forel's ersterwähnte Beobachtung zeigt, in anderen Fällen die Hilfsameisen den Blattlausbesuch beginnen und durch ihr Beispiel auch die sanguinea zu demselben anregen. ') Myrmecologiska Xotiser (Entom. Tidskr. Arg. 17, H. 2, 1896), S. 134. — 116 — Eine größere Bedeutung hat der Nachahmungstrieb der Ameisen und das Lernen durchNac h- ahmung für die „internationalen Beziehungen der Ameisengäst e". Auf die betreffenden Erscheinungen in dem Verhalten verschiedener Formica-Arten zu eigenen oder fremden Dinarda- Rassen wurde bereits oben (S. 114) hingewiesen. Vielleicht noch schöner zeigt sich der Einfluß jenes psychischen Faktors bei den internationalen Beziehungen der e chte n A in eisengäste (Symphilen). Schon in den „Internationalen Beziehungen von Lomechusa strumosa" (24 S. 641 ff.) wurde erwähnt, daß F. fusca und rufibarbis in ihren selbständigen Kolonien die Lomechusa n i c h t unmittelbar aufnehmen, sondern sie anfangs feindlich angreifen wie ein völlig fremdes Wesen ; sie müssen erst durch eigene individuelle Erfahrung die Annehmlichkeit dieses Gastes kennen lernen. Dagegen benehmen sich dieselben beiden Ameisenarten als Sklaven von F. sanguinea, die jenen Käfer als normalen echten Gast zu halten pflegt, ganz anders. Sogar in solchen Kolonien, welche aktuell keine Lomechusa hatten, wurde dieser Gast, wenn ich ihn in das Nest setzte, nicht bloß von den sanguinea, sondern gewöhnlich auch von den fusca oder rufi- barbis unmittelbar aufgenommen. Dieses Verhalten der letzteren ist daraus erklärlich, daß die sanguinea sich dem neuen Ankömmling gegenüber freundschaftlich benahmen und ihn zu belecken anfingen. Die herzukommenden Hilfsameisen taten sofort desgleichen, nachdem sie den Käfer nur mit den Fühlern berührt hatten; das betreffende fremde Wesen war für ihre Herren offenbar kein fremdes Wesen, und dadurch wurde es auch den Hilfsameisen erspart, dasselbe erst durch individuelle Erfahrung als angenehmen Gast kennen zu lernen. Bei den „Instinktregulationen" der Ameisen (im XI. Kapitel) werden wir hierauf noch zurückkommen. Viele ähnliche Beobachtungen wären noch aus den internationalen Beziehungen der Atemeies- Arten zu berichten. Ich erwähne hier nur einiges, was für die vorliegende psychologische Frage von besonderer Bedeutung ist. Atemeies emarginatus wird in den Kolonien von F. sanguinea niemals aufgenommen, wenn nicht eine der beiden folgenden Bedingungen verwirklicht ist : a) Daß die betreffende Kolonie einen bedeutenden Prozentsatz (mindestens 15 — 20 °0) fusca als Hilfsameisen enthält. F. fusca ist nämlich der normale sekundäre Wirt jenes Käfers, bei welchem er regel- mäßig seine Larven erziehen lassen muß. Daher nehmen die fusca auch als Hilfsameisen von sanguinea diesen Atemeies auf und führen ihn dadurch in die Gesellschaft der sanguinea ein. Ist die Zahl der fusca im Vergleich zu jener der sanguinea nur verschwindend klein, so besteht jene Möglichkeit rein theoretisch. indem dann die sanguinea den Gast angreifen und töten, bevor eine Dazwischenkunft der fusca erfolgt. Hieraus ist es begreiflich, daß ich während 14 Jahren bei Exaten in freier Natur den Atemeies emarginatus nur in solchen sanguinea-Kolonieii lebend gefunden habe, welche relativ sehr viele fusca besaßen. Nur einmal (am 8. Mai 1889) traf ich auch in einer sanguinea-Kolome (No. 4 meiner statistischen Karte), welche wenig fusca enthielt, einen Atemeies emarginatus, aber nicht lebendig, sondern tot; der Käfer war so zerbissen worden, daß sein Halsschild mit der Oberseite nach der Bauchseite des Körpers gekehrt war. b) Die zweite Möglichkeit, wie die Aufnahme eines Atemeies emarginatus in einer sanguinea-KcAonie bewirkt werden kann, besteht darin, daß man eine kleine Anzahl sanguinea, am besten nur 3 — 6 Individuen, aus dem Neste nimmt und sie mit dem Atemeies zusammen in ein Gläschen setzt, um dort mit ihm „Quaran- täne zu halten." In freier Natur kommt dieser Fall wohl kaum jemals vor; er ist jedoch sehr instruktiv für die Psychologie von F. sanguinea. Die wenigen, mit dem Käfer isolierten Ameisen sind minder kampf- lustig, gestatten die Annäherung des sie mit den Fühlern betrillernden Käfers und beginnen meist schon nach einigen Stunden, ihn wie ihresgleichen zu behandeln. Die Ameisenähnlichkeit seines Benehmens bewirkt, daß sie mit ihm, wie sie es unter denselben Umständen auch mit erwachsenen Ameisen fremder Formica-Arten tun würden, sich gleichsam assoziieren.1) Aus der anfänglich widerwilligen Nachbarschaft, l) Daß F. sanguinea trotz der Ameisenähnlichkeit des Benehmens dieses Käfers ihn dennoch von einer wi rk- liche n Ameise wohl unterscheidet, wurde bereits oben (S. 89) erwähnt; denn sie füttert ihn nicht wie eine Ameise, sondern wie einen kleinen Verwandten von Lomechusa. — 117 — die in gegenseitigem Ausweichen und drohendem Öffnen der Kiefer sich kundgibt, entsteht zwischen den fremden Ameisen rasch eine indifferente Duldung und aus dieser eine freundschaftliche Annäherung. Letztere wird dem Atemeies durch die Zudringlichkeit seines Benehmens gegenüber den Ameisen bedeutend erleichtert und besiegt bald ihren Widerstand. Sie finden ihn angenehm und beginnen ihn zu belecken. Hat dieses neue Verhältnis zwischen den isolierten sanguinea und dem Atemeies einige Tage gedauert, so darf man es wagen, ihn mit jenen Ameisen in das betreffende sanguinea-Nest zu setzen. Er wird dann auch dorl aufgenommen. Ein großer Teil des Erfolges der unter a und b erwähnten Aufnahmeversuche ist ohne Zweifel dem Umstände zuzuschreiben, daß der Käfer durch die Beleckung von seite einer Ameise der Kolonie, infolge des Geruches der ihm anhaftenden Speicheldrüsensekrete, auch auf die übrigen Ameisen derselben Kolonie keinen so fremdartigen Eindruck mehr macht. Aber der ganze Erfolg jener Experimente ist hieraus keines- wegs erklärlich; denn ein Atemeies, den man unmittelbar in eine sanguinea-Kölonie gesetzt hat, wird von den sanguinea, die ihn feindlich anfallen, bei dieser Gelegenheit auch naschhaft beleckt, wie sie es mit jedem anderen Beutetier ebenfalls tun; aber durch diese Beleckung wird aus dem „Beutetier Atemeies" kein „echter Gast Atemeies'1, sondern er wird einfachhin zerrissen und gefressen! Wir müssen daher außer dem Geruch der Speicheldrüsensekrete noch zwei andere, zweifellos psychische Elemente zu Hilfe nehmen, um die Aufnahme des Atemeies emarginatus zu erklären: erstens die Wirkung des N a c h a h in u n g s- t r i e b e s auf das Verhalten der sanguinea in der Versuchsreihe a wie in der Versuchsreihe b ; zweitens die individuelle Erfahrung der einzelnen sanguinea, sowohl der isolierten bei b, die den Gast selbständig kennen lernen mußten, als der übrigen bei a und b, deren Nachahmungstrieb durch die eigene individuelle Erfahrung unterstützt wurde. Daß der Geruch der Speicheldrüsensekrete der Ameisen, welcher einem Atemeies anhaftet, nicht seine unmittelbare Aufnah m e in der betreffenden Kolonie von F. sanguinea bewirkt, ergibt sich auch aus folgendem Versuche (vom 8. Mai 1898). Ein völlig gesundes Individuum von Atemeies emarginatus (No. 1) wurde aus einem Beobachtungsneste von Lasius mixto-umbratus genommen und in Alkohol 30% gebadet, damit es den Lasius-Geruch verliere. Dann schnitt ich einer großen Arbeiterin von sanguinea des auf Taf. I abgebildeten Beobachtungsnestes (1898: sanguinea— rufa— pratensis) l) den Kopf ab, ließ an dem noch lebenden Kopfe durch einen Druck mit der Pinzette die Zunge vortreten, die sich dabei mit Flüssigkeit füllte, und bestrich nun leise aber andauernd die Ober- und Unterseite des Atemeies mit der Ameisenzunge. Dann ließ ich ihn in das kleine Fütterungsgläschen (f) des Nebennestes hineinlaufen, wo er ruhig sitzen blieb. Nach wenigen Sekunden kam eine sanguinea in das Gläschen; der Käfer lief nun in das Nebennest hinein, mitten durch die dort versammelten Ameisen. Sein Benehmen war kein aufgeregtes, sondern ein ganz normales; er schien vor den fremden Ameisen keine Furcht zu haben. Die ersten pratensis, denen er begegnete, schienen ihn nicht zu bemerken; ebenso die ersten sanguinea. Aber schon nach 20 Sekunden war eine Anzahl sanguinea auf ihn aufmerksam geworden. Einige berührten ihn nur flüchtig mit den Fühlern. während andere mit geöffneten Kiefern auf ihn losgingen und ihn zu beißen versuchten; sie hatten ihn trotz des Geruches der eigenen Speicheldrüsensekrete, der ihm anhaftete, dennoch als Fremdling e r k a n nt. Eine sanguinea packte ihn mit plötzlichem ') Die letzten fusca und rufibarbis, die sich als Hilfsameisen in jenem Neste in den früheren Jahren befunden hatten, waren im Winter 1897 — 98 gestorben. Das individuelle Alter, welches die g der Formica- Arten erreichen, betrag! nach meinen Beobachtungen an jener gemischten Kolonie zwei bis drei Jahre. Dasselbe Resultat ergab sich auch bezüglich der Lebensdauer von rufa 5 , welche ich verschiedenen freilebenden Kolonien von F. sanguinea (Kol. 39 und 58 meiner statistischen Karte zu Exaten) als Puppen gegeben hatte (siehe 146, S. 210 ff.). Einzelne sanguinea-^ scheinen jedoch manchmal noch älter zu werden, bis 4 Jahre. Von den in dem auf Taf. I abgebildeten Beobachtungsneste von F. sanguinea befindlichen 2 Königinnen erreichte eine ein Alter von 13, die andere von 11 Jahren (146, S. 127, Anm. 1); sie waren 1893 in jenes Nest als Königinnen gesetzt worden und produzierten bis zu ihrem Tode eine Menge von Eiern, aus denen ; g erzogen wurden. — 118 — Sprunge an einem Mittelbein, krümmte sich heftig ein und zerrte dann den Käfer mit sich fort wie eine feindliche Ameise. Immerhin behandelten sie den Käfer nicht s o feindlich wie es ohne die vorher- gegangene künstliche Beleckung mittelst einer sanguinea-Zxmge der Fall gewesen sein würde. Die Mißhand- lungen von Seite der sanguinea hörten allmählich auf, und am 10. Mai (nach zwei Tagen) sah ich ihn ganz munter und unversehrt im Neste umherlaufen; von keiner Ameise wurde er bei Begegnung angegriffen. Nun nahm ich am Nachmittag des 10. Mai einen zweiten Atemeies emarginatus (No. 2) aus demselben Neste von Lasius mixio-umbratus und behandelte ihn nach derselben Methode wie den ersten. Er wurde in Alkohol 30 n/n gebadet, dann, nachdem er trocken geworden, mit der Zunge des frisch abgeschnittenen Kopfes einer pratensis -Q der genannten gemischten Kolonie sorgfältig bestrichen; dann ließ ich ihn in dasselbe kleine Fütterungsgläschen des Nebennestes hineinlaufen. Diesmal dauerte es viel länger, bis er in das Nest überging, mehr als 1/2 Stunde. Als er dort endlich erschien, wurde er nicht heftig angegriffen, aber auch nicht unmittelbar aufgenommen; die sanguinea und pratensis, die ihm begegneten, berührten ihn mit den Fühlern, wobei sie ihre Kiefer als Zeichen des „Mißtrauens" (d. h. eines gemischten halb fried- lichen, halb feindlichen Eindruckes) öffneten. Plötzlich packt ihn eine pratensis und hält ihn fest, läßt ihn aber gleich wieder los. Der Käfer lief in das Fütterungsgläschen zurück. Eine pratensis folgte ihm, packte ihn von hinten am Kopfe und holte ihn heraus ; dabei hielt sie den Käfer unter ihrem Körper. Nun begann eine komische Szene. Die sanguinea, die zu dem festgehaltenen Atemeies kamen, berührten ihn mit den Fühlern und gingen dann meist gleichgültig weiter; einige dagegen griffen ihn vorübergehend an, andere beleckten ihn. Ganz anders die pratensis. Diese behandelten den mit den /»ratensis-Speicheldrüsensekreten behafteten Käfer wie ein von ihnen gefangenes Beutetier, das sie langsam, wie eine mit einer Maus spielende Katze, umbrachten. Während sie doch die Lomechusa, die in dieser gemischten Kolonie sich befanden, nach dem Beispiele der sanguinea als echte Gäste behandelten, schien es ihnen unmöglich zu sein, dieses Verhalten auch gegenüber dem Atemeies anzuwenden, während die sanguinea sich gegen den Atemeies No. 1 bereits wie gegen einen aufgenommenen Gast verhielten. Das Schönste kam aber jetzt. Plötzlich sah ich eine andere pratensis mit dem Atemeies No. 1 im Maule herankommen ; sie hatte ihn gefangen und hielt ihn an einer Seitenecke des Prothorax mit ihren Kiefern fest. Vor der Ankunft des Atemeies No. 2 hatten sie auch No. 1 bereits ruhig geduldet. Der Atemeies No. 1 wurde von der betreffenden pratensis eine halbe Stunde lang festgehalten; eine Reihe sanguinea, die herzu- kamen, beleckten sämtlich den gefangenen Käfer sanft und andauernd wie einen aufgenommenen Gast; keine einzige zerrte an ihm. Auch eine rufa kam und leckte vorübergehend an ihm. 2 pratensis, die herbei- kamen, beleckten ihn sanft und andauernd, ähnlich wie die sanguinea es alle taten; aber das Benehmen der pratensis war durchaus inkonstant. Während die erste, die ihn gefangen hatte, ihn immer noch am Hals- schild festhielt, kam eine andere pratensis und beleckte ihn sanft: eine dritte dagegen begann an einem Hinterbein des Käfers heftig zu zerren; dann hielt sie ihn an dem Beine lange Zeit fest, so daß jetzt 2 pratensis ihn hielten. Dabei schwebte der Körper des Käfers in der Luft, ohne den Boden zu berühren. Am Morgen des 11. Mai lag die verstümmelte Leiche eines der beiden Atemeies im Nebenneste; der Kopf war abgebissen, ebenso wie die Mehrzahl der Beine. Eine sanguinea trug bei Erhellung des Nestes den Rumpf des Käfers sofort weg. Ein anderer Atemeies (ob No. 1 oder 2 ließ sich nicht bestimmen) war von 3 pratensis umgeben, deren eine ihn am Halsschild festhielt, die zweite seinen Hinterleib beleckte, während die dritte ihn heftig an den Hinterleibsseiten zerrte und dabei sogar die Hinterleibsspitze gegen den Käfer mehrmals einkrümmte; jedesmal begann der Käfer heftig zu zucken. 5 Minuten später hielt eine pratensis den Atemeies am Hinterbein fest, während eine sanguinea ihn sanft und anhaltend beleckte. 5 Minuten später hält die eine pratensis ihn noch am Hinterbein fest; 2 andere pratensis sitzen dabei, von denen eine ihn sanft beleckt, während die andere sich einkrümmt und mit heftiger Anstrengung ihrer Kiefer die Flügeldecken des Käfers aufreißt und unterhalb derselben Stücke des Muskelfleisches loszureißen sucht; die Flügel waren ihm schon teilweise ausgerissen. Als die erste der 3 pratensis den Käfer weitertrug, sah ich, — 119 — daß seine Beine bereits steif und zum Teil in verdrehter Stellung vom Körper abstanden; der Hinterleib war eingezogen; nur die Fühlerspitzen zuckten noch leise. Der Käfer war von den pratensis umgebracht worden. Diese Beobachtungen dürften wohl beweisen, daß der Geruch der Speicheldrüsen- sekrete von sanguinea keineswegs die unmittelbare Aufnahme eines Atemeies emarginatus in der betreffenden sanguinea- Kolonie verursacht. Dadurch, daß pratensis als Hilfsameisen in jenem Neste sich befanden, wurde sogar die endgültige Aufnahme des Atemeies No. 1 vereitelt. Ich hatte bei den obigen Versuchen absichtlich den einen der beiden Käfer mit der Zunge einer sanguinea, den andern mit derjenigen einer pratensis eingerieben, um den Unterschied des Benehmens der Ameisen in beiden Fällen konstatieren zu können. Atemeies No. 1 wäre wahrscheinlich wirklich aufgenommen worden, wenn nicht der nach pratensis riechende No. 2 dazu gekommen wäre, welcher die pratensis dazu verleitete, beide Käfer zu fangen, festzuhalten und mit ihnen zu spielen wie die Katze mit der Maus. Die sanguinea, welche den ersten Atemeies bereits kennen gelernt hatten, würden vielleicht auch den zweiten, nach dem Speichel ihrer Hilfsameise riechenden, schließlich aufgenommen haben, wenn die pratensis nicht so ungeschickt dazwischen getreten wären. Von besonderem Interesse ist ferner die Aufnahme eines Atemeies emarginatus (am 4. Dez. 1887) in einer natürlichen, anormal gemischten Kolonie (Adoptionskolonie) von F. pratensis, welche fusca als Hilfs- ameisen hatte.1) At. emarginatus und paradoxus2) werden nämlich von rufa oder pratensis allein (d. h. in ihren selbständigen, ungemischten Kolonien) niemals und unter keiner Bedingung wirklich aufgenommen. Alle noch so fein ausgedachten Versuche, diese Käfer durch „Quarantaine" oder durch Anwendung des Bethe'schen Doppelbades oder auf anderem Wege aufnehmen zu lassen, schlugen ausnahmslos fehl. Auch nützte es nichts, den Ameisen mit Maskenlack die Netzaugen zu bestreichen, damit diese weitsichtigsten Formica-Arten den Käfer nicht durch das Gesicht als Fremdling erkennen könnten. Sogar der Versuch, ihn mit den Speicheldrüsen von rufa oder pratensis künstlich einzureiben und dadurch ..hoffähig" zu machen, hatte keinen Erfolg. Die Ameisen griffen ihn zwar nicht so rasch an, sondern ignorierten ihn anfangs; bald jedoch begannen sie ihn zu verfolgen und töteten ihn. Sogar in einer pratensis-Kolonie, welche den großen Atemeies pratensoid.es gastlich beherbergte und pflegte (1903), wurde Atemeies emarginatus nicht auf- genommen sondern getötet (149, S. 37 ff.). Um so wichtiger ist es, daß Atemeies emarginatus in der Kolonie pratensis — fusca (1887) auch von den pratensis ohne Schwierigkeit aufgenommen wurde. Um 9 Uhr vor- mittags war er (unmittelbar aus einem Neste von Myrmica ruginodis) in das betreffende Nest gesetzt worden, wo er sich im Nestmaterial wie gewöhnlich anfangs zu verstecken suchte. Um 2 Uhr nachmittags saß er bereits friedlich mitten unter den Ameisen und betrillerte sie mit den Fühlern. Die pratensis griffen ihn nicht einmal feindlich an, als ich, um sie zu reizen, mit einer Pinzette unter sie fuhr und dadurch einen heftigen Aufruhr verursachte. Am 22. Dez. 1887 und am 4. Jan. 1888 beobachtete ich wiederholt die sanfte Beleckung des Atemeies durch eine pratensis. Die Weise, den kleinen Käfer zu behandeln, mußte sie durch das Beispiel der fusca ,,g e 1 e r n t" haben, da sie ihn sonst bei ihrer überlegenen Größe und Kraft verwundet haben würde durch zu heftiges Zerren an den gelben Haarbüscheln. Bei derselben Anzahl pratensis oder rufa würde der Käfer, wenn sie a 1 1 e i n gewesen wären, in wenigen Stunden tötlich verletzt worden sein; ') Über diese Kolonie sind nähere Mitteilungen bereits in den „Zusammengesetzten Nestern und gemischten Kolonien der Ameisen" (21, 1891) S. 173 ff. gegeben worden; siehe auch 146, S. 199 ff. 2) Atemeies paradoxus darf nicht verwechselt werden mit dem viel größeren pubicollis Bris., welcher rufa als normalen sekundären Wirt besitzt. Alle älteren Berichte über 'las Vorkommen von paradoxus bei rufa beziehen sich auf pubicollis. Vgl. 5 (1888) S. 6 und 20; 38 (1894) S. 63—65. — Der eigentliche biologische Grund, weshalb die Atemeles- Arten, die den Herbst und Winter bei ihren primären Wirten der Gattung Myrmica zubringen, zur Fortpflanzungszeit in .Formica-Nester gehen müssen, liegt darin, daß die Myrmica unbedeckte (kokonlose) Puppen haben und deshalb ihre eigenen Larven nicht vor der Yerpuppung mit einem Gehäuse von Erde bedecken (einbetten). Da die Atemeleslarven in Erdgehäusen sich verpuppen und zur Einbettung der Unterstützung durch die Ameisen bedürfen, deshalb müssen die Atemeies ihre Larven bei Formico-Arten erziehen lassen ( At. emarginatus bei F. fusca. At. paradoxus bei F. rufibarbis, At. pubicollis bei F. rufa, At. pubicollis Var. Foreli bei F. sanguinea, At. pratensoides bei F. pratensis). Siehe besonders 149. — 120 - in dieser pratensis — /wsca-Kolonie lebte er jedoch vom 4. Dez. 1887 bis zum 3. März 1888, blieb völlig unversehrt und gedieh unter der Pflege beider Ameisenarten vortrefflich. Am 3. März wurde er bei Erhellung des Nestes sofort von einer pratensis aufzuheben und fortzutragen gesucht, wie es die Ameisen mit ihren Larven und Puppen bei Erhellung des Nestes tun. An diesem Tage nahm ich den Atemeies aus jenem Beobach- tungsneste fort und verwandte ihn zu weiteren Experimenten über die internationalen Beziehungen der Ameisengäste. Auch bei F. rufa, welche in ihren alten selbständigen Kolonien sich gegen die kleinen Atemeles-Artcn durchaus feindlich und ungastlich verhält, gelang mir die Aufnahme von At. emarginatus (und paradoxus) nur in einer mit fusca gemischten natürlichen Adoptionskolonie rufa — fusca (1906). Über diesen interessanten Fall habe ich kürzlich im Biologischen Zentralblatt (1908 No. 8) näher berichtet (162, S. 260—265). Die mit fusca zusammenlebenden rufa verhielten sich hier durchaus freundlich gegenüber den kleinen Atemeies. In dem einen der beiden Lubbocknester (V/ I) wurden die Atemeies von den fusca (nicht von den rufa) getötet, nachdem die rw/a-Königin der Kolonie in dieses Nest gesetzt worden war; auf diese „Instinktregulation" werde ich weiter unten (Kap. XI) zurückkommen. In dem anderen Lubbockneste (rf II), welches nur ^ § beider Arten aus jener Kolonie enthielt, war die gastliche Pflege von Atemeies emarginatus durch beide Ameisen- arten eine andauernde, und auch die Larven dieses Käfers wurden von ihnen erzogen. Die rufa hatten somit hier infolge ihres Zusammenlebens mit fusca ihr sonstiges feindliches Verhalten gegenüber At. emar- ginatus vollständig umgewandelt; sie beleckten und fütterten ihn hier, als ob er ihr eigener Stammgast ( At. pubicollis) wäre. Daß die Ameisen durch den Einfluß anderer Ameisen ihre Instinkte in wesentlichen Punkten zu modifizieren vermögen, und daß dieser Einfluß großenteils auf dem Nachahmungstriebe der Ameisen beruht, dürfte hiemit erwiesen sein. Die Bedeutung des Nachahmungstriebes der Ameisen für ihr sinnliches Mitteilungs- vermögen wurde bereits in einem früheren Abschnitte (S. 77, 86 ff.) dargelegt. Die psychische Wirkung des Nachahmungstriebes auf die Anregung und Modifizierung der individuellen Handlungsweise dieser Tiere ist die notwendige Voraussetzung für die tatsächliche Wirksamkeit der sogenannten Fühlersprache der Ameisen; denn die Hauptwirkung der Fühlerschläge, mit denen eine Ameise den Kopf einer andern berührt, besteht ja gerade darin, daß hiedurch die Aufmerksamkeit der einen Ameise auf die Tätigkeit der anderen hingelenkt wird und sie dadurch veranlaßt, der anderen zu folgen. Die psychologische Bedeutung des Nachahmungstriebes bei h ö h e r e n Tieren ist so bekannt, daß ich hierauf nicht weitläufig einzugehen brauche. Wenn e i n Hund auf einem Hofe zu bellen anfängt, weil er einen Bettler gesehen hat, so fallen meist auch die übrigen Hunde des Hofes von selber in das Gebell ein, bevor sie noch den Bettler gesehen haben; ja ein einziger bellender Hund vermag zur Nachtzeit nicht selten das ganze „Hundepersonal" der Nachbarschaft zu einer allgemeinen Bellerei zu verleiten. Ferner kann ein junger Jagdhund von einem alten Jagdhund, in dessen Begleitung er sich befindet, auf Grund seines Nachahmungstriebes manches lernen, was er durch eigene sinnliche Erfahrung sich viel langsamer oder vielleicht gar nicht angeeignet haben würde. Ferner wird bei den Jungen der höheren Tiere, welche in Familien oder Herden leben, die instinktive Einübung der angeborenen Reflexmechanismen, die wir oben als die erste Form des selbständigen Lernens bezeichneten, nicht bloß durch die unabhängigen Muskelgefühle des Individuums ausgelöst, sondern in hervorragendem Maße auch durch den Nachahmungstrieb: indem die Jungen das Benehmen der Alten durch ihre äußeren Sinne wahrnehmen, werden in ihnen eben jene Muskelgefühle mittel b a r angeregt, welche die instinktive Ausführung der betreffenden Tätigkeiten leiten. I »er sogenannte U n t e r r i c h t, den die alten Vögel ihren Jungen und die alten Raubtiere den ihrigen erteilen, reduziert sich psychologisch darauf, daß sie Vergnügen daran finden, mit ihren Jungen zu spielen und ihnen bei Gelegenheit dieser Spiele vieles instinktiv v 0 r m a c h e n, was jene instinktiv n a c h a h m e n und dadurch .,1 e r n e n". So lernen z. B. die jungen Hunde, Katzen und Affen durch die — 121 — Anregung, welche der Nachahmungstrieb ihnen bietet, rascher laufen als es sonst der Fall sein würde; so lernen auch die Kätzchen rascher den Mäusefang, indem die Alte ihnen eine noch lebende Maus bringt, welche dann, oft gemeinschaftlich mit der Alten, als Gegenstand für ihre „Jagdspiele" dient. So lernen auch die jungen Vögel rascher fliegen und singen, indem der Nachahmungstrieb die von ihnen selber zu bewirkende instinktive Einübung der Flieg- und Singreflexe unterstützt und beschleunigt. Selbstverständlich machen auch die Jungen der höheren Tiere unter dem Einflüsse des Nachahmungstriebes manche eigene Erfahrungen rascher, als es ohne das Beispiel der Alten geschehen würde. Das „Lernen" durch Nachahmung kommt hier auch der zweiten Form des selbständigen Lernens zugute. Wir brauchen daher zur Erklärung dieser biologischen Tatsachen keine höheren psychischen Elemente herbeizuziehen ale jene, ohne welche wir auch bei den Ameisen das „Lernen durch Nachahmung" nicht zu erklären vermochten. Der Nachahmungstrieb der Affen gilt als so stark entwickelt, daß er sprichwörtlich geworden ist.1) Aber gerade das bezeichnende Wort „Nachäffen", welches man auf diese Form der Nachahmung anwendet, bestätigt, daß wir auch bei den Affen keine „individuelle Intelligenz" annehmen dürfen, wenn wir die Betätigung ihres Nachahmungstriebes richtig erklären wollen. E)as Nachahmungsvermögen der Affen ist allerdings ein vielseitigeres als bei den Ameisen, zumal wegen der größeren Vollkommenheit und Mannig- faltigkeit der Gesichtswahrnehmungen der ersteren. Aber daß es einen Beweis für ein wirkliches Denkvermögen, also für eine „Intelligenz" im eigentlichen Sinne d e s W o r t s biete, davon kann bei den Affen ebensowenig die Bede sein als bei den Ameisen. Es könnte nahe liegen, hier auch auf die „Ameisenaffen" einzugehen und die instinktive Nachahmung des Benehmens der Ameisen durch andere myrmekophile Insekten, namentlich durch gewisse echte Gäste aus den Ordnungen der Coleopteren und Hymenopteren, als „Lernen durch Nachahmung" zu deuten. Der Grad der aktiven Mimicry, den z. B. das Verhalten eines Atemeies (Taf. IV, Fig. 1) gegenüber den Ameisen aufweist, ist in der Tat ein sehr hoher; er macht nicht nur die Fühlerschläge der Ameisen nach, sondern erhebt bei der Aufforderung zur Fütterung sogar seine Vorder- füße und streichelt mit denselben nach vollendeter Ameisensitte die Kopfseiten der fütternden Ameise. Trotzdem kann ich in diesen Erscheinungen keine Nachahmung im psychologischen Sinne des Wortes erkennen. Eine solche ist nur dort vorhanden, wo ein Wesen die Ausübung seiner eigenen erb- lichen Instinkte dadurch individuell modifiziert, daß es das Benehmen anderer Wesen nachahmt; so war es der Fall in den oben erbrachten Beispielen aus dem Ameisenleben und aus dem Leben der höheren Tiere. Bei den Ameisengästen dagegen, welche das Benehmen ihrer Wirte nachahmen, ist diese Nachahmung bis in ihre Einzelheiten bereits bestimmt durch die ererbten Instinkte des nach- ahmenden Tieres. Keinem gründlichen Beobachter des Ameisenlebens wird es in den Sinn kommen, zu behaupten, ein junger A temeles müsse seine aktive Mimicry erst erlernen, bevor er sie übt; denn er übt sie tatsächlich bereits vollkommen aus, sobald sein Chitinskelett erhärtet ist. Zwar darf man wohl auch bei den Käfern, welche das Benehmen der Ameisen nachahmen, diesen Vorgang nicht rein reflek- torisch erklären; denn er wird auch hier augenscheinlich durch bestimmte Sinneswahrnehmungen des Tieres ausgelöst, und er hängt mit den subjektiven Empfindungszuständen des Individuums ebenfalls als seinen auslösenden Faktoren zusammen. Ein Atemeies fordert nur dann eine Ameise zur Fütterung ') Nach Thorndike (1901) ist übrigens das Nachahmungsvermögen der Affen überschätzt worden. Er glaubt, daß die Affen wegen ihrer großen Beweglichkeit leicht alle möglichen Stellungen annehmen und hiebei manchmal auch die Nachahmung menschlicher Handlungen bloß vortäuschen (p. 34). Während der mehrmonatlichen Versuche mit drei Cebus konnte er keinen Fall beobachten, in welchem seine Affen ihm oder einer anderen Person wirklich etwas nach- machten, was ihnen vorgemacht worden war (p. 35 ff.). Ebenso negativ verliefen auch seine Versuche darüber, ob jene Affen untereinander etwas nachmachten, z. B. das Öffnen der Türklinke ihres Käfigs (p. 40 ff). Er konnte keinerlei „Lernen durch Nachahmung" bei ihnen konstatieren. Watson, Imitation in monkeys (1908), gesteht den Affen nur die niederen Formen der Nachahmung zu, nicht die höheren, die auf Begriffsbildung beruhen (siehe oben S. 113). Zoologica. Heft 26. 16 — 122 — auf, wenn er Hunger fühlt, und er beginnt seine Fühlerschläge und sein Streicheln der Kopfseiten erst dann, wenn er durch seinen Geruchs-, Tast- oder Gesichtssinn eine Ameise oder einen Atemeies oder ein ähnliches lebendiges Wesen wahrnimmt, das ihn zu füttern vermag. Die Lomechnsa sind, der höheren passiven Stufe ihres ein wirtigen Gastverhältnisses entsprechend, allerdings viel „dümmer" als die Atemeies. Sehr oft sah ich Männchen von Lomechusa andauernde Paarungsversuche anstellen mit den Kadavern von Schmeißfliegen oder mit anderen tierischen Abfällen im Ameisenneste; bei den Atemeies habe ich jedoch eine derartige, rein reflektorisch erklärbare Handlungsweise fast nie beobachtet. Sie sind psychisch höher begabt, weil sie doppel wirtig sind und daher zweimal im Leben bei neuen Wirten sich Aufnahme verschaffen müssen. Trotzdem glaube ich die vollendete aktive Mimicry der Atemeies in psychologischer Beziehung nicht besonders hoch anschlagen zu dürfen. Einfache Empfindungen und Sinneswahrnehmungen, welche für erbliche instinktive Tätigkeiten, die ihrem tiefsten Wesen nach mit einem erblichen Reflex- mechanismus zusammenhängen, zur Auslösung dienen, scheinen mir zur Erklärung ihres psychischen Lebens zu genügen, während man bei den Ameisen mit diesen Faktoren allein nicht mehr auskommen kann. Eine andere Frage ist, wie die Instinkte der aktiven Mimicry der echten Ameisengäste ursprüng- lich entstanden sind. Man wird nicht im Ernste annehmen wollen, die Atemeies seien durch ihre „eigene Intelligenz" auf den klugen Einfall geraten, das Benehmen der Ameisen immer kunst- gerechter nachzuahmen, und diese durch intelligente Überlegung erworbenen individuellen Eigentümlich- keiten hätten sich dann vererbt.1) Man würde hiemit den Vorfahren jener Insekten einen Grad von psychischer Begabung zuschreiben, von welchem ihre heutigen Nachkommen keine Spur mehr aufweisen. Eine derartige Erklärung könnte daher, auch abgesehen von der theoretischen Schwierigkeit, wie solche individuell erworbene Eigenschaften sich vererben sollen, keinen gegründeten Anspruch auf den Namen einer naturwissenschaftlichen Hypothese erheben. Andererseits ist es jedoch ebenso undenkbar, daß die Entstehung jener Nachahmungsinstinkte bloß darauf beruhen solle, daß nur jene Individuen im Kampfe um das Dasein übrig blieben und zur Fortpflanzung gelangten, in deren Keimesanlage jene merkwürdigen Instinkte zufällig enthalten waren. Das erste Auftreten solcher Instinkte einem glücklichen Zufalle zuschreiben zu wollen, hieße auf eine vernünftige Erklärung einfach Verzicht leisten. Es scheint mir daher, daß wir hier wie anderswo bei der Entwicklung der Instinkte2) als eigentliche innere Grundlage für jene Entwicklung bestimmt gerichtete, organisch-psychische Entwicklungs- gesetze annehmen müssen. Die Naturzüchtung hat dann noch immerhin ein weites Feld für die Auslese und Weiterentwicklung des Passendsten; aber das Auslesematerial muß ihr bereits geboten werden durch innereUrsachen, die nicht von bloß zufälligen Variationen abhängen. Die ebenbesprochene vierte Form des Lernens, das Lernen durch Nachahmung, kann sich erstrecken auf Bewegungen oder Laute, die entweder von anderen Tieren oder vom Menschen ausgehen. Im letzteren Falle, wenn die betreffenden Bewegungen oder Laute vom Menschen einem Tiere vorgemacht werden, um es zur Nachahmung derselben zu bewegen, verbindet sich die vierte Form des Lernens mit der nun folgenden fünften Form und wird zu einem Lernendur chAbrichtung. 5. Fünfte Form des Lernens. Eine fünfte Form des Lernens ist das Lernen der Tiere durch Dressur (Abrieb- t u n g). Es ist kein selbständiges Lernen, und hiedurch steht es im Gegensatze zu den drei ersten Formen. ') Carus Sterne (Ernst Krause) hat allerdings in der „Vossischen Zeitung" 1897 Xo. 524 den Versuch gemacht, die Brutpflegeinstinkte der Raubwespen (Sphegidae, Crabronidae etc.) in folgender Weise zu erklären: „Dieser ebenso grausame wie sinnreiche Instinkt war sicher auch einmal wie das Lochfressen der Räuberhummel von einer sinn- reichen Ahnfrau zufällig entdeckt und „ausbaldowert" worden, und wurde dann durch ofte Wieder- holung erblich." Durch derartige Erklärungsversuche wird man dem Ansehen der Entwicklungstheorie auch in weiteren Kreisen nur schaden. 2) Vgl. hierzu auch 21, III. Abschn. 2 Kap.; 58, 3. Aufl. S. 63 ff.; 60, S. 173 ff.: 157, S. 393 ff., 432 ff. -*- Es ist ein Lernen durch fremden Einfluß; hierin stimmt es mit der v i e r t e n Form des Lernens, dem Lernen durch Nachahmung, überein. Aber es unterscheidet sich von der letzteren dadurch, daß der modifizierende Einfluß von einem intelligenten Wesen ausgeht, welches durch denselben die ursprüngliche instinktive Handlungsweise des Tieres abändert. E)ieses Lernen der Tiere durch Dressur setzt sich aus zwei wesentlich verschiedenen Elementen zusammen : a) Aus dem sinnlichen Erkenntnisvermögen der Tiere, durch welches sie (wie bei der zweiten Form dargelegt wurde) neue zusammengesetzte Sinnesvorstellungen durch Sinneserfahrung bilden können, und b) Aus der Intelligenz des Menschen, welcher dieses Vermögen der Tiere benutzt, um nach seinem Plane bestimmte sinnliche Eindrücke in regelmäßig wieder- holter Folge auf das Tier wirken zu lassen und dadurch beim Tiere jene Yorstellungsverbindungen herzustellen, welche er bei seiner Dressur beabsichtigt. Das „Lernen" der Tiere durch die menschliche Dressur ist somit bloß ein Beweis für die Intelligenz des Menschen, nicht aber für die Intelligenz des Tieres.1) Hiemit soll nicht gesagt sein, daß stets ein b e s t i m in t g e r i c h t e t e r Plan der vom Menschen ausgeübten Dressur zugrunde liegen müsse. Manchmal wird ein Tier vom Menschen gleichsam zufällig nach und nach zu bestimmten Tätigkeiten dressiert; so wurden z. B. die Ameisen meines Beobachtungs- nestes von mir unabsichtlich zum Dinarda-F&ng gleichsam dressiert. Wenngleich als typische Dressur gewöhnlich nur die eigentliche methodische ,, Abrichtung" gilt, so gibt es doch auch Formen der Dressur, bei denen die intelligente Absicht des menschlichen Experimentators auf ein anderes Ziel gerichtet ist als auf dasjenige der Dressur. Ferner gibt es neben der bekannten rohen mechanischen Dressur höherer Tiere durch Hunger und Peitsche auch feinere Formen desselben, welche äußerlich mehr demjenigen gleichen, was wir „Erziehung" oder „Unterricht" nennen. So dressierte z. B. Thorndike seine Affen, auf bestimmte farbige Futtersignale zu reagieren (siehe obenS. 112). So erzog auch Herr v. Osten seinen berühmten „klugen Hans", wie wir unten bei der sechsten Form des Lernens zeigen werden. Der wesentliche Unterschied der „Abrichtung" gegenüber dem „Unterrichte" liegt darin, daß bei ersterer der Anknüpfungspunkt auf Seite des Lernenden bloß durch dessen Sinneswahrnehmung und Sinnes- erfahrung gegeben wird, während bei letzterer das eigene intelligente Schlußvermögen des Lernenden hinzutritt! Bis zu einem gewissen Grade können auch die Ameisen durch Dressur manches lernen, wodurch ihre instinktive Handlungsweise modifiziert wird. Dies wurde bereits oben gezeigt (S. 98 ff.) bei Besprechung der Zähmbarkeit von F. rufibarbis und anderer Ameisen. Auch in einigen anderen Punkten vermochte ich die in meinem obenerwähnten großen Beobachtungsneste von F. sanguinea lebenden verschiedenen Formica- Arten zur Abänderung ihrer ursprünglichen Handlungsweise zu „dressieren." Jedem, der Ameisen in künstlichen Beobachtungsnestern gehalten hat, ist die leidige Gewohnheit dieser Tiere bekannt, den Fütterungsapparat, in welchen man ihnen Zucker, Honig usw. zu geben pflegt, dadurch zu verunreinigen, daß sie Ameisenleichen und andere Abfälle in jenen Apparat schleppen. Diese Unart habe ich meiner obenerwähnten gemischten Kolonie völlig abgewöhnt. Die Dressur meinerseits bestand bloß darin, daß ich mit dem Korkdache des Obernestes (vgl. die Abbildung Taf. I) zwei verschiedene Apparate in Verbindung setzte, von denen der eine als „Fütterungsrohr", der andere als „Abfallnest" dienen sollte. Die Ameisen tragen nämlich ihre Leichen und Nestabfälle allmählich immer weiter aus dem eigent- lichen Neste heraus, wo dieselben für ihren Beinlichkeitstrieb, wahrscheinlich infolge einer Geruchswahr- nehmung, unangenehm sind. Ich lehrte nun die Ameisen durch Anfügung jener beiden, getrennten Apparate, durch ihre eigene sinnliche Erfahrung den einen derselben als Abfallstätte, den anderen als Fourageplatz zu gebrauchen. Einigemal nahm ich auch die im Oberneste oder Vorneste angehäuften Abfälle selber heraus und tat sie in das „Abfallnest"; wenn dagegen Ameisenleichen in das Fütterungsrohr getragen worden waren, entfernte ich dieselben. In kurzer Zeit gelangten nun meine Ameisen dazu, von s e 1 b e r in das Fütterungs- rohr keine Abfälle mehr zu tragen, sondern dieselben regelmäßig in das Abfallnest zu schaffen; ersteres Vgl. hiezu auch „Instinkt und Intelligenz im Tierreich" (58) S. 43 u. "1; 3. Aufl. S. 53, 100 u. 179 ff. - 124 — behandelten sie fortan ausschließlich als Fütterungsapparat. Waren neue Hilfsameisen in dem Neste auf- gezogen worden, so kam es manchmal vor, daß dieselben anfangs einige Abfälle in das Fütterungsrohr schleppten; aber bald wurden dieselben von anderen wieder fortgeschafft und in das Abfallnest hinüber- befördert. Nur wenn ich den Glaskolben des Fütterungsrohres einige Zeit völlig leer gelassen hatte, brachten sie gelegentlich auch in das betreffende Glasrohr einige Abfälle; sobald aber wieder Honig oder Zucker in dem Glaskolben erschienen war, wurden die Abfälle aus der Röhre wieder entfernt, obwohl dieselbe weit genug war und der Verkehr durch jene vereinzelten Ameisenköpfe oder Rümpfe nicht gehindert worden wäre. Ich hatte somit den angeborenen Reinlichkeitstrieb der Ameisen dazu benützt, um sie dazu anzuleiten, daß sie mittelst ihrer sinnlichen Wahrnehmungen den Unterschied zwischen dem Abfallnest und dem Fütte- rungsrohr selber kennen lernten und das Fütterungsrohr nur als Fütterungsrohr benutzten, so lange dasselbe sich tatsächlich als solches erwies. Ein anderer Punkt, worin namentlich die sanguinea jenes Beobachtungsnestes ihr ursprüngliches Verhalten modifiziert haben, ist die Verminderung ihrer Wildheit mir gegenüber.1) Obwohl ich mit den sanguinea dieses Nestes keine eigentliche Zähmungvsersuche, wie mit mehreren Individuen der Sklavenarten desselben angestellt hatte, so scheinen doch auch die sanguinea allmählich den Geruch meines Fingers so weit kennen gelernt zu haben, daß sie durch denselben nicht mehr zum feindlichen Angriff gereizt werden. Wenn ich eine der beiden Glasröhren, welche das Obernest mit dem Fütterungsrohr oder dem Abfallneste verbinden, aus dem Dache des Obernestes herausziehe, wobei meist eine Fliege oder ein anderes Beutetier von mir in das Obernest geworfen wird, stürzen oft einige sanguinea sofort heraus, welche gerade als „Schild- wachen" an dem betreffenden Eingange gesessen hatten. Halte ich ihnen nun meinen Finger vor, so gehen sie nicht auf ihn los, um wütend hineinzubeißen, wie sanguinea sonst zu tun pflegt, sondern sie laufen an ihm vorüber und suchen etwas anderes, wo sie hineinbeißen. Meist spritzen sie nicht einmal Gift aus, wenn ich sie mit einer Pinzette am Beine nehme und in das Nest zurücksetze; ihr Widerstand gegen diese Behandlung ist ein viel geringerer als er es ursprünglich war. Die rufa und pratensis desselben Beobachtungsnestes benehmen sich derselben Behandlung gegenüber noch jetzt gewöhnlich viel gereizter und beißen und spritzen wütend; in der freien Natur ist gerade das Umgekehrte der Fall; dort wehrt sich eine sanguinea mit größerer Heftigkeit als eine rufa oder pratensis. Die verminderte Angriffslust der sanguinea meines großen Beobach- tungsnestes bezieht sich bloß auf ihr Benehmen mir gegenüber ; sie haben im übrigen nichts von ihrer Kampfes- wut durch die „Gefangenschaft" eingebüßt; wenn ich ihnen durch jene Öffnung des Obernestes eine Fliege oder ein anderes Beutetier oder eine fremde Ameise hineinsetze, so wird das Objekt sofort mit derselben Heftigkeit angegriffen wie es bei einer freilebenden, starken sanguinea-Kolonie zu geschehen pflegt. Zum Vergleiche mit jenem 1898 schon sechs Jahre im Zimmer gehaltenen Beobachtungsneste kann auch ein anderes Ucuhachtungsnest von F. sanguinea (aus Kolonie 86 I) dienen, das erst Ende März 1898 ein- gerichtet wurde. Obwohl dieses Nest viel weniger volkreich als das obenerwähnte ist, und demgemäß auch die Kampflust der Ameisen eine geringere, so benehmen sich doch diese sanguinea, wenn ich einige aus dem Neste herauslaufen lasse, meinem Finger gegenüber noch sehr reizbar, beißen und bespritzen denselben meist sofort, wenn ich ihnen den Finger vorhalte. Da dieses Nest erst seit einigen Wochen ein- gebracht wurde und zudem keinen eigens eingerichteten Fütterungsapparat besitzt, hatten die Ameisen desselben noch keine Gelegenheit, den Geruch meines Fingers kennen zu lernen. Ich glaube nämlich, daß das veränderte Benehmen der sanguinea des großen, älteren Beobachtungsnestes gegenüber meinem Finger hauptsächlich dem Umstände zuzuschreiben ist, daß ich die Nahrung, die ich den Ameisen in den Fütterungs- apparat gab, sowie den Korkpfropfen, welcher den Glaskolben desselben verschließt, häufig mit den Fingern berührte, wodurch sie die feindliche Reaktion gegen den Geruchsstoff derselben verlernten : indem die Wahr- ') Die allmähliche Modifizierung des Verhaltens dieser Ameisen und ihrer Sklaven gegenüber Gesichtsein- drücken wurde bereits oben (S. 38 ff.) erwähnt. — Die hier gegeben1 Schilderung des Benehmens von F. sanguinea wurde im Frühling 1898 niedergeschrieb?!! und auch in dieser neuen Auflage (1908) unverändert beibehalten. — 125 — nehmung dieses Geruchsstoffes sich sehr häufig mit den angenehmen Erfahrungen verband, die sie im Fütte- rungsapparat zu machen pflegten, bildete sich eine neue sinnliche Assoziation, infolge deren sie ihre ursprüngliche instinktive Handlungsweise gegen jenen Geruchsstoff modifizierten. Diese Form des „Lernens" gehört offenbar in die zweite der hier aufgeführten Abteilungen, in das „Lernen durch selbständige sinnliche Erfahrung". Die „Dressur" hatte nur den A n 1 a ß zu der betreffenden Vorstellungsverbindung x) geboten. In ganz ähnlicher Weise scheint mir auch die Erscheinung erklärbar zu sein, daß höhere Raubtiere ihren Wärter am Gerüche kennen lernen und sich ihm gegenüber ganz anders benehmen als gegen Fremde. Hier kommt allerdings noch die Gesichtswahrnehmung zu der Geruchswahrnehmung als Mittel für jenes „Kennen- lernen" hinzu. Ferner darf man von Ameisen schwerlich erwarten, daß sie die individuellen Gerüche ver- schiedener Menschen scharf zu unterscheiden lernen. Ein derartiges Vermögen liegt zu weit außerhalb des Bereiches ihrer natürlichen Lebensverhältnisse, weil die Geruchsstoffe, zu deren Wahrnehmung die Ameisen- fühler dienen, vorwiegend anderer Art sind als die Geruchsstoffe, die auf das Geruchsorgan der höheren Tiere zu wirken pflegen. Es sei hier noch bemerkt, daß auch die individuell erworbene Neigung der F. sanguinea meines großen Beobachtungsnestes, sogar ihren normalerweise geduldeten Gast Dinarda dentata zu verfolgen,2) ebenso wie die individuell erworbene Geschicklichkeit im Fange der Dinarda, als eine indirekte Wirkung der Dressur bezeichnet werden muß. Indem dieses Nest sehr häufig für Experimente über die „internationalen Beziehungen" der verschiedenen Dinarda-Rassen benützt wurde, war den Ameisen die Gelegenheit geboten, hier neue sinnliche Erfahrungen zu machen, die sie in freier Natur nie gemacht haben würden. Daher ist auch die durch jene Erfahrungen bewirkte Modifizierung ihrer ursprünglichen instinktiven Handlungsweise eine mittelbare Wirkung der „Dressur". Ich hatte diese Ameisen, allerdings ohne es zu beabsichtigen, gleichsam zur Jagd auf Dinarda dressiert. Es steht somit außer Zweifel, daß auch die Ameisen einer Dressur durch den Menschen bis zu einem gewissen Grade fähig sind. Die Zähmung einer wilden F. rufibarbis (oben S. 98) sowie die übrigen hier erwähnten Beobachtungen bieten einen vollgültigen Beweis hiefür. Trotzdem ist der Grad und namentlich der Umfang der Dressierbarkeit bei den Ameisen ein viel geringerer als bei den höheren Tieren. Die Ursachen dieser Verschiedenheit dürften hauptsächlich folgende sein. Jede Dressur, welche der Mensch bei einem Tiere vornehmen will, muß ihren Anknüpfungs- punkt auf Seite des Tieres haben ; denn nur dadurch, daß der Mensch nach seinem Plane bestimmte sinnliche Eindrücke in regelmäßiger Folge auf das Tier wirken läßt, ist es ermöglicht, das Tier zu der betref- fenden Handlungsweise zu dressieren. Die Anknüpfungspunkte aber, die uns für die Dressur einer Ameise zu Gebote stehen, sind viel spärlicher und schwächer als jene, die wir für die Dressur höherer Tiere haben. Es besteht nämlich erstens zwischen Mensch und Ameise ein ganz ungeheuerer Unterschied in der Körpergröße. Daher kommt es, daß der sinnliche Eindruck, den ein Mensch auf eine Ameise macht, stets ein durchaus fremdartiger, gewaltsamer bleiben wird. Wenn es mir trotzdem tatsächlich gelungen ist, eine kampflustige Ameise so weit zu zähmen, daß sie den Honig von meiner Fingerspitze ruhig ableckte und sich dann ohne Widerstreben in das Nest zurücksetzen ließ, so ist das schon ein sehr großer Erfolg in Anbetracht der Schwierigkeiten, die wegm der Verschiedenheit der Körpergröße von Mensch und Ameise jenem Zähmungsversuche sich entgegenstellen. Zweitens besteht zwischen dem Menschen (bezw. den höheren Tieren) und einer Ameise ein großer Unterschied in der Beschaffenheit der Sinnes- organe, durch welche die sinnlichen Eindrücke vermittelt werden. Die Ameisen sind vorwiegend G e r u c h s-, T a s t- und Geschmackstiere. Der Gesichtssinn hat für die Leitung und Modi- 1) Es sei hier nochmals bemerkt, daß man sich hierunter nicht „Vorstellungsbilder" im menschlichen Sinne denken darf; denn das sinnliche Gedächtnis der Ameisen ist, der Natur ihrer leitenden Sinneswahrnehmungen entsprechend, hauptsächlich ein „Geruchsgedächtnis". Vgl. hiezu auch 58, S. 54 ff.; 3. Aufl. S. 78 ff. 2) Siehe oben S. 104 ff. und 114 ff. — 126 — fizierung ihrer Lebenstätigkeiten eine geringere Bedeutung als bei den höheren Tieren; zudem könnte eine Ameise den Menschen schon deshalb durch ihren Gesichtssinn niemals kennen lernen, weil der Mensch ihr gegenüber ein unübersehbarer, bergähnlicher Koloß ist, von dem sie unmöglich eine einheitliche Gestalts- wahrnehmung haben kann. Der Gehörssinn der Ameisen bietet endlich so gut wie gar keine Anknüpfungspunkte für eine Dressur; die Laute, welche die Ameisen mit einiger Wahrscheinlichkeit als Laute wahrzunehmen vermögen, sind feine, hohe Zirplaute, die das menschliche Sprachorgan gar nicht hervorzubringen vermag. Bei den höheren Tieren liegen die Verhältnisse für eine Dressur viel günstiger. Ihre Körpergröße nähert sich weit mehr derjenigen des Menschen, und ihre Sinnesorgane sind, namentlich bei den höchsten Säugetieren, in ähnlicher Weise entwickelt wie beim Menschen. Außer dem Geruchs-, Geschmacks- und Tastsinn stehen dem Menschen insbesondere das Gesicht und Gehör der höheren Tiere zum Zwecke der Abrichtung derselben zu Gebote. Ein Hund kann seinen Herren nicht bloß am Gerüche, sondern auch an seiner Gestalt und Kleidung und namentlich an der Stimme erkennen. Daher vermag der Mensch auch in viel wirksamerer und mannigfaltigerer Weise die Dressur eines Hundes zu bewerkstelligen als diejenige einer Ameise. Schon ein großer Naturforscher und Denker des Altertums, Aristoteles, hat gesagt,1) nur jene Tiere seien einer eigentlichen Abrichtung fähig (docilia), welche Gehör besitzen, und zwar ein Gehör für jene Laute, die der Mensch durch sein Sprachorgan hervorbringen kann. Diese Bemerkung wird man als nicht unberechtigt erkennen, wenn man die allbekannte Methode erwägt, wie die höheren Tiere vom Menschen tatsächlich dressiert werden und seinen Befehlen gehorchen lernen. Darauf werde ich weiter unten zurückkommen. Nehmen wir einmal an, der Mensch wäre ein Wesen von der Größe und Gestalt einer Ameise und mit den entsprechenden Sinnesorganen, insbesondere mit einem Paar echter Ameisenfühler ausgestattet; aber er besäße überdies eine wirkliche Intelligenz, während die Ameise bloß sinnliche Erkenntnis- und Strebe- fähigkeiten habe. Dann wäre es für den Ameisenminiaturmensehen ohne Zweifel leichter, sich mit einer Ameise in Verbindung zu setzen und dieselbe zu seinen Zwecken zu „dressieren". Wenn man bedenkt, wie die wirklichen Ameisen trotz ihres Mangels einer eigentlichen Intelligenz dennoch gewisse Käferarten (Atemeies, Lomechusa, Claviger etc.) als „echte Gäste" und angenehme Gesellschafter durch ihre selbständige sinnliche Erfahrung kennen lernen können, obwohl die Coleopteren einer ganz anderen Insektenordnung angehören als sie selber, so wird man zugeben müssen, daß bei der allerdings rein poetischen Voraussetzung, der Mensch wäre in seiner Gestalt, seinen Sinnes- und Verkehrsorganen ein intelligentes ameisenähnliches Wesen, eine Dressur der Ameise durch den Menschen in weit vollkommenerem Grade möglich sein würde als es in der Tat der Fall ist. Man wird aus dieser dichterischen Fiktion wenigstens so viel ersehen, daß die vollkommenere Dressierbarkeit der höheren Tiere n i c h t auf eine überlegene psychische Begabung derselben als auf ihre Hauptursache zurückgeführt werden darf. Die wirkliche Hauptursache liegt vielmehr darin, daß erstens der Unterschied in der Körpergröße zwischen dem Menschen und den höheren Tieren ein weit geringerer ist als zwischen dem Menschen und der Ameise, und daß zweitens eine viel größere Ähnlichkeit der Sinnesorgane und der entsprechenden sinnlichen Verkehrsmittel zwischen dem Menschen und den höheren Tieren vorliegt als zwischen dem Menschen und der Ameise. Deshalb stehen dem Menschen zur Dressur eines Säugetieres weit wirksamere und weit umfassendere Mittel zu Gebote als zur Dressur einer Ameise. Vor einer Überschätzung des psychologischen Wertes der Dressierbarkeit höherer Tiere wird uns auch eine sorgfältige Prüfung der Methode bewahren, wie diese Tiere gewöhnlich vom Menschen dressiert werden.2) Die Auskunft, welche ein geschulter Tierbändiger in einem Zirkus hierüber zu geben vermöchte, dürfte die populären Anschauungen von der ,, hohen Intelligenz" der ') Methaphys. lib. 1. c. I.: ..'hnuniui inv (vä lükii ävev ro<~> uavlläritv, ooo fti/ dövarai Tür tpöv äxotiew, oiov itt/.ura, Kai el ti voiovzov u/./.n yivog .) Pfungst will (S. 159 ff.) die Entwicklung der psychischen Leistungen des kl. H. nicht auf „Dressur", sondern auf „Unterricht" oder „Erziehung" zurückführen. Er definiert hiebei die „Dressur" jedoch als absichtliche Dressierung durch mechanische Dressurmittel : eine solche war (wenigstens nach der Versicherung v. Ostens) allerdings nicht vorhanden. Ich kann mich dieser Definition der Dressur nicht anschließen. Das ausschlaggebende Moment für die Entwicklung der Leistungen jenes Pferdes war doch der tatsächliche Lern Vorgang des Tieres, nicht der auf „Selbsttäuschung" beruhende Lehrvorgang des Meisters. Übrigens besteht hier zwischen Pfungst und mir nur eine Verschiedenheit der Ausdrucksweise, nicht eine Verschiedenheit in der sachlichen Beurteilung des Vorgangs. 2) Bei Pfungst S. 187; ferner 58, 3. Aufl. S. 222. 3) Der Sperrdruck stammt von mir. E. W. — 135 — 3. Durch sinnliche Erfahrung und intelligentes Schließen von früheren auf neue Verhältnisse. (Sinnliches Gedächtnis und wirk- liche Intelligenz.) IL Lernen durch fremden Einfluß: 4. Durch Anregung des Nachahmungstriebes, welche von dem Bei- spiele anderer ausgeht. 5. Durch Dressur (Abrichtung), durch welche der Mensch anderen sinnlichen Wesen neue Vorstellung s- und Empfindungsassozia- tionen nach seinem intelligenten Plane einprägt. 6. Durch intelligente Belehrung (Unterricht), durch welche ein intel- ligentes Wesen ein anderes lehrt, nicht bloß neue Vorstellungs- assoziationen unmittelbar zu bilden, sondern auch neue Schlüsse zuziehen aus früheren Erkenntnissen. Die erste Form des Lernens setzt beim Lernenden bloß die psychische Fähigkeit der einfachen sinnlichen Empfindung voraus (Muskelgefühle). Die zweite und die vierte Form setzen beim Lernenden außer der Empfindung auch das Vermögen einfacher Sinneswahrnehmungen voraus. Die zweite und die fünfte Form setzen beim Lernenden überdies das Vermögen voraus, durch sinnliche Empfindung und Wahrnehmung neue Assoziationen zu bilden (sinnliches Gedächtnis). Dieselbe Voraussetzung ist auch für viele Erscheinungen, die in die v i e r t e Form des Lernens gehören, notwendig. Die dritte und die sechste Form setzen beim Lernenden überdies das Vermögen voraus, neue Schlüsse aus früheren Erfah- rungen zu bilden (Intelligenz). Zwischen den drei Formen des Lernens durch fremden Einfluß (4 — 6) sind noch folgende Unterschiede hervorzuheben. Bei der vierten Form des Lernens braucht der Lehrer kein intelligentes Wesen zu sein, wohl aber bei der fünften und sechsten Form. Die vierte Form des Lernens findet hauptsächlich statt zwischen mit Sinneserkenntnis begabten Individuen derselben Art oder verwandter Arten, die sechste Form zwischen Wesen, welche außer dem sinnlichen Erkenntnisvermögen auch noch Intelligenz besitzen; bei der fünften Form besitzt bloß der Lehrer Intelligenz, der Lernende nicht. Daher besteht bei dieser (fünften) Form des Lernens ein wesentlicher Unterschied zwischen der psychischen Begabung des Lehrers und des Lernenden, während bei der vierten und sechsten Form ein gradueller Unter- schied zwischen der psychischen Begabung des Lehrers und des Lernenden genügt. Aus diesen Darlegungen ergeben sich die folgenden Schlüsse: 1. Nur beim Menschen allein finden sich sämtliche sechs Formen des Lernens vereint. Bei den Tieren dagegen finden sich je nach dem Grade ihrer psychischen Begabung entweder bloß die erst e,1) oder die erste und vierte, oder die erste, zweite, vierte und fünfte zu- s a m m e n. 2. Bei den Ameisen sind ebenso wie bei den höheren Tieren die erste, zweite, vierte und fünfte Form des Lernens tatsächlich nachweis- bar. Die zweite und fünfte For m ist jedoch bei manchen höheren Tieren in höherem Grade vorhanden als bei den Ameisen. 3. Nur die dritte und die sechste Form des Lernens beweisen den Besitz einer wirklichen Intelligenz auf seite des Lernenden; die übrigen Formen dagegen bieten keinen derartigen Beweis. l) Hiermit will ich nicht behaupten, daß die Irritabilität des Protoplasmas bereits bei den niedersten Tieren (Protozoen) zu einer wirklichen Empfindung sich erhebe. Ich spreche von jenen Tieren, welche ein Nervensystem, und zwar ein wenigstens einigermaßen zentralisiertes Nervensystem besitzen. — 136 — 4. Da die d ritte und sechste Form des Lernens sich bei den Tieren nicht nachweisen lassen, existiert auch kein tatsächlicher Beweis für die Intelligenz der Tiere. 5. Der von der modernen Tierpsychologie (H. E. Ziegler etc.) aufgestellte Satz: „das Lernen durch individuelle Erfahrung ist ein positives Kriterium der Intelligenz" muß daher als völlig unhaltbar bezeich- net werden. 6. Es ist ebenfalls unhaltbar, das „Lernen durch individuelle Sinnes- erfahrung" als Kriterium der psychischen Qualitäten hinzustellen (Bethe) ; denn die erste und vierte Form des Lernens beruhen nicht auf der sinnlichen Erfahrung des Individuums, setzen aber trotz- dem bereits das Vermögen der einfachen sinnlichen Empfindung und der einfachen Sinnes Wahrnehmung voraus. Man möge diese Darlegungen, die von jedem „philosophischen System" unabhängig sind, vorurteilslos prüfen. Falls man die Richtigkeit derselben nicht anerkennen kann, möge man eine sachliche Berichtigung geben. Die Entgegnung, meine Einwände gegen die moderne Tierpsychologie entsprängen lediglich daraus, daß ich „an der alten scholastischen Psychologie festhalte", trifft hier jedenfalls nicht zu. Nicht im Interesse jener Psychologie, sondern im Interesse einer denkenden Naturbeobachtung ist es nötig, daß man zwischen den verschiedenen Formen des Lernens klar unterscheide, weil man sonst zu keiner befriedigenden Erkenntnis der tierpsychologischen Erscheinungen gelangen kann. Man kann sie auch nicht mit August Forel1) als „künstliche Schnitte" bezeichnen, „die in der Natur fehlen"; denn sowohl ihre Einteilung als ihre Anwendung beruht auf der Analyse der tatsächlichen Lernvorgänge bei Tier und Mensch. Aller- dings wird das eigentliche Wesen der tierischen Lernvorgänge für den menschlichen Geist stets ein Rätsel bleiben; denn wir können die inneren Ursachen, welche die Handlungsweise des Tieres bestimmen, nicht unmittelbar erkennen, sondern nur aus ihren Wirkungen. Diese Wirkungen müssen wir dann mit den entsprechenden Erscheinungen beim Menschen vergleichen, die wir aus eigener unmittelbarer Erfahrung kennen. Bei uns finden wir sämtliche sechs Formen des Lernens vertreten, von der bloßen Ein- übung ererbter Reflexmechanismen bis zum intelligenten Lernen durch Unterricht. Falls man mir auf Grund der Tatsachen nachweisen kann, daß auch beim Tiere die dritte und die sechste Form des Lernens sich finden, welche allein zur Annahme einer Intelligenz des betreffenden Subjektes berechtigen, so werde ich mich gerne zur Annahme einer Tierintelligenz bekehren; wenn man dies jedoch nicht vermag, so wird man von mir nicht verlangen können, daß ich die Tiere für Wesen ansehen soll, die in psychischer Beziehung dem Menschen wesentlich gleichstellen : denn wir dürfen keine höheren Ursachen zur Erklärung der tierpsychologischen Vorgänge heranziehen als die Tatsachen e r f o rdern. Verzichtet man dagegen darauf, durch Analogieschlüsse von den betreffenden Erscheinungen beim Menschen auf die Ursachen ähnlicher Erscheinungen beim Tiere zu schließen, s o m u ß man auf eine vergleichende Psychologie überhaupt Verzicht leisten. Es bleibt dann nur noch die vergleichende Anatomie des Nervensystems als einzige Erkenntnisquelle für die Tier- psychologie übrig. Dieser verhängnisvolle Schluß ist denn auch von Uexküll, Bethe usw. seit DOO ge- zogen worden.2) ') Gehirn und Seele, 6. Aufl., 1899 S. 34 ff. Auf die daselbst, von Forel erhobenen Einwendungen habe ich bereits 58, 3. Aufl. S. 187 ff. geantwortet. Daß die dritte und sechste der von mir aufgestellten Formen des Lernens bei ii leren Völkerschaften fehlen sollen, ist ebenso unrichtig, wie daß ihr Vorhandensein bei höheren Wirbeltieren bewiesen sein soll. Wenn Forel ferner glaubt, daß ich „die geistigen Fähigkeiten höherer Saugetiere, besonders der anthropomorphen Affen" unterschätze, so brauche ich bloß auf die oben (S. 112 ff.) zitierten Urteile von Thorndike, Lloyd Morgan usw. zu verweisen, welche meine Auffassung bestätigen. -) Siehe hierüber im Schlußkapitel (Kap. XII) der vorliegenden neuen Auflage. — 137 — Bethe hatte früher in seiner auch in psychologischer Hinsicht bemerkenswerten Studie „Über das Nervensystem von Carcintis moenas" 1) ebenfalls hervorgehoben, daß wir auf den Gebrauch der Analogie- schlüsse auf diesem Gebiete nicht verzichten können. In der Anwendung dieses Schlußverfahrens gehen unsere Ansichten allerdings beträchtlich auseinander. Der von ihm daselbsl vertretene Satz „nicht erlernt. also bloß reflex" wurde bereits im zweiten Kapitel der vorliegenden Arbeit einer genauen Prüfung unter- zogen;2) er hat sich dort sowie auch bei der Untersuchung der verschiedenen Formen des Lernens im Tier- reich als nicht haltbar erwiesen. Hier nur noch einige ergänzende Bemerkungen. Wenn man konsequent alle nicht erlernten Tätigkeiten der Tiere auf bloße erbliche Reflex- mechanismen zurückführen wollte, so würde es unvermeidlich sein, auch die höheren Tiere für bloße Reflex- maschinen zu erklären. Man müßte dann nämlich auch die erblichen Instinkte der höheren Säugetiere als bloße Reflexe ansehen, weil sie n i c h t erlernt sind. Ebenso könnte auch das Vermögen der sinnlichen Empfindung und der einfachen Sinneswahrnehmung bei den höheren Tieren nur auf ererbten Reflexen beruhen, weil es ebenfalls nicht erlernt ist. Das Vermögen, die sinnlichen Wahrneh- mungen, welche durch äußere Objekte im Tiere angeregt werden, nach bestimmten psychologischen Gesetzen zu neuen Vorstellungsassoziationen zu verbinden (Ähnlichkeits- und Berührungsassoziationen Wundts), ist gleichfalls ein angeborenes Vermögen und deshalb nicht erlernt. Daher müßte nach Bethe's Prinzip auch die Betätigung des Assoziationsvermögens auf „zusammengesetzte Reflexe" zurückgeführt werden. Dadurch wäre aber dann alles, was das Tier durch sinnliche Erfahrung erlernt, selbstverständlich auf eine „kombinierte Reflextätigkeit" reduziert. Das selbständige wie das durch menschliche Dressur bewirkte Lernen der höheren Tiere, welches Bethe (1899) als sicheren Beweis für die psychischen Qualitäten derselben hinstellt, hätte hiemit seine ganze Beweiskraft verloren. Die unvermeid- liche Konsequenz hieraus wäre, daß man, wie es ehemals Descartes und Malebranche getan, sämtliche Tiere zu bloßen empfindungslosen Reflexmaschinen machen müßt e.3) Aber gerade wegen dieses Schlusses, der sich meines Erachtens aus dem Prinzip ,,n i c h t erlernt, also reflex" notwendig ergeben muß, ist es mir um so weniger möglich, die Berechtigung desselben Prinzips für die niederen Tiere zuzugeben, wie Bethe es verlangt. Ich sehe hiebei ganz davon ab, daß seine Reflextheorie des Ameisenlebens sich auch tatsächlich unhaltbar erwies, weil die Ameisen durch eigene sinnliche Erfahrung, durch Nachahmung und durch Dressur vieles wirklich zu 1 e r n e n vermögen, wodurch sie die Ausübung ihrer erblichen Instinkte modifizieren. Noch aus einem anderen Grunde ist es mir nicht möglich, mit Bethe darin übereinzustimmen, daß sämtliche Wirbellosen bloße ..Reflexmaschinen'' seien, die höheren Wirbeltiere dagegen nicht. Er hat diese Ansicht allerdings (S. 98 seiner Schrift über die Ameisen und Bienen) nur als Meinung ausgesprochen; immerhin scheinen mir auch gegen die Aufstellung derselben als naturwissenschaftliche Hypothese wichtige Gründe vorzuliegen. Die niedersten Wirbeltiere weisen nämlich tatsächlich eine geringere psychische Begabung auf als die höchsten Gliedertiere. Die Fische und Lurche geben weit weniger Beweise von Modi- fizierung ihrer erblichen Instinkte durch eigene sinnliche Erfahrung, als dies bei den Ameisen der Fall ist. Wir haben hier gleichsam ein psychologisches Seitenstück zu dem bekannten Baer'schen Gesetze, nach welchem die niedersten Vertreter eines höheren Tierkreises eine niedrigere morphologische Organisations- stufe aufweisen als die höchsten Vertreter des nächstniederen Tierkreises. Daß aber in der Reihe der Wirbel- tiere ganz neue psychische Faktoren auftreten, welche bei den höchsten Gliedertieren nicht vorhanden sind, läßt sich mit den Tatsachen nicht vereinbaren. Ich glaube daher sowohl bezüglich der Ameisen als der höheren Tiere auch fürderhin jenen Mittel- weg einhalten zu müssen, auf welchen die sorgfältige Prüfung ihrer Lebenserscheinungen uns hinweist: 1) Archiv für mikroskop. Anatomie, Band 50, 1897, besonders S. 486 — 493. 2) Vergl. S. 6 ff. 3) O. zur Strassen hat auch diese Konsequenz 1907 endlich gezogen und sogar auf den Menschen ausgedehnt. Siehe das Schlußkapitel dieser neuen Auflage. Zoologica. Heft 26. 18 — 138 — Die Tiere besitzen zwar einerseits keine Intelligenz und stehen daher in psychischer Beziehung weit unter dem Menschen; aber sie sind ander- seits ebensowenig bloße Reflexmaschinen, weil sie ein sinnliches Erkenntnis- und Begehrungsvermögen besitzen und durch sinnliche Erfahrung manches lernen können, wodurch sie ihre instinktive Hand- lungsweise modifizieren.1) Ob man letzteres Modifizierungsvermögen wegen seines innigen Zusammenhanges mit den erblichen Instinkten (dem Instinkt im engeren Sinne) als „instinktiv i m weiteren Sinne" bezeichnen will, wie ich es vorgeschlagen, 2) oder ob man ihm einen anderen Namen geben will, etwa „Assoziationsvermöge n", das ist mir schließlich gleichgültig. Als „Inte 1- ligenz der Tiere" darf man es jedenfalls n i c h t bezeichnen ; denn es ist mit dem Instinkte viel näher verwandt als mit der Intelligenz, da es aus der erblichen Anlage des sinnlichen Erkenntnis- und Begehrun gs Vermögens im Tiere hervorgeht und nur eine Betätigungs- weise dieser Anlage darstellt, welche durch die individuellen Sinneswahrnehmungen des Tieres veranlaßt wird. Indem ich den Instinkt des Tieres (und des Menschen) als die erbliche, eigenartige Anlage des sinnlichen Erkenntnis- und Begehrungsvermögens, die mit den erblichen Reflexmechanismen in wesentlichem Zusammenhange steht, näher erklärte und begründete (58. Kap. 2 und 3), war es vollkommen berechtigt, zwischen Instinkt- handlungen im engeren und im weiteren Sinne zu unterscheiden, von denen die ersteren unmittelbar, die letzteren dagegen durch Vermittlung der individuellen Sinneserfahrung des Tieres aus jener Anlage hervorgehen. Falls man die Alternative stellt, ob letztere Tätigkeiten dem „Instinkte" oder der „Intelli- genz" zuzuweisen seien, kann es nicht zweifelhaft sein, daß ersteres das einzig richtige ist. Im Schlußkapitel dieser neuen Auflage wird über die neueste Entwicklung der Tierpsychologie ein kurzer Überblick gegeben werden. XI. Kapitel. Giebt es noch andere Beweise für die psychischen Fähigkeiten der Ameisen? Es dürfte eigentlich überflüssig scheinen, diese Frage hier noch zu stellen. Da ich mir jedoch wohl bewußt bin, die psychischen Lebensäußerungen der Ameisen im obigen bei weitem nicht erschöpfend behandelt zu haben, sollen wenigstens noch einige Andeutungen gegeben werden. Zu einer vollständigen Erörterung dieses Problems würde es nötig sein, sämtliche Lebens- tätigkeiten der Ameisenarten durchzugehen : Ihren Nestbau, sowohl die verschiedenen spezifischen Formen wie die mannigfaltigen individuellen Modifikationen desselben, welche durch wechselnde äußere Verhältnisse veranlaßt und verschiedenen Bedürfnissen angepaßt werden; bei den Gespinnstnestern der Ameisen aus den Gattungen Oecophylla, Polyrhachis und Camponotus begegnet uns die psychologisch sehr interessante Tatsache, daß die Ameisen ihre eigenen Larven als Werkzeuge (als „Webeschiffchen") 1) In ähnlicher Weise sagt auch W. A. Nagel (Lichtsinn augenloser Tiere, Jena 1896, S. 27): Man kann bei niederen Tieren von psychischen Prozessen reden, ohne ihnen einen Menschengeist zuzuschreiben .... Für ebenso falsch und für praktisch verhängnisvoller halte ich es aber, die Sache so darzustellen, als ob alle Handlungen und Reaktionen niederer Tiere sich als einfache Reflexe auffassen ließen. Das ist nur richtig, wenn man den Begriff des Reflexes in einer ganz unstatthaften und unzweckmäßigen Weise verallgemeinert und verwässert." Vgl. hiezu auch meine obigen Ausführungen (S. 9 ff. und 38 ff.) über die Kriterien der Reflextätigkeit gegenüber dem Instinkte und der sinn- lichen Wahrnehmung. -) 58, Kap. 2 und 3. — 139 — zum Herstellen dieser Gespinnste verwenden. Ferner wären zu untersuchen die verschiedenen Formen des Nahrungserwerbs, und die Abhängigkeit derselben einerseits von erblichen, organisch- psychischen Gesetzen, andererseits von der individuellen Sinneswahrnehmung und Sinneserfahrung der einzelnen Ameisen ; hieher würde gehören die Zucht der Blatt-, Schild- und Wurzelläuse sowie gewisser exotischer Cercopiden, Membraciden und Fulgoriden, ferner gewisser teils einheimischer, teils exotischer ,, Honigraupen", welche vornehmlich zur Lepidopterenfamilie der Lycaeniden gehören; diese Form des Nahrungserwerbes würde überleiten zur Pflege und Zucht gewisser echter Gäste, besonders aus der Ordnung der Coleopteren, deren Exsudatorgane flüchtige Stoffe absondern, die den Ameisen als angenehme Genuß- mittel dienen.1) Beim Nahrungserwerb der Ameisen wären ferner noch folgende Themata zu behandeln: die lebendigen ..Honigtöpfe'' bei Myrmecocystus-, Mclophorus-, Plagiolepis, Prenolepis-, Leptomyrmex- unil Camponotus- Arten 2) ; die Benutzung der myrmekophilen Pflanzen mit ihren extranuptialen Nectarien; die Getreidevorräte der körnersammelnden Ameisen ; die Pilzgärten der pilzzüchtenden Ameisen 3) der Gattungen Atta, Moellerius, Sericomyrmex, Trachymyrmex, Apterostigma etc.; endlich die Jagden der Ameisen auf andere Tiere, die ihnen als Beute dienen. Besondere Berücksichtigung verdiente ferner die an letztere Erscheinung sich anschließende Sitte gewisser Baubameisen, die Arbeiterpuppen fremder Arten zu rauben und als Hilfsameisen zu erziehen (die „sklavenhaltenden" Ameisen). Ferner wäre zu behandeln die ganze Brutpflege der Ameisen in ihren mannigfaltigen Phasen und Formen, sowie der Einfluß der Brutpflege auf die Erziehung sowohl der normalen Kasten in den Ameisenfamilien wie gewisser anormaler Zwischen- formen (z. B. der Pseudogynen); hieran würden sich anschließen die Adoptionsinstinkte der Ameisen, durch welche sie ihre eigene Brutpflege auch auf die Brut fremder Arten ausdehnen, und zwar nicht bloß auf diejenige fremder Ameisen, sondern auch auf die Larven gewisser myrmekophiler Käfer (Atemeies und Lomechusa) , auf die Eier von gewissen Aphiden, etc. Weiterhin wären zu behandeln die Bezieh- ungen der erwachsenen Ameisen zu einander, innerhalb derselben Kolonie, zwischen verschiedenen Kolonien derselben Art, zwischen verschiedenen Arten, insbesondere die mannigfaltigen Formen der Symbiose zwischen Ameisen verschiedener Arten (die zusammengesetzten Nester und gemischten Kolonien). Die Grün dungs weise der gemischten Kolonien und das Verhältnis zwischen dem sozialen Parasitismus und der Sklaverei bei den Ameisen (Wheeler, Wasmann, Santschi, Viehmeyer etc.) 4) wäre ebenfalls vom psychologischen Standpunkt aus zu untersuchen. Dann kämen die Beziehungen der Ameisen zu den verschiedenen biologischen Klassen ihrer gesetz- mäßigen Gesellschafter („Gäste") aus anderen Familien, Ordnungen und Klassen der Arthro- poden 5), sowie der Anteil, welchen einerseits die erblichen Instinkte und andererseits die individuellen Sinneserfahrungen der Ameisen an diesen Verhältnissen haben. Endlich müßten noch die sämtlichen übrigen Beziehungen der Ameisen zur Tier- und Pflanzenwelt besprochen werden. Eine den modernen Forschungsresultaten entsprechende Behandlung der gesamten Ameisenbiologie gäbe selbstverständlich ein Werk von mehreren Bänden.6) Zudem wäre mit einer bloßen Zusammenstellung dir Tatsachen noch wenig gewonnen für die vergleichende Psychologie ; man müßte näher auf die betreffenden Erscheinungen eingehen, wie es für viele derselben bereits in meinen , .Vergleichenden Studien über das ') Über die Exsudatorgane und Exsudatgewebe der echten Ameisengäste und Termitengäste siehe 134. 2) Über die ,, Honigameisen" siehe die zusammenfassende Arbeit von W. M. Wheeler: Honey ante, with a re\ ision of the American Myrmecocysti (Bull. Amer. Mus. Xat. Hist. XXIV. 1908, 345 — 397). 3) Eine zusammenfassende Darstellung der Pilzzucht bei Ameisen, Termiten und Ambrosia- Käfern (Scolytiden) gibl Wheeler 1907 in seiner vortrefflichen Studie: The fungus growing ante of North America (Bull. Amer. Mus. Nat. Hist. XXIII. pp. 669—807). 4) Zur Entwicklung der Kontroverse über diese Frage siehe besonders 146 und 162. 5) Siehe namentlich 38 und die Übersicht am Schlüsse von 120. G) Eine gute Übersicht über die Ameisenbiologie mit Literaturangaben bei den einzelnen Kapiteln findet sich bei E s ch e r i ch, Die Ameise, 1906. — 140 — Seelenleben der Ameisen und der höheren Tiere" (58, 2. Aufl. 1900 und engl. Ausgabe 1905) geschehen ist. Manchmal sind es gerade die unscheinbarsten Tätigkeiten, welche bei näherer Prüfung die besten Beweise dafür bieten, daß die Ameisen keine bloßen Reflexmaschinen sind, während andererseits oft gerade die auf den ersten Blick intelligenzähnlichsten ihrer Handlungen bei sorgfältiger Analyse sich zwanglos auf ein- fache Instinkte zurückführen lassen. Es seien hier noch einige Beispiele für beides erbracht; dann wollen wir noch einen Blick auf die ,,I n s t i n k t r e g u 1 a l i o n e n" bei den Ameisen werfen. I. Das Abholen von Zucker durch Formica. Aus den zahlreichen Versuchen, welche ich in den letzten 24 Jahren über die individuelle Art und Weise angestellt, wie die einzelnen Ameisen einer Kolonie beim Abholen von Kokons, von Futter usw. sich benehmen, erwähne ich hier nur folgende besonders charakteristische Beobachtung. Am 26. April 1898 abends hatte ich in die Glaskugel des Fütterungsrohres meines großen Beobachtungs- nestes von F. sanguinea (vgl. die Abbildung auf Taf. I), welches zur Zeit als Hilfsameisen nur pratensis (80 — 100) und rufa (15 — 20) enthielt, 10 gr. mittelmäßig fein gestoßenen Zucker getan. Während der darauf- folgenden Nacht x) war bereits eine Anzahl Ameisen, hauptsächlich sanguinea und pratensis, damit beschäftigt, die Zuckerkrümchen einzeln aus dem Fütterungsrohr in das Obernest hinüberzutragen. Der Haupt- transport fand auf diese Weise bereits in der Nacht statt. Am folgenden Mittag, 18 Stunden seit Beginn des Experimentes, war die ganze Arbeit vollendet und die Glaskugel des Fütterungsrohres geleert. Da die Zahl der Zuckerkrümchen auf mehrere Tausende sich belief, war dies ohne Zweifel eine erhebliche Arbeitsleistung. Um die Art und Weise, wie die einzelnen Individuen sich hiebei benehmen, genau festzustellen, wurde dieselbe am Morgen des 27. April während einer halben Stunde (mit Uhr und Lupe) beobachtet, und das Verhalten jeder Ameise stenographisch aufgezeichnet. „Eine pratensis holt ein Zuckerkrümchen aus dem Glaskolben des Fütterungsrohres und trägt dasselbe dann selber bis auf den Boden des Obernestes hinab (über die Holzbrücke des Obernestes), ohne es vorher fallen zu lassen. Dann kommt eine sanguinea mit einem Zuckerkrümchen im Maule aus dem Fütterungsrohr heraufgestiegen;2) sie legt ihr Klümpchen im obersten, wagrechten Teile der Verbindungs- röhre (bei y) nieder und geht dann unbelastet weiter in das Vornest hinab (nicht zurück in das Fütterungs- rohr). Fast unmittelbar darauf kommen zwei pratensis aus dem Fütterungsrohre, beide rückwärts gehend, mit je einem Zuckerkrümchen herauf. Sie tragen beide ihre Last bis auf den Boden des Obernestes hinab, ohne sie oben (im wagrechten Teil des Verbindungsrohres) niederzulegen oder in das Nest hinabzuwerfen; dann kehren sie um und gehen in das Fütterungsrohr zurück. Gleich darauf kommen wieder zwei pratensis hintereinander von dort herauf, rückwärts gehend, jede mit einem Zuckerkrümchen im Maule. Die eine legt ihr Klümpchen im hintersten Teile des wagrechten Verbindungsrohres (bei y) nieder, die andere trägt das ihrige hinunter bis auf den Boden des Obernestes. Hinter ihnen kommt eine sanguinea, die sich vorher im Fütterungsrohr umgedreht hatte und mit dem Kopfe nach vorn hinaufgeht, aus dem Fütterungsrohre mit einem Zuckerkrümchen im Maule herauf. Während die pratensis bereits wieder fort sind, bleibt diese sanguinea bei x, an der Mündungsstelle des Verbindungsrohres in das Obernest, stehen, wirft das K 1 ii m p eben einfach hinab und kehrt dann um. Das Hinabwerfen war kein zufälliges „Fallen- lassen"; denn die Ameise machte, im Korkdache des Obernestes angekommen, 5 — 6 Sekunden Halt, bewegte ') Es sei hier beiläufig bemerkt, daß bereits Aristoteles über die Nachtarbeit der Ameisen berichtet hat: „sie arbeiten auch nachts bei Vollmond.'' (De Hist. animal. 1. 9. c. 38). Ich sah die Ameisen übrigens auch in völlig dunklen Nächten arbeiten. 2) Dieser Aufstieg war keine leichte Sache, da der senkrechte Teil des weiten Glasrohres 15 cm lang und teil- weise mit Feuchtigkeit beschlagen war. - 141 — ihre Fühler einigemal schwingend hin und her. öffnete dann weil die Kiefer, ließ das Klümpchen hinabfallen und kehrte um. „Mehrere Minuten später kommt eine andere sanguinea, vorwärts gehend, mit einem Zuckerkrümchen aus dem Fütterungsrohr herauf. Diese legt ihr Klümpchen oben bei y nieder, und kehrt dann um, um ein neues zu holen. Eine sanguinea, dieselbe wie es scheint, trägt einige Minuten später wiederum ein Zucker- krümchen herauf bis y, legt es hin und kehrt um. Eine pratensis, die gleich darauf mit einem Zucker- krümchen heraufkommt, trägt diesmal ihr Klümpchen bis x (bis in die Mündung des Verbindungsrohres in das Obernest). Hier bleibt sie eine halbe Minute (ungefähr 35 Sekunden) stehen, mit dem Kopf gegen die Mündung gewendet, schwingt unterdessen ihre Fühler hin und her, wie die sanguinea vorhin getan hatte, öffnet dann endlich ihre Oberkiefer, läßt das Klümpchen in das Obernest hinabfallen, und kehrt dann um. Auch dieses Hinabwerfen war sicher kein „zufälliges Hinabfallenlassen", sondern augenscheinlich ein von der Ameise angestrebtes, willkürliches.1) „Zusammenfassung: Die pratensis benehmen sich beim Transport der Zuckerkrümchen durch- schnittlich einförmiger als die sanguinea; letztere benehmen sich mannigfaltiger und „intelligenter". Beide verfügen jedoch über so viel psychische Begabung, daß sie wenigstens m anclimal das Zuckerkrümchen einfach in das Nest hinabwerfe n, anstatt es schablonenmäßig hinabzutragen." Daß jene beiden Ameisen ihre Zuckerkrümchen wirklich hinabgeworfen hatten, wird auch durch folgende Beobachtung (vom 20. Mai 1898, 91/* Uhr vormittags) bestätigt. Eine sanguinea desselben Nestes trägt soeben, vorwärts gehend, eine mit Methylenblau gefärbte Zuckerkrume aus dem Fütterungs- rohre herauf. Bei x angekommen geht sie auf die Unterseite des Korkdaches des Obernestes, bleibt hier stehen, biegt sich dann mit dem Vorderkörper weit hinab, bewegt einigemal ihre Fühler hin und her und öffnet dann weit ihre Oberkiefer. Da die Zuckerkrume von der Methylenblaulösung klebrig war und nicht sofort herunterfiel, bog die Ameise ihre Fühlerspitzen zusammen und schob m i t denselben das K r ü mchen aus den Kiefern heraus. Sobald die winzige Last gefallen war, kehrte die Ameise in das Fütterungsrohr zurück, um eine neue zu holen. Derartige Tatsachen, die keineswegs über die gewöhnlichen Vorkommnisse im Ameisenleben hinaus- gehen, sind mit einer Reflextheorie des Ameisenlebens unvereinbar. Wenn wir diesen Tieren nicht ein sinnliches Erkenntnis- und Begehrungsvermögen zuerkennen wollen, werden wir sie nimmermehr befriedigend erklären können. Diese Annahme ist daher nicht etwa ein bloßes Postulat irgend einer „philosophischen Theorie", sondern eine notwendige Forderung, die aus einer vorurteilsfreien Prüfung der Tatsachen ganz von selber sich ergibt. Andererseits gibt es aber auch viele, auf den ersten Blick sehr intelligenzähnliche Tätigkeiten der Ameisen, die bei derselben vorurteilsfreien Prüfung ohne Schwierigkeit auf einfachere Weise erklärt werden können. Hiefür diene folgendes Beispiel. 2. Die Anlage neuer Pilzgärten bei Atta. Im „Zoologischen Anzeiger" (1898 No. 556 S. 238 — 245) erschien eine sehr interessante Mitteilung v. Jherings aus S. Paulo (Brasilien) über die Anlage neuer Kolonien und Pilzgärten bei Atta sexdens. 1 »er Verfasser derselben glaubte aus dem Umstände, daß die befruchteten Weibchen jener Ameise, wenn sie das x) Richtiger „spontanes." Die spontanen Bewegungen werden nur im Gegensatz zu den Reflexbewegungen willkürliche Bewegungen genannt, nicht aber, als ob sie ein intelligentes Wahlvermögen beim handelnden Subjekte voraussetzten; letzteres ist nur bei den menschlichen Willenshandlungen anzunehmen in Übereinstimmung mit unseren obigen Ausführungen (X. Kap. Zusammenfassung S. 135). Die durch Sinneswahrnehmungen veranlaßten, vom sinnlichen Strebevermögen ausgehenden Bewegungsimputse, auf welche die obenerwähnten Tätigkeiten der Ameisen zurückzuführen sind, dürfen daher nicht mit den willkürlichen Bewegungen im intelligenten (menschlichen) Sinne verwechselt werden. Vgl. auch Lucas, Die Psychologie der niedersten Tiere (1905) S. 274. — 142 Heimatnest zur Gründung neuer Kolonien verlassen, in der Mundhöhle einen Klumpen Pilzfäden des betreffenden Rozites mitnehmen, welcher später zur Anlage des Pilzgartens der künftigen Kolonie dienen soll, den folgenden Schluß ziehen zu müssen (S. 243) : „Die Attiden haben somit das volle Bewußtsein der Tatsache, daß es nicht genügt, Blätter zu schneiden, sondern daß für die Ausbildung des Pilzgartens auch ein Teil der Pilzmasse nötig ist, und sie wissen auch dafür zu sorgen, daß es stets dieselbe ihnen zusagende Pilzspezies ist, welche zur Verwendung kommt. Sie sind darin weit dem Menschen voraus, der in der Begel die Qualität der Pilze, welche die Gährung etc. einleiten sollen, dem Zufall überläßt, und der erst seit kurzem begonnen hat, z. B. in der Bierbrauerei, eine gleiche Sorgfalt der Auswahl geeigneter Gährungserreger zuzuwenden." Obwohl ich keineswegs geneigt bin, das psychische Leben der Ameisen zu unterschätzen, so scheint es mir doch, daß diese Schlußfolgerung auf einer bedeutenden Überschätzung der psychischen Fähigkeiten der Ameisen beruht. Tatsache ist bloß, daß die befruchteten A tta- Weibchen in der Mundhöhle einen Klumpen des betreffenden Pilzmaterials mitnehmen, wenn sie aus dem Heimatneste ausfliegen. Der objektive Zweck dieser Vorkehrung ist allerdings die Gründung neuer Pilzgärten. Eine kritische Psychologie darf jedoch nicht unmittelbar alle objektiven Zweckmäßigkeiten, welche in der Handlungsweise eines Tieres eingeschlossen sind, ohne weiteres zu subjektiven, vom Tiere mit vollem Bewußt- sein erkannten Zwecken machen. Falls sie die betreffenden Tatsachen ohne die letztere Voraus- setzung befriedigend erklären kann, muß sie die Annahme eines subjektiven Zweckbewußt- seins des Tieres als Anthropomorphismus zurückweisen ; denn sonst würden alle instinktiven, objektiv zweckmäßigen Handlungen des Tieres willkürlich zu eigentlichen Intelligenzhandlungen gestempelt,1) und zwar zu Intelligenzhandlungen, die eine Intelligenz erfordern, welche jene des Menschen weit übersteigt! Das ist offenbar ein unhaltbares Extrem. Wir müssen daher auch im vorliegenden Falle bei Atta sexdens zusehen, ob die betreffenden Erscheinungen sich nicht einfacher erklären lassen. Dies ist in der Tat der Fall. Mögen nun die Atta- Weibchen vor ihrem Ausfluge selber einen Klumpen Pilzmaterial in der Mundhöhle aufspeichern oder mögen sie — was nach meiner Ansicht wahr- scheinlicher sein dürfte — vorher von den Arbeiterinnen der Kolonie mit jenem Material besonders eifrig gefüttert werden, so dürfen wir doch keineswegs annehmen, daß die Ameisen den eigentlichen Z w eck dieses Verfahrens „mit vollem Bewußtsein erkenne n." Durch den physio- logischen Zustand der befruchteten Weibchen braucht bloß ihr Hungergefühl in ungewöhnlichem Maße gesteigert oder der Fütterungstrieb der Arbeiterinnen gegenüber den ausfliegenden Weibchen besonders lebhaft angeregt zu werden — und die ganze Erscheinung ist auf jene Ursachen zurückgeführt, welche wir für ihre Erklärung wirklich annehmen müssen, welche dafür aber auch völlig genügen. „Um noch mehr das Verständnis in das rechte Licht zu setzen, welches die Attini für die Bedeutung des Rozites gongylophora 2) besitzen", verweist v. Jhering ferner auf die von ihm in Bio Grande du Sul früher gemachte interessante Beobachtung, daß in Mitte der Ameisenklumpen von Atta-Arien, welche man bei Überschwemmungen auf dem Wasser treibend findet, nebst der Brut auch oft ein Teil des Pilzgartens geborgen ist. Man darf jedoch aus dieser Tatsache noch nicht schließen, daß die Ameisen das Pilzmaterial mitgenommen hätten, weil sie ein intelligentes Verständnis für den Zweck dieses Verfahrens besäßen. Die Sache scheint sich viel einfacher und besser ohne diese Annahme erklären zu lassen. Wenn eine Ameisenkolonie gestört wird, so schleppen die Arbeiterinnen alsbald ihre Brut fort und Klingen sie in Sicherheit. Auf dieselbe Weise verfahren nach meinen Beobachtungen an F. sanguinea auch solche Ameisen, die man als noch weiße, ganz frisch entwickelte Individuen aus ihren Nestern genommen ') Darin besteht ja gerade die willkürliche Yermensehliehung des Tierlebens, wie sie von Afr. Brehm, L. Büchner, W. Marshall usw. in keineswegs wissenschaftlicher Weise betrieben worden ist. ■) Wheeler 1907 (p. 785) glaubt, es sei noch nicht sieher festgestellt, ob die Pilzart, welche von den südameri- kanischen Atta gezüchtet wird, wirklich Rozites gongylophora sei, wie Moeller angegeben hatte. — 143 — hat, um mit ihnen eine Kolonie von „Autodidakten'" zu bilden.1) Gibt man ihnen später Eier, Larven oder Puppen der eigenen oder nahe verwandter fremder Arten, so pflegen und retten sie dieselben genau so, wie es andere Ameisen in normalen Kolonien zu tun pflegen. Bei den „autodidaktischen'' sanguinea fehlt aber in der individuellen Sinneserfahrung des Tieres jeglicher Anhaltspunkt für ein V e r s t ä n d n i s ihrer Brut- pflege. Woher sollen diese Ameisen wissen, daß aus den Eiern, Larven und Puppen wiederum Ameisen kommen, die ihresgleichen sind? Sie haben es ja noch nie erfahren außer in ihrer eigenen Metamorphose; wer wird aber behaupten wollen, eine Ameise habe schon im Ei- oder Larven- oder Puppenstande eine Kenntnis davon, daß sie ein Ei, eine Larve oder eine Puppe sei? Wir haben es somit bei der psychischen Betätigung der Brutpflege der Ameisen mit erblichen Instinkten zu tun, deren Ausübung durch die äußeren Sinneswahrnehmungen und inneren Empfindungszustände des Individuums unmittelbar angeregt wird. Daß die sinnliche Erfahrung später als sekundäres Element noch hinzutreten könne, stelle ich nicht in Abrede; allein auch diese sinnliche Erfahrung braucht absolut nicht mit einem intelligenten Schlußvermögen verbunden zu sein. Zudem sind und bleiben die erblichen Instinkte jedenfalls das Haupt- element, welches, wie die autodidaktischen Ameisen beweisen, für sich allein schon genügt, um zu erklären, weshalb diese Tiere bei Störung des Nestes ihre Brut in Sicherheit zu bringen suchen. Man möge einmal aus autodidaktischen Atta eine eigene Kolonie bilden; ich zweifle nicht daran, daß sie nicht bloß gegenüber ihrer Brut, sondern auch gegenüber ihrem Pilzgarten sich ebenso verhalten werden wie andere Individuen jener Atta-Avten. Auch die Zucht bestimmter Pilzarten durch bestimmte Ameisenarten mit allen hierzu erforderlichen Hilfstätigkeiten beruht auf erblichen Instinkten als auf ihren wesent- lichen Faktoren. Daher scheint es mir völlig unhaltbar zu sein, das „Verständnis" der Ameisen für ihre Pilzkultur daraus beweisen zu wollen, daß sie bei Überschwemmungen auch ein Stück ihres Pilz- gartens zu retten suchen. Wie die Ameisen bei Gefahren ihre Brut in Sicherheit bringen, so verfahren sie nämlich auch mit anderen Objekten, welche auf ihr sinnliches Wahrnehmungsvermögen einen besonders angenehmen Eindruck gemacht haben; auf diese Gegenstände ist daher ihr Rettungstrieb ebenfalls gerichtet. Wenn man ein Ameisennest aufdeckt, oder nur ein vorher dunkel gehaltenes Beobachtungsnest plötzlich erhellt, so schleppen die Ameisen nicht bloß ihre Brut sofort in einen dunklen Nestteil, sondern sie tragen oder ziehen häufig auch ihre Königinnen, ihre Männchen und Weibchen und viele ihrer eigenen Gefährtinnen mit sich fort, indem sie dieselben an den Oberkiefern oder manchmal selbst an den Beinen oder Fühlern ergreifen. Ebenso verfahren sie auch häufig mit ihren echten Gästen Claviger, Atemeies, Lomechusa, besonders aber mit den Larven der beiden letzteren Käfergattungen. Was Claviger testaceus anlangt, konnte ich sogar feststellen, daß er in Gegenden, wo er nur selten und in geringer Zahl in den Nestern von Lasius flavus zu finden ist (bei Valkenburg in holl. Limburg und bei Luxemburg) bei Erhellung des Nestes von diesen Ameisen fast immer noch vor den eigenen Larven fortgetragen wurde, während dies in anderen Gegenden, wo er sehr zahlreich bei Lasius flavus lebt (bei Prag in Böhmen und bei Linz am Rhein) nur selten geschah.2) Die Seltenheit dieses Gastes scheint ihn für seine Wirte besonders anziehend zu machen ; ohne Annahme eines sinnlichen Wahrnehmungs- und Strebevermögens der Ameisen sind solche Erscheinungen zwar unbegreiflich; aber ein intelligentes Verständnis für den „Wert" eines Claviger braucht man ihnen deshalb noch nicht unterzuschieben. Es sei hier noch erwähnt, daß nach den mir brieflich mitgeteilten Beobachtungen von Dr. Hans Brauns (Port Elizabeth, Kap-Kolonie) eine südafrikanische Ameise Pheidole megaccphala n. subsp., die in ihrem Neste befindlichen Puppen eines kleinen Chalcidiers, der ohne Zweifel ein Parasit der Ameisenbrut ist, sofort gleich ihren eigenen Larven und Puppen fortträgt und in Sicherheit bringt, wenn man den Stein, der das Nest bedeckt, umwendet. Die in den Nestern von Lasius 1) Vgl. hierzu auch 24 S. 592 ff. und 59 S. 43, 2. Aufl. S. 50. 2) Die betreffenden Beobachtungen werden bei Behandlung der „internationalen Beziehungen" von Claviger eingehend berichtet werden. Vgl. auch 83, S. 13. 144 — flavus bei uns lebenden Aphiden (namentlich Forda formicaria C. Heyd.), sowie die schwarzen Blattlauseier, welche diese Ameisen in ihren Nestern aufbewahren, werden gleichfalls bei Erhellung des Nestes von den Ameisen sehr oft aufgenommen und fortgetragen. Dasselbe beobachtete ich auch bei Lasius alienus gegenüber einer kleinen Coccide, Ripersia europaea Newst., die in ihren Nestern als gesetzmäßiges Haustier lebt. Bei Formica sangiiinea habe ich ferner wiederholt gesehen, wie die Ameisen bei Erhellung des Nestes sogar Leichen von Insekten, die sie getötet hatten und als Beute verzehrten, aufhoben und mit sich in einen dunklen Nestteil schleppten. Es steht daher außer Zweifel, daß die Ameisen den instinktiven Bettungstrieb, den sie gegen ihre Brut hauptsächlich betätigen, auch auf andere Gegenstände ausdehnen, die ihnen aus irgend welchem Grunde besonders angenehm sind. Wir müssen daher die Erscheinung, daß Attinen oder andere pilz- züchtende Ameisen bei Überschwemmungen nebst ihrer Brut auch Stücke des Pilzmaterials mitnehmen, daraus erklären, daß dasselbe, (weil es ihr gewöhnlicher Nahrungsstoff ist), auf ihr sinnliches Wahrnehmungs- vermögen instinktiv einen besonders angenehmen Eindruck macht und deshalb den Bettungs trieb der Ameisen auf sich lenkt. Daß in den schwimmenden Ameisenklumpen der Pilzgarten mit den Larven und der Königin in die Mitte zu liegen kommt, ist einfach daraus begreiflich, daß immer neue Ameisen von außen her an diejenigen sich anklammern, welche den ersten Knäuel gebildet haben. Die Kugelgestalt der manchmal kopfgroßen schwimmenden Ameisenklumpen beruht wohl hauptsächlich darauf, daß die Ameisen sich möglichst enge aneinander drängen; die Hotationsbewegung des Klumpens im Wasser muß zudem die Kugelgestalt desselben nach rein mechanischen Gesetzen herbei- führen, indem jene Teile der Ameisenmasse, welche nach irgend einer Seite vorstehen, bald fortgerissen werden. Ich glaube nicht, daß wir einer ,,A meisenintelligenz" bedürfen, um diese Vorgänge befriedigend zu erklären. Ebensowenig bedürfen wir der Annahme einer Ameisenintelligenz zur Erklärung der Sorgfalt und Geschicklichkeit, welche die Königin von Atta sexdens bei der Kultur ihres jungen Pilzgartens nach den Beobachtungen von Emil G ö 1 d i und Jacob Huber entfaltet.1) Von einer rein reflektorischen Deutung jener Vorgänge kann allerdings keine Bede sein ; aber ebenso wenig begründet ist auch die Beteiligung eines intelligenten Schlußvermögens auf Seite der Ameisen. Die Wahrheit liegt in der Mitte zwischen diesen beiden Extremen: es handelt sich bei der Pilzzucht der Attini — sowohl von Seite der Königinnen wie der Arbeiterinnen — um einen erblichen Instinkt, dessen Betätigung durch die individuelle Sinnes- wahrnehmung und Sinneserfahrung des Tieres geleitet wird. Wie dieser merkwürdige Instinkt phylogenetisch entstanden ist,2) inwieweit insbesondere bei der Ausbildung desselben eine Vererbung erworbener Eigen- schaften" anzunehmen ist, darauf kann hier nicht weiter eingegangen werden. 3. Die „Spinnrädclien" der Weberameisen. Sehr interessante psychologische Probleme bietet auch die Sitte gewisser tropischer Ameisen aus den Gattungen Oecophylla, Polyrhachis und Camponotus, ihre eigenen Larven als „Spinnrocke n" und ,,W ebeschiffchen'' beim Verfertigen ihrer Gespinnstnester zu benutzen. Es ist dies eines der merk- würdigsten Beispiele des Gebrauches von Werkzeugen im Tierreich und sieht äußerst intelligenzähnlich aus: weil diese Ameisen selber keine Spinndrüsen haben, benutzen sie das Spinnvermögen ihrer Larven zur Verfertigung ihrer Nestgewebe, gebrauchen also Werkzeuge, die von ihrem eigenen Körper getrennt sind! Als vor fast zwanzig Jahren die ersten Beobachtungen hierüber aus Ostindien nach ') Siehe A. Forel, Einige biologische Beobachtungen des Herrn Prof. Dr. Göldi an brasilianischen Ameisen (Biolog. Zentralbl. 1905, No. 6), S. 176 ff.; J. Huber, Über die Koloniegründung bei Atta sexdens (Biolog. Zentralbl. 1905, No. 18 und 19). -i Über diese Frage siehe auch Wheeler, Fungus growing ants, 1907, p. 794 — 799. — 145 — Europa gelangten, war man wohl berechtigt, noch einige Zweifel in die Richtigkeit derselben zu setzen; aber sie haben sieh seither glänzend bestätigt.1) Für die ostasiatische Oecophylla smaragdina F. berichtete schon Ridley 1890 aus Singapore, daß sie ihre Blattnester mit Hilfe des Spinnvermögens der Larven verfertige; W. D. Hollands Beobachtungen auf Ceylon (Green 1906) bestätigten und erweiterten jene Angaben; nicht bloß die Blattnester werden von jener Ameise mittrist der Larven zusammengesponnen, sondern auch Schutzringe aus Spinnfäden gegen den Überfall feindlicher Ameisen angelegt. Besonders genaue Beobachtungen aus Ceylon über das Zusammenspinnen zerrissener Nester derselben Ameise verdanken wir D o f 1 e i n 1905. Für eine australische Oecophylla (wahrscheinlich virescens F.) berichtete D o d d 1902, daß sie ihre Nester mittelst der spinnenden Larven repariere. Daß die afrikanische Oecophylla longinoda Latr. sich ebenfalls ihrer Larven zum Zusammenspinnen der Blattnester bediene, hatte Chun 1900 schon aus der anatomischen Beschaffenheit der Spinndrüsen der Larven geschlossen. H.Kohl (1906) gelang es, Oecophylla longinoda (und ihre dunklere Var. jusca Em.) am oberen Kongo beim Zusammenspinnen der Nester direkt zu beobachten. Daß der brasilianische Camponotus senex seine Larven ebenso verwende, wurde durch G ö I d i (bei Forel 1904) festgestellt. Auch die Gespinnstnester ostindischer Polyrhachis-Arten werden mittelst der Larven gesponnen, wie E d w. Jacobson 1905 aus Java für Polyrhachis dives Sm. und 1908 für P. bicolor Sm. berichtete. Wir dürfen daher jetzt mit Sicherheit annehmen, daß auch die übrigen Ver- wandten, welche Gespinnstnester verfertigen, (z. B. Polyrhachis laboriosa Sm. vom Kongo) sich hiezu des Spinnvermögens ihrer Larven bedienen. Wir treffen also bei Arten aus drei verschiedenen Ameisengattungen die interessante Konvergenz- erscheinung, daß sie ihre Larven als „Spinnrocken" und als „Webschiffchen" benützen. Über die Arbeitsteilung der Ameisen bei der Ausbesserung eines zerrissenen Nestes von Oecophylla smaragdina hat besonders Doflein (1905) sorgfältig berichtet. Während ein Teil der Arbeiterinnen die auseinander- gerissenen Blattränder wieder zusammenbiegt, kommen andere mit je einer Larve im Maul und fahren dann mit dem Munde der Larven so lange zwischen den Rändern der zu verbindenden Blätter hin und her, bis dieselben durch ein festes Gewebe von Spinnfäden zusammengehalten werden. Auch P. H. Kohl (1906, S. 166 ff.) beschreibt in ähnlicher Weise die interessanten Einzelheiten der Nestreparatur bei Oecophylla longinoda. Er fügt noch bei, daß das fertig ausgearbeitete Gewebe des Nestes das Aussehen einer weißen, membranartigen, homogenen Masse besitze, deren Fäden zwar von den Larven herstammen, während die Membran durch die Oberkieferdrüsen der Ameisen hergestellt zu sein scheine; er sah auch oft, wie die Ameisen ihren Mund über das Gewebe gleiten ließen, als ob sie die letzte Hand ans Werk legten, das sie mittelst ihrer Larven ausgeführt hatten.2) Jedenfalls gehört die Herstellung der Gespinnstnester jener Ameisen mittelst des Spinnvermögens der eigenen Larven zu den interessantesten Tatsachen der T i e r b i o 1 o g i e. Es kann M Zur Literatur siehe: H. N. Ridley in: Journal of the Straits Branch Roy. As. Soc, Singap. 1890 p. 345 f. (< »ecophylla smaragdina): E. E. Green, On the habits of Oecophylla smaragdina (Proc. Ent. Soc. London 1896, p. IX: \V. Hollands Beobachtungen); F. P. D o d d, Notes on the Queensland green tree ants (Victoria Natural. XVIII, 1902, pp. 136—142): C. Clin n. Aus den Tiefen des Weltmeers, 1900 S. 117; 2. Aufl. 1903, S. 144 (Spinndrüsen der Larven von Oecophylla longinoda): Aug. Forel, Einige biologische Beobachtungen an brasil. Ameisen (Biol. Zentralbl. 1905 Xo. 6, S. 170 — 171: Gespinnstnester von Camponotus senex nach E. Göldi's Beobachtungen): F. Doflein, Beobachtungen an den Weberameisen (Oecoph. smaragdina) (Biol. Zentralbl. 1905, No. 15, S. 497—507); E d w. Jacobson und E. Wasmann. Beobachtungen über Polyrhachis dives auf Java, die ihre Larven zum Spinnen der Nester benutzt (Notes Leyden Mus. XXV. Note IX. [1905] S. 133—140); Zur Verfertigung der Gespinnstnester von Polyrhachis bicolor auf Java: mit einem Anhange über das Nest von Polyrhachis laboriosa vomKongo (Notes Leyd. Mus. XXVIII, 1908, S. 63—67 ) : W. K a r a w a i e w, Systematisch-Biologisches über drei Ameisen aus Buitenzorg (Ztschr. f. wissensch. In, sektenbiol. 1906, Heft 12, S. 369— 376 (Spinndrüsen der Polyrhachis-Larven) ; H. Kohl, Zur Biologie der spinnenden Ameisen (Oecophylla longinoda Ltr.) (Natur nnd Offenb. 1906, S. 166 — 169). -l Hierin läßt sich eine teilweise Bestätigung der von Forel (Nester der Ameisen 1892 S. 20) früher vertretenen Ansicht finden, daß die Oberkieferdrüsen der Ameisen den Stoff zur Herstellung der Gespinnstnester liefern. Zoologica. Heft 26. 19 — 146 — nicht befremden, daß die sogen. Vulgärpsychologie in diesen Vorgängen offenbare „Intelligenzhan d- 1 u n g e n" erblickt, die auf der zweckbewußten Anwendung von Werkzeugen zu einem beabsichtigten Ziele beruht; ja, die Vulgärpsychologie wird auch die Erfindung jenes Verfahrens der „Intelligenz" der Ameisen zuschreiben wollen. Die kritische Psychologie nimmt jedoch dieser Vermenschlichung des Tierlebens gegenüber eine ablehnende Haltung ein; denn daß die Ameisen bei jenem zweckmäßigen Ver- fahren auch die Beziehungen von Mittel und Zweck erkennen und deshalb ,,1 o g i s c h d e n k e n", ist eine völlig überflüssige und daher unwissenschaftliche Annahme. Es genügt zur Erklärung der Tatsachen, daß die sinnliche Wahrnehmung des zerrissenen Nestes in den Ameisen den Trieb erregt, das Nest wieder herzustellen, wie dies auch andere Ameisen mit den ihnen angeborenen Werkzeugen tun, wenn man ihr Nest beschädigt. Daß bei den genannten Oecophylla, Polyrhachis und Camponotus in der Reparatur des Nestes ein so eigenartig zweckmäßiges Verfahren stattfindet, welches die spinnenden Larven als Werkzeuge verwendet, muß durch die erblichen Instinkte jener Ameisen und durch die Betätigung derselben unter dem Einfluß der individuellen Sinneswahrnehmungen erklärt werden. Wegen der zweckmäßigen Verwendung der Larven als „Spinnrocken"' dürfen wir die Gattung Oecophylla keineswegs in psychischer Beziehung über die Gattung Formica stellen, welche in vielen Bezieh- ungen eine größere Plastizität des Instinktes besitzt; auch dürfen wir aus jenem Grunde keineswegs den- jenigen Polyrhachis- Arten, welche Gespinnstnester verfertigen, eine höhere psychische Begabung zuschreiben als jenen Arten derselben Gattung, welche Kartonnester mittelst ihrer eigenen Oberkieferdrüsen bauen; ebensowenig dürfen wir Camponotus senex wegen der Verwendung der Larven beim Weben des Nestes psychisch höher einschätzen als die zahlreichen übrigen Camponotus-Arten, welche Holznester, Kartonnester, Erdnester usw. bewohnen. Wir müssen also denselben psychischen Maßstab auch an die scheinbare Intelligenztätigkeit der ihre Larven als lebende Werkzeuge verwendenden Weberameisen legen: wir können in ihr nicht mehr sehen als eine bloße Instinkttätigkeit. Das experimentum crucis für diese Schlußfolgerung wäre mit jungen, soeben aus dem Kokon gezogenen Arbeiterinnen von Oecophylla anzustellen, die man, von ihren Nestgenossen getrennt, zu einer „Auto- didaktenkolonie" vereinigt; dann gebe man ihnen Larven aus ihrem Neste und sehe zu, ob sie dieselben nicht gerade so als Werkzeuge beim Weben des Nestgespinnstes gebrauchen, wie ihre Artgenossen es tun; und doch konnten diese autodidaktischen Oecophylla noch gar keine „intelligente Kenntnis" davon besitzen, daß ihre Larven überhaupt Spinndrüsen haben und wozu dieselben verwertbar sind. Darin, daß die Sitte der „Weberameisen" aus drei verschiedenen Gattungen, mittelst ihrer Larven die Nester zu spinnen, in ihrer gegenwärtigen Form auf einem erblichen Instinkte beruhe, glaube ich mich mit allen kritischen Myrmekologen und Zoologen einig. Doflein (1905 S. 507) berührt auch die Frage nach dem Ursprünge dieses merkwürdigen Instinktes und läßt dieselbe unentschieden. In der Tat ist die stammesgeschichtliche Entstehung und allmähliche Vervoll- kommnung des genannten Instinktes ein sehr schwieriges Problem. Ihn als eine „mechanisierte Ver- standestätigkeit" aufzufassen, wäre allerdings ein Widerspruch, da wir hiemit den Vorfahren der heutigen Weberameisen wesentlich höhere psychische Fähigkeiten zuschreiben würden als ihren Nachkommen. Aber wir stehen doch vor der Frage: Hatte die individuelle Lernfähigkeit und das sinnliche Gedächtnis der Ameisen einen wesentlichen Anteil an der Entwicklung dieses Instinktes oder nicht? Beruht die Aus- bildung desselben auf „Vererbung erworbener Eigenschaften'" oder bloß auf „Auslese günstiger Keimes- variationen?" Vielleicht geben uns spätere Beobachtungen die Möglichkeit, diese Probleme einigermaßen zu beantworten. Für unsere gegenwärtige psychologische Beurteilung jenes Instinktes sind diese Fragen auch nur von untergeordneter Bedeutung. Es genügt uns, auch hier die richtige Mitte zwischen den zwei extremen psychologischen Auffassungen festzustellen: Bloße Reflexmaschinen können die Ameisen, welche ihre eigenen Larven als Werkzeuge gebrauchen, nicht sein. Für empfindungslose Maschinen läge überhaupt kein Grumt vor. ihr beschädigtes Maschinenhaus wiederum zu reparieren, geschweige denn, eine — 147 — so sinnreiche Arbeitsteilung dabei zu verfolgen. Andererseits aber dürfen wir liier* die Zweckmäßigkeit der instinktiven Tätigkeit der Weberameisen ebensowenig auf ein wirkliches Denkvermögen, auf „Intelli- genz" im eigentlichen Sinne des Wortes zurückführen, als es uns anderswo im Ameisenleben gestattet ist. 4. Die Instinktregulationen bei den Ameisen. Hans Driesch1) hat als „Regulationsvermögen'" der Organismen deren Fähigkeit bezeichnet, „trotz anormaler auf sie einwirkender Umstände ihre normale Gestalt und Funktion zu wahren." Als eine der Äußerungen dieses Regulationsvermögens hat er ferner (S. 180) auch die regulatorische Modifikation der tierischen Bewegungen bezeichnet. Betrachten wir das letztere Regulationsvermögen von seiner psychi- schen Seite, so können wir von psychischen Regulationen zur Unterscheidung von den organischen Regulationen reden. Das psychische Regulations vermögen der Tiere ist sachlich gleichbedeutend mit dem psychischen Modifikations vermögen. Es besagt die Fähigkeit der Tiere, ihre Tätigkeiten (die sich in Bewegungen äußern ), den veränderten Umständen und Bedürfnissen anzupassen. Diese Anpassung erfolgt auf Grund der Sinneswahrneh- m u n g und der Sinneserfahrung des Tieres. In dem X. Kapitel über die verschiedenen Formen des Lernens haben wir die betreffenden Erscheinungen bereits von ihrer psychologischen Seite betrachtet und auf ihre psychischen Faktoren zurückgeführt. Wir wollen hier zur Ergänzung der Beweise für die psychischen Fähigkeiten der Ameisen noch einen Blick werfen auf die Instinktregulationen bei den Ameisen, d. h. auf die Modifikationen ihrer erblichen Instinkte unter dem Einfluß der Sinneswahrnehmung und der Sinneserfahrung des Individuums. Von einer erschöpfenden Übersicht der einschlägigen Tatsachen kann hier selbstverständlich keine Rede sein; wir müssen uns mit einigen Andeutungen begnügen. Zahlreiche Instinktregulationen finden sich hauptsächlich in folgenden Gebieten des Ameisenlebens: a) Im Nestbau der Ameisen. — Hieher gehört die zweckmäßige Anpassungsfähigkeit ein und derselben Ameisenart an verschiedene Bauarten, Nestplätze und Nestmaterialien. Ein klassisches Exempel hiefür bietet Formica sanguinea.2) Ferner ist zu diesen Instinktregulationen zu rechnen die zweck- mäßige Anpassung des Nestbaues der Ameisen an die verschiedenen Temperatur- und Witterungsverhält- nisse; Beispiele hiefür bieten die „Saisonnester" von Formica sanguinea, die je nach der Jahreszeit ge- wechselt werden; ferner die Modifikationen des Kuppelbaues der Nesthaufen von F. rufa usw. je nach der Trockenheit oder Feuchtigkeit des betreffenden Sommers, usw. Eine andere Quelle von Modifikation und Regulation des Nestbaues ist das Verhältnis der betreffenden Kolonie zu den sie umgebenden Feinden. Ein hübsches Beispiel hiefür berichtete Forel 1894;3) eine von Algier nach Zürich gebrachte und dort ausgesetzte Kolonie von Myrmecocystus altisquamis verschloß ihre normaler Weise weiten Nestöffnungen infolge wiederholter Angriffe kleinerer Ameisen (Lasiits niger etc.). b) In der Brutpflege der Ameisen. — Aus diesem reichhaltigen Gebiete können nur wenige der hervorragendsten Beispiele von Instinktregulationen erwähnt werden. Hieher gehört die N a c h- z u c h t e c h t e r Weibchen aus jungen Larven, die sonst zu Arbeiterinnen erzogen worden wären. Die Veranlassung hiezu kann entweder durch den Tod der alten Königin gegeben werden: so in einem meiner Beobachtungsnester von Formica truncicohi 1007 ;J) oder durch eine vorhergegangene starke Sterblichkeit r) Der Vitalismus als Geschichte und als Lehre, Leipzig 1905, S. 177. -) Siehe hierüber 59, 2. Aufl. S. 74 — 81. Über eine unter Asphaltpappe sich ansiedelnde truncicola- Kolonie ebenda S. 78 ff. 3) Les Formicides de la Province d'Oran p. 8; siehe auch 59, 2. Aufl. S. 80 ff. 4i Vgl. 162 S. 32«. — 148 — unter den Arbeiterinnen der Kolonie ; so in einein meiner Beobachtungsnester von F. sanguinea 1898. 1) Ferner rechne ich hieher die Heranzüchtung von bereits e r \v achsenen Arbeiterinnen zu eierlegenden Ersatz- königinnen in Beobachtungsnestern von Polyergus rufescens (mit F. rufibarbis als Sklaven) und von F. rufibarbis (selbständige Kolonie) in den Jahren 1904 — 5.2) Ferner dürfen wir wohl zu diesen Instinkt- regulationen auch die Pseudogynenerziehung bei Formica sanguinea und anderen Formica- Arten rechnen, welche durch die Erziehung von Larven der Lomechusini in den betreffenden Ameisennestern veranlaßt wird (46, 131, 136). Daß die Entwicklung der Pseudogynen auf einer positiven Modi- fikation des Brutpflegeinstinktes der Ameisen beruht, nicht bloß auf einer Vernachlässigung (kümmer- lichen Ernährung) von weiblichen Larven,3) wird namentlich durch jene seltenen pseudogynenhaltigen Kolonien bestätigt, welche durch die Erziehung sehr großer Pseudogynen (Makropseudogynen) zur Erziehung echter geflügelter Weibchen von zweierlei Formen (schmalrückige, langflügelige Normalform und breitrückige, kurzflügelige anormale Form) zurückkehren. Hieher gehören z. B. die Kolonie No. 21 meiner sanguinea- Statistik von Exaten und die Kolonie No. 5 der srt;;g;»H7 ff. Nähere Details werden gegeben werden im III. Teil der Arbeit „Zur Kenntnis der Ameisen iiinl Ameisengäste von Luxemburg" (Arch. trimestr. Instit. Gr. Ducal Luxembourg 1909). 3) Wheeler hat letztere Vermutung 1907 aufgestellt (The Polymorphism of ants, p. 3'i). Vgl. auch biolog. Zentral- blatl 1908 S. 71 Aum. und 1<>2 S. 329. Wheeler (p. 90) bemerkt, daß meine Hypothese der Pseudogynenerziehung ,.;i splendid example of regulation" bilden würde. Ferner spricht er sich daselbst für die Existenz psychischer Regu- lationen in der Brutpflege der sozialen Insekten aus. 4) Die näheren Belege werden gegeben werden im III. Teil der „Ameisen von Luxemburg." — 149 — c5. Die Verwandlung der freundschaftlichen Behandlung eines echten Gastes in eine feindliche nach Ankunft der Königin im betreffenden Neste. Ein klassisches Beispiel einer solchen Instinktregulation bei F. fusca zeigte sich in einer natürlichen Adoptionskolonie rufa-fusca 1906. Hier wurden die eigenen echten Gaste der Sklavenart (Atemeies emargiiiatus) nach Ankunft der ra/a- Königin durch die fusca verfolgt und getötet, während sie in einem Kontrollneste aus derselben Kolonie, das keine Königin enthielt, mehrere Monate lang gepflegt wurden (162, S. 263 ff.). Diese Beispiele von „Instinktregulationen" bei den Ameisen bestätigen unsere schon früher gezogene Schlußfolgerung, daß die Ameisen keine Reflex m aschinen sind, sondern ihre angeborenen Instinkte unter dem Einflüsse der Sinneswahrnehmung und der Sinneserfah- rung in mannigfacher Weise zu modifizieren und zu regulieren vermögen. Diese Erscheinungen mit der Yulgärpsychologie als Äußerungen einer „Ameisenintelligenz" zu deuten, wäre dagegen eine willkür- liche, kritiklose Vermenschlichung des T i e r 1 e b e n s. Die Annahme eines sinnlichen Erkenntnis- und Strebevermögens der Tiere, das sich nicht zu einer intelligentenÜberlegungzu erheben vermag, erklärt die Tatsachen des Ameisenlebens nicht bloß einfacher, sondern auch zutreffender, während die Voraussetzung eines intelligenten Schluß- vermögens der Tiere gerade bei manchen hieher gehörigen Erscheinungen zu unlösbaren Wider- sprüchen führ t.1) Die psychisch hochbegabten Formica-Arten retten, wie bereits oben erwähnt wurde, bei Störung ihrer Kolonie auch die Larven von Atemeies und Lomechusa, und zwar, wie ich durch viele Beobachtungen festgestellt habe, sogar regelmäßig vor ihren eigenen Larven und Puppen. Und doch sind jene Käferlarven die schlimmsten Feinde der Ameisen, indem sie die Eier und jungen Larven ihrer Wirte zu Tausenden auffressen und überdies in den betreffenden Kolonien schließlich die Entwicklung einer krüppelhaften Arbeiterform — der sogenannten Pseudogynen — veranlassen, wodurch allmählich der Untergang jener Kolonien herbeigeführt wird. Bei Annahme einer Tierintelligenz müßten die Ameisen einerseits ein wirkliches Verständnis dafür besitzen, daß aus diesen Larven einst Käfer werden, deren Beleckung eine hohe Annehmlichkeit für sie bietet: andererseits sind sie aber wieder so dumm, daß sie noch nicht bemerkt haben, die Käferlarven müßten nach ihrer Einbettung zur Verpuppung in Ruhe gelassen und nicht aus der Erde hervorgeholt werden, wie die einen festen Kokon spinnenden Ameisenlarven! Einer- seits müßten sie ferner ein „volles Verständnis" dafür besitzen, daß von dem Wohle ihrer eigenen Brut das Wohl und die Existenz ihrer Kolonie abhängt ; sie müßten daher jene Käferlarven als die schlimmsten Feinde ihrer Gesellschaft, als „staatsgefährlich" im schlimmsten Sinne des Wortes, erkennen und als solche mindestens ..verbannen", wenn nicht auffressen; aber sie sind trotzdem andererseits so dumm, daß sie seit Jahrtausenden dieser Kuckucksbrut die aufmerksamste Pflege widmen und auf ihre Rettung noch eifriger „bedacht sind", als auf diejenige ihrer eigenen Larven und Puppen! — Wer über derartige Wider- sprüche sich im Interesse einer ,, Tierintelligenz'' hinwegzusetzen vermag, tue es; ich kann es nicht. Ich wähle daher eine andere Erklärung, welche keine Widersprüche enthält: Die Ameisen besitzen keine Intelligenz, sondern bloß ein sinnliches Erkenntnis- und Strebe- vermögen; daher folgen sie den sinnlichen Eindrücken ohne Bewußt- sein des Zweckes der betreffenden Handlungsweise. Hier zeigt sich klar, wie unhaltbar der von mancher Seite erhobene Einwand ist, ein Naturforscher könne nicht wissen, ob das Tier bei irgend einer Tätigkeit mit oder ohne Bewußtsein des Zweckes vorgegangen sei, und er dürfe daher auf eine psychologische Analyse des Vorganges sich gar nicht einlassen. Wenn der Naturforscher wirklich nichts wissen könnte, was er nicht durch unmittelbare Beobachtung sieht, so wäre jener Einwand allerdings berechtigt; aber dieses Prinzip ist völlig falsch. Die Naturforschung ist ') Vgl. hierüber 59 S. 107 ff. (2, Aufl. S. 123 ff.), wo dieser Beweis auch für die Adoptionsinstinkte höherer Tiere erbracht worden ist. — 15(1 — kein bloßes Tatsachenmagazin; daher kann und muß sie aus den der Beobachtung zugänglichen Erschei- nungen auch auf die Ursachen derselben schließen, um dadurch zur Kenntnis der letzteren zu gelangen. Wenn man dieses Verfahren auf dem Gebiete der vergleichenden Psychologie als ..nicht wissenschaftlich" ablehnen wollte, würde man eine ganz unbegreifliche Inkonsequenz begehen; denn auf anderen naturwissenschaftlichen Gebieten ist man bekanntlich nicht so zurückhaltend: die gesamte Entwicklungstheorie sowie alle einzelnen entwicklungstheoretischen Erklärungsversuche beruhen auf eben diesem Schlußverfahren. Wer in der vergleichenden Psychologie auf dasselbe Verzicht leisten will, der darf es auch in der vergleichenden Morphologie, Embryologie usw. nicht anwenden, ohne sich selber das Fundament seiner ganzen Beweisführung zu entziehen. Ich schließe daher die vorliegende kritische Untersuchung über die psychischen Fähigkeiten der Ameisen mit folgendem Satze, der im Obigen hinreichend begründet sein dürfte : Die Ameisen sind weder intelligente Miniaturmenschen noch bloße Reflexmaschinen. Sie sind mit dem Vermögen der sinnlichen Empfin- dung und willkürlichen Bewegung ausgestattete Wesen, deren sinnliche Triebe (Instinkte) durch sinnliche Wahrnehmungen und Empfindung s- zustände, sowie zum Teil auch durch den Einfluß früher gemachter Erfahrungen (Gedächtnis) in mannigfaltiger Weise modifiziert werden können. Diese Auffassung des Ameisenlebens stimmt mit den biologischen Tatsachen völlig überein und schreibt diesen Tieren weder zu viel noch zu wenig psychische Begabung zu. Diese Auffassung hat auch den großen Vorteil, daß sie auf die höheren Tiere ebenfalls anwendbar ist und daher eine einheit- liche Tierpsychologie bietet; man braucht dann nicht die psychischen Lebensäußerungen der Ameisen und der höheren Tiere mit einem a priori verschiedenen Maßstabe zu messen, eine Inkonsequenz, die wegen der tatsächlichen Ähnlichkeit jener Erscheinungen bei den Ameisen und bei den höheren Tieren völlig unhaltbar ist.1) Wenn auch bei den höheren Wirbeltieren die Fähigkeit, auf dem Wege der Sinnes- erfahrung zu lernen, vollkommener entwickelt ist als bei den Ameisen, so birgt doch erst die Seele des Menschen „etwas absolut Neues, der Tierseele Fremdes" in sich,2) das nicht als eine höhere Entwicklungsstufe des schon im Tiere Vorhandenen aufgefaßt werden kann. Und dieses Neue ist die Fähigkeit der Abstrak- tion, des logischen Denkens. Auf sogenannte entwicklungstheoretische Postulate wird man sich gegenüber den obigen Ausfüh- rungen nicht berufen können; denn es gibt für einen Naturforscher keine anderen Postulate, als jene, die sich aus den Tatsachen auf dem Wege einer streng logischen Schlußfolgerung ergeben. Daß eine Entwicklung der Arten und der Instinkte innerhalb gewisser Grenzen stattgefunden habe, halte auch ich auf Grund der Tatsachen für sehr wahrscheinlich. Aber über die Grenzen und die Ursachen jener Entwicklung sind wir bei dem gegenwärtigen Stande der Forschung noch zu sehr im unsichern, als daß man auf diesem Gebiete „Postulate" aufstellen dürfte, durch die man einer vorurteilsfreien Erklärung der Tatsachen Zwang antut und zugleich andere Naturforscher auf dogmatischem Wege zwingen will, jenen voreilig auf- gestellten Postulaten sich bedingungslos zu unterwerfen. Was aus meinen tierpsychologischen Studien für oder gegen die Entwicklungstheorie folgt, ist mir völlig einerlei. Ich betrachte weder die Bestätigung noch die Widerlegung der deszendenztheoretischen Hypothesen als das Ziel meiner diesbezüglichen Forschungen, sondern suche, hievon unbeeinflußt, die einfachste, natürlichste und ungezwungenste Erklärung für die betreffenden biologischen Tatsachen zu finden. Wo die Resultate dieser Studien ') Vgl. hierüber 58, 3. Aufl., 7. Kap,. 2) Eduard Hitzig, Welt und Gehirn, 1905, S. 59. Die Erfahrungsschlüsse, welche Hitzig daselbst den höheren Tieren zuschreibt, beruhen, wie aus seinen Ausführungen hervorgeht, nur auf dem sinnlichen Assoziations- vermögen, nicht auf intelligentem Denkvermögen. — 151 — wirklich für die Entwicklungstheorie sprechen, und so weit sie für dieselbe sprechen, habe ich dies stets anerkannt.1) Dafür, daß es gegenwärtig noch Arten gebe, die in der Stammesentwicklung begriffen sind, sprach ich mich 1901 aus (118) auf Grund meiner Beobachtungen an den Z)/;!(?n/<7-Formen. Eine relativ rezente stammesgeschichtliche Umwandlung ostindischer Ameisengäste in Termitengäste glaubte ich 1904 (145) in der Gattung Doryloxenus nachweisen zu können. Weitere Beispiele rezenter Artenbildung bei Myrme- kophilen und Termitophilen behandelte ich 1906 (154). Daß die „Anpassungscharak t e r e" der Ameisengäste und Termitengäste (11, 38, 41, 42. 51, 60, 76, 85, 95, 114, 130, 135, 138 etc.) als das Produkt einer natürlichen Stammesentwicklung zu erklären seien, schien mir eine notwendige Folgerung aus ihrer biologischen Bedeutung. Besonders eingehend wurden hiebei die dem echten Gast- verhältnisse (S y m p h i 1 i e) zugrunde liegenden Exsudatorgane und Exsudatgewebe berücksichtigt (134). Die Entwicklung der biologisch-morphologischen Anpassungstypen, des Symphilentypus, des Mimicrytypus und des T r u t z t y p u s (siehe oben, S. 44 ff. und 53 ff. ) schien mir die Annahme v e r- schiedener, in verschiedener Weise z u s a m m e n wirkende r innerer und äußerer Faktoren zu verlangen. Daß namentlich beim Symphilentypus die Naturalselektion für sich allein ungenügend sei, wurde schon 1897 (60) hervorgehoben. 1899 (95 S. 123 ff.), 1901 (118 S. 737 ff.) und 1903 (134 S. 306 ff.) wurden diese Anschauungen näher ausgeführt und begründet. Für die Entwicklung des echten Gastver- hältnisses (Syrnphilie) glaubte ich eine besondere Form der aktiven Selektion, die Amikaiselektion (118 S. 739) aufstellen zu müssen. Dieselbe umfaßt die speziellen Symphilieinstinkte der Ameisen, welche als Differenzierungen des Brutpflegeinstinktes entstanden sind und auf die Zucht und Pflege bestimmter echter Gäste sich beziehen, z. B. die Lomechusa-Zncht bei Formica sanguinea, die Zucht von Atemeies emar- ginatus durch F. fusca, von paradoxus durch rufibarbis usw. Vielfach sind diese Gastpflegeinstinkte für die Erhaltung der Wirtsart indifferent, in den ebenerwähnten Beispielen jedoch direkt nachteilig: hier züchten die Ameisen in ihren echten Gästen tatsächlich ihre schlimmsten Feinde! Diese Tat- sache erscheint mir auch heute noch unvereinbar sowohl mit der Annahme einer ..Tierintelligenz" wie mit der ,. Allmacht der Naturzüchtung"". Die für eine Stammesentwicklung der Ameisengäste und Termitengäste sprechenden Gründe sind in meinem Buche ,,D i e moderne Biologie und die Entwicklungstheorie" in dem Kapitel ,, Konstanztheorie oder Deszendenztheorie?" (133; 143 [2. Aufl.], 9. Kap.; 157 [3. Aufl.] 10. Kap.) zusammenfassend behandelt. Auch von solchen Kritikern, die zu meinen „metaphysischen Gegnern" zählen, ist der Wert dieser Ausführungen für eine kritische Deszendenztheorie anerkannt worden. Auf dem Gebiete der Entwicklung der Instinkte wurde namentlich in den letzten Jahren die Entwicklung der Sklaverei und des sozialen Parasitismus bei den Ameisen von mir erörtert (146; 157, 10. Kap.: 162). Am Schlüsse der letztgenannten Arbeit wird man meine gegenwärtige, von der früheren etwas verschiedene Ansicht dargelegt finden. Die hypothetische Entwicklung der Sklaverei ist jedenfalls eines der interessantesten, wenngleich der schwierigsten Kapitel in der Ameisenbiologie. x) Die in der ersten Autlage von 1899 (95 S. 122 — 12i) hier folgenden Ausführungen sind in folgenden Punkten zu berichtigen. Nach A. Handlirsch (Die fossilen Insekten, Leipzig 1906 — 1908) sind die echten Termiten geologisch mit Sicherheit erst aus dem Tertiär nachgewiesen. Immerhin spricht ihre Verwandtschaft mit den altertümlichen Blattoidea dafür, daß die Ordnung der Termiten (Jsoptera) geologisch älter ist als die Familie der Ameisen unter den Hymenoptera. Daß die Termitophilie bei Coleopteren und Dipteren geologisch älter ist als die Myrmekophilie, läßt sich direkt nicht nachweisen, wird jedoch nahegelegt durch die sehr tiefgreifenden Umwandlungen mancher Termitophilen (physogastre Aleocharinen, Termitoxeniidae, Thaumatoxeniidae). [Termiloxenia ist 95 S. 123, Anm. 2 irrtümlich unter die physogastren Aleocharinen gestellt worden, denen sie im Habitus täuschend gleicht. Siehe über Termiloxenia: 113, 119, 124, 134, 137, 157 S. 385.] Die interessante Konvergenzerscheinung, daß bei den termitophilen Aphodiinen derGattungen Chaetopisthes und Coryihoderus gelbe oder rotgelbe Haarbüschel, analog denjenigen von Lomeckusa und Paussus unter den Myrmekophilen, auftreten (95, S. 123; Chaelopistfies gibbiger ist ein Coryihoderus, siehe 99) hat sich seither bestätigt. Dieselbe Konvergenz besteht auch zwischen dem Exsudatgewebe (Drüsengewebe) von Chaetopisthes und Paussus (134). - 152 — Die Vorträge über Entwicklungstheorie, welche ich im Februar 1907 in Berlin hielt,1) beschäftigten sich zürn großen Teile mit der Stammesentwicklung der Ameisengäste und Termitengäste, der Sklaverei bei den Ameisen usw. Die schroffen Gegensätze, die bei der Diskussion zwischen manchen Opponenten und mir zu Tage gefördert wurden, betrafen nicht jenes wissenschaftliche Spezialgebiet, das dabei kaum gestreift wurde, sondern hauptsächlich die Verschiedenheiten unserer Weltanschauung; auf diese brauche ich hier nicht zurückzukommen. Daß die stets wiederholte Behauptung, meine Stellungnahme in naturwissenschaft- lichen und philosophischen Fragen sei durch ..theologische Gründe" diktiert, auch auf dem Gebiete der vergleichenden Psychologie nicht zutrifft, dürfte durch die vorliegende Schrift zur Genüge gezeigt worden sein. XII. Kapitel. Die Pfade der neueren Tierpsychologie. Es dürfte zum Schluße von Interesse sein, noch einen Blick zu werfen auf die Pfade, welche die Tier- psychologie seit 1899 eingeschlagen hat. Welche dieser Pfade führen aufwärts, welche führen als Irrpfade abwärts oder enden schließlich in einer Sackgasse? 1. Aufwärts, zu immer reicherer Kenntnis führt ohne Zweifel jener Pfad der vergleichenden Tier- psychologie, der auf Beobachtung und Experiment gestützt, unter richtiger Anwendung des Analogie- schlusses die tierischen Tätigkeiten einer kritischen psychologischen Analyse unter- wirf t. Zur Nervenphysiologie steht diese Methode der Tierpsychologie nicht in feindlichem Gegensatze, sondern sie bedient sich namentlich im experimentellen Teile der Untersuchung2) auch der physiologischen Methoden; in ihrem Ziele geht sie jedoch über letztere hinaus, indem sie das Seelenleben des Tieres als einheitliches Ganzes zu erforschen sucht und den Grad seiner Vollkommenheit vergleichend prüft. Zu demselben Zwecke bedient sie sich auch der vergleichenden Anatomie des Nervensystems sowohl bei den höheren wie bei den niederen Tieren.3) Als Vertreter dieser Form der modernen Tierpsychologie haben wir in vorliegender Schrift W u n d t, Lloyd Morgan, T h o r n - d i.k e, Stumpf, P f u n g s t usw. kennen gelernt.4) Diese Forschungsmethode sucht namentlich die verschiedenen Formen des „Lernens" auf ihre wahren psychischen Faktoren zurückzuführen, wie es im X. Kapitel der vorliegenden Studie sowohl bezüglich der Ameisen als der höheren Wirbeltiere gezeigt wurde. I lern Grundsatze folgend : wir dürfen den Tieren keine höheren psychischen ') Der Kampf um das Entwieklungsproblem in Berlin. Ausführlicher Bericht über die im Februar 1907 gehaltenen Vortrage und über den Diskussionsabend. Freiburg i. B. 1907. 2) Über die verschiedenen Formen des Experiments vgl. Ed. Claparede, Die Methoden der Tierpsycho- logie (Umschau, 1908 No. 26 u. 27). 3) Die Bedeutung des Neencephalons für die Entwicklung der psychischen Fähigkeiten bei den Wirbeltieren ist namentlich von L. Edinger nachdrücklich betont worden in: „Prinzipielles zur Tierseelenkunde" (Umschau, 1908, No. 24, S. 451 ff.). Ähnliches gilt auch für die Corpora pedunculata (Beihirn) bei den Ameisen und anderen Insekten (58, 3. Aufl. 7. Kap.). Wenn Edinger (S. 466) glaubt, bei den Vögeln träten ..gewisse Zeichen wirklicher Intelli- genz" auf, so kann ich ihm nicht beistimmen; denn die von ihm erwähnten Beispiele sind durch die zweite Form des selbständigen Lernens (Lernen durch Sinneserfahrung, assoziatives Gedächtnis) vollständig erklärlich und erfordern kein formelles Schhißvermögen von seite des Tieres. 4) Auch Fr. Lucas hat in seinem hier mehrfach zitierten Buche „Die Psychologie der niedersten Tiere" ( 1905) die psychologische Analyse der tierischen Lebensäußerungen mil der physiologischen in richtiger Weise verbunden, wenn ich auch in manchen Einzelausführungen nicht mit ihm übereinstimme. Vielleicht würden die ihm unbekannt gebliebenen Versuche von Jennings über die Bewegungen der niedersten Tiere (1904) ihn dazu veranlaßt haben, die ersten Spuren einfacher psychischer Qualitäten nicht erst bei den höheren Coelenteraten anzunehmen. Wenn die „method of trial and error" Lloyd Morgans schon bei den Infusorien nachweisbar ist, müssen wir wohl bereits diesen die einfachsten psychischen Qualitäten zuerkennen. (Siehe Jennings, Behavior of Iower Organisms 1904, p. 237 ff.). — 153 — Fähigkeiten zuschreiben, als sie nachweisbar äußern — kamen die Haupt- vertreter dieser Forschungsmethode, ganz unabhängig von sogenannten Weltanschauungsfragen, zu dem Ergebnisse, daß auch bei den höheren Wirbeltieren das Lernen nur auf den Assoziationsge- setzen der Sinneserfahrung beruht, nicht auf begrifflichem Denke n.1) Erst beim Menschen tritt das letztere Element hinzu, das begriffliche Schlußvermögen, welches wir als Intelligenz im eigentlichen Sinne, d. h. als Einsicht in die Beziehungen der Dinge zueinander bezeichnen. 2. Ein anderer Pfad der Tierpsychologie ist jener, den die sogen. Vulgär psychologie2) verfolgt. Daß derselbe in wissenschaftlicher Beziehung nicht aufwärts sondern abwärts — zur naiven Vermenschlichung des Tierlebens — führt, liegt auf der Hand. Ohne auf eine kritische Analyse der psychi- schen Faktoren eingehen zu können oder zu wollen, vermenschlicht die Vulgärpsychologie das Tierleben in willkürlicher Weise, indem sie den Analogieschluß kritiklos anwendet, um den tierischen Tätig- keiten menschliche Gedanken und Motive unterzuschieben. Nachdem der Beobachter sich selber in das Tier hineingedacht hat, ist es ihm selbstverständlich nicht schwer, seine eigenen Gedanken als „Tiergedanken" aus ihm wieder herauszulesen. Daß diese Vulgärpsychologie auch heute noch zahlreiche Vertreter zählt und fernerhin zählen wird, kann nicht befremden; denn sein eigenes Spiegelbild im Tiere zu sehen, ist viel leichter als dasselbe kritisch zu analysieren. Daher werden auch fürderhin die „denkenden Ameisen" ebensowenig aussterben, trotz des kritischen Urteils der Myrmekologen, als die „denkenden Gäule" trotz des Gutachtens von Stumpf und der Untersuchungen von Pfungst aussterben werden. Wie früher von Alfred Brehm und Ludwig Büchner so wird jetzt von Wilhelm Bölsche und anderen Vertretern der Vulgärpsychologie die kritiklose Vermenschlichung des Tierlebens als „die wahre moderne Tierpsychologie" angepriesen und in den weitesten Kreisen verbreitet, die das ganz unterhaltend finden, zumal wenn dabei auch die „Tiermoral" als Vorbild der Menschenmoral zur Geltung kommt.3) Wer sich dieser Vulgärpsychologie nicht anschließen will, gilt als Anhänger der mittelalterlichen Scholastik, die das Tier aus theologischen Gründen zu einer bloßen Maschine degradiert habe. Zu der Kritiklosigkeit der Forschungsmethode gesellt sich hiedurch bei den Vertretern der Vulgärpsychologie auch eine entsprechende Kritiklosigkeit des historischen Urteils; denn gerade die scholastische Philosophie hat von jeher anerkannt, daß das Seelenleben der Tiere viele gemeinsame Elemente mit demjenigen des Menschen aufweise; darin aber, daß sie dem Tiere kein begriff- liches Denken und was auf demselben beruht, zuerkennen will, stimmt sie mit den berufensten Vertretern der modernen experimentellen Psychologie überein. 3. In gerade entgegengesetzter Richtung von der Vulgärpsychologie verläuft ein anderer, dritter Pfad der vergleichenden Psychologie, nämlich der Pfad der mechanistischen Tierpsychologie, welche das ganze psychische Leben des Tieres in eine bloße Summe von „Reflexen" auflösen will. Diese mechanistische Psychologie ist sorgfältig zu unterscheiden von der Nervenphysiologie. Letztere hat Dankenswertes geleistet in der Erforschung der Reflexe, die den niederen tierischen und mensch- lichen Seelentätigkeiten zugrunde liegen und gleichsam deren erstes Rohmaterial bilden; sie berührt sich dadurch innig mit der obenerwähnten experimentellen Psychologie. Die Verdienste der Nervenphysiologie ') Daß bei den höheren Wirbeltieren ein Rest von psychischen Äußerungen bleibe, der nicht durch die Gesetze der Assoziation, sondern bloß durch die Annahme eines Denkvermögens der Tiere erklärlich sei, wurde von O. z u r Strassen (Die neuere Tierpsychologie, Leipzig 1907, S. 8) zwar behauptet, aber nicht bewiesen. Ich bin mit Wundt, Lloyd Morgan, Claparede und anderen Vertretern der kritischen Tierpsychologie der Ansicht, daß der obige Rest nicht existiere. Vgl. oben im X. Kap. dieser Schrift S. 135. Lloyd Morgan selbst, der 1894 noch an einen derartigen Rest glaubte, hat sich später (Introd. to comp. Psychol. 2. Ed. 1903, p. 30") gegen die Annahme desselben auf Grund seiner fort- geschrittenen tierpsychologischen Studien ausgesprochen. Siehe auch 58, 3. Aufl. S. 225 ff. 2) Dieser Name stammt von Wilhelm Wundt, nicht von mir. 3) Vgl. hiezu beispielsweise die von W. Bölsche am 18. Febr. 1907 zu Berlin gehaltene Diskussionsrede in meiner Schrift „Der Kampf um das Entwicklungsproblem in Berlin" (1907) S. 76. Zoologica. Heft 26. 20 — 154 — um die Förderung unserer Kenntnis der tierischen Lebensäußerungen erkenne ich daher vollkommen an. Anders aber verhält es sich mit der mechanistischen Psychologie; indem sie nur den mechanischen Reiz und die physiologische Reaktion auf denselben als die einzigen „wissenschaftlich erkennbaren" Elemente in den sogenannten psychischen Lebensäußerungen anerkennen will, setzt sie die physikochemischen Faktoren an die Stelle der psychischen und führt daher folgerichtig zur Leugnung aller Psycho- logie. Es ist ein Pfad, der in einer Sackgasse endet. Die mechanistische Psychologie hat ihre Geschieht e, und wir wollen hier ihre Entwicklung in den wichtigsten Hauptzügen verfolgen, soweit sie für die moderne Tierpsychologie von Bedeutung ist. Begründet wurde sie auf diesem Gebiete im innigen Anschluß an jene Reflexphysiologie, welche die Lebensäußerungen der niederen Tiere erforscht. Hier gestaltete sie sich zur Tropismentheorie, die namentlich durch Max Verworn theoretisch ausgebaut wurde. Auf dem untersten Grenzgebiete des tierischen und pflanzlichen Lebens hatte und hat die Tropismentheorie ohne Zweifel ihre wissenschaft- liche Berechtigung, und sie erzielte hier auch schöne Ergebnisse durch die Untersuchungen Engelmanns und anderer Forscher, welche die Reizbewegungen der niedersten Organismen und deren Gesetze feststellten. Aber schon im Reiche der Protozoen und der niedersten Metazoen blieb es zweifelhaft, ob eine mechanische Tropismentheorie überhaupt ausreiche zur Erklärung der Tatsachen. A. B i n e t x) und neuerdings besonders H. J. Jennings2) haben schwerwiegende Einwände gegen dieselbe erhoben. Von einer einfachen mecha- nischen Erklärung der betreffenden Reaktionsbewegungen durch die äußeren Reize, wie sie von der Tropis- mentheorie ausgedacht worden war, kann nach Jennings keine Rede sein; schon bei den niedersten Tieren glaubt er die „method of trial and error" (Lloyd Morgan) zu finden, welche das Lernvermögen der Tiere auf Grund der Sinneserfahrung darstellt.3) Bald ging man zur Ausdehnung der Tropismentheorie auf die Psychologie der Insekten über. J a c q. L o e b 4) glaubte 1899, die wichtigsten Instinkte von Raupen, Schmeißfliegenlarven, Motten usw. auf bloße Heliotropismen, Chemotropismen etc. zurückführen zu können. Damit war eine neue ,,m echanische Instinkttheorie" gegründet. Dieselbe erwies sich aber als so unzulänglich und den tatsächlichen Instinktäußerungen widersprechend, daß sie als völlig mißlungen bezeichnet werden muß.5) A. B e t h e 6) hatte schon 1898 denselben Versuch einer rein mechanischen Instinkttheorie gemacht durch seine Reflex- theorie des Ameisen- und Bienenlebens. Die Unhaltbarkeit dieser Theorie wurde von mir im Biologischen Zentralblatt 1898 7) und eingehender in der ersten Auflage der vorliegenden Schrift 1899 (95) nachgewiesen. Ebenso erging es der neuen Reflextheorie in ihrer Anwendung auf das Bienenleben durch die Kritiken von Buttel-Reepen, Forel und Katharin e r.8) Die rein physiologische Reflexerklärung hatte bei dem Instinktleben jener Insekten tatsächlich versagt. x) La vie psychique des Mieroorganismes. Deutsche Übersetzung der 2. Aufl. durch W. Medicus, Halle 1902. 2) Contributions t.o the study of the behavior of lower Organisms, Carnegie Institution of Washington 1904: Modifiability in behavior I. (Journ. Experimental Zoology II. No. 4, 1905): II. (Ibidem III. No. 3, 1906). 3) Vgl. hierüber Jennings, Contributions, 1904, p. 250: „This method of trial and error, which forms the most essential feature of the behavior of these lower organisms, is in c o m p 1 e t e contrast with the tropism Schema, which has long been supposed to express the essential characteristies of their behavior." Über die „method of trial and error" bei den höheren Tieren siehe oben, Kap. X. S. 107. 4) Einleitung in die vergleichende Gehirnphysiologie und vergleichende Psychologie mit besonderer Berück- sichtigung der wirbellosen Tiere. Leipzig 1899. 5) Zur Kritik derselben siehe Wasmann, Einige Bemerkungen zur vergleichenden Psychologie und Sinnes- physiologie (Biolog. Zentralbl. 1900 No. 10, S. 341 ff.); ferner 58, 3. Aufl. S. 146 ff. 6) Dürfen wir den Ameisen und Bienen psychische Qualitäten zuschreiben? Bonn 1898 (Archiv f. d. ges. Physiologie Bd. 70). ') No. 15. S. 577 ff.: „Eine neue Reflextheorie des Ameisenlebens." 8) Siehe die Zitate oben in der Einleitung S. 4. — 155 — Hierauf schlugen Beer, Bethe und v. Uexküll 1899 1) eine neue ,.o bjektivierende Nomenklatur" in der vergleichenden Sinnesphysiologie vor, um dieselbe von den subjektiven psycho- logisichen Ausdrücken wie „Empfindung" usw. zu reinigen. Gegen die Notwendigkeit und Nützlichkeit jener neuen Terminologie wurden von verschiedenen Seiten alsbald Einwendungen erhoben, z. B. von W. A. N a g e 1 2) und mir.3) Daraufhin erklärte sich endlich v. Uexküll4) 1900 in seinem und seiner Kollegen Namen über den eigentlichen Zweck jener Nomenklaturreform: zwischen Sinnes- physiologie und Psychologie sollte nicht bloß das Tischtuch zerschnitten werden, sondern es sollte fernerhin nur noch die Sinnesphysiologie als ,,\v issenschaftliche Tierpsycho- logie" gelten! Ich hatte 1899 (95 S. 79, siehe oben S. 96) gegenüber H. E. Ziegler darauf aufmerksam gemacht, das Prinzip, ein Naturforscher könne nicht wissen, ob ein Tier mit Bewußtsein handle oder nicht, müsse folgerichtig auch auf die einfachen psychischen Elemente der Sinneswahrnehmung und Empfindung des Tieres ausgedehnt werden, die man ebensowenig direkt „sehen" könne wie das Bewußtsein; wenn daher jenes Prinzip richtig wäre, so könnte es für den Naturforscher überhaupt keine Tierpsychologie mehr geben. Hieran knüpft v. Uexküll an und sagt offen heraus: „Diese Schlußfolgerung haben wir denn auch gezogen und verlangen, genau wie Wasmann das ausdrückt, daß man nicht mehr von Tierpsychologie, sondern bloß von Nervenphysiologie red e." (S. 498). Er leugnete hiemit einfachhin die Möglichkeit einer vergleichenden Psychologie, indem er die Verwendung des Analogieschlusses als Erkenntnisquelle der tierischen Tätigkeiten ganz verwarf. Dieser Auffassung schloß sich dann auch Bethe5) 1900 ausdrücklich an, entgegen seiner früheren richtigeren Ansicht.6) Hiemit war für ihn die Frage nach der Existenz „psychischer Qualitäten" bei den Ameisen ebenso wie bei allen anderen Tieren selbstverständlich erledigt, weil sie gegenstandslos geworden war. Die Gründe, welche v. Uexküll für die Unmöglichkeit einer vergleichenden Psychologie geltend gemacht hatte, wurden von mir bald darauf7) einer sorgfältigen Prüfung unterzogen und als unhaltbar nachgewiesen. Nicht davon, daß die Nervenphysiologie die Tierpsychologie ersetzen soll, sondern nur aus dem einheitlichen Zusammen wirken beider ist ein wahrer Fortschritt unserer wissen- schaftlichen Erkenntnis zu erwarten. Diese Ansicht wurde auch von Forel, Buttel-Reepen, Claparede und anderen Tierpsychologen geteilt, wenngleich ihr „metaphysischer Standpunkt" von dem meinigen in anderen Punkten abwich. Darin, daß die vergleichende Psychologie auf Grund des Analogie- schlusses aufrecht erhalten werden müsse, stimmten sie mir bei. Der ausschließlich physiologische Stand- punkt führt — konsecment durchgeführt — in der Tat nicht bloß zum Ruin der Tierpsychologie, sondern jeder Psychologie. Auch dies sollte sich in dem weiteren Verlaufe jenes Pfades noch zeigen. Wie stand es denn mit der sogenannten „Intelligenz" der höheren Tiere? Durfte auch bei ihnen von „psychischen Fähigkeiten" nicht mehr die Rede sein? Aber wie war dann die „Konti- nuität der geistigen Entwicklung im Tierreich" zu retten, die von der Amöbe hinauf bis zum Menschen führte? Was sollte aus diesem „Postulate" der monistischen Entwicklungstheorie werden, wenn die wissen- schaftliche Tierpsychologie lediglich auf die Nervenphysiologie sich beschränken und dadurch zu einer mechanistischen „Reflexpsychologi e", zu einer Contradictio in adjecto, sich gestalten mußte? Wo sollte diese „allerneueste Tierpsychologie" schließlich münden, wenn nicht in dem Versuche, ') Im Zentralblatt f. Physiologie XIII. No. 6, S. 137 ff. und im Biologischen Zentralblatt XIX No. 15, S. 517 ff. ») Im Zool. Zentralbl. VI. 1899, Xo. 18—19 S. 609 ff. und im Zentralbl. f. Physiolog. 1899, Heft 12. a) Im Biol. Zentralbl. 1900, No. 10, S. 346 ff. 4) Über die Stellung der vergleichenden Physiologie zur Hypothese von der Tierseele (Biol. Zentralbl. XX. 1900, No. 15, S. 497—502). 5) Noch einmal über die psychischen Qualitäten der Ameisen, Bonn 1900 (Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 79) S. 45. 6) Siehe oben S. 7. 7) Nervenphysiologie und Tierpsychologie (Biol. Zentralbl. 1901, No. 1,S. 23 — 31 |; siehe auch 58, 3. Aufl. 11. Kap. — 156 — auch den Menschen zu einer bloßen Reflexmaschine, ohne „psychisches Leben", zu degradieren? Man war diesem Ziele schon seit längerer Zeit nicht so fern, als es vielleicht scheinen könnte. Bereits 1892 hatte H. E. Ziegler1) die Begriffe Instinkt und Intelligenz in einer Weise bestimmt, welche den Weg zur Elimination des Psychischen ebnete. Instinkt sollte nur „kombinierte Reflextätigkeit" sein, Verstand dagegen die „Lernfähigkeit" bedeuten. Von einer psychologischen Analyse des letzteren Begriffes konnte keine Rede sein, da wir nach Ziegler nicht wissen können, ob ein Tier mit Bewußtsein handelt oder nicht. Die Anwendung des Analogieschlusses war also im Prinzip schon verworfen; es blieben nur noch die äußeren Merkmale des „Ererbtseins" oder „Erlerntseins" übrig. 1900 2) wiederholte Ziegler nochmals diese Auffassung. Die ererbten Fähigkeiten beruhen auf „kleronomen", die erworbenen auf „embiontischen" Bahnen, womit die deutschen Worte nur in griechische verwandelt wurden. Auf kleronomer Basis beruhen Reflex und Instinkt, auf embiontischer dagegen Merkfähigkeit, Gedächtnis und Verstand. Eine wirkliche psychologische Unterscheidung der letzteren Begriffe wäre nur möglich gewesen auf Grund der von Ziegler bereits preisgegebenen psychologischen Begriffsanalyse. Auch in seinen neuesten Aus- führungen von 1907 3) äußerte sich Ziegler nochmals gegen die Verwendung des Analogieschlusses in der Tierpsychologie; nicht auf „Vorgänge der inneren Erfahrung", sondern lediglich auf „objektiv feststellbare Merkmale" solle man die Unterscheidung von Instinkt und Verstand begründen (S. 253). „Alle individuell erlernten Fähigkeiten gehören in das Gebiet des Verstandes, im Gegensatz zu den ererbten Fähigkeiten, welche die Instinkte bilden" (S. 254). Die sämtlichen verschiedenen Formen des Lernens, welche psychologisch unter einander durchaus verschieden sind,4) werden hiemit ohne jede Kritik als gleichwertig behandelt und auf den „Verstand" bezogen. Wir sind damit bereits bei einer Definition des Verstandes angelangt, die bereits keinen psychologischen Inhalt mehr besitzt; denn daß „Verstand" eigentlich „Einsicht" oder „Schlußvermögen" bedeute, wissen wir ja nur aus der Analogie mit unserem Verstände. Nachdem so das psychische Element aus dem Begriffe des Tierverstandes glücklich beseitigt war, blieb nur noch übrig, dasselbe auch aus dem Begriffe des Menschen- verstandes zu beseitigen. Der Begriff des „Psychischen" oder „Seelischen" hatte übrigens längst schon in der neueren Tier- psychologie, ja auch in der menschlichen Psychologie, viel von dem Inhalte eingebüßt, den er früher besaß; er war zu einem leeren Worte geworden. Von einer „psychischen Einheit" wollte man vielfach, sowohl im Menschen wie im Tiere, nur insofern noch etwas wissen, als sie die Summe der psychischen Tätigkeiten bezeichnet; ein eigenes „psychisches Prinzip" als reale Einheit und Substrat jener Tätigkeiten anzunehmen, galt bereits als verpönt. Wir besitzen daher schon lange jene „Seelen- lehre ohne S e e 1 e", welche B u s s e 5) so vortrefflich gekennzeichnet hat. Wenn aber die psychischen Tätigkeiten nicht aus einem eigenen psychischen Prinzip hervorgehen, sondern bloße Begleiterscheinungen der Nervenprozesse sind, oder wie die monistische Identitätstheorie6) von Fechner, Forel usw. annimmt, nur die „subjektive Innenseite" eben dieser physiologischen Prozesse darstellen, welche ihrerseits auf rein ») Über den Begriff des Instinktes. (Verhandl. deutsch. Zool. Gesellschaft 1892, S. 122—136). 2) Theoretisches zur Tierpsychologie und vergleichenden Neurophysiologie (Biol. Zentralbl. XX No. 1, S. 5 ff.). 3) Was ist ein Instinkt? (Zool. Anzeig. XXXII. No. 8, S. 251 — 256). Meine Auffassung des Instinktes als einer erblichen zweckmäßigen Anlage des sinnlichen Erkenntnis- und Strebevermögens steht derjenigen Dahls jedenfalls näher als jener Zieglers. Vgl. D ah 1, Was ist ein Instinkt? (Zool. Anzeig. XXXII. No. 1, 1907, S. 4 — 9). Siehe auch: Dahl, Noch einmal über den Instinkt (Ebenda, No. 4, 1908, S. 120 ff.), wo er die neueste Tierpsychologie zur Strassens einer Kritik unterzieht. 4) Siehe oben das X. Kap. bes. S. 134 ff. 5) L. Busse, Geist und Körper, Seele und Leib. Leipzig 1903, S. 322 ff.: vgl. auch C. G u t b e r 1 e t , Der Kampf um die Seele, 2. Aufl. Mainz 1903. 6) Zur Kritik derselben siehe C. S t u m p f, Leib und Seele, 2. Aufl. Leipzig 1903; L. B u s s e, Geist und Körper, S. 101 ff.: 58 3. Aufl. 12. Kap. — 157 — mechanische Vorgänge in den Nervenzellen und Nervenbahnen sich reduzieren — wozu sollte man dann überhaupt noch ein ..psychisches Element" in der vergleichenden Psychologie beibehalten? Durch die „Schattentheorie", wie C. Stumpf die monistische Zweiseitentheorie treffend bezeichnet, ist das Psychische ja ohnehin schon zu einem leeren Schatten der physiko-chemischen Gehirnprozesse geworden. Sollte daraus nicht die Folgerung gezogen werden, daß man das Psychische als überflüssigen Ballast gänzlich über Bord werfen dürfe? Dieser letzte Schritt ist denn auch durch Prof. 0. zur Strassen in einem Vortrage angebahnt worden, den er am 20. Sept. 1907 auf der Versammlung deutscher Naturforscher und Arzte zu Dresden *) über „die neuere Tierpsychologie" hielt. Er verdient daher hier unsere besondere Auf- merksamkeit. Von dem „Prinzip der Sparsamkeit" ausgehend, nach welchem wir keine anderen Faktoren annehmen dürfen als jene, die zur Erklärung der Erscheinungen genügen, fragt er, ob unser Weltbild nicht vielleicht die „Belastung" durch einen psychischen Faktor ganz ent- behren könne (S. 9). Er stellt es sodann als Programm der „a 1 1 e r n e u e s t e n Tier- psychologie" hin, den Beweis zu führen, „daß das Erscheinungsgebiet der tierischen Handlungen aus anorganischen Prozessen hervorgehen, und ohne je den Boden der physiko-chemischen Kausalität verlassen zu haben, sich bis zu seinen höchsten Formen hinauf entwickeln konnte" (S. 10). Wenn dies gelingen sollte, dann wäre der psychische Faktor aus unserem Weltbilde gänzlich ausgeschaltet. Allerdings könnte man gegen diese Beweisführung wichtige Bedenken erheben. Falls sich auch nach- weisen lassen sollte, daß bei allen tierischen Tätigkeiten, von den niedersten bis zu den höchsten, physiko- chemische Faktoren mitbeteiligt seien, so wäre doch damit der Beweis für die Entbehrlichkeit des psychischen Faktors noch nicht erbracht; dazu wäre erforderlich, daß jene sämtlichen Erscheinungen ihre erschöpfende, adäquate Erklärung in den physiko-chemischen Ursachen finden, und zwar nicht bloß nach ihrer physiologischen, sondern auch nach ihrer psychischen Seite. Bisher hielt man den letzteren Beweis schon deshalb für unmöglich, weil die physiologische und die psychologische Betrachtungsweise zwar parallel gehen und sich vielfach berühren, aber niemals einander wirklich ersetzen können. „Nur ein ganz oberflächliches Denken kann eine Empfindung für eine physikalische Energieform halten", so hatte v. Uexk ü 1 1 1900 (S. 500) nicht mit Unrecht behauptet, zur Strassen dagegen stellt als Programm der neuesten Tierpsychologie hin, sämtliche psychische Erscheinungen -- nicht bloß die Empfindung, sondern auch das Denken — restlos durch physiko-chemische Ursachen zu erklären. Sollte dieser Beweisführung nicht vielleicht schon von vornherein die uralte materialistische Begriffsverwechslung von Physischem und Psychischem zugrunde liegen? Oder sollte ihm ein Beweis wirklich gelungen sein, der allen seinen Vorgängern mißglückt war? Dann hätte er allerdings eine ganz außerordentliche Tat voll- bracht, die einen Markstein nicht bloß in der Geschichte der Tierpsychologie, sondern der Psychologie überhaupt bilden würde; und dieser Markstein wäre zugleich — der Leichenstein der Psychologie! In phylogenetischer Reihenfolge, von den niedersten Protozoen ausgehend (S. 10 ff.), sucht zur Strassen seinen angekündigten Beweis durchzuführen. Den Ausgangspunkt bildet die künstliche Nachahmung der Schaumstruktur des Protoplasmas (Bütschli, Rhumbler). Die Amöbe mit ihren Bewegungen wird daraufhin mit einem anorganischen Schaumtropfen als wesentlich gleichartig hingestellt, und der erste Ring der Beweiskette, der sich auf die Tropismen der Einzelligen bezieht, ist geschmiedet: wir haben es hier bloß mit chemisch-physikalischen Tätigkeiten zu tun. Mit wunderbarer Leichtigkeit wird dabei nicht bloß die Zweckmäßigkeit der Reizbewegungen der Urtiere diesem Schema angepaßt, sondern auch die Modifi- kation derselben durch die „Stimmungen" des Tieres (Jennings). Herrn zur Strassen ist es einfach ..klar", daß dies alles durch bloße chemische und strukturelle Veränderungen im Tierkörper erklärlich sei; die ') Verhandlungen 19(17. I. S. lil — 175. Separ. Leipzig 1907. Ich zitiere nach dem Separatabdruck. — 158 Amöben konnten daher ..ohne teleologische Beihilfe aus Anorganischem entstehen" mit allen ihren Lebens- erscheinungen. Wem dies nicht ..klar" geworden ist. der wird allerdings hier schon klaffende Sprünge in der Beweisführung finden, die durch kühne Behauptungen überbrückt werden. Zur Strassen geht hierauf zu den Metazoen über (S. 15 ff.). Wir finden bei ihnen mannigfaltige „Verbesserungen in anatomisch-physiologischer Hinsicht" im Vergleich mit den Amöben und deren Beiz- bewegungen, Verbesserungen, die jedoch nur dem Grade nach über die letzteren hinausführen. Ein Skeptiker könnte hier allerdings die Frage aufwerfen, ob das Auftreten eines Nervensystems nicht bloß eine quanti- tative, sondern auch eine qualitative Verbesserung bedeute, z. St. dagegen ist der Ansicht, daß wir für die instinktiven Tätigkeiten der Metazoen ebensowenig eines „psychischen Faktors" bedürfen wie für die Beiz- bewegungen der Protozoen. Bei der nach Tracht suchenden Honigbiene wie bei dem nach Beute jagenden Baubtier brauchen wir nach ihm ebensowenig ein „Hungergefühl" oder eine „Vorstellung der Beute" usw. anzunehmen. Werden die Betinazellen eines Behes von dem Bilde eines Feindes belichtet, so flieht das Beh, nicht weil es „erschrickt", sondern weil es auf physiko-chemischem Wege zu einer rein mechanischen Fluchtreaktion gezwungen wird. Auch die Instinkttätigkeiten der Ameisen werden hier — ganz wie ehemals bei Bethe — auf rein reflektorischem Wege zu erklären versucht. Was zur Kritik dieser Methode in der vorliegenden Schrift bemerkt wurde, gilt daher auch gegen z. Str., dessen Verfahren nur durch größere Konsequenz in der Anwendung auf sämtliche Tiere von jenem Bethe's sich unterscheidet. Zwei Gesichtspunkte sind es vornehmlich, welche z. Str. seine rein mechanistische Beweisführung sehr erleichtern: erstens das „Schrotflintenprinzip" und zweitens das Prinzip der „Stim- mungsänderungen" im Tiere. Das Schrotflintenprinzip ist sachlich nichts anderes als das, was Lloyd Morgan „the method of trial and error" nannte (siehe oben S. 107 bei der zweiten Form des Lernens); es ist ursprünglich ein psychologisches Prinzip, das mit einer bloßen Beflextheorie im Widerspruch steht. Bei z. Str. dagegen tritt es in wesentlich anderer, rein mechanistischer Bedeutung auf: von zahlreichen Schrotkörnern einer Flintenladung, die in einer Richtung abgeschossen wird, kann wohl das eine oder das andere zufällig das Ziel treffen, und so solle es auch mit der Zweckmäßigkeit der instinktiven Bewegungen der Tiere bestellt sein. Wenn der Verfasser vorher bewiesen hätte, daß die Tiere nichts weiter als (von der „Natur"?) geladene Schrotflinten seien, so würde er wirklich durch das Schrotflintenprinzip zeigen können, daß die instinktiven Prozesse ebenso rein mechanisch verlaufen wie die Explosion einer Schrotladung und die Zerstreuung der Schrotkörner in der Luft. Da aber jener Beweis fehlt, so kann die stets wiederholte Berufung auf die Schrotflinte (S. 11, 16, 18, 23, 28 usw.) nur als ein Versuch aufgefaßt werden, auf dem Wege eines bloßen Vergleichs über die Unzulänglichkeiten einer rein mechanistischen Erklärung der Instinkttätigkeiten hinwegzutäuschen. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Prinzip der „S timmungsänderunge n" im Tiere, auf das z. Str. sich ebenfalls fortwährend beruft. Sonst verstand man darunter ein psychologisches Prinzip, nämlich den Wechsel des Gefühlszustandes (der Lust- und Unlustgefühle) unter dem Einflüsse innerer und äußerer Bedingungen. Bei z. Str. dagegen hat auch dieses Prinzip einen rein mechanistischen Inhalt bekommen. Schon bei der Amöbe treffen wir solche „Stimmungsänderungen", und hier sollen sie nur aus physiko-chemischen Zustandsänderungen bestehen; bei den Metazoen seien die Stimmungsänderungen allerdings ungemein zahlreicher und mannigfaltiger, aber auch hier sollen sie keinen „psychischen Faktor" enthalten. So wird denn durch die Schlagwörter „Stimmungsänderungen", „komplizierte Stimmbarkeit" usw. in überraschend einfacher Weise vieles „erklärt", wofür man früher den psychischen Faktor der Lust- und Unlustgefühle nicht entbehren zu können glaubte. Analysiert man die einzelnen Beispiele, so zeigt sich allerdings, daß es sich um eine recht inhaltleere und gezwungene Scheinerklärung handelt. Da wird uns z. B. (S. 17 — 18) eine Ameise vorgeführt, in deren Nervensystem „irgendwo" durch die Ein- wirkung eines „Fußgeruches" eine „besondere Stimmung" erzeugt wurde; wird aber dann in die so „gestimmten" Ganglienzellen gleich darauf ein neuer Reizvorgang, der durch den „Krallengeruch" entsteht, — 159 — hineingeleitet, so resultiert ein Nervenprozeß, „der nach gewissen Umschaltungen (!) das Vorwärtsgehen (der Ameise) bewirkt." „Empfängt sie jedoch die beiderlei Gerüche in umgekehrter Reihenfolge (!). so könnte diese neue Kombination von Stimmung und Reiz bewirken, daß die Ameise stehen bleibt und sich im Kreise dreht (!?), bis nach dem Schrotflintenprinzip (!) die richtige Fahrte gefunden ist." Bethe's Reflex- theorie des Ameisenlebens ist hier noch übertroffen! — Ich muß allerdings gestehen, derartige Erklärungen scheinen mir ein leeres Spiel mit schönen Worten, welches wie eine Ironie auf die „neueste Tierpsychologie" klingt! Da bleiben wir doch lieber bei unserer kritischen Analyse der tierpsychologischen Tatsachen, welche den physiologischen und den psychologischen Elementen der Erscheinungen in gleicher Weise gerecht zu werden versucht, ohne durch gelehrt klingende physiologische Ausdrücke eine mecha- nistische Scheinerklärung vorzutäuschen, welche, wenn sie überhaupt einen Sinn haben soll, doch nur eine durchsichtige Umschreibung der alten psychologischen Erklärung ist, die man eben dadurch ausgeschaltet zu haben vermeint. Diesem Beweisverfahren der „neuesten Tierpsychologie" kann selbstverständlich keine tierpsycho- logische Erscheinung widerstehen. So sehen wir denn weiterhin, wie z. Str. (S. 20) in „unbeirrbarer Spar- samkeit" die „kritische Sonde" auch an das Lernen aus Erfahrung legt, und zwar zuerst an die „überlegungslose, gesetzmäßige Assoziation", um sie ebenfalls auf physiko-chemische Faktoren restlos zurückzuführen. Als erstes Beispiel wählt er eine Ameise, die Beute gefunden hat. Durch den „ein- tretenden Belastungsreiz" wird sie „derart gestimmt", daß sie „auf ihre eigene Hinspur gegensinnig reagieren, d. h. von Krallengeruch zu Fußgeruch fortschreitend nach Hause laufen muß"(!). Bei ihrem nächsten Ab- gang kehrt dann die glückliche Jägerin, „aus ihrer Erfahrung lernend" zur Stelle ihres früheren Erfolges zurück, „reagiert also abermals positiv auf ihre eigene Fährte", während eine andere Ameise, die früher ermüdet heimgekehrt war, unterdessen zu Hause bleibt. Wie ist dieser Unterschied in der Handlungsweise beider Ameisen zu erklären? — „Wir wissen sogleich die Antwort: Stimmbarkeit! Wird das beladene und hierdurch gestimmte Tier im Nest seiner Bürde ledig, so schlägt auf diesen neuen Reiz (?) die Stimmung seines Nervensystems derartig um, daß die Geruchsform der eigenen Fährte als richtender Reiz empfangen wird ( !). Die minder glückliche Genossin aber läuft ungereizt über ihre Spur hinweg oder wird wohl gar auf Grund einer anderen Stimmung negativ von ihr fortgetrieben (l).1) In alledem ist für Lust und Unlust und sonstige psychische Faktoren durchaus kein Raum." In der Tat ist in einer solchen Erklärung kein Raum mehr für ,,p sychische Faktore n". Mir scheint aber auch, daß für eine solche „Erklärung" kein Raum sein kann in einer wissenschaft- lichen Tierpsychologie; denn die ganze Erklärung beschränkt sich auf ein willkür- liches Spiel mit Worten wie „Stimmbarkeit" usw. Sie ersetzt bloß die alten psychologischen Ausdrücke durch neue physiologische und erweckt dadurch die Täuschung, der ganze Vorgang sei hiemit rein physiologisch oder „physiko-chemisch" erklärt. „Nachdem die erste Probe so spielend leicht gelungen ist." schreitet zur Str. zur „mechanistischen Deutung" anderer „komplizierterer" Fälle fort, zu der Biene, die Honig an einem Fenster gefunden und später zu eben diesem Fenster wieder zurückkehrt usw. Wir brauchen auf diese Erklärungsversuche nicht weiter einzugehen, da sie alle an derselben ..spielenden Leichtigkeit" leiden wie der obige. So lassen sich allerdings alle Erscheinungen des Lernens der Tiere durch Sinneserfahrung auf bloße physiko-chemische Ursachen „zwanglos zurückführen". Die nächsthöhere Stufe der psychischen Tätigkeiten bildet die Begriffsbildung und Abstraktion, für deren Erklärung die „Assoziationsmechanismen" nicht mehr ausreichen. Ihnen wendet sich z. Str. jetzt zu (S. 2(3 ff.). Er spricht von ..begriffsbildenden Tieren", weil eine Biene nach mehr- ') Nach meiner eingehenden Kritik der Bethe'schen Polarisations- und Belastungshypothese halte ich es für vollkommen überflüssig, hier nochmals die handgreifliche Unnahbarkeit derartiger Erklärungsversuche im einzelnen darzulegen. Siehe oben S. 24 und 32. 160 — facher Erfahrung „das für ein offenes Fenster Wesentliche" herauszufinden vermag, oder weil ein Vogel die als giftig erfahrene Raupenart künftig von anderen Arten unterscheiden lernt. Daß jedoch hier weder Abstraktion noch Begriffsbildung von Seite des Tieres anzunehmen ist, wurde seitens der kritischen Tier- psychologie von Reimarus bis Wundt und Lloyd Morgan schon oft genug hervorgehoben : man darf nicht allgemeine Begriffe mit bloßen Ähnlichkeitsassoziationen verwechseln.1) Letztere genügen voll- ständig zur Erklärung der obigen tierpsychologischen Erscheinungen; deshalb dürfen wir nach dem „Prinzip der Sparsamkeit" den Tieren überhaupt kein „Abstraktionsvermögen" zuschreiben. Dies wäre hier die richtige Anwendung jenes Prinzips gewesen, z. Str. dagegen wirft statt dessen die Frage auf: „Muß Abstraktion notwendig ein psychischer Denkprozeß sein?" und er beantwortet dieselbe mit: „Ganz und gar nicht!" Unter „Abstraktion" versteht er aber hier, wie aus seinen Beispielen hervor- geht, etwas was gar keine Abstraktion ist, nämlich die Entstehung eines fälschlich „allgemein" genannten Sinnesbildes durch die wiederholte Sinneserfahrung des Tieres. Dadurch bestätigt er also nur, daß das vorgebliche Abstraktionsvermögen beim Tiere zum assoziativen Lernen ohne Abstraktion gehört. Aber dafür, daß die wirkliche Abstraktion (die allgemeine Begriffsbildung) kein psychischer Denk- prozeß sei, hat er keinerlei Beweis erbracht, und noch viel weniger hat er bewiesen, daß die einschlägigen Vorgänge sich auf rein physiko-chemischem Wege erklären lassen. Dasselbe gilt auch für das „Sammeln des Erfahrungsschatzes" beim Tiere, welches hauptsächlich mittelst des Spielinstinktes nach dem „Prinzip der Schrotflinte" erfolgen soll (S. 28). Auch hier kann weder von Abstraktion seitens der Tiere die Rede sein noch von einer rein mechanistischen Deutung der betreffenden Tatsachen. Die sich hier berührenden Extreme sind beide gleich irrtümlich. Hierauf geht z. Str. zu jenen Erscheinungen des Tierlebens über, die er früher „in wohlbewußter Ungenauigkeit" als intelligente bezeichnet hatte und sucht auch sie „auf mechanistisch-physiologische Geschehensgründe" zurückzuführen (S. 29 ff.). Die hiefür von ihm gewählten Beispiele aus dem Tierleben gehen jedoch nicht über die Grenze dessen hinaus, was die Sinneserfahrung zu leisten vermag; es handelt sich also gar nicht um intelligente Tätigkeiten im eigentlichen psychologischen Sinne, z. Str. selbst meint, eine Intelligenz wie die hier beschriebene würde nichts anderes sein als „eine höhere Form der Älmliehkeitsassoziation", und darin hat er recht. Es ist übrigens erfreulich zu sehen, wie (S. 32) auch der Affe, der vom Baume herunterklettern will, durch die Anwendung des Prinzips der „Stimmungskomplexe" sich zu einer physiko-chemischen Maschine degradieren läßt; die Konsequenz der Beweisführung ist löblich, da sie nicht bei den Ameisen und anderen vergleichsweise „niederen Tieren" Halt macht. Nur ist hier die Begriffsverwirrung noch eine etwas größere; denn während der Verfasser einerseits den ganzen Reaktions- vorgang auch beim Affen ohne jedes psychische Element erklären will, so redet er doch andererseits von einer „durch Abstraktion in allgemeine Form gebrachten Stimmungsgruppen- folge"; er vermenschlicht in demselben Atemzuge das Tier, während er es nach dem „Prinzip der Spar- samkeit" mechanisieren will. Jetzt kommt die interessanteste und entscheidenste Episode in der Entwicklung dieser „aller- neuesten Tierpsychologie", nämlich ihre Anwendung auf den Menschen. "Folgen wir auch hier dem Verfasser. Vorerst faßt er die Früchte seiner bisherigen „Beweisführung" kurz zusammen (S. 32 ff.) : „Hiermit stehen wir an der jenseitigen Grenze der Tierpsychologie. Wir sind aus dem Reiche der physiko-chemischen Vorgänge ohne Sprung hineingelangt und haben in dem durchmessenen Gebiete nichts gefunden, was einer physiko-chemischen Auflösung prinzipiell widerstanden hätte. Spontanbewegung, Reizbarkeit und Stimmbarkeit, auf denen die angeborenen Instinkte beruhen, nicht minder die Arten des Lernens aus individueller Erfahrung: „Assoziation" und „Abstraktion" und endlich die „Intelligenz" sind so, wie sie heute verlaufen, mechanistisch deutbar (!). Und da von der einfachsten Form des ') Siehe hierüber 58, 3. Aufl. 5. Kap.: Die allgemeinen Sinnesbilder und das Abstraktionsvermögen. Siehe auch oben S. 89 und 112. — 161 — Verhaltens zur höchsten eine kontinuierliche Stufenfolge emporführt, so braucht auch in der Stammes- geschichte dieser Dinge nirgends ein Seitensprung auf teleologisches Gebiet vorausgesetzt zu werden. Dann leugnen wir nach dem Prinzip der Sparsamkeit, daß an der Kau- salität des tierischen Verhaltens ein „psychischerFaktor" beteiligt se i." Also aus der Tierpsychologie ist der psychische Faktor glücklich beseitigt. Ja noch mehr als das ist erreicht, ohne daß der Verfasser es beabsichtigte : auch alle psychischen Elemente sind aus der Tierpsychologie verschwunden! Denn wenn alle psychischen Erschei- nungen restlos „mechanistisch deutbar'' sind, dann werden sie ja nur fälschlich noch für „psychisch" gehalten; in Wirklichkeit sind sie — rein m echanisc h. Diese Schlußfolgerung sei hiemit klar fest- gestellt; wenn der Verfasser sie einige Seiten später (S. 35) leugnet, so hat er damit eingestanden, daß sein ganzes Beweisverfahren falsch war: qui nimium probat, nihil probat. Bisher war seine Beweisführung durch ihre Konsequenz wenigstens „prinzipiell unwiderstehlich". Sie mußte notwendig zu einer vollständigen „physiko-chemischen Auflösung" der ganzen Tierpsychologie führen; das war bei diesem Beweisverfahren gar nicht anders möglich, weil es durch Einführung neuer physiologischer Worte für alte psychologische Begriffe alles „mechanistisch zu deuten" vermochte. Es wäre wirklich schade gewesen, wenn der Verfasser dieses Beweisverfahren nicht auch auf die menschliche Psychologie angewendet hätte, um es hier zu krönen oder — ad absurdum zu führen. Die ganze bisherige Erörterung, so bemerkt z. Str., bliebe „ein Torso ohne Haupt", wenn sie nicht auch auf den Menschen ausgedehnt würde. Sonst würde ja „die prinzipielle Vereinfachung des Weltbildes" — d. h. die mechanistische Ausschaltung aller „psychischen Faktoren" aus demselben — nicht erreicht. Leider fehlte dem Bedner die Zeit zu dem Versuche, „intelligente Operationen des menschlichen Gehirns als ein Zusammenspiel von physikochemischen Faktoren erschöpfend darzustellen." Aber dessen bedarf •es nach ihm gar nicht. Es genügt die Mo gl i c h k e i t zu beweisen, „daß die dem tierischen Verhalten zu gründe liegenden Mechanismen eine derartig starke Steigerung ihrer Leistungsfähigkeit erfahren konnten, daß die Grenze gegen die menschliche Intelligenz verschwämme"; denn dann verbietet uns das Sparsamkeitsprinzip auch beim Menschen, einen „prinzipiell neuen Geschehensgrund"., d. h. einen psychischen Faktor, anzunehmen. Also nicht auf den Beweis, daß das menschliche Geistesleben restlos durch mechanische Ursachen sich erklären lasse, kommt es hier an, sondern bloß darauf, die Grenze zwischen der sogen, tierischen Intelligenz und der menschlichen verschwimmen zu machen ; alles übrige ergibt sich dann von selber. Dieser Verschwimmungsversueh wird hierauf unternommen (S. 33 ff.). „Die als tierische Intelligenz bezeichnete Auswahl der passendsten Erfahrungen" soll „einer bedeutenden Weiterbildung auf mechanistisch-physio- logischer Basis" zugänglich gewesen sein. Das „intelligente Verfahren" soll dadurch „an Kürze und Einfach- heit" gewonnen haben, daß der „Notlagereiz" die neuen Eindrücke nicht „kunterbunt und scharenweise" zitierte, „sondern von vornherein in einer beschränkten Auswahl relativ passender zu der entscheidenden Konfrontation." Ebenso konnte, um „unmittelbar das Einschnappen des Apparates herbeizuführen", eine Erweiterung der Phantasietätigkeit „vorgesehen werden." So entstand ein „kleines Konsortium aktiv gewordener Erinnerungsbilder, das mit vereinten Kräften den nötigen Verwandtschaftsgrad zur Situation repräsentierte, d. h. den Mechanismus schließen und in die assoziierten Muskelkontraktionen übergehen würde" usw. Das Beweisverfahren ist hier das nämliche, das wir schon früher als unwiderstehlich kennen gelernt haben. Die psychischen Vorgänge werden durch physiologische Ausdrücke umschrieben, und damit sind die ehemaligen psychischen Erscheinungen rein mechanistisch „gedeutet". Eine vergleichend psych o- logische Prüfung des menschlichen Denkens und der sogen, tierischen Intelligenz war bei diesem Ver- fahren von vornherein nicht zu erwarten; daher ist es auch selbstverständlich, daß keine wesentlichen Unterschiede zwischen beiden gefunden werden konnten; davon aber, daß auch die menschlichen Denk- Zoologica. Heft 2G. 21 — 162 — tätigkeiten von physiologischen Vorgängen begleitet sind, hatte man bereits längst Kenntnis. Das eigentümliche der Beweismethode an dieser Stelle besteht nur darin, daß die menschlichen Geistestätigkeiten, mit einem physiologischen Mäntelchen umkleidet, wie Puppen eines Marionettentheaters auf einen bestimmten „Notlagereiz" hin rein mechanisch in Bewegung gesetzt werden; wird an diesem Faden gezogen, so „schnappt der Apparat ein", der ..Mechanismus ist geschlossen" und — die Puppen tanzen! Wenn demnach die Entwicklung des menschlichen Denkens aus den schon beim Tiere vorhandenen Assoziationsvorgängen sich so einfach mechanisch erklären läßt, so ist natürlich auch für die Entstehung der menschlichen Sprache aus der tierischen kein „psychisches Ursachenglied" erforderlich. Desgleichen handelt es sich auch bei allen übrigen psychischen Unterschieden zwischen Tier und Mensch nur um eine „physikochemisch begreifliche Steigerungsmöglichkeit." Hieraus zieht dann z. Str. seinen bedeutungs- vollen Schluß für die menschliche Psychologie (S. 35): „So gilt denn bis zum Beweise des Gegenteils der Satz, daß auch die menschliche Intelligenz keinen psychischen Faktor enthält, und daß sie stammesgeschichtlich durch kontinuierliche Umbildung und Verfeinerung physikochemischer Nervenprozesse entstanden ist." Das ist also d a s E n d e der ,,a 1 1 e r n e u e s t e n Tierpsychologie": In der Ursachen- kette auch der menschlichen Tätigkeiten findet sich kein psychisches Glied: Der Mensch ist also in seiner Handlungsweise eine bloße physikochemische Maschine! „L'homme machine" von de Lamettrie ist hiemit in modernem Gewände wieder auf die Welt gekommen. Der Unter- schied besteht nur darin, daß der Maschinenmensch von 1748 wahrscheinlich noch von Gott geschaffen und gelenkt wurde, während der Maschinenmensch von 1907 auch das nicht mehr nötig hat. Er ist durch rein mechanische Entwicklung aus einer „ewigen Materie" entstanden und lenkt sich auch selber durch die < resetze dieser Materie. Ist das nicht ganz konsequenter Materialismus? Nein, ganz konsequent ist er nicht; denn zum Schlüsse erhebt z. Str. selbst das Bedenken: „Das menschliche Bewußtsein ist aber doch da!" Unsere Denktätigkeiten, ja sogar unsere Sinnesempfindungen sind uns doch tatsächlich bewußt. „Bewußtsein ist aber doch nichts Physik" o c li e m i s c h e s! Scheint es da nicht, als ob die ganze bisherige Anwendung der mechani- stischen Hypothese auf den Menschen eben hierdurch ad absurdum geführt worden wäre?" Es scheint nur so, versichert z. Str.: „Wir haben von einem psychischen Faktor gesprochen. Die U rs a c h e n des Verhaltens, auch des menschlichen, sind für uns ausschließlich physikochemische." Die Existenz des menschlichen Bewußtseins wäre also nur dann „vernichtend für unsere Methodik, wenn es sicher wäre, daß das Bewußtsein auf den Verlauf des Verhaltens u r s ä c h 1 i c h e n E i n f I u ß n i m m t. Davon ist, wie die Erfahreneren wissen (!). keine Bede. Die Mehrzahl der Psychologen leugnet vielmehr die Möglichkeit eines kausalen Zusammenhangs zwischen Bewußtsein und Bewegung. Das Psychische mit seinem wechselnden Gehalt gilt ihnen nur als ein „Parallelvorgang" der das Verhalten allein bestim- menden Nervenprozesse, als ihre „subjektive Seite", als „Zuschauer, der sich in den Gang der Dinge nicht einmischt und nicht mischen kann". „In der Bolle eines wirkungslosen subjektiven Spiegels der physiko- chemischen Nervenprozesse aber fällt das Bewußtsein gänzlich aus dem Bahmen unserer kausalen Unter- suchung und berührt ihre Besultate nicht." — Also der psychophysische Parallelismus soll die neueste Tierpsychologie vor dem Materialismus retten. Wir werden gleich sehen, ob es ihm gelingt oder nicht. Die Beziehung der Bewußtseinsfrage zur Verhaltungslehre ist, wie z. Str. (S. 36) selbst bemerkt, eine enge und reich an Schwierigkeiten. Nehmen wir an, daß das Bewußtsein nur beim Menschen existiere, so kommen wir ..in eine seltsame Situation", wenn wir fragen, war» m es existiert; denn das Bewußtsein ist ja für den Ablauf unserer Hirn- und Nervenprozesse „v o 1 1 k o m m e n u n n ü t z und überflüssig (Ziehen)". Daher läßt sich auch das Auftreten des Bewußtseins beim Menschen stammesgeschicht- lich n i e li t li e g r ü n d e n. Die „Gabe des Psychischen" könnte daher dem Menschen „nur als ein zufälliger Fund in den Schoß gefallen (!). als Folge (?) von anatomischen oder funktionellen — 163 — Verbesserungen seines Nervensystems in die Erscheinung getreten sein." Aber auch hier „verschwimmt", wie z. Str. weiter meint, die Grenze zwischen Mensch und Tier. Es ist gar nicht einzusehen, warum sich das Bewußtsein „gerade beim Menschen den physikochemischen Prozessen des Nervensystems neuerdings beigesellt haben sollte. Also drängt uns das Prinzip der Sparsamkeit (?) zu der Hypothese, daß das Bewußtsein kein menschlicher Spezialbesitz, sondern auch bei Tieren vorhanden s e i." Freilich werde sich diese Hypothese nie beweisen lassen, weil das Bewußtsein eben etwas total Überflüssiges war; auch die Stelle „seines ersten Aufdämmerns in der Stammesgeschichte" müsse unerforschbar bleiben. Legen wir nun einmal die „kritische Sonde" an diese Ausführungen des Verfassers und sehen wir zu, was sich aus denselben für seine „allerneueste Tierpsychologie" ergibt. Das Endresultat ist eine Reihe von unlösbaren Widersprüchen, welche die Unhaltbarkeit jener Theorie beweisen. Die Widersprüche sind zum Teil der Theorie zur Strassens eigentümlich, zum Teil kommen sie auf Rechnung des psychophysischen Parallelismus, der zur Rettung jener Theorie angerufen wurde. Erster Widerspruch. — Der psychophysische Parallelismus leugnet nur die Kausal- beziehung zwischen Physischem und Psychischem, aber er leugnet nicht das Psychische; er will letzteres nur als Faktor, nicht aber als Element aus der tierischen und menschlichen Psychologie eliminieren. Wenn wir jedoch auf die Beweisführung zur Strassens zurückblicken (siehe oben S. 157 — 160), so finden wir, daß er überall bestrebt war, auch das psychische Element aus dem tierischen und menschlichen Verhalten auszuschalten, indem er die früher psychisch genannten Vorgänge völlig mechani- stisch zu deuten suchte: in den Instinkttätigkeiten, in den Assoziations- und Lernprozessen, ja sogar in den menschlichen Denkoperationen sollte nichts sich finden , was nicht rein physikoc h e m i s c h zuginge. Nun sind aber alle „Bewußtseinserscheinungen", die Lust- und Unlustgefühle usw., namentlich aber das Selbstbewußtsein des Menschen, nicht physikochemischer Natur, wie z. Str. am Schlüsse seines Vor träges (S. 35) zugibt; trotzdem sollen diese psychischen Erscheinungen vorhanden sein, nicht bloß beim Menschen, sondern auch bei Tieren! Er führt daher hier die vorher von ihm aus der tierischen und mensch- lichen Psychologie hinausgeworfenen psychischen Elemente durch ein Hinter- pförtchen wieder ein, um sich mit dem psychophysischen Parallelismus zu versöhnen. Zweiter Widerspruch. — Auch in der vorgeblichen stammesgeschichtlichen Entwicklung des tierischen und menschlichen Verhaltens finden wir denselben Widerspruch. Einer- seits will z. Str. dem psychophysischen Parallelismus beistimmen, der das Psychische als vollkommen überflüssig und wirkungslos für die physische Kausalreihe — und umgekehrt — erklärt; damit ist jegliche Begründung einer stammesgeschichtlichen Entwicklung des Psychischen im Anschluß an die physische Entwicklung unmöglich gemacht. Andererseits aber wird (S. 36) dennoch der Versuch unternommen, jenes „vollkommen überflüssige" Auftreten des Psychischen als eine „Folg e" von anatomischen oder funktio- nellen Verbesserungen des Nervensystems" hinzustellen. Wie kann das Auftreten des Psychischen über- haupt auch nur eine nebensächliche Folge von somatischen Veränderungen sein, wenn zwischen beiden gar keine kausale Beziehung besteht? Wie soll speziell die menschliche Intelligenz nach z. Str. 's Annahme (S. 35) „stammesgeschichtlich durch kontinuierliche Umbildung und Verfeinerung physiko-cheinischer Nervenprozesse entstanden" sein, wenn das bewußte Denken in sich selber nichts „physiko-chemisches" ist und auch in keinerlei ursächlichem Zusammenhang mit dem physikochemischen Geschehen steht? Das sind doch offenbare Widersprüche, ja Unmöglichkeiten! Damit aber, daß man das erste Auftreten des Bewußtseins schon in die Tierreihe hinab verlegt, wird weder die Entstehung noch die Entwicklung desselben irgendwie „begreiflicher" gemacht, sondern die stammesgeschichtliche Uner- klärbarkeit dieses Vorganges nur noch erhöht. — Man gebe also entweder offen zu: das Auftreten und die Entwicklung des „Psychischen" in der Tierreihe steht in unlösbarem Widerspruch mit den Prinzipien — 164 — der Selektionstheorie, nach welcher nur nützliche Eigenschaften sich erhalten und weiterentwickeln konn- ten ; oder man gehe das Prinzip des psychophysischen Parallelismus auf, welcher das Psychische für vollkommen unnütz und belanglos für das tierische und menschliche Verhalten ausgibt.1) Übrigens vermögen weder die Selektionstheorie noch der Parallelismus der tatsächlichen Existenz des Psychischen gerecht zu werden. Dritt e r W iderspru c h. — z. Str. leugnet, auf den psychophysischen Parallelismus sich berufend, jegliche ursächliche Beziehung zwischen den Bewußtseins- erscheinungen und den Handlungen des Menschen. Wir fragen demnach : welchen Einfluß hatte das bewußte Fühlen, Denken und Wollen des Redners auf den Vortrag über „Die neuere Tier- psychologie", den er auf der Naturforscherversammlung zu Dresden gehalten und dann auch separat veröffentlicht hat? Gar keinen! Er hat seinen Vortrag abgefaßt, gehalten und drucken lassen ohne irgend eine ursächliche Beteiligung seines Bewußtseins! Es war nur eine Jllusion, wenn die Zuhörer oder Leser glaubten, zur Strassens Theorie der allerneuesten Tierpsychologie sei ein Produkt des vernünftigen Denkens, der bewußten Geistestätigkeit ihres Verfassers; denn sie war in Wirklichkeit bloß ein Produkt verschiedener ,,p h y s i k o c h e m i s c h e r F a k t o r e n" innerhalb und außerhalb seines Gehirns. Ebenso war es eine Illusion, wenn die Zuhörer oder Leser meinten, die Theorie des Verfassers sei ihnen infolge seines Vortrages zum Bewußtsein g e k o m m e n ; denn das gesprochene oder geschriebene Wort konnte in dem Gehirne des Publikums n u r physikochemische Prozesse verursachen; aber zwischen diesen Prozessen und dem bewußten Verständnis des Vortrages fehlte jeder ursächliche Zusammenhang! Dieser dritte Widerspruch ist dem psychophysischen Parallelismus als solchem eigen und von Karl Stumpf 2) und neuerdings wiederum von Ludwig Busse3) nachdrücklich hervorgehoben worden, um die Unhaltbarkeit des Parallelismus nachzuweisen. Wie die „Erfahreneren" wissen,1) gibt es verschiedene Formen des sogenannten metaphysischen Parallelismus; die einen tragen einen dualistischen, die anderen einen monistischen Charakter; in beiden wird entweder nur für die physischen Erscheinungen oder sowohl für die physischen wie für die psychischen eine eigene Kausalreihe angenommen ; aber an dem obigen Widerspruch leiden sie alle, weil sie jede Wechselwirkung zwischen physischer und psychischer Erscheinungsreihe leugnen. Vielleicht wird man mir einwenden, dieser Widerspruch sei doch nur vorhanden bei den dualistischen Fi innen des Parallelismus, nicht alier bei der monistischen Identitätstheorie von Fechner, Spencer usw., welche das tatsächliche Zusammengehen zwischen den physischen und psychischen Erscheinungen dadurch zu erklären sucht, daß sie dieselben nur für zwei Seiten (Erscheinungs- weisen) ein und derselben Realität ausgibt (Zweiseitentheori e).5) Aber indem sie an die Stelle dir Wechselwirkung zweier real verschiedener Erscheinungsreihen die reale Identität beider setzt, beseitigt sie die Schwierigkeiten der Erklärung nicht, sondern erhöht dieselben nur. Wie kann ein und dieselbe Realität zugleich materiell und psychisch sein, je nachdem man sie von „außen" oder von ..i n n e n" b e t r a c h t e t? Ist das nicht ein bloßes Spiel mit Worten, das einen innern Widerspruch zu verdecken sucht? ') Vgl. hiezu auch die vortrefflichen Ausführungen bei Busse, Geist und Körper, S. 244 — 246 über das \ erhältnis des psychophysischen Parallelismus zur Selektionstheorie. — Eigentlich hat auch z. Strassen selbst in seiner Schilderung der Vorteile, die den Tieren aus ihrer Lernfähigkeit usw. erwachsen (z. B. S. 26 ff.), den Parallelismus widerlegt. I >aß er die betreffenden psychischen Fortschritte mit mechanistischen Worten umschreibt, ändert daran nichts. 2) Leib und Seele, 2. Aufl. 1903, S. 19. a) Geist und Körper 1903 S. 247 ff. Siehe auch den ganzen Abschnitt S. 129 — 379. Auch A. B i n e t, l'Ame et le Corps (Paris 1907) S. 221 ff. hat sich gegen den Parallelismus ausgesprochen. 4) Siehe Busse S. 63—118. 5) Zur Kritik derselben siehe Stumpf, S. 15 ff. Ferner J. Bessmer, Gehirn und Seele (Stimmen aus Maria I.aaih, Bd. 66, 1904, Heft i und 5). — 165 — I n der Tat führen alle Formen des monistischen Parallelismus entweder zum extremen Idealis m u s oder zum Materialismus, je nachdem die eine oder die andere der „beiden Seiten'' des „unbekannten wirklichen •/." als die eigentlich reale betrachtet wird, die andere dagegen nur als ihre nebensächliche Erscheinungsform. Zum extremen Idealismus hat sich der monistische Parallelismus bei M ü n s t e r b e r g im Anschluß an die F i c h t e'schen Spekulationen entwickelt; ferner auch bei T h. Ziehen,1) den zur Strassen (S. 26) für sich zitieren möchte. Bei Ziehen hat nur das Psychische erfahrungsmäßige Wirklich- keit, und wir kommen aus dem Bannkreise des Psychischen nicht heraus; etwas Physisches „objektiv" zu erkennen, ist daher für uns unmöglich; damit wird aber der objektive Gehalt aller Naturwissenschaft hinfällig. Und doch sind es gerade Münsterberg und Ziehen, deren Parallelismus Busse2) als „materiali- stische Psychologie-' bezeichnet, weil er nur dem Namen nach parallelistisch, in Wirklichkeit aber materia- listisch sei. W u n d t 3) spricht sogar von einem „psychophysischen Materialismus"' bei den Anhängern der sensualistischen Psychologie, welche die höheren geistigen Vorgänge im Menschen nur als eine Summe von Empfindungen zu erklären versucht. Mit viel größerem Rechte kann man jedenfalls von einer „m ateria listischen Psycho- logie" reden bei jenen Vertretern der Identitätstheorie, bei denen nicht die psychische, sondern die physische „Seite" der Erscheinungen die eigentlich wirkliche ist, und bei denen deshalb das Psychische zu einem bloßen „Epiphänomen" des Physischen wird. Ziehen4) bezeichnet die Identitäts- theorie überhaupt als einen leeren „Scheinmonismus", der den tatsächlichen Dualismus der Erscheinungen nur durch Vergleiche wie „Innen- und Außenseite" ein und desselben „unbekannten x" zu verschleiern suche. Dieser Schleier verhüllt umso dürftiger die darunter steckende materialistische Auffassung, je mehr der reale Charakter der physischen Erscheinungsreihe betont wird, während man dem Psychischen nur die Rolle einer bedeutungslosen „subjektiven Spiegelung" der materiellen Gehirnprozesse zuerkennen will. Diese Form der monistischen Identitätstheorie wird beispielsweise von Aug. Forel5) vertreten, und auch zur Strassen bekennt sich nach dem Wortlaut seiner Äußerungen (S- 35) zu dieser Form des monistischen Parallelismus. Parallelistisch ist diese Auffassung nur insofern, als sie das Psychische für eine „Begleiterscheinung", nicht für eine „Funktion" des Materiellen erklärt; materia- listisch dagegen, insofern sie die materiellen Gehirnprozesse und deren physikochemische Faktoren zu der einzig wirklichen und wirkenden Seite des monistischen x macht. Dieser Standpunkt ist nach Busse (S. 102) „ein halb materialistischer, halb parallelistischer Zwitterstandpunkt, als solcher bei allen denen beliebt, welche, sich innerlich zum Materialismus hingezogen fühlend, zugleich aber etwas erkennt- nistheoretisch angehaucht, einen Standpunkt suchen, der ihnen erlaubt, unter parallelistischer Flagge ihren materialistischen Neigungen unbehindert folgen zu können."6) Die erwähnte Form des monistischen Parallelismus oder der Identitätstheorie ist inhaltlich echt materialistisch; denn sie nimmt nur für die physische Erscheinungsreihe eine ,,K ausalität" an und verlegt daher auch die ganze Realität, die ganze „objektive Wirklichkeit", auf die physische Seite. Die mit der physischen Reihe parallel verlaufende psychische Erscheinungsreihe ist für sie nichts weiter als die ,, wirkungslose subjektive Spiegelung" der mechanischen Gehirnprozesse, die der physischen Erscheinungsreihe angehören. Wie jedoch in einem mechanischen Nervenprozeß die x) Über die allgemeinen Beziehungen zwischen Gehirn und Seelenleben. Leipzig 1902. 2) Geist und Körper, 1903, S. 101. 3) Einleitung in die Philosophie, 1902, S. 369. 4) S. 41 ff. seiner oben zitierten Schrift. s) Gehirn und Seele, 5. und 6. Aufl. Bonn 1899: Die psychischen Fähigkeiten der Ameisen, München 1901. — Zur Kritik vergleiche: Die monistische Identitätstheorie und die vergleichende Psychologie (Biol. Zentralbl. 1903, No. 16 und 17): ferner 58, 3. Aufl. 12. Kap. 6) Ganz ähnlich urteilt auch A. Binet (l'Ame et le Corps, 1907, p. 222) über die innere Verwandtschaft zwischen Parallelismus und Materialismus. Ferner J. Bessmer, Gehirn und Seele, 1904. — 166 — bewußte Erkenntnis: 2X2 = 4 als „Wahrheit" sich „spiegeln" kann, während der sehr ähnliche mechani^ sehe Prozeß, welchem die Erkenntnis: 2X2 = 5 entsprechen würde, als „Falschheit" sich „spiegelt" das bleibt in dieser monistischen Theorie ebenso unbegreiflich und widerspruchsvoll wie in irgend einer dualistischen Form des Parallelismus. Dadurch aber, daß die Identitätstheorie das Physische und Psychische für „eine identische Realität" erklärt und dabei das Psychische nur zu einer bedeutungslosen „Spiegelung", zu einem bloßen „Schatten" des wirklich reellen Physischen herabdrückt, verfällt sie, wie auch Busse in zutreffender Weise gezeigt hat, eben jenem Materialismus, dem sie gerne entgehen möchte. Daß ein und dieselbe Realität, die nach ihrer „objektiven Seite" nichts weiter als ein physikochemischer Pro- zeß ist, trotzdem nach ihrer „subjektiven Seite" zugleich etwas Psychisches sein könne, ist ebenso wider- spruchsvoll und unmöglich wie die materialistische Annahme, daß das Denken selber ein physikochemischer Prozeß, und das Psychische seiner inneren Natur nach etwas Mechanisches sei! Indem jene Iden- titätstheorie dem materiellen Prozeß eine „innere psychische Seite" andichtet, rettet sie nicht die Realität des Psychischen, sondern leugne t sie. Durch diese „Schattentheorie" oder „Spiegelungs- theorie" wird das „Psychische" zu einem leeren Wort, dem der Inhalt fehlt. Aus diesen Erwägungen dürfen wir wohl folgende Schlußergebnisse ziehen : 1. Die „allerneueste Tierpsychologie" zur Strassens vermag sich trotz der Berufung auf den psychophysischen Parallelismus von den Widersprüchen nicht zu befreien, die einer rein mecha- nistischen Erklärung der psychischen Erscheinungen von jeher anhafteten. Dieser neueste Pfad der Tier- psychologie hat sich daher leider als ein Irrpfad erwiesen, der im Materialismus ausläuft. 2. Der Versuch, eine Psychologie ohne „psychische Faktoren" durchzuführen, muß ebenso notwendig scheitern wie der Versuch, eine Psychologie ohne „psychische Elemente" aufzustellen. Beide Versuche enden konsequenterweise in der Leugnung des Psychischen und damit im Ruin der Psychologie; denn ist einmal die Kausalität des Psychischen beseitigt, so ist auch seine Realität überflüssig geworden. Von einer Psychologie als „Wissenschaft" kann dabei zudem schon deshalb keine Rede mehr sein, weil jede Wissenschaft eine „scientia rerum ex causis" ist. 3. Die Unhaltbarkeit des psychophysischen Parallelismus und der monistischen Identitätstheorie zwingt uns dazu, zur Theorie von der psychophysischen Wechselwirkung zurückzukehren, welche allein eine einigermaßen befriedigende Erklärung für die Beziehungen zu geben vermag, welche tatsächlich zwischen den physischen und den psychischen Erscheinungen bestehen. Des Näheren muß ich hiefür auf die Ausführungen von Stumpf1) und Busse2) verweisen. 4. Die Theorie der psycho-physischen Wechselwirkung vermag jedoch nur dann eine vernunftgemäße Erklärung für den tatsächlichen Zusammenhang zwischen Physischem und Psychischem zu bieten, wenn wir zur Annahme eines psychischen Prinzips zurückkehren, das mit dem materiellen Prinzip (dem „Leibe") zu e i n e m T ä t i g k e i t s p r i n z i p verbunden ist. Die Aktualitätstheori e,3) welche die psychischen Akte zu Vorgängen ohne Substrat macht oder von dem Substrat derselben wenigstens ganz absehen will, kann auf Wissenschaftlichkeit keinen Anspruch erheben, weil jede Tätigkeit ein „tätiges Etwas" voraussetzt. Ist dieses „Etwas" bloß das mate- rielle Substrat, das auch den physischen Erscheinungen zugrunde liegt, so sind wir dem Materialismus verfallen, der das Psychische für eine Funktion der Materie hält; ist es aber in sich nichts Materielles, so sind wir eben wieder bei der alten Lehre von der „Seelensubstanz"4) angelangt. ') Seele und Leib, S. 22 ff. ») Geist und Körper, S. 380—474. 3) Vgl. W. H eil p ach, Grenzwissenschaften der Psychologie, 1902, S. 17 ff. 4) Wer sich mit H a e c k e 1 unter „Substanz" nur einen materiellen Träger der Erscheinungen zu denken vermag, kann allerdings die Annahme einer Seelensubstanz dadurch „widerlegen", daß er letztere für ein überflüssiges „Substanzklötzchen" erklärt. Gegen die Notwendigkeit, auch für die psychischen Erscheinungen einen Träger, der zugleich die Wirkursache derselben ist, anzunehmen, wird dadurch jedoch gar nichts bewiesen. — 167 — Unter den verschiedenen Formen dieser Lehre scheint mir aber nur jene annehmbar zu sein, welche Seele und Leib nicht als zwei getrennte Substanzen, sondern als z u einer Wesenseinheit v erbundene Teils u b s t a n z e n b e trachte t. Dadurch wird die dualistische Auffassung mit einem berechtigten Gedanken des Monismus vereinigt. Auch erscheint eine Wechselwirkung zwischen Seele und Leib ohne Störung des Energiegesetzes nur bei dieser Voraussetzung möglich, welche die Seele als das „Lebensprinzip" des Leibes ansieht. Bloß der menschlichen Seele, welche bis zu den höchsten, eigentlich geistigen, Tätigkeiten des begrifflichen Denkens und des selbstbewußten Wollens sich zu erheben vermag, dürfen wir auch eine selbständige Substantialität zuschreiben, nicht aber der Tierseele, welche in allen ihren Tätigkeiten von den materiellen Organen innerlich abhängig ist. Näher auf diese psychologischen Fragen hier einzugehen, ist hier nicht möglich. Ich verweise auf die zutreffenden Ausführungen von J. Bessmer, Gehirn und Seele 1904; ferner auf die Psychologie von D. Mercier (deutsche Übersetzung von Habrich 1907). Die Einwendungen, welche von Dr. Julius- burger in seiner Diskussionsrede vom 18. Febr. 1907 gegen die Annahme einer einfachen, geistigen Seele beim Menschen vorgebracht wurden, sind in meiner Schrift ,,Der Kampf um das Entwicklungsproblem in Berlin" (1907, S. 99 — 105) eingehend widerlegt worden. Auf die Schlußfolgerungen, welche zur Strassen am Ende seines Vortrages (S. 36 ff.) aus seiner „neuesten Tierpsychologie" gegen den Vitalismus und gegen die Annahme „teleologischer F a k t o r e n" (Entelechien und Psychoden von Driesch) gezogen hat, brauche ich hier nicht einzugehen; denn das Fundament dieser Ausführungen, die Eliminierung der „psychischen Faktoren" aus der Psycho- logie, hat sich nicht als haltbar erwiesen. Ein „kausales Problem des Lebens" läßt sich jedenfalls auf psychischem Gebiete ohne psychische Faktoren nicht lösen. Das hat zur Strassens Versuch, eine vergleichende Psychologie ohne dieselben durchzuführen, aufs Neue klar bewiesen. Für dieses Ergebnis seiner Studie sowie für manche wertvolle Einzelausführungen werden ihm sowohl die Psychologen wie die Zoologen dankbar sein müssen. Man wird mir demnach keinen begründeten Vorwurf daraus machen können, daß ich bei einer vorurteilsfreien Vergleichung der psychischen Erscheinungen des Tierlebens mit den Äußerungen des mensch- lichen Geisteslebens zu dem Schlüsse gelangt bin, daß sowohl zwischen den Ameisen und dem Menschen als auch zwischen den höheren Tieren und dem Menschen nicht bloß ein gradueller, sondern ein wesentlicher Unterschied der psychischen Begabung bestehe. Neue Beweise hiefür sind in vorliegender Schrift in dem Abschnitte über die verschiedenen Formen des Lernens erbracht worden. Wenn man es daher als ein „Postulat der Entwicklungstheorie" hinstellen wollte, daß der Mensch sich auch in geistiger Beziehung von selber aus den höheren Tieren entwickelt habe, so kann ich dieses Postulat nicht als berechtigt anerkennen, weil es im Widerspruch mit den biologischen Tatsachen steht. Ähnlich wie das Postulat einer „Urzeugung" für die erste Entstehung der Lebewesen aus der anorganischen Materie, so hat für mich als Naturforscher auch das Postulat einer wesentlichen Gleichheit von Tier und Mensch gar keine Bedeutung, so lange die Bichtigkeit desselben nicht aus den Tatsachen bewiesen w i r d. Wenn man die rückhaltlose Anerkennung derartiger Postulate als ausschlaggebend für den Wert einer naturwissenschaft- lichen Studie betrachten wollte, so würde man die freie Entwicklung der Wissenschaft nur hemmen. Ich hege daher die Überzeugung, welche der hochverdiente Budolf Leuckart als Präsident der deutschen zoologischen Gesellschaft in seiner Eröffnungsrede der ersten Generalversammlung dieser Gesellschaft 1891 ausgesprochen und begründet hat, daß man den Wert einer zoologischen Arbeit nicht einseitig nach ihrem Verhältnisse zur Entwicklungstheorie beurteilen dürfe. Nachtrag. 1. Zum Gesichtssinn v o n Formica rufibarbis. (Zum V. Kap. S. 42; vgl. S. 71, Anm. 1). Schon seit fünf Jahren (seit 1904) beobachtete ich im Juli bei den rafibarbis-Nestern in unserem Garten häufig eine kleine, 2 mm große, parasitische Braconide der Gattung Elasmosoma, die sich von E. bero- linense Ruthe und viennense Gir. durch den in der vorderen Hälfte gelben Hinterleib des $ und durch den dichter und gröber punktierten, völlig glanzlosen Thorax unterscheidet. Ich nenne sie Elasmosoma luxem- burgense; ihre nähere Beschreibung wird in den „Ameisen und Ameisengästen von Luxemburg" (Arch. trimestr. Inst. Grand-Ducal) erfolgen. Wie bereits Giraud an E. berolinense bei F. rufa beobachtet hat, schweben diese parasitischen Wespchen über den Arbeiterinnen der Ameisen, um auf dieselben herabzustoßen. Aus meinen stenographi- schen Tagebuchnotizen gebe ich über das Verhältnis von E. luxemburgense zu F. rujibarbis hier nur die folgende Beobachtung vom 24. Juli 1908 wieder, da sie von besonderer Bedeutung für den Gesichtssinn dieser Ameise ist. Sie wurde von mir und meinem Kollegen K. Frank S. J. gemeinschaftlich angestellt, um die Einzelheiten genauer verfolgen zu können. Mehrere Elasmosoma rüttelten nach Falkenart, nahe über dem Erdboden fliegend, meist nur in einer Höhe von 2 — 3 cm, über den Eingängen des Nestes, in denen die Ameisen in der heißen Mittagssonne aus- und einliefen. Nachdem die übrigen Elasmosoma von uns abgefangen waren, richteten wir unsere Aufmerk- samkeit auf das eine noch übrige Individuum während 20 Minuten. Während dieser Zeit versuchte die .kleine Wespe wenigstens 15 mal auf eine der Arbeiterinnen herabzustoßen; aber nur einmal gelang es ihr, für wenige Sekunden auf dem Hinterleib einer Ameise sich niederzulassen, die ihr Nahen nicht bemerkt hatte; in dieser Pause erfolgte wahrscheinlich die Eiablage zwischen den Dorsalsegmenten des Hinterleibs. In allen übrigen Fällen wurde die kleine Wespe von der Ameise, der sie sich nähern wollte, bemerkt oder von anderen Ameisen verscheucht. Die Wespe suchte stets, von hinten der Ameise b e i z u- k o m me n; deshalb drehte sie sich wiederholt in der Luft, entsprechend den Bewegungen ihres Opfers. Näherte sie sich einer Ameise von vorn, so wurde sie von ihr bereits auf 2 — 3 cm Entfernung mit erhobenem Vorderkörper, geöffneten Kiefern und emporgestreckten Fühlern heftig angefahren und ver- scheucht; mehrmals schoß auch eine £ auf mehrere cm Entfernung von der Seite auf die Wespe los, während diese über einer anderen Ameise schwebte und verscheuchte sie. Offenbar war es der Gesichtssinn der Ameisen, durch den sie die über ihnen schwebende kleine Wespe bemerkten. Deshalb suchte letztere sich stets von hinten der Ameise zu nahen. Daß ihr dies nur ein einzigesmal unbemerkt gelang, kann ich mir nur daraus erklären, daß diese Ameise den Feind nicht gesehen hatte; denn die leise Luftbewegung, die von den Flügeln der schwebenden Wespe ausging, hätte sie auch von hinten fühlen können durch ihre Tastborsten (oder eventuell „hören"). Auch der Geruchssinn der Fühler schien an der Distanzwahrnehmung von Elasmosoma durch die Ameisen nicht beteiligt zu sein; denn diese sprangen nur auf und erhoben die Fühler, wenn der kleine Feind in den Gesichtskreis ihrer Augen trat. — 169 — Da Elasmosoma beim Rütteln über einer Ameise oft für mehrere Sekunden ihren Platz in der Lull nicht wechselte und trotzdem von ihr gesehen wurde, scheint mir aus obiger Beobachtung zu folgen, daß Formica rufibarbis auch relativ unbewegliche kleine Objekte von 2 mm Grüße auf eine Entfernung von etwa 2 oder 2 — 3 cm noch zu sehen vermag. Besonders hartnäckig verfolgen die Elasmosoma jene Ameisen, die mit Beute (toten Insekten) beladen zum Neste zurückkehren, da diese langsamer laufen, dem über ihnen schwebenden Parasiten weniger Aufmerksamkeit schenken und ihn auch nicht, ohne ihre Beute loszulassen, verscheuchen können. 2. Zum Orientierungs- und Mi tteilungs vermögen von Polyergus. Eine typische Sklavenjagd. (Zum IV. Kap. S. 29, und VIII. Kap. S. 79.) Es dürfte von Interesse sein, hier eine typische Expedition einer Amazonenarmee gegen ein Nest von Formica rufibarbis zu schildern. Der Raubzug wurde von der Polyergits-rufibarbis-Kolome No. Y bei Luxemburg am 29. Juli 1908 veranstaltet und von mir und meinem Kollegen K. Frank S. J. gemeinsam beobachtet. Für die psychischen Fähigkeiten, welche Polyergus auf den Sklavenjagden entfaltet, ist diese Beobachtung ein charakteristisches Beispiel. Gegen 41 /4 Uhr nachmittags kamen die Polyergus- ^ ^ aus einer der nach Norden gelegenen Öffnungen des Polyergns-rufibarbis-Nestes Kol. V1) heraus, sich immer zahlreicher ansammelnd und in großer Aufregung im Kreise umherlaufend, wobei sie einander mit den Fühlern auf den Kopf schlugen. Einzelne Polyergus laufen in das Nest zurück, andere in größerer Anzahl stürzen aus demselben hervor. In fünf Minuten war eine Armee von 700 — 800 Amazonen beisammen und breitete sich nördlich vom Nest auf einem Umkreise von einem Meter aus, wobei fortwährend Fühlersignale ausgetauscht wurden. Plötzlich bricht die Armee auf. Die Spitze des Zuges klettert den steilen Abhang oberhalb des Nestes hinauf und zieht auf der darüberliegenden Wiese weiter. Um 4 Uhr 20 Min. war bereits keine Amazone mehr beim Nest zu sehen. In einer Länge von l1 , in und einer Breite von 6 — 8 cm marschiert die Armee geschlossen in ziemlich gerader Linie nach NW., durch die dicht mit Gras bewachsene Wiese. Trotz der Terrainschwierigkeiten legte sie in jeder Minute 2 — 3 m zurück. Ungefähr 12 m vorn Neste entfernt staut sich der Zug, und die Polyergus schwärmen aus, auf einem kleinen Umkreis in die Runde laufend, wobei die äußersten stets wieder in die Mitte der Schar zurückkehren. Nach 3 — 4 Minuten geht der Zug weiter nach NW. 20 m vom Heimatneste entfernt schwärmt die Armee abermals aus, einige Minuten in die Runde laufend, als ob sie ein ru/ibarbis-'Nesi suche; dann geht der Zug rasch weiter nach NW. Hierbei läuft die Armee dicht an einem schwachen rufibarbis-Nest vorüber, das unter einem Stein sich befindet. Ebenso läuft sie in einer Entfernung von einem halben Meter an einem großen, unter einem Steine liegenden rufibarbis-Neate vorbei, ohne das- selbe anzugreifen. Endlich, 30 m von ihrem Neste entfernt, immer wieder nach NW. marschierend, kommt sie an den dicht mit Gebüsch und Gras bewachsenen oberen Rand des Abhanges, auf welchem die Wiese liegt. Sie steigt die steile Böschung hinauf und überfällt dort, am oberen Rande derselben, wo das freie Feld beginnt, eine starke rufibarbis-Kolome, die 35 m vom Po/v^gws-Neste entfernt, im Grase versteckt lag. Der Überfall geschalt mit erstaunlicher Sicherheil und Geschwindigkeit. Nur an dem plötzlichen \ erschwinden der Amazonenarmee und an dem gleichzeitigen Erscheinen von Hunderten fliehender rufibarbis, die mit Larven im Maule in großer Hast auf die Spitze der Gräser stiegen und teilweise auch in entgegengesetzter Richtung vom Neste fortflohen, konnte man die Szene erkennen, die im Nestinnern erfolgt war. Nach zwei Minuten war das Gras auf einem Umkreis von einem Meter mit rufibarbis bedeckt, welche meist Larven, nur selten eine Puppe, im Maule hielten. In demselben Augen- blick kamen auch schon die ersten Amazonen aus dem geplünderten Nest heraus, jede mit einem ') Das Nest war ein Erdnest von rw/iiar&w-Bauart, ca. 3/4 m im Durchmesser und mit wenigstens 12 — 15 offenen Eingängen von meist 1 cm Weite. Zoolofrica. Heft 26. 22 - 170 — Arbeiterkokon oder einer unbedeckten Puppe im Maule, in großer Eile mit ihrer Beute in der Richtung zum Heimatneste nach SO. laufend. Es war ein drolliger Anblick, die roten Ameisen mit den weißen Kokons im Maule den Abhang hinabstürzen zu sehen, während zugleich die rufibarbis, die sich ge- sammelt hatten, die Verfolgung begannen und den Polyergus ihre Beute zu entreißen suchten. Bis auf 2 m von ihrem geplünderten Neste verfolgten die rufibarbis die mit Kokons beladenen Räuber und es gelang ihnen etwa 10 bis 12mal, einer Amazone den Kokon zu entreißen. Einzelne kurze heftige Kämpfe waren zu sehen, die damit endeten, daß die angreifende rufibarbis zurückwich oder daß sie einen Kopfbiß von der Amazone erhielt oder daß die Amazone, die den Kokon verloren hatte, wütend umhersprang, um wieder eine Puppe zu erhaschen. Der ganze Kampf vom Beginn des Überfalls bis zum vollendeten Abmarsch der Polyergus dauerte 8 — 10 Minuten. Die Amazonenarmee lief anfangs, als sie noch von den rufibarbis verfolgt wurde, viel rascher als beim Heranmarsch, in einer etwa i1/., dm breiten und 1 m langen Schar. Dann zog sich die Kette wieder in die Länge, indem die vordersten Polyergus rascher voranliefen als die hintersten; auch letztere waren fast alle mit Kokons oder Puppen beladen. Der Rückmarsch verfolgte denselben Weg wie der Hermarsch, fast geradlinig auf das 35 m entfernte Heimatnest los. Interessant war es, das rote, mit weißen Körnern geschmückte Ameisenband im Grase sich hinschlängeln zu sehen. Um 5 Uhr kam die Spitze der Armee wieder zu Hause an. Der ganze Raubzug hatte 50 Minuten gedauert; der Anmarsch 20 Minuten, der Überfall und die Plünderung 2 — 3 Minuten, die sich daran schließenden Kämpfe 6 — 8 Minuten, der Rückmarsch wieder 20 Minuten. Am Abend vorher (am 28. Juli) war ein starkes Gewitter mit heftigen Regengüssen gewesen, welche alle „Geruchsspuren", die den Amazonen als Wegweiser dienen konnten, zerstört haben mußten. Trotzdem fanden die Polyergus den geraden Weg von ihrem Neste bis zu dem 35 m entfernten Sklaven- ntste. und zwar mitten durch eine dicht bewachsene Wiese. Für das Orientierungsvermögen von Polyergus legt diese Tatsache ein interessantes Zeugnis ab. Desgleichen auch der Umstand, daß die Armee auf dem Rückwege so rasch und sicher geradewegs auf ihr Heimat nest loseilte, obwohl die belasteten Ameisen am Gebrauch ihrer Fühler als Orientierungsorgane gehindert waren. Sie schienen infolge eines instinktiven Richtungsbildes, das in ihrem Gedächtnisse haftete, sich zu orientieren, ähnlich wie ich es oben (S. 33 ff.) für Formica sanguinea besehrieben habe. Anhang I. (1899) Diagnosen neuer myrmekophiler Proctotrypiden. (Zu S. 67 ff. und Taf. III). Solenopsia n. g. Proctotrypidarum (Diapriinorum). ? (S. 67). Generibus Diapria Ltr., Loxotropa et Glyptonota Forst, affinis, sed differt: alarum privatione; mesonoto basi transversim sulcato instar foveae semilunaris; epinoto stylum biarticulatum abdominis formante ; antennis (in ? ) 11 - a r t i c u 1 a t i s, fractis, art. 1° scapiformi, 10° et 11° clavam longam, crassam, biarticulatam formantibus (ut in Solcnopsi £): pedes 5-articulati, art. 1° longiore. Solenopsia imitatrix n. sp. (Taf. III. Fig. 1, 1 a, b.) Caput subglobosum, vix transversum, laeve, ocellis tribus frontalibus instructum; palpi ceteraeque oris partes mento omnino obtectae; oculi mediocres, haud prominentes. Antennarum art. lus crassus, capitis longitudine; art. 2US angulum rectum cum scapo formans, latitudine fere duplo longior; 3US oblongo- quadratus, 4 — 9 breves, paullo transversi; art. 10us et ll1" valde elongati et incrassati instar clavae longae. Caput collo perbrevi thoraci conjunctum. Pronotum brevissimum, instar marginis angusti mesonotum antice circumdans. Mesonotum longum et latum, semicireulare, basi loco scutelli semilunariter excisa et transversim foveoleta. Epinotum mesonoto multo angustius, prope basin paullo constrictum, dein paullo elevatum et secundo fortius constrictum, dein latius altiusque instar nodi transversalis elevatum et ad basim abdominis tertio constrictum, ita ut petiolus abdominis biarticulatus formetur. Meso- et metanotum utrimque radicibus alarum dentiformibus instructa, mesonotum insuper alarum rudimentis minimis (vix 0,1 mm longis) instructum. Abdominis angulis anticis rectis; segm. 2um longissimum, ceteris unitis triplo longius. Terebra paullo prominens. Pedes femoribus subclavatis, tibiis apicem versus dilatatis, anticis apice calcaratis; tarsi 5-articulati, lati, art. 1° longiore, sequentibus duobus vel tribus unitis aequali; 2 — 4 breves, 5US paullo dilatatus, biunguiculatus. Corporis sculptura laevis, nitida, praeter stylum abdominis. Color niger, praeter abdominis stylum et basim brunneam, antennas pedesque testaceos. Corpus pilis albis erectis sat dense vestitum, antennae pedesque densius breviusque albopilosi. Long. 1,75 mm. — Hollandia, Gallia. in nidis Solenopseos fugacis Ltr. In einer anderen Solenopsis-Kolonie bei Exaten (Holl. Limburg), welche ein zusammengesetztes Nest mit der sangninea- Kolonie No. 223 bildete, fand ich im Mai 1898 eine mit der eben beschriebenen sehr ähnliche Proctotrypide, die ich für das J derselben Art zu halten geneigt war. (Als solches wurde sie in der — 172 — I. Aufl. S. 127 beschrieben). J. J. K ie f f e r stellte jedoch fest, daß es sich um ein ? einer Art aus der Gattung Loxotropa Forst, handelt, die er als Loxotropa longiceps beschreiben wird in: „Nouveaux Diapri- ides et Belytides d'Europe" (Ann. Soc. Scient. Bruxelles 1908). Ebendort beschreibt er auch das stimmt mit Glyptonota Forst, überein, aber die Flügelbildung ist eine andere, nicht den Spilomicrini, sondern den Diapriini entsprechend. Unter den letzteren hat Tetramopria am meisten Ähnlichkeit mit Tropidopria Ashm., mit welcher sie in der Fühler- gliederzahl und in der wolligen Behaarung des Halses und des Hinterleibsstieles (abgesehen von der Farbe des Haartomentes) übereinstimmt. Die Hinterleibsbildung ist jedoch eine ganz andere, nicht spitz kegel- förmig wie bei Tropidopria, sondern kurz oval und mit deutlich vorragendem Legestachel. Die Beine sind ebenfalls anders gebildet, indem dieTarsen bei Tropidopria kürzer als die Schienen, bei Tetramopria dagegen länger als diese sind. Der Kopf ist bei Tropidopria seitlich und hinten gerundet, bei Tetramopria fünfeckig. Tetramopria aurocineta n. sp. (Taf. III. Fig. 4, a — e). Nigra praeter antennas pedesque pieeos. Nitida praeter epinotum dense scabrum (ut in Tetra- morio Q ). Corpus pilis erectis longioribus dispersis vestitum, antennae pedesque pubescentes, alae dense — 173 — pilosae. Collare aureovillosum in margine postico capitis et antico prothoracis. Abdominis Stylus partim albo-, partim flavovillosus. Long. 1,8 — 2 mm. Anten nae J: 14-articulatae, art. lus capitis longitudine, crassus, angulum rectum cum flagello moniliformi formans; 2US angustior, cylindricus, latitudine dimidio longior; 3US fere duplo longior 2°, elongato- conicus, latitudine plus duplo longior; 4"s paullo brevior 3°, curvatus et apice incrassatus; 5US parvus. quadratus, 6 — 14 globosi, inter se soluti, latitudine apicem versus sensim vix crescentes (clavam nullam formantes). Antennae ?: 12-articulatae, flagelli apice clavam 4-articulatam formante; art. lus ut in J : 2US cylindricus, latitudine dimidio longior, crassior sequentibus; 3US elongato-conicus, latitudine duplo longior, 4US et 5US breviter conici, sequentes subglobosi. Bohemia, Rhenania, Hollandia. in nidis Tetra- morii caespitum L. Tetramopria cincticollis n. sp. Differt a praecedenti flagelli clava in ? 5-articulata, et scutello minus acute carinato. J latet. Long. 2 mm. — Bohemia et Hollandia, in nidis Tetramorii caespitum L. Ich füge hier noch die Beschreibung dreier gesetzmäßig myrmekophiler neuer Tropidopria-Arten an. Dieselben sind mit Tropidopria („Diapria") carinata Thoms. verwandt, aber viel kleiner und mit nicht plattgedrücktem und abgestumpftem, sondern konischem, zugespitztem Hinterleib. Die gemeinschaftlichen Merkmale der 3 neuen Arten sind : A n t e n n a e in ? 12-articulatae, clava lata, 3-articulata; in . Genae, collare, petiolus albovillosi. 1. Tropidopria fuliginosa n. sp. ?. Nigra, nitidissima, pedibus rufis, femoribus infuscatis, antennis piceis, clava nigra. Antennae art. 1° capitis longitudine, 2° cyündrico, dimidio longiore et latiore quam 3°, 3° — 8um conicis, sensim brevi- oribus; 10° et 11° quadratis, 10° paulo breviore et angustiore quam 11°, 12° breviter conico. Long. 1,8 — 2,2 mm. ö*. Antennae corpore paullo breviores; art. lua capite brevior. 2US breviter conicus, latitudine vix longior, 3U9 et 4"s elongati. latitudine quadruplo longiores; 3US cylindricus, 4US paullo curvatus, apice incrassatus; 5 — 13 sensim breviores, oblongo-conici, basi omnes constricti; 14us apice acuminato. Color ut in ? . Long. 1,8 — 2 mm. In nidis Lasii fuliginosi Ltr. tempore aestivo frequens (Exaten in Hollandia); etiam quandoque in nidis Formicae rufae L. (Luxemburg et in Gallia). 2. Tropidopria longicornis n. sp. Praecedenti simillima; sed differt: ?. Colore antennarum praeter clavam nigram testaceo, pedibus tnti> testaceis. Antennarum art 2° duplo longiore et crassiore quam 3°, art. 4 — 9 brevioribus quam in T. fuliginosa, clava longiore et multo crassiore quam in illa, art. 10° globoso, 11° quadrato, duplo latiore et longiore quam 10°, 12° conico, longiore quam 11°. Long. 1,8 — 2 mm. (/. Antennae corpore toto distincte longiores, tenuiores quam in T. fuliginosa, art. 4° neque curvato neque apice incrassato. Pedes pallide testacei; antennarum art. 1° et 2" totis, sequentium (usque ad 7um) basi testaceis. Long. 1,6 mm. — 174 — In nidis Lasii brunnei Ltr. frequens (Lainz prope Viennam in Austria). 3. Tropidopria formicaria n. sp. ?. Tr. fuliginosae simillima, sed differt clava antennarum angustiore et longiore, art. 10° et 11" oblongo-quadratis, inter se subaequalibus. Pedes testacei, femoribus infuscatis; antennae brunneae praeter clavam nigram. Long. 1,8 — 2,3 mm. J . Tr. fuliginosae similis, sed differt antennis paullo longioribus, corpori aequalibus, art. 4° vel simplici vel subcurvato et apice subdentato, denique antennis nigris praeter basim art. I1 et totum artic. 2um testaceos. Pedes testacei, femoribus infuscatis. Long. 2 mm. In nidis Formicae rufae L. frequens in Hollandia (Exaten), Vorarlbergia (Feldkirch, Lech), Hel- vetia (Davos). Eine Reihe anderer myrmekophiler Proctotrypiden meiner Sammlung ist seither von Professor J. J. K i e f f e r beschrieben worden. Siehe besonders folgende Arbeiten Kieffers: Nouveaux Proctotrypides myrmecophiles (Bull. Soc. Hist. Nat. Metz, 23. Heft, 1904); Über neue myrmekophile Hymenopteren (Berl. Ent. Ztschr. L, 1905). Anhang IL (1908) Beschreibung neuer myrmekophiler Staphyliniden. (Hiezu Tafel IV und V). Allodinarda n. gen. Aleocharinorum (Dinardinar um). (Taf. IV. Fig. 2, a— c.) (Zu S. 46, Anm. 1.) Forma corporis Dinardae simillima, sed differt : ligida breviore. profunde biloba, lobis angustis, apice obtusis; antennis longioribus, haud fusif ormibus ; thorace aequaliter convexo, lateribus haud impressis neque elevatis; elytris aequaliter convexis, margine laterali haud carinato neque elevato, tarsis denique anticis 4-(haud 5-) articulatis. Die neue Gattung steht im Habitus sehr nahe der paläarktischen Gattung Dinarda Leach, unter- scheidet sich von ihr jedoch durch die sanft gewölbten, weder eingedrückten noch aufgebogenen Halsschild- seiten, durch die einfach gewölbton. weder abgesetzten noch gekielten Seitenränder der Flügeldecken, durch die längeren Fühler, die ganz verschiedene Zungenbildung und die 4-gliedrigen Vordertarsen. Die Zunge (Taf. IV. Fig. 2b. 1) ist von der Basis an zweilappig, die beiden Lappen weit voneinander abstehend, schmal, aber an der Spitze gerundet; Dinarda dagegen hat eine schmal lanzettförmige Zunge, die erst an der Spitze gespalten ist (Taf. IV. Fig. 3, 1). Unterkiefer und Kiefertaster sind schlanker als bei Dinarda (vgl. Fig. 2 b und 3). Die Zungenbildung von Allodinarda steht in der Mitte zwischen Dinarda und Myrmedonia, und nähert sich mehr der letzteren Gattung. Ebenso auch die Fühlerbildung; die Fühler (Taf. IV. Fig. 2 a) sind bei Allodinarda viel länger als bei Dinarda und nicht spindelförmig ge- geschlossen, obwohl sie gegen die Spitze deutlich verdickt sind. Die breite, flache, hinten zugespitzte Körper form gleicht sehr jener von Dinarda, ist aber am Vorderkörper weniger flachgedrückt. Der K o p f ist stärker gewölbt als bei Dinarda, mit größeren Augen. Die Fühler sind wie bei Dinarda u n t e r d e in vortretenden Seitenrand der Stirn eingefügt (nicht auf der Stirn). I >as breite H a 1 s s c h i 1 d, dessen Hinterecken wie bei Dinarda scharf vorspringen, ist gleichmäßig sanft gewölbt, nicht seitlich eingedrückt und aufgebogen wie bei Dinarda (Taf. V. Fig. 1, D). Die Flügeldecken sind ebenfalls gleichmäßig gewölbt, ihr Seitenrand weder abgesetzt noch gekielt wie bei Dinarda, sondern einfach gewölbt. Auch sind die Außenecken der Flügeldeckenspitze weniger weit und weniger spitz vorgezogen als bei Dinarda. Der Hinterleib ist wie bei Dinarda gebildet, von der Basis zur Spitze gleichmäßig stark verengt, ziemlich flach mit aufgebogenen, breiten Seitenrändern; die drei ersten sichtbaren Dorsalsegmente haben an der Basis eine eingedrückte Linie. Die körnige Skulptur — 176 — des Vorderkörpers gleicht ebenfalls Dinarda; der Hinterleib ist jedoch viel schwächer skulpiert, fast glatt. Die Vordertarsen (Taf. IV. Fig. 2 c) sind nur 4-gliedrig, nicht 5-gliedrig wie bei Dinarda (Fig. 3 a). Durch die Zungen- und Tarsenbildung und die anderen erwähnten Unterschiede ist Allodinarda von Dinarda sicher gen e risc h verschieden, so ähnlich sie auch auf den ersten Blick einer Dinarda Märkcli sieht. Die einzige bisher aus dem äthiopischen Faunengebiet bekannte Dinarda, D. clavigera Fauv. (Rev. d'Entomol. 1899 p. 33), die von Raffray in Abessinien entdeckt wurde (ohne Angabe des Wirtes), ist nach Fauvels Beschreibung eine echte Dinarda, keine Allodinarda. Allodinarda Kohli n. sp. (Tal. IV. Fig. 2 a— c). Rufopicea, abdomine piceo praeter apicem et segmentorum margines, corpore anteriore dense rauceque punctato et dense breviterque flavopubescente, subopaco; abdomine nitido, vix subtilissime punctato, margine flavosetoso; alata. Caput transversum, convexum, fronte inter antennarum basin rotundato-producto; oculis magnis, convexis. Anten nae sub margine producto frontis insertae, flavo- pubeseentes, elytrorum medium fere attingentes, apicem versus incrassatae; art. 1° brevi, clavato; 2° vix breviore 1°, conico, latitudine duplo longiore; 3° paullo longiore 2°; art. 4° — 10umsensim brevioribus et crassi- oribus, 6 — 10 quadratis; 11° ovato, apice obtuso, duobus praecedentibus longitudine fere aequali. Pro- t h 1 1 r a x magnus, longitudine dimidio latior, antice emarginatus et capitis marginem posteriorem amplectens, angulis anticis obtusis et paullo depressis, aequaliter convexus, lateribus vel usque ad medium vel usque ad basim dilatatis, angulis posticis acute vel subrecte prominentibus, margine postico utrimque sinuato, in medio late producto. Scutellum breve, subtriangulare. E 1 y t r a thoracis longitudine, thoracis basi haud latiora, aequaliter convexa, margine postico ante angulos externos subito exciso, angulis obtuse productis. Abdomen nitidum, basi praesertim depressum et planum, vix subtilissime punctatum, apice magis convexum, omnino politum; margine reflexo subopaco, dense rauceque punctato, flavopubescente et flavosetoso; apice densius flavosetoso. Pedes tenues flavopubescentes, tarsi cornei, antici 4-, medii et postici 5-articulati, posteriorum art. 1° elongato; ungues simplices. Long. corp. 3—5 mm; lat. elytror. 1,3 — 2 mm. Die größeren Exemplare haben etwas schlankere Fühler (Glied 4 und 5 deutlich länger als breit, 9 und 10 nicht quer). Auch sind bei ihnen die Seiten des Halsschildes von den Vorderecken nur bis zur Mitte bogenförmig erweitert, von da ab parallel oder schwach ausgebuchtet; die Hinterecken sind daher last rechtwincklig nach hinten vorgezogen oder treten auch seitlich etwas spitz vor. Bei den kleine r e n Exemplaren sind die Fühler etwas gedrungener (Glied 4 und 5 fast quadratisch, 9 und 10 schwach quer). Das Halsschikl ist bei ihnen von den Vorderecken bis zu den Hinterecken in e i n e m Bogen erweitert, die Hinterecken daher spitzer nach hinten vortretend. Zwischen beiden Formen sind Übergänge vorhanden; es scheint sich also nur um individuelle Variationen zu handeln. Äußere Geschlechtsunterschiede konnte ich nicht finden. Diese sehr interessante Art lag in Mehrzahl vor. Sie wurde von P. H. Kohl C. SS. C. bei Myrmicaria eumenoid.es Gerst. gefangen, als die Ameisen von einem Neste zum anderen umzogen. (Missionstation Rome bei Stanleyville am oberen Kongo 1904.) Die Allodinarda, ferner kleine Aleocharinen, Pselaphiden, Seyd- maeniden und Endomychiden (die später beschrieben werden sollen), liefen mit den Ameisen, während ein großer Pausside (Pleuropterus Dohrni Rits.) von denselben an den Fühlern mitgeführt wurde (Siehe auch 159). Die Färbung von Allodinarda Kohli gleicht jener der Wirte, die rotbraun mit schwärzlichem Hinterleib sind. Es scheint also zwischen ihr und den Myrmicaria eine Färbungsähnlichkeit zu bestehen, die jener zwischen Dinarda und Formten entspricht (siehe oben S. 46, Anm. 1). Die Netzaugen von Myrmicaria eumenoides sind groß, halbkugelförmig gew-ölbt, mit über 200 Fazetten. Durch die Entdeckung dieser neuen Gattung in Zentralafrika ist die Frage nach der Stammes- g e s c h i c h t e de r Dinardini in ein neues Stadium getreten. Der gesamte „Habitus" vor, Allodinarda. ihre Körperform und Skulptur, die Stirnbildung usw. stellen sie zunächst der Gattung Dinarda. Der einfache — 177 — ungekielte Seitenrand der Flügeldecken trennt sie jedoch von den Dinardini; ebenso auch die Zungenbildung und die 4-gliedrigen Vordertarsen ; ihr ganzer „Trutztypus" ist ferner minder hoch entwickelt. Wir stellen daher vor der schwierigen Frage : B e r u h t die Ähnlichkeit zwischen Allodinarda und Dinarda auf unmittelbarer Stammesverwandts c h a f t oder auf bloßer Konver- genz infolge ahnlicher Anpassungsrichtungen? Bilden die fünf Gattungen der Dinardini (Dinarda Leacb, Chitosa Gas., Allodinarda Wasm., Fauvelia Wasm. und Myrmigaster Sharp.) eine stammesgeschichtlich ein- heitliche „natürliche" Gruppe oder nicht? Im ersteren Falle müßten wir annehmen, daß Allodinarda der Stammform der Dinardini näher steht als die übrigen Gattungen, und daß sie vielleicht — nach ihrer Zungen- und Tarsenbildung — von den Myrwc- doniini sich abgezweigt hat. Der Ursprung der Dinardini wäre, falls Allodinarda der Stammform dieser Gruppe zunächst steht, in das zentrale Afrika zu verlegen und die Entwicklung von Dinarda in der palä- arktischen Begion würde auf die Einwanderung ihrer Vorfahren von Süden her zurückzuführen sein. Die abessinische Dinarda clavigera würde für diese Annahme sprechen. Dann müßte, so scheint es,1) die früher (118 S. 708) von mir aufgestellte Hypothese, daß die Gattung Dinarda paläarktischen Ursprungs sei, aufgegeben werden. Der phylogenetische Zusammenhang der am Amazonas und in Bolivia lebenden Gattungen Fauvelia und Myrmigaster mit den altweltlichen Dinardini wäre ferner durch die Einwanderung einer von Allodinarda herstammenden Form aus Mittelafrika nach dem nördlichen Südamerika auf einem ehemaligen Landwege (Süd-Atlantis) zu erklären. Wenn wir dagegen annehmen, daß die Ähnlichkeit zwischen Allodinarda und Dinarda auf bloßer K o n v e r g e n z, d. h. a u f ä h n 1 i c h e n A n p a s s u n g s b e d i n g u n g e n, beruht, begegnen wir diesen Schwierigkeiten nicht. Dementsprechend wären auch die Gattungen Fauvelia und Myrmigaster im nördlichen Südamerika als eine selbständige Gruppe zu betrachten, die aus einer neotropischen Aleocharinenform durch Ausbildung des Trutztypus entstand. Ihre Ähnlichkeit mit Dinarda und Allodinarda wäre dann ebenfalls als bloße „Konvergenz" anzusehen. Welche dieser beiden Annahmen zutrifft, läßt sich zur Zeit kaum sicher entscheiden. Für eine gemeinschaftliche Abstammung der fünf Gattungen der Dinardini spricht jedenfalls ihre auffallende habituelle Ähnlichkeit. Speziell für den Zusammenhang von Dinarda mit Allodinarda fällt die Tatsache schwer ins Gewicht, daß die Gattung Dinarda in ganz Nordamerika fehlt, obwohl die Gattung Formica daselbst ebenso zu Hause ist wie auf der nördlichen Halbkugel der alten Welt (Siehe 118 S. 708); wenn die Vorfahren von Dinarda aus Afrika eingewandert sind, ist diese Erscheinung leicht erklärlich. Vielleicht brauchen wir nicht einmal eine „Einwanderung" hiefür anzunehmen; denn im Oligozän lebten auch manche, gegenwärtig auf die Tropen beschränkte Ameisengattungen in Nordeuropa.2) Die Stammform der Dinardini könnte damals schon entstanden sein durch Anpassung an eine mit Myrmicaria verwandte Gattung. Als dann am Ende der Tertiärzeit das kältere Klima viele Ameisengattungen nach dem Süden zurückdrängte, kann die Gattung Dinarda durch Anpassung an die nordische Gattung Formica aus einer mit Allodinarda ähnlichen Stammform sich gebildet haben, während letztere mit ihren Wirten nur noch im Süden sich zu erhalten vermochte. So ließe der paläarktische Ursprung der Gattung Dinarda, für welchen ihr Fehlen in Nordamerika spricht, sich mit ihrer Stammesverwandtschaft mit Allodinarda in Einklang bringen. Andererseits ist jedoch auch nicht zu verkennen, daß die Verschiedenheiten, die in Tarsen- und Zungenbildung zwischen Allodinarda und Dinarda bestehen, die Erklärung ihrer Ähnlichkeit durch K o n- v e r g e n z nahe legen. Allerdings scheint mir diese Deutung hier weit weniger wahrscheinlich als bei den Dorylinengästen, wo wir viel zweifellosere Konvergenzerscheinungen zwischen den Vertretern derselben biologisch-morphologischen Typen in der alten und in der neuen Welt finden (114, 130, 138; 1) Daß der paläarktische Ursprung der Gattung Dinarda trotzdem aufrecht erhalten werden kann, wird unten gezeigt werden. 2) Vgl. G. Mayr, Die Ameisen des baltischen Bernsteins, Königsberg 1868. Zoologica. Heft 26. 23 — 178 - siehe auch oben S. 57). Die beiden paläarktischen Gattungen Dinarda und Chitosa sind jedenfalls als direkti Stammesverwandte zu betrachten (118, 154, 157). Myrmechusa M n. gen. Aleocharinorum (Myrmedoniinorum). (Taf. V. Fig. 2.) (Zu S. 48, Anm. 2). Genus inter Myrmedoniam Er. et Lomechusam Grav. intermedium. Forma corporis, praesertim thoracis et abdominis, Lomechusae appropinquans, antennarum et pedum forma Myrmedoniae. Corporis forma lata, caput transversuni. Prothorax latissimus, excavatus, lateribus reflexis haud incrassatis. Elytra lata, apice vix emarginata. Abdomen latum, margine lato reflexo et rotundato, haud flavofasciculato. 'Antennae longae, filiformes. Pedes longi, tenues, tarsi antici 4-, medii et postici 5-arti- culati, horum articulo primo elongato. Labrum latum, valde transversum, in medio vix excisum; mandi- bulae validae, crassae; palpi maxillares quadriarticulati, elongati, art. 3° perlongo, 4° minimo, subulato; ligula anguste biloba et palpi labiales triarticulati Myrmedoniae similes.2) Die neue Gattung verbindet die Myrmedoniini (sensu stricto) mit den Lomechusini (Taf. IV. Fig. 1 und V. Fig. 1). Das ausgehöhlte Halsschild und die Form des Hinterleibes entspricht der letzteren Gruppe, aber gelbe Haarbüschel fehlen. Die sehr schlanken Fühler und Beine erinnern an die amerikanische Gattung Xcnodusa VVasm. Die kräftigen Oberkiefer und die sehr langen Kiefertaster gleichen manchen Myrmedonien. Die Zunge ist kurz zweilappig, die Lappen sind stumpf kegelförmig, viel schmaler als bei Lomechusa, Atemeies und Xenodusa. Myrmechusa mirabilis n. sp. (Myrmedonia mirdbilis Eppelsh. i. 1.). (Taf. V. Fig. 2). Nigropicea, nitida, thoracis marginibus et praesertim lateribus fulvis, elytris et abdominis marginibus castaneis, antennis pedibusque rufopiceis; breviter flavopubescens (praesertim in elytris), longe nigrosetosa in corporis totius margine, praesertim thoracis et abdominis. Caput ore producto, transversum, fronte convexa, subtiliter punctatum, oculis magnis prominentibus. Antennae filiformes, dimidio corpore longiores, articulis omnibus elongatis, basi (art. 1° et 2°) nigrosetosae ; articul. lus anguste cylindricus, 2US angustior et duplo brevior 1°, 3US longitudine V , 4US dimidio brevior 3°, 4US — 10um longitudine inter se subaequales, ll"s duplo longior 10°. Prothorax capite fere duplo latior, semilunaris, longitudine duplo latior, margine antico emarginato, angulis anticis rotundatis, lateribus cum angulis posticis omnino rotundatis (elliptisch in einem Bogen gerundet), lateribus late excavatis et reflexis, disco convexo, subtiliter parce punetatus, parce flavosetosus, lateribus longe nigrosetosis. Elytra thorace triente longiora et apicem versus paullo latiora, aequaliter convexa. fortius punctata et densius flavosetosa, margine laterali parce nigrosetoso. Abdomen latum, disco piano, lateribus late reflexis et rotundatis. subtilissime alutaceum, vix punctatum, segmentorum marginibus posticis flavosetosis, margine laterali insuper nigrosetoso, praesertim apicem versus; segmentum penultimum dorsale in angulis posticis dente acuto, curvato instruetum. Pedes longi. tenues, flavosetosi; femora etiam parce nigrosetosa; tibiae posticae paullo curvatae: tarsi tenues, tibiis paullo tantinn breviores. Long, corporis (abdomine contractu!) 7 mm, lat. 3 mm. Long, antennae 5 mm. o* (?) Segmento penultimo dorsali in medio late impresso, lateribus subcarinatis. Das einzige Exemplar wurde von A n t i n o r i am 3. Febr. 1879 in der abessinischen Provinz Schoa im Littoral von Marafia gefangen; Angabe der Wirtsameise fehlt. Es befindet sich im Museo Civico d. Stör. ') Diese neue Gattung wurde von mir bereits vorgeschlagen in 157, (Biologie und Entwicklungstheorie, 3. Aufl.) S. 343. Anm. 1. Knie mikroskopische Präparation der Mundteile war an der auf Karton aufgeklebten Type nicht möglich, ich konnte sie nur in toto mii Zeiss Objectiv AA untersuchen. — 179 — nat. von Genua und wurde von Eppelsheim vor vielen Jahren als „Myrmedonia mirabilis" benannt, aber nicht beschrieben. Dr. R. G e s t r o hatte die Güte, das Tier mir zur Beschreibung zuzusenden samt einer kleinen, vorzüglich kolorierten Abbildung von d'Apreval (1881). Letztere zeigt jedoch die Körperform etwas zu schlank und die Flügeldecken relativ zu kurz. Ich zog es daher vor, die Typ'' zu photographieren und auf Grund der Umrisse der Photographie die beifolgende Zeichnung auszuführen (Taf. V. Fig. 2). Das Exemplar zeigt einen etwas eingezogenen, geschrumpften Hinterleib, den ich in der Zeichnung beibehalten mußte; die natürliche Stellung des Hinterleibes ist eine aufgewölbte (aufgerollte), ähnlich wie bei Lomechusa (Taf. V. Fig. 1) und Atemeies (Taf. IV. Fig. 1). Myrmechusa mirabilis steht in der Mitte zwischen Myrmedonia und Lomechusa. Die Zungenbildung i-t viel ähnlicher der ersteren Gattung. Die Seiten des ausgehöhlten Halsschildes sind nicht verdickt und erinnern deshalb mehr an Atemeies und Xenodusa als an Lomechusa. Die Fühler sind so dünn und schlank wie bei Xenodusa cava Lee. Am Hinterleib, dessen Form weit mehr Lomechusa als Myrmedonia gleicht. f e h 1 e n gelbe Haarbüschel. Außer den gelben anliegenden Börstchen, welche auf der ganzen Oberseite spärlich, nur auf den Flügeldecken dicht stehen, trägt die Fühlerbasis und der ganze Seitenrand des Körpers sowie die Schenkel lange schwarze B o r s t e n, die an den Halsschildseiten und an der Hinterleibs- spitze am zahlreichsten sind. Der Zahn an den Außenecken des vorletzten Dorsalsegments ist scharfspitzig, etwas nach unten gebogen. Nach dem Fehlen gelber Haarbüschel zu urteilen, steht Myrmechusa auf einer tieferen Stufe des echten Gastverhältnisses als die Lomechusini, obwohl das ausgehöhlte Halsschild, das auch bei anderen Symphilen sich findet (Pleuropterus, Lomechon etc.), und die Form des Hinterleibes auf Symphilie hinweist. Die Körperfärbung erinnert nur in den breit gelbroten Halsschildseiten an die rotbraune Syniphilenfärbung der Lomechusini; im übrigen ist sie viel dunkler. Auch die Zungenbildung scheint nur auf eine niedere Stufe des echten Gastverhältnisses hinzudeuten. Hoffentlich gelingt es. später auch den Wirt dieses interessanten Gastes zu entdecken. Die Mittelstellung, welche Myrmechusa zwischen den Myrmedoniini s. str. und den Lomechusini einnimmt, legt die Annahme nahe, daß letztere von ersteren stammesgeschichtlich abzuleiten sind; der Eindruck, den diese Gattung macht, ist ganz der einer , , Übergangsform'" zwischen Myrmedonia und Lome- chusa. Da jedoch die Lomechusini auf die nördliche Halbkugel der alten und der neuen Welt beschränkt sind — auf das Verbreitungsgebiet der Gattung Formica — und wahrscheinlich durch Anpassung an das echte Gastverhältnis bei Formica ursprünglich entstanden sind (siehe 149 S. 3, 154 S. 46 (568), 157 S. 338), könnte es zweifelhaft erscheinen, ob Myrmechusa wirklich direkt stammesverwandt mit den Lomechusini ist. oder ob sie bloß eine analoge Anpassungsform darstellt, die auf einer niedrigen Stufe des echten Gastverhältnisses stehen blieb. Nach Paul Born leben übrigens in Abessinien, wo Myrmechusa vorkommt, noch Zwischenformen zwischen den Carabidengattungen Calosoma und Carabus; es wäre daher möglich, daß in jenem Gebiete auch unter den Staphyliniden eine altertümliche Stammform der Lomechusini seit der Tertiärzeit sich erhalten haben könnte. Die Frage, ob die auffallende morphologische Verwandt- schaft zwischen Myrmechusa und den Lomechusini auf Descendenz oder bloß auf Konvergenz beruht, kann zur Zeit noch nicht sicher entschieden werden: doch ist ersteres wahrscheinlicher. Ecitoxenidia n. gen. Aleocharinorum. (Siehe oben S. 54). Ch.Th. Brues beschrieb 1902 (TwonewTexanAnt- and Termite Guests,Entomological News, Juni liK 12. p. 184 ff. und Taf. IX. Fig. 1) eine neue Gastart von Eciton Schmiüi als Ecitoxenia brevipes. Auch sandte er mir gütigst 2 Exemplare dieser Art zu. Sie muß als Typus einer neue n, mit Ecitoxenia (114 S. 231 ff. und Taf. XIII. Fig. 3) verwandten Gattung gelten. Die generischen Unterschiede von Ecitoxenia mirabilis Wasm. sind folgende: 180 Ecitoxenia Wasm. Körpergestalt nicht flachgedrückt, Hinterleib dick, fast walzenförmig, Kopf länger als breit, nach vorn erweitert. Halsschild so lang wie breit, sechseckig, die Seiten dreizähnig. (E)er erste Zahn wird von den Vorderwinkeln gebildet, der zweite steht vor der Mitte, der dritte vor den Hinterecken). Zunge mit zwei fast linienförmig schmalen Lappen. Fühler vom 2. Glied an zu einer spindelförmigen Keule geschlossen, welche fast die Hälfte der Breite des Kopfes erreicht. Beine kräftig, ziemlich lang, die Hinterbeine die Spitze des Hinlerleibes überragend. Ecitoxenidia n. gen. Körpergestalt sehr stark flachgedrückt, Hinterleib sehr niedrig, gegen die Spitze stark verengt. Kopf breiter als lang, nach vorn verengt. Halsschild viel breiter als lang, fast halbkreis- förmig, die Seiten von vorn nach hinten all- mählich erweitert und einfach gerundet, unge- zähnt. Zunge breit zweilappig, ähnlich Ecitopora und Myrmedonia. Fühler nur wenig verdickt, loser gegliedert, viel schmaler als l/3 des Kopfes. Beine sehr kurz und dünn, die Hinterbeine kaum die Mitte des Hinterleibes erreichend. Die Gattung Ecitoxenidia schließt sich an Ecitopora Wasm. an und nähert sich Ecitoxenia durch die Längskiele von Kopf, Halsschild und Flügeldeckenseiten. Die abgesetzten gekielten Seitenränder der Flügeldecken von Ecitoxenia und Ecitoxenidia erinnern an Dinarda Leach, die Kielung des Halsschildes usw. an Aenictonia Wasm. Diese Ahnlickheiten beruhen sicher auf bloßer Konvergenz. Wahrscheinlich ist auch die zwischen Ecitoxenia und Ecitoxenidia bestehende Ähnlichkeit nur eine auf analoger Anpassung beruhende Konvergenzerscheinung. Möglicherweise jedoch sind diese beiden Gattungen mit Ecitopora stammesverwandt ; Ecitoxenidia würde in diesem Falle als Ubergangsglied von Ecitopora zu Ecitoxenia aufzufassen sein. Dorylomimus Lujae n. sp. (Taf. V. Fig. 4). (Zu S. 57). Multo minor et brevior Dorylomimo Kohlt (Taf. V. Fig. 3, 3 a), flavotestaceus, capite et abdominis facie superiore nigropieeis, subnitidus, breviter et parce flavopubescens. Caput ,transversum, valde rotun- datum, oculis maximis prominentibus, subtiliter punetatum. Antennae geniculatae, multo breviores et crassiores quam in D. Kohli, dimidio corpore haud longiores, scapus (art. l"s) capite haud longior, clavatus (apicem versus valde incrassatus); art. 2US parvus, quadratus, articuli 3 — 11 clavam solidam, crassam, fusi- formem formantes, art. 3° conico, latitudine longiore, art. 4 — 10 valde transversis, 11° conico, tribus praece- dentibus unitis longitudine aequali. Prothorax capite paullo angustior, cordiformis, longitudine latior, antice valde dilatatus et bicanaliculatus, angulis anticis rotundatis, posticis rectis, subtiliter dense punc- tatus. Scutellum parvum, cordiforme. Elytra thorace haud longiora sed multo latiora, valde transversa (lnngitdine fere duplo latiora), dense subtiliter alutacea. Abdomen fere globosum, elytris plus duplo latius, latitudine vix longius, alte et coneave marginatum, alutaceum et subtiliter haud dense punetatum. Pedes breviores et multo crassiores quam in D. Kohli, postici tarnen corpore longiores. Tarsi crassi, 4-articulati, posteriorum art. 1° elongato. Ungues validi, praesertim in tarsis posticis. Long. corp. (absq. antennis) vix 2 mm, lat. abdominis 0,8 mm. Von Dorylomimus Kohli Wnsin. (Taf. V. Fig. 3 ; Beschreibung 138 S. 622 und Taf. XXXI. Fig. 3, 3 a etc.) durch viel geringere Größe, viel gedrungenere Körpergestalt, den queren, pechschwarzen Kopf, die größeren stärker konvexen Augen, die viel kürzeren Fühler mit dick spindelförmiger Geißel, das viel kürzere Halsschild, das vorn stärker erweitert ist und zwei tiefe Längsrinnen besitzt, und von der Mitte zur Basis geradlinig verläuft (nicht zur Basis hin wieder erweitert wie bei D. Kohli), durch die stark queren Flügeldecken und den viel dickeren Hinterleib verschieden. Vgl. hiezu die Abbildungen Fig. 3 a — -b mit Fig. 4 auf Taf. V. Die Beine sind viel dicker und die Tarsen mit Ausnahme der hinteren kürzer als bei D. Kohli; die Klauen der Hintertarsen sind auffallend mächtig entwickelt. — 181 — Ein Exemplar dieses interessanten Gastes wurde von Herrn E. Luja in einem oberirdischen Zuge von Dorylus (subg. Anomma) Kohlt Wasm. bei Sankuru (Bez. Kassai am unteren belg. Kongo) 1906 ge- fangen. Ich benenne die Art zu Ehren des Entdeckers. Über die Mimicry dieses Anommagastes siehe oben S. 57. Er ist wahrscheinlich ebenso wie Dory- lomimus Kohli ein echter Gast (Symphile), der auf den Wirten umherklettert (zur Tarsenbildung von D. Kohlt siehe 138 S. 621) und aus ihrem Munde gefüttert wird, wie P. Kohl bei Dorylom. Kohli beobachtet hat (138 S. 660). Die starke Entwicklung der Hintertarsen und ihrer Klauen deutet bei D. Lujae noch entschiedener auf die kletternde Lebensweise des Gastes hin; die Vordertarsen sind wie bei Kohli mit feinen weißen Haft- haaren dicht besetzt. Xenophalus rufus n. sp. (Zu S. 62). Rufus, nitidus, praeter abdomen subopacum. Caput subtilissime alutaceum. Prothorax politus, impunc- tatus. Elytra thoracis longitudine, subtilissime vix visibiliter punctata. Abdomen dense rauceque punctatum et pubescens. Antennae breviores et angustiores quam in X. trilobita, articulis 7 — 10 longitudine triplo tarnen latioribus, 11° ovato, duobus praecedentibus unitis longitudine aequali. Long. corp. 4 mm. lat. elytr. 2 mm. Durch ihre rotbraune Färbung und die kürzeren, weniger platt ruderförmigen Fühler von X. trilobita Wasm. usw. verschieden. Wegen der Kürze der Fühler sind an denselben die vier vorletzten Glieder im Vergleich zu ihrer Länge relativ breiter als bei den übrigen Arten, fast dreimal so breit wie lang; das Endglied ist platt eiförmig, reichlich so lang wie die beiden vorletzten zusammen, während es bei X. trilobita viel kürzer ist als die beiden vorhergehenden zusammen. Von dem rotgelben X. Göldii Wasm. durch etwas dunklere Färbung und breitere Körpergestalt und namentlich durch den stärker und dichter punktierten und behaarten Hinterleib verschieden, der bei Göldii nur sehr schwach und fein punktiert und stark glänzend ist. Auch sind bei Göldii die Fühler viel breiter ruderförmig als bei rufus. X. rufus wurde in einem Exemplar in einem Zuge von Eciton coecum Ltr. von P. A. S c h u p p S. J. bei Rio Grande (Staat Rio Grande do Sul in Südbrasilien) gefangen. Xenophalus gigas n. sp. (Taf. V. Fig. 6). Zu S. 62). Maximus, rufocastaneus, thorace elytrisque nitidis, abdomine subnitido. Prothorax valde convexus, fere semiglobosus, valde parce et subtiliter punctatus. Elytra thorace haud longiora, valde convexa, subti- lissime alutacea et insuper seriebus punctorum subtilium obsoletorum instructa. Abdomen dense fortius punctatum, haud flavopubescens, punctis brevissime tantum flavosetigeris. Antennae modice tantum dilatatae et c.ompressae, articulis 7 — 10 subquadratis, longitudine paullo latioribus ; 11° ovato, vix longiore 10°. Long. corp. 9 mm, lat. elytr. 4 mm. Weitaus die größte Art der Gattung, mit X. clypeattts Wasm. (4 S. 412 und Taf. V. Fig. 12 — 18) und Schmalzi Wasm. (114 S. 243) verwandt. Von beiden Arten durch viel bedeutendere Größe und stärkere Wölbung verschieden, von ersterer überdies durch die kürzeren Flügeldecken, ven letzterer durch die rot- braune Färbung und durch die viel feinere Punktierung von Halsschild und Flügeldecken abweichend. Ein Exemplar, von Dr. E. G ö 1 d i zu Ponte Alegre am oberen Rio Purus (Alto Purus, Amazonas) in einem Zuge von Eciton rapax Fr. Sm. gefangen und mir durch Forel freundlichst übersandt. Bei dem gesetzmäßigen Verhältnis, das zwischen der spezifischen Körpergröße der Xcnoce phalus- Arten und der Durchschnittsgröße der Arbeiterform ihrer Eciton-Art besteht, und bei der großen individuellen Konstanz der Körpergröße bei den einzelnen Xenocephalus- Arten ist die relativ riesige Größe von Ä'. gigas als ein biologisch bedeutsamer Anpassungscharakter an seine Lebensweise bei Eciton rapax zu betrachten, welcher schon von B a t e s „der Riese seiner Gattung" genannt wird (Naturalist on the river Amazons, Ed. Clodd, 1892 p. 356). Eine Soldatenform fehlt bei diesem Eciton. Die größten mir vorliegenden Arbeiterinnen (von Dr. Göldi aus Parä erhalten) messen 13 mm, die kleinsten 8 mm. — 182 Zur Gattung Ecitoxenus (114, S. 245 ff. und Taf. XIV. Fig. 14). Dieselbe gleicht habituell einer sehr kleinen Xenocephaline, aber bei näherer Untersuchung fand ich später, daß sie mit der Gattung Limulodes Matth. unter den Trichopterygidae identisch ist. Die betreffende ecitophile Art, die ich als Ecitoxenus Heyeri beschrieb, muß daher Limulodes Heyeri heißen. Ecitonides Fiebrigi n. sp. (Zu S. 61). E. tuberculoso Wasm. (38 S. 212) affinis, sed differt: statura majore et latiore, capite longiore, parallele», latitudine triplo longiore: antennis longioribus, art. 2° dimidio breviore 3°, 3° et sequentibus lati- t inline plus duplo longioribus. Long, corporis S mm (absque antennis). Diese neue Art der durch ihre aus gelben Höckern bestehenden Skulptur ausgezeichneten ecitophilen Paederinengattung wurde von Dr. Fiebrig zu. S. Bernardino in Paraguay in einem Beutezuge von Eciton praedator Sm. gefangen, zugleich mit Xenocephalus trilobita Wasm. und einer mir unbekannten Blattide (30. Okt. 1907). Die Gäste wurden mir von Prof. Aug. Forel freundlichst übersandt, dem ich hiefür meinen Dank ausspreche. Ich benenne die Art nach dem Entdecker. Aus den begleitenden Notizen von Dr. Fiebrig entnehme ich, daß jener Zug von Eciton praedator von morgens 7 bis abends 10 Uhr (mit Pausen) beobachtet wurde; er war mehrere Zentimeter breit und zog zum Teil unterirdisch. Viele der Ameisen schleppten Beute (grüne und andersfarbige Cicadinenlarven, Staphyliniden( ?)-Larven, Käfer und deren Larven, Lepidopterenpuppen, fremde geflügelte Ameisen und Ameisen-Puppen, Wanzen etc.). — Zu Xenocephalus trilobita bemerkt Fiebrig: „Läuft in derselben Weise wie die Ameisen, auch wie diese öfters wendend und in entgegengesetzter Richtung." Sämtliche vier bisher entdeckte Ecitonides-Arten leben nur bei Eciton-Arten mit rudimentären Ozellen (bei praedator 3 Arten, bei coecum 1 Art j ; ihre graugelbe Färbung kontrastiert scharf mit der schwarzen oder rot- braunen Färbung jener Eciton. Bei Eciton mit gut entwickelten Ocellen (Burchelli, quadriglume etc.), deren Gäste in der Färbung mit den Wirten übereinstimmen (siehe oben S. 60) sind noch keine Ecitonides entdeckt worden. Zur Unterscheidung der Ecitonides-Arten gebe ich hier folgende Übersicht (vgl. auch 114 S. 248) : a. Augen groß, gewölbt, nur durch 3 — 4 von hinten her auf das Auge über- tretende Kopftuberkeln unvollständig geteilt b b. Kopf nur doppelt so lang wie breit, Fühler sehr kurz, nur von der Länge des Kopfes, das 2. Glied so lang wie das 3 Ecitonides brevicornis Wasm. b1. Kopf mehr als doppelt so lang wie breit, Fühler fast doppelt so lang wie der Kopf c c. Kleiner (6 — 7 mm) und schmaler, Kopf nur 21/,, mal so lang wie breit, nach hinten etwas verengt, mehr kegelförmig. Fühlerglied 2 nur wenig kürzer als 3, 3 — 8 kaum doppelt so lang wie breit . . . Ecitonides tuberculosus Wasm. c1. Größer (8 mm) und breiter, Kopf reichlich dreimal so lang wie breit, (Taf. II. Fig. 6). nach hinten nicht verengt, cylindrisch. Fühlerglied 2 um die Hälfte kürzer als 3, 3 — 8 etwas mehr als doppelt so lang wie breit . . Ecitonides Fiebrigi Wasm. a1. Augen klein, unter den Kopftuberkeln fast ganz verborgen. Kopf viermal so lang wie breit, zylindrisch. Fühler nur um die Hälfte länger als der Kopf, Glied 2 so lang wie 3 Ecitonides longiceps Wasm. (Taf. II. Fig. 7). V o r k o m m e n: Ecitonides tuberculosus in Zügen von Eciton praedator Sm. in den Staaten Rio de Janeiro (Dr. E. Göldi und E. A. Wagner) und S. Catarina (J. P. Schmalz) : Ecitonides brevicornis bei demselben Eciton in den Staaten Rio de Janeiro (Dr. E Göldi) und S. Catarina (J. P. Schmalz); Ecitonides Fiebrigi bei demselben Eciton in Paraguay (Fiebrig); Ecitonides longiceps bei Eciton coecum Ltr. im Staate S. Catarina (J. P. Schmalz). Literatur -Verzeichnis. Auf besonderen Wunsch mehrerer Kollegen lasse ich hier ein Verzeichnis derjenigen meiner bisherigen Publikationen folgen , welche Beiträge zur Kenntnis der Myrniekophilen und Tennitophilen enthalten. Andere Arbeiten, welche sonst auf Ameisen oder auf andere Themata sich beziehen, werden hier nicht aufgeführt. Auf die Nummern dieses Verzeichnisses beziehen sich die Literaturverweise in vorliegender Arbeit, soweit bloß eine Nummer und Seitenzahl daselbst angegeben wurde. 1. Über die Lebensweise einiger Ameisengäste. I. Tl. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1886. I. S. 49—66. 2. Über die Lebensweise einiger Ameisengäste. II. Tl. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1887. I. S. 108—122. 3. Über die europäischen Atemeles. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1887. I. S. 97—107. 4. Neue brasilianische Staphyliniden, bei Eciton Foreli Mayr (hamatum autor.) gesammelt von Dr. W. Müller. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1887. IL S. 403—416 u. Taf. V. 5. Beiträge zur Lebensweise der Gattungen Atemeies und Lomeehusa. Haag 1888. — Sep. aus Tijdschr. v. Entom. XXXI. S. 245— :;2X. «. Neue Ecitongäste aus Südbrasilien. — Deutsch. Entom. Zeitschr. 1889. I. S. 185—190 und Taf. I.1) 7. Über einige myrmekophile Heteropteren. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1889. 1. S. 191 — 192. 8. Nachträgliche Bemerkungen zu Ecitochara und Ecitomorpha. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1889. IL S. 414 9. Zur Lebens- und Entwicklungsgeschichte von Dinarda. — Wien. Ent. Ztg. 1889. i. Heft. S. 153—162. 10. Zur Kenntnis der Dinarda-Formen. — Wien. Ent. Ztg. 18S9. 8. Heft. S. 281—282. 11. Vergleichende Studien über Ameisengäste und Termitengäste. Haag 1890. — Sep. aus Tijdschr. v. Entom. XXXIII. S. 27—97 u. Taf. I. Zweiter Nachtrag S. 262—266. 12. Verzeichnis der von Dr. Aug. Forel in Tunesien und Ostalgerien gesammelten Ameisengäste. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1890. IL S. 297— 302. 13. Myrmecophila Salomonis n. sp. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1890. IL S. 303—304. 14. Oochrotus unicolor Luc. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1890. IL S. 296. 15. Apteranillus Foreli n. sp. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1890. IL S. 318—320. 16. Neue myrmekophile Staphyliniden aus Brasilien. Deutsch. Ent. Ztschr. 1890. IL S. 305—318 u. Taf. IL 17. Eine neue Clavigeride aus Madagaskar (Rhyncho- claviger cremastogastris), mit vergleichenden biologischen Bemerkungen. — Stett. Ent. Ztg. 1891. S. 3—10 u. Taf. I. 18. Verzeichnis der Ameisen und Ameisengäste von Holländisch-Limburg. Haag 1891. — Sep. aus Tijdschr. v. Entom. XXXIV. S. 39—64. 19. Zur Bedeutung der Fühler bei Myrmedonia. — Biol. Zentralbl. XL 1891. No. 1. S. 23—25. 20. Vorbemerkungen zu den internationalen Bezieh- ungen der Ameisengäste. — Biol. Zentralbl. XL 1891. No. 11. S. 331—343. 21. Die zusammengesetzten Nester und gemischten Kolonien der Ameisen. — 262 S. u. 2 Taf. Münster 1891. 22. Neue Tennitophilen. mit einer Übersicht über die Termitengäste. — Verh. Zool. Bot. Ges. Wien 1891. S. 647—658 u. Taf. VI. 23. Ein neuer Paussus vom Somaliland. — Mitt, Schweiz. Ent. Ges. VIII. 1892. Heft 9. ') Wirt derselben ist Eciton Burchelli Westw. (Foreli Mayr), nicht Hetschkoi Mayr, wie der Übersender angegeben hatte. — 184 — 24. Die internationalen Beziehungen von Lomechusa strumosa. — Biol. Zentralbl. XII. 1892. Xo. 18—21. 25. Zur Bmlogn' einiger Ameisengäste. — Deutsch. Ent. Zeitschr. 1892. II. S. 347—351. 26. Xeue Myrmekophilen. — Deutsch. Ent. Ztsch. 1893. I. S. 97—112 u. Taf. V. 27. Zwei neue Staphylinidengattungen aus Sikkim. Deutsch. Ent, Ztschr. 1893. II. S. 206—208. 28. Einige neue Termiten aus Ceylon und Madagas- kar, mit Bemerkungen über deren Gäste. — Wien. Ent. Ztg. 1893. 7. Heft, S. 239—247. 29. Über Paussiger und Articeropsis Wasm. — Wien. Ent, Ztg. 1893. 7. Heft, S. 257. 30. Eine myrmekophile Ceratopogon- Larve (C. Braueri n. sp.).— Wien. Ent. Ztg. 1893. 8.H. S. 277—279. 31. Centrotoma rubra Säule, in Böhmen. — Wien. Ent. Ztg. 1893. 8. Heft. S. 279. 32. Zur Myrmekophilenfauna des Rheinlandes. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1894. II. S. 273 u. 274. 33. Die europäischen Dinarda, mit Beschreibung einer neuen deutschen Art. — Deutsch. Ent, Ztschr. 1894. II. S. 275—280. 34. Zur Lebens- und Entwicklungsgeschichte von Atemeies pubicollis, mit einem Xachtrag über Atemeies emarginatus. — ■ Deutsch. Ent. Ztschr. 1894. II. S. 281—283. 35. Über Atemeies excisus Thoms. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1894. IL S. 283—284. 36. Über Xantholinus atratus Heer (picipes Thoms.). — Deutsch. Ent. Ztschr. 1894. II. S. 285— 287. 37. Formica exsecta Xyl. und ihre Xestgenossen. — Verh. Xat. Ver. Bonn. LI. 1894. Heft 1. S. 10—22. 38. Kritisches Verzeichnis der myrmekophilen und termitophilen Arthropoden. Mit Angabe der Lebensweise und Beschreibung neuer Arten. — XVI u. 231 S. Berlin 1894. 39. Zur Kenntnis einiger schwieriger Thorictus-Arten. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1895. I. S. 41—44. 40. Verzeichnis der von Prof. Aug. Forel im Frühling 1893 in der algerischen Provinz Oran gesam- melten Ameisengäste. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1895. I. S. 45—48. 41. Zur Kenntnis der myrmekophilen und termito- philen Arthropoden. — Zool. Anz. 1895. Mo. 471. S. 111 — 114. 42. Die Ameisen- und Termitengäste von Brasilien. I. Tl. -- Verh. Zool. Bot, Ges. Wien 1895. 4. Heft. S. 137—179 (Sep. 1—45). 42 a. Os hospedes das forrnigas e dos termites (cupim) no Brazil. — Bolet. Mus. Paraense I. No. 3. 1896. S. 273—324. Mit 2 Taf. 43. Über termitophile Cicindeliden. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1895. II. S. 289—290. 44. Zur Kenntnis einiger Thorictus-Arten. Zweites Stück. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1895. II. S. 291—293. 45. Zur Biologie von Lomechusa strumosa. ■ — Deutsch. Ent, Ztschr. 1895. IL S. 294. 46. Die ergatogynen Formen bei den Ameisen und ihre Erklärung. — Biol. Zentralbl. XV. 1895. Xo. 16 u. 17. S. 606—646. 47. Kritische Bemerkungen über einige Myrmekophilen und Termitophilen. — Wien. Ent. Ztg. 1896. 1. Heft. S. 32—36. 48. Xote sur la chasse des Coleopteres myrmecophiles et termitophiles. — 4. S. Reimes 1896. 49. Dinarda-Arten oder -Rassen? — Wien. Ent. Ztg 1896. 4. u. 5. Heft. S. 125—142. 50. A revision of the genus Clidicus. — Xotes Leyd. Mus. XVIII. 1896. S. 14—18. 51. Die Myrmekophilen und Termitophilen. Leyden 1896. — Compt. Rend. III. Congr. Internat, Zool. S. 410—440. 52. Xeue Termitophilen und Termiten aus Indien. (Viaggio d. L. Fea in Birm. LXXII.) — Ann. Mus. Civ. Genova (2) XVI. 1896. S. 613 bis 630 u. Taf. IL Nachtrag (2) XVII. 1896. S. 149—152. 53. Einige neue Paussus aus Java, mit Bemerkungen über die myrmekophile Lebensweise der Paus- siden. — Xotes Leyden Mus. XVIII. 1896. S. 63—80 u. Taf. I. 54. Zoologische Ergebnisse einer von Dr. K. Escherich und Dr. L. Kathariner nach Zentralkleinasien unternommenen Reise. Myrmekophilen. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1896. IL S. 237—241. 55. Zur Kenntnis einiger Thorictus-Arten. Drittes Stück. -- Deutsch. Ent. Ztschr. 1896. IL S. 242—243. 56. Revision der Lomechusa-Gruppe. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1896. IL S. 244—256. 57. Selbstbiographie einer Lomechusa. — Stimm. Maria-Laach. 1897. 1. Heft. 58. Instinkt und Intelligenz im Tierreich. — Freiburg i. B. 1897: 2. Aufl. 1899; 3. Aufl. 1905; Engl. Übers, d. 2. Aufl. 1903; Ruß. Übers, d. 3. Aufl. (durch Karawaiew) Kiew 1906; Ital. Übers, d. 3. Aufl. (durch Boni) Florenz 1908. 59. Vergleichende Studien über das Seelenleben der Ameisen und der höheren Tiere. — Freiburg i. B. 1897 ; 2. Aufl. 1900: Engl. Übers, d. 2. Aufl. 1905; Russ. Übers, (durch Karawaiew) Kiew 1906. 60. Zur Entwicklung der Instinkte. (Entwicklung ■ Irr Symphilie). — Verh. Zool. Bot. Ges. Wien. 1897. 3. Heft S. 168—183. 61. Über einige myrmekophile Acarinen. I. — Zool. Anzeig. 1897. Xo. 531. S. 170—173. in;, 62. Einige neue termitophile Myrmedonien aus Birma. (Viaggio d. L. Fea in Birm. LXXVII). — Ann. Mus. Civ. Genov. (2) XVIII. 1897. S. 28—31. 63. Bemerkungen über einige Ameisen von Mada- gaskar (Ameisen-Mimicry). — Zool. Anzeig. 1897. No. 536. S. 249—250. 64. Über ergatoide Weibchen und Pseudogynen bei Ameisen. -- Zool. Anzeig. 1897. No. 536. S. 251—253. 65. Beutetiere von Polybia scutellaris White (Sauss.). - Zool. Anzeig. 1897. No. 538. S. 276—279. 66. Ein neuer Fustigerodes aus der Kapkolonie. — Wien. Ent. Ztg. 1897. 7. Heft. S. 201. 67. Über einige myrmekophile Acarinen. II. — Zool. Anzeig. 1897. No. 541. S. 346—350. 68. Neue Myrmekophilen aus Madagaskar. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1897. II. S. 257—272 und Taf. I. u. II. 69. Eine neue Xenodusa aus Colorado, mit einer Tabelle der Xenodusa- Arten. Deutsch. Ent. Ztschr. 1897. II. S. 273—274 u. Tal'. I. Fig. 9. 70. Zur Biologie der Lomechusa-Gruppe. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1897. II. S. 275—277. 71. Ein neuer Dorylidengast aus Südafrika. — Deutsch. Ent. Zstchr. 1897. II. S. 278 u. Taf. II. Fig. 6. 72. Eine neue (termitophile) Myrmedonia aus West- Afrika. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1897. II. S. 279. 73. Ein neuer Eciton-Gast aus Nord-Carolina. — Deutsch. Eni, Ztschr. 1897. II. S. 280—282 u. Taf. II. Fig. 4. 74. Ein neues myrmekophiles Silphidengenus aus Costa-Rica. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1897. II. S. 283—285 u. Taf. II. Fig. 5. 75. Zur Morphologie und Biologie der Lomechusa- Gruppe. — Zool. Anzeig. 1897. Xo. 546. S. 463—471. 76. Die Familie der Paussiden. — Stimm, a. Maria- Laach. 1897. Heft 9 und 10. 77. Termiten von Madagaskar und Ostafrika. (Voeltz- kow, Wissenschaftl. Ergebn. der Reisen in Madag. und Ostafr. 1889—1895). - - Abh. Senkenb. Ges. XXI. 1897. Heft 1. S. 137 bis 182 u. Taf. XI u. XII. 78. Ameisenfang von Theridium triste Hahn. — Zool. Anzeig. 1898. No. 555. S. 230—232. 79. l'ber Novoclaviger und Fustigerodes. — Wien. Ent. Ztg. 1898. 3. Heft. S. 96—99. 80. Eine neue dorylophile Tachyporinengattung aus Südafrika. — Wien. Ent, Ztg. 1898. 3. Heft. S. 101—103 u. Fig. 1—4. 81. Eine neue Philusina vom Kap. - Wien. Ent. Ztg. 1898. 3. Heft. S. 103—104. Zoologien. Heft 26. 82. Ein neuer Claviger aus Bosnien. — Wien Ent. Ztg. 1898. 4. und 5. Heft. S. 135. 83. Erster Nachtrag zu den Ameisengästen von Hol- ländisch Limburg, mit biologischen Notizen. Haag 1898. - - Tijdschr. v. Entom. XLI. 1898. S. 1—18. 84. Eine Ameisenkolonie durch Nematoden zerstört. — Tijdschr. v. Entom. XLI. 1898. S. 18—19. 85. Die Gäste der Ameisen und Termiten. — Illustr. Ztschr. f. Entom. 1898. Heft 10—16. Mit 1 Taf. 86. Ein kleiner Beitrag zur Myrmekophilenfauna von Vorarlberg. — Mitt. Schweiz. Ent. Gesellsch. X. 1898. Heft 3. S. 134 und 135. 87. Zur Kenntnis der Myrmekophilen und Ameisen von Bosnien. — Wissensch. Mitteil. d. Bosn.- Herz. Landesmus. Bd. VI. 1898. 88. Einige neue myrmekophile Anthiciden aus Indien. - Verh. Zool. Bot. Ges. Wien 1898. 7. Heft S. 482—484. Über die Gäste von Tetramorium caespitum, sowie über einige andere Myrmekophilen. — Versl. d. 53. Somerverg. d. Ned. Ent. Ver. 11. Jim. 1898. S. 60—65. Thorictus Foreli als Ectoparasit der Ameisen- fühler. — Zool. Anz. 1898. No. 564. S. 435. Zur Lebensweise von Thorictus Foreli. Mit einem anatomischen Anhang und einer Tafel. - Natur und Offenbarung. 1898. Heft 8. S. 466—478. Neueres über Paussiden. — Verh. Zool. Bot. Ges. Wien. 1898. 7. Heft, S. 507—515. Die Höhlentiere. — Stimm. Maria a. Laach. 1898. Heft 6 u. 7. (Vergleich zwischen den troglo- philen und den myrmekophilen Chernetiden). Nochmals Thorictus Foreli als Ectoparasit der Ameisenfühler. — Zool. Anzeig. 1898. No. 570. S. 536—546. Die psychischen Fähigkeiten der Ameisen. - Zoofogica. Heft 26. Stuttgart 1899. S. 1—133 u. 3 Tafeln. Augenlose Tiere. — Stimmen a. Maria-Laach. 1898. 10. Heft. (Augenlosigkeit bei Ameisen- gästen des Mittelmeergebietes). G. D. Havilands Beobachtungen über die Termi- tophilie von Rhopalomelus angusticollis. - Verh. Zool. -Bot, Ges. Wien, 1899. Heft 4. S. 246—249. Neue Paussiden, mit einem biologischen Nachtrag. — Notes Leyden Mus. XXI. 1899. S. 33—52 u. Taf. 3 und 4. Neue Termitophilen und Myrmekophilen ans Indien. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1899, I. S. 145—169 U. Taf. 1 und 2. 24 89 90 91 92 93 94 95 96 !I7 98 99 186 100. Ein neues myrmekophiles Curculionidengenus aus der Kapkolonie. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1899. S. 170 u. Taf. 2. Fig. 7. 101. Ein neues (termitophiles?) Tenebrionidengenus aus Kamerun. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1899. I. S. 172 u. Taf. 2. Fig. 8. 102. Eine neue dorylophile Myrmedonia aus der Kap- kolonie, mit einigen anderen Notizen über Dorylinengäste. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1899. I. S. 174—177. 103. Ein neues physogastres Aleocharinengenus (Ter- mitotropha) aus der Kapkolonie. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1899. I. S. 178 u. Tai'. 2. Fig. 9. 104. Der Lichtsinn augenloser Tiere. — Stimmen a. Maria-Laach. 1899. Heft 8 u. 9 (Lichtsinn von Claviger und Platyarthrus). 105. Weitere Nachträge zum Verzeichnis der Ameisen- gäste von Holländisch Limburg'. — Tijdschr. v. Entomol. XLII. 1899. S. 158—171. 108. Ein neuer Termitodiscus aus Natal. -- Deutsch. Ent. Ztschr. 1899. II. S. 401—402. 107. Zwei neue Lobopelta-Gäste aus Südafrika. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1899. II. S. 403—404. 108. Zwei neue myrmekophile Philusina-Arten aus Südafrika. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1899. II. S. 405—406. 109. Über Atemeies pubicollis und die Pseudogynen von Formicarufa. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1899. II. S. 407—409. 110. Ein neuer Gast von Eciton carolinense (Ecito- nusa). -- Deutsch. Entom. Ztschr. 1899. II. S. 409—410. 111. Zur Kenntnis der termitophilen und myrme- kophilen Cetoniden Südafrikas. — Illustr. Ztschr. Entomol. 1900, No. 5—7 mit 1 Taf. 112. Em neuer Melipona-Gast (Scotocryptus Goeldii) aus Pari. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1899. II. S. 411. 113. Termitoxenia, ein neues flügelloses, physogastres Dipterengenus aus Termitennestern. I. Teil. - Ztschr. wiss. Zool. LXVII. 4. Heft. 1900. S. 599—617 u. Taf. 33. 114. Neue Dorylinengäste aus dem neotropischen und dem aethiopischen Faunengebiet. Zool. Jahrb. System. XIV. 3. 1900. S. 215—289 U. Taf. XIII u. XIV. 115. Zur Lebensweise der Ameisengrillen (Myrme- cophila). -- Nat. u. Offenb. XLVII. Heft 3. 1903. S. 129—152. — Insektenbörse XIX. 1902. 118. Zwei neue Liometopum-Gäste aus Colorado. - Wien. Ent. Ztg. 1901. 7. Heft. S. 145—147. 117. Du some genera of Staphylinidae. described by Thos. L. Casey. — Canad. Entom. XXXIII. 1901. S. 249—252. 118. Gibt es tatsächlich Arten, die noch in der Stammes- entwicklung begriffen sind? Zugleich mit allgemeineren Bemerkungen über die Entwick- lung der Myrmekophilie und Termitophilie und über das Wesen der Symphilie. — Biolog. Zentralbl. XXI. 1901. No. 22 u. 23. S. 689 bis 711 und 737—752. 119. Termitoxenia, ein neues flügelloses Dipterengenus aus Termitennestern. II. Teil. — Ztschr. wiss. Zool. LXX. 2. Heft. S. 289—298. 120. Neues über die zusammengesetzten Nester und gemischten Kolonien der Ameisen. - - Allg. Ztschr. f. Entom. VI. 1901. No. 23 und 24: MI. 1902. No. 1—21. (Separ. 78 S. mit 1 Taf.). 121. Zur Kenntnis der myrmekophilen Antennophorus und anderer auf Ameisen und Termiten reitender Acarinen. — Zool. Anzeig. XXV. No. 661. 1902. S. 66—76. 122. Ein neuer myrmekophiler Ilyobates aus dem Rhein- land. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1902. I. S. 62. (Siehe 1903. S. 236). 123. Coleopteres myrmecophiles recueillis par A. Lameere en Algerie. — Ann. Soc. Ent. Belg. XLVI. 1902. 4. Heft. S. 159. 124. Zur näheren Kenntnis der termitophilen Dipteren- gattung Termitoxenia. Jena 1902. mit 1 Taf. — Verh. V. Intern. Zoologenkongr. Berlin 1901. S. 852—872. 125. Verzeichnis der von Dr. W. Hörn auf Ceylon 1899 gesammelten Termiten, Termitophilen und Myrmekophilen. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1902. I. S. 79—80. 126. Zwei neue europäische Coleopteren. -- Deutsch. Ent. Ztschr. 1902. I. S. 16. 127. Species novae Insectorum termitophilorum ex America meridionali. - - Tijdschr. v. Entom. XLV. 1902. S. 95—107 mit 1 Taf. 128. Species novae Insectorum termitophilorum, a D. F. Silvestri in America meridionali inventae. — Bull. Mus. Torino XVII. No. 427. 1902. S. 1—6. 129. Termiten, Termitophilen und Myrmekophilen, gesammelt auf Ceylon von Dr. W. Hörn, mit anderem ostindischen Material bearbeitet. - Zool. Jahrb. System. XVII. I. 1902. S. 99— 164 u. Taf. 4 u. 5. 130. Biologische und phylogenetische Bemerkungen über die Dorylinengäste der alten und der neuen Welt, mit spezieller Berücksichtigung ihrer Konvergenzerscheinungen. - Verh. Deutsch. Zool. Ges. 1902. S. 86—98 u. Taf. I. 131. Neue Bestätigungen der Lomechusa-Pseudo- gynentheorie. - - Verh. Deutsch. Zool. Ges. 1902. S. 98—108 u. Taf. II. 187 132. Riesige Kurzflügler als Hymenopterengäste. - Insektenbörse XIX. 1902. Xo. 34—36. 133. Konstanztheorie oder Descendenztheorie? — Stim- men a. Maria-Laach. LXIV. 1903. Heft 1, 2 u. 5 mit 1 Taf. (Anpassungserscheinungen bei Myrmekophilen und Termitophilen). 134. Zur näheren Kenntnis des echten Gastverhält- nisses (Symphilie) bei den Ameisen- und Ter- mitengästen. — Biol. Zentralbl. XXIII. 1903. No. 2, 5, 6, 7, 8. (Untersuchung der Exsudat- organe und Exsudatgewebe.) 185. Zum Mimikrytypus der Dorylinengäste. — Zool. Anzeig. XXVI. 1903. No. 704. S. 581—590. 136. Zur Brutpflege der blutroten Raubameise (For- mira sanguinea). — Insektenbörse. XX. 1903. No. 35. S. 275—276. 137. Die Thorakalanhänge der Termitoxeniidae, ihr Bau, ihre imaginale Entwicklung und phylo- genetische Bedeutung. — Verh. Deutsch. Zool. Ges. 1903. S. 113—120 mit 2 Taf. 138. Zur Kenntnis der Gäste der Treiberameisen und ihrer Wirte am oberen Kongo, nach den Samm- lungen und Beobachtungen von P. H. Kohl bearbeitet. — Zool. Jahrb. Suppl. VII. (Fest- schrift f. Weismann) 1904. S. 611—682 mit 3 Taf. 139. Termitophilen aus dem Sudan. Mit 1 Tafel. Upsala 1904. — Result. Swed. Zool. Exped. to Egypt and the White Nile. 1901. No. 13. 140. Ein neuer Atemeies aus Luxemburg. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1904. I. S. 9—11. 141. Zur Kontroverse über die psychischen Fähigkeiten der Tiere, insbesondere der Ameisen. — Natur und Schule. III. 1904. Heft 1—3. 142. Neue Beiträge zur Kenntnis der Paussiden, mit biologischen und phylogenetischen Bemer- kungen. — Notes I.eyden Mus. XXV. 1904. S. 1—82 mit 6 Taf. 143. Die moderne Biologie und die Entwicklungs- theorie. 2. Aufl. Freiburg 1904. (9. Kap. „Konstanztheorie oder Descendenztheorie" ent- hält Beiträge zur Stammesgeschichte der Ameisengäste und Termitengäste). 144. Contribuicäo paro o estudo dos hospedes de abel- has brazileiras. — Revista Mus. Paulista VI. 1904. S. 482—487 mit 1 Taf. 145. Die phylogenetische Umbildung ostindischer Ameisengäste in Termitengäste. — Compt. Rend. VI. Congr. Intern. Zool. Bern 1904. S. 436—448 mit 1 Taf. 145 a. Die phylogenetische Umbildung ostindischer Ameisengäste in Termitengäste. — Mitt. Schweiz. Eutom. Ges. XI. 2. Heft. 1905. S. 66—67. 14ß. Ursprung und Entwicklung der Sklaverei bei den Ameisen. — Biol. Zentralbl. XXV. 1905. No. 4 — 9. (Enthält auch viele Beobachtungen über myrmekophile Coleopteren.) 146 a. Nochmals zur Frage über die temporär gemischten Kolonien und den Ursprung der Sklaverei bei den Ameisen. - - Biol. Zentralbl. XXV. 1905. No. 19. S. 644—653 147. Ameisenarbeiterinnen als Ersatzköniginnen. Mitt. Schweiz. Entom. Ges. XI. 2. Heft. 1905. S. 67 — 70. (Auch über die Pseudogynen- theorie). 148. Zur Lebensweise einiger in- und ausländischer Ameisengäste. — Ztschr. wissensch. Insekten- biol. I. 1905. Heft 8—10. 149. Zur Lebensweise von Atemeies pratensoides. — Ztschr. wissensch. Insektenbiol. II. 1906. Heft 1 u. 2. 150. a. Versuche mit einem brasilianischen Ameisennesl in Holland, mit 1 Taf. ; b. Zur Myrmekophagie des Grünspechts. — Tijdschr. v. Entom. XLVIII. 1906. S. 1—12. (Versuche mit europ. Ameisengästen S. 4 ff.). 151. Termitusa, nouveau genre dAleochariens termi- tophiles. - - Revue d'Entom. (Caen) XXV. 1905. No. 8 u. 9. S. 199—200. 152. Zur Geschichte der Sklaverei beim Volke der Ameisen. — Stimmen a. Maria-Laach. LXX. 1906. Heft 4 u. 5. 153. Zur Kenntnis der Ameisen und Ameisengäste von Luxemburg. I. u. II. Teil. — Arch. trimestr. Inst. Grand-Ducal. 1906. Fase. 1 u. 2. mit 2 Taf. 154. Beispiele recenter Artenbildung bei Ameisengästen und Termitengästen. — Festschr. f. Rosenthal, Leipzig. 1906. S. 43—58; Biol. Zentralbl. XXVI. No. 17—18. S. 565—580. 154 a. Esempii di recenti neoformazioni di specie tra gli ospiti delle Formiche e delle Termite. — Rivista d. Fisica, Mathem. e Sc. Nat. (Pavia) VII. No, 84. 1906. 155. Die Gäste der Ameisen und der Termiten. - Vortrag auf d. 77. Vers, deutscher Naturf. Meran. 27. Sept. 1905. ■ Verh. 1906. II. S. 212—216. 156. Wie gründen die Ameisen neue Kolonien? Vortrag Naturw. Sekt. Görresgesellsch. Bonn. 27. Sept. 1906. - - Wissensch. Beilage zur ..Germania'" 1906. No. 44. 157. Die moderne Biologie und die Entwicklungs- theorie. 3. Aufl. Freiburg i. B. 1906. (10. Kap. über die Stammesgeschichte der Ameisengäste und Termitengäste und die Entwicklung der Sklaverei b. d. Ameisen.) — 188 158. Sur les nids des Fourmis migrantes (Eciton et Anomma). — Atti Pontif. Accad. Nuovi Lincei LX. Sess. VII. 1907. S. 224—229. (Nestgaste von Anomma). 159. Über einige afrikanische Paussiden, mit Be- schreibung zweier neuer Paussus. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1907. II. S. 147—153 mit 1 Tatet. 160. Über einige Paussiden des Deutschen Entomolo- gischen Nationalmuseums. — Deutsch. Ent. Ztschr. 1907. VI. S. 561—566. 161. Zur Kastenbildung und Systematik der Termiten. — Biol. Zentralbl. 1908. No. 3. S. 68—73. (Auch über die Pseudogynentheorie S. 71). 162. Weitere Beiträge zum sozialen Parasitismus und der Sklaverei bei den Ameisen. — Biol. Zentral- blatt 1908. No. 8— 13. — (Enthält auch viele Beobachtungen über myrmekophile Coleop- teren etc.) 163. On the evolution of Dinarda, a genus of Coleop- tera. Translated by Horace Donisthorpe. — Zoologist. Febr. 1908. S. 68—71. (Aus 154). Berichtigung. S. 178 Zeile 1 des Textes von unten lies: Let Marefia statt: Littoral von Marafia. Tafelerkläru ng. (Tafel II und III sind gezeichnet mit Mikroskop Zeiß und Camera lucida Abbe, Tafel IV und V teilweise mit Mikroskop Zeiß, teilweise nach Photographien.) Tafel I. Beobachtungsnest von Formica sanguinea mit mehreren Sklavenarten. (Vgl. S. 38, Anm. 1.) Tafel II. Dorylinengäste des Mimicrytypus. Fig. 1. Mimeciton /i/fk.vWasm.1) Zeiß ax, Oc. 2). (Bei Eciton praedator Sm.) 1 a Oberlippe, 1 b Oberkiefer, lc Unterkiefer (A, Oc. 4); ld Unterlippe (D, Oc. 2); le Kopf von der Seite, um die Lage des Ocellus (oc) in der Fühlergrube an der Antennenbasis (ant.) zu zeigen (A, Oc. 2). Fig. 2. Kopf von Eciton praedator Sm., kleine Arbeiterform (ax, Oc. 2). Fig. 3. Ecitophya simulans Wasm.2) $ (aj, Oc. 1). (Bei Eciton Burchelli Westw. = Foreli Mayr). Fig. 3a. Kopf von Ecitophya simulans $ (a2, Oc. 1). Fig. 4. Kopf von Eciton Burchelli Westw., kleine Arbeiterform (a15 Oc. 1). Fig. 5. Kopf von Ecitomorpha arachnoides Wasm. $ (a2. Oc. 1). (Bei Eciton Burchelli Westw.) Fig. 6. Kopf von Ecitonides tuberculosus Wasm.3) $ (a2, Oc. 1). (Bei Eciton praedator Sm.) Fig. 7. Kopf von Ecitonides longiceps Wasm.4) e. Schwarz mit weissen Flecken der Hinterflügel. 4. Papüio cilix Godman and Salvin., Proc. Zool. Soc. Lond. 1879, p. 653: New Ireland. P — ? Salvin and Godman.. Pr. Zool. Soc. 1877, p. 148: Duke of York. P. albinus Godman and Salvin, Pr. Zool. Soc. 1879, p. 160. Nr. 44: New Ireland. P cilix. Rothschild, Nov. Zool. IL p. 297. — — Hagen, Jahrb. Nass. Ver. f. Nat. 1897. p. .">2: Herbertshöhe. - Ribbe, Iris xj, p. 69. (1898.) Neu-Pommern, Neu-Mecklenburg, Neu-Lauenburg, Nusa. Der nur im Bismarck-Archipel angetroffene Falter kommt dem Pap. fuscus (severus Cr.). sowie dem P albinus Wall, sehr nahe, ist aber doch konstant und Uebergänge rinden sich nach Rothschild nicht. Die ursprüngliche Beschreibung von Godman and Salvin lautet: „g^. Ausmaass 5 . 6 Zoll. Dem 1'. albinus ähnlich, aher grösser; der die Mittelhälfte der Hinterflügel ein- nehmende Fleck viel schmäler und nach dem Innenrande vorgezogen, der Rand desselben nach aussen zwischen den Adern konvex, nach innen fast geradlinig; ein gelblichrother Fleck steht nahe dem Analwinkel, ein kleiner unter dem- selben. Auf der Hinterseite sieben weise in eine Reihe übergehende Flecke, deren erster und letzter mondförmig, die fünf rindern beinahe gerundet, und sieben submarginale Möndchen, deren letztes an der Ecke des Innrandes steht, gelbröthlich und mit blauen, beinahe verloschenem Innenrande; die Schwänze grösser und breiter. 9 dem Mann ähn- lich, aber gesättigter und mit breitem Fleck der Hinterflügel. Er unterscheidet sich von albinus in verschiedenen bemerkenswerthen Punkten : Die Hinterflügel find mehr verlängert und die Schwänze länger und breiter, der stroh- farbene Fleck in der Mitte der Hinterflügel ist viel schmäler, besonders gegen den Hinterrand, welchen er bei cilix erreicht, der Aussenrand dieses Fleckens ist konvex zwischen den Adern, anstatt konkav; und der Innenrand desselben Fleckes ist gerade anstatt gekrümmt, auch findet sich ein lebhafter oranger Fleck am Innenrande nahe dem Anal- winkel, und ein zweiter kleiner gerade neben ihm. Das C> hat die äussere Hälfte des Flecks auf den Hinterflügeln beinahe weiss. Neu-Ireland." — 21 — C. Ribbe bemerkt, dass er bei weiblichen Stücken von Neu-Lauenburg einen stark weiss bestäubten Leib fand, während Stücke von Neu-Pommern eine schmälere Binde der Hinterflüge] aufweisen, als solche von Neu-Mecklenburg. Die in der Dahl' sehen Ausbeute vorhandenen Exemplare aus der Umgebung von Ralum entsprechen der vorstehenden Beschreibung. Sie unterscheiden sich im Wesentlichen nur durch ihre Grösse. Sie wurden zumeist gegen Ende der Jahre 189G und Anfang 1897, also in der Regen- zeit gefangen, so im August 1896 imWalde bei Kaitakaul auf vulkanischem Boden, 5. Dezember 1896 in einer Waldschlucht bei Herbertshöhe, 2. Januar 1897 an einem Tümpel am Strande bei Ralum, 5. Januar 1897 von Eingeborenen gebracht und 11. März 1897 im Walde bei Wunamarita ein Exemplar von 93 mm Ausmass. Ueber die Raupe von P. cilix ist noch nichts bekannt. Die Bemerkung Hagen's, dass ihm von Matupi das Q von P. woodfordi zugesandt worden sei (Jahrb. Nass. Ver. f. Naturk. 1897, p. 52) beruht jedenfalls auf einer Verwechslung, vielleicht mit cilix. Denn P. ivoodfordi kommt nicht dort, sondern auf den Shortlands-Inseln oder Salomons-Inseln vor. — Siehe die Abbildung von P. cilix Tat'. II Fig. 7. C. Schwarz mit weisser Binde. Beide Geschlechter (in der Regel) gleich gefärbt, schwanzlos. (Onfas-Gruppe.) 5. Papilio oritas. Godman and Salvin. Proc. Zool. Soc. Lond. 1879, p. 654: Neu Ireland. Roth- schild, Nov. Zool. II, p. 299 (1896). Ribbe, C, Iris xj., p. 70: Neu-Mecklenburg, Neu-Hannover, Nusa. var. capsus Ribbe. Soc. Ent, 1898 Nr. 20; Iris xj. p. 70. Die Beschreibung, welche Godman and Salvin geben, lautet: „$e. 12. Papilio eurypylus L. subsp. eurypylus extensus Rthsch. Pap. eurypylus L. Syst. Nat. ed. X. p. 464 Nr. 37 (1758); Clerck, Icones IL T. 28 f. 2. (1764.) Pap. eurypylus Godman and Salvin 1879, p. 159 Nr. 40. New Ireland. Pap. eurypylus extensus Rothschild, Nov. Zool. IL p. 430 : New Ireland und New Britain. — Ribbe, Iris xj. p. 79: Neu-Mecklenburg , Neu-Lauenburg, Neu- Pommern. Der auf den Molukken in der typischen Linne'schen Form gefundene Schmetterling wird von Rothschild in 12 subspecies eingetheilt, welche von Ceylon und Indien. China und Japan — 28 — über die grossen und kleinen Sunda-Inseln, Celebes, Molukken, Philippinen, Neu-Guinea und um- gebenden Inseln, wie Australien in wechselndem Kleide verbreitet sind. Die auf dem Bismarck- Arehipel vorkommende Form extensus unterscheidet sieh nach Rothschild von der typischen durch Längere Flügel, durch längeres Band der Oberseite der Hinterflügel, welches bis zum Analrand geht, durch bleicheres länglicheres schwarzes Band unter der unteren Medianader; die Basis der Hinterflügel ist oben weiss überpudert und der schwärzliche subbasale Streifen, welcher auf der Innenseite die subcostale weisse Linie vom discalen Band trennt, ist dicht mit Weiss beschuppt, wodurch das discale grünliche Band beinahe bis zur Basis der Hinterflügel auf der Unterseite ausgedehnt erscheint. Das Band der Vorderflügel ist ungefähr halb so breit am Hinterrand der Flügel, als zwischen den untern Medianästen. — Die Verwandlung der australischen Form 1/yeaon wird von Mathew Tr. Ent. Soc. Lond. 1888, p. 197 geschildert. Das Ei wird auf die Unter- seite des Blattes gelegt und ist gelblich. Die Raupe ist anfänglich dunkelbraun, erwachsen 75 mm lang, verschieden in Färbung, schmutzig olivengrün oder dunkelbraun, der Rücken dunkler. Ein weisser Streifen zieht unter den Luftlöchern vom fünften bis zum Analsegment. Zwei kurze schwarze Dornen .stehen vor einem blassen grünlich orangen Halsband am Kopf; auf dem vierten Segment ein kurzer, schwarzer snbdorsaler Dorn in einem kleinen orangen Ring. Das Anal- segment trägt ein Paar Dornen am Ende. Die Luftlöcher sind klein und meist in dunklem Ring. Die Puppe ist grün mit zugespitztem Thorax. Ribbe betont die Seltenheit dieses Falters im Schutzgebiet. Sie leben im Walde an lichten Stellen und kommen nicht, wie ihre Verwandten, an die Bachbette oder feuchten Sand. 13. Papilion sarpedon L. var. imparilis Rothschild. Pap. sarpedon Linne, Syst. Nat. ed. X. p. 461 Nr. 14 (1758), Esper, Aust. Schmetterl., p. 38 t. 8 f. 2 (1785). Der in der typischen Linne'sehen Form in Continental Indien, Java, Philippinen und Japan vorkommende sarpedon zerfällt nach Rothschild in neun geographische Rassen, von denen semifasciatus in China, teredon in Ceylon und Südindieu , parsedon auf den kleinen Sunda-Inseln, choredon in Australien und Neu-Guinea, impar auf den Salomons-Inseln, anthedon auf den Molukken, milon auf Celebes und den umgebenden Inseln vorkommt. Die im Bismarck-Archipel vorkommende Form wird von Rothschild (N. Z. IL p. 443) genannt: P. sarpedon imparilis. P. choredon Godman and Salvin, Pr. Zool. Soc. 1877, p. 148 Nr. 35. (Duke of York Isl.) 1879, p. 159 Nr. 41 (New Ireland). Hagen, Jahrb. N. V. f. Nat, 1897, p. 57: Herbertshöhe. Ribbe, Iris xj. p. 81 (1898). Neu-Pomraern, Neu-Lauenburg. Neu-Mecklenburg, Neu-Hannover, Nusa. Rothschild schildert die Oberseite dieser Form als tiefschwarz, die Unterseite eben- falls dunkel , die Zwischenräume zwischen den discalen rothen Flecken und der submarginalen Möndchen der Hinterflügel ganz mit Schwarz gefüllt, die schwarzen Flecken an der basalen Seite der rothen Flecke von tiefer Färbung. Medianband der Hinterflügel kaum enger als bei sarpedon choredon; auf den Vorderflügeln findet sich meistens noch ein grüner oder weisser kleinerer Fleck oben oder unten oder auf jeder Seite; dieser Fleck hat bei einigen Exemplaren dieselbe Stellung wie bei sarpedon impar von den Salomons-Inseln oder steht hinter dem ersten Fleck des Flecken- bandes, denselben Platz einnehmend wie der erste Fleck der submarginalen Reihe bei 1'. isander — 29 — oder er steht im Apex der Zelle nahe bei der untern Discocellularader. — Der Schmetterling ist zur Regenzeit auf der Grazellenhalbinsel nicht selten, fliegt sehr gut und ist schwer zu langen. Man sieht ihn nur am Meeresstrande. Die grüne mit weissen Seiten- und Sattelstreifen Versehene Raupe von sarpedon beschreibt Piepers in Tijd. voor. Entom. Bd. 31 p. 346 und bildet sie ab Tat. 7, f. 8, 9. — In der Dahl- schen Ausbeute ein Exemplar. K. Schwarz mit mehrfachen grünen Fleckenreihe n. Hinterflügel mit kurzem spateiförmigem An h a n g. Agamemnon-Qra\>$e. 14. J'ii/iifii) macfarlanei Butler var. seminiycr Butler. Pap. aegistus Cramer III. p. 81, T. 241 f. C. D. (1782). Pap. macfarlanei Butler, Proc. Zool. See. 1877, p. 471 Nr. 30 (Neu-Guinea). Zetides seminiger Butler. Annais Mag. N. Hist (5) X. p. 153 Nr. 30 (1882): New Britain. ._• Pap. aegistcus var. aegistiades Honrath, Berl. Ent. Zeitschr. 1888. p. 250. (Ralum: New Britain.) Pap. macfarlanei seminiger Butler. Rothschild, Nov. Zool. II. p. 446, New Britain 1895; Ribbe, Iris xj. p. 82: Neu-Pommern. „Unterscheidet sich von P. agamemnon durch die bedeutende Grösse der subapicalen Flecke über der Zelle der Vorderflügel, durch die mehr smaragdgrüne Färbung der Flecke der schiefen postmedianen Reihe, durch die Ver- längerung dieser Reihe zum Innenrande durch d.is Eintreten zweier grosser quer gestellter Flecke an Stelle der drei kleinen schief stehenden Flecke bei ]'. agamemnon. Dann findet sich ein heller Zwischenraum durchgängig zwischen der postmedianen und submarginalen Reihe und eine gleichförmigere Grösse der Flecke der letzten Reihe (welche in zwei kleinen .ungleichen Flecken endet an Stelle der grossen doppelten bei P. agamemnon), sowie eine beinahe völlige Abwesenheit der grünen und weissen Flecke auf den Hinterfliigeln, ein viel geringeres Vortreten der röthlichen Färbung der Unterseite und der grünen Flecke auf den Hinterfliigeln , eine blassere Färbung der Flecke und die Anwesenheit eines roth gerandeten schwarzen Flecks gegen die Basis des Costalrandes, unmittelbar über dem gewöhnlichen so ge- färbten Möndchen, sowie das Auftreten zweier deutlicher scharlachrother Flecke au der Stelle! der zwei gewöhnlich roth gerandeten schwarzen Flecke und eine erheblichere Grösse der schwarzen Flecke über der Mitte der subcostalen Parthie. Ausmass 100 mm. New Britain." Butler (Annais Mag. 18S2 p. 153.) Honrath macht bei seiner Beschreibung dieses Falters darauf aufmerksam, dass die Hinterflügel einfach schwarzbraun seien. Ribbe betont dies ebenfalls als ein beiden Papilioniden Neu-Pommern wiederkehrendes Merkmal. Der Schmetterling erscheint ebenfalls nicht häutig zu sein. Die Raupe von macfarlanei leb! nach Hagen, Jahrb. Xass. Ver. f. Nat. 1897, p. 42 auf der eingeführten Pflanze Anona muricata in der Astrolabebai. Die ursprüngliche Futterpflanze findet sich nach Hagen vielleicht tief im Walde. 16. Papilio agamemnon Linne, Syst. Nat. ed. x. p. 462 Nr. 21 (1758), Cramer P. E. II. p. 151; aegistus Cramer II. p. 15 t. 106 f. C D. (177t.) agamemnon Donovan Ins. China t. 27 f. 2 (1798): Piepers Tijd. voor Ent. Bd. 31 Taf. 7 f. 1—7 (Raupe). Der weit verbreitete Falter tritt nach Rothschild Nov. Zool. II. p. 447 in zehn ver- schiedenen Lokalrassen auf. welche sich von Indien und Ceylon über die grossen und kleinen Sunda-lnseln, China, Japan, Philippinen, Celebes, Molukken, Neu-Gruinea, Bismarck-Archipel und Salomons-Inseln verbreiten. Im Bismarck-Archipel tritt er auf als: Pap. agamemnon neopommeranius Honrath, Berl. Ent. Zeitschrift xxxj. p. 350. t. 6 f. 4. (1887), Neu-Pommern. Piqi. agamemnon Salvin and Godman. Pr. Zool. Soc. 1877. p. 148, Nr. 35 (1877). Duke of York Isl. — 30 — Pap. agamemnon Rothschild, Nov. Zool. II. p. 454: N. Brit., Duke of York Isl. — — Hagen, Jahrb. Nass. Ver. f. Naturk. 1897, p. 57: Neu-Pommern. — — Jordan, Nov. Zool. III. p. 449 (1896). — — Ribbe, Iris xj. p. 83: N. Pommern, N. Lauenburg. Bei dieser Form sind die grünen Flecke der Hinterflügel mehr oder weniger vollkommen verloschen, die Flecke der Mittelreihe der Vorderflügel schmal und auf der Unterseite beschuppt. Jordan macht darauf aufmerksam, dass P. agamemnon argynnus Drtice von den Key-Inseln und Pap. agam. neopommeranius sich von allen andern subspecies dadurch unterschieden, dass die Hinter- flügel oben fast frei von Flecken sind, was beide subspecies sehr ähnlich macht. Mit Hilfe der Linse lässt sich nach Jordan der Unterschied konstatiren, dass bei agam. neopomm. die Flecke der mittleren Reihe der Vorderflügel unten alle beschuppt sind, während bei argynnpis der äussere Theil eines jeden Flecks schuppenlos ist. Diese Charactere haben nach Jordan wohl irgend eine nützliche Bedeutung. Die Raupe ist grün, gegen den Kopf hin verdickt. In Neu-Guinea wird die des agamemnon auf der eingeführten Pflanze Anonn muricata gefunden. C. Ribbe fing die Art in Neu-Pommern und Neu-Lauenburg im dichten Walde an lichten Stellen. Ihm fiel bei Exemplaren von neopommeranius die intensiv grasgrüne Färbung der Flecke auf, die bei andern Formen von agamemnon eine leicht eine ins Gelb spielende Nuance annehmen sollen (Iris xj. p. 83). L. Erster und zweiter Subcostalast der Vorderflügel mit der Costalader anastomosirend. Die Schmetterlinge schwarz, grün gefleckt, ohne Schwanzanhang. FFaßacei-Gruppe. 16. Papilio browni Godman and Salvin. Taf. I, Fig. 4. Pap. browni Godman and Salvin, Proc. Zool. Soc. 1879, p. 655. (New Ireland) 9. — Rothschild, Nov. Zool. IL p. 455 : New Britain, New Ireland. — Hagen, Jahrb. Nass. Ver. f. Naturk. 1897, p. 57: Neu-Pommern. — Ribbe, Iris xj. p. 83: Neu-Pommern, Neu-Lauenburg, Nusa. Diirch Herrn Ribbe' s Güte liegt mir ein Exemplar vor. Die submarginalen Flecke der Vorderflügel verloschen, das mittlere Fleckenband wird nach dem Innenrande zu schmal und streifig, längs der costa kleine Fleckchen und am Grunde der Zelle ein längerer grünlicher Streifen. Der Costalfleck der Hinterflügel klein. Auf der Unterseite der Hinterflügel geht der rothe Costalfleck nicht bis zur Subcostalader; einige discale rothe Flecke. Hagen hält browni für eine melanistische Form von wallacei. Ribbe (1. c.) schliesst sich dieser Ansicht mit Rücksicht auf den in Neu-Pommern häufigeren Melanismus an, den Hagen für die grün bebänderte Papilioniden angibt. Die Beschreibung von Godman and Salvin lautet: „4 Zoll Ausmass. Dem P. wallacei ähnlich doch etwas dunkler. Die Vorderflügel mit grösserem Flecke in der Zelle, diese an der Basis grün, mit zwei Flecken an der submediana. Die submarginalen Flecke beinahe ver. loschen. Die Hinterflügel ohne den Basalfleck in der Zelle. Auf der Unterseite fehlen die grünlichen Flecke und die purpurne Farbe in der Apicalh'älfte ; die Hinterflügel haben sehr starke grüne Basalflecken, der in der Zelle ist sehr klein, die rothen Möndchen gegen den Analwinkel grösser." Die Raupe von wallacei lebt nach Hagen (N. J. f. X. 1897, p. 34) auf Neu-Guinea auf der eingeführten Pflanze Anona muricata. — 31 — Pam. II. Pieriden (Schatz p. 52). Die Pieriden sind eine kosmopolitische Schmetterlingsfamilie, welche in den Tropen ihre höchste Entwicklung findet, im Bismarck-Archipel aber verhältnismässig schwach vertreten ist. Ihre Färbung ist vorzugsweise weiss, wozu sich aber gelbe, rothe, orange, bläuliche und schwarze hinzugesellen, auf der Unterseite einiger sogar grüne. Sie schliesst sich den Papilioniden zunächst an, unterscheidet sich aber von ihnen durch den wohl entwickelten Innenrand der Hinterflügel, durch die nie fehlende Innenrandsader, die zweispaltigen Klauen und durch den Mangel des Dorns der Vorderfussschiene, sowie des kurzen Zweigs der submediana der Vorderflügel. Von den übrigen Tagfaltern sind sie durch die vollkommen entwickelten Vorderfüsse unterschieden (welehe nur bei den Hesperiden wieder erscheinen). Die Raupen sind glatt oder behaart, nach dem Kopf und dem Hinterleib hin verjüngt; sie haben keine vorstreckbaren Tentakeln; die Puppen haben eine vorgezogene Kopfspitze und sind am Schwänze und in der Mitte durch einen Querfaden befestigt. Schatz theilt die Pieriden in vier Gruppen, von denen uns hier nur die beiden im indo- australischen Gebiete vorkommenden der eigentlichen Pieriden und Dryaden interessiren. Bei den eigentlichen Pieriden haben die Fühler eine deutlich abgesetzte Kolbe, die Palpen sind über den Kopf hervorragend, vorderseits mit langen, steifen Haaren bekleidet. Das Endglied ist zugespitzt, so lang oder länger als das Mittelglied, selten kleiner. Eine Präcostalader ist vor- handen, die Subcostalader drei- oder vierästig. Bei den sogen. Dryaden sind die Fühler kurz, kräftig, meist kolbenlos, allmählich gegen das Ende verdickt, selten mit abgesetzter Kolbe. Die Palpen sind wenig über den Kopf hervor- ragend, das Mittel- und Endglied kurz, letzteres knopfförmig oder schwach zugespitzt. Die Sub- costalis ist drei- oder vierästig, die Präcostalader fehlend oder schwach. Die im Bismarck-Archipel aufgefundenen Pieriden lassen sich in nachfolgende Ueber- sicht bringen: 1. Eigentliche Pieriden. A. Subcostalader der Vorderflügel dreiästig, a) Ein Subcostalast vor dem Zellende. o) Subcostalis 2 in gleicher Entfernung nach dem Zellende wie Subcostalis 1 vor demselben. 1. Gattung: Elodina Felder. Arten: 1. hypatia Felder. 2. eitrinaris Grose Smith. 3. primularis Butler. ß) Subcostalis 2 und subcostalis 3 in der Flügelspitze eine kurze Gabel bildend; Praecostalis nach innen gebogen. 2. Gattung: Delias Hübner. Arten: 4. madetes Godm. and Salvin, Hon- rathi v. Mitis. 5. sdlvini Butler. 6. totila Heller. — 32 — 7. bagoe Boisd. (eurygania Boisd.). 8. narses Heller. 9. lytaea Godm. and Salv. georgiana Grose Smith. In Zwei Subcostaläste vor dein Zellende. Flügelspitze zugespitzt. 3. Gattung: l'uris Schrank. Arten: 10. teutonia Boisd. (nisaia; picata). 11. quadricolor Salv. and Godm. 12. peristhene Boisd. B. Subcotalis der Vorderflügel vierästig. Obere Radialis und untere radialis aus den Discocellularen abgezweigt, öS mit Haarbüscheln unter der Afterklappe. 4. Gattung: Tachyris Wall. (Appias Hübner). Arten: 13. eumelis Boisd. 14. . glauce erinnernd, aber nur von der Grösse der /'. nigrina Fabr. Vorderflügel zum grossen Theil schwärzlich, nach dem Aussenrande zu tiefschwarz, am Hinterrand bis über den ersten Medianast hinaus rein weiss, die Grenzlinie zwischen Schwarz und Weiss so, dass die äussere Hälfte des ersten Medianastes und die Flügelhinterecke ziemlich scharf abgegrenzt schwarz sind, während entlang dem Hinterrand der Zelle und zwischen der Wurzel des ersten und zweiten Medianastes die weisse Färbung allmählich in Schwarzgrau übergeht, von welcher sich die ganz schwarzen Radialen und der erste und zweite Medianast ziemlich deutlich abheben. Hinterflügel weiss mit breitem nach vorn etwas verbreitetem Aussenrandband ; Mittelzelle noch ganz weiss; Vorderrandsraum an der Basis und der Innenrandsraum etwas schwefelgelb überhaucht. Unterseite : Vorderflügel bis über zwei Drittel der Zelle hinaus hell cadmiumgelb, in der Aussenhälfte schwarz mit einer Reihe von fünf Apicalmakeln, von welchen der zweite, zwischen der dritten subcostalis und ersten radialis gelegene der grösste ist; sie füllt den Raum zwischen beiden der Breite nach vollkommen aus und ist doppelt so lang als breit, die dritte Makel zwischen der oberen und unteren radialis ist quer oval, die vierte rund, die fünfte punktförmig, etwas undeutlich. Hinterflügel tiefblauschwarz, ander Wurzel cadmiumgelb und sparsam schwarz beschuppt. Die gelbe Färbung ist vorn bis über das erste Drittel des Vorder- rands ausgedehnt und zieht in konkavem Bogen bis ungefähr zur Spitze des Innenrandes, die Mittelzelle beiläufig im ersten Drittel durchschneidend. Spannweite 49 mm; Länge eines Vorderflügels 27 mm. Fühler schwarz, unterseits mit einer Längsreihe bläulich, weisser Schüppchen. Thorax oberseits bläulichgrau, unterwärts gelb behaart, Abdomen weiss. Afterklappen schwarz. Von Geissler in Neu-Pommern gefangen." Heller. Ribbe fing das Thier nicht. 6. Delias lytaea Grodman and Salvin. Pieris lytaea Godm. and Salv., Pr. Z. 8. 1878, p. 734, Pr. Z. S. 1879. p. 159 (o), Neu-Britain. — - C. Ribbe, Iris xj. p. 90 (1898), Taf. III. f. 4. — 36 — „9 Ausmaass 2 . 5 Zoll. Oben schwarz, ein grosser fast dreieckiger Fleck am Innenrand, der sich soweit als die Mittelzelle erstreckt, drei Flecke auf den Vorderflügeln und die basale Hälfte der Hinterflügel weiss. Auf der Unter- seite die schwarze Färbung wie oben : eine submarginale Reihe von grossen weissen Flecken auf beiden Flügeln, die Basis der Vorderflügel und die grössere Hälfte der Basis der Hinterflügel schwefelgelb, der Rest der Hinterflügel, der nicht von Schwarz eingenommen ist, weiss. Neu-Britannien." Godm. and Salv. C. Ribbe spricht die Vermutbung aus, dass lytaea G. 8., von der er auch nur 99 besitzt, das $ zu der von Heller beschriebenen Delias-krt narses sei, die er abbilden lässt. Auch die Grose Smith'sche georgiana hält er für Lokalform. In der ersten Vermuthung hat er unrecht, in der zweiten recht. 6 a. Delhis georgiana H. Grose Smith. Delias georgiana H. Grose Smith, Annais and Mag. N. Hist. ser. 6, vol. XV., p. 228 (März 1895). Grose Smith and Kirby. Rkop. Exot. II. Pap. Pier. Delias vj. f. 3, 4, cf. April 1896: New Georgia, Salomons-Inseln. Pagenstecher, Ent. Nachr. 1898p. 161: Neu-Mecklenburg,Neu-Pommern. — ■ — Ribbe, Iris xj. 1898 p. 90 (bei lytaea erwähnt). „Ausmaas 2'/< Zoll. q~' Oberseite. Vorderfliigel weiss. Costalrand und Subcostaladern schwarz, der dritte Sub- costalast breit schwarz, die Apicalzone breit schwarz, deren inneres Fnde weisslich übergössen und schief bis zum Ende des untersten Medianastes sich erstreckend, nach dem Hinterwinke] hin lino'ar werdend; zwischen den Adern nahe dem Apex sind fünf weisse Streifen, von welchen der dritte der längste und breiteste ist, die andern mehr oder weniger mit schwarzen Schuppen. Hinterflügel weiss, das äussere Viertel vom Apex zum Innenrande schwarz, die schwarze Zone in der Mitte am breitesten und ihr inneres Ende unregelmässig und mit grauen Schuppen überdeckt. Unterseite: Vorderflügel weiss, die schwarze Zone weiter ausgebreitet als auf der Oberseite, in den obern Theil der Zelle eingreifend, wo sie gegen den Grund hin mit Weiss übergössen und gelb gefärbt ist. Die obere Discocellulare ist schwarz, die Reihen der weissen Flecke am Apex sind viel grösser und deutlicher als auf der Oberseite und 6 an der Zahl, mit einem schmalen marginalen weisslichen Streifen zwischen den beiden untersten Medianästen. Hinterflügel in den basalen zwei Dritteln gelb , gegen den Apex hin in Weiss übergehend, das äussere Drittel schwarz, mit einer sub- marginalen Reihe von sechs grauweissen Flecken, in der Mitte äusserlich geeckt. Kopf und Thorax schwarz, mit langen weissen Haaren bedeckt. Adern weiss. Neu-Georgia, Salomons-Inseln. Gehört zur Gruppe von D. isse Cr. Be- schrieben nach einem einzigen Exemplar." Grose Smith. In der Ausbeute von Prof. Da hl befindet sich ein sehr schönes und frisches, gut er- haltenes Exemplar (o) aus Lowon bei Ralum, 22. Februar 1897 gefangen. Im Senkenberg' sehen naturhistorischen Museum zu Frankfurt a. M. befinden sich zwei cfcT und ein v (letzteres leider etwas geflogen, die erstem gut erhalten), von Dr. Gebhard 1879 in Ne u -Mecklenburg (N. Irland) gefangen. Die oc entsprechen, wie das Dahl'sihe Männchen, der oben angeführten Abbildung und Beschreibung von georgiana. Das 9 ist etwas kleiner als die Männchen, hat 43 mm Ausmaass. Es ist weiss mit breiten schwarzen Bändern der Vorder- fliigel und Hinterflügel auf der Oberseite (oder schwarz mit grosser weisser Discalhälfte). Am Apex der Vorderflügel zeigen sich drei kleine strichförmige weisse Flecke, von oben nach unten an Grösse abnehmend. Der schwarze Rand der Vorderfliigel erstreckt sich vom Grunde des Flügels aus , hier allmählich in den weisslichen Discus übergehend , längs der costa , in deren Mitte er am schmälsten ist, um den Apex in einer leicht geschwungenen Linie bis nahe zum Innenwinkel. Am Hinterflügel setzt er sich über das gesammte äussere Drittel bis zum Hinterwinkel fort in fast gerader Linie, nach innen noch leicht beschattet. Auf der Unterseite zeigt der schwarze Aussenrand der Vorderflügel fünf weisse Flecke, der oberste an der costa strichförmig, der zweite verlängert, die drei andern mehr rundlich. Am Grunde einige gelbe Schuppen. Hinterflügel am Grunde gelb, besonders nach dem Hinterwinke] hin, am Vorderrand allmählich verschwindend. Der Aussenrand breit schwarz bis über den Hinterwinkel: längs des Aussenrandes eine unter- — 37 — brochene Reihe weisser submarginaler Flecke (6). Kopf und Fühler schwärzlich, Brust schwarz. Hinterleib oben schwärzlich, unten weisslich. Brust unten gelblich, Beine schwärzlich. Die Beschreibung, welche Heller von seinem nastes a gibt, stimmt nicht mit r marginale, 3 (oder — 52 — 4 wenn man den am Vorderrand mitrechnet), und 6 discale ausser dem Zellfleck zeigt. Auch fehlt doretta der bläuliche Schimmer. Ich stimme daher mit Ribbe überein, dass hier eine selbst- ständige, aber nahe verwandte Art vorliegt. 2 Subgenus: Vadebra Moore 1883. 4. Euploea eborati Grose Smith. Vadebra eboraei H. Grose Smith. Annais und Mag. Nat. Hist. Vol. xjjj. (6) p. 498. Neu- Britain und Duke of York Island. „cf. Oberseite. Vorderflügel braun, mit einer subraarginalen Reihe von vier undeutlichen bläulichweissen Flecken zwischen den Adern gegen den Apex hin (bei einigen Exemplaren fehlend, bei andern verloschen ) Hinter- flügel auf den äussern Dritteln von der nämlichen Färbung am innern Drittel mit Einschluss des obern Theils der Zelle und der Theil zwischen dem obern Medianast und dem Costalrand blasser braun, zwei oder drei undeutliche sub- marginalen Flecke zwischen den Adern nach dem Apex hin (bei einigen Stücken fehlend). Unterseite: brauner als auf der Oberseite. Vorderflügel mit einem dunklen Streifen auswärts mit einigen weisslichen Schuppen bedeckt, ober- halb der Medianader von der Basis bis zwei Drittel der Länge der Raum unterhalb dieser Ader bis zum Innenrand weisslich grau; ein kleiner Fleck in der Zelle, drei oder vier unter ihr senkrecht untereinander stehend, von denen der erste und dritte die grössten und rundesten sind, und eine submarginale Reihe von sieben Flecken, welche dem Aussenrand folgen, etwas scharf gegen den Apex und Costalrand gekrümmt. Hinterflügel: ein grosser Fleck am Zellende und eine gekrümmte Reihe von sieben ähnlichen Flecken über ihr; eine submarginale Reihe von sieben Flecken zwischen den Adern, von denen der Fleck oberhalb des ersten Sub- costalastes der grösste, die andern kleiner und allmählich an Grösse abnehmend sind; drei oder vier kleine Fleckchen vor dem Aussenrand, gegen den Apex hin, die Flecke auf beiden Flügeln bläulich weiss. Das Weibchen gleicht dem Männchen, ist indess etwas bleicher auf der Oberseite, mit zwei Flecken zwischen den Adern gegen den Apex der Hinterflügel. Auf der Unterseite der Vorderflügel ist der Streifen oberhalb der Medianader des Mannes durch einen beträchtlichen grauen Fleck ersetzt. Ausmaass drei Zoll. Neu- Britannien. Duke of York Isl." H. Grose Smith. Die Art ist mir in Natur unbekannt geblieben. 5. Euploea (Vadebra) lacon H. Grose Smith. Vadebra lacon H. Grose Smith, Annais and Mag. N. Hist. vol. xjjj. ser. 6 p. 499. Neu- Britannien. „cf . Oberseite dunkelbraun, stärker als bei V. eboraei. Die Vorderflügel mit Purpur übergössen, auf ihnen zwei kleine purpurne Flecken nahe dem Apex zwischen den Adern und zwei ganz kleine submarginale F'lecke zwischen den Medianästen. Hinterflügel am Costal- und Aussenrand bleicher braun, mit zwei bläulichweissen Flecken zwischen den Adern gegen den Apex hin. Unterseite: Beide Flügel bleicher braun. Auf den Vorderflügeln einen Fleck nahe dem Zellrande, eine Reihe von fünf Flecken über dem Discus unter der Zelle, von denen die zwei obersten verlängert und einwärts gekrümmt sind, der fünfte dreieckig mit seiner Spitze nach innen gerichtet, zwei oder drei sehr kleine submarginale Flecke zwischen den Medianästen und zwei grössere Flecke nahe dem Apex. Ein sehr schmaler blasser Streifen unterhalb dem dritten Medianast, der Fleck unter der Submedianader in der Mitte grau. Auf den Hinter- flügeln ist ein Fleck nahe dem Zellende, eine Reihe von fünf Flecken die Zelle umgebend, zwei Flecke gegen den Apex hin wie auf der Oberseite und eine Reihe von schmalen Flecken zwischen den Adern ein wenig vor dem Aussen- rand, zwei Flecke in jedem Zwischenraum ; alle Flecke bläulichweiss. Das Weibchen gleicht dem Manne auf der Oberseite beider Flügel, ist aber bleicher. Auf den Hinterflügeln drei subapicale runde Flecke, mehr weisslich als die Flecke beim rf . Auf der Unterseite sind alle Flecke grösser als auf der Oberseite. <$ 23/8 9 23/8 Zoll. Neu-Britannien." Mir ebenfalls in Natur unbekannt geblieben. Subgenus Gamatoba Moore 1883. 6. Euploea (Gamatoba) cerberus Butler. E. cerberus Butler, Annais Mag. Nat. Hist. (5) vol. X. p. 40. Neu-Irland (1882). Moore, Proc. Zool. Soc. 1883, p. 263: Neu-Brit., Neu-Irland. — Pagenstecher, N. J. f. Nat. 1894, p. 74: Neu-Lauenburg. — 53 — E. cerberus Grose Smith in Novit. Zool. I. p. 341: Neu-Guinea (1894). — — Ribbe, xj. p. 96. (1898): Neu-Pummern, Neu-Lauenburg. „Röthlichbraun, mit einem leichten Broncereflex. Flügel gegen den Aussenrand hin bleicher; rf oberseits mit fünf kaum sichtbaren weisslichen Flecken gegen den Aussenrand der Vorderflüge] ; Hinterflügel mit grauer Costal- parthie; 9 mit einem weissen Fleck nahe dem Grunde des zweiten Medianzwischenraums und einer gekrümmten Reihe von sieben ziemlich grossen Flecken gegen den Aussenrand der Vorderflügel hin; Hinterflügel mit bleicher Costal- parthie und drei sich verkleinernden subapicalen weissen Flecken. Unterseite ein wenig bleicher, als die Oberseite. Vorderflügel mit einem schmalen Fleck an dem Grunde des ersten Subcostalzwischenraumes , ein anderer nahe dem Zellende und einer Querreihe von vier sich vergrössernden Flecken unterhalb der Zelle bläulich; eine äussere discale gekrümmte Reihe von acht weisslichen Flecken und eine unvollkommene Reihe von subapicalen weissen Flecken; alle diese Flecke sind beim rf' zu kleinen Punkten reducirt. Das $ hat ausserdem innere mediane weisse Streifen, auf den Hinterflügeln ist ein Fleck in der Zelle und eine gekrümmte Iieihe von fünf bis sieben kleinen Flecken unter ihr bläulichweiss, die supapicalen Flecke und eine submarginalo Reihe von Flecken (unvollkommen beim ».s-Gruppe. 1. Ein Subcostalast vor dem Zellende. a) Fühler fadenförmig: Messaras Doubl. wallacei Feld. furneri Butler (miokensis Ribbe). alexis Rothschild, , — 61 — b) Saum der Flügel stark ausgezackt, Oberseite roth oder braun ($): Cethosia Fabr. obscura Guerin. antippe Grose Smith. c) Augen behaart, d mit blauem Schiller: Terinos Boisd. madddlena Gr. Sm. d) Same gradlinig oder schwach gebogen. Oberseite braun mit schwarzen Zeichnungen : Atella Doubl. aleippe Cr. egista Cr. e) Zwei Subcostaläste vor dem Zellende. Fühler mit deutlicher Kolbe. Praecostalader an der Spitze zweispaltig: Cynthia Fabr. arsinoe Cr. (insularis Godm. and Salv.). var. lemina Ribbe. IL Fanma-Gruppe. a) Palpen dicht mit Schuppen und Haaren; Endglied kurz, eiförmig: Symbrenthia Hübner. hippoclus Cr. b) Fühler mit deutlich abgesetzter Kolbe : Junonia Hübner. veUida Fabr. var. bismarckiana H. orithyia C. c) Fühler allmählich verdickt: Freds Hübner. zelima F. (iphita). d) Palpen lang, klaffend, dicht beschuppt: Ehinopcdpa Felder. algina Boisd. e) Vollkommen offene Zellen beider Flügel. Praecostalader einfach, nach aussen ge- bogen : Doleschallia Fabr. ricJcardi Gruse Smith (Pfeili Honrath). gurelca Gr. Smith und Kirby. browni Salv. and Godm. dascylus Godm. and Salv. III. Diadema-GrTwpTpe. a) Palpen über den Kopf vorragend, auf dem Rücken mit aufstehenden Haaren. Fühler- kolben fein zugespitzt. Hinterflügel mit einfacher, nach aussen gebogener Prae- costalader: Hypolimnas Hübner. bolina L. alimena L. inexpectata Godm: and Salv. (var. fturamata Ribbe. pithöka Kirch. unicolor Godm. and Salv. lutescens Butler. misippus L. — 62 — b) HinterÜiigel am dritten Medianast in einen stumpfen Lappen vorgezogen : Mijncs Boisd. cottoms Grose Smith. (■Hiusmdos Godm. and Salv. c) Vorderfüsse der 99 nur vom 2. — 4. Gliede bedornt. 1. Mediansporn der Vorderflügel fehlend. IV. iWyfe-Gruppe. Palpen schief aufwärts gerichtet; Vorderflügel mit offner Zelle. Praecostalader zwei- spaltig, gerade. Costalader beim d" in den halben Vorderrand, beim 0 in den Aussenrand ein- mündend. Raupen mit höckrigen Warzen. Neptis Fabr. venilia L. nemeus de Nie. praslini Boisd. lactaria Butl. eblis Butler. consimilis Boisd. 2. Mediansporn an den Vorderflügeln vorhanden. V. Limewife-Gruppe. a) Palpen schnabelartig vortretend, Hinterflügel mit stumpfem Lappen des Hinter- randes und kurzem Schwänzchen an M3. Cyresüs Boisd. fratercula Godm. and Salv. adaemon Salv. and Godm. b) Praecostalader hinter der Subcostalis abgezweigt, an der Spitze zweigablig: Par- thenos Hübner. sylvia (var. couppei Bibbe). c) Subcostalader 3 hinter der Flügelmitte abgezweigt. Costalader der Hinterflügel so lang als die costa, der Subcostalader sehr genähert. Praecostalader einfach, nach einwärts gebogen, am Ursprung der Subcostalader aufsteigend. Zellen aller Flügel offen: Phaedyma Felder. pisias Godm. and Salv. fissizonata Butler. amplicata Butler. VI. Eathalien-Grapye. Medianader der Vorderflügel am Grunde mit kurzem Sporn. Praecostalader nach der Ab- trennungsstelle der Subcostalader abgezweigt. Vorderfüsse der 9$ vom zweiten bis vierten Glied bedornt. Raupen mit befiederten Dornen. a) Untere Discocellulare (wenn vorhanden) die Mediana kurz nach dem zweiten Aste treffend. Palpen gelbbraun: Euihalia. thieli Ribbe. rugei Ribbe. — 68 — b) Untere Discocellulare die Mediana weit nach dem Ursprung des zweiten Astes treffend. Palpen gelbbraun : Symphaedra. aeropus L. B. Raupen glatt, nur am Kopfe mit Hörnern oder mit kurzen Stacheln besetzt. Schwanzspitze zottig. 1. Mediansporn der Vorderflügel fehlend. VII. A/Kihn-i ii-(ivu\)\)r. Flügelzellen geschlossen: Apaturina Hühner. erminea var. neopommerana Hagen. 2. Medianader der Vorderflügel am Grunde mit langem Sporn. VIII. Nymphtdis-Qr\\\)])e. a) Am ersten und zweiten Medianast der Hinterflügel Schwänze: Charaxes Ochs. latoiia Butler. Jupiter Butler. b) Hintertlügel am dritten Medianast stumpflappig vorgezogen: Frothoe Hübner. austrdlis Gu6r. layardi Godm. and Salv. Gattung Messaräs Doubl. (Schatz p. 116.) (Cupha Billberg.) Diese Gattung umfasst bräunlich gelbe, am Apex der Vorderflügel schwarz gefärbte Tag- falter von mittlerer Grösse mit fadenförmigen, fast kolbenlosen Fühlern, aufgeblasenen kurz be- haarten Palpen mit zugespitztem kurzem Endglied. Die Vorderflügel haben eine kurze, breite, geschlossene, die Hinterflügel eine offene Zelle. Die hierher gehörigen Schmetterlinge sind schwache Flieger und über einen grossen Theil des indoaustralischen Gebietes verbreitet von Ceylon bis China. Es gehören nur wenige Arten hierher, von denen im Bismarck-Archipel sich drei (?) gefunden haben. Die Verwandlungsgeschichte ist noch unbekannt. Messaräs turnen Butler. M. A. Butler, Annais Mag. N. H. (4) XVjjj. p. 244 (1896), Mysol. Dorey; Pot Moresby. „Flügel im basalen Theil rothbraun, der centrale wird eingenommen von einer breiten, scharf begrenzten, glänzend gelben Binde (von der Costa der Vorderflügel zum Abdominalrand der Hinterflügel), zuweilen einen schwarzen Fleck auf dem ersten Medianzwischenraura der Vorderflügel einschliessend ; Annexparthie breit schwarzbraun mit zwei kaum sichtbaren submarginalen schwarzen Linien. Flügel unterseits in der Mitte stehend zwischen M. prosope und M. madestvs, an der basalen Parthie schmutzig grau (nicht mit braun gerandet), äussere Parthie rothbraun, unter- brochen durch eine discale Reihe schwarzer Flecke, die von weissen Möndchen auf jeder Seite eingerahmt sind, eine submarginale Reihe weisser Möndchen, eine nahezu marginale gelbliche Linie ; Körper oben braun. 2 Zoll 5 — 6 Linien. Ein Exemplar von Mysole ist etwas bleicher als die von Dorey." Butler. Ich glaube nicht zu irren, wenn ich die Butlersche turneri für identisch halte mit der von mir (X. J. f. Xat. 1894, p. 75) als Messaräs sp.V von Xeu-Pommern beschriebenen Form, welche Hagen (X. J. f. X. 1897, p. 83) als M. turnen Butler von Xeu-Gninea und als insulare Varietät von Herberthöhe und C. Ribbe (Iris 1898, p. 112) als miokensis Ribbe von Xeu-Lauen- — 64 — bürg, Neu-Pommern und Xeu-Mecklenburg aufführt und mit melichrysos vergleicht. Die Beschreib- ungen, welche ich sowohl (1. c.) als C. Ribbe (1. c.) von der Art aus dem Bismarck-Archipel geben, lässt diese Deutung wohl zu. Das Gleiche gilt von Messaras alexis Rothschild. Cupha alexis Rothschild, Nov. Zool. V, p. 109 (1898), New- Britain, Neu-Irland. Das basale Drittel bleicher nussbraun als bei M. turnen' und das centrale orangebraune Band ebenfalls bleicher, aber breiter und auf den Hinterflügeln weniger gekrümmt. Auf der Unterseite ist die dunkle äussere Parthie mehr zusammen gewickelt. Auf den Vorderflügeln ist das innere Ende der dunklen Parthie unten vertical. Auf den Hinterflügeln sind die Flecke in dem dunklen äussern Band näher dem Rande und unten quadratisch. Ausmaass cf 2'/s 9 %*!* Neu-Britain. Neu-Irland. Nahe verwandt mit M. lurneri und hyelitis Grose Smith; kleiner als die erstere Art." Wahrscheinlich fällt alexis mit unserer Art aus dem Bismarck-Archipel zusammen. Ich lasse daher meine ursprüngliche Beschreibung folgen : „3" 40 mm. Grundfarbe aller Flügel ein feuriges rothbraun, das in Form einer Mittelbinde sich zeigt, die von '/a des Vorderrandes, nach innen concav, zum Innenrande zieht. Der Aussenrand aller Flügel ist breit schwarz, der Flügelgrund licht bräunlich beschattet. Unterseite hellgelblich, röthlichbraun. Auf den Vorderflügeln wird eine Reihe von sechs schwarzen , auf den Hinterflügeln eine solche von sieben gelbroth um- zogenen Flecken durch eine oeilgraue, etwas gewellte schmale Querbinde sowohl nach aussen als nach innen begrenzt, die äussere nach aussen durch eine schwärzliche Fransenlinie eingefasst. Fransen bräunlich. Auf den Vorderfiügeln setzt sich vom Vorderrande bis zur Mitte sich hier verschmälernd die innere Beschattung der oeilgrauen Binde in den Flügelgrund hinein fort. Antennen bräunlich , Hinterleib oben braun, unten hellgelb. Beine röthlichgelb." Pag. Ich gab der Art keinen neuen Namen, weil ich vermuthete, dass sie bereits beschrieben sei. Von Neuhannover (Webster 1897) liegen zwei Exemplare aus dem v. Rothschild' scheu Museum in Tring vor. Messaras wallacei Felder. M. W. Felder, Reise Nov. Lep. III., p. 390 Nr. 570 (1867) Grilolo; Godman and Salvin, Proc. Zool. Soc. 1879 p. 157, New Ireland. Diese in Natur mir unbekannte Art wird beschrieben wie folgt: cf. Flügel oben bräunlich, mit einer hellergelben discalen Binde, die auf den Hinterflügeln abnimmt, nach innen verwaschen und nach aussen mit helleren undeutlichen Möndchen versehen ist, mit dunklerem Rande, zwei sub- marginalen Fleckenstreifen, auf den Vorderflügeln mit vier verwaschenen gelblichen Flecken, die nach innen schwärz- lich eingefasst sind, die beiden obern zwischen der Subcostalader und der unteren Discoidalis nach innen von einem röthlichbraunen verwaschenen Fleck begleitet, mit einem kleinen Fleck unter der untern Discoidalader und einem grossen subanalen diffusen schwarzen Fleck. Auf den Hinterflügeln mit rundlichen schwarzen Aussenflecken. Die Flügel auf der Unterseite gelblichbraun, mit bleicher schmaler Binde, nach innen schmal und unterbrochen röthlich gerandet, auf den Hinterflügeln nach aussen gleichmässig ausgebuchtet, am oberen Rande viel blasser und durch vor- marginale Streifen getheilt. Die Vorderflügel mit weissen Randflecken, innerhalb welchen eine Reihe von sechs kleinen schwarzen Flecken und innerhalb dieser mit sechs andern gelben. Die Hinterflügel mit sieben äusseren grösseren röthlichgelben Flecken mit schwarzen Pupillen, nach innen mit hellen Möndchen umgeben, nach aussen diffus weisalich. In Flügelform der madetes Hew., in Färbung der myroniäes am ähnlichsten." Gattung Cethosia Fabr. (Schatz p. IIb.) Die zur Gattung Cethosia gehörigen , im indoaustralischen Gebiete weit verbreiteten Schmetterlinge stellen grosse, auf der Oberseite zumeist rothbraun gefärbte, mit dunklen Rändern versehene, auf der Unterseite sehr bunt in Zickzackmustern gezeichnete Tagfalter mit stark aus- gezahnten Flügeln dar. Sie haben eine nach aussen gerichtete Präcostalader, geschlossene Hinter- flügelzellen, dicht behaarte Palpen und allmählich verdickte, schwach zugespitzte Fühlerkolben. Die Raupen leben auf Pasisfloren, sind cylindrisch mit farbigen Bändern und feinen Dornen auf den Ringen, auf dem Kopf mit Höckern. Die Puppen sind braun . unregelmässig gebildet , mit kleinen Fortsätzen. Aus dem Bismarck-Archipel sind zwei Arten bekannt : — 65 - Cethosia obsaira Guerin. G obsaira Gruerin, Voy. Coq. Zool. p. 277, T. 15 f. 4 (1829), Neu Irland. — Boisduval, Voy. Astr. p. 111 (1832); Godman and Salvin, Proc. Zool. Soc. 1879, p. 157: Newlreland; Butler, Pr. Zool. Soc. 1874, p. 283: Newlreland; — — Ribbe, Iris xj.. p. 110 (1898): Neu-Mecklenburg. „Flügel gerundet, gezahnt, braunschwarz , mit einer Reihe submarginaler, grosser gelblicher Flecke; unten bräunlich mit einem submarginalen, weisslichen Bande, das nach aussen gezahnt ist. Die Vorderflügel gelblichbraun bis über die Mitte." Boisd. C. Ribbe erhielt nur wenige Exemplare aus Neu-Mecklenburg durch Eingeborene. Er macht auf den eigenthümlichen graufahlen Farbenton sämtlicher Flügel aufmerksam, der die Thiere abgeflogen erscheinen lässt, wie auch die von antippe abweichenden weissen Binden der Flügelpaare. Aus dem Senckenberg' sehen Museum in Frankfurt liegt mir ein von Dr. Gebhard 1879 gefangenes Exemplar vor. Die Grundfarbe der Oberseite der Vorder- und Hinterflügel ist ein schmutziges Rothbraun, nicht wie bei antippe bläulich samtschwarz, die weissgelblichen Flecke (ü) der Vorderflügel, die von nahe dem Apex zum Innenwinkel ziehen, oben verlängert, unten mehr rundlich sind, sind verloschen, die auf den Hinterflügeln sind deutlicher (7), fast quadratisch. Die Unterseite erscheint ebenfalls gegen die lebhafte Färbung von antippe wie abgeblasst, die Flecke der Vorderflügel, wie die der Hinterflügel viel schwächer entwickelt, schmutzig gelblich gefärbt; der Grund der Vorderflügel ist mattröthlich, der der Hinterflügel dunkelbraun. Obscura ist jedenfalls, wenn nur Lokalvarietät, doch eine sehr auffallende. CetJiosia antippe Grose Smith and Kirby. Gtithosia antippe Grose Smith and Kirby Rhop. Exot. Nymph. Ceth. L, f. 1 und 2, p. 1 (1889), New-Britain. — Ribbe, Iris xj. p. 110: Neu-Pommern, Neu-Lauenburg, Neu-Hannover. „Ausmaass 32/s Zoll. $ Oberseite. Beide Flügel bräunlichschwarz purpurn Übergossen, mit einer breiten Reihe weisser Plecke; die Reihe der Vorderflügel besteht aus sechs Flecken, welche eine gekrümmte Linie um die Mitte des Discus bis nahe zum Hinterwinkel bilden, wo eine schmale weisse Linie sich am Innenrande findet. Die drei ersten Flecke sind verlängert, die andern beinahe viereckig, alle etwas nach aussen ausgedehnt. Die sechs weissen Flecke, welche die Reihe auf den Hinterflügeln bilden, sind nahe dem Rande, viereckig und nach aussen ver- längert, auch etwas nach innen, eine schmale weisse Linie vor dem Afterwinkel; die basale Hälfte des Costalrandes breit blass röthlichbraun , die äusseren Ränder beider Flügel schmal weiss zwischen den Adern. Unterseite: Basale Hälfte beider Flügel glänzend röthlichbraun, äussere Hälfte dunkel braungrau. Vorderflügel mit zwei schwarzen Flecken nahe der Subcostalader gegen den Grund hin, unter welchen zwei Streifen, welche beinahe die Zelle kreuzen, von der subcostalis aus und auf welche am Ende und unter der Zelle ein grosser schwarzer Fleck folgt, der durch zwei un- regelmässige graue Linien durchsetzt wird, eine auf jeder Seite der Discocellularader; ein runder schwarzer Fleck zwischen den mittleren und untersten Medianästen und Andeutungen von andern Flecken in der rothen Parthie ; die Aussenhälfte wird durchkreuzt von der Reihe weisser Flecke wie auf der Oberseite, welche aber grösser und an den Rändern mehr verlängert sind. Hinterflügel mit zwei oder drei Flecken am Grunde, und einer doppelten Reihe von etwas unregelmässigen schwarzen Streifen vorn nahe dem Grunde vom Costalrande zum Innenrande etwas vor der Mitte, die Streifen unter der Zelle sowohl an der obern Reihe innerseits, als in der untern Reihe ausserseits leicht braungrau begrenzt; zwei unregelmässige Reihen von Streifen und Flecken um den Discus einer vor dem andern, unter der Mitte, der letzte gerade vor der innern Ecke der Reihe weisser Flecke, welche schief nach aussen verlängert sind. Aussenränder beider Flügel zwischen den Adern weiss. Nahe bei obscura Guerin, aber verschieden sowohl in Färbung, als in der grösseren Ausdehnung der Reihe weisser Flecken auf beiden Flügeln und ein runderer Flügel- schnitt." Grose Smith. In der D ah Tschen Ausbeute befinden sich mehrere Exemplare. Dieselben sind bei Ralum gefangen: 2. Januar 1897. 21. Januar 1897. 22. Januar 1S97. Zoologica. Heft 27. :i — 86 — C. Ribbe fing die Art vereinzelt auf Mioko, sowie in den Uferwaldungen bei Kinigunang. Die von Neuhannover erhaltenen Exemplare stimmen, wie Ribbe sagt, mit antippe von den beiden genannten Lokalitäten überein. Dies wird durch die mir aus der v. Rothschild'schen Sammlung von Neu-Hannover vorliegenden Stücke (Februar, März 1897 Webster) bestätigt. Die subcostale röthliche streifige Färbung der Hinterflügel ist verschieden stark entwickelt. Gattung Terinos Boisd. (Schatz, p. 115.) (Trosse, besonders heim d mit blauviolettem sammtartigem Schimmer geschmückte Tag- falter mit behaarten Augen, gesägtem Vorderrand der Vorderflügel, kleiner Zelle der Hinter- fliigel, welche bei beiden Geschlechtern durch eine feine, zwischen dem ersten und zweiten Median- ast mündende untere Discocellulare geschlossen wird. Die dö besitzen eine eigenthümliche Haut- falte zwischen dem dritten Medianast und der untern Radialis und die Medianäste der Vorder- flügel sind stark mit Duftschuppen (filzartige Bekleidung als geschlechtliche Auszeichnung) be- setzt. Die Gattung ist über den malayischen Archipel und Neu-Guinea verbreitet und im Bis- marck-Archipel vertreten durch Terinos maddelena Grose Smith and Kirby. Taf. IL f. 4. Terinos maddelena H. Grose Smith and Kirby. Rhop. Exot. IL Nymph. Terinos L. p. 1. f. 1, 2 o (1894). „Ausmaass 23/4 Zoll, (f Oberseite. Vorderflügel schwarz, mit einer hellglänzenden purpurblauen subcostalen und subapicalen Binde. Sie beginnt bei 2/s der Flügellänge und ist am Apex am breitesten. Hintcrflügel schwarz, die Mitte ausgefüllt von einem breiten purpurblauen Fleck, welcher von zwischen den Acsten der Subcostalader sich über das Ende der Zelle erstreckt und über den Discus bis zum Hinterrand; gegen den Analwinkel hin ist er orange- gelb begrenzt. Die Basis, die costa, die Apicalhülfte und der Innenrand der Hinterflügel sind alle breit schwarz Unterseite röthlichbraun mit queren grauen Flecken , welche auf den Hinterflügeln blau und deutlicher werden, wo sie nicht weniger als acht sind, die zwei an der Basis kurz und weniger deutlich als die andern, ausgenommen die submarginale Linie, welche sich zickzackförmig vergrössert; zwischen der fünften und sechsten Linie ist eine Reihe von braunen Flecken. Körper oben schwarz, Palpen und Unterseite des Gesichtes grau, Tibia und Tarsen gelblich. Hinterflügel regelmässig gezahnt. Vaterland Matava." II. Grose Smith. In der Dahl'schen Ausbeute befinden sich mehrere Exemplare. Ein Pärchen ist in Paarung gefangen 11. März 1897. Bei dem 9 geht das Blau der Vorderflügel nicht wie bei beim o längs des obern Theils der costa , sondern es nimmt den Apex ein und geht längs des obern Aussen- randes, wie über den untern Vorderrand und ist auch auf den Hinterflügeln verbreitet. Das 9 hat keine Filzstreifen, ist aber sonst dem V ähnlich. Der Vorderrand und Aussenrand der Vorder- flügel ist schwarz mit etwas helleren Marginalstreifen. Der Apicaltheil des Vorderflügels ist vinlettblau Übergossen, von der Mitte der costa bis zum Hinterwinkel. In der Mitte dieser Färbung verläuft eine gekrümmte schwarze Linie; am Apex steht nach aussen von ihm ein verloschener weisslicher Fleck. In der Mitte der Mittelzelle erscheint ein gleicher violettblauer Schimmer. Die Hinterflügel sind am Vorderrand und Hinterrand schwarz. Der Aussenrand ist oben dunkel und geht, allmählich heller werdend, gegen den Afterwinkel bis ins Ockergelbe über. Ein violett- blauer Schimmer überzieht vom Grunde an. anfangs spitz und nach dem Aussenrande hin breiter werdend, in dreieckiger Form die Flügel, ähnlieh wie beim o. Längs des Aussenrandes eine schwärzliche gewellte , schmale Binde. Die Unterseite entspricht der des ö\ Durch die Güte des Herrn von Rothschild und Dr. Jordan liegt mir auch ein sehr schönes d von Neu-Hannover vor (1. März 1897 Webster). Dasselbe ist nicht verschieden von dein : : von Neu-Pommern. — 67 — Gattung Atella Doubl. (Schatz, p. 117.) Zur G-attung Atella gehören mittelgrosse, zumeist gelblichbraun gefärbte Schmetterlinge mit kolbigen Fühlern , stark aufgeblasenen behaarten Palpen , schmalen Zellen der Vorderflügel und geschlossenen Zellen der Hinterflügel, welche gewöhnlich auf der Unterseite perlmutterartigen Glanz und zwei Augennecke zeigen. Die Raupen sind cylindrisch mit verzweigten Dornen, die Puppen sind hängend, kolbig, bedornt. Die Gattung findet sieh im indoaustralischen Gebiet, aber auch in Afrika und Madagascar. Atella alcippe Gramer. Atella alcippe Cramer, P. E. IV. T. 389, f. G. H. (1782). var. arruana Felder, Wien. Ent. M. IV. p. 23(3 Nr. 84 (1860). Marshall and de Niceville, Butt. Ind. II. p. 31. — — Hagen, N. J. f. N. 1897, p. 83: Herbertshöhe. var. cervina Butler, Pr. Zool. Soc. 1876, p. 767, Taf. 77, Fig. 5. — Ribbe, Iris xj. p. 114: Xeu-Lauenburg, Xeu-Pommern. de Niceville and Martin, J. As. Soc. Bengal, Vol. 64 p. 460: Sumatra. Der gelbbraune Schmetterling hat einen schmalen schwarzen Vorderrand und bunten schwarzen Aussenrand. sowie einzelne dunkle Streifchen der VorderHiigel. Die Hinterflügel haben einen breiten schwarzen Aussenrand, eine gewellte submarginale Binde und schwarze Punkte und Strichelchen. Die Unterseite der VorderHiigel ist gelbbraun mit einzelnen gewellten schmalen Binden.streifen und einem schwarzen quadratischen Fleck am Aussenwinkel. Die Hinterflügel sind gelbbraun mit submarginaler, nach innen heller eingefasster gewellter schmaler Randbinde nebst einzelnen schwarzen Punkten und schwärzlichen Strichelchen. Zwei Stücke in der Dahl'schen Ausbeute sind im Walde bei Wunamarita 11. März 1897 gefangen. C. Ribbe bezeichnet die wenigen von ihm gefangenen Stücke von Xeu-Pommern und Neu-Lauenburg als cervina Butler und sagt, dass arruana Felder, welche Hagen in Herbertshöhe erhalten haben will, anders gezeichnet sei. Atella egista Cramer. A. egista Cramer. P. E. III. T. 281 f. C. D. (1782.) — — Godman and Salvin, Proc. Zool. Soc. 1879, p. 652: New Ireland. — Röber, T. v. E. Bd. 34 p. 303 (1891). Ceram, Goram. — — C. Ribbe, Iris xj. p. 114 (1898), Shortlands-Inseln. Die Godman' sehen Exemplare variiren nach diesem Autor von den typischen von Ceram und von Amboyna und von Cramer's Figur dadurch, dass die submarginale Reihe der schwarzen Flecke der HinterHügel fast verloschen ist. Bei einem mir aus der v. Rothschild' sehen Samm- lung vorliegenden Exemplar von Neu-Hannover (März 1897 Webster) sind diese submarginalen schwarzen Flecke der Hinterflügel (5) sehr klein. Gattung Cynthia Fabr. (Schatz, p. 116.) Diese Gattung enthält grosse Arten mit nackten Augen, schwach aufgeblasenen, behaarten Palpen. Die Männer sind orangebraun , die Weiber mehr grünlich gefärbt und auf der Rück- seite mit Augenfiecken geziert. Die Hinterflügel sind zwischen dem zweiten und dritten Medianast zu einem kleinen Zahn ausgezogen, die Zelle der VorderHiigel ist zart geschlossen, die der Hinter- — t38 — [lüge] orten. Die Arten .sind über das indoaustralische Gebiet verbreitet. Die Raupen sind cylin- drisch. Der Kopf mit zwei grossen dornigen Hockern, die Leibesringe ebenfalls mit Höckern ver- sehen, von denen verzweigte Dornen ausgehen. Die Puppe ist unregelmässig mit zahlreichen Fortsätzen. Von der Raupe von Cynthia sapor Godman and Salvin von den Shortlands-Inscln und Salomonen sagt C. Ribbe (Iris vjjj. p. 114, Taf. III f. 1, 2 (1895), dass sie auf Gebüschen gesellig lebe und an Fanesso-Raupen er- innere. Sie ist schwarz mit gelben Rückenstreifen, rothen Beinen und sechs Reihen von zum Theil rothen Dornen, welche mit ganz kleinen schwärzlichen Aestchen bedeckt sind. Von den Dornen sind vier Reihen roth mit schwarzen Spitzen, die beiden Seitenreihen gelb mit schwarzen Spitzen. Die merkwürdig gestalteten Puppen kommen in grüner und gelblichbrauner Färbung vor. (Nach der Abbildung haben sie flügeiförmige Fortsätze.) Raupen und Puppen sind sehr lebhaft. ( 'ynthia arsinoe Gramer. G. «. Gramer, Pap. Exot. IL T. 160 f. B. C. o (1779). — — Godman and Salvin, Pr. Zool. Soc. 1878, p. (346: Neu-Guinea. — — Röber, T. v. E. Bd. 34. p. 202. Ceram, Flores, Kisser, Bonerate, Goram. § juliana Cramer DI. T. 280 f. A. B. (1782) Amboyna. G. dejone Ericbson, Nov. Act. Ac. N. Cur. xvj. Suppl. t. 50 f. 2. Luzon (1821). — — Distant, Rkop. Mel. p. 148 Nr. 1 pl. x, f. 1 d" 2 9 (1881). C. erota Fabr., Ent. Syst. III. p. 76 Nr. 237 (1793) Silhet. Vanessa arsinoe Montrouzier, F. de l'isle de Woodlark 1857, p. 127. — juliana, idem 1. c. p. 120, Butler, Pr. Z. S. 1874, p. 284: Woodlark (arsinoe?). 0. erotoides de Niceville, J. As. Soc. Bengal Vol. 64 p. 403: Sumatra. C. insularis Godm. and Salv., Pr. Zool. Soc. 1877, p. 143; 1879, p. 157, Neu-Irland. — — Pagenstecher, N. J. f. N. 1894, p. 37, Neu-Pommern; Hagen, N. J. f. N. 1897, p. 83: Neu-Guinea. — - C. Ribbe, Iris xj. p. 113. C. dejone Er. de Niceville and Elwes, J. As. Soc. Bengal Vol. 66 p. 684 : Sumbawa, Sumba beschränken arsinoe Cramer auf die Molukken und Neu-Guinea und führen ('. austrosundana Frühst. (Soc. Ent. 1897 Nr. 7 = subsp. von erota Fabr.) als besondere Art von Lombok, W.-Sumbawa, Sumba an. „9. 4 . 4 Zoll. Eine insulare Rasse von juliana von Amboyna, hauptsächlich verschieden durch die Stellung des weissen Randes, welches bei juliana die Hinterfliigel auf der Innenseite der Augenflecke schneidet; bei insularis schneidet dieses Band durch, und auf der Aussenseite der Ocellen und zwischen ihm und dem Aussenrand des Flügels sind zwei submarginale dunkle gewellte Linien, getrennt durch weisse Möndchen. Die allgemeine Färbung der Basis der Flügel ist reich braun, ohne grünlichen Anflug; unten ist das Hauptband, welches die Hinterflügel kreuzt, gerade und breiter als bei juliana und dunkelbraun an Stelle von Schwarz." Salv. and Godm. Cyethia arsinoe ist eine weit verbreitete Art, welche je nach der Lokalität, wo sie vor- kommt, ein verschiedenes Gewand mit abweichenden Zeichnungen annimmt. Die Raupe von C. arsinoe ist bei Ribbe, Iris X. Taf. vjj. f. 9. 10 abgebildet. Sie ist schwarzweiss punktirt mit Dornen; die Stigmen liegen in weissen Flecken; weiss sind auch der Einschnitt hinter dem Kopf und eine Linie am After. Die Puppe ist eintönig graubraun mit mehreren Goldfiecken. — Die Raupe von dejone ist bei Semper, Phil. Tagf. auf Taf. A. abge- bildet. Sie ist licht bläulich milchfarben mit verzweigten, theils röthlichen , theils gelblichen Dornen und zwei Fortsätzen auf dem Kopf. Die braune nackte Puppe trägt füigelförmige Fortsätze. Cynthia arsinoe var. lemina Ribbe. Ribbe, Iris xj. p. 113: Neu-Mecklenburg. — 69 „Tcli erhielt durch einen Eingeborenen mehrere Stücke dieser Art, sowohl Männer als Weiber von dem nördlichsten Ende von Neu-Mecklenburg , aus der Gegend, die auf der Karte als Nauvan bezeichnet ist. Mann und Weib zeichnen sich auffallend durch Grösse von ihren Verwandten aus. Die Zeichnung der Oberseite der Vorderflügel des Mannes ist stets ausgeprägt, die schwarzen Punkte und Striche sind sehr gross und tiefschwarz. Die Hinterflügel haben da, wo bei irmdaris nur eine schwach angedeutete Strichbinde steht, eine stark ausgeprägte Fleckenbinde, diese Flecke sind unregelmässig geformt. Das Analauge ist sehr gross und sehr dunkel. Die Unterseite ist hellbraun, ähnlich wie bei sapor Godm. and Salv. von den Salomons-Inseln gefärbt. Das Weib ist ähnlich denen von insularis gezeichnet. Der Hauptunterschied ist der, dass die Oberseite der Hinterflügel hellbraun gefärbt ist, und dass die schon beim Manne erwähnte Aussenrandsfleckenbinde vorhanden ist und nicht wie bei ähnlichen Arten aus einer zusammenhängenden Kinde besteht." Herr C. Ribbe hatte die Güte mir diese Varität zur Ansicht zu senden. Das 3 hat 92 mm, das $ 85 mm Ausmass. Beide stimmen mit der obigen Beschreibung überein. Aus Neu-Hannover (Februar, März 1897 Webster) liegt mir aus der v. Rothschild'schen Sammlung ein Pärchen vor, das der Ribbe'schen Beschreibung entspricht. Gattung Junonia Hübner. (Schatz, p. 125.) Mittlere, meist dunkelgefärbte, in den Geschlechtern wenig verschiedene Schmetterlinge mit nackten Augen, kurzen, plötzlich abgesetzten Fühlerkolben, schwach behaarten, bezw. be- schuppten Vorderfüssen, vorderseits schwach beschuppten, auf dem Rücken des Mittelglieds mit Haarschopf versehenen Palpen, offener Zelle der Hinterflügel; auf der Rückseite mit Augen. Die Raupen tragen auf dem Kopf und den übrigen Segmenten Dornen. Die Gattung ist über die drei grossen tropischen Faunengebiete verbreitet, besonders aber in Indoaustralien. Im Bismarck-Archipel finden sich zwei Formen. Junonia orithya Linnö. P. 0. Linne, Mus. Ulr.. p. 278; Gramer, P. E. T. 19 f. C. D. T. 32 f. E. F. (1775), T. 290 C. D., 281 E. F.; Donovan Ins. China pl. 37 f. 1; Butler, Cat. Diurn. Lep. Fabr. p. 73; Röber, T. v. E., Bd. 34, p. 304: Bonerate, Key. Flores. Junonia oeyale Hübner, de Nieeville and Elwes, J. As. Soc. Bengal Vol. 66, p. 686 : Lombok, Sumbawa, Sumba. de Nieeville and Martin, J. As. Soc. Bengal Vol. 64, p. 407 : Sumatra. var. waUacei Distant, Rhop. Mal. p. 95, T. xj. f. 3 cf. var. neopommerana Ribbe, Iris xj. p. 116: Neu-Pommern. Neu-Mecklenburg. C. Ribbe gibt seinen von Xeu-Pommern (Kinigunang) stammenden Exemplaren, da sie von der Stammart (wie es übrigens diese Art mit den verschiedenen Lokalitäten liebt) abweichen, den obigen Namen: neopommerana und beschreibt sie: „0 . Der braune Fleck auf der Oberseite an der Spitze der Vorderflügel ist bei neopommerana grösser als bei der Stammart (woher? P.) Die Unterseite der Flügel ist sehr lebhaft gezeichnet. Die Grundfarbe der gesammten Unterseite (d. h. der Vorderflügel) ist rostbraun. Die Ocellen sind grösser und breit braun umrandet. Die schwarzen Flecken, welche längs der durch das eine Auge getrennten, gelblichen Vorderrandsbinde nach innen zu stehen, sind nicht getrennt wie bei der Stammart, sondern fliessen in eine gekrümmte Linie zusammen. Auf der Oberseite (soll heissen Unterseite!) der Hinterflügel folgt auf den beinahe weissen Rand mit feinen Linien eine nach aussen ausge- buchtete, nach innen gerade, rothbraune Region, in welcher die hellbraunen geränderten Augenflecke stehen. Hieran schliesst sieh, gleichlaufend mit der braunen Region, eine schmale gelblichweisse, gerade Binde, die von dem Vorder- rand beginnend, in eine Spitze nach dem Innenrand verläuft. Weib: Die Gesammtfärbung ist rothbraun mit wenig Verdunkelung nach der Wurzel zu. Die längs des Aussenrandes laufende schwarze Linie ist schärfer als bei der Stammart ausgeprägt, die Augenflecke der Hinterflügel sind oval, die Augen lila mit weissem Punkt. Die Unterseite der Flügel ist ebenso wie bei dem Manne gefärbt. Alle Zeichnung ist geradlinig und nicht wie bei der Stammart — 70 — Die braune Binde der Hinterflügel ist breiter als bei dem Manne, auch ist die Gesammtfärbung der Flügel mehr rothbraun. Vergleicht man var. ntopommtrana mit der Stammart. so wird man, vor allem, wenn man Unters n Betracht zieht, es wohl gerechtfertigt finden, dass das Thier einen Namen als Lokalform erhält." Ribbe. Per in der Da hl' sehen Ausbeute vorhandenen Falter (c i dieser Art kommt der von erat als var. waüacei abgebildeten und beschriebenen Lokalrasse sehr nahe. Er ist gefangen 14. Mai 1896 am Strand bei Ralum . und stimmt nicht ganz mit der Beschreibung Ribbes von seiner Varietät: die Grundfarbe der Vorderfliigel oben ist sammtschwarz. die Costa ist gelblich- weiss: am Ende des ersten Drittels derselben zwei kleine rothbraune Streifenflecke. Das etwas hellere Apiealdreieck wird durch eine rahmtarbene unterbrochene schiefe Querbinde abgetrennt, die an der eosta aus vier durch die Adern getrennten Flecke besteht, am Aussenrand aus zwei länglichen Streifendecken, deren äusserster sich nach dem Apex zu in eine Fleckenbinde gleicher Färbung - ts t ::t. Zwischen dieser, welche nach aussen und innen schwärzlich gerandet ist. und der schiefen Querbinde liegt ein grosser ovaler rostbrauner Fleck, in welche ein oberer weiss- licher und ein unterer schwarzer Fleck (Andeutung des Ocellus). Die Hintertiügel sind blau, lebhaft purpurn schimmernd, am Grunde schwärzlich mit rahmfarbenem Aussenrande, in welchem drei parallele gewellte Randlinien. Nahe dem Afterwinkel ein ganz kleiner schwarzer Augen- fleck. Die Unterseite ist der R i b b e 'sehen Beschreibung fast gleich. Stücke von Sumba sind an '■5 mm Aussen) gleich, haben mehr weissgelb und weniger rothbraun am Apex der Vorder- gel und deutlicher obere, undeutlicher untere Augenflecke. Auf den Hinterdügeln ein schwarzer oberer und rostbrauner, schwarz gerandeter, blauschwarz centrirter unterer Augenfleck am Hinterwink- . Die Raupe dieser auf trocknen sandigen grasigen Plätzen fliegenden Art ist dunkelpur- purbraun : jedes Glied trägt kurze Dornen und zwei laterale Reihen kleiner, gelber Flecke. Die Puppe ist gelblich, dunkelbraun gedeckt. Die Raupe lebt auf Antirrhinum orontium. Forsayeth Tr. Ent. Soc. Lond. 1SS4. p. 382) fand sie auf kleinen Labiaten. .Der Kopf und Leib ist nach ihm tief dunkelschwarz, in"s bräunliche schimmernd. Der Xacken ist gelblich orange, der Körper mit aufgerichteten Dornen mit starken radialen Haaren besetzt. Der Kopf zweispaltig, mit einem rötlichen Fleck im Centram der Stirn, ein kleiner Dornfortsatz auf jeder Seite. Die Puppe ist am Schwanzende auf- gehängt gelblich an den Flügelscheiden, sonst purpurfarben mit rahmfarbenen Linien." illiila Fabr. P. rülida Fabr., Mant. Ins.. p. 35 Xr. 366 (1787), Donovan. Ins. New Holland, pl. 25 18 ■ .Alis dentatis fuscis: fascia postica fulva. ocellis duobus." R ;-". Ent Syst III. p. 91 Nr. 283 17 — — Butler. Proc. Zool. Soc. 1^-74. p. 181: Vauua Valava, Ovalu, Navigator Islands: 1875, p. 620: Fiji. /. - dman and Salvin. Proc. ZooL Soc. 1877, p. 144: Duke of York Island: 1878, p. 646: Xeu-Guinea. — — Semper. J. Mus. Godef. XIV. p. 13 1878), Australia, Xeu-Caledonia. Salomons- Inseln. Sam^a. Yap. — — Mathew. Lii Hist. Austr. Lep., Trans. Ent. Soc. 1888. p. 140 pl. vj. f. 1. — — Ruber. Tijd. v. E. Bd. 34. p. 304: Letti (1894). — — Pf.. er, X. .T. f. X. 1894, p. - — 71 — .1 ' alle an^ 8 . - p. 407 : Sumatra. — — G-rose Smith. Nov. ZooL I p. 40: Australia. Tasmania. Fij: var. bii Hagen. X. J. f. X. 1897. p. - tu. — — RIbbe. Iris xj. p. 115: Xeu-Ponnr. _ Lauenburg (etwas dunk. Hagen, 1. c. p. 86 macht auf das - 3 tterting der von ihm al- . - Form von Herbert _ . der Oberseite der Hinterflügel durch den rothen Hof zusammen durch die dunkl- " Mediana fein getrennt, währ- oiabiensis Hagen | immer gei I sind. Der bei Ocellen der Vorderiiügel ob< ftrel gelb] - _ der schmalen discalen. aus drei gelblichweisen Flecken besl Ende der vorderen Hälfte des Vorderrandes quer zu •: J zieht — fehlt bei den Exemplaren aus Herbertshöhe, die Bin*: gt als die 0 .eilen einschliessender. rothen Fle: " " - . In der DahTsehen Ausbeute sind Exemplare von Ralum Strand 1- 24. Febniai I - ' von Xeu-Lauenbur. alimena, aber verschieden durch das viel schmälere Band von Blau, welches beide Flügel durchzieht, und welches beinahe verlischt, indem es sich gegen die costa der Vorderflügel wendet, unten fehlen den Vorderfiügeln der blaue Fleck, welcher die Medianäste durchzieht, der Apex der Flügel ist dunkler und ein schiefes Band von Flecken, welches von der costa unter die Zelle zieht, verlischt: Die Hinterflügel zeigen nur Spuren des bleichen Querbandes von D. alimena und die submarginalen Flecke sind viel grösser, der basale Theil beider Flügel ist tiefer rothbraun. Die 99 unterscheiden sich von den rftf dadurch , dass die Flügel oben dunkel- braun statt blauschwarz sind, die lichten blauen Binden der Oberseite fehlen, unten fehlt das unregelmässige leichte Band, welches die Hinterflügel des (f durchzieht." Godm. and Salv. — 78 - C. Rilibe fasst inexpectata als Lokalform von alimena auf. Er .sagt: „Unter den typischen Stücken von alimena, die ich in Rubiana erbeutete, befinden sich zwei Stücke, die schon annähernd die breite weisse Aussenrandsbinde der Hinterflügel, wie sie für inexpectata charakteristisch ist, auf- weisen. Interessant ist, dass die Weiber der letztgenannten Art grosse Aehnlichkeit mit der seltenen Cethosia antippe haben; mir ist es oft passirt, dass ich beim Fangen dachte, ich hätte antippe, statt dieser waren es aber nur inexpectata- Weiber. Als Vaterland ist mir Neu-Lauenburg und Neu-Pommern bekannt." Inexpectata liegt mir auch in einem Exemplar von Xeu-Hannover aus der Rothschild'schen Sammlung (März 1897 Webster) vor. Auch hier fällt die Aehnlichkeit mit der ebenfalls von dort vorhandenen Cethosia antippe auf. Doch belehrt die zweite subapicale und submarginale aus kleinen Flecken bestehende Binde neben der aus grösseren Flecken gebildeten inneren, sowie der ganz dunkle Hinterleib neben dem Flügelschnitt sehr bald eines Bessern. Hyp. inexpectata var. Imramata Ribbe. C. Ribbe, Iris xj. p. 118: Neu-Mecklenburg. Ueber diese Varietät sagt C. Ribbe: „Eine ähnliche Art (sie/) wie inexpectata fing ich in Neu-Mecklenburg. Die Männer haben schmälere, blaue Binden, wohingegen die weissen Flecke schärfer ausgeprägt auftreten. Die Weiber haben keine weisse liinde auf den Vorderflügeln, sondern an Stelle derselben tritt eine weisse Fleckenreihe. Die bei inexpectata mit der weissen Binde parallel laufende, äussere weisse Fleckreihe ist bei kuramata nicht vorhanden. Die Hinlerflügel haben die weisse Zeichnung, wie man sie bei inexpectata-Wkrinem (also nicht so breit wie bei den Weibern) findet, die Gesammtfärbung der Flügel ist braunroth mit blauem Schiller. Ich glaube, dass eine Abtrennung von inexpectata ganz gerechtfertigt ist, denn die angeführten Merkmale sind sehr constant." Exemplare dieser Varietät von Neu-Mecklenburg habe ich nicht gesehen, dagegen sind und 99 von inexpectata Godm. and Salv. in der Dahl'schen Ausbeute von Ralum 5. Mai 1896, Lowon bei Ralum 28. Mai 1890, 2. Februar 1897. Rypölimnas lutescens Butler, Proc. Zool. Soc. Lond. 1874, p. 283 Nr. -19, Taf. 44 f. 3: Ovalau, Fiji. Ribbe, Irisxj. p. 119: Neu-Mecklenburg, Neu-Georgia, Shortlands-Inseln. C. Hibbe führt diese Form auf und sagt: „Einige Stücke, die ich in Neu-Mecklenburg, Neu-Georgien und auf den Sliortlands-Inseln erbeutete, stimmen mit der Butler'Bchen Form recht gut überein, die von den Salomonen sind in der Gesammtfärbung dunkler als die von Neu-Mecklenburg. Ich kann Grose Smith niclit beistimmen, dass lutescens eine weibliche Form von anomala sei, denn auch die Männer von lutescens sind mit solchen von anomala gar nicht zu verwechseln. Vergl. Nov. Zool. V. I. (1891 p. 350 Nr. 102)". Ich kann über diese mir in Natur unbekannte Form nichts sagen. Die Abbildung bei Butler lässt sie als eine anomala erscheinen. Die Beschreibung lehrt: „D. 1. 9- Flügel oben kastanienbraun, rauchbraun in der Mitte, Vorderflügel am Apicaldrittel und Marginal- parthie schmutzigbraun; ein breiter postmedialer blasserer Rand; sieben deutliche gerundete discale weisse Flecke zwischen den Adern; Aussenrand schwarzbraun, innen zuweilen mit weissen Schuppen gerandet; Hinterflügel im Aussendrittel blasser; sieben verbreiterte weisse Flecke zwischen den Adern ; Aussenrand breit dunkel, schmal schwarz, durchsetzt von zwei unterbrochenen gewellten periweissen Linien; Fransen abwechselnd weiss; Körper braun, Kopf und Vorderbrust schwärzlich, weissgefleckt; Flügel unten blasser als oben; Basale zwei Drittel rauchig anstatt kastanien- braun; Apicaldrittel der Vorderflügel heller, marginale weisse Schuppen deutlich, zwei submarginale Linien wie auf den Hinterflügeln bildend; Basalhälfte der Costa mit weissen Schuppen, drei schwarzgerandete weisse subcostale Flecke in der Zelle; acht discale weisse Flecke auf den Hinterflügeln; Körper braun weissgefleckt; Palpen unten weiss. 3 Zoll 4 Linien Ausmaass. Ovalau. Fiji. Verwandt mit D. porphyria Cramer." Butler 1. c. Hypolimnas misippus L. H. misippus Linne, Mus. Ulr. p. 204 (1764). — — C. Ribbe, Iris xj. p. 119: Neu-Pommern. — 79 - //. miisipiis de NiceVille und Martin, J. As. Soc. Bengal Vol. 64, p. 414: Sumatra etc. Diese im männlichen Geschlecht der //. bolina, im weiblichen der D. chrysippus ähnliche Art wurde von C. Ribbe in einem einzigen Exemplar auf Neu-Pommern erbeutet. Die Art hat eine ungemein weite Verbreitung, von Nord-Australien und Neu-Guinea auf der einen Seite bis Florida auf der andern. Hypolimnas ftithoka Kirsch. //. p. Kirsch, Mitth. Dresd. Mus. I. p. 125 T. vj. f. 11 (1877). - Hagen, N. .T. f. N. 18ü7. p. 88: Herbertshöhe; Ribbe, Iris xj. p. 120: Neu-Mecklen- burg, Neu-Lauenburg, Neu-Pommern, Bougainville, Shortlands-Inseln, Ysabel. Diadema unicohr Salvin and Godman, Pr. Zool. Soc. 1877, p. 144 pl. xxjjj. f. 1, 2 (Duke of York Isl.). „Länge des Vorderflügels 33 mm. Die Oberseite dunkelbraun, auf den Vorderflügeln nur der Aussenrand, namentlich nach den Hinterecken hin und in sehr geringer Breite heller gefärbt, aber dicht am Rande eine fast linien- förmige, dem Rande parallele Binde von der Grundfarbe, ausserdem nur noch drei untereinander stehende weisse Pünktchen nahe der Spitze; die Hinterflügel am Vorder- und Aussenrande ziemlich breit hellbraun mit einer dicht am Aussenrand verlaufenden, sehmalen dunkelbraunen Binde und sieben weissen, nach hinten allmählich kleineren Punkten in einer bis zur Mitte dem Rande parallelen, dann aber der Analecke zugewendeten Reihe. Die Unterseite der Vorder- flügel am Costalrande wie bei anomala, die weissen Flecke aber kleiner, die Randbinde dicht am Aussensaum etwas deutlicher als oberseits, und ausser den drei nahe der Spitze stehenden weisslichen Punkten, diese Reihe fortsetzend, noch fünf nach der Hinterecke hin allmählich grössere milchweisse, schwärzlich eingefasste Flecke; auf den Hinter- flügeln wie oben, nur ist die Grundfarbe nach der Basis hin weniger gedunkelt, die Flecke innerhalb des Aussenrandes viel grösser als oben, und mehr bläulich." Kirsch. Hagen hält die Form unicohr nur für Lokalvarietät. Das o unterscheidet sich durch einfarbige braune Oberseite, welche jedoch die submarginalen bläulichen Punktreihen der Unter- seite aller Flügel auch auf der Oberseite zeigt. Die 99 gleichen dem cT, nur sind die Punkte vor dem Aussenrand weiss, statt bläulich. Die Beschreibung, welche Salvin and Godman für ihre unicohr geben, lautet: „(J1. 3 . 6 Ausmaas. Oben einfarbig dunkelbraun , der Rand der Hinterflügel kaum bleicher mit einer schmalen submarginalen Linie, eine Reihe kleiner blauer Flecke parallel zu dem äusseren Rande beider Flügel, unten etwas bleicher, drei blaue Flecke in der Zelle nahe der Subcostalader, und eine deutliche Reihe parallel dem Aussen- rande, ein marginales dunkles Band mit einem centralen lichteren Band umgibt den Aussenrand beider Flügel. Nahe verwandt mit D. perri/i (Proc. Zool. Soc. 1895, p. 613. T. 67 f. 3), aber verschieden durch die einförmige Färbung der Oberseite und die Verkleinerung der submarginalen Flecke beider Flügel." C. Ribbe. 1. c. 120 setzt unicohr gleich pithölca K. Männer und Weiber variiren sehr in der Gesammtfärbung, wie in den Fleckenreihen, wie dies Ribbe bei zahlreich von ihm gefangenen Stücken nachweisen konnte. In der Dahl'schen Ausbeute fehlt die Art. Von Neu-Hannover (März 1897 Webster) liegt mir aus der v. Rothsckild'scben Samm- lung in Tring ein Exemplar vor (0 ). Es unterscheidet sich von der Abbildung bei Salvin and Godman durch die völlige Abwesenheit der kleinen submarginalen Flecke auf der Oberseite der Vorderflügel. Auf den Hinterflügeln sind nur drei ganz schwache obere zu sehen. Auch auf der Unterseite sind die Flecke kleiner, als auf der Abbildung. Da nur ein Exemplar vorliegt, weiss ich nicht . ob diese Erscheinung der Verkümmerung der Randflecke eine eonstante ist bei den Exemplaren von Neu-Hannover. - 80 — Gattung Mynes Boisduval. (Schatz, p. 133.) Die hierher gehörigen Schmetterlinge sind meist eigenthümlich apfelgrün gefärbt mit schwarzem Aussenrande, auf der Rückseite mit rothen und gelben Flecken auf schwarzem Grunde. Die Hinterflügel sind am dritten Medianast in einem stumpfen Lappen vorgezogen. Die Gattung ist in Australien, Neu-Guinea und den angrenzenden Inseln bis zu den Molnkken verbreitet und umfasst nur eine geringe Zahl von Arten. Vom Bismarck-Archipel ist zu erwähnen: Mynes eucosmetos Godm. and Salv. M. e. Godman and Salvin, Proc. Zool. Soc. Lond. 1879, p. 653. c? (nicht o), New Ireland. — — Grose Smith and Kirby, Rhop. Exot. I. Nymph. Mynes I., cf. f. 4, 5, Q, f. 6. — — Ribbe, Iris xj. p. 127: Neu-Mecklenburg, Nussa. „Ausmaass Q" 2,7 ; 9 3.2 Zoll. <$. Oberseite. Flügel blass milchweiss, mit einem schwachen gelben Anflug, die costa und der Aussenrand der Vorderflügel schwarz. Apex mit weissen Schuppen überdeckt und gekreuzt durch eine gekrümmte Linie von fünf Flecken derselben Färbung, der Grund der Flügel und der innere Rand des schwarzen Randes blassgrau; Aussenrand der Hinterflügel breit schwarz, einwärts mit blassem Grau geeckt. Unterseite: Basis, Costa, Apex und ein gekrümmtes Band von der Mitte der costa zum Analwinkel der Vorderflügel schwarz, discale und subapicale Parthie weiss, die letzte mit Gelb getränkt, ein ovaler rother Fleck nahe dem Aussenrande zwischen der Medianader und ihrem zweiten Ast. Hinterflügel orangegelb, ein grosser unregelmässiger Fleck nahe dem Grunde, die discale Parthie der costa und der Aussenrand schwarz, der letztere mit einer schmalen submarginalen weissen Linie; ein schwarzes Band beinahe parallel zum Aussenrand, zwischen welchem und dem schwarzen Rande das Gelb eine orünliche Färbung annimmt, ein grosser rother Fleck an der Basis der costa und einige wenige rothe Schuppen am Apicalwinkel. Körper und Palpen weiss, Antennen schwarz. 9 Grösser als der Mann. Vorderflügel nur an der discalen Parthie so weit als der Innenrand schmutzig weiss mit einer schwachen gelblichen Färbung, die Zelle grau, die apicale Hälfte der Flügel schwarz mit einem grossen subapicalen gelben Fleck, der von den schwarzen Adern getheilt wird. Hinterflügel schmutzig weiss, schwach gelblich gefärbt, der Aussenrand schwarz, innen mit braun begrenzt. Unterseite ähnlich der des Mannes, aber das Schwarz der Vorderflügel ausgedehnter, das der Hinterflügel weniger, das dem Aussenrande parallele Band fehlt. New Ireland." H. Grose Smith. Mynes cottonis H. Grose Smith. M. c. H. Grose Smith, Annais Mag. Nat. Hist. ser. b' vol. 13, Juni 1894: New Britain; H. Grose Smith and Kirby, Rhop. Exot, II. Nymph. Mynes I. f. 5, G (cf); Hagen, N. J. f. Nat. 1897, p. 93 (9). Mynes eucosmetos var. eottoms, Grose Smith; Ribbe, Iris xj. p. 127. „2'jt Zoll Ausmaass. (f. Oberseite ähnlich eucosmetos G. and Salv., aber der blasse Theil ist reiner weiss. Auf den Vorderflügeln ist der bleiche Fleck gegen die Flügelspitze weniger sichtbar, auf den Hinterflügeln ist die bleiche Parthie mehr zusammengezogen, das äussere Drittel der Flügel breiter und bläulicher schwarz. Auf der Unter- seite ist der subapicale bleiche Fleck rein weiss, nicht mit Gelb gemischt wie bei eucosmetos und beträchtlich schmaler, die bleiche Parthie in der Mitte der Flügel ist aucli rein weiss, mehr ausgebreitet und der rothe snbmarginale Fleck zwischen den obern Medianästen ist viel kleiner. Auf den Hinterflügeln ist das rothe costale Band an der Basis von M. eucosmetos ununterbrochen ausgebreitet bis in den Zwischenraum zwischen der Costalader und der obern Subcostal- ader und erstreckt sich über sie hinaus gegen den Apex, bis es sich mit dem äussern marginalen Band vereinigt. Das äussere 3/4 des Costalrandes ist breit schwarz, das basale Viertel roth; unter ihm befindet sich ein grosser, schwarzer Fleck an der Basis, wie bei eucosmetos, der sich über den basalen Theil der Zelle und des Zwischenraums über ihr erstreckt. Das äussere Drittel der Flügel ist bläulichschwarz und es befinden sich darin zwischen den Median- und Submedianästen drei grünlichgelbe Flecke und eine Reihe von bleichen, subapicalen Streifen. Kopf und Fühler oben schwarz, der untere weiss gefleckt. Thorax blaugrün, Abdomen heller, Palpen unten weiss, Brust gelb in der Mitte, grau an den Seiten; Beine braun, Schenkel mit einer weissen Linie unten, Abdomen unten weiss. Vaterland: Neu- Britannien. H. Grose Smith. Das 9 beschreibt Hagen (1. c. p. 93) : „Oberseite: Vorderflügel in der Basalhälft.e weiss in der Zelle, an der Wurzel und nach aussen breit milch- blau Übergossen. Aussenhälfte schwarz, verloschen in die weisse Basalhälfte übergehend. Vor dem Apex eine breite — 81 — weisse Querbinde mit verwaschenen, ebenfalls bläulich schimmernden Rändern. Hinterflügel weis^gelblich mit breiten schwarzen, nach innen breit, nach aussen schmal und verloschen bläulich eingefasstem Aussenrand. Unterseite : Vorder- flügel schwarz. Innenrand und Discus bis zur zweiten Mediana hinauf und von deren Ursprung an schräg bis zum hintern Winkel hinab weiss. Die subapicale Querbinde der Oberseite breiter und schärfer und sich längs des Aussen- randes schmal zum Innenwinkel herabziehend. Am Ende der Zelle, etwas in diese hineingreifend, ein weisser und vor der Mitte des Aussenrandes in dem schwarzen Feld ein rother Fleck. Hinterflügel leuchtend Chromgelb , mit schwarzer Aussenrandsbiude , welche die gewöhnliche grüngelbe Myneszeichnung umschliesst. Vor dem Rande eine feine weissliche Linie. Der Vorderrand von der Basis bis zum schwarzen Aussenrandsbande lebhaft gelbroth." Hagen 1. c. In der Dahl'schen Ausbeute befinden sich ein cf von Ralum 5. Februar 1897, e. 1. sowie ein defektes o, nebst einer Reihe von Puppen. Letztere sind bräunlieh, stark gekielt auf dem Rücken , vom Habitus der Puppen unsere Vanessa- Arten , ähnlich denen von Myries Woodfordi, Ribbe Iris 1897, Taf. vjj. f. 8. C. Ribbe erklärt coüonis für eine geringfügige Abart von eucosmetos, da die Unterschiede in beiden Geschlechtern nicht gross und die Mynes- Arten sehr variabel sind, mindestens für Lokalvarietät. Mynes hatharina Ribbe. Mynes l. C. Ribbe, Iris xj. p. 128, Taf. III. f. 5 (1898), Neu-Pommern. Ribbe beschreibt diese Art, welche er durch seine Fänger aus den Bergen hinter Her- bertshöhe mehrfach erhielt, wie folgt: „Gesammtform gleicht der von hercyna Godm. and Salvin von den Salomonsinseln, nur sind die Flügel etwas geschwungener geformt. Oberseite : Vorderflügel tiefschwarz mit leichtem blauem Schiller. In der Discoidalzelle an der Mediana steht ein kleiner dreieckiger, bläulich weisser Fleck. Zwischen den Medianästen in dem Winkel, welchen die Discocellularen mit dem einen Medianast bildet , beginnend , stehen drei länglich weisse Flecken von weisslicher Farbe. Der an der Discocellulare ist der grösste und rundlich, die folgenden nach dem Innenrand zu ist dreieckig, mit dem spitzen Winkel nach der Wurzel gerichtet, der dritte Fleck, auch dreieckig, ist nur schwach und klein vor- handen, auch mit einem starken, bläulichen Anflug versehen. Die beiden erstem Flecke werden zu der schwarzen Färbung der Flügel durch eine bläulich schwarz bestäubte Region übergeführt. Setzt man den Bogen, in welchem diese drei Flecke stehen, nach dem Vorderrande fest, so kommt man auf einen kleinen bläulichen verschwommenen Vorderrandfleck. Drei weitere kleine Flecken stehen in der Spitze parallel mit dem Aussenrande ; auch diese sind blau- weiss gefärbt. Hinterflügel: schwarz mit leichtem bläulichem Schimmer. Ein Mittelfleck ist in die Länge gezogen, schmal und von grünlichweisser Färbung. Ribbe beschreibt auch die Unterseite ausführlich, verweist aber bei der Schwierigkeit einer deutlichen Beschreibung auf die Tafel. Die Unterseite ist auf dem Vorderflügel schwarz mit weissen Flecken und einem gelblichen in der Mitte des Aussenrandes, auf den Hinterflügeln schwarz mit grossem weissem dis- calem Fleck mit weissgelblichen submarginalen Bandlinien und gelblichen Flecken im Aussenwinkel und einem weiss- gefärbten Streifen längs des Hinterratides. — Die Raupen von Mynes Woodfordi fand C. Ribbe (Iris x. p. 247, 1897) auf einem kleinen Strauche. Sie verpuppten sich ähnlich unserer Vanessa-Arten. Leider waren die meisten Thiere angestochen. Die von ihm abgebildete Raupe ist braungelb mit dunklerem Seitenstreif und mit verzweigten gelblichbraunen Dornen auf jedem Ringe und dunklem Kopfe. Gattung Neptis Fabr. Die Gattung Nepttis ist ausser im paläarctischen Gebiet über Indoaustralien bis Australien im Osten und Afrika im Westen verbreitet. Sie umfasst Tagfalter von meist mittlerer Grösse, von schwarzer Grundfärbung mit weisslichen, bläulichen, grünlichen und gelblichen Flecken und Streifen. Sie sehen sich vielfach sehr ähnlich. Die Neptis-Arten besitzen schief aufwärts ge- richtete, vorderseits mit langen steifen abstehenden Haaren besetzte Palpen, deren allmählich zugespitztes Endglied so lang ist, als das gerade Mittelglied. Die Augen sind nackt, die Fühler allmählich zu einer länglichen Kolbe verdickt. Die Zelle der Vorderflügel ist offen, die Radial- adern der Hinterflügel sehr genähert. Die Costalader mündet beim o in den halben Vorder- rand, beim 9 in den Aussenrand. die Praecostalader ist gerade, an der Spitze zweispaltig. Die Zoologira. Heft l'7 11 - 82 — Vorderfüsse der cfcf sind sehr kurz und zart, mit kurzem eiförmigen Tarsus, kaum ein Drittel der tibia, diese halb so lang als der Schenkel. Die Vorderfüsse der 99 sind länger, anliegend beschuppt, die Innenseite des Schenkels behaart mit gleich langer Schiene und Tarsus, welcher vom zweiten bis vierten Glied mit je zwei schwachen Dornen besetzt ist. Die Raupen haben einen kleinen zweispaltigen Kopf mit zwei Spitzen ; sie sind gegen die Mitte etwas verdickt, nach dem Kopf hin verjüngt , mit einzelnen höckrigen Wärzchen oder Hörnchen. Puppen am Kopf zweispitzig. Die namentlich in Indoaustralien reich vertretene Gattung zeigt im Bismarck-Archipel nur wenige Arten. Neptis venilia L. P. v. Linne, Mus. Ulr. p. 290 (1764); Clerck, Icones T. 32 f. 4 (1764); Cramer, P. E. III. T. 249, B. C. (1782). Athyma venüia Godman and Salvin, Pr. Zool. Soc. Lond. 1878, p. 646: Neu-Guinea; Kirsch. Mitth. Dresd. Mus. 1877, p. 126: Neu-Guinea. Limenitis venilia Boisduval, V. Astr. p. 173 Nr. 4 (1832). Montrouzier, Fauna de Pisle de Woodlark 1857, p. 128. — — Godman and Salvin, Pr. Zool. Soc. 1879, p. 158: New Ireland. N. venilia Pagenstecher, N. J. f. N. 1894; Hagen, N. J. f. V. 1897, p. 87; Miskin, Annais Queens], Mus. I. p. 45 : Austr. Oberseite schwarz, mit weisser, von den Adern durchbrochenen, von der Mitte des Vorderflügels quer durch beide Flügel gehenden, nach aussen und innen hellblau eingefassten Binde, weissbläulichen , submarginalen kleinen Flecken, sowie zwei kleinen, rundlichen, oberhalb der Mittelzelle an der Costa und zwei grösseren länglichen nach aussen von jenen nach dem Apex zu gelegenen weisslichen Flecken. Fransen abwechselnd weiss und schwarz. Die Unterseite hellerbraun mit den gleichen Flecken und Binden, sowie mehreren weisslichen Punktflecken am Grunde der Vorderflügel; die submarginalen Flecke sind unten grösser. Neptis venilia novohannoverana Pag. Durch die Güte der Herren von Rothschild und Jordan liegen mir von Neu-Hannover einige Exemplare einer Neptis vor, die ich als Lokalvarietät zu venilia ziehe. Sie unterscheidet sich von der typischen Form durch eine auffallende Verbreiterung des discalen weissen Fleckens oder Bandes aus. Dieser nimmt auf den Hinterflügeln als breiter oblonger weisser Flecken den ganzen Discus ein, erreicht die Costa und den Hinterwinkel nicht ganz und ist nach aussen hin violett umrahmt , ebenso wie der von der Mediana durchzogene weisse Fleck der Vorderflügel nach dem Innenrande hin violettblau umgeben ist. Die übrigen Zeichnungen sind wie bei der typischen venilia. Neptis nemeus de Nic^ville. N. n. de Niceville, Journ. As. Soc. Bengal . Vol. Öü , pt. IL p. 538, Fig. 4, Neu-Bri- tannien. 1897. „Ausmaass 2 . 2 Zoll. rf. Oberseite : Beide Flügel schwarz, mit periweissen schimmernden Flecken. Vorder- flügel mit einem ziemlich langen keulenförmigen Streifen , der bis an die Basis reicht, ein runder Fleck in der Mitte und ein dreieckiger Fleck über dem Ende der Discoidalzelle , drei kleine auswärts schief gelegene subapicale Flecke, zwei viel grössere, beinahe verbundene discale Flecke getrennt durch den zweiten Medianast, eine submarginale Reihe von sechs kleinen Flecken. Dieselbe in der Mitte gebrochen, eine kaum sichtbare Reihe von marginalen Flecken ; ein verlängerter bläulichweisser Streifen in der Mitte des Suturaltheil«, Ilinterflügel in der Mitte durch einen ovalen Flecken eingenommen, der aus fünf Theilen besteht, eine submarginale Reihe von sechs linearen Flecken. Unterseite: Vorder- flügel mit einem blassen Streifen, welcher den basalen Theil der Subcostalader begrenzt, alle Flecke im Discus deut- licher als auf der Oberseite, besonders die marginale lineare Reihe. Hinterflügel: Die fünfgetheilte ovale discale Parthie — 83 — wie auf der Oberseite ; vor derselben ist ein runder kleiner basaler Fleck und ein verlängerter bleicber subcostaler Streifen, die submargiualen Flecke mehr hervortretend als oben; mit einer marginalen linearen Reihe von acht Flecken. Abgesehen von andern Charakteren dient der ovale weisse, auf die Mitte der Hinterflügel begrenzte Fleck zum Unter- schied von X laetaria und N. nansiattt. Diese Art ähnelt Th. aequicinetus Godm. and Salv. oder Tli. hiero Godm. and Salv." de Niceville. Die Art ist nach einem einzigen Exemplar aufgestellt. Von Neu-Hannover liegen mir ans der v. Rothschild' sehen Sammlung cf? von nemeus de Nicev. vor. Die beiden Exemplare entsprechen der Beschreibung und Abbildung bei diesem Autor. Die marginalen und sub'marginalen weisslichen Flecke sind schwach bläulich, nament- lich die untern; am Hinterrande der Vorderflügel in der Mitte ein schmaler Streifen beim cf. Der grosse discale Fleck der Hinterflügel geht nicht bis zum Hinterrand. Neptis praslini Boisd. Limmiüs praslini Boisduval, Voy. Astr. I. p. 131 (1832). N. pr. Staudinger, Exot. Schm. p. 146 pl. 50 o (nee cf) 1886. - de Niceville, Jour. As. Soc. Bengal Vol. LXVj. pt. 2 Nr. 2 p. 534 (1897), Fig. 1, Neu-Irland, Queensland. — — G. Semper, Jour. Mus. Godefr. XIV. p. 16: Cooktown. — — C. Ribbe, Iris xj. p. 121 : Neu-Mecklenburg, Neu-Lauenburg, Neu-Pommern. „F'liigel schwarz mit einer marginalen Reihe weisser Flecke; die Vorderflügel haben einen länglichen, in drei getheilten Streifen und ein queres Fleckenband, die Hinterflügel sind in der Mitte durch ein breites weisses Band durchzogen " Boisd. Der Güte des Herrn Ribbe verdanke ich die Ansicht zweier von ihm als N. praslini (vera) bezeichneten Stücken, von denen das eine von Neu-Pommern, das andere von Neu-Mecklen- burg stammt. Beide entsprechen indes hinsichtlich des rundlichen weisslichen Discalflecks der Hinterflügel nicht der Abbildung Staudingers und auch nicht der de NiceVilles eines Exemplars von Cooktown. De Niceville nimmt dasselbe zwar als typisch an, bemerkt aber doch dabei, dass möglicherweise die australischen Exemplare verschieden seien von der echten praslini. Auf den Abbildungen Staudingers und de Nicevilles reicht der rundliche weissliche discale Fleck auf der Unterseite bis zur costa, was de Niceville als bezeichnend annimmt. Dies ist bei den beiden mir vorliegenden Exemplaren nicht der Fall. Vielmehr entspricht das Exemplar von Neu-Mecklen- burg der Abbildung von nemeus und ist der ovale Fleck auf die Mitte der Hinterflügel beschränkt. Am Innenrande ist in der Mitte ein länglicher weisslicher Streifen. C. Ribbe sagt, dass ihm eine grosse Zahl von den genannten Orten vorliege und be- zeichnet es als auffallend, dass die Männer auf der Oberseite der Vorderflügel in der Mitte des Innenrandes einen hellblauen länglichen Fleck haben. NepUs laetaria Butler. JV. laetaria Butler, Annais and Mag. N. Hist, ser. 3, vol. XVjjj. p. 98 Nr. 1 (1866). Butler hatte diese Form von Neu-Guinea als Athyma laetaria von N. praslini abgetrennt, welche von Kirsch (Mitth. Dresd. Mus. 1877. p. 125) als N. praslini ebenfalls von Neu-Guinea aufgeführt wird, wie von Godm an and Salvin, Proc. Zool. Soc. 1879, p. 158 Nr. 27) von New Ireland. Auch de Nictiville trennt in seiner Arbeit über Neptis praslini und die ihr ver- wandten Arten (Journal As. Soc. Bengal Vol. 65 T. 2, p. 535, 1897) Neptis laetaria Butler von praslini, mit der sie vielfach verwechselt wird. Indess geht der ovale weisse discale Fleck der Hinterflügel auf der Unterseite bei laetaria nicht bis zur costa heran, sondern der basale weisse — 84 — Streifen bleibt bei lactaria ganz isolirt. Im übrigen sind die Thiere gleich und Miskin (Annais Queensl. Mus. I. p. 45) hält A. lactaria Butler für identisch mit N. praslini Boisd. iV. consimilis Boisd. Limenitis consimilis Boisd , Voy. Astr. p. 133. N. c. Semper, Mus. Godefr. XIV. p. 15 (1878); Uberthur, Annais Mus. Gen. xjj. p. 462 Nr. 41 (1878); Kirsch, Mitth. Dresd. Mus. 1877 p. 125; Grose Smith, Nov. Zool. I. p. 352: Neu-Guinea; Miskin , Annais Queensl. Mus. I. p. 43: Australien; Hagen, J. N. V. f. N. 1897, p. 89: Neu-Guinea. — — C. Ribbe, Iris xj. p. 121: Kinigunang: Neu-Pommern. „Flügel braunschwarz, mit einer discoidalen Binde von Gelblichorange. Die Vorderflügel tragen nahe an der Spitze einen schiefen Fleck derselben Färbung. Auf der Unterseite bleicher. Eine der kleinsten der Gattung. N. Irland." Boisd. Von Neu- Hannover einige Exemplare aus der Rothschild'schen Sammlung (Februar. März 1897 Webster) ohne bemerk enswerthe Abweichungen. Hagen erwähnt ein nahe verwandtes Thierchen von Herbertshöhe und Ribbe findet seine Exemplare von Neu-Pommern etwas grösser als die typischen , die Unterseite der Flügel scharf gezeichnet, die schwarzen Linien, die mit dem Aussenrande parallel laufen, nicht zackig, sondern glatt. Mir lag nur ein leider sehr beschädigtes Exemplar von consimilis von der Samm- lung Herrn v. Grabszewski vor, von Parkinson gesammelt (Ralum). Ich kann daher auch nicht entscheiden, ob eine Lokalform, die Ribbe vermutet, auf Neu-Pommern fliegt. Neßtis eblis Butler. Neptis eblis Butler, Annais Mag. N. H. ser. 5 vol. X. p. 43 (1882), New Britain. — — Grose Smith and Kirby, Rhop. Exot, IL (1895) Nymph. Neplis I. f. 1, 2, Duke of York Isl., New Britain. „Nahe verwandt mit N. heliopolis, oben schwarz, die äussere Hälfte des Discus aller Flügel von drei Reihen ovaler bleichbrauner Flecken eingenommen, die centrale Reihe mit grossen weissen Pupillen. Flügel unten bleicher, die drei Reihen der Flecke lila, die centrale Reihe mehr weiss, mit Lila gerandet. Vorderflügel mit einem weitern grossen weissen Fleck in der Zelle; Innentheil blassbraun. Hinterflügel mit einem grossen weissen Fleck an der Basis der Zelle. Vorderfüsse vorn weiss. Leib mit zwei centralen weissen Linien. 69 mm. Die dunkelste Neptis." Butler. Ribbe, Iris xj. p. 122 fing diese Art in nur wenig Stücken auf Neu-Pommern und Neu- Lauenburg. Die 99 sind den oV ähnlich gezeichnet, doch meist bedeutend grösser. Eins der 99 hat die Hinterflügel statt dunkel schwarz grau und seidenartig angeflogen. Gattung Fhaedyma Felder. Ich reihe hier die Felde r'sche Gattung Phaeäyma ein und rechne hierzu mehrere Arten, welche von andern Autoren zu Ni-jHis (oder auch zu Athyma Butler) eingetheilt worden sind, welchen beiden Gattungen sie sehr nahe kommen. Felder gibt als Charaktere der Gattung an (Neues Lepidopteron , Jena 1861. p. 31): „ Fühlerkeule sehr verlängert, Palpen dichthaarig. Augen kahl. Zellen aller Flügel offen. Erster Subcostalast der Vorderflügel nach der Zellmitte, zweiter vor dem Zellende, dritter weit nach demselben, hinter der Flügelmitte abgezweigt. Costalader der Hinterflügel so lang als die costa, der Subcostalader sehr genähert. Praecostalader einfach, nach einwärts gebogen, am Ur- sprung der Subcostalader aufsteigend." (Type Ph. heliudora.) Bei Neptis ist die Subcostalader der Hinterflügel kürzer als die costa, bei Athyma ent- springt der erste Subcostalast der Vorderfliigel in der Mitte der Zelle, die Zelle der Vorder- flügel ist bei Sect. II geschlossen. — 85 — Ph. fissizonata Butler, Annais Mag. N. Hist. ser. 5 vol. X p. 43 (1882); H. Grose Smith and Kirby, Rhop. Exot. Nymph. Neptis I f. 3, 4 (Salomons, New Britain). N. pisias Godman and Salvin, Annais Mag. N. Hist. ser. 6 vol. I p. 98 (1888). N. /'. Ribbe, Iris xj. p. 122: Neu-Lauenburg, Neu-Pommern. „Ausmaass 2'/2 Zoll. Oberseite schwarz mit weissen oder grünlichweissen Flecken; Vorderflügel mit einem kurzen Streifen in der Zelle, gefolgt von zwei unregelmässig gezeichneten Flecken; einer queren Reihe von vier langen Flecken, und einer submarginalen Reihe von fünf Flecken. Hinterflügel mit einer centralen Reihe von fünf Flecken (manchmal ein sechster zwischen dem zweiten und dritten an der costa) und einer submarginalen Reihe von Flecken, die letzteren gewöhnlich begleitet von einigen undeutlichen Streifen, blasser als die Grundfarbe. Die Unterseite ist ähnlich, aber bleicher und mit einer äussern Linie (verloschen auf der Oberseite) zwischen den submarginalen Flecken und dem Hinterrand , je einer schmalen weissen Linie zwischen den Adern der Flügel ausgedehnt, welches nur selten und unvollkommen auf der Oberseite der Fall ist. Auf den Hinterflügeln ist ein kurzer Streifen an der Basis der costa, und ein blasser Streifen, welcher vom Innenrande näher der Basis der Zelle verläuft und sich weniger deutlich als ein verloschener Streifen zwischen den Subcostalästen fortsetzt. Körper schwarz, unten blasser, Palpen unten und Vorderbeine weiss. Antennen an der Spitze röthlich. Salomons-Inseln, Neu-Britannia. Verwandt mit X heliodora Cr. X. pisias Godm. and Salvin ist eine gering variirende Form dieser Art, welche auf den Salomonsinseln ge- funden wird, bei welcher die submarginale Reihe der Flecken auf jedem Flügel mehr oder weniger verloschen ist; aber bei Vergleichung grösserer Reihen erscheinen die Verschiedenheiten nicht gross genug zur Aufstellung zweier Arten, da der Grad des Verschwindens der Flecke auf den verschiedenen Inseln sehr ungleichmässig ist. Bei einigen der Exemplaren findet sich ein Fleck ein wenig unter der Mitte des Innenrandes der Vorderflügel , welcher ebenfalls inconstant ist, aber mehr bei der pixias-Form vorkommt, als bei fissizonata." Grose Smith. Phaedyma pisias Godman and Salvin. Neptis pisias Godman and Salvin Annais Mag. Nat. Hist. 1888, p. 98. Auf der Oberseite der vorigen ähnlich, aber die weissen Flecken grösser, grünlich; die einzelnen Flecken der Binde der Hinterflügel nicht so tief von einander getrennt. Die Unterseite wesentlich anders, namentlich auf den Hinterflügeln. Hier ist am Flügelgrunde nur ein kleiner weisser Fleck, kein längerer Streifen, die Fleokenbinde ist einheitlicher oval, breiter, nicht durch die Adern getrennt, die submarginale Fleckenbinde, wie die marginale, viel weniger deutlich ausgesprochen und auch die zwischen der mittleren und submarginalen gelegene kaum sichtbar, welche alle bei fi^honatu sehr deutlich sind. Die Grundfärbung hat auch nicht den röthlichen Ton , wie bei den Exemplaren vom Bismarek-Archipel, sondern einen mehr schwarzbraunen. — Es lagen mir durch die Güte des Hrn. Ribbe verschiedene Vertreter von fissizonata und pisias vor. Zwei gleiche Exemplare von Neu-Pommernund Neu-Lauenburg stammend entsprechen zwar in der Zeichnungsanlage solchen von den Salomons-Inseln , unterscheiden sich aber von ihnen durch weit stärkere Entwicklung der weisslichen oder grünlichen Flecke sowohl auf den Vorder- als Hinterflügeln. Auch ist die Unterseite anders, indem bei den beiden Exemplaren von Neu-Lauenburg und Neu-Pommern der discale weisse Rand der Hinterflügel einheitlich oval erscheint. Die Gesammtfärbung der Unterseite ist ebenfalls eine andere und es zeigen sich am Flügelgrunde der Hinterflügel zwei weisse Flecke, die bei den Exemplaren vom Salomonarchipel durch einen langen weisslichen Strich ersetzt werden. Die ersteren entsprechen fissizonata , die anderen pisias. Bei den Exemplaren von Neu-Lauenburg und Neu-Pommern fehlen die röthlichen und rothbraunen Färbungen der Unterseite. Bei Exemplaren von den Shortlands-Inseln,' von Neu- Georgia (mit grünlichweissen Flecken) und Bougainville erscheinen die weissen Flecke der Ober- seite besonders reducirt. Ein mehr oder weniger entwickeltes weisses Fleckchen oder Strich in der Mitte des Innenrandes der Vorderflügel kommt sowohl bei Exemplaren von Neu-Pommern und Neu-Lauenburg als solchen der Shortlands-Inseln und Salomons-Inseln vor. C. Ribbe nennt pisias die Exemplare von den Shortlands-Inseln und Salomons-Inseln (Iris xj. p. 122) und fissizonata die von Neu-Lauenburg und Neu-Pommern. — 86 - Ph. ampliata Butler. Taf. I. f. 6. Neptis ampliata Butler, Annais Mag. N. Hist. 1882, p. 42: New Britain. „Verwandt mit N. latifasciata, von der sie sich durch grössere Entwicklung der weissen Flecke der Vorder- flügel und die viel grössere Breite und ovale Form des centralen weissen Flecks der Hinterflügel unterscheidet." Butler. Aus der Ribbe'scken Ausbeute von Neu-Pommern liegt mir ein Exemplar dieser Art vor. Herr Kirby hatte die Güte, die Photographie mit dem Typus zu vergleichen. Ein weiteres Exemplar lag mir aus der Sammlung von Herrn v. Grabczewski vor. 65 mm. rf Schwarz mit weissen Flecken und Binden. Die Vorderflügel haben eine dreifache Reihe von schwach ausgedrückten Randbindenflecken, die mittelste am deutlichsten aus acht Flecken gebildet. In der Zelle stehen drei, nach der Zellspitze hin grösser werdende weisse Flecke, ein schmaler strichförmiger am Grunde, ein kleiner quadratischer in der Mitte und ein grösserer, dreieckiger in der Spitze, nach oben verloschen. Im Apicalfeld zwei längliche und unter diesen nach aussen und unten von der Mittelzelle zwei etwas grössere längliche weisse Flecke. Hinterflügel von einem breiten weisslichen durch die Adern schwach in sechs Flecke getheilten weissen Bande durch- quert, das sich gegen den Innenrand abrundet, diesen nicht erreichend. Eine dreifache" Bindenreihe submarginaler und marginaler weisser Fleckenreihe, die innersten am stärksten. Unterseite wie oben: die marginalen und submar- ginalen Fleckenreihen deutlicher, am Grunde des Hinterflügels einige kleine längliche weisse Flecke. Das discale Band der Hinterflügel besteht aus sechs grösseren und einem dem Innenrand angelagerten ganz kleinen Flecken. Brust, Kopf, Fühler, Hinterleib schwarz, der letztere unten heller. Gattung Cyrestis Boisd. (Schatz p. 155.) Diese eigentümliche, von Vorderindien durch das indoaustralische Gebiet bis nach Neu- Guinea und dem Bismarck-Archipel (auch in Afrika und Madagascar) verbreitete Gattung hat mehr breite, als lange Vorderflügel ; die Hinterflügel sind am Innenwinkel in stumpfem Lappen vorgezogen, wie sie auch ein kurzes Schwänzchen am dritten Medianast bei feiner strichartiger Zeichnung tragen. Die Palpen sind lang und schnabclartig vorstehend, untersei ts mit kurzen Haaren bekleidet; auf dem Rücken des Mittelglieds tragen sie einen Kamm steifer Haare. Das Endglied ist beim o länger als beim cf , fast zwei Drittel des Mittelglieds erreichend. Die Fühler sind zart, allmählich in eine Keule übergehend. Die Vorderfüsse des o sind sehr zart und dünn, mit kurzem Tarsus. Ueber die Raupe und Puppe von Cyrestis acilia von Neu-Guinea berichtet C. Ribbe (Iris vjjj. p. 114 Taf. III. f. 14, 15, 1895). Hiernach fand der Sammler W a h n e s mehrere Exemplare der Raupen zusammen auf einem Strauch mit sehr rauhen und harten Blättern. Sie waren sehr lebhaft, bewegten sich rasch vorwärts, wobei sie stets mit dem Kopfe züngelten. Nach der Ab- bildung ist die Raupe grün und hat dunkle Fortsätze auf Kopf, Rücken und Schwanz, gelbe Seitenstreifen und dunkle (^uerstriemen. Die Puppe ist braun, lang und spitz, mit Fortsätzen, ähnlich wie die Cynthia-R&wpen versehen, aber kleiner. Cyi'estis fratereula Salvin and Godman. G. fr. Salvin and Godman, Pr. Zool. Soc. Lond. 1877, p. 145, Duke of York Isl. ; idem Pr. Zool. Soc. 1879, p. 158: New Ireland. -— Hagen, N. J. f. N., 1897, p. 91: Herbertshöhe; Ribbe, Iris X. T. vjj. 11: Puppen. Cyrestis acilia Godt. var. fratereula Salv. and Godm.. Ribbe, Iris xj. p. 124: Neu-Pommern, Neu-Lauenburg, Neu-Mecklenburg. „Ausmaass 2 . 2 Zoll. Verwandt mit C. acilia Godart von Neu-Guinea, von der sie eine insulare Form dar- stellt. Das weisse, die beiden Flügel durchziehende Band ist schmal und zu einem Punkt ausgezogen an der costa der Vorderflügel, und es nähert sich auch dem Analwinkel der Hinterflügel. Der gelbliche Fleck in demselben Winkel ist zusammengezogen und umgiebt nur das Endauge. Hier gleicht diese Form ( '. acilia Godt. und ( '. strigata Feld., von — 87 — denen beiden sie sich in der zugespitzten Form des weissen Querbandes unterscheidet; unten gleicht sie strigata (von Gilolo), ausser dass die weissen subinarginalen Binden der Hinterfliigel alle schmäler sind." S. and G. 1. c. Die Art ist in der Dahl'schen Ausbeute in zahlreichen Exemplaren von Ralum vertreten. Sie sind gelangen: Waldthal bei Ralum 16. Mai 1896, Lowon bei Ralum 2. Jan. 1897, 25. Febr. 1897, 11. März 1897, 17. März 1897 stets im Walde. Im S enckenb er g' sehen Museum aus Neu-Mecklenburg. Durch die Güte der Herren v. Rothschild und Dr. Jordan liegen mir drei Exem- plare von fratercula von Neu-Hannover vor Bei diesen ist die Marginalbinde mit den schwarzen Augenflecken auf beiden Flügeln nicht gelblich, sondern wie die Grundfarbe der Flügel, braun, d. h. die schwarzen Flecke sind gar nicht, oder nur sehr gering gelb umzogen. Die weisse Binde ist etwas, aber nur sehr gering, in ihrer Configuration verschieden. Vielleicht verdient diese leichte Lokalvarietät einen Namen als obscura. Gyrestis adaemon Salv. and Godm. C. a. Salv. and Godm., Pr. Zool. Soc. 1879, p. 158. T. XV. f. 2, Neu-Irland; Ribbe, Iris xj. p. 126, Neu-Lauenburg, Neu-Pommern. „Ausmaass 2 . 5 Zoll. Verwandt mit C. maenalis Erichson Nov. Act. Ac. Nat. Cur. xvj. Suppl. p. 402 T. 50 f. 3), aber dadurch verschieden, dass das beiden Flügeln gemeinsam weisse Querband mehr begrenzt ist, und dass die centrale dunkle Linie, die von ihnen eingeschlossen, beinahe verloschen ist; die queren weissen Binden nahe der Basis der Flügel sehr wenig deutlich, wie auch die weissen Flecke in dem breiten dunklen Rand der Vorderflügel. Neu-Irland. " Salvin and Godman 1. c. C. Ribbe fand die Art in Neu-Pommern und Neu-Lauenburg an in der Sonne stehenden Sträuchern, nicht an Wasserläufen. In der Dahl'schen Ausbeute ist ein Exemplar von Neu-Pommern, Wunamarita 11. März 1897 gefangen. Gattung Apatiirina Herr. Schäffer. (Schatz p. 168.) Die Gattung umfasst grosse kräftige Schmetterlinge, weiche sich durch geschlossene Flügel- zellen und durch Augenflecke zwischen dem ersten und zweiten Medianaste sowohl auf der Vorder- ais Rückseite der Vorder- und Hinterflügel auszeichnen. Sie sind im malayischen Faunengebiet verbreitet. Apatiirina erminea Cr. P. e. Gramer, P. E. III. T. 196 f. A. B. (1780); 241 A. B. (1782). Godart, Enc. Meth. IX. p. 401 ; Boisduval, Voy. Astr. I. p. 124. „Oberseite der Vorderflügel schwarz, am Grunde goldig grün, mit einer weissen Fleckenbinde am Aussen- rande; Hinterfliigel mit zwei Augen, von denen eines um die Hälfte kleiner ist." Boisd. Im Bismarck-Archipel erscheint diese Art als Ap. erm. var. neopommerana Hagen, N. J. f. N. 1897, p. 86, Herbertshöhe; C. Ribbe. Iris xj. p. 117 (1898): Herbertshöhe. Diese Form ist von der auf Neu-Guinea fliegenden A erminea var. papuana Ribbe (Iris Bd. III. p. 84) mehr verschieden als von der typischen, auf den Molukken vorkommenden Ap. erminea Cr., indem, wie bereits Hagen angibt, die Querbinde der Vorderflügel rein weiss ist und das o keine Spur von Rothbraun auf der Oberseite der Flügel zeigt. Auf der Unterseite ist bei neopommerana der Apicaltheil der Vorderflügel und der Hinterflügel gelbbraun und nicht graubraun. In der Mittelzelle der Vorderflügel steht unten ein s-förmiger gekrümmter schwarzer Querfleck, der bei neopommerana in zwei Flecke getrennt ist, bei den übrigen Formen nicht oder hier und da bei den 99. Bei neopommerana ist ferner der Fleck oberhalb des ersten Medianastes in der weissen Querbinde der Vorderflügel nach Hagen constant länger, als der unmittelbar oberhalb zwischen den Discocellularästen befindliche und durch die gelbbraune Grundfarbe eigen- tümlich eingekerbt. Ferner reicht er hier so weit nach innen, wie der oberhalb stehende Fleck und ragt über den unten befindlichen hinaus ; er steht in der Reihe und sowohl Innen- als Aussen- rand der Binde erscheinen dadurch gerade. Ribbe setzt hinzu, dass die bei erminea und papuana blauschillernde Region auf der Oberseite der Vorder- und Hinterflügel schwach seegrün sei. In der Dahl'schen Ausbeute sind zwei Exemplare (efef) aus dem Wald hei Herbertshöhe 15. Juni 1896. Sie stehen in Grösse zwischen den grösseren ^w/w'wa-Exemplaren und den kleinen von Stephansort und haben auf der Oberseite einen etwas dunkelgrünen Schimmer, als die Exem- plare von den Molukken, auch zwei sehr deutlich ausgeprägte schwarze schmale Binden vom Innenrande nach dem Analwinkel hin , welche sowohl bei Exemplaren von den Molukken , als solchen von Stephansort fehlen. Die von Stephansort unterscheiden sich durch gelbliche Färbung der breiten Querbinden der Vorderflügel, wie durch eine mehr bläulich metallisch schimmernde Oberfläche. Auf den Hinterflügeln ist die von Hagen angegebene Verfärbung der Grundfarbe weniger auffallend. Ribbe führt Iris xj. p. 117 Apaturina erminea Cr. von Alu mit auffallend braun ge- färbter Unterseite der Flügel auf. Gattung Parthenos Hübner. (Schatz p. 159.) Grosse kräftige Tagfalter von olivgrüner oder olivbrauner Färbung und breiten weissen Fleckenbinden, welche eine an der Spitze zweigablige Praecostalader haben, die sich hinter der Subcostale abzweigt, besonderen Verlauf der Subcostaläste, der unteren Discocellulare und des dritten Medianastes und geschlossene Zellen. Es sind rasche Flieger, in den Geschlechtern ein- ander ähnlich und in wenigen Arten über das indische bis zum Papuagebiet verbreitet. Die Raupen sind eylindrisch, das Analsegment bedornt, das dritte bis zwölfte Glied mit langen ästigen Dornen. Die Puppe ist kahnförmig, der Kopf in zwei Spitzen endigend. Parthenos sylvia Cr. P. s. Cramer, P. E. I. T. 43 f. G. (1776). Minetra Sylvia Salvin and Godman, Pr. Zool. Soc. 1877, p. 145 (Duke of York Isl.), Godman and Salvin, Pr. Zool. Soc. 1879, p. 158, Neu-Irland. Parthenos sylvia Kirsch, Mitth. Dresd. Mus. 1877, p. 125: Neu-Guinea. — Pagenstecher, N. J. f. N. 1894, p. 37: Neu-Lauenburg. — — Hagen, N. J. f. N. 1897, p. 89: Herbertshöhe. Parthenos sylvia var. couppei Ribbe, Iris xj. p. 120: Neu-Mecklenburg. Ribbe beschreibt diese Form wie folgt: „couppei steht auf der Oberseite der var. hrunnca am nächsten, ist jedoch in erster Linie immer kleiner und hat den grünlichen Anflug ähnlich wie gambrisius, jedoch nicht nur hauptsächlich nach der Flügelwurzel zu, son- dern derselbe dehnt sich über die ganzen Vorder- und Hinterflügel aus. Die zweite Aussenrandsbinde ist nur ein schmaler Streifen und fliesst nicht in Spitze mit der ersten zusammen wio bei ähnlichen Arten. Der Vorderrand ist hell gelbbraun (bis beinahe zur Hälfte) gefärbt, ähnlich so wie man es bei salentia von Celebes findet. Die weissen, STÜnbraun angeflogenen Flecken der Binde auf den Vorderflügeln sind bleicher als bei hi-imneu. Der dritte Fleck, — 89 — vom Vorderrand gerechnet, sendet einen Zacken nach dem Innern der Flügel, der rundlich endigt, bei allen Exem- plaren vorhanden ist und durch seine besondere Form sofort auffällt. Bei einigen Stücken findet sich auf sämmtlichen weissen Flecken , die nach der Flügelspitze zu am Vorderrande stehen, ein leichter rosa Schiller. Die Unterseite ist der von salentia ähnlich, die Gesatnmtform der Flügel eine mehr rundliche." Ribbe. C. Ribbe (Iris vjjj. p. 115 T. III. f. 8, 9) erwähnt die Raupen und Puppen von P. aspila (N. Guinea), welche sich von der von Sylvia kaum unterscheiden , nur dass aspila eine dunkle Seitenlinie zeigt. Die Raupen variiren, sind hell oder dunkel, mit weissen Borsten besetzt, ge- sellig auf einem Rankengewächs lebend. Nach der Abbildung hat die Raupe verzweigte Dorn- fortsätze, dunkle Seiten- und Riickenstreifen auf hellem, grünlichgrauem Grunde. Die Puppe ist hängend, grün. Die mir aus der Dahl'schen Ausbeute vorliegenden Exemplare sind gefangen: Wald bei Kabakaul Ende August 1896 und 15. Nov. 1896. Im Senckenberg'schen Museum ist ein Stück aus Neu-Irland. Durch C. Ribbe lagen mir verschiedene Exemplare von eben daher vor. Sie scheinen nicht zu differiren von denen von Neu-Pommern. Von Neu-Hannover (Februar, März 1897 Webster) liegen aus der v. Rothschild'schen Sammlung mehrere Exemplare vor, welche den Stücken von Neu-Mecklenburg entsprechen. Gattung Euthalia Hühner. (Schatz p. 163.) Diese Gattung hat lange, dicht beschuppte Palpen mit länglichem, geradem Endglied und nackte Augen. Die Fühler gehen allmählich in eine längliche Keule über. Die Vorderflügel haben eine offene Zelle und fünfästige Subcostalader. Die Hinterflügel zeigen eine einfache oder undeutlich zweigabelige Praecostalader, welche nach der Subcostalis abgetrennt ist, und eine offene Zelle. Die männlichen Vorderfüsse sind kurz behaart, mit gleich langen Schienen und Schenkeln und kurzem Tarsus ; die weiblichen Vorderfüsse sind grösser und haben einen längeren , vom zweiten bis vierten Gliede kurz bedornten Tarsus. Die Arten sind über Indien , die grossen Sunda-Inseln bis zu den Molukken und dem Papuagebiet verbreitet. Euthalia Meli Ribbe. Taf. I. Fig. 5, $. Euthalia Meli C. Ribbe, Iris xj. p. 122 (1898), Herbertshöhe. Diese auf den Bergen hinter Herbertshöhe in Neu-Pommern in wenig Exemplaren erbeutete Art beschreibt C. Ribbe wie folgt : „Oberseite. $. Schwarz , auf den Vorderfliigeln geht eine weisse Binde von der Mitte des Vorderrande9, diesen selbst schwarz lassend, nach dem Analwinkel. Die sie kreuzenden Adern sind schwarz und werden von keil- förmigen schwarzen Zacken begleitet, die in die weisse Binde hineinragen. Parallel mit dieser Binde in der Flügel- spitze drei blauweisse , längliche Flecke ; längs des Aussenrandes zwei bis drei mehr oder minder verloschene Flecke von gleicher Farbe. In der Discoidalzille eine verloschene weisse Makel. Die Aussenränder der Vorder- und Hinter- flügel sind weiss gerändert. — 9 Dasselbe unterscheidet sich dadurch, dass es grösser als der Mann ist und eine mehr bräunliche Gesammtfarbe hat. Unterseite, $: Vorderflügel schwarz. Die weisse Binde ist breiter als auf der Oberseite. Die blauweissen Punkte sind hier sehr ausgeprägt und ist ihre Zahl 6 — 7. Am Vorderrande, damit parallel, stehen nach der Flügel- spitze zu zwei blauweisse, verwischte Flecken. Nach der Wurzel zu wird die Färbung grünlich und stehen dort zwei schwarzgeränderte, makelähnliche Punkte. Die Hinterflügel sind blaugrau mit zwei deutlichen Binden von hellblauen Flecken. Die äussere dehnt sich über den ganzen Flügel vom Vorderrande bis zum Analwinkel aus , während die innere in der Mitte erlischt. Von der Wurzel aus am Vorderrande geht ein spitz verlaufender, intensiv rother Streifen. Nach der Flügelwurzel zu sind die Hinterflügel blauweiss bestäubt. Körper oben schwarz, unten weiss. Beine weiss. Fühler schwarz mit braunen Kolben." Ribbe. Zoologica. Heft 27. 12 — 90 — Euthalia rur/ei Ribbe. E. r. Ribbe, Iris xj. p. 123. Taf. III f. 6 (1898): (Neu-Hannover). „Der Vorigen ähnlich , jedoch ist die Form des Thieres eine andere, denn die Flügel sind mehr geschweift. Auf den Hinterflügeln ist ein grosser weisser, bindenartiger Mittelfleck vorhanden. Auch die Gesammtfärbung des Thieres ist eine bräunlichere als bei ihieli. Die Unterseite lässt die erwähnte Binde durchscheinen. Neu-Hannover. Beide Arten sowohl rugei als auch thiell stehen der j>/rtte)ii Staudinger am nächsten." Gattung Symphaedra Hübner. ' (Schatz p. 1(14.) Diese Gattung ist über das indische und austromalayiscke Faunengebiet verbreitet. Es sind grosse und kräftige Schmetterlinge, bei welchen der erste Subcostalast vor der Zellmitte, der dritte ungefähr in einem Drittel Entfernung vom vierten und dem Zellende entspringt. Die Zellen der Vorderflügel sind geschlossen, die der Hinterflügel offen. Die mittlere Discocellular- ader ist sehr kurz, gebogen, die untere Discocellulare trifft die Mediana weit nach dem Ursprung des zweiten Astes. Die Praecostale ist einfach , nach aussen gebogen. Die Palpen sind kurz, mit gelbbraunen Haaren bekleidet, mit stark gebogenem Basalglied und langem, am Ende ver- dickten Mittelglied; das Endglied ist lang und eiförmig; die Fühler sind sehr lang, gerade mit verlängerter Fühlerkolbe. Die Gattung zerfällt in zwei Gruppen. Bei der einen sind die Ge- schlechter verschieden, bei der andern sind dieselben fast gleich gefärbt. Zu letzteren gehört: Symphaedra aeropus L. Symphaedra aeropus Linne, Mus. Ulr. 256; Cramer, P. E. T. 111. f. G. d", T. 254 f. A. B. 9; Kirsch, Beiträge etc. Dresd Mus. Mitth. 1877, p. 126: Neu-Guinea; Pagenstecher, N. J. f. N. 1884, p, 40: Amboina; Ribbe, Iris xj. p. 122 (1895), Kinigunang, Neu-Pommern. Lexias aeropus Boisd., Voy. Astr. I. p. 125: Amboina, Buru, Neu-Guinea. „Flügel abgerundet, kaum gezahnt, schwarzbraun, auf beiden Seiten der Flügel mit einer gelblichen oder weisslichen Binde, die Vorderflügel unten mit einem blassblauen Augenfleck am Grunde." Boisd. C. Ribbe fand ein einziges Stück mit weisslicher Binde im Strandwalde bei Kinigunang. Die Art ist sonst auf Amboina, Ceram und Neu-Guinea gemein. Gattung Charaxes Ochsenh. (Schatz p. 175.) Diese Gattung schliesst grosse, kräftige, rasch fliegende Tagfalter in sich, deren charak- teristische Eigenthümlichkeit zwei ungleich lange, kurze Schwänze am ersten und dritten Medianast der Hinterflügel sind, welche nur bei einigen Arten sich gering oder gar nicht entwickelt zeigen. Die Augen sind gross, nackt, die Palpen über den Kopf hervorragend, die Fühler stark, gerade, mit länglichen, allmählich sich verdickenden Kolben. Die Arten bewohnen die östlichen Tropen, sind in Afrika besonders zahlreich vorhanden und scheinen auf den Salomons-lnseln die Grenzen ihrer Verbreitung zu finden. Die Raupen haben keine Dornen auf dem nach hinten sich verjüngenden Körper, der in einen doppelten Schwanz ausläuft; der Kopf ist mit einem stumpfen Hörnchen versehen. Die Puppe ist verkürzt, rundlich, schwach gekielt. Charaxes Jupiter Butler. Oh. j. Butler, Lep. Exot. p. 14, pl. V. f. 4. 7: Dorey. Salvin and Godman, Pr. Zool. Soc. 1877. p. 145 Nr. 20 (Duke of York Isl.); Hagen, — 91 - N. J. f. N. 1897, p. 95: Herbertshöhe; G-rose Smith, Nov. Zool. I. p. 357: Neu- Guinea. Gh. pyrrhus, var. hronos Honrath, Berl. Ent. Zeitsehr. 1888, p. 250: Neu-Pommern; C. Ribbe Iris xj. p. 131: Kinigunang. Auf der Oberseite schwarz mit gelben Randflecken, Vordertiügel mit gelblicher Halbbinde, Hinterflügel mit lichtem, bläulichgelbem Basaltheil mit weissgelber Halbbinde. Von dem Aussenrande nach unten und auf den starken langen Schwänzen blaue Streifen, im Analwinkel ein oranger Streifen. Die Unterseite ist bunt, schwarz gestreift und braungefleckt. Es liegt in der Dahl'schen Ausbeute ein wohl erhaltenes Exemplar vor vom Lowon 25. Februar 1S97. Die submarginalen bläulichen Randflecken sind etwas kleiner als auf der Butler'scken Abbildung. Auf den Vorderflügeln sind auch am Hinterwinkel zwei submar- ginale Fleckchen, im ganzen 7, die zwei letzteren näher bei einander als die andern. Die Unter- seite entspricht der Butlerschen Abbildung. Charasces latona Butler. Gh. I. Butler, Pr. Zool. Soc. Lond. 1865, p. 631 Nr. 37, Taf. 37 f. 1 (Timor, Gilolo), 9; Ribbe. Iris xj. p. 132 (Kinigunang, Neu-Pommern und Neu-Lauenburg). Gh. brennus Felder, Reise Nov. Lep. T. 59 f. 1. 2. (9). — — Pagenstecher, N. J. f. N. 1894, p. 77. Gh. cimonides G-rose Smith. N. Zool. I. p. 356: Neu-Guinea. Rothbraun mit schwarzem Aussenrande und schwarzen submarginalen Flecken der Oberseite der Hinterflügel. In der D ah 1' sehen Ausbeute ist ein Exemplar, 9, welches 21. Mai 1896 im Walde bei Ralum gefangen wurde. Der Aussenrand ist schwarz, nach innen von den submarginalen schwarzen Flecken der Hinterflügel stehen kleine lichte Stippchen, wie dies auch bei Exemplaren von Neu-Guinea der Fall ist. Der Felder'schen Abbildung gegen- über sind auf der Oberseite die schwarzen Zickzacklinien der Vorderflügel in der Mitte stärker entwickelt; ebenso findet sich auf den Hinterflügeln von der Mitte der costa ausgehend ein nicht bis zur Mitte reichender kurzer gebogener schwarzer Streifen. Auf der Unterseite findet sich im Apex eine silbergraue Färbung ; die submarginalen bräunlichen Flecke sind verloschen. Gh. papuensis Wall.. Butler, Lep. Exot. p. 15 pl. vj. f. 1. 4. ist dieselbe Art. Der schwarze Rand ist hier schmäler. Hierher gehört auch affnüs Butler von Celebes (Wdllacei B. 9) und chnon Felder, Nov. Lep. Taf. 58 f. 6, 7 (1867) 9. Gh. latona diana wird von Neu-Hannover als subspecies erwähnt bei Rothschild, Nov. Zool. V. p. 96 (1S98). Rothschild sagt von dem $', dass auf der Oberseite die schwarze Färbung ausgedehnter sei, als bei eimon, dem diana am nächsten kommt. Die Hinterflügel haben ebenfalls einen grösseren schwärzeren Rand, die Unterseite beider Flügel ist dunkler, in der Medianlinie sind die schwarzen Streifen mit Weiss begrenzt. Beim 9 >st die Zeichnung wie bei den andern Formen , aber die schwarze Färbung sehr kräftig und die gelbe durch Weiss ersetzt. Auf der Oberseite sind die zwei Reihen Flecke in der Aussenhälfte , welche durch Zickzacklinien geschieden sind, bei diana weiss, nicht gelb, wie bei latona, die submarginalen Flecke grösser. Auf der Unterseite ist die Grundfarbe in der Zelle, ausserhalb der mittleren schwarzen Linie und zwischen den zwei subbasalen Reihen von Querstreifen der Hinter- flügel weiss. Die submarginalen Flecken der Vorderflügel sind weiss. Gattung Prothoe Hübner. (Schatz p. 177.) Grosse Tagfalter , deren Hinterflügel eine gerade , an der Spitze schief abgeschlossene Praecostale haben und am dritten Medianast stumpflappig vorgezogen sind und welche zum Theil einen Duftapparat in Form einer steifen Haarbürste tragen. Die im Papuagebiete vorkommenden — 92 — -Arten besitzen meistens auf den Vorder- und Hinterflügeln einen grossen gelblichen Flecken auf dunklem, schwärzlichem, bisweilen auf hellem Grunde, die in Malacea und Borneo auftretenden sind auf der Unterseite eigenthümlich bunt gefärbt. Die Prothoe- Arten sind nach Hagen: „echte Wald- thiere, die nie ins Freie hinausgehen und ziemlich schlechte Flieger sind. Sie sitzen zumeist in den Zweigen und Blättern der Büsche." Prothoe australis Guerin. Pr. austr. Guerin, Voy. Coq, T. XIV bis Fig. 4 (1829). Röber, Ent. Nachr. 1894, p. 360. — — Hagen, N. J. f. N. 1897, p. 94: Neu-Guinea. — — ßibbe, Iris xj. p. 130 (1898). Röber vereinigt die variirenden Formen australis, hewitsoni, schoenbergi und dohertyi zu einer Art, während Ribbe die verschiedenen Formen als Varietäten aufführt. Pr. australis fand Ribbe in Neu-Pommern und Neu-Lauenburg zahlreich, Pr. schönbergi Honrath (Berl. Ent. Ztg. Bd. 32, 1888, p. 249. Taf. V. f. 3) in den Bergen bei Kinigunang und Prothoe hewitsoni Wall., Trans. Ent. Soc. Lond. 1869, p. 81 Nr. 5 mit starker gelbweisser Binde der Vorderflügel vereinzelt in Kinigunang. Prothoe layaräi Godman and Salvin. Pr. I. Godman and Salvin, Pr. Zool. Soc. 1882, p. 758: New Ireland. - H. Grose Smith and Kirby, Rhop. Exot. II. Nymph. Prothoe I. f. 3, 4, ö (1896). „Ausmaas 2 . 3 Zoll, q ;'. Oberseite schwarz, Vorderflügel mit einer queren Reihe von vier langen, subapi- calen Fleoken, von denen die zwei untersten am längsten und schmälsten, sowie unterbrochen sind. Hinterflügel mit einem sehr grossen, grünlichweissen Fleck, der in der Mitte mehr rahmartig gefärbt ist und beinahe den ganzen Discus einnimmt ausser an den Ecken unter der Discoidalzelle. Unterseite hellerbraun mit einigen grossen Flecken am Grunde. Die subapicalen Flecke sind weiss, kleiner und schärfer begrenzt, der dritte ist durch zwei getrennte kleine Flecke ersetzt und der vierte durch einen. Die Hinterflügel haben einige weisse Flecke am Grunde und in der Zelle und vier Reihen schmaler bläulicher Striche. Ausserbalb derselben ist eine weitere Reihe von fünf Flecken, von denen die zwei untersten linienförmig mehr verwaschen, der dritte gelblich, der vierte sehr gross, gelblich und unregelmässig ist, der fünfte gelblich. Der vierte und fünfte stehen auf dem lappenförmigen Fortsatz. Körper schwarz, Palpen unten weiss." Godm. and Salvin. Prothoe schuht Ribbe. Prothoe schuld Ribbe, Iris 1898, p. 131, Taf. IV. f. 5. Ribbe erhielt von Neu-Lauenburg (Mioko) nur einige Männer. „Die Grundfärbung der Oberseite ist schwarz, auf den Vorderflügeln befindet sich eine aus acht länglichen fehlgelben Flecken bestehende Aussenrandsbinde. Ein kleiner gelblicher Punkt steht dicht am Vorderrande von der Wurzel aus gerechnet auf % der Länge des Randes. Die Oberseite der Hinterflügel hat einen nierenformigen, binden- artigen Mittelfleck, der nach der Wurzel und dem Innenrand zu in eine nur mit gelben Pünktcken bestreute Region übergeht. Die Unterseite der Flügel zeigt die bei muliieri und ribbei bekannte bunte Zeichnung. Die gelbe Binde auf der Oberseite der Vorderflügel ist auch hier vorhanden, jedoch ist die Färbung nicht gelb, sondern weiss." Ribbe 1. c. Mir in Natur unbekannt. Farn. Morphiden. (Schatz p. 181.) Die Familie der Morphiden zerfällt in zwei durch das Vaterland, wie durch sonstige be- sondere Eigenschaften getrennte Gruppen. Es sind dies einmal die der neuen Welt, bei welchen ein Mediansporn stark entwickelt ist und zwei Subcostaläste vor dem Zellende entspringen und zweitens die der alten Welt, bei welchen der Mediansporn fehlt und nur ein Subcostalast vor - 93 — dem Zellende entspringt. Die erste Gruppe kommt nur in den Tropen Amerikas vor, die zweite ist auf einen Theil der indoaustralischen Region beschränkt. Die Morphiden stellen grosse, reich gefärbte Schmetterlinge dar mit zartgebauten Flügeln, kleinem Körper und dadurch bedingter bedeutender Flugfähigkeit. Die Palpen sind von einander entfernt, ziemlich lang, aber kräftig, aufsteigend stark und gleichmässig gebogen ; die Fühler sind schwach. Die Vorderflügel haben eine geschlossene , die Hinterflügel eine zumeist offene Zelle. Die Vorderfüsse des c? sind verkümmert, mit eingliedrigem Tarsus und fünfgliedrigem bedorntem Tarsus beim o. Die Raupen sind lang, dicht behaart, nach hinten zugespitzt und mit zwei Schwanzspitzen, sowie auf dem Kopf meist mit zwei aufrechten Hörnchen versehen. Die Puppen sind länglich eiförmig, kurz, dick. Unter den Morphiden der alten Welt gibt es mehrere Gattungen mit offener und zwei mit geschlossener Hinterflügelzelle. In dem Bismarck- Archipel ist von der ersten Gruppe eine Gattung beobachtet: Tenaris, welche in Neu-Guinea eine besondere Entwicklung zeigt. Gattung Tenaris Hübner. (Schatz p. 187.) Die Te«cms-Arten sind ausgezeichnet durch die beiden grossen Augenflecke auf der Rück- seite der Hinterflügel bei weisser, grauer schwach bestäubter Färbung der Flügel. Die offene Hinterzelle unterscheidet sie von ähnlichen Arten der Gattungen Hyantis und Elymnias. Die Tenaris- Arten tragen auf den Hinterflügeln einen kurzen , steifen Haarbüschel am Grund der Medianader, unter welcher ein kleiner Dupftschuppenfleck liegt und welcher meist von einem eingezogenen Theil der Basis der Vorderflügel bedeckt wird. Sie kommen im ganzen indischen Archipel bis Java, Borneo, Molukken einerseits und Polynesien andererseits vor. Die Tenaris-Avten haben verlängerte, an der Spitze meist stark abgerundete, beim 6 an der Flügel- basis vorgezogene Vorderflügel. Es zweigt sich ein Subcostalast vor dem Zellende ab, welcher frei bis zur Mündung verläuft. Die obere Discocellulare ist sehr klein, die mittlere Discocellulare etwas grösser, querstehend, gerade, die untere Discocellulare sehr lang, doppelt gebogen, fast wag- recht, die Mediana genau in der Biegung des dritten Astes treffend. Die Fühler sind ohne deut- liche Kolbe, allmählich gegen die Spitze verdickt, die Palpen seitlich zusammengedrückt stark gebogen, vorderseits dicht mit langen Haaren, auf dem Rücken mit kürzeren bekleidet. Die Tenaris sind echte Waldthiere, nach Hagen schlechte taumelnde Flieger, die rastlos mit langem, schwerfälligem Flügelschlage dahineilen. Tenaris anableps Snellen van Vollenhoven. Dntsilla anableps Snellen van Vollenhoven, Tijd. voor Ent. III. p. 40, T. I. f. 3 u. 4 T. 2 f. 7. (18G0), Otaheiti. Dr. a. Salvin and Godman, Pr. Zool. Soc. 1877, p. 143 (Duke of York Isl.). Godman and Salvin, Pr. Zool. Soc. 1879, p. 157: Neu-Irland. Tenaris anableps Butler, Pr. Zool. Soc. 1874, p. 280: Otaheiti. (äff. phorcas Westw.) Pagenstecher, N. J. f. N. 1894, p. 70: Neu-Pommern. Hagen, N. J. f. N. 1897, p. 87: Neu-Pommern. Ribbe, Iris xj. p. 108: Neu-Mecklenburg. Salomonsinseln, Neu-Lauen bürg, Neu-Pommern. T. a. vax. uranus Staudinger, Exot. Schmett. p. 191 und 199, Neu-Pommern. — 94 — T. phorcas Westw. var. uranus Staudinger, p. 200; Ribbe, Iris xj. p. 109, Neu-Pommern, Neu-Lauenburg. Die Diagnose Snellens lautet: „Drusilla aJis anticis obtusis, subrotundatis, fuscis, plaga alba, posticis supra fuscis, plaga irreguluri alba, ocellüm iride maxima ochracea introrsum circumcingente sübtus ocellis ', Fig. i! //. in. Pagenst., N. J. f. N. 1894. p. 73: Kinigunang. 30 mm 35 mm. Diese schöne Art wurde von mir 1. c. als nahe verwandt mit anacletus F. bezeichnet, von dem sie sich indess, ebenso wie von policletns unterscheidet. Sie steht der vorbeschriebenen Art, mit der ich sie für synonym hielt, sehr nahe, unterscheidet sich aber nach der Abbildung dieser Art bei Grose Smith durch den Ver- lauf der vierten röthlichen Binde der Hinterflügel (der zweiten vom Rande), welche etwas über der Mitte durch metal- lisches Grün unterbrochen, ebenso wie auch die zweite kurze Binde an der äussern costa von der dritten getrennt ist, so dass im Ganzen fünf nicht ganz parallele röthliche Binden sich zeigen (die äusserste mehr orange^, während be- scintillans vier nahezu parallele sich linden, von denen die zweite am äussern Costalrande einen kleinen Zahn zeigt. Auch ist der ganze Grund zwischen den röthlichen Bindenflecken der Hinterflügel bei mirabilis reich metallisch grün ausgefüllt. Die Vorderflügel sind wie bei scintillans ebenso wie die Oberseite bei q" und $. Ein von Neu-Pommern ist über den weisslichen I'iscus hin hellblau metallisch schimmernd. Die Breite und der Verlauf der röthlichen Binden ist in geringem Grade variirend von dem des _, namentlich von einem von Mioko, Neu-Lauenburg, doch ohne dass man eine Lokalvarietät konstruiren könnte. Verfolgt man den Hinterflügel des q" (Mioko) vom Rande her, so zeigt sich nach der hellgrauen Fransen- linie eine submarginale aus metallischen silbergrünen Punkten bestehende Linie, auf welche eine orangenfarbige nach jnnen schwärzlich eingefasste den ganzen Aussenrand begleitende folgt. Die graue Grundfärbung des Flügels ist von nun an fast ganz mit metallisehgrüngoldenen Schüppchen reich überdeckt , in welcher sich zunächst ein dem Aussen- rande paralleler, den Vorderwinkel nicht erreichender röthlicher Bindenstreifen zeigt, der nach dem Afterwinkel hin winklig unterbrochen wird und dann \/ förmig in gleicher Färbung zum Hinterrande zieht. Auf eine breite grüngold schimmernde Mittelparthie folgt dann ein den Flügel von nahe dem Vorderwinkel bis zum obern Hinterrande quer durchsetzender röthlicher Streifen, über welchem nach der costa ein etwas schiefer, kurzer, röthlicher Streifen an der costa folgt. Am Flügelgrunde ein mit dem vorher genannten paralleler röthlicher Streifen, die costa selbst am Grunde röthlich. Die Vorderflügel sind am Apex gelblichgrau, vom Discus an nach dem Innenrand heller. Längs des Aussenrandes steht eine Reihe von schwärzlichen metallischgrün überzogenen kleinen Punktflecken; der Apicaltheil schneidet eine quere röthlich, schwarz eingefasste Binde ab, die nach der costa und nach oben und innen reich metallisch grün eingefasst ist. Der innere Theil der costa ist metallisch grün, dann folgt ein röthlichoranger, — 107 — zuerst metallisch grün, dann schwärzlicher Bindenstreifen. Der Grund der Costa ist gelblich orange. Die Oberseile der Vorderfliigel des ist glänzend kobaltblau schimmernd, der Vorderrand, der ganze Apicaltheil breit dreieckig schwarz gerandet, am Aussenwinkel schmal. Die Hinterfliigel sind am Vorderrande breit, am Aussenrand schmal, am Hinter- rand breit schwarz gerandet. Brust und Hinterleib oben schwarz, Fühler schwarz mit gelblicher Kolbe; Palpen, Brust und Hinterleib unten grau, ebenso die Beine. Das 9 zeichnet sich auf der Oberseite durch die schwärzlichen Vorderflügel mit grossem ovalem nach aussen verbreitertem weissen Fleck aus, der am Rande etwas gelblich schimmert. Die Hinterflügel sind hellerbraun, die Adern etwas gelblich schimmernd. Auf der Unterseite ist der discale und Innenrand.stb.pil der Vorderfliigel weiss, die Binden und metallischen Färbungen wie beim .-, ; auch auf den Ilinterflügeln. Fransen der Hinterfliigel schwärzlich unterbrochen. Der Schmetterling scheint auf Neu-Pommern nicht selten zu sein, wie die zahlreichen Exemplare in der Ribbe'schen Sammlung zeigen. Hypochrysops aristocles Rothschild. IL aristocles Rothschild, Nov. Zool. V. p. 103 (1898). H. Grose Smith, Rhop. Exot. 1898 Oct. p. 24, Lyc. or. Hypochrysops xvjjj. f. 5, (5. . „9 Oberseite. Vorderfliigel braungrau mit einer breiten weissen Binde, welche die Mitte des Discus bedeckt von der obern Discoidalader zum Innenrand. Dies Band ist am Apex gerundet und geht etwas in die Zelle hinein, die basalen zwei Drittel der Zelle und das Feld daneben sind silberblau. Hinterfliigel dunkel braungrau, das basale Drittel bleich silberblau, das mittlere Drittel weiss, mehr gegen die Costa hin als nach dem Innenrand. Unterseite: Die Vorderflügel gleichen //. alyattes G. and S , aber der dunkle Aussenrandstheil schliesst kein verticales weisses Band ein. Die Hinterflügel sind weiss, mit zwei parallelen braunschwarzen Binden eine an der Basis und eine andere unter ihr vom Innenrande ein wenig vor ihrer Kreuzung der Zelle, endigend an der Subcostalader, beide Binden mit silberazurblau eingefasst ; der Discus ist gekreuzt von einer dritten schwarzen Binde von etwas über dem Hinterwinkel zu dem Costalrand am Apex, wo sie sich mit einer andern marginalen Binde vereinigt; beide Binden schliessen eine etwas schmale weisse Parthiß ein; das dritte Band ist auf beiden Seiten durch silberblaue Linien eingefasst, das auf der Innenseite erstreckt sich nur bis zum untersten Medianasti das marginale dunkle Band wird von einer Reihe silberblauer Flecke durchquert, welche durch die Adern getheilt sind. Ausmaass l'/i Zoll. Verwandt mit II. alyattes Gr. S. Mioko, Duke of York Island. (Ribbe)." Rothschild. Mir in Natur unbekannt. Hypochrysops konora Rothschild. Hypochrysops honora Rothschild, Nov. Zool. V. p. 103 (1898); Grose Smith, Rhop. Exot. 1898, Lyc. or. Hypochr. xvjj. f. 3, 4. Oberseite: ähnelt //. arronica Felder, ist aber dunkel purpurfarben und mit weniger vorgezogenen Vorder- flügeln am Apex; die Fransen der Vorderflügel sind schwarz, nicht mit Weiss gemischt wie bei //. nrronira. Unter- seite verschieden von //. arronica in Folgendem : Auf den Vorderflügeln ist die Zelle und der Costaltheil grünlich- braun anstatt röthlich, die metallischen Flecke in der Zelle, am Costal- und Aussentheil sind breiter und griinlichgolden anstatt blaugolden, die helle Parthic ist mehr verdüstert, und die verticale Reihe von blassen Streifen zwischen den Adern gegen den Apex hin schmäler und mehr gleichförmig weit. Auf den Hinterflügeln sind drei ziegelrothe Binden gegen die Basis hin, nicht in Flecken zerfallend wie bei //. arronica, das Feld zwischen den Flecken ist grünlichgold statt weiss. Die übrigen Zeichnungen sind wenig von denen bei arronica verschieden, aber die submarginalen pfeil- artigen Flecke auf jeder Seite des untersten Medianastes sind schwarz anstatt röthlichbraun und der discale Fleck zwischen den Medianästen bei //. arronica ist durch gerade Streifen ersetzt. Ausmaass l3/s Zoll. Neu-Hannover. Februar, März 1897." Rothschild. In Natur mir unbekannt. Gattung- Flebejus Linne. Diese Gattung, welche von manchen Autoron in eine Anzahl von Untergattungen zer- legt wurde, deren Grenzen aber vielfach schwer zu ziehen sind, findet sieh in der indoaustra- lischen Region ganz besonders vertreten, weniger in der aethiopischen und nearetischen, am ge- ringsten in dem neotropischen Gebiet. Einige Arten haben eine ausserordentlich weite Verbreitung, Nach Schatz-Röber sind folgende Charaktere zu bemerken: - 108 — Augen nackt oder behaart. Fühler mit mehr oder minder deutlicher Kolbe und zarten weissen Ringen. Vorderfüsse in beiden Geschlechtern von gleicher Grösse, beim : der Tarsus ungegliedert in eine dornige Spitze verlaufend , an der Innenseite bedornt , beim j fünfgliedrig mit deutliehen Klauen. Palpen über den Kopf vorragend, mit schlankem und spitzem , bei den §$ etwas längerem Endglied. Die Costalader der VorderhMigel ist vierästig: zwei Aeste vor dem Zellende, Ast vier in die Flügelspitze, ein Ast frei oder durch Querader mit der Costaiis verbunden oder anastomosirend. Obere Discocellulare klein, mittlere Discocellulare und untere Discocellulare gleichlang, atrophisch, Submediana am Grunde mit rücklaufendem Zweige. HinterÜügel ohne Prae- costale; obere Discocellulare in gleicher Richtung mit oberer Radialis, länger als die atrophische mittlere Discocellulare und untere Discocellulare. Untere Radialis zart. Flebejus (Lampides) paralectus Grose Smith and Kirby. L. p. H. Grose Smith and Kirby, Rhop. Exot. IL Lyc. or. Lampides III. f. 17, 9. Neu- Irland. „cf. Die Oberseite gleicht sehr dem von L. eclectus, ist aber von dunklerem Azurblau und der weisse Theil der Vorderflügel ist weniger schief und schmaler am Grunde; auf den Hinterflügeln ist der weisse Theil etwas aus- gebreiteter. Unterseite: Auf den Vorderflügeln ist der schwarze Fleck am Zellende, welcher bei L. celectus durch eine schmale weisse Linie begrenzt wird, kaum sichtbar; der Fleck darüber, näher dem Apex, ist schiefer, die sub- marginale weisse Linie von L. eclectus ist verloschen und die innere Reihe der schmalen weissen Zickzacklinie, welche weiss bei jener Art ist, ist blau. Auf den Hinterflügeln ist die submarginale weisse Linie von L. eclectus ebenfalls verloschen, die doppelte Reihe von Zickzacklinien ist glänzender und dunkler blau und die dunkle Parthie um sie ist mehr eingeschränkt. Er hat dieselbe Grösse wie L. eclectus, aber die Flügel sind runder. Oberseite bräunlichsehwarz, mit einem gemeinschaftlichen weissen Bande, welches die Hinterflügel von nahe der Basis bis zu -(3 ihrer Länge bedeckt und sich schief aufwärts auf den Vorderflügeln für 2/3 der Entfernung zum Apex ausstreckt. Auf den Vorderflügeln ist der Raum oberhalb des weissen Bandes durch Hellblau an der Basis überschattet und bis nahe der costa und dem untern Ende des weissen Bandes sind die Hinterflügel ebenfalls von Blau äusserlich umgrenzt; gegen den Analwinkel der letzteren findet sich eine unbestimmte submarginale Linie. Die Unterseite unterscheidet sich von dem 5 von L. eclectus in ähnlicherWeise wie beim rj:; die dunkle Parthie auf beiden Flügeln von E. paralectus ist schmaler und brauner als bei L. eclectus und die blauen Flecke sind viel dunkler blau." New Ireland." H. Grose Smith. Bei Ribbe von Neu-Mecklenburg. Auch von Dahl bei Wunamarita Wald 11. März 1897. In dem Tring-Museum beünden sich Exemplare von Neu-Hannover (Februar, März 1897 Webster) dieser Art. Die Exemplare (d o und oo) sind klein, im übrigen aber ohne Unter- schied von Stücken von Neu-Meeklenburg. Plebejus (Lampides) celeno Cramer. V. c. ('ramer, Pap. Exot. I. T. 31 f. C. D. (177:.. i 1\ celerio Fabr., Gen. Ins. p. 208 Nr. 324, 325 (1776.) Lampides c. Cr., Butler, Cat. diurnal Lep. p. 166. rrlnio Semper, Phil. Tagt. p. 182, T. 32 f. 8,'cT. Lycaena Snellen, T. v. E. Bd. XIX. p. 52. Java; Bd. XX. p. 68: Sumatra; xxj. p. 19: Celebes; Bd. 34 p. 243: Flores. — Kirsch, Mitth. Dresd. Mus. 1877, p. 127: Neu-Guinea. — de Niceville and Elwes, J. As. Soc. Bengal (1897) Vol. 60 p. 697: Bali, Lombok, Sumbawa, Sumba. Kheil, Rhop. Nias. p. 30; Pagenstecher, N. J. f. N. 1884, p. 47: Amboina. r ii/is bicaudatis , albis, stibtus faseiis fuscis albisque intei-nis, angulo anali ocello triplici rubra." Fabr. \ 109 Der beim tf 14 — 15 mm, beim '..' IG — 17 mm Ausmaass erreichende Schmetterling ist sehr weit verbreitet. Er ist weissliohblau mit schwarzem Rand, geschwänzt; die Unterseite aschfarben mit weisslichen und bräunlichen Linien, am Afterwinkel mit dreifachen röthlichen Augenflecken. Das $ hat breitern schwarzen Rand. in der Da hl 'sehen Ausbeute von Herbertshöhe, Strand 11. Januar 1 890. Ralum 25. Mai 1896 und 20. Juni 18%. Ribbe fand den Falter in Neu-Pommern und Neu-Lauenburg ebenfalls. Plebejus (Lampides) aratus Cr. Pap. ar. Cramer, P. E. IV. t. 365 f. A. B. (1782). Cup. a. Snellen, Tijd. v. Ent. Bd. XXj. p. 19: Celebes; Kirsch, Beitr. Lep. N. -Guinea. in Dresd. Mus. Mitth. 1877, p. 127: Neu-Guinea; Pagenstecher, N. J. f. N. 1884, p. 47: Amboina; de Niceville and Elwes, J. As. Soc. Bengal Vol. 66, p. 697: Suinba (= rnasu Doh.). Lampides aratus Gruse Smith, Nov. Zoul. I. p. 578: Neu-Guinea. — de Nieeville and Elwes, J. As. Soc. Bengal Vol. 66 p. 097 (1897): Suinba. Der ebenfalls weit verbreitete Schmetterling ist milchblau, schwarz gerandet, die Flecken- binde der Unterseite durchschimmernd, im Afterwinkel schwärzliche Möndchen und kleine Schwänz- chen. Am Aussenrande gedoppelte dunkle Fleckenbinde. Die Mündeben im Afterwinkel orange eingefasst. In der Dahl'schen Ausbeute von Herbertshöhe 15. Juli 1896 Waldthal, Ralum 17. Juni 1896; 20. Juni 1896; Wald bei Wunamarita 11. September 1897. Bei Ribbe ebenfalls aus Neu- Pommern. Auch von Neu-Hannover im Tring-Museum. Plebejus (Lampides) aelianus Fabr. Pap. aelianus Fabr. Ent. Syst. III. p. 280 Nr. 79 (1793), Grodart Enc. Meth. IX. p. 654; Horsfield, Cat. Lep. E. J. C. p. 73 Nr. 9, pl. IV. f. 1 (1828). Lampides aelianus Butler, Cat. Fabr. Lep. p. 166 Nr. 10 (1809). Pap. dlexis Stoll (nee. Scop.) Suppl. Cramer, t. 33 f. 3, 3 C. (1790). Lampides aelianus Distant, Rhop. Mal. p. 22S T. XXj. f. 18 d, T. XXj. f. 19 o var: India, Ceylon, Mal. Penins.. Java, Borneo, Timorlaut; de Nic^eville III. p. 167: India, Ceylon, Siam, Mal. Pen, Java, Borneo, Philippinen, Timor laut. Plebejus aelianus Fabr., Röber, T. v. E. Bd. 34, p. 314: Goram, Key. Alor, Flores, Ceram. „cf. Oberseite milchweiss, VurderHügel mit. schmalem braunen Rand. Ilinterflügel ebenso, am Hinterwinkel ein grosser Augenfleck. Unterseite beider Flügel grauweiss, in Färbung variirend, mit mehr oder weniger deutlichen bräunlichen Binden. Vorderflügel mit sieben, Hinterfiiigel mit neun weissen Querstreifen, von den drei marginale auf den Vorderflügeln, zwei Paar parallele discale in der Mitte endigend, gefolgt von einem einfachen Streifen nahe dem Hinterrand. Von drei marginalen Streifen der innere der breiteste, der mittlere gewellt, der äussere regelmässig, parallel mit dem Rande, begrenzt von einer schmalen, schwarzen Linie. Auf den Hinterflügeln haben die Streifen denselben Charakter: 6 parallele Querstreifen in drei Paaren, eins an der Basis, zweites am Discus, drittes zwischen diesem und dem Rande, der erste regelmässig quer, der discale nicht ganz bis Aussenrand, der dritte nur halb. Im Analwinkel drei Augenflecke, der erste orange und grün umgeben, am innern Ende ein nierenförmiger schwarz nach Analwinkel, mit Silber und orange umgeben, und im äussersten Analwinkel ein kleiner dunkelgefärbter, blinder Augen- fleck. Schwänzchen schlank, oben braun, unten am Ende weiss. 9 Milchweiss, mit b: eitern braunem Rand, auf den Hinterflügeln mit braunen Flecken, weiss umgeben." Horsfield. Die Raupe ist röthlichgrün mit weissen Knötchen chagrinirt, der Kopl gelblich. Sub- dorsale Reihe blasser grüner Streifen. Die Pappe ist glatt, blass gelbgrünlich mit schwärz- lichen Flecken. Ribbe fing die Art in Neu-Pommern. — 110 — Vielfach mit aelianus verwechselt wird Pleb. (Lump.) cleodus Felder, Nov. Reise 272 T. 34 f. 20, Gr. Semper, Phil. Tagf. p. 181 t. 32 f. 9, 10; o 14—18, o 15-17 mm gross, der wohl auch auf dem Bismarck-Archipel vorkommt. 11 < jus astarte Butler. Lycaena astark Annais Mag. Nat. Hist. 1882, p. 150: New-Britam. „9 blau grau, die Flügel lebhaft lilau schillernd, die Zeichnungen gleich denen von L. larydas Hew., die Vorderflügel mit verbreitertem schwarzen Rande, über welchem eine submarginale blasse Linie sichtbar ist; der innere Rand dieses Bandes ist eingenommen von einer diffusen weissen Linie ; Hinterflügel mit einem oblongen schwarzen Fleck gerade um die Zelle, ein etwas breiter schwarzer Rand, innen gewellt, und eine marginale Reihe von schwarzen Flecken mit weissem mondförmigem Innenrande. Schwänzchen kurz, schwarz, Leib braun. Flügel unten an der basalen Hälfte blass braungrau. Die Hinterflügel mit unregelmässig gestellten oblongen dunklen Flecken, die mit Schwarz und Weiss gerandet sind; die Vorderflügel mit nur einem Fleck am Ende der Zelle, Aussenhälftc schneeweiss, ein unregel- mässiges graubraunes Band kreuzt den Discus unmittelbar nach dem Basaltheil, ein submarginaler gewellter schwarzer Streifen, gefolgt von einer submarginalen Reihe von schwarzen Flecken, die zwei letzten auf den Hinterflügeln tief schwarz, mit metallischblaucn Schüppchen, der letzte lang, die blauen Schuppen auf den Aussenrand beschränkt, der innere Rand eingenommen von einem blassen, gelblichen Möndchen Schwarze Marginallinie. Fransen schwarz ge- fleckt. Körper unten weiss. 29 mm. New Brit." Butler. In der Ribbe'schen Ausheute von Neu-Pommern und Neu-Lauenhurg : und Das cf ist dunkelgrauviolett mit schwarz beschattetem Rand, schwarzem Schwänzchen mit weisser Spitze; die Fransen weisslich mit submarginaler schwarzer Linie. Die Unterseite der Vorderflügel ist graubraun an der ba- salen Hälfte. Dann folgen in der Zelle einige weisse Streifen und ein queres weisses, nach aussen konkaves, schmales Band, begleitet von einem breiten braunen, welches schwärzlich eingefasst ist und oberhalb der Zelle nach aussen ein schwarzbraunes Streifchen zeigt. Nach aussen von diesem Band liegt ein breites, weisses, das von einer submarginalen schwarzen Fleckenbinde durchzogen wird und weiter ein marginales schwarzes Pünktchen. Die Hinterflügel sind ähn- lich: der Grund braun mit weissb'chen Streifen, dann ein braunes Band, darauf ein weisser und zwei getrennte ge- wellte braune Fleckenbinden. Nach aussen von diesen eine Reihe schwarzer Punkte, von denen der eine Analwinkel am Schwänzchen gross, nach innen gelblich, nach aussen bläulich umzogen ist. Leib und Brust unten weiss, oben braun. Plebejus ampJiissa Felder. Plebejus amphissa Felder, Wien. Ent. Monatsschr. IV. p. 144 Nr. 90 (1860). Lyc. amphissa Felder, Reise Nov. Lep. IL p. 269 Nr. 329 t. 34 f. 16, 17 (1865), Batjan. In der Ribhe'schen Ausbeute sah ich eine Reihe von Exemplaren, So und 99, welche der Felder'schen Abbildung entsprachen, von Neu-Lauenburg und Neu-Pommern. Die (jq zeichnen sich auf der Oberseite durch eine lebhaft hellblauschimmernde Färbung aus mit schmaler dunkler Fransenlinie. Auf den Hinterflügeln ist diese letztere vor dem schwarzen Schwänzchen mit weisser Spitze etwas punktförmig verdickt. Die Unterseite der Vorderflügel ist hellgrau mit weisslichen unterbrochenen Querstreifen und einer dunklen marginalen Binde. Die Hinterflügel sind ebenso hellgrau mit weisslichen gewellten Linien , und schwarzen grösseren Randmonden, die vom Apex ausgehen, vor den Schwänzchen theilweise orangegelb umzogen und mit Silberblau gestichelt sind. Die £ 5 haben breiten schwarzen Aussenrand der Vorder- und Hinterflügel. Bei den erstem sind die unteren zwei Drittel der costa und der Grund des Flügels himmelblau glänzend, der Discus weiss, auf den Hinterflügeln ist der ganze Flügel bis zum Rande himmelblau glänzend, am Hinderrand schwarze Möndchen. Auf der Unterseite ist der Discus der Vorderflügel weiss, costa und Flügelgrund weisslichgrau, Aussenrand mit submarginaler schwarzer Mundlinie und schwarzen Fransenlinie. Hinterflügel weissgrau mit weisslichen gewellten Querlinien. Die schwarzen Randmonde am Vorderwinkel kräftig entwickelt, auch den Hinterwinkel hin überwiegt die orange Färbung. Vor dem Schwänzchen silbergrüne Schuppen, tf 30 9 35 mm. Plebejus complicata Eni ler. Plebejus complicata Butler. Annais Mag. Xat. Mist. 1882, p. 151: New Britain. „cf Flügel oben blassblaugrün. Vorderflügel mit einem breiten, graubraunen Apicalfeld und Aussenrand, ein kleiner schwarzer Fleck am Zellende, eine schmale abgekürzte weisse submarginale Linie nahe dem Aussenwinkel; — 111 — Hinterflügel mit einer marginalen Reihe weissgerandeter konischer graubrauner Flecken, innen begrenzt von einer gewellten Linie derselben Färbung, der sechste Fleck schwarz und darüber ein kleiner oranger Fleck. Unterseite blassbraun, mit weissgerandeten dunklen Zeichnungen wie folgt: zwei unregelmässige längliche Flecken schliessen die discoidale Zelle und sind eingeschlossen von zwei zusammenhängenden unregelmässigen Binden, die an den Rändern zusammenhängen (d. h. auf dem Costalrand der Vorderflügel und dem Abdominalrand der Hinterflügel), ein zusammen- hängender gewellter (oder beinahe Zickzack) submarginaler weissgeranderter brauner Streifen, die marginalen konischen Flecke begrenzend, welche zum Apex der Vorderflügel sich fortsetzen. Die letzten zwei auf den Hinterflügeln zum Theil schwarz und orange umgeben ; Schwänzchen braun mit weissem Aussenrand und Spitze, schmalebrauneMargin.il- linie. 24 mm. Neu-Brit. Duke of York Isl." Butler. Plebejus (Lampides) parrhasius Fabr. Hesperia p. Fabr., Ent. Syst. III. p. 289 Nr. 108 (1793), Java. Lampides p. Butler, Cat. Fabr. Lep. 1(35 (1809); Horsfield, Cat. E. J. C. 0. p. 86 Nr. 28 (1829); Miskin, Annals Queens! Mus. 1891: Australia. E veres p. Distant, Rhop. Mal. p. 221 Fig. 66 Cont. India, Mal. Peninsula; Malacca, Java, Celebes; Moore, Lep. Ceyl. vol. I. p. 85, T. 36 f. 1 (1881); Semper, Phil. Tagf. Journ. Godeffr. p. 19 (1878). Australien. Ceram, Philippinen. Cupido p. Snellen, T. v. E. Bd. KXj. p. 19 Nr. 85 (1878); Pagenstecher, N. J. f. Xat. 1884: Amboina. Eperes atyiades Pallas, Reise vol. I., App. p. 472 Xr. 65 (1771); Marshall and de Niceville, Buttern. India III. p. 137. Taf. 26 f. 180, o\ Nord- Amerika . Central. Süd-Europa, N.-W.-Asia, Süd-Sibirien, Amur, Japan, Corea, China, India, Ceylon, Assam, Burina. Malay Peninsula, Nicobar Islands. Sumatra, Java. Celebes, Sumba, Sumbawa, Ceram, Philippinen, Australia. de Niceville and Elwes, J. As. Soc. Bengal Vol. 66 p. 695 (1897): Lom- bok, Sambawa, Sumba. (j\ 11 — 14 mm. Oberseite dunkelblau, schwarz gerandet mit Schwänzehen. Unterseite bellgrau, Hinterflügel mit hellrothen Analflecken und zwei schwarzen Punkten nach aussen. 9 10 bis 14 mm. Oberseite blaugrau, schwärzlich bestäubt. Hinterilügel mit rothen Randllecken. Unter- seite heller mit dunklen Punkten und einzelnen Streifen, grossem röthlichen Analfleck. In der Dahl'schen Sammlung sind Exemplare ,. . 25. Mai 1890 Ralum, vom 2s. September 1896 Ralum, ferner am Strand Ralum, 5. Mai 1896. Ribbe fing das Thierchen ebenfalls in Neu-Pommern und Neu-Lauenburg. Im Tring-Museum von Neu-Hannover (Februar, März 1897 Webster). Der Falter hat die weiteste Verbreitung der Lycaeniden. Plebejus (Lampides) berriiicc Herrich Schärfer. L. b. Herrich Schäffer, Stett. Ent. Ztg. 1869 p. 74 Xr. 33: Rockhampton; Miskin. Annals Queensland Mus. 1891: Australia; Ruber , Tijd. v. Ent. Bd. 34. p. 315: Flures (1891): Semper. Journal Mus. (iodeffroy 14 p. 20: Australia. (j1 13 bis 15 mm; Q 12 — 15 mm. Der gleichmässig dunkelviolett gefärbte Schmetterling hat oberseits schwarzen Aussenrand der Flügel und ein kleines kurzes Schwänzchen; auf der Unterseite ist er braun mit weisslichen Querlinien, im Analwinkel ein grosser schwarzer Punktfleck, röthlich eingefasst und mit silbernen Schüppchen bedeckt. In der Dahl'schen .Sammlung Ralum, 20. September 1896. Plebejus macropMlidlma Felder. Lycaena m. Felder. Verh. zool. bot. Ges. xjj. p. 483 Nr. 115 (1802); lieise Nov. Lep. IL p. 275 Xr. 339 T. 34 f. 35 (1805). — 112 — Nacaduba m. de NiceVille, B. Ind. III. p. 143: Sikkim. South India, Ceylon, Mal. Pen- insula, Borneo, Philippinen, Australien; de Nieeville and Elwes, J. As. Soc. Bengal Vol. 66 p. G9G: Bali, Sumbawa, Samba; de Nieeville and Martin, J. As. Soc. Bengal Vol. 04 p. 455: Sumatra. Der Schmetterling ist dem vorigen ähnlich. Auf der Unterseite ist er einfach braun mit zarten weisslichen Linien und Punkten, auf den Hinterflügeln am Analwinkel oberhalb des kleinen Schwänzchens ein auffallend grosser, heller eingefasster schwarzer Augenfleck. Ein defektes Exemplar in der Dahl' sehen Ausheute, Ralnm 23. Juli 189G zieheich hierher. Plebejus (Lampides) ancyra Felder. Lycaena ancyra Felder, Sitzungsher. Wien. Akad. Wiss. Meth. Nat. Cl. 1860, p. 457 Nr. 35; Felder, Reise Nov. Lep. p. 27G Nr. 342, Tat. 34 f. 5 (18G5); Semper, Phil. Tagf. p. 17G; Semper, Journal Mus. G-odeffr. 14, p. 21 (1878), Rockhampton; Miskin, Annais Queensl. Mus. 1891: Australia; Grose Smith, Nov. Zool. I. p. 593: Neu-Guinea (1894); de Nieeville. J. As. Soc. Bengal Vol. G4 p. 4G5: Sumatra; de Nieeville and Elwes, J. As. Soc. Bengal Vol. G6 p. G9G (1897), Lombok. Sumba. Exemplare dieser Art wurden von Prof. Dahl gefangen Ralum 14. Mai 1896, 17. Mai 189G, 23. Mai 1896, ein Paar in Paarung 13. November 1890. Auch von Neu-Hannover im Tring-Museum. (f Dunkelviolettblau mit Schwänzchen der Ilinterflügel , die Unterseite rauchgrau mit hellen Strichen im Streifen und zwei schwarzen Punkten am Grunde, am Analwinkel mit schwarzem, nach innen röthlich umzogenen Fleck. 11 — 15 mm. 9 Vorderflügel nur im Discus hellblau schimmernd, sonst bräunlich, im Aussenwinkel ein hellerer Sub- marginalstreifen. Hinterflügel blaugrau, nach aussen heller, mit hellen Randmöndchen, kleinem Schwänzchen und vor demselben ein schwarzer, nach innen röthlich umzogenen Punkt. Unterseite rauchgrau mit dunkeln hell eingefassten Querlinien. Im Analwinkel der Ilinterflügel ein schwarzer Fleck, röthlich umzogen. 11 — 15 mm. Auch von Ribbe in Neu-Pommern gefangen. Plebejus pdlmyra Felder. Lycaena p. Felder. Sitzungsber. Wien. Akad. AViss. Meth. Nat. Cl. Bd. XL. Nr. 40 (1860); Reise Nov. Lep. p. 27G Nr., 343 Taf. 34 f. 28, 29; G. Semper. Journ. Mus. God. 1878, p. 23: Australia. 12 mm. Vorderflügel oben schwarzbraun mit discaler weisser Querbinde, am Grunde bläulichschimmernd. Hinterflügel schwarzbraun, nach innen bläulich, nach aussen mit drei schwärzlichen, heller eingefassten Möndchen. Unterseite graubraun, mit breiter weisser Querbinde der Vorderflügel und einzelnen dunklen, heller eingefassten Mönd- chen. Hinterflügel graubraun. Im Afterwinkel ein grosser, schwärzlicher, röthlich eingefasster Fleck. Kleines Schwänzchen. In der Dalil'schen Ausbeute von Ralum 27. Mai 189G. Plebejus perusia Felder. L. p. Felder, Sitzungsber. Wien. Akad. AViss. Math. Nat. Cl. XL. p. 458 Nr. 38 (1860); Felder, Reise Nov. Lep. p. 274 Nr. 338, Taf. 34 f. 4 (1865); Herrich Schärfer, St. Ent. Ztg. 18G9, p. 73 n. 27: Semper, Journ. Mus. God. 1878, p. 21: Rock- hampton; Rober, Tijd. v. Ent. Bd. 34, p. 315: Ceram; de Nieeville and Martin, d. As. Soc. Bengal Vol. 04 p. 458: Sumatra (= atrata Horsf. ?); Miskin, Annais Queensl. Mus. 1871: Australia. 15 mm. O 13—16 mm. — 113 - Ein 9 der Dahl'sclien Ausbeute, gefangen Ralum am Strande 29. Mai 189(3, ist hellblau schimmernd mit breitem, schwarzem Rand, der über den Apex zum Innenwinkel geht. Nach aussen von der Mittelzelle befindet sieh eine helle weissliche Färbung. Die Hinternügel sind bläulich schimmernd mit dunkler Marginallinie und Randmondchcn. Kleines Schwänzchen. Unter- seite rauchgrau mit weissen Linien. Am Aussenrand dunkle Punkte, im Analwinkel ein schwarzer, röthlich umzogener Fleck. Plebejus (Nacaduba) nora Felder. L. n. Felder, Sitzungsber. Wien. Akad. Wiss. Math. Nat. Gl. 1860, p. 41G Nr. 37 (1860). Reise Nov. Nr. 341, T. 34 f. 34; Grose Smith, Nov. Zool. I. p. 573: Neu-Guinea; Semper, Jour. Mus. God. 14, p. 21, Nr. 59 (1878); Phil. Tagf. p. 175; Pagenstecher, Jahrb. Nass. Ver. f. Nat. 1882: Amboina; de Niceville, III. p. 147: Andamans ; Amboina, Australia. cf 11 — 12 mm. 9 11 — 12 mm. „Oberseite schmutzig l)Iau, Unterseite mit aschgrauem Grund, Flecken und Binden etwas rüthlicher als der Grund, welcher im Saumtheil stark weisslich gemischt ist, so dass die Reihe Punkte in dem Saum und die Mondlinie wurzelwärts von ihnen sich sehr dunkel anschauen. In Z2 der Hinterflügel steckt ein scharf schwarzes, wurzelwärts orange umzogenes Dreieck, an Zelle 1 a eine Andeutung eines solchen. Von Rock- hampton." Herrich Schäffer. In der Dahl'schen Ausbeute von Ralum i9. Februar 1897. Von Ribbe ebenfalls in Neu-Pommern gefangen. Der Schmetterling variirt in der Färbung der Unterseite. Plebejus strongyle Felder. Plebejus strongyle Felder, Sitzungsber. Akad. Wiss. Wien. Math. Nat. Gl. XL., p. 459 Nr. 43 (1860), Reise Nov. Lep. IL, p. 278 Nr. 348, T. 34, f. 32, 33 (1865), Amboina. Diese niedliche Lycaenide, von der sich ein Exemplar in der Dahl'schen Ausbeute von Ralum 28. September 1896 befindet, zeichnet sich aus durch gleichmässig schwarz gefärbte Vorder- flügel mit einem grossem dreieckigen weissen Fleck im Discus, der schief von der Mitte des Innenrandes in den Flügel sich nach auswärts erstreckt. Die Hinterflüge] sind ebenfalls schwarz mit langem Schwänzchen. Die Unterseite sämmtlicher Flügel ist bläulichweiss mit dichten Flecken und einer marginalen Reihe schwarzer Möndchen. J 'hin jus (Catachrysops) cyta Boisd., Voy. Astr. Lep. p. 87 (1832). Lampides cyta Butler, Pr. Zool. Soc. Lond. 1874, p, 288: Neu-Irland. „Flügel silberblau glänzend, die Hinternügel mit einem kleinen Schwänzchen; auf der Unterseite die vier Flügel mit mehreren weissen unterbrochenen Strichen; die Hinterflügel haben ausserdem eine marginale Reihe schwarzer Flecke, von denen die drei dem Abdominralande benachbarten mit Gelb und Goldgrün versehen sind. Grösse und Gestalt wie elpis, dem sie sehr ähnlich. Neu-Irland." Boisduval. Plebejus (Catachrysops) stnil>o Fabr. P. strabo Fabr., Ent. Syst. III. Nr. 101 (1793); Godart, Enc. Meth. IX. p. 656; Butler, Cat. Fabr. Lep. p. 165; Boisduval, Voy. Astr. p. 88 (1832); de Niceville, III. p. 177: India, Ceylon, Malay Peninsula, Siam, Nias, Java, Borneo, Celebes, Philippinen, Australia. L. Jcandarpa Horsfield, Cat. Lep. E. J. C. M. p. 82 Nr. 17 (1829); Semper, Jour. Mus. God. 14, p. 22 Nr. 62 (1878). Zoologica. Heft 27. 15 — 114 — C. strubo Distant, Rhop. Mal. p. 224, T. xxj. f. 8 o, 14 0: India, Malay Peninsula, Java, Celebes, Philippinen, Formosa, Molukken ; Grose Srnith, Nov. Zool. I. p. 598 : Neu-Guinea; de Niceville and Martin, J. As. Soc. Bengal Vol. 64 p. 461: Su- matra; de Niceville and Elwes, J. As. Soc. Bengal 1897, Vol. 66 p. 698: Lom- bok, Bali, Sumbawa, Sumba. Semper, Phil. Tagf. p. 185. „Oberseite der Flügel blassblau violett, mit braunem Ratide, unten rauchbraun, hinter der Mitte kleine weisse Kettenstreifen, auf der costa der Vorderflügel ein schwarzer Punkt und zwei auf der der Hinterflügel, Anal- winkel der letzteren mit vergoldeten Augenflecken, von denen einer kleiner." Boisduval. In der Dahl'schen Ausbeute sind Exemplare von Ealum Strand 17. Mai 1896, 21. Mai 1896, 24. Mai 1896, 23. September 1896. Herr Ribbe fing die Art ebenfalls in Neu-Pommern. Der Boisduval'schen Beschreibung ist zuzusetzen, dass die Hinterflügel ein kurzes, schwarzes Schwänzchen tragen, in dessen Grund ein schwarzer Punktfleck. l'kbejiis (Gatachrysops) cnejus Fabr. Hesperia cnejus Fabr., Ent. Syst. Suppl. p. 430 (1798). Polyommatus cnejus Godart, Enc. M^th. IX. p. 657 Nr. 135 (1823). Lycama cnejus Horsfield, Cat. Lep. E. J. C. p. 83 Nr. 18 (1829). — Herr. Schäffer, Exot. Schm. II. f. 120 o (1869). Lampides cneius Butler, Cat. Fabr. Lep. Br. Mus. p. 165 Nr. 13 (1869). Semper, .Tour. Mus. Godeffr. vol. XIV. p. 158 Nr. 61 (1779). Catachryscps cnejus Moore, Lep. Ceyl. I. p. 92 (1881). Distant, Rhop. Mal. p. 225 Nr. 2. pl. xxj. f. 2 _>' (1SS4); p. 456. pl. 44 f. 15 o (1886). de Niceville, Butt. Ind. III. p. 178: India, Ceylon, Burma, Malay Peninsula, Nias, Andamans, Nicobars, Sumatra, Java, Borneo, Celebes, Philippinen, China, Australia, South Sea-Islands. — de Niceville and Martin, J. As. Soc. Bengal Vol. 64 p. 461: Sumatra. — de Nicerille and Elwes, J. As. Soc. Bengal Vol. 60 p. 698 (1897): Lombok, Sumba. — Semper, Phil. Tagf. p. 186. Lycaena samoa Herr. Schäffer, St. Ent, Ztg. 1869, p. 37 Nr. 30. Taf. IV. f. 18. Lampides patcda Butler, Tr. Linn. Soc. Zool. 1877, p. 547. „alis caudatis, caertdescentibus, lirribo fusco, subtus cinereis albo undatis, posticis punctis plurimis baseos duo- bttsqtie vol. X p. 154 (1882) aufgeführten Formen: Tagiades clcricus mit einer marginalen Reihe von bei- nahe zusammenfliessendeu schwarzen Flecken am Hinterrand der Hinterfliigel und Tagiades presbyter mit einem grossen submarginalen Fleck und schwarzem Rande scheinen mir nichts Zoologica. Heft 27. 17 — 130 — weiter als Formen von japetus Cr. 80 gehören zu japetus wohl die von Elwes and Edwards in ihrer Arbeit (I.e.) aufgeführten Arten: menaka Moore, atticus Fabr. (Butler, Cat. Fabr. Lep. p. 283) cdllüona, ferner watertradii Elwes (1. c. p. 143 pl. XX f. 7), sambawana Elwes (1. c. p. 143 pl. XX f. 10) und vielleicht auch nana und nestus. Watson, 1. c. p. 54 führt japetus Gr., clericus Butler, presbyter Butler, atticus Moore. menäJca Moore als besondere Arten auf, bemerkt aber dabei, dass ohne Zweifel einige als identisch bei grösserem Material sich erweisen würden. Tagiades japetus (in der Ribbe'schen Ausbeute von Xeu-Lauenburg, Neu-Pommern, Neu- Mecklenburg) hat braunschwarze Vorderflügel; am Apex stehen in gekrümmter Reihe 5 kleine Glasflecken, vor der Zelle zwei grössere zwischen ihr und dem Aussenrand und ein bis zwei nach der costa hin. Die Hinterflügel sind braunschwarz, die Analparthie bis beinahe zur Flügelmitte breit weiss. Vom Vorderwinkel her treten schwarze Punktflecke in wechselnder Zahl am Aussen- rande, oben als snbmarginale, unten als marginale auf, die letzteren bei zahlreichen Exemplaren als schwarze Randbinde in verschiedener Entwicklung. Auf der Unterseite sind auf den Vorder- flügeln die Glastiecke stärker entwickelt, am Hinterwinkel ein weisslicher Fleck. Die Hinter- flügel sind weiss bis auf den Vorderrand und die oben genannten in wechselnder Form auf- tretenden submarginalen Flecke und marginalen Binden. Die Beschreibungen der beiden Butler'schen Formen: clericus und 'presbyter lauten: Tagiades clericus Butler (Ann. Mag. N. Hist. 1882, p. 154, Duke of York Isl. „Nahe verwandt mit T. atticus; Vorderflügel dunkel purpurbraun, mit zwei deutlichen hyalinen weissen Flecken nahe dem Zellende und zwei schief gestellten nahe dem Grunde des Medianzwischenraums , eine schiefe und etwas gekrümmte subapicale Reihe von vier hyalinen weissen Flecken. Hinterflügel dunkelbraun, das anale Viertel schneeweiss, der Apex, drei grosse marginale Flecke und zwei ungleiche schief gestellte subapicale Flecke schwarz; Körper dunkelbraun. Vorderflügel unten nahezu wie oben. Hinterflügel schneeweiss, bläulich in der Mitte, an der Basis und dem Costaltheil breit purpurbraun ; eine zusammenfassende marginale Reihe von ungleichen schwarzen Flecken, drei kleine subapicale schwarze Flecke, der zweite und dritte nahe beieinander, auf den Radialzwischen- räumen; Brust bläulich weiss, Leib weiss. 52 mm. Duke of York Isl." Butler. Tagiades presbyter, Butler, Annais Mag. X. Hist. 1882, p. 154: Duke of York Isl. Verwandt mit T. atticus und menaka ; Vorderflügel oben schwarzbraun, ein subcostaler Fleck und zwei un- gleiche Flecke nahe dem Zellende, welche eine schiefe Reihe über der Zelle bilden; zwei Flecke schief gestellt auf dem Medianzwischenraum ; die gewöhnlichen fünf subapicalen Flecke, eine schuppige Stelle am Zellende und eine andere nahe dem Aussenwinkel hyalin weiss; Hinterflügel an der basalen Hälfte und dem Apicaltheil schwarzbraun. Der Rest des Flügels mit Ausnahme eines grossen submarginalen schwarzen Flecks und eines schwarzen Randes , welcher mit dem Apicaltheil zusammenfliesst, schneeweiss. Körper dunkelbraun. Vorderflügel unten mit wohlausgesprochenen schneeweissen Flecken an Stelle der schuppigen Stelle, der nahe dem Aussenwinkel gross und getheilt; sonst wie oben; Hinterflügel schneeweiss, gegen den Grund blassblau; Costalparthie, ein subapicaler Fleck nahe dem Aussenrande und ein schmaler Aussenrand schwarz: Körper unten weiss, Brust und Beine leicht bläulich. 46 mm. Duke of York Isl." Butler. La der Ribbe'schen Ausbeute von Neu-Pommern, Neu-Lauenburg und Neu-Mecklenburg die drei Formen: japetus, clericus und presbyter, ebenso in der Dahl'schen Ausbeute von Ralum 11. Juni 1896, 10. Mai 1896, 25. Mai 1896. sowie von Mioko 16. November 1896. Subfam. Pamphilinae. (Watson, 1. c. p. 69.) Sectio 11 B. Gattung Padraona Moore. (W. p. 101.) „Fühler: Keule verlängert, mit einem kurzen Endhaken ; Palpen: zweites Glied dicht beschuppt, drittes Glied kurz, schlank, beinahe aufrecht, konisch. Vorderflügel: Innenrand länger als Aussenrand; Zelle weniger als 2/s der Länge der costa; mittlere Discocellulare ungefähr zweimal so lang als untere Discocellulare, Ader 5 beträchtlich näher an 4 als an 6; Ader 3 unmittelbar vor dem Ende der Zelle; Ader 2 ungefähr gleichweit abstehend von dem Ende der — 131 — Zelle und dem Grund der Flügel, etwa näher am Ende der Zelle. Hinterflügel: Aussenrand gerade, etwas ausge- schnitten zwischen Adern 2 und lb; Ader 7 vor Ende der Zelle ; Discocellularen sehr schwach, 5 fehlend, 3 nahe dem Ende der Zelle, zweimal so weit von 2 als von 4 ; Ader 2 beträchtlich näher dem Zellende als dem Flügelgrunde. Bei einigen Arten findet sich ein kleiner Streifen gerade über dem Centrum von Ader 1 auf der Oberseite der Vorderflügel Hinterschienen mit zwei Sporenpaaren. " Padraona äara Kollar. Hcsperia dura Kollar, Hügels Kaschmir vol. IV. p. 455 (1848). Pamphila maesa Moore, Pr. Zool. Soc. 1865, p. 509 pl. XXX. f. 9, Ind. bor. Pamphila maesoides Butler, Tr. L. Soc. Lond. ser 2, Zool. vol. I. p. 554 (1879). Telicota maesoides Distant, Rhop. Mal. p. 382 pl. 34 f. 24 (1886). Padraona hetaerus Semper, Phil. Tagf. p. 303 pl. 49 f. 15 (1882). Telicota dum K. Elwes and Edwards, Trans. Zool. Soc. Lond. vol. XIV. (1897), p. 256: India, Java, Bali, Sumbawa, Ceylon, Nias, China, Philippinen, Borneo, Japan. Padraona dura Watson, Hcsp. Ind. p. 57 (1891). — Röber, T. v. E. Bd. 34 p. 320: Key, Flores. — de Niceville and Martin, J. As. Soc. Bengal vol. 04 p. 541 : Sumatra. Telicota (Padraona) dum de Niceville, J. As. Soc. Bengal vol. 00 p. 722: Bali, Lombok, Sumbawa, Sumba. 18— 20 mm. Schwarz mit gelbem Vorderrand und gelber Binde. Aussenrand und Innen- rand der Vorderflügel gelb, der innere Theil des Flügels bleibt dunkel in Form einer nach dem Apex hin getheilten Binde. Aussenrand schwarz. Unterseite gelb mit schwarzer Binde im Grunde. Hinterflügel schwärzlich am Grunde. In der Dahl'schen Ausbeute viele Exemplare von Ralum Strand, Waldthal 22. Mai 1896, 28. Mai 1896, Juni 1896, 18. Mai 1896, Mioko 18. November 1896. Ribbe fing die Art in Neu-Pommern, Neu-Lauenburg und den Salomons-Inseln. Gattung Telicota Moore. (Watson p. 102.) „Fühler: Keule kräftig, verlängert, Endhaken kurz. Palpen: zweites Glied leicht beschuppt, drittes Glied bei- nahe aufrecht, konisch. Vorderflügel: Innenrand länger als Aussenrand; Zelle weniger als 2/ä der Länge der Costa; Ader 5 nahe dem Grunde der Zelle. Beim tf: Ader 3 vor dem Zellende, beträchtlich näher an 2 als an 4 und Ader 2 näher am Zellende als der Basis der Flügel. Beim O ist Ader 3 unmittelbar vor dem Zellende, und Ader 2 näher der Basis der Flügel als dem Zellende. Hinterflügel: Ader 7 vor dem Zellende, der obere Rand der Zelle nieder- gebogen zu ihrem Ursprung; Discocellulare schwach; Ader 5 nicht zu verfolgen, Ader 2, 3 und 4 alle nahe zusammen; Ader 3 zweimal so weit von 2 als von 4. Hinterschienen mit zwei Spornpaaren, q' mit einem linearen discalen Zeichen auf der Oberseite der Vorderflügel, von dem Grunde der Ader 4 so weit als die Submediana gehend, zweimal unterbrochen bei den Adern 2 und 3." Telicota augias Linue. I'ujiiIii, augias Linne, Syst. Xat. 1. ,p. 794 (1767). Telicota augias Distant. Rhop. Mal. p. 382 pl. 34 f. 23 (1886). - Watson, HcsjK Ind. p. 55 (1891). Elwes and Edwards, Trans. Zool. Soc. Lond. vol. XIV. Okt. 1897 p. 251, India, Sumbawa, Nias, Java. Philippinen. China. Röber, Tijcl. v. Eni Bd. 34 p. 320 : Ceram, Key, Flores, Celebes. — 132 - Telicota augias de Niceville and Elwes, J. As. Soc. Bengal vol. 66 p. 722: Lombok, Sumbawa. 21 — 32 mm. Schwarz mit gelben Bändern am Vorderrande, vom Apex zum Innenrand und Grund herabgezogen, die Gegend der Zelle dunkel lassend. Hinterflügel braunschwarz mit gelbem Fleck am Grunde und gelbem Querband, sowie gelbem Hinterrand. In der Dahl'schen Ausbeute von Ralum 22. Mai 1896, 27. Mai 1896, Lovon 11. April 1896, Kabakaul 21. September 1896, Lowon 2. Januar 1897 und Matamaritafluss 3. Jan. 1897. Ribbe fing die Art zahlreich in Neu-Pommern und Neu-Lauenburg. Telicota augiaäes Felder. P. augiaäes Felder, Sitzungsb. Wien. Akad. Wiss. Math. Nat. Cl. XL. p. 461 Nr. 51 (1865). Hesperia augiaäes, Reise Nov. Lep. III. T. 72 f. 5 (1867). _ _ Elwes and Edwards, Tr. Zool. Soc. vol. XIV. p. 253, T. 25 f. 65, 65 a. 9 = Hesp. acalle Hopffer, Stett. Ent. Ztg. 1874, p. 41 : Amboina. Batavia. 40 mm. Oberseite braunschwarz. Gelber Streifen längs des Vorderrandes des Vorder- flügels und zwei längs des Aussenrandes , von denen der obere sich vom discus parallel dem Aussenrande mit drei Flecken fortsetzt. Hinterflügel am Grunde gelblich. In der Dahl'schen Ausbeute von Ralum 11. November 1896, von Ribbe ebenfalls in Neu-Pommern mehrfach erbeutet. Gattung Baoris Moore. (Watson p. 106.) (Parnara auct.^) „Fühler: Keule verlängert, mit kurzen Kndhaeken, zugespitzt. Palpen: zweites Glied dicht beschuppt, drittes Glied beinahe ganz versteckt. Vorderflügel: Innen- und Aussenrand beinahe gleich; Zelle weniger als !/a der Länge der costa; Ader 12 die costa vor dem Zellende erreichend; obere Discocellulare klein, mittlere Discocellulare sehr lang, untere Discocellulare sehr kurz ; Ader 5 von nahe dem Boden der Zelle, Ader 3 etwas gekrümmt an ihrer Basis, nahe dem Zellende, zweimal so weit von 2 als von 4; Ader 2 beträchtlich näher dem Zellende als der Basis der Flügel. Hinterflügel verlängert; Aussenrand eben, Ader 7 vor dem Zellende, Discocellulare auswärts schief. Ader 5 nicht zu verfolgen; Ader 2, 3 und 4 nahe bei einander, Ader 3 zweimal so weit von 2 als von 4, der untere Rand der Zelle aufwärts gehenden bei Ader 2. Hinterschienen mit zwei Sporenpaaren. " Wateon. Baoris philippina Herrich Schäfter. Cobalus philippina Herr. Schäffer, Pr. Syst. Lep. III. p. 81 (1869). Hesperia seriata Moore, Pr. Zool. Soc. 1878, p. 688. ? Baoris seriata Moore, Lep. Ceyl. I. p. 166, pl. 69 f. 4, 4a (1881). Parnara seriata Watson, Hesp. Ind. p. 42 (1891). P. philippina Semper, Phil. Tagf. p. 298 pl. 49 f. 12 9 (1892). Elwes and Edwards, Or. Hesp. in Tr. Zool. Soc. 1897, p. 276 pl. xxj. f. 4, cf, 8 9, pl. xxvj. f. 85 a. b. c. : Ceylon, N. Canara, Philippinen, Amboina, Pala- wan, Talaut. 30 mm. Mattbraun auf der Oberseite, mit drei in schiefer Linie parallel dem Aussen- rande stehenden Glasflecken, von denen der zweite der grösste, nach dem Vorderrand an Grösse abnehmend. Hinterflügel einfarbig braun, etwas ins grünliche schimmernd. Unterseite matter, wie oben, mit gleichen Glasflecken. — 133 — Die in der Dahl'schen Ausbeate vorhandenen Exemplare sind von Waldthal Ralum 25. Mai 1896, 5. Juni 1896, 22. Mai 1896 und Mioko 15. November 1896. Auch Ribbe hat den Falter mehrfach erhalten. Baoris repetita Butler. Pamphila repetita Butler, Annais Mag. N. H. 1882 f. 155, Duke of York Isl. „cT Dunkel bronzebraun. Vorderflügel mit einem chocoladefarbenen Fleck oberhalb der Zelle ; nach aussen begrenzt von einer schlanken schiefen durchsichtig weissen Linie von dem ersten Medianast zur Submediana; zwei hyaline weisse Flecken stehen schief im Medianzwischenraum. Unterseite blasser, goldig schimmernd; Vorderflügel mit hyalinen Flecken wie oben. 31 mm. Duke of York Isl." Baoris albidavata Butler. Pamphila albidavata Butler, Annais Mag. N. Hist. 18>2, p. 135, Duke of York Isl. „tj1 Chocoladebraun, Basalhälfte der Flügel mit gelblichen Schuppen bedeckt. Vorderflügel mit drei oder vier hellgelben Flecken in einer schiefen Reihe von dem dritten Medianast zur Submediana. Hinterflügel mit zwei oder drei schwach ausgedrückten gelblichen Flecken in den Median- und Radialzwischenräumen. Kopf gelb gefleckt, Vorder- seite des Thorax grünlich, Flügel unten chocoladebraun mit Gelb überdeckt; Vorderflügel mit drei sich vergrössernden gelben Flecken vom dritten Medianast zur Submediana; Brust gelblich, Bauch braun, rahmfarbig gebändert. Keule der Antennen breit weisslich. 35 mm. Duke of York." In der Dahl'schen Ausbeute sind Exemplare von Ralum, Waldthal 22. Mai 1896, Lowon bei Ralum 20. Mai 1896, Kabakaul 20. Mai 1896, Waldthal Ralum 21. Januar 1897. Ribbe ting die Art mehrfach in Neu-Pommern. Gattung Notocrypta de Niceville (1889). (Plesioneura Felder 1862, nom. praeocc.) Watson 112. „Fühler: Keule massig, mit kurzem Endhaken. Palpen: zweites Glied dicht beschuppt. — Drittes Glied bei- nahe versteckt, stumpf konisch. Vorderflügel: Innen- und Aussenrand beinahe gleich, Zelle weniger als 2/3 der Länge der costa; Ader 12 die costa beinahe gegenüber dem Zellende erreichend. Discocellulare beinahe aufrecht, die mittlere die beträchtlich längste, Ader 5 näher an 4 als an 6, Ader 3 nahe dem Zellende; Ader 2 beträchtlich näher dem Grunde der Flügel als dem Zellende. Hinterflügel : Aussenrand eben; Ader 7 nahe dem Zellende, mehr denn zweimal so weit von 8 als von 6; Discocellularen und Ader 5 sehr schwach, Ader 3 gerade vor dem Zellende; Ader 2 näher dem Zellende als dem Grunde der Flügel; unterer Rand der Zelle unmerklich gewinkelt bei Ader 2. Hinterschienen mit zwei Paaren Endsporen." Notocrypta feistfiamelii Boisduval. Thymele feisthamelii Boisd. Voy. Astr. Lep. p. 159, pl. II. f. 7 (1832). Plesioneura curvifascia Felder, Wiener Ent. M. vj. p. 29 (1862). PI. feisthameü Pagenstecher, J. N. V. f. N. 1888, p. 186: Amboina; Blanchard, Voy. Pole Sud p. 483 pl. 3 f. 15, 20. PI. alysos Moore, Pr. Zool. Soc. 1865, p. 789; Lep. Ceyl. p. 178 pl. 67 f. 3, 3a, 3b, Raupe und Puppe. — — Distant, Rhop. Mal. p. 399 pl. 34 f. 7 o (1866). PI. reskiäa Moore, Lep. Ceyl- 1- P- 178 (1881). Wood Mason and de Niceville, Journ. As. Soc. Bengal 1887, p. 390 pl. 17 f. 5 cf. Notocrypta albifascia Watson, Hesp. Ind. p. 128 (1891). Notocrypta feisthamelii Elwes and Edwards, Tr. Zool. Soc. 1897, p. 239: India, Java, Nias, Philippinen. — — de Niceville and Elwes, J. As. Soc. Bengal vol. (J6 p. 721 (1897), Bali, Lombok, Sumbawa, Sumba. — 134 — „Alle Flügel gleichfarbig schwarz; die Vorderflügel tragen in der Mitte ein weisses Querband, welches die Ränder nicht berührt und in drei gleiche Theile durch die Adern getheilt wird. Sie haben ausserdem nahe der Flügel- spitze ein bis drei kleine weisse Flecke. Unterseite ähnlich. Palpen und Umgebung der Augen unten grau.' Boisd. In der Dahl'schen Ausbeute vom Lowon 22. Juli 1896, 20. Mai 1896, Waldthal bei Ralum 8. Juni 1896, 4. August 1896. Auch von Ribbe in Neu-Pommern und Neu-Mecklen- burg erbeutet. Die von Butler (Annais Mag. N. H. 1882, p. 154) als Plesioneura insulata von Neu-Bri- tannien beschriebene Notocrypta-Axt ist wohl mit der vorigen zu vereinen. Butler beschreibt sie wie folgt: „tf"' Verwandt mit PI. alysos von Ceylon. Dunkel uhocoladebraun. Vorderflügel mit einem schiefen drei getheilten halbdurchsichtigen weissen Fleck von der Subcostalis nahe dem Ende der Discoidalzelle zum ersten Median- ast, ein kleiner querer zweilappiger Fleck getrennt von dem vorigen, aber von gleicher Färbung längs des innern Mediantheils nahe dem Aussenwinkel. 43 mm. N. Brit." Butler. Sektion III. Gattung Hasora Moore. (Watson 1. c. p. 127.) „Fühler: Keule sieh plötzlich verdickend und allmählich zu einer feinen Spitze verschmälernd, an der dicksten Stelle gewöhnlich in rechtem Winkel, zuweilen in einem Haken umgeschlagen; der Endtheil nicht ganz so lang als das Uebrige der Keule. Vorderflügel: Innen- und Aussenrand ungleich: Zelle weniger als 2/3 der Länge der Zelle, Ader 12 die costa beinahe gegenüber der Zellecke erreichend, Ader 5 näher an 6 als an 4; obere Dicocellulare klein, mittlere Discocellulare und untere Discocellulare einwärts schief und in einer geraden Linie; Ader 3 beinahe gleichweit von dtm Grund der Flügel und dem Zellende. Ader 2 näher der Basis als Ader 3; Ader 1 abwärts nach der Basis gezogen. Hinterflügel in einen Lappen vorgezogen; Ader 7 näher an G als an 8; Discocellulare sehr schwach, aus- wärts schief; Ader 5 gut entwickelt, näher an (i als an 4; Ader 3 vorn gerade vor dem Zellende. Ader 2 beinahe gleichweit von der Flügelbasis als vom Zellende. Hinterschienen nicht dicht behaart und mit zwei Sporenpaaren. India, Malayasia, Philippinen, Fiji, Neu-Guinea, Australia." Hasora döleschalli Felder. Ismene d. Felder, Sitzungsb, Wien. Akad. Wiss. Math. Nat. Cl. XL. p. 460 Nr. 48 (1860), Reise Nov. Lep, III. T. 72 f. 16 (1867). — — Pagenstecher, N. J. f. N. 1888, p. 17: Amboina. — — Röber, Tijd. v. Ent. Bd. 34, p. 310: Key, Groram. Die Oberseite der Vordertlügel und HinterHügel braunschwarz, am Grunde metallisch grünschimmernd. Auf der Unterseite schwärzlich mit grünlichen Binden und bläulichen Flecken, der Aussenrand der HinterÜügel mit unterbrochen schmalem weissem Rande. In der Ribbe'schen Ausbeute ein Exemplar von Xeu-Hannover. Hasora tkridas Boisd. Ismene thridas Boisd., Voy. Astr. Lep. p. 161 Xr. 6 (1832): Buru. — — Pagenstecher, X. J. f. X. 1888, p. 17: Amboina, „Flügel braunschwarz, ohne Flecken; Kopf und Brust ein wenig grünlich; Unterseite der Vorderflügel grün- lichweiss, die Hinterflügel unterhalb der Mitte von einem weissen Streifen durchzogen." Boisd. In der Dahl'schen Ausbeute ein Exemplar, welches Ralum 1. März 1897 am Licht gefangen wurde. Hasora dirpha Boisd. Thymele dirpha Boisd.. Voy. Astr. Lep. I. p. 162: Neu-Irland. — Butler, Pr. Zool. Soc. 1874, p. 291. — 135 — „Flügel schwärzlichbraun, Vorderflügel mit einem Querband von vier weissen Flecken, welche viereckig und halbdurchsichtig sind, und welchen ein einzelner Punkt vorgelagert ist; die Unterseite der Hinterflügel gelblich, mit einem centralen hellen Punkt, der schwarz umrandet ist." Neu-Irland. Boisd. Mir unbekannt. Ob hierher gehörig? Gattung Badamia Moore. (Watson p. 128.) „Fühler kurz, kaum halb so lang als Costa, Keule massig, gewöhnlich in einen Haken uingebogen, zugespitzt. Vorderflügel ohne discales Zeichen, Aussen- und Innenrand ungleich. Zelle sehr lang und schmal, mehr als 2/3 der Länge der Costa, Ader 12 die costa vor Zellende erreichend, Ader 5 gleichweit von 4 und 6; obere Discocellulare klein, untere Discocellulare und mittlere Discocellulare ungleich, einwärts schief, in einer geraden Linie; Ader 3 dreimal so weit von der Basis der Flügel als vom Zellende, Ader 2 zweimal so weit von 3 als von Basis der Flügel. Hinterflügel bei Ader 2 ausgehölt und in einen Lappen vorgezogen; Ader 7 näher an 6 als an 8, mittlere Discocellulare leicht auswärts schief, untere Discocellulare leicht einwärts schief, Ader 5 gut entwickelt, Ader 3 vom Zellende, Ader 2 gleich weit vom Zellende und Basis der Flügel. Hinterschienen behaart, mit zwei Sporenpaaren. Nur eine Art vom Himalaja bis Australia vorkommend." Badamia exclamationis Fabr. Hesp. exclamationis Fabr. Syst, Ent. p. 530 Nr. 373 (1775). Pap. ladon Gramer, P. Ex. III. pl. 284 f. G. Tsmene thymbron Felder, Sitzungsb. 1860, p. 461. Ismme exclamationis Röber, T. v. E. Bd. 34, p. 319: Flores. Badamia exclamationis Moore, Ceyl. Lep. I. p. 157 pl. 68 f. 2. Elwes and Edwards, Or. Hesp. p. 306 : Himalaya, Sikkim, Anda- mans, Bali, Burma, Pulo Laut. de Niceville and Elwes, J. As. Soc. Bengal Vol. 66 p. 724: Bali. Sumbawa, Samba, „Alis integris, divaricatis fuscis, anticis Uneöla punetoque flavesentibiis. Hab. in India." Fabr. Der ansehnliche Schmetterling befindet sich in einem Exemplar in der Dahl'schen Aus- beute: gefangen Wunamarita 11. März 1897. Und. i:it/. de Niceville and Martin, J. As. Soc. Bengal vol. 64 p. 554: Sumatra. — — Dudgeon, J. Bomb. Nat, Hist. Soc. vol. X p. 144 (1895), gibt die Transformation. Hesperia exclamationis Butler, Gat. D. Lep. Fabr., p. 269 Nr. 1 pl. 3 f. 2 (1865). Butler. Pr. Zool. Soc. Lond. 1874, p. 291: Aneitum. In der Einleitung habe ich mich bereits über die Stellung ausgesprochen, welche der Bismarck- Archipel hinsichtlich seiner Lepidopterenfauna in der geographischen Zoologie einnimmt. Ich hatte dort bereits auf zwei bemerkenswerthe Erscheinungen aufmerksam gemacht, welche uns in der geographischen Verbreitung der dort vorkommenden Schmetterlinge, sowie in ihrer Eigenart als besonders bedeutsam entgegentreten. Es ist dies die bekannte allmähliche Ver- armung der Fauna nach Osten zu und zweitens das Auftreten eigenthiimlicher Lokalformen in den verschiedenen Bezirken. Die erstere Erscheinung ist von verschiedenen Autoren bereits genügend gewürdigt worden und wird in der speziellen Erörterung des Auftretens der einzelnen Familien, Gattungen und Arten näher hervortreten. Die letztere hat namentlich in der neueren Zeit mit der steigenden Bekanntschaft mit den auf den verschiedenen Inseln vorkommenden Formen das Interesse der Forscher in besonderer Weise erregt, Von Rothschild hat in seiner vortrefflichen Bearbeitung der östlichen Papilioniden in den Novitates Zoologicae die bezüglichen Erscheinungen in einer ternären Bezeichnung der einzelnen Formen und Passen der Spezies her- — 136 - vortreten lassen und andere Autoren halien sich beeilt, diesem Vorgeben in einer vielfach etwas zu weitgehenden Weise zu folgen, welche unbedeutenden und nebensächlichen Erscheinungen eine übermässige Wichtigkeit beilegt und nicht immer zur Klarheit der Nomenclatur beiträgt. Gerne gebe ich zu, dass der subjektiven Anschauung in der Fixirung der schwierigen Begriffe Rechnung getragen werden kann und muss. Aber andrerseits dürfte auch festgehalten werden , dass nur die Durchmusterung eines grösseren Materials aus einem und demselben Bezirke, wie aus den diesem benachbarten, ein einigermassen gesichertes Urtheil ermöglicht. Wie ich weiter oben ebenfalls bereits bemerkte, ist wohl Neu-Guinea als ein Centrum für die Lepidopterenfauna der austromalayischen Subregion anzusehen , welches einen Einfluss sowohl auf die westlichen Molukken , als auf den östlich gelegenen Bismarck-Arckipel ausgeübt hat. Dieser selbst zeigt daher die nächste Verwandtschaft mit der grossen Nachbarinsel im Westen, wie mit den weiter östlich gelegenen Salomons-Inseln andrerseits. Aber eine jede der Inselgruppen, ja fast jede der grössern Inseln selbst zeigt bemerkenswerthe Eigenthümlichkeiten, weniger in den Familien und Gattungen, als in der Zahl und Besonderheit der Arten. Die in der Anlage gegebene Tabelle über die geographische Verbreitung der im Bismarck-Arckipel ge- fundenen Arten der Tagfalter zeigt, wenn sie auch begreiflicherweise im Einzelnen noch in manchen Punkten lückenhaft bleiben musste, doch bemerkenswerthe Eigenthümlichkeiten. die ich des Näheren erörtern möchte. Von den vierzehn Familien, in welche die Tagfalter (nach Schatz) zerfallen, sind im Bis- marck-Archipel die drei für die Neue Welt charakteristischen : Heliconiden, Brassoliden und Eryci- miden nicht vertreten. Von den von Schatz aufgestellten sogenannten Neotropiden finden wir eine einzige Gattung als Vertreterin: Hamadryas, welche zudem von manchen Autoren, freilich mit geringerer Berechtigung, zu den Danaiden gestellt wurde. Somit bleiben uns übrig als im Bismarck-Archipel beobachtet: die PapiWoniden, Pieriden, Danaiden, Acraeiden, Nymphaliden, Morphiden, Satyriden, Libythaeiden, Lycaeniden und Hesperiden. Ent- sprechend den allgemeinen Gesetzen der Verbreitung der Tagfalter sowie der Zahl der Arten dieser Familien sind es besonders die Papilioniden, Danaiden, Nymphaliden und Lycaeniden, welche uns im Bismarck-Archipel als bedeutsam für die Fauna entgegentreten, während die Pieriden, Satyriden und Hesperiden nur in wenigen Gattungen und Arten, die Acraeiden, Morphiden und Libythaeiden nur in ganz beschränkter Artenzahl (1) vorkommen. Wenn die Papilioniden überall einen sehr bedeutenden Faktor in der Falterwelt darstellen. der in indoaustralischem Gebiet in besonderer Weise in die Erscheinung tritt, so zeigt sich dies auch im Bismarck- Archipel. Auf den Molukken treffen sich die mehr schwarzgelben westlichen Formen der Ornithoptera mit den schwarzgrünen östlichen, und von diesen hat sich der bekannte „Fürst" der Schmetterlinge, der schon dem Altvater Linne bekannte Ornithoptera Priamus in einer der von Neu-Guinea als pegasus Felder (poseidon) bekannten Form verwandten, einen Ueber- gang zu der blauen Ornith. urvilliana Guerin bildenden interessanten Form Qrnith. bornemanni Pagenst. in Neu-Pommern entwickelt. Bereits in Mioko (Neu-Lauenburg) tritt dann eine be- sondere blaue Form, miokensis, auf, um in Neu-Mecklenburg und den Salomons-Inseln als die dunkelblaue urvilliana die Verbreitungsgrenze der Priamus-Fovmen zu rinden , die sie mit der sonderbar gestalteten 0. Victoriae theilt. Eine gelbe Ornithoptera, die noch in Neu-Guinea angetroffen wird, zeigt sich im BismarckArchipel nicht mehr. Die Arten der Pnamws-Gruppe fand Ribbe am häutigsten in den Strand- und Flussuferwaldungen, wo die Futterpflanze (Piperacee) wächst. — 137 — Die Gattung Papilio zeigt im Bismarck-Archipel eine immerhin noch stattliche Zahl von Vertretern. Doch kommt nur eine beschränkte Zahl der Gruppen, in welche wir diese Gattung zerlegen, vor und meist nur in einem («der mehreren Repräsentanten, von denen einige allerdings für den Bismarck-Archipel charakteristisch und eigenthümlich sind. Beobachtet wurden von den im indoaustralischen Gebiet vorkommenden Gruppen Vertreter der Pofo/cfonts-Gruppe, ferner der Nephelus, Oritas, Euchenor, Polytes, Ulysses, Aristeus, Godnis, Eurypylus, Agamemnon und Wallacei- < huppe. Spezifisch für den Bismarck-Archipel sind hier 1) aus der Nephelus-Grru^e : Pap. cilix von Neu-Pommern, Neu-Lauenburg und Xeu-Mecklenburg ; welcher nach Ribbe an Bächen und im Urwald fliegt; 2) aus der Oritas-Gruppe : wehsten von Neu-Pommern und oritas von Xeu- Mecklenburg und Neu-Hannover ; deren Raupen auf Limonen-Bäumen leben und deren Falter in den Ansiedlungen und im Walde (co) zu linden sind. 3) Aus der P<%fes-Gruppe : Pap. phestus, welcher auf Neu-Pommern, Neu-Lauenburg, Neu-Mecklenburg und den Shortlandsinseln beobachtet ist; 4) aus der J.mfe«s-Gruppe : P. paron von Neu-Pommern und Neu-Mecklenburg bekannt; 5) aus der CWras-Gruppe : P. segonax, auf Neu-Pommern, Neu-Lauenburg, Neu-Mecklen- burg und den Salomons-Inseln beobachtet und 6) Pap. browni (Neu-Pommern, Neu-Lauenburg, Neu-Mecklenburg) aus der PFaßacei-Gruppe. Aus der Pofo^orws-Gruppe wird P. polydorus in wechselnder Gestalt von den Molukken bis Salomons-Inseln angetroffen. Aus der .EwcAenor-Gruppe verbreitet sich P. euchenor, welcher nach Ribbe das Wasser liebt, von den Molukken und Aru-Inseln über Neu-Guinea nach dem Bismarck-Archipel; Ulysses welcher nach Ribbe während des sonnigen Tages die Höhen des Waldes liebt und erst gegen Abend die Sohlen der Bäche und Thäler aufsucht, tritt in wech- selnden Gestalten von den Molukken bis Australien und Neu-Caledonien auf und macfarlanei der Agamemnon-Grtu^e wird von den Molukken bis Neu-Pommern gefunden. Eine ungleich weitere Verbreitung haben die übrig bleibenden drei Arten: Eurypylus, welcher Bachbette aufsucht, kommt in wechselnder Tracht von Indien bis Australien über den ganzen malayischen Archipel, Celebes, Philippinen, China, Japan vor, ebenso sarpedon und agamemnon, welcher lichte Stellen in Wäldern bevorzugt. Die Veränderungen, welche die genannten Papilioniden innerhalb der Grenzen ihrer Ver- breitung auf den Inseln, bezw. dem Kontinent, erleiden, hat v. Rothschild in sehr genauer Weise in seiner obengenannten Arbeit ausführlieh erörtert, und ich verweise auf diese. Inner- halb des Bismarck-Archipels bemerken wir als eigenartige Erscheinung die bei agamemnon (neo- pommeranus) und macf'arlanei (seminiger), auch bei browni (im Gegensatz zu wdllacei) , besonders deutlich aber auch bei polydorus (novobrittanicus , utuanensis) und ulysses beobachtete Ver- dunklung der Färbung. Bei andern treten die in den Einzelbeschreibungen hervorgehobenen Veränderungen ein. Von den 16 Papilio- Arten des Gebietes haben also nur 3 eine mehr universelle Verbreitung über das ganze indoaustralische Gebiet, 2 sind zuerst westlich auf den Molukken vorkommend (polydorus, macfarlanei), 6 /'//»//(D-Arten werden auch von den Salomons-Inseln, aufgeführt: Poly- daemon (der Vertreter von polydorus), phestus, <>r*ij>i»ts (ulysses), segonax tenebrionis , sarpedon im- parilis und agamemnon salomonis. In Australien kommen vor die nachfolgenden: ulysses (joesa), eurypylus (lycaon), sarpedon (choredon) und agamemnon (ligatus). Von der Familie der Pieriden sind im ganzen bis jetzt 20 (19 1 Arten im Bismarck-Archipel Zoologica. Heft 27 18 - 138 — gefunden worden, welche sich auf sechs Gattungen vertheilen. Sie sind im Bismarck-Archipel nicht häufig, ebenso wie bereits in Neu-Guinea. Die Gattung Elodinn, welche ausser im Papuagebiet noch in Celebes und den Molukken vorkommt, hat zwei eigenthümliche Vertreter in citri/iuris und primularis. Sie lieben nach Ribbe lichte Stellen in "Wählern. Delias hat ebenfalls einige für den Bismarck-Archipel eigenthümliche Erscheinungen. Die bisher als Pieris in der Literatur geführte Art lytaea von Neu-Pommern kommt synonym als georgiana auf Neu-Mecklenburg und auf den Salomons-Inseln vor. Ob D. totüa, narses und salvini, welche bisher allein auf Neu-Pommern gefunden wurden, auf diese Insel beschränkt sind, muss spätem Untersuchungen vorbehalten bleiben , wahrscheinlich ist es nicht ; ebenso dürfte bago'e nicht allein in Neu-Mecklenburg vorkommen. I). madetes ist bereits auf Neu-Pommern, Neu- Mecklenburg und Neu-Hannover gefunden worden. Nach Ribbe lieben die Delias-Axten den dichten Wald. In der Gattung Pieris, welche Wasserläufe liebt, finden wir P. teutonia auf den Sunda- Inseln und in Neu-Guinea und als var. nisaia ist sie von Neu-Pommern , Neu-Lauenburg und Australien bekannt. Quadricolor ist auf Neu-Pommern, Neu-Lauenburg, Neu-Mecklenburg bis jetzt beschränkt, die etwas fragliche Art peristhene wird von Neu-Mecklenburg erwähnt. Von den drei Tachyris- Arten ist T. eumelis allein für Neu-Mecklenburg bekannt, ada da- gegen geht von den Molukken bis zu den Salomons-Inseln (florenfma) und Australien, T. celeslma von den Molukken bis Neu-Mecklenburg (von Neu-Lauenburg ist sie noch nicht nachgewiesen). Sie wird nach Ribbe an Waldrändern oder lichten Stellen im Urwald gefunden, wo sie sich an die Unterseite der Blätter zu setzen pflegt. Eutema hecabe hat eine universelle Verbreitung im indoaustralischen Gebiet , dagegen ist E. xanthomelaena eine für den Bismarck-Archipel charakteristische Art (Neu-Pommern. Neu- Lauenburg, Neu-Mecklenburg, Neu-Hannover). Die schlechtfliegende Art liebt die Nähe des Bodens an lichten Stellen. Eine gleiche universelle Verbreitung wie hecabe, haben die als Catqp- silitt crocale und catiMa bekannten Formen, die wohl nur eine Art vorstellen, von Indien bis Au- stralien überall, aber im Bismarck-Archipel auffallend selten beobachtet. Sie lieben Wiesen und Felder, sowie Wasserläufe. Die für das indoaustralische Gebiet so charakteristischen Donalden zeigen im Bismarck- Archipel eine zumeist sehr engbegrenzte Verbreitung. Wenn wir die beiden Formen mytilcnv (von Neu-Mecklenburg) und biseriata (Neu-Guinea bis Salomons-Inseln) als selbstständige Formen auffassen, so geht keine einzige auf dem Bismarck-Archipel vorkommende Art über die Molukken hinaus mit Ausnahme von plexippus L. , (erippus Cr.) , welche Art bis Java , Borneo, Singapore gefunden wurde. Danais sobrinoides kommt von Neu-Pommern bis zu den Salomons-Inseln vor, ist aber mit I). sobrina von den Molukken und Neu-Guinea sehr nahe verwandt ; I). purpurata wurde auf Neu- Guinea und Neu-Pommern gefunden, rotundata in Neu-Pommern, Neu-Lauenburg und Neu- Mecklenburg, I). clinias bis jetzt allein in Neu-Mecklenburg. I). australis dagegen, eine nächste Verwandte von hamata, kommt von Neu-Guinea bis zu den Salomons-Inseln und Australien vor und hat in der mehr westlich auftretenden Melissa, sowie Umniace weitere sehr nahestehende Formen. Noch beschränktere Verbreitung zeigen die Euploea- Arten des Bismarck - Archipels. E. obscura ist bisher allein in Neu-Pommern und Neu-Lauenburg. doretta allein in Neu- Lauen- 139 bürg, malaguna in Neu-Pommern ebenso wie lacon beobachtet, eboraci in Neu-Pommern und Neu- Lauenburg, E. cerberus von Neu-Guinea bis Neu-Mecklenburg, E. Hindern in Neu-Pommern und Neu-Lauenburg, decipiem in Neu-Pommern bis jetzt, ebenso die von den Molukken bekannte E. duponcheli. Euploea unibrunnea, welche von Neu-Pommern. Neu-Lauenburg und Neu-Mecklenburg erwähnt wird, fällt wohl mit der von Neu-Pommern und Neu-Lauenburg bekannten browni und der von Neu-Mecklenburg bisher allein erwähnten majuma zusammen. Euploea pumih , die wir von Neu-Guinea bis zu den Salomons kennen, fällt wohl mit andern Arten (salabanda, jamesi etc.) zusammen, die dort vorkommen, während perdita von Neu-Pommern, Neu-Lauenburg und Neu- Mecklenburg als eine Form von der mehr westliehen E. leueostictos (eunice) erseheint; vielleicht gehört auch tüaguna von Neu-Pommerns Gebirge nur hierher. Euploea treitschkei kommt in wechselnden Formen von Neu-Guinea bis zu den Salomons-Inseln vor. Keine einzige Art geht also über die Molukken hinaus, auf denen nur eine fragliche vorkommt und nur drei erreichen Neu-Guinea, wenn wir perdita als selbständige Art trennen. Hamadryas aequicineta ist auf die drei bekanntem Inseln des Bismarck-Archipels beschränkt, hat aber sehr nahe Verwandtschaft auf den Molukken und Neu-Guinea und östlich auf den Salomons-Inseln. wie auch in Australien. Acraea fumigata ist von Neu-Pommern und Neu-Lauenburg bekannt, wie als pollonia von den Salomons-Inseln. Verwandte Formen kommen auf Neu-Guinea , den Molukken und Celebes vor als meyeri, moMuccana und doheriyi und Acraea andromacha ist von Australien bis zu den kleinen Sunda-Inseln (Sumba, Flores) vorgedrungen. Die im Bismarck-Archipel beobachteten Nymphaliden zeigen nicht die Beschränkung der Verbreitung, wie frühere Gattungen, indem mehrere Arten mit grösserer Ausbreitung im indo- australischen Gebiet, ja noch weiter hin, vorhanden sind. Die Gattung Messaras zeigt sich in ihren Vertretern auf den Bismarck-Archipel be- schränkt, indem wallacei nur von den Molukken und Neu-Mecklenburg. turnen von den drei Haupt- plätzen Neu-Pommern, Neu-Lauenburg und Neu-Mecklenburg, alexis von Neu-Pommern und Neu- Mecklenburg erwähnt werden. Desgleichen sind von den beiden Cethosia-Arten G. obscura auf Neu-Mecklenburg, 0. antippe auf Neu-Pommern, Neu-Lauenburg und Neu-Hannover beschränkt und dem Archipel eigenthümlich. Auch die einzige vom Bismarck-Archipel bekannte Terinos-Art : maddelena scheint eine eng be- grenzte Verbreitung zu haben. Da hl traf sie bei Ralum, bei Grose Smith wird Matava als Fundort erwähnt. Von den beiden .1 /'//«-Arten ist aleippe, die wir von Celebes, den Molukken und Neu-Guinea kennen, auf Neu-Pommern. Neu-Hannover und Neu-Lauenburg gefunden worden, egista, die auf den Molukken und Neu-Guinea vorkommt, wird von Neu-Mecklenburg und den Salomons-Inseln erwähnt. Nehmen wir die im Bismarck-Archipel auftretende Cynthia insularis von Neu-Pommern und Neu-Mecklenburg, wozu wir unzweifelhaft berechtigt sind als eine Form der weit verbreiteten local variirenden C. arsinoe (erota, dejone) so besitzt diese Art eine Verbreitung im ganzen indo- australischen Gebiet bis zum Bismarck-Archipel und hat in Neu-Mecklenburg und Neu-Hannover eine nahe verwandte Form in der von Ribbe beschriebenen var. lemina. Symbrenthia hippoclus zeigt die gleiche Verbreitung, ist aber bis jetzt, in Neu-Mecklenburg noch nicht aufgefunden, wo sie wahrscheinlich auch vorkommt. — 140 — Junonia villida ist von den grossen und kleinen Sunda-Inseln, von Neu-Guinea, dem Bis- marck- Archipel , sowie von den Salomons-Inseln , Australien und vom Pacific bekannt, hat also einen ganz enorm ausgedehnten Verbreitungsbezirk, in welchem sie etwas variirt. Das Gleiche gilt von orithya (ocyäle), welche bis Neu-Pommern von Indien und den grossen Sunda-Inseln an bekannt ist. Ebenso ist Prrcix eelima, die wir nicht von idn trennen, über das ganze indoaustralische Gebiet einschliesslich der Salomons-Inseln und Australien verbreitet. Wiinopalpa algina kommt auf den Philippinen, den Molukken, Neu-Guinea vor und ist in der Form kökopona von Neu-Pommern. Neu-Lauenburg. Neu-Mecklenburg bekannt. Eine enger begrenzte Verbreitung zeigen die im Bismarck-Archipel vorkommenden Dole- schaUia-Arten. Mit Ausnahme des auch von Neu-Guinea bekannten üascylus sind die andern Arten rickardi, gurelca von Neu-Pommern und Xeu-Mecklenburg bekannt, broivni ausserdem noch von Neu- Lauenburg. Die grösste Verbreitung aller Nymphaliden zeigt Hypolimnas bolina, die im ganzen indo- australischen Gebiet verbreitet, auch auf den Salomons-Inseln, Australien und paeifischen Inseln vorkommt und vom Bismark-Archipel überall bekannt ist. Älimena, welche im westlichen Theil des indoaustralischen Gebiets bis Neu-Guinea vor- kommt, wird von den Salomons-Inseln von Ribbe erwähnt. Im Bismarck-Archipel selbst tritt an ihre Stelle die Form inexpeetata, die von Neu-Pommern, Neu-Lauenburg. Xeu-Mecklenburg und Neu-Hannover bekannt geworden. Eigenthümlich für den Archipel und nur noch auf den Salo- mons-Inseln gefunden ist IL pithöka (unicolor) , ebenso wie die von Neu-Mecklenburg und den Salomons-Inseln bekannte lutescens. Der im ganzen westlichen indoaustralischen Gebiet und über dieses hinaus in Afrika, ja selbst in Südamerika aufgefundene H. misippus ist in Neu-Pommern angetroffen worden , aber dort, wie es scheint, selten. Mynes, eine sonst von den Molukken und Australien bekannte Gattung, zeigt in dem von Neu-Pommern bekannten cottonis und dem vielleicht dieselbe Art darstellenden eueosmetos von Neu- Mecklenburg lokal begrenzte Arten, ebenso wie es mit M. katharina von Neu-Pommern und Neu- Hannover der Fall ist. Die im indoaustralischen Gebiet so weit und zahlreich vertretene Gattung Nepüs zeigt in venilia eine von den Molukken, Neu-Guinea. Xeu-Mecklenburg. Neu-Hannover und den Salomons- Inseln erwähnte Art. während nemeus von Neu-Pommern und Neu-Hannover. praslini von Neu- Pommern, Xeu-Lauenburg, Neu-Mecklenburg und Australien bekannt ist. Lactaria wird von Neu- Guinea und Neu-Mecklenbui'g, consimüis von Neu-Guinea, Neu-Pommern, Neu-Lauenburg und Neu- Hannover erwähnt. N. l'/i. eblis wurde in Neu-Pommern und Neu-Lauenburg. pisias, welche wie fissizonata eine Form von der molukkischen heliodora zu sein scheint, wurde auf den Salomons-Inseln, fissisonata auf Neu-Pommern und Neu-Lauenburg gefunden; litit<( auf Neu- Pommern. Die beiden im Bismarck-Archipel vorkommenden Cyrestis-Arten sind auf diesen beschränkt und zwar ist fratercula (vielleicht nur eine Form von der westlich vorkommenden acilia) in Neu- Pommern und Neu-Lauenburg wie Neu-Mecklenburg und Neu-Hannover. adaemon bis jetzt an den beiden ersten Plätzen gefunden worden. Die auf den Molukken und auf XTeu-Guinea in einer besondern Form vorkommende Apaturina — 141 erminea, welche auch von den Salomons-Inseln erwähnt wird, tritt in Neu-Pommern in einer etwas variirenden Form auf, ebenso Parthenos sylvia, die vun den Philippinen, Molukken und Neu-Guinea bekannt, in Neu-Pomrnern, Neu-Mecklenburg und Neu-Hannover in der Varietät couppei vorkommt. Von der in Indien so weit verbreiteten Gattung Euthalia ist von Neu-Pommern eine Art thieli und von Neu-Hannover eine andere: rugei durch Ribbe bekannt geworden, welche auf Neu-Guinea ihre nächsten Verwandten finden. Symphaedae aeropus, von den Molukken und Neu-Guinea als gemein bekannt, wurde, aber selten, in Neu-Pommern getroffen, Gharaxes Jupiter in Neu-Guinea, Neu-Pommern und Neu-Lauen- burg, während lutonu in etwas wechselnder Tracht von den kleinen Sunda-Inseln , von Celebes, Molukken, Neu-Guinea, Neu-Pommern, Neu-Lauenburg und Neu-Hannover erwähnt wird. Eigenthümlich für den Bismarck-Archipel und Neu-Guinea ist Prothoe austrdlis, die mit schönbergi und hewitsoni nach Ruber nur eine Art darstellt, während die neue Art schidm Ribbe bis jetzt nur von Neu-Pommern und lagardi nur von Neu-Mecklenburg bekannt sind. Die be- sonders in Neu-Guinea in verschiedenen Formen auftretende eigenthümliche Gattung Tenaris hat wie es scheint, im Bismarck-Archipel, auf den Salomonen (und den pacifischen Inseln?) eine einzige Art zum Vertreter: T. anableps Voll. = um uns Staudinger. Der „Allerweltsbummler" Pyrameis cardui ist bisher auf dem Bismarck-Archipel noch nicht gefunden worden. Die Satyriden zeigen sich im Bismarck-Archipel nur durch zwei Gattungen vertreten. Melanitis leda ist eine nicht allein im ganzen indoaustralischen Faunengebiet von Indien bis zu den pacifischen Inseln, sondern auch in Afrika vorkommende Art, während die drei andern als Arten betrachteten Formen, die wahrscheinlich einer einzigen variirenden Art angehören, nur von den Molukken bis zu den Salomons-Inseln reichen. M. amabilis B. wird von Neu-Guinea, Neu-Mecklenburg und Neu-Hannover. crameri von Neu-Pommern und Neu-Hannover constantia von den Molukken und Salomonen erwähnt. Von den Mycalesis-Arten haben mineus und medus eine über den grössern Theil der indoaustralischen Region gehende Verbreitung von Indien bis zu den Salomons-Inseln, während terminus (welche Art wohl mit asophis und matho zusammenfällt), auf den grossen Sundainseln. den Molukken und dem Bismarck-Archipel als matho vorkommt. Myc. phidon, die mit zanthias und obscura synonym ist, findet sich in Neu-Guinea und Neu-Pommern, maura und shiva ebenfalls und letztere wird als lorna von Neu-Guinea und Neu-Lauenburg auf- geführt. Die Elymniidae haben in Elymnias holofernes Butler eine charakteristische, in Neu- Pommern und Neu-Lauenburg beobachtete Art als einzigen Vertreter, ebenso wie die Libythaeiden mit der je nach der Oertlichkeit variirenden Libythaea geoffroyi (antvpoda) sich auf den kleinen Sunda-Inseln, Celebes, den Philippinen, Molukken. Neu-Guinea, auf Neu-Pommern (pulchra = iwo- pommerana) und den Salomons-Inseln finden. Lemoniden (Eryciniden) sind im Bismarck-Archipel noch nicht beobachtet. Die Lycaeniden bevölkern den Bismarck-Archipel in grösserer Artenzahl und sind auch an Individuen, wie in Neu-Guinea reich. Neben einer grossen Anzahl von solchen, welche eine ausserordentlich weite Verbreitung im indoaustralischen Gebiet, ja selbst bis über dieses hinaus in die palaearctische Region: (baeticus und parrhasius = argiades) haben, finden wir auch einige Gattungen und Arten, welche eine sehr beschränkte im Bismarck-Archipel und deren nächster 142 — Umgebung haben. Hypolycaena periphorbas Butler ist bis jetzt allein von Neu-Pommern und Neu- Lauenburg bekannt. Die Gattung Hypochrysops , eine wesentlich östliche, ist mit //. rex auf Neu-Guinea vertreten, während scintittans in Neu-Pommern und Neu-Laueuburg , ebenso wie mirabilis, aristocles in Neu-Lauenburg und honora in Neu-Mecklenburg gefunden wurde. Von der (in mehreren Untergattungen zei'fallenden) Gattung Plebejus linden sich die meisten von Indien bis nach Australien uud selbst in die Südsee hinein, nur einige sind auf dem Osten beschränkt, wie der dem malayischen euchylas nahe verwandte pardlecttts und cleotas, der erst auf Neu-Pommern auf- tritt bis zu den Salomons-Inseln. Von den Molukken an sind verbreitet: amphissa, palmyra, perusia, strongyle; einzelne Arten, wie astarle, complicata, cyta, timon sind bis jetzt allein im Bismarck- Archipel gefunden. Die schönen im Bismarck-Archipel vorkommenden Thysonotis- Arten: dispar, hamücar, broivni, hanno, esme scheinen hier ihre westliche Grenze zu haben (sie haben noch Verwandte auf den Molukken). Epimastidia tritt in ihren Vertretern ebensowohl erst im Bismarck-Archipel auf; Holochila und Eupsychellus bereits auf den Molukken; Amblypodia ebenso, während Theclinesthcs nach den kleinen Snnda-Inseln und Lycaenesthes weiter nach Westen bis Indien gehen. — Die Hesperiden sind im Bismarck-Archipel an Artenzahl sehr gering, gleichwie in Neu- Guinea: 8 Gattungen mit 14 Arten sind bis jetzt bekannt, welche zumeist eine über das ganze indo- australische Gebiet sich ausdehnende Verbreitung haben. Nur die beiden Hasom-Avten doleschalli and dirpha haben eine auf den östlichen Theil beschränkte Ausdehnung und zwei Baoris- Arten, repetita und albiclavata sind Ins jetzt nur vom Bismarck-Archipel bekannt. Hofrath Dr. B. IIa gen hat in seiner schönen, mehrfach erwähnten Arbeit : (Verzeichnis der von ihm in Kaiser Wilhelmsland und Neu-Pommern gesammelten Tagschmetterlinge mit Aus- schluss der Lycaeniden und Hesperiden in Jahrb. Nass. Ver. f. Nat. 1897, p. 23 ff.) die Verhält- nisse der Schmetterlingswelt (d. h der Tagfalter l von Neu-Guinea im Besonderen einer sorgfältigen Besprechung unterzogen und die von Neu-Guinea mit den auf Ceram und Sumatra beobachteten in einer Tabelle nebeneinander gestellt. Ich theile nebenstehend diese Tabelle in einer wesent- lich erweiterten Form mit. woraus das gegenseitige Verhältniss der Familien der Tagfalter in den verschiedenen Bezirken des indoaustralischen Gebietes, wie zu denen vom Bismarck-Archipel ersichtlich wird. Diese Zahlen sind natürlich keine absolut richtigen, sondern nur relative, einmal wegen den verschiedenen Anschauungen über den Begriff der Species und dann wegen unsrer noch nicht erschöpfenden Kenntnisse. Sie sprechen für sich selbst und zeigen nicht nur die Abnahme der Zahl der Tagfalterarten von Westen nach Osten überhaupt, sondern auch die Abnahme der Arten- zahl der Familien. Nur die auf den kleinen Sunda-Inseln bereits zahlreichen Donalden zeigen eine beträchtliche Zunahme im Osten: ihnen stehen zunächst die in der Gattung lenaris in Neu- Guinea so reich vertretenen MorpMden, wie auch die Satyriden dort keine Abnahme dem gesammten indoaustralischen Gebiete (mit Ausnahme von Sikkim) gegenüber zeigen. Die Papüioniden aber, Pieriden, Nymphaliden, Lycaeniden und Hesperiden zeigen alle eine beträchtliche Abnahme. Hagen (1. c. p. 40) macht auf die Zunahme der [ndividuenzahl im Osten gegenüber der im Westen aufmerksam, die ihm in Neu-Guinea besonders auffiel. Ribbe berichtet (Iris xj. p. 97) von ganzen Schwärmen verschiedener Euploea- Arten auf der kleinen Insel Munia. An einigen Stellen, wo die Eingeborenen llulz geschlagen hatten, traf er nicht nur Hunderte, sondern Tau- sende von Euploea , die alle Blätter des Waldes liedeckten. Ribbe theilt dabei mit. dass die - 143 — Eingeborenen solch massenhaftes Auftreten circa alle 10 Jahre beobachtet hatten. Wolkenartige Zusammenkünfte namentlich von Pieriden und Papilioniden, wie sie ebenfalls Ribbe bei dieser Ge- legenheit erwähnt, sind ja in Indien nicht selten. Hagen glaubt, dass wirklich seltene Arten, wie es deren z. B. in Sumatra viele gibt, in Neu-Guinea sich nicht finden; andrerseits betont er ebenfalls das Schwanken der Häufigkeit der Arten in verschiedenen Jahren. Aehnliche Erschei- nungen dürften im Bismarck-Archipel zu verzeichnen sein. Unsere Erfahrungen sind aber noch nicht reichlich genug, um sie im Einzelnen verwerthen zu können, und es bleibt tüchtigen For- schern immer noch ein grosses Feld namentlich in biologischen Fragen zur Beobachtung übrig. c '5 '5. =s c c c C c « "72. W Z IS s- o c 1 < c c S >-. Sa a - CO c S c £ OJ c T3 C ü 1-3 Summa der Tagfalter. Sikkim 51 ■16 15 75 5 12 o 131 2 11 1 65 122 637 (de Niceville). Sumatra 30 24 22 22 7 11 1 98 2 12 238 141 612 ( Martin u. de Niceville). Kleine Sundainseln SO 47 44 IS 6 6 o 76 3 3 84 51 373 Lombok, Bali, Sum- bawa, Sumba (KIwes.) Philippinen 40 40 46 45 10 18 0 113 2 5 16 86 612 (Semper.) Ceram 16 20 17 7 1 3 0 29 2 ? ? 0 ? (Ribbe). Amboina 15 17 19 11 1 1 1 32 1 0 66 27 191 (Pagenstecher). Neu-Guinea 20 IS :;i 19 4 15 o 47 1 4 78 30 261 (Dr. Hagen). Bismarck-Archipel 17 20 27 12 1 1 1 53 1 0 49 14 196 (Pagenstecheri. Im Bismarck-Archipel kommen nur vereinzelte Tagfalter vor, welche über die Grenzen der indoaustralischen Region hinausziehen. Hypolimnas misippus geht in das afrikanische und vereinzelt in das neotropische Gebiet; Melaniüs leda wird noch in Afrika gefunden und Polyommatus baeticus ist nicht nur in Asien, sondern auch in Afrika und im palaearctischen Gebiet keine seltene Erscheinung. Plebejus parrhasius (argiades) ist nicht nur ein Bewohner der indoaustralischen Region, sondern kommt auch im palaearctischen und (in bereits modirieirter Form) im nearctischen Gebiet vor. Dagegen fehlt unserem Gebiet der sonst in fast allen Gebieten heimische Pyramis cardui. Eine Zitsammenstellung der im Bismarck-Archipel — Xeu-Pommern, Neu-Lauenburg, Neu-Mecklenburg und Neu-Hannover — bis jetzt beobachteten Tagfalter in ihrem Auftreten in andern Bezirken des indoaustralischen Gebietes gab folgende -- allerdings nur ganz im Allge- meinen gültige — Zahlen. Von 177 in Xeu-Pommern. der bis jetzt am besten bekannten Insel, auftretenden Arten fanden sich 92 auch in Neu-Lauenburg, 91 in Neu-Mecklenburg und 14 (bis _. 144 — jetzt) in Neu-Haimover. 39 wurden im Salomons-Archipel ebenfalls gefunden, 31 in Australien und (J im Pacific. Auf Neu-Gruinea fanden sich 82 , auf den Molukken 67 , auf den Philippinen 32, auf Celebes 40. in China und Japan 22, auf den kleinen Snnda-Inseln 41, den grossen 40 und in Indien 37. Wenn auch diese Zahlen im einzelnen der Rectification, insbesondere auch noch weiterer Forschungen bedürfen, so scheinen sie doch zu beweisen, dass Neu-Guinea und die Molukken die meisten gleichen Arten mit denen im Bismarck-Archipel auftretenden haben. Die Salomons-Inseln, die uns freilich noch nicht hinlänglich bekannt sind, scheinen mit den westlicher gelegenen Phi- lippinen, mit Celebes, den grossen und kleinen Sunda-Inseln und Indien annähernd gleich zu stehen. Wahrscheinlich werden sie sich näher verwandt zeigen, zumal auch die geringere Zahl der Arten bereits bei ihnen, wie bei Australien und besonders bei den pacifischen Inseln auf Rechnung der Verarmung der Fauna in östlicher Richtung zu setzen ist. Wenn ich aus der geringen Zahl von Vertretern, die ich aus Neu-Hannover , ebenso wie aus Neu-Mecklenburg vor mir hatte, schliessen darf, so dürfte sich eine Verdunklung in den Farbentönen mancher Arten auf beiden Inseln gegenüber Neu-Pommern und Neu-Lauenburg finden, wie ich dies an einzelnen Species ausführen konnte. Am Schlüsse dieses ersten Theils meiner Erörterung der Lepidopterenfauna des Bismarck- Archipels, welchem der zweite, die Nachtfalter enthaltende, in der Kürze nachfolgen wird, ist es mir eine angenehme Pflicht, denjenigen Herren, welche mich durch Zusendung einschlägigen Materials freundlichst unterstützten, noch Herrn Naturalisten Friedrich Schneider in Wald (Rheinland) zufügen zu können. Ueb ersieht der Geographischen Verbreitung der Tagfalter des Bismarck-Archipels. Zoologica. Heft 27. 19 — 146 — Uebersicht der geographischen Verbreitung' der im Bismarck- Indien, Grosse Kleine Cbica, Ceylon Sundainseln Sundainseln Japan Celebes Philippinen Molukken Ornithopt. urvilliana — — — 0. priamus — bornemanni . . — — — — — 0. priamus Papilio polydorus — — — — — — P. polydorus — cilix — — — — — — — — oritas .... — — — — — — — — websteri . . . — — — — — — — — euchenor . . . — — — — — — — — pbestus .... — — — — — P. ulysses 1 P. telegonus 1 — ulysses .... — paron .... — — — — — — — — segonax .... — — — — — — eurypylus . . . P. euryp. P. euryp. P. eurypil., P. eur. axion P. euryp. P. euryp. T. eurypylus Jason axion sallastius P. eur. mi- cado sangirus P. pamphylus gordion — sarpedon . . . P. sarp. P. sarpedon P. sarp. P. sarpedon P. sarp. P. sarpedon P. sarp. teredon p arsedon milon authedon — niacfarlanei . . — — — — — — P. macfar- lanei — agamemnon . . P. agamem- P. agamem- P. agamem- P. agamem- P. agam. P. agamem- P. agamem. non non non non celebensis non plisthene8 — browni .... — — — — — — P. wallacei Elodina hypatia . . — — — — — — — — citrinaris . . . — — — — — — — primularis . . . — — — — — — — Pelias madetes (hon- — — — — — — — ■ rathi) .... — totila .... — — — — — — — — salvini .... — — — — — — — — narses .... — — — — — — — — bagoe .... — — — — — — — — lytaea (georgiana) — — — — — — Pieris teut onia (niseia) — P. teutonia P. teutonia — — — — — quadricolor — — — — — — — ? P. peristhene . . — — — — — — — Tachyris eumelis — — — — — — — — — — — — T. ada — celestina(delicata) — — — — — — T celestina Eurema becabe . . E. hecabe E. becabe E. hecabe E. hecabe E. becabe E. hecabe E. hecabe — hebridina (an var.?) . — — — — — xanthomelaena — — — — — — — Catopsilia crocale . | C. crocale C. crocale C. crocale C. crocale C. crocale C. crocale C. crocale — catilla . . . . j C. catilla C. catilla C. catilla ('. catilla C. catilla C. crocale C. catilla 147 Archipel vorkommenden Fapilioniden und Pieriden. Neu-Guinea Neu- Pommern Neu- Lauenburg Neu- Mecklenburg Neu- Hannover Salomons- Inseln Australien Pacific-Inseln 0. poseidon 0. borne- 0. urv. mio- 0. urvilliana 0. hörne- 0. urvilliana 0. richmondi (pegasus) manni kensis rn anni 0. poseidon 0. borne- 0. urvill. 0. urvilliana 0. borne- 0. urvilliana — Tenimber- manni miokensis manni? Inseln: P. pol. godartianus 0. pol. novo- britt&nicus 0. polyd. utuanensis 0. polyd. novobritt. ? 0. poly- daemon — Pap. polyd. tenimberensis — P. cilix P. cilix P. cilix — — — — P. oritas P. oritas — — — — P. websteri — — — — — P. euchenor P. euch. P. euch. P. euch, novo- P. euch, novo- — — — depilis depilis hibernicus hannoveranus P. phestus P. phestus P. phestus nusaliki — P. phestus — P. ulyss. P. ulyss. P. ulyss. P. ulyss. •> P. ulyss. P. ulysses autolycus ambiguus ambiguus ambiguus orsippus joesa — P. paron — P. paron — — — — P. segonax P. segonax P. segonax — P. seg. tene- brionis — P. euryp. lycaonides P. euryp. ex- tensus P. euryp ex- tensus P. euryp. ex- tensus V P. euryp. lycaonides P. sarp. choredon ]'. sarp. i iii- parilis P. sarp. im- parilis P. sarj). im- parilis P. sarji. ini- parilis P. sarp. im- parilis P. sarp. choredon — P. mac- P. macfarl. — — — T e n i m b e r - farlanei seminiger 1 nseln: P. agani. ligatus P. ag. neo- pommeranus P. ag. neo- pommeranus ■j — P. agam. salomonensis P. agam. ligatus P. ag. exilis P. wallacei P. browni P. browni P. browni — — — — El. hypatia — El. hypatia — — — — — — El. citrinaris — — — — — — El. priraularis El. primularis El. primularis — — — — — Del. madetes ? Del. mad. honrathi D. madetes mad. — — — — D. totila — — — — — — — D. salvini — — — — — — D. narses — — — — — — — — — D. bagoe — — — — — D. lytaea ? D. georgiana — D. georgiana — P. teutonia P. niseia P. niseia — — — P. niseia teutonia — P. quadricolor P. quadricolor P. quadricolor — — — — — — ?P.peristhene — — — — — — T. eumelis — — — — T. ada ? — T. ada — T.v.tlorentina T. ada — T. celestina T. cel.delicata ? ? — — ~ — E. hecabe E. hecabe v. keramara v. vallivolans E. hecabe v. keramara E. hecabe — E. hecabe E. hecabe hecabe — — — E. hebridina — — — — — E. xanthom. E. xanthom. E. xanthom. E. xanthom. — — C. crocale C. crocale C. crocale ? v ? C. crocak' — C. catilla C. catilla C. catilla ? ? •> C. catilla — HB — Lebersicht der geographischen Verbreitung der im Bismarck-Archipel Indien, Ceylon Grosse Sundainseln Kleine Sundainseln China, Japan Celebes Philippinen Molukken Danais sobrina . . D. sobrina v. sobrinoide8 — purpurata . . . — — — — rotundata . . . — — — — — clinias .... — — — australis .... melissa — melissa — plexippus L. . . i — — erippus D. plexippus (erippus Cr.) (erippus) — mytilene . . .1 — — genutia philene genutia — biseriata. . . .) — — Euploea obscura . . — — doretta . . — — malaguna . — — — — eboraci . . — — — lacon . . . — — — — cerberus . . — — — — — illudens . . — — — decipiens — — duponcheli? — E. duponcheli — unibrunnea . •1 — — — browni . . 1 — — — — majuma . . .1 — — pumila . . — — — treitschkei . — — — biformis . . — — — erimas . . — — perdita . . — — — ulaguna . . — — — — Hamadryas äquicincta — — (H. assarica) Acraea fumigata . . — A. dohertyi — A. moluc- censis 149 vorkommenden Danaiden, Neotropiden und Acraeiden. Neu-Guinea Neu- Pommern Neu- Lauenburg Neu- Mecklenburg Neu- Hannover Salomons- inseln Australien Pacificinseln D. sobrina 1 D. sobrinoides D. sobriuoides D. sobrinoides D. sobrinoides D. purpurata D. purpurata — — — — D. rotundata D. rotundata D. rotundata — — — — D. clinias — D. australis D. australis D. australis D. australis D. australis D. australis obscurata D. plexippus (erippus) D. plexippus D. plexippus D. plexippus D. plexippus D. plexippus D. plexippus D. plexippus genutia ? ? I). mytilene ? — D. biseriata D. biseriata D. biseriata D. biseriata D. biseriata D. biseriata — E. obscura E. obscura — — — E. doretta — — E. malaguna — — — E. eboraci E. eboraci — — E. lacon — — E. cerberus E. cerberus E. cerberus E. cerberus — E. illudens E. illudens — — E. decipiens — — — E. duponcheli — — — E.unibrunnea E.unibrunnea E.unibrunnea — E. browni E. browni E. ? — — — E. majuma E. pumila E. pumila E. pumila E. pumila E. pumila E. treitschkei E. treitschkei E. treitschkei E. treitschkei E. salomonis — E. biformis — — — — — E. erimas E. erimas E. perdita E. perdita E. perdita E. perdita — — E. ulaguna — — — — H. nedusia H. äquicincta H. äquicincta H. äquicincta v. variegata H. salomonis H. moorei A. meyeri A. fumigata A. fumigata — — A. fumigata pollonia 150 — Uebersicht der geographischen Verbreitung der im Bismarck-Archipel Indien, Grosse Kleine China, Ceylon Sundainseln Sundainseln Japan Celebes Philippinen Molukken Messaras wallacei M. wallacei — turneri . . . .1 (miokensis) I — alexis .... — Ceth. obscura . . . — — ^antippe .... — Terinus maddelena . — — — Atella aleippe . . . A. aleippe aleippe — — A. aleippe celebensis — A. aleippe — egista .... — — — — — — A. egista Cynthia arsinoe . . C. erota (ars.) C. dejone (arsinoe) C. dejone (arsinoe) C. arsinoe C. arsinoe C. arsinoe C. arsinoe — v. lumina . . . — — — — — — Symbrenthiahippoclus S hippoelus S. hippoelus S. hippoelus S. hippoelus S. hippoelus S. hippoelus S. hippoelus Junonia villida . . — J. villida J. villida — — — — orithya .... J. orithya J. orithya J. orithya J. orithya J. orithya J. orithya J. orithya Preeis zelima . . . Pr. ida Pr. ida Pr. ida Pr. ida Pr. ida Pr. ida Pr. ida Rhinopalpa algina . (sabina) Dolesohallia rickardi — — gurelca .... — — — browni .... _ — — dascylus .... — Hyp. bolina . . . H. bolina H. bolina H. bolina H. bolina H. bolina II. bolina H. bolina ( — alimena . . . ) H. alimena H. alimena H. alimena H. alimena II. alimena H. alimena H. alimena | — inexpeetata . .) — pithöko (unicolor) — lutescens . . . — — — misippus . . . H. misippus H. misippus H. misippus H. misippus H. misippus H. misippus H. misippus Mynes cottonis . . — — eueosmetos . . — — __ — — katharina . . . - — — Neptis venilia . . . — - N. venilia — nemeus .... — — praslini .... — — — lactaria .... — — — — consirailis . . . — — — — piBias .... — — ■ (Phaedyma eblis . . | — (heliodora) 1 — fissizonata . . J — — (heliodora) — amplicata . . . — — — — — — 151 — vorkommenden Nymphaliden, Morphiden, Satyriden, Elymniiden, Libythaeiden. (I.) Neu- Neu- Neu- Neu- Neu- Salomons- Australien Pacific- Guinea Poramern Lauenburg Mecklenburg Hannover inseln inseln M. wallacei M. turneri M. turneri (miokensis) M. turneri (miokensis) M. turneri (miokensis) — — — — — M. alexis — M. alexis miokensis - — — — — — C. obscura — — — — — C. antippe C. antippe — C. antippe — — — — T. maddelena — — T. maddelena — — A. alcippe A. aleippe A. alcippe — _ — A. egista — A. egista A. egista A. egista — A. bodenia C. arsinoe C. arsinoe finsularis) — C. arsinoe v. insularis ada — — -- C. v. lemina C. v. lemina — — — S. hippoclus S. hippoclus — — — — — — J. villida J. villida v. bismarckiana J. villida J. villida J. villida J. villida J. villida J. villida J. orithya J orithya v. neopommerana — — — — — — Pr. itla Pr. zelima Pr. zelima Pr. zelima Pr. zelima Pr. zelima Pr. zelima — Rh. algina Rh. kokopona Rh. hokopona Rh. kokopona — — — — — D. rickardi — D. rickardi — — — — D. gurelca — D. gurelca — — — — — D. browni D. browni D. browni — — — — D. dascylus D. dascylus — — — — — — H. bolina H. bolina H. bolina II. bolina II. bolina II. bolina H. bolina H.^bolina H. alimena — — — — H. alimena — — H.inexpectata H.inexpectata H.inexpectata v. kurainata H.inexpectata — — — — H. pithöka H. pithöka H. pithöka H. pithöka (unicolor) H. pithöka — — H. lutescens — — H. lutescens — H. lutescens — H. lutescens H. misippus H. misippus — — — H. misippus — — M. cottonis — — — — — — — — M. eucosmetos — — — — — M. katharina — — katharina — — N. venilia — — N. venilia N. venilia Dovohanno- verana. N. venilia — N. nemeus — — N. nemeus — — — — N. praslini N. praslini N. praslini — N. praslini N. praslini — N. lactaria — — N. lactaria — — — N. consimilis N. consimilis N. consimilis — N. consimilis — consimilis — — N. eblis N. eblis — — — — — — — — — — P. pisias — — — P. fissizonata P. fissizonata — — — — — — P. amplicata P. amplicata — — — — — 152 — Uebersicht der geographischen Verbreitung der im Bismarck-Archipel Indien, Ceylon Grosse Kleine China, Sundainseln i Sundainseln Japan Celebes Philippinen Molukken CyrestiB fratercula - adaemon . . Apaturina erminea v. neopommerana Parthenos Sylvia v. couppei Euthalia thieli — rugei . . Symph. aeropus Charaxes Jupiter — latona . . (Prothoe australis ' — schönbergi . ( — hewitsoni . . — schulzi . - layardi . . . Tenaris anableps . (tiranus) Melanitis leda , . - araabilis . . crameri . . . - constantia . . Mycalesis lugens . — mineus (flagrens - medus . — terminus — asophis . — matho . - phidon . — xanthias (obscura) — aethiops .... — maura . . . . - shiva — lorna Elymnias holofernes Libythaea geoffroyi . (antipoda) Ch. latona M. leda M. leda M. leda M. mineus M. mineus M. mineus M. medus M. medus j M. medus M. remulia L. geoffroyi (antipoda) M. leda M. mineus M. medus acilia (strigata) P. sylvia wallacei affinis P. sylvia M. leda M. leda M. mineus M. mineus v. celebensis A. erminea P. sylvia S. aeropus Ch. latona v. philippina M. leda M. constantia M. mineus M. medus remulia M. asophis v. ceramensis batchiana 153 — vorhandenen Nymphaliden, Morphiden, Satyriden, Elymniidcn, Lybitheiden. (II.) Neu- Guinca Neu- Pommern Neu- Lauen bürg Neu- Mecklenburg Neil- Hannover Salomons- inseln Australien Pacific- inseln arilia C. fratercula C. fratercula C. fratercula 0. fratercula — — — — C. adaemon C. adaemon — — — — — papuana neopomme- rana — — — A. crminea — — r. Bylvia P. sylvia v. couppei E. thieli P. Sylvia v. couppei v. couppei — — — — E. rugei — — - S. aeropus Ch. Jupiter S. aeropus Ch. Jupiter Ch. Jupiter Ch. Jupiter Ch. attila Ch.sempronius cimonides Ch. latona Ch. latona — lat. diana — — — P. australis P. australis P. australis — — — australis — P. schönbergi P. schönbergi — — — — — — P. hewitsoni P. hewitsoni — — — — — — — — Pr. schulzi — — — — — — — — Pr. layardi — — — T. anableps T. anableps T. anableps — T. anableps — T. anableps M. leda M. leda M. leda M. leda M. leda M. leda M. leda M. leda M. amabilis — — M. amabilis M. amabilis — — (solandra) — crameri — — — — — — M. constantia constantia — — M. constantia M. constantia — — — — M. lugens M. lugens — — - - M. nrineus M. mineus M. mineus M. mineus — M. mineus — — M. medus M. modus M. medus — M. medus M. medus — — — — M. terminus — M. terminus — terminus — — — M. asophis M. asophis — — — — — M. matho M. matho M. matho — — — — M. phidon M. xanthias obscura obscura — — — — M. aethiops M. aethiops — — — — — — M. maura — — — — — — . M. shiva M. shiva — — — — — — M. lorna — M. lorna — — — — — E. holofernes E. holofernes — — — — L. geoffroyi (antipoda) v. neoporame- rana(pulehra) v. Orientalis Zoologica. Heft 27. 20 154 — Uebersicht der geographischen Verbreitung der im Bismarck- Indien, Ceylon Grosse Sundainseln Kleine Sundainseln China, Japan Celebes Philippinen Molukken Hypolyc. periphorbas Curetis thetis . . . C. thetis C. thetis C. thetis — C. thetis C. thetis C. thetis Sithon isabella — — — — — — S. isabella Deudorix epijarhas D. epijarbas I). epijarbas D. epijarbas — D. epijarbas — D. epijarbas Hypochr. rex . . — — — — — — — scintillans — — — — — — — mirabilis — — — — — — — — aristocles — — — — — — — — honora . — — — — — — — Plebejus paralectus — — — — — — — Lampides celeno . — L. celeno L. celeno — L. celeno L. celeno L. celeno — aratus . . . — — L. aratus — L. aratus — L. aratus — aelianus . L. aelianus L. aelianus L. aelianus — — L. aelianus L. aelianus P. astarte . — — — — — — — — amphissa — — — — — L. amphissa — complicata — — — — — — - — parrhasius P.parrhasius P.parrhasius P.parrhasius P.parrhasius P.parrhasius P. parrhasius P. parrhasius — berenice — — P. berenice — — — — — macrophthalma P. macro- phthalma P. macro- phthalma P. macro- phthalma — P. macro- phthalma P. macro- phthalma — ancyra . . . — P. ancyra P. ancyra — P. ancyra P. ancyra P. ancyra — palmyra. — — — — — — P. palmyra — perusia . — — — — P. perusia — P. perusia — nora . . P. nora — — — P. nora P. nora P. nora — strongyle — cyta . . C. strabo — — — — — — P. strongyle C. strabo C. strabo C. strabo — C. strabo C. strabo C. strabo — cneju3 C. cnejus C. cnejus C. cnejus C. cnejus C. cnejus C. cnejus C. cnejus — labradus (pygmaea) (pygmaea) (gaika) — (lysizone) C. labradus C. labradus — otis . . C. otis C. otis C. otis C. otis C. otis C. otis — — cagaya . (placida) — — — C. cagaya C. cagaya — P. baeticus . P. baeticus P. baeticus P. baeticus P. baeticus P. baeticus P. baeticus P. baeticus — bochus . P. bochus P. bochus P. bochus - ' — P. bochus — timon — — — — — — — — cleotas . — — — — — — — — milo . . — — — — — — — Th. florinda — — — — — — — dispar . — — — — — — — — hamilcar — — — — — — — — browni . -- — — — — — — — ■ hanno — — — — — — — esme . . 155 Archipel vorkommenden Lycaeniden. (I.) Neu- Neu- Neu- Neu- Neu- Saiomons- Australien Pacific- Guinea Pommern Lauetiburg Mecklenburg Ilannover inseln inseln II. periphorb. H. periphorb. — C. thetis — — — — — — S. isabella S. isabella — — — — S. isabella — — D. epijarbas — — — — — H. rex H. rex — — — — — — II. scintillans H. scintillans — — — — — — H. mirabilis H. mirabilis — — — — — — — H. aristocles — — — — — — — — — H. honora — — — — P. paralectue — P. paralectus — — . — — L. celeno L. celeno L. celeno — L. celeno — — — L. aratus L. aratus — — — — — — — L. aelianus — — — — — — P. astarte P. astarte — — — — — P. amphissa P. amphissa — — — — — P. complicata — — — — — — — P. parrhasius P. parrhasius — parrhasius — P. parrhasius — bereniee P. bereniee — — — — P. bereniee — — P. macro- pbtlialraa — — — — P. macro- phthahua (argentina) P. ancyra P. ancyra — — — — P. ancyra — — P. palmyra — — — — P. palmyra — — P. perusia — — — — P. perusia — P. nora P. nora — — — — P. nora — — P. strongyle — — — — — — — — — P. cyta — — — — C. strabo C. strabo — — — . C. strabo — C. cnejus C. cnejus C. cnejus — — C. cnejus C. cnejus C. labradus C. labradus C. labradus — — — C. labradus C. labradus — C. otis — — — — (alsulus) — C. cagaya — — — — — — — P. baeticus P. baeticus P. baeticus — P. baeticus P. baeticus P. bocbus P. bochus P. bochus — — P. bochus — — P. Union — — — — — — — P. cleotas P. cleotas P. cleotas — P. cleotas — — — — P. milo — — — — Th. florinda — — — Th. florinda — — — Tb. dispar — Th. dispar — — — Th. bamilcar Th. hamilcar — - — — — Th. browni Th. browni Th. browni — — — — — Th. hanno — — — — — T. esme — 15(5 Uebersicht der im Bismarck-Archipel vorkommenden Indien, Ceylon Grosse Sundainseln Kleine Sundainseln China, Japan Celehes Philippinen Molukken Epimast. bornemanni — — — — — sodalis .... — — — — — — — Theclin. eremicola . — — T. eremicola — — — — Lycaenesthes emolus L. emolus L. emolus — — — — L. emolus Holochila ilias . . . — — — — — — II. ilias Eupsych. dionisius . — — — — E. dionisius Amblypodia thamyras (helius) — — — — — — helius (thamy ras) (anthore) — meander . . — — — — — — meander Casyapa callixenus . — — — — — — — Tügiadea japetus . . — T. japetus T. japetus — T. japetus T. japetus T. japetus — clericus .... — — — — — — — — presbyter . . . — — — — — — — Padraona dara . . P. dara T. dara P. dara P. dara P. dara P. dara — Telicota augias . . T. augias T. augias T. augias T. augias T. augias T. augias T. augias — augiades . . . T. augiades — T. augiades - T. augiades — T. augiades Baoris philippina (seriata) B. philippina — — — B. philippina — repetita . . . — — — — — — — — albiclavata . . . — — — — — — — Notocrypt. feisthameli N. feistham. N. feistham. N. feistham. — N. feistham. N. feistham. N. feistham. Hasora doleschalli . — — — — — — II. doleschalli — dirpha .... — — — — — — Badara. exclamationis B. exclamat. B. exclamat. B. exclamat. B. exclamat. Lycaenideii (II) und Eesperiden. 157 Neu- Neu- Neu- Neu- Neu- Salomons- Pacific- Guinea rom mern Lauenburg Mecklenburg Hannover inseln Australien inseln E. borneni. E. bornem. — E. sodalis — — — — — T. eremicola — — — — — L. emolus L. emolus — — — — L. emolus — II. ilias H. ilias 11. ilias — — — — — E. dionisius E. dionisius E. dionisius — — — — A. tbamyras A. tbamyras (minetta) tbamyras — A.thamyras (anthorc) — — A. meander A. meander — — — — nieander — C. eallixenus C. eallixenus — — — — — T. japetus T. japetus T. japetus T. japetus — — — T. clerieus T. clerieus — — — — — — T. presbyter T. presbyter T. presbyter — — — P. dara P. dara — — P. dara — — T. augias T. augias — — — — — augiades T. augiades — — — T. augiades — — B. philippina B. philippina — — — — — B. repetita B. repetita — — — — — B. albiclavata — — — — — — — N. feistbam. — N. feistham. — — N. feistham. — — — — — H. dolescballi — — — — — — II. dirpba — — B. exclamat. B. exclamat. exlamationis Register der behandelten Familien, Gattungen und Arten. S( IT' acalle . . 132 acilia . . 86 Acraea . 59 Acraeidae 59 ada . . 40 adaemon . 87 adnstus . 49 aegens . . 22 aegistiades 29 aegistns 29 aelianus . 109 aequicincta 59 aeropus . 90 aethiops . 100 agamemnou 29 albiclavata 134 albifascia . 134 albocoerulea 121 albopunctata 57 alcippe 07 alexis (PI.) 109 alexis (Mess) (14 algina . . 73 alimena . 77 alsulus 115 alysos . . 1 33 amabilis . 96 ambiguus . 26 Amblypodi i 125 amphissa . 110 ampliata . 86 ancyra 112 anableps . 93 Anops . 126 Anosia . 45 anthore . antipoda . antippe Apaturin A p p i a s . aratus . . archippus argiades . aristocles . Arrhopala arruana . arsinoe asophis astarte Asthipa . astraptes . A t e 11 a . äuge augiades . augias . . anstralis (Pr anst ralis (Ü Bad am i a baeticus . bagoe . . balliston . I! an lis . B e 1 e n o i s bengalensis bereuice . biformis bismarckianu bismarckian biseriata . boclms .0. s(Pap Seite 125 102 65 87 47 109 48 111 107 125 67 68 39 116 47 117 67 77 132 131 92 47 135 117 34 123 132 27 123 111 56 22 Junoniai 71 19 117 Seite 76 bornemanni (( >rn.) 17 bornenianni (Pleb. 121 brasidas . . . 129 brennus . . . 91 browni Eupl.) . 55 brovvni (Pap.) . 30 browni (Thys.) . 120 browni (Dol ) . 76 caduga . . . 115 cagaya . . . 116 Callidryas 42 C a 1 1 i p 1 o e a . 55 callixenus . . 129 "1 Casyapa . . 129 Catachrysops 114 catilla .... 13 Catopsilia 42 celeno .... 108 celerio . . . 10S celestina . 40 cerberus . . . 52 cervina 67 Cethosia 64 C haetocne m e 129 Ohara xes . . 90 choredon . 28 20 •il cimonides . . . 91 citrinaris . . . . 23 cleotas . . . 118 elericus . . . . 130 47 cnejus . . Cobalus . eoerulescens communis . complicata consimilis . constantia coronea cottonis . C r a s t i a C u r e t i s curvifascia Cyaniris Cyllo. . C y n t h i a C y r es ti s cyta . . Da inis damoetes . Danaidae D a n a i s . daia . . dascylus . decipiens . dejone . Delias . democritns depilis . . Deudorix diana . . diogenes . dionisius . Dipsas . dirpha . . Seile 114 132 56 115 110 84 97 37 80 53 126 133 116 35 67 S6 113 119 117 43 45 131 75 53 68 33 117 23 128 91 115 125 127 134 — 159 - dispar . . . dolesckalli . Doleschallia doretta . . doris . . . duponcheli . Dvctis . . eblis . . . eboraci . . egista . . . Elodina . . E 1 y m n i a s . Elymniidae . emolus . . epicletus . . epijarbas . . Epimastidia eremicola . erimas . . erippus . . erminea . erota . . . erotoides . esme . . . esra . . . euchenor . . eucosmetos . euraelis . . Euploea Eupsychellus Eurema . . eurygania . . eurypylus . . E u t li a lia . . Everes . . . excellens . . exclamationis extensus . . . feist hameli . . fissizonata . . flagians . . . flava .... florentina . . florinda . . fratercnla . . fumigata . . . Seite II!) 134 74 51 HS 54 101 84 52 67 32 101 101 123 105 127 121 123 56 48 87 68 68 121 125 23 80 40 50 125 41 34 27 89 111 118 135 27 133 S5 98 42 40 119 86 59 Gama toba geoffroyi . georgiana gurelca . Hamadryas hamata liamilcar . hanno . . Hasora . hebridina . liecabe helius . hesione Hesperidae Hesperiinae hetaerus . . . henrippe . . . hilaria . . . hippoclus . . . hippocrates . . Holochila . . holofernes . . lionora . . . honrathi . . . hypatia . . . Hypochrysops Hypolimnas . Hypolycaena . 52 102 36 75 59 48 120 121 134 41 41 125 98 128 128 131 55 42 73 73 124 101 107 33 32 105 76 164 gaika 115 Jamides japetus ida . . . ilias . . illudens . imparilis . inexspectata insularis . insulata . jolcus . . iphita . . isabella Israene . ismene . . juliana . . Junonia Jupiter . . . justina . . kakopona . kandarpa . . 116 129 72 124 53 28 77 68 134 105 72 105 134 96 68 69 90 98 73 113 katharina kronos . . kuramata . . labradus . . lacon . . . Iactaria . . ladon . . . L a m p i d e s . latona . layardi . . leda . . . lemira . . . leobotes . . Libythea . . Libytheidae limniace . . lorna . . . . lugens . . . . lutescens . . Lycaenestb.es Lycaenidae . . lycaenoides . . Lysizone . . . Ivtaea . . . macfarlanei . macrophthalma maddelena madetes . . niaeso . . . maesoides majuma . . malaguna . . mangoensis raasu . . . Hiatho . . . , maura . . . . meander . . . medus . . . . Melanitis Miletus . . milo . . . . Minetra . . . minetta . . . mineus . . . minor .... minusculus . . mirabilis . . . misippus . . . montrouzieri . 81 . 91 . 78 . 115 52 . 83 . 135 . 104 . 91 . 92 . 96 . 73 . 19 . 102 . 102 . 57 100 98 7S 1 23 103 123 116 35 29 111 65 33 131 131 54 51 115 109 99 102 126 98 96 105 119 88 125 98 25 25 106 78 26 Morplndae Mycalesis Mynes Myrina . mytilene . Seite 92 97 80 1 05 49 Nacaduba . . . 113 narses 35 nemeus .... g2 neopommerana (Lib.) 102 pommerana, (Jun.) 69 neopommerana, (Ap.) 87 neopommeranins (P.) 29 Neotropidae . 5s Neptis .... 81 nisaia 27 "ora • • '■ • • 113 Notocrypta . . 133 novobrittannicus . 20 novohannoveranus(P.) 23 novohannoverana (N.) 82 novohibernicus . . 23 nusaliki .... 25 Nymphalidae . . 60 obscura (Eupl.) . . 50 obscnra (Ceth.) . . 65 obscura (Myc.) . . 99 ocyale 69 ontas . . . , orithyia . . ormenus . . . Ornithoptera otaheiti . . otis . . Padraona palmyra . . Pamphilinae Papilio . . Papilionidae papuana . . papuensis paralectus parkinsoni Parnara paron . . . parrhasius Parthenos . pasithea . . patala . . . 21 69 22 16 77 114 131 112 131 19 14 91 91 105 25 133 26 111 88 57 114 — 160 Seite Seite Seite Seite Patosa . . 50 Prothoe . . . . 91 schulzi . . 92 thymbron . . . 135 pavonia . 73 Pseudodipsas 120 scintillans . . 105 Thymele . . . 133 perdita 57 Pseudonotis . 119 Scoliantides . 118 Thysonotis . . 119 periphorbas 104 Pterygospidea . 129 segonax . . . 27 timon . . . . . 118 peristhene 39 pulchra . . . 102 seminiger . . . 29 Tirumala . . . 47 perusia 112 pullata . . . 49 seriata . . . 132 totila . . . . . 35 pfeili . . 91 pumila 55 shiva .... 100 treitschkei . . . 56 P h a e d y ra a 84 purpurata . . 46 Simaethns . . 105 triraeni . . . . 55 phestus 24 pygmaea . 115 Sithon . . . 105 turneri . . . . 63 phidon 99 pyrrhus . . . 91 sobrina . . . 46 philippina 132 sobrinoides . . 46 ulaguna . . . 57 philo . . 115 qnadricolor . . 39 sodalis . . . 122 ulysses . . . . 25 philotus . 114 solita .... 126 unibrunea . . . 54 phoebe 115 strabo .... 113 unicolor . . . . 79 phorcas 93 Radena . . . 46 strongyle . . . 113 nranus . . . . 93 picata . . 39 regina .... 124 sylvia .... 88 urvilliana . . . 16 Pieridae . 31 reraulia . . . 99 Symbrenthia . 72 Pieris 37 repetita . . . 133 Symphaedra . 90 pisias . . Pithecops pithöka 85 125 79 restricta . . . rex Rhinopalpa . 133 105 93 Tachyris . . Tagiades . . 39 129 Vadebra . . vallivolans . . villida . . . 52 . 41 . 90 plato . . 117 rickardi . . . 74 Telicota . . 131 Plebejus 107 rotundata . . . 47 93 wallacei, Hess. . 64 Plesioneur i 133 rngei .... 90 Terias . . . 40 wallacei, Jim. . . 69 plexippus . 48 Terinos . . tili websteri . . . . 22 poeta . . 118 Salatnra . . 48 terminus . . . 99 polydorus . 19 Salpinx . . . . 56 teutonia . . . 37 xauthias . . . . 99 pomona 43 salvini .... . 34 thamyras . . . 125 X a u t h i d i a . 40 praslini 83 samoa .... . 114 Theclinesthes . 122 xanthomelaena . . 42 Precis 71 sarpedon . . . . 28 thetis .... 126 presbyter . 130 Satyridae . . . 94 thieli .... 89 zelima . . . 72 primularis 33 savnana . . . . 37 thridas . . . . 134 Zizera . . . . 115 Verbesserungen und Znsätze. Seite 1 Zeile 12 von unten lies: Grabczewski. ri 16 •i 2 n ;i „ Lowon. n 29 11 11 ii .. „ 15 statt 16. V 40 11 11 von oben „ Papua. » 43 n 16 »i n „ Duke. " 45 n 21 71 •i ,, coerulescens. 47 n 26 " - „ Grabczewski. .. 51 .. 13 .. ist zuzusetzen: Taf. I. Fig. 1 ** 51 15 von unten .. I. „ 2 ö ■ "• 53 n 19 von oben ist abzusetzen: .. T. „ 1 9, Fig. 2 . ?1 53 ii 19 „ n lies: Fig. 1 9. ji 54 V 15 .. „ Taf. I. Fig. 3 ist zu Zeile 10 von unten bei raajuma zu setzen. n 57 ii 1 n n lies: albopunctata. 11 59 n 21 n •i ,, Amboina. T) 60 n 11 ,. ii n meyeri. y) 81 n 15 ii „ ist zuzusetzen: Von Neuhannover im Tring- Museuni. n 99 ii 22 von unten lies: Ocelleu statt Zellen. ri 117 n 16 von oben .. Sa ; statt 8 9- n 122 ii 3 n ii .. albocoerulea. ii 143 n 17 von unten „ 171 statt 16. Tafelerklärung. Tafel i. Seite Fig. 1. Euploea cloretta Pag. d 51 „ 2. Euploea malaguna Ribbe 51 ., 3. Euploea majuma Ribbe. c? 54 „ 4. Papilio hrowni Godm. and Salv. ö' 30 ., 5. Euthalia theili Ribbe. 9 89 „ 6. Phaedyma ampliata Butler, ö' 86 Tafel IL Fig. 1. Papilio segonax Godm. and Salv. o 27 „ 2. Hypochrysops mirabilis Pag. cf 10G „ 3. Hypochrysops mirabilis Pag. 9 10G „ 4. Terinos maddelena Grose Smith and Kirby. 9 . . 66 5. Eurema xanihomelaena Godm. and Salv. c? .... 42 6. Pieris teuionia Fabr. (nisaia Mac Leay) 9 .... 37 7. Papilio cüix Godm. and Salv. 0" 20 8. LibytJiea geoffroyi Godart (pulchra Butler) 0'" . . .102 9. Theclinesthes eremicdla Röber. d' 123 n n Zoologie a. XXVII. Taf. !. . . ■ Zoologica XXVII. Taf.II. ' ZOOLOGICA. Original-Abhandlungen aus dem Gesamtgebiete der Zoologie. Herausgegeben von Professor Dr. C. Chun in Leipzig. Heft 28. Das Auge der Polyphemiden von Dr. Otto Miltz. -~ o Mit 4 Tafeln. e~- STUTTGART. Verlag von Erwin Nägele. 1899. Das Auge der Polyphemiclen. Von Dr. Otto Miltz. (Aus dem Zoologischen Institute der Universität Breslau.) ~£3 Mit 4 Tafeln. e$-- STUTTGART. Verlag von Erwin Nägele. 1899. Alle Rechte vorbehalten. I'nick von A. Koni' Eiben in Stuttgart Vorbemerkung. Seitdem es Sigm. Exner gelungen, an vielen Stellen den Schleier zu lüften, der uns bis dahin den Einblick in die physiologische Wirkungsweise des Facettenauges so gut wie ganz verwehrte, hat das Studium dieses charakteristischen Sehorganes der Arthropoden ohne Zweifel einen neuen eigenartigen Reiz und einen allgemeineren wissenschaftlichen Wert gewonnen. Durch Exners scharfsinnige physikalische Experimente, die zu einem Teile bereits auch von anderer Seite wiederholt und bestätigt wurden (Parker, 1895, pag. 29—36), sind wir vor allem mit dem optischen Verhalten der nach dem Prinzip des Linsencylinders (Exner, 1891, pag. 1 — 10) gebauten Krystallkegel bekannt geworden. Wir vermögen jetzt, ohne uns wie früher durchweg in Hypothesen zu bewegen, aus der Zusammensetzung des dioptrischen Apparates, aus den Dimensionen der Krystallkegel und ihrer Entfernung von der perzipierenden Schicht, sowie aus der Art und Anordnung des Augen- pigmentes in jedem konkreten Falle auf die Beschaffenheit des entstehenden Netzhautbildes zu schliessen. Von diesem wird es aber immer in gewissem Grade abhängen, was und wie das Tier sieht. Wenigstens giebt nach allen unsern Erfahrungen die Schärfe des Netzhautbildes die obere Grenze für die Schärfe des Unterscheidungsvermögens ab. Wir haben also fortan in dem anatomischen Befunde einen wenn auch noch geringen Anhaltspunkt für die Beurteilung der relativen Leistungsfähigkeit der Facettenaugen bei dieser oder jener Anordnung ihrer Elemente; d. h. es ist uns endlich die Möglichkeit eröffnet, auch zwischen der Ausbildung dieses Organes und der biologischen Eigenart des betreffenden Organis- mus Parallelen zu ziehen, wie es bei andern Organsystemen im Sinne der Descendenzlehre längst mit gutem Erfolge geschehen ist. Bei der überreichen Fülle von Erscheinungsformen, in denen uns das Facettenauge ent- gegentritt, und der ebenso grossen Mannigfaltigkeit der Existenzbedingungen, denen die Arthro- poden unterworfen sind, eröffnet sich damit dem vergleichenden Anatomen von neuem ein weites und, soweit die wenigen bis jetzt auf diesem Gebiete angestellten Untersuchungen einen Maß- stab dafür abgeben, recht dankbares Arbeitsfeld. Das Verdienst, zuerst die Resultate der Forschungen Exners nach der angedeuteten Richtung hin in grösserem Umfange praktisch verwertet und den Nutzen, den sie bei der Lösung biologischer Fragen eventuell gewähren, dargethan zu haben, gebührt Cliun. Demselben gelang es, für eine Reihe von Crustaceen den bisher unverstandenen Parallelismus zwischen Augenbau einerseits und Tiefenvorkommen und Lebensweise andererseits aufs deutlichste nachzuweisen. Auch für die Gruppe der Polyphemiden besteht nach Chuns Darstellung allem An- scheine nach eine solche Beziehung. Da nun die vorliegende Arbeit in der Hauptsache dem Zwecke dienen soll, den seiner- zeit von Chun in Aussicht gestellten direkten Beweis für die Richtigkeit seiner über das Poly- phemidenauge ausgesprochenen Ansicht zu erbringen, sich seinen Untersuchungen also unmittelbar, gewissermassen als Fortsetzung und Ergänzung anreiht, so möge es gestattet sein, mit kurzen Worten auf dieselben etwas näher einzugehen. In seinen 1896 unter dem Titel „Atlantis" herausgegebenen „Biologischen Studien über pelagische Organismen" nahm Chun u. a. auch Gelegenheit, jene seltsamen, oft geradezu monströs gestalteten Facettenaugen einer eingehenden Prüfung zu unterwerfen, mit denen wir in so charak- teristischer Weise die in den tieferen Regionen des Meeres schwebenden räuberischen Crustaceen- formen ausgerüstet finden. Chun stellte sich die Aufgabe, einerseits den physiologischen Wert derselben festzustellen, andererseits zu ermitteln, wie im allgemeinen die äusseren Existenz- bedingungen modifizierend auf den Bau der Sehorgane bei den Tiefseecrustaceen einwirkten. Die Lösung dieser Aufgabe wurde Chun dadurch ausserordentlich erleichtert, dass er gerade die Schizopoden zum Ausgangspunkte seiner Untersuchungen machte, eine Crustaceengruppe, welche in ihren einzelnen Arten über alle Meerestiefen von der Oberfläche an bis zum Meeres- grunde verbreitet ist. Chun vermochte hier nicht nur das Vorkommen so auffallend ungleichartig gestalteter Augen bei Oberflächen- und Tiefenformen hinlänglich aus den verschiedenen Existenzbedingungen zu erklären, sondern es war ihm auch möglich, schrittweise die Umbildungen zu verfolgen, welchen die Augen bei den einzelnen Gattungen, infolge der Anpassung an den Aufenthalt in grösseren Tiefen, im Laufe der phyletischen Entwiekelung unterworfen wurden. Die Verhältnisse bei den Schizopoden waren so charakteristisch, dass für Chun der Gedanke nahe lag, auch andere pela- gische Tiefseekruster, deren Augen einen ausgesprochen unregelmässigen Bau aufweisen, zum Vergleiche heranzuziehen. Die nächste Handhabe dazu boten ihm die Sergestiden und Hyperiiden. Eine genauere Prüfung ihrer zum Teil bereits von anderer Seite untersuchten Augen ergab denn auch bald das überraschende Resultat, dass sich innerhalb dieser Ordnungen ganz analuge Reihen von Umbildungen des Sehorganes nachweisen lassen, wie bei den Schizopoden. Chun konnte für alle drei Crustaceengruppen den Verlauf dieser konvergenten Um- bildungen, wie sich derselbe in seinen einzelnen Phasen unserer Beobachtung darbietet, in knapper iiml übersichtlicher Form, wie folgt, erschöpfend zur Darstellung bringen (1896, pag. 248 — 249): „Als Grundform des Facettenauges der Arthropoden betrachten wir ein Kugelauge, dessen Fa- cettenglieder von einem idealen Mittelpunkte radiär ausstrahlen und annähernd von gleicher U'inge sind. Die Facettenglieder werden in der Höhe der Krystallkegel von einem Irispigmente, in der Umgebung der Rhabdome von einem Retinapigmente umscheidet. Ein derartiges Kugel- auge kommt den pelagischen Oberflächenformen zu, während diejenigen Arten, welche entweder ausschliesslich oder doch wenigstens vorwiegend in dunklen Begionen schweben, eine bemerkens- wert he Abweichung von der Kugelform des Auges aufweisen, die bei den verschiedenartigsten Ordnungen in convergenter Weise zum Ausdruck gelangt. Die nach oben resp. schräg nach vorne gerichteten Facettenglieder beginnen sich zu verlängern, indem sie entweder continuirlich in die verkürzten Glieder übergehen, oder als ein gesondertes „Frontauge" von dem „Seitenauge" sich abgliedern. Bei weitergehender Anpassung an das Leben in der Dunkelheit macht sich eine Pigmentarmuth geltend, indem entweder das Irispigment (retinopigmentäre Augen) oder das Retina- pigment (iridopigmentäre Augen) schwindet. Wahrend anfänglich noch das Frontauge dem Seiten- auge gegenüber in den Hintergrund tritt, so kehrt sich später dieses Verhältniss um, indem das Frontauge an Umfang zunimmt und das Seitenauge derart überflügelt, dass schliesslich überhaupt nur noch das Frontauge persistirt (Gattung ArachnomysisY . Es würde an dieser Stelle zu weit führen, den physiologischen Wert aller dieser Um- bildungen zu erörtern; dazu wird sieh im folgenden eine passendere Gelegenheit bieten. Hier sei nur soviel bemerkt, dass dieselben, im Lichte der Exner'sehen Theorie betrachtet, voll- ständig im Einklang mit den veränderten Existenzbedingungen der betreffenden Kruster, sowie mit ihrer räuberischen Lebensweise stehen. Daher konnte Chun auf Grund dieses Befundes und unter Berücksichtigung der neueren Untersuchungen über die Tiefenverbreitung pelagischer Orga- nismen mit gutem Recht als ein wesentliches Ergebnis seiner Betrachtungen den bemerkens- werten Satz aussprechen, „dass die Gestaltung des Auges und die Vertheilung des Pigmentes einen getreuen Spiegel für die biologische Eigenart pelagischer Organismen abgeben, und dass .. . der direct umformende Einfluss veränderter Existenzbedingungen, wie ihn Lamarck als treibendes Motiv für die Artum- wandlung in Anspruch nimmt, sich an wenigen Organsystemen in ähnlich in- structiver Wei se veranschaulichen und dem Verständniss näher bringen lässt, als an den Sehorganen." Dieser Anspruch, der übrigens heute schon eine gleichwertige Be- deutung auch für die Hexapoden gewonnen hat durch die Thatsachen, mit denen uns die in- teressante Arbeit Zimmers über die Augen der Ephemeriden (1897) und die Beobachtungen Kellogs (1898) an einer Dipterenart bekannt gemacht haben (cf. pag. 56), verdient noch um so mehr Beachtung, als Gerstaecker in seiner Bearbeitung der Arthropoden in Bronns „Klassen und Ordnungen des Tierreichs" (1889, pag. 682— 083) gerade mit Bezug auf die Schizo- poden noch ausdrücklich sein Urteil dahin abgiebt, dass die Ausbildung der Augen sich als voll- kommen unabhängig von dem Tiefen vorkommen der Gattungen sowohl, wie der einzelnen ihnen angehörenden Arten darstellt. Nach Gerstaeckers Meinung „müssten" nämlich, „bestände die viel gepriesene An- passungstheorie zu Recht, die bei Obernäckenbewohnern in hervorragender Grösse entwickelten Gesichtsorgane in demselben Masse abnehmen und eingehen, als bei zunehmender Tiefe die Licht- fülle herabgedrückt wird." Dies ist weder bei den Schizopoden, noch bei andern pelagischen Crustraceen der Fall. Bei der Vielseitigkeit der Mittel, mit denen die Natur arbeitet, ist es aber auch wirk- lich nicht einzusehen, weshalb dies der Fall sein „müsste", zumal es sich um Tiere handelt, die gelegentlich auch in die höheren belichteten Regionen verschlagen werden und bei ihrer ausge- sprochen räuberischen Lebensweise den Verlust des Gesichtsinnes besonders nachteilig empiinden würden. Gilt doch auch für die Wirbeltiere keineswegs der Satz, dass die Gesichtsorgane in dem Masse abnehmen und eingehen, als ihre Besitzer das Tageslicht meiden und es sich zur Lebensgewohnheit gemacht haben, ihre Beute im Dunkel der Nacht aufzuspüren und zu erjagen. - Den Augen der Polyphemiden widmet Chun in seiner Abhandlung einen besonderen Abschnitt. Auch für diese zum Teil dem Süsswasser angehörenden Crustaceen unternimmt er es, eine — 8 — ähnliche Entwickelungsreike nachzuweisen, wie bei den Schizopoden, Sergestiden und Hyperiiden. Zwei Gründe legten es nahe, im Verfolg der vorausgegangenen Betrachtungen auch an diese Gruppe der Entomostracen zu denken. Einmal musste die räuberische Lebensweise dieser pelagischen Phyllopoden, die auch, so- weit sie im Süsswasser vorkommen, nach allen bisherigen Beobachtungen grössere Tiefen bevor- zugen (cf. pag. 53), die Vermutung wachrufen, dass ihre Augen ähnliche charakteristische Aus- zeichnungen aufweisen möchten, wie die geschilderten. Andererseits forderte auch die unregel- mässige Gestalt ihrer Augen, welche aus den zahlreichen Beschreibungen dieser Tiere und den denselben beigegebenen Abbildungen längst bekannt war, geradezu heraus zu einem Vergleich mit den von Chun untersuchten Augen der Tiefseecrustaceen. Mit Ausnahme der Gattung Lepiodora nämlich, welche auch im übrigen Körperbau wesentlich von den eigentlichen Polyphe- miden abweicht, weisen alle Gattungen der letzteren im Gegensatz zu den nächsten Verwandten, den Daphniden, unregelmässig gebaute, von der Kugelgestalt abweichende Augen auf. Dies tritt so augenfällig zu Tage, dass in den meisten Fällen schon den Entdeckern der einzelnen Arten die ungleiche Länge der Krystallkegel aufgefallen und gewissenhaft von ihnen erwähnt ist. Aber über diesen äusserlichen Befund waren auch die späteren Beobachter nicht hinaus- gekommen, und über die Anatomie des Polyphemidenauges lagen Chun so gut wie gar keine verwertbaren Angaben vor. Die einzige Arbeit, die allerdings wesentlich in betracht gekommen wäre, nämlich die von Samassa über das centrale Nervensystem der Cladoceren (1891), war nicht zur Kenntnis Chuns gelangt. [Samassa giebt bereits Abbildungen eines Längs- und Horizontalschnittes durch das Auge von Bythotrephes hngimanw und bespricht als erster eingehend die Zweiteiligkeit desselben. (1891, pag. HS — 122, Taf. VI, Fig. 36, 37.)] Er sah sich also gc nötigt, um einen einigermassen sichern Anhaltspunkt für die Beurteilung der inneren Struktur des Polyphemidenauges zu haben, wenigstens eine Form desselben näher zu untersuchen. Auch Chun wählte als das geeignetste Objekt das Auge von Bythotrephes und hatte bei der Untersuchung auf Schnitten die freudige Genugthuung, seine Vermutungen vollauf bestätigt zu sehen. Die Scheidung in ein „Frontauge" und ein „Ventralauge" (eine Bezeichnung, welche bei dem unpaaren Auge der Polyphemiden zutreffender erscheint, als „Seitenauge") ist so vollständig durchgeführt, wie sonst nur bei der Hyperiiden-Gattung Flvromma. Auf Grund dieses Befundes und unter Hinweis auf die von P. E. Müller (1868) und Claus (1877) von den übrigen Polyphemiden gegebenen Abbildungen entwickelt Chun nun seine Ansicht über die innerhalb der Ordnung der Cladoceren stattgefundenen Umbildungen des Auges, wie folgt (1896, pag. 255): „Das Kugelauge der an der Oberfläche von vegetabilischer Kost lebenden Daphniden weist bei den räuberischen und die Tiefe bevorzugenden Polyphemiden nicht nur grössere Dimensionen auf, sondern lässt auch die schon bei Leptodora kenntliche Verlängerung der dorsalen Facettenglieder nachweisen. Indem das Pigment, welches bei den Oberflächenformen bis zur distalen Kuppe der Krystall- kegel vordringt, lediglich auf die Retinulazellen beschränkt wird, erhalten wir retinopigmentäre Augen, deren Sehvorgang sich offenbar ebenso wie im Phronimidenauge abspielt. Eine weitere Etappe in den genannten Umbildungen giebt das Auge der Gattung Pohj- phemus ab, das auf Schnitten sich vielleicht schon als zweigetheilt erweisen dürfte und jedenfalls direct zum Auge des Bythotrephes mit seiner Trennung in ein Front- und Ventralauge überleitet. Doch die Umbildungen gehen noch weiter: Das Ventralauge, welches bei Bythotrephes - 9 — aus weit zahlreicheren Facettengliedern, als das Frontange sich aufbaut, beginnt an Umfang zurückzutreten, um schliesslich völlig zu schwinden. Bei der Gattung Podon ist das Ventralauge nur auf wenige Facettenglieder reducirt und endlich fehlt es vollkommen der Gattung Evadne. In der ausschliesslichen Erhaltung des Frontauges giebt Evadne ein Seitenstück zu Arachnomysis ab." (cf. pag. 7.) „Diese Ableitung", fügt Chun hinzu, „muss allerdings erst durch eingehende Unter- suchung auf Schnitten erhärtet werden." Einer Anregung meines hochverehrten Lehrers, des Herrn Professor C h u n . folgend unter- nahm ich es zu Beginn des Wintersemesters 1897/98, diese histologischen Untersuchungen vor- zunehmen. Sie erstrecken sich auf die Augen aller fünf von Chun in seiner Arbeit berücksichtigten Gattungen und können insofern als vollständig gelten, als damit alle Gattungen der Polyphe- miden behandelt sind. Die von Schödler (1863) aufgestellte sechste Gattung Pleopis finde ich nämlich bei andern Autoren nicht aufrecht erhalten. Die ihr zugerechneten Arten verteilen sich auf die Gattungen Podon und Evadne. Die von mir sorgfältig geprüften Beschreibungen und Abbildungen der Augen der hier nicht untersuchten Polyphemidenarten lassen auch nicht den Verdacht aufkommen, dass noch ein sechster Augentypus innerhalb dieser Familie bestehen möchte. Das nur zunächst bei meinen Untersuchungen vorschwebende Ziel, im weitesten Sinne eine Ergänzung der Arbeit Chuns zu liefern, verschob und erweiterte sich übrigens, je mehr ich mich in das Studium der feineren Strukturverhältnisse dieser bis jetzt nirgends ein Analogon findenden Facettenaugen vertiefte und die einschlägige Litteratur zu Rate zog. Die physiologischen und biologischen Fragen wurden somit vorderhand doch noch wieder aus dem Vordergrund gedrängt durch die zahlreichen histologischen Probleme, die vor mir auftauchten. Wirkte nämlich auf der einen Seite die Dürftigkeit der bis jetzt über die Polypkemidni vorliegenden biologischen Beobachtungen geradezu entmutigend, so war es auf der andern Seite zu verlockend, den Versuch zu wagen, eine Lücke, welche merkwürdigerweise gerade bei den sonst schon so eingehend beschriebenen Oladoceren in unserer Kenntnis des Facettenauges besteht, so vollständig wie möglich auszufüllen. Ich habe mich denn auch dieser Aufgabe nach Kräften gewidmet, bin mir aber bewusst, auch in dieser Beziehung nicht alle Erwartungen befriedigen zu können. Manche Punkte werden überhaupt wohl erst durch die Untersuchung frisch erbeuteten und für die betreffenden Zwecke eigens konservierten Materials klar gestellt werden können. Das Cladoceren-Auge ist eben, wie Chun treffend bemerkt, ein äusserst subtiles Objekt, und ich kann es mit gutem Gewissen bezeugen, dass Parker nicht übertreibt, wenn er betont, dass „the extreme minutnes* of the ommatidia in the eyes of the Cladocera renders their study especially difficult (1891, pag. 76). Immerhin glaube ich in der vorliegenden Arbeit einen geringen Beitrag zur Kenntnis des Facettenauges liefern zu können, der auch geeignet ist, bei der allgemeinen Beurteilung der Polyphemiden verwertet zu werden. Ich bin zu dem Zwecke bestrebt gewesen, die durch meine Beobachtungen sicher fest- gestellten Thatsachen von dem noch Zweifelhaften streng zu sondern. Zoologica. Heft 28. Material und Uutersucliuiigsmethoden. Das von mir benutzte Alkohol-Material war, wenn auch zum Teil schon älteren Datums, im allgemeinen recht gut erhalten. Von allen untersuchten Arten standen mir ganz beträcht- liche Mengen zur Verfügung, sodass überall die Quantität über etwaige Mängel in der Qualität hinweghelfen konnte. Ich habe daher auch nicht die Mühe gescheut, möglichst viele Schnitte von dem Auge jeder Art anzufertigen, um über gewisse Einzelheiten durch den Vergleich einen besseren Aufschluss zu erhalten. Die Untersuchung der Augen von Bythotrephes longimanus nahm ich an Exemplaren des- selben Materials vor, das Chun bereits für seine Arbeiten benutzte. Dasselbe ist von Chun am 12. September 1893 im Genfer See erbeutet und mit Sublimat konserviert. Aus derselben Zeit und derselben Quelle stammten auch einige Exemplare von Lepto- som hyälina. Weiteres Leptodora -Material erhielt ich in liebenswürdigster Weise von Herrn Dr. 0. Zacharias, Direktor der Biologischen Station in Plön, zugesandt, desgleichen in reichlicher Menge Polyphemus pediculus. Beide sind im Plöner See erbeutet, und zwar Lepiodora noch im Herbst 1897. Als Konservierungsmittel ist Chromosmiumessigsäure benutzt. Herr Professor Dr. Hof er in München stellte ebenfalls einige in Sublimat konservierte Exemplare von Bythotrephes und. Leptodora aus dem Jahre 1892 zur Verfügung. Von der Zoologischen Station in Neapel wurde mir eine Sendung Evadne sp., wahr- scheinlich E. tergestina Claus, übermittelt. Evadne Nordmanni und Podon intermedius bezog ich von der Königl. Biologischen An- stalt auf Helgoland; erstere waren mit Chromessigsäure, letztere mit Sublimat konserviert. Schliesslich erhielt ich noch im Juni 1898 von Herrn Dr. Zacharias eine Sendung frisch gefangener, besonders schöner Exemplare von Leptodora. welche in einem nur 50 cm tiefen Wallgraben in der Umgegend von Dresden erbeutet waren. Da mir lebendes Material nicht zugänglich war, so konnte ich besondere Beobachtungen über den Wert der verschiedenen Fixierungsmittel für derartige Untersuchungen natürlich nicht anstellen. Aus dem Vergleich des Erhaltungszustandes der einzelnen Proben schien mir jedoch her- vorzugehen, dass das Sublimat der Chromosmiumessigsäure und Chromessigsäure in seinen Er- folgen nachsteht. Unter allen Tinktionsmitteln , die ich versuchte, nämlich: Boraxkarmin, Alkoholisches Karmin, Salzsaures Karmin nach Grenadier (P. Meyer), Pikrokarmin nach W-eigert und — 11 — mich Chun, Hämatoxylin nach Fr ey und nach Kleinenberg, Jodgrün-Säurefuchsin, erwiesen sich am geeignetsten immer noch Alkoholisches und Salzsaures Karmin, mit denen ich unter Anwendung des bekannten Differenzierungsmittels (Alkohol + Salzsäure) verhältnismässig gute Kernfärbungen erzielte. Mit den andern Farbstoffen erhielt ich nur diffuse Färbungen; wässrige Lösungen der- selben verfehlten zum Teil gänzlich ihre Wirkung. Es ist überhaupt eine auffallende Erscheinung, dass die Kerne im Bereich des Auges sich viel indifferenter gegen Farbstoffe verhalten, als diejenigen in den übrigen Geweben und daher sich leicht dem Blicke entziehen. So konnte es immerhin vorkommen, dass Parker im Auge von Evadne überhaupt keine Kerne zu Gesicht bekam. Die Färbung der Objekte in toto gab ich auf, trotzdem sie nachher bei der Orientierung des Parafünblockes sehr zu statten kommt, weil die Partikelchen des Farbstoffes, welche sich stets innerhalb der Gewebe ausschieden, beim Schneiden einen störenden Einfluss ausübten. Bei Überführung der Objekte aus Alkohol in Paraffin benutzte ich mit gutem Erfolge statt Cedernholzöl das Toluol als Durchgangsmittel, wodurch sich die Manipulationen beim Transport der winzigen Objekte wesentlich vereinfachen. Die Schnitte hatten durchgehends eine Dicke von 0,005 mm. Es wurden „Längsschnitte" (sagittal, dorsoventral), „Horizontalschnitte" (frontal, der Rücken und Bauchfläche parallel) und „Querschnitte,, (transversal, senkrecht zu den beiden ersten Schnittrichtungen) den Untersuchungen zu Grunde gelegt. Zur Depigmentierung benutzte ich ein von Rosen st ad t (1896, pag. 749) empfohlenes Gemisch von stark verdünnter Salz- und Salpetersäure, ebenso versuchte ich die von Grenadier (1879, pag. 24) erwähnten Methoden. Aber da mir eine vollständige Entfernung des Pigmentes niemals gelang, so habe ich nur wenig Nutzen aus dem Verfahren ziehen können. Eingebettet wurde in Glycerin und Kanadabalsam; dem letzteren gehe ich jedoch den Vorzug. Sämtliche Arbeiten wurden im Zoologischen Institute der Universität Breslau unter An- leitung des Herrn Prof. Chun ausgeführt und im Anfange des Monats Juli 1898 zum Abschluss gebracht. Eine sehr wesentliche Förderung erfuhren dieselben durch die freundlichen Bemühungen der Herren Dr. F. Braem und Dr. C. Zimmer, welche mir in allen technischen Fragen jeder- zeit ihren erfahrenen Rat bereitwilligst zu teil werden Hessen. Es ist mir eine angenehme Pflicht, allen den genannten Herren, sowie den Vorstehern der in Anspruch genommenen Institute, namentlich Herrn Prof. Rhode in Breslau, meinen ergebensten Dank für ihre gütige Unterstützung auch an dieser Stelle auszusprechen. Morphologie des Auges. „Sphaeram merum oculum esse trunco corporis impositum lubens concedo: Tantum pictoribus atque poetis, quibus qmelibet fuujendi potestas, antecedit natura polydaedalu !" 0. F. Müller, Entomostraca, 1785. „Combien Ja nature est admirable dans ses oeuvres! Qu'on se represente im animal n'ayant qu'un oeü todora alle gleich lang und radiär gestellt sind. Das ist in Wirklichkeit jedoch nicht der Fall. Die Facettenglieder am hinteren Rande sind stets bedeutend kürzer unb divergieren stärker als die vorderen. Dies hat nicht etwa darin seinen Grund, dass der Augenkörper nach hinten zu sich abplattet, sondern ist eine Folge der ungleichmässigen Verteilung der Spitzen der Facettenglieder im Pigmentkörper. Diese ordnen sich nämlich auf der Oberfläche des von hinten in das Auge eindringenden Nervenstranges an, also auf einer Fläche, welche nicht der Kugelfläche des Augenkörpers parallel ist. Demzufolge können nur die vorderen Glieder nach einem gemeinsamen Scheitel gerichtet sein, die hinteren Glieder aber werden, da ihre Spitzen weiter nach dem Ganglion zu rücken, immer mehr aus der radiären Stellung verschoben und verlieren dabei gleichzeitig an Länge. Noch mehr als auf Horizontalschnitten — einen solchen bildet Carriere ab — tritt diese Unregelmässigkeit auf Längsschnitten in die Erscheinung (Fig. 24). Hier zeigt sich sogar ein Unterschied zwischen den dorsalen und ventralen Facettengliedern, auf den bereits Chun (1. c. pag. 255) aufmerksam machte. Die dorsalen sind nämlich im Durchschnitt auch bei Leptodora etwas länger als die ventralen, was sich daraus erklärt, dass der Nervenstrang, wie man nun sieht, nicht in der Augenachse verläuft, sondern etwas schräg von oben her nach dem Centrum hin abfällt. Seine Gestalt ist also die eines konischen, seitlich zusammengedrückten Zapfens, dessen Spitze von oben nach unten schief abgestutzt ist, aber dabei an allen Stellen abgerundet bleibt. In der Medianebene stehen seine einzelnen Durchmesser an der Spitze, am Rande der Retina und am Rande des Augenkörpers ungefähr in dem Verhältnis 1:2:3. Wir sehen also, dass sowohl die Konvergenz, als auch die Länge der Facettenglieder von vorn nach hinten zu stetig, jedoch auf der ventralen Seite schneller als auf der dorsalen abnimmt. Dies mag die nachfolgende Tabelle noch besser veranschaulichen. Relative Länge der Facettenglieder Rhabdome Krystallkegel Am oberen Bande . . . 20 5 15 Dorsale 23 10 13 25 10 15 Ventrale 20 7 13 Am unteren Rande . . . 18 5 13 — 27 — Man bemerkt hier übrigens, dass die oberen und unteren Krystallkegel etwas kürzer sind, als die vorderen und hintersten dorsalen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Augen- körper, so viel ich beobachtete, nie eine ganz regelmässige kugelige Form hat, sondern etwas in die Länge gestreckt erscheint, während der Pigmentkörper gleichmässiger gekrümmt ist. Die Breite der Facettenglieder und Krystallkegel ist im grossen und ganzen die gleiche. Auf dieselbe Einheit zurückgeführt, wie die obigen Grössen, würde sich die Breite der Basis der Facettenglieder auf 4 stellen. Der Krystallkörper im Innern des Endkegels ist jedoch be- deutend schmaler (2,5) und hebt sich viel stärker von dem Plasma der Kegelzellen ab, als in den Augen der übrigen Gattungen. Er ist spitz kegelförmig, aber seine Spitze geht nicht all- mählich in den Stiel über, sondern dieser ist an seinem distalen Ende ebenso dick wie der End- kegel an seiner breitesten Stelle (2,5), stellt also ebenfalls einen langgestreckten Kegel dar. Es sieht demnach so aus, als ob zwei Kegel über einander gestellt seien (Fig. 25). Der Endkegel ist durchschnittlich ungefähr halb so lang, wie der Stiel; bei den dorsalen Gliedern ändert sich dieses Verhältnis noch etwas zu seinem (des Stieles) Gunsten. Was die Anzahl der Facettenglieder betrifft, so muss ich mich wieder auf eine Schätzung derselben beschränken. Carriere giebt an, dass ungefähr 24 Einzelaugen auf einem Schnitte durch das Centrum sichtbar werden. Legt man diese für die Rechnung günstige Zahl, die vielleicht noch etwas zu klein ist, zu Grunde, so lässt sich durch eine einfache Ueberlegung unter Berücksichtigung der Kugel- gestalt des Auges und der hexagonalen Anordnung der Facettenglieder die Zahl derselben, wie bei Bythotrephes, auf rund 300 feststellen. Die im Vorstehenden enthaltenen Angaben über den Bau des Auges der verschiedenen Polyphemidengattungen bestätigen in vollem Umfange die von Chun ausgesprochene Ansicht, dass auch bei den Gladoceren das Auge einzelner Vertreter dieser Gruppe im Laufe der Zeit Umbildungen erfahren hat, welche den bei den Tiefseecrustaceen nachgewiesenen im Prinzip gleichkommen. Es fragt sieh nur, inwieweit die von Chun auf Grund der ihm bekannten That- sachen gegebene Ableitung der verschiedenen Augenformen (vergl. pag. 8) auch mit den durch die vorliegenden Untersuchungen bekannt gewordenen morphologischen Einzelheiten im Ein- klänge steht. Chun stellt an die Spitze seiner Reihe das Auge von Leptodora, welches noch die Kugel- gestalt des Daphnidenauges aufweist, und leitet aus diesem die übrigen Augenformen in der Reihenfolge ab, wie sie durch die Ausbildung des Frontauges im Verhältnis zum Ventralauge bedingt wird. Aus den vorstehenden Mitteilungen geht nun aber wohl hervor, dass dem Daphniden- auge, welches natürlich als Ausgangspunkt aller Umbildungen angesehen werden muss, am nächsten in seinem Baue das Auge von Pölyphemus steht. In diesem Auge haben wir noch sämtliche Uebergangsstufen in der Ausbildung des Facetten- gliedes, d. h. den ganzen Umformungsprozess des Auges vor uns. An seinem hinteren Rande ist gewissermassen das Daphnidenauge mit den kurzen, dicken Krystallkegeln und Rhabdomen und seiner fast bis an die Oberfläche des Auges reichenden Pigmentierung noch unverändert er- halten, und nach vorne zu treten auf der ventralen Seite an den Facettengliedern ganz all- mählich die Modifikationen in die Erscheinung, welche das Polyphemidenauge im Gegensatz zu dem der Daphniden charakterisieren, nämlich die Verlängerung der Rhabdome und der Krystall- kegel mit gleichzeitiger Bildung eines Stieles an denselben und das Zurückweichen des Pigmentes in den Bereich der Retina. Während in ersterer Beziehung die Umbildung schon so weit vor- geschritten ist, dass die längsten Facettenglieder sich mit ihren Spitzen am hinteren Rande ver- einigen mussten und so ein kegelförmiges Frontauge bildeten, ist in letzterer Beziehung die Stufe, auf welcher die Augen aller übrigen Gattungen stehen, bei Polyphon«* noch nicht erreicht. Aus diesem Auge ist dann am leichtesten dasjenige von Podon abzuleiten. Das Frontauge ist hier schon zu grösserer Vollkommenheit gelangt, es umfasst auch die hinteren dorsalen Facettenglieder, mit Ausnahme zweier, welche nicht mit ihm in Verband ge- treten sind und eine abnorme Ausbildung aufweisen. Von den Facettengliedern des Ventral- auges, deren Zahl geringer geworden ist, besitzen die längeren bereits völlig pigmentfreie Kry- stallkegel, während die untersten mit ihren kurzen Rhabdomen, eiförmigen Krystallkörpern und dichter Pigmentierung noch ganz den ursprünglichen Habitus zeigen. Die Anordnung der Glieder im Ventralauge entspricht ganz derjenigen bei Polyphemus. Von dieser Augenform zum Auge der Evadne-Arten ist nur ein Schritt. E. spinifera mit ihren drei Reihen ventraler Glieder zeigt noch die wenigsten Abweichungen. Sie bestehen in dem Fehlen jener beiden „Nebenaugen" und in der Verkümmerung der Krystallkegel in den beiden unteren Reihen des Ventralauges. Bei E. Nordmanni und E. tergesüna ist die Reduktion des Ventralauges schon weiter fortgesetzt; es ist nur noch eine Reihe von rudimentären Kry- stallkegeln vorhanden. Daneben bestehen aber zwei den „Nebenaugen" von Podon entsprechende dorsale Glieder mit gleichfalls verkümmerten Krystallkegeln. Damit haben die Umbildungen nach dieser Richtung hin vorläufig ihren Höhepunkt er- reicht : es sind fast nur die stark verlängerten dorsalen Facettenglieder des Frontauges als Seh- organ übrig geblieben. In diese kontinuierliche Reihe von Umbildungen, deren Endglieder das Daphnidenauge und das Auge von Evadne sind, lassen sich aber schwerlich die Augenformen von Bythotrephes und Leptodora einordnen. Wohl kann man das erstere, soweit seine Gliederung in betracht kommt, sehr gut von dem Auge des Polyphemus ableiten (vergl. pag. 35), es steht aber keinesfalls zwischen diesem und demjenigen von Podon. Denn einmal sind bei Bythotrephes schon alle dorsalen Facettenglieder zum Frontauge vereinigt, und zum andern sind auch bereits sämtliche Glieder des Ventralauges dem Umbildungsprozess anheimgefallen, insofern sie schmale stäbchenförmige Rhabdome und gestielte, verhältnismässig lange pigmentfreie Krystallkegel be- sitzen. Dazu ist bei Bythotrephes die Zahl der Faeettenglieder im Vergleich zu Polyphemus an- nähernd um das doppelte gestiegen, während sich in der oben beschriebenen Reihe von Poly- phemus ab gerade eine Reduktion der Zahl der Facettenglieder, und zwar bei Podon sofort um die Hälfte, nachweisen liess. Das Auge von Bythotrephes muss also als Glied einer besonderen Reihe angesehen werden, die gleichfalls vom Auge des Polyphemus ihren Ausgang nimmt, oder aber von dem der Leptodora. Denn das Auge der letzteren zeigt im Grunde genommen nicht mehr Abweichungen von dem des Bythotrephes. als das Auge von Polyphemus. Vor allen Dingen besitzt es ungefähr die gleiche Zahl von Facettengliedern, wie jenes, ferner sind diese bereits alle retinopigmentär und mit stabförmigen Rhabdomen und langen gestielten Krystallkegeln versehen, und schliesslich — 29 - lassen sich auch bei Leptodora Ansätze zur Bildung eines Front- und Ventralauges deutlich er- kennen. Namentlich erscheint auf Längsschnitten die Anordnung der Facettenglieder auf der Ventralseite bereits ähnlich fächerartig, wie bei Bythotrephes. Das Auge von Leptodora lässt sich aber auf keinen Fall in die Polyphemus-Reiae , etwa als Zwischenglied zwischen dem Daphnidenauge und dem von Polyphemus, einordnen, da es sich trotz seiner Kugelgestalt bereits weiter vom Daphnidenauge entfernt hat, als das Auge von Podon, dem noch einige der primitiven Krystallkegel anhaften. Es muss daher das Auge von Leptodora ebenfalls unmittelbar aus dem Daphnidenauge abgeleitet werden. Seine Ausbildung ist freilich nach einer besonderen Richtung hin erfolgt und ebenso eigenartig, wie die des ganzen Körperbaues; sie bestätigt aber die Ansicht von Claus, welcher in Leptodora nicht, wie Weismann, eine Art ürdaphnide, sondern ein extrem aberrantes Glied der Cladoceren sieht (Claus, 1876, pag. 368). Nach meinem Dafürhalten lassen sich also die beschriebenen Augenformen am natürlichsten in folgender Weise auseinander ableiten: Die Stammform ist das Daphnidenauge; aus ihr leitet sich einerseits das Auge von Polyphemus, andererseits das von Leptodora ab. Das erstere bildet die Vorstufe für das Auge von Podon, welchem sich weiter das von Evadne anreiht. Das Auge von Bythotrephes ist trotz des Ueberwiegens des Ventralauges über das Frontauge schon weiter in der Umbildung vorge- schritten, als das Auge von Podon und muss dalier entweder als Glied einer besonderen gleich- falls von Polyphemus ausgehenden, aber nach einer andern Richtung verlaufenden Reihe aufgefasst werden, oder ist auf das Auge von Leptodora zurückzuführen, mit dem es die grosse Zahl und Gleichartigkeit der Facettenglieder gemein hat. Die sich hiernach ergebende Verwandtschaft zwischen den verschiedenen Augenformen dürfte durch folgendes Schema veranschaulicht werden : Daphniden. Polyphemus. \ Podon. \ Leptodora. I \ / Evadne. Bythotrephes. 30 Die Elemente der Facettenglieder. Der in der äusseren Kugelschale suspendierte Augenkörper baut sieh aus drei Lagen von Zellen auf, welche bei allen Polyphemiden in gleicher Weise gruppiert sind. Die innerste Zelllage bildet die Retina. Ihre Zellen ordnen sich so, dass immer sieben auf ein Facettenglied kommen. Fünf davon, die „Retinulazellen" stehen in gleicher Höhe; sie sind stark in die Länge gestreckt und rund um das Rhabdom herum angeordnet, welches als Differenzierungsprodukt ihres Plasmas anzusehen ist. In den kurzen Gliedern sind die Rhabdome keulenförmig (Fig. 21), in den langen dagegen regelmässig cylindrisch, stabförmig (Fig. 13, 23). Ihr Querschnitt ist kreisförmig bei Byihotrephes (Fig. 8), Podon (Fig. 32) und Evadne (Fig. 29), unregelmässig fünfeckig bei Poly- phemus (Fig. 22) und Leptodora (Fig. 20) und lässt stets einen intensiv gefärbten Kern von einem glashellen Mantel unterscheiden; das proximale Ende ist stets etwas zugespitzt. Ueberall lässt sich bei ihnen die Plättchenstruktur nachweisen, am gröbsten ist dieselbe bei Polyphemus (Fig. 21, 23). Die Retinulazellen liegen natürlich dem Rhabdom dicht an und bilden eine geschlossene Scheide um dasselbe, erst an ihrem distalen Ende sind sie deutlicher von einander geschieden und sogar stark verbreitert; ihre Kuppen ragen noch beträchtlich über das Rhabdom hinaus (Fig. 13, 21, 25). Der Querschnitt der Retinula ist daher am proximalen Ende kreisförmig (Fig. 2, 8e, 31), am distalen Ende rosettenartig (Fig. 8a— d. 22, 20, 32). In den angeschwollenen distalen Enden der Zellen liegen ungefähr in gleicher Höhe auch die grossen runden Kerne. Das Pigment, welches nicht an besondere Pigmentzellen gebunden ist, sondern in den Retinulazellen ausgeschieden wird, Lässt in der Regel diesen Teil der Zelle frei, nur bei Polyphemus und im Frontauge von Byihotrephes sind auch die Kerne dicht in Pigment eingehüllt (Fig. 1, 13, 20, 21). Ueber den Eintritt der Nervenfasern vergl. pag. 40. Unmittelbar an das Rhabdom schliesst sich dann nach aussen der Krystallkegel an, so- dass seine Spitze noch von den keulenförmig verbreiterten Enden der Retinulazellen umgeben ist. Diese weichen hier, wie bereits bemerkt wurde, auseinander, und in die dadurch entstehenden Zwischenräume drängen sich die beiden letzten der erwähnten 7 Zellen mit ihren zipfelartigen proximalen Enden hinein (Fig. 7, 8a und b). Die Rosetten der Retinulazellen erscheinen daher auf derartigen Querschnitten nicht regelmässig polyedrisch, sondern erinnern in ihrem Aussehen sehr an die unregelmässige Blumenkrone von Viola. Die fünf Blätter sind nämlich in zwei Gruppen zu zweien und dreien gestellt, zwischen denen jene beiden Zellen sichtbar sind. Mit Ausnahme von Polyphemus sind diese nicht pigmentiert und stets mit nur wenigem körnigen Plasma erfüllt, welches gerade ausreicht, die ansehnlichen ovalen Kerne in der Mitte ihres Lumens zu suspen- dieren (n. stz. Fig. 7, 13, 20, 21, 25, 27 c, 28, 30). Ihre Membranen sind dagegen stark ent- wickelt, und ihre Aufgabe besteht allem Anschein nach nur darin, die Zwischenräume zwischen den Spitzen der Krystallkegel auszufüllen und den Stielen derselben einen Halt zu geben. Dafür spricht auch ihre regelmässige epithelartige Anordnung. Auf dem Querschnitt erscheinen sie, oberhalb der Retinulazellen, rechteckig und umfassen den Kegelstiel gerade, wie die Backen einer Holzklemme eine Gdasröbre (Fig. 7, 18). Wo die Stiele, wie in den Frontaugen von Byihotrephes und Podon besonders stark entwickelt sind, reichen sie nicht bis zwischen die Endkegel hinauf, sondern bilden eine nach aussen völlig ebene und mit der Cornea parallel verlaufende Zellplatte — 31 — um die Retina herum (Fig. 1, 30). Der noch übrig bleibende Raum zwischen den Kegeln wird dann von der schon erwähnten blutähnlichen Flüssigkeit erfüllt (vergl. pag. 14). Samassa bildet diesen Ranm naturgetreu ab (1. c. Taf. VI, Fig. 36, S P.), deutet aber die ihn erfüllende Substanz „als eine bindegewebige Platte, welche vom Bindegewebe des Kopfes entspringt und bogenförmig in gleichmässigeni Abstände von den Enden der Pigmentbecher nach vorne zieht und sich hier an der Hüllmembran des Auges befestigt" (1. c. pag. 118 — 119). Jedenfalls hat Samassa die auf Schnitten in der Substanz sichtbar werdenden rundlichen farblosen Körperchen für Kerne ange- sehen (hlr. Fig. 1, 13). Diese sind meiner Meinung nach aber nichts anderes als Vakuolen, die sich bei der Gerinnung gebildet haben und welche man in ganz derselben Weise auch in der übrigen Blutflüssigkeit findet. Uebrigens entspricht diese Erklärung auch völlig den von Claus (1879, pag. 74) aii Phronima und von Chuii (1. c. pag. 218) an Arachnomysis gemachten Befunden. — Ueberall, wo die Facettenglieder kürzer sind, wird der Raum zwischen den Krystallkegeln allein von jenen beiden Zellen erfüllt, welche sich also in diesen Fällen auch nach oben hin zuspitzen müssen. Sie erscheinen dann bisweilen ausserordentlich gestreckt, ihre Kerne liegen aber immer in der Nähe der Retina in gleicher Höhe angeordnet. Besonders bei Polyphemus fallen die be- schriebenen Zellen in ihrem Verlauf zwischen den Krystallkegeln bis zu deren distalen Enden in die Augen, da sie hier pigmentiert sind und das Pigment bei dem geringen Plasmainhalt der Zellen auf Schnitten hauptsächlich den Räudern derselben angelagert erscheint ; die Mitte bleibt ziemlich klar (Fig. 20, 21). Die Deutung dieser Zellen, welche bisher nur von "Weismann (1874, pag. 3G4) und Carriere (1. c. pag. 174) bei Leptodora gesehen, aber nicht in ihrer Zahl besimmt worden sind, kann verschieden ausfallen, je nachdem man auf das eine oder andere Merkmal Gewicht legt. Ihre Pigmentierung bei Polyphemus, sowie ihre Lage um die Krystallkegel herum, auch ihre Zweizalü lassen sie als den sog. Hauptpigmentzellen entsprechende Gebilde erscheinen. Anderer- seits ist aber ebensowohl die Auffassung berechtigt, sie als nach oben geschobene Retinulazellen anzusehen, welche aus diesem Grunde ihre ursprüngliche Funktion aufgegeben haben. Ihre engere Beziehung zur Retina ergibt sich daraus, dass sie in den genannten Frontaugen von den End- kegeln zurückweichen, nicht aber von der Retina und auch hier tief zwischen die Retinula- zellen eindringen. Ich neige mich der letzteren Ansicht um so mehr zu, als bei den meisten Arthropoden sich sieben Zellen an dem Aufbau der Retinula beteiligen. Die zweite Zelllage des Augenkörpers dient zur Erzeugung des dioptrischen Apparates. Je fünf Zellen derselben kommen auf ein Facettenglied und gehen fast ganz in der Bildung eines Krystallkorpers auf. Am meisten ist dies der Fall bei Polyphemus und den kurzen Glie- dern von Podon, am wenigsten bei Leptodora. Von dieser sagt Carriere (1. c.) sehr anschau- lich: „Der Krystallkegel ist in seiner ganzen Länge von einer Anzahl Zellen umgeben, dem Umhüllungsschlauche Leydigs; am äusseren Ende bilden sie eine zusammenhängende sackartige Hülle um die Basis des Kegels, in deren Umfang auf einer Schnittebene bis zu vier Kerne sicht- bar werden, so dass deren Zahl wohl auf fünf geschätzt und dieser Teil der Hülle mit den Kernen als die Reste der Kegelbildungszellen betrachtet werden dürfte." In der That wird es auf Quer- schnitten (Fig. 4, 5, 6, 19, 27) überall vollkommen deutlich, dass man es mit fünf getrennten Zellen zu thun hat, da die längst bekannte Fünfteilung des Krystallkorpers sich auch auf den ihn um- hüllenden Zellmantel erstreckt. Die fünf seitlich zusammengedrückten Kerne (n. k. in den Figuren) liegen an den Seiten des Krystallkorpers, diesem dicht angelagert ungefähr an der dicksten Stelle — 32 — des Endkegels, dort wo Chun bei Bythotrephes die „interfacettären Elemente" vermutete. Während die distalen Enden der Kegelzellen noch undifferenziertes Plasma enthalten und nur in lockerem Verbände mit einander stehen, was aus dem leichten Zerfall des Krystallkörpers hervorgeht, sind ihre proximalen Enden in den innigsten Zusammenhang mit einander getreten und bilden gemeinsam den fast einheitlichen kreisrunden Stiel. Nur bei Leptodora ist, wie auch schon von Weis mann (1874, pag. 364) beobachtet wurde, dieser ganz auffallend in fünf Teilstücke ge- gliedert (Fig. 26 a), deren proximale Enden merkwürdigerweise nicht mit gefärbt werden. Dass die Gestalt des ausgeschiedenen Krystallkörpers verschieden sein kann und namentlich bei Leptodora (Fig. 25) von der Kegelgestalt abweicht, wurde schon (pag. 27) erwähnt. Die dritte äusserste Zelllage endlich giebt die Umhüllung des Augenkörpers ab, welche als Cornea resp. Sklera bezeichnet wurde. Da diese schon genauer beschriebene Membran der Basis der Facettenglieder ganz dicht auf- liegt, so sind ihre Matrixzellen in die trichterförmigen Zwischenräume zwischen den distalen Enden der Krystallkegel hineingedrängt. Man sieht sie auf Längsschnitten ziemlich tief zwischen die Kegel eindringen. Sie sind immer wie die Cornea selbst ungefärbt und glashell, weshalb ihre kleinen Kerne auch noch ganz gut zu erkennen sind (Fig. 13, 21, 25). Auf Querschnitten sieht man ent- sprechend der hexagonalen Anordnung der Facettenglieder sechs Kerne um jede Kegelbasis liegen (Fig. 3, 27 a). Es kommen also, wie bei allen Crustaceen, zwei Corneazellen auf jedes Facettenglied. Fassen wir das Ergebnis noch einmal zusammen, so stellt sich der Bau der Facetten- glieder bei den Polyphemiden also folgendermassen dar: Gesamtzahl der Zellen Corneazellen Kegelzellen Stützzellen Retinulazellen eines Facettengliedes = 14. 2 5 2 5 Die letzteren sind entweder als Hauptpigmentzellen oder als Retinulazellen aufzufassen, die aber in beiden Fällen ihre ursprüngliche Funktion aufgegeben haben. Diese Verhältnisse waren bisher nur sehr ungenügend bekannt. Corneazellen wurden nach Parker (1891, pag. 77) bei den Cladoceren überhaupt noch nicht beobachtet; jedenfalls wurden sie nicht als solche gedeutet. Aus der Beschreibung und Abbildung Carrieres geht nämlich hervor, dass er die Corneakerne bei Leptodora zwar gesehen, sie aber für diejenigen der der Kegelzellen gehalten hat, und auch Weis mann (1. c.) erwähnt nur, dass die Lücken zwischen den Kaspeln der Kegel am distalen Ende von dreieckigen klaren Zellen ausgefüllt werden. Die Fünfteiligkeit des Krystallkörpers ist seit Leydig zwar von allen Beobachtern fest- gestellt, und daraufhin die Zahl der Kegelzellen auch auf fünf angenommen worden. Die Kerne dieser Zellen sind aber bis jetzt nur von Chun bei Embryonen von Bythotrephes richtig beob- achtet worden. Ueber den Bau der Retina lagen gleichfalls keine sichern Angaben vor. Die Zahl der Retinulazellen wurde von Chun (Bythotrephes) und Parker (Evadne) auf fünf nur geschätzt, ihre Kerne haben Carriere (Leptodora) und Chun (Bythotrephes) zwar gesehen, aber nicht der Zahl nach bestimmen können, und von dem Vorhandensein der Stützzellen konnten sich allein Weis- mann und Carriere bei Leptodora überzeugen. Zur Entwickelung des Auges. A. Entstehung des Augenkörpers. Wenn es mir bei der Beschränktheit des Materials auch nicht möglich war, die Ent- wickelung des Auges bei allen Gattungen und in allen Einzelheiten zu verfolgen, so reichten die in den Bruträumen von Bythoirephes und Pölyphemus vorgefundenen Embryonen doch aus, um mir über die wichtigsten und allgemeinsten entwickelungsgeschichtlichen Fragen Klarheit zu ver- schaffen. Den besten Anhalt bot mir bei diesen Studien die vortreffliche Arbeit Grobbens „Die Entwickelungsgeschichte der Moina rectirostris" (1879) und ich freue mich, die von ihm zu- erst für Daphniden und Estheriden nachgewieseneu Eigentümlichkeiten in der Entwickeluiic,' des Auges auch bei den Polyphemiden konstatieren zu können. Es sind in der Hauptsache drei Fragen, welche sich bei der Betrachtung des Polyphe- midenauges unwillkürlich aufdrängen, nämlich: Auf welche Weise kommt es zur Bildung eines unpaaren Auges? Wie entwickelt sich das Frontauge aus der Augenanlage? Woher nimmt die Umhüllung des Auges ihre Entstehung? In betreff der ersten Frage überzeugte ich mich zunächst davon, dass bei Bythotrephes und Pölyphemus, ebenso wie bei Moina, die Verschmelzung der ursprünglich paarigen Augenanlage in der Medianebene bereits zu einer Zeit vor sich geht, wo dieselbe noch aus einer einfachen Zellschicht besteht (vergl. Grobben 1. c. Taf. III, Fig. 32), dass dagegen in späteren Entwicke- lungsstadien von einer Spaltung des Augenkörpers nichts mehr wahrzunehmen ist. Demgegenüber dürfte die Angabe Weismanns (1874, pag. 363) überraschen, welcher bei jugendlichen Individuen von Leptodora (die mir leider nicht zur Verfügung standen) „das Auge aus zwei symmetrischen Halbkugeln zusammengesetzt fand, welche in der ganzen Median- ebene durche eine bis zur Pigmentschicht reichende Furche von einander getrennt waren." Dennoch liegt, wie ich glaube, kein besonderer Grund vor, an der Richtigkeit dieser Beobachtung zu zweifeln , da bei einzelnen Daphniden , wovon ich mich bei der Durchsicht von Planktonproben selbst überzeugen konnte, eine vollständige Vereinigung der beiden Augen- hälften ebenfalls erst spät, nach dem Auftreten des Pigmentes, zu beobachten ist. In der Lit- teratur finden sich allerdings bis jetzt nur wenige bestimmte und klare Angaben darüber. So spricht z. B. Zenker (1851, pag. 113) von „zwei" bei jungen Daphniden sichtbaren „Augen- flecken", und Carriere (1885, pag. 172) berichtet von Simocephalus, dass „bei weit vorgeschrit- Zoologica. Heft 28. 5 — 34 — tenen Embryonen dieser Daphniäe noch deutlich paarige Augen zu beiden Seiten des Gehirns gelegen sind." Im übrigen aber sind alle Angaben recht unbestimmt, und es bleibt vor allen Dingen fraglich, inwieweit Leydigs Darstellung (1860, pag. 36), dass bei „allen" Daphniden die paarige Augenanlage „erst nach und nach" zu einem Auge verschmilzt, durch eigene Be- obachtungen gestützt wird. Er sagt zwar, dass man sich von der ursprünglich paarigen Anlage an Embryonen sicher überzeugen kann, scheint jedoch diese Ueberzeugung hauptsächlich aus dem Vorhandensein „einer hinteren Kerbe" am Auge geschöpft zu haben (1. c. pag. 240). Diese Einbuchtung des Pigmentes (Fig. 15), welche bereits von Jurine und Lievin an Embryonen von Potyphemus beobachtet wurde, und aufweiche auch Weismann (1874, pag. 363) bei Leptodora grosses Gewicht legt, ist bei erwachsenen Tieren noch ebenso wahrnehmbar und rührt von den unteren, in der Nähe des Ganglions mehr nach hinten und nach den Seiten zu strahlenden Eacettengliedern des Ventralauges her. Es ist also klar, dass dieselbe ebensogut auch bei einer einzigen unpaaren Augenanlage in die Erscheinung treten kann. Demgegenüber verdient meiner Meinung nach ein anderer Umstand, der direkt gegen eine „allmähliche" Verschmelzung zweier „Augenhälften" bei den Polyphemiden spricht, entschieden mehr Berücksichtigung. Ich meine die mittlere nnpaare Reihe von Facettengliedern im Front- auge aller Gattungen (Fig. 2, 31). Woher sie ihren Ursprung nimmt, ist mir nicht klar geworden. Es ist nur denkbar, dass die Verschmelzung der beiden Augenanlagen bei den Polyphemiden im Laufe der phyletischen Entwickelung bereits eine so innige geworden ist, dass der weitere Auf- bau des Auges nach einem vollständig neuen einheitlichen Plane vor sich geht. Ueber den weiteren Verlauf der Entwickelung des Augenkörpers ist zu bemerken, dass die Zellen der das Ganglion wie eine halbkugelige Schale umhüllenden Epithelschicht sich bald radiär anordnen , durch fortgesetzte Teilung zahlreicher werden und gegen das Ganglion hin vordringen (Fig. 17). Je dicker die Epithelschicht wird, desto weiter zieht sich die Zellmasse des Ganglions zurück, dabei immer scharf von jener abgegrenzt bleibend. Es lässt sich zuletzt deutlich die abgeschiedene Grenzmembran als heller, lichtbrechender Streifen erkennen. Die Differenzierung der Augenanlage beginnt am dorsalen Rande und schreitet gleichmässig nach vorne und unten zu vor. Wenn die oberen Facettenglieder bereits deutlich in die Erscheinung treten, setzt sich am ventralen Rande die Zellteilung noch fort. Hier ist auch die Trennung zwischen Ganglion und Augenanlage nicht so scharf. Die sich zuerst entwickelnden, später das Frontauge bilden- den Facettenglieder sind im Anfang noch nicht von den benachbarten Gliedern des späteren Ventralauges zu unterscheiden (Fig. 10). Nur die verschiedenartige Divergenz derselben auf Längs- schnitten deutet schon jetzt die künftige Anordnung an. Auch die Grössenverhältnisse sind vor- läufig noch ganz andere als im ausgewachsenen Auge. Die nach vorne gerichteten Glieder sind am längsten, die hinteren dorsalen zeigen sich zwar kräftig in die Breite entwickelt, aber noch auffallend kurz. Die ventralen werden nach hinten zu immer kürzer und undeutlicher, sind aber schon sämtlich angelegt. Von diesem Stadium an gehen die Wachstumserscheinungen bei Polyphemus und Byfho- trephes auseinander. Bei Bytkotrephes verlängern sich die vorderen, frontalen Glieder des spateren Ventralauges hinfort nur noch wenig, die unteren wachsen dagegen lebhaft weiter in die Tiefe, was zur Folge hat, dass ihre Spitzen denen der ersteren naherücken (Fig. 11). Die Facettenglieder des späteren — 35 — Frontauges aber vereinigen sich zu gemeinsamem Wachstum. Ihre Spitzen drängen sich, zu feinen Fäden ausgezogen, an den Spitzen der benachbarten Glieder vorbei und zwängen sich, dicht zusammengedrängt, zwischen diesen und dem Ganglion hindurch. Dieses ist noch spitz kugelig vorgewölbt (Fig. 12), so dass die Endfäden der Facettenglieder an seiner Oberfläche einen scharfen Bogen beschreiben müssen. Nach und nach tritt das Ganglion weiter zurück und flach! sich schliesslich nach vorne zu ganz ab. Die Glieder des Frontauges strecken sich gleichzeitig und drängen das Ventralauge immer mehr vom Ganglion fort. Dieses hat in seiner Ausbildung gleichen Schritt mit der Entwickelung des Augenkörpers gehalten (Fig. 10, 11). Die Trennung in einen dorsalen und ventralen Abschnitt findet gleichzeitig mit der Ab- lösung des Frontauges vorn Ventralauge statt. Die Nervenbündel sind bereits in diesem Sta- dium sichtbar. Bei Polyphemus nehmen die untersten dorsalen Facettenglieder nicht an dem Wachstum des Frontauges teil, sie verharren auf der in Fig. 10 dargestellten Entwickelungsstufe. Auch die untersten ventralen Glieder entwickeln kein so starkes Spitzenwachstum wie bei Bythotrephes, sondern dehnen sich nur seitlich aus, ihre Spitzen werden durch die mächtig in die Tiefe wachsenden vorderen Glieder zur Seite gedrängt und schliesslich ganz dem Ganglion zugewendet (Fig. 16, 20). Die Facettenglieder des Frontauges werden auf diese Weise bei dem Ein- dringen zwischen Ganglion und Ventralauge von den benacharten Gliedern des letzteren unterstützt. dem gemeinsamen Drucke weicht das Ganglion schneller, und ihre Spitzen können fast in gerader Richtung fortwachsen. Dennoch wird durch die besondere Gruppierung der ventralen und dor- salen Glieder bei Polyphemus bewirkt, dass das Frontauge auch bei voller Entwickelung nicht ganz gerade Facettenglieder besitzt. Interessant ist, dass in der Jugend das Auge von Polyphemus (Fig. 15, 16) demjenigen von Bythotrephes viel mehr gleicht, als im Alter, was auf die beschriebene später stattfindende Umgestaltung des Ventralauges zurückzuführen ist. Bei den geschilderten Umbildungen erleidet auch die Grenzmembran zwischen Auge und Ganglion (membrana fenestrata) ihre Veränderungen. Während sie zuerst halbkugelig sich zwischen Ganglion und Augenkörper ausspannt, erscheint sie später vielfach gefaltet und ausgebuchtet, Wir hatten nämlich gesehen, dass sich die Facettenglieder des Frontauges in Reihen anordnen, zwischen denen Nervenbündel über- einander geschichtet und senkrecht zur Achse desselben verlaufen. Alle diese Nervenbündel liegen nun hinter der Membran, alle Facettenglieder vor der Membran, gerade wie in andern Facettenaugen. Damit ist gesagt, dass dieselbe später um jede Reihe von Facettengliedern herum eine nach hinten zu vorspringende Falte bildet (Fig. 2). Diese Falten überdachen oben die einzelnen Schichten der Nervenbündel (Fig. 14) und laufen unten in eine trichterförmige Aus- sackung aus, in welcher die Spitzen der Facettenglieder je einer Reihe stecken. Die Spitze des Frontauges ist also von der unteren Hälfte des Ventralauges vollständig abgegrenzt, Die Enden der Aussackungen bilden ligamentöse Bänder, welche die Optikusscheide1 durchsetzen und sich einzeln an der äusseren Hülle des Auges etwas vor den ersten Antennen befestigen (Fig. 1, 30) (cf. Phronima, Claus 1879. pag. 67). Ebenso werden auch bei Polyphemus die Retinulä der beiden dorsalen Reihen von Facetten- gliedern durch die Membran vom Frontauge mehr oder weniger abgesondert, woraus sich die hintere Konkavität des Pigmentkörpers erklärt (Fig. 20). — 36 — Ueber die Entstehung der Krystallkegel und Bhabdome konnte ich Genaueres nicht fest- stellen. Nur möchte ich auf die, auch von mir gemachte Beobachtung Chuns (1896, pag. 254) hinweisen, dass bei Embryonen von Bythobrephes die Kegelsegmente „wie Kelchblätter" aus- einander weichen. Diese Erscheinung kann ich nur so erklären, dass die Krystallkörper nicht am inneren Rande der einzelnen Kegelzellen, sondern in deren Inneren abgeschieden werden, da keineswegs die Kegelzellen selbst derartig auseinander weichen, sondern dicht zusammenstossen. Dies würde allerdings gegen die von Watase (1890) aufgestellte Theorie von den Cu- ticularbildungen sprechen. Die Kerne der Kegelzellen liegen überdies auch bei jugendlichen Entwickelungsstadien nicht wie Chun angiebt oberhalb, sondern zur Seite der Kegelsegmente (Fig. 10—12). Die Bildung des Pigmentes beginnt bei Polyphemus schon ziemlich frühe, immer schon im Brutraum, während ich bei Embryonen von Byihotrcphes niemals, auch bei vollendeter Aus- bildung des Auges, Pigment beobachtete. Die Farbe des Pigmentes ist bei den Embryonen von Polyphemus heller als bei erwachsenen Tieren, sie entspricht wohl der Beschreibimg, welche Leydig (1. c. pag. 240) von ihr giebt, indem er von einem schönen Grasgrün spricht, dem ein wenig Braungelb beigemischt ist (Fig. 15, 16). Bei den Gattungen Pudon und Evadne wird die Entwickelung des Augenkörpers jedenfalls einen ähnlichen Verlauf nehmen. Sie gestaltet sich freilich einfacher, da im ganzen eine geringere Zahl von Facettengliedern zur Ausbildung kommt. Die Entwickelung des „Frontauges", das, wie man sieht, vorzüglich durch die quer seine Retina durchsetzenden Nervenbündel charakterisiert ist, kann aber nur auf die geschilderte Art vor sich gegangen sein, mögen sich auch noch so viele von den vorhandenen Facettengliedern an seiner Bildung beteiligt haben. Podon erinnert in der Anordnung der Facettenglieder ja noch sehr an Pölyphemus: ab- gesonderte dorsale Glieder und ein Ventralauge, dessen Glieder ihre Spitzen nach dem Ganglion hinwenden. Evadne besitzt eigentlich nur noch das Frontauge. Hier haben sich also mit Aus- nahme der letzten ventralen Facettenglieder alle übrigen zusammengeschlossen nnd sind gemeinsam aus der radiären in die tangentiale Stellung übergegangen, indem ihre Spitzen nach und nach an der Oberfläche des Ganglions entlang wuchsen. Die Trennung des Ganglions in einen dorsalen und ventralen Abschnitt kommt bei den zuletzt beschriebenen drei Gattungen nicht mehr zur Ausführung. B. Die Umhüllung des Auges. Auf Seite 13 wurde bemerkt, dass der von der Cornea oder Sklera zusammengehaltene Augenkörper frei beweglich unter einer festen durchsichtigen äusseren Hülle liegt, welche, wie die übrige Körperhaut, periodisch eine Cuticula abwirft und neubildet. Ueber die Struktur und Entstehung dieser Augenhülle, die sich bei allen Crustaceen mit rollenden Augen vorfindet, haben erst die Untersuchungen Grobbens (1879) näheren An- schluss gebracht. Da auf den ersten Blick kein Unterschied zwischen dieser Augenschale und der übrigen Körperhaut wahrzunehmen ist, bei den Polyphemiden sich sogar eine sichtliche Ueber- — 37 — einstimmung zwischen beiden geltend macht, so lag es nahe, die äussere Hülle als unmittelbare Fortsetzung der Körperhaut d. h. als die äusserste aus der Augenanlage hervorgegangene Zellschicht zu betrachten, von der sich der Augenkörper erst im Laufe der Entwickelung los- gelöst hat. Diese Auffassung haben alle bisherigen Beobachter geteilt, und in diesem Sinne sagt auch Chun (1. c. pag. 254) von Bylhotreplies, dass „die mit ihren runden Kernen der Chitinlamelle dicht anliegende Hypodermis vollständig ausser Verband mit den Facettengliedern getreten ist." Leydig, dessen Angaben über die Umhüllung des Dapbnidenauges scheinbar von einer genaueren Kenntnis derselben zeugen und daher geradezu Verwirrung angerichtet haben, hat, wie G-robben richtig hervorhebt, diese Bildung noch keineswegs verstanden, sondern ist im Prinzip der obigen Ansicht. Seine Bemerkung (1. c. pag. 37), „dass das von einer durchsichtigen Hülle umgebene Auge der Daphniden nicht unmittelbar unter der gemeinsamen Haut oder Schale des Kopfes liegt, sondern dass es seine besondere Kapsel hat, von der es sich im Tode oder nach Einwirkung von ßeagentien gerne zurückzieht, wobei sich alsdann zwischen der Oberfläche des Augenbulbus und der Innenseite der Kapsel einige bindegewebige unter sich verbundene Streifen ausspannen", ist nur dahin aufzufassen, dass die Cornea nach seiner Meinung einen komplizierten Bau hat, nicht aber die äussere Schale. Uebrigens hat Leydig die erwähnte Augenkapsel neben einer besonderen Cornea nur in zwei Fällen (Sida crystallina, Daphnia longispina) wirklich beob- achtet. Auch später ist eine „Augenkapsel" im Sinne Leydigs nicht wieder gesehen worden. Claus (1862, pag. 242) bestreitet sogar lebhaft das Vorhandensein einer solchen. Nur Weis- lnann sucht in seiner Abhandung über Leptodora (1874, pag. 363) Leydigs Darstellung auf alle Fälle gerecht zu werden. Er beschreibt im Texte zwar auch nur eine „bindegewebige Kapsel, an welche sich die Augenmuskeln ansetzen und welche die Fortsetzung der Hülle des Sehganglions" ist (also der Cornea der Autoren entspricht), unterscheidet in der Abbildung (1. c. Taf. XXXIV, Fig. 9) aber ausser dieser „bindegewebigen Hülle" (Bh.) plötzlich noch eine Augenkapsel (Auk.), welche mit der Peripherie des Augenkörpers identisch ist. Gerstaecker (1. c. 1876—79, pag. 911) zählt auf Grund der Angaben Leydigs ge- wissenhaft drei Hüllen auf, welche das Auge der Cladoceren, „stets" umgeben: „der glasartig durchsichtige Hautpanzer, eine zarthäutige Kapsel und eine glashelle Hülle." Im grossen und ganzen war man aber dahin gekommen, die Beobachtung Leydigs als irrtümlich zu betrachten und imter seiner „Augenkapsel'' einfach den Corneaüberzug des Auges zu verstehen, der sich ja auch nach Einwirkung von Eeagentien vom Bulbus loslösen kann. Man unterschied also ganz richtig zwischen einer inneren Hülle und einer äusseren Hülle, der Cornea oder Sklera und der Kopfschale. Durch Grobben (1. c. pag. 51—56) wurde nun aber nachgewiesen, dass die äussere Hülle nicht, wie bisher stets angenommen war, aus einer Zellschicht, sondern aus zweien besteht, und dass diese Zweiteiligkeit derselben, welche sieh aus der Art ihrer Entstehung unmittelbar ergiebt, unter besonderen Umständen auch später in die Erscheinung treten kann, dass sich also, wie es Leydig in zwei Fällen gelungen ist, im günstigsten Falle thatsächlich drei Membranen um das Auge, freilich in anderer Anordnung als Leydig es angiebt, beobachten lassen. Für gewöhnlich ist dies nicht der Fall, das bestätigt auch G robben (1. c. pag. 51); selbst eine Untersuchung auf Schnitten giebt, wenigstens soweit die Polyphemiden in betracht kommen, auf den ersten Blick keine Veranlassung, an der Einfachheit der Kopfschale zu zweifeln. - 38 — Man nimmt nur eine deutliche Zellschicht, die Hypodermis, wahr, ausserhalb derselben die Cbitin- lamelle, welche den ganzen Körper überzieht, und an der Innenseite eine zarte Membran, die als „Basalmembran" sehr gut gedeutet werden kann. Ich verhielt mich daher auch, wie ich gestehen nmss, zunächst ziemlich skeptisch gegenüber den Ausführungen Grobbens, bis ich an Embryonen von Polyphemiden dieselbe Entstehungsart der Kopfschale wie bei Moina nach- weisen konnte (Fig. 17). Einen untrüglichen Beweis für die Richtigkeit der Darstellung Grobbens lieferten mir aber noch nach Abschluss meiner Untersuchungen, die mir von Herrn Dr. Zacharias zuletzt übersandten Exemplare von Leptodora, an denen ich die im nachfolgenden geschilderten Ver- hältnisse in ausgezeichneter Weise zu erkennen vermochte (Fig. 24). Ich kann also auf Grund dieser beiden Beobachtungen, denen keine direkt entgegengesetzten gegenüberstehen, die Dar- stellung Grobbens, auf die ich nochmals hinweisen möchte, mit geringen Abänderungen auch auf die Polyphemiden übertragen. Wie wir gesehen haben, bildet sich die Augenanlage aus dem Epithel des Kopfes; die äusserste Zelllage, welche aus ihr hervorgeht, ist die Cornea. Sie liegt zunächst, wie in jedem andern Auge, an der Oberfläche des Körpers (Fig. 17 c). Schon in einem ziemlich frühen Ent- wickelungsstadium beginnt aber eine Falte des Ektoderms am hinteren dorsalen Bande der Augen- aidage sich hervor zu stülpen und überwächst nach und nach das ganze Auge (Fig. 17 ect.). An der Ventralseite kommt ihr eine kürzere gleichartige Falte entgegen und vereinigt sich mit ihr. Dadurch ist die Cornea von der Aussenwelt abgeschlossen. Zwischen ihr und der neugebildeten Hülle bleibt ein „Vorraum," der erst im Tode einen grösseren Umfang anzu- nehmen pflegt. Die beiden Wände der Ektodermfalten liefern die beiden Schichten der äusseren Hülle. Jede von ihnen besteht ihrer Entstellung nach aus einer Matrixschicht (Hypodermis) und einer Cuticula, Die beiden Matrices sind einander zugekehrt, die Cuticulä nach aussen bezw. nach dem Vorraum zu gelegen. Die äussere Schicht (Fig. 24) bildet die unmittelbare Fortsetzung der Körperhaut und hat sich in ihrem Aussehen wenig verändert. Sie sondert wie jene eine derbe Chitinlamelle ab, und deren Matrixzellen haben, wie am ganzen Körper, eine regelmässige sechseckige Gestalt. Nur die Kerne sind etwas reduziert und gegen Tinktionsmittel ziemlich unempfindlich geworden. Die innere Schicht steht in direktem Zusammenhange mit der Cornea (vergl. pag. 13) und bildet mit dieser die Umgrenzung des Vor- raumes. Sie hat mit der Verlegung ins Innere des Körpers auch ihre organische Beschaffenheit geändert. Sie lässt eine zusammenhängende Matrixschicht nicht mehr erkennen, die Kerne der auseinandergerückten Zellen sind verschwindend klein geworden und die der Cuticula entsprechende Membran ist von ausserordentlich zarter Beschaffenheit. Da unter normalen Verhältnissen diese beiden Schichten dicht aneinanderliegen, so „scheint sich nur eine einzige Membran über das Auge zu ziehen (Grobben 1. c). Erst unter dem Ein- lluss gewisser Reagentien (Grobben erwähnt verdünnte Essigsäure) trennen sich die beiden Schichten von einander und zwischen ihnen werden die „sich überall bei den Arthropoden zwischen den Wänden der Körperhaut und deren Derivaten bildenden, als Connectivfasern be- zeichneten Stützfäden" sichtbar. Diese letzteren stellen sich bei Leptodora als spitze pfriemenförmige Fortsätze der kleinen — 39 — kegelförmigen Zellen der inneren Schickt dar. welcke nack ihrer Ablösung ganz wie mit einem Stackelkleide überzogen erscheint (Fig. 24). Der Anblick ist bei der Betrachtung in toto ein ganz überraschender, man hat den Eindruck, als ob alle diese kleinen, der äusseren Schicht zu- gewendeten Zapfen die Funktion von Puttern zwischen den beiden Lamellen zu erfüllen hätten. In einem Punkte kann ich die Anschauungen Grobbens allerdings nicht teilen. G r o b b e n hat den Vorraum des Auges bei Moina mit einer Menge von Häutchen erfüllt ge- funden, die parallel mit der Wölbung desselben liegen. Er konstatiert sogar über der Cornea, mehr gegen vorne, einen förmlichen Wulst von zusammengerollten Häutchen (1. c. pag. 52) und erblickt in denselben , die mit jeder Häutung der Moina auch von diesem Teile der Matrix ab- gestossenen Cuticulä, welche jedoch bei der Abgeschlossenheit des Augenvorraumes im Innern desselben liegen bleiben. Abgesehen davon, dass ich bei den Polyphemiden den Vorraum des Auges stets leer ge- funden habe, meine ich, dass die innere Schicht nicht mehr in der angedeuteten Weise funk- tionieren kann , da sie nicht mehr an der Körperoberfläche liegt und bereits andere Struktur- verhältnisse aufweist. In derselben Weise müsste dann auch noch die Cornea bei der Häutung beteiligt sein, die ursprünglich ja auch die Bedeutung einer Cuticulä besass. Zudem wäre auch eine derartige Einrichtung aus physiologischen Gründen ganz unverständlich, da, wie Grobben selbst zugiebt, „durch diese mit dem Alter sich immer mehr anhäufenden Cuticulä das Sehen gewiss nicht verbessert wird", ja man muss in einer derartigen Anhäufung chitinisierter Mem- branen, deren beträchtlicher Härtegrad sich bei aller Zartheit beim Schneiden nur zu sehr be- merklich macht, geradezu eine Gefahr für das in beständig zitternder Bewegung befindliche Auge erblicken. Sonst ist man gewohnt, überall im tierischen Organismus Vorkehrungen anzutreffen, welche die Reibung bei Bewegungsvorgängen auf das niedrigste Mass herabsetzen. Innervation des Auges. In seiner Arbeit über den Organismus der Phronimiden (1879, pag. 69) wirft Claus noch die Frage auf: „Wie haben wir uns nun die Endigungsweise der Retinafasern in Bezug zu den Sehstäben zu denken, deren Substanz auch von Grenadier als das Medium betrachtet wird, in welchem sich die Lichtbewegung in Nervenerregung umsetzt ? Sind die fünf Zellen des Sebstabkörpers die empfindenden Elemente, auf welche das Stäbchen die Lichtbewegung über- trägt, und steht in diesem Falle die Basis jeder Zeile mit je einer Nervenfibrille in Verbindung, oder liegt das Nervenende in der Achse des Rhabdoms, beziehungsweise an dessen Basis, also genau in der Verlängerung der Krystallkegelachse, durch welche der senkrecht auffallende Licht- strahl zur Retina gelangt?" Claus neigt der letzteren Ansicht zu, weil nach seinen Beobachtungen das Rhabdom bei den Hyperiiden kein solider Stab, sondern eine fünfseitige Röhre ist, und — weil er für die von Grenacher (1877 und 1879) vertretene erste Ansicht noch den notwendigen histologischen Beweis vermisst. Er sagt (pag. 70): „Gern gestehe ich zu, dass im Hinblick auf die durch Grrenacher morphologisch so schön durchgeführte Ableitung die Möglichkeit von dem Vor- handensein eines in der Rhabdomachse gelegenen Nervenendes in den Hintergrund tritt, halte jedoch zu ihrer vollen Beseitigung den directen Nachweis von dem Eintritt der Fibrillen der Nervenbündelschicht in die Retinulazellen für unumgänglich." Dieser Nachweis ist nun durch die neueren Beobachtungen allmählich zur Genüge erbracht worden. Exner bemerkt , dass man den Uebertritt der Nervenfasern in die Retinulazellen bei vielen Tieren sehr deutlich sieht (1891, pag. 96), und Parker (1891, pag. 116) zählt 18 Crustaceengattungen auf, bei denen der Uebergang der Fasern in die Retinulazellen festgestellt ist. Auch Chuns Befunde am Schizopodenauge entsprechen durchaus der Ansicht Gre- nadiers, dass die Nervenfasern nicht in die Rhabdome, sondern im Umkreise derselben in die Retinulazellen eintreten (1896, pag. 225). Meine Untersuchungen führten nach längeren Bemühungen nicht nur zu demselben Re- sultate, sondern zeitigten sogar noch eine Beobachtung, die, soweit mir bekannt, bisher an keinem andern Facettenauge gemacht ist und welche auch die letzten Zweifel über die Art der Nerven- endigung zu beseitigen imstande ist. Beim Polyphemidenauge (abgesehen von Leptodora) durchsetzen, wie wir gesehen haben, die Nervenfasern in deutlichen Zügen fast den ganzen pigmentierten Teil des Auges, und zwar in senkrechter Richtung zu den Rhabdomen des Frontauges. Sie fallen dem Beschauer sofort ins Auge, weil die Pigmentkörnchen wie eine Hülle um sie besonders dicht gehäuft sind. So - 41 - markant aber dieses Pigment anfangs den Verlauf der durch die Membrana fenestrata eintretenden Hauptfaserstämme in der etwas lichteren Umgebung hervortreten lässt, in ebenso geheimnisvolles Dunkel hüllt es zuletzt ihre feineren Verzweigungen. Man sieht die Nervenbündel wohl in den Bereich der Retina übergehen, weiss aber nicht, wohin sie sich eigentlich wenden, wo und wie sie enden. Diese wenig erfreuliche Entdeckung machte ich sogleich am Anfange meiner Untersuchungen an dem Auge des Bythotrephes und empfand sie bald um so unangenehmer, als ich bei meiner Umschau in der Litteratur auf die Arbeit von Samassa (1891) stiess, dessen Angaben über die Zugehörigkeit der aus den beiden Teilen des Ganglions austretenden Nervenbündel zum Front- oder Ventralauge in direktem Widerspruch zu der von Chun geäusserten Ansicht stehen. Der letztere bemerkt nämlich in seiner Beschreibung des Auges von Bythokephes (1896, pag. 254): „Was endlich die ganglionären Elemente anbelangt, so sei bemerkt, dass das Ganglion opticum in eine dorsale und in eine ventrale Partie zerfällt. Von ersterer gehen breite Faser- bündel zum Frontauge ab, welche zwischen den Retinulen in zur Längsachse des Auges senk- rechter Richtung verstreichen. Von der unteren Hälfte des Ganglions entspringen schwächere Faserbündel, die in das Frontavige eintreten, ausserdem aber noch ein vom Unterrand des Gang- lions ausgehender Strang, welcher die kegelförmige Spitze des Frontauges umkreist und dann ins Ventralauge einstrahlt. Es scheint indessen, als ob auch Faserstränge, welche quer das Frontauge durchsetzen, bis in das Ventralauge gelangen." Hiernach wird also, wie man es auch a priori annehmen sollte, das Ventralauge aus- schliesslich von der unteren, ventralen Partie des Ganglions versorgt, dem Frontauge aber gehören alle von der dorsalen Hälfte des Ganglions herkommenden Nervenbündel zu , - - vielleicht auch noch ein Teil der unteren. Demgegenüber war Samassa auf Grund seiner jedenfalls eingehenderen Untersuchungen zu folgendem Ergebnis gelangt, das ich mit Rücksicht auf die von mir im folgenden angewendete Beweisführung ebenfalls im Wortlaut wiedergeben möchte: „Zu den Augen des keilförmigen Abschnittes (Frontauge) treten nun die Nervenfasern aus dem vorderen Theil der ventralen Hälfte des Sehganglions (Fig. 36, 38 v. 0). Der Nerv für den kugelförmigen Abschnitt (Ventralauge) hingegen entspringt aus der ganzen dorsalen Hälfte desselben (Fig. 36, 33 h. 0.). Derselbe tritt zwischen den Pigmentbechern der kreisförmigen Schicht hindurch, um an die Retinulae des kugelförmigen Abschnittes zu gelangen. Dieses Verhältniss, das zwar auch aus dem Sagittalschnitt der Fig. 36 ersichtlich ist, wird besonders klar aus dem Frontalschnitte, den Fig. 37 darstellt : wir sehen die Pigmentbecher der kugelförmigen Schicht, welche die kegelförmige allseitig umgiebt, in der Längsrichtung durch- schnitten, während diejenigen der keilförmigen quer getroffen sind. Zwischen diese hindurch treten Bündel von Nervenfasern, welche sich baumförmig verzweigen, so dass an jedes Rhabdom eine Primitivfaser tritt." (Samassa 1891, pag. 119.) Jede dieser beiden Erklärungen bietet, wie man sieht, besondere Schwierigkeiten für das Verständnis dar. Geht man von der Erfahrungstatsache aus, dass die Nervenfasern immer an der Spitze des Facettengliedes in dieses übergehen, so wird man bei der Erklärung Chans, wie ein Blick auf Fig. 1 zeigt, unwillkürlich vor die Frage gestellt, auf welchem Wege nun die aus dem dorsalen Teile des Ganglions austretenden Nervenfasern nach der Spitze des kegelförmigen Frontauges hin- gelangen. Da sie augenscheinlich das ganze Frontauge quer durchsetzen, wenigstens von einem Zoologica. Heft 28. 6 — 42 — Umbiegen nach unten im Innern desselben nichts zu sehen ist , so bleibt nur übrig , dass sie an der vom Ventralauge begrenzten vorderen Mantelfläche des Frontauges ihre ursprüng- liche Richtung aufgeben und an ihr entlang, vielleicht in feine Fibrillen aufgelöst, nach der Spitze abwärts verstreichen. Hier würde es natürlich zu einer Kreuzung mit den aus der ven- tralen Hälfte des Ganglions entspringenden Fasern kommen. Ob nun Samassa ebenfalls diese Möglichkeit erwogen hat und bei genauer Unter- suchung, wie es auch mir erging, den Gedanken an sie hat aufgeben müssen, oder ob er direkt zu seiner andern Erklärungsweise gelangt ist , lasse ich dahin gestellt sein. Ich vermute jedoch eher das letztere, da man aus seinen Worten und seiner Abbildung (1. c. Tafel VI, Fig. 3(3) schliessen kann, dass er infolge der ungünstigen Beschaffenheit seiner Schnitte nur aus dem untersten Teile des ventralen Ganglions Nervenfasern hat austreten sehen und dadurch bewogen wurde, diese weniger zahlreichen Bündel als dem einfacheren Frontauge zugehörig zu deuten. Man darf auch nicht vergessen, dass nach dieser Auffassung die Nervenfasern, wie in andern Facettenaugen, direkt auf dem kürzesten Wege vom Ganglion nach den Spitzen der ent- sprechenden Retinulä gelangen, was sehr für dieselbe einnimmt. Eine Kreuzung der Nerven liegt jedoch auch nach dieser Erklärung immer noch vor. Darauf weist auch Samassa selbst mit folgenden Worten hin (1. c. pag. 121): „Denken wir uns nämlich, dass die langen Einzelaugen des keilförmigen Abschnittes auf die normale Grösse reducirt, hierbei aber nach wie vor vom vorderen Theile des Sehganglions innervirt würden, so würden diese Fasern mit den Fasern des hinteren Opticus ein Chiasma bilden , ähn- lich demjenigen der höheren Arthropoden. Ja es müsste dieses Chiasma auch in der Entwicke- lung von Bythotrephes in jenem Stadium auftreten, wo alle Einzelaugen noch gleichmässig ent- wickelt sind. In demselben liegt jedoch das Sehganglion dem Auge so dicht an, dass es mir nicht gelang, zu entscheiden, ob Fasern schon vorhanden sind oder nicht." Man sieht, Samassa hat sich ziemlich gründlich mit der Sache beschäftigt und vor allem auch die Entwickelung des Auges berücksichtigt. Diese aber spricht, wie ich meine, am meisten gegen seine Erklärung , insofern das Frontauge , aus dem dorsalen Teile der Augen- anlage hervorgegangen, ursprünglich auch mit dem dorsalen Teile des Ganglions in Verbindung stand, das Ventralauge aber mit der ventralen Partie. Samassa sucht um diese Klippe mit folgenden bedenklichen Reflexionen herumzukommen: „Es ist höchst wahrscheinlich, dass bloss die aus dem dorsalen Abschnitte des Ganglions ent- springenden Fasern dem Opticus von Sida und Daphnia homolog sind, der ja auch in dieser Re- gion seinen Ursprung nimmt. Die aus dem vorderen Theile entspringenden Fasern müssen wir als etwas Neues betrachten, das durch den eigenthümlichen Bau des Auges bedingt ist. Denn dass diese Verhältnisse etwa dadurch entstanden sein könnten, dass die im Embryo paarig an- gelegten Augen im Laufe der Entwickelung eine Drehung erfahren hätten, so dass schliesslich das eine Auge nach vorne, das andere nach rückwärts gelangt wäre und der vordere und hintere Sehnerv somit den beiden symmetrischen Sehnerven in der ersten Embryonalanlage entsprächen, lässt sich desshalb nicht annehmen, weil wir in der Entwickelung eine Andeutung einer der- artigen Drehung nicht finden und die beiden Sehcommissuren, welche dieselbe doch mitgemacht haben müssten, ihre normale symmetrische Stellung ganz ebenso wie bei Sida bewahrt haben." Nach dem, was über die Entstehung des Auges bereits gesagt ist. kann allerdings von einer Drehung desselben während der untogenetischen Entwickelung keine Rede sein. Ebenso- — 43 — wenig rechtfertigt sich aber auch die Vorstellung, dass die aus dem unteren Ganglion entspringen- den Nervenfasern etwas Neues sind. Nach allen Beobachtungen, die ich an Embryonen machte, bin ich der Meinung, dass die Teilung des ursprünglich einheitlichen Ganglions Hand in Hand geht mit der allmählichen Trennung des Frontauges vom Ventralauge. Ich konnte feststellen, dass die Verbindung der Retinulazellen mit den Ganglionzellen durch die Nervenfasern thatsächlich schon in dem Stadium zu stände kommt, wo noch alle Facettenglieder eine zur Oberfläche des Ganglions senkrechte Stellung haben, und dass, wie es allgemein der Fall ist, jedes Facettenglied an die zunächst gelegenen Ganglienzellen angegliedert wird. Der obere Teil des dem Auge zuerst dicht anliegenden Ganglions innerviert demnach also auch die oberen, später das Frontauge bildenden Facettenglieder, und die unteren Glieder treten mit dem unteren Rande des Ganglions in Zusammenhang. Wie sich dann das Frontauge in allen seinen Teilen kräftiger entwickelt, als die unteren, später das Ventralauge bildenden Facettenglieder und zu einem von dem letzteren völlig unab- hängigen Organ auswächst, so werden mit der Zeit auch die ihm zugehörenden Nervenfasern stärker, rücken mehr auseinander und verleihen dadurch dem Teile des Ganglions, welchem sie angehören, eine ganz andere Struktur. Sie sondern sich mehr und mehr von den übrigen weniger schnell wachsenden Fasern ab und bewirken ganz mechanisch eine Spaltung der ursprünglich ein- heitlichen Ganglienmasse (Fig. 10, 11), welche genau derjenigen des Augenkörpers entspricht. Auf diesen Ursprung der beiden Ganglionhälften weist auch im Alter noch ihre ver- schiedene Struktur hin. Betrachtet man einen Querschnitt durch das Ganglion (Fig. 9), wie ihn auch Samassa (1. c. Fig. 35) abbildet, so sieht man, dass den oberen Teil desselben nur wenige starke, in beträcht- licher Entfernung von einander bleibende Stränge durchsetzen, während in dem unteren Teil sehr zahlreiche, zarte Nervenbündel dicht zusammengedrängt sind. Eine ungefähre Schätzung der Zahl der Nervenbündel in den beiden Ganglien liefert ein Verhältnis, wie es ungefähr zwischen der Anzahl der Facettenglieder in den beiden Teilaugen besteht. Eine Auszählung der im oberen Ganglion sichtbaren Bündel ergiebt aber genau die Zahl der Facettenglieder des Frontauges. Beachtet man noch die Anordnung derselben auf dem Querschnitte, so wird man unwill- kürlich an das Bild des Rhabdomfeldes in Fig. 2 erinnert; ganz ähnliche Kurvensysteme, wie dort, treten auch hier in die Erscheinung. Man muss allerdings dabei berücksichtigen, dass, dem Entwickelungsgange gemäss, der untere flache Rand des oberen Ganglions dem vorderen gewölbten Rande des Rhabdomfeldes entspricht. Es liegt meiner Meinung nach hierin ein direkter Beweis für die Ansicht Chuns, da es ja als feststehend wohl gelten kann, dass die Gesamtzahl der aus dem Ganglion opticum aus- tretenden Nervenbündel mit der Zahl der Facettenglieder übereinstimmt (cf. Claus 1877, pag. 372 und Parker 1895, pag. 50—52). Offen blieb nun aber noch die Frage nach der Endigung der Fasern. Ueber diese kam ich lange nicht hinaus. Dass die aus dem unteren Teile des ventralen Ganglions austretenden Bündel nicht, wie Samassa es will, in das Frontauge eintreten, sondern, wie Chun es angiebt, die Spitze desselben umkreisen und nach dem Ventralauge hin verlaufen, konnte ich deutlich sehen. — 44 — Vergeblich bemühte ich mich jedoch, den Eintritt der aus dem oberen Ganglion ent- springenden Fasern in die Spitze des Frontauges nachzuweisen. Ich konnte sie höchstens bis zum Ventralauge hin verfolgen. Von einem Umbiegen der Nervenbündel nach unten hin, war, wie schon erwähnt wurde, nicht die geringste Spur zu entdecken. Im Gegenteil hatte es viel- fach den Anschein, als ob dieselben nach dem oberen Rande der Retina des Frontauges hin- strahlten. Genau denselben Anblick gewährten zudem auch die Schnitte durch die Augen von Po- lyphemus, Evadne und Podon. UeberaU zeigte sich eher eine Divergenz der Nervenfasern nach aussen, als die gewünschte Konvergenz nach der Spitze des Augenkegels. Welche Erklärung sollte nun aber für diese Erscheinung beigebracht werden? Ich muss gestehen, dass ich bereits die längst abgethane, von Gottsche, Leydig und Patten aufgestellte Theorie, dass die Nerven in den Krystallkegeln endigen, von neuem in Erwägung zog und auch an die Möglichkeit dachte, dass die Nervenfasern, indem sie sich zwischen den Rhabdomen über die ganze Retina ver- breiten, eine zusammenhängende lichtempfindliche Schicht hinter dem dioptrischen Apparate bilden. Es zeigte sich hier wieder deutlich, wie sehr eine vorgefasste Meinung das Urteil beein- flusst imd den Blick für die wahren Verhältnisse trübt. Durch einige gelungene Schnitte durch das Auge von Polyphcnnis wurde mir endlich mit einem Schlage der ganze Sachverhalt klar. In der Regel sind nämlich die einzelnen Nerven- bündel nicht in ihrem ganzen Verlauf a\vf einem Schnitte sichtbar, daher hatte ich auch im Auge von Polyphemus, das ja wegen seiner derben Beschaffenheit und lichteren Pigmentierung alle Verhältnisse viel klarer erkennen lässt, bisher nicht den Eintritt der Fasern in die Retinula- zellen direkt beobachten können. Auf den erwähnten Schnitten (Fig. 20) aber lag der Zusammenhang zwischen beiden Ge- bilden so klar zu Tage, dass ein Zweifel nicht weiter obwalten konnte: Alle Nervenbündel strahlen radiär vom Ganglion aus, treten durch die Membrana fene- strata ins Auge und verlaufen unter sich parallel auf dem nächsten Wege nach den ihnen zugehörenden Retinulen. Treffen sie auf diesem Wege auf die Spitze des entsprechenden Facetten- gliedes, so treten sie auch in das proximale Ende der Retinulazellen ein, wie es bei den kurzen Facettengliedern der Fall ist. Stossen sie aber auf das distale Ende der Retinulazellen, was bei den verlängerten Facettengliedern eintritt, deren Spitzen ins Innere des Auges hineingewachsen sind, so münden sie eben dort in dieselben ein. Und zwar findet der Uebergang in der Weise statt, dass aus jeder Retinulazelle unterhalb des keulenförmig angeschwollenen Endes ein sich zuspitzender Zipfel in gefälligem Bogen den seitlich herantretenden Nervenfasern entgegenstrebt (Fig. 13, 20). Dieser Uebergang lässt sich unter günstigen Bedingungen bei Pölyphemus auf das genaueste feststellen , da die Zellgrenzen sich hier deutlich abheben. Aber auch bei Bytlio- trepJies, Evadne und Podon bleibt er nicht verborgen, sobald man ihn erst an der richtigen Stelle sucht. Ich hob bereits hervor, dass es axif Längsschnitten dieser Augen den Eindruck macht, als ob die oberen Nervenfasern im Frontauge nach oben, also nach dem distalen Ende der Re- tinulazellen, umbiegen. Bei genauerem Hinsehen entdeckt man auch hier, dass es sich dabei um weiter nichts als jene seitlichen Fortsätze der Retinulazellen handelt, die sich mit den senkrecht zu ihnen verstreichenden Nervenfasern vereinigen. 6 — 45 — Man kann ferner nachweisen, dass die vom oberen Ganglion abgehenden Bündel um so tiefer in das Frontauge eindringen, je weiter sie vom dorsalen Rande entfernt sind. Dies erklärt sich daraus, dass dieselben zu den vorderen Facettengliedern des Frontauges ver- laufen, während die oberen Nervenbündel in die hinteren Facettenglieder desselben eintreten und also schon früher als die ersteren endigen. Dies Verhalten zeigen nicht nur die Längsschnitte, sondern ebensogut auch Horizontalschnitte, welche senkrecht zur Achse des Frontauges liegen. Sieht man eine Serie solcher Schnitte in der Reihenfolge von oben nach unten durch (Fig. 8 a — e), so gewahrt man zunächst die grossen fünfblättrigen Rosetten der Retinulä, welche hier und da in den Blättern die Kerne erkennen lassen. Sie werden noch nicht durch Nervenbündel getrennt. Geht man zu den folgenden Schnitten über, so werden zuerst die hinteren, dem Ganglion zunächst liegenden Rosetten unregelmässig. Nach und nach verlieren ihre Blätter die Eiform und er- scheinen merkwürdig verzerrt, verlängert und in Spitzen ausgezogen. Diese Spitzen sind hell und nicht pigmentiert (Querschnitte der Nervenfasern). Unterhalb dieser Region treten zuerst die Nervenbündel auf und zwar ebenfalls wieder am hinteren Rande. Zwischen den vorderen regelmässigen Rosetten fehlen sie noch gänzlich. Immer aber sind sie an ihrem Ende verzweigt. Je weiter man dann in die tieferen Regionen gelangt, . desto weiter nach vorne schreiten auf den Schnitten auch die Rosetten mit den un- regelmässigen Blättern und die sich in ihrer Umgebung baumförmig verästelnden Enden der Nervenbündel vor. Nach hinten zu aber werden die Rosetten wieder regelmässig, da man über die Stelle hinausgelangt ist, wo die Nervenfasern in sie eintreten ; die nun noch zwischen ihnen sichtbaren Stränge gehören bereits weiter nach vorne gelegenen Retinulen zu, sie laufen zwischen ihnen frei hindurch, bis sie an diese gelangt sind. Schliesslich hört die Verästelung der Nerven- bündel ganz auf, die Rosetten nehmen mehr und mehr die Kreisform an und liegen regelmässig, in Reihen angeordnet zwischen denselben. Man ist in die Region der aus dem ventralen Ab- schnitt des Ganglions entspringenden Nervenbündel gelangt, welche das ganze Frontauge durch- dringen und sich erst an seinem vorderen Rande in Fibrillen auflösen. Diese treten dann in der gewohnten Weise in die ihnen zugewendeten proximalen Enden der Retinnlazellen ein (Fig. 2) (cf. pag. 44). Es ist interessant, dass gerade die von Samassa gegebene Abbildung eines „Frontal- schnittes" (1. c. Tafel VI, Fig. 37) besonders schön den ganzen Vorgang illustriert. Dieser Schnitt ist, worauf ich schon hinweisen musste, unter spitzem Winkel zur Medianebene geführt; er trifft infolgedessen Nervenbündel verschiedener Regionen. Auf der rechten Seite durchschneidet er das Ventralauge, auf der linken Seite verläuft er vollständig im Frontauge. Die ersten 2—3 auf der rechten Seite dargestellten Nervenbündel gehören daher dem Ventralauge an, d. h. sie entspringen noch aus dem ventralen Abschnitt des Ganglions. Sie sind ganz richtig von Sa- massa unverzweigt dargestellt. Erst die weiter nach der linken Seite hin folgenden Nerven- bündel, welche höheren Regionen angehören und schon aus dem dorsalen Ganglion entspringen, sind entsprechend der von ihm gegebenen Beschreibung (cf. pag. 41) „baumförmig verzweigt" gezeichnet. Sie werden, je weiter nach links auf dem Schnitte gelegen, immer kürzer, nicht, wie es scheint, wegen der Rundung des Frontauges, sondern weil sie immer höheren Regionen ange- hören und daher ihre Enden immer näher der Membrana fenestrata fallen. Sie dringen nicht, wie Samassa glaubte, bis zum Ventralauge vor, von diesem ist auf dem von ihm abgebildeten Schnitte auf der linken Hälfte überhaupt nichts mehr zu sehen. — 46 - So neu und ungewöhnlich nun auch die im Voraufgehenden geschilderte Art der Inner- vation zunächst erscheinen mag, so muss man sich doch sagen, dass sie durchaus in dem ganzen Entwickelungsgange des Auges begründet ist. Vergegenwärtigen wir uns nämlich, dass auch hei den Polyphemiden zunächst die Augenanlage eine gleichmässig dicke, halbkugelige Ektoderm- schicht vorstellt, aus der sich in dorsoventraler Richtung nach und nach die Facettenglieder differenzieren, und dass anfangs dieselben alle gleiche Länge haben und radiär um das Ganglion angeordnet sind, so sehen wir, dass ursprünglich dieselben Verhältnisse obwalten, wie bei andern Facettenaugen, und dass infolgedessen die Innervation in genau derselben Weise eingeleitet werden kann, wie bei jenen. Die bipolaren Ganglienzellen treten also auch hier mit den Spitzen der sich strecken- den Retinulazellen in Verbindung, und bleiben dauernd mit denselben im Zusammenhange gerade wie in jedem andern Auge, nur hängt es im weiteren von der Richtung des Wachstums der Retinulä ab, wohin später diese ursprünglichen Spitzen in der Retina zu liegen kommen. Geschieht das Wachstum nur nach aussen hin, vom Ganglion hinweg, wie es bei den meisten Facettenaugen der Fall ist, so wird die radiäre Anordnung der Facettenglieder nicht beein- trächtigt, und die Spitzen der Retinulä bleiben nach wie vor dem Ganglion zugewendet; die Gestalt des Auges bleibt die einer halbkugeligen Schale, welche dem Ganglion vorliegt. Kommt zu diesem normalen Wachstum aber noch ein Spitzenwachstum nach innen hinzu, so wird, wenn alle Facettenglieder von demselben gleichzeitig betroffen werden, ein Kugel- auge, wie bei den Daphniden und bei Leptoäora entstehen. Die Spitzen der Facettenglieder nähern sich , indem sie nach einem gemeinsamen Mittelpunkte hinstreben , lassen aber um den- selben noch so viel Raum für die Schar der Nervenbündel frei, dass dieselben auch in diesem Falle an die Spitzen der Retinulä gelangen können, ohne ihre centrifugale und parallele Rich- tung aufzugeben. Wenn aber nur ein Teil der Facettenglieder dem Spitzen Wachstum nach innen unter- worfen ist, so dringen diese naturgemäss in den Raum zwischen Ganglion und den übrigen Fa- cettengliedern ein, und infolge des Zurück weichens des Ganglions geht ihre ursprünglich radiäre Stellung in eine tangentiale zu demselben über. Die Nervenbündel können nun nicht mehr un- behindert zu ihren entsprechenden Retinulen hingelangen. Zwei Fälle sind dann betreffs ihres Verlaufes denkbar. Entweder behalten die Insertionspunkte der Nervenfasern ihre Lage an der Spitze der Facettenglieder bei, oder nicht. Im ersteren Falle würde die ganze Schar der Nervenbündel ebenfalls aus der centrifugalen in die transversale Richtung übergehen müssen ; auch die unteren zum Ventralaugc hinstrebenden Bündel müssten den Bogen um die Spitze des Frontauges herum beschreiben, da sie von den oberen mit herabgedrückt würden, und die Folge wäre eine ausser- ordentliche Verlängerung aller Nervenbündel, namentlich der mittleren. Dazu würde der Zu- sammenhang zwischen Ganglion, Front- und Ventralauge durch die zwischen ihnen liegenden Scharen von Nervenbündeln sehr gelockert sein. In dem andern Falle, der bei dem Polyphemidenauge vorliegt, fallen diese Nachteile sämtlich fort. Die Nervenbündel gelangen auf dem kürzesten Wege und in parallelem Verlauf zu ihren Retinulen, der Zusammenhang zwischen Ganglion, Front und Ventralauge ist in der denkbar besten Weise gesichert, und jedes zur Verfügung stehende Plätzchen ist höchst vorteil- haft ausgenutzt. Alles dies wird allein dadurch ermöglicht, dass die Insertionspunkte der oberen - 47 — Nervenfasern, d. h. die ursprünglichen Spitzen der Retinulazellen ihre Lage im Räume im all- gemeinen beibehalten und die letzteren nur ihre bipolare Gestalt aufgeben. Die ursprünglichen proximalen Enden der Retinulazellen erscheinen hinfort als seitliche Zipfel an den in der Rich- tung des Rhabdomes weiter in die Tiefe gewachsenen Retinulen. Indem dieselben ferner schichten- weise sich zwischen den unterhalb gelegenen Nervenbündeln hindurchdrängen, wird deren Ver- lauf auf keine Weise gestört, und nur die untersten, zuletzt entstehenden Nervenbündel müssen, da der Zwischenraum zwischen jenen Schichten immer kleiner wird und schliesslich ganz weg- fällt, seitlich ausweichen und ihren Weg um den Kegel des Frontauges herum nehmen. Bei Bythotirephes können übrigens auch diese untersten Nervenbündel des Ventralauges nicht in die Spitzen ihrer zugehörigen Facettenglieder einstrahlen , da dasselbe dem Frontauge zu dicht anliegt. Sie treten gleichfalls seitlich in die Retinulä ein und man hat daher im unteren Teil des Ventralauges dieselbe Erscheinung wie im Frontauge : Die Nervenbündel durch- setzen hier wie dort quer zur Achse der Facettenglieder die pigmentierte Retina (Fig. 1). Ebenso treten auch in die langen Retinulä des Ventralauges von Pdlyphewms und Podon die Nervenfasern seitlich ein, da dieselben gleichfalls einem beträchtlichen Spitzenwachstem unterworfen sind. Was den Verlauf der Nervenfibrillen innerhalb der Retinulazellen betrifft, so bin ich nicht in der Lage, darüber genaue und bestimmte Angaben zu machen. Das Polyphemidenauge ist für derartige Untersuchungen kein geeignetes Objekt. Ich kann nur bemerken, dass ich auch im unteren Teile der Retinulä auf Querschnitten durch das Frontauge in der pigmentierten Hülle der Rhabdome helle, lichtbrechende Flecke kon- statierte, welche ich als die Querschnitte der Achsenfäden der Fibrillen (Parker 1891, pag. 1 IG) deutete. Demnach wäre auch hier das Rhabdom in seiner ganzen Ausdehnung von den Nerven- fibrillen umhüllt, deren feinste Verzweigungen vielleicht, wie es Parker bei Astacus glaubt nachweisen zu können, seitlich in die Plättchen des Rhabdoms einstrahlen (Parker 1895, pag. 15 — 20, Fig. 60). Ueberhaupt scheint mir die auch von Johansen (1892, pag. 353) ge- teilte Auffassung Parkers von der Natur des Rhabdoms Beachtung zu verdienen, nach welcher dasselbe keine Cuticularbildung , keine „Secretion", sondern eine „Differentiation" („lebende Mo- difikation", Johansen) eines Teiles des Protoplasmas der Retinulazellen ist, ähnlich wie die Muskelsubstanz das Produkt einer Muskelzelle ist. (Parker 1895, pag. 20.) Es darf, wie ich glaube, wohl nicht verwundern, dass meine Beobachtungen am Polyphe- midenauge noch kein Analogen gefunden haben, da bisher auch noch kein Facettenauge beschrieben ist, in welchem sich die Spitzen der Rhabdome wirklich in einem Punkte vereinigen. Auf diesen Umstand aber ist augenscheinlich die ganze Umbildung zurückzuführen, da sie auch im unteren Teile des Ventralauges von Bythotreplies in die Erscheinung tritt, dessen Facettenglieder zum Teil gleichfalls direkt nach einem Punkte konvergieren (Fig. 1). Das einzige Auge, welches nach meinem Wissen für einen Vergleich in betracht käme, ist das Scheitelauge von Phronima, welches wie das Frontauge der Polyphemiden einen spitz zulaufenden Kegel darstellt. Nach der von Claus gegebenen Beschreibung jedoch (1879, pag. 67, Taf. VIII, Fig. 64) ist die Aehnlichkeit nur eine äusserliche. Die Rhabdome konvergieren keineswegs nach der Spitze des Kegels, wie man annehmen könnte, sondern verlaufen fast parallel zu einander nach der einen Seite der Mantelfläche, auf welcher sich eine einfache Schicht bipolarer Ganglienzellen ausbreitet. Von dieser mit dem Ganglion opticum in Verbindung stehenden Schicht treten die Nervenfasern in der gewöhnlichen Weise an die einzelnen Retinulä. Es liegt also, soweit sich übersehen lässt, — 48 - ein ganz anderer Bauplan vor. Leider war es mir zur Zeit nicht möglich, auf eigene Anschauung hin den Vergleich genauer durchzuführen. Ein Versuch, den ich mit einem mir von Herrn Professor Chun zur Verfügung ge- stellten Material machte, schlug fehl, da die Augen nicht mehr in der für diesen Zweck gün- stigen Verfassung waren. Immerhin erscheint mir eine eingehendere Untersuchung der in vielen Beziehungen mit dem Auge der Polyphemiden verwandten Hyperiidenaugen, namentlich auch ihrer Entwicklung, für den weiteren Ausbau unserer Kenntnis des Facettenauges von hohem Werte. Physiologische und biologische Bedeutung des Polyphemidenauges. „Bau und Leistung eines Organes verhalten sich wie die Glieder einer Gleichung, welche beide nur eine äquivalente Aenderung zulassen, wenn sie Gültigkeit behalten soll" (Chun 1896. pag. 248). Dieser Erfahrungssatz, auf den vorliegenden Fall angewendet, besagt, dass mit der Umgestaltung des Daphnidenauges auch eine Aenderung seiner Funktionsweise verbunden ist, und dass sich also im Polyphemidenauge der Sehvorgang in wesentlich anderer Weise gestaltet, als im Daphnidenauge. Es fragt sich nun, inwieweit es uns bei dem gegenwärtigen Stande der Physiologie des Facettenauges bereits möglich ist, alle die Umbildungen des Auges, welche uns hier in den verschie- densten Abstufungen vorliegen, nach ihrem physiologischen Werte zu erklären und zu verstehen, und ob wir überhaupt im Stande sind, allein aus den Strukturverhältnissen der einzelnen Augen auch eine Vorstellung von ihrer Leistungsfähigkeit zu gewinnen. Die Antwort auf diese Frage mag aus den folgenden Zeilen entnommen werden. Aus allen Beobachtungen hat sich ergeben, dass die Krystallkegel im Facettenauge keine völlig gleichmässige Struktur besitzen, sondern sich aus zahlreichen, das Licht verschieden stark brechenden Schichten zusammensetzen. Das stärkste Lichtbrechungsvermögen besitzen die inneren, um die Achse des Kegels gelegenen Schichten, nach aussen zu nimmt dasselbe beständig ab; in der Regel lässt sich auch sofort deutlich an jedem Kegel ein innerer Kern von einem ihn umgebenden äusseren Mantel unterscheiden. Nach Exner (1891) wirken nun diese Krystallkegel infolge ihres komplizierten Baues als „Linsency linder", d. h. sie vereinigen alle parallel oder unter kleinem Winkel zu ihrer Achse auffallenden Lichtstrahlen in einer hinter ihnen in gewissem Abstände von ihren proximalen Enden gelegenen Ebene, sie eliminieren dagegen alle unter grösse- rem Winkel zu ihrer Achse auf ihre Basis treffenden Strahlen, indem sie dieselben, bevor sie die Spitze erreicht haben, nach der Oberfläche wieder ablenken. Sind nun, wie beim Daphniden- auge, die einzelnen Facettenglieder durch eine Pigmentscheide gänzlich von einander abgeschlossen, so werden nur Lichtstrahlen, welche von annähernd in der Richtung der Kegelachse gelegenen Lichtpunkten ausgehen, bis in das zugehörige Rhabdom gelangen und dort einen Lichtreiz her- vorrufen. Alle von andern Lichtpunkten ausgehenden, d. h. schräg zur Achse des Kegels auf seine Basis treffenden Strahlen werden nach mehrfachen Brechungen und Reflexionen entweder — 49 — an dieser wieder ins Freie hinausbefördert, oder von dem Pigmentmantel absorbiert. Jede Reti- nula empfängt also einen möglichst einfachen Lichteindruck , und aus diesen Lichteindrücken setzt sich das Gesamtbild zusammen , welches die Retina von der Aussenwelt perzipiert. Wir können demgemäss von einem „aufrechten", mosaikartig zusammengesetzten Netzhautbilde im Facettenauge sprechen. Je zahlreicher die Facettenglieder des Auges sind, desto mehr Lichtpunkte eines Gegen- standes werden natürlich in dem Netzhautbilde zur Darstellung kommen , um so vollständiger und umfassender ist dasselbe. Wo aber, wie bei den Daphniden, nur wenig zahlreiche, stark divergierende und weit von einander abstehende Facettenglieder das Auge zusammensetzen, kann auch nur ein höchst unvollständiges Bild von einem Gegenstande zur Perzeption gelangen. Nur durch die ausserordentliche Beweglichkeit des Augenkörpers ist der Daphnide noch die Möglich- keit gegeben, einen solchen in seiner ganzen Ausdehnung zu erfassen und zu übersehen, indem sie nämlich durch Hinundherbewegen des Auges mit den dem Gegenstande zugewendeten Facetten- gliedern die Oberfläche desselben gewissermassen abtastet. Die Stärke des Lichteindruckes, welche die einzelne Retinula empfängt, und damit die Helligkeit des Netzhautbildes, ist abhängig von der Anzahl der Lichtstrahlen, welche dem Rhab- dom von seinem Krystallkegel zugeführt werden. Sie wird um so grösser sein, je grösser der Durchmesser des Kegels an seiner Basis ist. Hieraus lässt sich aber ersehen , welche Abände- rungen im Baue des Daphnidenauges eintreten mussten, wenn einerseits ein vollständigeres, an Details reichhaltiges Netzhautbild und andererseits eine Helligkeitssteigerung des Netzhaut- bildes erzielt werden sollte. Es musste die Anzahl der gleichzeitig nach einer Richtung hin- strahlenden Facettenglieder vermehrt werden und ausserdem der Durchmesser der Krystallkegel grösser werden. Damit ist aber unbedingt eine Vergrösserung des Auges und eine Aenderung in der An- ordnung der Facettenglieder bedingt. Denn wenn beide unverändert bleiben sollten, so müsste bei einer Vermehrung der Facettenglieder deren Durchmesser reduziert werden und umgekehrt bei einer Vergrösserung desselben die Zahl der Facettenglieder verringert werden. Die Vergrösserung des Auges kann auf zwei Arten, nämlich unter Veränderung oder mit Beibehaltung der ursprünglichen Gestalt vor sich gehen. Bei den mit zwei seitlichen Augen ausgerüsteten Arthropoden, also in der Mehrzahl der Fälle, lassen sich eine Vermehrung der Facettenglieder, eine Herabminderang ihrer Divergenz und die Verbreiterung der Krystallkegel gleichzeitig ohne jede Schwierigkeit bis zu einem ge- wissen Grade durchführen. Der ungefähr eine halbe Kugelschale von grösserer oder geringerer Dicke vorstellende Augenkörper braucht sich nämlich nur abzuplatten und an seinen Rändern auszudehnen. Reicht jedoch der Platz nicht aus zu einer grösseren Entfaltung in die Breite, so verlängert sich ein Teil der Facettenglieder stärker als die übrigen, so dass die Kappen ihrer Krystallkegel weiter von dem idealen Mittelpunkte des Augenkörpers entfernt zu liegen kommen, wo ihnen dann ein grösserer Raum zur Verfügung steht. Es entsteht ein buckelig vorragendes Frontauge, dessen Oberfläche in der Regel geringer gekrümmt ist, als die des anderen Augenabschnittes und dessen Facettenglieder bei grösserer Länge und Breite eine ge- ringere Divergenz aufweisen, also allen Bedingungen entsprechen, denen sie genügen sollen. Schwieriger gestaltet sich die Umwandlung bei den unpaaren Kugelaugen unserer Cladoceren. Wegen der freien Beweglichkeit des Augenkörpers innerhalb einer festen Schale muss Zoologica. Heft 28. 7 — 50 — hier die kugelige Gestalt des ganzen Auges beibehalten werden. Jede andere Oberfläche würde eine Rotation des Augenkörpers um sein Centrum nicht zulassen oder wenigstens erschweren. Bleibt es bei der radiären Anordnung der Facettenglieder , wie bei Leptoäora, so muss die Zahl aller Facettenglieder vermehrt werden, und mit ihrer der Kegel wegen notwendigen Verlängerung nimmt das ganze Auge an Umfang zu. Da dasselbe aber wohl kaum breiter als der Körper des Tieres werden darf, so ist auf diesem Wege nicht viel in der angedeuteten Richtung zu erreichen. Die Divergenz der Facettenglieder bleibt immer noch eine beträchtliche. Darum ist denn auch bei den Polyphemiden zu dem anderen Auskunftsmittel geschritten, dass nur ein Teil der Glieder verlängert und in eine weniger divergente Stellung gebracht wird. Da aber hier die Verlängerung aus dem angegebenen Grunde nicht nach aussen stattfinden, das Frontauge sich nicht buckeiförmig vorwölben darf, so bleibt den betreffenden Facettengliedern nichts weiter übrig, als mit ihren Spitzen in das Innere des Augenkörpers hineinzuwachsen. Dieses Wachstum könuen sie natürlich nur bis zu dem gegenüberliegenden Augenrande fortsetzen, wo ihre Spitzen wieder in einem Punkte zusammenstossen. Aber die Divergenz wird auf diese Weise doch um die Hälfte herabgemindert, ohne dass die Breite der Kegel eine Ein- busse erleidet. Zwei benachbarte Facettenglieder nämlich, die ursprünglich einen Centriwinkel mit einander bildeten, schliessen jetzt einen Peripheriewinkel über demselben Bogen ein, der be- kanntlich nur halb so gross ist. Durch möglichste Erweiterung der Augenkugel wird dann auch der Durchmesser der Krystallkegel noch vergrössert und zugleich mehr Platz für die nicht verlängerten und etwas in die Enge geratenen Facettenglieder geschaffen. Diese gruppieren sich auf die bestmöglichste Art in dem ihnen freigelassenen Räume. Den zuletzt beschriebenen Fall haben wir bei Bythotrephes und Polyphemiis kennen ge- lernt. Bei Bythotrephes handelte es sich um eine noch einmal so grosse Zahl von Facetten- gliedern wie bei Polyphemiis, daher mussten sich die nicht verlängerten Facettenglieder in so eigentümlicher Weise in dem ihnen gelassenen Räume zusammendrängen , während bei dem letzteren dieser Raum fast zu gross für die wenigen, kurzen ventralen Glieder war und diese sich daher ungehindert gleichfalls an der Ausdehnung in die Breite beteiligen konnten. Bei Podon und Evadne verkümmerten dieselben mehr und mehr, da sie wohl keinen Wert mehr für ihren Besitzer hatten, der vor allem eines derartig gebildeten Frontauges, d. h. mög- lichst konvergenter Facettenglieder mit breiten Kegeln bedurfte. Fassen wir das Wesentliche dieser Betrachtung zusammen, so ergiebt sich also, dass so- wohl die Vermehrung der Facettenglieder (Lcpt., Bylh.), als auch die Bildung eines „Frontauges" bei den Polyphemiden zunächst den Zweck hat, die Divergenz der Facettenglieder herabzusetzen, wodurch erreicht wird, dass eine grössere Anzahl von Kegeln gleichzeitig auf einen Gegenstand gerichtet werden kann und so ein vollständigeres Bild von diesem auf der Netzhaut entsteht; dass ferner die Vergrösserung des Auges hauptsächlich dazu dient, die Krystallkegel auf einen grösseren Durchmesser zu bringen, wodurch die Menge der jedem Rhabdom zugeführten Licht- strahlen vergrössert und die Helligkeit des Nezhautbildes gesteigert wird;*) und dass schliesslich die den Polyphemiden eigentümliche Bildung eines kegelförmigen Frontauges innerhalb der *) Anck die ganz auffällige Verlängerung der Rkabdome dient ohne Zweifel diesem Zwecke, denn, wie schon Exn er hervorhebt (1. c. pag. 96), kann es für den Sehvorgang nicht gleichgültig sein, ob die eingefangenen Licht- strahlen einen langen oder kurzen Sehstab, viele oder wenige Rhabdoniplättchen durchdringen. Die Nervenerregung ist im ersteren Falle eine stärkere. — 51 - Augenkugel sich einfach daraus erklärt, dass ein Hervorwölben desselben nach aussen die unge- hinderte Bewegung des ganzen Augenkörpers unter einer äusseren Schale in Frage stellen würde. — Bis dahin war absichtlich nur von der grösseren Vollständigkeit des Netzhautbildes ge- sprochen, welche durch die Herabminderung der Divergenz der Facettenglieder erzielt wird. Sie ist noch nicht identisch mit der Schärfe desselben. Diese hängt von verschiedenen Faktoren ab. Allerdings verbürgt eine grössere Anzahl von Facettengliedern auch eine grössere Schärfe des Netzhautbildes uud damit auch, wie sich wohl annehmen lässt, eine grössere Seh- schärfe des Auges. Es kommt aber noch sehr auf den Bali der Facettenglieder an, in welchem Masse dieselbe zur Ausbildung gelangt. Ueberhaupt ist zu berücksichtigen, dass im Facetten- auge lange nicht ein so scharfes Netzhautbild, wie im Wirbeltierauge ei-zeugt werden kann. Gerade die Umstände, welche seine Schärfe hier begünstigen, drücken sie gleichzeitig wieder herab. Sind nämlich recht viele Kegelachsen einem Gegenstände zugewendet, so haben dieselben auch nur eine geringe Divergenz, und infolge dessen werden die von einem Lichtpunkte des Gegenstandes ausgehenden Strahlen ausser von dem auf ihn gerichteten noch von einer ganzen Anzahl von Kegeln aufgenommen (vgl. oben). Umgekehrt vereinigt jeder Kegel nicht nur die von der Projektion seiner Basis auf das Sehfeld herrührenden und seiner Achse parallelen Strahlen in sich, sondern leitet auch noch andere von den Projektionen seiner benachbarten Kegel aus- gehende Lichtstrahlen. Dadurch entstehen aber Zerstreuungskreise, welche die Schärfe iU-< Netzhautbildes herabsetzen. Diese Zerstreuungskreise werden um so kleiner und weniger störend sein, je kleiner die Durchmesser der Krystallkegel sind, je enger die Facettierung ist. Wie wir aber sahen, liegt in unserem Falle gerade die Tendenz vor, den Durchmesser der Kegel zu vergrössern. Und schon daraus lässt sich ersehen, dass die Umbildungen des Daphnidenauges weit mehr auf die Helligkeitssteigerung, als auf Erhöhung der Schärfe des Netz- hautbildes hinzielen. Noch mehr wird dies klar, wenn man das Fehlen des Pigmentes zwischen den Kegeln bei den Polyphemiden berücksichtigt. Dadurch werden nämlich die Zerstreuungs- kreise noch mehr vergrössert. Denn diejenigen seitlichen Strahlen, welche noch nicht unter einem so grossen Winkel zur Kegelachse auffielen, dass sie wieder an der Basis herausbefördert wurden, werden jetzt nicht mehr an den Wandungen der Kegel vom Pigment absorbiert, sondern nehmen ihren Weg weiter durch das Auge. Sie werden, wenn sie auch noch so mannigfache Brechungen und Reflexionen erleiden, von den benachbarten Kegeln doch nicht ganz eliminiert werden können, sondern teilweise in deren Stiele und von da in die zugehörigen Rhabdome gelangen. Namentlich in den Augen mit langgestielten Kegeln, in denen der unpigmentierte Raum zwischen den Endkegeln sehr gross ist, bietet sich die günstigste Gelegenheit für die Be- teiligung dieser Strahlen an der Erzeugung des Netzhautbildes. Es erscheint mir hierbei gerade der Umstand wichtig, dass in den verlängerten Facettengliedern der als Linsencylinder wirkende Endkegel immer deutlich vom Stiel abgesetzt ist, insofern der letztere in seiner ganzen Ans dehnung ein stärkeres Lichtbrechungsvermögen zeigt, als der Mantel des Kegels und dessen Spitze (vgl. dazu Leptodom). Hier an der Verbindungsstelle, die bei den kurzen Kegeln fast gar nicht markiert ist, könnten von benachbarten Kegeln seitlich austretende Strahlen sehr gut durch die Stiele noch eingefangen und zu den Rhabdomen geleitet werden. Die seitlich auf die Stiele treffenden Strahlen vermögen wohl kaum nach ihrem Eintritt weiter in denselben zu bleiben. Die Strahlen aber, welche einmal am Ende der Stiele in diese gelangt sind, werden von ihnen auch geschlossen zum Rhabdom hingeleitet, selbst wenn dieselben gekrümmt und noch so dünn — 52 — sein sollten, wovon sich Exner bei Phronima durch den Augenschein überzeugt hat. Es ist dieselbe auf totale Reflexion beruhende Leitung des Lichtes, welche bei der künstlichen Beleuch- tung durch Mikroskopierlampen mittelst Anbringung gekrümmter Glasstäbe praktisch ver- wertet wird. Wir sehen also, dass die Sehschärfe ohne Zweifel durch den Zusarnmenschluss einer An- zahl Glieder zu einem Frontauge, sowie durch Vermehrung der Facettenglieder wesentlich er- höht ist, dass sie aber durch den Pigmentmangel wieder herabgedrückt wird, da durch ihn die an und für sich im Facettenange vorhandenen Zerstreuungskreise noch vergrössert werden. Je kürzer die Krystallkegel aber sind, desto kleiner werden diese Zerstreuungskreise sein, und darum besitzt Bythotrephes in seinem Ventralauge, dessen zahlreiche, kurze Facetten- glieder namentlich in der Horizontalen nur geringe Divergenz zeigen, jedenfalls noch eine be- deutende Sehschärfe. In der That ist das Netzhautbild in Facettenaugen mit grossen Zer- streuungskreisen und zahlreichen Gliedern schärfer, als man vermutet. Dies beweist die von Exner seinem Werke (1891) als Titelbild beigegebenen Mikrophotographie eines Netzhautbildes von Lampyris, welches ein echtes „Superpositionsbild" ist. Dass andererseits der Pigmentmangel auch seine guten Seiten haben muss, lässt sich schon aus seiner Existenz schliessen. Einmal nämlich ist mit ihm noch eine weitere Helligkeits- steigerung des Netzhautbildes verbunden, da noch mehr Strahlen von den Kegeln und den Rkab- domen eingefangen werden als sonst, und zum andern erweisen sich die Zerstreuungskreise keines- wegs als Schädigung, sondern bilden ein charakteristisches Attribut aller Facettenaugen. Sie dienen, wie Exner zuerst erkannte, zur Erleichterung der Wahrnehmung von Veränderungen an den Körpern, namentlich von Bewegungen. Dieser Zusammenhang ist leicht einzusehen: Ein Lichtpunkt erregt nicht nur eine Reti- nula, sondern eine ganze Gruppe derselben, und zwar in verschiedenem Grade. Verändert der Lichtpunkt seinen Ort, vielleicht nur soweit, um aus der Achsenrichtung eines Kegels in die des benachbarten zu rücken , so ändert sich nicht, nur der Erregungszustand der beiden zuge- hörigen Retinnlä, sondern aller im Bereich des Zerstreuungskreises gelegenen Sehstäbe. „Es leuchtet ein, dass diese Erregungsänderung in einer grossen Anzahl von Nerven- endigungen in hohem Grade geeignet ist, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, d. h. ein Be- merken der stattgehabten Bewegung sowie ihrer Richtung zu veranlassen, ebenso, dass jede Ver- änderung, also das plötzliche Auftreten eines vorher unsichtbar gewesenen Objektes ähnlich starke Sinnesreizung hervorrufen muss." (Exner, 1. c. pag. 186.) Auch zum Schätzen der Entfernung bieten die Zerstreuungskreise, wie Chun hervor- hebt (1. c. pag. 246), eine vortreffliche Handhabe, denn nahe Lichtpunkte erzeugen einen kleinen Zerstreuungskreis, entfernte einen grossen. Das ergiebt sich ohne weiteres aus der verschie- denen Neigung, unter welcher die von ihnen ausgehenden Strahlen auf die ihnen zugewendeten Krystallkegel treffen. Alles in allem betrachtet, zeigt sich, dass die am meisten in die Augen fallenden Um- bildungen des Daphnidenauges entschieden eine Vervollkommnung desselben, eine Steigerung seiner Leistungsfähigkeit bedeuten. Durch die Verlängerung der Facettenglieder, durch die Aenderung ihrer Anordnung und durch das Zurückweichen des Pigmentes ist das Netzhaiitbild der Polyphe- miden ein vollständigeres und auch schärferes geworden, seine Helligkeit ist ausserordentlich er- höht und die Fähigkeit des Auges, Bewegungen wahrzunehmen und Entfernungen zu schätzen, hat — 53 — bedeutend zugenommen. Namentlich in der Ausbildung eines kegelförmigen Frontauges findet diese Vervollkommnung ihren sichtbaren Ausdruck. Dasselbe ist nach oben gerichtet, weil die oberhalb befindliehen Gegenstände mit ihren dem Lichte abgewendeten Flüchen im Wasser nur ein lichtschwaches Bild liefern können, wogegen die unterhalb gelegenen Objekte das auf sie fallende Lieht nach oben zurückstrahlen und daher viel besser sichtbar sind. Dieses ganze aus der Theorie, und noch dazu aus einer recht neuen, wenig erprobten Theorie abgeleitete Urteil muss freilich, wenn es Anspruch auf Anerkennung haben will, auch mit den empirischen Thatsachen in vollsten Einklang gebracht werden können. Warum, so dürfen wir fragen, haben diese Umbildungen gerade die Augen der Polyphe- miden, nicht auch anderer Daphniden betroffen? Welchen Zweck hat die Vervollkommnung des Auges gerade bei diesen wenigen Gattungen gehallt? — Die Antwort lässt sieh ohne Mühe aus der biologischen Eigenart dieser Tiere, soweit dieselbe schon bekannt ist, herleiten : Die Polyphemiden stellen ohne Zweifel eine jüngere Cladocerenform dar, welche durch die Verhältnisse gezwungen, zur räuberischen Lebensweise überging. Diese Umwandlung ge- schah vielleicht in prlanzenarmen Gebirgsseen von beträchtlicher Tiefe. Die Folge war eine all- mähliche Anpassung des ganzen Körperbaues an die neuen Existenzbedingungen. Ohne weiter auf die Einzelheiten desselben einzugehen, sei nur bemerkt, dass ebensowenig, wie sich die Ex- tremitäten der Daphniden für einen räuberischen Nahrungserwerb eigneten, auch das Auge für einen solchen ausreichend war. Die ersteren wurden daher in Greiffüsse zum Festhalten der Beute umgewandelt, die letzteren in Organe, welche ein leichtes Erspähen und Unterscheiden derselben ermöglichten. Hierzu war die Erhöhung der »Sehschärfe erst in zweiter Linie erforderlich. Auf tiefere Gewässer angewiesen, in denen sie auch die wenig belichteten Regionen nach Beute absuchen mussten, bedurften vielmehr die Polyphemiden hauptsächlich einer Helligkeitssteigerung des Netz- hautbildes, einer grösseren Lichtempfindlichkeit des Auges, um die ihnen dort engegentretenden Gegenstände trotz der schwachen Belichtung noch wahrnehmen zu können. Da aber die für sie wichtigslen Objekte natürlich ihre Beutetiere und allenfalls auch ihre Feinde bildeten, d. h. fort- während in Bewegung befindliche Gegenstände, so war auch zum andern eine Steigerung der Fähigkeit, Bewegungen, Veränderungen im Räume wahrzunehmen, unbedingtes Erfordernis für sie, um so mehr als jene beweglichen Objekte sich nur in schattenhaften Umrissen darstellten. In dem Masse nun , in welchem die ihnen aufgezwungenen Existenzbedingungen von den ur- sprünglichen abwichen, ging auch die Umbildung des Auges vor sich. Die beiden marinen Formen, Podon und Evadne, wurden gezwungen, ihren Aufenthalt in die grössten Wassertiefen zu verlegen. Denn wenn wir auch von Claus und Loven hören, dass Evadne in grossen Mengen an die Oberfläche des Meeres kommt, so ist doch zu beachten, dass dies nur bei spiegelglatter See geschieht, während sie „bei der geringsten Kräuselung der Oberfläche" sofort verschwindet und um so tiefer hinabsteigt, je bewegter die See wird. Da nun aber die Oberfläche des Meeres nur selten ganz spiegelglatt ist, so ist als ihr „ständiger" Aufenthalt allein die wenig belichtete Tiefe anzusehen. Da Aehnliches auch von Podon gelten mag, so erklärt sich zur Genüge die Verkümmerung des Ventralauges, zu Gunsten des Front- auges bei ihnen. Das vollkommenste Auge besitzt, wie wir sahen, Bythotrqohes , welcher bis jetzt nur in tiefen Gebirgsseen gefunden ist. Er kommt im Bodensee nach Hof er (1896, vgl. Chun 1. c. — 54 — pag. 251) in Tiefen von 7 — 18 m vor, bildet dort die Nahrung von Coregonm-Axten und wurde von Leydig an der Oberfläche überhaupt nicht bemerkt. Sein ganzes Auge, auch das Ven- tralauge erscheint in jeder Beziehung vorzüglich einer räuberischen Lebensweise im Dunkeln angepasst; das letztere, dessen Sehschärfe jedenfalls grösser als die des Frontauges ist, wird dem Tiere vielleicht bei dem Ergreifen und Verzehren der Beute oder auch in einer anderen Hinsicht in besonderer Weise zu statten kommen. Die Gattung Polyphemus ferner mit ihren noch pigmentierten Krystallkegeln hat sich, wie wir sahen, im Bau des Auges noch am wenigsten von den Daphniden entfernt. Die Lebens- weise entspricht auch ganz diesem Verhalten des Auges. Der räuberische Nahrungserwerb bedingte natürlich auch hier die Bildung eines Front- auges, der Aufenthalt in geringen Tiefen machte aber das gänzliche Fehlen des „Irispigmentes'' noch nicht so notwendig, da die Helligkeitssteigerung des Netzhautbildes nicht in dem Masse nötig war; es reichte in dieser Beziehung die Verbreiterung des Krystallkegels aus. Immerhin lässt schon die helle Farbe des Pigmentes, die wir ja auch in den Frontaugen anderer Arthro- poden rinden, vermuten, dass der Erfolg dieser Pigmentierung nicht gar so weit von dem des Pigmentmangels verschieden ist. P oculus ist, soviel mir bekannt, bis jetzt nur in tieferen Seeen gefangen worden, doch berichtet Leydig von ihm, dass er sich gern mit seinesgleichen truppweise an der Oberfläche des Wassers herumtreibt (1. c. pag. 243); P pediculus dagegen kommt nach Schödler ganz häufig auch in Bächen und flachen Gewässern vor. Interessant, aber nicht weiter bestätigt, ist die sich bei Desmarets (1825, pag. 365) lindende Angabe, dass P auf dem Rücken schwimmt. Dieser Um- stand erklärt vielleicht die kurzen, dorsalen Facettenglieder und die beträchtliche Länge der vorderen ventralen. Denn nun ist ja das Verhältnis umgekehrt: mit den dorsalen Gliedern sieht er hellere Gegenstände, als mit den ventralen; eine Helligkeitssteigerung des Netzhaut- bildes in jenen ist also überflüssig geworden. Leptodora endlich hat, wie wir sahen, auf die Bildung eines Frontauges verzichtet; je- doch entspricht ihr ganzes Auge in gewissem Umfange den Bedingungen, die eine räuberische Lebensweise, auch in der Tiefe, an dasselbe stellt. Bei der grossen Anzahl der Facettenglieder ist deren Divergenz nicht zu gross , der Pigmentmangel im Bereich der Krystallkegel ist voll- ständig; es ist also sowohl für Helligkeit des Netzhautbildes, als auch für grössere Zer- streuungskreise gesorgt. Nach allen älteren Mitteilungen kommt Leptodora auch nur in tieferen Seen, sowie im Bremer Stadtgraben vor. Von Zacharias (1897) wurde dieselbe jedoch in einem der Trachenberger Versuchs- t eiche, der höchstens !/i m tief ist, und später in Planktonproben aus nicht sehr tiefen Teichen in der Umgegend von Breslau konstatiert. Da ich das von Zacharias (1. c. pag. 118) aus- gesprochene Erstaunen über diesen Befund teilte und sogar vermutete, dass es sich vielleicht um eine andere Form handele, deren Augenbau ein anderer geworden, so war ich über die mir noch im Juni 1898 von Herrn Dr. Zacharias aus Dresden übermittelte Sendung von Lepto- cfora-Exemplaren besonders erfreut, welche wiederum in einem nur 50 cm tiefen Wallgraben ge- fangen waren. Dieselben zeichneten sich durch eine beträchtliche Grösse aus, ihre Augen wichen al>er in nichts von dem gewöhnlichen Baue ab, ein Zeichen, dass dieselben auch eine stärkere Belichtung vertragen können, ohne dass besondere Vorkehrungen getroffen sind, die Helligkeit des Netzhautbildes herabzusetzen (Pigmentwanderung!). — 55 — Nach Weismanns Angaben (1874, pag. 404 — 406) zieht aber auch Leptodora den Aufent- halt im Dunkeln vor. Denn wenn auch Weismann bereits mit P. E. Müller die Ansicht teilt, dass Leptodora nicht in grosse Tiefen hinabsteigt, was sich ja mit den erwähnten Befunden decken würde, so ist doch folgendes aus seinen Mitteilungen zu beachten : Weismann fand, dass Leptodora am Tage nur ausnahmsweise an der Oberfläche, Nachts hingegen immer dort anzutreffen ist. „Stärkeres Licht meidet sie offenbar und bei hellem Sonnen- schein kann man sicher sein, kein einziges Individuum an der Oberfläche zu linden." Auch bei Voll- mond hatte Weismann regelmässig nur eine schlechte Beute, die beste bei trübem Wetter gegen Abend und in dunklen Nächten. Weismann berichtet auch, dass Leptodora im Aquarium jenes auffällige Suchen des Lichtes, wie wir es bei Cyclopiden und Daphniden beobachten, nicht zeigt, ferner dass sie zur „Jagd" auf Beute viel zu schwerfällig ist und daher in horizontaler Lage unbeweglich auf ihre Beute lauert, sich dabei auf ihre ausserordentliche Durchsichtigkeit ver- lassend. Alle diese Angaben harmonieren sehr gut mit der „mittelmässigen" Ausbildung ihres Auges. Eine Erklärung für die Beibehaltung der Kugelgestalt Hesse sich vielleicht darin finden, dass es bei der monströsen Streckung des Körpers und der grossen Entfernung des Auges von der Mundöffnung einerseits einer besonderen Anhäufung von kürzeren Facettengliedern an der Ventralseite nicht bedurfte, andererseits aber die Beibehaltung und Vervollkommnung aller nach hinten gerichteten Facettengliedern von Nutzen war. Auch die Art ihres Nahrungserwerbes steht sehr schön mit der mehr gleichmässigen Ausbildung der Facettenglieder im Einklang. Denn während die andern sich mit grosser Ge- schwindigkeit im Wasser tummelnden Gattungen, indem sie sich bald hierhin bald dorthin wenden. auch mit dem nur nach vorne und oben gerichteten Frontauge recht gut die ganze Umgebung durchspähen können, vermag die unbeweglich vor Anker liegende Leptodora nur mit Hülfe eines allseitig gleich entwickelten Auges alle Vorgänge in ihrer Umgebung gleichmässig zu erfassen. Dass dabei das Kugelauge trotzdem in fortwährender Bewegung ist, bedarf nach dem Obigen wohl kaum noch der Erwähnung. Ich komme darauf nur zurück, weil Weismann (1874, pag. 365) gelegentlich die folgende Bemerkung macht: „So leicht verständlich nun auch der Mechanismus ist, durch den das Daphnidenauge rotiert wird, so hat doch meines Wissens noch Niemand erklärt, warum überhaupt ein kuglig gebautes, also nach allen Seiten gleichmässig mit pereipirenden Elementen ausgerüstetes Auge überhaupt beweglich eingerichtet ist?" Diese Er- klärung erscheint mir jetzt sehr einfach. Das Facettenauge ist weniger zum Erkennen von Formen, als zur Wahrnehmung von Veränderungen an den Objekten eingerichtet, denn jeder Lichtpunkt erzeugt, wie wir sahen, einen Empfindungszerstreuungskreis. Bewegt sich der Lichtpunkt, so verschiebt sich dieser Zerstreuungskreis, wodurch der Erregungszustand einer grossen Anzahl von Nervenendigungen in verschiedener Weise geändert wird. Bleibt der Lichtpunkt aber un- beweglich, so ist zwar auch der Zerstreuungskreis da, übt jedoch nicht die speeifische Wirkung aus, welche erst bei seiner Verschiebung auf der Netzhaut zur Geltung kommt. Um diese Wir- kung nun doch zu erzielen, wird es nötig sein, das Auge zu bewegen. Auch wir müssen ja. wenn wir mit einem Auge ein Urteil über Entfernung und gegenseitige Beziehung räumlicher Gegenstände gewinnen wollen, den Kopf hin und her bewegen, trotz unseres scharten und deut- lichen Netzhautbildes (vergl. v. Helmholtz, Physiologische Optik 1. Aufl.. pag. 635). Ueberblickt man noch einmal das geringe biologische Material, welches bis jetzt über die Polyphemiden vorliegt und welches ich, so gut es ging, auszunutzen versuchte, so muss man — 56 — zugeben, dass keine einzige Thatsache der aus der Theorie gewonnenen Anschauung über die. physiologische Bedeutung des Polyphemidenauges zuwiderläuft. Im Gegenteil gelang es an der Hand derselben, auch in diesem Falle wieder den Parallelismus zwischen dem Grade der Aus- bildung des Auges und den wechselnden Existenzbedingungen seines Trägers in der Hauptsache nachzuweisen. Die Wechselbeziehung zwischen beiden würde ja vielleicht noch viel auffälliger in die Erscheinung treten, wenn auch die Besonderheiten im Augenbau der einzelnen Gattungen, sowie die feineren Strukturverhältnisse in Betracht gezogen würden. Ich verzichte jedoch vorder- hand darauf, eine Deutung derselben zu versuchen, da eine solche doch nur einen problematischen Wert haben würde, so lange nicht auch die betreffenden biologischen Einzelheiten bekannt sind. Diese zu kennen, ist aber unbedingt erforderlich für das Verständnis der Funktionen eines Organes, das wir selbst nicht besitzen. Ohne dieselben stehen wir den theoretischen Resultaten meist ratlos gegenüber. Ein treffliches Beispiel hierfür liefern die beiden schon in der Vorbemerkung (pag. 7) erwähnten Fälle bei den Hexapoden. Wie sollte man sich z. B. das Vorhandensein eines grossartig entwickelten Frontauges, das nach allen Erfahrungen nur räuberischen Arthropoden zukommt, bei einer Ephemeride er- klären, deren verkümmerte Mundwerkzeuge überhaupt keine Nahrungsaufnahme mehr zulassen? — Es stellte sich jedoch folgendes heraus: Nur die Männchen erfreuen sich dieses Vorzuges und bedürfen desselben, um der wenig zahlreichen Weibchen während ihres nur kurz bemessenen Daseins habhaft zu werden. Der Hochzeitsflug findet nämlich immer in der Dämmerung statt; und zwar fliegen die vereinzelten Weibchen von Che Burm. in bedeutender Höhe, die Männchen tanzen in geringerer Höhe auf und ab und durchspähen dabei mit ihrem nach oben gerichteten, hierzu vortrefflich eingerichteten Frontauge die Lüfte nach ihrer „Beute". — Bei Palingenia Burm., einer anderen Ephemeride, lassen sich die Weibchen ruhig auf der Wasseroberfläche treiben, nur die Männchen fliegen umher und diese haben daher auch kein nach oben gerichtetes ..Front- auge", sondern bei ihnen sind im Gegenteil die ventralen, nach unten gerichteten Facettenglieder verlängert. (Zimmer 1897, pag. 112 — 115.) Noch charackteristischer als dieser ist der zweite von Kellog (1898) mitgeteilte Fall. Eine in Nordamerika vorkommende Dipterenart , Blephanocrra capitata, besitzt zwei dimorphe Weibehenformen neben einer männlichen Form. Die Männchen und eine Art der Weibchen be- sitzen zweigeteilte Augen, die andere Weibchenart aber Kugelaugen. Auch dies fand seine Er- klärung sofort, nachdem die Lebensverhältnisse der Tiere bekannt geworden waren. Die Weib- chenform nämlich, welche einfache Kugelaugen besitzt, ist „nedar-feeding" , bedarf also keines ver- vollkommneten Sehorganes. Die Männchen jedoch, sowie die andere Weibchenform, sind „predaceous" , sie fliegen umher und erjagen sich mühsam ihre Beute , um sie dann auszusaugen. Sie haben also ein leistungsfähiges, auf das Sehen von Bewegungen eingerichtetes Frontauge durchaus nötig. Aus diesen Beispielen, sowie aus den bei den Crustaceen nachgewiesenen Verhältnissen geht wohl zur Genüge hervor, dass die Physiologie des Facettenauges endlich in die richtigen Bahnen gelenkt ist, dass es sich also noch mehr als bis dahin verlohnt, den Sehorganen der Arthropoden Beachtung zu schenken und sie auf ihren Bau hin zu untersuchen. In ihnen wird der umformende Einfluss veränderter Existenzbedingungen mindestens ebenso sichtbar , wie m andern Organsystemen, und ihr Studium vermag also auch in phylogenetischer Beziehung wert- volle Aufschlüsse zu liefern. Verzeichnis der im Texte citierten Litteratur. Carriere, J. Die Sehorgane der Thiere vergleichend-anatomisch dargestellt. München und Leipzig. 1885. Chun, C. Atlantis. Biologische Studien über pelagische Organismen. Bibliotheca zoologica , Bd. 7, Heft 19. 1896. Claus, C, 1862. Über Evadne mediterranea n. sp. und polyphemoides Lkt. Würzb. Naturw. Ztschr. Bd. 3, pag. 238-246, Taf. VI, Fig. 1—5. — 1876. Zur Kenntniss d. Organisation und d. feineren Baues d. Daphniden und verwandter Clado- ceren. Ztschr. für wiss. Zool. Bd. 27, pag. 362—402, Taf. XXV— XXVIII. — 1877. Zur Kenntniss d. Baues und d. Organisation d. Polyphemiden. Denkschriften d. Kais. Akad. d. Wissens,!,. Wien (Mathemat.-Naturw. Klasse). Bd. 37, pag. 137 — 160, Taf. I— VII. — 1879. 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Sämtliche Zeichnungen wurden mit Hilfe des Winkeischen Zeichenprismas entworfen. Abgekürzte Bezeichnungen. ä. Ag. c. cf. ct. ed. f. Ek. F. G. ff- ff1- ff2- H. He. Hl. Mr. hyp. K. Erste Antenne. Augenanlage. Cornea. „Connectivfasern", Stützfäden zwischen den beiden Lamellen der äusseren Augenhülle. Verbindungsmembran zwischen Augenhülle und Cornea. Cuticula. Ectodermfalte, aus welcher sich die Augenhülle bildet. Endkegel. Frontange. Gehirn. Ganglion opticnm. Dorsale Partie desselben. Ventrale , „ Äussere Augenhülle. Äussere Lamelle derselben. Innere , Mit Flüssigkeit erfüllter Hohlraum innerhalb der Cornea. Hypodermis. Krystallkegel. Kl; Krystallkörper. Kz. Kegelzellen. Uff- Ligament. M. Magen. nif. Matrix der äusseren Lamelle, m i. „ „ inneren n der Augenhülle mf. Membrana fenestrata. ■n. Nervenfasern. n.c. Kerne der Corneazellen. n.k: „ „ Kegelzelllen. n.r. „ „ Retinulazellen. n.ft:. „ „ Stützzellen. n.n. Nerv des Nebenauges (Podon). R. Retina. r. Retinulazellen. rh. Rhabdom. seh. Scheide des Opticus. sei. Sklera. sti. Stiele der Krystallkegel. stz. Stützzellen. V. Ventralauge. Vr. Vorraum des Auges. Fig. 1 — 14. Bythotrephes longimanus Leydig. Fig. 1. Medianer Längsschnitt durch das Auge Vergr. 190 : 1 „ 2. Horizontalschnitt „ , „ „ 190 : 1 „ 3. Querschnitt durch die Krystallkegel in der Höhe der Corneakerne „ 500 : 1 „ 4. Querschnitt durch einen Krystallkegel in der Höhe der Kerne der Kegelzellen „ 500 : 1 „ 5. Desgleichen etwas tiefer. „ 6. Querschnitt durch die Endkegel unterhalb der stärker lichtbrechenden Ausscheidungen „ 500 : 1 „ 7. Querschnitt durch die Kegelstiele, die Kerne der Stützzellen sowie vorragende Retinulazellen trefl'end . 500 : 1 60 Fig. 8. Querschnitte durch die Retinula Vergr. 500 a. und b. In der Hohe der Kerne der Retinulazellen. c. In der Höhe der Nervenendigungen. d. und e. In tieferen Regionen. Fig. 9. Querschnitt durch das Ganglion opticum Vergr. 3'20 Ti 10. Längsschnitt durch das Auge eines Embryos. (Jüngeres Entwickelungsstadium.) „ 320 „ 11. Desgleichen, späteres Entwickelungsstadium s 320 „ 12. Querschnitt durch das Auge eines Embryos • „ 320 „ 13. Facettenglied aus dem Frontauge , 500 „ 14. Schnitt durch die Retina des Frontauges, etwas schief zur Achse desselben „ 250 Fig. 15—23. Polyphemus pediculus de Geer. Fig. 15. Querschnitt durch das Auge eines nahezu ausgewachsenen Embryos • . . Vergr. 400 „ 16. Längsschnitt durch das Auge eines Embryos aus demselben Brutraum „ 40n „ 17. Längsschnitt durch den Kopf eines Embryos. (Frühes Fntwickelungsstadinm.) „ 800 „ IS. Querschnitt durch die Stiele und Stützzellen der Krystallkegel des Frontauges „ 500 „ 19. Querschnitt durch die Krystallkegel in der Höhe ihrer Kerne „ 500 „ 20. Längsschnitt durch das Auge eines ausgewachsenen Tieres , 270 „ 21. Facettenglied aus dem Ventralauge. (Dritte Reihe von hinten.) „ 800 „ 22. Schnitt durch die Retinulazellen des Frontauges in der Höhe ihrer Kerne „ 500 , 23. Krystallkegel und Rhabdom ans dem Frontauge „ 500 Fig. 24—27. Leptodora hyalina Lilljeborg. Fig. 24. Medianer Längsschnitt durch das Auge Vergr. 320 „ 25. Distaler Abschnitt eines Facettengliedes „ 800 „ 26. Retinulazellen, a. das proximale Ende des Stieles umhüllend , 800 b. mit Rhabdom. , 27. Querschnitte durch die Krystallkegel „ 800 a. In der Höhe der Kerne der Cornea. b- , , „ „ „ Kegelzellen. c. _ „ , Stützzellen. Fig. 28—29. Evadne Nordmanni Loven. Fig. 28. Längsschnitt dnreh das Auge Vergr. 480 : 1 „ 29. Schnitt durch die Retinula „ 800 : 1 Fig. 30—32. Podon intermedius Lilljeborg. Fig. 30. Längsschnitt durch das Auge Vergr. 430 : 1 „ 31. Rhabdomfeld „ 500 : 1 „ 32. Querschnitt durch die drei stark pigmentierten Retinula des Frontauges „ 800 : 1 Inhaltsverzeichnis. Seite Vorbemerkung 5 Material und Untersuchnngsmethoden 10 Morphologie des Auges 12 A. Allgemeine Charakteristik des Auges 12 B. Anordnung und Grössenverhältnisse der Facettenglieder 16 Die Elemente der Facettenglieder 29 Zur Entwicklung des Auges 33 A. Entstehung des Augenkörpers 33 B. Die Umhüllung des Auges • 30 Innervation des Auges 40 Physiologische und biologische Bedeutung des Polyphemidenauges 48 Verzeichnis der im Texte citierten Litteratur 57 Erklärung der Abbildungen 69 Zoologica XXYlii /' 10I0 XXYlil . I'al III- Zooli xxvm MBL WH01 Library Se'lals 5 W HSE 01254 ! v. t % **&<*& ; 7" 4&" i J£*ik«v - '" • ^ •