ney oe Coms Soe RE, ut ner „= tn - e von nd PL > > - er ee . Nd Bo man u a TA Nat ey ein Von pete fr tate toy ete A ee Ra dee Ay en DORE De en — + Pa tot une eh de Done ho on "Be ton Br = w. in + Te . a se tet Me on u om = mite Ne ete ey Ah mon = =. mie © - = au Te" un — a aos PAR ete . u u de Wu u De ne am r _ . K—- = - Nk à ~* .. . - * u TE AS by, Pr pad ie he AR E let Se el) Et L VE NO ju il Ss : u b 2 Ze (rh) os ww A / 7 # er 4 ROMAINS N Sl un el ul h | | | S revs I i 4 Alf Ep ul UE La SL) > AN aD A foun, Cae Vene Pp) Le pail Bay 14% cou CA. : hg lo 4% " 27 4 j Po, s | Zn | f À | | \ (à ci erh. wel at u En 1 | it h de Tanz AA à l ap: 20 N a us 4. IV: WE 4 RT | TN Te A iby He Ve Arey LY See ti Sa -ZOOLOGISCHE JAHRBÜCHER ABTEILUNG FUR ALLGEMEINE ZOOLOGIE UND PHYSIOLOGIE DER TERE BEGRUNDET VON J. W. SPENGEL HERAUSGEGEBEN VON PROF. DR. S. BECHER In GIESSEN BAND 39 MIT 144 ABBILDUNGEN IM TEXT UND 2 TAFELN y” oa ati, * % 9, 7.0 27T 27- ) i À WZ N lene! Musee JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1923 Alle Rechte, namentlich das der Übersetzung, vorbehalten. Inhalt. Erstes Heft. (Ausgegeben am 14. Januar 1922.) ERHARD, H., Kritik von J. Lozs’s Tropismenlehre auf Grund fremder und eigener Versuche. Mit 19 Abbildungen im Text ERHARD, H., Zur Kenntnis des Lichtsinnes einiger niederer Krebse TITSCHACK, ERICH, Die sekundären Geschlechtsmerkmale von Gasteros- teus aculeatus L. Mit 25 Abbildungen im Text und Tafel 1 Zweites Heft. (Ausgegeben am 26. April 1922.) STOLTE, Hans-ApAM, Experimentelle Untersuchungen über die un- geschlechtliche Fortpflanzung der Naiden.. Mit 17 en im Text und Tafel 2 : GOFFERJE, MARGARETE, Uber es Einfluß schade Salze a: die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. und auf das Ver- halten der Culex-Larven während der Submersion. Mit 46 Ab- bildungen im Text . EN ETES PASSE Drittes Heft. (Ausgegeben am 23. Januar 1923). WILLE, JOHANNES, Biologische und physiologische Beobachtungen und Versuche an der ey ee casei L.). Mit 4 Abbildungen im Text LEHMANN, CONRAD, Untersuchungen über die lee ee Medusen. Mit 18 Abbildungen im Text. aware de 149 195 301 321 IV Inhalt. Viertes Heft. (Ausgegeben am 30. Juli 1923.) TiRALA, LOTHAR GOTILIEB, Die Form als Reiz. Experimentalunter- suchung an Libellen und an Vögeln (Wellensittichen und Kanarien- vögeln) nebst einer Betrachtung über das Verhältnis von Mechanismus, Biologie und Tierpsychologie . Te DEMOLL, R., Der Inzuchtschaden, sein Wesen und seine Bescitigung Mit 2 libres im Text. KREISEL, CHRISTA, Untersuchungen tiber den Einfuß von Sata ROUE und Neutralsalzen auf Culicidenlarven und -puppen. Ein Beitrag zur ER en der Insekten. Mit 11 Ab- bildungen im Text . . WEISS, SIMON, an ay gs und ae Agnes der Spinnen. Mit 2 Abbildungen im Text . Me ee Seite 395 445 Nachdruck verboten. | Ubersetzungsrecht vorbehalten. Kritik von J, LOEB’s Tropismenlehre auf Grund ; fremder und eigener Versuche. Von H. Erhard. (Zoologisches Institut Gießen.) : Mit 19 Abbildungen im Text. Inhalt. co. Seite D fi. rit ste, Me ut a es Sb 2 @ ist. der Propismus zwangsläufig? -.° . .. . eas 5 3. Ist der pflanzliche und tierische Heliotropismus identisch? . . 6 4, Gibt es eine Sensitivierung gegen heliotropische Lichtwirkung und Umkehr des Heliotropismus durch ein anderes Reizmittel 21 5. Verläuft der Heliotropismus der niederen Krebse maschinenmäßig An a à à à a ee ee 7 6. Erklärung einer unzweckmäßigen Reaktion . . . . . . . 29 7. Gibt es außer Heliotropismus einen besonderen zwangsmäßigen Orientierungssinn zum Licht oder eine besondere Unterschieds- empfindlichkeit? . . . . . Te 33 8. Ist die Größe der beleuchteten Fläche von Einfluß auf den Ba on. 0% Bu re er ie 9. Gibt es eine tropistische Reaktion nach dem Pasi ee der LUN ee Pl ay PR ee 5e .10. Schlußfolgerung aus 9. WUNDT und PAULSEN’s Morenss des LODEL ey. | 40 Zool. Jahrb. 39. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. ZN 49 2 H. ErHARD, 11. Mechanik des Heliotropismus nach LOEB. . . . . . . . 42 12. Eigene Versuche an Planarien. Schlußfolgerung . . . . 44 - 13. Wechselwirkung der Sinnesorgane. Korrektur bei Ausfall eines Sinnes durch einen anderen Sinn, durch Instinkt- und Willens- handlungen "LENS $ ee ES 14. Der Galvanotropismus als M awe on rn 53 15. Zusammenfassung und Schub ... 2. = RL =e Dogmatische Negation ist nicht geringere Vermessenheit als positiver Dogmatismus. PAULSEN. 1. Einleitung. Loss !) (a. a. O., p. 451—453) sagt bei seiner Begriffsbestimmung des Wortes „Tropismus“, „daß dieselben Gruppen von Handlungen (z. B. das Aufsuchen und Aufnehmen von Nahrung) bei niederen Tieren, bei denen die Kriterien für Bewußtsein versagen, als reine Instinktreaktionen bezeichnet werden, während beim Menschen die- selben Handlungen zwar auch instinktiv sind, aber als Willens- handlungen bezeichnet werden, weil der Erfolg oder das Ziel der Handlung dem Menschen meist bekannt ist, bevor oder während die Handlung abläuft.... Die Instinkthandlungen sind zwangs- mäßige Handlungen, und es ist die Aufgabe der Wissenschaft, die Natur, d.h. den Mechanismus des Zwanges aufzu- klären; wie ja auch das Fallen des Steines zwangsmäßig ist und die Physik noch immer vor die Aufgabe gestellt ist, den Mechanismus der Schwerkraft aufzuklären. ... Unter den Tropismen der Tiere verstehen wir die zwangsmäßige Orientierung gegen resp. die zwangsmäßige Progressivbewegung zu oder von einer Energiemenge. Man kann sich im Anschluß an Farapay’s Idee der Kraftlinien vor- stellen, daß der Raum mit Kraftlinien durchzogen sei, und daß diese Kraftlinien an den Organismen angreifen und sie unter gewissen Bedingungen zwingen, sich in die Richtung der Kraftlinien einzu- stellen oder in der Richtung derselben zu bewegen. Das scheinbar Willkürliche oder Planlose der tierischen Bewegungen weicht dann einer scheinbaren Fortbewegung der Tiere mittels unsichtbarer Fäden, nämlich der den Raum erfüllenden Kraftlinien. Wer die 1) LogB, J., Die Tropismen, in: WINTERSTEIN’s Handb. vergleich. Physiol., Vol. 4, Jena 1913. niit Kritik von J. Lors’s Tropismenlehre. 3 belebte und unbelebte Natur als ein ununterbrochenes Ganzes an- sieht, wird sich durch eine solche Vorstellung befriedigt fühlen. Ich habe aber gefunden, daß diejenigen, welche an einen „freien“ Willen oder an eine kapriziöse ,,Tierseele“ glauben, oder welche nicht gewöhnt sind, sich den Raum als mit Kräften erfüllt vorzu- stellen, sich über solche Ideen sehr ereifern. Trotzdem möchte ich an dieser Ansicht festhalten. Wenn ein Tier sich in einem Kraft- felde befindet, so erleiden die chemischen Prozesse an der Ober- fläche oder im Körper, wo das Tier von den Kraftlinien getroffen wird, Änderungen der Reaktionsgeschwindigkeit. Die Änderungen dieser Reaktionsgeschwindigkeiten führen zwangsmäßig die Orien- tierungsvorgänge resp. Progressivbewegungen in bestimmten Rich- tungen und in bestimmtem Sinne im Kraftfelde herbei, welche wir als Tropismen bezeichnen. Wir sprechen von Heliotropismus oder Phototropismus, wenn die Orientierungserscheinungen unter dem Einflusse eines Lichtfeldes ablaufen, von Geotropismus, wenn es sich um das Gravitationsfeld handelt, von Galvanotropismus, wenn es sich um ein galvanisches Feld handelt, und von Chemotropismus, wenn es sich um ein Diffusionsfeld chemischer Stoffe handelt... . Die Zwangsmäßigkeit der Bewegungen zu oder von dem Diffusionszentrum der Energie in einem Felde oder die Zwangs- mäßigkeit der Orientierung eines Organismus gegen dieses Diffusions- zentrum ist also das Kriterium des Tropismus. Unter der Zwangs- maBigkeit aber verstehen wir die Tatsache, daß alle Individuen einer Tierart (reinen Rasse) — wenn sie sonst in allen Stücken gleich sind — sich alle in gleicher Richtung orientieren oder be- wegen, und daß, wo Ausnahmen vorkommen, es gelingt, die Ursache hierfür anzugeben. So findet man oft, daß junge Daphnien eines Schwarmes im Aquarium sich nicht gleichmäßig verhalten; einige gehen zum Licht, andere sind indifferent. Fügt man aber etwas Kohlensäure zu, so gehen alle zum Licht. Die zwangsmäßige Orien- tierung gegen das Licht besteht also bei allen Individuen; aber unter gewöhnlichen Umständen ist die Lichtempfindlichkeit bei ein- zelnen Individuen nicht hoch genug, um die Reaktion zum Ausdruck zu bringen.“ Die Anschauung, daß die niederen Tiere zum Unterschied von Menschen lediglich wie automatische Maschinen sich verhalten, ist nicht etwa, wie Loeg (a. a. O., p. 453) sagt, von ihm zuerst vom Jahre 1888 an entwickelt worden. Um nur zwei Namen zu nennen: ARISTOTELES sagt bereits, den niederen Tieren komme lediglich 1* 4 H. Erwarp, Kraft- und Stoffwechsel zu, die höheren Tiere und der Mensch be- säßen außerdem die „intelligente Seele“, der Mensch allein besitzt Vernunft.*) Descartes hat schon vor 300 Jahren, worauf Hess?) auf- merksam macht (a. a. O., p. 95), genau die gleiche Ansicht wie Los vertreten, nur daß er, der Anschauung der damaligen Zeit entsprechend, nicht nur die niederen Tiere als reine Reflexauto- maten anspricht. So versteigt sich DESCARTES zu dem Satz: „Wenn es derartige Mechanismen gäbe, die in ihrer äußeren Gestaltung und in allen Organen einem Affen oder irgendeinem anderen ver- nunftlosen Tiere durchaus ähnlich wären, so vermöchten wir zwi- schen ihnen und jenen Tieren in keiner Weise einen wesentlichen Unterschied festzustellen.“ Die Maschinentheorie des Lebens — und die Tropismenlehre ist ja nichts anderes — ist also nicht neu, sie ist während der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundert durch die Schriften eines SrEno, BORELLI, CLAUDE PERRAULT und der übrigen „latromechaniker“ sogar die vorherrschende gewesen.!) Wenn Los glaubt, daß sich über solche Ideen diejenigen er- eifern, die „nicht gewöhnt sind, sich den Raum als mit Kräften er- füllt vorzustellen“, so kämpft er damit einen Kampf gegen Wind- mühlen. Es ist ja selbstverständlich, daß es keinen Natur- forscher gibt, der so absurd wäre, sich der Tatsache, daß der Raum mit Kräften erfüllt ist, nicht allüberall zu erinnern. Was aber die Philosophen betrifft, so hat gerade der über die Maschinen- theorie des Lebens sich besonders ereifernde PAULSEN *) die Macht der den Raum erfüllenden Kräfte voll erkannt und die Betrachtung darüber zum Ausgangspunkt seiner Gedanken über das kosmologisch- theologische Problem genommen (a. a. O. p. 163 ff.). Was endlich die philosophischen Probleme des Monismus, des freien Willens und der Tierseele betrifft, so wollen wir als Natur- forscher nicht als gläubige Schüler einer vorweggenommenen philosophischen, religiösen oder sonstigen Doktrin an diese Probleme herantreten. Wir werden versuchen, erst nach der vorurteilslosen 1) Vgl. BURCKHABDT, R., Geschichte der Zoologie, 2. Aufl., herausgeg. von H. ERHARD, Leipzig 1921. 2) Hess, C., Uber Lichtreaktionen bei Raupen und die Lehre von den tierischen Tropismen, in: PFLÜGER’s Arch., Vol. 177, p. 57ff., 1919. 3) PAULSEN, F., Einleitung in die Philosophie, 29. u. 30. Aufl., Stuttgart 1919. Kritik von J. Lors’s Tropismenlehre. 5 Betrachtung der Natur und auf Grund der wahrgenommenen Tat- sachen unsere Vorstellung zu bilden, getreu denjenigen Leitgedanken, die etwa Davin FRIEDRICH Strauss!) fiir den Historiker ent- wickelt hat. 2. Ist der Tropismus zwangsläufig? Daß das Verhalten der niederen Tiere nicht immer zwangs- läufig wie das Fallen eines Steines verläuft, dafür hat besonders JENNINGS *) zahlreiche Beispiele erbracht. Schon die Protozoen han- deln nach einem von L. MorGAn geprägten Ausdruck nach der „Ver- suchs- und Irrtumsmethode“ und sie „lernen“ durch Übung. So erlernen u. a. Paramäcien nach SmirH*) in einer Capillare die Zeit ihrer Umdrehung von fünf Minuten auf eine Sekunde ver- mindern. Um mich selbst davon zu überzeugen, daß schon niedere Orga- nismen durchaus nicht immer zwangsläufig handeln, habe ich die bekannten Planarienversuche von PEARL?) wiederholt. Das Ergebnis seiner Versuche über Thigmotaxis sowie seiner Durchschneidungs- experimente konnte ich in allen wesentlichen Punkten an den von mir untersuchten Planarien Planaria gonocephala, Polycelis nigra und Planaria alpina bestätigen, worüber ich noch näher an anderer Stelle berichten werde. Hier nur soviel, daß eine Planarie, deren Kopf von der Seite her mit einer Nadel gereizt wird, diesen zwar zuerst immer wieder abwendet, schließlich aber „nach vergeblichen Be- mühungen, einem unangenehmen Reiz durch seine gewöhnliche Re- aktion zu entgehen, endlich einen verzweifelten Sprung nach der entgegengesetzten Richtung versucht“ (PeArL).?) Man mag sich über die Begriffe Zweckmäßig, Zielstrebig, Bewußt, Un- und Unter- bewußt streiten — zwangsläufig wie das Fallen eines Steines ist eine solche Reaktion sicherlich nicht. Somit ist also erwiesen, 1) Strauss, Das Leben Jesu, Volksausg., 1. Teil, Vorrede und Einleitung. 2) JENNINGS, H. S., Das Verhalten der niederen Organismen, über- setzt von E. MANGOLD, Leipzig 1910. 3) SMITH, St., The limits of educability in Paramaecium, in: Journ, comp. neurol. psychol., Vol. 18, 1908. 4) PEARL, R., The movements and reactions of fresh-water planarians, in: Quart. Journ. microsc. Sc., Vol. 46, 1903. 5) Übersetzt von Karka, G., Einführung in die Tierpsychologie, Vol. 1, p. 81, Leipzig 1914. 6 H. Ernarp, daß die Tropismenlehre in der Form und in der Verallgemeinerung, wie sie Los» vorträgt, hier nicht aufrecht zu halten ist. . Es soll damit nicht geleugnet werden, daß es auch rein zwangsläufige Reaktionen wie die Muskelzuckung auf den elektrischen Strom gibt. LoEB hat auch recht, wenn er sagt, dab Abweichungen von der Regel nichts zu sagen hätten, wenn man sie etwa wie die Abweichung eines fallenden Stückes Eisen, auf das ein Magnet einwirkt, erklären könne. Nur sein Vergleich der Daphnien ist falsch. Alle von mir in frischem Zustand unter- suchten Cladoceren, Bosmina, Chydorus sphaericus, Daphnia pulex, Ceriodaphnia reticulosa, erwiesen sich gleich den zahlreichen von Hess ?) untersuchten Arten als positiv phototropisch. Bei frischen Tieren gingen nicht nur „einige zum Licht“, während „andere indifferent“ waren. Das letztere trat erst ein, wenn die Tiere nicht mehr frisch waren. Bei allen Cladoceren besteht, wie Hess 1) (a. a. O., p. 630ff.) zuerst festgestellt hat, die Erhellungsreaktion in einem Schwimmen zum Licht und einem Steigen im Gefäß, während die Tiere bei Ver- dunklung zu Boden sinken. Man findet also diese Cladoceren stets an der hellsten Stelle des Gefäßes oberflächlich schwimmen. Sobald das Wasser aber abgestanden ist und sich infolge der Ausscheidung der Tiere mit Stoffen, die für sie giftig wirken, angereichert hat, verhalten sich tatsächlich zahlreiche Tiere „indifferent“, schließlich geht die Kultur, wenn in ihr nicht. sauerstoffspendende Pflanzen enthalten sind, zugrunde. 3. Ist der pflanzliche und tierische Heliotropismus identisch? Lozs (a. a. O., p. 454) geht in seiner Auffassung der Einheit des organischen Geschehens so weit, daß er an eine „Identität der heliotropischen Erscheinungen bei Pflanzen und Tieren“ glaubt. Er bestreitet außerdem, daß Wachstumsvor- gänge in den Pflanzen die phototropischen Erscheinungen hervor- rufen und will dafür nur Änderungen des Turgors ‚gelten lassen. Um auf diese zweite Behauptung zuerst einzugehen, so ersehen wir aus der schönen Zusammenfassung von Jost?) (a. a. O., p. 612 1) Huss, C., Gesichtssinn, in: WINTERSTEIN’s Handb. vergl. Physiol., Vol. 4, Jena 1913. Außerdem zahlreichs Arbeiten von Huss, die be- sonders in PFLÜGER’s Archiv veröffentlicht sind. 2) Jost, L., Vorlesungen über Pflanzenphysiologie, 3. Aufl, Jena 1913. Kritik von J. Loes’s Tropismenlehre. 7 bis 634), daß die moderne Botanik die phototropische Krüm- mung in erster Linie auf ungleichseitiges Wachstum der Gegen- seiten zurückführt. In zweiter Linie kann diese Krümmung durch Turgorschwankungen veranlaßt werden.) Bei Torsionen handelt es sich fast stets um Wachtumsänderungen und nur in vereinzelten Fällen — z. B. bei Gegenwart besonderer Gelenke — um: Turgor-: schwankungen. Das Licht ist ferner nicht nur imstande eine physikalische und „biologische“, sondern auch eine chemische Ände- rung in der Pflanze hervorzurufen, welche den Phototropismus be- dingt. Die Reaktion hängt endlich auch ab vom Alter und der „Stimmung“, der Adaptation der Pflanze. ‘In der Botanik unterscheidet man den Phototropismus der festgewachsenen Pflanzen von der Phototaxis der freibe- weglichen Pflanzen und Chloroplasten. Für unsere Betrachtungs- weise ist wichtig, daß sich, was das Verhalten der freibeweglichen Protophyten betrifft, die Botaniker der Auffassung von JENNINGS anschließen. JENNINGS*) (a. a. O., p. 206—216) sagt, Euglena und andere Protophyten würden sich nach der „Versuchs- und Irrtums- methode“ benehmen. | Wir sehen aus diesen wenigen Andeutungen, wie gering die Übereinstimmung, was die Deutung des pflanzlichen Phototropismus und der pflanzlichen Phototaxis betrifft, zwischen Lors und den Fachbotanikern ist. Um die Anschauung von LoEB zu prüfen, habe ich ein Proto- phyton, nämlich Volvoz-Kolonien untersucht. Mit VoWwox haben schon früher Ourmanns 2), Mast?) und Buper *) Lichtsinnesversuche 1) Vgl. dazu auch KENKEL, J., Uber den Einfluß der Wasserinjektion auf Geotropismus und Heliotropismus, Inaug.-Dissert. Münster, Borna- Leipzig 1913. 4 2) OLTMANNS, F., Uber die photometrischen Bewegungen der Pflanzen, in: Flora, Vol. 75, p. 183 ff., 1892. 3) Mast, 8. O., Light reactions in Volvox, in: Journ. comp. Neurol. Psyehol., Vol. 17, p. 99 ff, 1907. | 4) BUDER, J., Zur Kenntnis der phototaktischen Richtungsbewegungen, in: Jahrb. wiss. Bot., Vol. 58, p. .105ff., 1917. Die interessante Arbeit BUDER’s gelangte erst nach Abschluß dieser Arbeit in meine Hände.. Seine Auffassung weicht zwar in einigen Punkten von der hier entwickelten. ab. Dazu gehört z. B. die Angabe, daß es gelingt mittels konvergenter, im Gefäß auf der Gegenseite des Lichteinfalls gesammelter Strahlen negativ phototropische Volvox Kolonien dadurch an der hellsten Stelle zu sammeln, daß diese von der Lichtquelle fortschwimmen und so in immer hellere 8 | ' H. Eruarp, angestellt. Es ergibt sich, daß Volvox aureus bei nicht allzustarkem Licht positiv phototaktisch, bei grellem Sonnenlicht dagegen negativ phototaktisch ist, was schon die eben genannten Forscher gefunden haben. Nach Mast beginnt die negative Reaktion von 56 Meter- kerzen an. OLTMANNS (a. a. O., p. 187) konnte dabei außerdem die interessante Feststellung machen, daß die Lichtstimmung der ge- schlechtlichen und der ungeschlechtlichen Individuen eine ver- schiedene ist. Die Richtung des Emtailenden Licbtes spielte bei meinen os, suchen keine Rolle, nur die Stärke des Lichtes, wenn gleichzeitig zwei Lichtquellen einwirkten. Wenn ich in der später (S. 35) an- gegebenen Weise die Seite des einfallenden Lichtes (Fensterseite) beschattete, die Gegenseite dagegen heller erleuchtet sein ließ, so bewegten sich die Kolonien ins Helle, vorausgesetzt, dab dieses Orte kommen (a. a. O., p. 135—136). Ferner gibt BUDER an, daß bei zwei sich rechtwinklig kreuzenden gleichstarken Lichtbüscheln Protophyten sich in die Winkelhalbierung einstellen. Es war mir nicht möglich, mit dem von BUDER angewandten sehr komplizierten und kostspieligen Ver- fahren (a. a. O., p. 113—123) die eigenen Ergebnisse noch nachzuprüfen. Jedenfalls geht auch aus der Arbeit von BUDER hervor, daß die An- schauungen LOEB’s über den pflanzlichen Phototropismus in den wichtig- sten Punkten unrichtig sind. So behauptet z. B. LOEB, daß für die phototropische Einstellung von Pflanzen wesentlich sei, daß das Licht symmetrische Punkte des Körpers unter gleichem Winkel treffen müsse. BUDER dagegen zeigt (a. a. O., p. 185), daß „für die Einstellung vielmehr nicht der ‚Winkel‘, d. h. also die Lichtrichtung allein maß- gebend sei, sondern die Lichtmenge, die aber ebensosehr eine Funktion der Richtung als der Intensität der wirksamen Büschel sei.“ Er ver- wirft die mechanistische Erklärung der Tropismen, wie sie LOEB gibt, und erkennt die Verdienste der Lehre vom „Versuch und Irrtum“ von JENNINGS an, wenngleich er eine Allgültigkeit der letzteren ablehnt (a. a. O., p. 207ff.). Einem Vorgang von PFEFFER folgend, unterscheidet - BUDER zwischen Phobotaxis und Topotaxis der Pflanzen (a. a. O., p. 105—106). „Bei einer rein phobotaktischen Orientierung . .. vermögen die Organismen nur bestimmte Reaktionen auf plötzliche Anderungen der Helligkeit auszuführen, haben aber nicht die Fähigkeit, sich in die Richtung der Lichtstrahlen einzustellen und auf die Lichtquelle zu- oder von ihr wegzuschwimmen. Im Gegensatz dazu steht die Fähigkeit anderer Orga- nismen, sich in die ‚Richtung der Lichtstrahlen‘ einzustellen und nun je nachdem, ob bei der herrschenden Beleuchtungsstärke die betreffenden Schwärmer ‚positiv‘ oder ‚negativ‘ reagieren, zur Lichtquelle hin- oder von ihr fortzuschwimmen (Topotaxis).“ Daß zahlreiche phototropische Reaktionen bei Pflanzen anders als bei Tieren verlaufen, dafür bringt auch die Arbeit von BUDER Belege. Kritik von J. Lors’s Tropismenlehre. 9 nicht aus grellem Sonnenlicht bestand. STRASBURGER !), DAVENPORT und Cannon?) glauben dagegen auf Grund von Versuchen an Schwärmsporen, dab es bei Pflanzen außer einer Phototropie, welche freibewegliche positiv phototropische Pflanzen zum hellsten Licht führt, auch eine Photometrie gibt, die die Pflanzen in der Richtung auf die Lichtquelle zutreibt, selbst wenn die Pflanzen dabei in Gegenden geringerer Helligkeit geraten. Es wurde von diesen Forschern ein flaches Untersuchungsgefäß schräg von oben von einer Seite aus mit einer Lampe belichtet. Auf diesem Gefäß Fig. A. Gefäß mit Volvox von verschiedenen Seiten a, b, c, d beleuchtet. Je intensiver das Licht, desto dunkler gestrichelt ist es gezeichnet. Die meisten Kolonien gehen zum hellsten Lichte, obwohl dessen Strahl am schmälsten ist. lag ein prismatisches, mit einer Tuschelösung gefülltes Gefäß so, daß die dickere dunklere Seite des Prismas der Lichtquelle zu- nächst lag. Die Schwärmsporen sollen sich nun nicht in der hell- sten Seite des Untersuchungsgefäßes unter der dünnen Prisma- schicht, also am weitesten entfernt von der Lampe, angesammelt haben, sondern unter der dicken Prismaschicht, der Lichtquelle zu- nächst. Ob thermische Einwirkung, „falsches Licht“ oder ein son- stiger Faktor dieses Resultat hervorgerufen haben, läßt sich nicht entscheiden. Die Größe der beleuchteten Fläche ist nach meinen 1) STRASBURGER, E., Die Wirkung des Lichtes und der Wärme auf die Schwärmsporen, in: Jena. Ztschr. Naturw., Vol. 12 (N.F., Vol. 5), p. 451ff., 1878. 2) Vgl. KarkA, G., Einführung in die Tierpsychologie, Vol. 1, Die Sinne der Wirbellosen, p. 339—340, Leipzig 1914. — NIENBUBG, W., Die Perzeption des Lichtreizes bei den Oscillarien und ihre Reaktionen auf Intensitätsschwankungen, in: Ztschr. Bot., Vol. 8, p. 161ff., 1916. 10 H. ERHARD, Beobachtungen von keinem Einfluß auf die Volvox-Bewegungen, son- dern nur die Intensität des Lichtes. Wenn ich grelles Sonnenlicht vermied und das planparallele Untersuchungsgefäß all- seitig mit Tüchern und schwarzem Papier zudeckte, in das ver- schieden große Fenster geschnitten waren, so sammelte sich die Mehrzahl der Individuen am hellbeleuchtetsten Fenster an, selbst wenn dieses kleiner war als die übrigen Fenster (Fig. A). | K IKKS £ J nn “ith, A, LT I he LL en IS = aaa vv ATT oe res = : = B lb Fig. B. Orientierung einer von zwei Seiten beleuchteten Volvox-Kolonie. a Glas- aquarium. b Nernstlampe mit 222 Volt (in einer konstanten Entfernung von 66 cm). c Glühlampe mit 110 Volt (in variabler Entfernung). d Schirm. e Ausgangspunkt der Kolonie. f Richtung der Lichtstrahlen. 1, 2, 3, 4 Lokomotionsrichtungen der Kolonie: 1 mit Lampe c in einer Entfernung von 199cm. 2 mit Lampe c in einer Entfernung von 99cm. 3 mit Lampe in einer Entfernung von 49cm. 4 mit Lampe c in einer Entfernung von 24 cm vom Aquarium. «cy bei Beleuchtung durch Lampe b allein. yz bei Beleuchtung durch Lampe c allein. (Nach Mast aus KAFKA.) Mast hat ein GefäB mit Kolonien von Volvox globator von ver- schiedenen Seiten verschieden stark belichtet. Waren die Organismen in einer Ecke bei Ausgang des Versuches angesammelt, so bewegen sie sich in der Resultante beider Einwirkungen vorwärts (Fig. B). Man ist versucht, daraus den Schluß zu ziehen, Volvox verhielte sich dabei ebenso wie nach Boun angeblich Littorina (S. 38) nach dem Parallelogramm der Kräfte. Betrachtet man aber die Versuchs- anordnung von Masr genauer, so wird man gewahr, daß bei einer Belichtung von 6 und von c aus im Innern des Gefäßes lediglich Kritik von J. Lors’s Tropismenlehre. 11 eine ganz allmählich ineinander übergehende Abstufung von Hellerem und Dunklerem eintritt. Je nach der Entfernung der beiden Reiz- lichter und je nach der Stelle des Gefäßes ist der eine Ort etwas heller, der andere etwas dunkler, während bei Box Hell und Dunkel scharf getrennt sind. Rechnet man nun nach dem Gesetz, daß die Helligkeit im Quadrat der Entfernung abnimmt, nach, wo bei einer konstanten Entfernung der Lampe 0 von 220 Volt und einer Entfernung der 110 Volt Lampe ¢ von 119 cm, 99 cm, 49 cm und 24 cm jeweils die hellste Stelle im Gefäß sein muß, und ver- bindet man den erhaltenen Punkt mit e, so erhält man etwa die Linien 1, 2, 3, 4 Der Versuch beweist also nur, daß die VoWwox- Kolonien die einzige hellste Stelle, die im Gefäß überhaupt vor- handen ist, aufsuchen. Es ist dabei natürlich ganz gleichgültig, ob Fig. C. Gefäß mit Volvox mit zwei Fig. D. Ebenso, doch Strahl b stärker sich berührenden gleichstarken ein- als a. Mehr Volvox in b. In Fig. Cu. D fallenden Lichtstrahlen a und b. Gleich- keine Organismen im „Parallelogramm viel Organismen schwimmen beiden der Kräfte“. Lichtstrahlen entgegen. diese eine Stelle durch eine oder zwei oder mehrere Lichtquellen erzeugt wird. Daß bei plötzlicher Ausschaltung der Lichtquelle c die in x angelangten Volvox direkt auf die Lichtquelle c, also von a nach y gehen, ist ebenso selbstverständlich, wie, daß sie bei Ver- dunkelung von 5 und Erhellung von ¢ und y nach 2 schwimmen. Sollte der Beweis geführt werden, daß sich diese Organismen nach dem Parallelogramm der Kräfte bei beiderseitiger Lichtreizung bewegen, so müßte man den Versuch so anstellen, daß man zwei sieh nicht überdeckende, also nicht zu einem einheitlichen Lichtband verschmelzende Lichtstrahlen in das Gefäß eindringen läßt. Ich habe, um dies zu prüfen, das Untersuchungsgefäß allseitig zugedeckt und nur durch kleine Ausschnitte von zwei verschiedenen Seiten das Licht so einfallen lassen, daß die Lichtstrahlen nur an derjenigen Stelle, an der die Volvoz-Kolonien bei Beginn des Ver- suches angesammelt worden waren, sich eben noch berührten (Fig. C und D). Volvox hatte also die Wahl, entweder dem einen oder dem 12 H. ErHaro, anderen Lichtstrahl zu folgen oder „nach dem Parallelogramm der Kräfte“ in den dunklen Kegel zwischen den beiden Reizlichtern zu schwimmen. Immer suchten die Kolonien — vorausgesetzt natür- lich, daß das eine Licht nicht ihr Optimum überschritt — das hellere Licht auf oder verteilten sich bei gleich starker Beleuchtung gleichmäßig auf beide Lichter. Nie schwammen sie, wie man in Analogie mit dem angeblichen Ergebnis von Bonn hätte erwarten müssen, nach dem Parallelogramm der Kräfte ins Dunkle. Wenn sich zwei eindringende Lichtbündel an einer Stelle über- deckten, so schwamm Volvox in die betreffende Stelle, deren Hellig- keit ja der Summe beider Lichter entsprach, falls schwaches Licht angewandt wurde (Fig. E). Die hellste Stelle näherte sich in diesem {fa apa thle GREEN Fig. E. Gefäß mit Volvox. Strahl a Fig. F. Die Strahlen « und b sind so und b, die beide nicht sehr hell sind, hell, daß die Stelle X das Optimum an überkreuzen sich in K. Die meisten Licht für Volvox übersteigt. Die Mehr- Organismen in der hellsten Stelle X. zahl in a und b verteilt. Fall am meisten ihrem Lichtoptimum. Waren die beiden Reizlichter dagegen so stark, daß das Lichtoptimum von Volvox geringer war als die Überkreuzungsstelle der Strahlen, so wurde diese gemieden, und Volvox verteilte sich dann auf die beiden Lichtkegel (Fig. F). Auf den Gedanken, der tierische Phototropismus sei mit dem pflanzlichen Phototropismus identisch, ist Lors dadurch gekommen, daß Sacus gefunden hatte, chlorophyll- haltige Pflanzen würden sich hinter roten Gläsern nur wenig, hinter blauen Gläsern dagegen stark zum Lichte neigen. Da nun von zahlreichen Autoren angegeben worden ist, positiv phototropische Tiere seien ,rotscheu“ und „blauliebend“, selbst wenn das Rot ver- gleichsweise heller wie das Blau sei, so schloß Lors daraus auf ein identisches Verhalten. | Die genauesten Untersuchungen über die Helligkeitswerte der spektralen Farben für Pflanzen sind früher von Kritik von J. Lors’s Tropismenlehre. 13 BLaauw !) angestellt worden. Buaauw übertrug sie nach dem Vor- gang von HERING auf ein Ordinatensystem (Fig. G) Wir ersehen daraus, daß für eine chlorophyllfreie Pflanze, einen Pilz, Phycomyces, die Strahlen von 600—550 wu, also rote, orange und gelbe Strahlen, fast keinen Helligkeitswert besitzen. Dann steigt die Helligkeits- kurve rasch, um in einem Blaugrün von 495 uu bereits ihre höchste Höhe zu erhalten. Der Abfall im Blau und Violett erfolgt allmäh- lich. Von höheren Pflanzen untersuchte BLaauw Avena. Hier üben Lichter bis zu 500 uu Wellenlänge herab, also Rot, Orange, Gelb und Gelbgrün sogut wie keinen Reiz aus; dann steigt die Helligkeits- kurve ungemein steil an und erreicht schon bei 467 uu, also im In- digoblau, ihre höchste Höhe. Der Abfall im Violett und Ultraviolett erfolgt so langsam, daß z. B. Licht von einer Wellenlänge von 360 uu, Ultraviolett, noch einen ebensogroßen Reiz ausübt wie Blau von 490 uu. Für unsere Betrachtung von Wichtigkeit sind folgende zwei sich daraus ergebenden Tatsachen: 1. Für chlorophyllfreie wie chlorophyllhaltige Pflanzen liegt die größte Helligkeit im kurzwelligen ‚Teil des Spektrums, im Blau. 2. Für die chlorophyllhaltigen Pflanzen hat auch das Ultraviolett einen hohen Reizwert. Hess?) konnte an den Keimlingen von Senf, Kresse, Kohl und Hafer genaue messende Untersuchungen über den Reizwert der Farben mittels Farbfiltern und homogenen Farben anstellen. Es wurde (a. a. O., p. 483ff.) mit den Farbfiltern in der Weise eine motorische Gleichung zwischen der Pflanze einerseits und dem wirbel- losen Tier (sowie dem dunkeladaptierten Menschenauge) andererseits aufgestellt, daß der Punkt festgelegt wurde, bei dem der betreffende Organismus keine Reaktion mehr zeigt, wenn er von der einen Seite vom farbigen Licht, von der anderen von verschieblichem weißen Licht beleuchtet wird. Dabei ergab sich folgendes: Rot (Kupferrubin F2745 Schott) hatte für die Wirbellosen und den Dunkeladaptierten einen, wenn auch geringen Reizwert, für die Pflanzen dagegen gar keinen. Gelb (Gelbglas dunkel F 4313 Schott) hatte für die Pflanzen einen 50mal geringeren, Grün (Grünfilter 1) BLAAUW, Die Perzeption des Lichtes, in: Rec. trav. botan. néerland, Vol. 5, p. 209 ff., 1909. — Ders., Licht und Wachstum, in: Ztschr. Bot., Vol.6, 1914; Vol. 7, 1915. — Ders, Die Erklärung des Phototropismus, in: Meddel. Landbouwhoogeschool. Lab. Plantenphysiol. Wageningen 1918. 2) v. Hess, C., Messende Untersuchungen über die Beziehungen zwischen dem Heliotropismus der Pflanzen und den Lichtreaktionen der Tiere, in: Ztschr. Bot., Jg. 11, p. 481 ff, 1919. 14 H. ERrHARD, F4390 Scuort) einen 4 mal geringeren, Blau (Blaufilter F 3873 Scuort) dagegen einen 8 mal größeren, das Blauviolett (Blauuviolglas F 3653 ScaoTT) einen 30 mal größeren Reizwert als für die Wirbellosen und den dunkeladaptierten Menschen. Von zwei für uns fast gleich- farbigen und gleichhellen Blau hatte das ultraviolettreichere für die Pflanzen fast die doppelt so starke Wirkung wie das ultraviolett- ärmere Blau. — Im Spektrumversuch (a. a. O., p. 492ff.) erwiesen sich Strahlen von 475—465 uu, also Blau, für die Pflanze am wirk- samsten. Die heliotropische Wirksamkeit sank schon bei 500 my, also Grün, und bei 430—420 un, also Violett, auf 4/,,. Gelbgrün bis Grün von 535—525 uu Wellenlänge hatte „auf die Pflanzen nur noch äußerst geringe heliotropische Wirkung“ (a. a. O., p. 497). Da an Protophyten noch wenige Untersuchungen mit farbigen Lichtern ausgeführt worden sind, so benutzte ich die Gelegenheit, die Reaktionen von Volvox auf verschiedene Farben zu beobachten. In Ermanglung eines Spektrums mußte ich mich mit farbigen Gläsern begnügen, die dem im übrigen völlig verdunkelten plan- parallelen Untersuchungsgefäß auf der einen Seite vorgesetzt wurden. Die spektroskopische Untersuchung der aus gewöhnlichem Fensterglas bestehenden Farbgläser ergab, daß ihre Farben nicht rein waren. Ich habe mich bemüht, die Zusammenstellung so zu machen, daß Nebenfarben nicht allzusehr störten und daß die Helligkeit der Farbgläser für mein helladaptiertes Auge vergleichsweise gleich er- schien. Wurde die eine Hälfte des Gefäbes mit Rot, die andere mit einem helleren oder gleichhellen Orange beleuchtet, so schwamm Volvox nach Orange. Selbst wenn das Orange deutlich dunkler war, blieb die Verteilung der Kolonien in beiden Hälften die gleiche. Ebenso sammelten sich bei gleicher Helligkeit für das menschliche Auge die Kolonien im Falle der Orange-Grüngleichung in Grün, der Rot-Grüngleichung in Grün, der Rot-Blaugleichung in Blau an. Wurde nun — und darauf möchte ich besonderen Nachdruck legen — Gelbgrün mit einem gleichhellen Blaugrün verglichen oder Grün mit einem gleichhellen Blau, so fanden sich im Blaugrün etwas mehr Organismen als im Gelbgrün, im Blau mindestens ebensoviele Orga- nismen vor wie im Grün. Daraus folgt, daß für diese positiv photo- tropischen Protophyten den stärksten Reiz grünes oder gar blaues Licht ausübt. VoWwox verhält sich also farbigen Lichtern segenüber genau so wiediehöheren chlorophyl Tune den Pflanzen. Kritik von J. Lors’s Tropismenlehre. 15 Es gibt aber, wie Hess) (a. a. O., p. 704) hervorhebt, kein ein- ziges Tier für das die größte Helligkeit im Blau oder Grün sich PER 402 600 550 500 : 450 400 350 Fig. G. Die Abscisse stellt die Wellenlänge des Lichts in «« dar; die Ordinaten die phototropische Wirkung. Die punktierte Kurve gilt fiir Phycomyces, die aus- gezogene fiir Avena. (Nach Buaauw aus Jost.) JG af Sees — en FIRE RS NUE CEE ENS HAN ING P| a Rn 4 N i iS Fig. H. Kurven der relativen Helligkeiten der homogenen Lichter für das total- farbenblinde und für das normale dunkeladaptierte Menschenauge. (Nach Herına aus Hess.) 1) v. Hess, C., Gesichtssinn, in: WINTERSTEIN’s Handb. vergl. Physiol., Vol. 4, p, 555ff., Jena 1913. — Ders., Neue Versuche über Lichtreaktionen bei Tieren und Pflanzen, in: Münch. med. Wochenschr., Jg. 1914, No. 27, p. 1489ff. — Ders., Messende Untersuchungen über die Beziehungen usw., in: Ztschr. Bot., Jg. 11, p. 481 ff, 1919. 16 a H. ErHARD, befindet. Hess hat in zahlreichen Arbeiten gezeigt, daß den größten Helligkeitswert für die wirbellosen Tiere und die Fische das Gelbgrün bei etwa 535—530 uu Wellenlänge hat, ebenso wie für das dunkeladaptierte menschliche Auge (Fig. H). Für die höheren Wirbeltiere haben die Farben im wesent- lichen die gleichen Helligkeitswerte wie für das helladaptierte menschliche Auge. Die größte Helligkeit liegt also im Gelb etwa bei 580 uu Wellenlänge. Die Abweichungen von dieser Regel bei manchen Wirbellosen und bei Vögeln sind nur scheinbare. Infolge der Fluoreszenz des Auges mancher wirbelloser Tiere, namentlich der Ameisen, werden ultraviolette Strahlen in langwelligere Strahlen umgewandelt. So kann es kommen, daß ultraviolettarmes Licht von einer Farbe, die für wirbellose Tiere einen größeren Helligkeitswert haben müßte, für diese weniger hell wirkt als ultraviolettreiches sonst für sie weniger helles Licht. Im Auge der Vögel endlich wird durch orangegelbe Ölkugeln ein Teil des Violett und Blau ganz absorbiert, diese Teile des Spektrums werden also nicht gesehen. Eine ganz besondere Stellung spektralen Farben gegenüber nehmen unter den Pflanzen die Purpurbakterien ein, da für diese den größten Helligkeitswert Rot und Ultraviolett besitzen, wie schon früher ENGELMANN und neuerdings wieder Buper !) festgestellt hat. Ob dabei die ultraroten Strahlen als solche wirken oder — in Analogie mit der Reaktion auf Ultraviolett bei Tieren durch Fluoreszenz — erst, nachdem sie durch einen Stoff im Pflanzen- körper in Strahlen des für uns sichtbaren Spektrums umgewandelt sind, läßt sich nicht sagen. Wir ersehen aus all dem, daß die Farben für die Tiere ganz andere Helligkeitswerte haben wie für die chloro- phyllhaltigen (und auch die chlorophyllfreien) Pflanzen und daß keinerlei Identität zwischen pflanzlichem und. tierischem Phototropismus besteht. Log (a. a. O., p. 465)°) erwähnt weiterhin, daß der Photo- . tropismus der Pflanzen dem Bunsen-Roscor’schen Gesetz zu ver- gleichen sei. Dieses besagt, „daß innerhalb sehr weiter Grenzen gleichen Produkten aus Intensität und Insolationsdauer gleiche 1) BuDER, J., Zur Kenntnis des Thiospirillum jenense und seiner Reaktionen auf Lichtreize, in: Jahrb. wiss. Bot., Vol. 56, p. 529ff,, 1915. 2) Vgl. auch LoEB, J. u. Ewaup, W. F., Uber die Gültigkeit des BUNSEN-ROSCOE’schen Gesetzes für die heliotropischen Erscheinungen bei Tieren, in: Ctrbl. Physiol., Vol. 27, 1914. Kritik von J. Lors’s Tropismenlehre. 47 Schwärzungen auf Chlorsilberpapier von gleicher Sensibilität ent- sprechen“. Hiernach ist es also gleichgültig, ob die gleiche Licht- menge durch kurzdauernde starke oder durch langdauernde schwache Bestrahlung erzielt wird. Jost (a. a. O., p. 627—628) bestätigt dies. Voraussetzung ist natürlich, daß die unterste Schwelle, die überhaupt noch einen Reiz auslöst, erreicht wird. So fand BLaauw, daß Avena-Keimlinge sowohl reagieren, wenn sie 43 Stunden lang mit 0,00017 Meter- kerzen belichtet wurden, was 26,3 Meterkerzen-Sekunden entspricht, als auch bei !/,ooo Sekundenbelichtungsdauer mit 26520 Meter- kerzen, was 26,5 Meterkerzen-Sekunden ergibt. Der Phototropismus aller augentragenden Tiere scheint, wie besonders Hess nachgewiesen hat, davon schon insofern verschieden zu sein, als die Schwelle der Lichtempfindung von der Adaptation abhängt. Sollte bei Pflanzen auch die Adaptation mitspielen, so kommt ihr jedenfalls hier nicht die gleiche Rolle wie bei den Tieren zu. Sonst wäre ihre Wirkung bei den zahlreichen lichtsinnes- physiologischen Versuchen an Pflanzen längst untersucht und messend bestimmt worden. Ist die Schwelle der Lichtempfindung bei Tieren überschritten, so ist nur bei kurzdauernden Lichtreizen die photo- tropische Reaktion bis zu einem gewissen Grad bedingt durch das Produkt aus Intensität und Einwirkungszeit des Lichtes. Beim Ver- gleich blitzartig verlaufender starker und stunden-, ja tagelanger schwacher Reize ist dieses Gesetz im allgemeien nicht gültige. Eher könnte man noch sagen, daß die phototropischen Reaktionen mancher Wirbelloser, besonders freibeweglicher Tiere, wie z.B. der niederen Krebse dem Alles- oder Nichts-Gesetz folgen.!) Ist einmal die Reizschwelle überschritten, so reagieren diese Tiere, und die Reaktion wird nicht deutlicher, selbst wenn die Zeit der Belichtung länger dauert oder die Stärke der Belichtung zunimmt. So konnte 7. B. Hess?) (a. a. O., p. 424) zeigen, dab Serpula contortuplicata schon bei einer Lichtstärkeverminderung von 1:0,95 seine Tentakel- krone einzieht. Nur unmittelbar an der Grenze des Schwellenwertes geschieht dieses Zurückziehen nicht ganz plötzlich, sondern erfolgt nach etwa einer Sekunde. Bei allen größeren Unterschieden der Belichtung treten die Tentakeln sofort ruckartig in das Gehäuse zurück. Von Wichtigkeit ist nur, daß die Lichtstärkenabnahme sehr 1) VERWORN, M., Erregung und Lähmung, Jena 1913. 2) v. Hess, C., Untersuchungen über den Lichtsinn mariner Würmer und Krebse, in: PFLÜGER’s Arch., Vol. 155, p. 421ff., 1914. Zool. Jahrb. 39. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 2 18 H. Erwan, rasch erfolet. Geschieht diese sehr langsam, so reagieren die Tiere nicht, selbst wenn es sich um sehr viel bedeutendere Lichtunter- schiede handelt. Herr Geheimrat von Hess hatte die Liebens- würdigkeit, mir die Versuche vorzuführen. Es genügte, dab, falls das Aquarium im Hintergrund des Zimmers aufgestellt war, jemand an der Fensterseite vorbeiging. In dem Augenblick, in dem die Beschattung durch den Körper in dem ja bereits im Schatten liegenden Zimmer eintrat, zog sich Serpula blitzschnell zurück. Ein a b Fig. J. „Daphnienauge bei verschiedenen, durch verschiedene Belichtungsrichtung bedingten Augenstellungen“. (Aus Hess.) weiteres Beispiel für das Alles- oder Nichts-Gesetz bei einem Licht- reiz bietet die Augenbewegung von Daphnia (Abb. 9).1)?) Die Reizschwelle ist hier bei einem Verhältnis der Lichtstärke des Reiz- lichtes von 1 zu 1,5 gegeben (Huss, a. a. O., p. 633). Ist diese Schwelle etwas überschritten, so erfolgt Erhellungs-, bzw. Ver- dunklungsbewegung in normalem Ausschlag. Beispiele für thigmo- taktische Reaktionen dieser Art sind u. a. Serpula und Vorticellen. Bei der leisesten überhaupt noch wahrgenommenen Erschütterung erfolgt völliges Einziehen der Tentakeln, bzw. Aufrollen des Stieles. 1) v. Huss, C., Gesichtssinn, in: WINTERSTEIN’s Handb. vergl. Physiol., Vol. 4, p. 555ff., 1913. 2) ERHARD, H., Beitrag zur Kenntnis des Lichtsinnes der Daphniden, in: Biol. Ctrbl., Vol. 33, p. 494 ff., 1913. | 4 wf 4 af Sr Kritik von J. Lors’s Tropismenlehre. 19 Höchstens kann man hier gerade an der Schwelle des wirksamen Reizes eine unvollständige Reaktion wahrnehmen. Lozs (a. a. O., p. 464) bringt auch die Progressivbewegung der Tiere zum Licht oder vom Licht weg in Beziehung zum Bunsen-Roscor’schen Gesetz einerseits und zum bheliotropischen Pflanzenwachstum andererseits. Er glaubt nämlich, daß, wie schwache heliotropische kurzdauernde Reize noch kein völliges Hinneigen der Pflanze zum Licht bedingen, auch die Tiere bei geringer Stärke des Reizlichtes „nicht geradlinig zur Lichtquelle gehen, schließlich aber doch an die Lichtseite des Gefäßes gelangen“. Nur bei einem stärkeren Lichtreiz soll nach Log sich das positiv phototropische Tier in gerader Richtung auf die Lichtquelle zu bewegen. Auf dieser Beobachtung fußend, begründet er seine mechanistische Auf- fassung des tierischen — wie pflanzlichen — Heliotropismus folgender- maßen: „Nehmen wir an, daß ein positiv heliotropisches Tier seit- lich vom Licht getroffen werde. Dann tritt eine mechanische Wendung des Kopfes zur Lichtquelle ein, wenn die Differenz der photochemischen Reaktionsprodukte auf beiden Seiten einen gewissen Wert übersteigt. Bei genügend hoher Lichtintensität tritt das fast momentan ein, und deshalb kann ein solches Tier, wenn es einmal in die Richtung der Lichtstrahlen eingestellt ist, sich nicht aus der- selben entfernen, ohne daß der Schwellenwert, der zur Drehung des Kopfes nötig ist, sofort erreicht und die Abweichung aus der helio- tropischen Orientierung mechanisch korrigiert wird. Ist die Licht- intensität aber gering, so kann das Tier längere Zeit aus der ge- raden Richtung abweichen, ohne daß der Zwang zur richtigen Orientierung sich bemerkbar macht. Die Autoren, welche annahmen, daß zwischen beiden Fällen ein prinzipieller Unterschied besteht, begingen den Fehler, das Massenwirkungsgesetz außer acht zu lassen.“ Wir werden an späterer Stelle (S. 42—44) noch besonders auf die mechanische Erklärung des Heliotropismus zu sprechen kommen. Hier sei nur bemerkt, daß gerade bereits die niederen noch nicht in größerem Umfang mit Assoziationsbahnen versehenen Tiere bei schwacher Lichtreizung keineswegs in schräger Richtung, sondern in der Regel direkt gerade auf die Lichtquelle zugehen, genau so wie bei sehr viel stärkerer Lichtreizung. Desgleichen findet die Erhellungs- und Verdunkelungsbewegung der niederen Krebse, das Steigen und Sinken im Wasser, bei geringen Reiz- unterschieden ebenso statt, wie bei größeren Reizverschiedenheiten. Nur an der Grenze der Reizschwelle kann man im Zweifel sein, ob 2* 20 H. ERHARD, eine Reaktion erfolgt ist oder nicht.!) Bei allen darüber hinaus- gehenden Reizen bleibt die Reaktion annähernd die gleiche. Nur in einem einzigen Fall scheint ein Vergleich zwischen dem pflanzlichen und dem tierischen Heliotropismus, was das BuNSEN- Roscoe’sche Gesetz betrifft — nicht, was z. B. die Wirkung der Wellenlänge des Lichts betrifft — angängig. Wenn nämlich, wie das von Lo (a. a. O., p. 459—462) geschieht, die heliotropi- sche Wachstumskrümmung festgewachsener Tiere mit der der Pflanzen verglichen wird. Hier scheint es in der Tat so zu sein, daß ein wochenlanger schwächerer Lichtreiz den gleichen Er- folge hat wie eine nur tagelange, dafür aber stärkere Belichtung. Dagegen rufen hier anscheinend minutenlange oder sekundenlange stärkste Belichtungen nicht eine ebenso starke Reaktion hervor wie ein in Meterkerzen-Sekunden gleiches langdauerndes Licht. Genaue messende Untersuchungen hierüber liegen aber meines Wissens noch nicht vor. Wenn sich die heliotropischen Wachstumskrümmungen der fest- gewachsenen Tiere wirklich denjenigen der Pflanzen bis zu einem gewissen Sinn vergleichen lassen, so fallen sie damit eben aus dem Rahmen der übrigen tierischen tropistischen Reaktionen heraus. Für solche Wachstumskrümmungen müßten dann ähnliche Ursachen an- genommen werden wie für die der Pflanzen. Vielleicht würde es sich dann auch empfehlen, zwischen „Tropismus“ festgewachsener Organismen und „Taxis“ freibeweglicher Lebewesen zu unterschei- den, wie dies ja in der Botanik üblich ist. Die rein mechanistische Erklärung Loe#’s für die Zuwendung zum Licht, die an späterer Stelle (S. 42—44) besprochen werden soll, und die, ae wir sehen werden, für das Tierreich versagt, vermag schon kaum für das Pflanzenreich zu genügen. Los stellt sich vor, daß der „Phototonus“ der dem Licht zugewandten und der abge- wandten Körperseite ein verschiedener wird, wodurch eine zwangs- läufige Krümmung zum Licht erfolgt. Es krümmen sich aber, wie Jost (a. a. O., p. 633) sagt, keineswegs alle normalen Pflanzen in gleicher Weise zum Licht: „Fällt auf normal orientierte Pflanzen einseitiges Licht horizontal ein, so stellen sich... . manche direkt in die Lichtrichtung ein (Phycomyces, Pilobolus, Vicia sativa), andere (Lepidium, Avena) bilden einen kleinen Winkel mit ihr; wieder an- 1) ERHARD, H., Lichtsinnesversuche*an niederen Krebsen, in: Zool. Jahrb., Physiol. (erscheint demnächst). Kritik von J. Loxs’s Tropismenlehre. 21 dere (Phaseolus, Helianthus) weichen nur wenig von der Horizontal- stellung ab.“ Man müßte also mindestens annehmen, daß außer dem „Phototonus“ noch ein anderer die heliotropische Reaktion unter Umständen hemmender Tonus maßgebend sein kann. Für Reizreaktionen tierischer Organismen gilt bekanntlich das WEBER'’sche Gesetz, soweit es sich nicht um sehr schwache oder äußerst starke Reize handelt. Dieses Gesetz besagt, daß mit steigender Reizstärke der Unterschied zweier Reize nur dann wahr- genommen werden kann, wenn der Unterschied proportional der Reizgröße zunimmt. Für Pflanzen gilt dieses Gesetz nicht, auch nicht für die Purpurbakterien, wie BupER !) neuerdings zeigen konnte. Aus diesen wenigen Beispielen, die sich sicher noch vermehren ließen, ist schon zu erkennen, daß die Behauptung Lorpg’s, der pflanzliche und der tierische Tropismus seien identisch, nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. 4. Gibt es eine Sensitivierung gegen heliotropische Lichtwirkung und Umkehr des Heliotropismus durch ein anderes Reizmittel? Daß im Zustand herabgesetzter Lebensenergie die Reaktionsstärke durch alle diejenigen Mittel, die in der Physiologie als anregend bekannt sind, zunimmt, ist selbstverständlich. Es handelt sich aber dabei nicht um eine ,Sensitivierung“ normaler Tiere für Lichtreize durch diese chemischen Stoffe, wie Lozs (a. a. O., p. 468ff.) glaubt, sondern um eine Auffrischung der Lebensgeister erschöpfter Tiere durch Stimulantia. Man sollte übrigens diese Sensitivierung oder Sensibilisation anders benennen, da mit einer „photobiologischen Sensibilisationswirkung“ in der Physiologie ein ganz anderer Vorgang gemeint ist. Man versteht nach HAUSMANN darunter die Tatsache, daß mit Hämatoporphyrin subkutan injizierte Mäuse im Dunkeln weiterleben, im Licht dagegen rasch zugrunde gehen, eine Erscheinung, die nach H. Fischer und Mryrer-Berz nur bei Verwendung von krystallisiertem Hämatoporphyrin und nicht von ganz reinem krystallisiertem Mesoporphyrin zu beobachten ist. ?) Log gibt weiterhin an (a. a. O., p. 470), daß es ihm gelungen 1) BUDER, J., Zur Kenntnis des Thiospirillum jenense und seiner Reaktionen auf Lichtreize, in: Jahrb. wiss. Bot., Vol. 56, p. 529ff, 1915. 2) Zitiert nach HAMMARSTEN, O., Lehrbuch der physiologischen Chemie, 8. Aufl., p. 276, Wiesbaden 1914. 29 H. ErHARD, sei, „indifferente und sogar negativ heliotropische Exemplare“ von Daphnien und Copepoden „durch Säuren positiv heliotropisch gemacht“ zu haben. Dazu ist zu bemerken, daß sich auch die zahlreichen von Huss untersuchten Copepoden stets als positiv, nie als negativ phototropisch erwiesen. Aus eigener Erfahrung kann ich dies für Cyclops strenuus bestätigen. Von den Daphniden war schon die Rede. Das abweichende Ergebnis von Log ist wohl so zu erklären, daß er teils mit müden Tieren gearbeitet hat, teils die Lichtbrechung in den von ihm benutzten runden Gefäßen nicht berücksichtigt hat. Belichtet man z. B., wie dies LoE&B getan hat, eine Petrischale von einer Seite, so befinden sich in ihrem Innern zwei helle Lichtkegel, der eine an der Lichtseite, der andere an der entgegengesetzten Seite. Wenn wir also auch Tiere in der von der Lichtquelle am weitesten entfernten Stelle der Schale vorfinden, so ist das kein Beweis, daß sie negativ phototropisch, sondern ein Beweis, daß sie positiv phototropisch sind. Man darf deshalb zu solchen Versuchen, wie Hess gezeigt hat, nur planparallele Gefäße verwenden und muß selbstverständlich die der Lichtquelle abgekehrte Seite völlig ver- dunkeln, so daß von der Gegenseite kein reflektiertes Licht eindringen kann, um eindeutige Resultate zu bekommen. Wenn ich die ganz gleichen Tiere, die positiv phototropisch waren, in eine Petrischale brachte, so sammelte sich immer auch ein Teil im Lichtkegel der von der Lichtquelle am weitesten entfernten Seite an. Ebenso schwammen in einer am Fenster stehenden Glaswanne immer auch einige Tiere auf der Gegenseite, wenn diese reflektiertes Licht empfing und nicht abgeblendet war. Ich glaube aber immerhin Lors, daß es gelingt, die phototropische Reaktion eines Tieres durch ein anderes Reizmittel in das Gegenteil zu verwandeln, nur bin ich, was die Deutung dieser Reaktion be- trifft, anderer Ansicht als Los. Wir müssen hier unterscheiden: Wirkt das neue Reizmittel einseitig oder allseitig auf das Versuchstier ein. Diese Unter- scheidung ist von LoEB nicht genügend gemacht worden. Vor allem gilt es hier zu untersuchen, ob das neue Reizmittel für sich allein eine positive oder negative Reaktion auslöst. Wirkt es nun einseitig ein, so ist bei positiver Reaktion des Versuchstieres auf beide Reize selbstverständlich, daß es sich dann auf die Reizquellen in beschleunigtem Maße zubewegt, wenn die Reize aus ein und derselben Richtung kommen. So entstehen vier Kritik von J. Lors’s Tropismenlehre. 23 Möglichkeiten, und es fragt sich nur bei Einwirkung der beider- seitigen Reize, wenn sie entweder gleichbedeutend aus verschiedener Richtung kommen oder entgegengesetzte Reaktion auslösend aber aus gleicher Richtung kommen, welcher Reiz von ihnen der stärkere ist. Für den letzteren Fall habe ich!) an anderer Stelle ein Bei- spiel gegeben: Oniscus murarius und Porcellio scaber sind negativ phototrop und negativ thermotrop (bei höheren Temperaturen). Die Tiere gehen nur dann in das Dunkle, wenn beide Seiten des Gefäßes annähernd gleiche Temperatur haben, meiden aber vermöge ihrer hohen Empfindlichkeit.auf thermische Reize sofort die dunklere Seite des Gefäßes, wenn in ihr die Temperatur etwas höher ist. Hierbei handelt es sich aber selbstverständlich nicht um eine Umkehr des Phototropismus, sondern lediglich darum, daß der thermische Reiz stärker auf die Asseln einwirkt als der photische Reiz. Durch chemische Reize läßt sich in der Tat eine Umkehr der Reaktion mancher Tiere erzielen. Log (a. a. O., p. 470) gibt als chemische Reizmittel, die den Phototropismus umkehren, Säuren und Alkohole an. Hierzu ist zu bemerken, daß diese beiden Stoffe in der’ Physiologie als Bewegungs- beschleunigend sowohl für die Proto- plasma-, wie die Wimper- und Muskelbewegung bekannt sind ?). Sie bewirken aber — in nicht zu starker Konzentration — stets, wie dies besonders überzeugend ENGELMANN für die Wimperbewegung dargetan hat, nur eine Beschleunigung in der Richtung der Progressivbewegung. Immer handelt es sich also bei einer Einwirkung eines solchen chemischen Reizes auf ein photo- tropisches Tier um eine Beeinflussung des Bewegungsapparates auf muskulärem oder nervösem Weg, der hierbei ähnlich zwangsläufig reagiert wie auf die später zu besprechenden galvanischen Reize. Hinter diese zwangsläufige Reaktion kann natürlich die Instinkt- 1) ERHARD, H., Lichtsinnesversuche an niederen Krebsen, in: Zool. Jahrb., Physiol. (erscheint demnächst), 2) ENGELMANN, TH. W., Uber die Flimmerbewegung, in: Jena. Ztschr. Med. Naturw., Vol. 4, 1868. — Ders., Physiologie der Proto- plasma- und Flimmerbewegung, in: HERMANN, Handb. Physiol., Vol. 1, Teil 1, 1879. — VERWORN, M., Allgemeine Physiologie, 6. Aufl., Jena 1915. — Ders., Erregung und Lähmung, Jena 1914. — JENNINGS, H. S., Das Verhalten der niederen Organismen. Übersetzt von MANGOLD, Leipzig 1910. — ERHARD, H., Methoden zur Erforschung der Proto- plasmabewegung. Methoden zur Erforschung der Geißel-, Wimper- und Spermatozoenbewegung. Beides wird erscheinen in: ABDERHALDEN, Handb. biol. Arbeitsmethoden, Wien-Berlin. 24 H. Eruarp, reaktion des Tieres zurücktreten. Damit hat sich aber der Photo- tropismus als solcher nicht geändert. Lors erwähnt ferner einige Beobachtungen von Umkehr des Heliotropismus bei sich entwickelnden Tieren (a. a. O., p. 471). So sollen die Larven von Dalanus perforatus und von Limulus polyphemus gleich nach dem Ausschlüpfen positiv phototropisch, die späteren Entwicklungsstadien dagegen negativ phototropisch sein. Nach Hapuey’) sind Hummerlarven zwei Tage nach dem Ausschlüpfen positiv, dann negativ phototropisch bis kurz vor der Häutung, dann wieder positiv phototropisch. Hier handelt es sich offenbar um eine für diese Tiere wichtige biologische zweckmäßige Reaktion wie z.B. für die junge Fischbrut. Die letztere ist bekanntlich auch im Gegensatz zu den erwachsenen Fischen sehr stark positiv photo- tropisch, weshalb sie zu zahlreichen Lichtsinnesversuchen verwandt worden ist?) Der positive Heliotropismus führt die Brut in die- jenigen Wasserregionen, in denen am reichlichsten Nahrung für sie vorhanden ist. Durch Erschütterung soll es nach Logs (a. a. O., p. 471—472) möglich sein, Cypridopsis positiv heliotropisch ?) oder den sonst positiv heliotropischen Gammarus negativ heliotropisch zu machen. Ich habe Gammarus pulex gleichfalls darauf untersucht. Bei einmaliger Erschütterung des Gefäßes schrecken die Tiere augenblicklich zwar auf, bleiben aber noch im Hellen. Stößt man dagegen das Glas “mehrere Male hintereinander kräftig auf, so schwimmen sie ins Dunkle. Als Umkehr des Phototropismus braucht man diese Reaktion nach meiner Ansicht aber nicht zu deuten. Wir sehen nämlich, dab die in Wurzelgeflechten von Wasserpflanzen oder auf Tuffsteinen lebenden Tiere auch auf andere Reize hin, z. B. wenn sie aus dem Wasser genommen werden und ihnen Austrocknung droht, die dunkelsten Stellen aufsuchen, gewohnt auch im normalen Leben sich dorthin zu verkriechen. Demnach ist das Aufsuchen der Dunkelheit auf einen Reiz hin hier eine Instinkthandlung. Eine scheinbare Umkehr des Phototropismus kann ferner bei Mangel an Adaptation bei positiv phototropischen Tieren auf- 1) Hapury, PH. P., The reaction of blindet lobster to light, in: Amer. Journ. Physiol., Vol. 21, p. 180ff., 1908. 2) v. Hess, C., Untersuchungen zur Physiol. des Gesichtssinnes der Fische, in: Ztschr. Biol., Vol. 68, p. 245ff., 1914. 3) TOwLE, E. W., A study in the heliotropism of Cypridopsis, in: Amer. Journ. Physiol., Vol. 3, p. 345ff., 1900. | Kritik von J. Loz»’s Tropismenlehre. 25 treten. Das hat zuerst Hess!) gezeigt, indem er fand, daß die ganz gleichen niederen Krebse, „die kurz vorher so lebhaft auf das Licht zugeeilt waren, ... durch Dunkelaufenthalt von nur 2—3 Minuten so lichtscheu geworden sind, daß sie das nämliche Licht fliehen.“ (a. a. O., p. 267). Das gleiche zeigten alle von mir unter Anleitung von Herrn Geheimrat v. Hess untersuchten Tiere. Es wäre falsch, daraus den Schluß zu ziehen, daß der Mangel an Adaptation mehr oder weniger zwangsläufig hier den negativen Phototropismus auslöst, denn als hell empfindet ja auch das mangel- haft adaptierte, eigentlich positiv phototropische Tier selbstverständlich das Reizlicht. Wir wollen die Reaktion als instinktive Schreck- bewegung erklären. Das Wesen einer normalen Instinkthandlung besteht ja darin, daß sich der Organismus normalen, also gewohnten Reizen gegenüber „zweckmäßig“ verhält Normale Lichtreize wechseln aber im Leben der Daphniden so langsam, daß sie stets ein adaptiertes Auge treffen. Wenn dagegen aufeinen so ungewohnten Reiz, wie dies der Lichteinfall auf das nicht adaptierte Auge ist, eine koordinierte Handlung entgegen der Gewohnheit erfolgt, so kann diese nicht mechanisch als Reflex gedeutet werden. Ein koordinierter Reflex erfolgt nämlich immer im Sinne der Gewohnheit. Außer an verschiedenen niederen Krebsen habe ich die Wirkung der Adaptation auch an Gammarus pulex studiert. SMITH (zitiert aus LoEg p. 471) gibt an, daß Gammarus annulatus, aus dem Dunkel genommen, während der ersten zehn Minuten entweder indifferent oder schwach positiv oder negativ heliotropisch ist. Er bringt dies in Zusammenhang mit der von Parker bei Gammarus gefundenen Pigmentwanderung im Auge, die eine Stunde dauert, in den ersten fünfzehn Minuten nach der Belichtung aber zum größten Teil schon erfolgt ist. Die von mir untersuchten Gammarus zeigten bei Dunkel- adaptation und plötzlicher greller Belichtung erst eine Latenzzeit von einigen Sekunden. Dann schwammen die Tiere in äußerst leb- hafter Weise in Hell und Dunkel fünf Minuten hin und her, worauf sie sich allmählich beruhigten und zum größten Teil im Hellen niederließen. Von einer Umkehr des Heliotropismus kann auch hier, wenn selbst vielleicht etwas mehr Tiere im Anfang des Versuches das Dunkel aufsuchten, nicht die Rede sein, sondern das Ganze macht den typischen Eindruck einer Schreckreaktion. 1) v. Hess, C., Der Lichtsinn der Krebse, in: PFLÜGER’s Arch., Vol. 174, p. 245, 1919. 26 | H. ERHARD, Für spätere Untersucher bemerke ich, daß nach den bisherigen Erfahrungen an Tieren erst nach Verlauf von mindestens einer halben Stunde von völliger Dunkeladaptation gesprochen werden kann. Hess !) hat z. B. messende Versuche am gewöhnlichen und am albinotischen Tagvogelauge sowie am Nachtvogelauge angestellt (a. a. O., p. 568ff.) und am letzteren gefunden, daß von 5 Min. zu | Fig. K. Adaptationskurven für das normale Auge (Herr Dr. Lang) (aus- gezogene Linie) und das 150000 120000 140000 i mone Auge (mein Auge) (gestrichelte Linie). 130000 Aufgenommen von Herrn Dr. H. Orta. Die Abszisse gibt die Anzahl der Minuten. die Ordinate die reduzierten Empfindlichkeitswerte an. Das nor- pee. male Auge erreicht bei 30 Minuten 100000 in diesem Fall 260 000. oe a eee ee ee ee os aa | Der Unterschied zwischen dem nor- 80000 malen Auge und dem myopen Auge ee wa Dana Zum Skala „des betreffenden "benutzten Deine 500001 en BT aaa zur tatsächlichen Blendenweite in 40000 einem falschen Verhältnis steht. Da a oe M 30000 es hier aber nicht darauf ankommt, gee aan den Da zwischen 20000 em normalen und dem myopen Auge RT con Seaton sondern ur ige Kae besteht, so wurden die Kurven mit Se 27 30 dem im übrigen vorzüglichen Appa- rat aufgenommen. 30 Min. die Helligkeitswahrnehmung um das Neunfache zunimmt. Beim Menschen nimmt die Adaptation in den ersten 30 Min. stark zu, bleibt dann fast konstant und ist völlig nach 2 Std. durch- geführt. Adaptationskurven hat zuerst NAGEL gezeichnet. Ich gebe hier einen Adaptationsbefund für ein normales und für mein myopes (8 Dioptrien) Auge mit dem Nacer’schen Adaptometer (Fig. K). Die herabgesetzte Adaptation des kurzsichtigen Auges beruht hier nur auf einer Schädigung der Netzhaut und Aderhaut durch Dehnung in die Länge. Mit dem Auflösungsvermögen des Auges an sich hat die Adaptationsfähigkeit nichts zu tun. Tiere, die en sehen, können also u. U. nicht nur auf Hellieketsuntenciie D): Hye C., Gesichtssinn, in: WINTERSTEIN’s Handb. vergl. Physiol., Vol. 4, Jena 1913. Kritik von J. Lors’s Tropismenlehre. DT feiner reagieren, sondern ihr Auge kann sich auch ev. besser adap- tieren als das von Tieren mit besserem Auflösungsvermögen. Zur Bestimmung des Phototropismus eines Tieres ist jedenfalls unerläßliche Voraussetzung, daß man dasselbe sich vorher an ein Licht von ähnlicher Stärke, wie es das Reizlicht des Versuches ist, adaptieren läßt. Log spricht davon, er habe „durch Abkühlung bei vielen Formen positiven Heliotropismus induziert, während Zunahme der Temperatur diesen positiven Heliotropismus beseitigt“ (a. a. O., p. 480). Hier handelt es sich also um ein neues allseitig wirkendes Reiz- mittel. Der Versuch ist allerdings richtig. Wenn ich positiv phototropische Tiere allseitig beleuchtete und gleichzeitig die Temperatur im Versuchsgefäß erhöhte, so konnte freilich der Fall eintreten, daß die niederen Krebse nicht die Erhellungsreaktion des Steigens im Gefäß zeigten, sondern zu Boden sanken. Der Fall trat aber nur ein, wenn die Temperatur so hoch war, daß sie, für sich allein angewandt, eine negative Reaktion ausgelöst hätte. Auch hier haben wir also einen Widerstreit der Empfindungen, und es siegt eben der stärkere Reiz, während die Empfindung für den schwächeren Reiz weder beseitigt noch umgekehrt ist, sondern ein- fach zurücktritt. Lors hat Recht, wenn er annimmt (a. a. O., p. 480), daß die täglichen Horizontalbewegungen vieler Wassertiere außer durch photische Reize auch durch chemische Reize (Sauerstoff- und Kohlen- säuregehalt des Wassers), Wärmereize usw. veranlaßt werden. Um so verwunderlicher ist es, daß er selbst bei seinen Versuchen über die Wirkung eines bestimmten Reizes solche Nebenreize, wie wir noch sehen werden, nicht immer ausgeschaltet hat. 5. Verläuft der Heliotropismus der niederen Krebse maschinenmäßig oder instinktiv? Es frägt sich nun, ob gerade diese scheinbar maschinenmäßig vor sich gehende tägliche Bewegung ein Beweis für die Lorp’sche Maschinentheorie des Lebens ist. Wir lassen, um dies zu untersuchen, nur einen die Vertikalbewegung sicher mit verursachenden Reiz, den Lichtreiz, im künstlichen Versuch auf positiv phototropische Tiere einwirken und schalten alle anderen „störenden“ Reize mit Ausnahme des stets vorhandenen und nicht zu entfernenden geotropischen Reizes aus. Die entsprechend adaptierten niederen Krebse werden ganz frisch in frischem Wasser, das keine Pflanzen enthält, belichtet 28 | H. ErHarp, (eine merkliche chemische Anderung des Wassers kann in kürzester Zeit also nicht eingetreten sein. Zwischen Versuchsgefäß und Lichtquelle wird ein Wassergefäß eingeschaltet, das zwar die Licht-, nicht aber die Wärmestrahlen durchläßt. Davon, daß die Temperatur während des Versuches gleichbleibt, überzeugt man sich durch ein Thermometer. Die positiv phototropischen Daphniden steigen empor, dem Licht entgegen, wenn dieses von oben kommt, sie schwimmen aber auch nach oben, wenn von der Seite oder gar von unten beleuchtet wird. Der Geotropismus wirkt stets gleich ein, kann also entweder ver- nachlässigt werden — oder wird, was noch richtiger ist, einem stets mit gleicher aber sehr geringer Kraft anziehenden Magneten zu ver- gleichen sein. Ein Stiick Eisen fallt, wenn auf dasselbe ein schwacher Magnet und die stärker wirkende Anziehungskraft der Erde aus verschiedenen Richtungen einwirken, selbstverstindlich zur Erde wenn auch durch den Magnet abgelenkt oder verzögert. Wirkt aber Magnet und Erde aus der gleichen Richtung ein, wie dies analog der Fall ist bei den von unten beleuchteten Daphniden, so fällt das Eisen selbstverständlich erst recht zur Erde, und zwar beschleunigt. Man müßte also nach der Tropismenlehre, wie sie Lors deutet, annehmen, daß von unten belichtete Daphniden erst recht nach unten gehen. Wenn sie hierbei nach oben gehen, so ist das nur so zu erklären, daß durch „Erfahrung“ — phylogenetisch oder ontogenisch erworbene Erfahrung — in ihnen ein Instinkt festgelegt ist. Dieser Instinkt ist durch die Tatsache hervorgerufen, daß Belichtung, die in der Natur immer von oben kommt, in höheren Lagen günstigere Lebensbedingungen schafft, indem sie das Wachs- tum chlorophyllhaltiger zur Nahrung dienender Pflanzen begünstigt, die außerdem noch den zum Leben der Daphniden nötigen Sauerstoff liefern. Natürlich ist zu dieser Folgerung keine „bewußte“ Ge- dankenkette nötig. PAULSEN !) hat recht, wenn er einmal sagt, es würde selbst in der großen Masse der Menschen viel mehr instinkt- mäßig als bewußt gehandelt, sogar bei relativ komplizierten Hand- lungen, und es sei ein Fehler der Philosophen, daß sie dieser Tat- sache viel zu wenig Rechnung tragen. WunDpT?) unterscheidet (a. a. O., p. 390) zwischen Reflexpsychologen, Instinktpsychologen und Intelligenzpsychologen. Ich möchte die meisten Tropismen 1) PAULSEN, F., Einleitung in die Philosophie, 29. u. 30. Aufl., Stuttgart 1919. 2) WunDT, W., Menschen- und Tierseele, 6. Aufl., Leipzig 1919. Kritik von J. Lors’s Tropismenlehre. 29 als durch erblich festgelegten oder individuell er- worbenenInstinkt und nichtdurch maschinenmäßigen Reflex hervorgerufen ansprechen. Endlich kann bei höheren Tieren sogar Intelligenz, bewußte Willens- handlung bei einertropistischen Reaktion mitspielen. Diese Anschauung deckt sich mit der Auffassung DEmoLzL's ?) über die Tropismenlehre, der Folgendes ausführt (a. a. O., p. 278— 279): „Die ganze Auffassung der Tropismen der mit Gehirnzentren be- gabten Tiere scheint mir daran zu kranken, daß man in ihnen ein Unveränderliches, ein Vererbtes, eine einfachste Verkettung zwischen Reiz und Reaktion sieht... . Die Auffassung der Nervenphysiologie und Psychologie der niederen Tiere pendelt immer noch zwischen den beiden Extremen und hält sich zu wenig in der Mitte. Die Tropismen bei den höheren Tieren, auch bei den Arthropoden sind nicht mehr die primitiven Reflexbogen, sondern sie sind zum Teil sicher schon auf die die Eindrücke verarbeitende und miteinander in Beziehung bringende Tätigkeit der Nervenzentren zurückzuführen. Bei einem primitiven Bahnhof, wo ein gegenseitiger Austausch der verschiedenen (Refiex-)Bahnen mit Hilfe von Weichen nicht vorge- sehen ist, wo das Wesen des Zentrums nur in einer Überkreuzung mit Hilfe von Überführungen besteht, braucht es keinen Weichen- wärter, keine Intelligenz. Gehen aber die für den Außenstehenden gleich schematisiert aussehenden (Reflex-)Bahnen durch ein großes Bahnzentrum (und der Weg Auge—Bein z. B. führt beim Krebs durch das Gehirn), das unzählige Verbindungen der Weichen enthält, so greift hier tiberall die Intelligenz, der Weichensteller, ein und muß hier eingreifen, auch wenn ein ebenso stereotyper Kurs für einen bestimmten Zug gefordert wird wie im ersten Fall. Durch ein kompliziertes Zentrum — dieser Eindruck hat sich in den letzten Jahren immer mehr bei mir verstärkt — kann ein Reflex- bogenüberhauptnichthindurchlaufen,ohne Typisches dieses höheren Zentrumsim geringeren oder stärkeren Maße in Mitleidenschaft zu ziehen.“ 6. Erklärung einer unzweckmäßigen Reaktion. Daß niedere Tiere sich ungewohnten Reizen gegenüber nicht immer „zweckmäßig“, sondern häufig „zweckwidrig“ verhalten, ist 1) DEMoLL, R., Antwort auf die Kritik von v. BUDDENBROCK, in: Biolog. Ztrbl., Vol. 39, p. 266 ff., 1919. 30 H. ERHARD, kein Beweis gegen diese Auffassung. Auch der Mensch tut, von einem ungewohnten Reiz betroffen, zuweilen das genaue Gegenteil von dem, was zweckmäßig wäre Von seinem Standpunkt aus hat Loge sicher recht, wenn er nicht das „Zweckmäßige“, sondern das „Zwangsläufige“ zum Kriterium eines Tropismus nimmt. Eine unzweckmäßige Reaktion ist das Fliegen der Schmetter- linge und das Kriechen der Raupen in das künstliche Licht. Ist sie deshalb rein mechanisch zu erklären? Schmetter- linge und Raupen sind in der Regel positiv heliotropisch, das hat Lo (a. a. O., p. 455—457) und später Hess?) u. a. an den eben ausgekrochenen Raupen des Goldafters, Porthesia chrysorrhoea gezeigt; der Fang des Nonnenfalters mittels elektrischer Bogenlampen ist allgemein bekannt. Der positive Heliotropismus ist bei den Porihesia- Räupchen ein durch Zweckmäßigkeit ausgebildeter Instinkt, da sie an der hellsten Stelle, den Spitzen der Sträucher, die ihnen zur Nahrung dienenden Triebe finden. Die Räupchen werden nur durch den Heliotropismus, nicht durch den Chemotropismus, gelenkt. Ist ein Ast verdorrt, so gehen sie an dessen Spitze zugrunde. Daß die Tiere zuihrem Schaden beikünstlicherungewohnter Licht- reizung ins Licht gehen, ist kein Beweis gegen eine Instinkthandlung, sondern im Gegenteil. Darin besteht ja das Wesen des Instinktes, daß er in gewohnten Verhältnissen das Richtige, in unge- wohnten oft das Falsche trifft. Es ist ganz falsch aus der unzweckmäßigen Reaktion auf einen ungewohnten Reiz hin zu schließen — wie dies Lora tut — die tierischen Tropismen seien vielfach von keiner lebenserhaltenden Wichtigkeit, sie seien oft eine mehr zufällige Erscheinung. Hess (a. a. O., p. 98) antwortet darauf folgendermaßen: „Eine solche Be- trachtungsweise scheint mir nicht besser, als etwa annehmen zu wollen, auch die Organe, die solche Reaktionen vermitteln und durchführen, Auge, Ohr, Flosse und Flügel, hätten sich gewisser- maben zufällig und ohne direkten Nutzen für den Besitzer entwickelt; könnte man doch auch sagen, daß vielen Tieren ihre Organe „das Leben gekostet“ haben.“ Eigenartig ist, daß die gleiche Reaktion, der Heliotropismus der Schmetterlinge, von anderer Seite weder als reiner Reflex noch als Instinkt, sondern als bewußte Willenshandlung erklärt wird. 1) v. Hess, C., Uber Lichtreaktionen bei Raupen und die Lehre von den tierischen Tropismen, in: PFLÜGER’s Arch., Vol. 177, p. 57ff, 2919: Kritik von J. Lors’s Tropismenlehre. 31 Man sagt: Die positiv phototropischen Schmetterlinge fliegen ja nicht in die Sonne, sie müssen sich also dessen „bewußt“ sein, daß dort nichts zu holen sei. Darauf ist zu erwidern: Der Instinkt ist ein stärkerer Leitstern als das Bewußtsein. Daß in der Sonne nichts zu suchen sei, „weiß“ der Schmetterling nicht, wie Romanzs glaubt, sondern er handelt dabei instinktiv, denn je mehr er sich von der Erde entfernt, um so ungünstiger werden seine Lebens- bedingungen. Darüber klären ihn bald seine Sinnesorgane auf, wenn er in größeren Höhen den Duft der Blüten vermissen, dagegen die ihm unerträgliche Kälte empfinden würde. Der positive Chemo- tropismus zu den Blüten und der positive Thermotropismus zur Erde würde bald stärker auf ihn einwirken als der positive Helio- tropismus zur Sonne. In der Regel setzt sich also der Hang zur nahrungspendenden Erde gegenüber dem nahrungsfreien Licht durch. Darauf wird erwidert werden: Wie kommt es aber, daß Nacht- schmetterlinge aus dunklem Gebüsch stets in die Mondhelle fliegen? Es ist so zu erklären, daß sie, wie Hess!) (a. a. O., p. 101) sagt, hier „mit Hilfe ihrer Augen leichter die Artgenossen finden, den Feind fliehen oder ihrer Nahrung nachgehen können“. Demorz erklärt den Umstand, daß diese phototropischen Tiere in diesem Fall nicht in die Lichtquelle (Mond) selbst fliegen, damit, daß bestimmend für ihre Progressivbewegung nicht das Licht, sondern die Dunkelheit der Umgebung sei. Er glaubt, daß für Tiere, die von einer mondscheinbestrahlten Stelle auffliegen, kaum eine Kontrast- wirkung der Dunkelheit gegeben ist. Die wichtigste Voraussetzung dafür, daß überhaupt eine helio- tropische Reaktion eines Tieres stattfinde, ist, wie Hess sagt, „dab das Tier dabei auch wirklich aus einer weniger lichtstarken in eine lichtstärkere Umgebung komme.“ Der Lichtstärkenunterschied nimmt aber bei der ungeheuren Entfernung von Sonne und Mond so un- merklich zu, daß dies für die Tiere gar nicht in Betracht kommt. Hess gebraucht den anschaulichen Vergleich, daß er sagt, so wenig jemand in der Abenddämmerung nach Westen laufen wird, um besser lesen zu können, so wenig werden positiv heliotrope Tiere in Sonne oder Mond fliegen. Damit erledigt sich auch die Theorie ParKer’s'), der den Umstand, 1) v. Hess, C., Über Lichtreaktionen bei Raupen und die Lehre von den tierischen Tropismen, in: PFLÜGER’s Arch., Vol. 177, p.57 ff., 1919. 2) PARKER, G. H., The phototropism of tho Mourning-cloak Butterfly, Vanessa antiopa Linn., Mark Annivers., Jg. 1903, p. 453 ff. 32 H. Eruarp, daß die Schmetterlinge nicht in die Sonne fliegen, damit erklärt wissen will, daß die Sonne eine zu kleine Reizfläche für ihr Auge bilde. Er steht geradezu auf dem Standpunkt, daß ein positivphoto- tropisches Tier im Falle der Wahl zwischen einer größeren, geringer beleuchteten und einer kleineren, aber heller leuchtenden Fläche, die erstere aufsuchen würde. Wir brauchen die Größe der Reizfläche der Sonne nicht in Be- ziehung zum Facettenauge zu setzen, da diese selbstverständlich be- deutend umfangreicher als der gesehene Körper der Sonne selbst ist infolge der durch das intensive Licht auf dem Auge erzeugten Zer- streuungskreise. Kein Organismus, der überhaupt lichtempfindlich ist, wird diese Lichtquelle wegen ihrer Kleinheit nicht wahrnehmen. Außerdem müßte ja nicht nur die Sonne seibst als Reizlicht wirken, sondern ebenso eine vielleicht die Hälfte des Horizonts einnehmende grell beleuchtete Wolke. Daß endlich die Helligkeit der beleuchteten Fläche und nicht die Größe derselben ausschlaggebend ist, das habe ich an einer anderen Stelle (S. 37) darzulegen versucht. Daß aber unter zwar abnormen, aber doch durch die Natur ge- gebenen Verhältnissen ein schädlicher Lichttrieb über einen nützlichen Nahrungstrieb siegen kann, dafür ein Beispiel, das ich im August 1908 beobachtet habe: Es traten damals im Zell am Seer-Tal im Kronland Salzburg plötzlich ungeheure Mengen von Kohlweißlingen auf. Nach etwa 14 Tagen waren diese Tiere größten- teils in der Ebene verschwunden, dagegen fand ich sie zu Millionen sterbend oder tot sowohl auf den zusammenhängenden Gletscher- flächen der Hohen Tauern wie auf den vereinzelten Schneeflecken des Steinernen Meeres und der südlichen Hochkaltergruppe. Wurden die Schmetterlinge vom hell leuchtenden Schnee vom Tal aus an- gezogen oder von vertikalen Luftströmungen in die Höhenregionen passiv verfrachtet? Ich glaube eher, daß das Letztere der Fall war, wenn auch gerade in dieser Zeit nur wenig Wind wehte Man kann sich nämlich nicht vorstellen, die kleinen oft noch dazu von der Ebene aus nicht sichtbaren Schneeflecken der nördlichen Kalk- alpen hätten auf eine so große Entfernung eine solche Anziehungs- kraft ausgeübt. Dazu ist das optische Auflösungsvermögen der Arthropodenaugen wohl nicht groß genug.!) Dagegen ist bekannt, 1) Vgl. DEmoLL, R., Die Physiologie des Facettenauges, in: Ergebn. Fortschr. Zool., Vol. 2, 1910. — Ders., Die Sinnesorgane der Arthro- poden, Braunschweig 1915. — EXNER, S., Die Physiologie der facettierten Augen. — Wien 1891. — v, Hess, C., Vergleichende Physiologie des Kritik von J. Lors’s Tropismenlehre. 33 daß im Gebirge nicht nur nach Sonnenuntergang der kalte Fallwind oder Bergwind weht, sondern auch nach Sonnenaufgang warme Luft- strömungen aufsteigen. Diese Luftströmungen können, von ent- sprechenden horizontalen Winden, die sich an einer Bergwand „fangen“, unterstützt, in ihrer Wirkung so sehr gesteigert werden, daß ihnen eine hohe Bedeutung für den Schwebeflug nicht nur der Schmetter- linge, sondern auch der Vögel zukommt. Das habe ich an anderer Stelle darzulegen versucht.!) Neuere meteorologische Beobachtungen in den Alpen und in Amerika geben vertikale Aufwärtsströmungen der Luft von 8, ja sogar 10 Sek.-Meter an. Im Gebiet der 1842 m hohen Hochwiesalm, die zwischen dem großem Palfelhorn und dem Hundstod, also an der Westseite des Steinernen Meeres liegt, konnte ich folgende merkwürdige Beob- achtung stundenlang machen: Die in solcher Höhe befindlichen Schmetterlinge flogen bei Windstille und warmem sonnigen Wetter aus dem nahrungspendenden Grün einer Alpenmatte zu ihrem Schaden in die daneben liegenden glänzenden Schneeflecke, wo sie massenhaft zugrunde gingen. Die Verfrachtung der Schmetterlinge aus der Ebene zur Höhe war also passiv durch aufsteigende Luftströmungen erfolgt. Von den Alpenmatten in die Schneeflecke flogen dagegen die Schmetterlinge aktiv, angezogen durch den Lichtreiz, der über ihren Nahrungstrieb siegte. | 7. Gibt es außer Heliotropismus einen besonderen zwangs- mäßigen Orientierungssinn zum Licht oder eine besondere Unterschiedsempfindlichkeit ? Lors hat zum Beweise seiner Auffassung von dem rein zwangs- mäßigen Geschehen bei der phototropischen Reaktion noch einige Versuche angeführt. Er selbst beruft sich auf folgende, an den Raupen des Goldafters, Porthesia chrysorrhoea, gemachte Experimente. 1. In einem auf dem Tisch liegenden, senkrecht zur Fensterfläche orientierten Reagenzglas wandern die Raupen zum Licht. 2. Diese positiv phototropischen Tiere sammeln sich, wenn die Fensterseite Gesichtsinns, Jena 1912. — Ders., Untersuchungen zur Physiologie der Stirnaugen bei Insekten, in: PFLÜGER’s Arch., Vol. 181, p. 1ff., 1920. 1) ERHARD, H., Der Tierflug mit einem Ausblick auf die Entwick- lung des menschlichen Flugwesens, in: [Xe Congr. internat. Zool. Monaco 1913, Rennes 1914. — Ders., Der Flug der Tiere, in: Verh. Deutch. zool. Ges. 23. Vers., Bremen 1913. Zool. Jahrb. 39. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 3 F 34 H. Erwarp, des Reagenzglases mit einem schwarzen Karton bedeckt wird, an der Grenze zwischen Hell und Dunkel an und sind nicht über das ganze Hell verteilt (Fig. L). 3. Wird die Fensterseite des Reagenz- glases beschattet, die dem Fenster abgewandte Seite dagegen der Sonne ausgesetzt, so kriechen die Raupen nach Log zu der, wenn auch lichtärmeren, Fensterseite. Er schließt daraus, daß diese Tiere nicht zum Fenster gehen, weil sie hell-liebend sind, sondern dab eine zwangsmäßige Orientierung besteht, die sie lenkt (Fig. M). TA Mn | | | | i | Fig. L. Fig. M. Fig. L. „Ansammlung positiv heliotropischer Tiere bei A, an der Grenze des vom Karton KK bedeckten und unbedeckten Teiles des Reagenzgleses BC.“ FF Fenster. (Aus Loss.) Fig. M. Angeblicher „Beweis, daß positiv heliotropische Tiere auch dann zur Lichtquelle wandern, wenn sie dabei aus dem Sonnenlicht in den Schatten ge- langen. Positiv heliotropische Tiere sind zu Anfang des Versuches bei a an der Zimmerseite des Reagenzglases gesammelt, wo sie vom Sonnenlicht S getroffen werden. Sie wandern gegen das Fenster WW, durch welches das Licht einfällt. Die an der Fensterseite gelegene Hälfte be des Reagenzglases ist im Schatten, da der hölzerne Schirm de das direkte Sonnenlicht von diesem Teil des Reagenzglases abhält. Nichtsdestoweniger gehen die Tiere alle nach c, wo sie dauernd bleiben.“ (Aus Logs.) Hess!) hat eingehende Versuche mit Porthesia gemacht und ist zu ganz anderen Ergebnissen und Schlüssen als Loss gekommen. Ich verweise hier nur auf seine Arbeit. 1) v. Hess, C., Über Lichtreaktionen von Raupen und die Lehre von den tierischen Tropismen, in: PFLÜGER’s Arch., Vol. 117, p. 57ff., 1919. Kritik von J. Lors’s Tropismenlehre. 35 Ich habe die gleichen Versuche wie LoEB mit zwei positiv phototropischen niederen Krebsen, Cyclops strenuus und Ceriodaphnia reticulata, wiederhohlt. Versuch 1 und 2 hatte das gleiche Ergebnis wie bei Los. Aus Versuch 1 folgt lediglich, daß diese Krebschen positiv phototropisch sind, ebenso aus Versuch 2. Bei 2 besteht keinerlei Grund dafür, daß sich die Tiere ganz gleichmäßig im Hellen verteilen, denn die Helligkeit ist nicht gleichmäßig verteilt, sondern ist an der Grenze von Hell und Dunkel am größten, da diese Stelle dem Fenster am nächsten ist. Bei Versuch 3 endlich erhält man genau das entgegengesetzte Ergebnis wie LOEB, wenn man den von LoEB gemachten Fehler beseitigt. In dem besonnten Teil des Gefäßes wirken nämlich nicht nur die Licht-, sondern auch die Wärmestrahlen der Sonne auf die Tiere ein, und zwar werden sie von dem kreisrunden Gefäß wie mit einem Brennspiegel . auf die Versuchstiere geworfen. Ich habe, um die störende Wirkung der Wärmestrahlen zu beweisen, folgende Versuche angestellt: a) es wurde bei gleichmäßig beleuchtetem Reagenzglas, b) bei ungleich beleuchtetem Glas die eine Seite erwärmt. Die Tiere flohen die Wärme, c) es wurde bei der Lorp’schen Versuchsanordnung die Wirkung der Wärmestrahlen dadurch aufgehoben, daß entweder das ganze Versuchsgefäß mit Wasser oder Äther überrieselt wurde, oder daß ich zwischen Lichtquelle und Versuchsgefäß ein Wasser- gefäß einschaltete. Bei c) sammelten sich aber sämtliche Tiere immer im besonnten Teile des Glases, obwohl dieser vom Fenster weiter entfernt war. Ich verwandte ferner auch negativ phototropische Tiere bei entsprechender Versuchsanordnung, und zwar Tubifex, Nephelis vulgaris und Planaria gonocephala. Dazu bediente ich mich, um die störende Lichtbrechung des runden Reagenzglases zu vermeiden, planparalleler Gefäße. Bei 1 suchten diese Tiere die vom Fenster entfernteste dunkelste Stelle auf, bei 2 den hintersten Winkel des mit dem Karton bedeckten Reagenzglases, also auch den dunkelsten Ort. Den Versuch 3 machte ich mit ziemlich großen Gefäßen, die unmittelbar zuvor frisches Wasser erhalten hatten. Da die beschriebenen Tiere sehr rasch reagieren, so kam in dieser kurzen Zeit eine merkliche Erwärmung der Sonnenseite des Gefäßes nicht in Betracht. Immer- hin überrieselte ich auch hier das Versuchsgefäß oder setzte ihm ein Wassergefäß vor. Stets eilten die drei negativ phototropischen Tier- arten in den auf der Fensterseite befindlichen Schatten. Auch aus dem in Fig. E (S. 12) abgebildeten Versuch mit 2% 36 H. ErHARD, Volvox erhellt, daß es außer Tropismen hier keine besondere zwangs- mäßige Orientierung zum Lichteinfall gibt. Die Kolonien sammeln sich nämlich gerade an der von den Lichtquellen entferntesten Stelle, weil diese die hellste im Gefäß ist. | Mit beiden Versuchsreihen glaube ich gezeigt zu haben, dab Lors einem Versuchsfehler zum Opfer gefallen ist. Damit ist die Lehre Lors’s hinfällig, es gebe eine besondere zwangsmäßige Orientierung zum vermeintlichen Ort der Lichtquelle außer der zu erwartenden heliotropischen Reaktion. Übrigens, ge- setzt den Fall, es gäbe diese besondere Orientierung wirklich, so könnten wir sie nie und nimmermehr maschinenmäßig zwangsmabig erklären. Wir haben doch die Tiere zu übertölpeln versucht, indem wir die Lichtquelle an die falsche Seite brachten. Es ist klar, dab ein zwangsmäßig oder instinktiv heliotropisch reagierendes Tier in diese Falle gehen muß, wenn es nicht durch „Überlegung“ die Falle merkt und ihr entweicht. Eine auf Überlegung gegründete Handlung ist aber bewußte Willenshandlung, also die Eigenschaft einer „kapri- ziösen Tierseele“. Wie gut für J. Lore, daß der Versuch in Wirk- lichkeit anders verläuft, als er glaubt! Von Log und von manchen Tierpsychologen wird beim Ver- halten tropistischer Tiere unterschieden zwischen dem Tropismus selbst und der Unterschiedsempfindlichkeit. Hess!) (a. a.O., p. 452) hat dagegen betont, daß Tiere, die nicht unterschieds- empfindlich wären, überhaupt keine Lichtreaktionen zeigen könnten. M. a. W. die Unterschiedsempfindlichkeit ist die selbstverständliche Voraussetzung einer tropistischen Reaktion. Wir müssen dabei nur die Unterschiedsempfindlichkeit einteilen in eine solche auf gleich- zeitig erfolgende Reize und eine solche auf zeitlich nach- einander angewandte Reize. Zur ersteren gehört das optische Auflösungsvermögen; die letztere wird durch die Unter- schiedsschwelle bestimmt. Selbst wenn man annimmt, daß Loes Tropismen und Unter- schiedsempfindlichkeit nicht als eines das andere ausschließend be- trachtet, sondern nur glaubt, solche Tiere, die unterschiedsempfind- lich seien, würden auf kleinere Unterschiede tropistisch reagieren, so liegt auch hierin ein Fehler. Hess hat nämlich durch Messungen nachgewiesen, „daß die Lichtstärkenunterschiede, durch die manche |) v. Hess, C., Untersuchungen über den Lichtsinn mariner Würmer und Krebse, in: PFLÜGER’s Arch., Vol. 155, p. 421ff., 1914. Kritik von J. Lors’s Tropismenlehre. 317 „phototropischen“ Tiere zu bestimmten Bewegungen veranlaßt werden, im allgemeinen nicht größer, ja zum Teil kleiner sind als jene, die bei den als „unterschiedsempfindlich“ bezeichneten Tieren bestimmte Bewegungen auslösen“ (a. a. O. p. 432). Hess (a. a. O., p. 433) fährt dann in seiner Kritik fort: „Auch die Bezeichnung unterschieds,empfindlich“ kann leicht zu irrigen Vorstellungen und damit zu Verwirrung führen. Denn wenn manche Tiere auf kleinere Lichtstärkenunterschiede reagieren als andere, so besagt das natürlich nicht, daß sie in höherem Maße für Licht- stärkenunterschiede empfindlich sind als solche, die erst auf viel größere Lichtstärkenunterschiede reagieren oder durch solche über- haupt nicht zu Bewegungen veranlaßt werden. Die Empfindlich- keit für Lichtstärkenunterschiede kann bei einem Tiere, das gar keine Lichtreaktionen zeigt, ebenso groß oder noch größer sein als bei solchen Tieren, die schon auf verhältnismäßig geringfügige Licht- stärkenunterschiede mit lebhaften Bewegungen antworten; hängt doch der Eintritt der Lichtreaktionen nicht von der „Empfindlich- keit“ der Tiere für Lichtstärkenunterschiede ab, sondern lediglich davon, ob bzw. inwieweit die Ausbildung einer solchen Reaktion für die Tierart von Vorteil sein kann.“ Gerade damit ist aber wiederum bewiesen, daß die Tropismen nicht rein mechanisch verlaufen, sondern durch die biologische Abgestimmtheit des betreffenden Tieres beeinflußt sind. Diese Abgestimmtheit kann entweder in der , Adaptation“ des betreffenden Sinnesorgans beruhen oder vom Alter, Ernährungszustand usw. des Tieres abhängen oder endlich im Tier durch Lebensgewohnheiten festgelegt sein, die letzten Endes durch immer wiederkehrende nütz- liche oder schädliche Einflüsse der Außenwelt bedingt sind und sich zu Instinkthandlungen verdichtet haben. 8. Ist die Größe der beleuchteten Fläche von Einfluß auf den Tropismus? An einer anderen Stelle sagt Lo, die Größe einer be- leuchteten Fläche sei von Einfluß auf die tropistische Reaktion. Er erwähnt Versuche von Parker‘), nach denen Vanessa-Raupen, die im Zimmer von der einen Seite mit einer Glühlampe, von der anderen Seite vom Fenster aus beleuchtet werden, bei gleicher 1) PARKER, G. H., The phototropism of the Mourning-cloak Butterfly, Vanessa antiopa Linn., Mark. Annivers., Vol. 12, p. 453ff., 1903. 38 H. Ernaro, Intensität beider Lichtquellen zur größeren Lichtquelle, zum Fenster, kriechen. Der Versuch ist nicht beweisend, da niemand durch den bloßen Augenschein feststellen kann, ob die beiden Licht- quellen wirklich gleich gewesen seien, auch Reflexlichter und andere störende Nebenwirkungen von PARKER nicht ausgeschaltet wurden. Von der Unrichtigkeit dieser Theorie kann man sich sehr leicht überzeugen. In einem Gefäß, dessen Mitte ganz verdeckt, dessen rechte Seite einen kleinen hell erleuchteten Ausschnitt hat, während auf der linken Seite eine größere Fläche mäßig hellem Licht aus- gesetzt ist, sammeln sich die positiv phototropischen Tiere im hellsten Teil. Mit Hilfe des von Hess’) (a. a. O., p. 425) angegebenen Doppel- tunnels läßt sich dies besonders schön beweisen. Links und rechts vom Versuchsgefäß befinden sich verschiebliche Lichtquellen, deren Stärke man zuvor mit Hilfe eines Dreiecksspiegels, der ihr Licht auf eine weiße Fläche wirft, vergleicht. Angenommen, es sei vor die linke Lichtquelle ein kleinerer Ausschnitt gesetzt, als vor die rechte, so gehen positiv phototropische Tiere stets nach links, wenn durch Näherrücken des linken Lichtes dessen Licht auch nur wenig stärker ist. 9. Gibt es eine tropistische Reaktion nach dem Parallelogramm der Kräfte? Als Beweis für das rein physikalische Verhalten eines negativ — phototropischen Tieres führt Log (a. a. O., p. 473) folgenden Versuch von Bon?) an: Littorina rudis bewegt sich „im Allgemeinen auf einen schwarzen Schirm hin, von einem hellen Schirm fort. Er konnte dabei die theoretisch wichtige Tatsache feststellen, daß die - anziehenden Wirkungen von schwarzen Schirmen sich wie die Kräfte in der Mechanik verbinden. Eine Littorina, die zwischen zwei an- ziehende dunkle Schirme S und S, (Fig. N) gesetzt wird, wird von beiden angezogen und bewegt sich infolgedessen zwischen beiden, dem Parallelogramm der Kräfte entsprechend. Das Tier stellt sich 1) v. Hess, C., Untersuchungen über den Lichtsinn mariner Würmer und Krebse, in: PFLÜGER’s Arch., Vol. 155, p, 421, 1914. 2) Die zusammenfassenden Arbeiten BoHN’s, in denen er seine mechanistische Auffassung entwickelt, sind (zitiert aus KAFKA, G., Ein- führung in die Tierpsychologie, Vol. 1, Leipzig 1914): Bony, G., Les tropismes, in: CR. 6me congr. intern. psychol.. Genéve, 1909. — Ders., La naissance de intelligence, Paris 1909. — Ders., La nouvelle psychologie animale, Paris 1910. Kritik von J. Lors’s Tropismenlehre. 39 so ein, daß beide Augen gleichmäßig erleuchtet sind. Die theoretische Bedeutung dieser Tatsache liegt darin, wie Box in seinem Vortrag vor dem Genfer Psychologenkongreß 1909 ausgeführt hat, daß es die anthropomorphe Auffassung des Heliotropismus durch die mecha- nistische Auffassung ersetzt. Psychologen hatten nämlich wiederholt behauptet, daß, wenn ein Tier zum Lichte gehe, es sich um dieselbe Erscheinung handle, wie wenn ein müder und in die Irre gegangener Wanderer von dem erleuchteten Fenster einer Hütte veranlaßt wird, sich zu dem Licht zu bewegen. Bonn weist mit Recht darauf hin, daß, wenn ein solcher Wanderer zwei erleuchtete Häuser sieht, er nicht zwischen beiden nach dem Parallelogramm der Kräfte durch- marschiert. sondern das eine aufsucht.“ Fig. N. „Verhalten einer Littorina Z, die zwei dunklen Schirmen E und E’ aus- gesetzt wird. Das Tier bewegt sich in der Richtung des Pfeiles zwischen beiden, dem Parallelogramm der Kräfte entsprechend.“ (Nach Box aus Los.) Da es mir in absehbarer Zeit nicht möglich sein wird, Zattorina zu untersuchen, so mußte ich mich damit begnügen, entsprechende Versuche an anderen Tieren anzustellen. Ich verwandte dazu Planarien, die bekanntlich ebenso wie Zattorina den Schatten von Steinen aufsuchen, und zwar die Arten Planaria gonocephala, Polycelis nigra, Dendrocoelum lacteum und Planaria alpina. Wurden zwei dunkle Schirme so aufgestellt, daß sich die Tiere genau in der Mitte befanden oder wurden die Tiere in die Mitte des Gefäßes gebracht und von zwei Seiten her die Seiten des Gefäßes abgedeckt, so bewegte sich stets ungefähr die gleiche Menge von Tieren nach jeder dunklen Stelle. Nie aber kam es vor, daß Tiere nach dem Parallelogramm der Kräfte zwischen den zwei Verdunklungsstellen im Licht weiterkrochen. Ich hätte mir diese Versuche sparen können, denn wer auf dem Standpunkt steht, daß auch dem Naturforscher das Recht logischer 40 H. ErHARD, Schlußfolgerung zusteht, der kommt zu folgenden Schlüssen: Ist die mechanistische Auffassung richtig, so gilt sie selbstredend nicht nur für den Heliotropismus, sondern für alie Tropismen, z. B. auch für den Chemotropismus. M. a. W. ein zwischen zwei Fleischtöpfe ge- setztes niederes Tier wird sich nach dem Parallelogramm der Kräfte verhalten und verhungern. Oder ein niederes Tier wird, wenn es von einer schädlichen Einwirkung sei es durch die leblose Natur, sei es durch einen lebenden Feind betroffen wird, von zwei Zufluchts- stätten keine von beiden aufsuchen. In neuerer Zeit hat v. Buppenprock!) (a. a. O, p. 342—343) gelegentlich seiner interessanten Versuche über die Lichtreaktionen der Heliciden negativ phototropische Schnecken vor einen halbkreis- förmigen Schirm gesetzt, dessen Mitte weiß und dessen Seitenteile schwarz waren. Nach dem Parallelogramm der Kräfte hätten diese Tiere wie die Littorinen Boun’s ins Weiße gehen müssen. Sie krochen aber auf die schwarzen Stellen zu. Ebenso hat v. BUDDENBROCK?) gezeigt, daß die positiv phototropischen Raupen von Vanessa urticae, zwei Lichtern ausgesetzt, stets auf das eine zukriechen und nie in der Resultante sich fortbewegen. 10. Schlußfolgerung aus 9. WUNDT’s und PAULSEN’s Vorstellung des Lebendigen. In einen Fehler verfällt nicht nur Lorg, sondern man trifft ihn häufig bei „exakten“ Naturforschern an. Jeder, der die rein mechanistische Auffassung ablehnt, wird in den Verdacht anthro- pomorpher Auffassung gebracht. Wir bleiben bei dem Beispiel Boun’s. Gerade der Krieg hat tausendfache Beweise dafür erbracht, daß der Mensch, falls ihm in Not und Gefahr zwei Zufluchts- stätten winken, imstande ist, unter Opferung seines eigenen Lebens, einer sittlichen Idee willen, den Schutz zu meiden und nach dem Parallelogramm der Kräfte ins Verderben zu gehen. Das Tier dagegen oder der Mensch im Zustand des animalischen Triebes wird den einen oder den anderen Schutz aufsuchen. „Wer die belebte und unbelebte Natur als ein ununterbrochenes Ganzes ansieht“ — 1) v. BUDDENBROCK, W., Versuch einer Analyse der Lichtreaktionen der Heliciden, in: Zool. Jahrb., Vol. 37, Physiol., p. 313 ff., 1920. 2) v. BUDDENBROCK, W., Lichtkompaßbewegungen bei den Insekten, insbesondere den Schmetterlingsraupen, in: SB. Heidelberg. Akad. Wiss., A Jems EB hfe Kritik von J. Lors’s Tropismenlehre. 41 um mit LoEB zu sprechen —, der wird sich weder von einer mechanistischen Auffassung allein, noch von einer anthropomorphen Auffassung allein, noch von beiden allein befriedigt fühlen. Er wird, glaube ich, finden, daß es auch noch eine animale Auffassung gibt. Das Leben in seiner höchsten Entfaltung ist beherrscht nach allen drei Leitgedanken. Zwischen ihnen bestehen graduelle, nicht prinzipielle Unterschiede Bei den niedersten Organismen aber ge- sellen sich schon zu den mechanischen Reaktionen animale. Der Unterschied zwischen Leblosem und Lebendem besteht nach Wunpr!)?) darin, daß alles Lebendige Selbsterhaltungs- trieb besitzt, den Willen zum Leben. Wunpt!) (a. a. O. p. 325) bezeichnet die einfachsten Lebensäußerungen als Willenshandlungen, indem er z.B. sagt: „Das Protozoon erscheint als ein in allen seinen Teilen nach Willensimpulsen handelndes Wesen: wie beinahe jeder Teil dem anderen gleichwertig ist, so ist es auch in seiner ganzen Leibesmasse ein einziger, von einheitlichen Willensakten bestimmter Organismus.“ Der Wille veranlaßt Betätigung, diese schafft im Körper eine Disposition, die sich morphologisch fixiert und über- tragbar sein soll. PAULSEN °) (a. a. O.,p. 210— 211) sagt bei Schilderung des Wunpr’schen Gedankenganges: „Dadurch wird diese Betätigung mechanisiert und der Wille für neue, höhere Betätigung entlastet, ähnlich wie wir auch auf höherer Entwicklungsstufe ursprünglich willkürliche in gewohnheitsmäßige und zuletzt in automatische Tätigkeit übergehen sehen. So wäre die Organisation gleichsam er- starrte Willenstätigkeit. Natürlich sind die Erfolge nicht vorher in einer Vorstellung als Absicht vorhanden gewesen; der Wille war in jedem Augenblick allein auf diese Betätigung gerichtet. Aber die Wirkungen gingen über das nächste Ziel hinaus; ein Verhältnis, das wir auch noch auf der höchsten Entwicklungsstufe, im geistig geschichtlichen Leben wiederfinden, wo ebenfalls die Wirkungen regelmäßig über die nächst gewollten Ziele hinausgehen. So ent- stehen Sitten, Rechtsnormen, feste Lebensformen aller Art; der Wille ist unmittelbar allein auf ein nächstes gegenwärtiges Ziel gerichtet, aber durch die Betätigung bringt er zugleich als un- beabsichtigten Erfolg Gewöhnung, Prädisposition, Habitus, zuletzt 1) Wunpt, W., System der Philosophie, Leipzig. 2) WunpT, W., Vorlesungen über Menschen- und Tierseele, 6. Aufl., Leipzig 1919. 3) PAULSEN, F., Einleitung in die Philosophie, 29.—30. Aufl., Stutt- gart 1919. 49 H. Eruarp, feste tibertragbare Form hervor. Wuwnpt hat für dieses eigentümliche Verhältnis den Begriff der Heterogonie der Zwecke gebildet.“ „In diesem Sinne kann man nun auch die Gestalt der lebenden Wesen als Ergebnis einer Zwecktätigkeit bezeichnen, der Zweck- tätigkeit nämlich aller an der Entwicklung beteiligten Individuen. An keinem Punkt der Entwicklung war eine Vorstellung von der künftigen Form vorhanden, dennoch aber ist sie das Ergebnis des Willens und Strebens selbst, und sofern sein jedesmaliges Ziel in der Richtung des durch die Gesamtentwicklung erreichten objektiven Zieles lag, ist das Ziel auch ein subjektiv gewolltes.“ Es ist nicht unsere Aufgabe, hier diesen großartigen Gedanken- gängen, was die Frage der Vererbung und die Theorie DArwm’s betrifft — denn im Hinblick auf dieselbe sind sie in erster Linie entwickelt —, näher nachzugehen. Für die Tropismenlehre geht aus ihnen folgendes hervor: Lors hat Unrecht. 1. Wenn er glaubt, dab bei einer Willenshandlung der Erfolg oder das Ziel vor oder während der Handlung bekannt sein müsse. 2. Wenn er glaubt, daß Instinkt- handlungen ohne Willen verliefen, ja daß Instinkt- und Willens- handlungen sich ausschlössen. 3. Wenn er glaubt, daß Wille immer bewußter „freier“ Wille sein müsse und daß seine philosophischen Gegner so töricht seien, den „freien“ Willen auch schon den niedersten Tieren zuzusprechen. Für Log sind die Tropismen zwangsmäßig nur nach den Gesetzen von Physik und Chemie mechanisch ver- laufende Vorgänge Für uns sind sie durch die Lebensbe- dingungen und durch den Willen instinktmäßig fest- selegteLebensbedingungen. Dabei sind wir selbstverständlich keine Anhänger einer besonderen mystischen Lebenskraft. Wir sehen nur eben eine Erklärung des Lebens als fehlerhaft, verkehrt, oer wenigstens’ einseitig an, die lediglich die uns bisher bekannten Gesetze der Mechanik allein gelten läßt und in ihre Zwangsjacke, koste es was es wolle, Lebensvorgänge einzwängen will. Das wird uns klar, wenn wir die mechanische Erklärung heliotropischer Versuche von Lors mit eigenen weiteren Versuchsergebnissen vergleichen. 11. Mechanik des Heliotropismus nach LOEB. Log (a. a. O. p. 463) sagt: „Wenn ein bilateral symmetrisches | Tier einseitig von einer Lichtquelle getroffen wird, so ist die photo- chemische Reaktionsgeschwindigkeit auf dieser Seite größer als auf der anderen. Wir machen nun die Annahme, daß die heliotropische Kritik von J. Lors’s Tropismenlehre. 43 Wirkung von der Masse eines oder mehrerer bei der photochemischen Reaktion gebildeten Produkte abhingt. Dieses Produkt bewirkt Zustandsänderung im Nervensystem des Tieres, und die Größe dieser Änderung variiert mit der Masse des gebildeten Reaktionsproduktes. Wenn nun ein Tier seitlich vom Licht getroffen wird, so wird eine Hälfte des Nervensystems in stärkeren „Phototonus“ geraten als die andere. Wenn bei einem solchen Tiere Impulse zu einer Loko- motion stattfinden, so wirken die Impulse nicht wie gewöhnlich auf beiden Seiten des Tieres in gleicher Weise, sondern die mit beiden Hirnhälften verbundenen Muskeln werden verschieden stark arbeiten. Diese Auffassung kann sich auf eine Analogie berufen, nämlich auf die Hunde, welche eine ausgiebige Verletzung einer Hemisphäre er- litten haben. Wenn solche Tiere sich in Bewegung setzen, so haben sie die Neigung, nach der operierten Seite hin aus einer geraden Linie abzuweichen. Dasselbe findet bei dem heliotropischen seitlich beleuchteten Tiere statt: statt geradeaus zu gehen, weicht es aus der Geraden ab. Bei positiv heliotropischen Tieren ist die Energie- entfaltung stärker für die Muskeln, welche den Kopf nach der Lichtquelle hinwenden und für die negativ heliotropischen ist sie schwächer für diese Muskeln. Beide Klassen von Tieren werden also durch die seitliche Beleuchtung gezwungen, aus der geraden Richtung der Progressivbewegung abzuweichen. Das wird so lange dauern, bis die Symmetrieebene in die Lichtquelle fällt, voraus- gesetzt, daß nur eine Lichtquelle vorhanden ist. Dann werden symmetrische Oberflächenelemente unter gleichem Winkel von den Strahlen getroffen, die photochemische Reaktionsgeschwindigkeit ist auf beiden Seiten die gleiche, und das Licht erlaubt dem Tier, sich geradlinig weiter zu bewegen.“ Weiterhin erwähnt Los (a. a. O., p. 467) Versuche von HoLMESs *), PARKER?) und RApr?) aus denen hervorgeht, daß positiv photo- tropische Tiere, deren eines Auge bedeckt wurde, mit der anderen Seite um das Lichtzentrum sich bewegten. LorB schreibt dazu: „Die Erklärung liegt wohl darin, daß das Schwärzen eines Auges das Tier in denselben Zustand bringt, wie Entfernung oder Schädi- 1) HOLMES, S. J., Phototaxis in Amphipoda, in: Americ. Journ. Physiol., Vol. 5, p. 211—234, 1901. 2) PARKER, G. H., The phototropism of the Menkring! cloak Butterfly, Vanessa antiopa LINN., Mark Annivers., p. 453—469, 1903. 3) RAD, E., Dber die Anziehung des Re durch das Licht, in: Flora, Vol. 93, p. 167, 1904. 44 H. ErHarp, oung einer Gehirnhälfte. Loes!) hatte nämlich schon früher beob- achtet, daß, wenn man einer Stubenfliege die linke Gehirnhälfte exstirpiert, die Fliege bei ihren Progressivbewegungen nicht mehr geradeaus geht, sondern die Tendenz hat, sich im Kreise zu bewegen, wobei die unverletzte Seite gegen das Zentrum ge- wendet ist.“ „Diese Tatsachen stützen die hier vorgetragene Theorie der Lichtwirkung, nämlich, daß seitliche Beleuchtung bei niederen Tieren ähnlich wirkt wie die einseitige Großhirnverletzung beim Hunde. Strömen die Innervationen beiden Körperhälften gleichmäßig zu, wie das bei der normalen Progressivbewegung der Fall ist, so arbeiten die Muskeln, die mit der verletzten Großhirnhälfte in gewisser Weise verbunden sind, schwächer als die der anderen Seite und es kommt zur Drehung.“ .12. Eigene Versuche an Planarien. Schlußfolgerung. Ich machte, um die Richtigkeit dieser mechanistischen Er- klärung zu prüfen, Versuche an den negativ phototropischen Planarien Planaria gonocephala und ÆPolycelis nigra. Das Ergebnis soll hier kurz mitgeteilt werden; die Versuche werden in einer besonderen Arbeit noch eingehend beschrieben werden. | 1. Schneidet man einer der beiden Planarien das Auge — bzw. die Augen — der einen Seite ab, ohne das Gehirn zu treffen — was bei Polycelis mit den randständigen Augen leicht gelingt —, so krümmt das Tier die operierte Seite ein und dreht sich in der Richtung derselben. 2. Werden die Schnitte bis zur Mittellinie ge- führt, so daß die eine Gehirnhälfte mit entfernt ist, so erfolgt die gleiche Reaktion. 3. Ein Ausschneiden der einen Gehirnhäfte ohne Zerstörung der Augen der betreffenden Seite ist nicht möglich, aber auch nicht nötig, denn das betreffende Auge wäre ohne sein Gehirn- zentrum doch für das Tier blind. 4. Kurze Zeit nach der Operation gewöhnt sich das Tier wieder daran, geradeaus zu kriechen. 5. Be- lichtet man ein operiertes Tier, das sich von dem Eingriff erholt hat, einseitig, so reagiert es negativ phototropisch nur dann, wenn seine augentragende Kopfseite erhellt wird. 6. Zerstört man die Nervenversorgung der einen Körperhälfte, indem man die Halsseite der betreffenden Seite durchschneidet, so dreht sich das Tier nach 1) Loge, J., Der Heliotropismus der Tiere und seine Übereinstimmung mit dem Heliotropismus der Pflanzen, Würzburg 1889. Kritik von J. Lors’s Tropismenlehre. 45 der nicht operierten Seite. 7. Tiere, denen die eine Halsseite durch- trennt ist, erholen sich auch bald und kriechen dann normal gerade- aus. 8. Wird einem Tier, dem eben das eine Auge ausgeschnitten worden war, einseitig der Hals eingeschnitten, so wirkt ein Einschnitt auf der gleichen Seite so, daß er die Augenreaktion aufhebt; es dreht nach der Augenseite. Ein Einschnitt auf der entgegen- gesetzten Seite wirkt fördernd auf die Reaktion. Das Tier dreht nach der operierten Seite. 9. Ist die Augenoperation schon vor längerer Zeit geschehen, hat sich das Tier von ihr also erholt, so erfolgt bei einem einseitigen Einschnitt in den Hals die gleiche Reaktion wie bei einem normalen augentragenden Tier. Wir schließen aus diesem Ergebnis folgendes: Einseitige Augen- operation hat ein augenblickliches Einkrümmen der betreffenden Kopfseite infolge von Schmerz zur Folge. Dann wird bald durch Thigmotaxis am Boden oder das Gleichgewichtsorgan die Normal- bewegung wieder hergestellt. Diese normale gerade gerichtete Be- wegung bleibt so lange Zeit bestehen, als das einseitig geblendete Tier von gleichmäßigem Licht getroffen wird, wenngleich hier- bei die Belichtung insofern einseitig ist, als ja nur die eine Kopf- seite sehend, die andere dagegen blind ist. (Es sind zwar auch noch ganz augenlose Planarienstücke lichtempfindlich, wie ich gleichfalls zeigen konnte, aber lange nicht so stark wie augentragende Tiere.) Werden jedoch Planarien, deren eine Kopfseite augenlos gemacht ist, plötzlich einseitig belichtet, so verhalten sie sich wie ein- seitig blinde Tiere, d. h. sie reagieren nur auf das Licht, wenn es die augentragende Kopfseite trifft. Bei einem einseitigen Einschnitt in den Hals erfolgt die „zweckmäßigste“ Fluchtreaktion, nämlich nach der anderen Seite. Überhaupt: schneiden wir auch sonst in das Tier an irgendeiner Stelle ein oder reizen wir es irgendwo mechanisch oder chemisch, so verhält es sich, wie schon PEARL !) gezeigt hat, durchaus zweckmäßig gegenüber schädigenden Reizen. Sehr bald tritt jedoch, wenn das Tier „merkt“, daß ihm von der einen Seite keine Gefahr mehr droht, die normale Vorwärts- bewegung ein. Nach der mechanischen Erklärung Lors hätten sich die Pla- narien folgendermaßen verhalten müssen: 1. Eine Planarie, deren eines Auge ausgeschnitten ist, muß sich nach der operierten Seite 1) PEARL, R., The movements and reactions of fresh-water planarians, in: Quat, Journ. microsc. Sc., Vol. 46, 1903. 46 H. ErHarp, bewegen. Es wird ja nur ihre Gegenseite von Licht getroffen. Bei negativ phototropischen Tieren ist aber nach Los „die Energie- entfaltung für die Muskeln, welche den Kopf nach der Lichtquelle — hinwenden, schwächer“, also muß eine Abwendung von der Licht- quelle, eine Drehung nach der operierten Seite stattfinden. Das ist, wie wir gesehen haben, tatsächlich der Fall. 2. Es ließe sich auch noch die Tatsache nach der Theorie Lore’s erklären, daß bei ein- seitiger Entfernung des Gehirns — sei es mit, sei es ohne gleich- zeitige Entfernung des betreffenden Auges — die gleiche Reaktion eintritt. In beiden Fällen entsteht einseitige Blindheit wie bei 1. Der kausale Zusammenhang der Reaktion mit dem Muskeltonus ist aber ein ganz anderer, als LoEB annimmt, was aus folgendem hervorgeht: Wenn beim Säugetier eine Großhirnhemisphäre erkrankt oder sonst- wie ausfällt, so werden beide Augen nach der gleichen Seite abgelenkt, sie „blicken den Herd an“. Der Kopf wird in der Regel — nicht immer — im gleichen Sinne abgelenkt. Gleichzeitig tritt infolge der Kreuzung der Pyramidenbahn eine spastische Hemiplegie der Gegenseite des Körpers ein. Mit anderen Worten das Schwergewicht wird auf das gesunde Bein, das sich auf der Seite der erkrankten Hirnhälfte befindet, gelegt, und unter Umständen findet sogar eine Drehbewegung auf dem gesunden Bein nach außen statt. Also: bei Erkrankung der linken Hemisphäre (— diese Erkrankungsart ist beim Menschen die häufigere —), spastische Hemiplegie rechts, Schwergewicht und Drehung auf dem gesunden linken Bein. Es ist nun vor allem fraglich, ob diese am Säugetier gewonnenen Tat- sachen überhaupt auf Wirbellose übertragen werden dürfen. Die Zusammenstellung BAsLıonts!) zeigt, daß unsere Kenntnisse von der Physiologie des Nervensystems der Wirbellosen, namentlich auch der Planarien (a. à. 0. q. 106 u. 107), dazu viel zu lückenhaft sind. Wenn wir einen Vergleich ziehen wollten, so müßten wir bedenken, daß bei den Wirbellosen keine Kreuzung der Nervenfasern vorhanden ist. Bei Ausschaltung der rechten Gehirnhälfte oder bei Durch- trennung des rechten Längsstammes in der Halsgegend müßte also eine „spastische Hemiplegie“ rechts, eine Schwergewichtsverlagerung und Drehung also nach links die Folge sein. Das ist auch in der Tat, wie in 6 erwähnt wurde, der Fall. 1) BAGLIONI, S., Physiologie des Nervensystems, in: WINTERSTEIN’s Handb. vergl. Physiol., Vol. 4, p. 1—450, Jena 1913. Kritik von J. Lors’s Tropismenlehre. 47 Lors sagt aber, daß die Augenausschaltung bei Wirbellosen eine ebenso zwangsmäßige Reaktion hervorrufe wie die einseitige Gehirnoperation bei Wirbeltieren. Aus 4 erkennt man, daß dies nicht der Fall ist, sondern daß sich die einseitig geblendete Planarie rasch zur normalen Bewegung erholt, während beim Säugetier, dessen Ge- hirn einseitig erkrankt ist, die einseitige Lähmung festlegt und unheilbar ist. Nur bei einem plötzlich neuauftretenden Lichtreiz spricht die einseitig geblendete Planarie wieder an, wie in 5 gesagt wurde. Zwischen der Reaktion auf eine einseitige Ausschaltung eines Sinnesorgans und der Reaktion auf eine einseitige Ausschaltung des Großhirns besteht überhaupt, wie wir gerade aus den Ver- suchen am Wirbeltier sehen, ein ganz tiefgreifender Unterschied. Einseitiger Verlust des Gehörs oder des Auges hat bekanntlich kaum eine Reaktion des Gesamtorganismus zur Folge. Am tiefgreifendsten wirkt einseitige Zerstörung des Gleichgewichtsorgans, die bekanntlich nicht nur kompensatorische Bewegungen des Körpers, sondern auch der Augen (Nystagmus) hervorruft. Gewiß stehen die Reaktionen der wirbellosen Tiere mehr unter dem Banne der einzelnen Sinnesorgane als die der Wirbeltiere, weil bei den Wirbellosen die Korrektur bei Ausfall eines Sinnesorgans durch „Überlegung“ nicht so vollkommen ist. Die Reaktion ist deshalb eine hemmungslosere, wie z. B. die schönen Versuche von Küex !) an entstateten und geblendeten Flußkrebsen gezeigt haben. Die Korrektur tritt aber auch hier bald durch „Aufklärung“ ver- mittels der anderen Sinnesorgane ein mit Hilfe der „Gewöhnung“. Das zeigen die Versuche von Künn, nach denen bei einseitiger „Entstatung“ das Auge und Tastgefühl, bei einseitiger Blendung das Gleichgewichts- und Tastgefühl bis zu einem gewissen Grad die unnormale Bewegung korrigieren können. Wie schnell bei Planarien nach einseitiger Blendung Tast- und Gleichgewichtssinn die normale Vorwärtbewegung wieder veranlassen können, haben wir gesehen. Haben wir somit erkannt, daß die Gehirnfunktion bei wirbel- losen Tieren nicht in dem Maße im Banne der Sinnesorgane oder gar eines einzigen Sinnesorgans stebt, wie LorB glaubt, so ist fernerhin die Vorstellung Loep»’s über die nur zwangsläufige motorische Weiterleitung des im Gehirn empfangenen Reizes auf die betreffende 1) Ktun, A., Versuche über die reflektorische Erhaltung des Gleich- gewichts bei Krebsen. Verhandl. d. deutsch. zool. Ges. in Freiburg, 1914, p. 262ff., Berlin 1914. 48 H. Eruarp, Körperseite irrig. Es geht dies daraus hervor, daß schon sofort nach einseitiger Augenoperation — und erst recht längere Zeit darnach — (8 und 9) bei einseitiger Nervendurchtrennung am Hals die Tiere reagieren, wie wenn sie nicht geblendet wären. Man ersieht also, daß die eine Hälfte des Nervensystems nicht, wie Lozs glaubt, noch unter einem besonderen „Phototonus“ steht, sonst müßte die Reaktion auf Durchschneidung mindestens stark gehemmt oder gar aufgehoben sein, wenn ein Einschnitt auf der geblendeten Seite erfolgt, der Abkehr verlangt und erzielt. Es kann also keine Rede davon sein, dab negativ phototropische Tiere wie Planarien unter einer Art von Zwangsherrschaft eines einzigen Sinnesorgans, des Lichtsinnesorgans, in dem Maße stehen, wie LorB annimmt. Vielmehr bestehen auch bei denjenigen Tieren, die sich von einem bestimmten Sinnesorgan mehr leiten lassen als von den übrigen Sinnesorganen, folgende Wechselwirkungen der Sinnesorgane und der Enderfolge: Der eingewurzeltste Sinn im Tierreich ist im allgemeinen der Gleichgewichtssinn. Es wird nur. wie Hesse!) (a. a. O., p. 605) mit Recht sagt, „sein Vorhandensein nicht durch Kontrastwirkung“ im gewöhnlichen Leben erkannt, da dieses Organ „ständig in Funktion ist“ und „nicht ein- und aus- geschaltet werden kann wie die anderen Organe“. Die nach Aus- schaltung oder Reizung eines einzigen Sinnesorgans beobachteten kompensatorischen Bewegungen der anderen Sinnesorgane sind Bei- spiele für ihr Zusammenwirken. Beispiele sind die kompensatorischen Augenbewegungen beim Flußkrebs nach Ktun?) oder der Nystagmus beim Romgere’schen Versuch am Menschen.?) Was die Beziehungen der Sinnesorgane zur Körpermuskulatur betrifft, so ergibt sich ja beim einseitigen Entstaten von Frosch, Taube usw., dab dadurch direkt zwangsläufig der Tonus der Muskulatur der betreffenden Seite geschwächt wird. Das Tier neigt sich und dreht demnach nach der verletzten Seite.) Das Gleich- 1) HESSE-DOFLEIN, Tierbau und Tierleben. Bd. 1. Leipzig 1910. 2) KÜHN, A., Versuche über die reflektorische Erhaltung des Gleich- gewichts bei Krebsen, in: Verh. Deutsch. zool. Ges. Freiburg, 1914, p. 262ff., Berlin 1914. 3) Vgl. DENKER-BRUNING’s Lehrbuch der Krankheiten des Ohres und der Luftwege, Jena 1912. 4) Vgl. Ewaup, J. R., Das Straßburger physiologische Praktikum (mit Ausschluß des chemischen Teils), Leipzig 1914. — Künn, A., Die Orientierung der Tiere im Raum, Jena 1919. Kritik von J. Lors’s Tropismenlehre. 49 gewichtsorgan ist aber, namentlich beim héheren Tier, nicht nur ein Organ zur Orientierung im Raume, sondern gleichzeitig sozusagen ein Organ des „Muskelsinnes“, also mit den anderen Sinnesorganen insöfern gar nicht zu vergleichen. 13. Wechselwirkung der Sinnesorgane. Korrektur bei Ausfall eines Sinnes durch einen anderen Sinn, durch Instinkt- und Willenshandlungen. Wir sehen also, daß abgesehen von der zwangsläufigen Ver- änderung der Körperbewegung beim Ausfall des Gleichgewichtssinnes bei den Tieren bald eine Korrektur durch die übrigen Sinnesorgane einsetzt. Ja, Künn hat gezeigt, daß beim Flußkrebs selbst bei Ent- statung eine Lagekorrektur durch den Gesichts- und Tastsinn bis zu einem gewissen Grad möglich ist. In ihrer Wirksamkeit stufen sich nach Ktun am Flußkrebs diese drei Sinne so ab, daß der wirksamste für die Beibehaltung der normalen Lage der Gleich- gewichtssinn ist, dann folgt der Tastsinn und endlich der Lichtsinn. Ähnliches ist bei anderen wirbellosen Tieren, z. B. bei Planarien, und unter den Wirbeltieren bei Fischen nachgewiesen worden. Für die Rheotaxis der Fische kommen z. B. nach STEINMANN !) (a. a. O., p. 283) „neben den optisch-taktilen auch die direkten Reize des Strömungs- druckes . . . in Betracht“. Daß endlich für geotropische Reize das Gleichgewichtsorgan am wichtigsten ist und unter Umständen das Lichtsinnesorgan fast keine oder keine Bedeutung für die Steuer- bewegung haben kann, hat v. BUDDENBRocK?) an Pecten gezeigt (a. a. O., p. 349—352). Diese Beobachtungen stehen, was die wechselseitige Wirkung der Sinnesorgane und die Deutung der tropistischen Reaktionen be- trifft, in Einklang mit den Forschungen von STEINMANN ?) über die Rheotaxis der Fische und Amphibien. Er faßt das Ergebnis seiner interessanten Versuche in die Worte zusammen (a. a. O., p. 241): 1) STEINMANN, P., Untersuchungen über die Rheotaxis der Fische, in: Verh. Deutsch. zool. Ges. Freiburg, 1914, p. 278ff., Berlin 1914. 2) v. BUDDENBROCK, W., Die Statocyste von Pecten, ihre Histologie und Physiologie, in: Zool. Jahrb., Vol. 35, Physiol., p. 301ff., 1915. 3) STEINMANN, P., Über die Bedeutung des Labyrinthes und der Seitenorgane für die Rheotaxis und die Beibehaltung der Bewegungs- richtung bei Fischen und Amphibien, in: Verh. Naturf. Ges. Basel, Vol. 25, p. 212f., 1914. Zool. Jahrb. 39. Abt. f. alle. Zool. u. Physiol. 4 50 H. Ernarp, „Zweiseitig symmetrische Tiere sind durch den bilateralen Bau ihrer Bewegungsmuskulatur fiir Lokometion in gerader Linie ein- gerichtet. Die Beibehaltnng des eingeschlagenen Weges wird er- möglicht durch gleichmäßige Arbeit der beiden Körperhälften. Jede Abweichung aus der Richtung reizt im Sinne der Macu-Brever’schen Theorie das Labyrinth, das durch Erhöhung oder Herabsetzung des Tonus gewisser Muskelgruppen kompensatorische Reflexbewegungen hervorruft und dadurch das Tier wieder in seine Richtung zurück- bringt. Auf diese gradlinige Fortbewegung können aber äußere Reize im Sinne einer Knickung oder Biegung der Bahn einwirken. Die Sinnesorgane, die solche orientierende Reize aufnehmen (Seiten- linie, Augen, Ohren, Nasen), üben ihren Einfluß entweder direkt oder durch Vermittlung des Labyrinthes auf den Muskeltonus, und zwar steht auch hier jeweilen der Muskeltonus einer Seite unter der Kontrolle eines der beiden Sinnesorgane. Werden die beiden Sinnes- organe ungleich gereizt, so ist der Muskeltonus der beiden Seiten ungleich. Daraus ergibt sich eine Drehung des Tieres, die so lange andauert, bis beide Sinnesorgane gleichmäßig gereizt, der Muskel- tonus rechts und links daher ausgeglichen ist. Von diesem Moment an erfolgt die Bewegung wieder gradlinig, bis neuerdings einseitige Reizung eines Sinnesorgans Kniekung der Bahn hervorruft. Erfolgt die Orientierung eines Tieres im allgemeinen auf dieser physiologischen Grundlage, so wirkt im einzelnen doch auch ein psychischer Faktor mit, der vielleicht mit dem Wort ‚Stimmung‘ charakterisiert und der von allen möglichen inneren und äußeren Einflüssen modifiziert werden kann. Er bewirkt, daß das Tier nicht wie eine Maschine gleichmäßig reagiert: ein hungriges wird sich anders verhalten als ein gesättigtes, ein ruhiges anders als ein verängstigtes. Durch die jeweilige ‚Stimmung‘ kann jedoch nur das Verhältnis der physio- logischen Faktoren zueinander geändert werden.“ In eingehender Weise hat ferner v. Urxküru!) das Verhalten der Seeigel auf verschiedene Reize hin untersucht. Er kommt zur Ansicht, daß diese wohlgeordnete typische Reaktionsweisen, geordnete Reflexe, auslösen und nicht zwangsläufig erfolgende elementare Reaktionen. Die Erklärung für solche Erscheinungen kann aber die Tropismenlehre nicht geben. 1) v. UEXKULL, J., Über Reflexe bei den Seeigeln, in: Ztschr. Biol., Vol. 34, p. 208ff., 1897. — Ders, Im Kampf um die Tierseele, in: Ergebn. Physiol., Vol. 1, 1902. — Ders., Umwelt und Innenwelt der Tiere, Berlin 1909. Kritik von J. Lors’s Tropismenlehre. 51 Eine zweite Korrektur bei Ausfall eines Sinnesorgans wird bei niederen und höheren Organismen angebracht durch Instinkt- handlungen.!) Durch die Umwelt sind in dem „Gedächtnis“ des Tieres Eindrücke festgelegt, diese haben immer wiederkehrende „zweckmäßige“, d. h. lebenerhaltende Instinkthandlungen ausgelöst. Wo wir einen Riß in die Kette: reizperzipierendes Organ, Gehirn, motorische Endstelle anbringen, da wird selbstverständlich diese Instinkthandlung so lange ausbleiben, bis nicht auf einem anderen Weg — z.B. durch ein anderes Sinnesorgan der Reiz geleitet worden ist. Lassen wir einen ungewohnten Reiz — der an sich biologisch nie vorkommt, einwirken, z. B. elektrisches Licht auf Schmetterlinge, so kann die Reaktion freilich eine recht unzweckmäßige werden. Das ist aber kein Beweis gegen die Zielstrebigkeit?) und für das Maschinenmäßige einer Reaktion, denn das ist ja gerade das Kriterium des Instinktes, daß er nur dann zum guten Ziele führt, wenn Bekanntes einwirkt. In ähnlicher Weise, wie Sinnesorgane im allgemeinen nur dann entsprechend anklingen, wenn sie durch adäquate Reize getroffen werden, so erfolgt hier nur dann eine . zweckmäßige Reaktion, wenn ein gewohnter Reiz einwirkt. Eine dritte Korrektur bei Ausfall eines orientierenden Sinnesorgans kann beim höheren Organismus durch bewußte Willensvor- gänge erfolgen. Beim Menschen beobachten wir, daß selbst bei unheilbarer tonischer Veränderung der Muskulatur, wie sie für halb- seitige Lähmung bezeichnend ist, der Wille versucht, auch diese Schädigung zu überwinden. Seine Macht versagt großenteils bei 1) Über die Entwicklung und Bedeutung des Instirkts s. ZIEGLER, H.E., Der Begriff des Instinktes einst und jetzt, 3. Aufñl., Jena 1919. — Morean, C. L., Instinkt und Gewohnheit. Übersetzung, Leipzig 1909. 2) v. BAER, K. E., Studien aus dem Gebiet der Naturwissenschaften, Leipzig 1876. v. BAER unterscheidet zwischen Handlungen, die mit einer Vorstellung und Absicht geschehen und solchen, die ohne Vorstellung und Absicht erfolgen. Die ersteren nennt er zweckmäßig, die letzteren. zielstrebig. So richtig die Unterscheidung der Handlungen ist, so wenig: glücklich erscheint mir der Name ,zielstrebig“ für Handlungen, die ohne bewußte Willensvorgänge verlaufen. Denn einem Ziel kann man nur mit Vorstellung und Absicht nach der landläufigen Auffassung zustreben, genau wie man auch nur mit ihnen einem Zweck gemäß handeln kann. Ich möchte beide Worte, zielstrebig und zweckmäßig, im gleichen Sinn für alle tierischen Handlungen — ob instinktiv oder bewußt — gebrauchen. Übrigens führt v. BAER aus, daß es nur eine teleologische Betrachtung der Welt geben könne und bekämpft die ,Teleophobie“ mancher Natur- forscher. 4* 52 H. ErHArp, Störung des Gleichgewichtsorgans und bei Zerstörung oder Reizung der Gehirnzentren für Muskelbewegung, ebenso bei einigen Reflexen, wie z. B. beim Patellarreflex. Dagegen kann durch den Willen z. B. der Cornealreflex aufgehoben werden, und es können im allgemeinen bei Störung eines Sinnesorgans durch Einspringen anderer Sinnes- organe, assoziative Verarbeitung dieser Eindrücke und willkürliche Anwendung des Gesamteindrucks gleichfalls zweckmäßige Reaktionen erzielt werden. | Endlich kann der Fall eintreten, daß zwar die Sinnesorgane normal funktionieren, der auf ein oder mehrere Sinnesorgane ein- wirkende Reiz aber zwar adäquat oder doch nicht normal ist. Auch in diesem Fall kann die Korrektur zur Auslösung einer zweck- mäßigen Reaktion des Organismus durch die Eindrücke der übrigen Sinnesorgane, durch den Instinkt oder durch den Willen erfolgen. Ich hoffe in einer späteren Arbeit dafür ein Beispiel geben zu können. Wir haben also an den bisherigen Beispielen gesehen, daß die meisten tropistischen Reaktionen nicht so zwangsläufig erfolgen, wie Los sich das mechanistisch vorstellt, sondern daß schon bei den niedersten Tieren die Instinkte und in der aufsteigenden Tier- reihe immer mehr bewußte Willensvorgänge für ihren Ab- lauf bestimmend sind. Nur das Gleichgewichtsorgan scheint zwangs- läufiger zu wirken, da es direkt den Muskeltonus mit bestimmt. Dasselbe scheint vom Galvanotropismus zu gelten. | 14. Der Galvanotropismus als zwangsmäßige Reaktion. Die Frage, ob bei einer galvanischen Reizung der negative und positive Pol als solcher äußerlich empfunden werde, oder ob nur in- folge einer inneren elektrolytischen Zersetzung im gereizten Orga- nismus die Empfindung ausgelöst werde, ist für den schon 1760 von SULZER entdeckten „elektrischen Geschmack“ heute gelöst.) Die Anode schmeckt auf der Zunge sauer, die Kathode herb brennend (nicht laugenhaft oder alkalisch, wie man früher unter der Zwangs- vorstellung der gleich zu besprechenden Theorie annahm). Man dachte sich nämlich, daß durch den Strom das Salz der Speichel- flüssigkeit elektrolytisch zersetzt wird, so daß an der Anode freie Säure, an der Kathode Alkali entsteht. RosentHau?) hat den Be- 1) Vgl. ErHARD, H., Tierphysiologisches Praktikum, Jena 1916, p. 93—94. 2) ROSENTHAL, J., Uber den elektrischen Geschmack, in: Arch. Kritik von J. Loxrs’s Tropismenlehre. 53 weis geliefert, daß keine solche äußere Veränderung vor sich geht, indem er auf die Zunge blaues Lackmuspapier legte, das sich beim Versuch nicht an der Anade rétete. Er schließt daraus, daß bei galvanischer Reizung im Innern der Geschmacksknospen eine elektrolytische Zersetzung stattfindet, durch welche die spezifischen Geschmacksnerven spezifisch erregt werden. v. ZEYNEK !) konnte dies dadurch beweisen, daß bei Strömen ver- schiedener Spannung die Geschmacksempfindung sich ändert, dieselbe also abhängig ist von den durch den Strom ausgeschiedenen Ionen. Im Augenblick der Schließung und der Öffnung reizt aber auch außerdem der galvanische Strom die Enden der Geschmacksnerven direkt, wie Fr. Hormnnn und R. Bunzeu?) gezeigt haben. À) Loss führt, um die Zwangsläufigkeit der Tropismen zu beweisen, das Verhalten galvanotropischer Organismen an und sagt (a. a. O., p. 452): „Wir werden sehen, daß viele Tiere Galvanotropismus zeigen, obwohl die Bedingungen für die Manifestation dieser Reaktion nur im Laboratorium, nie aber in der Natur gegeben sind. Wer seine Zeit nicht mit müßigen Wortspielereien vergeuden will, wird daher gut tun, die Instinkte in derselben Weise zu analysieren, wie das für die Vorgänge in der unbelebten Natur üblich ist, wo Begriffe wie Anpassung und natürliche Zuchtwahl sich als nutzlos erweisen und wo es nur darauf ankommt, den Mechanismus des Geschehens klar- zulegen. Daß aber der Galvanotropismus nicht mit den übrigen Tropismen direkt zu vergleichen ist, ergibt sich aus folgendem: Schon STATKE- witscH *) fand, daß bei schwacher galvanischer Reizung von Para- maecium diese Tiere nach der Kathode zu schwimmen, wobei die Cilien der Vorderseite nach der Spitze des Tieres zu schlagen (Fig. O u. P). Bei Verstärkung des Stromes werden, wie JENNINGS beob- Physiol., Jg. 1860. Vgl. dagegen HERMAAN, L. und S. LASERSTEIN, Beiträge zur Kenntnis des elektrischen Geschmacks, in: PFLÜGER’s Arch. Vol. 49, p. 519ff., 1891. LD QE TES R., Über den elektrischen Geschmack, in: Ctrbl. Physiol., Vol. 12, 617Æ. 1898. 2) HOFMANN, F u. R. BUNZEL, Untersuchungen über den den Geschmack, in: PFLÜGER’s Arch., Vol. 66, p. 215ff., 1897. 3) Vel. ferner LANDOIS-ROSEMANN, Lehrbuch der Physiologie des Menschen, Vol. 2, Berlin, Wien 1919, p. 859—860. 4) STATKEWITSCH, P., Galvanotropismus und Galvanotaxis der Ciliata I, in: Ztschr. allg. Physiol, Vol. 4, p. 296—332, 1904. 54 H. Erxarn, achtete (a. à. O., p. 127—128), die Cilien der Vorderseite noch weiter umgedreht, so daß zwei entgegengesetzte Wasserwirbel entstehen, Fig. O. „Schema der Wirkungen des elektrischen Stromes auf die Cilien von Paramaecium, welches zeigt, daß die Stellen, an welchen die Cilien vorwärts bzw. rückwärts gerichtet sind, nicht denjenigen Stellen entsprechen, an denen der Strom den Körper verläßt und in ihn eintritt.“ (Nach Jennınas aus ERHARD, Praktikum.) Buchstabenerklärung s. Fig. P. a b ge. > À RDA, \ + B + a7 d 3 € a b 2 \ = b x a Bee © — N À € b a Fig. P. „Schematische Darstellung der Bewegungen von Infusorien unter der Einwirkung des elektrischen Stromes bei starker Entwicklung der peristomalen Wimpern (a). Die kleinen Pfeile im Innern der Umrisse geben die Richtungen an, in welchen die anstoßenden Cilien das Tier zu drehen suchen; die großen äußeren Pfeile zeigen die wirkliche Drehungsrichtung. Bei den Stellungen 1, 2 und 3 dreht das Tier nach der dem Peristom entgegengesetzten Seite (der aboralen Seite b), wozu es durch das kräftige Schlagen der Peristomwimpern «a ge- zwungen wird. In der Stellung 4 erfolgt die Drehung immer noch nach der aboralen Seite, weil b und d zahlreicher sind als a und c. In den Stellungen 5 und 7 herrscht ein Zustand, der sich dem Gleichgewichtszustande nähert. Bei 6 erfolgt die Drehung nach der oralen oder peristomalen Seite a, — wobei alle Cilien im gleichen Sinne wirken. Die Peristomwimpern sind beim Rückwärtsschlagen kräftiger als die anderen und deshalb durch dickere Linien markiert.“ (Nach JENNINGS aus ERHARD, Praktikum.) ein zur Spitze des Körpers verlaufender, von den Vorder- wimpern erzeugter und ein von den hinteren Cilien verursachter nach dem Hinterende des Körpers verlaufender Strom (Fig. Q). Kritik von J. Lors’s Tropismenlehre. 55 Jennincs !) (a. a. O., p. 135) sagt mit Recht: „Es ist einleuchtend, daß die Reaktion auf den elektrischen Strom sich grund- sätzlich von dem Verhalten gegenüber anderen Reiz- arten unterscheidet. Bei anderen Reizen erfolgen die Bewegungen koordiniert und gehen alle auf dasselbe Fig. Q. „Wasserströmungen infolge des Wimperschlages unter der Einwirkung des elektrischen Stromes. a schwacher elektrischer Strom; Umkehr des Wasser- stroms nur am Kathodenende. 5b stärkere elektrische Ströme; Umkehr der Wasser- strôme über die der Kathode benachbarte Hälfte hinaus bis zur Mitte.“ (Aus JENNINGS.) Ziel hinaus, während bei dem elektrischen Strome verschiedene Teile des Körpers einander entgegen- wirken. Dadurch wird das ganze Verhalten unkoordi- niert, es fehlt ihm das Einheitliche.”) Das Tier scheint sich zu bestreben, zwei entgegengesetzte Handlungen zugleich auszu- 1) JENNINGS, H. S., Das Verhalten der niederen Organismen. Uber- setzt von E. MAnGoLD, Leipzig 1910. 2) Von mir gesperrt gedruckt. 56 H. Ernarp, fiihren, denn die vorderen Cilien treiben das Tier rückwärts, die hinteren vorwärts. In gewissen Stellungen sucht ein Teil der Wimpern das Tier nach rechts zu drehen, andere zugleich nach links: Die Wirkung des Stromes ist also mehr lokal und unmittelbar als die bei anderen Reizen und ruft entgegengesetzte Reaktionen an verschiedenen Körperstellen hervor. Hier läßt sich in dem Verhalten nichts von einem „Probieren“ verschiedener Stellungen bemerken. Die lokale Umkehr der Wimpern zwingt das Tier vielmehr direkt in eine bestimmte Orientierung hinein . .. Offenbar würde es ein sroßer Irrtum sein, das Verhalten bei der Einwirkung des elektri- schen Stromes als typisch für das gewöhnliche Verhalten dieser Tiere anzusehen, wie es indessen manchmal geschehen ist.“ Es fragt sich nun: Beruht der Galvanotropismus.von Paramaecıum auf einer nur von außen ansetzenden Kraft in dem Sinn, daß man sich mit Log (a. a. O., p. 452—453) vorstellt, „der Raum sei mit Kraftlinien durchzogen. Diese Kraftlinien würden an den Orga- nismen angreifen und sie unter gewissen Bedingungen zwingen, sich in die Richtung der Kraftlinien einzustellen oder in der Richtung derselben zu bewegen“. Oder: wird durch den galvanischen Strom eine chemische Zersetzung im Innern des Organismns erzielt, die ihn zwangsläufig nach der einen Seite treibt. JENNINGS hat (a. a. O., p. 250—260) die Theorien der Reaktion auf elektrische Stréme so anschaulich geschildert, daß wir hier kurz seinen Gedankengängen folgen: Daß nicht durch kataphorische Wirkung oder elektri- sche Konvektion die Paramäcien passiv verfrachtet werden, das hat schon STATKEWITSCH gezeigt, indem er fand, daß tote oder betäubte Paramäcien nicht durch den elektrischen Strom bewegt werden. LoeB und Bupcetr!) glauben, daß durch den elektrischen Strom eine elektrolytische Zerlegung in der Untersuchungs- flüssigkeit erfolgt und daß sich an der Eintrittsstelle des Stromes in das Plasma, an der anodischen Oberfläche, demnach Alkali, an der Austrittstelle Säure anlagert. Diese Theorie stimmt, wie JEN- NINGS (a. a. O., p. 254) hervorhebt, nicht, weil Säuren keine Umkehr des Wimperschlags und Alkalien keine Verstärkung des normalen Wampoteel tee hervorrufen. 1) LoEB, J.u. 8. P. BUDGETT, Zur Theorie des Galvanotropismus. IV., in: PFLUGER’s Arch., Vol. 56, p. 518—534, 1897. Kritik von J. Lors’s Tropismenlehre. 57 An dieser Tatsache scheitert auch die Vorstellung von CoEHN und BARRATT !), welche glauben, daß Paramäcien positiv geladen seien infolge Abgabe der negativen und Zurückhalten der positiven Ionen.: Im elektrischen Strom sollen sie u ihrer Ben. Ladung zum negativen Pol schwimmen. Loss. hatte schon früher ?) eine Theorie für die Reizung des Nerven durch den elektrischen Strom auf Grund innerer Vorgänge aufgestellt. Er geht, wie er in WINTERSTEIN’S Handbuch sagt (a. a. O., p. 493), dabei von der Voraussetzung aus, „daß die Verschiedenheiten in der Geschwindigkeit, mit der die ver- schiedenen Ionen wandern, zu solchen Änderungen der Erregbarkeit führen, wie wir sie beim Elektrotonus wahrnehmen. Da es nun bekannt ist, daß alle Salze, welche die Konzentration der Ca-Ionen im Nerven herabsetzen, dessen Erregbarkeit' erhöhen — also’ wie der Katelektrotonus wirken —, z. B. Oxalate, Zitrate, Phosphate, Sulphate, so nahm Lore an, daß auch in der katelektrotonischen Strecke des Nerven bei der Durchströmung die Konzentration der Ca- und Mg-Ionen verringert, daß sie aber an der Anode erhöht wird. Die Möglichkeit hierfür ist in der Tat gegeben, wenn wir berücksichtigen, daß die Anionen von der Kathode fortwandern und sich an der Anode ansammeln, und daß außerordentliche Unterschiede in der Wanderungsgeschwindigkeit der anorganischen Anionen, be- sonders des Cl, und der organischen Anionen bestehen. Die letz- . teren wandern viel langsamer als die ersteren. Da nun CaCl, viel löslicher und viel stärker dissoziiert ist als die Caleiumsalze der höheren Fettsäuren, so muß eine Verarmung der Kathodenstrecke an Chlorionen auch indirekt eine Verarmung an freien Ca- und Mg- Ionen. zur Folge haben; das bedingt die Erregbarkeitserhöhung an der Kathode während der Durchstrémung. An der Anode nimmt das Verhältnis der anorganischen zu den organischen Anionen und damit die Konzentration der freien Ca-Ionnen zu; daher die Ab- nahme der Erregbarkeit.“ BancrOFT *) bewies die Richtigkeit dieser Anschauung durch 1) CoEun, A.u. W. Barratt, Über Galvanotaxis vom Standpunkt der physikalischen Chemie, in: Ztschr. allg. Physiol., Vol. 5, p. 1—9, 1905. 2) LoEB, J., Uber die Ursache der otnohen N änderung im Keen, in: PFLÜGER’s Arch., Vol. 116, p. 193ff., 1907. 3) BANCROFT, F. W., On the eh of the relative en of calcium-ions on the reversal of the polar effects of the galvanic current in Paramaecium, in: Journ. Physiol., Vol. 34, p. 444—463, 1906. 58 H. ErHARD, folgende Versuche: Er spülte Paramäcien erst. in reinem Wasser ab und brachte sie dann in reine Salzlösungen. In allen anorganischen Salzlösungen — mit Ausnahme der Calciumsalze — besonders im Bariumchlorid, sowie von organischen Salzlösungen in Natriumsalzen der Oxalsäure — schwammen die Paramäcien nach der Anode statt nach der Kathode. Die Cilien der vorderen Hälfte der hier zuerst nach der Anode zu eingestellten Tiere wandten sich nach vorn, die übrigen Cilien schlugen nach rückwärts. Nach einiger Zeit erst orientieren sich die Paramäcien nach der Kathode und schwimmen infolge des stärkeren Schlages der normal gerichteten Cilien dieser zu. Bei Einwirkung von Ca-Salzen ist keine vorübergehende Ein- stellung der Tiere zur Anode wahrzunehmen; ebenso wird durch die Wirkung der oben genannten Salze durch Ca-Salze entweder aufgehoben oder umgekehrt. | JENNINGS (a. a. O., p. 257—258) schildert die Gedankengänge der Erklärung von BancrorT folgendermaßen: „Das Protoplasma enthält gewisse Mengen anorganische Salze, Calciumsalze, ebenso wie andere Salze. In der Ruhe bleibt das Verhältnis der Konzentration der Calciumionen zu der der übrigen Ionen ziemlich konstant. Wenn sich aber dieses Verhältnis des Calciums zu anderen anorganischen Salzen in gewisser Weise ändert, so erfolgt eine Reizung, die in einer Kontraktion oder in einer Umkehr des Wimperschlages zum Ausdruck kommt. Das heißt, „die galvanische Reizung hängt ab. von Calciumionen und tritt nicht ein, wenn die relative Konzentration der Calciumionen größer oder kleiner wird“ (Bancrort, 1906, p. 446). Bei einem normalen Paramaecium in der Kulturflüssigkeit ist dieses Verhältnis des Calciums zu anderen Ionen größer als diese bestimmte Menge, so daß keine Reizung erfolgt. Wenn jetzt ein elektrischer Strom durch das Wasser, das die Tiere enthält, hindurchgeleitet wird, so veranlaßt dieser natürlich Kationen wie Chlor usw., die eine große Geschwindigkeit haben, schleunigst das Kathodenende des Körpers zu verlassen und auf das anodische überzugehen. Daher bleibt am Kathodenende eine größere Menge komplexer Anionen als gewohnlich, — Oleat, Palmitat usw. Von diesen weiß man, daß sie Calciumsalze (CaCl,) ausfällen, so daß sie die Menge der Calcium- ionen an dieser Stelle vermindern müssen. Diese Abnahme der Menge der Calciumionen im Verhältnis zu den anderen Ionen geht an der Kathode so weit, bis der Zustand erreicht ist, der eine Reizung mit sich bringt, und die Cilien kehren sich, wie die Beob- achtung ergibt, an dem Kathodenende um. Am Anodenende er- Kritik von J. Lors Tropismenlehre. 59 folgen die umgekehrten chemischen Veränderungen; die Menge der schnell wandernden Ionen, wie die des Cl muß hier zunehmen und damit die relative Menge der das Calcium fallenden Stoffe verringern. Daher wächst an der Anode die relative Menge der Calciumionen und es kann keine Reizung zustande kommen.“ „Wenn die Infusorien in ziemlich starke Lösungen von anderen als Caleiumsalzen gebracht werden, so sinkt natürlich das Verhältnis == = P. T \ \ O Cu S04 Fig. R. „Versuchsanordnung zur Prüfung des negativen Galvanotropismus von Paramaecium. A Akkumulator. Cu Kupferblättchen. FI FlieBpapier. CuSo, mit Kupfersulfat getränktes FlieBpapier. O Objektträger. P Paramaecien in Wasser auf Objektträger unter Deckglas mit Wachsfübchen. <- Richtung des Stromes. -+ Anode positiv. — Kathode negativ. B Brettchen des Wider- standes. Kl.f. W und Kl.f fest auf dem Widerstand angemachte Klammern, zwischen denen die Widerstandskordel W.K ausgespannt ist. Kl.b beweglich auf der Widerstandskordel verschiebliche Klammer.“ (Aus Eruarp, Praktikum.) der Calciumionen in den Geweben. Bancrorr nimmt an, daß es in solchem Maße abnimmt, daß es unter die reizverursachende Menge sinkt. Wenn die Tiere nun dem elektrischen Strom ausgesetzt werden, so tritt dasselbe ein wie vorher, eine Abnahme der relativen Menge der Calciumionen an der Kathode und eine Zunahme an der 60 H. ErHARD, Anode. Da die Menge an der Kathode schon vorher zu gering war, um eine Reizung zu verursachen, so hat der elektrische Strom hier keine Wirkung. An der Anode muß andererseits die Menge der Caleiumionen ansteigen, und schließlich wird diejenige Menge er- reicht, die zu einer Reizung führt. Daher kehren jetzt die Cilien am anodischen Ende um, und das Tier dreht infolgedessen sein Vorderende der Anode zu.“ en WALLENGREN!) fand nun, daß Opalina es die man selbst- verständlich in einer dem Froschblut isotonischen, also 0,6 °/, igen Kochsalzlösung untersuchen muß, nicht wie Paramaecium negativ galvanotropisch, sondern positiv galvanotropisch reagiert. Ich habe die galvanotropischen Versuche an beiden Tieren wiederholt, wobei ich die störenden Polarisationsströme durch ein vereinfachtes Ver- fahren vermied (a. a. O., p. 94) (Fig. R).?) Dabei konnte ich die Er- gebnisse beider Forscher bestätigen. Gleichzeitig habe ich gezeigt (a. a. O., p. 97—98), daß der abweichende Befund an Opalina nur, wie schon WALLENGREN hervorgehoben hat, auf die abweichende Form dieses Tieres zurückzuführen und durchaus nach der Theorie von BANCROFT zu erklären ist. Wenn wir uns somit der Ansicht von Lors und BANCROFT an- schließen, daß der Galvanotropismus auf einem inneren zwangs- läufigen Vorgang im Organismus beruht, so müssen wir mit JENNINGS (a. a. O., p. 259) hervorheben, daß die Reaktion der Infusorien auf den elektrischen Strom vom Verhalten derselben anderen Reizen gegenüber abweicht; also nicht typisch ist. „Es kann vielmehr mit dem Verhalten eines Organismus verglichen werden, der mechanisch mit Klammern fest- gehalten und dadurch verhindert wird, sein natürliches Verhalten zur Schau zu tragen. Es erscheint besonders bemerkenswert, daß dieses krampfhafte und zusammenhängende Verhalten nur unter dem Einflusse einer Einwirkung beobachtet wird, die bei den natür- lichen Lebensbedingungen niemals auf die Tiere einwirkt“ (JENNINGS, p. 259— 260). er Einen zwangsläufigen Galvanotropismus beobachtet man in der Tierreihe aufsteigend bis zu den Amphibien aufwärts. Lors und 1) WALLENGREN, H., Zur Kenntnis der Galvanotaxis. I. Die anodische Galvanotaxis, in: Ztschr. allg. Physiol., Vol. 1, p. 341ff., 1902. 2) ERHARD, H., Tierphysiologisches Praktikum, Jena 1916. Kritik von J. Lozs’s Tropismenlehre. 61 GaRREY!) konnten zeigen, daß sich eine Amblystoma-Larve ver- schieden verhält, je nachdem ob sie von vorn nach hinten oder von hinten nach vorn durchstrémt wird (Fig. S u. T). Wenn bei den höchstentwickelten Organismen keine Reaktion der Gesamtkörper- bewegung nach der Richtung eines bestimmten Poles mehr zu beob- achten ist und der Strom nur als Erregung wirkt, so ist dies kein Beweis dagegen, daß auch im höheren Organismus innere galvano- tropische Vorgänge erfolgen. Wir wissen, welch große Rolle im gi Fig. S. ,Amblystoma-Larve mit absteigender Durchströmung. Die Wirbelsäule ist konvex nach oben, die Beine sind nach hinten gestreckt, wie wenn die Vorwärts- bewegung erleichtert wäre.“ (Aus Lore.) Fig. T. „Aufsteigende Durchströmung von Amblystoma. Die Wirbelsäule ist konkay nach oben, die Beine sind mehr nach yorwärts gestreckt. Die Vorwärts- bewegung ist erschwert.“ (Aus Loks.) normalen und kranken Organismus des Menschen die Aktionsströme spielen — diejenigen des Herzens werden diagnostisch mittels des Elektrokardiogramms aufgenommen —, wir wissen, daß jeder Nerv bei Reizung negativ elektrisch wird, wir kennen den Einfluß der Luftelektrizität auf das physische und psychische Verhalten mancher 1) LoEB, J. u. W. E. Garrey, Zur Theorie des Galvanotropismus. II. Versuche an Wirbeltieren, in: PFLÜGER’s Arch., Vol. 65, p. 41 f;, 1896. 62 H. ErHARD, Menschen, und können uns wohl vorstellen, daß in ihrem Körper sich ähnliche zwangsläufige Vorgänge dabei abspielen, wie sie Lors und BANCROFT annehmen. Lors dehnt seine mechanistische Anschauung über das orga- nische Geschehen auch auf das Gebiet der Entwicklungsmechanik aus, indem er, wie schon vor ihm Roux, von einem besonderen „Cytotropismus“ spricht (a. a. O., p. 511). Da ich mich in meiner Kritik der Lorp’schen Ansichten auf diejenigen Gebiete beschränken möchte, auf denen ich selbst einige Erfahrung gesammelt habe oder die mir doch näher liegen, so sehe ich hier davon ab, auf den „Cytotropismus“ einzugehen. In einem eben erschienenen Buch hat PETER!) die Auffassung der Allmacht der Zweckmäßigkeit in der Entwicklungsgeschichte in einer Weise vertreten, die, wie ich glaube, sich in vielem mit dem, was ich hier über die Tropismenlehre aus- zuführen versucht habe, in Einklang befindet. 15. Zusammenfassung und Schluß. Ich möchte meine Ansicht über die Tropismenlehre etwa folgen- dermaßen zusammenfassen: Es gibt im Organismenreich ein Geschehen, das rein nach den uns bisher aus der Physik und Chemie bekannten Gesetzen zwangsläufig verläuft, es gibt ferner ein Geschehen, das in Form von Instinkthand- lungen verläuft und endlich ein solches, das „freien“ Willenshandlungen entspringt. Zwischen diesen drei Reaktionen bestehen nur graduelle, keine prinzi- piellen Unterschiede, es besteht also letzten Endes eine Einheit des Geschehens. Unsere heutigen Kennt- nisse der „exakten“ Naturwissenschaften reichen aber bei weitem noch nicht aus, die Lebensvorgänge mit ihren Gesetzen allein zu erklären. Vor allem finden wir schon in den niedersten tierischen Organismen einen instinktiven Willen vor, der sie veranlaßt, Handlungen auszuführen, die unter Umständen das Gegenteildessensind, was vom mechanistischen Stand- 1) PETER, K., Die Zweckmäßigkeit in der Entwicklungsgeschichte, Berlin 1920. Kritik von J. Loeg’s Tropismenlehre. 63 punkt zu erwarten wäre. Das Gesetz, daß bei Verände- rungen in der normalen Umwelt in der Regel die für die Erhaltung des Lebens zweckmäßigste Reaktion von seiten des Organismus erfolgt, beherrscht das ganze Tierreich. Diese Zweckmäßigkeit entwickelt sich von innen heraus. Wer an eine solche Zweckmäßigkeit der Reaktion glaubt, braucht noch lange nicht an einen Baumeister der Natur zu glauben, der sie vorausgedacht und geschaffen, ebenso- wenig wie man glauben wird, GoETHE’s Faust sei dem Dichter von einem solchen Geist in die Feder diktiert worden. Gerade, wer an eine Einheit des Geschehens glaubt, muß mit gleicher Schärfe die anthropozentrische Auf- fassung einer „kapriziösen Tierseele“ wie die mecha- nistische Auffassung, die das organische Geschehen mit dem Vergleich eines fallenden Steines zu erklären glaubt, ab- lehnen. Beide haben den Naturwissenschaften in gleicher Weise geschadet. Wer auf dem Standpunkt der Einheit des Geschehens steht und die Zweckmäßigkeit desselben leugnet, muß konsequent sein und dies dann auch für den Menschen tun. Er muß dann aber auch bekennen, es sei für ihn nur ein Zufall, daß Hunderttausende von Buchstaben im Gehirn eines Homer sich so zusammenfanden, dab sie Ilias und Odyssee ergaben. Wer aber an Zweckmäßigkeit glaubt, diese aber einzig und _ allein auf die Idee, Überlegung und den Willen eines Weltbaumeisters zurückführt, der muß — wie das vor ein paar Jahren tatsächlich von einem gebildeten Mann in einer Polemik mit HAEcKEL geschehen ist, sagen: Dieser Weltbaumeister hätte mit Absicht das Wasser so geschaffen, daß es bei 4° C seine größte Dichtigkeit besitzt, damit die Fische am Grund der Seen nicht zugrunde gehen. Wunpr hat diese von innen heraus kommende Zweck- mäßigkeit oder Zielstrebigkeit gegenüber der Umwelt als instinktiven Willen bezeichnet, ihn schon den allerniedrigsten Tieren zugesprochen und ihn als das Kriterium des Lebens bezeichnet. Was bleibt nach alledem von der Tropismenlehre? Ein Wort, das reinäußerlich einen Vorgang umschreibt. Wer sich als Naturforscher mit der äußerlichen Beschreibung der Naturvorgänge zufrieden gibt, für den wird das Wort Tropismus 64 H. Eruarp, Kritik von J. Lors’s Tropismenlehre. und die Tropismenlehre Loxp’s stets ausreichen. Aber man sei sich dessen klar, daß man dabei nicht tiefer in das Wesen der Natur eindringt als — um einen Vergleich PAULSEN’S zu gebrauchen — jemand in das Wesen eines Buches eindringt, der dessen Werden einzig- und allein vom Beginn der Papierfabrikation bis zum: fertigen Druck betrachtet. Es gibt ja Naturforscher, die sich mit der rein beschreibenden Art begntigen, wie BARRANDE, der sich zum Leitsatz seines Werkes. über das böhmische Silur die Worte gewählt hat: Ce que j'ai vu. Zu einer Erklärung reicht aber Lorp’s Tropismen- lehre nicht aus, zum Wort müssen sich erst die Begriffe einstellen, es bleibt also dabei, es gibt keine Tropismenlehre, sondern nur ein Wort Tropismus. Gießen; Juni 1920. Nachdruck verboten. Ubersetzungsrecht vorbehalten. Zur Kenntnis des Lichtsinnes einiger niederer Krebse. Von H. Erhard (Zoologisches Institut Gießen). (Aus der Universitäts-Augenklinik München.) Inhaltsverzeichnis. 1. Material . . POUR sc TN Sn dir 6 D 2. Verhalten are Hell mé Wankel Bet lacie ie it ick To ca O0 3. Das WEBER’sche Gesetz. . . ar OF 4, Biologische Bedeutung der Empfindlichkeit fir r Helligkeit. | 5. Die Wirkung farbigen Lichtes. . . | 6. Die Wirkung ultravioletten Lichtes . . . IRA 7. Bedeutung der Veränderung der Farben im er He Seen 4:80 D asammenfassung Tad SchluB ... … . + woe we net Bl 1. Material. Zur Untersuchung dienten Cyclops strenuus und Chydorus sphae- ricus, die Herr Geheimrat v. Hess in Teichen bei Possenhofen am Starnbergersee gefangen hatte und mir liebenswürdigerweise zur Verfügung gestellt hatte, sowie Diaptomus castor, den ich im Starn- bergersee gefischt hatte. Alle 3 Arten wurden in den ersten Tagen nach dem Fang in der Augenklinik beobachtet. Während sich Cyclops einige Wochen frisch hielt, beantwortete Chydorus Lichtreize nach Zool. Jahrb. 39. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 5 66 H. Erxanrn, Verlauf einer Woche träger; Diaptomus starb großenteils im Verlaufe einiger Wochen ab. Gewertet wurden nur die mit frischen Tieren erzielten Ergebnisse. 2. Verhalten gegenüber Hell und Dunkel. Zuerst wurde das Verhalten der Tiere farblosen Lichtern gegenüber untersucht. In den planparallelen Glasgefäßen sammelten sie sich stets im Zimmer an der Fensterseite in dichten Scharen an. Verdunkelt man einen Teil des Gefäßes mit mattschwarzer Pappe, so schwimmen: alle Tiere ins Helle Will man sie in großen Mengen mit der Pipette sammeln, so bedient man sich mit Vorteil der Methode, sie vorher durch Verdunklung des größten Teiles des Gefäfes im Hellen zusammenzutreiben. Am raschesten reagiert positiv phototropisch Chydorus, dann folgt Cyclops und endlich Diaptomus. Aus diesem Verhalten darf man selbstverständlich noch nicht den Schluß ziehen, daß sich das Empfindungsvermögen für Helligkeiten in der gleichen Weise für die 3 Arten abstufe. Auf verschiedene Weise wurde nun der positive Phototropismus geprüft. So wurde z. B. im Dunkel- zimmer mit der von Zeıss, Jena, für Augenuntersuchungen gebauten leichtbeweglichen elektrischen „Hammerlampe“ ein Teil des Gefäbes beleuchtet oder es wurde das Licht einer feststehenden elektrischen Lampe abwechselnd durch mattschwarze Pappe abgeblendet. Immer suchten die Tiere die relativ hellsten Stellen auf. Nachdem so festgestellt war, daß sich die Tiere zu Lichte versuchen sehr wohl eignen, wurde studiert, wie sich die Tiere in der Art ihrer Bewegung bei wechselnder Belichtung verhalten. Ich setze die für Cyclops und Diaptomus bezeichnende ruckweise Schwimmbewegung als bekannt voraus. Chydorus bewegt sich in größeren Kreisen und Ellipsen im Wasser. Wurde die Be- lichtung des Untersuchungsgefäßes herabgesetzt, z. B. dadurch, daß die Hammerlampe plötzlich weiter entfernt wurde, so trat bei allen 3 Arten eine bezeichnende Verdunklungsreaktion auf: Die Be-. wegungen wurden träger, ja ein großer Teil der Tiere hörte ganz. mit den Schwimmbewegungen auf und ließ sich wie tot zu Boden sinken. Umgekehrt kam bei Erhellung viel mehr Leben in das Gefäß und ein großer Teil der Tiere stieg vom Grund auf, um —- solange die Erhellung dauerte — in höheren Lagen zu schwimmen. Bei Chydorus wird die Beobachtung insofern etwas erschwert, als Lichtsinn einiger niederer Krebse. 67 immer eine Anzahl von Tieren in stehenden Kreisen sich weiter- dreht. Am deutlichsten wird die Verdunklungs- und Erhellungs- reaktion wahrgenommen, wenn man ein vergrößertes Bild des Gefäßinhaltes auf einen weißen Schirm mit dem Projektions- apparat wirft. Bei Wahl von nur geringen Lichtunterschieden ist bei Cyclops und Diaptomus die Erhellungsreaktion deutlicher, da diese beiden Arten bei Erhellung ganz plötzlich in die Höhe steigen, während sie bei Verdunklung nur allmählich mit ihren Bewegungen aufhören und so zu Boden sinken. Bis relative Ruhe im Gefäß eingetreten ist, bis die Verdunklungsreaktion zu Ende ist, das kann bis zu 20 Sekunden und noch länger dauern. Anders bei Chydorus. Bei Erhellung erheben sich die Tiere langsamer aus ihren gewohnten Kreisen, während sie bei Verdunklung rascher, mit einem Ruck, zu Boden sinken. Von ausschlaggebender Bedeutung bei diesen wie bei allen _ Lichtsinnesversuchen ist, wie Hess !) (a. a. O., p. 265) gezeigt hat, der Adaptationszustand des Auges. Ließ ich die Tiere erst mehrere Minuten im Dunkelzimmer verdunkelt stehen und beleuch- tete sie dann ganz plötzlich mit einem grellen Licht, so schwammen sie nicht nur nicht dem Lichte entgegen, sondern konnten sich sogar vom Licht entfernen. Man muß also die Tiere entweder vor dem Versuch sich an eine ähnliche Lichtstärke anpassen lassen oder darf nur diejenigen Ergebnisse werten, die nach einem Aufenthalt von einigen Minuten im Reizlicht erzielt werden. 3. Das WEBER’sche Gesetz. Wir haben die Möglichkeit mittels der immer wiederkehrenden Verdunklungs- und Erhellungsreaktion zu prüfen, welches die geringsten Lichtunterschiede sind, die von den Tieren bestimmt nöch wahrgenommen werden, welches also die Reizschwelle ist. Hess hat zu diesem Zweck einen aus matt- schwarz gestrichenem Blech bestehenden 3 m langen Tunnel gebaut, in dem eine an einer cm-Skala verschiebliche Lichtquelle, eine 5kerzige Osramlampe, sich befindet. Vor das eine Ende des Tunnels stellt man das Untersuchungsgefäß. Bekanntlich nimmt die Licht- 1) v. Hess, C., Der Lichtsinn der Krebse, in: PFLÜGER’s Arch, Vol. 174, p. 245, 1919. 5* 68 H. ErHaARD, stärke im Quadrat der Entfernung ab. Man kann also bequem durch Rechuung die Abnahme und Zunahme der Lichtstärke hier feststellen. Die Versuche wurden so angestellt, daß entweder ein Mitarbeiter die Lichtquelle bewegte und ich beobachtete oder umgekehrt. Da- bei bemerke ich, daß der Mitarbeiter nicht wußte, welches Ergebnis zu erwarten war. Endlich bewegte von uns der eine des öfteren die Lichtquelle um ganz kleine Strecken ohne dem anderen Mit- teilung zu machen, ob er sie entfernt oder genähert oder nur schein- bar verschoben hatte. Es ergab sich, daß unser Auge bei stärkerer Beleuchtung, bei einer Entfernung der Lichtquelle bis etwa zu 1 m, Helligkeitsunterschiede noch wahrnehmen konnte, die sich verhielten wie 1,2:1. Bei über 1 m Entfernung mußten relative Helligkeits- unterschiede von über 1,8:1, ja bei 3m sogar über 1,4:1 gewählt werden, damit sie uns noch erkennbar waren. Auf fast ebenso ge- ringe Helligkeitsunterschiede war bei Cyclops auch noch eine Reak- tion wahrzunehmen. So war die Verdunklungsreaktion bei einer Lampenentfernung von 15 cm deutlich zu beobachten bei einem Helligkeitsverhältnis von 1,28:1, von 30 cm bei 1,31:1 und von 50 cm bei 1,36:1. In 100 cm Entfernung von der Lichtquelle sah man die Verdunklungsreaktion z. B. sehr deutlich bei 1,44:1. In 21,—3 m Entfernung lag die äußerste Grenze der Reaktion etwa bei 1,42:1. Diese Zahlen, gewonnen als Mittelwerte aus mehreren Beobachtungen, sind selbstverständlich abzurunden. Die Hellig- keitsreaktion tritt bei etwa den gleichen relativen Helligkeitsunterschieden ein. Es folgt aus diesen Beobachtungen zweierlei: 1. Das WEBER- sche Gesetz, das besagt, daß die Unterschiedsschwelle, d. h. der kleinste wahrnehmbare Unterschied zweier Sinnesreize, proportional der absoluten Größe der Reize ist, läßt sich bei mittlerer Reizstärke wie am menschlichen Auge so auch an dem Auge von Cyclops erweisen. Dabei ist die Unterschieds- schwelle des Cyclops-Auges kaum größer als die des menschlichen Auges. Cyclops hat also ein ungemein feines Unterscheidungsvermögen für wechselnde Lichtstärken. Da wir zu unserer Beobachtung nur eine so verhältnismäßig grobe Reaktion wie die Bewegungsänderung des Tieres als Kriterium gebrauchen, so ist anzunehmen, daß in Wirklichkeit das Unterscheidungsvermögen des Cyclops-Auges eher noch feiner ist, aber bei kleinerer Reiz- Lichtsinn einiger niederer Krebse. 69 schwelle vielleicht nicht mehr in der Gesamtbewegung des Körpers zum Ausdruck kommt. Die eben gemachte Wahrnehmung stimmt mit einer Feststellung von Hess !) an Daphnia magna mit Hilfe des gleichen Apparats an- nahernd überein. Hess setzte die größere Helligkeit mit 1 an (und nicht wie ich die geringere Helligkeit) und fand, daß bei einer Lichtstärkenverminderung von 1 auf 0,94 bereits eine Ver- dunklungsreaktion zu beobachten war. Hess prüfte fernerhin mit Hilfe des von ihm erfundenen und von Zeiss, Jena, hergestellten Differentialpupilloskops messend, welches die geringsten Helligkeits- unterschiede seien, die vom Daphnidenauge und die vom Menschen- auge eben noch wahrgenommen werden können.’) Das Prinzip dieses Apparats, der sich in der praktischen Medizin so segensreich für die Frühdiagnose von Tabes und für die messende Feststellung der Farbenblindheit erwiesen hat, besteht darin, daß mit ihm in raschem Wechsel je ein verschiedenfarbiges von ScHoTT, Jena, her- sestelltes Filterglas und eine mehr oder weniger dicke Stelle eines mit Skala versehenen Graukeils aus Glas vor das Auge des Unter- suchten gebracht werden. Der untersuchende Arzt beobachtet gleich- zeitig durch einen Tubus das Pupillenspiel des Untersuchten und mißt mit Hilfe einer im Tubus befindlichen Skala die jeweilige Weite der Pupille. Erweitert sich z. B. bei Wechsel von Grün und einem bestimmten Grau die Pupille in Grau, so ist dies ein Zeichen, daß das betreffende Grau größeren Helligkeitswert hat. Durch Ver- schieben des Graukeils bringt man eine dickere, also dunklere Stelle des Grauglases vor das Auge, so lange, bis die Pupille keine Ver- änderung mehr zeigt. So lassen sich die Helligkeitswerte aller Filterfarben für das Auge ermitteln. Nun sind bekanntlich die Helligkeitswerte der Farben für den total farbenblinden Menschen ganz andere als für das normale Auge. Das violette, also kurz- wellige Ende des Spektrums hat z. B. für den Totalfarbenblinden relativ größeren Helligkeitswert als für das normale Auge; die größte Helligkeit liegt beim Totalfarbenblinden in Gelbgrün und nicht wie beim Normalen in Gelb. Rot, Orange und Gelb, also die Farben der langwelligen Spektrumseite, besitzen für das Auge des 1) v. Hess, C., Der Lichtsinn der Krebse, in: PFLÜGER’s Arch., Vol. 174, p. 247, 1919. 2) v. Hess, C., Das Differentialpupilloskop, in: Arch. Augenheilk., Vol. 80, p. 4, 1916. 70 H. Erwarp, totalfarbenblinden Menschen eine bedeutend geringere Helligkeit als fiir das Auge des Normalen. In entsprechender Weise lassen sich unter anderem mit dem Differentialpupilloskop gewisse Formen von Rot-Grünblindheit leicht objektiv feststellen. Beim Daphnien- versuch hat Hess statt eines Farbfilters ein Grauglas bestimmter Helligkeit mit dem durch den Graukeil durchgelassenen Licht ver- glichen und ermittelt, daß etwa erst in dem Augenblick, in dem das normale menschliche Auge auf kleinste Helligkeitsunterschiede nicht mehr zu reagieren imstande war, auch die unterste Grenze für die Reaktion der Daphnien gegeben war. — Meine Versuchstiere waren leider nicht mehr frisch genug, als ich die gleiche Prüfung mittels des Differentialpupilloskops anstellen wollte Vergleiche ich aber das Ergebnis meiner Tunnelversuche an Cyclops (im besten Fall ein Reagieren bei einem Helligkeitsunterschied 1,2:1) mit den. gleichen Versuchen von Hess (Ergebnis bei 1: 0,94) und mit seinen Ergebnissen am Differentialpupilloskop, so ergibt sich, daß auch das Cyclopidenauge fast ebenso empfindlich für Helligkeitsunterschiede ist wie das menschliche Auge. Das WeEBER’sche Gesetz gilt bekanntlich nur bei „mittleren“ Sinnesreizen oder, besser gesagt, bei Reizen von einer Stärke, wie sie in der umgebenden Natur in der Regel vorkommen. Bei dem positiv phototropischen, an große Helligkeiten gewöhnten Cyclops liegt der normale Reiz bei einer Lichtstärke, die derjenigen einer 5kerzigen Lampe selbst bei größter Nähe dieser Lichtquelle min- destens gleichkommt, wenn nicht dieselbe gar übertrifft. Daher kommt es, daß schon bei einer Lampenentfernung von über 1 m eine nicht nur absolut, sondern auch relativ größere Unterschieds- schwelle gewählt werden muß, um noch einen Ausschlag zu er- zielen. Mit Diaptomus castor ließen sich so feine messende Unter- suchungen wie mit Cyclops nicht anstellen, weil seine Bewegungen nicht auf solch geringe Helligkeitsunterschiede hin sich verändern. Den Schluß daraus zu ziehen, daß Diaptomus weniger lichtempfindlich sei wie Cyclops, wäre selbstverständlich falsch. Ich hatte alle mög- lichen Ausbildungsstadien von Diaptomus, angefangen von den ersten Jugendstadien bis zu großen erwachsenen, orangegelbe „Ölkugeln“ tragenden Tieren. Schon die allerersten Jugendstadien beantworteten Lichtreize ebensogut wie die erwachsenen Tiere, was ja auch nicht wunder nimmt, wenn man an die so frühzeitige Ausbildung des Auges denkt. Lichtsinn einiger niederer Krebse. CE à Chydorus sphaericus, dessen Nebenauge fast so groß ist wie das Hauptauge, gehört zu denjenigen niederen Krebsen, die, wie wir ‚noch sehen werden, sehr fein auf Lichtreize reagieren. Einzig und -allein infolge der auf- und abkreisenden, die Beobachtung störenden Bewegung der Tiere ist die untere Grenze der Reaktion bei Er- -hellung und Verdunklung manchmal schwerer festzustellen als bei Cyclops und liegt deshalb scheinbar höher. Ein Mitarbeiter und ich beobachteten wieder in der oben angegebenen Weise unabhängig voneinander und kamen beide zu den nämlichen Ergebnissen. Die unterste Grenze der Reaktion liegt auf Grund mehrerer Versuche bei einer Entfernung der Lampe zwischen 75 und 100 cm sowohl bei. Erhellung wie bei Verdunklung, wenn sich die Lichtstärken verhielten wie 1,77:1. Die Reaktion bei Erhellung ist dabei etwas schwerer festzustellen als die bei Verdunklung, da sie langsamer als die letztere erfolgt. Sehr deutlich wird die Wirkung der ver- änderten Lichtstärke bei einer Entfernung der Lampe um 1m herum bei einem Verhältnis der Reizlichter von 1:2,85. Bei weiter herabgesetzter Lichtstärke, also bei Entfernung der Lichtquelle auf 2—3 m, muß zur Erzielung einer Erhellungs- oder Verdunklungs- reaktion mindestens ein Helligkeitsverhältnis von 1:2,25 gewählt werden.. Auch bei diesem im allgemeinen an viel stärkere Belichtung gewöhnten Tier versagt also das WEBER’sche Gesetz bei so schwachen Reizen. In ähnlicher Weise verhält sich übrigens auch das mensch- liche Auge. Während bei Entfernungen der Lichtquelle von unter 1:m Helligkeitsunterschiede von 1:1,2 beim Tunnelversuch noch gut wahrgenommen werden, wird der gleiche Lichtstärkenunterschied bei weiter herabgesetzter Belichtung nicht mehr empfunden. 4. Biologische Bedeutung der Empfindlichkeit für Helligkeit. Die biologische Bedeutung einer so verhältnismäßig hohen Empfindlichkeit auf Helligkeitsunterschiede bei niederen Krebsen liegt auf der Hand. Mit Hilfe ihres Lichtsinnesorgans werden sie denjenigen Stellen im Wasser zugeführt, an denen bei Sonnenbestrahlung am reichlichsten die ihnen zur Nahrung dienenden Pflanzen gedeihen und an denen eben durch diese Pflanzen am reichlichsten Sauerstoff für die des Sauerstoffs ja so bedürftigen Krebschen erzeugt wird. Eine plötzliche Beschattung macht sie aber auf einen Feind aufmerksam. Es ist bezeichnend, daß bei all 72 H. Ervarp, den positiv phototropischen niederen Krebsen mit der Verstärkung des Reizlichtes nicht nur ein Zuwandern zu den helleren Stellen erfolgt, sondern auch ein Emporsteigen der Tiere im Wasser, da in der Natur ja selbstverständlich der Lichteinfall stets von oben erfolgt. Auch wenn der Einfall des stärkeren Lichts, wie wir uns mit der Hammerlampe überzeugen können, entweder von der Seite oder gar von unten erfolgt, steigen die Tiere empor. Die Verdunklungsbewegung nach abwärts erfolgt auch bei der in der Natur ja nicht vorkommenden plötzlichen Verdunklung von unten. Wenn man das Gefäß mit den Tieren mit einer feststehenden Licht- quelle von der Seite beleuchtet und von unten herauf plötzlich vor das Licht einen schwarzen Pappkarton schiebt, so steigen die Tiere nicht in die Höhe, sondern sie sinken zu Boden. 5. Die Wirkung farbigen Lichtes. Untersucht man die 3 Krebsarten mit farbigen Lichtern, so wird man gewahr, daß sie sich als positiv phototropische Tiere den Farben gegenüber ganz anders verhalten als sich etwa ein mit den Sehqualitäten des normalen Menschen versehenes Tier ver- halten müßte. Der einfachste Versuch ist der, daß man zwischen die Licht- quelle des Tunnels und das Untersuchungsgefäß nebeneinander Glasplatten bringt, eine rote und eine blaue, und zwar so, daß die eine Hälfte des Gefäßes rot, die andere blau beleuchtet ist. Die stets das Helle aufsuchenden Tiere gehen in diesem Fall selbst dann ins Blau und meiden das Rot, wenn ein Blau gewählt wird, das für das normale menschliche Auge viel dunkler ist als das Rot. Es stellt sich, wenn man auch noch andere Farben vergleichsweise anwendet, heraus, daß die Helligkeitskurve der Farben etwas in der Eee nach der toni w eee cay Seite des Spektrums verschoben ist. Am deutlichsten nimmt man dies wahr, wenn man das plan- parallele Untersuchungsgefäß vor einem Projektionsapparat aufstellt und abwechselnd verschiedenfarbige Glasplatten zwischen Lichtquelle und Gefäß schiebt. Man sieht dann bei allen 3 Arten, ganz be- sonders schön aber bei Chydorus, daß bei Wechsel von Blau und Rot, Grün und Orange, Grüngelb und Gelb stets im letzteren Fall Verdunklungsbewegung und umgekehrt eintritt. Die Verdunklungs- Lichtsinn einiger niederer Krebse. 73 reaktion in einem helleuchtenden Orangegelb ist bei Chydorus z. B. noch zu beobachten, wenn ein so dunkles Blau vergleichsweise gewählt wird, daß in dem Blau die Tiere kaum mehr zu er- kennen sind. | Ich brachte weiterhin die Untersuchungsgefäße im Dunkel- zimmer vor ein von einem Prisma mit gerader Durchsicht erzeugten und von einer Nernstlampe — dem bekanntlich reinsten künstlichen Licht — gespeistes Spektrum. Durch einen regulierbaren Spalt wurde dieses so weit abgeblendet, daß mein dunkel adaptiertes Auge die Tiere eben noch in Rot und Violett erkennen konnte. Alle meine Beobachtungen wiederholte ein Mitarbeiter, der nicht wußte, welches Verhalten der Tiere zu erwarten war. Ich gebe hier den in Kurzschrift aufgenommenen Ausspruch des Mitarbeiters bei der Beobachtung von Chydorus wieder: „Am meisten in Gelbgrün und Grün, dann Blau, auch noch einige in Violett; selten kommt einer einmal ins Gelb herüber. In Rot ist gar nichts los.“ In Gelb- srün und Grün schwimmen nicht nur die meisten Tiere, sondern sie schwimmen in diesen beiden Farben auch am höchsten und be- wegen sich in ihnen am lebhaftesten. Nun wurde diejenige Stelle mit einer Marke bezeichnet, in der die Tiere am zahlreichsten angesammelt waren. Darauf wurde durch Verengern des Spaltes die Helligkeit des Spektrum soweit herabgesetzt, daß mein Auge die Farben nicht mehr als solche, sondern nur noch als Helligkeiten erkannte. Es zeigte sich, daß das menschliche Auge im dunkel adaptierten Zustand genau die- selbe Stelle des Spektrums als die hellste empfindet wie die Tiere im normalen Zustand im farbigen Spektrum. Die Krebschen blieben stets, ob verdunkelt wurde oder nicht an der gleichen Stelle, für ihr Auge fehlt also das PuRKINJE’sche Phänomen. In welcher Weise die Helligkeit der einzelnen Farben von den Tieren empfunden wird, das ist besonders schön zu erkennen, wenn man nach einem Vorgang von Hess die Tiere aus einer Farbe zu verdrängen sucht. Man bewegt zu diesem Zweck ein mattschwarzes Papier, das einen Ausschnitt von einer Breite hat, daß nur eine einzige spektrale Farbe durchgelassen wird, zwischen Spektrum und Untersuchungsgefäß. Ist zuerst Rot frei und wird es dann verdeckt, dafür aber Gelb und Gelbgrün frei, so wandern die Tiere rasch alle in Gelb und Gelbgrün unter gleichzeitigem Emporsteigen. Versucht man sie dagegen aus Gelb und Gelbgrün in Rot zu verdrängen, so lassen sie sich lange nicht so leicht verdrängen, auch steigen sie 74 H. ERHARD, nicht in Rot, sondern sinken eher. Am besten gelingt dieser Ver- such mit Cyclops. Bei Chydorus stören die kreisenden Beweguteen die Beobachtung etwas. | So selbstverständlich es ist, bei einem 1 Diehtsinnessersuä den störenden anderen Reiz, wie 7. B. falsches Licht, zu vermeiden, so ist es in der Praxis oft recht schwer einer solchen Fehlerquelle auf die Spur zu kommen, namentlich ist dies der Fall, wenn man mit Tieren arbeitet, die auf andere Sinnesreize als auf Lichtreize besonders fein reagieren. So erinnere ich mich, daß ich vor Jahren unter Anleitung von Herrn Geheimrat von Hess mit der negativ phototropischen Mauerassel Oniscus murarius und Körnerassel Purcellio scaber arbeitete. Das Gefäß war gleich hell zur Hälfte rot, zur Hälfte blau dadurch erleuchtet, daß hinter jedem farbigen Glas sich eine verschiebliche Lichtquelle befand. Es wäre nun in Analogie zum Verhalten aller übrigen Wirbellosen zu erwarten gewesen, daß selbst dann noch die Tiere Rot aufgesucht hätten, wenn dieses soweit erhell war, daß es für das normale menschliche Auge ein Vielfaches der Helligkeit des Blau betrug. Zu diesem Zweck wurde die hinter dem roten Glas befindliche Glühbirne etwas näher gerückt. Nun gingen die Tiere aber in Blau. Die Ursache dieser Bewegung lag aber einzig allein daran, daß die näher gerückte hinter Rot befindliche Lampe mehr Wärme verbreitete und die sehr auf Wärme empfindlichen und die Kühle bevorzugenden Tiere vor dem Wärme- reiz flohen. Sobald durch Vorsetzen wassergefüllter planparalleler Gefäße die Wärmestrahlen ausgeschaltet wurden, konnte die hinter Rot befindliche Lampe so nahe herangerückt werden, daß, selbst wenn das Rot achtmal heller war als das Blau, immer noch mehr Tiere in Rot waren. Aus alledem geht hervor, daß es notwendig ist, mit peinlichster Gewissenhaftigkeit bei Lichtsinnesversuchen jeden anderen Reiz, selbst wenn er dem Menschen kaum auffällt, fernzuhalten, und man immer gut tut, zu prüfen, ob die Tiere einen anderen Sam besonders fein ea haben. | 6. Die Wirkung ultravioletten Lichtes. Im folgenden soll noch die Wirkung des ultravioletten Lichtes auf die von mir untersuchten 3 Krebsarten geprüft werden. Es war ein mit umfassenden naturwissenschaftlichen Kenntnissen Lichtsinn einiger niederer Krebse. 75 ausgestatteter Laie, Joun LuBBoCK, der nach arbeitsreichen Jahren als Bankmann und Parlamentarier u. a. auch feinsinnige Studien über die Sinnesphysiologie wirbelloser Tiere, namentlich von Ameisen, machte und dabei auch als erster die Wirkung des ultravioletten Lichtes prüfte!). Die Ameisen tragen bekanntlich ihre Puppen ins Dunkle. LusBock beleuchtete die eine Hälfte des Gefäßes mit dem ultraviolettreichen Licht eines Magnesiumfunkens, die andere Hälfte mit einer ultraviolettarmen Natronflamme. Auch dann trugen die Ameisen noch ihre Puppen in den Bereich des Natronlichtes, wenn dieses wesentlich heller als das Magnesiumlicht war. Wurde das ganze Gefäß mit einem für Ultraviolett durchgängigen dunkelvioletten Glas bedeckt und auf die eine Seite desselben Schwefelkohlenstoff, der ultraviolettes Licht großenteils absorbiert, gelegt, so gingen die Ameisen unter den Schwefelkohlenstoff. Ja, selbst wenn die eine Hälfte des Gefäßes mit dem viel dunkleren Violett, die andere mit dem viel helleren Schwefelkohlenstoff bedeckt wurde, so kamen die Tiere unter dem letzteren zusammen. Das gleiche war der Fall, wenn auf die eine Hälfte des Gefäßes Schwefelkohlenstoff, auf die andere Hälfte eine für Ultraviolett durchlässige dunkelgrünblaue Lösung von Chromalaun oder von Chromchlorid gebracht wurde. Forez ?) hat in ähnlicher Weise mit Ameisen gearbeitet, indem er die eine Hälfte des Behälters mit einer Ultraviolett großenteils ab- _sorbierenden Äskulinlösung, die andere Hälfte mit einer Ultraviolett durchlassenden dunkel kobaltvioletten Glasplatte bedeckte. Die schon zu Beginn der achtziger Jahre mit vorbildlicher Ge- wissenhaftigkeit angestellten Versuche Lugsock’s sind ohne Grund im Jahre 1913 von Jacques Lorg?) kritisiert worden als seien sie ohne genügende Sachkenntnis und technische Hilfsmittel ausgeführt worden. Ganz unverständlich ist die Bemerkung von Log, daß eine 1) LuBBoCK, J., Ants, bees and wasps, London 1882. — Ders., Die Sinne der Tiere, in: Internat. wiss. Bibliothek, Leipzig 1889. — v. Hess, C., Gesichtssinn, in: WINTERSTEIN’s Handb. vergl. Physiol., Vol. 4, p. 672, Jena 1913. 2) FOREL, A., La vision de l’ultra-violet par les fourmis, in: Rev. sc. Paris, Vol. 38, 1886. — Ders., Les fourmis pergoivent-elles l’ultra- violet avec leurs yeux ou avec leur peau?, in: Arch. soc. phys. natur. Genève, Vol. 16, 1886. — Ders., Das Sinnesleben der Insekten, München 1910. 3) LOEB, J., Die Tropismen, in: WINTERSTEIN’s Handb. vergl. Physiologie, Vol. 4, 1913. | 76 H. Ernarp, Untersuchung der Wirkung ultravioletter Strahlen ,erst mit der Einführung der Quarzquecksilberlampe von HrrAEus möglich ge- worden wäre“. Bekanntlich ist ja die einfachste Lichtquelle, die Sonne, reich an ultravioletten Strahlen und läßt sich, wie wir sehen werden, sehr wohl zu solchen Untersuchungen an Tieren ge- brauchen. Mit den uns heute zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln hat zuerst Hess!) Untersuchungen über die Wirkung ultravioletter Strahlen auf wirbellose Tiere ausgeführt. Die folgenden Unter- suchungen sind mit den gleichen Methoden und Apparaten aus- geführt. Die Grenze der für das menchliche Auge sichtbaren Strahlen liegt am kurzwelligen Spektrumende bei 400 uu Wellenlänge. Das Ultraviolett kann man einteilen in einen langwelligen Teil von 400 we bis 313 uu. Bis zu 313 uu herab läßt ein gewöhnliches Fensterglas von 2 mm Dicke ultraviolette Strahlen noch durch. Unter 313 uu beginnt der kurzwelligere Teil des Ultraviolett, und zwar zerfällt dieser in das sogenannte innere Ultraviolett von 313 uu bis 291 we und in das äußere Ultraviolett, das Strahlen unter 291 uu enthält. Die Grenze von 291 uu ist deshalb gewählt worden, weil bis zu dieser Wellenlänge herab ultraviolette Strahlen im Tageslicht enthalten sind. Will man mit Strahlen des äußeren Ultraviolett arbeiten, so kann dies also nur mit künstlichen Licht- quellen geschehen. Als solche werden heutzutage fast ausschließlich die Quecksilberquarzlampen benützt. Die von ScHoTrT und Gen. in Jena hergestellte sogenannte Uviollampe enthält zwar nur ultra- violette Strahlen bis zu einer Wellenlänge von etwa 290 uu herab. Sie umfaßt also keinen größeren Bezirk an ultravioletten Strahlen als das durch keinerlei Hindernis behinderte Sonnenlicht, aber sie ist ganz besonders reich an Strahlen desjenigen Teiles des kurz- welligeren Ultraviolett, den man das innere Ultraviolett nennt. Weit über die Reichweite der Schortr’schen Lampe geht die Bacu’sche 1) v. Hess, C., Neue Untersuchungen über den Lichtsinn bei wirbel- losen Tieren, in: PFLÜGER’s Arch., Vol. 136, 1910. — Ders., Uber Fluoreszenz an den Augen von Insekten und Krebsen, ibid., Vol. 137, 1911. — Ders., Gesichtssinn, in: WINTERSTEIN’s Handb. vergl. Physiol., Vol. 4, 1913. — Ders., Der Lichtsinn der Krebse, in: PFLUGER’s Arch. Vol. 174, 1919. — Ders., Über Lichtreaktionen bei Raupen und die Lehre von den tierischen Tropismen, ibid., Vol. 177, 1919. Lichtsinn einiger niederer Krebse. 71 Quarzlampe der Quarzlampengesellschaft in Hanau hinaus, da sie auch noch Strahlen des äußeren Ultraviolett bis zu einer Wellenlänge von etwa 220 uu herab aussendet. Die Wirkung der ultravioletten Strahlen auf ein Objekt kann durch verschiedene, diese Strahlen absorbierende Medien ganz oder teilweise aufgehoben werden. Ein solches haben wir schon im ge- wöhnlichen Glas kennen gelernt, das also nicht bei solchen Versuchen zur Verwendung kommen darf. Ja, vom Sonnenlicht wird schon durch die stets in der Luft vorhandenen Nebeltröpfchen, noch mehr aber durch den auch bei hellstem Sonnenschein über einer Großstadt lagernden Dunst ein großer Teil des Ultraviolett aufgezehrt. Ein Mittel, künstlich ultraviolette Strahlen abzuhalten, haben wir außer in dem gewöhnlichen Fensterglas in dem von ScHoTT und Gen. hergestellten Schwerstflintglas O 198. Dieses Glas ist fast farblos, nur schwach gelblich, läßt die übrigen Strahlen durch und hält fast nur die ultravioletten Strahlen, diese aber recht wirksanı, zurück. Seine Durchlässigkeit ist z. B. für Strahlen von 436 uu 0,837, für solche von 405 uu 0,425 und für solche von 384 uu nur noch 0,104. Die noch kurzwelligeren Strahlen werden fast restlos aufgezehrt, so daß man also sagen kann, daß das Schwerst- fiintglas die allermeisten ultravioletten Strahlen ausschaltet. Für ultraviolette Strahlen durchlässig sind das farblose Uviol- kronglas 3199 und das tiefblaue Blauuviolglas F 3653, beide von SCHOTT und Gen. Durch das Uviolkronglas dringen fast restlos ultra- violette Strahlen bis zu 309 uu Wellenlänge herab durch. Noch für Strahlen von einer Wellenlänge von nur 280 uu beträgt die Durchlässigkeit des Uviolkronglases 0,56. Aus diesem Glas besteht die Umhüllung des Lichtkörpers der SchorTT’'schen Quarzlampe. Man muß bei Versuchen mit ultraviolettem Licht Versuchsgefäße nehmen, bei denen die vom Licht bestrahlte Seite aus einer solchen Uviol- kronglasplatte besteht. Da das Glas farblos ist, so läßt es auch die anderen spektralen Farben durch. Das Letztere gilt nicht von dem das Ultraviolett gleichfalls nicht absorbierenden Blauuviol- glas. Dieses zehrt einen großen Teil der langwelligen Strahlen des Spektrums auf. Mit Hilfe dieser Apparate konnte Hess !) an Raupen und niederen 1) v. Hess, C., Der Lichtsinn der Krebse, in: PFLÜGER’s Arch., Vol. 174, 1919. — Ders., Uber Lichtreaktionen hei Raupen und die Lehre von den tierischen Tropismen, ibid., Vol. 177, 1919. 78 H. ErHARD, Krebsen sogar messende Beobachtungen über die Wirkung des ultra- violetten Lichtes anstellen. Meine Tiere reagierten weniger fein auf Ultraviolett. Sie wurden bei der einen Versuchsreihe in einem 8:8 cm messenden flachen schwarzgestrichenen Blechkästchen be- lichtet, das zur Hälfte unbedeckt blieb, zur Hälfte. mit gewôhnlichem Glas bedeckt war. Sowohl bei Beleuchtung von oben mit der SCHOTT- schen wie der Bacu’schen Lampe stellte sich heraus, daß alle 3 Krebsarten in größerer Anzahl sich im ultraviolettreicheren Teil des Gefäßes ansammelten und darin auch lebhaftere Bewegungen ausführten als im ultraviolettärmeren Bezirk. Das Gleiche trat ein, wenn die bisher unbedeckte Seite mit Uviolkronglas bedeckt wurde. Beide Hälften waren in diesem Fall genau gleich hell erleuchtet, die Tiere suchten aber die ultraviolettreichere Seite — unter dem Uviolkronglas — auf. Wurde auf die eine Seite das Schwerstflint- glas aufgelegt, während die andere entweder unbedeckt blieb oder mit dem Uviolkronglas zugedeckt wurde, so wurde die Reaktion noch deutlicher. Endlich wurde die Wirkung des Schwerstflintglases mit dem Blauuviolglas verglichen. Die von Hess untersuchten Raupen, die auch positiv phototropisch waren, gingen bei ähnlichen (mit Tageslicht angestellten) Versuchen, „aus dem für uns farblos hellen Teile unter das für uns dunkle Blau, das also lediglich infolge seines Reichtums an ultravioletten Strahlen auf sie noch stärker anziehend wirkte als das für uns helle, farblose, aber des größten Teils seiner ultravioletten Strahlen beraubte Tageslicht“ (a. a. O., p. 75). Cyclops, Diaptomus und Chydorus suchen dagegen bei der Schwerstflint-Blau- uviolglasgleichung unter den Quecksilberdampflampen die für unser Auge hellere, aber ultraviolettarme Partie unter der Schwerstflint- platte auf. Für sie ist der Helligkeitsunterschied in diesem Fall eben ein doch zu großer, als daß sie durch die ultravioletten Strahlen der Blauuviolseite noch mehr angezogen werden könnten. Den Grund, warum die ja auch auf Ultraviolett reagierenden Krebschen in diesem Fall sich so verhalten, werde ich später zu erörtern ver= suchen. Bei Belichtung der Untersuchungsgefäße von der Seite mit einer der beiden Ultraviolettlampen reagieren die Tiere in entsprechender Weise. Sie suchen die ultraviolettreichere Partie auf, wenn nicht, wie dies bei der Gleichung mit dem Blauuviolglas der Fall ist, der Helligkeitsunterschied zuungunsten der ultraviolettreicheren. Seite ein gar zu großer ist. Bei raschem Wechsel von Ultraviolettreich und -arm tritt Verdunklungsreaktion ein. Im ultraviolettarmen Lichtsinn einiger niederer Krebse. 79 Licht bewegen sich die Tiere weniger lebhaft und sinken zu Boden, im ultraviolettreichen Licht steigen sie empor. In all diesen Fällen bekam man die klarsten Ergebnisse mit Chydorus, dann mit Cyclops; träger reagierte Diaptomus. Ein Unter- schied in der Wirkung zwischen der an ultravioletten Strahlen reicheren Bacu’schen Lampe und der ScHoTT-Lampe konnte nicht festgestellt werden, freilich konnte ich den Einfluß des Lichtes beider Lampen gleichzeitig auf dasselbe Objekt nicht studieren, da die beiden Lampen in verschiedenen Räumen aufgestellt waren. Versuche mit dem Sonnenlicht im Freien gelangen mir nie. Die Ursache dafür mag vielleicht darin zu suchen sein, daß meine Versuchstiere ja überhaupt nicht so empfindlich auf Ultraviolett sind. Noch wahrscheinlicher als Erklärung für die Ursache des Mißerfolgs scheint mir der Umstand zu sein, daß selbst an den schönsten Tagen jener Osterzeit über München und der oberbaye- rischen Hochebene ein Dunst lagerte, den man erst richtig von einem Berggipfel aus erkannte. So konnte ich an besonders reinen Tagen damals vom Rißerkogel und Plankenstein bei Tegernsee das 50 km entfernte München nicht sehen, ja von der Kampenwand aus Rosen- heim, das nur 20 km entfernt ist, nicht wahrnehmen, weil beide Städte in einem dunkelgrauen Dunst versteckt waren, während gleichzeitig in 130 km Entfernung der Ankogel in den Tauern und die Wildspitze in den Ötztaleralpen sich scharf abhoben. Ich werde bei Gelegenheit versuchen, im Gebirge den Einfluß der ultravioletten Strahlen auf Cyclops, Chydorus und Diaptomus zu studieren. Hess!) hat gezeigt, daß das ultraviolette Licht nicht als solches die Sinneszellen erregt, sondern daß die auf Ultraviolett besonders empfindlichen Tiere, wie z. B. die Libellen und niederen Krebse, stark fluoreszierende Augen besitzen, wodurch die kurzwelligen Strahlen in Strahlen größerer Wellengänge verwandelt werden. Mit der Methode, zwischen Lichtquelle und Mikroskopspiegel ein Blauuviolglas einzuschalten, wobei die fluoreszierenden Libellenaugen z. B. sich als leuchtend gelbgrüne Flecke vom blauen Untergrund abheben, konnte ich bei meinen Versuchstieren keine Fluoreszenz feststellen. Es ist dies aber noch kein zwingender Beweis gegen 1) v. Hess, C., Über Fluoreszenz an den Augen von Insekten und Krebsen, in: PFLÜGER’s Arch., Vol. 137, 1911. — Ders., Gesichtssinn, in: WINTERSTEIN’s Handb. vergl. Pbysiol., Vol. 4, 1913. 80 H. ErHARD, die Anwesenheit von Fluoreszenz, da zu ihrer Feststellung noch andere verwickeltere Methoden nötig sind. 7. Die Bedeutung der Veränderung der Farben im Wasser der Seen. Die biologische Bedeutung der Empfindlichkeit auf ultraviolettes Licht bei den Süßwasserkrebsen wird klar, wenn man berücksichtigt, in welcher Weise die einzelnen spektralen Farben vom Wasser absorbiert werden. Schon in ganz geringer Tiefe — bei 5—10m Tiefe — werden in einem reinen blauen Alpensee, wie z. B. dem Gardasee und Achensee, Rot und Orange aufgezehrt, dann folgen die Farben mittlerer und endlich kurzer Wellenlänge. Je nach der Farbe, der Menge der gelösten Bestand- teile und des Phyto- und Zooplanktons sind schon oft in 40 m Tiefe alle für das menschliche Auge sichtbaren Strahlen ausgelöscht. Man kann aber nicht nur in unseren Seen in größerer Tiefe noch Süß- wasserkrebse mit wohlentwickelten Augen fangen — im Starnberger- see z. B. habe ich in i00 m Tiefe Bythotrephes und Leptodora mit dem Schließnetz erbeutet. Im Gegensatz zu den wirklich blinden Höhlentieren ist eine große Anzahl von Tieren, die in der ebenso dunklen Tiefe der süßen Gewässer vorkommen, oft sogar mit be- sonders gut entwickelten Augen ausgestattet. DoFrLEın !) vermutet, daß diese Tiere zuweilen doch in höhere Regionen steigen. So wird z. B. von Leptodora angegeben, daß sie in dunklen Nächten an die Oberfläche des Wassers kommen soll. — Nun können wir aber mittels der photographischen Methode feststellen, daß wenigstens der langwelligere Teil des ultravioletten Lichts in reines Wasser mehrere hundert Meter tief eindringt. Schon für solche an der Oberfläche schwimmende Formen wie Cyclops, Diaptomus und Chy- dorus kommt ihm eine verhältnismäßig viel größere Bedeutung zu als den übrigen Lichtern, weil es hier so viel wie gar nicht absor- biert wird. Durch die Fähigkeit, auf ultraviolettes Licht zu rea- gieren, werden vielleicht auch noch Tiere zu Lichttieren, die in Tiefen hausen, in die kein Strahl des dem menschlichen Auge mehr sichtbaren Lichtes dringt. Vielleicht paßt sich die Aufnahmefähig- keit für Ultraviolett insofern dem Bedürfnis der Süßwasserkrebse an, als Oberflächentiere, wie die eben untersuchten, denen auch noch 1) HESSE-DoFLEIN, Tierbau und Tierleben, Berlin u. Leipzig 1910. Lichtsinn einiger niederer Krebse. | 81 andere Strahlen zur Verfügung stehen, vielleicht weniger auf Ultra- violett reagieren als Formen, die in Tiefen vorkommen, in denen das Ultraviolett fast allein noch wirksam sein kann. Eine Unter- suchung von Tiefentieren wie Bythotrephes oder Leptodora müßte dar- über Aufschluß geben. In weitgehender Weise wird das Aussehen farbiger Tiere im Wasser verändert. Ein Beispiel: Die orangerote Farbe der Bauchseite des Saiblingmännchens (Salmo Salvelinus) zur Laichzeit. In 40-60 m Tiefe — denn in dieser Zone halten sich die laichen- den Tiere auf — ist 1. fast jede Farbe absorbiert, 2. längst Rot und Rotgelb aufgezehrt, 3. die Bauchseite überhaupt nicht beleuchtet, weil der Boden nicht reflektiert! Es ist schon aus diesem Grund ebenso ungereimt hier von einer „Schmuckfarbe“ zu sprechen und sie „nach der Natur“ zu malen wie etwa einen Eisbären von der Wüstensonne bestrahlt zu malen. Sieht man verschiedene zoologische Werke durch, so bemerkt man, daß in den „nach der Natur ge- malten“ Lebensbildern fast nie auf diese Tatsachen Rücksicht ge- nommen ist. Naturgetreu werden solche Bilder nur dann, wenn der Maler schon bei der Wiedergabe von Tieren, die in wenig Metern Tiefe vorkommen, sie so darstellt, wie er sie durch ein hellgrünes oder hellblaues Glas sieht, dabei nur den Rücken der Tiere mit diesem Licht beleuchtet und die Bauchseite von nicht durchsichtigen Tieren in tiefem Schatten malt. Auf die Wiedergabe von Lebens- bildern aus größerer Tiefe unserer Seen muß er ganz verzichten. 8. Zusammenfassung und Schluß. 1. Cyclops, Chydorus und Diaptomus sind positiv phototropisch. Die Reaktion hängt vom Adaptationszustand ab. Die Empfindlich- keit der Tiere auf Helligkeitsunterschiede ist kaum geringer als die des menschlichen Auges. Sie folgen darin dem Weser’schen Gesetz. 2. Auf spektrale Farben reagieren sie nicht wie das normale helladaptierte, also farbensehende menschliche Auge, sondern wie das bei herabgesetzter Beleuchtung dunkeladaptierte, also farblos sehende Auge. Es fehlt ihnen das Purkinse’sche Phänomen. 3. Die genannten Krebse reagieren auch auf ultraviolettes Licht. Zum Schlusse möchte ich Herrn Geheimrat v. Hess, in dessen mit den vorzüglichsten Hilfsmitteln ausgestatteten Klinik diese Zool. Jahrb. 39. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 6 82 H. Erxar», Lichtsinn einiger niederer Krebse. Untersuchung gemacht wurde, meinen verbindlichsten Dank aus- sprecher. Die auf Vorschlag von Herrn Geheimrat v. Hess ange- stellten Versuche konnten nicht nur mit seinen Methoden ausgeführt werden, sondern er stand mir dabei auch in liebenswürdigster Weise mit Rat und Tat bei. Frau Dr. AuRACHER erleichterte mir durch ihre freundliche Mithilfe die praktische Ausführung manches Experi- ments, Herr Assistenzarzt Dr. Passow hatte die Güte, mir seine Bacu’sche Quecksilberlampe zur Verfügung zu stellen. Beiden danke ich herzlich. Gießen, im Mai 1920. Nachdruck verboten. Ubersetzungsrecht vorbehalten. Die sekundären Geschlechtsmerkmale von Gasterosteus aculeatus L. Von Erich Titschack (Bonn, Zool. Institut). Mit 25 Abbildungen im Text und Tafel 1. Einleitung. Vorliegende Untersuchung ist die Erweiterung einer Akademi- schen Preisarbeit, die ich im Sommerhalbjahr 1918 der Bonner philo- sophischen Fakultät einreichte und der der Preis zuerkannt wurde. Seit Hunter und Darwin (Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, Kap. 8) versteht man unter sekundären Geschlechtsmerkmalen all die Körperdifferenzierungen und Organ- unterschiede, die nur einem Geschlecht eigen sind und mit der Fort- pflanzung direkt nichts zu tun haben. Wenn z.B. die Geschlechts- organe als primäre Sexualcharaktere angesehen werden, so müssen der Sporn und Kamm der Hähne, das Geweih der Hirsche usw. als sekundäres Merkmal aufgefaßt werden. Diese Begriffsbestimmung hat sich so allgemein eingebürgert, daß es kaum nötig erscheint, darauf einzugehen. Vielfach findet man aber die Bezeichnung „primär“ und „sekundär“ in einem anderen Sinne gebraucht. Diese Ausdrücke werden dann auf die zeitliche Entstehung der Organe bezogen und als primär die Gonaden aufgefaßt. Die sich im Embryo danach entwickelnden Geschlechts- 6* 84 Erıch TirscHAck, organe werden als sekundäre und schließlich die zeitlich letzten, die Darwin’schen sekundären Geschlechtsmerkmale, als tertiäre be- zeichnet. Ich sehe keinen zwingenden Grund, mich dieser rein chronologischen Einteilung anzuschließen. Unsere Kenntnis von den sekundären Geschlechtsmerkmalen liegt noch ziemlich im argen. Was wir davon wissen, ist erstens durch anatomische Untersuchungen zusammengetragen und hat sich zweitens aus den Kastrations- und Transplantationsversuchen er- geben. Ausführliche anatomische Untersuchungen mit dem Zweck, die Verschiedenheiten zwischen den beiden Geschlechtern einer Tierart genau festzulegen, sind m. W. noch nicht gemacht worden. Nur für den Menschen sind auch diese Verhältnisse vielfach und auf mannig- fache Weise untersucht. Für die Säugetiere dagegen fließen schon die bekannten Tat- sachen viel spärlicher und unsere Kenntnis beschränkt sich fast nur auf das, was der Tierarzt und Züchter von den Haustieren berichtet. Beachtet wird dabei nur das Äußere und auch dieses meistens als bekannt vorausgesetzt und nie bis ins einzelne beschrieben. Er- staunlich wenig finde ich in den großen anatomischen Lehrbüchern. So werden z. B. im ELLENBERGER u. Baum, Anatomie des Hundes, nur die Unterschiede des Beckens besprochen. Interessante Angaben verdanken wir STEINACH, der für seine grundlegenden Untersuchungen über den Einfluß der Gonaden die sexuellen Unterschiede der Ratten und Meerschweinchen studiert hat. Er findet Unterschiede im Habitus, in der Stärke des Skelets, in der Größe des Kopfes, im Haarwuchs, in den akzessorischen Geschlechtsdrüsen und in den Penisschwellkérpern. Von den psychologischen Eigentümlichkeiten des Männchens nennt er den Mut, das Temperament, den ausge- prägten Trieb zum Weibchen, die Erektion und Begattungsfähigkeit. Über die sekundären Geschlechtsmerkmale der Vögel ist Genaueres fast nur von den domestizierten Formen bekannt. Der Kamm und Sporn des Hahnes, seine Stimme werden immer wieder in den Ab- handlungen erwähnt. Von der freilebenden Vogelwelt wird meistens nur das Gefieder und der Gesang des Männchens, dann die ver- schiedenen Brunst- und Brutinstinkte der beiden Geschlechter be- schrieben. Noch weniger erfahren wir über die sekundären Ge- schlechtsmerkmale der Reptilien. Brunstfärbungen, Hautkämme, Stacheln, Größenunterschiede zwischen den Geschlechtern ist alles, was in der Literatur angegeben wird. Dagegen ist über die Am- phibien, und besonders über den Frosch, verhältnismäßig viel be- Die sekundären Geschlechtsmerkmale von Gasterosteus aculeatus L. 85 kannt. Trotz der fast unübersehbaren Masse von Arbeiten fehlt aber auch hier eine genaue Zusammenstellung der sekundären Ge- schlechtsmerkmale. ECKER u. WIEDERSHEIM, Anatomie des Frosches, die ich daraufhin durchgesehen habe, bringt verschiedene anatomische Merkmale, die einem Geschlecht eigen sind. Doch beziehen sich diese kurzen Angaben meistens nur auf Teile, die mit der Fort- pflanzung in sichtlicher Beziehung stehen. Ohne weiteres ver- ständlich ist die sehr starke Hypertrophie von 4 Armmuskeln (M. flexor carpi radialis, M. extensor carpi radialis, M. ab- ductor indieis longus, M. extensor indieis brevis superficialis) des Männchens, und damit stehen auch in Beziehung die starken Veränderungen des männlichen Humerus, des Daumens und des Metacarpus II. Die Hypertrophie des „Excretionssystems von den samenausführenden Nierenkanälchen bis herab zur Samenblase“ wird auch niemand weiter in Erstaunen setzen. Ferner ist die Ausbildung der Schallblasen durch das Quaken verständlich, während die stärkere Entwicklung der Schwimmhäute beim Männchen unserer „braunen“ Landform damit zusammenhängt, daß es sich mehr im Wasser aufhält als das Weibchen. Außerdem sind die Daumen- schwielen eine Eigentümlichkeit des Froschmännchens, während die Weibchen von Rana fusca und arvalis (?) durch die sog. Brunst- wärzchen ausgezeichnet sind. Bei Rana fusca scheint auch der feinere Bau der Haut in beiden Geschlechtern verschieden zu sein, denn beim Männchen schwillt erstere, wahrscheinlich durch Wasser- aufnahme, während der Brunst ganz beträchtlich an und hangt in schwabbligen Falten von den Seiten herab. Was wir schließlich über die sekundären Geschlechtsmerkmale der Fische wissen, sind nur gelegentliche Beobachtungen. Auch hier ist keine eingehende Untersuchung an irgendeiner Art durchgeführt worden. Bekannt sind ja sonst noch Unterschiede zwischen den Geschlechtern, die sich auf den äußeren Brunstschmuck beziehen, wie die Hochzeits- farben, der Perlausschlag der Weißfische, der Hakenunterkiefer des Lachses usw. Nicht periodische Geschlechtsunterschiede treten bei manchen Fischen in der Hautpanzerung, Größe der Flossen usw. auf. Neben diesen anatomischen Unterschieden in der Wirbeltierreihe ist auch einiges Physiologische festgestellt worden. So hat EBErRT für die Salamandrinen — aber ebenso für den Frosch, wenn auch nicht so beweisend — Veränderungen der Leber gefunden, die mit der Entwicklung der Geschlechtsstoffe in Beziehung stehen. Während der Ei- und Samenreifung vergrößert sich die Leber unter Ver- 86 Ericu TitscHAck, mehrung der Pigmentzellen bei gleichzeitigem Verschwinden des Leberfettes. Fir den Stichling habe ich, um das gleich hier an- zuschließen, auch eine Abhängigkeit der Leber von der Tätigkeit der Hoden beobachtet: bei ausgebrunsteten Männchen zeigte jene eine so starke Blutleere, daß sie fast weiß erschien. Wenn wir diese Veränderungen in der Leber auf eine Abgabe von Reserve- stoffen an die Gonaden zurückführen, so können wir wohl mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen, daß der Chemismus der Leber in den beiden Geschlechtern verschieden sein wird, da ja die Spermien andere Stoffe beanspruchen als die reifenden Eier. Andere Stoffwechselvorgänge, die beim Q anders verlaufen als beim Männchen, werde ich zusammen mit den Färbungsunter- schieden des Stichlings besprechen. Erwähnt sei noch zum Schluß, daß nach Nuspaum die Fettkörper von kastrierten Froschmännchen (Rana fusca) weiterwachsen, aber blendend weiß werden. NUSBAUM macht auch auf den veränderten Geschmack von kastrierten Tieren aufmerksam. | Schon die letzten Beispiele zeigen, daß nicht nur einfache morphologische Betrachtungen allein unsere Kenntnis von den sekundären Merkmalen fördern kann, sondern daß auch die Kastra- tion, sei es die natürliche durch Verkümmerung oder Erkrankung der Gonaden, sei es die künstliche durch Entfernung, viel Neues zum Verständnis beitragen kann. Durch den Vergleich der kastrierten Individuen mit den nor- malen konnte unsere Auffassung vom Wesen der sekundären Ge- schlechtsmerkmale vertieft werden. Außerdem wurde man auf ver- schiedene Eigentümlichkeiten aufmerksam, die beim normalen Ge- schöpf leicht zu übersehen sind. Es zeigte sich nämlich, daß wir auch andere Speciesmerkmale zu den sekundären Geschlechtsmerk- malen rechnen müssen, die früher beiseite gelassen wurden, weil sie in beiden Geschlechtern gleich stark entwickelt sind und keine Beachtung gefunden haben. Ich erinnere nur z. B. an die Achsel- höhlenhaare des Menschen, die nach der Kastration zurückgehen und spärlich werden. Auf Grund seiner Kastrations- und Transplantationsversuche unterscheidet Bresca 2 Arten von sekundären Geschlechtsmerkmalen bei Molge cristata. Er findet nämlich, daß nach Entfernung der Hoden der Rückenkamm, Schwanzsaum und -binde, die Marmorierung des Oberkopfes und die Rotfärbung des Bauches verschwinden, da- ~ gegen die Dunkelfärbung des Cloakenwulstes und der unteren ‘ Die sekundären Geschlechtsmerkmale von Gasterosteus aculeatus L. 87 Schwanzkante nicht beeinflußt wird. Es geht aus Bresca’s Aufsatze nicht hervor, ob die letzteren Merkmale nur zur Brunst deutlich ausgeprägt sind, oder während des ganzen Jahres kenntlich bleiben. Auf jeden Fall halte ich aber eine scharfe Trennung all dieser se- kundären Geschlechtsmerkmale für nicht berechtigt, denn es ist nicht unmöglich, daß die geschlechtsverschiedene Zeichnung des Kloakenrandes und der unteren Schwanzkante bei Molge cristata ein schon frühzeitig auftretendes sekundäres Merkmal ist; daß es dann nach seiner endgültigen Ausbildung durch Kastration nicht mehr verschwindet, entspricht vollkommen dem gewöhnlichen Verhalten der sekundären Geschlechtsmerkmale. Wir können die Bresca’sche Einteilung der sekundären Geschlechtsmerkmale in solche, die unterm Einfluß der Geschlechtsdrüse stehen, und solche, die unabhängig da- von sind, daher erst annehmen, wenn es Bresca zu zeigen gelingt, daß auch nach einer Kastrierung vor dem Auftreten der charakte- ristischen Kloakenrand- und Schwanzkantenfärbung diese doch zum Durchbruch kommt. Wir dürfen nicht vergessen, daß die sekundären Geschlechtsmerkmale durchaus nicht auf einmal hervortreten, sondern sich erst ganz allmählich herausbilden. Man denke nur an den ver- schiedenen Habitus von Knaben und Mädchen, an den sehr früh sich ausprägenden, verschiedenen Wuchs des Kopfhaares u. dgl. mehr. Daher werden auch bei Tieren mit periodischer Geschlechtsreife Kastrationsversuche nur dann ein eindeutiges Ergebnis zeigen, wenn wir auf die Jahreszeit und die Entwicklung der Geschlechtsstoffe achten. Da bekanntlich die sekundären Geschlechtsorgane der Frösche nach der Brunst abnehmen und dann bis zum September wieder auf die alte Höhe gebracht werden, so können wir uns nicht wundern, wenn Kastration im Dezember keinen Einfluß mehr auf die Daumen- schwielen der nächsten Paarungszeit hat. Wir haben hier im Grunde dieselben Verhältnisse wie bei den anderen Tieren mit einmaliger, aber dann auch bleibender Entwicklung der sekundären Geschlechts- merkmale. Wenn alle diese Einwände beachtet werden, wird sich aus den Kastrationsversuchen noch manche gesicherte Tatsache für die Lehre von den sekundären Geschlechtsmerkmalen entnehmen lassen. Einiges Neue gewinnen wir auch aus den in den letzten Jahren gemachten Transplantationsversuchen, die aber ein Eingehen auf das ganze Problem der Pubertätsdrüse verlangen und hier zu weit führen würden. Ich verweise daher nur auf die Arbeiten von Foges, 88 EricH TiTscHACK, Nussaum und besonders auf die sehr interessanten Ergebnisse der Sremacu’schen Transplantationen. | Für meine Untersuchung habe ich den 3stacheligen Stichling (Gasterosteus aculeatus L.) gewählt, erstens weil ich schon vorher das Gehirn dieses Fisches genau untersucht hatte und dabei auf Ge- schlechtsverschiedenheiten gestoßen war, dann aber versprach ich mir von einem Tiere viel Neues, das schon äußerlich in der Brunst durch die Hochzeitsfärbung des Männchens auffällt und so ausgeprägte Brutinstinkte ausgebildet hat. Bekannt war ja außer der Färbung und Lebensweise nichts. Erwarten konnte man ja auch noch mit ziemlicher Sicherheit Unter- schiede in den Nieren der beiden Geschlechter, da Mörıus, und nach ihm Grit für den Seestichling, G. spinachia, solche festgestellt und zu gleicher Zeit auch den Grund dafür gefunden haben. Das Männ- chen scheidet nämlich einen im Wasser zäh werdenden Schleimfaden in den Nieren aus und klebt mit ihm Blätter, Algen usw. zu einem kugelförmigen Nest zusammen. Da auch das Männchen von Gaste- rosteus aculeatus solch ein Nest baut, konnte man erwarten, daß auch seine Niere im Gegensatz zu der weiblichen verändert und der „Spinn*aufgabe angepaßt ist. Die Beschaffung des Materials machte nur am Anfang Schwierigkeiten; später wurde mit Erfolg eine zylindrische Drahtreuse verwendet, die an beiden Deckflächen gleich- falls aus Drahtgaze bestehende trichterförmige Einstülpungen hatte. Das Einschlüpfloch an der Spitze des Kegels wurde so bemessen, daß man bequem den Daumen durchstecken konnte. Die zylindrische Trommel bestand aus 2 ineinander schiebbaren Zylindern, die sich ausziehen ließen und so das Herausnehmen der Beute ermöglichten. Die Länge der Reuse betrug 50 cm, der Durchmesser 15 und die Höhe der Kegeleinstülpungen 9 cm. Die Handhabung der Reuse war außerordentlich einfach: an einem langen Strick befestigt wurde sie ohne jeden Köder ins Wasser versenkt und nach 24 Stunden bis 8 Tagen herausgeholt. Durch- schnittlich war die Ausbeute sehr reich, ich habe nach 24 Stunden oft bis 200 Stichlinge gefangen. Daneben enthielt die Reuse immer noch anderes Getier; so manchmal bis zu 15 Molche, viele Dytiscus und von Fischen Leucaspius delineatus. Bei Beginn dieser Unter- suchung im Frühling 1914 wurde die Reuse im Weiher des botanischen Gartens ausgelegt. Als ich aber 1916 aus dem Felde zurückkehrte, waren die Stichlinge hier vollständig: ausgestorben. Wahrscheinlich haben ausgesetzte Sonnenbarsche die Brut vernichtet. Daher war Die sekundären Geschlechtsmerkmale von Gasterosteus aculeatus L. 89 ich gezwungen mein Material in einem Tümpel des Kottenforstes, in der Nähe von Godesberg-Friesdorf zu fangen. Zu Anfang starben mir leider auf dem fast einstündigen Wege die Tiere ausnahmslos, trotzdem ich mit einem Gummiballon andauernd durchlüftete. Durch Zufall kam ich darauf die großen Einmachgläser, die ich zum Transport benutzte, mit Papier zu umhüllen und von da ab eing mir kein Stück auf dem Wege ein. Ich führe dieses Sterben auf die plötzliche Raumeinschränkung zurück, gegen die auch schon monatelang eingewöhnte Tiere sehr empfindlich sind. Wurden z. B. Stichlinge aus einem großen Aquarium in einen hohen engen Be- hälter gebracht, so starben sie nach kurzer Zeit alle, was beim Überführen in flache, aber geräumige Gefäße nie der Fall war. Gewöhnlich wurde die Ausbeute sofort konserviert, nur für die Hautuntersuchung habe ich Tiere längere Zeit in einem großen Aquarium gehalten, um immer lebendes Material zur Hand zu haben. Der schon bezeichnete Tümpel beherbergt erst seit einigen Jahren Stichlinge, die wahrscheinlich zur Bekämpfung der Mücken- plage dort ausgesetzt sind. Die Abstammung von ein paar Tieren erklärt auch das Fehlen fast jeglicher Variation. Die tausend bis zweitausend Stichlinge, die ich im Laufe der letzten zwei Jahre verarbeitet habe, gehörten alle zu der Abart Gasterosteus leiurus (Cuv. ?) (G. gymnurus Cuv.) Die Anzahl der Seitenplatten betrug 4—6. Die Länge schwankte bei geschlechtsreifen Tieren zwischen 44 und 60 mm (Schnauzenspitze bis Schwanzflossenrand). Nur ein Weibchen fiel unter dem sonst gleichmäßigen Material durch seine Größe von 71 mm und durch 9 Seitenplatten auf. Daß wir es tatsächlich hier mit einer ziemlich jungen Bevölkerung zu tun haben, zeigt auch das Fehlen jeglicher Stichlingsparasiten. Weder Schistocephalus noch Argulus noch Nosema wurde gefunden. Bevor ich nun die einzelnen Unterschiede der Geschlechter be- spreche, möchte ich hier an dieser Stelle Herrn Prof. R. HEssE innigen Dank aussprechen für die vielfache Anregung, Unterstützung und Förderung meiner Untersuchungen. Auch Herrn Prof. W. J. SCHMIDT bin ich für seine häufig und gern erteilten Ratschläge und Urteile vielen Dank schuldig. Das Farbenkleïd, Von den zahlreichen neueren Untersuchungen über die Fisch- chromatophoren beschäftigt sich keine einzige mit unserem Stich- 90 EricH TiTscHACK, ling, trotzdem man glauben könnte, daß die bekannte Farbenpracht des brünstigen Männchens und die Leichtigkeit der Materialbe- schaffung die Untersucher dazu verlocken könnte. Nur PoucHEr geht in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts in seiner großen Untersuchung über den Farbenwechsel unterm Einfluß der Nerven auch mit einigen Zeilen auf den Stichling ein. Leider sagt er nicht auf was für einen „&pinoche“ sich seine Be- merkungen beziehen, und da er an der See gearbeitet hat, können alle drei Arten gemeint sein. Trotzdem will ich nicht unterlassen, seine Beobachtungen im Verlaufe dieser Abhandlung mit meinen Ergebnissen zu vergleichen. Den größten Teil des Jahres gleichen sich die beiden Ge- schlechter des Stichlings in der äußeren Zeichnung und Färbung außerordentlich. Man findet zwar unter einer größeren Anzahl helle und dunkle Tiere, doch sind solche Färbungsextreme nicht an ein Geschlecht gebunden. Hervorgerufen wird die Zeichnung der Tiere durch Farbzellen — Chromatophoren — die an fast keiner Stelle der Oberfläche fehlen. Während das Stichlingsweibchen das ganze Jahr hindurch seine gleichmäßig aus grünlichschwarzen Flecken auf hellem Untergrunde bestehende Körperfärbung beibehält, lassen sich ungefähr im März die Männchen schon äußerlich von den Weibchen unterscheiden. Es tritt bei ersteren eine Rotfärbung der Kehle auf, die aber vor- läufig nur eine geringe Ausdehnung gewinnt; längere Zeit verraten die Tiere so die herannahende Brunst, dann — in der Umgebung von Bonn Ende April und Anfang Mai — breitet sich die schar- lachrote Kehlfärbung weiter nach hinten aus. Gleichzeitig greift sie auch auf die Kiemendeckel und die seitlichen Teile des Kopfes bis unter die Augen über. Dieses Hochzeitskleid wird von den einzelnen Männchen nur so lange getragen, wie das Brutgeschäft dauert. Dann erblaßt der schöne Purpur allmählich und das Männchen wird wieder dem Weib- chen ähnlich. Wenn also die Brunstperiode auf den Monat Mai verlegt werden muß, so gelingt es doch nicht selten noch Ende Juli Stichlinge in voller Brunst zu fangen. Es handelt sich dann auf jeden Fall nur um Tiere, die erst am Ende des Sommers geschlechts- reif geworden sind, da das Hochzeitskleid derjenigen Männchen, die keine Gelegenheit zur Brutpflege gefunden haben, höchstwahr- scheinlich sehr schnell verschwindet. Dafür spricht schon die Be- Die sekundären Geschlechtsmerkmale von Gasterosteus aculeatus L. 91 obachtung, daß Männchen, deren Brutgeschäft künstlich unterbrochen wird, nach kurzer Zeit ihre Hochzeitsfarben einbüßen. 1. Untersuchung mit schwacher Vergrößerung. Ich untersuchte lebendige brünstige und ausgebrunstete Stich- linge teils mit unbewaffnetem Auge, teils mit schwacher Vergröße- rung unterm Binokular. Die Färbung der einzelnen Körperstellen wurde sofort nach dem lebenden Tiere gezeichnet und darauf eine Fig. A. Männlicher Stichling im Hochzeitskleide. Schraffiert: die Verbreitung der Erythrophoren; punktiert: Melanophoren. Länge des Tieres 58 mm. größere Anzahl von Stücken mit der Skizze verglichen. Figur A und B sollen das Wesentlichste der Körperzeichnung in beiden Ge- schlechtern veranschaulichen. Kleine Abweichungen von diesem Durchschnitt kommen natürlich vor und sind auch bei dem ständigen Wechsel des Farbentones je nach der Erregung verständlich. Fig. B. Weiblicher Stichling. Punktiert: Verbreitung der Melanophoren; weiß: Silberglanz. Lange des Tieres 58 mm. Betrachten wir einen Stichling von der Seite, so fällt uns gleich der für die meisten Fische der oberen Wasserschichten so bezeich- nende Gegensatz zwischen Rücken und Bauch auf. Ersterer ist dunkel gefärbt, letzterer für gewöhnlich hell und mehr oder weniger silberig. Das Gebiet der dorsalen Dunkelfärbung erstreckt sich beim Weibchen am Kopfe ungefähr bis zur Mitte des Intermaxillare, um- greift als schmaler Streifen ventral und caudal das Auge, bedeckt den dorsalen Teil der Wangen !), des Vordeckels und Kiemendeckels 1) In diesen Bezeichnungen folge ich der Süßwasserfauna Deutsch- lands von A. BRAUER. 992 Erica TırscHack, und dehnt sich in einem Zipfel bis zum oberen Rande der Brust- flosse aus. | Beim Männchen reicht die dunkle Rückenfärbung während der Brunst am Kopfe viel weiter kehlwärts: die Mitte des Kiemen- deckels ist fast schwarz, ebenso verhält es sich mit dem Vordeckel und den Wangen. Dabei nimmt der Rücken des brünstigen Männ- chens einen ausgesprochenen blauen Ton an, während das Weibchen . das ganze Jahr hindurch nur den gewöhnlichen grünen Schimmer zeigt. PoucHET kennt ebenfalls diese Rückenfärbung des brünstigen Männchens und spricht von einem bleu éclatant. Die untere Begrenzung des dunklen Rückenteiles liegt in der hinteren Körperhälfte bei beiden Geschlechtern etwas dorsal von der Seitenlinie. Auch das Auge verhält sich in seiner Farbe bei Männchen und Weibchen verschieden. Bei diesem ist die Iris allgemein silbern, nur in ihrem dorsalen Teil schwarz gepünktelt und metallisch schim- mernd. Bei jenem dagegen bleibt nur der untere Teil der Iris frei von Farbzellen; die übrige Fläche der Regenbogenhaut bietet ein prächtiges Bild wie Metallplättchen, die in allen Farben des Spek- trums erglänzen. Die Seitenflächen und der Bauch des Weibchens zeigen den für viele Fische eigenen Silberglanz. Von der Brustflosse schwanz- wärts finden wir Melanophoren, die entweder zerstreut liegen oder sich zu Querstreifen gruppieren. Je weiter nach unten um so spär- licher werden diese Schwarzzellen und schließlich finden wir vom oberen Rande der Leibeshöhle an auf dem Bauche nur noch die reine Silberschicht. Das brünstige Männchen bietet ein ganz anderes Bild. Vom Silberglanz ist hier nichts mehr zu erkennen, an seine Stelle ist ein lebhaftes Rot getreten, das manchmal stellenweise in Orange übergehen kann. Auch das Gebiet der Seitenlinie erscheint durch die größere Anzahl und dichtere Lagerung der unteren Schwarzzellen dunkler als beim Weibchen. Die Lücken zwischen den Melanophoren sind von roten Farbzellen ausgefüllt; ventral- wärts, wo die Schwarzzellen spärlicher werden, liegen die roten Zellen dichter und im geschlossenen Zusammenhang, dorsalwärts da- geoen nur in kleinen Gruppen oder in einzelnen Stücken. Oberhalb der Seitenlinie schließlich, fallen sie unter den hier überwiegenden Melanophoren nicht mehr ins Auge, fehlen aber nie vollständig. Die Hochzeitsfärbung, eine Folge innerer Stoffwechselvorgänge, beschränkt sich natürlich nicht nur auf die Oberfläche des Körpers, Die sekundären Geschlechtsmerkmale von Gasterosteus aculeatus L. 93 nein, auch in der Mundhöhle tritt dasselbe kräftige Rot auf. Der Mundboden und die Kiemenbögen zeichnen sich sogar durch beson- ders leuchtende Farben aus. Wird das Auge dorsalwärts gerichtet, so sieht man auch den ventralen Boden der Orbita rot gefärbt. 2. Mikroskopische Untersuchung. Alle diese Färbungserscheinungen des Stichlings werden, wie schon gesagt, durch Chromatophoren verursacht. Vier Arten haben Teil daran: schwarze (Melanophoren), rote und gelbe Lipophoren (Erythrophoren bzw. Xanthophoren) und schließlich die Guanin führenden Guanophoren (Iridocyten PovucHEt). Die Untersuchungsweise der Chromatophoren richtet sich nach der Art der Farbzellen. Da die Melanophoren und Guanophoren sich in Alkohol und Xylol nicht verändern, Konnten sie außer im überlebenden Zustande auch im Dauerpräparat studiert werden. Vom gehärteten Tier läßt sich nun die Haut viel leichter abziehen als vom lebenden, und daher gelingt es, für die Dauerpräparate große und gleichmäßig dicke Hautstücke zu verarbeiten. Anderer- seits verlieren die Guanophoren im Balsam ihre ganze Farbenpracht. Für Melanophoren eignen sich alle Fixierungsflüssigkeiten, da sie gegen chemische Einwirkung sehr widerstandsfähig sind. Das Guanin der Guanophoren wird von Säuren zerstört, saure Lösungen (Sublimat-Eisessig z. B.) sind daher zu vermeiden. Die besten Er- fahrungen habe ich mit 90°/, igen Alkohol gemacht. Der Farbstoff der Lipophoren wird durch Alkohol und Xylol ausgezogen, diese Zellen habe ich daher fast nur im Leben unter- sucht. Zu diesem Zwecke brachte ich Hautstücke in physiologischer Kochsalzlösung unters Deckgläschen, umrandete das Präparat und untersuchte bei Bedarf mit Tauchlinsen. War die Umrandung ge- lungen, so hielten sich die Hautstücke 3 Tage lang ohne abzu- sterben. Die Zellen reagierten sogar noch auf Licht. So habe ich oft Hautstücke, deren Xanthophoren geballt waren, auf ein paar Stunden ins Dunkle stellen müssen, und konnte dann alle Stadien der Expansion vorfinden. Es gelang mir auch von diesen so vergänglichen Gebilden Dauerpräparate herzustellen. Das sicherste war ein Einlegen in 25°/,ige Glycerinlösung und Einschluß in Gelatinglycerin. Das Aufheben in Glycerin scheint keinen nachteiligen Einfluß auf die Zellen zu haben; Stücke von Stichlingsköpfen erwiesen sich nach 4jährigem Liegen in Glycerin genau so lebensfrisch in den - 947, Erich TITSCHACK, Farben wie soeben gefangene Tiere. Man achte nur darauf, daß das Glycerin chemisch rein, besonders aber säurefrei ist. PoucHET ist es gelungen, Krebslipochrom mit Osmiumgemischen zu schwärzen und die Fette dadurch unlöslich zu machen. Auch W. J. Scumipt benutzte bei seinen Untersuchungen der Reptilien- chromatophoren das starke FLEemminGsche Gemisch uud konnte so auf Schnitten die Lipophoren studieren. Abgezogene Haut gab keine brauchbaren Präparate, da sie durch die Osmierung zu undurch- sichtig wurde. In dieser Hinsicht erwies sich die Stichlingshaut als günstiger. Ich konnte dicke Hautstücke (z. B. aufgespannte Kehl- haut, das ganze Schädeldach usw.) im Balsampräparat zur Unter- - suchung der Lipophoren benutzen. Zur Fixierung kamen ganze Tiere auf 24 Stunden ins starke FLemmine’sche Gemisch, wurden dann 24 Stunden lang ausgewaschen, entwässert und Teile davon in Balsam eingeschlossen. Die dunkelschwarz gewordenen Lipophoren heben sich deutlich von den bräunlich aussehenden Melanophoren ab. Durch Form und Lage ließen sich auch die gelben von den roten unterscheiden. | Daß wir es beim Stichling mit echtem Lipochrom zu tun haben, zeigte die Probe mit konzentrierter Schwefelsäure. Wurden Haut- stücke unterm Deckgläschen damit behandelt, so schlug die Farbe aus Gelb oder Rot in Dunkelgrün über. Die Melanophoren. Am verbreitetsten unter den Farb- zellen sind die Melanophoren. Sie rufen die Dunkelfärbung hervor und finden sich auf dem Rücken, an den Seiten, auf den Flossen, Kiemenblättchen, kurz überall dort, wo wir äußerlich eine Dunkel- färbung mit bloßem Auge wahrnehmen. Auch innerlich kleiden sie die Leibeshöhle aus, bedecken den Hoden — nicht aber das Ovar —, umhüllen Blutgefäße, Wirbelsäule usw. In der Haut liegen sie meistens in zwei Lagen, einer oberflächlichen, die direkt unter der Epidermis liegt, und einer tieferen, die in den untersten Schichten des Koriums sich ausbreitet. Die ersteren sind bräunlich und kleiner als die völlig schwarzen letzteren. Nicht nur die Anzahl der Melanophoren, auch der Zustand der Ballung ist natürlich für den Farbeffekt von Wichtigkeit. Daher sind an dunklen Körper- stellen die Melanophoren nicht nur sehr zahlreich, sondern auch stark expandiert. Über Zellfeinheiten habe ich nichts Neues zu be- richten; Zweikernigkeit wurde häufig, Dreikernigkeit selten be- obachtet. Sphären waren oft sehr deutlich sichtbar. Die Xanthophoren. Im Korium der Haut verstreut, auf Die sekundären Geschlechtsmerkmale von Gasterosteus aculeatus L. 95 derselben Höhe wie die Melanophoren finde ich auch die Xantho- phoren, Lipophoren, die einen gelben an Fett gebundenen Farbstoft führen. Sie sind nicht einmal halb so groß wie die kleinsten Schwarzzellen und zeigen im expandierten Zustande nicht den radiären Bau wie er für die Melanophoren typisch ist: die Zell- arme erstrecken sich unregelmäßig, manchmal nur nach einer Seite, oft kann man von einer Zentralscheibe gar nicht sprechen (Fig. 1 bis 3 der Taf. 1). Die Fortsätze sind so mannigfaltig gestaltet, dab wir zwischen faden- und lappenförmigen alle Übergänge finden. Eine ganz expandierte Xanthophore, wie sie Fig. 1 der Taf. 1 zeigt, erscheint fast wie ein vielfach durchlöchertes gelbes Plasmahäutchen oder gar wie ein Netzwerk. Ein paar dieser Löcher sind vielleicht ausgesparte Lücken, die dem Kern entsprechen; daß wir es aber auch sonst nicht mit einem Netzwerk zu tun haben, sieht man bei starker Vergrößerung und ausgiebigem Gebrauch der Mikrometer- schraube. Wenn zwei Fortsätze miteinander zusammenzufließen scheinen, so ist es in Wirklichkeit immer ein Drunter- und Drüber- hinziehen der Zellarme. In der Fig. 1 habe ich das darzustellen versucht, indem ich die unters Gesichtsfeld fallenden Zellarme un- deutlicher, d. h. heller gezeichnet habe. Je mehr das Lipochrom sich ballt, um so radiärer wird die Xanthophore, und in völliger Ballung ist sie dann auch ganz rund mit einem oft sehr deutlichen Erythrom (Taf. 1 Fig. 4). Der Inhalt der Zelle besteht aus einer sehr feinen Körnelung, die mit den stärksten Vergrößerungen kaum aufgelöst werden kann. _ Poucxer hat diese Xanthophoren auch gesehen. Er sagt darüber ungefähr folgendes: die Zellen sind immer gelb pigmentiert, die Zellmitte — PoucHEr hält sie für den Kern, meint aber wohl unser Erythrom — ist von einer schönen Orangefarbe, der Zellkörper fein gekörnelt ohne eigentliche Zellmembran. Die Gestalt ist ge- wöhnlich eiförmig und erinnert wenig an den Bau der Melanophoren. Ihrem Aussehen nach seien diese Zellen im Begriff, sich zurückzu- bilden, oder sind es schon. Zu Gruppen vereinigt oder einzeln liegen sie im Korium der Haut und in der Schwanzflosse zwischen den Strahlen. Ihre Länge ist 20—40 x, der Durchmesser der „Kerne* beträgt 3—4 u. Interessant ist eine räumliche Beziehung dieser Zellen zu den Melanophoren. Man findet sie nur dort, wo Schwarzzellen vorhanden sind, und dann ordnen sie sich in mehreren konzentrischen Kreisen um diese, wie es meine Fig. 5 der Taf. 1 für einen Teil einer 96 Hricu Tirscwack, Schwarzzelle zeigt. Expandiert sich nun die Melanophore, so ge- langt ihr Pigment der Reihe nach zu immer mehr Gelbzellen. Dabei umfließt das Plasma der Schwarzzelle, wahrscheinlich infolge seiner starken Adhäsion zum Plasma der anderen Chromatophoren, die Xanthophore und schaltet sie auf diese Weise optisch aus. Daf wir es hier nicht mit einem einfachen Überdecken zu tun haben, zeigt schon das Spiel mit der Mikrometerschraube Außerdem kann man beobachten, daß die Zellarme einer Melanophore von verschie- denen Seiten kleine Fortsätze nach einer Xanthophore aussenden (vgl. Fig. 5) und sich nur so weit verbreitern, wie die Gelb- zelle reicht. Je nach der Größe der en der Schwarzzelle werden nun verschieden viele Gelbzellen von den Pigmentarmen erreicht, und bei starker Expansion sieht man nur sehr wenige Xantho- phoren zwischen den Melanophoren. Ist letztere dagegen geballt, so liegen die Gelbzellen frei im Gewebe, und nur die Xanthophoren, die der Melanophorenscheibe am nächsten sind, werden von dem schwarzen Pigment eingehüllt und schauen aus diesem nur ga einer Kuppe heraus (Fig. 6 u. 7 der Taf. 1). | Von Chromatophorenorganen im BarzzLowiTz'schen Sinne können wir hier nicht sprechen, dazu ist die Vereinigung viel zu locker; funktionell sind aber die Schwarz- und Gelbzellen durch ihr gegen- seitiges Verhalten fast ebenso leistungsfähig wie manche von den Barnowırz’schen Chromatophorenorganen. Am nächsten kommt den eben geschilderten Verhältnissen die Schilderung BArLowırz’s über die Vereinigung der Melanophoren und Erythrophoren bei Gobiiden. Auch dort ist das Zusammengehen nur durch das zufällige Zusammen- liegen bedingt und wird nur auffallender, weil die Größe der beiden Chromatophoren die gleiche ist. Ich habe diese Erscheinung beim Stichling nur etwas genauer behandelt, weil sie, wie wir später sehen werden, für die Erklärung einer Farbenwirkung wichtig ist. Die Erythrophoren. Außer den Melanophoren und den gelben Lipophoren (Xanthophoren) kommen auch rote Lipophoren beim Stichting vor, die ich mit BALLowırz kurz Erythrophoren nennen will. Sie sind auf das männliche Geschlecht beschränkt, treten aber auch hier nur während der Brunst auf. Den Weibchen fehlen sie vollständig. Ihre Größe ist die der oberflächlichen Melanophoren und dadurch unterscheiden sie sich schon von den Xanthophoren. Außerdem sind sie fast immer in der obersten Lage Die sekundären Geschlechtsmerkmale von Gasterosteus aculeatus L. 97 des Koriums anzutreffen, liegen also über all den anderen Chromato- phoren. Die Kerne sind schwer zu sehen. Nur bei halb expandierten Zellen konnte ich sie mit Bestimmtheit feststellen. Fast immer waren es zwei. Länglichoval von Gestalt, liegen sie dann gewöhn- lich in einem Winkel zueinander, mehr oder weniger aus der Zell- scheibe herausragend. In der Spitze der Ausläufer habe ich beim Stichling niemals Kerne beobachtet, wie sie BALLOWITZ gesehen hat. Andererseits sah ich ein paarmal die beiden Kerne einer Erythrophore sich auf dem Durchmesser der Zellscheibe gegenüber- liegen. Zwischen ihnen befand sich die in diesem Falle sehr deut- liche Sphäre. Im allgemeinen ist letztere bei halb geballten Erythro- phoren nicht schwer zu beobachten. Ganz geballe Rotzellen habe ich nur sehr selten gesehen. Für gewöhnlich sind sie expandiert (Fig. 8 u. 9 der Taf. 1). Die Ver- ästelung ist ziemlich radiär und auch hierin gleichen sie den Melano- phoren und unterscheiden sich von den Xanthophoren. Peripher- wärts werden die Zellarme immer schlanker, doch erfolgt diese Ver- jüngung nicht ganz regelmäßig. Stellenweise treten Verdickungen auf, in denen sich der Farbstoff staut und deutlicher wird (Fig. 9 der Taf. 1). Letzterer ist an feine Tröpfchen gebunden, die srößer sind als die kaum sichtbaren Körnchen der Xanthophoren. Die Rotfärbung dieser Zellen ist nicht nur eine Folge ihrer Größe, beruht also nicht darauf, daß das Licht hier durch eine dickere Schicht als bei den Gelbzellen dringen muß; auch in der dünnsten Lage bleibt die Farbe unverändert rot. Darum kann man auch bei stärkster Vergrößerung einen dünnen Fortsatz einer Xanthophore von dem einer Erythrophore mit Sicherheit unterscheiden. Man muß nur scharf einstellen, denn im unscharfen Bilde gibt ein flaches Erythrophorenstück leicht einen gelben Schimmer. Bei völliger Ballung nehmen die Rotzellen Kugelform an. Liegen sie dabei nah aneinander, so können sie sich zu unregelmäßigen Haufen oder Ringen zusammenfügen, an denen man die einzelnen Elemente nicht mehr feststellen kann. In diesem Falle ergeben sich Bilder, wie sie BaLLowırz für die Gobiiden beschrieben und als Chromatophorenvereinigungen bezeichnet hat. Außer dieser gewöhnlichen Form von Erythrophoren kommt noch eine etwas abgeänderte auf den Kiemenbogen der Männchen vor. Hier sind die Rotzellen ziemlich klein, die Zellarme zeichnen sich durch fadenförmige Gestalt aus wie sie die Fig. 10 der Taf. 1 Zool. Jahrb. 39. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 7 98 Erion TırscHack, darstellt. Auch hier vereinigen sie sich nicht zu einem Netze, son- dern ziehen übereinander weg. Kerne habe ich nicht gesehen. _ Wodurch diese eigentümliche Gestalt der Zellen bedingt wird, weiß ich nicht. Als nächstliegende Erklärung könnte man ja die Ansicht von PROwAZER anführen, „daß die Pigmentzellen den Linien des geringeren gleichartigen histologischen Widerstandes folgen und auch in diesem Sinne ihre Fortsätze ausstrecken“. Das Gewebe der Kiemenbogen müßte also so dicht sein, daß die Zellarme der Erythrophoren sich nur als ganz dünne Fäden in die Gewebslücken einschieben können. Nun entstehen aber nach dem Verschwinden der Rotzellen auf derselben Stelle der Kiemenbogen Xanthophoren, die einer normalen Gelbzelle mit breiten Pigmentarmen vollständig gleichen. Nur erneute Untersuchungen können: hier Klarheit bringen. Wie gesagt, liegen die Erythrophoren in der Haut über allen anderen Farbzellen und daher sind Chromatophorenorgane im Sinne von Batuowitz für gewöhnlich ausgeschlossen. Unter den zahl- reichen Stichlingsmännchen, die ich untersuchte, fand sich aber ein Tier, bei dem Vereinigungen zwischen Erythrophoren und Melano- phoren ganz regelmäßig vorkamen. Bei anderen wieder fanden sich solche Vereinigungen nur ganz ausnahmsweise. Die Untersuchung dieser Zellvereinigen ergab Bilder, wie sie BatLowrrz') so zahl- reich und meisterhaft festgehalten hat. Ich kann also hier, um Wiederholungen zu vermeiden, auf jene Arbeit verweisen, zumal da die eben für den Stichling geschilderten Fälle von Chromatophoren- vereinigungen immer nur Ausnahmen sind. Erwähnen will ich aber noch, daß ich gleichfalls Chromatophorenvereinigungen gesehen habe, deren eine Seite eine Rot-, die andere eine Schwarzzelle bildet. Auch ein röhrenförmiges Umfließen der Erythrophorenarme durch die Melanophore wurde beobachtet. Die geringe Neigung der Rotzellen zur Vereinigung mit anderen Chromatophoren erklärt sich, wie schon gesagt, aus ihrer Lage, denn bei einer solchen Vereinigung zwischen einer Erythro- und Melanophore muß entweder die erstere tiefer gerückt sein, oder die letztere im Korium nach der Epidermis zu verlagert worden sein. Dann erst wird durch die Adhäsion des Melanophorenplasmas ein Umfließen und Vereinigen der beiden Zellen möglich. Die Guanophoren. Die Guanophoren oder Iridocyten sind Zellen, die Guaninkristalle enthalten und dadurch einen bestimmten 1) In: Ztschr. wiss. Zool., Vol. 106, 1913. Die sekundären Geschlechtsmerkmale von Gasterosteus aculeatus L. 99 optischen Eindruck hervorrufen. Beim Stichling ist nicht nur ihre Gestalt bei beiden Geschlechtern verschieden, sondern auch die Ver- breitung, Lagerung und Häufigkeit bildet während der Brunst ein festes Merkmal des Männchens und des Weibchens. Was die Ge- stalt anbetrifft, so lassen sich die Zellen beim Männchen sehr schön studieren, denn hier sind die Zellgrenzen scharf, die Zellen liegen locker aneinanderstoßend in Haufen, die durch lange Ketten von Zellen miteinander verbunden sind (Fig. C). Die Zellen sind schwach irisierend, die Anzahl der Krystalle und die Dicke der Krystallage scheint nicht groß zu sein. Wenn Kerne in den Zellen als ausge- sparte Lücken sichtbar wurden, so waren sie immer in der Einzahl; wenigstens habe ich niemals Mehrkernigkeit festgestellt. Im Gegensatz zum Männchen besitzt das Weibchen nun in seinen seitlichen und ventralen Teilen eine völlig susammenhängende Lage von Guaninzellen, die wo- = | möglich mehrschichtig ist. Untersucht habe ich diese Verhältnisse auf Schnitten nicht, im Totalbilde fallt nur die völlige Undurch- sichtigkeit auf. Zell- grenzen sind nicht festzu- stellen, man sieht nur lange, gleichartig gerich- ner _ Fig. C. Guanophoren vom Stichlingsmännchen. tete nadelförmige r Kry Nach dem Leben. Kiemendeckel. Ok. 6. Obj. C. stalle. Nur in dem Rücken- teil, wo der Silberglanz nicht vorhanden ist, stoßen wir auf Ver- hältnisse, wie sie für die Männchen beschrieben wurden. Hier liegen die Guanophoren auch netzförmig angeordnet und haben den- selben Bau wie die der Männchen. Ein streifiges Aussehen der Guaninlage kommt beim Männchen nur im oberen Teil des Aug- apfels vor, aber auch hier ist diese Lage wesentlich schwächer ausgebildet als beim weiblichen Bulbus. Erwähnt sei noch, daß Poucaer die Guanophoren des brünstigen Männchens gesehen hat und sie als das geeignetste Objekt zum Studium von „dünnen Plättchen“ rühmt. 100 Erıch Trrscuack, Die Verteilung der Chromatophoren in den einzelnen Korper- gebieten. | Wir haben also gesehen, daß die Männchen in der Brunstzeit vor den Weibchen durch die Erythrophoren ausgezeichnet sind, dab bei ihnen die Melanophoren über größere Gebiete sich ausbreiten, daß dagegen die Guanophoren außerordentlich zurücktreten. Nach Aufhören der Brunst verlieren sich beim Männchen die Erythro- phoren, die Verschiedenheiten in den Guanophoren gleichen sich aus, und nur an den Melanophoren kann man eine Zeitlang die beiden Geschlechter auseinanderhalten. Liegt die Brunstzeit weit zurück. so schwindet auch in diesem Punkte jeder Unterschied zwischen den Geschlechtern. | Nun bleibt mir noch übrig die Verbreitung der einzelnen Farb- zellen in den verschiedenen Körpergebieten beim Männchen und Weibchen zu besprechen. Im Rücken kommen zu unterst große, beim Männchen während der Brunst immer sehr stark expandierte Melanophoren vor. Darüber liegen Netze oder Sterne bildend die Guaninzellen (Fig. C). Sehr reichlich sind die Gelbzellen zu finden, die beim Weibchen vielleicht zahlreicher sind. Ob wir es tatsächlich mit einem zahlenmäßigen Überwiegen zu tun haben, konnte ich nicht entscheiden, möglicher- weise erscheint die Anzahl dieser Chromatophoren bei den Männchen nur geringer, weil eine große Anzahl von ihnen durch Melanophoren unsichtbar gemacht wird. Ganz zu oberst, unter der Epidermis, liegen die kleinen Melanophoren, die beim Männchen während der Brunst ebenso wie die unteren dauernd stark expandiert sind. Die Gesamtwirkung all dieser Chromatophoren des Rückens ist ohne weiteres verständlich. Die Guanophoren über der dunklen Schicht der unteren Melanophorenlage bilden ein trübes Medium und würden uns den Stichlingsrücken blau erscheinen lassen, wenn nicht die überall zerstreuten Gelbzellen diese Farbe in Grün verwandeln würden. So ist es auch tatsächlich beim Weibchen. Beim brünstigen Männchen dagegen schalten die stark expandierten Melanophoren durch Umfließen fast sämtliche Gelbzellen aus und dadurch ergibt sich sekundär eine blaue Farbe des Rückens. Die Seiten unterscheiden sich nur graduell von dem Rücken. Je weiter wir nach unten gehen um so spärlicher werden die Melanophoren und ebenso die Xanthophoren. Dann treten an Stelle dieser Zellen beim brünstigen Männchen die Erythrophoren auf. Das Die sekundären Geschlechtsmerkmale von Gasterosteus aculeatus L. 101 Guanin dagegen, beim Männchen sehr spärlich, entwickelt sich beim Weibchen zur dichten undurchdringlichen Silberschicht. Ein farbenprächtiges Bild bietet der abgeschnittene Kiemen- deckel des brünstigen Männchens, wenn man ihn lebend unterm Mikroskop im durchfallenden Licht untersucht. Die zu oberst liegenden Rotzellen harmonieren in ihrem Farbenton gut mit den Xanthophoren und den braunen bis tiefschwarzen Schattierungen der Melanophoren. Die Guaninzellen leuchten wiederum als einzelne violette, blaue, grüne, gelbe und rôtliche Scheiben zwischen den anderen Chromatophoren auf. Himmelblaue und rötlich-violette Guanophoren herrschen vor, daneben trifft man häufig schmutzig- graue. Im auffallenden Lichte nehmen sie die komplementären Farben an. Die Melanophoren, die selten in Haufen vorkommen, liegen meistens höher als die Guaninzellen, nur einige ihrer Pigment- arme werden von letzteren bedeckt. Wie eintönig erscheint uns der weibliche Kiemendeckel, wenn wir ihn dieser Farbenpracht gegenüberhalten. Eine dicke, im auffallenden Lichte schwach bläuliche bis gelbliche Guaninschicht macht das Präparat fast un- durchsichtlich. Lückenlos müssen hier die Guanophoren aneinander schließen; von Zellgrenzen ist nichts zu sehen; nur die gleich- gerichteten Krystalle beherrschen das Gesichtsfeld. Ein paar Melano- phoren sind vorhanden, ebenso ein paar Xanthophoren. Auf der Bauchseite kommen beim Weibchen nur Guanophoren, beim Männchen außerdem noch Erythrophoren vor. Die Unterschiede in den Guanophoren zwischen den beiden Geschlechtern, wie wir sie im Kiemendeckel und in den Körperseiten kennen gelernt haben, sind hier ebenso deutlich: auch die Kehle macht in dieser Hinsicht ke-ae Ausnahme. Den Flossenstrahlen entlang breiten sich kleine Schwarzzellen aus, neben ihnen oder gewöhnlich auch über ihnen liegen zahlreiche Gelbzellen, die bis zur Spitze der Flossenstrahlen sich ausbreiten und dort besonders häufig sind. Beim Vergleich der beiden Ge- schlechter ergab sich, dab die Schwerzzellen beim brünstigen Männchen zahlreicher sind als beim Weibchen; vai ersteren können außerdem noch an dem dicken Hautwulst der Flossenbæis Rotzellen vorkommen, auf die Flosse selbst greifen sie aber nie über. Über die Rotfärbung der Kiemenbogen und die Erythrophoren dieses Gebietes wurde schon weiter oben gesprochen. Interessant ist, daß die Erythrophoren auf den Kiemenbogen selbst beschränkt sind; diesem fehlen wieder die Melanophoren, die sich nur auf den 102 Erich TirscHACK, Kiemenblättchen ausbreiten und bis an ihre periphere Spitze ziehen. Die Schwarzzellen sind nicht so extrem fadenförmig wie die Erythro- phoren und liegen direkt unterm Epithel. Beim Weibchen finde ich an den Kiemenbogen nur Schwarzzellen; Gelbzellen, und natürlich die Rotzellen, fehlen. Nur bei einem Weibchen traf ich eine einzige Gelbzelle an. Bei der Untersuchung der Kiemenbogen muß man darauf achten, daß die Tiere ordentlich ausgeblutet sind, sonst er- zeugen die in den Blutgefäßen zurückgebliebenen Blutkörperchen einen gelben Schein und täuschen bei geringer Vergrößerung Xantho- phoren vor. Was nun das Zustandekommen der Irisfarbe betrifft, so er- eibt die mikroskopische Untersuchung beim Weibchen eine zusammen- hängende Guanophorenschicht, auf der ein paar Melanophoren sich ausbreiten. Beim Männchen dagegen ist diese Guaninschicht nur _ im unteren Teile vorhanden; sonst treffen wir nur spärliche Guanin- zellen, die nicht imstande sind, eine Reflexionsschicht zu bilden, auf dem darunter liegenden sana nsal Pigment aber als triibes Medium wirken und die Blaufärbung hervorrufen. So groß nun die Verschiedenheiten der brünstigen Männchen und Weibchen sind, so gering und unscheinbar werden sie nach Verlust des Hochzeitskleides. Nach dem Schwinden der Erythro- phoren tritt an ihre Stelle der Silberglanz, deren morphologisch- histologische Grundlage, wie beim Weibchen, eine zusammhangende Guanophorenschicht ist. Die Erythrophoren scheinen sich am längsten in der Mundhöhle und in den Kiemenbogen zu erhalten. Während die ausgebrunsteten Männchen äußerlich schon keine Spur von Rotfärbung zeigten, &r- wiesen sich die Kiemenbogen mit Farbzellen bedeckt, die in ihrem Ton zwischen den gelben und roten stehen und auch in ihrer Ge- stalt nicht so fadenförmige Zellarme besitzen wie bei brünstigen Männchen. Vielleicht wird der ıute fettige Farbstoff beim Abbau in einen selben übergefük-u. Darauf weist z. B. folgende Beobachtung. Die Kehle dex Weibchen und völlig ausgebrunsteten Männchen enthält yx. Guanophoren. Bei ausbrunstenden Männchen, die nur noch am vordersten Teil des Unterkiefers einen rötlichen Schein aufweisen, finde ich in dem kaudaleren Teil der Kehle zahlreiche Gelbzellen, die durch ihre Lage mit den hier vorhanden gewesenen Rotzellen in irgendeine Beziehung zu bringen sind. Nur genauere Unter- Die sekundären Geschlechtsmerkmale von Gasterosteus aculeatus L. 103 suchungen über diese Frage kénnen Licht auf das jährliche Werden und Vergehen dieser Gebilde werfen. Ein Zugrundegehen der Chromatophoren brauchen wir nicht anzunehmen, da ja schon der Verbrauch der in ihnen abgelagerten farbigen Stoffwechselprodukte sie unsichtbar machen wiirde und gleichsam ihr Verschwinden vortäuschen könnte. Im gleichen Sinne sagt Poucuet: „Les chromatophores peuvent très vraisemblablement exister sans contenir de pigment“. Auch Prowazek berichtet, dab er bei einem jungen Fisch einer Pleuronectes-Art „gelbe Zellen“ be- obachtet hat, die aber farblos waren. Viele Forscher sehen heute die Körperfärbung als etwas für das Tier gleichgültiges an, sprechen ihr sowohl einen Nutzen wie Schaden für das Geschöpf ab und betrachten jedes Auftreten von Farben als eine zufällige Erscheinung des Stoffwechsels. Sie weisen darauf hin, daß das Gelb des Dotters, das Blau des Kupfersulfates usw. doch auch nur von ihrer chemischen Zusammensetzung oder zufälligen äußeren Struktur abhängen. Dieser Gedanke enthält zweifellos manches Richtige, er kann aber nicht alle Erscheinungen des tierischen Farbenkleides erklären. Ein reiner Stoffwechselvorgang bedingt zweifellos das Hochzeits- kleid, wie ich es eben für den Stichling genauer geschildert habe. Wir sehen hier, wie beim Männchen ein roter Farbstoff in Pigmentzellen abgelagert wird, zu einer Zeit, wo auch die Geschlechtsorgane heran- reifen; wir sehen, daß daneben ein anderer Zellinhalt, das Guanin, gelöst und in den Stoffwechsel hineingezogen wird. Trotz dieser sichtbaren Beziehung zum Stoffwechsel will ich dem Guanin doch seine biologische Aufgabe nicht absprechen und schließe mich in diesem Punkte ganz den Ausführungen von Poporr an. Es wäre ja sonst zu merkwürdig, daß nur die pelagischen Fische diesen Silberglanz so ausgeprägt und so regelmäßig in seiner Verteilung aufweisen. Nach Pororr ist das Guanin ein Stoffwechselprodukt, das in der Haut abgelagert wird. Seine Verteilung ist bei pelagischen Fischen durch Selektion hervorgerufen, denn wenn es auf der unteren Körperseite sich ansammelt, dient es dem Fisch als Schutzfärbung auf der total reflektierenden daher silberigen Unterseite des Wassers. Die Stellung der Augen ist bei den Fischen ja gewöhnlich so, dab der größte Teils des Gesichtsfeldes außerhalb des Grenzwinkels fällt; die Fische sehen also nur mit einem kleinen Teil der Retina in die Luft, mit dem größten aber ins Wasser. Schützen soll diese silberige Unterseite sie aber vor Raubfischen, 104 Erich TirscHACK, die sich nach Pororr um so tiefer aufhalten, je größer sie sind. Die silberige Unterseite der Fische findet also eine einleuchtende Er- klärung in der Annahme einer Mimikryfärbung gegenüber der spiegelnden Unterseite der Wasseroberfläche. Und gerade der Stich- ling ermuntert dazu, diesen Gedanken weiter zu spinnen. Gewöhn- lich halten sich beide Geschlechter an der Oberfläche des Wassers auf; sie zeigen dann auch eine silberige Unterseite. Das Männchen dagegen zieht in der Brunst mehr den Boden der Gewässer vor, wo sein Nest sich befindet. Ein Beobachten von unten her ist also für das Tier um diese Zeit nicht zu befürchten und daher kann sich das Männchen auch die lebhaft gefärbte Unterseite leisten. Viel- leicht ist damit die Aufgabe des Guanins noch nicht erschöpft, vielleicht leistet es auch als Lichtschirm dem Körper wichtige Dienste. Wie die Guanophoren in ihrer Verbreitung nicht nur von den Stoffwechselvorgängen abhängig sind, so auch die Melanophoren in noch größerem Maße. Ihre Lage und ihre Verteilung im Tierkörper deutet viel mehr auf eine Schutzwirkung gegen die Schädigung durch Licht hin. Diese ist vielleicht wichtiger als die oft ver- fochtene Lehre von der Schutzfärbung, die den Rücken der pela- gischen Fische zum Schutz gegen Vögel dunkel haben will. Müßten aber nicht die Melanophoren gerade auch am Rücken des Tieres sich ansammeln, wenn sie das im Wasser immer von oben ein- strahlende Licht von den Geweben des Tieres abhalten sollen? Ich habe bei den Färbungsuntersuchungen der Stichlinge häufig den Tieren die Haut auf beiden Seiten des Körpers abgezogen und war jedesmal erstaunt über die fast vollständige Durchsichtigkeit des abgehäuteten Tieres. Ist es nicht auffällig, daß die Melanophoren gerade dort vor- kommen, wo wichtige Organe liegen? Die Blutgefäße verraten sich gerade leicht durch ihre Pigmentierung. Auch in den Flossen, wo sie zwischen den Halbstrahlen liegen, finden sich die Melanophoren in der Nähe der Blutgefäßstämmchen. Daß von dem Kiemenapparat nur die Kiemenblättchen schwarze Pigmentzellen führen, wurde schon erwähnt. Das Rückenmark wird im Schwanzteil des Tieres auch auf allen Seiten von Melanophoren geschützt; im Rumpf da- gegen scheint die dicke Muskellage ringsherum schon ein genügend starker Lichtschutz zu sein. Darum fehlen im Rumpf die Melano- phoren um die Wirbelsäule. Die ganze Leibeshöhle ist innen dicht mit Pigmentzellen bedeckt und außerdem noch einzelne Organe. Die sekundären Geschlechtsmerkmale von Gasterosteus aculeatus L. 105 So z. B. sind die Hoden stark pigmentiert, das Ovar dagegen bleibt hell, die Kier scheinen also gegen eine Bestrahlung nicht so empfind- lich zu sein wie gerade die generativen Teile des Hodens. Gelingt es ja sogar nach TANDLER bei Säugern alle Fortpflanzungselemente des Hodens durch Röntgenstrahlen abzutöten. Daß dasselbe auch für die Eier des Ovars möglich ist, habe ich nirgends in der Literatur gefunden, was schon vielleicht gegen diese Annahme sprechen kann. Die Schutzwirkung des Pigments im Auge selbst ist ja bekannt und braucht nicht näher erörtert zu werden. Wir sehen also, daß die Fischfarben nicht einfach als äußere Zeichen des Stoffwechsels zu deuten sind. Daß die Chromatophoren durch ihren Inhalt das schädliche Licht absorbieren, daß sie als Guanophoren den Fisch schützen, haben wir schon gesehen. Es gibt aber auch Chromatophoren, denen eine aktiv-optische Aufgabe zu- fällt. Ich denke dabei an die Farbzellen, die zur Mimikry dienen. Gerade ihre Veränderung je nach der Umgebung spricht gegen ein bloßes Stoffwechselprodukt. Wie vollkommen die Zellen die Farb- anpassung erreichen ist ja bekaunt. Ich brauche nur an die hübsche Untersuchung von HEıncke (Lit., S.140) zuerinnern, an die PoucaerT'sche Arbeit und an die häufig beschriebene Anpassungskunst unserer Pleuronectiden. Die Muskulatur. Zur Untersuchung der Flossenmuskulatur wurden die einzelnen Muskeln der Brustflosse herauspräpariert, quergeschnitten und mit Eisenhämatoxylin nach HEIDENHAIN gefärbt. Die Rumpfmuskulatur habe ich an denselben Präparaten studiert, die für das Rückenmark angefertigt wurden. Für die Schwanzgegend dagegen wurden be- sondere Hämatoxylin- Eosin-Querschnitte von Formolmaterial her- gestellt. Die Brustflosse heftet sich beim Stichling an den gleich hinter der Kiemenspalte gelegenen Schultergürtel. Ihre basalen, band- förmigen Skeletteile liegen unter der Körperoberfläche und werden auf beiden Breitseiten von Muskeln bedeckt. Da diese 2 Systeme vor allem für die Bewegung der Flosse in Frage kommen, wurden sie genauer untersucht. Ich will den einen Muskel, der zwischen Epidermis und Flossenskelet liegt, kurz als äußeren, den anderen, der sich an das Skelet nach der Leibeshöhle zu anschließt, als den 106 Erich TirscHACK, inneren Flossenmuskel bezeichnen. Der letztere — die kleinen Bündel zur Entfaltung der Flosse wurden nicht berücksichtigt — stellt einen Komplex gleichgerichteter paralleler Fasern dar, während die Fasern des ersteren, zu einigen Bündeln zusammengefaßt, von den Flossenstrahlen divergierend, sich in großer Breite am Cleithrum a f he | U \ b ol AuBerer Flossenmuskel Innerer AuBerer Flossenmuskel Innerer Flossenmuskel Fig. Da. Flossenmuskelumrisse eines Männchens. Fig. Db. Flossenmuskelumrisse eines Weib- chens von gleicher Körpergröße wie das : Männchen in Fig. Da. ansetzen. Durch diesen Verlauf erhält der äußere Muskel eine 3eckige Gestalt. Für die Vergleichung kamen nur Querschnitte in Frage; diese ließen sich beim inneren Flossenmuskel ohne weiteres machen, beim äußeren dagegen war ich gezwungen, die einzelnen durcheinander geflochtenen Muskelbündelchen zu trennen und parallel zu ordnen. Die sekundären Geschlechtsmerkmale von Gasterosteus aculeatus L. 107 Die beiden Flossenmuskeln erweisen sich im männlichen Ge- schlecht bedeutend stärker als im weiblichen. Die Fig. Da u. Db. zeigt die Umrisse der gesamten Flossenmuskulatur eines gleich- groBen Pärchens. Links ist jedesmal der Querschnitt des inneren Flossenmuskels dargestellt. Die Untersuchung ging von der Voraus- setzung aus, daß sich auch histologisch Verschiedenheiten zeigen könnten, da das Männchen lange Zeit dem Neste und der jungen Brut mit seinen Flossen frisches Wasser zufächelt. Diese andauernde gleichmäßige Bewegung ließ einen großen Protoplasmareichtum der Fasern erwarten. Die Untersuchung bestätigte diese Annahme nur Fig. E. Querschnitte Fig. F. Querschnitte Fig. G. Muskelfaserquerschnitte. plasmareicher Muskel- plasmaarmer Muskel- Ubergangsformen. fasern. fasern. für die äußere Flossenmuskulatur. Zuerst ergab sich, daß jeder Flossenmuskel sowohl plasmareiche wie plasmaarme Fasern enthält. In den dünnsten Fasern, wie sie Fig. E zeigt, sind die Fibrillen meistens zu Bändern, Schleifen, Ringen oder Teilen davon angeordnet. Das Sarkoplasma dringt in tiefen Buchten zwischen die Fibrillen ein, trennt einzelne Fibrillenkomplexe von der großen Masse ab, zerlegt Bänder in einzelne Stücke und bringt schließlich auf diese Weise mannigfache Querschnitte zustande. Die einzelnen Fibrillen sind von außergewöhnlicher Dicke und neigen dazu mit benachbarten zu verkleben. Infolgedessen färben sie sich auch besonders stark mit Eisenhämatoxylin. Während man beim Differenzieren die Fibrillen plasmaarmer Fasern schon ganz entfärbt hat, erscheinen plasmareiche Fibrillen noch tief schwarz. x 108 Erıch Tirscuack, Fig. F bringt protoplasmaarme Fasern. Wir sehen, wie hier die Fibrillen den ganzen Innenraum der Faser ausfüllen und das Sarcoplasma auf die Peripherie beschränkt bleibt. Übergänge zwischen diesen beiden Extremen bilden Fasern, wie sie Fig. G darstellt. In der Größe des Querschnitts ähneln sie plasmaarmen, ER ER op BR BA CUT © R (2) RD Et Fig. Ha. Querschnitt des inneren Fig. Hb. Querschnitt des Flossenmuskels eines Männchens. inneren Flossenmuskels eines gleichgroßen Weibchens. in der Fibrillenanordnung teils plasmaarmen, teils plasmareichen Fasern. Und doch wird man bei genauem Zusehen nie schwankend sein, ob man eine dieser Fasern als plasmaarm oder -reich ansprechen soll. Wenden wir uns jetzt wieder dem inneren Flossenmuskel zu und betrachten das Verhältnis von plasmaarmen und -reichen Fasern. Fig. Ha u. Hb soll die Verhältnisse veranschaulichen. Zu diesem Die sekundären Geschlechtsmerkmale von Gasterosteus aculeatus L. 109 Zwecke wurden die Fasern der Muskeln mit dem Zeichenapparat genau gezeichnet und dann bei starker Vergrößerung der Plasma- reichtum jeder Faser festgestellt. Plasmaarme Fasern (wie Fig. F) wurden schwarz gefärbt, plasmareiche (wie Fig. E) weiß gelassen. Von den Übergangsformen wurden solche, wie in Fig. G links, punktiert, während solche, wie Fig. G rechts, von den schwarz gezeichneten plasmaarmen nicht weiter abgetrennt wurden. Vergleicht man nun die beiden Geschlechter miteinander, so erweist sich die Anordnung der plasmareichen und -armen Fasern als gleich. Jede Faserart nimmt eine Breitseite des Muskels ein. Auch die Anzahl der plasmareichen Fasern ist bei beiden Ge- schlechtern dieselbe. Dagegen überwiegen die plasmaarmen im männlichen Geschlecht bedeutend. Zahlenmäßig wurde das für gleichgroße Pärchen festgestellt (Fig. Ha u. Hb). Protoplasmareiche Fasern: 6 25,2 55378: 2 — 3:10. Protoplasmaarmen Fasern: 8 925, 2397 oO =2,3:21 14150, 9.952; &:2 = 152: E Man beachte auch auf dieser Abbildung die stärkere Ent- wicklung des männlichen Muskels, worauf schon bei Fig. D hin- gewiesen wurde. Eine andere Zählung des inneren Flossenmuskels ergab einen noch viel größeren Unterschied zwischen den beiden Geschlechtern. Der männliche Muskel enthielt 3037, der weibliche nur 1359 Fasern; eg Cee 1. Die Fig. D bringt gleichzeitig auch die Umrisse der äußeren Flossenmuskeln. Das zerrissene Aussehen des Muskelquerschnittes erklärt sich, wie schon erwähnt, aus dem Verlauf seiner diver- gierenden Fasern. Trotzdem sieht man auf den ersten Blick, daß auch dieser Muskel im männlichen Geschlecht stärker ent- wickelt ist. Fig. Ja u. Jb zeigt dasselbe für ein anderes gleich- grobes Pärchen. Wie beim inneren Flossenmuskel, wurden auch hier die Fasern gezählt, und es ergab sich, daß das Weibchen das Männchen in den plasmaarmen um das Doppelte übertraf. (479 Fasern beim Weibchen, 197 beim Männchen; 4:2 = 1:24.) Dagegen waren die plasmareichen Fasern beim Männchen zahlreicher (2112 beim Männchen, 1278 beim Weibchen; 3:9 = 1,6:1). Von den beiden Flossenmuskeln des Männchens ist also der 110 Eric TrrscHack, Meme get es Fig. Jb. Umrisse des äußeren Flossenmuskels eines gleich- großen Weibchens. Fig. Ja. Umrisse des äußeren Flossenmuskels eines Männchens. Fig. K. Zwei ineinander gezeichnete Querschnitte der Rückenmuskulatur. Der weibliche punktiert. Einige Schnitte caudal vom zweiten Rückenstachel. Die sekundären Geschlechtsmerkmale von Gasterosteus aculeatus L. EET innere der relativ stärkere, denn dort kommt auf eine weibliche Faser 1,52—2,27 männliche; beim äußeren dagegen auf eine weib- liche Faser nur 1,31 männliche. Von der Rumpfmuskulatur wurde der Riickenanteil zwischen dem zweiten Stachel und der Riickenflosse untersucht. Gleichlange Männchen und Weibchen zeigten auch hierin kein übereinstimmendes Verhalten; vielmehr war die Riickenmuskulatur des Männchens be- deutend stärker. In Fig. K habe ich versucht eine Vorstellung von dem Größenverhältnis zu geben. Dazu wurde ein weiblicher Quer- schnitt in einen männlichen hineingezeichnet und durch Punktierung hervorgehoben. Die Schnittebene liegt in beiden Fällen gleich hinter dem zweiten Rückenstächel. Diese Vergrößerung der Rückenmuskulatur beim Stichlings- männchen ist erstens in der Verdiekung jeder einzelnen Faser, dann aber auch in der Vermehrung der Faserzahl zu suchen. Bei Zählungen an 2 Pärchen verhielt sich an der genannten Körperstelle die Faseranzahl des Männchens zu der des Weibchens wie 1,39:1 und 1,42:1. Die absoluten Werte waren 1868 : 1307 und 1471 : 1058. ; Das Zentralnervensystem. Das Gehirn der Fische ist im letzten Jahrhundert in auBer- ordentlich zahlreichen Untersuchungen behandelt worden; um so bedauerlicher ist es, daß nur eine verschwindend kleine Anzahl von Arbeiten bleibenden Wert behalten hat. Die morphologischen Beschreibungen kämpfen noch um die ungeklärte Homologisierung der einzelnen Teile, und dieses Schwanken in der Auffassung macht sich auch in den ersten histologischen Arbeiten sehr störend be- merkbar. Stiepa gibt 1861 für den Hecht die erste genaue mikro- skopische Beschreibung, die auch deshalb noch zu erwähnen ist, weil die einzelnen Gehirnteile entsprechend unserer jetzigen Auf- fassung erkannt sind. Allein 1878 bringt Frırscr in seiner großen Untersuchung über den feineren Bau des Fischgehirns wieder Ver- wirrung in die festgelegten Tatsachen und entfacht einen jahrelang dauernden Kampf um die Homologisierung der Teile des Fisch- gehirnes, bis endlich BurckHArDT und RagL-RÜckHARD die heutige Ansicht zur Geltung gebracht haben. Darum sind rein histologisch- anatomische Arbeiten im vorigen Jahrhundert spärlich. Von den älteren Untersuchern ist außer Strepa und FrirscH noch Mayser zu nennen, dessen musterhaft genaue Arbeit ein Ausgangspunkt 112 Ericx TırscHack, auch für die weitere Fischgehirnforschung bleiben wird. In der neuesten Zeit haben GoLpsTEIN und Franz unsere Kenntnis vom Fischgehirn außerordentlich bereichert; besonders die Untersuchung des letzteren über das Mittel- und Zwischenhirn bringt auf viele Fragen und Zweifel die richtige Erklärung für jeden, der an der Hand der fast ausschließlich die Cyprinoiden behandelnden Literatur sich in das Studium einer anderen Fischgruppe einzuarbeiten ver- sucht. Auch einzelne Untersuchungen über diesen oder jenen Ge- hirnteil sind vielfach in der neueren Zeit erschienen; der Saccus vasculosus z. B. ist ausführlich von 3 Untersuchern behandelt. Bei all der Fülle von Arbeiten war ich erstaunt über das Stichlingsgehirn fast gar nichts in der Literatur zu finden. RupoLpHI hat 1800 11 Stichlinge bei seiner Untersuchung über die Sehnerven- kreuzung zergliedert und schreibt darüber: „Die sehr dicken Seh- nerven kreuzen vollständig. Bei 6 Exemplaren ging der Sehnerv vom linken Hügel zum rechten Auge über den Nerven vom rechten Hügel. Bei 5 anderen Exemplaren war es umgekehrt.“ 1892 er- fahren wir aus der Arbeit von Davip, daß er von Gasterosteus — die Art wird nicht genannt — eine Transversalserie hergestellt und nach WEIGERT gefärbt hat. Dagegen gibt MALME im selben Jahre, in seiner ausführlichen makroskopisch-anatomischen Be- schreibung der Knochenfischgehirne, sogar eine Abbildung des Stich- lingsgehirns und die dazugehörigen Erläuterungen. Auch SCHAPER hat 1894 in seiner Kleinhirnuntersuchung den Stichling berück- sichtigt und stellt fest, daß er im Hinterhirn einen Canalis-cerebellaris besitzt. Ferner berichtet PEDASCHENKoO 1902 von einer eigentüm- lichen Segmentierung des embryonalen Mittelhirndaches bei Zoarces und findet dieselbe Erscheinung unter anderem auch beim Stich- ling wieder. Schließlich sei noch die Angabe von DAMMERMANN erwähnt, daß der Saccus vasculosus von @. spinachia 3mal so groß ist wie der von G. aculeatus, während das ganze Gehirn des Seestichlings nur 11}, mal so groß ist wie das vom gemeinen Stichling. Die Untersuchung des Gehirns erfolgte fast ausschließlich auf Schnitten. Dazu wurde die Schädelhöhle seitlich aufgebrochen, die Nerven durchtrennt, das Gehirn vorsichtig herausgenommen und in die Fixierungsflüssigkeit getan. Diese richtete sich nach der Färbung. Für einfache Übersichtspräparate, Kernzählungen usw. wurden die Gehirne in Formol (10°/,), Sublimat-Eisessig, Zimmerr’scher, Hennine’scher und Frırschr’scher Lösung fixiert und dann in der Die sekundären Geschlechtsmerkmale von Gasterosteus aculeatus L. 113 gewohnlichen Weise weiter behandelt. Alle diese Fixierungs- möglichkeiten erwiesen sich als brauchbar, Formol ist aber vielleicht allen vorzuziehen, weil das Gehirn darin am wenigsten schrumpft. Ein vorheriges Herauspräparieren ist unerläßlich, denn nach der Härtung lassen sich die einzelnen Knochen ohne Verletzung des Ge- hirns nicht abheben. Sie reißen meistens große Stücke der Gehirn- oberfläche mit ab; auch muß zum endgültigen Herausheben das Ge- hirn in viel größerem Maße freigelegt werden, da es seine Biegsamkeit verloren hat und leicht entzwei bricht. Versuche, ganze Köpfe 24 Stunden lang mit Sublimat-Eisessig zu fixieren, lieferten histo- logisch sehr schlecht erhaltene Gehirne, wenn auch in diesem Fall ein nachträgliches Herauspräparieren keine Schwierigkeiten machte, da die Knochen alle entkalkt waren. Die so behandelten Gehirne wurden im Schnitt mit Hämatoxylin- Eosin gefärbt. | Zur Darstellung von Fasern wurde die Markscheidenfärbung nach WEIGERT, WEIGERT-PAL und die Versilberungsmethode nach Ramon y CaJaz angewandt. Für erstere fixierte ich die Gehirne nicht unter einem Monat in Müurer’scher Flüssigkeit, härtete dann in Alkohol und schloß in Paraffin ein. Ein längeres Verweilen in der Mürrer’schen Flüssigkeit schien dem Material nicht zu schaden, wenn man nur von Zeit zu Zeit die Flüssigkeit wechselte; wenigstens habe ich an Gehirnen, die länger als zwei Jahre in dem Mürrer’schen Gemisch gelegen hatten, keine nachteiligen Veränderungen feststellen können. Nur vor zu schnellem Durchführen muß man sich hüten und den Alkohol womöglich von 10 zu 10°, steigern- Auch soll die Temperatur des Ofens nicht über Bedarf hoch sein. Mit Erfolg habe ich auch ganze Stichlingsköpfe, deren Gehirn teilweise freigelegt oder deren Gehirnhöhle wenigstens geöffnet war, auf 3--4 Tage in Mürrer’sche Flüssigkeit eingelegt und dann erst das Gebirn ganz herauspräpariert. Diese Methode hat sehr viel für sich. Erstens erleichtert sie die Präparation, da die Knochen weich werden, dann aber erhält man auf diese Weise das Gehirn in seiner normalen Gestalt. Auch wenn man viel Material einzulegen hat, ist es von Vorteil, daß man am 1. Tage einen Teil der Gehirne nicht ganz herauszupräparieren braucht. Die Serienschnitte so chromierter Gehirne wurden auf 24 Stunden in eine gesättigte Kupferacetatlösung getan, dann in Wasser ab- gespült, in Weıgert’s Hämatoxylin (Rawırz, Lehrbuch der mikro- skopischen Technik, 1907, p. 201) gefärbt und in seiner Blutlaugen- Zool. Jahrb. 39. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 8 114 Erica TirscxAcx, salzlösung (RAwITZ, p. 201) differenziert. Wenn nur die Nervenfasern schwarz sind, das übrige Nervengewebe seine violette Färbung ver- loren hat, wird in Wasser abgespült, entwässert und in Balsam eingeschlossen. Das Hämatoxylin verbraucht sich ziemlich schnell, da das in den Schnitten vorhandene Kupferacetat das Hämatoxylin schließlich in einen dicken Kleister verwandelt. Die Pat’sche Modifikation habe ich nur zu Beginn meiner Untersuchungen angewandt; sie arbeitet mit Sekunden, und darum zog ich die langsame aber sichere Wgicerr'sche Methode vor. Zum Versilbern benutzteich die vier Methoden von Ramon y Casa, wie sie das Rawirz’sche Lehrbuch auf p. 357—359 anführt. Die erste mißlang mir beim ersten Male ganz, und später habe ich sie nicht mehr versucht. Dagegen gaben die anderen 3 sehr gute Resultate. Das beste Ergebnis lieferte eine Versilberung von 3 Tagen. Auch auf diese Weise behandelte Gehirne wurden in Paraffin ein- gebettet. Zerlegt wurde das Gehirn — auch bei den anderen Färbungen — in Quer-, Sagittal- und Frontalschnitte von 10 wu Dicke. Das Stichlingsgehirn stellt grob morphologisch einen einfachen Typus des Teleosteergehirnes dar. Äußerlich gleicht es sehr dem Gehirn von Zoarces, Cottus, Mugil, Salmo, Esox. Die Bulbi olfactorii sind sitzend und schließen sich direkt an die laterale Unterseite des Vorderhirnes an. Letzteres zeigt den bei Knochenfischen ge- wöhnlichen Bau, die starke Entwicklung der basalen Teile und das ependymatöse Dach. Von dem ganzen Zwischenhirn ragt nur der Epiphysenschlauch mit seinem knopfförmigen Endstück zwischen Vorder- und Mittelhirn heraus. Die übrigen dorsalen Teile des Zwischenhirnes werden vom Vorder- und Mittelhirn bedeckt und bleiben von außen unsichtbar. Das Mittelhirn übertrifft alle anderen Teile an Größe, die seitliche Ausdehnung des ganzen Gehirnes er- reicht hier sein Maximum. Nach hinten zu schließt sich daran das verhältnismäßig kleine Cerebellum, das sich als unansehnlicher Höcker nach oben erhebt. Es überragt das Mittelhirndach nur wenig, zeigt auch sonst keine Neigung sich durch Faltung zu ver- srößern. Die Oblongata weist keine besonderen Differenzierungen auf, wie man sie bei Cyprinoiden zu finden gewohnt ist; ziemlich schnell, aber gleichmäßig sich verjüngend geht sie ohne scharfe Grenze in das Rückenmark über. Die basalen Teile des Gehirns Die sekundären Geschlechtsmerkmale von Gasterosteus aculeatus L. 115 schließlich zeigen die für die Knochenfische charakteristische Hyper- trophie des Zwischenhirns. Als große paarige Wiilste werden die Lobi laterales sichtbar, zwischen sie klemmt sich rostral der Lobus medialis mit der an seiner unteren Vorderseite hängenden Hypophysis. Zwischen den beiden Geschlechtern konnte makroskopisch kein Unterschied festgestellt werden. Ich begann daher Serien gleich- eroßer Gehirne von Männchen und Weibchen miteinander zu ver- gleichen, wobei ich von bestimmten Punkten wie z. B. dem Austritt des N. VII dorsalis, dem intercerebralen Verlauf des N. IV, den Kernen des Tegmentums, der Commissura posterior und anterior usw. ausging und die Größe, Gestalt und den Bau der einzelnen Gehirn- teile in beiden Geschlechtern untersuchte. Auch die Lage und Aus- dehnung der Innenräume wurde in die Vergleichung mit hinein- gezogen, ohne daß es gelang, an irgendeiner Stelle eine geschlecht- liche Differenzierung zu finden. Abgesehen von geringen Schwan- kungen stimmten die Männchen und die Weibchen im einzelnen überein. Auch das Fehlen irgendwelcher Faserzüge oder Kerne wurde weder für das Männchen noch für das Weibchen festgestellt. Von der Erwägung ausgehend, daß die verschiedene Lebensweise und Beanspruchung einzelner Körperteile besonders das Zentral- nervensystem beeinflussen müsse, versuchte ich die Stärke der Faser- züge und die Größe der Nervenkerne durch Zählen ihrer Elemente festzustellen. Wer ähnliche Untersuchungen gemacht hat und sich mit der Technik solcher Messungen und Zählungen befaßt hat, kann beurteilen, mit was für Schwierigkeiten man dabei zu kämpfen hat. Vor allem kommt es darauf an, einen Faserzug direkt quer im Schnitt zu bekommen, was für viele ausgeschlossen ist, weil sie bogenformig verlaufen. Feine Faserzüge mit ganz dünnen oder fehlenden Mark- hüllen lassen sich nur an Versilberungspräparaten studieren; die Querschnitte der Achsenzylinder sind dann aber so außerordentlich klein und von anderen protoplasmatischen Ausläufern, Zellenden oder dergl. nur bei sehr großer Übung und nur mit den stärksten Vergrößerungen zu unterscheiden. WEIGErRT’s Markscheidenfärbung führt ferner nur bei mittlerem Faserkaliber zum Ziel. Die dicken Markhüllen der stärksten Fasern, wie wir sie z. B. im Fasciculus longitudinalis dorsalis antreffen, lassen sich sehr schwer zählen, da nach der Konservierung mit Mürter’scher Flüssigkeit die normaler- weise fast röhrenförmigen Markscheiden blasige Ausstülpungen be- kommen. Diese können auf dem Querschnitt Fasern vortäuschen. Schließlich lassen sich feine Faserzüge auf Silberpräparaten häufig 8% 116 Ericx TirscHack, bei starker Vergrößerung vom umgebenden Nervenfilz nicht ab- grenzen; viele Serien eignen sich daher nur für die Durchzählung einzelner Teile und müssen durch andere ergänzt werden. Zu be- achten ist auch, daß man Faserzüge immer auf derselben Höhe ver- gleichen muß, denn die Anzahl der Nervenfasern braucht ja nicht im ganzen Tractus dieselbe zu bleiben. Dieser Umstand, der das Zählen sehr erschwert, kann manchmal wieder von Vorteil sein. So gelang es für den Tractus cerebello-tectalis (s. Fig. L) durch Zählung erv. VI dors. / Tuberculum acusticum / Rad. asc:NerviV N Sensibler __ 2, Vaguskern Tr. cerebello-tectalis \ \ à Vaous Nucleus corticalis # N à De NS Sn] 4 . NM NE Tr.vago-cerebellaris ÿ À Fasciculus long. Commissura Kerndes dors. Fritschi Fasc. long. dors. Opticus Fig. L. Gehirn eines Stichlings, teilweise aufgeschnitten. auf verschiedenen Stellen die Richtung seines Verlaufes festzustellen. Da endlich eine Serie nur zu brauchen ist, wenn sie mit einer ent- sprechend großen des anderen Geschlechtes verglichen werden kann, so wird man verstehen, daß für die vorliegende Untersuchung all- - mählich 145 Serien hergestellt wurden. Und doch hat das Ergebnis die viele Mühe gelohnt. Es zeigte sich nämlich — um das Wich- tigste gleich vorwegzunehmen — für die Zellen wie die Achsen- zylinder der Faserzüge eine gewisse Zahlenkonstanz. Abgesehen von unvermeidlichen Untersuchungsfehlern setzte sich derselbe Kern oder derselbe Faserzug immer aus der gleichen Anzahl von Elementen zusammen, ob man nun große oder kleine Exemplare wählte. In der Oblongata gelang es, die Fibrillenzahl für den sogenannten Nervus VII dorsalis (MAyser) festzustellen. Dieses periphere Nerven- stämmchen hat seine Zellen im vorderen ventralen Teil des großen peripheren Ganglions, das an der unteren Seite des Mittelhirns liegt und das Ganglion geniculi, semilunare und die Lateralisganglien in sich schließt. Von hier zieht der Nerv caudalwärts und dringt dann dorsal vom Nervus octavus senkrecht zur Längsachse des Tieres in die Oblongata ein (vgl. Fig. M u. N). Er durchzieht den oberen Teil Die sekundären Geschlechtsmerkmale von Gasterosteus aculeatus L. 117 des Tuberculum acusticum bis zur Mittellinie, biegt hier senkrecht nach hinten um und gelangt, an der Rautengrube caudalwärts ziehend, in den rostralen Teil des Vaguskernes. Hier spaltet er auf. Die scharfe Umgrenzung des Nerven in seinem ganzen Verlauf er- leichtert ein Durchzählen seiner Fasern ganz wesentlich. Für ein Parchen betrug die Fibrillenanzahl kurz vor dem Eintritt ins Gehirn beim Männchen 1340, beim Weibchen 1321; nach der Umknickung nach hinten beim Männchen 1356, beim Weibchen 1322. Dies Er- gebnis liefert gleichzeitig einen Beweis dafür, daß dieser Nerv auf seinem Wege zum Vaguskern im Tuberculum acusticum keinen Faser- verlust erleidet. Mittelhirndach i ER Rad. asc. N.V Nerv. VII Ÿ & N.V TV Ventrikel A ; rs. x Tuberculum“ N. VI do | -Mot. Trigem. acusticum 4 E sensibler K Kern: $ asser des Cerebellum Be. mot.V =! _Caudaler -22Vagus Vagus N.X Fig. M. Oblongata des Stichlings; rechts ist Fig. N. Oblongata des Stichlings; rechts ist ein Teil horizontal abgetragen. noch mehr abgetragen als in Fig. M. Ein anderer in der Oblongata und im vorderen Teil des Rücken- markes von allen Untersuchern gesehener Faserzug, Radix ascendens Nervi V (vgl. Fig. L u. N), der den Hauptteil des Trigeminus aus- macht, ließ sich leider nie scharf vom Nervenfilz und der ventral von ihm liegenden mächtigen, aber feinfaserigen sekundären Vagus- Trigeminusbahn (Tractus vago-cerebellaris, Fig. L) abgrenzen. Von den beiden motorischen Trigeminuskernen (Fig. N), die, in der Oblon- gata direkt unter dem 4. Ventrikel gelegen, aus verhältnismäßig wenigen aber großen Zellen bestehen, konnte ich nur im caudalen die Zellenzahl genau feststellen. Die Zellen des rostralen gehen kontinuierlich in einen anderen Kern über, daher auch das Zahlen- ergebnis zwischen 328 und 412 schwankt. Der caudale Trigeminus- kern dagegen, von allen Seiten nur von Fasermassen umgeben, MS | Erich TirscHACK, zeigte für das Männchen 107 und 124, für das Weibchen 110 und 105 Zellen. Eine erstaunliche Ubereinstimmung ergab auch eine Zell- anhäufung im Tuberculum acusticum über der rostralwärts ziehen- den Radix ascendens Nervi V. Die Anzahl dieser großen, wahr- scheinlich motorischen, Elemente in der sonst zellarmen Gegend betrug 103 Zellen im männlichen und 104 im weiblichen Geschlecht (& il D) Die Oblongata, als Sitz der für die Lebensmöglichkeit unbedingt notwendigen Zentren, zeigt also für beide Geschlechter keine Ver- schiedenheiten. Nicht weiter überraschend ist es daher, daß auch die Abducenskerne eine weitgehende Übereinstimmung bei Zählungen zeigen. Der Nervus VI entspringt (s. Fig. L) bekanntlich an der Unterseite der Oblongata mit 2 dünnen Stämmchen, die in einer Sagittalebene hintereinander liegen. Die Zellen der beiden Kerne sind etwa kugelförmig angeordnet und nahe an der Oblongatabasis gelegen. Gegeneinander sind die beiden Kerne nicht scharf ab- gegrenzt, heben sich aber sonst von dem Nervenfilz sehr gut ab. Zählt man nun jeden dieser Kerne einzeln, so ergibt sich ein ziemlich schwankendes Verhalten; faßt man dagegen die Resultate jeder Seite zusammen, wozu man auch berechtigt ist, da die beiden peripheren Abducensstämmchen bald nach Verlassen des Gehirns miteinander verschmelzen, so stößt man auf eine erstaunliche Übereinstimmung bei allen Zählungen. Von 4 Männchen hatten drei 125 Zellen, eins 126; 4 Weibchen zeigten in je einem Fall 124 und 125, in 2 Fällen 126 Zellen. | Erwähnen will ich nur noch kurz den „Nucleus“ ventralis (Corpus glomerosum Franz). Dieses beim Stichling flaschenförmige Gebilde, durch das die Commissura Fritschi (s. Fig. L) hindurchzieht, kann nur als Assoziationsgebiet gedeutet werden. In der neuesten Zeit wird es als ein tertiäres Riechcentrum angesehen. Ich stimme mit Franz vollständig überein, wenn er die großen sich protoplasmatisch färbenden Bezirke, diese sogenannten „Glomeruli“, nicht als Zellen, sondern als Nervenfilz auffaßt. Meine Versilberungen können diese Behauptung vollauf bestätigen. Eine Zählung dieser „Glomeruli“ ergab: Männchen 1572 und 1533; Weibchen 1549 und 1554. Je größer die zahlenmäßige Übereinstimmung in Kernen und Faserzügen ist, und je häufiger es gelingt, eine solche nachzuweisen, um so interessanter und wichtiger scheint es mir, daß es gelang, Diesekundären Geschlechtsmerkmale von Gasterosteus aculeatus L. 119 3 Fälle von Verschiedenheiten zwischen den Männchen und Weibchen festzustellen. Der erste bezieht sich auf den Kern des Fasciculus longitudinalis dorsalis (Fig. L). In der Mittelhirnbeuge gelegen, fallt dieser Kern durch riesige Zellen auf, die alle anderen in der Nahe befindlichen an Größe übertreffen. Wie die meisten großen motorischen Zellen sind sie von einem Kranz feiner markhaltiger Fäserchen umsponnen, was schon GOLDSTEIN erwähnt; dadurch sind sie auf WEIGERT- Präparaten noch deutlicher zu sehen. Die Zellen sind so groß, daß sie in einer 10w-Serie oft durch 7 Schnitte zu verfolgen sind. Um Doppelzählungen auszuschließen, wurde die Lage dieser großen Zellen mit einem Netzmikrometer auf Quadratpapier Schnitt für Schnitt entworfen; auf den so gewonnenen Skizzen konnte dann jede Zelle in ihrer Ausdehnung genau festgestellt, und so schließlich die ganze Zellenzahl des Kernes gefunden werden. Bei 5 Männchen enthielt der Fasciculuskern 64, 66 und 67 dieser großen Zellen; die Weibchen wiesen nur 37, 40, 41 und 43 Zellen auf. Daß trotz dieser genauen Untersuchungsmethode keine vollständige Überein- stimmung in jedem Geschlecht erzielt wurde, erklärt sich daraus, daß zwischen den großen Zellen noch kleinere von etwa 10 « räumlicher Ausdehnung liegen. Als große wurden nur solche gerechnet, die auf wenigstens zwei Schnitten ganz deutlich zu sehen waren. Wenn nun eine von den kleinen Zellen ausnahmsweise eine längere Gestalt be- sitzt, so kann sie möglicherweise zu den großen gerechnet worden sein. Weitere Zählungen für 2 Männchen aus dem Juni, die im Gegen- satz zu ihren Geschlechtsgenossen kein Hochzeitskleid gehabt hatten, ergaben 41 und 44 große Zellen im Fasciculuskern. Das Ergebnis - stimmte also mit dem der Weibchen überein. Um diese Tatsache zu erklären, kann man dreierlei anführen. Entweder verkümmern einige der großen Zellen beim Männchen nach der Brunst — und mit den Geschlechtsfunktionen stehen sie doch sicherlich in Beziehung — und bilden sich im nächsten Jahre aus indifferenten Zellen wieder neu; oder sie zeigen nur während der Brunst bei den Männchen eine so riesige Vergrößerung. Schließlich aber, und diese Erklärung erscheint mir am wahrscheinlichsten, haben wir es in diesen Fällen mit noch nicht brünstig gewordenen Jungfischen zu tun. Wenn man bedenkt, daß an meinen Fangstellen die Brunstzeit sich von Anfang Mai bis Anfang August hinzieht, und man in diesen 3 Monaten ganz junge Stichlinge findet, so ist leicht einzusehen, daß die Brut von Ende Juli bis zum nächsten Frühling nicht mehr ge- 120 Brice TrirscHack, schlechtsreif wird. Leider habe ich in der ersten Zeit meiner Arbeit das genaue Alter der Fische nicht festgestellt, sondern nur darauf geachtet, daß die zur Untersuchung gelangenden Tiere geschlechts- reif waren. Infolge dieser Verhältnisse im Gehirn hielt ich es erst für nötig, das Alter der Fische festzustellen. Aus der Literatur war mir nur die Notiz. aus BREHM'S Tierleben bekannt, wonach laut BrocH die Stichlinge höchstens 3 Jahre alt werden. Ich unter- suchte nun letzten Sommer, Mitte Juni, die Statolithen einer großen Anzahl von Stichlingen, und es ergab sich dabei folgendes: Männchen von 45—57 mm Länge standen im 2. oder 3. Jahre, ausgebrunstete Männchen von 57—60 mm im 2. oder am Anfang des 3. Jahres, Weibchen von 44—56 mm im 2. oder 3. Jahre. Ferner zeigte sich, daß die längsten Tiere gar nicht unbedingt die ältesten sind, dann, daß im Gegensatz zu den Meeresfischen das Wachstum auch im Winter nicht ganz aufhört, die Zuwachsstreifen an den Statolithen daher manchmal nicht sehr scharf und in derselben Jahreszeit nicht gleich weit fortgeschritten sind. Da ich aber sämtliche Gehörsteine verwandte, ließ sich durch Vergleich der 6 Stück das Alter eines Tieres doch immer mit großer Bestimmtheit feststellen. Da- nach könnte man also annehmen, daß die untersuchten Stichlinge einer Jahresgeneration angehören. Die Tiere, die im 3. Jahre stehen, haben vielleicht im April—Mai die Eier verlassen, die im 2. Lebens- jahre sind dagegen vielleicht erst im Juli aus den Eiern geschlüpft. Ein nur einmaliges Brünstigwerden wäre möglich und würde auch zugleich erklären, warum in meinem kleinen Tümpel trotz Fehlens jeder Feinde keine Übervölkerung auftritt. Trotzdem dürfen wir ein 2 maliges Geschlechtsreifwerden nicht ausschließen und können die be- sprochenen sexuellen Unterschiede des Fasciculuskernes — solange noch keine Beobachtungen über ein Verkümmern oder Sichneubilden der großen Zellen vorliegen — nur damit erklären, daß die untersuchten Tiere noch nicht geschlechtsreif waren. Wenden wir uns jetzt dem 2. Falle zu, in dem die Männchen und die Weibchen nicht übereinstimmen. Es handelt sich um einen Teil der Commissura posterior, der in der Fig. P mit 7 bezeichnet ist. Er verhält sich bei den Messungen seiner Größe und bei Faser- zählungen in den beiden Geschlechtern verschieden; diesmal ergab sich ein Mehr bei Weibchen. Je nach den Präparaten waren die Resultate verschieden; nach Cayaz-Schnitten zählte ich für ein Weibchen 1527, für ein Männchen 921 Fasern, auf WEIGERT-Schnitten dagegen beim Weibchen 949, beim Männchen 681. Die sekundären Geschlechtsmerkmale von Gasterosteus aculeatus L. 191 Daß die Resultat je nach der Färbung verschieden ausfallen, kann man häufig beobachten und ist nicht weiter überraschend. Ein Zählungsergebnis kann daher erst als sicher gelten, wenn die «| eu Tr. cereb.- + : tect. See: Tr. bulbo.- NSS dienc z vI Fasc.long dors verschiedenen Methoden dasselbe aussagen. So war z. B. der Trac- tus bulbo-diencephalicus, das sogenannte laterale Längsbündel | (Fig. O), bei Casau- Färbung im Commissura haben.) weiblichen Geschlecht stets stär- à | ker; die Weicert-Färbungen da- | gegen ergaben das umgekehrte Verhältnis. Es konnte aber ge- zeigt werden, dab das ursprüng- liche Übergewicht des Weibchens nur auf einer unscharfen Ab- grenzung nach der einen Seite ‘hin beruhte. Eine scheinbare Differenz er- Fig. P. Medianschnitt durch das Dach gab sich auch bei der Commissura a Fritschi (Fig. L), wo für das Männchen ungefähr 1500 Fasern ge- zählt wurden. Das Weibchen dagegen wies immer größere Zahlen auf: 1800—1900. Die genauere Nachprüfung dieser Erscheinung Commissuren des Tectum. N Dog v3 LL) ‘Comm. - g-Plexuschor. posterior 122 Erich TritscHack, zeigte aber, daß sich beim Männchen ein markloses Bündelchen an die Commissur anlagerte, das in Weicrert-Praparaten natürlich un- beachtet blieb. Beim Weibchen dagegen waren diese Fasern ge- wöhnlich markhaltig und wurden daher in die Zählung mit ein- begriffen. Bei genauer Durchsicht der Präparate fanden sich denn auch Serien, wo sich dieses Bündelchen auch beim Männchen ab- setzte, und in diesem Falle stimmte die Faseranzahl der Commissur mit dem Weibchen überein. Durch Heranziehung mehrerer Serien, verschiedener Färbungen und Schnittrichtungen ließen sich Widersprüche gut beseitigen; nur in einem Falle, beim Nucleus corticalis, — in Fig. L schimmert er durch das Mittelhirndach durch — der in beiden Geschlechtern ungefähr 1050—1190 Zellen zählt, enthielt eine weibliche Serie nur 672 auf der einen und 738 Zellen auf der anderen Seite. Was für Verhältnisse hier hinein spielen und wodurch diese geringe Zellanzahl bei einem Tiere hervorgerufen ist, können vielleicht weitere Untersuchungen zeigen. Als 3. Fall von Verschiedenheiten zwischen den beiden Ge- schlechtern wäre der Tractus tegmento-cerebellaris zu nennen, der von dem Übergangsganglion nach der Valvula zieht und beim Weibchen stärker ist als beim Männchen. Verschiedene Zählungs- versuche scheiterten daran, daß diese Nervenfasern nicht zu einem Tractus vereinigt sind; daher ist eine scharfe Abgrenzung nicht möglich. Ein Vergleich aller Präparate ließ aber die verschieden starke Entwicklung in beiden Geschlechtern als unzweifelhaft er- scheinen. Fig. O stellt einen Querschnitt dar, der gerade durch die Verwachsungsstelle der Valvula mit dem Mittelhirne geht. Hier sehen wir auf der rechten Seite die Fasern dieses Zuges zwischen der Granularis der Valvula und dem Mittelhirn verlaufen. Gleich unter der Verwachsungsstelle liegt auch der Endkern dieses Faser- zuges, das sogenannte Übergangsganglion. Seine Zellen sind klein und rundlich und eignen sich nicht besonders zur Zählung. Ein einmaliger Versuch ergab für das Weibchen 15486, für das Männchen 11434 Zellen. Faserzug wie zugehöriger Kern sprechen also für einen Unterschied in den beiden Geschlechtern. Nach Abschluß der Zählungen an gleichgroßen Gehirnen vom Männchen und Weibchen, habe ich die Gehirne von 4 gleich- langen Stichlingspärchen verglichen. Die Behandlung, Fixierung und Härtung war in beiden Geschlechtern dieselbe. Alle Gehirne wurden in Querschnittserien zerlegt und an den Schnitten die ver- hältnismäßige Größe der einzelnen Gehirnteile gemessen. Es ergab Die sekundären Geschlechtsmerkmale von Gasterosteus aculeatus L. 193 sich, daß die männlichen Gehirne in allen Abschnitten größer waren als die der entsprechenden Weibchen. An einer bestimmten Stelle verhielten sich die Oblongataquerschnitte des Männchens zu denen des Weibchens wie 1,077 : 1—1,723 : 1. Der Fasciculus longitudinalis dorsalis verhielt sich in seiner dorsoventralen Ausdehnung — Männchen zu Weibchen — wie 1,27—1,43:1. Bei der Tectumdicke schwankten die Verhältnisse zwischen 1,071:1 und 13:1. Auch das Vorderhirn machte keine Ausnahme; an der Commissura anterior gemessen ver- hielten sich die Querschnittsflächen vom Männchen zu denen des Weibchens wie 1,182:1 und 1,40:1. Blicken wir nochmals auf die Verschiedenheiten zwischen den beiden Geschlechtern (abgesehen von der etwas stärkeren Entwicklung des männlichen Gehirnes) zurück, so ergibt sich, daß sie beim Stichling im Zwischen- und Mittelhirn und teilweise im Cerebellum liegen. Auch STEInAcH, bei dem ich die einzige Notiz über eine Lokalisation der Geschlechtscentren finde, verlegt diese beim Frosch in das Mittel- und Hinterhirn. Sein Schüler Lanewans stellte nämlich fest, dab die Hauptcentren für den Umklammerungsreflex des Frosches im distalen Teil des Mittel- und Kleinhirnes liegen. Einige sekundäre zerstreute Centren liegen auch in der Medulla oblongata. Versuche von STEINACH selbst haben dann ergeben, daß diese Zentren jede Brunstäußerung (z. B. den Umklammerungsreflex) außerhalb der Brunstzeit unterdrücken. Durch Ausschaltung dieser Hemmungs- centren dagegen, entweder durch einen operativen Eingriff oder durch chemische Stoffe, kann das Zustandekommen der Brunst wieder hervorgerufen werden. Geköpfte Froschmännchen z. B. können durch Reizung der Daumenschwielen jederzeit zur Umklammerung ge- bracht werden, was sonst außerhalb der Brunst nicht möglich ist. Ferner hat STEINAcCH gezeigt, daß die von den Hoden ausgeschiedenen Hormone auf bestimmte Centren in den schon genannten Gehirnteilen elektiv einwirken und sich hier ansammeln. Es gelang STEINACH bei Kastraten durch Injektion von Mittel- und Kleinhirn brünstiger Froschmännchen den Umklammerungsreflex hervorzurufen, während gleiche Hirnteile von Kastraten und Weibchen im Kontrollversuch keine Erotisierung zur Folge hatten. Vor Beginn meiner Arbeit hoffte ich durch genauen mikroskopischen Vergleich der beiden Ge- hirne, die Centren für die sexuellen Triebe und den Brutinstinkt beim Stichling zu finden. Ich nahm an, daß diese Geschlechtscentren beim Männchen und Weibchen verschieden sind. Denn sonst müßten ja die gleichen Centren durch die verschiedenen chemischen Stoffe 124 EricH TirscHACK, der Geschlechter gereizt, verschiedene Antworten geben. Das wider- spricht aber allen unseren Erfahrungen, die dahin lauten, daß ein Nervencentrum auf verschiedene Weise, sei es thermisch, mechanisch oder elektrisch gereizt immer auf dieselbe Art den Reiz beantwortet. Zu dieser Frage der Verschiedenheit der sexuellen Centren konnte nun meine Arbeit tatsächlich einen Beitrag liefern. Die Unterschiede, die ich festgestellt habe, sind aber nicht gleichwertig. Die verschieden starke Entwicklung des Fasciculuskernes steht höchst wahrscheinlich mit den sexuellen Funktionen des Tieres nicht direkt in Beziehung. Es handelt sich dabei um einen Hauptkern und eine -verbindung des Fischgehirnes, die durch die anderen somatischen sekundären Geschlechtsmerkmale beeinflußt werden. Der Fasciculuskern ist, soviel wir wissen, rein motorisch und vielleicht sein Zellreichtum beim Männchen durch dessen stärkere Rumpfmuskulatur bedingt. Das Übergangsganglion dagegen könnte man seiner Lage und seinen Verbindungen nach vielleicht mit den Brutinstinkten usw. in Beziehung bringen: seine kleinen Zellen sprechen für eine Associationsfunktion und die zahlreichen, wenn auch feinen Ver- bindungen verknüpfen es direkt oder indirekt mit den wichtigsten Teilen des Centralnervensystems. Auch der für die beiden Geschlechter verschieden starke Anteil der Commissura posterior ist seinem Faserverlauf nach eine Associationsverbindung. Auch er könnte im Dienste der geschlecht- lichen Verrichtungen des Stichlings stehen. Als unerwartete Zugabe zu diesen Ergebnissen kam die inter- essante Entdeckung von konstanten Zahlen für die Gehirnelemente, deren mehr oder weniger genaue Übereinstimmung von den Zählungs- schwierigkeiten abhängt. Solche Zahlenkonstanzen sind ja schon längst für die Nematoden, für den Schwanz der Appendicularien usw. gefunden. R. Hesse hat einmal den Gedanken geäußert, daß solche Konstanzen nur bei Tieren vorzukommen scheinen, die sonst wenig Neigung zum Variieren zeigen und für Regenerationsversuche nicht zugänglich sind. Ein Regenwurm z. B., dessen Segmentzahl stark schwankt, regeneriert leicht, Hirudo mit einer feststehenden Gliederzahl fast gar nicht. Ähnliche Zusammenhänge scheinen nach dieser Untersuchung vielleicht auch in den einzelnen Organen zu bestehen. Bekannt ist die Regenerationsträgheit des Centralnerven- systems der Wirbeltiere und nun ergibt sich gerade für dieses auch eine Zahlenkonstanz seiner Elemente. Die sekundären Geschlechtsmerkmale von Gasterosteus aculeatus L. 125 Zur Untersuchung des Rückenmarkes wurden ganze Stichlinge in Mürrer’scher Flüssigkeit fixiert, in Celloidin-Paraffin eingebettet und in Querschnittsserien zerlegt. Diese umfaßten den Rumpfteil vom 2. Rückenstachel bis zur Rückenflosse. Gefärbt wurde nach WEIGERT. Das Rückenmark zeigt in seinen Flächenmaßen auf Schnitten ebenfalls ganz beträchtliche Unterschiede in den Geschlechtern. Am stärksten ist es in den cranialen Teilen, gibt hier dicke Nervenstämmchen an die Flossenmuskulatur ab und verdünnt sich dann allmählich und gleichmäßig caudalwärts. Die Verteilung von grauer und weißer Substanz ist bekanntlich bei den Fischen nicht so charakteristisch wie bei den höheren Wirbeltieren. Meistens ist der Centralkanal auf 3 Seiten von grauer Substanz umgeben. Letztere erstreckt sich links und rechts von der Fissura bis zur dorsalen Oberfläche des Rückenmarkes. Dadurch werden die leitenden Bahnen auf der dorsalen Rückenmarkshälfte von der Mittellinie abgedrängt. Verschieden stark entwickelt, je nach der Körperregion, ist eine laterale Säule von Nervenfilz, die ihre Lage in der Mitte jeder Rückenmarkshälfte hat und dadurch die ganzen leitenden Bahnen in einen dorsalen, lateralen und ventralen Teil scheidet. Die Vergleichung der Faserung führte zu keinem Ergebnis. Es scheint vielmehr, als ob die Anordnung der in der grauen Sub- stanz entlang ziehenden Leitungsbahnen nicht immer die gleiche ist. Besonders die Abtrennung einzelner Fasern und ganzer Stränge von der großen Masse ist bei den einzelnen Tieren sehr wechselnd. Die Dicke des Rückenmarkes — bei gleichgroßen und auf dieselbe Weise behandelten Stichlingen — ließ sich dagegen leicht zur Ver- gleichung der beiden Geschlechter heranziehen. Da die Messungen aber nur an totem Material gemacht wurden, so sehe ich von der Angabe absoluter Werte ab und begnüge mich mit relativen. Ver- glichen werden durften natürlich nur Schnitte derselben Körper- region. Zuerst richtete ich mich dabei nach den äußeren Skelet- teilen, wie Rückenstacheln, -platten usw. Doch zeigte sich bald, daß diese in ihrem Verhalten gegeneinander nicht festlagen und auch sonst in ihrer Form schwankend waren. Manchmal fehlte eine Rückenplatte ohne sichtbaren Grund. Dagegen erwiesen sich die Wirbel bei gleichgroßen Tieren von erstaunlich gleicher Größe. Diese Genauigkeit der Übereinstimmung ließ sich durch die ganzen Serien verfolgen. Ein Blick auf die Figg. Q—S zeigt schon, daß das jedesmal links gezeichnete männliche Rückenmark stärker entwickelt ~ 126 Erica TirscHack, Fig Q. Rückenmarksquerschnitte, gleich caudal vom 2. Rückenstachel. D St SF wk 5 x Fig. S. Riickenmarksquerschnitte, 21/. Wirbel caudaler als Fig. R. Die sekundären Geschlechtsmerkmale von Gasterosteus aculeatus L. 127 ist als das daneben stehende weibliche. Gemessen wurde an 3 Körperstellen. Am Ende des 2. Rückenstachels verhielt sich die männliche Schnittfläche zur weiblichen (Fig. Q) wie 1,25—1,62: 1; dann 2 Wirbel caudalwärts, was etwa dem hinteren Ende des 2. Stachelschildes entsprach (Fig. R), haben wir das Verhältnis &:2 = 1,56—1,71:1. Schließlich (Fig. S), 21}, Wirbel weiter schwanz- wärts, an der Stelle der größten Ausdehnung der männlichen Niere, betrug das Verhältnis 1,4—1,63 : 1. Diese nicht unbeträchtliche Vergrößerung des männlichen Rücken- markes geht Hand in Hand mit der Vergrößerung der schon be- sprochenen männlichen Muskulatur und wird wohl in erster Linie durch diese bedingt. Das Exeretionssystem. Zur Untersuchung wurde das ganze Excretionssystem mit seinem Ausführungsapparat herauspräpariert, in Sublimat-Eisessig fixiert und in Schnitte zerlegt. Diese wurden mit Hämatoxylin-Eosin gefärbt. Die Kopfniere des Stichlings liegt in der Verlängerung der Urniere nach vorn zu beiden Seiten der Wirbelsäule. Beide Nieren- organe stehen in keinem direkten Zusammenhang, nur die Blut- gefäße, die zum Herzen ziehen, stellen eine Verbindung her. Die Bezeichnung Kopfniere hat nur ontogenetischen Wert, da das Organ im erwachsenen Zustande bei Gasterosteus aculeatus mit der Excretion nichts zu tun hat. Der Urnierengang erreicht die Kopfniere auch nie; er geht nicht über den cranialen Teil der Urniere hinaus. In dieser Hinsicht kann ich mich GroscLik vollkommen anschließen ; auch meine Präparate zeigen in der Kopfniere keine Spur von Nieren- kanälchen mehr. Beim erwachsenen Stichling hat die Kopfniere lymphatischen Charakter angenommen. Unter der Wirbelsäule liegend, aber in der Mittellinie nicht verwachsend, wie die Urniere, zieht sie, rechts stärker ausgebildet und hier auch von der Vena cava posterior durchströmt, nach vorn bis unter die Vagusganglien. Ihre Gestalt ist unregelmäßig und paßt sich den anderen benachbarten Organen an. Dabei kommt es vor, daß Nerven von ihr umwachsen werden oder doch wenigstens tief in das Organ einschneiden. Seine rostralen Teile vereinigen sich in der Medianlinie und stellen so eine Brücke zwischen den beiderseitigen Kopfnieren dar. Das mikroskopische Bild wird fast ganz von kreuz und quer 128 Ericu TırscHack, ziehenden verschieden starken Blutgefäßen beherrscht. Zwischen diesen liegen dann zusammengeballt lymphatische Zellen mit großen, blasenförmigen, chromatinarmen, die Mitte der Zelle einnehmenden Kernen und unregelmäßig gestaltetem Zelleib. In zwei Punkten wurden zwischen den Männchen und Welter Verschiedenheiten festgestellt: 1. An der Wand der Vena cava posterior und der großen Blut- gefaBe finden wir nach außen von der Externa große blasenförmige Zellen, die sich gegen Hämatoxylin verschieden verhalten. Einige davon nehmen die Farbe gar nicht auf. Ihr Protoplasma bleibt hell, auch der Kern erscheint normal, wenn auch ziemlich chromatin- arm. Zwischen diesen liegen wieder andere, die zu großen lappen- förmigen Haufen vereinigt sind und sich durch die Färbbarkeit mit baso- und acidophilen Farbstoffen auszeichnen. Ihr Plasma ist körnig, ihr Kern sieht eingebeult, eckig, mit einem Wort degeneriert aus. In beiden Fällen handelt es sich um die verschiedenen Secretions- stadien der gleichen Drüsenzellen. Ausführgänge wurden nicht be- obachtet, sind auch entbehrlich, da Blutgefäße diese Drüsenzellen von allen Seiten reichlich umspülen. Als ich die beiden Geschlechter auf diese Zellen hin verglich, zeigte es sich, daß sie im männlichen Geschlecht bedeutend häufiger waren als im weiblichen. 2. Eine andere Zellart verhielt sich entgegengesetzt. Es handelt sich hier um kugel- und strangförmige Zellhaufen, deren Proto- plasma im Gegensatz zu den eben besprochenen Drüsenzellen einen srün grauen Ton hat. Auch Körner und Schollen pigmentartigen Aussehens werden darin nicht selten angetroffen. Die Kerne sind immer chromatinreich, das Plasma nimmt keine Farbstoffe auf. Auf Querschnitten durch die Kopfniere findet man beim Männ- chen einzelne dieser Zellhaufen im cranialen Teil, während sie beim Weibchen überall und zahlreich anzutreffen sind. Doch scheinen bei einzelnen Tieren Schwankungen vorzukommen, habe ich doch ein gleichzeitig abgetötetes, gleichgroßes Pärchen, das diese Gebilde im männlichen Geschlecht gar nicht, im weiblichen nur spärlich zeigt. Die Urniere des Stichlings liegt, wie bei allen Teleosteern, direkt unter der Wirbelsäule (Fig. T u. U) und hat beim Männchen un- gefähr dieselbe Länge wie beim Weibchen. In beiden Geschlechtern ist die linke und rechte Niere in der Medianlinie verwachsen, beim Die sekundären Geschlechtsmerkmale von Gasterosteus aculeatus L. 199 = Weibchen deutet noch eine tiefe Furche an der Ventralseite die Verwachsungsstelle an. In dieser verläuft auch die hintere Kardinal- vene (s. Fig. X). Dieselben Verhältnisse zeigt auch die männliche Niere außerhalb der Brunstperiode. Untersucht man dagegen brünstige Männchen, so ist bei diesen in dem hinteren Teil der __Urnierengang _-Urniere ve nen. Harnb! en li 3 arnbiase Dre Fig. T. Hinterer Teil der Leibeshöhle eines männlichen Stichlings. Die rechte Leibeswand ist abgeschnitten. Urnierengang Der nee Fig. U. Hinterer Teil der Leibeshöhle eines weiblichen Stichlings. Die rechte Leibeshöhlenwand abgeschnitten, die Ovarien entfernt. Niere keine Furche mehr wahrzunehmen. Das ganze Nierengewebe scheint aufgetrieben und wölbt sich ventralwärts bis zum Darm vor (Fig. T). Nach vorn zu wird das Organ wieder flacher und in seinen kranialsten Teilen dem weiblichen ähnlicher. Schon die Offnung der Leibeshöhle zeigt den großen Unterschied zwischen der männlichen und weiblichen Niere. Noch deutlicher wird dieses Ver- hältnis auf Schnitten. In Fig. W u. X habe ich aus den Serien eines gleichgroßen Pärchens die Schnitte ausgewählt, die durch die größte dorsoventrale Ausdehnung der Niere gehen. Der Unterschied Zool. Jahrb. 39. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 9 130 Erich TrrscHack, ist dermaßen überraschend, daß man zwei verschiedene Ver- erößerungen vermutet. Denn nicht nur der ganze Nierendurchmesser hat beim Männchen zugenommen, nein, auch die einzelnen Elemente, die Nierenkanälchen, sind in diesem Geschlechte bedeutend größer ceworden. Bei genauerem Studium ergibt sich auch tatsächlich, daß die Vergrößerung der männlichen Niere sowohl auf der Ver- mehrung wie Vergrößerung ihrer Elemente beruht. Wägungen der frischen herauspräparierten Niere ergaben folgende Resultate: beim Männchen 103 mg (= 4,6 °), vom Körpergewicht), 90 mg (48°, v.K.), 73 mg (3°), v. K.), bei einem noch nicht brünstigen Männchen 45 mg (2,46%, v. K.); die weibliche Niere war bedeutend leichter: 11 mg (= 059%, v. K), 12 mg (0,38%, v. K.), 13 mg (0,64%), 13 mg (0,68 %,), 15 mg (0,74°/,). Und dazu stammen die Wägungen aus dem Anfang März, wo die Brunstfärbung des Männchens ge- rade anfängt aufzutreten. Möglicherweise ist die männliche Niere in der Hochbrunst noch etwas schwerer. Urnieren- 1 Ru AO se / gang m = Vena cava post. > Fig. V. Ein männlicher Nierenquerschnitt (im Umriß) und ein weiblicher (punk- tiert), beide aus dem Herbst auf der Stelle der größten Dicke des Organs. Gehen wir bei der Betrachtung der Volumenvergröbßerung der Niere von Exemplaren aus dem Herbst aus, so zeigt sich, daß auch in der brunstlosen Zeit die männliche Niere größer ist als die weib- liche. Fig. V veranschaulicht das an 2 Schnitten, von denen der weibliche in den männlichen hineingezeichnet wurde und durch Punktierung hervorgehoben ist. Zu dieser Zeit zeigen die Nieren- kanälchen des Männchens und des Weibchens denselben Durchmesser (Fig. Y). Die Größe der männlichen Niere muß also auf einer größeren Anzahl von Nierenkanälchen beruhen. Für den Seestichling, Gasterosteus spinachia, fand Mösıus — und Exkretions- h kanälchen -- 555 Die sekundären Geschlechtsmerkmale von Gasterosteus aculeatus L. 131 WZ << A SNS ea Sekretions- Exkretions-_ A) IDEE SIE kanälchen kanälchen t ; ENT \_Exkretions- N\ Kanälchen { Urnieren- ’ gang Fig. W. Querschnitt durch die männnliche Niere zur Brunstzeit an der Stelle der größten dorsoventralen Ausdehnung. Fig. X. Querschnitt durch die weibliche Niere Fig. Y. Zwei Querschnitte von Nierenkanälchen zur Brunstzeit an der Stelle der größten aus dem Herbst; links Männchen, rechts Weibchen dorsoventralen Ausdehnung. Vergrößerung bei gleicher Vergrößerung. | gleich stark wie in Fig. W. nur auf diese Art bezog sich seine Untersuchung —, dab dieser Fisch zur Brunstperiode Schleimfäden in der Niere absondert, und damit Blätter, Zweige, Algen usw. zu einem Neste zusammen- spinnt. Auch von G. aculeatus ist letztere Tatsache bekannt, auch ale 132 EricH TirsCHACK, hier wird ein Schleimfaden in der männlichen Niere ausgeschieden. Diese secretorische Fähigkeit des Organs, die zu der weiter fort- dauernden Excretionstätigkeit hinzukommt, bewirkt in der Brunst- periode beim männlichen Stichling die enorme Vergrößerung der ganzen Niere. Auf die Gegenüberstellung der Figg. W u. X wurde schon hingewiesen. Auch Fig. Z soll dasselbe an einem einzelnen Nierenkanälchen zeigen. Der rechte Querschnitt stammt von einem Weibchen und gleicht auffallend den Schnitten wie wir sie von Herbst- exemplaren her kennen (Fig. Y). Die männlichen Nierenkanälchen dagegen schwellen so stark an, daß ihr Flächeninhalt auf dem Schnitt den weiblichen ungefähr um das 10—14fache übertrifft. Und doch ist die Zellenzahl nicht vermehrt; jede einzelne sezernie- rende Kanälchenzelle ist dafür aber 3—4mal so hoch geworden. Auch die Kerngröße verhält sich zu der des Herbstes wie 3:2. Mostius gibt für G. spinachia an, daß die Secretionszellen drei- mal so lang wie breit sind. Bei @. aculeatus finde ich die Breite der Zellen 3,5—5mal kleiner als ihre Höhe. Nach Môgrus vollzieht sich nun der Secretionsvorgang folgender- maßen: die Kerne werden ganz flach, fast strichförmig und rücken an die Basis der Zelien. In letzteren entsteht ein durch Häma- toxylin nicht färbbares Mucigen, dieses geht über in mit Hämatoxylin sich bläuenden Schleim. Letzterer wird schließlich hyalin und schwärzt sich mit Osmiumsäure. Nach der Entleerung dieses Schleims verschwinden die Kerne, die Zellen werden schmächtiger. Mit diesen kurzen Angaben kann ich meine Ergebnisse schlecht in Einklang bringen. Bei @. aculeatus spielt sich der Secretions- vorgang dermaßen ab, daß die schleimsecernierenden Zellen zuerst ein körniges sich mit Hämatoxylin und Eosin stark färbendes Secret liefern, das die Mitte der Zellen erfüllt. Das Protoplasma liegt nur der Wand an und erleichtert dadurch die Abgrenzung der einzelnen Zellen. Auf diesem Stadium zeigen die Kerne keine Degenerations- erscheinungen, sind im Gegenteil sehr groß und prall gefüllt (Fig. Z links). Dann wird die Secretmasse ausgestoßen, dabei platzt wohl auch der Kern und seine Reste werden teilweise mit dem Secret ins Lumen entleert. Nun haben wir auf einmal ganz farblos bleibende Zellen, wie sie auch schematisch auf Fig. W zu sehen sind. Sollen diese etwa den mucigenführenden Zellen von Môgrus entsprechen ? Oder den Stadien mit hyalinem Schleim? Solche zeichnet Môgrus aber mit schönen runden Kernen. Außerdem beschreibt Mösıus noch ein weiteres Stadium der Drüsenzellen mit rundem Kern. Dieses Die sekundären Geschlechtsmerkmale von Gasterosteus aculeatus L. 133 vermisse ich, kann es aber nicht mit meinen Secretionsstadien identifizieren, da Môgrus Nierenkanälchen in dem fraglichen Secre- tionszustande immer mit‘einem Schleimfaden zeichnet. Einige Zeit nach der Entleerung erholen sich die Schleimzellen wieder. Es wird ein Zellkern sichtbar, worauf das Plasma wieder Farbe aufnimmt. Vielleicht hat MöBıvs solche Regenerationsstadien für Secretionszustände gehalten. Fig. Z. Zwei Querschnitte von Nierenkanälchen aus der Brunstzeit; links Männchen, rechts Weibchen bei gleicher Vergrößerung. Die Secretionswelle läuft in jedem Kanälchen vom Urnieren- gange weg. Wenn an der Einmündung in letzteren die Nieren- kanälchen secretleere Zellen enthalten, so sind die dem Glomerulus am nächsten liegenden Teile desselben Kanälchens noch in voller Secretion. Auch Ginn schildert die Nierenverhältnisse vom Stichling. Was für eine Art er untersucht hat, wird in der Arbeit nicht gesagt. Aus den Längenmaßen aber kann man schließen, daß es sich nicht um G. aculeatus handelt. Denn dieser wird 8, höchstens 9 cm lang, Git gibt für seine Tiere 13 cm an. Die kurze Schilderung der Niere stimmt sonst mit den Mögıus’schen Angaben überein. Während die weibliche Niere das ganze Jahr hindurch nur Excretionsorgan ist, tritt diese Funktion in der Niere des brünstigen 134 Erica TirscHAck, Männchens ganz in den Hintergrund. Jedes Kanälchen behält nur in seinem immer blind geschlossenen Anfangsteile — Nephrostome schließen sich aus ontogenetischen Gründen aus —, sein gewöhnliches Aussehen bei und hier tritt es auch mit dem Glomerulus in Ver- bindung. Jedes einzelne Kanälchen ist also in seinen distalen Teilen excretorisch, in seinen proximalen secretorisch tätig. Die Urnierengänge ziehen an jedem latero-ventralen Rande der Urniere nach hinten; in unregelmäßigen Abständen münden an ihrer Dorsalseite die Harnsammelkanälchen ein. Vom hinteren Ende der Urniere ziehen die Urnierengänge im weiblichen Geschlecht an der dorsalen Wand der Leibeshöhle entlang und münden schließlich in den vorderen Teil der Harnblase (s. Fig. U). Letztere ist beim Männchen stark vergrößert und dehnt sich ventral von den Nieren nach vorn aus. Die Einmündungsstelle der Urnierengänge dagegen ist auch hier ziemlich an der cranialen Spitze der Harnblase ge- blieben. Infolgedessen biegen die Urnierengänge (s. Fig. T) beim Verlassen der Niere nach vorn um und verlaufen auf der Dorsalseite der Blase cranialwärts bis sie in den vorderen Teil der letzteren einmünden. Die Vergrößerung der Harnblase und das Vorrücken der Einmündungsstelle hat zur Folge, daß der männliche freie Ur- nierengang etwa 5—8mal so lang ist wie der weibliche. Auch in seinem Volumen übertrifft er den weiblichen. Wie die Blase aber unsymmetrisch auf der rechten Seite der Leibeshöhle liegt, so ist auch der rechte Urnierengang stärker entwickelt als der linke. Der Umfang des männlichen Urnierenganges verhält sich zu dem des Weibchens — an seiner Einmündungsstelle in die Harnblase, direkt unterm Epithel gemessen — auf der rechten Seite wie 1,78—2,0 : 1, links wie 1,48—1,5: 1. Solange der Urnierengang noch zur Niere gehört, zeigt auch sein Cylinderepithel beim Männchen eine stärkere Entwicklung als beim Weibchen. Die Zellen sind durchweg höher und außerdem von drüsiger Beschaffenheit. Nebeneinander trifft man hier sezernierende ruhende und secretleere Zellen. Das mikroskopische Bild ist hierin also wesentlich verschieden von dem der Nierenkanälchen; dort voll- zog sich die Secretion immer schubweise, indem die Zellen eines ganzen Abschnittes immer auf demselben Secretionsstadium sich be- fanden, hier dagegen haben wir die verschiedensten Secretionszu- stände nebeneinander. GiLu gibt in seiner Untersuchung über den Seestichling (?) auch Die sekundären Geschlechtsmerkmale von Gasterosteus aculeatus L. 135 über die Urnierengänge ein paar Angaben: sie sind in der Brunst von großem Querschnitt und bestehen aus einer Bindegewebsschicht _ und Pflasterepithel. Außerdem berichtet er, daß die Secretion sich in den Urnierengängen festsetzt. Für @. aculeatus steht es nach meinen Befunden fest, daß dort die Urnierengänge nie ein Pflasterepithel besitzen. Nur kurz erwähnt sei noch, daß auch Semper für die Plagio- stomen in der Brunstzeit Veränderungen der Harnleiter und unteren Abschnitte der Geschlechtswege beschreibt. Danach schwillt der Harnleiter vor Eintritt der Brunst an „und biegt sich hin und her, wobei oft ein Stück des Harnleiters über und unter den Samenleiter zu liegen kommt, während er ursprünglich neben ihm verläuft“. Auch beim Weibchen kommen Verlagerungen der Schalendrüse, Ei- leiter usw. zur Brunst vor. Daß die Blase im männlichen Geschlecht bedeutend größer ist, wurde schon kurz angedeutet. Die große Entfaltung hat auch eine Verlagerung des Organs zur Folge. Es erstreckt sich beim Männ- chen ungefähr bis zur Mitte der Niere, während es im weiblichen Geschlecht nur den 3.—4. Teil der Niere ausmacht. Zweifellos stellt die weibliche Harnblase den primitiveren Zustand dar. Von ihr läßt sich das männliche Organ leicht ableiten, wenn man sich vorstellt, daß durch die stärkere Inanspruchnahme die Blase sich gleichmäßig ver- erößerte und sich nur cranialwärts ausdehnen konnte. Dadurch wurden auch die Einmündungsstellen der Urnierengänge nach vorn verschoben und letztere um 180° geknickt. Daß die Einmündungs- stelle in die Blase im männlichen Geschlecht nicht an der Spitze der Harnblase zu finden ist, kann auf ein weiteres Fortwachsen des unteren Blasenteiles hindeuten. Eine Stütze findet diese Annahme durch C. K. Horrmans, der in der embryonalen Entwicklung vom Salm denselben Vorgang beschreibt. Junge Embryonen stehen dort auf dem Stadium, wie ihn erwachsene Gasterosteusweibchen zeigen. Indem sich die Harnblase nach vorn verlängert, erfolgt auch hier eine Knickung der Urnierengänge und die Verhältnisse bei jungen Tieren entsprechen im Prinzip dem Zustande, wie wir ihn beim Stichlingsmännchen antreffen. Nach der Zeichnung von Mösgıus haben wir bei @. spinachia hinsichtlich der Harnblase dieselbe Größendifferenz in den beiden Geschlechtern. Nur ist beim Seestichling das Verhalten gleich- förmiger, da die weiblichen Urnierengänge hier nicht endständig, 136 Ericx TirscHACK, sondern auf der dorsalen Fläche der Blase münden. Zwischen beiden Geschlechtern ist also nur ein gradueller Unterschied. Grzz gibt in der schon angeführten Untersuchung die Länge der Blase mit '/, der Körperlänge an; seine sonstigen Angaben sind kurz folgende: die Blase liegt auf der rechten Seite der Bauchhöhle und mündet caudal vom Genitalporus in eine Art Cloakeneinstülpung aus; sie besteht innen aus einem häufig locker erscheinenden Epithel und einer außen darum liegenden Bindegewebsschicht; letztere wird um so dünner je mehr die Blase sich ausdehnt; hinten erscheinen Spuren von einer mittleren Muskelschicht, die die Blasenwand aufer- ordentlich verdickt. Was G1zL als Bindegewebe angesehen hat, ist, wenn ich von G. aculeatus auf Gizr's Stichlingsart schließen darf, Muskulatur. Diese ist beim Männchen etwa 2—3mal so stark wie beim Weibchen. Bei ersterem fällt besonders eine starke Schicht ringförmig ver- laufender Fasern auf. Leber und Prostata. Vom ganzen Darmtractus zeigte nur die Leber ein abweichen- des Verhalten in den beiden Geschlechtern. Ihr Gewicht war beim Weibchen größer als beim Männchen. Während beim ersteren 4,1, 5, 5, 5, 5,9, 7,4°/, vom Körpergewicht auf die Leber entfielen, waren es beim Männchen nur 2,93, 2,97, 3,26, 3,70°/,. Auch diese Wägungen wurden an Tieren gemacht, die kurz vor der Brunst standen. Der ~ feinere Bau der Leber wies, soweit er untersucht wurde, keine Unterschiede auf (vgl. auch S. 86). Für das männliche Geschlecht eigentümlich fand ich schließlich eine Prostata, die zwischen Blase und Darm liegt (Fig. T) und den typischen Bau wie bei den anderen Wirbeltieren zeigt. Die negativen Ergebnisse an anderen Organen. Die Untersuchung der sekundären Geschlechtsmerkmale be- schränkte sich nicht nur auf die beschriebenen Organsysteme. Auch das Herz, der übrige Verdauungstractus und die Sinnesorgane wurden in die Vergleichung mit hineingezogen. : Ersteres wurde gewogen, unterm Binocular verglichen und in Schnitte zerlegt, ohne daß es gelang, einen Unterschied zwischen den beiden Geschlechtern festzustellen. Die sekundären Geschlechtsmerkmale von Gasterosteus aculeatus L. 137 Die Lange, Dicke und der histologische Bau des Darmkanals erwiesen sich bei Männchen und Weibchen gleich. Ebenso verhielt es sich mit den Sinnesorganen bei beiden Ge- schlechtern. Die Anzahl der Lateralisorgane am Kopf war dieselbe, die Geschmacksknospen waren bei Männchen“ und Weibchen sehr zahlreich und von gleichem Bau; die Nasenhöhlen und Riechschleim- haute lieBen in mehreren Schnittserien keinen Unterschied erkennen; die herauspräparierten Labyrinthe des Männchens entsprachen in ihrer Größe und in dem Durchmesser der halbbogenförmigen Kanäle denen des Weibchens vollständig. Auch die Größe der Augen war in beiden Geschlechtern dieselbe, gleichfalls der Bau der Netzhaut. Schluß. Wir sehen also, wenn wir nochmals einen Blick auf unsere Er- gebnisse werfen, daß viele Organsysteme beim Männchen stärker entwickelt sind. Dieses Verhalten ist nur möglich, wenn an anderer Stelle Energie gespart wird, und das erfolgt beim männlichen Stich- ling in den Hoden. Durch die Brutpflege kann nämlich eine spar- same Besamung der Eier erfolgen, das Stichlingsmännchen braucht also nicht so viel Sperma zu erzeugen wie die anderen Knochen- fische, die ihre Geschlechtsprodukte einfach ins Wasser entleeren. Nach den Untersuchungen von R. Hesse entfiel nur 0,57°/, vom . Körpergewicht des Stichlings auf die Hoden, dagegen bis zu 25,6°, auf das Ovar. Was das Tier an dieser Stelle erspart, wird durch seine Muskulatur, durch die Niere, durch das lebhaftere Temperament wieder verbraucht. So zeigt sich denn, daß die beiden Geschlechter mit einer bestimmten Energiemenge zu wirtschaften haben; beide verbrauchen sie restlos, beide aber auf verschiedene Weise: das Weibchen nur im Dienste der Eiproduktion, das Männchen auch im somatischen Teil des Organismus. Nur bei dieser verschiedenen An- wendung der Energiemenge ist eine Ausbildung von sekundären Geschlechtsmerkmalen möglich. Abgeschlossen im September 1918. 138 Qt “I 10), re Erıcn Tırscuack, Literaturverzeichnis. Über sekundäre Geschlechtsm erkmale, BRESCA, Experimentelle Untersuchungen über die sekundären Sexual- charaktere der Tritonen, in: Arch. Entw.-Mech., Vol. 29, 1910. BUSCHAN, Menschenkunde, Stuttgart 1909. Darwin, Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl. Übers. von Carus 1875. ECKER u. WIEDERSHEIM, Anatomie des Frosches, 2. u. 3. Auf. 1879— 1904, ELLENBERGER u. BAUM, Anotomie des Hundes, Berlin 1891. FOGES, A., Zur Lehre von den sekundären Geschlechtscharakteren, in: Arch. ges. Phys., Vol. 93, 1902. GEYER, K., Untersuchungen über die chemische Zusammensetzung der Insektenhaemolymphe und ihre Bedeutung für die geschlecht- liche Differenzierung, in: Z. wiss. Zool., Vol. 105, 1903. HALBAN, Die Entstehung der Geschlechtscharaktere, in: Arch. Gynäkol., Vol. 70, 1903. LEYDIG, Integument brünstiger Fische und Amphibien, in: Biol. Girbl;, ‚Vol. 125, 1892: MEISENHEIMER, J., Über die Wirkungen von Hoden- und Ovarial- substanz auf die sekundären Geschlechtsmerkmale des Frosches, in: Zool. Anz., Vol. 38, 1911. — , Experimentelle Studien zur Soma- und Geschlechtsdifferenzierung. IT. Uber den Zusammenhang zwischen Geschlechtsdrüsen und sekundären Geschlechtsmerkmalen bei Fröschen, in: Zool. Jahrb., Suppl. 15," Vol. 3, 19122 12. 16. 17. 18. 19. 20. LE. 22. Die sekundären Geschlechtsmerkmale von Gasterosteus aculeatus L. 139 NUSBAUM, Einfluß des Hodensekretes auf die Entwicklung der Brunst- organe des Landfrosches, in: SB. niederrhein. Ges. Natur- u Heilkde. B, 1905. —, Über Regeneration der Geschlechtsorgane, in: SB. HaltLEh: Ver. preuß. Rheinl. Westf. B, 1906. —, Innere Sekretion und Nerveneinfluß, in: Anat. Anz., Vol. 29, 1906. STEINACH, Geschlechtstrieb und echt sekundäre Geschlechtsmerkmale als Folge der innersekretorischen Funktion der Keimdrüsen, in: Ctrbl. Physiol., Vol. 24, 1910. —, Willkürliche Umbildung von Säugetiermännchen in Tiere mit ausgeprägt weiblichen Geschlechtscharakteren und weiblicher Psyche, in: Arch. ges. Physiol., Vol. 144, 1912. —, Feminierung von Männchen und Maskulierung von Weibchen, in: Ctrbl. Physiol., Vol. 27, 1913. TANDLER, Über den Einfluß der innersekretorischen Anteile der Geschlechtsdrüsen auf die äußere Erscheinung des Menschen, in: Wien. klin. Wochenschr., Jg. 23, 1910. Über das Farbenkleid. BALLOWITZ, Die Innervation der Chromatophoren, in: Verh. anat. Ges. (7. Vers.), 1893. —, Die Nervenendigungen der Pigmentzellen, in: Z. wiss. Zool., Vol. 56, 1893. —, Über die Bewegungserscheinungen der Pigmentzellen, in: Biol. Cirbl., Vol. 13, 1893. — , Über Chromatophorenorgane, schwarz-rote Doppelzellen und andere eigenartige Chromatophorenvereinigungen, über Chromatophoren- fragmentation und über den feineren Bau des Protoplasmas der Farbstoffzellen, in: Verh. anat. Ges. (27. Vers.), 1913. —, Über chromatische Organe in der Haut von Knochenfischen, in: Anat. Anz., Vol. 42, 1912. —, Die chromatischen Organe in der Haut von Trachinus vipera, in: Ztschr. wiss. Zool., Vol. 104, 1913. —, Uber schwarz-rote Doppelzellen und andere eigenartige Vereini- gungen heterochromer Farbstoffzellen bei Knochenfischen, in: Anat. Anz., Vol. 44, 1913. —, Uber schwarz-rote und sternförmige Farbzellkombinationen in der Haut von Gobiiden, in: Ztschr. wiss. Zool., Vol. 106, 1913. —, Das Verhalten der Zellkerne bei der Pigmentströmung in den Melanophoren der Knochenfische, in: Biol. Ctrbl., Vol. 33, 1913. —, Das Verhalten der Kerne bei der Pigmentströmung in den Erythrophoren der Knochenfische. Nach Beob. an der leb. Rotzelle von Mullus, ibid., Vol. 33, 1913. 140 29. 30. 31. 32. 33. 94. 46. 47. ErıcH TrrscHack, BALLOWITZ, Über die Erythrophoren in der Haut der Seebarbe (Mullus) und über das Phänomen der momentanen Ballung und. Ausbreitung ihres Pigmentes. Nach Beobachtungen an der lebenden Zelle, in: Arch. mikrosk. Anat., Vol. 83, 1913. —, Über die Pigmentströmung in den Farbstoffzellen und die Kanälchenstruktur des Chromatophorenprotoplasmas, in: Arch. ges. Physiol., Vol. 157, 1914. -—, Vier Momentaufnahmen der intrazellularen Pigmentstrémung in den Chromatophoren erwachsener Knochenfische, in: Arch. Zell- forschung, Vol. 12, 1914. —, Zur Kenntnis des feineren Baues des Chromatophorenplasmas, ibid. —, Uber die Erythrophoren und ihre Vereinigungen mit Iridocyten und Melanophoren bei Hemichromis bimaculatus GILL., ibid. Vol. 14, 2, 1915. —, Die chromatischen Organe, Melaniridosome, in der Haut der Barsche (Perca, Acerina), in: Ztschr. wiss. Zool., Vol. 110, 1914. —, Zur Kenntnis der Gelbzellen, Xanthophoren, in der Haut von Blennius, in: Arch. Zellforsch., Vol. 14, 1916. —, Uber die Vereinigung der Rotzellen mit den Guaninzellen in der Haut von Mullus und Crenilabrus, ibid. EBERTH, Die Nerven der Chromatophoren, in: Verh. anat. Ges. (7. Vers.), 1893. EBERTH und BUNGE, Die Nerven der Chromatophoren bei Fischen, in: Arch. mikrosk. Anat., Vol. 46, 1895. Ewazp und KRUKENBERG, Über Besonderheiten der Guaninablagerung bei Fischen, in: Ztschr. Biol., Vol. 19, 1883. FISCHEL, Zur Frage der Pigmentballung, in: Arch. Anat. Physiol., Physiol. Abt., Jg. 1907. FLEMMING, W., Über die Teilung von Pigmentzellen und Kapillar- wandzellen. Ungleichzeitigkeit der Kernteilung und Zelltrennung, in: Arch. mikrosk. Anat., Vol. 35, 1890. FRANZ, Die Struktur der Pigmentzellen, in: Biol. Ctrbl.. Vol. 28, 1908. v. Frisco, Uber den Einfluß der Temperatur auf die schwarzen Pigmentzellen der Fischhaut, ibid., Vol. 31, 1911. —, Die Pigmentzellen der Fischhaut, ibid. HEINCKE, Bemerkungen über den Farbwechsel einiger Fische, in: Schr. naturw. Ver. Schleswig-Holstein, Vol. 1, 1875. KAHN und LIEBEN, Über die scheinbaren Gestaltsveränderungen der Pigmentzellen, in: Arch. Anat. Physiol., Physiol. Abt., Jg. 1907. LIEBEN, Uber die Wirkung von Extrakten chromaffinen Gewebes (Adrenalin) auf Pigmentzellen, in: Ctrbl. Physiol., Vol. 20, 1907. 48. 64. Die sekundären Geschlechtsmerkmale von Gasterosteus aculeatus L. 14] LoDE, A., Beiträge zur Anatomie und Physiologie des Farbwechsels der Fische, in: SB. Akad. Wiss. Wien, math.-naturw. Kl., Vol. 99, Abt. 3, 1890. MIEHE, Uber den Okcipitalfleck von Haplochilus panchax, in: Biol. Ctrbl Vol. 31, 1911. | Pororr, Fischfärbung und Selektion, ibid., Vol. 26, 1906. PoucHET, Des changements de coloration sous l’influence des nerfs, in: Journ. Anat. Physiol., Paris 1876. PROWAZEK, Beiträge zur Pigmentfrage, in: Zool. Anz., Vol. 23, 1900. SCHMIDT, W. J., Studien am Integument der Reptilien. I. Die Haut der Geckoniden, in: Ztschr. wiss. Zool., Vol. 101, 1912. —, Desgl., IV. Uroplatus fimbriatus (SCHNEID.) und die Gecko- niden, in: Zool. Jahrb., Vol. 36, Anat., 1913. —, Desgl., V. Anguiden, ibid., Vol. 38, 1914. —, Die Chromatophoren der Reptilienhaut, in: Arch. mikrosk. Anat., Mole 90,-1917. —, Zur Kenntnis der lipochromführenden Farbzellen in der Haut nach Untersuchungen an Salamandra maculosa, in: Dermatolog. Ztschr., Vol. 25, 1918. SOLGER, Zur Struktur der Pigmentzellen, in: Zool. Anz., Vol. 12, 1889. —, Nachtrag zu dem Artikel „Zur Struktur der Pigmentzellen“, ibid., Vol. 13, 1890. —, Über Pigmentzellen und deren Zentralmasse, in: Mitt. naturw. Ver. Neupommern Rügen, Jg. 22, 1890. ZIMMERMANN, Über die Teilung der Pigmentzellen, speziell der ver- ästelten intraepithelialen, in: Arch. mikrosk. Anat., Vol. 36, 1890. —, Uber die Kontraktion der Pigmentzellen der Knochenfische, in: Verh. anat. Ges. (7. Vers.), 1893. —, Studien iiber Pigmentzellen. I. Uber die Anordnung des Archi- plasmas in den Pigmentzellen der Knochenfische, in: Arch. mikrosk. Anat., Vol. 41, 1893. Uber Muskulatur. HEIDENHAIN, M., Uber die Entstehung der quergestreiften Muskulatur bei der Forelle, in: Arch. mikrosk. Anat., Vol. 83, 1913. Kxozr, Über helle und trübe, weiße und rote quergestreifte Muskulatur, in: SB. Akad. Wiss. Wien, math.-nat. Kl., Vol. 98, Abt. 3, 1889. MAURER, Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen und höheren Wirbeltieren, in: Morphol. Jahrb., Vol. 21, 1894. 142 29. 80. 81. 82. Erica TırscHAck, PanetH, Die Entwicklung von quergestreiften Muskelfasern aus Sarkoplasten, in: SB. Akad. Wiss. Wien, math.-nat. Kl., Abt. 3, Vol. 92, 1885. PycHLAU, W., Untersuchungen an den Brustflossen einiger Teleosteer, in: Jena. Ztschr. Naturw., Vol. 43, 1908. ROLLETT, Über die Flossenmuskeln des Seepferdchens und über Muskelstruktur im allgemeinen, in: Arch. mikrosk. Anat., Vol. 52, 1888. VETTER, Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Kiemen- und Kiefermuskulatur der Fische. II., in: Jena. Ztschr. Naturw., Vol. 12. Über Zentralnervensystem. ARIENS-KAPPERS, Phylogenetische Verlagerungen der motorischen Oblongatakerne, ihre Ursache und Bedeutung, in: Neurol. Ctrbl., — Jg. 26, 1909. —, Weitere Mitteilungen über die Phylogenie des Corpus striatum und Thalamus, in: Anat. Anz., Vol. 33, 1910. —, Weitere Mitteilungen beziiglich der phylogenetischen Verlagerung der motorischen Hirnnervenkerne, in: Folia neurobiol., Vol. 1, 1910. | ARIENS-KAPPERS und THENNISEN, Die Phylogenese des Rhin- encephalons, des Corpus striatum und der Vorderhirnkommissuren, ibid. —, Zur vergl. Anatomie des Vorderhirns der Vertebraten, in: Anat. Anz., Vol. 30, 1909. ARIENS-KAPPERS und H. Voar, Die Verlagerung der motorischen Oblongatakerne in phylogenetischer und teratologischer Beziehung, in: Neurol. Ctrbl., Jg. 27, 1910. AUERBACH, Die Lobi optici der Teleosteer und die Vierhiigel der hoher organisierten Gehirne, in: Morphol. Jahrb., Vol. 14, 1889. BACH, Weitere vergl.-anatomische und experimentelle Untersuchungen über die Augenmuskelkerne, in: SB. phys.-med. Ges. Würzburg, Je. 1899. BELLONCI, Uber den Ursprung des Nervus opticus und den feineren Bau des Tectum opticum der Knochenfische, in: Ztschr. wiss. Zool., Vol. 35, 1881. BOEKE, Die Bedeutung” des Infundibulums in der Entwicklung der Knochenfische, in: Anat. Anz., Vol. 20, 1901; desgl. in: Zool. Ctrbl., 9. Jg., 1902 (Ref. von MEISENHEIMER). BURCKHARDT, Zur vergl. Anatomie des Vorderhirns bei Fischen, in: Anat. Anz., Vol. 9, 1893. —, Bemerkungen zu STUDNICKA’s Mitteilungen über das Vorderhirn, ibid. 83. 84. 100, 101. 102, Die sekundären Geschlechtsmerkmale von Gasterosteus aculeatus L. 143 BURCKHARDT, Schlußbemerkung zu STUDNICKA’s Mitteilungen über das Fischgehirn, ibid., Vol. 10, 1894. —, Über den Bauplan des Gehirns, in: Verh. anat. Ges. (8. Vers.), 1894, | —, Beitrag zur Morphologie des Kleinhirns der Fische, in: Arch. Anat. Physiol., Anat. Abt., Suppl., 1897. DAMMERMANN, Der Saccus vasculosus der Fische ein Tiefen-Organ, in: Ztschr. wiss. Zool., Vol. 96, 1911. Davip, Die Lobi inferiores des Teleosteer- und Ganoidengehirnes, Inaug.-Diss., Basel 1892. DESMOULINS, Anatomische und physiologische Untersuchungen über das Nervensystem der Fische, in: Deutsch. Arch. Physiol.(MECKEL), Wel Zu: 8, 1822 u; 1823: EDINGER, Vergleichend-entwicklungsgeschichtliche Studien im Bereiche der Hirnanatomie, in: Anat. Anz., Vol. 2, Jg. 1887. —, Untersuchung über die vergleichende Anatomie des Gehirnes. I. Das Vorderhirn, in: Abh. Senckenb. naturf. Ges. Frankfurt, Vol. 15. 1888. —, Desgl., II. Das Zwischenhirn, ibid., Vol. 18, 1892. —, Vergleichend-entwicklungsgeschichtliche und anatomische Studien im Bereiche des zentralen Nervensystems, in: Anat. Anz., Vol. 4. — , Vorlesungen über den Bau der nervösen Zentralorgane des Menschen und der Tiere. I u. II, 1908 u. 1911. FRANZ, Das intereraniale und intercerebrale Verhalten des N. trochlearis bei den Knochenfischen, in: Anat. Anz., Vol. 38, 1911. —, Über das Kleinhirn in der vergleichenden Anatomie, in: Biol. Ctrbl., Vol. 31, 1911. —, Das Kleinhirn der Knochenfische, in: Zool. Jahrb., Vol. 32, Anat., 1912. — , Beiträge zur Kenntnis des Ependyms im Fischhirn, in: Biol. Ctrbl., Vol. 32, 1912. —, Über das Kleinhirn und die statische Funktion bei den plankton- tischen Fischlarven, in: Verh. 8. internat. Zool.-Kongr. (Graz), 1913. —, Beiträge zur Kenntnis des Mittelhirnes und Zwischenhirnes der Knochenfische, in: Folia neuro-biolog., Vol. 6, 1912. FRITSCH, Über den feineren Bau der Zentralorgane der Fische, in: SB. Ges. naturf. Freunde Berlin, 1875. —, Untersuchung über den feineren Bau des Fischgehirns mit be- sonderer Berücksichtigung der Homologien bei anderen Wirbel- tierklassen, Berlin 1878. — , Offener Brief an meine Opponenten in Sachen „Fischgehirn“, in: Ztschr. wiss. Zool., Vol. 38. 115. 120. 122. Erica Tirscacx, Fucus, Die Entwicklung des Vorderhirns bei niederen Vertebraten, in: Zool. Jahrb., Vol. 25, Anat., 1908. GOLDSTEIN, Untersuchungon über das Vorderhirn und Zwischenhirn einiger Knochenfische, in: Arch. mikrosk. Anat., Vol. 66, 1905. GORONOWITSCH, Das Gehirn und die Kranialnerven von Acipenser ruthenus, in: Morphol. Jahrb., Vol. 13, 1887. —, Der Trigemino-Facialiskomplex von Lota vulgaris, in: Festschr. GEGENBAUR, Vol. 3, 1897. GOTTSCHE, Über das Balkensystem im Fischgehirn, in: FRORIEP’s Not., Vol. 36, No. 773, 1833. —, Uber die Vierhügel, Thalamus opticus und Stabkranz des Reil im Grätenfischgehirn, ibid., Vol. 37, 1833. —, Fortsetzung der Untersuchung des Grätenfischgehirns, ibid., Vol. 40, No. 862, 1834. HALLER, Über den Ursprung des Nervus vagus bei den Knochen- fischen, in: Verh. deutsch. zool. Ges. (5. Vers. Straßburg), 1895. —, Der Ursprung der Vagusgruppe bei den Teleosteern, in: Festschr. GEGENBAUR, Vol. 3, 1897. — , Untersuchungen über die Hypophyse und die Infundibularorgane, in: Morphol. Jahrb., Vol. 25, 1898. Hirscu, Über das Gehirn, Rückenmark und Augen der Varietäten des Goldfisches, in: Arch. Entw.-Mech., Vol. 35, 1914. VAN DER HOEVEN, Über die Durchkreuzung des Sehnerven beim Kabeljau, in: Arch. Anat. Physiol., Vol. 6, No. 3 u. 4, 1832. JAECKEL, Über die Epiphyse und Hypophyse, in: SB. Ges. naturf. Freunde Berlin, 1903. KELLER, Über die Morphologie des Vorderhirns der Teleosteer, in: Math.-nat. Ber. Ungarn, Vol. 24, 1906. KOLSTER, Über die MAUTHNERschen Fasern einiger Teleosteer, in: Verh. anat. Ges. (12. Vers. Kiel), 1898. KRAUSE. Experimentelle Untersuchungen über die Sehbahnen des Goldkarpfens (Cyprinus auratus), in: Arch. mikrosk. Anat., Vol 51, 1898. KUPFFER, Die Deutung des Hirnanhangs, in: SB. Ges. Morphol. Physiol. München, Jg. 1894. LEYDIG, Zur Kenntnis der Zirbel und Parietalorgane, in: Abh. Senckenb. naturf. Ges. Frankfurt, Vol. 19, 1896. LUNDBORG, Die Entwicklung der Hypophysis und des Saccus vascu- losus bei den Knochenfischen und Amphibien, in: Zool. Jahrb., Vol. 7, Anat., 1894. MALME, Studien über das Gehirn der Knochenfische, Inaug.-Diss., Upsala 1892. 123. 124. 125. 126. 127. 128. 141. Die sekundären Geschlechtsmerkmale von Gasterosteus aculeatus L. 145 Mayer, C., Über die Kreuzung der Sehnerven bei Gadus morrhua, in: FRORIEP’s Notizen Natur- u. Heilk., Vol. 24, 1829. Mayer, F.J.C., Über den Bau des Gehirns der Fische in Beziehung auf eine darauf gegründete Einteilung dieser Tierklasse, in: Verh. Leopold-Carol. Akad. Naturf., Vol. 30, 1864. MAYSER, P., Vergleichend-anatomische Studien über das Gehirn der Knochenfische mit Berücksichtigung der Cyprinoiden, in: Ztschr. wiss. Zool., Vol. 36, 1882. MIKLUCHO-MACLAY, Beiträge zur vergleichenden Neurologie der Wirbeltiere. II. Das Mittelhirn der Ganoiden u. Teleosteer, 1870. NEUMAYER, Histologische Untersuchungen über den feineren Bau des Centralnervensystems von Esox lucius mit Berücksichtigung vergleichend-anatomischer und physiologischer Verhältnisse, in: Arch. mikrosk. Anat., Vol. 44, 1895. PEDASCHENKO, Über eine eigentümliche Gliederung des Mittelhirns bei der Aalmutter, in: Anat. Anz., Vol. 19, 1901. —, Zur Entwicklung des Mittelhirns der Knochenfische, in: Arch. rose. Anat., Vol. 59, 1902. RABL-RUCKHARD, Zur Deutung und Entwicklung des Gehirns der Knochenfische, in: Arch. Anat. Physiol., Anat. Abt., 1882. —, Das Großhirn der Knochenfische und seine Anhangsgebilde, ibid., 1883. — , Weiteres zur Deutung des Gehirns der Knochenfische, in: Biol. Ctrbl., Jg. 3, 1883. —, Das Gen der Knochenfische, in: Deutsch. med. Wochenschr., Vol. 10, 1884. —, Zur onto- und phylogenetischen Entwicklung des Torus longi- tudinalis im Mittelhirn der Knochenfische, in: Anat. Anz., Vol. 2, 1887. —, Das Vorderhirn der Kranioten. Eine Antwort an Herrn STUDNICKA, ibid., Vol. 9, 1894. —, Noch ein Wort an Herrn STUDNICKA, ibid., Vol. 10, 1895. RETZIUS, Die nervösen Elemente der Kleinhirnrinde, in: Biol. Unters. (N. F.), Vol. 3, 1892. RUDOLPHI, Einige Bemerkungen iiber die Durchkreuzung der Seh- nerven bei Fischen, in: WIEDEMANN, Arch, Zool. Zootom., Vol. 1, 1800. SAGEMEHL, Beiträge zur vergl. Anatomie der Fische. II. Einige Bemerkungen über Gehirnhäute der Knochenfische, in: Morphol. Jahrb., Vol. 9, 1884. SCHAPER, Zur feineren Anatomie des Kleinhirns der Teleosteer, in: Anat. Anz., Vol. 8, 1893. —, Die morphologische und histologische Entwicklung des Risin: hirns der Teleosteer, ibid., Vol. 9, 1894, Zool. Jahrb. 39. Abt. f. allg. Zool. u. A 10 146 145. 147. 148. 149. 150. 151. 152. 153. 154. 155. 160. 161. Erica TrrscxAcKx, SCHAPER, Die morphologische und histologische Entwicklung des Kleinhirns der Teleosteer, in: Morphol. Jahrb., Vol. 21, 1894. SHELDON, The olfactory tracts and centres in Teleosts, in: Journ. comp. Neurol,, Vol. 22, 1912. STEINER, Uber das GroBhirn der Knochenfische, in: SB. Akad. . Wiss. ar 1886, Iu, I. STIEDA, Über das Rückenmark und einzelne Teile des Gehirnes von Hox lucius, Inaug.-Diss., Dorpat 1861. —, Studien über das Zentralnervensystem der Knochenfische, in: Ztschr. wiss. Zool., Vol. 18, 1868. —, Uber die Dente der einzelnen Teile des Fischgehirnes, ibid., Vol. 23, 1873. | — , Zur Lösung einiger Fragen aus der Morphologie des Vorder- hirns der Cranioten, in: Anat. Anz., Vol. 9, 1894. —, Eine Antwort auf die Bemerkungen BURCKHARDT’s zu meiner vorläufigen Mitteilung über das Vorderhirn der Cranioten, ibid. —, Bemerkungen zu dem Aufsatze ,Das Vorderhirn der Cranioten“ von RABL-RÜCKHARD (Anat. Anz., Vol. 9), ibid., Vol. 10, 1895. —, Zur Anatomie der sog. Paraphyse des Wirbeltiergehirns, in: SB. böhm. Ges. Wiss., math.-nat. Kl. 1895, V. —, Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte des as ns der Cranioten, ibid., 1896, XV. —, Noch einige Worte zu meinen Abhandlungen über die Anatomie des Vorderhirns, in: Anat. Anz., Vol. 14, 1898. —, Zur Kenntnis der Parietalorgane und der sog. Paraphyse der niederen Wirbeltiere, in: Verh. anat. Ges. (14. Vers.) 1900. ; TRAUBE-MENGARINI, Experimentelle Beiträge zur Physiologie des Fischgehirnes, in: Arch. Anat. Physiol., Physiol. Abt., 1884, TREVIRANUS, Uber die hinteren Hemisphären des Gehirns der Vôgel, Amphibien und Fische, in: Ztschr. Physiol., Vol. 4, 1831. WALLENBERG, Entstehung und Bedeutung der cerebralen Trigeminus- wurzel, in: Deutsch. med. Wochenschr., Vol. 31, 1905. —, Beiträge zur Kenntnis des Gehirns der Tele ce und Selachier, ne Anat. Anz., Vol. 31, 1907. Uber Excretionssystem. Brock, Uber Anhangsgebilde des Urogenitalapparates von Knochen- fischen, in: Ztschr. wiss. Zool., Vol. 44, 1887. EMERY, Zur Morphologie der Kopfniere der Teleosteer, in: Biol. - Ctrbl., Vol. 1, 1881, FURBRINGER, Zur vergleichenden Anatomie und Entwicklungs- geschichte As Bix TOHOER BUND. der at in: ‚ Morphol: Jahrb., Vol. 4, 1878. | 169. 170. 171. 272. 173. 174. 175. ab eu. 117. 178. 279. 180. 181. Die sekundären Geschlechtsmerkmale von Gasterosteus aculeatus L. 147 Git, TH, Parental care among fresh-water fishes, in: Ann. Rep. Board Regents Smithsonian Instit., Washington 1905. GROSGLICK, Zur Morphologie der Kopfniere der Fische, in: Zool. Anz., Vol. 8, 1885. —, Zur Frage über die Persistenz der Kopfniere der Teleosteer, ibid., Vol. 9, 1886. HEIDENHAIN, Mikroskopische Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Nieren, in: Arch. mikrosk. Anat., Vol. 10, 1874. HorrMann, C. K., Zur Entwicklungsgeschichte der Urogenitalorgane bei den Anamniern, in: Ztschr. wiss. Zool., Vol. 44, 1886. Moésius, Über die Eigenschaften und den Ursprung der Schleim- fäden des Seestichlingnestes, in: Arch. mikrosk. Anat., Vol. 25, 1885. OELLACHER, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Knochen- fische nach Beobachtungen am Bachforellenei, in: Ztschr. wiss. Zool., Vol. 23, 1873. SEMPER, Das Urogenitalsystem der Plagiostomen und seine Be- deutung für das der übrigen Wirbeltiere, in: Arb. zool. Inst. Würzburg, Vol. 2, 1875. Außerdem wurden berücksichtigt: BRAUER, Die Süßwasserfauna Deutschlands, Heft 1. BrEHM’s Tierleben, 4. Aufl., Bd.: Fische. GEGENBAUR, Vergleichende Anatomie, 1898—1901. HEIDENHAIN, M., Plasma und Zelle, 1907. HESSE-DOFLEIN, Tierbau und Tierleben, Vol.1 u. 2, 1910—1914. MAIER, H. N., Beiträge zur Altersbestimmung der Fische. JI.” All- gemeines. Die Altersbestimmung nach den Otolithen bei Schollen und Kabeljau, in: Wiss. Meeresunters. Hrsg. Komm. wiss, Unters. deutsch. Meere Kiel u. biol. Anst. Helgoland (N. F.), Vol. 8, Abt. Helgoland, Heft 1, 1906. OPPEL, Lehrbuch der vergleichenden Histologie der Wirbeltiere, Jena. | Rawitz, Lehrbuch der mikroskopischen Technik, 1907. SCHIMKEWITSCH, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Wirbel- tiere, 1910. v. SIEBOLD, C, TH., Die Süßwasserfische von Mitteleuropa, 1863. STÖHR, Lehrbuch der Histologie, 15. Aufl. WIEDERSHEIM, Vergleichende Anatomie der Wirbeltiere, 1909. 10* 148 Errcx Tivscnacx, Sek. Geschlechtsmerkmale von Gasterosteus aculeatus L. Erklirung der Abbildungen. Tafel 1, Alle Abbildungen beziehen sich auf Chromatophoren des briinstigen männlichen Stichlings. Sie wurden mit dem ABBE’schen Zeichenapparat in der Höhe des Ovjekttisches entworfen, unter Verwendung ZEIss’scher Okulare und Objektive. Fig. 1—4. Xanthophoren, Riickengebiet, nach dem Leben. 1—3 expandiert, 4 geballt. Komp.-Ok. 6, Olimm. 4/,,. N. Ap. 1,25. Fig. 5. Sector einer groBen Melanophore, sich expandierend und den ersten Ring von Xantophoren ausschaltend. Rückengebiet. Nach dem Leben. Ok. 2. Olimm. 3/,,. N. Ap. 1,25. | Fig. 6 u. 7. Melanophoren und Xanthophoren geballt, die ersteren die letzteren umflieBend. Nach dem Leben. Vergr. wie bei Fig. 1—4. Fig. 8. Erythrophore von der Kehle stark expandiert. Nach dem Leben. Komp.-Ok. 6, Obj. C. | Fig. 9. Desgleichen nach einem Glycerinpräparat. Näheres s. im Text. Vergr. wie in Fig. 5. Fig. 10. Desgleichen vom Kiemenbogen. Lebend. Vergrößerung wie in Fig. 8. G. Pätz’sche Buchdr. Lippert & Co. G. m. b. H., Naumburg a. d.S. RE Neuerscheinungen aus dem Verlag von Gustav Fischer in Jena. ne Die angegebenen Preise sind die im Januar 1922 giltigen; für das Ausland erhöhen sie sich durch den 7 yorgeschriebenen Valuta-Zuschlag. — Die Preise für gebundene Bücher sind unverbindlich. + > = Deszendenzlehre (Eniwicklungslebre). Ein: Lehrbuch auf historisch- ~~ kritischer Grundlage. Von Dr. S. Tschulok, Privatdozent für allge- meine Biologie an der Universität Zürich. Mit 63 Abbild. im Text u. 1 Tabelle. XI, 324 S. gr. 8° 1922 Mk 48.—, geb. Mk 58.— Inhalt: 1. Einleitung. — 2. Die erste formale Voraussetzurg der modernen Ent- - wicklungslehre: die Erfassung des Geschehens unter dem Gesichtspunkte der „geologischen“ Zeit. — 3. Die zweite formale Voraussetzung der modernen Entwicklungslehre — die Bedingungen für die Aufnahme hypothetischer Elemente (für das Gebiet der „beschrei- - benden“ Naturwissenschaften). — 4. Die Erfassung der Mannigfaltigkeit der Lebewesen mit Hilfe des taxonomischen Begriffssystems (zur Geschichte und Logik des natürlichen Systems der Tiere und Pflanzen). — 5. Das natürliche System als der Beweis der Des- > zendenztheorie. — 6. Ergänzende Beweise der Deszendenztheorie: aus der Morphologie, ” Embryologie, Chorologie und Chronologie. — 7. Das Problem der Stammbäume. — 8. Das Problem der Entwicklungsfaktoren. — 9. Die Unabhängigkeit der Deszendenz- theorie von dem Stande der Stammbaum- und Faktorenforschung. — Io. Die Gegner der Deszendenztheorie, — 11. Begriffsverwirrung und Uneinigkeit bei den Anhängern der Deszendenztheorie. — 12. Anhang: Uber die Logik und Geschichte des biogenetischen Gesetzes. — Autorenregister. Register der Pflanzen- und Tiernamen. Bisher hat es an einer Darstellung der gesamten Entwicklungslehre gefehlt, in der die einzelnen Elemente derselben so klar herausgearbeitet waren, daß man jeder neu auf- kommenden Erkenntnis, betreffe sie neue Tatbestände oder neue Deutungen und Ver- bindungen von Tatbeständen und. Ideen, sofort ihren bestimmten Platz im System der Gesamtlehre zuweisen könnte. Diese Lücke sucht das vorliegende Lehrbuch auszufüllen. Unabhängig von historischen Umständen und frei von den Einflüssen der „Parteirichtungen“ hat der Verfasser versucht, eine rein normative Darstellung zu geben, die nur der inneren, immanenten Logik der Sache selbst folgt. Ein solcher Versuch, zum erstenmal unter- nommen, wird für Lernende wie Lehrer der Biologie von größtem Interesse sein. Fauna et Anatomia ceylanica. Zoologische Ergebnisse einer Ceylonreise, ausgeführt mit Unterstützung der Ritter-Stiftung 1913/14 von L. Plate. Heraus- gegeben von Dr. L. Plate, Professor der Zoologie und Direktor des Phylet. Museums in Jena. Band L Mit 76 Abbild. im Text u. 29 Tafeln. V, 364 8. gr. 8° 1922 Mk 180.— Inhalt: ı. L. Plate, Über zwei ceylonische Temnocephaliden. Mit 2 Tafeln. — 2.1. Plate, Übersicht über biciogische Studien auf Ceylon. Mit 4 Abbild. und 9 Tafeln. — 3. L. Plate, Die rudimentären Hinterflügel von Phyllium pulchrifolium Serv ©. Mit 2 Abbild. u. 1 Tafel. — 4. Charlotte Kretzschmar, Das Nerven- system und osphradiumartige Sinnesorgan der Cyclophoriden. Mit 36 Abbild. und 4 Tafeln. — 5. Elisabeth Schneider, Das Darmsystem von Cyclophorus ceylanicus. Mit 25 Abbild. und 5 Tafeln. — 6. F. Prinzhorn, Die Haut und die Rückbildung der Haare beim Nackthunde. Mit 3 Tafeln. — 7. R. Vogel (Tübingen), Bemerkungen zur Topographie und Anatomie der Leuchtorgane von Luciola chinensis L. Mit 1 Tafel. — 8. Frida Preiß, Über Sinnesorgane in der Haut einiger Agamiden. Zugleich ein Beitrag zur Phylogenie der Säugetiere. Mit 9 Abbild. und 4 Tafeln. Hiermit erscheint der erste Band der Fauna et Anatomia ceylanica, welche die wissenschaftlichen zoologischen Ergebnisse der Ceylonreise Plates darstellen soll. Es handelt sich um Abhandlungen systematisch-biologischen oder anatomischen Charakters, die zuerst in der Jenaischen Zeitschrift für Naturwissenschaft erschienen sind und dann von Zeit zu Zeitin der Fauna et Anatomica ceylanica als Bände zusammengefaßt werden sollen, um allen denjenigen Instituten, Museen und Gelehrten, welche sich be- . sonders für das indomalayische Gebiet interessieren, Gelegenheit zu geben, die Resultate der Reise in einheitlicher Form kennen zu lernen. Ueber den Sitz des’Geruchsinnes bei Insekten. Von Karl v. Frisch, a. 0. Prof. an der Universität Miinchen. Mit 7 Abbild. im Text u. 2 Tafeln. (Sonderabdruck ans ,Zoolog. Jahrbücher“, Abt. f. Zool. u. Phys. Bd. 38.) III, 68 S. gr. 8° 1921 Mk 18.— Elephas columbi Falconer, Ein Beitrag zur Stammesgeschichte phanten und zum Eutwicklungsmechanismus des Elephantengebisses. Dr. W. Soergel, Tübingen. (Geologische und palaeontologische Abhandlun; Bd. 18 [N. F. Bd. 14] Heft 1/2.) Mit 15 Abbild. im Text und 8 Tafeln in druck. 99 8. Fol. (25,5 X 31 cm.) | Le Mk Diese Arbeit behandelt die diluvialen Elephanten Amerikas, die bisher eine recht mütterliche Beachtung gefunden haben. Es fehlte eine, das nordamerikanische und reiche mexikanische Material zusammenfassende Darstellung, die zugleich in ausgec Vergleichen mit anderen Arten die Stellung der amerikanischen Elephanten im Sta baum des Elephanten festlegt. ENS SACS Nicht nur für Paläontologen, sondern ebenso auch für den Zoologen und wird diese Schrift wertvoll sein. oie Die Damaster-Coptolabrus-Gruppe der Gattung Cara Dr. phil. et med. Gustav Hauser, o. 6. Prof. an der Univers. Mit 10 Tafeln im Lichtdruck u. 1 lithogr. Tafel. (Sonderdruck aus Jahrbücher“. Abt. f. Systematik. Bd. 45.) V, 394 8. gr. 8° 1921 M In dieser Monographie werden die bis jetzt bekannten Coptolabrus-Formen, ı Beschreibungen in den verschiedensten entomologischen Zeitschriften zerstreut u Teil schwer zugänglich sind, in übersichtlicher Darstellung zusammengefaßt. Diese arbeitung der schönsten und vornehmsten Gruppe der Käferwelt dürfte für weitere Kre der Entomologen von größtem Interesse sein. Das Werk ist mit ganz hervorrage Lichtdrucktafeln ausgestattet und soll nach dem Wunsche des Verfassers, der mit st 2300 Exemplare, zählenden Sammlung der berufenste war, eine auf Grund dies Materials erschöpfende‘ Beschreibung zu geben, zu einer noch gründlicheren Forschun auf diesem lohnenden Gebiete anregen. Le Es: ue Lebensdauer, Altern und Tod. Von Dr. E. Korschelt, Prof. d. Zoo u. vergleich. Anatomie an der Univers. Marburg. Zweite, umgear und stark vermehrte Auflage. Mit 107 Abbild. im Text. VII gr. 8° 1922 Mk 48.—, geb. Lebensprozeß. 7. Beschränkung der Zellenzahl in den Organen (Zellkonstanz). 8. Altern von Zellen im Zellenverband. 9. Altersveränderungen an Organen, 10. jüngung von Zellen und Geweben. 11. Verjüngung und Lebensverlängerung. 12. zustände und Lebensdauer. 13. Fortpflanzung und Lebensdauer. 14. Die Bezieh | der Lebensdauer und andere sie bestimmende Ursachen. 15. Allgemeine Fragen d Lebensdauer und Todesursachen. Schlußbetrachtungen. — Literatur-, Namen Sachverzeichnis. 12 Die moderne Weltanschauung und der Mensch. Sechs öffentli Vorträge. Von Dr. phil. Benjamin Vetter, weil. Prof. an der techn. Hochschule in Dresden. Mit einem Vorwort von Prof. Dr. Haeckel in Jena und einem Bildnis des Verfassers. Sechste, unver- änderte Auflage. XII, 1458. gr. 8° 1921 Mk 16.—, geb. Mk 23 | Inhalt: 1. Einleitendes. — 2. Das einheitliche Weltbild der modernen Fo — 3. Der Mensch. — 4. Das Sittengesetz auf natürlicher Grundlage. — 5. Reli Philosophie. — 6. Entwicklungsgeschichte der Religion und ihre philosophische Beg Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick auf künftige Zustände des Menschengescl | Die Vorträge entbehren jedes polemischen, und verletzenden Beigeschmackes ai sind das geistige Vermächtnis eines verdienten Forschers und edeldenkenden Mensche Alle, welche an den geistigen Strömungen der Gegenwart mit Interesse teilnehme werden diese Vorträge mit Freuden lesen. cee et re ee G. Pätz’sche Buchdr. Lippert & Co. G. m. b. H., Naumburg a. d S. Lac 5 , ’ UND PHYSIOLOGIE AFEL F. DR. S. BECHER ww GIRSSEN 1 = vis ED: = | a à À ve ; * . (x) CN A. ; 2 i [2 E x ee Mo Re cee ze a — pa 8. = ET a. (ce wie > RE flea ets me | itt Dn. eet D ES Fe TE: - ax = 8. Wt en os Be. 1 CS ALES PNR a ce Ste ae RO AE ga Pose a es er ACS ag “ue Die ,,Zoologischen Jahrbücher“ ( Abteilung für allgemeine Zoologie = BR Physiologie der Tiere) erscheinen in zwangloser Folge. \Je vier Hefte bilden einen Band. Der Preis wird für jedes Heft einzeln bestimmt. nn = Inhalt. (Abt. £. Physiol., Bd.39,2) Seite STOLTE, Hans-ApDAM, Experimentelle Untersuchungen über die un- Er En à geschlechtliche Fortpflanzung der Naiden. Mit 17 u: GE Re im Text und Tara 149 GOFFERJE, MARGARETE, Über den Einflu8 fie epee Salze ee ; die Hutwicklungsdaner von Culex pipiens L. und auf das Ver- halten der Culex-Larven während der Submersion. Mit 46 Ab- — bildungen “im Text. =. 4 Ee ae Se Verlag von Gustav Fischer in Jena. Von Marz 1922 ab erscheint im Auftrage der ao Deutschen Zoologischen Gesellschaft unter dem Titel » Zoologischer Bericht eine neue zoologische Zeitschrift, deren Herausgabe auf der Versammlung in Göttingen beschlossen war. Das erste Heit gelangte soeben zur Ausgabe. Mit der Begründung des „Zoologischen Berichtes“ wird einem von vielen Seiten geduferten Wunsche entsprochen und eine Zeitschrift geschaffen, die den Leser in Form von kurzen Referaten und Literatur- übersichten über alle Erscheinungen des In- und Auslandes auf dem Gebiete der allgemeinen Zoologie — soweit es zurzeit möglich ist — zuverlässig und rasch unterrichtet. Die Herausgabe erfolgt durch Herrn Prof. Dr. C. Apstein-Berlin und unter Mit- wirkung von Prof. Dr. E. Korschelt-Marburg, Prof. Dr. P. Mayer-Jena, Prof. Dr. J. Schaxet Jena und Prof. Dr. W. Schleip- Würzburg. | Der Preis für den Band beträgt M. 240.— für Deutschland und Oesterreich, M. 480.— für das Aus- land mit hochwertiger Währung. | Nachdruck verboten. Übersetzungsrecht vorbehalten. Experimentelle Untersuchungen über die ungeschlechtliche Fortpflanzung der Naiden. Von Hans-Adam Stolte. (Aus dem Zoologischen Institut der Universität Würzburg.) Mit 17 Abbildungen im Text und Tafel 2. Inhaltsübersicht. Einleitung. Material und Methode. Der Teilungsverlauf bei Nais in schematischer Darstellung. I. Beobachtungen und Versuche zur ungeschlechtlichen Fortpflanzung von Nass. a) Nais elinguis PIGUET. A. Versuche. B. Beobachtungen. b) Nais variabilis PIGUET und einzelne andere Arten. A. Beobachtungen. B. Versuche und Besprechung der Ergebnisse. . Ernährung. . Temperatur. . Lebensalter. . Wirkung von Sexualität. . Reservestoffbildung. Veränderung des Chloragogens. II. Wirkung regenerativer Vorgänge auf die ungeschlechtliche Fortpflanzung. III. Besprechung einiger Literaturangaben und zusammenfassende Be- trachtung der Ergebnisse. Zool. Jahrb. 39. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 11 D OH © N 150 Hans-ADAm STOLTE, Einleitung. Seit O. F. MÜLLER über die Würmer des süßen und salzigen Wassers schrieb (1771) sind: die Naiden häufig Gegenstand beob- achtender und experimenteller Untersuchungen gewesen. Im 19. Jahr- hundert ist die Biologie dieser Oligochäten besonders durch die Arbeiten von TAUBER (1873, 1874) und Semper (1876— 1878) erforscht worden. Um die Jahrhundertwende unternahmen MicHAELSEN (1900) und Picurt (1906) die systematische Aufteilung der Familie, ohne — die eine Klärung des verschiedenartigen biologischen Verhaltens der Naiden nicht möglich war. Während aber Semprr’s Arbeit über © die Verwandtschaftsbeziehungen der gegliederten Tiere, in der er die histologischen und organogenetischen Vorgänge beim Wachstum und der Teilung der Naiden untersucht, anregend gewirkt hat bis in die neueste Zeit, wo DazzaA Fıor (1909) die Untersuchungen Semper’s nochmals nachprüfte und zum großen Teil bestätigte, sind die „Beiträge zur Biologie der Oligochäten“ des Würzburger Zoologen wenig beachtet worden. Auch seine Anregung die Naiden für das Experiment heranzuziehen fand kein Gehör. So kam es, daß in der Folge die Naiden nur im Rahmen faunistischer Arbeiten behandelt wurden und zwar häufig recht summarisch. Dabei täuschte die Breite der Erkenntnisse über ihre mangelnde Tiefe hinweg. In den folgenden Blättern soll versucht werden im Anschluß an die vernachlässigte Arbeit Semper’s die Erscheinungen der un- eeschlechtlichen Fortpflanzung der Naiden in verschiedenen Rich- tungen zu klären und richtig zu stellen. | | Den ersten Hinweis auf diese Fragen gaben mir im Jahre 1913 die Herren Proff. WOLTERECK und HEMPELMANN in Leipzig. Nach 5jähriger Unterbrechung durch den Weltkrieg war es mir durch das liebenswürdige Entgegenkommen des Herrn Prof. SCHLEIP mög- lich gemacht, die Arbeiten im Würzburger Zoologischen Institut fort- zusetzen und zwar auf seine Anregung hin auf bedeutend erweiterter Grundlage. Ich hoffe mit diesen Untersuchungen einige neue Tat- sachen zur Frage der Limicolenfortpflanzung beigebracht zu haben. Material und Methode. Zur Untersuchung wurden herangezogen: In Leipzig Nas elinguis Piquet, in Würzburg Nais variabilis Pısvet. Daneben wurden einige Beobachtungen an Nais communis Preuer und Pristine longiseta EnrBG. gemacht. Die beiden letztgenannten Arten kommen Die ungeschlechtliche Fortpflanzung der Naiden. 151 fiir die allgemeinen Resultate weniger in Frage und dienten nur zum Vergleich. Nais elinguis ist ein ausgesprochenes Frischwasser- tier und eignet sich deshalb nicht fiir experimentelle Arbeiten. Nur die Resultate der Beobachtungen im Freien kann ich bei dieser Art als beweisend ansehen und heranziehen. In Nais variabilis fand ich in Wiirzburg eine bei richtiger Fiitterung auBerordentlich plastische Art, wenngleich von den Limicolen ganz allgemein gesagt werden muß, daß sie nicht das Material darstellen, was frühere Forscher, vor allem Semper, in ihnen zu haben glaubten. Schon Tum (1883) äußert sich sehr skeptisch über die Brauchbarkeit der Naiden für experimentelle Arbeiten. In irgendeiner Hinsicht lassen sie den Experimentator inmer im Stich. So mußte durch die Ungunst der Verhältnisse bei meinen Untersuchungen die Beobachtung der Nais variabilis in der freien Natur lückenhaft bleiben. Als Futter wurde Detritus von Laubaufgüssen gegeben, bis ich feststellte, daß N. variabilis sich am besten mit dem Bacterienüberzug stehender Gewässer füttern ließ. Vor allem war Bacillus sub- tilis ein geeignetes Futter. Im Frühjahr allerdings gediehen die Würmer ungleich besser in dem von Grünalgen und Diatomeen er- füllten Detritus des Fundorts, der in geringen Mengen in die Zucht- schalen gegeben - wurde. Da N. variabilis sich im Gegensatz zu N. elinguis gegen den Sauerstoffmangel stehenden Wassers gar nicht empfindlich zeigte, fanden die Würmer in ZIMMERMANN-Schalen und tiefen Uhrschälchen einen ihnen zusagenden Lebensraum. 3 Temperaturgruppen kamen für meine Versuche in Würzburg in Betracht: Kellertemperatur = ca. + 5°C. (während der Versuchs- monate Okt.— April), Zimmertemperatur = +10—15° C. und Thermo- statentemperatur = +20— 25° C. Fixiert wurden die Naiden mit heißem konzentrierten Sublimat + 5 °/, Essigsäure nach vorangegangener Betäubung mit 0,1 °/, Cocain- lésung. Die trotzdem vielfach gewundenen Wiirmer wurden mit Vorteil im Collodiumtropfen auf Glasplättchen eingeschlossen. So war eine Orientierung parallel zur Glasplatte verhältnismäßig leicht möglich. Als Schnittfärbungen verwendete ich: Boumer’s Hämatoxylin — Pikrokarmin, HEIDEnHAm’s Eisenhämatoxylin — Orange G., Safranin — Lichtgrün. Totalpräparate wurden mit Boraxkarmin gefärbt in Canada- balsam oder ungefärbt in Glyceringelatine eingeschlossen. 11% 152 Hans-Apam STOoLTE, Der Teilungsverlauf bei Nais in schematischer Darstellung. (Hierzu Fig. A—C.) Wenn ein Wurm etwa das Doppelte seiner normalen Zooidlänge erreicht hat, tritt in seiner Mitte eine Teilungszone in Form eines wulstartigen Ringes auf. Auf die Histologie dieser Teilungszone brauche ich nicht einzugehen. Ich verweise dafür auf die Arbeiten von SEMPER (1876—1877) und Darza Fror (1907). Etwa in der 281 non wa) mus Bus: Z7 17 ae: Cr, CE ey TRS aaa SSD AUDE IST SE LYS / LEE OMR NY, TI LL TS | Fig. C. Mitte dieses Wulstes bildet sich eine Ringfurche, die spätere Trennungslinie der beiden Teilindividuen. Dieses Stadium stellt Fig. A!) dar. Von hier ab kann die weitere Entwicklung ver- schiedene Wege einschlagen: entweder vertieft sich die Furche, und der Wurm wird völlig durchgeschnürt, die Teile wachsen wiederum zur doppelten Länge aus, und derselbe Vorgang wiederholt sich. Oder die Teilindividuen bleiben verbunden, während weitere Wachs- tumsvorgänge in der vorderen Hälfte der Zone sich abspielen. Dabei läßt sich in erster Linie ein normales Längenwachstum dieses späteren Afterendes feststellen. Erfolgt auch jetzt noch keine Durchschnürung des Wurmes, so fällt als nächster Schritt in der Kettenbildung ein neuer Teilungsring auf, der im vorderen Teil des 1) Sämtliche Textfiguren, soweit nicht schematisch, mit Komp.-Ok. 4, Apochromat 16 mm, Lerrz’ Zeichenapparat gezeichnet. Sämtliche Text- figuren sind auf die Hälfte verkleinert. Die ungeschlechtliche Fortpflanzung der Naiden. 153 embryonalen Mittelstücks der Kette sichtbar wird. Dieser Zustand ist in Fig. B dargestellt. Nunmehr ist Teilindividuum III umgrenzt. Es entsteht zwischen den beiden gleichalten Ausgangsindividuen als völlig aus neugebildeten Elementen aufgebaut; vorn ist es mit dem „Kopfteil“ (SEMPER) in die embryonale Wucherung einbezogen, aus der sich vorwärts von III das Individuum V differenzieren wird, mit dem „Rumpfteil“ grenzt es an den Kopfteil des hinteren Aus- gangsindividuums (= II). Wir beobachten zahlreiche Würmer, die auf diesem Entwicklungsstadium sich trennen, und zwar erfolgt die Durchschnürung dann hinter dem Zooid III, also in der ältesten Ringfurche. Bleibt aber der Verband dieser dreifachen Kette be- stehen, dann sehen wir, daß in dem inzwischen zu nahezu doppelter Länge ausgewachsenen Individuum II eine neue Zone gebildet wurde. Sie trennt von der Kette das hinterste Stück als Zooid IV ab. In- zwischen ist auch das Wachstum der vor dem Zooid III gelegenen Neubildungen soweit fortgeschritten, daß sie in ihrem vorderen Teile eine neue Zone entstehen lassen, die nach vorn das Zooid V begrenzt, das hinten an III anstößt. Diese fünffache Kette ist in Fig. C ab- gebildet. Größere Kettenbildungen sind recht selten. PısvEr (1906) fand sechsfache Ketten nur bei N. elinguis. Ich fand die Anfänge dazu auch bei N. variabilis im Frühjahr 1920: im Zooid III war die erste Anlage einer Teilungszone sichtbar. Es wird also dieses Zooid VI, wie zu erwarten war, zwischen III und II angelegt. Dies ist im Schema der Verlauf der Teilung bei den von mir untersuchten Nais-Arten. Abweichungen von dieser Norm, wie ver- zögertes Längenwachstum und der wechselnde Zeitpunkt der Ketten- durchschnürung, sind Unterschiede gradueller, nicht prinzipieller Art. Das durch sie veränderte Bild der Teilungs- und Wachstums- vorgänge ist der Ausdruck der durch verschiedene Reaktionskon- stanten beeinflußten Reaktionsnorm. Auf zwei Punkte allgemeiner Art muß in diesem Zusammenhange noch hingewiesen werden. Während O. F. MÜLLER grundsätzlich 2 verschiedene Methoden der Vermehrung annimmt, die Knospung und die „Zeugung aus dem Aftergelenk“, ist schon von älteren Autoren wie PERRIER (1870) und Semper betont worden, daß ein tatsächlicher Unterschied zwischen beiden Methoden nicht besteht. Trotzdem scheint mir dieser Punkt in der neueren Literatur nicht ge- nügend betont zu werden. Es ist überall nur das caudal gerichtete Wachstum, das die paratomische Teilung der Naiden ausmacht. Es produziert sowohl die neuen Segmente am Hinterende des Ausgangs- 154 HANs-ADAM STOLTE, tieres als auch die im vorderen Teil jeder Zone. der ja immer wieder zum Hinterende eines Zooids wird. Im Gegensatz dazu ist das Wachstum des hinteren Zonenstücks begrenzt, weil seine Aufgabe mit der Bildung des Kopfteils beendet ist, der nach meinen Beob- achtungen konstant aus 5 Segmenten besteht. (Pıcurr [1906] hat für N. communis andere Befunde mitgeteilt) Der augenfällige Unterschied zwischen den Wachstumsvorgängen am Hinterende und denen in der Mitte der Kette liegt darin, daß die Segmente am Hinter- ende frühzeitiger ihre definitive Gestalt annehmen und damit schneller sich den vor ihnen liegenden alten Segmenten angleichen, während die zwischen alten Segmenten eingeschobenen Zonen trotz stürmischer Bildungsprozesse eingezwängt und abhängig sind von dem Maße, in dem die Organe, die im Bereich der Zone erhalten bleiben, vor allem der Darm, durch Einschieben neuer Elemente im Wachstum folgen. Daß das Darmwachstum oft hinter dem der ecto- und mesodermalen Schichten zurückbleibt, geht aus einer Anzahl meiner Regenerations- versuche deutlich hervor und wird später erläutert werden, Die nicht völlig durchgeführte Gleichsetzung des Zonenwachstums mit der Vermehrung der Segmente am Afterende des Wurmes ist wohl auch der Anlaß gewesen, daß Pıcurr (1913) ein Schema einer Kette aufstellte, in dem er Zooide mit vorwiegend alten und solche mit neugebildeten Segmenten unterschied. Und damit komme ich zu dem zweiten Punkt: Sehen wir uns nochmals Fig. C an: I und II sind die Teile des Ausgangstiers und also alt, III und V sind -un- bestreitbar neugebildet. Wie steht es aber mit IV? Proeuer ist der Meinung in ihm ein Zooid aus alten Segmenten vor sich zu sehen. Gehen wir nach Fig. A von einem Wurm von 24 Segmenten aus. (Ich zähle nur die Segmente, die Rückenborsten tragen, weil die des Kopfteils immer an Zahl konstant sind.) Er teilt sich hinter dem 13. Borstensegment zum ersten Male. I und II sind also etwa gleich lang. Sie bleiben aber zur Kette verbunden und wachsen deshalb äußerlich betrachtet in recht verschiedener Weise aus, wie oben geschildert wurde. Dadurch gewinnt man leicht den Eindruck, dab die neuen Borstensegmente von II älteren Datums seien als die zwischen die beiden alten Teilindividuen eingekeilt sich bildenden Segmente von I, die allerdings sehr bald durch eine Zone von I ge- trennt werden. Gewöhnlich später entsteht die entsprechende Zone, die die neugebildeten Segmente von II trennt, das Zooid IV. Die Differenz in der Entwicklung des Chloragogens beider Zooide ist ein Maßstab für die ihrer Gesamtentwicklung. Wir sehen III im Die ungeschlechtliche Fortpflanzung der Naiden. 155 Langenwachstum beschrankt, IV dagegen sich frei entfalten. Der Zeit- punkt der Entstehung beider, auf den es hier nur ankommt, ist gleich. In derselben Arbeit führt PIGUET in seinem Teilungsschema auch das Zooid VI an, und zwar soll es aus alten Segmenten zwischen III und II sich bilden. Abgesehen davon, daß mir kurz vor Ab- schluß dieser Arbeit sechsfache Ketten von N. variabilis zu Gesicht kamen, die mir die Unrichtigkeit der Angabe bestätigten, könnte schon eine Überlegung Zweifel an der Angabe Pısurr’s aufkommen lassen: der Kopfteil von II stammt aus der 1. Zone des Ausgangs- tiers. Alle Segmente, die cranial von diesem Kopfteil liegen, bis zu dem letzten alten Segment von I, sind in Bildung begriffene Segmente. Wo ist da zwischen I und II Platz für ein aus alten Segmenten bestehendes Zooid ? Ich möchte zum Schluß nochmals betonen, daß die geschilderte Teilungsfolge sich nur auf die Gattung Nais bezieht. Bei Stylaria und Pristina, bei denen durch jede Teilungszone ein altes Segment in das junge Tier einbezogen wird, existieren solche aus ganz gleichmäßig alten Segmenten bestehende und deshalb im Zeitpunkt der Entstehung bestimmbare Zooide nicht. J. Beobachtungen und Versuche zur ungeschlechtlichen Fort- pflanzung von Nais. Die erste Tatsache, die dem Beobachter einer Naidenpopulation in die Augen springt, ist die wechselnde Lage der Teilungszone. Auch den alten Beobachtern war das nicht entgangen. Sie suchten Gesetzmäßigkeiten hinter dieser Erscheinung zu entdecken, Versuche, die SEMPER in seiner Arbeit. über die Biologie der Oligochäten zurückwies. Er machte die Summe der äußeren Einflüsse für die Variation der Zonenlage verantwortlich. Diese Anschauung blieb bis in die neueste Zeit bestehen und wurde besonders durch Picurr vertreten. Vor wenigen Jahren hat Schuster (1915) auf Grund seiner faunistischen Beobachtungen an Naiden Sachsens behauptet, die direkte Abhängigkeit der Zonenlage von der Temperatur nach- sewiesen zu haben. Ich werde unten zeigen, daß diese Ansicht den Tatsachen zuwiderläuft, wenn auch sein Resultat bei der rein faunistischen Beobachtungsweise verständlich ist. Im Jahre 1891 ist von Bourne versucht wurden, für die Aufteilung des Naiden- körpers einen exakten Ausdruck zu finden. Er nahm an, daß die Zahl der Segmente vor der Zone für jede Art konstant sei und 156 Hans-Apam STOLTE, nannte sie n. Auserdem hielt er die Zahl der Segmente des Kopf- teils für einen konstanten Genuscharakter. Hat sich die Konstanz von n auch nicht als richtig erwiesen, so werde ich doch den Begriff als solchen in dieser Arbeit beibehalten. Von Semper stammt die Einteilung des Wurmkörpers in den Kopfteil ohne Rückenborsten und den Rumpfteil. Von demselben Forscher übernehme ich die Art der Segmentzählung, wobei nur die mit Rückenborsten ange- führt werden; bei Vergleich mit den Angaben anderer Forscher, besonders PIGuUET’s und Sonusrer’s, ist meinen Resultaten die Zahl der Kopfsegmente, für die Gattung Nass — 5, hinzuzuzählen. Am caudalen Ende des Wurmes wurden die Segmente gezählt, deren Bauchborsten über die Epidermis hervorgewachsen waren. Schließlich bedarf noch der Erwähnung, daß in dieser Arbeit nur eine kleine Anzahl der Versuche mitgeteilt wird. Eine voll- ständige Wiedergabe des Protokolls verbietet sich bei den heutigen Schwierigkeiten der Papierbeschaffung und Drucklegung von selbst. Sämtliche Resultate sind durch vielfache Versuche festgestellt, auch stelle ich jederzeit meine Journale zur Nachprüfung zur Verfügung. a) Nais elinguis PIGUET. Meine Versuche an N. elinguis in den Jahren 1913 und 1914 führten zu keinem eindeutigen Resultat, weil der Wurm als Frisch- wassertier die Zucht im stehenden Wasser nicht vertrug, vor allem aber weil die Futterfrage nicht restlos gelöst wurde. Nur der Voll- ständigkeit halber werde ich die Zuchten erwähnen. Als um so brauchbarer erwiesen sich die Beobachtungen im Freien: das zahl- reiche Material lieferte gute Durchschnittswerte, die Würmer beider Fundorte in der Leipziger Umgebung lebten unter öcologisch gleichen Bedingungen und verhielten sich, wie vergleichende Beobachtung erwies, völlig gleich. A. Versuche. Ich begann meine Versuche mit Einzelzuchten in dem Bestreben, Einblick in den Verlauf der Schwankungen des Wertes n zu ge- winnen. Diese Einzelzuchten hatten den Charakter von Wärme- kulturen und ergaben ziemlich allgemein ein Sinken von n. Ich habe aber damals zu wenig Wert auf Kontrolle von Art und Menge der Nahrung gelegt. (Die Zuchten hielten sich gut unter Beigabe von etwas Laubdetritus.) Es erscheint mir nach Kenntnis der neuen Resultate durchaus möglich, daß die Bacterienflora in höherer Tem- Die ungeschlechtliche Fortpflanzung der Naiden. 157 peratur günstigere Bedingungen fand und somit eine bessere Nahrungsquelle für die Würmer darstellte. Jedenfalls geben diese Versuchsanordnungen kein klares Bild. Als Tatsachen wären zu erwähnen, daß die Teilung bei den Abkömmlingen lebhafter ist als bei den Ausgangstieren und daß sich bei manchen jüngeren Zooiden vor dem Absterben eine Neigung zur Vergrößerung von n zeigt. Kälteversuche mit einzelnen Würmern unterblieben, da die herabgesetzte Reaktionsgeschwindigkeit die Teilungsvorgänge zu langsam ablaufen ließ und deshalb schädigende Einflüsse die Ober- hand gewannen. Ich gehe deshalb gleich zu den Sammelzuchten über, die bei hoher und tiefer Temperatur angesetzt wurden. Als auffalligste Tatsache ergaben die Wärmekulturen den beschleunigten Kettenzerfall: die Erscheinung größerer Teilungsintensität werden wir überall als Wirkung höherer Temperatur wieder finden. Im ganzen zeigte sich N. elinguis bei dieser Art Versuche als ganz besonders ungeeignetes Zuchtobjekt. Selten konnte eine Zucht länger als 8 Tage am Leben gehalten werden. Einige Kontroll- zuchten, deren Temperatur nur wenig von der des Fundorts differierte, hielten sich besser, ließen aber keinerlei Schwankung im Mittelwert von n erkennen. Für N. elingws als Kaltwassertier versprachen Kältesammel- zuchten den größten Erfolge. Aber auch diese Kälteversuche passen sich schlecht in eine richtige Deutung ein. Zwar läßt sich im Mittelwert ein Steigen von n feststellen. Es bleibt aber unent- schieden, ob die Temperatur den Ausschlag gegeben hat oder ob die Ernährung den entgegengesetzten Einfluß wie bei den Wärme- versuchen auf die Länge der Zooide ausübt. Schließlich soll nicht unerwähnt bleiben, daß der Zeitpunkt für diese Zuchten nicht passend gewählt worden war. Wie meine neueren Untersuchungen ergeben haben, sind sehr kurze Zooide ganz besonders empfindlich gegen Schwankungen in der Ernährung, die doch bei solchen Ver- suchen nicht ausbleiben. Außerdem fallen die Versuche in eine Zeit des Übergangs zur Geschlechtsperiode, und da diese ebenfalls eine Verlängerung der Zooide hervorruft, ist nicht zu entscheiden, ob die Veränderung von n durch die Einflüsse des Experiments oder der Sexualität verursacht wurde. Das Ergebnis dieser Versuche ist, daß uns zwar eine Antwort auf unsere Fragestellung nicht geworden ist, daß sich aber die Not- wendigkeit ergeben hat durch die Prüfung der einzelnen Reaktions- konstanten den komplexen Begriff der äußeren Einflüsse in seine 158 Hans-Apam STOLTE, Bestandteile zu zerlegen, um deren Wert für die Reaktionsnorm der einzelnen Formen zu erkennen. Dies wurde in Würzburg mit N. variabilis versucht. B. Beobachtungen. Die Beobachtungen begannen im Jahre 1913. Fundorte waren ein schnellfließender Waldbach bei Grimma in Sachsen und ein ebensolcher Bach bei Leisnig i. S. Beide Punkte sind in dem- selben steinigen Untergrund des Quarzporphyrs des Muldentals gelegen, beide Bäche dicht von Bäumen umstanden, deren Fallaub einen Nährboden für die Futterorganismen der Würmer darstellt. Hier wie dort waren die Würmer nur kurz vor der Einmündung des Baches in die Mulde zu finden. Es kann wohl angenommen werden, daß die ökologischen Bedingungen an beiden Stellen gleich waren. Bei Besprechung der Aufzeichnungen verweise ich auf die Tabelle Ia. Die Angaben für Januar und Februar 1913 sind nur Näherungswerte von n, lagen aber sehr nahe bei 12. Erst von Ende Februar ab liegen genaue Angaben vor. Die Tabelle I zeigt die Kurve der Bewegung von n und zwar Ia die Beobachtungen an N. elinguis. Dazu ist in Beziehung gesetzt die Temperaturkurve der Beobachtungsmonate im Mittel der Dekaden. An der Hand der Tabelle mögen die weiteren Beobachtungen besprochen werden: Im März erfolgt ein rapider Sturz der Kurve. Keine Frage, daß hier ein äußerst wirksamer Faktor tätig ist, der die Verkürzung der Zooide zur Folge hat; aber schon bemerken wir im April wiederum ein Ansteigen, das sich fortsetzt bis im Durchschnitt n — 12 ist. Gleichzeitig wurden im April bei einzelnen Naiden Geschlechtsorgane festgestellt, zuerst noch bei Anwesenheit einer Zone. Später schwindet in dem Maße der Ausbildung der Geschlechtsorgane jegliche Zonenanlage, indem hintere Zooide sich abtrennen und der Wurm lang auswächst. So findet man geschlechtsreife Würmer mit Clitellum meist in einer Länge von etwa 24 Borstensegmenten. In einem Fang vom 28/5. 1913 fand ich nur geschlechtsreife Würmer ohne Teilungszone, am 3./6. 1913 20 Exemplare von N. elinguis im Leisniger Bach, die sämtlich den Wert n = 12 aufwiesen, am 12./6. am selben Fundort Naiden mit n = 12 und ohne Zone. Keine Frage, daß auch bei N. elinguis völlige Geschlechtsreife den Teilungsvorgang aufhebt, wie schon SEMPER von den von ihm untersuchten Naiden berichtet. Äußerer Die ungeschlechtliche Fortpflanzung der Naiden. 159 Umstände halber muften die Beobachtungen bis August dieses Jahres unterbrochen werden. Am 19.8. ergab ein Naidenfang von 26 Würmern 5, deren Reste von Geschlechtsorganen im Zustand der fettigen Degeneration sich befanden. Die Organe hatten ein dunkelgelbes Aussehen und waren unregelmäßig umgrenzt. Neben 12zähligen fand ich 11- und 10zählige Individuen. Später wurden keine Würmer mit Geschlechtsorganen mehr beobachtet und eine Verkürzung der Zooide greift wieder Platz. Im November liegen die Mittelwerte zwischen 9 und 11, im Dezember und im Januar 1914 steigt die Kurve mäßig an, und vom Februar ab beginnt der- selbe Kurvenverlauf mit geringen Abänderungen, deren wichtigste ist, daß im Jahr 1914 die Kurve ebensowenig den Tiefstand vom März des Vorjahres erreicht wie die hohen Werte im Jahresanfang. Im April wiederholt sich das Ansteigen der Kurve, im Anfang des Mai das Auftreten der ersten Geschlechtstiere, nur daß kalte nasse Tage die Entwicklung zur Vollreife sehr behinderten, so daß erst Mitte Juni 12- und 13zählige Würmer beobachtet ‚wurden. Soweit meine Beobachtungen über den Jahreszyklus. Ich lasse eine Zusammenstellung der Beobachtungsresultate folgen mit An- gabe des prozentualen Auftretens der Forge ten Werte von 2 in den einzelnen Fängen (Tabelle II) (s. S. 161). b) Nais variabilis Pısver und einzelne andere Arten. A. Beobachtungen. Zur Ergänzung schließe ich hier die Beobachtungen an N. varia- bilis in der Zeit von Okt. 1919 bis April 1920 an. Sie sind graphisch ‚dargestellt in der Kurve Ib und gleichen in hohem Maße denen an N. elinguis. Fundorte waren der Teich im Zoologischen Institut Würzburg und ein Tümpel bei Randersacker. Beide stellen etwa die gleiche Biocönose dar, wie auch der Charakter der Umgebung der gleiche ist: Buschumstandene Teiche im Kalkboden, mit Wasserzufluß, deren Wasserspiegel mit Lemna bedeckt ist. Beim Studium der Tabelle I möchte ich besonders auf die grobe Ähnlichkeit der Kurven Jan. bis März 1913 und Jan. bis März 1920 hinweisen, muß mir aber an dieser Stelle versagen, auf die aus der Tabelle ersichtlichen Tatsachen einzugehen, da sie erst zusammen mit den Ergebnissen der Versuche an N. variabilis besprochen werden sollen. Hans-ApAm STOLTE, 160 Nais elinguis P. Sexualperiode (11,8) "Fr 206 I. Technik der Diener und deren ee sates 206 II. Fütterungsversuche . . . . AT oct, Sr din Ve AUD a) Züchtungsversuche unter nes FL PS a 409 b) Züchtungsversuche im Laboratorium mit Imaginesfiitterung 213 LP -Enngervérmehe. Fs sy at, een ax 240 a) Unterschied zwischen den zu ris he benutzten „großen“ und „kleinen“ Larven . . ete LV. MD b) Destilliertes Wasser als Züchtungemediom mn BEDTES HON 321 c) Salzwasser als Züchtungsmedium . . . . . . . . 217 PROC APP hols) lol ae ee 2, et cae ou enr Al Wi Re UD aE RR here, aa eae ae ZB 196 IV. Vergleich V. Das verschiedenartige Verhalten von „kleinen“ und „großen“ Larven MARGARETE GOFFERJE, . MgCl, . CaCl, die : ana ion der miese Br henner Chlarde a MA Eee . K,SO, à MgSO, À ; Vergleich der ans de Rene Sulfate . NaNO, SKNO, Ca(NO,), er . Vergleich der rn de Fe Nitrate der Wirkungsweise aller benutzten Salze . VI. Züchtungsversuche in Salzgemischen . VII. Größenangaben über die bei den Züchtungsversuchen i im Salz- wasser erhaltenen Imagines . VIII. Vergleich zwischen dem erträglichen Salzgehalt für Culex- Larven und dem für andere Arthropoden, speziell Chironomus- Larven B. Submersionsversuche . I. Vorbemerkung: Beziehungen zwischen Teil A und B . II. Technik der Submersionsversuche . a) Apparatur b) Berechnungen III. Submersionsversuche . Vorhereitungsmedium: Versuchsmedium: a) Na,SO, Leitungswasser. b) KO! Leitungswasser. . c) Aquariumswasser KCl ©. nee dd) Cl A | ‘KCl e) Aquariumswasser NaCl . f) NaCl NaCl . g) Aquariumswasser Na,SO, h) Aquariumswasser HgCl, i) Tabellarische Zusammenstellung aller Versuche IV. Versuche mit anormaler Funktion des Tracheensystems V. Lageänderungen der Larven während der Submersion . VI. Bedeutung der Gasblasenabgabe während der Submersion . C. Zusammenfassung . Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 197 Einleitung. Vorliegende Arbeit ist entstanden im Anschluß an Untersuchungen von A. Koca, der Culex-Larven während der Submersion bei verschie- denem Kohlensäure- und Sauerstoffgehalt des umgebenden Mediums untersuchte. Während sich bei diesen Versuchen im allgemeinen die Haupttracheenstämme allmählich ihres Gasgehaltes entledigen und ein bandartiges Aussehen bekommen (vgl. BAB4K 1912), konnte Kocx jedoch bei einigen Submersionsversuchen das umgekehrte Verhalten der Tracheen beobachten. Die beiden, den Körper und die Atemröhre durchziehenden Haupttracheenstämme füllten sich nämlich in diesen Fällen mehr und mehr mit Gas, bis schließlich durch das Stigma des Atemtubus von Zeit zu Zeit eine kleine Gasblase abgegeben wurde, eine Tatsache, auf die bereits R£aumur (1734—1742) auf- merksam gemacht hat, und die man ja auch gelegentlich bei im Aquarium gehaltenen Culex-Larven beobachten kann. Es ist nun A. Kocx bei seinen Untersuchungen nicht gelungen, durch Verän- derungen des Gasgehaltes des Wassers, in dem die Larven während der Submersion gehalten wurden, solche Bedingungen zu. schaffen, daß eine Gasfüllung der Tracheen und Abgabe von Gasblasen als Norm zu beobachten gewesen wäre, trotzdem den Larven Kohlen- säure und Sauerstoff in verschieden großen Mengen und wechselndem Verhältnis der Gase zueinander dargeboten wurden. Eine Klärung dieser Verhältnisse würde aber entschieden von Bedeutung sein für das Verständnis des Mechanismus der Tracheenatmung. Wir würden dadurch einen bedeutenden Schritt vorwärtskommen bei der Diskussion der Frage: findet bei einem geschlossenen Tracheensystem (denn als solches hat das Atmungsorgan der Culex-Larven bei der Submersion zu gelten) ein Abtransport von CO, durch die Tracheen statt, oder wird CO, auf anderem Wege (durch Vermittlung der Körperflüssig- keit) aus dem Organismus entfernt? A.Koca hat die drei hauptsächlich in Betracht kommenden Theorien über die Mechanik des Gasaustausches bei geschlossenen Tracheen- system folgendermaßen *) kurz charakterisiert: 1) Die Besprechung der drei Theorien ist der Arbeit von A. Koch wörtlich entnommen. Zool. Jahrb. 39. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 14 198 MARGARETE GOFFERJE, Erste Theorie. | a) Offenes Tracheensystem. „Nach PALMÉN (1877) soll an jeder beliebigen Stelle des Tracheen- systems ein Gasaustausch zwischen der in die Tracheen durch die Stigmata aufgenommenen atmosphärischen Luft und dem die Tracheen- wand umspülenden Blute durch die Tracheenwand hindurch statt- finden, und erst das Blut, als Vehikel für die Atemgase, soll den Sauerstoff nach den atmenden Geweben und Zellen hin- und die Kohlensäure von dort nach den Tracheen zurückbefördern. Das Blut wiirde also danach den Gasaustausch mit den lebenden Zellen vermitteln, und die Tracheaten sollen nur deshalb eine besondere Stellung im Tierreich einnehmen, weil bei ihnen (nach Cuvier, 1856) die Atmungsorgane das Blut aufsuchen, anstatt — wie bei allen anderen Tieren — das Blut die Atmungsorgane. Diese An- schauung vertritt noch PAckArD (1903) in seinem Test-book of Ento- mology. . . .“ | b) Geschlossenes Tracheensystem. „Da in diesem Falle keine direkte Verbindung der Tracheen durch Stigmata mit der atmosphärischen Luft vorhanden ist, so können dadurch nach PALMÉN (1903) u.a. die Tracheen ihren Haupt- zweck, die Sauerstoffversorgung des Blutes, nicht erfüllen. Es findet — deshalb ein Gasaustausch zwischen dem Blute und dem umgebenden Medium (Wasser) durch die Körperwand hindurch statt. Das Tracheen- system hat also keinerlei respiratorische Funktion, es dient höchstens als Reservoir für abgeschiedene Kohlensäure („verbrauchte Luft“ [Dewirz 1890]), als statisches Organ, oder als mechanischer Apparat, bestimmt „die Blutbahnen auszudehnen“ (PALMÉN, zitiert nach LÜBBEN, 1907, Le. p. 82). Nach dieser Theorie findet somit bei geschlossenem Tracheensystem eine allgemeine Hautatmung statt, die ungefähr der bei Würmern (Anneliden) analog ist. In diesem Sinne äußert sich auch PACKARD (1 c., p. 459).“ Zweite Theorie. a) Offenes Tracheensystem. „Die Hauptstämme der Tracheen sind nur Leitungsbahnen für die Atemluft, und als solche so gut wie ganz gasundurchlässig. Der Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 199 Gasaustausch findet zwischen den feinsten, in die Gewebe eindringen- den Verzweigungen der Tracheenäste und den lebenden Zellen direkt statt, d. h. ohne Vermittlung des Blutes. Den Tracheenendzellen muß also ein wichtiger Anteil an den Erscheinungen des Gaswechsels zu- fallen, und man (WIELOWIEJSKI 1882) hat ‚die Tracheenendzellen so- gar als — den roten Blutkörperchen der Wirbeltiere entsprechende — Sauerstoffspeicher betrachtet‘ (WinTERSTEIN 1912 p. 110). Eine Mit- wirkung des Blutes beim Gastransport kommt nach dieser Theorie somit kaum in Frage, und in diesem Sinne ist wohl auch die Stelle bei Hertwie (1910 p. 435) zu verstehen, an der es heißt: ‚Da die Tracheen mit ihren feinen Verzweigungen die Gewebe direkt mit Sauerstoff versorgen, so ist das Blutgefäßsystem rudimentär‘.“ b) Geschlossenes Tracheensystem. „Auch in diesem Falle soll die Mitwirkung des Blutes so gut wie ganz ausgeschaltet sein: ‚In dem Tracheensystem ist in solchen Fällen eine Sonderung eingetreten in einen durch Diffusion aus dem Wasser Sauerstoff aufnehmenden und eben dahin Kohlensäure ab- gebenden Abschnitt (Tracheengeäder der Haut und der Kiemen) und einen an die Gewebe und die Organe herantretenden Abschnitt, welcher umgekehrt die Kohlensäure der Gewebe gegen Sauerstoff eintauscht.‘ (HERTwIG 1910 p. 435). Bei den Anhängern dieser Theorie findet man aber wieder zwei verschiedene Ansichten: die einen wollen den Gasaustausch in den Tracheen der Haut und der Kiemen auf rein physikalische Weise erklären (schon DutTrocHEeT 1837), während die anderen an aktive Vorgänge im Zellularstoffwechsel, d. h. an eine Gassekretion denken.“ Dritte Theorie. „VON FRANKENBERG (1915) nimmt für beide Arten von Tracheen- systemen im Gegensatz zur herrschenden Ansicht an, daß die gas- formigen Stoffwechselprodukte (Kohlensäure) nicht wieder in die Tracheen abgeschieden, sondern vom Blute fortgespült und ander- weitig aus dem Körper entfernt werden (l. c., p. 587). Er glaubt, ‚daß die Endigungen der Tracheen (ob durch Vermittlung der End- zellen, ist eine Frage für sich) Sauerstoff an die Organe abscheiden, ohne dafür Kohlensäure einzutauschen‘ (p. 587, 588). Diese Ansicht stimmt mit der an zweiter Stelle besprochenen Theorie insofern überein, als es sich um die Sauerstoffzufuhr handelt. 14* 200 MARGARETE GOFFERJE, Was die Kohlensäureausscheidung betrifft, so geht von FRANKENBERG aber noch einen Schritt weiter, als es PALMÉN in der an erster Stelle besprochenen Theorie getan hat; denn dieser Forscher hält es auch für wahrscheinlich, daß die in den Zellen gebildete Kohlensäure zu- nächst vom Blut aufgenommen, aber dann doch noch an die Tracheen abgegeben wird, während von FRANKENBERG an eine ‚anderweitige Entfernung‘ der Kohlensäure (durch den Darm?) aus dem Körper denkt. Schon vor von FRANKENBERG ist der Gedanke, daß Sauerstoff- zufuhr und Kohlensäureabgabe auf verschiedenem Wege erfolgen könnten, in Erwägung gezogen werden. Denn DEEGENER (1. c., p. 373) spricht auch bereits von der Möglichkeit, daß ‚der Sauerstoff von den betreffenden Zellen direkt den Tracheenenden entnommen, die Kohlensäure dagegen an das Blut und erst durch dessen Vermittlung an stärkere peripherische Tracheen oder (Darmatmer) an die Darm- wand abgegeben und so aus dem Körper entfernt werde‘.“ Die Aufgabe vorliegender Arbeit sollte es nun sein, den Einfluß wechselnden Salzgehaltes des Versuchswassers auf die Funktion der Tracheen und die Mechanik des Gasaustausches zu untersuchen. (Ob die Temperatur des umgebenden Mediums oder das Alter der Larven für das unterschiedliche Verhalten verantwortlich gemacht werden können, sollen spätere Arbeiten zeigen.) Denn wenn man nicht an- nehmen will, daß es sich bei den von A. Koch gemachten Beob- achtungen einer Gasblasenabgabe um unkontrollierbare Zufallsbefunde gehandelt haben mag, so bleiben — nachdem sich der Gasgehalt des Mediums als belanglos erwiesen hat — nur noch drei Möglichkeiten übrig, die eventuell für den Eintritt der Gasabscheidung verantwort- lich gemacht werden können: der Salzgehalt des Mediums, die Tem- peratur des Submersionswassers und das Alter der Larven; denn es wäre vielleicht denkbar, daß die vier, durch die Zahl der vorausge- gangenen Larvenhäutungen charakterisierten Larvenstadien sich in bezug auf die Gasabscheidung verschieden verhielten. Ein in den weitesten Grenzen wechselnder Salzgehalt muß ebenso wie ein abnorm hoher oder niedriger Gasgehalt des Mediums einen schädigenden Einfluß auf die Larve ausüben. Es fragt sich nun, ob die im Submersionswasser gelösten Salze sich in bezug auf die Funktion des Tracheensystems genau so verhalten wie die Gase; ob also — mit anderen Worten — die Salze nur die Fähigkeit haben, je nach ihrer qualitativen und quantitativen Zusammensetzung ver- kürzend oder verlängernd auf die normale Submersionsdauer zu Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 201 wirken und die Energieproduktion der Larven während dieser Zeit zu steigern oder abzuschwächen — oder ob sie imstande sind (even- tuell außerdem) die Funktion des Tracheensystems so zu beeinflussen, daß eine Gasansammlung in den Tracheen und schließlich eine Gas- abgabe durch das Stigma erfolgt. Es lag nun von vornherein die Möglichkeit vor, die Salze ent- weder erst während der Submersion auf die Larven wirken zu lassen, . oder aber das Versuchstier schon eine bestimmte Zeit vorher in die | betreffende Salzlösung zu überführen, um es dann in derselben Lösung oder in Leitungswasser während der Submersion zu untersuchen. Welcher Weg am ersten zum Ziele führen würde, konnte im vor- aus, allein durch theoretische Erwägungen, natürlich nicht angegeben werden. Es handelte sich also zunächst darum, umfassende Vor- versuche über den Einfluß von Salzlösungen auf die Lebens- und Entwicklungsmöglichkeiten der Larven anzustellen. Culex-Larven kommen in der Natur in so verschiedenartigen Tümpeln vor, daß man von vornherein mit einer ziemlich großen . Anpassungsfähigkeit derselben an den wechselnden Salzgehalt des Wassers rechnen muß. Darauf weisen auch verschienene Stellen in der Literatur hin. Schon 1778 beschreibt MARTINUS SLABBER eine Larve von Culex pipiens, die in der Nordsee gefunden worden war. Neuere Berichte bestätigen diese Angabe (s. u... R. Scumipt (1913) fand Larven von C. pipiens in dem stark salzhaltigen Abwasser der Zeche „Maximilian“, aber auch in den weit weniger Salz führenden Abwässern von Königsborn. Ebenso wie anorganische Stoffe (denn um diese handelt es sich ja meist bei den Verunreinigungen der Fabrikabwässer) bilden auch organische Verunreinigungen keinen Hinderungsgrund für die Entwicklung der Culiciden-Larven. Dafür bieten die mit diesen Mückenlarven oft reich gesegneten Abwässer der Städte einen deutlichen Beweis. Und in diesem Zusammenhang sei auch eine Stelle aus P. Scunermer (1913) angeführt, der be- richtet, daß sich die Culiciden „in Dörfern sehr häufig in konzen- trierter Jauche entwickeln“. Besonders interessant wäre es natürlich gewesen, die Mücken- larven in diesen natürlichen Schmutzwassern auf ihr Verhalten bei der Submersion zu prüfen. Das war natürlich technisch nicht zu er- möglichen. Deshalb wurden Züchtungsversuche angestellt; aller- dings keine mit typisch (anorganisch oder organisch) verschmutztem Wasser, sondern mit Salzwasser, das die Chloride, Nitrate und Sulfate der Metalle Natrium, Kalium, Calcium, Magnesium enthielt. Es sind 202 MARGARETE GOFFERJE, das bekanntlich alles Salze, die man (nach Hirscx, 1914) in den natürlichen (nicht künstlich verunreinigten) Gewässern in wechelnder Konzentration und verschiedenartigem Mischungsverhältnis findet. Bei der Züchtung wurde auch nicht bis auf das Eistadium zurück- gegriffen, sondern es wurde in die betreffende Salzlösung eine „kleine“ oder „große“ (s. u.) Mückenlarve, die aus einem in einer Kuhweide. gelegenen Tümpel herausgefangen und vorher im. Zimmeraquarium gehalten worden war, „überführt“. Es handelt sich also — genau gesagt — um Überführungs-, und streng genommen nicht um Züchtungsversuche, weil man bei diesen immer an eine Züchtung vom ersten Entwicklungsstadium, also vom Ei an, deckt. Das Ver- halten der Culez-Larven in den verschiedenen Lösungen wurde täglich mindestens einmal kontrolliert und protokolliert. Auf diese Art war es dann natürlich möglich, die spezifische Wirkung jeder Salzlösung auf das Tier zu erkennen. Erst nachdem das geschehen war, wurden die Submersionsversuche angestellt. Die Züchtungsprotokolle gestatteten natürlich, solche Tiere zum Versuch heranzuziehen, die ganz verschieden lange, aber genau be- . stimmbare Zeiten in den Salzlösungen zugebracht hatten. Für den Fall, daß eine Gasabgabe durch die Tracheen auftrat, konnte dann genau festgestellt werden, welchen äußern Einflüssen die Larve zu- letzt ausgesetzt war. Die in großer Anzahl durchgeführten ne über den Einfluß der Salzlösungen auf die Entwicklung von Culex-Larven haben vieles gemeinsam mit den Untersuchungen, die in jüngster Zeit HırscH (1914), wenn auch von einem ganz anderen Gesichts- punkt aus, angestellt hat. Dieser Autor arbeitete mit Kaulquappen, Aalen, Daphnien und Chironomus-Larven. Für vorliegende Arbeit sind jedoch hauptsächlich seine Versuche mit den zuletzt genannten Tieren von Interesse. Im folgenden möchte ich ganz kurz die wesentlichen Resultate der HırscH’schen Arbeit charakterisieren. HırscH arbeitete mit denselben Salzen, mit denen auch ich meine Versuche anstellte, nämlich mit den — bereits oben ge- nannten — Chloriden, Nitraten und Sulfaten von Natrium, Kalium, Calcium und Magnesium. Er stellte davon Normallösungen in Leitungswasser her, und in einen Liter einer solchen Lösung, die sich in einem ausparaffinierten Glas befand, brachte Hirscu gleich- zeitig mehrere Exemplare einer der genannten Tierarten und be- stimmte die Zeit, die die Tiere in der betreffenden Salzkonzentration zu leben imstande waren. Auf diese Weise,stellte er für jede Tier- Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 203 art und jedes der benutzten Salze eine sogenannte „erträgliche Lösung“ fest, d. h. eine Salzlösung, „in der nach 6 Tagen der Be- stand der Kultur noch nicht oder gerade vielleicht um 3/, ver- mindert ist“. Von einer „tödlichen Lösung“ redet er, wenn alle Versuchstiere innerhalb 24 Stunden sterben, und als „schädlich“ be- zeichnet er schließlich solche Lösungen, deren Salzgehalt zwischen dem der entsprechenden „erträglichen“ und „tödlichen“ liegt. Zu dieser Begriffsbestimmung, und zwar zunächst zu der der „erträglichen Lösung“, kam Hırsca durch Kontrollversuche mit reinem Leitungs- wasser; in diesen waren nämlich nach dem Verlauf von 6 Tagen auch durchweg !/, der Versuchstiere tot. Ich konnte auf Grund meiner Erfahrungen über die Wirkung der Salzlösungen auf die postempryonale Entwicklung von Culex- Larven mich nicht dazu entschließen, die von Hiesc (l. c.) getroffene Einteilung der Salzlösungen in „tödliche“, „schädliche“ und ,er- trägliche* zu übernehmen. Verschiedene Gründe, auf die ich im Laufe des 1. Teiles der Arbeit ausführlich zu sprechen kommen werde, veranlaßten mich, von „tödlichen“, „indifferenten“ und „ent- wicklungshemmenden“ Salzlösungen zu reden. Da der ganze 1. Teil meiner Untersuchungen von der Bedeutung des Salzgehaltes des Mediums für die Entwicklungsmöglichkeit der Culex-Larven handelt, so sei an dieser Stelle noch kurz auf einige andere Arbeiten in der Literatur hingewiesen, die zu diesem Thema Beziehungen haben. Gerade auf diesem Gebiet ist schon ungeheuer viel gearbeitet worden, und zwar von den verschiedensten Gesichts- punkten aus. Ich will mich bei diesen Literaturangaben darauf beschränken, die verschiedenen Methoden dieser „Salzwasserversuche“ durch Beispiele zu charakterisieren, um nachher angeben zu können, in welche Kategorie die eigenen Untersuchungen einzuordnen sind. Im übrigen verweise ich auf die ausführlichen Literaturbesprechungen und Autorenverzeichnisse bei HırscH, FÜRTH, LOEB u. A. Es sei zunächst auf Versuche hingewiesen, die in großem Maß- stabe im Freien angestellt worden sind und bei denen man viele Generationen einer Tierart in einem bestimmten salzhaltigen Ge- wässer gezüchtet hat, das bis dahin von der betreffenden Species noch nicht bewohnt war. Es handelte sich in diesen Fällen darum festzustellen, ob eine Anpassung der betreffenden Tierart an die in Bezug auf den Salzgehalt veränderte Umgebung möglich war, und ob im positiven Falle mit der physiologischen Anpassung morpho- logisch-anatomische Veränderungen des Tieres vor sich gingen. So 204 MARGARETE GOFFERJE, wurden z. B. von THIENEMANN (1916) Artemia-Eier aus einem Salz- teich Siebenbürgens (Salzgehalt an der Oberfläche des Sees 18—20%,) in den Sparteich der Saline Sassendorf (wechselnder Salzgehalt 4,8—7,4°/,) ausgesetzt. In den salzigen Binnenwässern Westfalens kam nämlich nach THIENEMANN (1. c.) und Scumrpt (1. c.) diese Krebs- form bis dahin nicht vor. Aus den im April 1914 ausgesetzten Kiern hatte sich bis August 1916 eine reiche Artemiafauna entwickelt. Eine genaue morphologische Untersuchung zahlreicher Exemplare zeigte nun, dab die Tiere mit keiner der zum Vergleich vorliegenden Artemia-Formen [forma typica von A. salina nach KEILHAcK (1909), A. salina beschrieben von SAMTER u. Hrymon’s (1907) aus den Salz- lagunen von Molla kary.am Ostufer des Kaspischen Meeres, Varie- täten von A. salina nach SCHMANKEWITSCH (1877), Artemia nach Wuonpscx (1914)] zu identifizieren waren. Allerdings fehlte bei der Untersuchung leider die natürlich am meisten interessierende Form aus Siebenbürgen, von der die ursprünglich ausgesetzten Eier ab- stammten, so daß vorläufig noch unentschieden bleiben muß, ob die beobachteten morphologischen Abweichungen von den zum Vergleich herangezogenen Formen bereits bei der Stammform vorliegen, oder ob sie erst infolge der veränderten Lebensbedingungen während der Jahre 1914—1916 neu entstanden sind. Daß aber tatsächlich die äußere Gestalt eines Tieres von dem Salzgehalt des umgebenden Mediums stark beeinflußt werden kann, geht vor allem aus den Untersuchungen von SCHMANKEWITSCH (1877) klar hervor. Der Autor fand einen auffällieen Unterschied derselben Tierart (Daphnia rectirostris), je nachdem sie in Sübwasser oder salz- haltigem Wasser gefunden wurde. Und zwar ist die Erklärung hier- für sehr einfach: je größer der Salzgehalt des Mediums ist, um so weiter bleiben die Tiere in ihrer Entwicklung zurück. In stark salzhaltigem Wasser gelangen die Tiere also überhaupt nicht über ein gewisses Jugendstadium hinaus, auf dem sie dann allerdings geschlechtsreif werden. Die auffallenden morphologischen Verschieden- heiten im Aussehen der Süß- und Salzwasserformen erklären sich also in diesem Falle durch eine entwicklungshemmende Funktion des Salzwassers. Ebenso wie eine Entwicklungshemmung kann aber auch eine Entwicklungserregung durch den Salzgehalt des Mediums be- wirkt werden. Und in diesem Zusammenhang brauche ich nur an Lors (1913), die Gebrüder HERTwIG und deren Schüler mit ihren Arbeiten über die sogenannte künstliche Parthenogenese und Be- Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 205 fruchtung zu erinnern. Nach Loes (1. c.) sollen es ja die Hydroxylionen einer hypertonischen Salzlösung sein, die als , life-saving factor“ nach erfolgter Membranbildung der Eizelle den gänzlichen Verfall des Eies verhindern. Bei einer weiteren Methode zum Studium der Wirkung von Salzlösungen handelt es sich um Versuche, wie sie z. B. eingangs, bei Besprechung der Hirscn’schen Arbeit, skizziert worden sind. Es wird dabei die physiologische Wirkung einer bestimmten Salzlösung oder eines Salzgemisches auf erwachsene oder jugendliche Tiere fest- gestellt. Außer Hırsc#’s Untersuchungen sind an dieser Stelle wohl auch die Arbeiten von Los (1911) mit dem Fisch Fundulus u. a. zu nennen. Durch diese Arbeiten hat man zu erforschen versucht, inwiefern die Quantität und Qualität der im Medium vorhandenen einzelnen Salze und Salzgemische von Bedeutung für die Tiere sind, und man ist zu dem Ergebnis gelangt, daß es für die einzelnen Tierarten sogenannte „physiologisch ausgeglichene Salz- lösungen“ gibt, die eine Reihe verschiedener Salze enthalten müssen, und die als Ganzes auf den lebenden Organismus keinerlei schädigende Wirkung ausüben. Der schädigende Einfluß tritt aber in vielen Fällen — bei stenohalinen Tieren — sofort in Erscheinung, wenn die Zusammensetzung der ausgeglichenen Lösung geändert wird: das physiologisch ausgeglichene wird dann zu einem unaus- geglichenen Salzgemisch, dessen Wirkung mit der eines „Giftes“ verglichen werden kann. „Für eurhyaline Tiere können Salzlösungen auch dann noch als physiologisch ausgeglichen gelten, wenn sie in ihrer quantitativen und qualitativen Zusammensetzung aus den einzelnen Salzen innerhalb weiterer Grenzen schwanken“ (STEMPELL und Kocx, 1916). In diese Versuchskategorie gehören auch die im 1. Teil der Arbeit wiedergegebenen eigenen Versuche über die Wirkung der verschiedenen Salze und Salzgemische auf die postembryonale Entwicklung von Culex pipiens. Es sei aber auch an dieser Stelle nochmals bemerkt, daß mit diesen Salzwasserversuchen ur- sprünglich Kein Selbstzweck verfolgt wurde, sondern dab es sich lediglich um Vorversuche für die Submersions- untersuchung handelte. Nur der Vollständigkeit halber sei schließlich noch auf eine letzte Kategorie von Salzwasserversuchen hingewiesen, bei denen es sich entweder um Feststellung der Wirkung einer Salzlösung auf ein bestimmtes Organ des Tieres, bzw. ein Organell eines Protozoons 206 MARGARETE GOFFERJE, (z. B. die pulsierende Vakuole | Harroe (1888), DEGEN (1905), ZÜLZER (1910), Stempeuu (1914)]) handelt, oder bei denen ein Ersatz der Körperflüssigkeit durch Salzlösungen in Frage kommt [RINGER, Locke (1894; 1900), Bacuronz (1907), FÜRNER (1908), GOrHurn (1902)?)]. Hierher gehören denn schließlich auch noch solche Versuche, bei denen man indirekt den Salzgehalt der Gewebszellen und Körper- flüssigkeiten durch Verfütterung von Salzen zu beeinflussen sucht _ [Caleium-Verfütterung: R. Emerica u. O. Loewe (1915). Diese Versuche führen aber so weit von den eigenen Untersuchungen ab, daß ein weiteres Eingehen auf die umfangreiche Literatur überflüssig erscheint. A. Züchtungsversuche. I. Technik der Züchtungsversuche. Ehe wir nun auf eine Besprechung der einzelnen Versuche ein- gehen, soll vorausgeschickt werden, daß bei den Züchtungsversuchen | in erster Linie auf die Feststellung Wert gelegt wurde, ob in dem betreffenden Medium eine postembryonale Entwicklung (Wachstum der Larven, Übergang vom Larven- zum Puppenstadium, Ausschlüpfen einer Imago) möglich ist oder nicht. Denn diese Beobachtungen sind m. E. für die Beurteilung der Schädlichkeit einer Salzlösung von viel größerem Werte, als die Angaben, die sich lediglich darauf beziehen, ob das Tier in dem betreffenden Medium eine bestimmte "Anzahl von Tagen leben kann oder nicht. Um aber den Einfluß des Mediums auf die postembryonale Entwicklung richtig beurteilen zu können, wurde eine genaue Nachprüfung der in der Literatur vorhandenen Angaben über die normale Puppenzeit von Culex pipiens notwendig. Daher wurden nicht nur Salzwasserversuche, sondern auch Züchtungsversuche in Süßwasser unter verschiedenen Bedingungen angestellt. Die ausnahmslos zu sämtlichen Versuchen benutzten Larven von Culex pipiens sind ja in der Zeit von Mitte Mai bis Ende Oktober in großen Mengen leicht zu beschaffen; sie können aber auch gut einige Zeit in Laboratoriumsaquarien gehalten werden. 2 Gruppen von Versuchen wurden angestellt: a) Züchtungen im Freiwasserbecken. 1) Vgl. die „Übersicht der physiologischen Ersatzflüssigkeiten“ bei TSCHERMAK, p. 126, 127. ù Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 207 Zu diesem Zwecke wurden die Larven einzeln in Glaszylinder gebracht, deren unteres Ende mittels feiner Planktongaze zugebunden war. Auf diese Weise bestand wohl die Möglichkeit, dai Wasser und Nannoplanktonten durch den Boden in das Gefäß eindrangen, die Larve selbst konnte aber die Réhre nicht verlassen. 12 solcher Versuchsgläser wurden in einen Holzständer gehängt, der mittels großer Korkstücke auf dem Wasser schwimmend erhalten wurde. Die Zylinderenden ragten mit ihrem offenen Ende mehrere Zenti- meter aus dem Wasser heraus, so daß es auch der Larve nach oben hin nicht méglich war zu entkommen. Zudem wurde während der Verpuppungszeit das obere Zylinderende mit einem Wattepfropf leicht verschlossen. , b) Ziichtungen im Laboratorium. Bei diesen Versuchen wurden 2 Versuchsreihen unterschieden: 1. „Fütterungsversuche“, 2. ,Hungerversuche“. - In beiden Fällen wurden die Tiere einzeln in Bechergläsern gehalten mit je 200 cem Versuchsflüssigkeit. Im Falle 1 enthielt das Wasser verschiedene Nahrungspartikelchen, im Falle 2 bestand die Versuchsflüssigkeit entweder aus destilliertem Wasser oder aus einer Salzlösung, auf jeden Fall ohne jeden Zusatz eines Nahrungs- stoffes. Als Salzlösungen wurden Normallösungen verwandt, die mit destilliertem Wasser hergestellt und dann entsprechend verdünnt wurden. An Salzen wurden — wie oben bereits angegeben — be- nutzt: NaCl, KCl, MgCl,, CaCl,, Na,SO,, K,SO,, MgS0,, KNO,, NaNO, und Ca(NOQ,),. Nachdem 200 ccm einer solchen Salzlösung in ein Becherglas gefüllt waren, wurde die Höhe des Wasserspiegels außen am Glase genau markiert und dann die Larve eingesetzt. Natürlich hätte bei Versuchen, die viele Tage oder Wochen dauerten, die Konzen- tration der Salzlösung in dem Maße zunehmen müssen, wie das Wasser verdunstete. Um aber diesen Fehler so viel wie möglich auszugleichen, wurde die Versuchsflüssigkeit dadurch möglichst konstant erhalten, daß sie öfters mit Aqua destillata bis zur Marke aufgefüllt wurde. Das Beste wäre vielleicht gewesen, jeden Tag das Versuchswasser zu erneuern. Da jedoch gleichzeitig meist 70—80 Versuche im Gange waren, so war dies rein technisch nicht zu ermöglichen, zumal mir von manchen Salzen infolge der Kriegs- verhältnisse leider nur bescheidene Mengen zur Verfügung standen. Andrerseits sollte auch die Versuchsanordnung nicht in der Weise 208 MARGARETE GOFFERJE, abgeändert werden, daß gleichzeitig in einem Versuchsglas mehrere Individuen beobachtet wurden, wie das z. B. Hırsch (1 c.) tat. Denn in einer Einzelzucht kann natürlich das Verhalten der Tiere leichter und viel einwandfreier beobachtet werden, und Häutungen, sowie die Dauer der Puppenzeit lassen sich nur so genau feststellen. Das Verhalten der Larven in den verschiedenen Medien ist für jede Versuchsgruppe graphisch dargestellt worden. Die Zeichnungen sind folgendermaßen zu verstehen: Die x-Achse gibt den Zeitpunkt an, in dem entweder der Tod oder die Verpuppung der Larve eintritt. Von der x-Achse nach unten ist die Dauer des Larvenlebens in Tagen eingetragen, nach oben diejenige des Puppenlebens. Da die Puppenzeit eine Fort- setzung der Larvenzeit darstellt, so ist als Ausgangspunkt des Ver- suches das untere Ende der Ordinate anzusehen, als Endpunkt das obere. Ein © auf der x-Achse bedeutet Verpuppung, ein © am Ende der Puppenzeit Imagobildung, ein — während des Larvenlebens eine Häutung, ein X das Eintreten des Todes. Die Larvenzeit erreicht nun aber manchmal derart hohe Werte, dab eine graphische Darstellung dieser Zahlen in den gewählten Ein- heiten nicht möglich ist. In allen diesen Fällen ist dann am unteren Endpunkt der die Zeit des Larvenlebens darstellenden Ordinate angegeben, wieviel Tage die Larve bis zur Erreichung dieses Punktes bereits in derselben Lösung gelebt hat. Wenn während dieser nicht graphisch dargestellten Zeit bereits eine Häutung stattgefunden hat, so ist durch eine an derselben Stelle in Klammern stehenden Zahl angegeben, wieviel Tage von Versuchsbeginn bis zu dieser Häutung vergangen sind. In Fig.G (S. 221) z.B. bedeutet die am rechten Ende der Zeichnung stehende Gerade: das Tier lebte 6 +30 — 36 Tage als Larve in dem Versuchsmedium; 1 Tag nach Versuchsbeginn fand eine Häutung statt. Am 36. Tag ging die Larve ein. Die danebenstehende Ge- rade läßt erkennen, daß ein anderes Versuchstier in demselben Medium 20 Tage als Larve lebte, daß 1 Tag nach Versuchsbeginn eine Häutung stattfand, daß am 20. Tage eine Verpuppung eintrat und nach weiteren 5 Tagen eine lebensfähige Imago ausschlüpfte. Wäre die Larve während der Verpuppung, bzw. die Imago während des Ausschlüpfens zugrunde gegangen, dann wäre in den die Puppe charakterisierenden Kreis, bzw. den die Imago kennzeichnenden Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 209 Doppelkreis ein Kreuz eingezeichnet worden, wie z. B. bei gi Figur. G. Die dick schwarz gezeichneten Linien stellen die Mittel- , werte der Lebensdauer aller in derselben Konzentration untersuchten Tiere dar. Für eine Berechnung dieser Mittelwerte mußte natürlich zu dem Larvenleben auch immer die Zeit des Puppenlebens hinzu- eezählt werden, wenn das Tier nicht schon auf dem Larvenstadium zugrunde ging. II. Fütterungsversuche. a) Züchtungsversuche unter natürlichen Bedingungen. Versuch 1. Zu diesen Versuchen wurden durchweg „große“ Larven ge- nommen, d. h. Larven, die vor der letzten Häutung, also vor der Verpuppung standen; denn es sollte bei dieser Gelegenheit vor allem die Dauer der Puppenzeit festgestellt werden unter Be- dingungen, wie sie in ganz ähnlicher Weise in der Natur vorhanden sind. Die Tiere wurden, wie in Kapitel I angegeben, im Freiwasser- becken gehalten, das mit Regenwasser gespeist wird, und das reich- liches Pflanzen- und Tiermaterial enthält. Als Futter wurden ihnen außer den an und für sich im Wasser vorhandenen Nahrungs- partikelchen kleine Algenstückchen verabreicht. Die Tiere waren natürlich allen Temperaturschwankungen des Wassers unterworfen, eine Tatsache, die sich von ausschlaggebender Bedeutung, vor allem für die Puppenzeit, erwies. Kontrolliert wurden die Versuche morgens, mittags und abends. Von 26 so beobachteten Larven gingen 11 zugrunde ohne zur Verpuppung geschritten zu sein. Die Zeit des vorher beobachteten Larvenlebens war eine verschieden lange, wie aus Fig. A zu ersehen ist. Von den 15 Puppen war 1 sofort tot, 3 weitere gingen eben- falls ein, ohne zur Imagobildung zu kommen. Die übrigen 11 bildeten Imagines, wovon jedoch 1 nicht ganz ausschlüpfte, sondern dabei einging. Die anderen 10 schlüpften normal aus nach einer verschieden langen Puppenzeit. Dieselbe schwankte zwischen 3 und 5 Tagen. Als Grund für die so verschiedene lange Puppenzeit können rein theoretisch folgende Punkte angegeben werden: 210 MARGARETE GOFFERJE, 1. Die Zeitdauer, die das Tier als Larve in dem Versuchsglas zugebracht hat. 2. Die Temperatur während des Versuchs. ©. GHD © ef? © : Fig. A. 10 Züchtungsversuche im Freiwasserbecken. 15 ad 1. Stellt man die zu gleich langen Puppenzeiten gehörenden Zahlen für die Zeitdauer des beobachteten Larvenlebens in den Versuchsgläsern zusammen und berechnet daraus die Durchschnitts- werte, so erhält man folgende Tabelle: Tabelle 1. ., |Dauer der beobachteten] Mittelwert | Forez Larvenlebens daraus Serie I 5 Dre 5 3 35 5 2 m 5 7 Serie II 4 4 4 7 4 7 4 2 4,5 4 3 4 3 Serie III 3 6 | 3 13 6,7 3 1 J Nach den sich ergebenden Durchschnittswerten könnte man annehmen, daß die Dauer der Puppenzeit zu der des beobachteten Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 911 Larvenlebens im umgekehrten Verhältnis stände, daß also die Tiere am längsten als Puppen lebten, die bei den Versuchen am schnellsten vom Larven- zum Puppenstadium übergegangen seien und umgekehrt. Die bei Versuchsbeginn in ihrer Entwicklung am weitesten vor- geschrittenen Larven müßten also dann die längste Puppenzeit durchgemacht haben. Wir wagen jedoch nicht, diese rechnerisch gefundenen Werte als Ausdruck der wirklichen Verhaltnisse anzu- sehen, sondern bewerten sie vielmehr als reine Zufallsergebnisse. Denn die tatsächlich beobachteten Larvenzeiten weichen in den einzelnen Serien derart voneinander ab und schwanken in solch weiten Grenzen um den gefundenen Mittelwert, daß wir im Gegen- teil vielmehr zu der Ansicht neigen, daß die Zeitdauer, die die Larve in dem Versuchsglase zugebracht hat, für die Dauer des Puppenstadiums bedeutungslos ist. (Besonders deutlich geht diese Tatsache aus Serie III der Tabelle hervor.) ad 2. Die 26 Versuche wurden in 3 Gruppen mit Larven von 3 verschiedenen Fundorten zu 3 verschiedenen Zeiten angestellt. Während die 12 Tiere der 1. Versuchsgruppe beobachtet wurden, war das Wetter durchweg kühl. Die 6 Versuche der 3. Gruppe wurden bei anfangs warmem, später allerdings kühlerem Wetter ausgeführt. Bei Anstellung der 2. Versuchsgruppe wurde leider kein Protokoll über die Temperatur aufgenommen; da diese Versuche aber zeitlich zwischen die 1. und 3. Versuchsgruppe fielen, so ist anzunehmen, daß es sich um warme Temperatur handelte. In der ersten Versuchsgruppe betrug die Puppenzeit im Durchschnitt 4,7 Tage in der zweiten 3 Tage, in der dritten 3,7 Tage. Man darf, obgleich es sich natürlich dabei um relativ wenige Versuche handelt, doch wohl daraus den Schluß ziehen, daß Beziehungen bestehen zwischen der längsten Puppenzeit und der kühlen Temperatur (Versuchsgruppe 1), der kürzesten Puppenzeit und der warmen Temperatur (Versuchs- gruppe 2) und schließlich der mittleren Puppenzeit und der schwankenden Temperatur (Versuchsgruppe 3). Dieses sich speziell auf die Dauer des Puppenstadiums beziehende Ergebnis bestätigt in seinem Teil die Allgemeinangaben über die Bedeutung der Temperatur für die Dauer der postembryonalen Ent- wicklung, wie wir sie bei den verschiedenen Autoren finden; so sagt GRÜNBERG (1910): „Die Entwicklung vom Ei bis zur Imago dauert je nach der Gunst der Witterung 2—4 Wochen, die Puppen- ruhe nur 2—4 Tage.“ 212 MARGARETE GOFFERJE, Befremdlich scheint auf den ersten Blick, daß eine so große Zahl Larven vor der Verpuppung zugrunde geht. Doch wenn man damit die Funde im Freien vergleicht, so ist das Ergebnis kaum als anormal anzusehen. Denn man findet auch in den von Culex- Larven bewohnten Tümpeln stets eine ziemlich erhebliche Menge toter Larven. Die einmal zur Verpuppung gelangten Larven scheinen widerstandsfähiger gegen schädigende Einflüsse zu sein und zum erößten Teil zur Imagobildung zu gelangen. Ein Grund für dieses Verhalten ist vielleicht darin zu suchen, daß für die Puppen keine Möglichkeit des Futtermangels bestehen kann, da sie ja während des Puppenstadiums überhaupt keine Nahrung auf- nehmen. Für die Larven kann aber — wenn auch wohl relativ selten — doch gelegentlich der Fall eintreten, daß sie nicht ge- nügend Nahrungsmittel finden und aus Unterernährung zugrunde gehen. (Untersuchungen über das verschiedenartige Verhalten von Larven und Puppen äußeren Einflüssen [Chemikalien] gegenüber, sind übrigens im Gang.) Die Ergebnisse aus Versuch 1 lassen sich im Hinblick auf die zuletzt besprochenen Tatsachen auch folgendermaßen zusammenstellen: Es gingen ohne Weiterentwicklung ein: von den Larven 42°, von den Puppen 27°, von den Imagines 9°; d. h. mit anderen Worten: Von den ursprünglich für den Versuch bestimmten Larven gingen ohne Weiterentwicklung, also ohne zum Puppenstadium zu gelangen, zugrunde: 42°/,. Von den entstandenen Puppen (58°/, der ursprünglichen Zahl der Versuchstiere) gingen schon bei der Verpuppung, sofort nach derselben oder im Laufe des Puppenstadiums ein: 27 °/,. Die übrigen 73 °/, der Puppen entwickelten sich somit zu Imagines. Von den entstandenen Imagines gingen 9°/, bei oder unmittelbar nach der Imagobildung ein. Stellt man eine entsprechende Berechnung nicht für den summarischen Versuch, sondern für die einzelnen Versuchsgruppen an, so ergeben sich folgende Werte: Es gingen ohne Weiterentwicklung ein: bei der Versuchsgruppe I: von den Larven 25°}, von den Puppen 22%, von den Imagines 0°); Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 218: bei der Versuchsgruppe II: von den Larven 63°), von den Puppen 67°, von den Imagines 100 °%),; bei der Versuchsgruppe III: von den Larven 50%, von den Puppen 02, von den Imagines 0%. Die in den Versuchsgruppen I und III benutzten Larven wurden aus typischen Schmutzwassertümpeln herausgefangen, die reichlich: Nahrungsstoffe enthielten. Die Larven, die für die Versuche der II. Gruppe verwandt wurden, stammten aus einer relativ klares Wasser enthaltenden Regentonne, in der die Larven eine Art Hungerdasein fristeten. Die Verschiedenartigkeit in dem Ernährungs- zustand läßt sich in obigen Zahlen erkennen. Während in den Gruppen I und III, in denen gut genährte Larven untersucht wurden, 42 bzw. 50 °/, der Tiere zugrunde gehen, sterben in Gruppe II alle Individuen. (Die einzige Imago, die zur Entwicklung kommt, stirbt während des Ausschlüpfens.) Der physiologische Zustand der Larven vor der Überführung in die Versuchsgläser, muß also bei Be- urteilung der nachfolgenden Entwicklung als wesent- licher Faktor mit in Rechnunggestellt werden. Deshalb wurden zu sämtlichen übrigen Versuchen nur Larven aus dem- selben Tümpel verwandt. b) Züchtungsversuche im Laboratorium mit Imaginesfütterung. Versuch 2. Es wurden im ganzen 11 Einzelversuche angestellt. Dabei wurde dem Versuchswasser eine willkürlich bestimmte Menge (etwa 0,3 g in 200 cem destillierten Wassers) eines Breies aus zer- riebenen Culex-Imagines zugefügt. Es handelte sich um — gelegentlich anderer Arbeiten angestellte — Versuche, durch die erprobt werden sollte, ob die in den Ima- gines vorhandenen Stoffwechselendprodukte eine scha- digende Wirkung auf die postembryonale Entwicklung der Larven auszuüben vermögen, wenn die genannten Substanzen Zool. Jahrb. 39, Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 15 214 MARGARETE GOFFERJE, = dem die Larven umgebenden Medium zugesetzt werden. Die Unter- suchungen, die natürlich aus dem eigentlichen Rahmen dieser Arbeit herausfielen und deshalb auch nicht weiter verfolgt wurden, schließen sich den Forschungen über die Genese des natürlichen Todes an. Wir nehmen ja heute an, daß „ebenso wie die Protistenzelle... auch die Metazoenzelle unter dem Einfluß der in ihr selbst und dem sie umgebenden Medium allmählich immer reichlicher auftretenden Stoffwechsel-Endprodukten schließlich in ihrer normalen Funktion gehindert“ 1) wird und so dem Tode verfällt. Gerade in letzter Zeit ist von verschiedenen Autoren (Lipschürz (1915) u. a.) auf dieses allgemein-physiologische Problem hingewiesen worden,’ so-z. B. von ZLATAROFF (1916), der Samen von Cicer arietinum über ver- | schiedenen Lösungen von Stoffwechsel-Endprodukten (Harnstoff, - Ammoniak usw.) und über einer [ ® @ Lüsung eines Extraktes aus etwa © © einen Monat alten etiolierten : ae || 14444 Keimlingen heranzog und dabei Hemmungen im Wachstum der Keimlinge feststellte. — | Die Resultate, die bei den Versuchen erzielt wurden, waren entschieden günstiger, als die bei den Versuchen im Freiwasser- Fig. B. becken. Ein ungünstiger Faktor wurde ja auch so gut wie ganz ausgeschaltet: ein erhebliches Schwanken der Temperatur. Die Puppenzeit schwankte im Laboratorium zwischen 2 und 4 Tagen (s. Fig. B), war also durchschnittlich 1 Tag kürzer, als die im Freiwasserbecken. Die prozentualen Angaben für die zugrunde gegangenen Larven, Puppen und Imagines lauten folgendermaßen: Es gehen ohne Weiterentwicklung ein: von den Larven 27%, von den Puppen 0% von den Imagines 13°). Züchtungsversuche bei 5 Imaginesfütterung. Bei einem Vergleich der prozentualen Ergebnisse von Versuch 2 und 1 ergibt sich, daß die Entwicklungsbedingungen im Laboratorium 1) Zitiert nach KocH, Über den Tod; in: Aus der Natur, Jg. 1917, p. 308. ; ie ABS Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 215 und bei Imagines-Fütterung günstiger sind, als im Freiwasserbecken. Am deutlichsten geht das wohl daraus hervor, daß von den 26 Larven in Versuch 1 sich 10 lebenskräftige Imagines, d. h. 38°, der Ver- suchstiere, entwickeln, während in Versuch 2 die entsprechende Zahl 64°, entspricht. Von einer schädigenden Wirkung der mit den Ima- gines dem Versuchswasser zugesetzten Stoffwechsel-Endprodukte auf die Larven konnte also nichts festgestellt werden. III. Hungerversuche. a) Unterschied zwischen den zu den Versuchen benutzten „großen“ und „kleinen“ Larven. Wie in der Einleitung bereits hervorgehoben worden ist, sind „große“ und „kleine“ Larven in die auf ihre Wirkung zu prüfenden Medien „überführt“ worden. Bekanntlich machen die Culiciden als Larven 3 Häutungen durch, so daß man 4 Larvenstadien unterscheiden kann. Als „große“ Larven wurden Tiere auf dem Larvenstadium IV bezeichnet; sie hatten also sämtliche Larven- häutungen hinter sich und standen vor der Verpuppung. Die Gesamtlänge solcher Tiere beträgt 4,7—75 mm, die Länge der Atemröhre im Durchschnitt 1,65 mm. Es war somit möglich, auf Grund dieser — durch eine Reihe von Versuchen ermittelten — Maße stets „große“ Larven zu finden. Normalerweise liegt zwischen der letzten Larvenhäutung und der Verpuppung ein Zeitraum von etwa 5 Tagen. „Kleine“ Larven von durchschnittlich 3,3--4,1 mm Länge standen dem III. Larvenstadium, hatten also noch eine Larvenhäutung vor der Verpuppung durchzumachen. In einigen wenigen Fällen wurden auch Tiere, die auf dem II. Larvenstadium standen (2,4—3 mm) zu Versuchen benutzt. b) Destilliertes Wasser als Züchtungsmedium. Versuch 3. Da wir uns nicht dazu entschließen konnten, die Larven während der Züchtungsversuche in Salzwasser zu füttern, weil dadurch die chemische Zusammensetzung des Wassers in weit höherem Maße beeinflußt worden wäre, als dies an und für sich 15* 216 MARGARETE GOFFERJE, schon durch die Anhäufung von Stoffwechsel-Endprodukten geschieht, so mußte zuerst die Entwicklungsmöglichkeit der Larven in Aqua destillata untersucht werden. Es liegen in dieser Hinsicht bereits Versuche von Koch vor, die allerdings andere Zwecke verfolgt haben. Da Kock mit physio- logisch wenig widerstandsfähigen Tieren (aus der Regentonne) und nebenbei auch mit sehr kleinen Wassermengen arbeitete, so gelangte keine der von ihm benutzten Larven zur Verpuppung. Meine Ver- suche führten zu dem folgenden Ergebnis: Es gingen ohne weitere Entwicklung ein: von den Larven 63°, von den Puppen 50°, von den Imagines 0°. Das in diesen Zahlen enthaltene Resultat ist natürlich weitaus ungünstiger, als das bei den Fütterungsversuchen 1 und 2. Während bei diesen Versuchen 38 bzw. 64°, der Tiere zu lebenden Imagines 5 werden, geschieht dies hier nur in 18%, de Fälle. Zur Imagobildung . gelangen überhaupt nur solche Indivi- duen, die bei Versuchsbeginn unmittel- bar vor der Verpuppung stehen, hôch- stens 2,6 Tage davon entfernt sind. Bei diesen Versuchen machten wir zum erstenmal die auffallende Beob- achtung, daß Larven in einer „Hungerkultur“, d. h. in Aqua destil- lata (und dasselbe gilt von dennoch zu 15 besprechenden Zuchtversuchen in Salz- wasser) so lange oder noch länger leben können, als normaler- sas e weise die gesamte postem- Fig en VUE in bryonale Entwicklung dauert. ’ Natürlich stehen bei diesen Versuchen den Larven Bakterien als Futter zur Verfügung, die sich im Laufe des Versuchs, oft in Form einer deutlichen Kahmhaut, ansiedeln. — In diesem Aqua-destillata-Versuch betrug die längste Lebensdauer, die eine Larve erreichte, 34 Tage, übrigens eine Zahl, die in den Salzwasserversuchen noch bei weitem übertroffen worden ist. Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 217 c) Salzwasser als Züchtungsmedium. Nach diesen vorbereitenden Untersuchungen konnte nun zu den Züchtungsversuchen in Salzwasser übergegangen werden. Im allgemeinen wurden die Salze in folgender Form angewandt: n n n n n Dre als @ 4° 8716 39° und gq Lösungen. | 1. NaCl. Versuch 4. Aus Fig. D ersieht man, daß die 5 "Lösung ein individuell ver- schiedenes Verhalten der Larven nicht zuläßt. Die Tiere sterben in dieser Konzentration alle nach 3—4 Stunden. Doch schon die nr en, us n n n 2 4 8 GP, | 37 "642 > | II 0 Fig. D. : Züchtung in NaCl-Lésungen. 10 : | m - i : 3 "Lösung wirkt weniger schäd- | à lich. In ihr kommt eine wahr- | scheinlich dicht vor der Ver- | | 20 puppung stehende Larve zur Verpuppung und entwickelt sich auch zur Imago. In der a A : 5 -Lösung verpuppen sich von 5 Larven 2 Tiere, von denen 3,2) 3 40('h) 19 39 aa das eine eine Imago liefert, die allerdings während des Ausschlüpfens zugrunde geht. Der Durch- schnitt der Lebensdauer ist 1,2 Tage länger, als in der T - Lösung. Weitaus günstigere Bedingungen für die Entwicklung bietet die 218 MARGARETE GOFFERJE, 1g Lösung, in der von 7 Tieren 4 „große“ Larven zu Puppen und 3 davon zu Imagines werden. Die Lebensdauer beträgt im Durch- schnitt etwas mehr als 12 Tage. Eine der „kleinen“ Larven lebt nach einmaliger Häutung noch 41 Tage in der Lösung. Diese anormal große Verlängerung des Larvenlebens auf einer Entwicklungsstufe (d. h. ohne Häutung) nimmt mit abnehmender Konzentration der Salzlösung noch zu, so daß wir in der 5: 35 - Lösung als Maximum 70 und in der Si" Lösung 69 Tage für das Larvenleben erhalten. Es tritt in diesem Falle allerdings keine Verpuppung ein, wohl aber bei einem Tier, das als Larve nur 2 Tage in dieser Be" lebt, und das es auch bis zur Imagobildung bringt. In der © 6A - Lésung tritt eine Verpuppung, aber keine Imagobildung ein. Die „großen“ Larven gehen ohne eee zugrunde. Die Mittelwerte der Lebensdauer in 55 und si NaCl unterscheiden sich um den relativ . kleinen Betrag von 21/, Tagen. Wesentliche Unterschiede im Ver- halten der Larven treten also bei diesem Konzentrationsunterschied mithin nicht auf, wenn wir auch bei Betrachtung des ganzen NaCl- Versuchs ein Aufsteigen der Mittelwerte bei fallenden Konzentrationen beobachten können. 2. KCl. Versuch 5B. Ein anderes Bild zeigt KCl als Züchtungsmedium. KCl wirkt weit ungiinstiger auf die Larven ein, als NaCl, was aus einem Vergleich der Figg. E und D ohne weiteres ersichtlich ist. Ab- gesehen von der + -Lösung, bei der die Zahlen ungefähr miteinander übereinstimmen, sind die Mittelwerte für KCl bedeutend kleiner, als die entsprechenden Werte für NaCl. Eine Imagobildung tritt hier erst bei a ein. Auffallend ist, daß der Durchschnittswert bei 55 größer ist, als bei = Allerdings wird das Ergebnis wesentlich 64° durch eine sehr lange Lebenszeit von 57 Tagen in der 25 -Lösung bedingt. Aber selbst, wenn man diesen Wert unberücksichtigt läßt, Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 219 Fig. E. Züchtung in KCl-Lésungen, 20 25 cj 2 CD ®& Cr) cic Fig. F Züchtung in MgCl,-Lüsungen ci 220 : MARGARETE GOFFERJE, erhalt man eine mittlere Lebensdauer fiir die 25 -Lösung von 8 Tagen, also einen Wert, der immer noch 11/, Tag größer ist, als der Mittel- wert für die A Es sei schließlich noch auf die Tatsache hingewiesen, daß in der — -Lösung eine — im Protokoll als „klein“ Ga bezeichnete — Larve nach 25 Tagen zur Verpuppung gelangt, ohne daß vorher eine Häutung des Tieres beobachtet werden konnte. Aus dieser Puppe schlüpft nach 3 Tagen eine lebensfähige Imago aus. 3 Me Ch... Versuch 6: Bei Anwendung von MgCl, nehmen die Mittelwerte für die Lebensdauer umgekehrt proportional den Konzentrationen zu. Für die 16 und 39 Lösung sind diese Größen annähernd gleich. Zur Imago- bildung kommt es erst in der schwächsten der angewandten Kon- zentrationen. In der 16" Lösung verpuppen sich zwar auch schon 2 Larven, sie bilden aber keine lebensfähigen Imagines. ,Kleine“ Larven kommen im Magnesiumchlorid nicht zur Verpuppung; bei einigen von ihnen konnte zwar eine Häutung beobachtet werden, die Tiere gingen aber dann nach verschieden langen Zeiten sämt- lich ein. 4. Ca CL. Versuch 7. Über die Wirkung von CaCl, auf die postembryonale Entwick- lung von Culex pipiens können wir leider es abschließendes Urteil | abgeben, da dieses Salz nur in der 3 bis 55 - Lösung angewandt wurde. Die Versuche mit CaCl, wurden zeitlich an erster Stelle angestellt, und zwar hatten wir uns damals noch nicht Bs ent- schlossen, überhaupt schwächere Konzentrationen als eine „, - Lösung 32 anzuwenden. Wie sich später, bei Bearbeitung des Materials heraus- stellte, wäre aber gerade in diesem Falle das Verhalten der Larven in einer „Lösung besonders interessant gewesen. Wir waren aber nicht mehr imstande, diese Versuche noch rechtzeitig nachzuholen, Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 9291 so daß auf eine spätere Ergänzung dieser Versuchsgruppe verwiesen werden muß. Für die > bis 35" Calciumehlorid-Lüsung erhalten wir für die Lebensdauer Mittelwerte, die — wie bei NaCl und MgCl, — um- gekehrt proportional dem Salzgehalt zunehmen. In der SIE n 35 Lösung treten Imagines auf. Im Gegensatz zu dem Verhalten -und der „kleinen“ Larven im Magnesiumchlorid konnte hier, und zwar in 35° CaCl,, eine solche Larve beobachtet werden, die nach einer Häutung zur Verpuppung und Imagobildung gelangte. n n n N ans 7 3% 8 16 320) 5 eT @ Y) © DEP & > 5 0 | 10 Fig. G. Züchtung in — ie CaC],-Lösungen. | Wir wollen hier an dieser Stelle auf eine Tatsache hinweisen, von der à später noch eingehend die Rede sein wird. Die Mittelwerte für die Lebens- dauer sind dann verhältnismäfig klein, wenn günstige Entwicklungsmöglich- keiten für die Larven vorliegen, d.h. wenn relativ schnell Verpuppung und : en Imagobildung möglich sind. Erreicht die Larve in den Salzlösungen aber keine höhere Entwicklungsstufe, sondern lebt sie viele Tage, selbst Wochen, ohne sich zu verpuppen, ja ohne sich überhaupt zu häuten, so steigt natürlich der Mittel- À 222 MARGARETE GOFFERJE, wert für die Lebensdauer. Dieses spricht aber nicht dafür, daß die betreffende Salzlösung als günstig anzusehen ist. Denn als günstig können wir nur ein solches Medium auf- fassen, in dem eine möglichst normale Entwicklung bis zur Imago stattfinden kann. Gerade in den CaCl,-Lösungen erreichen eine ganze Anzahl der Larven das Endstadium der Entwicklung, und deshalb sind auch die Mittelwerte für die Lebensdauer relativ niedrig. Die Beurteilung des Schädigungsgrades einer Salzlösung ist eben nur dadurch möglich, daß man die Mittel- werte für dieLebensdauer zusammen mit der Entwick- lungsmöglichkeit in Betracht zieht. 5. Vergleich der Wirkungsweise der benutzten Chloride. Bei einer vergleichenden Betrachtung der physiologischen Wirkung der Chloride wollen wir nun auf Grund der am Schlusse des vorigen Abschnittes ausgeführten Gedanken zunächst eine Zusammenstellung der erhaltenen Mittelwerte geben und dann einen Vergleich zwischen den Entwicklungserscheinungen in den einzelnen Lösungen anstellen, soweit das auf Grund des vorliegenden Materials möglich ist. In Fig. Oa (8.231) sind die Mittelwerte für die Versuche mit Chlo-- riden graphisch zusammengestellt. Man ersieht daraus, daß von der 5 - bis rer die Werte relativ nahe zusammenliegen. Für die Konzentration i gilt das nur für das Calcium-, Natrium- und Mag- nesium-Salz. Das Kaliumchlorid bleibt mit seinem Mittelwert hinter den entsprechenden Werten für die.drei übrigen Salze bedeutend zurück. Es wirkt also in dieser Stärke viel schädlicher als die anderen Chloride auf die Lebensdauer. In den 39 "Lösungen liegen die Mittelwerte jeweils weit auseinander, und dasselbe gilt für die nächste Konzentration. Natrium- und Magnesiumchlorid erreichen in der —— L 4 -Lösung ihren maximalen Wert, Kaliumchlorid aber schon in der — -Lösung; denn 32 ne 1 -KCl fällt der Mittelwert bedeutend gegen den vorhergehenden Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 2923 ab. (Für ern CaCl, ist die Größe des Mittelwertes noch nicht er- mittelt.) Ein vergleichendes Urteil über den Schädigungsgrad der ein- zelnen Salze ist also nach diesen Ausführungen nur für eine be- stimmte Konzentration möglich. Denn im graphischen Bilde geht der Anstieg der Einzelkurven nicht parallel vor sich, sondern die Linien überschneiden sich. Man kann demnach nicht behaupten — wie es vielleicht auf den ersten Blick den Anschein haben könnte —, daß z. B. das Natrium-Salz am günstigsten, das Kaliumchlorid am ungünstigsten. wirkte, sondern dieses Urteil gilt nur für die n | Konzentration 64" Diejenige Salzlösung wird natürlich als giinstigstes Medium im Hinblick auf die Entwicklungsmöglichkeiten zu gelten haben, in der die meisten lebensfähigen Imagines entstehen. Beim Anlegen dieses Maßstabes erheben sich aber bei Betrachtung unseres Materials in- sofern erhebliche Schwierigkeiten, als die Anzahl und Größe der für die einzelnen Versuche verwandten Larven stark variieren. Wären die Züchtungen in den salzhaltigen Medien ursprünglich nicht lediglich als Vorversuche zu den Submersionsuntersuchungen angestellt worden, so hätte natürlich in jeder Konzentration die- selbe Anzahl Tiere von derselben Entwicklungsstufe gezüchtet werden müssen. Es war uns aber gerade darum zu tun, verschieden starke Konzentrationen auf Larven von verschiedenem Alter einwirken zu lassen, um so einen allgemeinen Einblick in die schädigende Wirkung der einzelnen Salzlösungen zu erhalten, weil sich erst auf dieser Grundlage ein Urteil bilden ließ, in welcher Stärke die Salze während der Submersionsversuche anzuwenden waren. Kehren wir nach diesen Vorbemerkungen nun zur Besprechung der Entwicklungserscheinungen in den Chloriden zurück, so können n 9 Lösungen zu wir zunächst darauf hinweisen, daß es in sämtlichen keiner Imagobildung kommt. Abgesehen von Na Cl (+) und CaCl, (3) sind alle übrigen Salze in den Konzentrationen à und = zur Imagobildung nicht geeignet. In den TE bei MgCl, überall zur Imagobildung, am günstigsten wirkt NaCl. -Lösungen kommt es außer 224 MARGARETE GOFFERJE, Während bei diesem Salze in der folgenden Verdünnung die Zahl der Imagines abnimmt, liegen bei CaCl, = Verhaltnisse umgekehrt. Die beiden anderen Salze zeigen erst in — wieder Imagobildung. In en a i NaCl hort die Imagobildung aut, für 77 = CaCls sind die Verhältnisse noch nicht untersucht. | Summarisch betrachtet, entsteht in Natrium- und Caleium- chlorid die größte Anzahl Imagines, in dem Magne- siumchlorid die kleinste, während Kaliumchlorid in dieser Beziehung einen mittleren Wert liefert. 6. Na,SO,. Versuch 8. Wir wollen nun dazu übergehen, die Einwirkung der Sulfate auf die postembryonale Entwicklung zu betrachten, und zwar zu- nächst die Resultate, die sich bei Anwendung von Na,SO, ergeben haben. Untersucht wurde die a bis gx" Konzentration. Ebenso wie bei Anwendung des Chlorides von Natrium werden auch hier die Mittelwerte für die Lebensdauer um so grüber, je kleiner der sue gehalt wird. Verpuppung und Imagobildung finden nur in der Te N Lösung statt, das Maximum wird in 55 erreicht. Wir müssen und 39 wohl auch besonders darauf hinweisen, daß in ar Na,SO, eine Puppenzeit von 8 Tagen vorliegt; das ist der höchste von uns überhaupt beobachtete Wert. Réaumur berichtet zwar, dab die Puppenzeit 10—12 Tage betragen kann, aber weder im Freiwasser- becken, noch im Laboratorium sind diese Zahlen jemals in unseren Versuchen erreicht worden. Nur ein einziges Mal (in a) konnte bei den Natriumsulfatversuchen eine Häutung beobachtet werden, ob- gleich ein hoher Prozentsatz der zu den Versuchen benutzten Larven in den Protokollen als „klein“ bezeichnet ist, und obgleich die Tiere im Maximum eine Lebensdauer von 59 und 37 Tagen erreichten. Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 295 n n + re 6 32 SE ©) 5 ©) © 0 5 10 15 Fig. H. Züchtung in Na,S0,-Lüsungen. ep 25 7. K,SO,. Versuch 9. 4 | 30 In bezug auf Lebensdauer und Imagobildung wirkt das Kalium- salz der Schwefelsäure bedeutend günstiger, als das Natriumsalz. Ähnlich wie bei oe wird der re Mittelwert für die Lebens- dauer (28 Tage) in 35 x5 erreicht; in er fällt diese Größe um 17 Tage ab. Schon in. K,SO, kommt es zur Imagobildung. Mme erhalten wir eine en lebensfähige Imago, deren ursprünglich als „klein“ bezeichnete Larve nach einer Häutung zur Verpuppung gelangte. Zwischen Häutung und Verpuppung liegt eine Zeit von 3 Wochen. Inı übrigen konnten Häutungen verhältnismäßig oft beobachtet werden, allerdings auffallenderweise nicht bei = ie die die maximale Larvenzeit von 40 Tagen erreichte. In 39 N und 7 schlüpfen Imagines aus; es handelt sich dabei aber nur um „große“ Larven, die in diesen Konzentrationen das Endziel der Entwicklung erreichen. 226 MARGARETE GOFFERJE, ene, „ar ne n n 4 8 6 6 2 ca © 5 @) ii © © © OO DADS 0 5 10 15 20 Fig. J. Züchtung in | = K,SO,-Lösungen. 5 7 910 ay (2)1)(8) 8. MgSO,. Versuch 10. MgSO, wirkt auf die Entwicklung verhältnismäfig ungünstig ein. Es schlipft überhaupt nur eine einzige lebensfähige Imago aus, und zwar in D Die Zahlen für die Mittelwerte der Lebensdauer sind ebenfalls relativ klein. Der Maximalwert wird auch in diesem Falle wieder in 55 und nicht in a erreicht. Auffallend ist der ver- ee 4 I Lösung gestattet also den Larven schon in weit höherem Maße, als. es die entsprechenden Konzentrationen der anderen Salze tun, sich individuell, d. h. ihrem physiologischen Zustande entsprechend, zu verhalten. Häutungen konnten verschwindend selten und zwar nur in 4 Fällen von 47 Versuchen beobachtet werden. hältnismäßig große Mittelwert in er beträgt fast drei Tage. Diese Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 297 a IL 2 ene ane ne 4 8 6 32 © 64 & x Fig. K, Züchtung in MgSO,-Lösungen. 9. Vergleich der Wirkungsweise der benutzten Sulfate. Wir wollen nun im folgenden die Wirkungsweise der Sulfate miteinander vergleichen. Auch hier ist eine Gegenüberstellung der benutzten Salze in ihrer Wirkung auf die Lebensdauer nur fiir die einzelnen Konzentrationen méglich. Denn wie aus der Fig. Ob (S. 231) zu ersehen ist, oo sich die Kurven an den verschiedensten Punkten. Bis zur — a -Konzentration einschließlich liegen die Werte a die mittlere Lebensdauer ziemlich nahe zusammen. Fiir die 35 -Lösungen gilt dasselbe für Natrium- und Magnesiumsulfat, hin- a steigt der Mittelwert fiir das Kaliumsalz bedeutend an. In 35 liegen für K,SO, und MgSO, die Maximalwerte, während Na,SO, erst in der ax "Lösung die günstigsten Lebensbedingungen bietet. In bezug auf die Entwicklungsbedingungen wirkt zweifellos das Kaliumsalz am günstigsten, dann folgt das Natrium- und an letzter Stelle das Magnesiumsalz. In den ris treten überall Imagines auf, in enr im Natrium-, n in Sg und on nur im Kaliumsulfat, 20 25 30 228 MARGARETE GOFFERJE, 10. NaNO,. Versuch 11. Es bleibt uns nun noch übrig, das Verhalten der Culex-Larven in den salpetersauren Salzen zu besprechen. Bei Anwendung von NaNO, zeigt sich zunächst, daß die + -Lösung — ähnlich wie | KCl und 7 MgCl, — in solch hohem Grade schädlich auf die Larven einwirkt, daß kein individuelles Verhalten der Tiere in dieser Kon- zentration möglich ist. Auch in der -g Lösung ist der Mittelwert - für die Lebensdauer nicht viel größer, als in T NaNO,. In der le Zn Bin n n 4 8 16 2: 64. 5 | Fig. L. Züchtung in NaNO,-Lösungen. folgenden Verdünnung findet eine Verpuppung statt, und es schlüpft auch eine lebensfähige Imago aus. Wahrscheinlich ist diese Tatsache darauf zurückzuführen, daß wir es in vorliegendem Falle mit einer dicht vor der Verpuppung stehenden Larve zu tun hatten; denn in den salpetersauren Salzen entstand — mit einer Ausnahme — nur immer dann eine lebensfähige Imago, wenn die Verpuppung möglichst kurze Zeit nach Überführung in die Salzlösung eintrat. In der n Fe stattfindet, ist die schlieBlich entstehende Imago nicht lebensfähig. Konzentration, in der eine Verpuppung nach dreieinhalb Tagen Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens Ei 999 Über die Imagobildung in — NaNO, läßt sich dasselbe sagen, was a wir bei Besprechung der — N „Konzentration in bezug auf die Ent- 16 wicklungserscheinungen ausgeführt haben. Die Mittelwerte für Lebensdauer mit zunehmenden Verdünnungen nur sehr lang- sam an. Selbst für ea 1 beträgt dieser Wert noch nicht ganz 8 Tage. 11. KNO,. Versuch 12. Noch ungünstiger, im Hinblick auf Lebensdauer und Entwick- lungsmöglichkeit, liegen die Verhältnisse bei Anwendung von KNO,. Es kommt zwar in der g "Lösung schon zu Verpuppung und Imago- bildung, aber wohl nur deshalb, weil die Larve bei Versuchsbeginn Aue cn muse 5 4 8 @) 16 32 64 Fig. M. IE Züchtung in KNO,-Lösungen. 15 schon ganz dicht vor der Verpuppung stand. Sonst findet keine Weiterentwicklung statt, selbst Häutungen konnten nicht beobachtet werden. Wir erhalten in dem vorliegenden Falle die kleinsten über- haupt (in den i faa 4—13) beobachteten Mittelwerte fiir die Lebensdauer; sogar in — beträgt der Mittelwert noch nicht ganz 7 5 Tage. 12. Ca(NO,),. Versuch 13. Am günstigsten von den salpetersauren Salzen wirkt ent- schieden Ca(NO,),. Außer in ” tritt in allen weiteren Verdünnungen 4 Zool. Jahrb. 39. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 16 230 MARGARETE GOFFERJE, Verpuppung und Imagobildung auf. Bei der in der 5 „Lösung sich weiter entwickelnden Larve haben wir den oben erwähnten Ausnahmefall vor uns: Die Larve lebt als solche zwei Tage, während n n An 8s pal ae RER 16 32 64 5 © i à bp 0 5 10 15 Fig. N. Züchtung in Ca(NO;).-Lésungen. ai 20 die übrigen in derselben Konzentration gehaltenen Tiere, die nicht zur Verpuppung gelangen, höchstens einen Tag leben. Häutungen konnten in der 55 und gq Lösung beobachtet werden. 13. Vergleich der Wirkungsweise der benutzten Nitrate. Wenn wir nun die Wirkungen der benutzten Nitrate auf die Larven miteinander vergleichen, so ersehen wir zunächst aus Fig. Oc, daß in gleichen Konzentrationen die Mittelwerte für die Lebensdauer nie weiter als 3 Tage auseinander liegen. Das Calciumsalz wirktin bezug auf die Lebens- dauer zweifellos günstiger als KNO,, und zwar in allen untersuchten Konzentrationen. NaNO, verhält sich den beiden anderen Salzen gegenüber verschieden. ae pe er- zielten Mittelwerte fiir die Lebensdauer sind in der i und 7 gz Kon- zentration größer, in —- kleiner als die entsprechenden Werte in > den beiden anderen Salzen. ~ Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 231 30 25 20 Fig. Oa, b, c. Zusammenstellung der Mittelwerte für die Lebens- dauer der Larven in den Chloriden (a), den Sulfaten (b) und den Nitraten (c). Auch die besten Entwicklungsmöglichkeiten bietet zweifellos Ca(NO,),; denn es schlüpfen als lebensfähige Ima- gines aus: in Ca(NO,), :5 von 31 Larven, in NaNO; :3 von 30 Larven, in KNO, :1 von 30 Larven. IV. Vergleich der Wirkungsweise aller benutzten Salze. Wenn man die Wirkungsweise aller 10 Salze in den ver- schiedenen Verdünnungen auf die postembryonale Entwicklung der Mücken nun im ganzen überblickt, so läßt sich folgendes schließen: je nach der Menge des in demselben Volumen gelösten Salzes kann es sich um eine wohl am besten als „tödlich“, „indifferent“ oder „entwicklungshemmend“ zu charakterisierende Wir- kung der Salzlösung handeln. In den „tödlich“ wirkenden Lösungen sterben alle Larven innerhalb 24 Stunden; keine gelangt zur Verpuppung. Als ,indifferent“ wurde eine Lösung dann bezeichnet, wenn sich die Tiere darin in ver- hältnismäßig normaler Zeit, d. h. ohne übermäßig langes Larvenleben, entwickeln. Mit anderen Worten: in den indiffe- renten Lösungen tritt — durchweg bei der Hälfte der Tiere -- 16* 232 MARGARETE GOFFERJE, Verpuppung und Imagobildung ein in Zeiten, die im großen ganzen denjenigen entsprechen, die bei den Versuchen im Freiwasserbecken beobachtet wurden. „Entwicklungshemmend“ wurden schließ- lich die Lösungen genannt, wenn in ihnen die Tiere auf dem Larvenstadium (eventuell ohne Häutungen durchzumachen) anormal lang, manchmal mehr als das Doppelte der normalen Zeit, lebten. Nur in einigen wenigen Fällen kam es in diesen Lösungen zur Verpuppung und Imagobildung, und zwar handelte es sich dann immer um Larven, die bei Versuchsbeginn schon verhältnismäßig nahe der Verpuppung standen. In der folgen- den Tabelle sind die Konzentrationen eines jeden Salzes angegeben, die typisch tödlich, indifferent resp. entwicklungshemmend auf die Larven einwirken. Es ist begreiflicherweise nicht möglich, jede einzelne der angewandten Salzlösungen in eine der 3 Rubriken ein- zuordnen; denn es gibt für jedes Salz natürlich Konzentrationen, die in er Wirkungsweise Übergänge zwischen einer tödlichen und indifferenten, bzw. indifferenten und entwicklungshemmenden ‘ Lösung darstellen. Auch sind für einzelne Salze innerhalb der angewandten Verdünnungen nicht alle 3 Wirkungsgrade erreicht worden. Tabelle 2. Salz Tödlich Indifferent Entwicklungshemmend lo % % NaCl = — 2,95 Tr — 0,37 == 0,19) Gi — 0,09 KCl == — 33 mn — 0,12 $5 = 0,24 CaCl, 5 = 2.72 35 = 017 a MgCl, z= len) a — 0,07 Br NaS0, == — 3,52 => — 0,22 Qui K,S0, 5 — 448 ga = Old 2 MgSO, 5 — 3,04 = — 0,19 er NaNO; a = 218 Fr — 0,13 beds KNO, = 2,56 = = Ca(NO;) + De a 015 = Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 233 Aus der Tabelle ergibt sich zunächst, daß bei der Hälfte der n me Salzen gilt dies. auch noch fir die 7 Lösung. (In den zuletzt ge- benutzten Salze die Lösung tödlich wirkt, und bei den übrigen a à 4 n : nannten Fällen leben die Larven in der ‘9 "Konzentration nur so kurze Zeit, daß die entsprechenden Werte in die graphische Zeichnung über- haupt nicht aufgenommen werden konnten.) Für die 3 Sulfate wirkt n n a, qi trium- und Calciumchlorid als - die , für die 3 Nitrate auch die —-Lösung tödlich, während Na- Kalium- und Magnesiumchlorid n 4 allgemeinen ist es nun so, daß bei zunehmender Verdünnung zu- nächst die „indifferente“ und dann erst die „entwicklungshemmende“ Wirkung eintritt. Bei sämtlichen Salzen mit Ausnahme von KNO, konnte eine „indifferent“ wirkende Lösung festgestellt werden. Im allgemeinen auch noch als typisch „tödlich“ wirkende Lösungen sind. Im ist dies die 5 - oder die „Konzentration; bei NaCl allerdings schon KR die 16 konnten wir nur beim Natrium- und Kaliumsalz der Salzsäure und Schwefelsäure beobachten. Während bei den Natriumsalzen dieser beiden Säuren die „entwicklungshemmenden“ Lösungen kleineren Salzgehalt als die „indifferenten“ Lösungen der entsprechenden Salze haben, liegen bei den Kaliumsalzen die Verhältnisse umgekehrt. Dar- aus erklärt sich auch der relativ starke Abfall für die Werte der mitt- n n 307 ZU ay Der Salzgehalt der „indifferent“ wirkenden Lösungen schwankt bei den einzelnen Salzen zwischen 1lund4°,,. Wenn also ineinem nur ein einziges Salz enthaltenden Me- dium eine normale Entwicklung der Larven vor sich gehen soll, darf das Salz nur in dieser äußerst ge- ringen Menge vorhanden sein. -Lösung. Verdiinnungen, die „entwicklungshemmend“ wirken, leren Lebensdauer von der -Konzentration (s. Fig.O a u. b). 234 MARGARETE GOFFERJE, V. Das verschiedenartige Verhalten von „kleinen“ und „großen“ Larven. Wir haben oben (S. 215) schon darauf hingewiesen, daß in den einzelnen Salzlösungen sowohl ,kleine“ als „große“ Larven auf ihr Verhalten geprüft wurden. Es sind nun in den Fig. P—R die Werte für die mittlere Lebensdauer der „großen“ und „kleinen“ Larven be- sonders dargestellt. Bio Mittelwerte der Lebens- dauer von „großen“ und „kleinen“ Larven in NaNO,-Lösungen. Be So Wir können nach dem verschiedenartigen Verhalten der „großen“ und „kleinen“ Larven in denselben Lösungen die Salze in 3 Gruppen teilen: Als Beispiel für die 1. Gruppe mögen die Mages in den Natriumnitratlösungen dienen. Fig. P zeigt, daß in — 7 „große“ und „kleine“ Larven gleich schnell sterben. Mit fallenden Konzentrationen nimmt die Lebensdauer aller Larven zu, jedoch die der „großen“ in weit stärkerem Maße als die der „kleinen“. In NaCl (Fig. Q), das als Beispiel für die 2. Gruppe dienen soll, liegen die Verhältnisse in den == nnd N _ Lösungen ent- f a 8 by ae nee due sprechend wie in NaNO,. In der — Te 35" und 6A Lösung aber ist die Lebensdauer der „kleinen“ Larven bedeutend größer als die der „großen“. Zu der 3. Gruppe gehört z.B. MgSO, (Fig. R). Bei Anwendung dieses Salzes läßt sich überhaupt keine Gesetzmäßigkeit in dem ver- schiedenen Verhalten der „großen“ und „kleinen“ Tiere erblicken, ab- gesehen von der Tatsache, daß in der stärksten der benutzten Kon- zentrationen alle Larven ungefähr gleichzeitig zugrunde gehen. Wie in NaNO, verhielten sich die Larven nur in KNO,; wie in NaCl, in CaCl,, Na,SO,, K,SO, und Ca(NO,),; wie in MgSO, nur noch in MgCl,. Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L 235 Fig. Q. Mittelwerte der Lebensdauer von „großen“ und „kleinen“ Larven in NaCl-Lösungen. 2 Fig. R. Mittelwerte der Lebens- dauer von „großen“ und se „Kleinen“ Larven in - MgSO,-Lésungen. ; ee - …— “= _— mme __— Die am schädlichsten wirkenden Salze NaNO, und KNO, üben also auf „kleine“ Larven eine noch stärker 236 MARGARETE -GOFFERJE, schädigende Wirkung aus, als auf „große“; die Ma- gnesiumsalze lassen keine Gesetzmäßigkeit in ihrem Verhalten „großen“ und „kleinen“ Tieren gegenüber erkennen. Die übrigen Salze verhalten sich in den starken Lösungen wie Natrium- und Kaliumnitrat, ein Beweis für ihre stark schädigende Wirkung in der > a =" bzw. 16 Lösung. Mit abnehmender Konzentration nimmt derSchädigungsgrad dieser Salze der 2.Gruppe ab, und zwar können sich jetzt „kleine“ Larven an den . veränderten Salzgehalt wesentlich besser anpassen als „große“ Tiere. Am ungünstigsten (in bezug auf die Lebens- dauer) wirken also die Salze der 1. Gruppe, am günstigsten die der 2., während die der 3. Kategorie eine Mittelstellung einnehmen. VI. Züchtungsversuche in Salzgemischen. Versuche 14—25. Wir wollen im folgenden kurz auf eine Reihe von Züchtungs- versuchen eingehen, die in Salzgemischen angestellt wurden. Es lag nahe, obgleich es mit dem eingangs entwickelten Plan der Arbeit keinen direkten Zusammenhang hatte, durch Versuche zu er- proben, inwiefern die Wirkungsweise der besprochenen Salzlösungen eine Änderung erfährt, wenn statt eines einzelnen Salzes ein Ge- misch aus 2 oder 3 Salzen als Medium für die Larven benutzt. wird. Natürlich konnte das Problem, inwiefern bei der Züchtung von Culex-Larven „die Schädlichkeit reiner Salzlösungen durch Hin- zufügung geringer Mengen anderer Salze abgeschwächt oder sogar aufgehoben werden kann“ (Hirscu, p. 655), im Rahmen dieser Arbeit nicht gelöst werden. Dazu ist die Zahl der angestellten Versuche zu gering. Die bisher von uns festgestellten Ergebnisse sollen nur als Hinweis für weitere diesbezügliche Untersuchungen dienen. Wie aus den Tabellen 3 und 4 zu ersehen ist, wurden im all- gemeinen 2 oder 3 solcher Salzlösungen miteinander gemischt, in denen die mittlere Lebensdauer der Larven nahezu gleich war. Allerdings wurden in 3 Fällen auch solche Lösungen angewandt, bei denen in den Einzelsalzen verschieden große Werte für die mittlere Lebensdauer beobachtet worden waren. Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 237 Tabelle 3. I. Mischung von 2 Salzen. Mittlere Lebens- D = dauer im | s = | Gemisch im Verhältnis a ® ag i Si ei ee und 2 = von 1:1 Se = = AE me | es &| I. Salz | II. Salz | Salzgemisch use n 14 | {NaCl+— KCl £5. CS 11 2 PSE 15 = NaCl + Kc! 3 Se Omer een hy) |) == 16 g NaCl + KCl 30 43 SsBeal pet | eT AEPI2PUII. 17 4 CaCh +75 KCl EI EA aot KT, a n n 7 18 =. CaCl, + g Meck 3,6 | 34 | 3,3 — eee Ss) 19 = MgOL + KCI SA et gy nt as 197 — 20 | —-Na,S0,-+ g MgSO, | 88 |36 748] — ALT. 21 25 Ca(NOs)2+ 35 NaNO; So RS Pee bata à Ep 22 re MgSO, + 3 Kal entree 22h lio al! pee BME. 23 | = MgSO.+ ka 2813 | 44) — | 11 — Tabelle 4. II. Mischung von 3 Salzen. | von 1:1:1 Versuchs- nummer Bun. n n D yacht = Mec, + 2 | 25 | 2 Nacı + 4 MgCl + 5 KCl [8 Mittlere Lebens- | Es treten auf an Puppen Gemisch im Verhältnis 3,4 | dauer im und Imagines im N N eave NES À a A an | NZ = D (es) N.2 ile “a DER SE RAA ES = En 3 | 3,8 — — |1l| — 3 113811 P,1t.I| — |1I. | — ? | In obigen Tabellen bedeuten: P.— Puppe, I. — Imago, t. P.=tote Puppe, t. I. —tote Imago. 238 MARGARETE GOFFERJE, Natürlich war das Ziel dieser Versuche eine Herabsetzung des Schadigungsgrades der reinen Salzlösungen; dh Lösungen, in denen an und für sich keine normale Entwicklung und Lebensdauer der Tiere möglich war, durch geeignete Mischung in „indifferent“ wirkende Lösungen umzugestalten. Wir haben nicht mit entwicklungs- hemmenden Lösungen gearbeitet, sondern ausnahmslos mit starken Konzentrationen. Verschiedentlich haben wir hervorgehoben, daß für die Be- urteilung des Schädigungsgrades des Mediums die Ein- wirkung auf die Lebensdauer und Imagobildung in gleicher Weise in Betracht zu ziehen ist. Deshalb sind in der Tabelle die entsprechenden Werte für die einzelnen Lösungen neben- einander gestellt. | | Mit jedem Salzgemisch wurden 5 Einzelversuche angestellt, und zwar in der Regel mit 3 „großen“ und 2 „kleinen“ Larven. Was zunächst die Lebensdauer betrifft, so ist darauf hinzuweisen, daß in keinem einzigen Falle im Salzgemisch der Mittelwert derselben eine wesentliche Verkleinerung erfährt. In 2 Fällen (No. 15 u. 21) steht der gefundene Mittelwert zwischen den entsprechenden Größen der Einzelsalze, in 2 weiteren Versuchen (No. 18 u. 24) ist der Mittel- wert diesen Größen gleich. In diesen 4 Fällen kann von einer giinstigeren Wirkung des Salzgemisches gegenüber den Einzelsalzen nicht die Rede sein. In allen übrigen 8 Versuchen tritt eine Ver- langerung der mittleren Lebenszeit ein, am auffallendsten in Versuch 16, wo diese Verlängerung den sehr hohen Wert von 36,6 Tagen erreicht. Die Entwicklung der Larven zu Puppen und Imagines wird nicht in dem gleichen Maße durch die Mischung der Salze günstig beeinflußt, wie die Lebensdauer verlängert wird. Im Gegenteil sind in 7 Fällen (No. 15, 17, 19, 21, 23, 24, 25) die Entwicklungsmöglich- keiten verschlechtert, in 1 Falle unverändert (No. 18) und nur bei 4 Versuchen (No. 14, 16, 20, 22) verbessert. Durch die infolge der Salzmischungen erzielten Lebensverlängerungen der Larven wird also nicht gleichzeitig die Puppen-undImagobiidung begünstigt. Am typischsten liegen in dieser Beziehung die Verhältnisse in Ver- such 25: die mittlere Lebensdauer wird hier zwar um gut 10 Tage verlängert; obgleich aber in 2 von den benutzten Salzen Puppen- und Imagobildung eintritt, findet eine solche im Salzgemisch nicht statt. Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 239 Positive Ergebnisse in bezug auf eine Herabsetzung des Schädigungsgrades für die Entwicklungsmöglichkeit durch An- wendung von Salzgemischen liefern also nur die Versuche 16, 20, 22 und 14. In Versuch 16 wurde zweifellos das günstigste Resultat g NaCl und TE 1:1. In Versuch 14 wurden dieselben Salze, aber in doppelt so starker Konzentration, miteinander gemischt. Auch in diesem Falle wirkt das Gemisch wesentlich günstiger als die Einzelsalze, aber natürlich entsprechend der Stärke der angewandten Lösung längst nicht in dem Maße wie in Versuch 16. Die Metallbestandteile Na und K in den angewandten Mischungen verhalten sich ihrem Gewicht nach in Versuch 16: wie 2,88 : 2,33 = 1,2 :1, in Versuch 14: wie 5,76: 4,67 = 1,2: 1. Lors (1911) hat in seinen Versuchen an Fundulus nachgewiesen, daß bei Mischung von Natrium- und Kaliumchlorid dann eine „Ent- giftung“ zu beobachten ist, wenn sich die Metallteile der Salze dem Gewichte nach wie 17:1 verhalten. Ob auch bei den Versuchen mit Culicidenlarven eine weitere Verbesserung der Lebensbedingungen eintritt, wenn sich das in unseren Versuchen vorliegende Gewichts- verhältnis 1,2:1 mehr dem Werte 17:1 nähert, können erst zu- künftige Untersuchungen zeigen. erzielt durch Mischung von -KCI im Verhältnis von VII. GroBenangaben über die bei den Züchtungsversuchen im Salzwasser erhaltenen Imagines. Ehe wir nun auf einen Vergleich der von uns gewonnenen Resultate mit den in der Literatur vorhandenen Angaben eingehen, : : + R 5 | wollen wir noch eine Tatsache kurz erwähnen, die uns bei den Züchtungsversuchen im Salzwasser aufgefallen ist: die Größenver- hältnisse der bei den Salzversuchen erhaltenen Imagines gegenüber den unter natürlichen Bedingungen entstandenen Tieren. Für die normalen Imagines, deren Larven in Tümpeln oder ganz kurze Zeit im Aquarium gelebt hatten, ergeben sich als Durch- schnittswerte für eine Reihe gemessener Tiere folgende Maße: 4. Flügellänge 41 mm Rüssellänge 2,6 Abdomenlänge 4,1 240 . MARGARETE GOFFERJE, ©. Flügellänge 4,6 mm Rüssellänge 2,5 ; Abdomenlänge 3,6 Vergleichen wir Männchen und Weibchen miteinander, so zeigt sich, daß die Flügel des Weibchens durchweg größer sind als die des Männchens (vgl. L. O. Howarp, H. G. Dyar, F. Knas 1912—1915). Andererseits ist der Rüssel des Männchens länger als derjenige des Weibchens. Es ergibt sich ferner, daß die Flügel des Weibchens das Ab- domen desselben immer an Länge überragen, wohingegen beim Männchen Flügel- und Abdomenlänge nahezu übereinstimmen. Mißt man die bei nnseren Versuchen in Salzwasser gezüchteten Imagines, so ergeben sich wesentliche Abweichungen von den oben für normale Tiere erhaltenen Werten, wie aus der Tabelle 5 zu er- sehen ist. VIII. Vergleich zwischen dem erträglichen Salzgehalt für Culex-Larven und dem für andere Arthropoden, speziell Chironomus-Larven. In der Literatur sind verhältnismäßig wenig Angaben vorhanden über das Verhalten von Arthropoden, speziell Dipterenlarven, reinen Salzlösungen gegenüber. Es kommen da eigentlich nur in Frage die eingangs erwähnten Versuche von Hırsca (I. c.) mit Chironomus- Larven und Daphnien, ferner Arbeiten von Horrr (1907) mit Daph- nia, Cyclops und Cloe diptera, deren Verhalten allerdings nur im Natrium-, Calcium- und Magnesiumchlorid untersucht wurde. Es ist natiirlich von Interesse, die Resultate dieser Autoren mit den von uns erhaltenen Ergebnissen zu vergleichen, und zwar wollen wir uns darauf beschränken, die von uns als „indifferent“ festgestellten Konzentrationen den „erträglichen“ (Hirscu, |. c.), bzw. den „höch- sten unschädlichen“ (Horr, ].c.) Lösungen für die anderen Tiere gegenüberzustellen. Wir lassen diese Resultate am besten in Tabellenform folgen (Tabelle 6). Am meisten interessiert natiirlich ein Vergleich von Culex- mit Chironomus-Larven. Aus der Tabelle ergibt sich, daß in allen Fällen die Chironomiden ee ae 4—5mal so sroßen Salzgehalt als die Culiciden ertragen können. Bei Anwendung von Magnesiumchlorid zeigt sich dieses Verhalten Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 241 Tabelle 5.1 2 & Das Tier lebt dE 2 anal TE Maße der Imago = Medium ay =) 8 2 < SE Larve | Puppe |23| Flügel Rüssel | Abdomen SE I = K,S0, 1 Tag | 4 Tage | 2 | 45 (0,1) | 2,5 (0,0) | 3,5 (0,1) IL 39 Call, 2 Tage | 3 Tage 4,5 (0,1) | 2,2 (0,3) | 3,0 (0,6) III ig Natl 2 Tage | 4 Tage | © | 4,5 (0,1) | 2,2 (0,3) | 3,0 (0,6) n IV] =, MgSO, 13 Tage © | 3,3 (1,8) | 1,8 (0,7) | 2,5 (4,1) Y 35 CaCh, 22 Tage | 5 Tage | © | 3,5 (1,1)| 15 (1,0) | 2,3 (1,3) VI 3 Nacl 1 Tag | 2 Tage | | 3,7 (0,4) | 2,5 (0,1) | 3,5 (0,6) VII = MgSO, + 3 Kel 1 Tag | 3 Tage | | 3,5 (0,6)| 2,5 (0,1) | 3,8 (0,3) VIII 15 Natl 3 Tage | 3 Tage | | 3,2 (0,9) | 1,8 (0,8) | 3,0 (1,1) IX| + MgSO, + + KOI |18 Tage | 3 Tage | | 26 (1,5) | 2,0 (0,6) 26 (1,5) Die in Klammern stehenden Zahlen geben die Abweichungen von den ent- Die unter sprechenden fiir die normalen Imagines berechneten Mittelwerte an. No. I—III, VI und VII eingetragenen Tiere weisen, wie die in Klammern stehenden Zahlen angeben, zwar bestimmte Abweichungen von den für die normalen Tiere berechneten Mittelwerten auf, jedoch sind diese hier festgestellten Unterschiede nicht größer als die Abweichungen der normalen Tiere von dem Mittelwert. Sie liegen also innerhalb der normalen Variabilitätsgrenze und können folglich nicht auf den Einfluß der Salzlösungen zurückgeführt werden. Anders liegen die Ver- hältnisse in den unter IV, V, VIII und IX aufgeführten Versuche: hier sind die Abweichungen größer, als man sie bei normalen Tieren beobachten kann. Welche Bedeutung neben dem Einfluß der Salzlösungen dem Fehlen geeigneter Nahrungs- stoffe in den Züchtungsversuchen zuzuschreiben ist, läßt sich nach dem uns vor- liegenden Material noch nicht entscheiden. Es müssen da speziell auf diesen Punkt gerichtete Untersuchungen einsetzen. besonders deutlich; denn in diesem Falle kann Chironomus eine mehr als 11mal so starke Lösung ertragen. Die geringsten Abweichungen 1) Nach den in diese Tabelle aufgenommenen Messungen können wir schließen, daß in den Fällen Abweichungen von den Normalmaßen vor- liegen, in denen die Tiere als Larven und Puppen längere Zeit in den Salzlösungen zugebracht haben. 242 MARGARETE GOFFERJE, Tabelle 6. Daphnien |Daphnien | Chtronomus Cloe Cyclops Culex pipiens Salz (Hırsc#)*) | (Horer) | (Hırscn) ') diptera (Horer) (eigene Ver- (Horer) suche) "lo % % 2101 %o %o | n n | | n Ne NaCl 1 037 0,4 = 0,98 | 0405| 04 16 Oe n n Bs Tse KCl >| — 5 = 047 8 a a n* nz ; n CaCl, 5 | — 5 —0,69 | 04-15 | 09-15 | g5=0,17 n* \ n* n MgCl, 35 = 015 10,3505) 5 =0,79 | 1,0—-1,5 |0,35—05| g7=0,07 * N280, | 504 = zn — = 35 = 0,22 n n n K,S04 100 + 0,09 ag 16 = 0,55 For ee 64 = 0,14 * * MgS0, | 3 —009| — g =100] — zs. 35 = 0,19 n- n n NaNO, 35 — 0,27 = 16 = 0,53 bs = a = 0,18 n n n KNO, >00 | — 50 — — |<5=016 + n n Ca(NOs)s = = 0,13 — | gl - = ag — 0,18 findet man in NaCl und KNO,; denn hier dürfen die Lösungen für Chironomus nur 2,7- bzw. 2mal so stark -sein wie fiir Culex, wenn sie noch „indifferent“ wirken sollen. Dieses verschiedenartige Ver- halten von Culex- und Chironomus-Larven läßt sich wohl auf bio- logische Momente zurückführen. Denn Culicidenlarven gehören zu den Mesosaprobien hingegen Chironomidenlarven zu. den Polysaprobien. Wenn auch diese Unterscheidung im wesent- lichen auf dem O,-Gehalt des Wassers, in dem die Tiere leben, 1) Die Prozentgehalte für die aus der HırscH’schen Arbeit ent- nommenen Normallösungen sind von uns neu auf 2 Dezimalstellen be- rechnet worden. An den mit * bezeichneten Stellen stimmen die von HIRSCH angegebenen Werte für den Prozentgehalt nicht mit unseren Be- rechnungen für die betreffende Normallösung überein, und zwar deshalb nicht, weil HırscH den Gehalt an Krystallwasser bei der prozentualen Umrechnung mit in Rechnung gestellt hat. Wie der Autor aber zu seinen Werten von Ca(NO,), (15 = 0,97%, = =0,2%| gekommen ist, bleibt uns völlig unverständlich. Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 9243 beruht, so ist doch ohne weiteres anzunehmen, daß das im höchsten Grade verschmutzte und gerade infolgedessen O,-arme Medium der Polysaprobien ceteris paribus mehr Salze als das der Mesosaprobien enthält. Man kann deshalb annehmen, daß die Chironomiden infolge ihrer natürlichen Lebensweise gegen einen verhältnismäßig hohen Salzgehalt unempfindlicher sind, als die Culiciden — eine Tatsache, die eben durch die Züchtungsversuche im Salzwasser bestätigt wird. Zu den Mesosaprobien gehören auch die Daphnien. Wenn nun der soeben durchgeführte Gedankengang richtig ist, dann müssen sich Daphnien ähnlich wie Culex-Larven den Salz- lösungen gegenüber verhalten. Und dies ist tatsächlich der Fall und ohne weiteres aus der Tabelle zu ersehen. Ganz ähnlich wie Culex verträgt auch Daphnia, verglichen mit Chironomus, im Durch- schnitt nur ein Viertel bis ein Fünftel des Salzgehaltes, während Daphnia und Culex sich im wesentlichen gleich verhalten (in 4 Fällen wurde derselbe Salzgehalt, in 3 Fällen ein etwas größerer, in den 3 übrigen Fällen ein etwas kleinerer Salzgehalt für Culex im Ver- gleich zu Daphnia gefunden). Was schließlich das Verhalten von Cloe und Cyclops anbetrifft, so läßt sich aus dem spärlichen vorliegenden Material ein endgültiges Urteil noch nicht bilden, zumal in den 3 untersuchten Salzlösungen ein in jedem Fall verschiedenartiges Verhalten dieser Tiere den Culez- und Chironomus-Larven, sowie den Daphnien gegenüber vorliegt. Es liegen schließlich in der Literatur noch eine Reihe von An- gaben über das Vorkommen von Culicidenlarven, speziell Anopheliden, in Salzwasser vor (vgl. L. O. Howarp, H.G. Dyar, F. Knap [1912—15|). Natürlich leben in allen diesen Fälllen die Larven nicht — wie bei unseren Versuchen — in einer reinen Salzlösung, sondern in einem physiologisch mehr oder weniger ausgeglichenen Salzgemisch. Deshalb können diese Angaben zu einem Vergleich mit unseren Befunden überhaupt nicht herangezogen werden. | Um einen solchen Vergleich anstellen zu können, müssen erst die von uns nur nebenbei durchgeführten Versuche mit Salzgemischen systematisch ausgebaut werden. Erst auf Grund eines so gewonnenen, viel umfangreicheren Materials, als es das vorliegende ist, wird es dann auch möglich sein, das Problem, wie die Salze auf den Tier- körper einwirken, nach der theoretischen Seite hin durchzuarbeiten und zu zeigen, wie weit die bei Culex gefundenen Ergebnisse unsere D44 MARGARETE GOFFERJE, heutigen Anschauungen über die biologisch-physiologische Bedeutung der Salze stützen können. Nach diesen modernen Vorstellungen müssen wir annehmen, daß die rein osmotische Theorie zur Erklärung der Wirkungsweise der Salze auf den Tierkörper nicht ausreicht, sondern daß zum mindesten in gleichem Maße qualitativ-chemische bzw. kolloid-chemische Faktoren in Betracht kommen [näheres bei TscHERMAK (1916). So erklären — um ein Beispiel anzuführen — J. Lore u. H. Wasreneys (1911) in ihren bekannten Salzwasserversuchen den Tod von Fundulus in nicht ausgeglichenen Lösungen durch qualitativ-toxische Wirkung einzelner Salze und nicht durch osmotische Störungen. B. Submersionsversuche. I. Vorbemerkung: Beziehungen zwischen Teil A und B. Die Versuche des 2. Teiles der Arbeit schlossen sich folgender- maßen an die bisher besprochenen Untersuchungen an. Die Ab- sicht war, Larven, die vorher in Salzwasser gelebt hatten, auf die Funktion ihrer Tracheen während der Submersion zu untersuchen. Die Zeit, die die Larven in einer bestimmten Salzkonzentration leben können, war nach den eingehenden Züchtungsversuchen bekannt. Es wurden zunächst Larven, die bestimmte Zeiten in Salzwasser gelebt hatten, während der Submersion in Leitungswasser untersucht, um festzustellen, ob der dem Submersionsversuch vorausgegangene Aufenthalt in Salz- wasser eine anormale Tracheenfunktion (Gasabgabe durch den Atem- sipho) zur Folge hat. Da das Ergebnis negativ ausfiel, wurden die Versuche so abgeändert, daß die "Tiere nach vorausgegangenem Salzwasseraufenthalt in derselben Salzkonzentration während der Submersion untersucht wurden. Natürlich lag es dann nahe, auch Larven in Salzwasser zu submergieren, die nicht vorbehandelt waren, sondern im Aquarium gelebt hatten. Es stellte sich nun heraus, daß mit positivem Erfolg nur sehr stark schädlich wirkende Salz- konzentrationen angewendet werden konnten. Als solche wären — nach unseren Erfahrungen bei den Züchtungen — in erster Linie die Nitrate in Betracht gekommen. Die uns zur Verfügung stehenden Mengen der salpetersauren Salze waren nun aber sehr gering, und es gelang uns infolge der Kriegsverhältnisse trotz eifrigster Be- mühung leider nicht, das für die Submersionsversuche notwendige Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 245. relativ große Quantum dieser Salze zu erhalten. Wir gingen des- halb dazu über, ein uns in beliebiger Menge zur Verfügung stehendes Salz, nämlich Merkurichlorid (Sublimat), zu verwenden, weil dieser Stoff bereits in schwachen Lösungen sehr stark schädigend auf die Larven einwirkt. II. Technik der Submersionsversuche. a) Apparatur. Die für die Submersionsversuche verwandte Apparatur entspricht bis auf unwesentliche Abänderungen derjenigen, die A. Kock benutzt und in seiner Arbeit eingehend beschrieben hat. Wir können uns deshalb auf eine kurze Charakterisierung der Versuchsanordnung beschränken. Zum Versuche wird eine Larve in ein Röhrensystem ein- geschlossen, das aus 4 (mittels Gummischläuchen) hintereinander geschalteten und dann senkrecht nebeneinander montierten Röhren von je 2m Länge besteht. Das obere freie Ende der 1. Röhre steht durch einen Gummischlauch mit einer oberhalb des Röhrensystems aufgestellten, als 1. Füllbecken dienenden großen Flasche in Ver- bindung. Eine Abzweigung dieses Verbindungsschlauches führt zu einem anderen, als 2. Füllbecken dienenden Behälter. Ein in den Gummischlauch unterhalb der Abzweigung eingeschalteter Glashahn, sowie oberhalb der Zweigstelle angebrachte Quetschhähne gestatten, jede gewünschte Füllung bzw. Durchspülung des Röhrensystems vorzunehmen. Nachdem das Wasser alle Röhren passiert hat, wird es am Ende der 4. Röhre in einem Sammelgefäß aufgefangen. Die Röhren sind so montiert, daß das Wasser gleichzeitig in 2 Röhren aufwärts und in den beiden anderen abwärts fließt. Durch Maßb- stäbe, die neben den Röhren angebracht sind, wird es ermöglicht, den Stand bzw. die Bewegung einer in dem Rührensystem be- findlichen Larve jederzeit zahlenmäßig zu verfolgen. Wenn Culicidenlarven submergiert werden, so suchen sie, als metapneustische Insekten, durch aktives Aufwärtsschwimmen den Wasserspiegel zu erreichen. Der den Untersuchungen zugrunde liegende Plan geht darauf hinaus, die Larven so tief unter- zutauchen, daß die bis zumEintritt des Todes bzw. der Lethargie von ihnen produzierte Energie nicht aus- reicht, um die Tiere aktivbis zum Wasserspiegel hinauf- Zool. Jahrb. 39. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 17 946 : _ MARGARETE GOFFERJE, schwimmen zu lassen. Da das praktisch, wenigstens bei den von uns benutzten Flüssigkeiten, nicht zu ermöglichen ist, so wird die Larve, sobald sie sich dem Wasserspiegel (d. h. dem oberen Ende der 1. Rohe) nähert, durch Anlassen der Strömung möglichst schnell (in etwa 4—5 Sekunden) an das untere Ende der Röhre zurückgespült: Tritt nach längerer Submersionsdauer eventuell ein anhaltendes Sinken der Larve ein, so kann durch den Wasserstrom das Tier an das obere Ende einer solchen Rôhre gespült werden, in der das Wasser von unten nach oben fließt, und in der sie jedesmal wieder an das obere Ende. gespiilt werden kann, wenn sie bis zum unteren Ende gesunken ist. Auf diese Weise wird eine dauernde Beobashiume des Tieres bei der Submersion ermöglicht. Da normalerweise die Culex-Larven „unterkompensiert“, d. h. schwerer als Wasser sind, so setzt sich ihre in den Versuchsröhren. zu beobachtende „tatsächliche Bewegung“ aus passivem Sinken und aktivem Aufwärtsschwimmen zusammen. Wie aus dem unten durchgeführten Beispiel zu ersehen ist, kann diese „tatsächliche Be- wegung“ durch Beobachtung des jeweiligen Standes und der Zeit genau protokolliert und graphisch dargestellt werden. Ferner kann auf die entsprechende Weise ein Protokoll aufgenommen und auf Grund dessen eine graphische Darstellung der „passiven Bewegung“ allein ausgeführt werden. Aus diesen beiden Kurven ist dann rechnerisch der nur durch aktives Schwimmen zurückgelegte Weg zu ermitteln. Natürlich sind auch die Mittelwerte für die tatsächliche bzw. passive Bewegung aus den vorhandenen Angaben zu berechnen. Wäre das Tier bei Versuchsbeginn völlig energielos, so würde es sich nur um eine passive Bewegung (Sinken) während des ganzen Submersionsversuches handeln. Nun kommt aber infolge der Energie- produktion ein aktives Aufwärtsschwimmen der Larve hinzu, so daß ihre tatsächliche Sinkgeschwindigkeit kleiner als die passive Sink- geschwindigkeit wird. Würde die Larve z. B. in einer Stunde passiv etwa 20 m tief sinken, so sinkt sie tatsächlich (infolge ihrer aktiven Aufwärtsbewegung) nur ca. 7 m. Mit anderen Worten: statt mit rein passiver Bewegung eine Sinkgeschwindigkeit von 20 m pro Stunde = 0,56 cm/sec zu erreichen, verkleinert sie die Sinkge- schwindigkeit auf 7 m pro Stunde — 0,19 cm/sec. Die „mittlere Geschwindigkeitsänderung“ von 0,56—0,19 = 0,37 cm/sec ist also eine der Gesamtenergieproduktion während dieser Zeit direkt proportionale Größe, die, verglichen mit den entsprechenden, bei anderen Versuchen erhaltenen Zahlen — unter Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 247 gleichzeitiger Berücksichtigung der Versuchsdauer (s. unten) —, er- laubt, die energetischen Leistungen der Larven in den verschiedenen Medien einander gegenüberzustellen. Wir wollen nun ein — allerdings fingiertes — Beispiel für einen ganzen Versuch, also Protokoll, Berechnungen und graphische Dar- stellungen durchführen, um daran den oben skizzierten Gedanken- gang in allen Einzelheiten zu erläutern !). Tabelle 7. Versuchsprotokoll. 2 Zeit der Minuten und . Be- Stunde Sekunden sun He escngen merkungen 9 100 160 1005 : 50 2000 150 2003 75 128—125 11 Sekunden — 3000 25 30° —155 120—118 10 Sekunden ie 4000 55 4004 160 130—120 12 Sekunden mene Sanscg TA TI Torre Spalte 1 und 2 geben den genau festgestellten Zeitpunkt, Spalte 3 den zu diesen Zeiten beobachteten Stand der Larve an. Außerdem sind in Spalte 3 (Zeile 5, 8, 11) die Strecken durch ihre Endpunkte festgelegt, für welche eine passive Bewegung gemessen wurde. Spalte 4 gibt die für diese passiven Bewegungen erforderlichen Zeiten an. Als Bemerkungen sind in unserem Beispiel nur durch ent- sprechende Striche Angaben über die Lage der Larve während des passiven Sinkens zu finden. 1) Vgl. dazu auch die allgemeinen Bemerkungen über die Kurven- bilder in der Besprechung des Versuches 26 und 40. ETF 248 . MARGARETE GOFFERJE, Praktisch bedeutet die Tabelle folgendes: Um 9h 10 min befindet sich die Larve, die kurz vorher in die Röhre eingeführt wurde, bei dem Punkt 160 der Zentimetereinteilung. Um zu verhindern, daß das Tier das obere Ende der Röhre erreicht, wird es durch Anlassen der Strömung in 5 Sekunden zum Punkt 50 hinabgespült. Von da aus gelangt die Larve durch abwechselndes aktives Schwimmen und passives Sinken schließlich bis zum Punkt 150; sie wird dann wieder hinabgespült bis zum Punkt 75. Zwischen 9 h 20 min und 9h 30 min läßt die Energieproduktion der Larve nach; sie kann durch aktives Schwimmen nicht mehr das obere Ende des Rohres erreichen, sondern sinkt allmählich zum unteren Rohrende. Dies ist im Versuch um 9h 30 min der Fall; die Larve ist jetzt bis zum Punkt 25 gesunken. Damit sie nicht in den Ver- bindungsschlauch zur nächsten Röhre eintritt, wird sie durch An- lassen der Strömung in die 2. Röhre hineingespült und zwar bis zum Punkt 155 derselben. Es findet also von 9h 30 min bis 9 h 30 min 5 sec eine Überführung der Larve aus dem ersten als „positiv“ bezeichneten Rohr (Strömung des Wassers von oben nach unten) in die 2. „negative“ Röhre statt (Strömung von unten nach oben). Es ist dann von 9 h 40 min bis 9h 40 min 4 sec ein noch- maliges Emporspülen der Larve von 55 bis 160 zu beobachten, aber schon um 9 h 42 min hat das Tier die Stelle 60 wieder erreicht. Da während der letzten Minute, auch selbst auf Reize hin, keine aktiven Bewegungen der Larve mehr stattfanden, wurde der Versuch um 9h 42 min abgebrochen und die Larve aus dem Apparat heraus- gespült. Zwischen 9h 20 min und 9h 30min; 9h 30 min und 9h 40m; 9h 40 min und 9h 42 min wurde die passive Sink- geschwindigkeit gemessen. In Wirklichkeit wurden, da die Größe der passiven Geschwindigkeit wechselt, diese Messungen viel häufiger angestellt, um aber das Beispiel nicht unnötig zu komplizieren, wurden nur 3 solche Messungen in dasselbe eingetragen. b) Berechnungen. Da die aus den Protokollen abzuleitenden Endwerte auf wesent- lich anderem Wege berechnet wurden, wie das in der Kocn’schen Arbeit ausgeführt ist, so lassen wir eine eingehende Besprechung unserer Berechnungen folgen (s. Kurve 1a). Spalte 1, 2, 3 ent- sprechen dem Protokoll, Spalte 4 gibt den durch die tatsächliche Bewegung zurückgelegten Weg in cm, Spalte 5 denselben in der Kurve 1. Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 249 Tabelle 8. I. Berechnung der tatsächlichen Geschwindigkeit. Tae AE 4. 5. 6. SR VOR: : j : 3 | We Wnidten und Ent Differenz DÉSIR im 5 2 Zei Lis i Eden sprechen-| , Koordinaten- = = Ki der Stand maß in mm! 5“ Ar, =ts pe 1000 160 1005 50 || a 150 |, +100 1 +450 2003 49 0 244 in 2 \ —50 ae 10 | —0,5 |—26° 34 3005 155 a 3 | S—t00 m Oa —459 4004 160 1 Br | nn }—100 | a 2 | 50 |—790 41 110 100 90 10 20 30 40 50 80 210 iG ~ I -20 I 60 ! =: al 2 i ni", N 40 re 30 EHE 20 -70 od - -80 6 _ool 9 “0 2 30 40 50 a b 250 MARGARETE GOFFERJE, entsprechenden Verkleinerung für die graphische Darstellung an, Spalte 6 die Zeit, in der der betreffende Weg zurückgelegt wurde. Trägt man die in den Spalten 5 und 6 enthaltenen Größen in ein Koordinatensystem ein, dessen x-Achse als Zeitachse (1 mm = 1 Minute) und dessen y-Achse als Wegachse (1 mm = 10 cm) festgelegt wird, so ergibt sich ein Bild für die Geschwindigkeiten in den einzelnen Zeitintervallen. Die Geschwindigkeit ist nun gleich der Tangente des Winkels «, den die betreffende Strecke mit der positiven x-Achse bildet. Man kann deshalb auch die in Spalte 8 angegebenen Winkel ea als Vergleichszahlen für die einzelnen Ge- schwindigkeiten in ein Koordinatensystem eintragen, dessen x-Achse wieder Zeitachse und dessen y-Achse die Winkel in Graden (1 mm—1 Grad) angibt. Aus diesen Winkeln kann jederzeit der absolute Wert für die Geschwindigkeit in dem betreffenden Zeit- intervall festgestellt werden, wenn für die Koordinatenmaße die wirklich beobachteten Zahlenwerte eingesetzt werden. In der entsprechenden Weise, wie das oben für die Berechnung der Winkel angegeben ist, wurde in nachstehender Tabelle 9 die in den einzelnen Zeitintervallen beobachtete passive Geschwindigkeit in die Winkel # ungerechnet, und die Winkel « und 6 in das Koordinatensystem eingetragen (Kurve 1 a). - Tabelle 9. if 2. 3. 4 5 6. 7 8 9 1 Û em) ao Größe der 23 Eos 5 58 Minuten | passiv zurück- = S 8 2 DE A eee Weems gelegten Weg- | 32 I “sl sq ree Zeit | Stunde] und BE [z823| 27 [se ß strecke und die | <= z LE 5 oo [BM jmm Le D oo. = Sekunden | dazu gebrauchte| 27 |222| >> 5 a jmin Zeit 25 [529012 eo ay N a SE 2 Be \128-125 in 11] —0,277| 15 |—250|—25,0] —1,666 | —59° 2500 ate \ 120115 in 10“| —0,500] 15 |—450] —45,0] —3,000 | —720 joo 130-120 in 12”] —0833| 4 | 200] 20,0] —5,000 | —79° In Kurve 1b ist nun die mathematische Differenz der beiden in 1a enthaltenen Kurven dargestellt. Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 251 Die Größe der in Kurve 1b dargestellten Winkel ist proportional!) der Differenz aus der tatsächlichen und passiven Geschwindigkeit (gemessen im Koordinaten- maß), d. h. proportional der durch aktives Schwimmen erreichten Geschwindigkeit. Das Kurvenbild bietet also einen Anhaltspunkt für die Beurteilung der energetischen Leistung der Larve in den einzelnen Zeitabschnitten. Nur die der Kurvelb entsprechenden Darstellungen sind inden Text aufge- nommen worden. Es bleibt uns nun noch übrig, auf die ee med der oben er- wähnten Geschwindigkeitsänderung hinzuweisen. Der während des ganzen Versuches tatsächlich zurückgelegte Weg ergibt sich durch Addition der in Spalte 4 der Tabelle 8 angegebenen Größen. Er be- trägt in unserem Falle 150 cm, die in negativer Richtung (nach unten) zurückgelegt wurden. Um diese 150 cm bei der tatsächlichen Be- wegung zu sinken, braucht die Larve 32 Minuten (Spalte 1 und 2). Also ist die mittlere tatsächliche Geschwindigkeit = —0,08 cm/sec. Die mittlere passive Geschwindigkeit ist — —0,44 cm/sec. Denn der ganze passiv zurückgelegte Weg beträgt 900 cm (Tabelle 9, Spalte 6), die dazu notwendige Zeit 34 Minuten (Tabelle 9, Spalte 1 und 2). Folglich ist die mittlere Geschwindigkeitsänderung —0,36 cm/sec, d.h. statt während des ganzen Versuches mit einer mittleren passiven Geschwindigkeit von —0,44 cm/sec zu sinken, sinkt das Tier — dank seiner Energieproduktion — nur —0,08 cm/sec. Um 9 h 40 min, d.h. 30 Minuten nach Versuchsbeginn hört, — wie aus Kurve 1b zu er- sehen ist, die Energieproduktion auf; denn tatsächliche und passive Geschwindigkeit sind von diesem Zeitpunkt an gleich groß. Da die Größe der energetischen Leistung außer von der. mittleren Ge- schwindigkeitsänderung auch von der Zeitdauer abhängig ist, für die diese Geschwindigkeitsänderung festgestellt werden konnte, so kann das Produkt dieser beiden Größen (0,36-30 — 10,80) als Ver- gleichszahl für die Energieproduktion in den einzelnen Versuchen herangezogen werden. 1) Da die Winkel ihren Tangensfunktionen nicht proportional sind, so wird schon durch die Verwendung der Winkel an Stelle der den Ge- schwindigkeiten entsprechenden Tangenten auf nn verzichtet. Ferner gibt die in Kurve 1b gegebene Differenz der Winkel (a— ß) kein richtiges Bild für die Schwimmgeschwindigkeit, d. 1. für die Differin der Geschwindigkeiten (tga—tgß), weil tga—tgf keineswegs proportional a—ß ist. Mehr als einen „Anhaltspunkt“ kann das Kurvenbild also nicht geben. (Anm. des Herausgebers.) 252 © MARGARETE GOFFERJE, III. Submersionsversuche.') a) Vorbereitungsmedium: Na,SO,, Versuchsmedium: : Leitungswasser. : Bei diesen Versuchen werden die Larven zuerst in eine Na,SO,- Lösung gebracht, nach einer bestimmten, im Protokoll genau fest- gelegten Zeit in die Apparatur überführt und in Leitungswasser beobachtet. Versuch 26 (Kurve 2). Für den 1. Submersionsversuch wird eine „große“ Larve in N 80, 47 Stunden „vorbereitet“. Während dieser Zeit konnte keine Häutung beobachtet werden. Sie wird dann in die Apparatur 59 überführt; nach fast 3 Stunden ist keine Bewegung mehr festzustellen. Ein Bild der energetischen Lei- stung der Larve während der Submersion bietet Kurve 2. Die anfangs große Energieproduktion läßt nach 9 Minuten bedeutend nach; im weiteren Ver- laufe des Versuches finden noch einige kleine An- stiege der Kurve statt, im großen und ganzen bleibt die energetische Leistung aber sehr gering, bis sie nach 2 Stunden 40 Minuten ganz verschwindet. (Gegen Schluß des Versuches sinkt die Kurve verschiedentlich unter die x-Achse. Die in Frage kommenden negativen Teile der Kurve sind deshalb punktiert eingezeichnet, weil theoretisch die Kurve 146 130 120 110 100 90 80 70 60 50 40 30 10 10° 20 30. 20.50 117 100020730.7200 50 1270 720730 soo Kurve 2. à j : , : on Energiekurve einer Larve in Leitungswasser, nach Vorbereitung in ga NazSO,. 1) Die aus den einzelnen Kurven berechneten Werte sind in Tabelle 10, S. 275—277 zusammengestellt, Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 253 nicht negativ werden kann. Denn wir sind ja von dem Ge- danken ausgegangen, daß die tatsächliche (= aktive + passive) Geschwindigkeit immer größer ist als die passive Geschwindigkeit oder höchstens mit dieser zusammenfällt. Diese Annahme gründet sich auf die Beobachtung, daß die Larve fast immer während der Submersion aktiv nach oben schwimmt, wie das ihrer Stellung (Kopf nach unten) entspricht. Es kommt aber nun gelegentlich vor, dab das Tier in der Röhre sich um 180° dreht und dann eine Strecke weit (Kopf nach oben) abwärts schwimmt. In diesem Falle kann natürlich die durch aktives Schwimmen erreichte Sinkgeschwindig- keit größer werden als die für den betreffenden Zeitabschnitt fest- gestellte passive Sinkgeschwindigkeit, d.h. die Kurve muß für dieses . Zeitintervall negativ werden. Außerdem kann es vorkommen, dab die beobachtete passive Sinkgeschwindigkeit nicht ganz der wirk- lichen passiven Sinkgeschwindigkeit entspricht. Idealiter müßte ja die passive Sinkgeschwindigkeit für jeden Zeitpunkt genau bestimmt werden, praktisch muß man sich aber damit begnügen, diese Größe möglichst oft festzustellen und dann für ein bestimmtes Zeitintervall den Mittelwert zu wählen. Gibt dieser Mittelwert aber eine zu kleine Sinkgeschwindigkeit an, so daß die tatsächliche Sinkge- schwindigkeit größer ist als die passive, so muß auch aus diesem Grunde die Kurve negativ werden. Eine ungenaue Bestimmung des oben genannten Mittelwertes wird aber dann sehr leicht mög- lich, wenn das Tier andauernd zwischen der Vertikal- und Hori- zontallage wechselt (s. unten: Lageänderungen). Außerdem können immer dann Ungenauigkeiten des Kurvenbildes entstehen, wenn das Tier sich an der Wand der Glasröhre festzusetzen versucht. Durch ganz schwaches und kurzes Anlassen der Strömung wurde die Larve in allen solchen Fällen möglichst schnell wieder losgespült. Diese Fehlerquellen liegen mehr oder weniger bei allen Ver- suchen vor. Sie beeinträchtigen das Kurvenbild im ganzen aber so wenig, daß trotzdem ein Vergleich der einzelnen Darstellungen mit- einander möglich ist. Versuch 27 (Kurve 3). Für diesen Versuch bleibt die Larve 29 Stunden in einer n 32 überführt wird. Die Kurve für die Arbeitsleistung ist ähnlich der vorhergehenden. Zunächst findet wieder lebhafte Bewegung Na,SO,-Lösung, ehe sie in das Leitungswasser der Apparatur 254 MARGARETE GOFFERJE, wegung statt, die aber schon nach 4 Minuten stark nachläßt. Nach dem 1. steilen Kurvenabfall senkt sich dann die Kurve allmählich, steigt noch ab und zu etwas an und klingt dann langsam aus. Auch diese Kurve sinkt stellenweise unter die x-Achse und zwar — wie aus dem Protokoll hervorgeht — deshalb, weil sich das Tier verschiedentlich mit den Borsten des letzten Abdominalsegmentes an der Wandung der Glasröhre festgesetzt hat. Die Versuchsdauer beträgt knapp 2 Stunden, also etwa ?/, von der im vorigen Versuch beobachteten Submersionsdauer. a cs 150 140 Kurve 4. Energiekurve einer 90 Kurve 3. 90. Energiekurve einer Larve - 80 in Leitungswasser nach en Vorbereitung in n 39 N3S0,. Larve in Leitungs- wasser nach Vorbereitung in — EN, I Arlo | | HA A 10° 200 3024045050 020 So Bo 50:6. 950, 00 200 30 50 11 Versuch 28 (Kurve 4). Dieser Versuch war von noch kürzerer Dauer. Nach einer Stunde zeigte die Larve kein Lebenszeichen mehr. Vor der Submersion wird sie 87 Stunden in einer si Na,SO,-Lésung gehalten. Beim Über- führen in die Apparatur zeigt sie zunächst das Bestreben, sich an den Wänden der Röhre festzuheften. Dieses Verhalten ner in der Kurve (Kurve 4) vielleicht dadurch zum Ausdruck, daß nicht sofort, sondern erst nach 3 Minuten der höchste Punkt erreicht wird. Die Energieproduktion läßt aber bald nach, wie aus dem steilen Fall der Kurve ersichtlich ist. Nach verschiedenen Perioden Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 955 schwacher Energieproduktion tritt Lethargie ein. Typisch sind auch in diesem Versuch wieder die zunächst lebhaften Bewegungen der Larve, die schnell abflauen und allmählich ganz aufhören. Versuch 29 (Kurve 5). Vorbereitungsmedium: 23 Stunden us 5 Na,SO,. Schon nach 3 Minuten Submersionsdauer sinkt die Energieproduktion stark, um dann verhältnismäßig schnell ihr Ende zu erreichen. Nach einer SR 8 knappen Stunde ist der Versuch erledigt. Die —Na,SO,- Lösung : ER = = SENTE 3 30 40 50. 20 30 40 50 5 10 20 30 40 Kurve 6. % = Energiekurve einer 107°°20- 30.40 ’50.11 10. : - : der Larve in Leitungs- wasser nach Vor- Kurve 5. ü À | ‘ : A - bereitung in Energiekurve einer Larve in Leitungs- n SU = Na,SQ,. 4 NaSO:. wasser nach Vorbereitung in 8 muß also in 23 Stunden ziemlich stark schädigend auf den Gesamt- organismus gewirkt haben, so daß seine Arbeitsleistung und Wider- standskraft bei der Submersion sehr vermindert ist. Versuch 30 (Kurve 6). | Als stärkste Konzentration wurde bei Na,SO, als Vorbereitungs- medium die 4 Lösung benutzt. Nachdem die Larve 4 Stunden darin zugebracht hat, wird sie im Submersionsapparat untersucht. Die 256 MARGARETE GOFFERJE, aktive Bewegung der Larve ist von Anfang an viel geringer als in den Versuchen 26—29. Nach einer halben Stunde hort fast jede Bewegung auf, um nach 50 Minuten noch mal kurz aufzuleben und dann langsam zu erléschen. Die erlangte aktive Geschwindigkeit des Tieres ist während der ganzen Submersionsdauer viel weniger leb- haft als in den vorhergehenden Versuchen, doch ist die Widerstands- kraft der Larve verhältnismäßig groß; denn erst nach 2 Stunden konnte der Versuch als beendigt gelten. Versuch 31 (Kurve 7). Kontrollversuch. Vorbereitung: Aquarium. Vergleichen wir die Versuche 26—30 untereinander und mit einem Kontrollversuch, bei dem das Tier aus dem Aquarium direkt in Leitungswasser submergiert- wird, so sieht man, daß Na,SO, als Vorbereitungsmedium je nach der Stärke der Konzentration und der Dauer der Vorbereitungszeit einen stark schädigenden Einfluß auf Culex-Larven ausübt. Auffallend ist der Unterschied vor allem in der Energieproduktion; denn im Normalversuch fällt die Kurve erst nach etwa 45 Minuten langsam ab. In bezug auf die Versuchsdauer läßt sich bei einem Vergleich der Kurven 2—6 mit 7 allerdings kein endgültiges Urteil über die Bedeutung von Na,SO, als Vorbereitungsmedium abgeben, da der Versuch 31 vorzeitig abgebrochen werden mußte. Wie aber aus Tabelle 11 zu ersehen ist, können wir im Durchschnitt 150 Minuten Dauer für einen normalen Versuch annehmen, also einen Wert, der nur in Versuch 26 übertroffen, in den übrigen Na,SO,-Versuchen aber nicht erreicht wird. Eine Gasabscheidung durch das Stigma des Atem- tubus findet in keinem Falle statt. Selbst ein Ansammeln von Gas an der Wurzel des Atemtubus, wie es in späteren Ver- suchen häufiger auftrat, konnte nicht beobachtet werden. b) Vorbereitungsmedium: KCl; Versuchsmedium: Leitungswasser. Versuch 32 (Kurve 8). Nachdem die Larve 15 Stunden in aa KCl zugebracht hat, wird sie in die Apparatur überführt. Sie entfaltet dort nicht gleich ihre volle Energie, sondern erst nach 5 Minuten wird der höchste Punkt Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 257 der Kurve erreicht. Dann tritt ein steiler Abfall ein. Nach noch- maligem Anstieg der Kurve wird die aktive Bewegung immer ge- ringer, bis nach 3 Stunden der Versuch abgebrochen wird, weil über irgendwelche Gasabscheidung keine Beobachtung gemacht werden kann. 140 80 130 70 120 r 60 110 50 100 | 40 co 30 80 20 70 10 60 - 9 10 20 30 40 50 6 10 20 30 = Kurve 7. 40 Energiekurve einer Larve in Leitungswasser nach 30 Vorbereitung im Aquarium. 0 L 9 10 20 30 40 50 10 10 20 30 40 50 11 10 20 30 40 50 12 10 Kurve 8. Energiekurve einer Larve in Leitungswasser nach Vorbereitung in aq KCl. Versuch 33 (Kurve 9). n 1 39 KCl. Nach Uberführung in die Apparatur zeigt sich — in noch weit auffallenderer Weise als in Kurve 4, 7 und 8 — eine allmihliche Zunahme der Energieproduktion. Das Bestreben der Larve, sich an der Glaswand anzuheften, machte sich besonders bei Versuchs- beginn stérend bemerkbar. Zum Teil ist es auf dieses Verhalten Vorbereitungszeit: 102 Stunden 258 MARGARETE GOFFERJE, des Tieres zurückzuführen, daß es im Kurvenbild erst nach 10 Minuten zur energetischen Maximalleistung kommt. Zum Teil ist diese Er- scheinung aber zweifellos auch physiologisch bedingt; denn wir werden in einer Anzahl weiterer Versuche, bei denen ein Anheften des Tieres nicht stattgefunden hat, wieder dieselbe Erfahrung machen. Der Abfall der Kurve erfolgt zunächst langsam; um 7h tritt dann ein starkes Nachlassen der Energieproduktion ein, und während der letzten halben Stunde bleibt dieselbe äußerst gering. 160 160 150 150 140 140 Kurve 9. Kurve 10. Energiekurve einer jo Energiekurve einer Larve in Leitungs- Larve in Leitungs- wasser nach Vor- wasser nach Vor- bereitung in bereitung in n n 35 KCl. 39 KA. 20 à | 6 30 40 50 7 10 20 30 40 50-8 4 20 30 40 50° 1210 ul Versuch 34 (Kurve 10). Das Vorbereitungsmedium war dasselbe wie im vorigen Versuch, die Vorbereitungszeit betrug 96 Stunden. Die größte Endproduktion trat 2 Minuten nach Submersionsbeginn ein. Die Kurve bewegt sich anfänglich auf ungefähr gleicher Höhe, bis nach 13 Minuten ein steiler Abfall erfolgt. Kleine Erhebungen über die x-Achse, die keiner nennenswerten Arbeitsleistung mehr entsprechen, charakteri- sieren das Verhalten des Tieres bis zum Versuchsschluß. Ne Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 259 Versuch 35 (Kurve 11). scree n Zur Vorbereitung wird eine Larve 7 Stunden in einer 16 NaCl-Lisung gefüllten Apparat gebracht. Die Energieproduktion der Larve ist relativ groß, wie in den meisten Fällen, in denen das Tier nicht in einem stark schädigenden Medium vorbereitet wird. Auffallend sind die beiden Minima der Kurve in dem ersten Teil des Versuches, die einer jeweils 3 Minuten anhaltenden, stark ver- minderten Energieproduktion der Larve entsprechen. Während der 80 Minuten Versuchsdauer konnte in bezug auf die Funktion des Tracheensystems nichts Auffallendes beobachtet werden. Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 267 Versuch 45 (Kurve 19). Der nun folgende Versuch wurde mit einer noch stärkeren Koch- salzlösung, | NaCl, ausgeführt. Da das Tier anfänglich große Strecken abwärtsschwimmt, ist während der ersten 13 Minuuten die Erhebung der Kurve verhältnismäßig gering. Im weiteren Verlaufe des Ver- suches hört das Abwärtsschwimmen auf, nur zwischen 4h 38 min und 4h 39 min setzt noch einmal eine lebhafte aktive Abwärtsbe- wegung ein, so daß die Kurve an dieser Stelle bedeutend unter die x-Achse sinkt. Zweimal treten Gasblasen am Stigma auf. Im 1. Falle wird die Gasblase abgeschleudert, im 2. handelt es sich um ein mehrmaliges sogenanntes „Aufblitzen“ von Gasblasen; es kommt aber nicht mehr zur Abgabe einer solchen. Auch bei den Versuchen dieser Gruppe zeigt sich somit wieder, daß nur eine stark schädigende Lösung die normale Funktion des Tracheensystems störend beeinflußt. f) Vorbereitungsmedium: NaCl; Versuchsmedium: NaCl. Versuche 46 und 47. n Versuch 46: Vorbereitung: 75 Minuten 9 NaCl, Versuchsme- dium: 3 NaCl. Versuch 47: Vorbereitung: 75 Minuten = NaCl, Versuchsme- dium: = NaCl. In diesen Versuchen ist die Energieproduktion klein, da die Larven bei Versuchsbeginn infolge der Vorbehandlung schon stark geschwacht sind. In beiden Fallen treten Gasblasen auf; in Versuch 46 werden 2 abgegeben, in Versuch 47 kommt es eine Zeitlang zum Aufblitzen einer Gasblase, eine kleine Gasblase wird abgegeben, und bei Versuchsschluß sitzt eine solche am Stigma der Atemröhre. 268 MARGARETE GOFFERJE, g) Vorbereitungsmedium: Aquariumswasser; Versuchsmedium: Na,SQ,. Versuch 48 (Kurve 20). Mit Na,SO, als Versuchsmedium wurde nur ein Versuch ange- n AN | beginn einsetzenden großen Energieproduktion folgt schon nach einer Minute ein starkes Nachlassen in der Be- wegung, so daß nach dem 1. Maximum ein 3 Minuten anhaltendes Minimum einsetzt. Von 4h 19 min ab verläuft der Versuch normal. stellt und zwar mit der Lösung. Der unmittelbar nach Versuchs- 160 150 140 ol 120 110 Rue en Die energetische Ma- Energiekurve ximalleistung erreicht, BY einer Larve in um 4h 34,5 min ihr 70 2 Na,80, Ende. Von da bis zum 60 Schluß findet ein all- ie nach dense in mählicher Übergang PR Aquariumswasser. zur Lethargie statt. Von einer Gasabgabe konnte nichts beob- achtet werden. In der angewandten 9 Konzentration wirkt 4 10 20 30 40 50 5 10 20 30 40 50 6 10 also Na, SO, noch nicht störend auf den normalen Atemmechanismus ein. Ob das bei Be- nutzung einer stärkeren. Lösung auch der Fall ist, müssen zu- künftige Untersuchungen zeigen. h) Vorbereitungsmedium: Aquariumswasser; Versuchsmedium: HegCl,. Da, wie in der Einleitung zu Teil B ausgeführt ist, HgCl, als Submersionsmedium ursprünglich nicht vorgesehen war, so mußten zunächst Züchtungsversuche mit diesem Salz angestellt werden, um den Schädigungsgrad desselben beurteilen zu können. Es zeigte Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 269 sich, daß die Larven in einer 10 Lösung nach 2 Stunden tot sind, in einer 59 Lösung schon nach 1 Stunde. Beide Konzentrationen wurden zu Versuchen benutzt. Versuch 49 (Kurve 21). Die Tiere kommen aus dem Aquarium direkt in den mit der 10 HsCl,-Lösung gefüllten Apparat. Die Kurve zeigt ein auffallend eleichförmiges Maximum, dem on eine sehr geringe Erhebung vor- angeht. Nach der energetischen Maximalleistung werden die Be- wegungen sofort äußerst klein 160 150 140 und hören bald ganz auf. In Be einer knappen Stunde ist der 120 Versuch beendet. Verschie- 110 dentlich blitzen während oF 90 80 : 70 5 60 P 50 4 40 36 30 iy 20 0 10 0 a B Han test 7 10020 3 30 40 50 4 10 20” 30 Kurve 21. Kurve 22. Energiekurve einer Larve in Energiekurve einer Larve in D HgCl; nach Vorbereitung 5 HgCl, nach Vorbereitung in Aquariumswasser. in Aquariumswasser. des Versuches Gasblasen an den Stigmen des Atem- tubus auf, aber ohne abgegeben zu werden. 270 . MARGARETE GOFFERJE, Versuch 50 (Kurve 22). Vorbereitung und Versuchsmedium wie in Versuch 49. Es zeigt sich eine sehr starke Energieentwicklung; nach 12 Minuten nimmt dieselbe plötzlich bedeutend ab. Die weitere Abnahme geht dann langsam vor sich bis schließlich die Lebens- kraft des Tieres erschöpft ist. Erst gegen Versuchsschluß erscheint am Atemrohr eine Gasblase, die nach 2 Minuten ab-. geschleudert wird. Auch blitzen häufiger Gasblasen auf, ohne daß dieselben abgegeben werden. | Versuch 51 (Kurve 23). Vorbereitung und Versuchsmedium wie in Versuch 49. Auf eine anfänglich starke Energieproduktion folgt bald ein plötzliches Nachlassen derselben, aber nach, weiteren 7 Minuten 160 | 150 140 130 120 110 Kurve 23. 100 100 OG Energiekurve oh einer Larve in Kurve 24. qo Heck nach Energiekurve m 7 . . 43 einer Larve in an Vorbereitung in i Aquariums- a 49 Hg. nach 50 wasser. 50 N Vorbereitung a 40 in Aquariums- 30 30 Wasser. 20 Vaal 20 10 10 0 Ce fig 0 10 50 11 10 20 30 40 50 12 10 20 10 30 40 50 11 40 20 30 40 tritt wieder eine sehr lebhafte aktive Bewegung des Tieres ein, die allerdings nur 31}, Minuten anhält. Es folgen dann noch eine erößere und verschiedene kleinere Erhebungen der Kurve über die x-Achse, ehe der Versuch als beendigt angesehen werden Kann. Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 271 Auch hier blitzen wieder verschiedene Gasblasen auf, aber eine Abgabe derselben in das Medium findet nicht statt. Versuch 52 (Kurve 24). | Vorbereitung und Versuchsmedium wie in Versuch 49. Dem ersten energetischen Maximum folgt nach 18 Minuten ein nur 1 Minute anhaltendes Maximum. Danach geht die Energie- produktion bedeutend zuriick; nach knapp 1 Stunde ist der Ver- such beendet. Zweimal erscheint im Laufe des Versuches eine Gasblase, die auch jedesmalin das Medium abgegeben wird. Sch Versuch 53 (Kurve 25). Vorbereitung und Versuchsmedium wie in Versuch 49. Ganz ähnlich wie im Versuch 52 folgt dem 1. Maximum ein kurz anhaltendes 2. Erst dann bleibt die Energieproduktion dauernd gering. Irgendeine anormale Funktion des Tracheensystems konnte nicht beobachtet werden. Versuche 54 und 55. In diesen beiden Versuchen wurde während der Submer- 15 Hedl, vorgenommen. Die Larven lebten bis zum Versuchsbeginn im Aquarium. Während der ersten halben Stunde wurden die Tiere in beiden Versuchen in Leitungswasser submergiert. In Ver- such 54 gab die Larve schon nach 2 Minuten (also im Leitungswasser!) eine Gasblase ab, von da ab bis zum Versuchsschluß (also auch im HgCl,) konnte keine entsprechende Beobachtung mehr gemacht werden. Im Versuch 55 fand weder im Leitungswasser noch in der Sublimatlösung eine Gasblasenabgabe statt; auch ein , Aufblitzen“ konnte nicht beobachtet werden. sion eine Überführung von Leitungswasser in Versuch 56 (Kurve 26). Vorbereitung: Aquariumswasser; Versuchsmedium: 50 HegCl,. Wie wir das schon häufiger beobachtet haben, liegt auch in diesem Versuche ein zweimaliges Ansteigen der Kurve zu einem Maximum vor, allerdings ist das 2. Maximum von wesentlich kiirzerer Dauer als das 1. Schon nach 1'/, Minuten Versuchsdauer zeigt sich 150 140 130 120 110 100 MARGARETE GOFFERJE, 0 30° 40 50 127700720 30 20 6008 10 10 Kurve 25. Energiekurve einer Larve in nT HgC nach Vorbereitung in Aquariumswasser. 160 150 140 /) 130 120 110 100 30 © () Ox) 10 C) © 0 | O 11 10 20 30 40 50 12 ‘10 20 Kurve 26. Energiekurve einer Larve in 50 HgCl, nach Vorbereitung in Aquariumswasser. 160 150 140 130 120 110 100 10 0 me x eee re 3 50 4 10 20 30 40 50 Kurve 27. Energiekurve einer Larve in 50 HgCl, nach Vorbereitung in Aquariumswasser. 5 # Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 273 eine Gasblase am Atemsipho, die nach 3 Minuten abgegeben wird. Nachdem die 1. energetische Maximalleistung der Larve vorüber ist, erscheint eine zweite Gasblase, die nach 5 Minuten ebenfalls in das Medium abgeschleudert wird. Im weiteren Verlaufe des Versuches kann dann häufiger ein sogenanntes „Auf- blitzen“ von Gasblasen beobachtet werden, wie aus dem Kurvenbild zu ersehen ist. Erst gegen Versuchsschluß erscheint am Stigma eine Gasblase, die nicht wieder in das Innere hinein- gezogen wird, sondern a, vergrößert und eu zur völligen Lethargie des Tieres sitzen bleibt. Versuch 57 (Kurve 27). Vorbereitung und Versuchsmedium wie in Versuch 56. Das Kurvenbild bietet nichts Auffälliges. Nach einer anfänglich großen energetischen Leistung sinkt die Energieproduktion ziemlich unver- | mittelt und hört bald ganz auf. Nachdem die Maximalleistung des Tieres vorüber ist, zeigt sich zum ersten Male eine Gasblase, die abersofort wiederindas Tracheensystem hineingesogen wird. Um 4h 14 min erscheint eine kleine Gasblase am Stigma, die gößer und größer, aber nicht abgeschleudert wird. Versuch 58 (Kurve 28). Vorbereitung und Versuchsmedium wie in Versuch 56. Auch in diesem Versuche sehen wir eine starke Energieproduktion, die plötzlich nachläßt, immer geringer und schließlich gleich Null wird. Erst in den Zeiten schwacher Kraftäußerung treten häufiger Gas- blasen auf, die aber immer wieder ins Innere des Tracheensystems aufgenommen werden. Versuch 59 (Kurve 29). Vorbereitung und Versuchsmedium wie in Versuch 56. Das Kurvenbild ist sehr regelmäßig gebaut. Während der ersten 5 Minuten schwimmt die Larve lebhaft aktiv nach oben, dann läßt die Energie- produktion bedeutend nach, und hört nach knapp einer Stunde Ver- suchsdauer ganz auf. Sobald die Schwimmbewegungen seltener und unwirksamer werden, treten häufiger Gasblasen auf, die anfangs wieder eingesogen werden. Um 11h 15 min erscheint dann eine Gasblase, die nach 5 Minuten abgegeben wird, um 11 h 35 min erscheint eine zweite, die bis Versuchs- schluß sitzen bleibt. 214 MARGARETE GOFFERJE, iG -und 59 Lösungen von Sublimat wirken also in den weitaus meisten. Fallen so auf die aus dem Aquarium entnommenen Larven ein, daß eine Abgabe von Gas- blasen, oder dab wenigstens ein vorübergehendes Hervortreten von Gasblasen zu beobachten ist. 5, 10, 20: 30 50 een oe 12 Kurve 28. Kurve 29. Energiekurve einer Larve in Energiekurve einer Larve in n : n 20 HgCl, nach Vorbereitung 50 HgCl, nach Vorbereitung in Aquariumswasser. in Aquariumswasser. Um auf Grund der in Tabelle 10 angeführten Werte ein Urteil über die Wirkungsweise der einzelnen Salze abgeben zu können, wird es notwendig, die für einen „Normalversuch“ geltenden Werte zum Vergleich heranzuziehen. Unter „Normalversuch“ wollen - wir dabei das Verhalten eines aus dem Aquarium entnommenen und dann direkt in Leitungswasser submergierten Tieres verstehen. Da nun Lebensdauer und Energieproduktion der Larve bei der Sub- mersion in Leitungswasser vom Gasgehalt desselben abhängig sind, so muß man aus einer ganzen Reihe von Versuchen mit wechselndem Gasgehalt einen Mittelwert berechnen. Das ist in Tabelle 11 auf Grund entsprechender aus der Arbeit von A. Koch entnommenen Werte geschehen. Tabelle 10. G. BL — Gasblasen. Er) Br B 4 5 : ars | 2 eae = Vor- ES 3 & © 2 w | a [42% = : Versuchs- 2.20 28 sag | less 2 | bereitungs- ee ae 85 Sous | ss = | Bemerkungen =) s el om °S ro 3 = onl : = medium ae FE ae E Sr D Sa eo wR EN bes ET > = Se D reload = = 8 (Le A cm/sec cm/sec cm/sec 26 | 46 Stunden | Leitungswasser | —0,46 — 0,33 0,13 |167] 21,71 an in By Na SO: 27 | 29 Stunden x —0,51 —0,28 0,23 1109! 25,07 as 3 in 35 Na.SO, 28 | 84 Stunden = —0,37 —0,19 0,18 62| 11,16 in oe Na,S0, | 29 | 23 Stunden # —0,36 —0,21 0,15 80} 12,00 in 5 NaSO4 30 | 4 Stunden 5 —0,62 —0,43 0,19 |120| 22,80 in 7 Na.S0, 32 | 15 Stunden | Leitungswasserl —0,48 | —0,30 0,18 1179] 32,22 er. in & KCI 33 | 102 Stunden 3 —0,58 | —0,10 0,48 81] 38,88 be in 39 KCl 34 | 96 Stunden y —0,51 —0,09 0,42 51| 21,42 DR | in 39 KCl 35 | 7 Stunden = —0,55 —0,20 0,35 1153] 53,55 J NE in 76 KCl 36 | 30 Stunden : —0,72 —0,41 0,31 86| 26,66 in = KCl 37 | 34/, Stunden —0,58 —0,51 0,07 261 1,82 Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 275 i) Tabellarische Zusammenstellung aller Versuche. A in z ga 276 MARGARETE GOFFERJE, a en à 2 eee E Tr > 4 = a © od op = 5 = = en Versuchs- ae) as Sule) pause & | bereitungs- SS 8.8 =585 | S| 222 | Bemerkungen es medium = ie Soro | = | Sans = medium os Da SES | eleose 2 oS aS > BE | a 2 5% Se ® 2 |=E= > oe m ida) = ors = si = = TS Sale cm/sec cm/sec cm/sec 38 | Aquariums- Dr] —0,36 —9,14 0,22 |147| 32,34 wasser Ss 39 À 2 en 031 | —048 | 0,17 | 94] 15,98 4 40 ; rg —0,17 —0,54 0,57 1125| 46,25 | Aufblitzen von 4 : i 41 5 grd —0,48 — 0,21 0,27 85 | 22,95 | Hervordringen Al | von G. BL 42 | 7 Stunden eee — 048 | —009 | 039 |192| ass | Dr 8 in Ss KCl 43 | 3 Stunden Dr +1,14 | +1,03 0,11 66| 7,26 |Abgabe von G.Bl m Re] : 4 44 | Aquariums- D NaCl --0,33 | —0,02 0,31 85 | 26,35 wasser Dhs 45 À n —0,24 | —0,09 0,15 1113] 16,95 | Abgabe u. Auf- — NaCl ; i blitzen von G. Bl. 46 | 75 Minwen{ ny +08 | +086 | 0,01 [122] 1,22 [Abgabe von G-BL in 5 NaCl 2 | 47 | 75 Minuten N NaCl —0,22 —0,15 0,07 |86,5| 6,06 | Abgabe und Auf- in — NaCl a" blitzen von G. BI. il 48 | Aquarinms- n. Ei Do ae ee | wasser D Na,SO, 49 | Aquariums- | nu 0,95 | —0v3 | 0,72 | 56| 4932 | Aufblitzen von wasser 10 cee G. Bl. 50 À D 60] —0,62 —0,09 0,53 56] 29,68 | Abgabe und Auf- 20 _|blitzen von G. BI. 51 a 3 HeCL —0,78 —0,23 0,55 191 43,45 | Aufblitzen von 52 , np —0,03 | +0,16 | 0,19 | 60] 11,40 |Abgabe vonG.BI. 40 "2 la 53 ‘ n —0,86 | —0,30 0,56 94] 52,64 Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 277 = en b 2 Sera 5 SR Se es Se = ui — D "2 = 5 = oS E | Vor- Es | Sm | of |= | Bee = 2 Versuchs- Be 25 Tee a hr | 2 | bereitungs- SE SE Sas | 2 | 2542] Bemerkungen a medium = BE Sez | 2 | 2.85 = medium FE Br 58 E 23> > = ES s Ss [SEE = = oe EE > DD i) cm/sec cm/sec em/sec 54 | Aquariums- |zuerst !/, Stunde} —1,19 —0,18 1,01 76 | 76,76 | Abgabe einer wasser un ee G. Bl. im ee - HeCl, Leitungswasser 55 à zuerst 1/, Stunde} —0,86 —0,25 0,61 79 | 48,19 Leitungswasser n dann 10 ASC 56 | Aquariums- D Ho] —0,48 —0,12 0,36 62 | 22,32 | Abgabe und Auf- wasser 2 era blitzen von G. Bl. 57 git Doc] —0,58 | —0,22 0,36 52 | 18,72 | Hervordringen 20-8" von G. BI. 58 > D 00] —0,41 —0,09 0,32 46 | 14,72 | Aufblitzen von 20 er G. BI. 59 5 D HC] —0,58 —0,29 0,29 54 | 15,66 | Abgabe und Auf- 99 87? blitzen von G. Bl. Tabelle 11. Basen a da R Produkt aus E ; seschwindigkeits- | Versuchsdauer | Gesch windigkeits- 0:-Gehalt | CO,-Gehalt änderung in Minuten |anderung und Ver- suchszeit cm/sec wenig viel 0,26 27,4 viel viel 0,16 30,0 viel wenig 0,29 495,5 wenig wenig 0,57 88,0 mittel mittel | 0,46 106,5 | | 0,35 150 | 52,5 Die in jeder Zeile stehenden Werte sind als Mittel ats einer Reihe ent- sprechender Versuche berechnet. Zool. Jahrb. 39. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 19 978 MARGARETE GOFFERJE, Aus den Versuchen 26—37 ersieht man zunächst, daB die er- haltenen Werte für die mittlere Geschwindigkeitsinderung, die Versuchsdauer und folglich auch für die Produkte aus diesen Größen im allgemeinen hinter den Normalzahlen zurückbleiben. Nur in einem einzigen Falle (Versuch 35) wird der normale Wert fiir das Produkt aus mittlerer Geschwindigkeitsänderung und Versuchsdauer wenig überschritten. In allen anderen Versuchen, in denen entweder die Zahlen für die mittlere Geschwindigkeitsänderung oder für die Versuchsdauer größer als die entsprechenden Normalwerte sind, bleibt das Produkt als Maß der Gesamtenergieproduktion doch weit unter 52,5. Die in dieser Versuchsgruppe in Leitungs- wasser submergierten Tiere müssen also durch den vorausgegangenen Aufenthalt in Salzwasser im Hinblick auf ihr energetisches Leistungs- vermögen in den meisten Fällen sehr geschwächt worden sein. Vergleicht man die Versuche 26-30 mit 32—37, so könnte man den schädigenden Einfluß von Na,SO, auf die Larven für weit größer halten, als den von KCl. Doch da bei allen Versuchen die Vorbereitungszeiten willkürlich und deshalb ganz verschieden lang gewählt worden sind, ist ein Vergleich dieser beiden Versuchsgruppen nach dem vorliegenden Material nicht möglich, und bei der Durch- führung der Versuche hat ein solches Ziel natürlich auch gar nicht vorgelegen. Wie sehr die Resultate von dem physiologischen Zustande des Tieres abhängen, geht mit am deutlichsten aus den Versuchen 38 bis 41 hervor, bei denen die erhaltenen Werte nicht proportional der Stärke der als Submersionsmedium verwandten Salzlösungen sind. Auch in diesen Fällen werden die Normalzahlen nicht er- reicht; ein Beweis, daß die Salze auch bei der Sub- mersion die Lebensenergie herabsetzen. Die für Salzversuche verhältnismäßig hohen Werte die in Ver- such 42 erreicht worden sind, lassen sich vielleicht dadurch erklären, daß bei dem vorbereitenden Aufenthalt der Larve in = KCI eine Anpasssung an dieses Medium stattgefunden hat. In Versuch 43. war eine solche Anpassung nicht möglich, da die 7 Lösung im n u halb sind die im Versuch 43 erhaltenen Werte viel kleiner, als die der Versuche 38—41. Gegensatz zur, Lösung als „tödlich“ wirkend gelten muß, des- à ® Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 279 In den Versuchen 44—47 handelt es sich um sehr stark schädigend wirkende Medien. Folglich sind die erhaltenen Werte entsprechend klein, besonders in den Versuchen 46 und 47, bei denen auch noch ‚eine Vorbereitung in den entsprechenden starken Konzentrationen stattgefunden hat. Die Werte für die Produkte sind in der Ver- suchen 44—47 für die | ‚Lösung kleiner als für die 9 "Lösung. Versuch 48 liefert annähernd normale Werte in bezug auf die Gesamtenergieproduktion. Aus den noch übrigbleibenden Versuchen mit Sublimatlösung zeigt sich zunächst, daß die io Lösung etwa halb soschäd- lich auf die Energieproduktion der Larven einwirkt, als die 5j Lösung; denn der Mittelwert für die Produkte aus mittlerer Geschwindigkeitsänderung und Versuchsdauer der Ver- suche 49—53 verhält sich zu dem der Versuche 56—59 wie 35,50: 17,49, also annähernd wie 2:1. Die Geschwindigkeitsänderung ist bei den meisten Sublimatversuchen größer als normal, die Versuchs- dauer bei allen dagegen bedeutend kleiner. Vielleicht erklärt sich die Tatsache dadurch, daß Sublimat auf die Larven als starkes Reizmittel wirkt, das die Tiere zu übermäßig schneller Verausgabung ihres Energievorrates treibt. IV. Versuche mit anormaler Funktion des Tracheensystems. Wie aus dem im vorigen Kapitel angegebenen Gang der Ver- suche ersichtlich ist, ist es uns gelungen, Vorbereitungsweise derLarven undSubmersionsmedium derart zu wählen, daß mit großer Wahrscheinlichkeit auf einen Austritt vonGasblasen aus dem Stigma derAtemröhre während der Submersion zu rechnen ist. Zunächst müssen wir daran erinnern, daß eine Gasblasenabgabe schlechthin in allen Fällen ‚erfolgen kann; nur handelt essich eben dann um Zufallserscheinungen, deren Analysierung ja gerade die Aufgabe vorliegender Arbeit ge- wesen ist. Deshalb kann es uns mehr oder weniger gleichgültig sein, wenn, gewissermaßen unprogrammäßig, eine Gasblasenabgabe in einem Versuch erfolgt, bei dem die später zu erörternden Be- dingungen für die anormale Tracheenfunktion nicht vorliegen. So liegen die Verhältnisse in Versuch 54, bei denen ein vorher im 19% 280 MARGARETE GOFFERJE, Aquarium gehaltenes Tier bei der Submersion in Leitungswasser eine kleine Gasblase abgibt. Zunächst beweisen die Versuche der Gruppen a und b, daB eine Vorbereitung in Salzwasser mit darauffolgender Submersion in Leitungswasser keine veeigneten Bedingungen für die Gasblasenabgabe dar- stellen. Wenigstens für die zur Vorbereitung benutzten Salze Natriumsulfat und Kaliumchlorid ist das einwandfrei erwiesen. Selbst ein vorbereitender Aufenthalt der Larve in va KCl (Versuch 37), der auf den Gesamtorganismus in héchstem Grade schädigend wirkt, hat bei nachfolgender Submersion in Leitungswasser keine anormale Funktion des Tracheensystems zur Folge. Ebenso ergebnislos verlaufen die Versuche, in denen die Larven aus dem Aquarium sofort in den mit einer schwachen Salzlésung gefüllten Submersionsapparat überführt werden. ee bei no ae von starken Salzlösungen (+ KCl, = NaCl, gt und 55 HECL) kommt es zum Aufblitzen resp. zur Abgabe von Gasblasen. Es sind das alles Salzkonzentrationen, die, als Züchtungsmedien ange- wandt, „tödlich“ (in dem im 1. Teil definierten Sinne) wirken. Der Erfolg bleibt derselbe, wenn derartige Salz- lüsungen als Vorbereitungs- und Versuchsmedienange- wandt werden (Versuche 43, 46, 47). Wirkt aber die als Vor- bereitungs- und D en angewandte Lösung nicht „Walz so treten keine Gasblasen auf (Versuch 42). Wir können also aus allen diesen Versuchen schließen, daß nurdann eine anormale Funktion des Tracheensystems erzielt werden kann, wenn ein Salz in „tödlich“ wirkender Konzentration während der Submersion verwandt wird. Ob in diesem Falle das Tier vor der Submersion in derselben Lösung oder im Aquarium ge- lebt hat, ist gleichgültig. Zur Stütze dieses Ergebnisses seien anhangsweise Versuche er- wähnt, bei denen die Larven ohne weitere Vorbereitung in einer tödlich wirkenden Lösung von verdünnter Schwefel- säure submergiert wurden. In diesen Fällen konnte sowohl ein Aufblitzen als auch eine Abgabe von Gasblasen beobachtet werden. Auch hier handelt es sich also darum, daß „tödlich“ wirkende Substanzen, während der Submersion ange- Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 281 wandt, eine anormale Funktion des Tracheensystems bewirken. Um zu zeigen, daß eine starke Schädigung der Larve vor dem Submersionsversuch keine Gasblasenabgabe bei der Sub- mersion zur Folge hat, wurden Larven 30 Minuten bzw. 45 Minuten lang dem Lichte einer Quecksilberdampflampe ausgesetzt und dann in Leitungswasser submergiert. In keinem Falle traten Gas- blasen in die Erscheinung. V. Lageänderungen der Larven während der Submersion. A. Kocx hat in seiner zitierten Arbeit auf die Tatsache hin- gewiesen, daß in normal verlaufenden Submersionsversuchen, bei denen ja eine allmähliche Entleerung des Tracheensystems stattfindet, die Culex-Larven aus der anfänglich eingenommenen Vertikallage (V) (die ungefähr der typischen Stellung des Tieres in der Ruhelage am Wasserspiegel entspricht) über eine ,,Mittelstellung“ in die Horizontallage (H) übergehen. Für uns sind die entsprechenden Beobachtungen über die Lageänderungen der Tiere bei der Submersion deshalb von größter Bedeutung, weil sie als sicht- barer Ausdruck des jeweiligen Füllungszustandes der Tracheen mit Gas zu gelten haben. Die Culex-Larven sind ja Tiere mit passiver Gleichgewichtslage, „bei denen die Ver- teilung von Luft und Körpermasse allein ausschlaggebend für die jeweilige Lage des Körpers ist“ (Kocx). Die typische „Culex-Stellung“ (Vertikallage) ist nur möglich, wenn der Atemsipho als „Schwimmglocke“ (Pneumatophor) fungiert, wenn also das Tracheensystem vollständig mit Gas gefüllt ist. Die „Anopheles-Stellung“ (Horizontallage) zeigt an, daß bereits eine weitgehende Entleerung der Haupttracheenstämme, speziell des im Atemsipho gelegenen Teiles, stattgefunden hat. Natürlich handelt es sich bei der „Oulex- und Anopheles-Stellung“ um die beiden Grenzfälle, die bei den Lageänderungen in Betracht kommen können. Sehr oft haben wir es auch mit einem labilen Gleichgewicht, mit einem dauernden Wechsel zwischen Vertikallage, Mittelstellung und Horizontallage zu tun. Diese Erscheinung tritt dann ein, wenn ein mittlerer Füllungsgrad des Tracheensystems vorliegt, bei dem — ent- sprechend der Körperbewegung — eine Verschiebung des Gasinhaltes innerhalb der Haupttracheenstämme und vor allem eine Ab- oder Zunahme der in den Längsstämmen vorhandenen Gasmenge sehr leicht stattfinden kann. 282 MARGARETE GOFFERJE, Zusammenstellung der Lageänderungen. No. 26. Von Beginn des Versuches 27‘ lang V, dann bis zum VersuchsschluB H. | No 27. Von Beginn an V und zwar für 57‘ dann H bis Versuchs- schluß, 3mal von V unterbrochen und zwar nach 7‘, nach 23° und nach 36‘. No. 28. Sinkt anfangs 22° V, dann bis Versuchsschluß H. No. 29. Zuerst für 3'/,‘ V geht dann langsam in H über und bleibt H bis zum Schluß. No. 30. Sinkt 1‘ V, dann H bis zum Schluß mit 3 kurzen Unterbrechungen V, und zwar nach 23‘, nach 33'/,‘ und nach 431/,’ No. 32. Anfangs 7’ V, dann bis zum Schluß H. No. 33. Sinkt gleich H, nur nach 1‘ vorübergehend V. No. 34. Sinkt von Beginn an für 37 V, unterbrochen nach 33‘ von H, dann für 5‘ H, für 1!/,‘ V und dann bis zum Schluß H. No. 35. Sinkt die ersten 13’ V, dann H bis zum Schluß, von V, nach 49'!/,‘, 1mal kurz unterbrochen. No. 36. Sinkt von Versuchsbeginn an 181, V, dann 58’ H, 31, V und bis zum Schluß H. | No. 37. V während des ganzen Versuches. No. 38. V während des ganzen Versuches, doch einigemale für kurze Zeit H, und zwar nach 43#/,‘ für 14‘, nach 61‘ für 1‘, nach 80%/,, für 2—3’ nach 106‘ für 3‘ und nach 141‘ für ungefähr 3°. No. 39. Während des ganzen Versuches V. No. 40. Während des ganzen Versuches V. 21‘ nach Versuchsbeginn zeigen sich kleine Luftblasen am Thorax und an den Borsten des letzten Abdominal- segmentes, die nach 50’ abgeschleudert werden. No. 41. Die ersten 4—5‘ Mittelstellung dann V. Die letzten 32' nimmt die Larve eine gekrümmte Lage ein. Kleine Luftblasen erscheinen am Kopf in der Mitte des Ver- suches. | | | ) No. 42. Die ersten 22‘ H, dann V bis zum Schluß. No. 43. V während des ganzen Versuches. | 33‘ nach Versuchsbeginn sitzt für 10‘ eine dicke Luftblase an den Haaren des Kopfes. 12’ vor Versuchsschluß sitzt eine kleine Luftblase an den Borsten des Abdomens. No. 44. Zuerst 14' V, dann 9'H, 3’ V, dann bis zum Schluß H. Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 283 No. 45. Zuerst 25‘ fast H, dann für 19’ V, geht langsam in H über und bleibt so bis zum Schluß. Im Anfang des Versuchs zeigen sich kleine Luftblasen an den Borsten des Abdominalsegmentes und am Kopf. No. 46. Die ersten 75’ ist die Lage V, dann für 8°H, wird dann wieder V, nur für die letzten 8'H. 8’ nach Versuchsbeginn erscheint eine kleine Luftblase am Kopf, die langsam sehr groß und nach 11}, Stunden abgeschleudert wird. An den Borsten von Kopf und Abdomen bleiben verschiedene kleine Luftblasen bis zum Schluß. No. 47. Während des ganzen Versuches V, nur nach 15‘ für 1—2’ H. Während des Versuches konnten kleine Luftblasen am Kopf beobachtet werden. | No. 48. V während des ganzen Versuches, nur nach 19’ nahezu H, jedoch sofort wieder V. No. 49 V während des ganzen Versuches. No. 50. Anfangs V, die letzten 101/,' H. Fast während des ganzen Versuches sitzen kleine Luftblasen an den Kopfsegmenten. No. 51. Die ersten 31‘V, dann fast H, gegen Versuchsende aber ganz H. No. 52. V während des ganzen Versuchcs. No. 53. Zuerst 91}, dann 1’ V, für ebensolange H, dann für 2’ V, Hour 12° VY tor 8° H, für 4° V, für 1° H, für 2*V, für 5° H, eV. fata) Hindi Vote!‘ HE. fired! Var: 62H, für BEN; Zur) 2/5 H, für die leizien 9° V. No. 54. Die ersten 12’ Mittelstellung, dann für 1!/, V, für die folgenden 1!/,‘ Mittelstellung, dann V für 157/,’, geht langsam in H über, aber nach 9!/,‘ wieder V bis zum Schluß, nur nach 19' kurz unterbrochen von Mittelstellung. No. 55. 24‘V, geht dann in H über und bleibt so.bis zum Schluß. No. 56. Während des ganzen Versuchs V, nur nach 10‘ für 3° H. Nach 16‘ konnte für 4‘ eine kleine Luftblase an den Borsten des letzten Abdominalsegmentes beobachtet werden, ebenso gegen Versuchsschluß für kurze Zeit am Kopf. No. 57. Während des ganzen Versuches V. Im letzten Teil des Versuches zeigt: sich einmal eine kleine Luftblase am Kopf. 284 MARGARETE GOFFERJE, No. 58. Andauernd V, nur nach 28’ für 1‘ H und nach 31‘ für 3‘ fast H. | N. 59. Zuerst für 5—6’.V, dann für 6—7' H, dann V für 5‘, dann gekrümmt bis zum Schluß (Lage aber fast V). Anfangs Luftblase am Kopf, die sofort wieder abgegeben wird. Betrachten wir nun die vorstehende Zusammenstellung der beob- achteten Lageänderungen der Culex-Larven während der Submersions- versuche, so können wir im Hinblick auf den uns speziell interessieren- den Füllungsgrad des Tracheensystems mit Gas folgende Fälle unter- scheiden. (Es ist selbstverständlich nicht möglich, eine durchaus scharfe Grenze zwischen den einzelnen Versuchsgruppen zu ziehen; denn — wie bei allen derartigen Versuchen — muß auch hier der jeweilige. physiologische Zustand des Tieres als wesentlicher Faktor in Rechnung gestellt werden, so daß eine Einordnung der Versuche in ein solches Schema nicht immer leicht ist.) a) Es handelt sich um normal verlaufende Versuche in dem anfangs erwähnten Sinne. Aus der anfänglichen Vertikallage geht die Larve nach kürzerer oder längerer Submersionsdauer in die Horizontallage über, eventuell finden — speziell während der Über- gangszeit — labile Schwankungen statt. Es sind dies die Versuche, bei denen natürlich von einem Aufblitzen oder einer Abgabe von Gasblasen niemals die Rede sein kann. Als solche kommen in Be- tracht die Versuche 26—30 und 32—36, bei denen die Larven nach Vorbereitung in Salzwasser submergiert werden; ferner der Ver- such 44, bei dem die während der Submersion benutzte Lösung (5 NaCl) nicht stark genug war, um eine anormale Funktion des Tracheen- systems zu bewirken, und schließlich Versuch 55 in dem es sich um eine gegen die Sublimateinwirkung ziemlich widerstandsfähige Larve gehandelt haben muß. b) Als zweite Gruppe wollen wir die Versuche zusammenstellen, bei denen — abgesehen von labilen Schwankungen — das Tier während der ganzen Submersionsdauer passiv in Vertikallage schwamm, bei denen es aber noch nicht zum Aufblitzen bzw. zur Abgabe von Gasblasen kam. Es handelt sich um Larven, die in Salzlösungen submergiert wurden. Das Versuchsmedium wirkte schon insofern schädigend auf den Atemmechanismus ein, als keine Entleerung der Haupttracheenstämme, wie in den Normalversuchen Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 285 stattfand. Die in Betracht kommenden Konzentrationen (5 KCI in Versuch 38 und 42, = Na,SO, in Versuch 48) nehmen also gewisser- maßen eine Mittelstellung ein zwischen den Lösungen, die ohne Ein- fluß auf die Tracheenfunktion bleiben, und denen, die eine anormale Tracheenfunktion bewirken. In Versuch 37 wurde das Tier nach Vorbehandlung in 4 KCl in Leitungswasser submergiert. Trotzdem blieb die Vertikallage während des ganzen Versuchs bestehen. Da das Tier aber schon bei Submersionsbeginn der Lethargie äußerst nahe war, kann dem Versuch kaum größere Bedeutung beigemessen werden. In Versuch 54 liegt schließlich ein Fall vor, bei dem eine Gasblasenabgabe zu einer Zeit beobachtet werden konnte, zu der sich das Tier noch gar nicht in einem schädigend wirkenden Submersionsmedium, sondern in Leitungswasser befand. Diese Er- scheinung ist so zu en wie das im Anfang von Kapitel IV dieses Teiles ausgeführt worden ist. c) An dritter Stelle seien die Versuche mit typisch anormaler Funktion des Tracheensystems genannt: bei diesen handelt es sich — ebenso wie in Gruppe b — durchweg um Vertikallage, die höchstens von labilen Schwankungen unterbrochen wird. Gasblasen blitzen auf oder werden abgegeben. Es handelt sich vor allem um die Versuche 39, 49, 52, 58, 59, in denen dieses Verhalten der Larven durch die in tödlicher Konzentration angewandten Salz- lösungen hervorgerufen wird. d) Es kann nun auch der Fall eintreten (Versuch 51), daß im Anfang der Submersion die Larve Vertikalstellung einnimmt und während dieser Zeit Gasblasen abgibt, aber nachher zur Horizontal- lage übergeht. Dann findet begreiflicherweise auch keine Gasblasen- abgabe mehr statt. Es liegt also während der Submersionsdauer eine Rückkehr zur normalen Funktion des Tracheensystems vor. e) Eine Sonderstellung nimmt Versuch 53 ein. Das Tier wechselt bei der Submersion dauernd zwischen Vertikal- und Horizontallage. Es handelt sich also um einen der Menge nach schwankenden Gas- gehalt in den Haupttracheenstämmen, ein Beweis dafür, daß als Folge der starken Sublimatlösung Go) keine normale Entleerung erfolgen kann. f) Schließlich müssen wir noch auf eine Erscheinung i in diesem 286 MARGARETE GOFFERJE, Zusammenhang hinweisen, die bei Beurteilung des Füllungsgrades der Tracheen auf Grund der Stellung der Larve störend wirken kann. Es handelt sich um alle die bis jetzt noch nicht erwähnten Versuche, bei denen am Körper des Tieres (ganz un- abhängig von den eventuellam Stigma der Atemröhre erscheinenden Gasblasen!) Luftblasen auftreten. In vielen Fällen handelt es sich um kleine, im Medium vorhandene Luft- bläschen, die von den Borsten der Larve aufgefangen werden und . dann so lange am Körper des Tieres sitzen bleiben, bis sie bei einer heftigen Schwimmbewegung wieder abgeschleudert werden. Es ist ohne weiteres verständlich, daß durch das Vorhandensein dieser Luftblasen die Gleichgewichtslage des Tieres stark beeinflußt werden kann, ja es kann auf diese Weise z.B. dazu kommen, daß das Tier mit dem Kopf nach oben passiv steigt. Aus diesen Gründen sehen wir von einer Besprechung dieser Versuche ab. Wir brauchen wohl nicht besonders hervorzuheben, daß solche dem Körper an- haftende Luftblasen niemals die Beobachtung der aus dem Innern des Tieres am Stigma der Atemröhre er- scheinenden Gasblasen irgendwie störend beein- flussen konnten. Denn niemals war zu bemerken, daß eine im Medium vorhandene Luftblase von der Atemröhre aufgefangen wurde, trotzdem begreiflicherweise gerade darauf stets besonders geachtet wurde. VI. Die Bedeutung der Gasblasenabgabe während der Submersion. Wir haben in der Einleitung zu dieser Arbeit die hauptsächlich in Betracht kommenden Ansichten über den Gasstoffwechsel bei den Tracheaten kurz auseinandergesetzt. Bei Besprechung dieser Theorien weist A. Kocx an Hand seiner Submersionsversuche mit Culex-Larven darauf hin, „daß alle drei Theorien vielleicht von zu ein- seitigem Standpunkt aus an die Lösung des Problems herantreten“; denn es war ihm unmöglich, „alle bei seinen Versuchen gemachten Beobachtungen nach einem der drei Schemata zu erklären“. Vor derselben Schwierigkeit stehen jetzt auch wir beim Rückblick auf die im Teil B unserer Arbeit angeführten Versuche; denn die Fälle, in denen wir ein Aufblitzen oder gar eine Abgabe von Gasblasen durch das Stigma der Atemröhre haben beobachten können, scheinen eine prinzipiell andere Erklärung des Gasaustausches zu verlangen, als die Versuche, bei denen ein allmähliches Zusammenfallen der Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 9287 Haupttracheenstämme festgestellt werden konnte. Eine solche Lösung des Problems muß aber von vornherein als verfehlt angesehen werden, weil der Gasaustausch eventuell bei ein und demselben Tier während der Submersion erst auf die eine Weise (Gasblasenabgabe) und dann auf die andere (Zusammenfallen der Tracheen: bewiesen durch H-Lage) vor sich gehen kann und also keine schroffen Gegensätze, sondern direkte Übergänge zwischen diesen beiden Möglichkeiten bestehen müssen. Nach den Untersuchungen von RATHKE (1861), Bonner’), Newport (1836) u. A. wissen wir, daß die verschiedenen Körper- bewegungen der Insekten von großer Bedeutung für die Ventilation des Tracheensystems sind, „indem dabei größere oder kleinere Tracheenbezirke komprimiert, dabei die Luft durch die Stigmen nach außen entleert und bei Rückkehr des elastischen Gleichgewichts der Tracheenwände und der übrigen Körpergewebe nach Aufhören Muskelkontraktion wieder eingesaugt wird“ (BABAk, p. 380). So konnte Bonnet ein Hervordringen von Luftblasen aus den Stigmen von Raupen beobachten, wenn die Tiere im Wasser submergiert wurden, und zwar waren die Luftblasen um so größer, je kräftigere Bewegungen die Raupen im Wasser ausführten. Diese Bonner'schen Submersionsversuche haben natürlich nur den Zweck, die Vorgänge der Tracheenventilation, die sich normaler- weise an der Luft abspielen, aber dort nur äußerst schwer nach- weisbar sind, in einfacher Weise zur Anschauung zu bringen. Bei luftatmenden Wassertieren kann eine entsprechende Ventilation natürlich nur an der Wasseroberfläche stattfinden. Solange sich die Tiere normalerweise unter Wasser aufhalten, ist ihr Tracheensystem geschlossen. Ein Hervordringen einer Gasblase aus einem Stigma muß in diesem Falle eine allmähliche Entleerung ‘des Tracheen- systems zur Folge haben, weil neue Luft auf dem gleichen Wege unter Wasser nicht aufgenommen werden kann. Wir haben nun gesehen, daß bei der künstlich verlängerten Submersion der Culex- Larven in vielen Fällen Gasblasen abgegeben werden, wobei es aber nicht zu einer Entleerung des Tracheensystems kommt, wie nach obigen Überlegungen anzunehmen wäre. In allen diesen Fällen sind die Tracheen deutlich mit Luft gefüllt und auch nach Abgabe der Gasblasen ist eine merkliche Verringerung des Füllungsgrades nicht zu beobachten. (Allerdings scheint die Abgabe einer Gasblase 1) Zitiert nach BABAK, I. c., p. 380. 288 MARGARETE GOFFERJE, manchmal eine Verschiebung des Tracheeninhalts nach sich zu ziehen, einer Erscheinung, die aber noch einer systematischen Durcharbeitung bedarf.) Unter diesen Umständen kann eine Gasblasenabgabe nur infolge eines im Innern des Tracheensystems herrschenden Überdruckes zustande kommen. Als Ursachen für diesen Überdruck kommen folgende beiden Möglichkeiten in Frage: entweder handelt es sich um eine Lumenverminderune der Tracheen durch teilweises Zusammenfallen ihrer Wände, oder aber um eine Zunahme der Gasmenge bei konstantem 'Tracheenvolumen. Wie aus dem oben Gesagten bereits hervor- geht, kommt die erste Möglichkeit nicht in Frage, wir müssen also den Grund für die Gasblasenabgabe in einer Ver- mehrung der in den Tracheen vorhandenen Gasmenge suchen. Als Bestandteile der Tracheenluft kommen in Frage: Sauerstoff, Kohlensäure und Stickstoff. Da es sich — nach dem heutigen Stande unseres Wissens — bei dem zuletzt genannten Gase um einen an den Atmungsvorgängen unbeteiligten Stoff handelt, so kommen für unsere Betrachtungen nur Sauerstoff und Kohlensäure in Betracht. Daß es sich nicht um eine Sauerstoffspeicherung bei der Vergrößerung der in den Tracheen vorhandenen Gasmenge handeln kann, ist in der Arbeit von A. Koch ausgeführt: es könnte nämlich dann nicht, bei einem solchen Überfluß an Sauerstoff, Lethargie eintreten. Das die Tracheen immer mehr und mehr an- füllende und schließlich aus ihnen nach außen abgeschiedene Gas kann also nur Kohlensäure sein, die im Stoffwechselgetriebe des Tieres gebildet worden ist. (Allerdings fehlen zum endgültigen Beweis dieser Behauptung noch analytische Untersuchungen der abgegebenen Gasblasen und des Gasinhaltes der Tracheen eines Tieres am Ende des Submersionsversuches. An der Kleinheit des Objektes sind entsprechende Versuche bisher gescheitert; sie sollen demnächst mit geeigneterem Material und mit Hilfe der Krocn’schen (1911) Mikrogasanalyse durchgeführt werden.) : Wir werden dadurch auf das Problem der Erzeugung und Ausscheidung der Kohlensäure im Organismus hin- sewiesen und damit auf die „Wirkung der Elektrolyte auf die Kolloidkomplexe des Protoplasmas“ (Borrazzı 1911). Der normale Verlauf der im Protoplasma der lebenden Zellen sich abspielenden Stoffwechselvorgänge oder — mit anderen Worten — die Erhaltung eines physiologischen Gleichgewichtes im Organismus steht im engsten Zusammenhang mit der Bildung und Excretion der Kohlen- Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 289 säure. Wenn nun unter dem Einfluß bestimmter, von außen in die Körperzellen und Körperflüssigkeiten eingedrungener Ionen das physiologische Gleichgewicht im Organismus gestört wird, so können wir annehmen, daß dann auch eine anormale Erzeugung und Aus- scheidung der Kohlensäure eintreten muß, d. h.: findet normaler- weise Aufnahme und Abtransport der Kohlensäure wohl in der Hauptsache durch das Blut statt, sokann bei Anwesenheit körperfremder Ionen auch eine Speicherung der Kohlensäure im Tracheensystem und evtl. eine Ausscheidung durch das Stigma vor sich sehen. Auf Grund dieser Theorie wird uns der Einfluß der Salzlösungen auf die Funktion des Tracheensystems verständlich. Wie immer in solchen Fällen, in denen wir es mit Beziehungen zwischen Elektrolyten und protoplasmatischen Kolloid- substanzen zu tun haben, handelt es sich natürlich um eine qualitativ- chemische Wirkung der Ionen. Deshalb ist es einleuchtend, daß nur bestimmte, „tödlich“ wirkende Salze mit Erfolg angewandt werden konnten. Daß es sich bei der Kohlensäureabscheidung durch das Tracheensystem oder durch die Körperwand nur um zwei verschiedene Möglichkeiten eines und des- selben Excretionsvorganges handelt, geht daraus hervor, daß bei dem nämlichen Tier während des gleichen Submersions- versuches zuerst ein Hervordringen von Gasblasen aus dem Stigma und dann ein normales Verhalten (Excretion der Kohlensäure durch die Körperwand) beobachtet werden konnte (Versuch 51). Wir ver- suchen, diese Erscheinung durch die Annahme zu erklären, dab während des Submersionsversuches eine Anpassung der Stoffwechsel- vorgänge an die veränderten Bedingungen, wie sie durch die An- wesenheit der körperfremden Ionen hervorgerufen werden, statt- findet. Vorstehenden Theorien gestatten uns also, das Hervordringen von Gasblasen während der Submersion zu erklären unter der Voraussetzung, daß „tödlich“ wirkende Ionen in den Körper eingedrungen sind. Diese Erklärungsmöglichkeit versagt nun aber in allen den Fällen, bei denen es sich um eine Submersion in Leitungswasser handelt; denn auch dann ist ja — wenn auch sehr vereinzelt — eine Gasabgabe durch das Stigma beobachtet worden. (Versuche 23—25 von A. Kocu, No. 54 der eigenen Versuche) Und auch in 9 200 MARGARETE GOFFERJE, einer Reihe bisher unveröffentlichter Submersionsversuche mit Larven von Mochlonyx Lw. in Leitungswasser hat A. Koc# eine Abgabe sehr zahlreicher (35) Gasblasen feststellen können. Diese Versuche konnten bisher noch nicht zum Abschluß gebracht werden. Eine Erklärungsmöglichkeit für diese Erscheinungen ist vielleicht auf folgende Weise zu finden. Wir haben Grund zu der Annahme, daß es sich bei allen den Larven, die im Leitungs- wasser eine Gasblasenabgabe zeigten, um Tiere handelte, die unmittelbar vor einer Häutung standen. Nun wird aber der Häutungsprozeß bekanntlich „dadurch eingeleitet, daß die alte Chitincuticula sich von der Hypodermis abhebt, während die letztere eine neue Outicularsubstanz auf ihrer Oberfläche ab- scheidet. Zugleich sondern besondere Häutungsdrüsen reichliche Mengen einer Flüssigkeit (Exuvialflüssigkeit) ab, die zwischen die alte gelöste und die neue sich bildende Haut tritt, um der letzteren die Möglichkeit einer freieren Entfaltung zu verschaffen“ (ESCHERICH, 1914). Eine so beschaffene Körperdecke muß aber für den Durch- tritt von Kohlensäure viel ungeeigneter sein, als die normalerweise vorhandene einfache Chitincuticula. Es ist anzunehmen, daß bei den -vor der Häutung stehenden Tieren zunächst ebenfalls eine Kohlensäureabscheidung durch die in Entstehung begriffene Chitin- cuticula in die Exuvialflüssigkeit hinein erfolgt, und daß diese letztere sich dabei allmählich mit Kohlensäure sättigt. Natürlich wird jetzt eine Diffusion der Kohlensäure durch die alte Larvenhaut hindurch in das Medium erfolgen können. Mit Hilfe dieses kompli- zierten Excretionsmechanismus kann aber wahrscheinlich nicht die Gesamtmenge der im Körper gebildeten Kohlensäure ausgeschieden werden, so daß ein Abtransport des zurückbleibenden Teiles der Kohlensäure durch das Tracheensystem erfolgen muß. Natürlich bedarf diese Theorie noch eingehender experi- menteller Belege. Vielleicht kann aber auch folgende Beob- achtung zur Stütze unseres Erklärungsversuches dienen. Zahlreiche ausgewachsene Culicidenlarven, die in einem Aquarium gehalten wurden, gingen plötzlich ein; sie sanken zu Boden und jedes Tier zeigte nach dem Tode eine große Gasblase am Atemsipho ; eine Erscheinung, die im allgemeinen nicht beobachtet werden kann. Da die überlebenden, mit den toten Larven ursprünglich zu gleicher Zeit gefangenen Tiere bald darauf zur Verpuppung schritten, können wir annehmen, daß auch die eingegangenen Larven kurz vor der Puppenhäutung standen, und vielleicht ist aus zo Grunde die Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 291 Kohlensäureabscheidung am Ende der Lebenszeit durch das Tracheen- system erfolgt. Auf Grund der Ausführungen von A. Kocx sowie der eigenen Versuche können wir uns nun folgende Vorstellung von der Tracheen- atmung der Larven von Culex pipiens machen: Die Sauerstoffaufnahme findet sowohl durch das Stigma des Atemsiphos als auch durch die Körper- oberfläche statt, und zwarin der Hauptsache und in evtl. allein ausreichendem Maße durch die Atemröhre (beim Luftatmen am Wasserspiegel). Daß aber auch eine Sauerstoff- aufnahme durch die Körperoberfläche in Frage kommt, zeigen die Versuche von A. Koch, bei denen in stark sauerstoffhaltigem Wasser eine sehr verlängerte Submersionszeit (und eine entsprechende Ver- srößerung des Produktes aus mittlerer Geschwindigkeitsänderung und Submersionsdauer) beobachtet wurde (vgl. Tabelle 11). Ebenso wie die Sauerstoffaufnahme auf zwei Wegen vor sich gehen kann, bestehen auch für die Kohlensäure- abscheidung zwei Möglichkeiten; nur liegen die Ver- hältnisse insofern umgekehrt, als der größte Teil oder gar die ganze Menge der produzierten Kohlensäure durch die Körperoberfläche ausgeschieden wird, wie sich das in normalen Submersionsversuchen zeigt. Es besteht aber auch die Möglichkeit einer Kohlensäure- excretion durch das Tracheensystem. Wie weit eine solche ‚Ausscheidung bei der Luftatmung am Wasserspiegel in Frage kommt, muß dahingestellt bleiben. Eine wesentliche Rolle schreiben wir ihr aber nicht zu; höchstens handelt es sich um eine in mäßigen Grenzen bleibende Tracheenventilation für den Fall, daß die Larve, am Wasserspiegel hängend, Körperbewegungen ausführt. Große Bedeutung erlangt aber die Kohlensäureausscheidung durch das Tracheensystem dann, wenn körperfremde „tödlich“ wirkende Ionen in den Organismus ein- sedrungen sind, und wahrscheinlich auch dann, wenn die Larve unmittelbar vor einer Häutung steht. In diesen Fällen wird die Gesamtmenge oder wenigstens der weitaus größte Teil der Kohlensäure durch das Stigma nach außen befördert. Dieses Resultat läßt sich mit keiner der eingangs erwähnten Theorien über die Tracheenatmung voll- 292 MARGARETE GOFFERJE, ständig in Einklang bringen! Die normalen Atmungsver- hältnisse, die z B. BaB4k (1912) allein bei den Culicidenlarven — studiert hat, lassen sich nach der v. FRANKENBERG’schen Theorie im großen ganzen erklären, aber nicht der in dieser Arbeit be- sonders untersuchte „anormale Atemmechanismus“, bei dem eine Kohlensäurespeicherung und -excretion durch das Tracheensystem stattfindet. Eine Erklärungsmöglichkeit aller Atmungs- erscheinungen ist eben nur durch einen Kompromiß der drei Theorien möglich. Ob nun, wie wir das als „normal“ Dane haben, die not- wendige Sauerstoffmenge hauptsächlich durch das Trac aufgenommen und die gebildete Kohlensäure vorwiegend durch die Körperoberfläche abgegeben wird, oder ob „anormalerweise“ der Vorgang ganz oder zum Teil in umgekehrter Richtung verläuft (Sauerstoffaufnahme durch die Körperwand bei der Submersion, Kohlensäureabgabe durch die Tracheen bei Anwesenheit tödlich wirkender Ionen und vor der Häutung), hängt vom physiologischen Zustand des Tieres und von den Milieubedingungen ab. Die „anormale“ Tracheenfunktion ist also kein Zeichen einer allgemeinen Degeneration der Larve, sondern nur der Ausdruck einer Anpassung an anormale Lebensbedingungen. Aus Tabelle 10 ersieht man, daß es nicht zu einer Gasblasenabgabe zukommen braucht, wenn die Tiere allgemein stark geschädigt sind (Ver- such 37), sondern nur dann, wenn während der Sub- mersion solche Ionen auf das Tier einwirken, die* speziell den Atmungsmechanismus störend beein- flussen. Innerhalb einer Versuchsgruppe zeigen Tiere mit „normaler“ und „anormaler“ Tracheenfunktion keine wesentlichen Unterschiede in ihren energetischen. Leistungen, weil sie die Möglichkeit haben, sich den veränderten Lebensbedingungen durch Neuregulierung des Gasstoffwechsels in weitgehendem Maße anzupassen. Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 293 C. Zusammenfassung. 1. Nachdem sich herausgestellt hatte, daß bei Culex-Larven die Art der Kohlensäureabscheidung (durch die Körperoberfläche oder durch das Tracheensystem) nicht durch den Gasgehalt des Wassers bedingt wird, sollte zunächst der Einfluß wechselnden Salz- gehaltes des Mediums auf die Funktion der Tracheen und die Mechanik des Gasaustausches untersucht werden. Um aber Submersionsversuche in Salzlösungen vornehmen zu können, mußten zuerst umfassende Vorversuche über die Lebens- und Entwicklungsmöglichkeiten der Larven in Wasser von verschiedenem Salzgehalt angestellt werden. 2. Als Züchtungsmedien, in die die Larven aus dem Aquarium überführt wurden, sind Normallösungen der Chloride, Nitrate und Sulfate von Natrium, Kalium, Calcium und Magnesium verwandt worden. Für die Beurteilung der Wirkungsweise der Salzlösungen gleicher Konzentration wurde der Mittelwert der Lebensdauer der in den be- treffenden Konzentrationen gezüchteten Tiere zu Grunde gelegt und außerdem die Beobachtungen, die sich im einzelnen über Häutung, Verpuppung und Imagobildung ergaben. So war es möglich zwischen „tödlichen“ (Tod der Larve innerhalb 24 Stunden), „indiffe- renten“ und „entwicklungshemmenden“ Lösungen zu unterscheiden. „Tödlich“ wirken alle 5 Lösungen und die „Lösungen der Nitrate sowie des Kalium- und Magnesiumchlorids. Mit Aus- nahme des KNO, konnte bei allen benutzten Salzen eine „indifferent“ ‘an ap atin festgestellt wurden, und zwar in aye der 35° oder — 64 N Lösung, bei Kochsalz schon in Form der 16 „Entwickiungshemmende“ Lösungen lieferten die Natrium- und Kaliumsalze der Chloride und Sulfate, und zwar wurde ein Larven- N „Lösung. leben festgestellt von 70 bzw. 69 Tagen in 55 baw. cy NaCl, von " Na,S0, und (durchschnittlich) 57 Tagen in ;- ~ KCl, von 37Tagen in — 32 von 38 Tagen in 35 K,SO,. 64 3. Der Einfluß der Salze ist (innerhalb bestimmter Grenzen) verschieden, je nachdem man die Lösung einwirken läßt auf „große“ bzw. „kleine“ Larven, d. h. auf Tiere, die sich im letzten bzw. einem Zool. Jahrb. 39. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 20 294 MARGARETE GOFFERJE, der beiden mittleren Larvenstadien befinden. Die am schädlichsten wirkenden Salze Natrium- und Kaliumnitrat üben auf „kleine“ Larven eine noch stärker schädigende Wirkung aus als auf „große“; die Magnesiumsalze lassen: in dieser Hinsicht keine Gesetzmäßigkeit er- kennen, die übrigen Salze verhalten sich in den stärksten Lösungen wie Natrium- und Kaliumnitrat; mit abnehmender Konzentration nimmt der Schädigungsgrad dieser Salze auch ab, und zwar können sich jetzt „kleine“ Larven an den veränderten Salzgehalt wesent- lich besser anpassen, als „große“ Tiere. 4. Nach Überführung der Larven in Gemische aus solchen Salzen, in denen die mittlere Lebenszeit der Larven annähernd gleich war, trat niemals eine wohl aber in manchen Fällen (besonders bei Mischung von = NaCl und 16 KCl) eine deut- liche Verlängerung der Lebensdauer ein (maximal um 33,6 Tage). Die Puppen- und Imagobildung wird in diesen Fallen jedoch keineswegs in demselben Maße begünstigt. 5. Den benutzten Salzlösungen gegenüber verhalten sich die Culicidenlarven ähnlich wie die (ebenfalls mesosaproben) Daphnien, aber wesentlich anders als Chironomidenlarven (Polysaprobien), die durchschnittlich 4—5mal so großen Salzgehalt vertragen. 6. Es wurden nun Larven, die in einzelnen dieser Salzlösungen „vorbereitet“ waren, oder auch solche, die in Aquariumswasser ge- lebt hatten, in Leitungswasser oder in Salzlösungen submergiert. Es zeigte sich zunächst, daß auch bei der Submersion die Anwesen- heit bestimmter Ionen die Lebensenergie der Tiere herabsetzt. Geht der Submersion in Salzwasser eine „Vorbereitung“ des Tieres in demselben Medium voraus, so kann eine Anpassung an den ver- änderten Salzgehalt stattfinden aber nur für den Fall, daß die Lösung keinen „tödlichen“ Charakter hat. 7. Als Hauptergebnisse dieser Versuche hat zu gelten, dab eine Kohlensäurespeicherung in den Haupttracheen- stämmen und evtl. eine Abgabe von Gasblasen durch das Stigma der Atemröhre erzielt werden kann durch Anwendung einer tödlich wirkenden Salzlösung als Submersionsmedium (oder auch als Vorbereitungs- und Submersionsmedium). Vorbereitung in Salzwasser und Sub- mersion in Leitungswasser stellen keine geeigneten Bedingungen dar. 8. Die bis jetzt vorliegenden Ergebnisse berechtigen zu folgenden Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 295 Anschauungen über den Mechanismus des Gasaustausches bei den Culicidenlarven: Tracheensystem wie Körperoberfläche (inkl. Kiemen- blättchen) vermitteln den Gasaustausch, und zwar dienen beide Organe sowohl der Sauerstoffaufnahme wie der Kohlensäureabscheidung. Unter normalen Bedingungen nimmt wohl das Tracheensystem durch das Stigma der Atemröhre Sauerstoffinausreichendem Maße auf,und dieKörper- oberfläche scheidet die weitausgrößere Menge der im Cellularstoffwechsel entstandenen Kohlensäure aus. Es ist aber anzunehmen, daß — auch normalerweise — daneben die Fähigkeit zur Sauerstoffaufnahme durch die Haut und zur Kohlensäureabscheidung durch das Tracheen- system, wenn auch in bescheidenen Grenzen, besteht. Von großer Bedeutung wird aber dieser in umgekehrter Richtung sich vollziehende Gastransport unter anormalen Lebensbedingungen, z. B. dann, wenn — wie bei einer Reihe der besprochenen Submersionsversuche — tödlich wirkende Ionen in den Organismus eingedrungen sind, die den Cellularstoffwechsel störend beeinflussen, aber wahrscheinlich auch dann, wenn die Larven unmittelbar vor einer Häutung stehen, kurz: in allen den Fällen, in denen es sich um eine akute oderinder Ent- wicklung begründete Störung des physiologischen Gleichgewichts des Organismus handelt. 9. Die ,anormale“ Tracheenfunktion, d. h. die Kohlensäure- ansammlung in den Tracheen und die Abscheidung von Gasblasen durch das Stigma wäre demnach nicht als Zeichen einer allgemeinen Degeneration der Larven, als pathologische Erscheinung, aufzufassen, sondern sie hätte als Ausdruck einer Anpassung an bestimmte Lebensbedingungen zu gelten. 20* + |: PRE - MARGARETE GOFFERJE, Vorstehende Arbeit wurde im Zoologischen Institut der West- fälischen Wilhelms-Universität zu Münster i. W. angefertigt. Meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Universitätsprofessor Dr. W. STEMPELL, sage ich auch an dieser Stelle herzlichen Dank für das Interesse, das er den Untersuchungen stets entgegengebracht hat. Herr Privatdozent Dr. A. Koch gab die Anregung zu vor- stehenden Untersuchungen. Vermöge seiner besonderen Sachkenntnis unterstützte und förderte er meine Arbeit sowohl in praktischer Hinsicht als auch bei der Zusammenstellung des Materials in über- aus liebenswürdiger und selbstloser Weise. Für diese, mir jederzeit gern erwiesene Hilfe möchte ich ihm meinen tiefgefühlten Dank aussprechen. | | Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 297 Literaturverzeichnis. 1734—1742. RÉAUMUR, Mémoires pour servir à l’histoire des Insects, Paris. | 1778. SLABBER, M., Natuurkundige Verlustigingen, Haarlem. 1836. Cuvier, G., Le règne animal. Insectes, Paris. 1836. NEWPORT, G., On the respiration of insects, in: Phil. Trans. Roy. Soc., London, 1837. DUTROCHET, H., Du mécanisme de la respiration des insects, Mémoires pour servir à l’histoire anatomique et physiologique des végétaux et des animaux, Vol. 2, Paris. 1861. RATHKE, H., Anatomisch-physiologische Untersuchungen über den AtemprozeB der Insekten, in: Schriften phys.-ökon. Ges. Königs- bee, Je: 1. : 1877. PALMEN, J. A., Zur Morphologie des Tracheensystems, Leipzig. 1877. SCHWANKEWITSCH, W., Zur Kenntnis des Einflusses der äußeren Lebensbedingungen auf die Organisation der Tiere, in: Ztschr. wiss. Zool., Vol. 29. 1887. RASCHKE, E. W., Die Larve von Culex nemorosus, in: Arch. Naturgesch., Jg. 53. 1888. Hartoc, M., Preliminary note on the functions and homologies of the contractile vacuole in plants and animals, in: Rep. Brit. Assoc. Adv. Sc. 1890. Derwitz, H., Einige Beobachtungen, betreffend das geschlossene Tracheensystem bei Insektenlarven, in: Zool. Anz., Vol, 13. 1890. Hurst, C. H., The pupae stage of Culex, in: Stud. biol. Labor. Owen’s Coll. Manchester. 1893. KozBE, H. J., Insektenkunde, Berlin. 1894. Locks, F., in: Ctrbl. Physiol., Vol. 8. 298 MARGARETE GOFFERJE, 1900. LECAILLON, A., Sur les rapports de la larve et de la nymphe du cousin (Culex) avec le milieu ambiant, in: Bull. Soc. philom., Paris. 1900. Locks, F., in: Ctrbl. Physiol., Vol. 14. 1902. GÔTHLIN, G. F., in: Skand.. Arch. Physiol., Vol. 12. 1902. SAMTER und HEYMONS, Die Variationen der Artemia salina LEACH und ihre Abhängigkeit von äußeren Einflüssen, in: Anh. Abh. Akad. Wiss., Berlin. 1903. PACKARD, A. S., Test-book of “pan Newyork. 1904. HENNEGUY, S. F., Les insectes, Paris. 1905. DEGEN, Untersuchungen über die kontr. Vakuole und die Waben- struktur des Protoplasmas, in: Botan. Zeit., Jg. 68. 1905. EYSELL, A., Die Stechmücken, in: Handb. Tropenkrankheiten, Vol. 2. 1905. OstwALp, W., Versuche über die Giftigkeit des Seewassers für SüBwassertiere, in: Arch. ges. Physiol., Vol. 106. 1907. BAGLIONI, S., Einige Daten zur Kenntnis der quantitativen Zu- _ sammensetzung verschiedener Körperflüssigkeiten von Seetieren (Fischen und einigen Wirbellosen), in: HOFFMEISTER’s Beitr., Vol. 9. 1907. EYSELL, A., Beiträge zur Biologie der Stechmiicken, in: Arch. Schiffs- und Tropenhyg., Vol. 11. 1907. HorER, B., in: Arb. Gesundheitsamt Berlin, Vol. 25. 1907. LÜBBEN, H., Die innere Metamorphose der Trichopteren, in: Zool. Jahrb., Vol. 24, Anat. 1907. OstwALD, W., Über die Beziehungen zwischen Adsorption und Giftigkeit von Salzlösungen für nn in: Arch. ges. Physiol., Vol. 120. 1908. FÜHNER, H., Über eine en ele für Selachierherzen, in: Ztschr. Ale Physiol., Vol. 8. 1909. BERLESE, A., Gli insetti, Vol. 1, Milano. 1909. KEILKACK, S., Phyllopoden, in: Süßwasserfauna Deutschlands, Jena. 1909. ROSEMANN, R., LANDOIS’ Lehrbuch der Physiologie des Menschen, Berlin. 1909. VERWORN, M., Allgemeine Physiologie, Jena. 1910. GRÜNBERG, K., Diptera, in: Süßwasserfauna Deutschlands, Jena. 1910. Hertwic, R., Lehrbuch der Zoologie, Jena. 1910. LAMPERT, K., Das Leben der Binnengewässer, Leipzig. 1910. ZÜLZER, M., Der Einfluß des Meerwassers auf die pulsierende Vakuole, in: Arch. Entw.-Mech., Vol. 29. 1911. Borrtazzı, F., Das Cytoplasma und die Körpersäfte, in: Handb. vergl. Physiol., Jena. 1911. KROGH, A., On the hydrostatic mechanism of the Corethra Larva etc., in: Skand. Arch. Physiol., Vol. 25. Einfluß verschied. Salze auf die Entwicklungsdauer von Culex pipiens L. 299 1911. Lorn, J., Können die Eier von Fundulus und die jungen Fische in destilliertem Wasser leben?, in: Arch. Entw.-Mech., Vol. 31 1911. —, Die Erhöhung der Giftwirkung von KCl durch niedrige Kom- zentrationen von NaCl, in: Biochem. Ztschr., Vol. 32 (vgl. außerdem Mel. 31911: Vol. 36, 1911; Vol. 39,;1912; Vol. 43,.1912). 1911. Log, J. und H. WASTENEYS, Die Entgiftung von Kaliumsalzen durch Natriumsalze, ibid., Vol. 31 (vgl. außerdem Vol. 33, 1911; Vol. 39, 1912). 1911. PÜTTER, A., Vergleichende Physiologie, Jena. 1912. BABAK, E., Zur Vire der AHRGRE bei Culex, in: Internat. Rev. dechiol., Vol. 1912—1915. Howapgp, S. = DyAr, H. G. et F. Knap, The Mosquitos of North and Central America and the West Indies, Washington. 1912. OPPENHEIMER, C., Grundriß der Biochemie, Leipzig. 1912. Sack, P., Aus dem Leben unserer Stechmiicken, Jena. 1912. Basix, E., Die Mechanik und Innervation der Atmung, in: Handb. vergl. Physiol., Jena. 1913. BuGnion, E., Hexapoda, in: A. Lang, Handb. d. Morphol. d. wirbell. Tiere, Jena. 1913. DEEGENER, P., Buy: , in: SCHRÖDER, Handb. d. Entomologie, Fe 1913. v. FÜRTH, O., Vergl. chem, Physiol. der niederen Tiere, Jena. 1913. r Lors, J., Artificial parthenogenesis and fertilization, Chicago. 1913. SCHMIDT, R., Die Salzwasserfauna Westfalens, in: Jahresb. westf. Prov.-Ver. Wiss. Kunst, Münster. 1913. SCHNEIDER, P., Beitrag zur Kenntnis der Culiciden in der Um- gebung von Bonn, in: Verh. naturh. Ver. Preuß. Rheinl. Westf., Jg. 70. 1914. ESCHERISCH, K., Insekten, in: Handwörterbuch d. Naturwiss., Vol. 5, Jena. 1914. HiırscH, E., Biologische Wirkung einiger Salze, in: Zool. Jahrb., Vol. 34, Physiol. 1914. STEMPELL, W., Die Funktion der pulsierenden Vacuole, ibid., Vol. 34, Physiol. 1915. WuxpsCH, H. H., Artemisia (Artemia) salina (L.) in Mitteldeutsch- land, in: Zool. Anz., Vol. 43. 1915. EMMERICH, R. und O. LoEw, Studien über den Einfluß mehrerer Salze auf den Fortpflanzungsprozeß, in: Arch, Hygiene, Vol. 84. 1915. v. FRANKENBERG, G., Die Schwimmblasen von Corethra, in: Zool. Jahrb., Vol. 35, Pbysiol. 1915. LIpsCHÜTZ, A., Allgemeine Physiologie des Todes, Braunschweig. 1916. STEMPELL, W. und A. KocH, Elemente der Tierphysiologie, Jena. 300 Gorrerye, Einfluß verschied. N auf die Entwicklungsdauer v. C. pipiens L. 1916. THIENEMANN, À. Beitrige zur Kenntnis der westfälischen Fauna. VI. Über einige Kfebstiere der westfälischen Fauna, in: 44. Jahresb. westf. Prov. Ver. Wiss. Kunst, Münster. 1916. v. TSCHERMAK, A., Allgemeine Physiologie, Vol. 1, Berlin. 1916. ZLATAROFF, A., Uber das Altern der Pflanzen, in: Ztschr. allg. Physiol., Vol. 17. 1917. BRESSLAU, E., Beiträge zur Kenntnis der Lebensweise unserer Stechmiicken, in: Biol. Ctrbl., Vol. 37. 1917. Kocu, A., Über den Tod, in: Aus der Natur. 1918. —, Studien an Larven von Culex pipiens bei der Submersion, in: Zool. Anz., Vol. 50, No. 3, 4. 1918. WILHELMI, J., Die hygienische Bedeutung der angewandten Ento- mologie, in: Flugschriften deutsch. Ges. angew. Entomol., No. 7, Berlin. 1919. Koch, A., Messende Untersuchungen über den Einfluß von Sauer- stoff und Kohlensäure auf das Verhalten von Culexlarven bei der Submersion, in: Zool. Jahrb., Vol. 37, Physiol. | 1918. GOFFERJE, M., Die Wirkung verschiedener Salze auf Larven von Culex pipiens L., in: Mitt. zool. Inst. Univ. Münster 1. W., Heft 1 (Vorl. Mitt.). Nachtrag. KocH, A., Die Atmung der Culicidenlarven, in: Mitt. Zool. Inst. Münster, 1921. KREISEL, C., Über den Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutral- salzen auf Culiciden-Larven und -Puppen, ibid. G. Pätz’sche Buchdr. Lippert & Co. G. m. b. H., Naumburg a. d. S. à Neuerscheinungen aus dem Verlag von Gustav Fischer in Jena. Die Zeichenkunst im Dienst der beschreibenden Nafurwissenschaffen Von Ferdinand Bruns Zeichenlehrer am Realgymnasium in Barmbeck-Hamburg Mit 6 Abbildungen im Text und 44 Tafeln VIII, 100 S. 4° (30 X 23 cm) 1922 Mk 90.—, geb. Mk 115.— Inhalt: Einleitung. — Das Zeichen der „Primitiven‘“ — Zeichnen nach ebenen . Gebilden: ı. Blattformen. 2. Schmetterlingsflügel. 3. Die Verwendung der Hinweis- striche, 4. Das Kopieren. 5. Das Zeichnen nach ebenen Schnitten. — Zeichenapparate. — Reproduktionstechnik: Die photoraechanischen Reproduktionsmethoden. (Lichtdruck, Autotypie, Strichätzung.) — Zeichnen nach räumlichen Gebilden. ı. Das Projektions- zeichnen. (Blattspurstränge, Blütengrundrisse.) 2. Blattüberschneidungen. (Gedrehte und gewundene Achsengebilde.) 3. Die Perspektive. (Blütenstände.) — Die Silhouette. — Schwarz-Weiß-Malerei. — Licht und Schatten. — Spiegelung und Reflex. — Das Zeichnen nach mikroskopischen Präparaten. — Das Wandtafelzeichnen. — Aus der Geschichte des naturwissenschaftlichen Zeichnens. — Namen- und Sachverzeichnis. In diesem Buche ist von der Zeichenkunst nur insoweit die Rede, als sie in erster Linie dem Naturwissenschaftler Dienste leisten kann. Es vermittelt ein Lehrverfahren, das sich zum Ziele setzt, den Zeichner zu befähigen, solche Gegenstände mit den Aus- drucksmitteln der Zeichnung und der Malerei nachzubilden, deren Betrachtung Aufgabe der beschreibenden Naturwissenschaften ist, oder Ideen auszudrücken, die dem Arbeits- bereich dieser Wissenschaften angehören. Das vorliegende Werk ist durchaus wissenschaftlich orientiert und in der Problem- stellung und Durchführung vollkommen original und füllt eine Lücke, die nicht nur in der deutschen Literatur, sondern auch im ausländischen Schrifttum allgemein vorhanden ist: Es dürfte allen wissenschaftlich Arbeitenden, die Abbildungen herzustellen haben, große Dienste leisten und namentlich für naturwissenschaftliche Autoren ein schätzbares Unterrichtswerk bilden. Normentafeln zur Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere Herausgegeben von Prof. Dr. F. Keibel, Direktor des anatomisch-biologischen Institutes der Universität Berlin. Dreizehntes Heft. Normentaiel zur Entwicklungsgeschichte des Ziesels (Spermophilus citillus). Von 0. ö. Prof. Dr. Otomar Völker-Brünn, Universität. Mit 5 Abbildungen im Text und 3 Tafeln. VI 332 S. gr. Fol. (35,5 X 27,5 cm). 1922. Mk 220.— = e - st ome a Sale 54 ay = Er Verlag von Gustav | Geschlecht aa taeeriam ‚te ım Tierreiche a. re Johannes Meisenheimer . ord. Professor der Zoologie an der Universität Leipzig L Teil: Die natur lichen Beziehungen = Mit 737 Abbild. im Text XIV, 896 S. Lex. 80 1921 Mk 180, —, geb. Mk 210.— eee Inhalt: 1. Gameten und Gametocyten. (Die einzellisen Organismen.) à Der Gametocytenträger. — 3. Der Gametocytenträger 2. Ordnung. — 4. Zwittertum und Getrenntgeschlechtlichkeit. — 5. Ueber die Eigenart zwittriger Organismen. —6.Die primitiven Begattungsformen. — 7. Die unechten Begattungsorgane (Gonopodien) und = ihre Betätigung. — 8.9. Die echten Begattungsorgane. (I. Vorstufen, Anfänge und primitive Zustände. II. Die komplizierten Zustände.) — 10. Die Korrelation zwischen männlichen Begattungsorganen und weiblichen Empfangsorganen. — 11. Haftorgane, Greif- und Klammerapparate im Dienste geschlechtlicher Betätigung. — 12, Die spezifisch geschlechtlichen Reizorgane mechanischer Art und die Wollustorgane. — 13./17.Die Formen der geschlechtlichen Annäherung, die Methoden der Bewerbung und der Ger = winnung der Weibchen. (I. Der Kontrektationstrieb und die Mittel zu seiner Betati- _ ‘gung. IL. Die Vermittelung sexueller Annäherung und Empfindung durch den Tast sinn. III. Die Produktion und Verwendung von Schmeck- und Riechstoffen im Dienste — der geschlechtlichen Annäherung. IV. Die sexuellen Locktöne. V. Die ornamentaler Sexualcharaktere.) — 18 Die sexuellen Waffen. — 19, Die Hilfsorgane der Hiablage. — — 20/21. Die Verwendung des elterlichen Körpers im Dienste der Brutpflege. (1. Die Gewährung von Schutz und günstigen Außenbedingungen. U. Die Darbietung. des Lebensunterhaltes.) — 22. Stufen sexueller Organisationshöhe. — 23. Uebertragung = spezifischer Geschlechtsmerkmale von Geschlecht zu Geschlecht. — 24. Herkunft sie EEE Ausbildung peripherer Geschlechtsmerkmale. — eee @ Autorenverzeichnis hierzu (9 S.) — Sachregister (30.8 Sexualitätsprobleme. sind in unserer Zeit an Intensität wie Ergiebigkeit hei Be re arbeitung in den Vordergrund biologischer Forschung getreten wie nie zuvor. Und doch — fehlte es bisher völligan einem streng wissenschaftlichen Werk, welchesdiese Probleme von einem die ganze Organismenwelt der Tiere umspannenden Gesichtspunkt aus zu erfassen suchte. Das will das vorliegende Buch, wenn es auf vergleichenden physio- — logischen und biologischen Grundlagen zu einer einheitlichen Beurteilung sexueller Ge- staltung. und sexueller Lebensäußerungen aller tierischen Wesen zu gelangen strebt; auch des Menschen, der hier nur als Sonderfall unendlich: mannigfachen Geschehe erscheint, in allen seinen Sexualäußerungen eingereiht wird in weite biologische "Zu sammenhänge. Die Darstellung bemüht sich bei steter Wahrung strengster Wissenschaf lichkeit um eine Fassung, die es jedem, dem die Grundelemente tierischer Morphologie und Systematik vertraut sind, ermöglicht, den Ausführungen des Verfassers zu folgen. Das Werk ist mit zahlreichen Abbildungen versehen und auf bestem, holzfreiem — ee Papier hergestellt. ee. a D LE ECS PES Se . à 132,5} Münch. mediz. Wochenschrift, 1922, Nr. to: ... ein Werk, das sicher auf lange Zeit hin grundlegend sein wird. Mit peinlichster Gewissenhaftigkeit fi wird alles behandelt, was auf die natürlichen Beziehungen der Geschlechter zucinander = in allen Arten des Tierreiches Bezug hat. In. klarer,.keichtsverständlicher >; Weise, erläutert durch zahlreiche vorzügliche Abbildungen, werden die bisher ermittelten Tatsachen geschildert und an sie die Schlußfolgerungen angekntipft.... Was == M. bringt, ist sachliche Darstellung, echte Wissenschaft... Dis‘ "Buch Met ist wohl in erster Linie für den Forscher gedacht; ihm bringt es reichste Belehrung und % ihm wird es dauernd ein Ve u à sein... (EL Steve jeg en 2 = : SiS So es ee ee 3 Die” Het if i Pres neki pei Yor Verlag R. HEAR: ee LS betr. Natur — sensehaflich 5 Bücher i a3 tee R ; Es we m nn REINE ee EI ran ne Bachar: Lin Re. mt it, SO food. Se : - ABTEILUNG ER FÜR _ ALLGEMEINE ZOOLOGIE UND PHYSIOLOGIE DER TIERE BEGRÜNDET VON J. W. SPENGEL HERAUSGEGEBEN VON PROF. DR. S. BECHER ın GIESSEN — BAND 39, HEFT 3 MIT 22 ABBILDUNGEN IM TEXT JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1923 Die ,,Zoologischen Jahrbü cher“ ( Abteilung für romaine “Zoolo, = Physiologie der Tiere) erscheinen in zwangloser Folge. Je vier Hefte bilden einen Band. Der Preis wird für jedes Heft einzeln bestimmt. te > Inhalt. (Abt. Physiol, Bd. 39, 3) | = Seite WILLE, JOHANNES, Biologische und physiologische Beobachtungen und Versuche an der Käsefliegenlarve sep casei L.). Mit 4 Abbildungen im Text . . . . Me a. LEHMANN, CONRAD, Untersuchungen über i Sinnesorgane der 2, Medusen. Mit 18 Abbildungen im Text... oe Verlag von Gustav Fischer in Jena. Allgemeine Zoologie und Abstammungslehre. — Von SEE TE Dr. Ludwig Plate, Prof. der Zoologie und Dir. des phyletischen Museums an der Universität Jens. | Erster Teil: Einleitung, Cytologie, Hystologie, Promorphologie, Haut, Steel, Lokomotionsorgane, Nervensystem. | Mit 557, teilweise farbigen Abbildungen. VI, 629 S. gr. 8° 1922 Gr.-Z. 9.—, geb. 13,— Das vorliegende auf vier Bände berechnete Werk will die Abstammungslehre nach _ möglichst vielen Seiten beleuchten und fördern. Es ist entstanden aus den Zoologischen Hauptvorlesungen, die der Verfasser seit vielen Jahren in Berlin und Jena gehalten. hat. Durch ein umfangreiches Literaturstudium, von dem das Verzeichnis am Schlusse jedes Bandes Zeugnis ablegt und durch eigene Untersuchungen hat er den Inhalt jener Vor- 3 lesungen so erweitert, daß ein dem derzeitigen Stande der Wissenschaft entsprechendes Bild der behandelten Kapitel entstanden ist. Der zweite Teil wird die Sinnesorgane zum Gegenstand haben. In dem dritten sollen weitere Kapitel der vergleichenden Anatomie dargestellt werden, während der vierte zeigen soll, in welcher Weise die Systematik, die Experimental-Zoologie einschließlich der Vererbungsforschung, die Embryologie, die Tier- geographie und die Paläontologie, die Fragen der Abstammungslehre fördern und klären. Eine Erörterung der allgemeinen Probleme der Deszendenztheorie wird das ganze Werk beschließen. Gegenwärtig fehlt es an einem Werke, welches die in den letzten Dezennien gewonnenen Ergebnisse jener Disziplinen zusammenfaßt und damit den gegenwärtigen Stand der Wissenschaft klar herausarbeitet. Diesem Bedürfnis soll dieses Werk genügen. In welch hervorragender Weise sich der Verfasser seiner schwierigen und umfassenden Aufgabe erledigt, zeigt der vorliegende erste Band, der in Zoologenkreisen allgemeinster Beachtung sicher sein wird. - i | aa. oe ae PP à ae Nachdruck verboten. Ubersetzungsrecht vorbehalten. Biologische und physiologische Beobachtungen und Versuche an der Käsefliegenlarve (Piophila casei L.). Von Dr. Johannes Wille, ehem. Assistent an der Biologischen Reichsanstalt für Land- u. Forstwirtschaft Berlin-Dahlem. Mit 4 Abbildungen im Text: Zur Bekämpfung tierischer Schädlinge sind in letzter Zeit gas- förmige Mittel in weitestem Maße herangezogen worden. Mit ver- schiedenen Gasen nat man ausgezeichnete Ergebnisse erzielt, und es steht zu erwarten, dab einerseits die bisher angewendeten gas- förmigen Bekämpfungsmittel in ihrer Anwendungsmöglichkeit weiter ausgebaut, andererseits neue, bisher noch nicht für diese speziellen Zwecke erprobte Gase in den Kreis der Betrachtung und Ver- wendung als Schädlingsbekämpfungsmittel hineingezogen werden. | Über die eigentliche toxische Wirkung eines Gases auf den tierischen Organismus des Schädlings ist bisher so gut wie nichts bekannt. Praktisch tritt dieser Gesichtspunkt ja auch in den Hintergrund, denn es kommt zunächst nur darauf an, den Tod bzw. eine dauernde Schädigung des betreffenden Schädlings mit einem Bekämpfungsmittel zu erreichen, unter möglichster Schonung des umgebenden Mediums, in dem der Schädling haust. Wissenschaft- lich dagegen ist es von unschätzbarem Wert, wenn man feststellen. kann, an welchen Organen ein Bekämpfungsmittel angreift und welche Veränderungen es hier hervorruft. Dieser Gesichtspunkt Zool. Jahrb. 39. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 21 302 JOHANNES WILLE, ist besonders von Wichtigkeit, wenn man sich der Erforschung neuer Bekimpfungsmittel zuwenden will. Die Grundlage fiir diese Frage ist aber natiirlich eine genaueste und eingehende Kenntnis der normalen Verhältnisse bei dem betreffenden Schädling. Des- halb muß eine durchdringende Erforschung der Biologie und Physio- logie eines jeden Schädlings vorausgehen, ehe man zu seiner Be- kämpfung schreiten kann. Bei gasförmigen Bekämpfungsmitteln spielen natürlich die- jenigen Stellen am Schädlingsorganismus die Hauptrolle, an denen Gase aufgenommen werden, also die Atmungsorgane Wie kompli- ziert die Verhältnisse hier liegen können, habe ich früher an einem Beispiel einmal durchgeführt (Beiträge zur Kenntnis der Respirations- organe an Tachinenpuppen, in: Zool. Anz., Vol. 52). Auch andere Organsysteme wären wohl bei der Prüfung &asförmiger Mittel mit in Betracht zu ziehen, wenn man z. B. die unmittelbare Diffusion durch die Haut und Absorption durch das Blut oder die Leibes- höhlenflüssigkeit berücksichtigt. Neben der Kenntnis des Schädlings und seiner Organe sind in gleichem Maße natürlich die Gase in ihren physikalischen Gesetzen und ihrer chemischen Zusammensetzung zu berücksichtigen. Die bekannten Beziehungen zwischen Druck, Volumen und Temperatur sind als die Grundlagen anzusehen, hinzu kommen noch neben anderem die Erscheinungen der Diffusion, Adsorption und Ab- sorption. Außer diesen für alle Gase gültigen Gesetzen ist selbst- verständlich die chemische Zusammensetzung für die Wirkung eines Gases auf den tierischen Organismus als Schädlingsmittel ausschlag- gebend. Diese chemischen Verhältnisse sind besonders auch zu be- rücksichtigen, wenn man unter Umständen bei der Gasbehandlung auftretende Nebenschädigungen (z. B. an Farben, Geweben, Me- tallen, Nahrungsmitteln, lebenden Pflanzen usw.) in Rechnung stellen muß. Hierbei ist der Feuchtigkeitsgrad ein nicht zu unter- schätzender Faktor. Also einerseits muß man mit den Gasen und ihren Gesetzen vertraut sein, andererseits soll die Kenntnis der normalen Lebens- vorgänge den Prüfstein bilden für die entstehenden pathologischen Zustände nach Beeinflussungen und Reizungen durch Gase. Läßt man auf ein Tier, wählen wir als Beispiel die Käsefliegen- larve, ein Gas einwirken, so sind ganz bestimmte Erscheinungen im Verhalten des Tieres die Folge. Sie äußern sich in unserem ge- wählten Beispiel in unruhigem Umherkriechen und Springen, bei Biol. u. physiol. Beobachtungen und Versuche an der Käsefliegenlarve. 303 erhöhter Konzentration und verlängerter Einwirkungszeit in krampf- haften Bewegungen und schließlicher Bewegungsstarre. In letzterem Fall tritt die bekannte wichtige Relation des Harer’schen c. t.- Produktes in Erscheinung: Konzentration mal Einwirkungszeit gleich Tödlichkeitszahl, worauf hier nur hingewiesen werden soll. Nun erhebt sich bei der Beobachtung aller dieser Erscheinungen die wichtige Frage: Sind diese bestimmten Erscheinungen auf die spezielle Gaswirkung oder auf andere allgemeine Ursachen zurück- . zuführen? Muß man diese Erscheinungen dem „Gift“ des Gases oder den allgemein veränderten ökologischen Bedingungen zu- schreiben? Will man diese Frage bis zu einem gewissen Grade klären, so kann man das Verhalten des behandelten Tieres prüfen, wenn man nicht gleich mit Gasen einen Angriff macht, sondern nur um ein Geringes die Verhältnisse, in denen der Schädling normaler- weise lebt, verändert. Hierdurch ist es gleichzeitig möglich, einen Einblick in die normalen Lebensvorgänge, besonders auch in die Physiologie des Tieres zu erhalten. Man zerlegt also die komplexe Größe des komplizierten Vorgangs einer Gasschädigung oder -reizung in die einzelnen kleinen Faktoren verschiedener Reize oder Schädi- gungen, die in ihrer Gesamtheit dann wieder das Gesamtbild er- geben würden. Im folgenden soll an dem Beispiel der Käsefliegenlarve der Versuch gemacht werden, einzelne Reizungen zu betrachten und daraus zunächst die Schlüsse auf die Biologie und Physiologie des behandelten Tieres zu ziehen. Die Käsefliegenlarve wurde aus zwei Gründen gewählt. Einmal ist das Tier leicht zu züchten; mit wenig, alle Monate einmal erneuertem Weichkäse kann man bei Zimmertemperatur die Zuchten dieses Tieres ständig in Gang halten und verfügt bei der starken und schnellen Vermehrung der Fliegen über ein reiches Versuchsmaterial. Andererseits spricht ein wirt- schaftlicher Faktor mit: das Halten größerer Versuchstiere (Ka- ninchen, Katzen, Ratten, Mäusen) ist bei der jetzigen Wirtschafts- lage derartig kostspielig, daß selbst mit Geldmitteln reich versehene Institute nur in eingeschränktestem Maße sich derartige Zuchten von Versuchstieren leisten können. Es war deshalb unser Be- streben, mit möglichst geringen Kosten Versuchsmaterial heranzu- ziehen. Dieser Anforderung entspricht eine Käsefliegenzucht in weitestem Maße. Vom Leben der Käsefliege besitzen wir eine sehr eingehende und gründliche Darstellung von BACHMANx (1), in der besonders 21* 304 JOHANNES WILLE, die Vollinsekten in ihren interessanten Lebenserscheinungen be- handelt werden. Das Ei-, Larven- und Puppenstadium sind von dem genannten Autor nicht so weitgehend beriicksichtigt worden, und doch bietet gerade das biologische Verhalten der Larve von Piophila, der sogenannten Käsemade, des Interessanten genug. Besonders stark wird die Aufmerksamkeit eines jeden, der diese Larven einmal zu Gesicht bekam, durch die merkwiirdig erscheinende Fortbewegungsart des Springens angeregt. Es ist daher leicht ver- ständlich, daß diese bei Fliegenlarven sonst nicht allgemein zu be- obachtende Erscheinung verschiedentlich in der Literatur erwähnt wird. BacHMANN (1), TASCHENBERG (10), pu Bois-REYMoND (2) und andere konstatieren nur die sprungartige Bewegung, ohne sie im einzelnen zu untersuchen oder gar auf die physiologischen Ursachen einzugehen, warum die Tiere ihre kriechende Fortbewegungsart verlassen und zum Springen übergehen: „Bekanntlich biegen sich die Maden durch Berührung von Kopf- und Schwanzende in einem aufrecht- stehenden Kreis zusammen, und schnellen sich unter Wiederaus- strecken des Körpers weit weg“ (TASCHENBERG, 1. c, p. 142). KRAUSSE (6) hat eingehender den Sprungakt beschrieben und auch ein Itinerar einiger springender und kriechender Larven veröffent- licht. Als wichtigstes Ergebnis stellt er den negativen Photo- tropismus der Tiere fest. Haycrarr (4) sieht in dem Sprungakt der Käsemaden „The most interesting“ „hold and let go“ „mechanism“, er beschreibt das Springen, ohne allerdings die einzelnen Phasen richtig erkannt zu haben und gibt eine gute Momentphotographie einer Gruppe springender Käsefliegenlarven. Die bisherigen Bearbeitungen haben also bis zu einem ge- wissen Grade schon eine Klärung des Sprungaktes der Käsemade erbracht. Es erscheinen jedoch noch eine ganze Reihe Punkte der eingehenden Bearbeitung wert. Im folgenden sollen folgende Fragen besprochen werden: Welches ist die Fortbewegungsart in den ver- schiedenen Altersstadien ? Wie kommt das Springen im einzelnen zustande, und welche morphologischen Elemente des Larvenkörpers sind besonders bei diesem Akt zu berücksichtigen? Welche Reize können als auslösende Ursachen der Sprungbewegung herangezogen werden. 1. Welches ist die Fortbewegungsart in den ein- zelnen Alterstadien? Aus den vom Weibchen ungefähr 24 Stunden nach der Copula abgelegten Eiern schlüpfen bei der Temperatur von 22—28° C nach durchschnittlich 48 Stunden die Biol. u. physiol. Beobachtungen und Versuche an der Käsefliegenlarve. 305 jungen Larven. Sie sind ungefähr 1 mm groß, zeigen außer dem Kopfsegment 11 Segmente und kriechen munter umher; eine Sprungbewegung ließ sich bei den jungen Larven nie- mals feststellen. Die Kriechbewegung ist von BACHMANN (I. c., p. 15) folgendermaßen beschrieben worden: „Die Larve. hält beim Kriechen das abgerundete Hinterende fest an den Boden angepreßt, erhebt den Körper frei in die Luft und hält prüfend Umschau, während der Hinterleib eine Stütze bildet. Bald darauf verschiebt sich der Inhalt des letzten Segmentes nach vorn, wodurch eine Verdickung entsteht. Diese läuft, sich ausgleichend, nach vorn, so daß scheinbar der spitze Kopfteil aus der Verdickung herauswächst und länger wird, zuletzt von einer zuckenden Bewegung begleitet.“ Dieser Darstellung, die auch für das Kriechen der älteren Larven- stadien voll zutrifft, will ich noch einige Beobachtungen hinzufügen. Eine besondere Unterstützung beim Kriechen leisten die am letzten Segment liegenden warzenartigen Wülste (Fig. A u. D), deren Ge- stalt wir später noch genau kennen lernen werden, und ebenso das vorletzte Segment, das ebenfalls warzenartige Ausstülpungen an seinem Hinterrande zeigt. Diese Gebilde üben eine Stoßbewegung bei der Fortbewegung ähnlich wie die Nachschieber bei Raupen aus. Im schmierigen Substrat des Käses wird ferner die Kriech- bewegung nicht allein mit der Ventralseite, sondern auch mit der Rückenfläche ausgeführt. Hier finden sich daher beim vorletzten und letzten Segment auch noch einige bucklige Wölbungen, die als Stoßüberträger bei dem Vorwärtsschieben im weichen Käse dienen. Beim Kriechen spielen auch noch die übrigen 6 Abdominalsegmente (Fig. A 4—9) eine Rolle, indem sie den Stoß der kopfwärts ver- laufenden Welle auf die Unterstützungsfläche übertragen. Als be- sondere Organbildung findet sich eine dreifache Reihe feiner Chitin- zähnchen auf der Ventralseite des Vorderrandes dieser Abdominal- segmente. Diese Zähnchen sind auf einem ganz schwachen Wulst angeordnet und mit ihren freien, feinen Spitzen nach hinten ge- richtet. Die kriechende Vorwärtsbewegung wäre also nach der bisher gegebenen Schilderung als eine reine Stoßbewegung aufzu- fassen. Sie ist es aber nicht, sondern es gesellt sich noch eine Zug- bewegung hinzu, diese wird vom Kopfsegment ausgeführt; als Ver- mittlungsorgan dienen die Mundhaken (s. u.) Läßt man Larven auf berußten Glasplatten kriechen, so kann man besser die Funktion dieser Organe beobachten, als es im Käse möglich ist. Das Vorder- teil der Larve bewegt sich hier tastend umher, jedoch handelt es 306 JOHANNES WILLE, sich hier nicht so sehr um eine tastende Funktion der Nahrungs- suche, als vielmehr um das Suchen nach einem Anheftungspunkt fiir das Hakenpaar der Maxillen (Fig. B). Auf der berußten Glasplatte sieht man deutlich zwei feine parallele Striche, die bei diesen Fig. B. Fig. A. Ausgewachsene Larve von der Bauchseite, aus- gestreckt. 1:32. K.S Kopfsegment. 1—111 Thoraxsegmente. IV—X1 Abdominalsegmente. Chz Chitinzähnchen. HSt Hinter- stigmen. VSt Vorderstigmen (am Rücken liegend, durch- schimmernd eingezeichnet). Mundhakenapparat nicht ein- gezeichnet. | Fig. B. Kopf und 1. Thoraxsegment von der Bauch- seite. 1:110. F Fühler. Mt Maxillartaster. Mö Mund- öffnung. Chl Chitinlamellen. .Z Außenlade der Maxille. L‘ frei aus der Mundöffnung hervorragender Teil derselben. M Mentum. Pm Prämentum. OF obere Fortsätze. Vst Vorder- stigmen, auf dem Rücken liegend, durchschimmernd. Kopfbewegungen von vorn nach hinten abgezeichnet werden. Ist ein Fixierungspunkt gefunden, so zieht die Made den Körper nach, indem sie die Segmente fernrohrartig kopfwärts einstülpt unter schwacher Verdickung des Körperquerschnitts. Es tritt also nicht etwa das Bild der bekannten Spannerbewegung auf. Die Zugbe- Biol. u. physiol. Beobachtungen und Versuche an der Käsefliegenlarve. 307 weeung ist viel weniger deutlich zu erkennen als die erst erwähnte StoBbewegung, aber sie wird bei genauer Beobachtung der Tiere auf berußten Glasplatten zweifelsfrei erkannt und läßt sich auch beim Kriechen der Made im Käse klar feststellen, denn die Kriech- bewegung auf der Glasplatte und der Oberfläche des Käses ist sich völlig gleich. Das Vorwärtskriechen der Käsefliegenlarven ist als eine alternierende Stoß- und Zugbewegung zu analysieren. Die Larven wachsen sehr schnell heran. Wieviel Häutungen die Tiere bis zum ausgewachsenen Individuum durchmachen, ist sehr schwer festzustellen, denn es macht außerordentliche Schwierig- keiten in dem Käse die abgestoßenen leeren Larvenhäute aufzu- finden, auch wenn man die einzelnen Larven isoliert hält. Ein- wandfrei waren zwei Häutungen und demnach drei Larvenstadien zu erkennen. Die Entwicklung der Tiere, die auf Käse gezogen wurden, dauerte vom Eischlüpfen bis zur beginnenden Verpuppung bei einer Temperatur von 22—28° C 6 Tage. Die Häutungen konnten am 3. und 5. Tage festgestellt werden. Die Länge der Tiere nahm (bei gut ausgestreckten lebenden Larven gemessen) durchschnittlich jeden Tag 1 mm zu, so daß also schließlich eine Länge von 7 mm im Durchschnitt erreicht wurde. Einzelne Tiere wuchsen langsamer, sie erreichten nur 5 mm, andere bedeutend schneller, so daß sie bis auf 9 oder sogar 10 mm kamen. Auf diese individuellen Unterschiede will ich an dieser Stelle nicht näher eingehen, Ernährungsverhältnisse spielen hier scheinbar die Hauptrolle. Für diese Unterschiede der Größe könnte man wohl auch sexuellen Dimorphismus der Larven annehmen. Von den einzelnen Larvenstadien zeigten nun die Larven I (bis zum 3. Tage) und die Larven II (bis zum 5. Tage) stets nur dieKriechbewegung. Niemals ließ sich bei ihnen eine Sprung- bewegung feststellen, auch äußere Reize, wie starke Beleuchtung im Sonnenlicht, konnten niemals eine Sprungbewegung auslösen, sondern hatten nur eine beschleunigte Kriechbewegung zur Folge. Ganz anders war das Verhalten der Käsefliegenmaden aber vom 5. Tage an, also im Larvenstadium III. Neben der Kriechbewegung ließ sich jetzt die Sprungbewegung feststellen. Krausse sagt zu diesem Punkt: „Je kleiner die Larven sind, desto weniger scheint dieser Modus der Fortbewegung (Springen) geübt zu werden; ge- wöhnlich ist er mit dem Kriechen kombiniert.“ Am 5. Tage sprangen die Tiere nur wenig, hauptsächlich nur dann, wenn sie aus ihrem Käsefutter herausgenommen und auf eine trockene Unter- 308 JOHANNES WILLE, lage (Glas- oder Tischplatte) zur Beobachtung gelegt wurden. Am 6. Tage war das Springen bei allen Individuen eine ganz regel- mäßige Erscheinung. Besonders lebhaft wurde diese Bewegungsart aber gegen Ende des 6. Tages. Abwechselnd springend und kriechend verließen die Maden den zähflüssigen Käse, kamen auf den trockenen Boden des Käfigs und sprangen hier auf dem Holz immer weiter, bis sie irgendeinen lichtgeschützten Winkel fanden, in welchem sie dann zur Verpuppung schritten. Die Kriechbewegung wurde allerdings nicht ganz eingestellt, trat aber gegenüber dem Springen stark in den Hintergrund. Augenscheinlich bereitet es den Maden Schwierigkeiten, auf trockenem Boden zu kriechen. Aber damit läßt sich der Sprung allein nicht erklären, es müssen andere Momente herangezogen werden. Zunächst war experimentell einwandfrei festzustellen, daß die Tiere mit dem Sprung eine all- gemein negativ phototropische Richtung einschlugen, wie das bereits Krausse erkannt und in seinem Itinerar dargestellt hatte. Wenn auch einzelne Sprünge zum Licht gerichtet waren, so war doch die Summe aller Sprünge vom Licht weg gewendet. Die Tiere be- endeten ihre Bewegung in irgend einem sich bietenden lichtge- schützten Winkel, um sich dort zu verpuppen. Dieser Winkel durfte aber niemals feucht sein, denn sonst blieben die Tiere hier auch nicht liegen, sondern suchten einen anderen lichtgeschützten, aber trockenen Platz auf. So konnten sie durch einige Tropfen Wasser oder ein befeuchtetes Stück Filtrierpapier aus ihrem Schlupfwinkel leicht vertrieben werden. Wir können also über die Sprungbewegung vorläufig zusammenfassend sagen, daß das Springen nur im letzten Larvenstadium auftritt, und dab die Larven in diesem Stadium negativen Phototropismus zeigen. 2. Wie kommt dasSpringen im einzelnen zustande, und welche morphologischen Elemente des Larven- körpers sind besonders bei diesem Akt zu berück- sichtigen? Die bisherigen Bearbeiter drücken sich ziemlich all- gemein über die Art der Sprungbewegung aus, so sagt BACHMANN (l. c., p. 19): „Diese akrobatischen Kunststücke kommen in der Weise zustande, daß das Tierchen sein Vorderende unter die Spitze des Hinterendes biegt und durch plötzliches Strecken seines Körpers mit einem Male wie eine Feder emporschnellt. Das sonst sehr zu- gespitzte Vorderende schwillt dabei stark an.“ Auch Krausse (L c., p. 395) hat den Sprungvorgang nicht näher analysiert: „Es handelt sich um ein Davonschnellen des Körpers, wobei die beiden Enden Biol. u. physiol. Beobachtungen und Versuche an der Käsefliegenlarve. 309 einander genähert werden, ähnlich wie ein elastischer Stab davon- schnellt, wenn man die beiden Enden zusammenbiegt und losläßt. Das Vorderende scheint bei dem Zusammenbiegen immer nach innen zu kommen, d. h. das Hinterende überragt das Vorderende im Stadium des Bogens um ein Weniges.“ Um ein klares Bild des Sprungvorgangs zu gewinnen, müssen wir zunächst die morphologische Gestalt des Vorder- und Hinter- endes der Larve näher betrachten. Das Kopfende (Fig. B) trägt besonders deutlich sichtbar einen paarigen Hakenapparat. In der Darstellung der einzelnen morphologisch und besonders phylo- genetisch wichtigen Organe folge ich der Nomenklatur und morpho- logischen Deutung DE MEJERE’s (8), wobei ich es mir ersparen mub, um den Rahmen der Arbeit nicht zu überschreiten, auf die kleinsten Einzelheiten einzugehen. Der Kopf trägt an seinem Vorderende auf 2 Vorwölbungen die Fühler, die aus 3 Gliedern bestehen (Fig. B F). Ventralwärts von den Fühlern liegt jederseits eine kleine, stärker chitinisierte Scheibe, die in einem ovalen Felde 3, zuweilen auch 4 kurze Sinnesborsten trägt (M4. Diese Gebilde sind wohl als die Maxillartaster aufzufassen. Unser Hauptaugen- Fig. C. Schlundgerüst herauspräpariert, von der Seite. 1:133. Vpl Vertikal- platten. UF untere Fortsätze. Olg, Ulg obere, untere Lateralgräte. Die übrigen Bezeichnungen wie Fig. B. merk haben wir auf den Hakenapparat zu richten (Fig. C) Er setzt sich zusammen aus den mit ihren Spitzen frei aus der Mund- öffnung hervorragenden Mundhaken (Z), die die Außenladen der Maxillen darstellen. Sie sind gelenkig verbunden mit den übrigen Teilen des Schlundgerüstes, an dem das Hförmige Mentum (M), die breiten Vertikalplatten (Vpl), die kurzen oberen und längeren unteren Fortsätze (OF, UF) klar zu unterscheiden sind. Eine ein- gehendere Betrachéung zeigt weiter, daß je eine Lateralgräte dorsal über die Seitenteile des Mentums greift (Olg), und daß auch ventral eine breitere Gräte (Ulg) sich unter diesen Skeletteil schiebt. Da- 310 JOHANNES WILLE, durch ist das Mentum elastisch in die Ventralplatten eingefügt. Diese selbst biegen sich mit ihrem dorsalen Ende zusammen, sie sind aber an diesem Punkte nicht miteinander verwachsen, sondern nur durch ein starkes Muskelband verbunden. Im kopfwärts ge- richteten Teile des Hförmigen Mentums liegt noch eine parabel- artig gebogene Spange (Pm), die mit ihren freien Enden jederseits an der Innenseite der Vertikalplatten Anschluß gewinnt. In diesem Gebilde haben wir wohl das Prämentum zu erkennen. Die ein- zelnen eben kurz geschilderten Skeletteile sind untereinander durch Muskelbänder verbunden, so daß das ganze Gebilde, besonders aber die frei hervorragenden Mundhaken sich in dorsoventraler Richtung und von vorn nach hinten und umgekehrt leicht bewegen können. Die Mundöffnung wird nach hinten und an den Seiten von einer Reihe hell gefärbter, schmaler Chitinlamellen (CA!) umrahmt. Diese liegen in der Haut der Kopfkapsel, sind also nur als besondere Strukturen des Integuments anzusprechen. Die Vorderstigmen (Vst) befinden sich dorsal an den Seitenteilen des 1. Segments und zeigen 9 fingerförmig verlängerte Knospen. Das ganze Stigma ist ein- ziehbar und kann auf diese Weise vollkommen luftdicht abgeschlossen werden. == -< un : ME D Pi D 10. u. 11. Segment von der Seite. 33. KZ konischer Zapfen. HI Hautlamelle. Stw Stigmenwulst. Stpl Stigmenplatte. Sp dorsaler Vertikalspalt. H Horn auf dem Stigmenwulst. DW, OW, VW dorsaler, obere, ventrale Wiilste des 10. Seg- ments. Tr Tracheen. X., XI. 10. und 11. Segment. =~ Am Hinterende (Fig. D) sind an der Ventralseite des letzten Segments besonders 2, jederseits nach hinten vorspringende konische Zapfen (Kz) auffallend. Zwischen ihnen spannt sich eine Haut- lamelle (Al) aus, die für die Sprungbewegung von besonderer Be- deutung ist. Die Hinterstigmen erheben sich aufeeinem im Riicken- teile gespaltenen breiten Wulste (Stw). An der Innenseite dieses Spaltes liegt jederseits eine Stigmenplatte (Stpl), die 3 länglich- Biol. u. physiol. Beobachtungen und Versuche an der Käsefliegenlarve. 311 eiformige Knospen trägt. Dieser ganze als Stigmenträger dienende Wulst ist bis zu einem gewissen Grade einstülpbar, so daB sich dann durch Zusammenlegen des dorsalen Spaltes (Sp) die Stigmen- platten gegenseitig aneinanderlegen und sich so fest schließen, während sie bei ausgestülptem Wulst bis an die Spitze jeder Spalt- halfte sich verschieben. Jederseits an den Spalthalften erhebt sich dorsalwärts ein Höcker (AH). Das vorletzte Segment zeigt an seinem Hinterrande dorsal in der Mittellinie eine (DW), seitlich im oberen Drittel jederseits eine (OW) und ventral seitlich nochmals je eine (VW) wulstförmige Erhebung. Die beiden ventralen konischen Zapfen, die beiden Höcker des Stigmenträgers und die 5 wulst- förmigen Erhebungen am Hinterrande des vorletzten Segments üben bei der Kriechbewegung die bereits geschilderte Funktion von Nach- schiebern aus. Alle diese Erhebungen tragen an ihren äußersten Enden 1 oder 2 reine Sinneszapfen. Nach diesem kurzen morphologischen Überblick wollen wir den Sprungvorgang im einzelnen betrachten. Die auf dem Käse kriechende Made hält in ihrer Bewegung inne. Mit ihrem Kopfende orientiert sie sich fast immer in der Richtung der einfallenden Lichtstrahlen, ist also mit dem Kopf vom Licht weg gerichtet (negativer Photo- -tropismus). Das Hinterende wird kopfwärts bis über die Mitte des Gesamtkörpers vorgenommen, indem dieser sich spannerartig im Bogen emporwölbt. Die Stützung des Tieres übernimmt bei diesem Vorgang der vordere Körperteil. Jetzt befestigt sich die Made mit ihrem Hinterende an der Unterlage, und zwar dienen als Fixierungs- organe die konischen ventralen Zapfen, die jetzt am weitesten kopf- warts liegen, und die beiden Hicker des Stigmenträgers. Das Hinterende ruht also auf 4 Stützen; die Hinterstigmenwulst ist ein- gezogen, so daß die Stigmenplatten aneinandergepreßt und ge- schlossen sind. Die Hautlamelle zwischen den beiden konischen Ventralzapfen ist straff wie die Sehne eines Bogens ausgespannt. Nun wird das Vorderende von der Unterlage gelöst und in Richtung auf das Hinterende zu bewegt. Hierbei ziehen sich die Vorder- stigmen ein, und schließen sich damit luftdicht ab; gleichzeitig treten die freien Teile der Mundhaken (Fig. B L‘) weiter aus der Mundöffnung heraus, wobei sich die vorderen Segmente nach hinten ineinander schieben und damit an Volumen zunehmen, so daß sie fast so dick wie die hinteren Segmente werden. Die Mundhaken fassen jetzt von vorn und hinten in die zwischen den konischen Ventralzapfen straff ausgespannte Hautlamelle und haken sich hier 312 JoHANNEs WILLE, fest. Gleichzeitig stiitzen sich die vorderen Teile des Kopfes auf die Unterlage, wobei die breiten, vor der Mundöffnung gelegenen Platten, die die Maxillartaster tragen, besonders sich betätigen. Die seitlich und hinter der Mundöffnung liegenden, schmalen Chitin- lamellen scheinen beim Einhaken in die Hautlamelle des letzten Segments eine Rolle mit zu spielen. Die Made ist jetzt genügend gestützt, sie geht nun zur Spannung des ganzen, in diesem Augen- blick zunächst noch hoch im Bogen gelegten Körpers über. Durch Anspannen der Längsmuskulatur wird der gebogene Körper an- einandergepreßt, so daß im 5. und 6. Segment ein scharfer Knick entsteht. Haycrarr sagt hierzu: „The maggot then extends itself and evidently contracts its muscles to the utmost.“ Die freien Enden des Körpers sind durch Mundhaken und Hautlamelle in- einander gehakt, im ganzen Körper herrscht durch den Zug der Längsmuskulatur und außerdem durch die in den Tracheen durch die Ringmuskulatur bei geschlossenen Stigmen eingepreßte Luft ein hoher Spannungszustand. Der Körper ist also sehr schön mit einem elastischen Stabe (Krausse) oder einem unter Überdruck stehendem Schlauche zu vergleichen, der geknickt und mit seinen freien Enden aneinandergepreßt ist. Die Käsemade löst jetzt die 4 Stützen des Hinterendes von der Unterlage ab, das Hinterende wird dabei leicht - angehoben und der ganze Körper ruht in diesem Augenblick nur auf dem Kopfende. Die gespannte Lamelle rutscht von den Mund- haken ab, und das Hinterende schnellt von der Unterlage im Bogen empor. Hierbei reißt das Hinterende das Kopfende von der Unter- lage mit fort; das Kopfende hat jedoch vorher noch den Rückstob von der Unterlage und damit das Abschnellen in der Richtung des Vorderendes vermittelt. Das Hinterende als schwereren Teil des Körpers voran, fliegt die Larve im Bogen, einem Geschoß ver- gleichbar, weg. Das Hinterende trifft meist zuerst wieder auf dem Boden auf, doch ist hier eine Gesetzmäßigkeit nicht genau festzu- stellen, da die Made sich in der Luft mehrmals überschlagen kann. Das eine jedoch resultiert ständig bei der Sprungbewegung: eine Fortbewegung in Richtung des Kopfes. Die Dauer dieser gesamten Bewegung ist eine sehr kurze, dem- entsprechend war die Beobachtung erschwert und erst durch die Beobachtung von vielen Hunderten von Sprüngen konnten diese Er- gebnisse gewonnen werden. Im allgemeinen dauerten die Bewegungen vom Verschieben des Hinterendes bis zum Beginn des Spannens 2 Sekunden. Das Spannen selbst dauerte 1?/, Sekunden, dann folgt Biol. u. physiol. Beobachtungen und Versuche an der Käsefliegenlarve. 313 der Sprung, der je nach der Sprunghöhe und -weite verschiedene Zeiten beanspruchte. Häufig kommt es vor, daß die Tiere bei dem Vorwärtsschieben des Hinterendes oder der Zurücknahme des Kopfes auf die Seite fallen. Auf trockenen Unterlagen ist das fast die Regel. Zuweilen wird dann die ganze Bewegung nochmals von vorn begonnen, meistens aber führen die Larven ihren Sprung ruhig weiter aus, indem sie auf einer Seite ‚liegen. Das Einhaken und Spannen des Körpers findet genau so wie eben beschrieben statt. Daraus geht hervor, daß das Wesentliche bei dem Sprungakt nicht die Unter- stützung auf der Unterlage des Bodens, sondern die inneren Span- nungen des Larvenkörpers selbst sind. Die Richtigkeit dieser Be- hauptung wird auch dadurch bewiesen, daß Larven, die im Wasser sich befinden, also nicht die geringste Unterstützung auf einer Unterlage hatten, den Sprungakt in der gleichen Weise, wie eben beschrieben, ausführten. Der Sprung erfolgt bei Tieren, die auf der Seite liegen, immer nur im flachen Bogen, es bleibt also bei einem Horizontalsprung. Ein wirklicher Hochsprung kann nur aus- geführt werden, wenn das Tier sich richtig vertikal gespannt hat. Außerdem ist auch der Horizontalsprung von seitlich liegenden Tieren niemals sehr weit, da die Rückstoßwirkung des Kopfendes fehlt. Bei im Wasser schwimmenden Larven ist durch den größeren Widerstand des Wassers die ganze Sprungwirkung stark ge- dämpft. Es war nun noch die Frage zu prüfen, ob nicht beim Sprung- vorgang, besonders beim Anheften an den Unterlagen irgendwelche Drüsen eine Klebfunktion ausüben. Schnitte ergaben zunächst, dab keine derartigen Drüsen an den in Betracht kommenden Organen festzustellen waren. Ebenso zeigten trockene Glasplatten keine be- sonders charakteristischen Absonderungen auf der Sprungfährte der Käsemade. Gleichfalls nur negative Resultate ergaben sich, wenn man die Tiere auf Gelatineplatten und feuchte Filtrierpapiere brachte, die mit Lackmus oder mit Neutralrot gefärbt waren, um so etwaige alkalische oder saure Reaktionen festzustellen. Niemals trat ein Farbenumschlag ein, vielmehr zeigte die Kriech- wie auch Sprungspur der Larven stets die Reaktion, die das Substrat hervor- rief, aus der die Käsefliegenlarve herausgenommen war. Damit ist also wohl erwiesen, daß eine eigene Absonderung von Sekreten oder Exkreten durch Hautdrüsen, Mundöffnung, Speicheldrüsen oder After bei dem Anheften vor dem Sprung nicht statthat, sondern daß dieses 314 JOHANNES WILLE, Ankleben nur mit Hilfe der Feuchtigkeit des bu in dem die Larve lebt, ausgeführt wird. Auf meine Beobachtungen über Sprungweiten, Sprunghöhen, Sprunghäufigkeit, zurückgelegte Sprung- und Kriechstrecken, will ich hier nicht näher eingehen. Die Mitteilung Krausse’s (6) genügt zu einer Orientierung über diese Verhältnisse vollständig. Der Sprungakt wird also durch starke Kontraktion der Gesamt- muskulatur des Tieres ausgeführt, wobej die Längsmuskeln einen Zug, die Ringmuskeln einen elastischen Druck, ähnlich wie in einem gasgefüllten Druckschlauch, auf die in den Tracheen bei ge- schlossenen Stigmen eingepreßte Luft und die Körperflüssigkeit des Tieres ausüben. Der Effekt dieser zweifachen Muskelanspannung wird dadurch erhöht, daß anfangs die Bewegung durch die Ver- ankerung der Mundhaken in die zwischen den konischen Ventral- zapfen des Hinterendes ausgespannte Lamelle gehemmt ist. „Der Vorteil, der durch die anfängliche Hemmung gewährt wird, ist ein doppelter: 1. ist nach dem Schwann’schen Gesetz die Kraft, mit der die Muskeln sich verkürzen, um so größer, je weniger sie sich verkürzt haben, und 2. wirkt die elastische Spannung merklich schneller, als die willkürliche Zusammenziehung“ (pu Bois- REyMonpD, l. c., p. 124 nach Haycrarr). Wir haben es also hier mit einer Effekterhöhung zu tun, die gut mit dem Vorgang zu vergleichen ist, wenn man beim „Schnippen mit den Fingern“ die Fingerspitzen gegen den Daumen preßt, die Muskelkontraktion also zunächst hemmt, und dann plötzlich losläßt. Wenden wir uns nun der 3. Frage zu: welche Reize können als auslösende Ursache der Sprungbewegung heran- gezogen werden? Wird ein Stück Käse, das mit Käsefliegenlarven besetzt ist, aus seinem Behälter herausgenommen oder angeschnitten, so beginnen fast regelmäßig die älteren Larven zu springen. Dieser Eigenschaft verdanken die Tiere den Namen „Messerspringer“, den sie in einigen Gegenden Deutschlands führen. Als Ursachen für diese Sprungreaktion könnte man verschiedenes annehmen: Tempe- raturunterschiede, verstärkte Luftzufuhr oder Luftströmungen, ver- änderte Feuchtigkeit des Mediums, mechanische oder chemische Reize, veränderte Lichtintensität. Um zu einer einwandfreien Würdigung dieser 6 Faktoren zu kommen, wurde eine große Reihe von Versuchen angestellt, über die wir nur im Auszug kurz be- richten können. Temperaturreize. Käsefliegenmaden im 3. Larvenstadium, Biol. u. physiol. Beobachtungen und Versuche an der Käsefliegenlarve. 315 die sich bei Zimmertemperatur von + 18°C in diffusem Tageslicht befinden, führen in einer Minute ungefähr 2 Sprünge aus. Eine feste Zahl anzugeben, ist nicht leicht, da das Tier je nach dem, wie es nach dem Sprunge aufgefallen ist, verschieden oft sich zu- sammenkriimmt und wieder springt. Wird die Temperatur langsam erhöht, indem man das Gefäß, in dem die Larven sich befinden, er- wärmt, so tritt lebhafte Bewegung auf, die sich aus Umherkriechen und Springen abwechselnd zusammensetzt. Man kann aber nicht sagen, daß besonders das Springen hier in den Vordergrund träte, sondern beide Bewegungsarten sind beschleunigt und wechseln infolgedessen schneller miteinander ab. Bei Temperaturen über + 30°C hinaus tritt im Gegenteil das Springen gegenüber einem hastigen Umherlaufen stark zurück. Bis zur eintretenden Wärme- starre bei ungefähr + 44°C sind nur noch vereinzelte Sprünge zu beobachten. Bei langsamer Erniedrigung der Temperatur ausgehend von der Zimmertemperatur + 18°C wird die Intensität der Be- wegung allmählich herabgesetzt. Die Larven kriechen noch umher, das Springen ist aber fast ganz eingestellt. Das lokomotorische Minimum wird bei + 5°C erreicht. Nach diesen Ergebnissen sind also Temperaturreize keinesfalls als die ausschlaggebenden Faktoren für die Auslösung der Sprungbewegung anzusehen. Man könnte fernerhin Luftströmungen oder veränderte Luftzusammensetzung, besonders veränderte Feuchtigkeit der Luft als Veranlassung für das Springen der Maden ansehen. Um diese Frage zu prüfen, wurden einzelne oder mehrere Käsefliegen- larven in ein luftdicht abgeschlossenes Glasgefäß gesetzt und hier einem konstanten oder intermittierenden Lufstrom ausgesetzt, der durch das Gefäß hindurchgeleitet wurde. Schaltete man die Beein- flussung durch Licht aus, so fand keine besondere Veränderung in der Bewegung oder dem sonstigen Verhalten der Tiere statt. Mit der gleichen Apparatur wurden auch verschiedene Luftgemische ge- prüft, indem aus dem konstanten Luftstrom einzelne Bestandteile absorbiert wurden. Wurde die Kohlensäure aus der durchgeleiteten Luft mit Kalilauge absorbiert, so zeigt sich in den Bewegungen der Larven beim Springen wie beim Kriechen keine besondere Er- scheinung. Ganz anders verhielten sich die Tiere aber bei der Durchleitung von getrockneter Luft. War die Feuchtigkeit der Luft durch Schwefelsäure entfernt, so zeigte sich stets eine Ver- mehrung der Häufigkeit der Sprünge. Aus der großen Zahl der Versuche soll folgendes typisches Beispiel angeführt werden. 316 JOHANNES WILLE, 3 Larven im Temperatur: Tageslicht abgeblendet durch Glasgefäß + 21°C schwarze Papierumhüllung Zeit Anzahl Luftgemisch mit einer Strömungs- der Spriinge geschwindigkeit von !} 1 pro Minute 10'° vorm. bis 105 » ” 105 22 ” LONE ” 2 101° 10's 10" ” 72 1020 ” ” 102! 10% ” ” 1022 à ” 102 22 » 102 1 7 107 ” 0 ” » Dieses Beispiel zeigt also deutlich, wie stark das Springen der Larven durch die trockene Beschaffenheit der Luft beeinflußt wird. Daß es sich nicht etwa hier um eine Reaktion auf die strömende Luft an und für sich handelt, geht klar aus dem sofortigen Aus- setzen des Springens hervor, sobald statt der getrockneten Luft ge- wöhnliche Luft strémte. Das Springen der Larven beim Öffnen einer Käseglocke kann also, abgesehen von anderen, später zu be- sprechenden Einflüssen, folgendermaßen erklärt werden: unter der Käseglocke besteht ein relativ hoher Grad von Luftfeuchtigkeit, wird jetzt die Glocke geöffnet, so wirkt relativ trocknere Luft ein und löst Sprungreaktion der Larven aus. Auch sonst zeigt sich der Einfluß der Feuchtigkeit, bzw. Trockenheit deutlich. Bringt man ältere Käsefliegenlarven aus dem feuchten Substrat des Käses auf eine trockne Unterlage, z. B. Tisch- platte oder Filtrierpapier, so beginnen sie fast stets zu springen. ‘Es ist hier allerdings der Lichteinfluß von großer Bedeutung. Aber auch wenn das Licht möglichst ganz abgeblendet ist, springen die Tiere und suchen einen Winkel oder Spalt zu erreichen. Eine mechanische Reizung etwa infolge der festeren Unterlage ist nicht anzunehmen; darüber sollten später noch einige Beobachtungen mitgeteilt werden. Also auch hier finde ich die Beeinflussung des Sprungvorgangs durch die Trockenheit Als ein Widerspruch könnte es erscheinen, daß andererseits, wie eingangs bemerkt, auch Feuchtigkeit den Sprungvorgang auslöst. Stört man die ältesten Larvenstadien, die ganz kurz vor der Verpuppung stehen, in ihrem gewöhnliche Luft getrocknete Luft, durchgeleitet durch Schwefelsäure © D À © ND © HA © © © gewöhnliche Luft Biol. u. physiol. Beobachtungen und Versuche an der Käsefliegenlarve 317 Schlupfwinkel, den sie springend erreicht haben, durch Feuchtigkeit auf, so verlassen sie springend ihren feuchten Platz und suchen einen trockenen zu gewinnen. Ks gilt dies aber ausschlieBlich nur für die ganz kurz vor dem Verpuppen stehenden Tiere, etwas jüngere Tiere lassen sich durch Feuchtigkeit nicht vertreiben, bei ihnen wird der Sprungvorgang also nicht durch die Feuchtigkeit be- einflußt. Wieder anders verhalten sich die Larven III, wenn sie im Wasser vollständig eingetaucht sind. Hier tritt stets Sprung- reaktion auf, die Tiere meiden also entschieden den Aufenthalt im Wasser, am liebsten ist ihnen ein klebrig flüssiges Substrat, wie es eben der Käse oder auch halbfaulige Fleischreste darstellen. Mechanische Reizung durch Stoßen mit einem Glasstab oder Drücken mit einer Pinzette lösten niemals Sprungbewegungen allein aus. Stets waren hier kombinierte Reaktionen mit Davon- kriechen zu beobachten. Ja manche Individuen stellten auf mecha- nische Reizung überhaupt vollkommen das Springen ein, sie krochen nur noch umher. Um einen Einblick zu erhalten in die Beeinflussung des Sprungvorgangs durch die Verschiedenartigkeit der Unterlagen, auf denen die Tiere kriechen und springen, ließen wir die Larven auf Glas, glattem und ungehobeltem Holz, glattem, gerauhtem und Sandpapier (Kornstärke 00) springen bzw. kriechen. Es ließ sich hier kein Einfluß der verschiedenen Unterlagen auf das Springen feststellen. Daher nehme ich auch für das oben bemerkte Springen der Larven, die aus Feuchtigkeit auf trockene Unterlagen gebracht wurden, keine mechanische Reizung, sondern nur den veränderten Feuchtigkeitsgrad an. Auch chemische Reize, die man in Dampfform einwirken läßt, wie z. B. Alkohol, Xylol, Äther, Formaldehyd lösten keine Sprungreaktionen aus, die Larven blieben durch diese Reize völlig unbeeinflußt. Anders verhielten sie sich, wenn man sie in die be- treffenden Flüssigkeiten hineinbrachte. Es traten bei allen Flüssig- keiten gleichmäßig Sprungreaktionen auf. Jedoch ist dieses nicht auf den Charakter oder irgendeinen Reiz der betreffenden Flüssig- keit zurückzuführen, vielmehr ist das gleiche Springen auch zu be- obachten, wenn man die Larven in destilliertes oder gewöhnliches Wasser bringt. Es handelt sich also hier um eine allgemeine Feuchtigkeitsreaktion, auf die wir bereits oben eingegangen sind. Auf die außerordentliche Lebenszähigkeit der Tiere gegenüber den verschiedensten chemischen Stoffen (Alkohol, Formol, Sublimat usw.) ist von Havcrart (4) und Krausse (6) bereits hingewiesen worden. Zool. Jahrb. 39. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 22 318 JOHANNES WILLE, * Die Beobachtungen dieser Bearbeiter kann ich nur voll und ganz bestätigen. | Auf die Beeinflussung der Käsefliegenlarven durch Licht- reize ist bereits Krausse (6) eingegangen. Er stellte den nega- tiven Phototropismus der Tiere experimentell fest. Hinzufügen kann ich, daß auch künstliches Licht (elektrische Tischlampe) die gleichen Erscheinungen wie das Tageslicht zur Folge hat. Berußt man eine mit Deckel versehene Glasschale zur Hälfte, so daß also der eine Teil verdunkelt ist, so sammeln sich die in die Schale gesetzten Larven teils springend, teils kriechend in kurzer Zeit im ver- dunkelten Teil der Schale an. Je nach der Stärke des einwirkenden Lichtes ist die Geschwindigkeit der Lichtflucht verschieden. Bei diffusem Tageslicht vergingen 3 Minuten bis die zuerst in den hellen Schalenteil gesetzten Larven (10 Stück) das Dunkel erreicht hatten; bei starkem Sonnenlicht wurde ungefähr die halbe Zeit ge- braucht, bei künstlichem Licht einer elektrischen Tischlampe da- gegen über das Dreifache (10 Minuten). Auch die Häufigkeit der Sprünge bzw. die Auslösung des Sprungvorgangs und damit das Vorherrschen des Sprunges vor der Kriechbewegung wird un- mittelbar vom Licht stark beeinflußt. Hat man Larven im Dunkel gehalten und läßt dann Licht einwirken, so ist nach ungefähr 1, Minute starkes Springen zu bemerken. Zu einem zahlen- mäßigen Vergleich wurde folgender Versuch angestellt: 10 ausge- wachsene Larven wurden bei Zimmertemperatur (+ 18° C) in einer Glasschale im Dunkeln durch einen schmalen Spalt beobachtet. Sie krochen umher und sprangen nur vereinzelt. Im ganzen wurden in 10 Minuten bei sämtlichen IO Larven 24 Sprünge gezählt. Es hätte also jede einzelne Larve in 1 Minute 0,24 Sprünge ausgeführt. Jetzt wurde die Schale aus der Verdunkelung genommen und dem diffusen Tageslicht 1 m vom Fenster entfernt ausgesetzt. Nach 1, Minute begann deutliche Sprungreaktion auf den Lichtreiz hin. Es wurden innerhalb 10 Minuten von den 10 Larven 397 Sprünge ausgeführt; also kommt auf jede Larve 3,97 Sprünge in 1 Minute. Daraus ergibt sich das zahlenmäßige Verhältnis: 0,24 Sprünge im Dunkeln zu 3,97 Sprünge im Hellen für 1 Larve und 1 Minute. Es ist also klar ersichtlich, daß hauptsächlich der Lichtreiz den Sprung- vorgang der Käsefliegenlarven beeinflußt und hervorruft, daneben hat, wie wir oben gesehen haben, der Einfluß verschiedener Feuchtig- keitsgrade für die Auslösung der Sprungreaktion Bedeutung. Biol. u. physiol. Beobachtungen und Versuche an der’ Kisefliegenlarve. 319 Zusammenfassung. Abschließend können wir also über unsere Beobachtungen sagen: 1. Das Kriechen der Käsefliegenlarve ist eine alternierende Stoß- und Zugbewegung. 2. Die Fortbewegung des Springens findet sich nicht im Larven- stadium I und II, sondern nur bei Larve III und hier am häufigsten und deutlichsten bei Larven, die einen Tag vor der Verpuppung stehen. 3. Die Larven III zeigen negativen Phototropismus. 4. Als morphologisch wichtige Teile des Larvenkörpers kommen für den Sprungvorgang Kopf- und Hinterende in Betracht, die be- sondere Differenzierungen zeigen. Diese besonderen Gebilde haben für die Einzelheiten des Sprungvorgangs ausschlaggebende Be- deutung. 5. Der Sprungvorgang setzt sich zusammen aus dem Akt des Zusammenbiegens des Körpers, des Einhakens der beiden Körper- enden, des Spannens und Abschnellens. Die Fortbewegung beim Sprung geschieht in Richtung des Kopfes. Das Wesentliche für den Sprung sind die inneren Muskelanspannungen im Larvenkörper, wobei die Längsmuskeln einen Zug, die Ringmuskeln einen Druck ausüben. Der Effekt des Sprunges wird durch die anfängliche Be- wegungshemmung erhöht. Eine Klebfunktion durch besondere Sekrete besteht nicht. 6. Als auslösende Reize für den Sprungvorgang wurden experi- mentell hauptsächlich der Einfluß des Lichtes, in zweiter Linie der Einfluß der Feuchtigkeit festgestellt. Temperaturreize, Luft- strömungen, mechanische und chemische Reize haben für das Springen keine Bedeutung. 22% 320 J. Wirte, Biol. u. physiol. Beobachtungen u. Versuche an der Käsefliegenlarve. 10. Literaturverzeichnis. BACHMANN, Max, Biologische Beobachtungen über die Käsefliege, in: Entomol. Ztschr., Frankfurt a. M., Jg. 31, No. 24—26; Jg. 32, No. 1—8. Du Bois-REYMOND, R., Physiologie der Bewegung, in: H. WINTER- STEIN, Handb. vergl. Physiol., Vol. 3, 1. Hälfte, Jena 1914. FRITZSCHE, E., Fliegenlarven als Parasiten des Menschen, in: Naturw. Wochenschr. (N.F.), Vol. 19, No. 32, 1920. HAYCRAFT, I. B., Upon the production of rapid voluntary movements, in: Journ. Physiol., Vol. 23, 1898. Herymons, R., Die Insekten, in: BREHM’s Tierleben, 4. Aufl. KRAUSSE, A. H., Uber die Maden der Käsefliege Piophila casei L., in: Ztschr, wissensch. Insektenbiol., 1909, Vol. 5, p. 394— 398, LINDNER, PAUL, Ergänzende Nachträge zur Schädlingsbekämpfung, Fakalienverwertung, zur Biosfrage und Fettgewinnung, in: Ztschr. techn. Biol., Vol. 8, Heft 1—2, 1920. | DE MEIJERE, J. C. H., Beiträge zur Kenntnis der Dipterenlarven und -Puppen, in: Zool. Jahrb., Vol. 40, Syst., 1916. | STEMPELL, W. u. A. Koch, Elemente der Tierphysiologie, Jena 1916. TASCHENBERG, E. L., Praktische Insektenkunde 4. Teil. Die Zweiflügler, Berlin 1880. Nachdruck verboten. Ubersetzungsrecht vorbehalten. Untersuchungen über die Sinnesorgane der Medusen. Von Conrad Lehmann (Berlin). Mit 18 Abbildungen im Text. Einleitung. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war man eifrig be- strebt, bei den Wirbellosen Hörorgane festzustellen. Ein Blick in die vergleichende Anatomie von SIEBOLD aus dem Jahre 1848 zeigt dies sehr gut. Daraus erklärt es sich, daß all die Organe, die sich später als statische herausstellten und über deren Funktion man ja nichts wußte, als „Gehörwerkzeuge“ oder „Otocysten“ beansprucht wurden. Erst im Jahre 1870 bahnte Goutz ein Verständnis für jene eigenartigen Störungen an, die FLOURENS 1824 nach dem Durch- schneiden der Bogengänge des Labyrinthes in der Bewegung und Haltung von Wirbeltieren beobachtet hatte; denn er erklärte, die Bogengänge seien ein Sinnesorgan für die Erhaltung des Gleich- gewichtes. Als einige Jahre danach Macu, BREUER und CRUM-BROWN eleichzeitig die richtige Theorie dieser Erscheinungen gaben, trat in Anlehnung an diese Vorstellungen DELAGE (1887) den sogenannten Gehörorganen der Wirbellosen experimentell näher. Der Erfolg seiner an Cephalopoden und Crustaceen angestellten Versuche läßt sich durch folgende Worte kennzeichnen: „Les otocystes, outre leur fonction auditive, jouent le rôle d’organes régulateurs de la loco- motion.“ Dadurch waren die statischen Sinnesorgane in den Vorder- erund der Betrachtung gerückt. Im Anschluß an die Forschungen 322 CoNRAD LEHMANN, DELAGES sind dann in den späteren Jahren bei zahlreichen Wirbel- losen, nämlich Mollusken, Krebsen, Echinodermen und Polychäten, die sogenannten Otocysten als statische Sinnesorgane erkannt und demgemäß Statocysten genannt worden. Auch für die Ctenophoren suchte VERWORN die Existenz eines derartigen Organes experimentell zu erweisen, so daß es schließlich sehr nahe lag, auch ohne be- sondere Prüfung die Randkörper der Medusen als eine Art von Statocysten aufzufassen. Schon DELAGE sagte: ,,C’est chez les Méduses que nous voyons ces organes apparaitre pour la premiere fois. Il ne serait peut-être pas impossible de répéter sur eux mes expériences“. Derartige Nachprüfungen sind aber bisher noch immer nicht in wünschenswertem Grade erfolgt, so daß wir bei diesen Tieren viel- fach nur auf Vermutungen angewiesen sind. Da in den zoologischen Lehrbüchern die Randkörper als Gleichgewichtsorgane geführt werden, in der tierphysiologischen Literatur aber noch kein ein- deutiges Bild von der Funktion dieser Organe gegeben wird, So leistete ich der Anregung meiner hochverehrten Lehrer, der Herren Geheimrat Prof. Herper und Prof v. BUDDENBRocK Folge, die Sinnes- organe der Medusen physiologisch näher zu untersuchen. Bevor ich meine Problemstellung genauer skizziere, soll eine historische Übersicht über die diesen Sinnesorganen zugesprochene Bedeutung gegeben werden. Historischer Rückblick. Der erste Forscher, der die Randkörper der Medusen beschrieb, war wohl der Dine O. F. Müzzer (1779—1784). Er beobachtete sie bei Aurelia aurita und deutete sie, da sie am Ende von radial verlaufenden Kanälen liegen, die er für Därme hielt, als aus- scheidende Organe (After). ,Rätselhafte Körper wurden sie dann zu Beginn des 19. Jahrhunderts von GAEDE und EYSENHARDT ge- nannt; SCHWEIGGER sah sie für junge Medusen an, und ROSENTHAL ~ bezeichnete sie als „Schleim absondernde Organe“. EscascHozrz, der den Namen „Randkörper“ prägte, hielt es für wahrscheinlich, daß sie, da sie ein drüsiges Ansehen haben, die Stelle der Leber vertreten. Tiıuesıus (1831) schloß sich dieser Ansicht bis zu einem gewissen Grade an; denn nach ihm sind die „Schirmrandbläschen“ Exspirations- und Exkretionsorgane, die in der Nacht sogar „einen matten Phosphorschein aushauchen“. Während Oxen (1835) noch schrieb: „Bei vielen bemerkt man am Rande, in einer Art Becher, Die Sinnesorgane der Medusen. 323 8 Körner wie Drüsen, zu denen ebenfalls ein Gefäß geht, aber deren Bestimmung man noch nicht kennt. Da es gerade ihrer 8 sind, sind sie vielleicht Ansätze zu Rippen wie hei den Rippen- quallen“, sprach EHRENBERG ein Jahr später als erster die Rand- körper für Sinnesorgane an, indem er dem roten Pigmentfleck auf denselben die Funktion des Auges zuwies. Die folgenden Forscher standen bald vor einer Schwierigkeit. Die Ansicht EHRENBERGS ward von der Mehrzahl der Zoologen angenommen; denn Lowéx, STEENSTRUP, SARS, QUATREFAGES und DusArpın erklärten. die an anderen Medusen entdeckten Punkte „von glänzend roter Farbe“ für Augen. Ratlos stand man aber der großen Anzahl von Rand- körpern gegenüber, die keine Pigmentflecke haben. Bald fand sich jedoch ein Ausweg! Nachdem SreBozp (1841) die Otocysten der Mollusken entdeckt hatte, machte Köruıker (1843) auf die Ähnlich- keit dieser Organe mit den Randkörpern der kraspedoten Medusen aufmerksam und erklärte auch diese und die mit diesen wieder ähnlichen Randkörper der Acraspeden für „Gehörwerkzeuge“. Bald faßte diese Ansicht festen Fuß; das Vorkommen von Gehörorganen bei den Medusen wurde nicht angezweifelt, und was die an den Randkörpern auftretenden Pigmentflecke anbetraf, so tröstete man sich, da man ihren Zweck nicht einsehen konnte, mit den Worten: „Wer wollte sich aber auch anheischig machen, von jedem Pigment- flecke eine spezielle physiologische Deutung zu geben?“ (BERGMANN- LeuckArr). Dem Geiste der damaligen Zeit, in der man.sich zu sehr vom Anthropomorphismus und von der Teleologie leiten ließ, entsprach es, daß man sich, da man nun Organe für das Gehör ge- funden hatte, auch nach den „Gesichtswerkzeugen“ fragte. BExc- MANN-LEUCKART (1855) sagen darüber: „Weit auffallender muß es uns sein, daß wir auch bei den meisten frei beweglichen Seequallen (sebilde vermissen, die man als Gesichtswerkzeuge deuten könnte. Vielleicht indessen, daß bei diesen Tieren der Gehörsinn den mangelnden Gesichtssinn vertritt“. Der erste, der gegen die Deutung als Gehörorgane Einspruch erhob, war wohl GEGENBAUR (1856). Er, der die „sogenannten Randkörper“ schon in „Bläschen mit erdigen Konkretionen, Pigmentflecke (Ocelli) und Randkörper der höheren Medusen“ einteilte, stützte sein Bedenken darauf, daß er „weder Flimmerhaare noch Flimmererscheinungen“ beobachtet habe. Aus diesem Grunde bezeichnete er die Randkörper nur als Sinnesorgane und sagte nichts über ihre spezifische Funktion aus. In den folgenden Jahren herrschte wieder große Verwirrung. Bald 324 Conrad LEHMANN, wies man auf die Arbeiten von Acassiz und CLARK (1862) hin, nach denen der Krystallsack des Randkörpers ein hoch entwickeltes Fazettenauge sein sollte, bald hielt man an der Deutung als Ge- hörorgan fest; und HAEcKEL versuchte beide Meinungen zu ver- einigen, indem er den „zusammengesetzten Sinneskolben“ gleichzeitig: optische und akustische Funktion zuschrieb. Von großem Einflusse wurden erst wieder die Untersuchungen von O. u. R. HErTwıG; denn sie wiesen das Flimmerepithel, nach dem Gegenbaur ver- geblich- gesucht hatte, nach und erklärten, daß „die schwingenden zu den befestigten Otolithen sowohl anatomisch als physiologisch in ein sehr nahes Verhältnis“ treten. Während sie die Pigment- flecke bei den Ocellaten und einem Teil der Acraspeden für Ocellen hielten und für die Richtigkeit ihrer Deutung die Lichtuntersuchungen von ROMANES an SARSIA heranzogen, sprachen sie den Vesiculaten und Trachymedusen Gehörorgane zu. Für die Randkörper der Acraspeden aber nahmen sie, obwohl auch bei ihnen „einige für die Ausbildung eines Gehörorgans günstige Momente gegeben sind“, eine mehr ,indifferenite Sinnesfunktion“ an und bezeichneten sie daher als „Sinneskörper“. Die aus den vorhergehenden und dem | selben Jahre stammenden Arbeiten von Eimer und Romanes fanden wenig Anklang; denn erstens hatten O. u. R. Hrrrwıc den Versuch gemacht, es zu rechtfertigen, bei den Medusen von Gehörorganen zu sprechen, und zweitens waren sich EımEr und Romaxss in der Frage nach der Bedeutung der Otocysten nicht ganz einig. ROMANES behauptete, daß „the whole spontaneity of the lithocysts appeared to be exclusively lodged in the minute sac of crystals“; Ermer aber erklärte, „daß den Randkörpern allerdings eine Rolle bei der An- regung der rhythmischen Kontraktionsfähigkeit zugeschrieben werden müßte, wenngleich eine untergeordnete“. Die herrschende Ansicht von der Gehörfunktion der Randkörper wurde erst erschüttert, als DELAGE seine schon erwähnten Studien veröffentlichte und ENGEL- MANN im selben Jahre Betrachtungen über die Wirkung der Otolithen für die Erhaltung des Gleichgewichtes der Ctenophoren anstellte. Doch im allgemeinen hielt man immer noch an der alten Erklärung fest. Zwei Jahre danach schrieb LussBock, der der Ansicht war, daß bei den niederen Tieren „manche Organe als Gehörorgane be- schrieben sind auf Gründe hin, die nicht weniger als ausreichend sind“, daß manche der Randkörper Hör- und andere Sehorgane seien. 1891 ist noch in dem Buche „die Sinne und die Sinnesorgane der niederen Tiere“ von E. Jourpan zu lesen: „Diese Auffassung Die Sinnesorgane der Medusen. 325 (als Gehörorgane) wird teilweise bestätigt durch die Verbindungen, welche man zwischen jenen Bläschen und dem Nervensystem der betreffenden Medusen aufgefunden hat“. Nachdem VERWORN im selben Jahre zu dem Ergebnis kam, daß durch seine Versuche der experimentelle Nachweis für die Richtigkeit der Ansicht EnGELMANNS erbracht sei, dem Otolithenorgane der Ctenophoren komme die Funktion des Gleichgewichtes zu und er daher für den Namen Otolith die Bezeichnung „Statolith“ einführte, wandte man sich immer mehr der Meinung zu, die Randkörper der Medusen seien auch statische Organe. Wohl meinte NAGEL (1894) noch, der statische Sinn schließe nicht die Wahrnehmung von Erschütterungswellen aus, da beide Funktionen nebeneinander bestehen könnten, doch schon GEGENBAUR wandte sich 1898 gegen die Gehörfunktion mit den Worten: „... ob diese Organe (Medusen, Ctenophoren) zur Wahrnehmung von Schallschwingungen dienen, ist in hohem Grade zweifelhaft, so daß die Vorstellung, es lägen hier dem Organismus die jeweiligen statischen Zustände des Körpers zur Perzeption bringende Organe vor, gewiß berechtigt ist“. Während 1900 in „A Treatise of Zoology“ by Ray LANcESTER wieder zu lesen war: .... Tentaculocysts, which are apparently tentacles modified for Ihe Bolter perception of auditory vibrations“, sprachen sich BERGER (1900) und Bonnier für die statische Funktion aus. Letzterer prägte schon 1893 für die Otolithen den Ausdruck ,,peripherische - Organe des Raumsinnes“ und äußerte sich 1900 in „L’orientation“ über die Funktion derselben folgendermaßen: „Par eux l’animal percoit subjectivement et directement ses attitudes et ses variations d’attitudes, c’est à dire ses propres mouvements passifs ou actifs, avec leur direction et leur vitesse; c’est donc l'orientation subjective directe, ainsi que j'ai nommé cette aptitude sensorielle fondamentale de la motricité appropriée, volontaire, et de l’équilibration en particulier“. In den ersten 10 Jahren des neuen Jahrhunderts erschienen dann einige sehr beachtenswerte, leider aber zu wenig gewürdigte physiologische Arbeiten. v. UExKÜLL wies 1901 darauf hin, daß die Randkörper als „Rezeptionsorgane für mechanische Reize“ die Auf- gabe haben, die für die Muskelkontraktionen notwendigen Erregungen des Nervennetzes hervorzurufen. 3 Jahre später veröffentlichte MURBACH seine so wichtigen Versuche, die ihn zu der Behauptung veranlaßten, bei der Hydromeduse Gonionemus könne von einer statischen Funktion der Randbläschen keine Rede sein. BETHE 326 ConraD LEHMANN, wies 1910 schließlich noch darauf hin, daß man für manche Medusen- arten wohl Gleichgewichtsorgane annehmen kann, da sie sich eine passive Veränderung ihrer Lage zum Horizonte nicht gefallen lassen, sondern sich durch aktive Glockenbewegungen wieder in die Normallage bringen, daß sich aber die meisten Medusen der pas- siven Rückdrehung überlassen. All diese Arbeiten verhallten je- doch fast spurlos; denn DEEGENER schrieb 1912: „Am Glockenrande der Medusen treten Sinnesorgane auf, „wie sie der Polyp weder be- sitzt noch nötig hat, die als Augen oder statische Organe ent- wickelt sind, d. h. als Organe, welche das im Wasser sehwebende Tier über seine Lage im Raum orientieren und es ‚oben und unten’ unterscheiden lassen“, und Boas sprach 1913 in seinem Lehrbuche der Zoologie sogar noch von „Gehörwerkzeugen!“ Nur Maas (1912) und KÜEN (1914) erklärten, daß die Frage nach der Funktion der Randkörper noch nicht spruchreif sei. Ersterer meinte, bei den Hydromedusen könne der Gleichgewichtssinn schon deswegen nicht ausschließlich in solchen Kolben oder Cysten liegen, weil es eine ganze Anzahl von Familien gibt, die keine Randkörper haben und dennoch ebensogut schwimmen und im Gleichgewicht bleiben, und letzterer gab wohl zu, daß die Ähnlichkeit in der Einrichtung der betreffenden Medusenorgane mit den statischen Organen höherer Tiere so groß und ihre Wirkung in demselben Sinne so naheliegend ist, „daß die Annahme, daß es sich hier auch in der Tat um statische Organe handelt, durchaus zulässig erscheint“, machte aber vor allem darauf aufmerksam, daß die Rolle, die die von diesen Sinnesorganen gelieferten Erregungen im Leben der Qualle spielen, noch nicht experimentell festgestellt sei und schlug daher vor, für »statisches“ Organ die Bezeichnung „Schweresinnesorgan* zu ge- brauchen. Doch auch diese Worte verklangen; denn im Lehrbuch der Zoologie von R. Hertwie (1916) ist zu lesen: „Funktionell sind die Statocysten als Balance-Sinnesorgan zu deuten“ und in dem von CLAUS-GROBBEN (1917): „Die Randkörper sind entweder Ocellen oder statische Organe“. Nicht unerwähnt möchte ich es lassen, dab Harrnuaus (1914) im Hinblick auf die Sinneskolben von Cyanea von einer eigenartigen Kombination von Augen und Gehörorganen spricht, und daß im Lehrbuche von Scameiz (1916) bei einer Be- schreibung von Auwurelia noch steht: „Letztere (die Randkolben) vermitteln Gesichts- und vielleicht auch Gehöreindrücke!“ Die Sinnesorgane der Medusen. 397 Problemstellung. Schon GEGENBAUR wies 1856 darauf hin, daß bei den „niederen Quallenformen“ zwischen den Randkörpern und den Pigmentflecken „ein sich gegenseitig ausschließendes Verhalten zu bestehen scheint“. Eingehende systematische Untersuchungen zeigten dann, daß statische und Lichtsinnesorgane bei den Hydromedusen nur sehr selten zu- sammen vorkommen, und daß im allgemeinen bei den Anthomedusen nur Ocellen und bei den Lepto- und Trachymedusen nur Schwere- sinnesorgane anzutreffen sind. Dem Vikariieren dieser beiden Organe wandte ich mein besonderes Interesse zu; denn nur physio- logische Studien konnten über die Raumorientierung, die ja nach der geläufigen Ansicht durch die Randkörper gewährleistet sein sollte, Klarheit bringen. Meine Aufgabe war es daher, den Ver- such zu machen, die Funktion der Randkörper und die der Augen- flecke zu analysieren. Leider bot sich mir kein günstiges Lepto- medusenmaterial, so daß ich die Bedeutung der Randkörper nur an den Scyphomedusen Chrysaora hysoscella und Cyanea capillata untersuchen konnte. Nichtsdestoweniger hoffe ich, durch die folgenden Aus- führungen die Frage nach der Bedeutung der Sinnesorgane der Medusen ein wenig klären zu können. Morphologische Bemerkungen über die Randkörper (Sinneskörper). Die Sinneskörper der Discomedusen sind Fortsatzbildungen des Schirmrandes, die in Ausbuchtungen desselben liegen und von den Sinneslappen (Ephyralappen) seitlich begrenzt werden. Das distale Ende der Randkolben, in die sich ein Gastralgefäß fortsetzt, ist durch die entodermale Bildung zahlreicher Konkremente von Calcium- ‘sulfat zu dem sogenannten Kristallsack oder Statolith umgebildet (Fig. A). Jeder von den 8 Randkörpern besitzt an seiner Basis in der Tiefe der Epidermis eine starke Anhäufung von Nervenfasern, die sich auch peripher auf den Randkörper ausdehnen, indem sie an die hohen basalen Zylinderzellen, die auf ihrer Oberfläche Flimmerhärchen tragen, herantreten. Da die Bauverhältnisse der Randlappen von Cyanea eigentümlich und wahrscheinlich ursprüng- lich sind, so soll auf dieselben in Anlehnung an Eimer noch hinge- wiesen werden. Betrachtet man einen Randlappen von Cyanea capillata in der Flächenansicht von außen, so sieht man ihn durch 328 Conrap LEHMANN, einen tiefgehenden radiären Einschnitt in zwei Flügel getrennt. Während der Einschnitt in seinem unteren Teile frei liegt, ist er oben von einem hohlziegelartigen Dächlein (Deckplatte) überbrückt. HL ZU a 7 7 =: * IE te D, x Wy. Gy, . MY a ZG 1% N my, N HN N N TTT Fig. A. Randkörper von Aurelia aurita (nach CLaus-GRoBBEN, 1917). D Deckplatte. En Entoderm. He Ektoderm mit der basal liegenden Schicht von Nervenfibrillen (#). @ Gastralgefäß. K Statholithenkrystalle. M Mesenchym. Fig. B. Querschnitt durch den Randlappen von Cyanea capillata etwas unterhalb des Randkörperrohres (nach Eimer). R Randkörperrohr (quer durchschnitten). # Falltüren (Sinneslappen). Indem sich die getrennten Sinneslappen unter der Deckplatte nach aufwärts fortsetzen und sich übereinander schlagen, bilden sie mit derselben einen röhrenförmigen Raum (Fig. B), der bei oraler An- Die Sinnesorgane der Medusen. . 329 sicht etwa wie durch zwei Flügel einer Tür geschlossen wird. In diesem Gebilde, das sich während der Kontraktion nicht falten und in der Lage verschieben kann, sondern starr ist, liegt der Rand- körper. I. Die Funktion der Randkörper. t. Die Randkörper als Gleichgewichtsorgane. Bei den Untersuchungen über die Funktion der Randkörper versuchte ich zunächst Aufschluß über die Bedeutung derselben für XR PRET x R = XR Fig. C. Einseitig operierte Meduse. XR R Randkörper noch vorhanden. Fig. D. Einseitig operierte Meduse. R Randkörper noch vorhanden. die Erhaltung des Gleichgewichtes zu erlangen. Aus diesem Grunde wurden Exstirpationen der Randkörper vorgenommen und das Ver- halten der Tiere beobachtet. Während ich bei meinen ersten Ver- suchen den ganzen Sinneskolben fortschnitt, legte ich später Wert darauf, vor allem nur den Statolithen zu entfernen, um das am Grunde des Sinneskolbens gelegene Sinnesepithel möglichst wenig zu verletzen. Ein prinzipieller Unterschied im Benehmen der ver- schieden operierten Tiere war jedoch nicht zu verzeichnen. Die Beobachtung eines Tieres, dem vier nebeneinander liegende Rand- körper entfernt waren, das also gewissermaßen einseitig exstirpiert war, ergab folgendes Bild: Das Tier benahm sich zunächst wie ein normales; denn es schwebte an der Wasseroberfläche oder schwamm 330 ConraD LEHMANN, im Aquarium umher. Hierbei zeigte es sich jedoch, daß beim Schwimmen in der Horizontalebene — ich bezeichne damit die Schwimmrichtung, bei der sich die Hauptachse des Tieres in hori- zontaler Richtung fortbewegte — die Medianebene, die die operierte von der nicht operierten Seite trennte, fast stets horizontal gestellt war, die vier noch vorhandenen Randkörper somit in der unteren Glockenhälfte lagen (Fig. C). Wurde das Tier um 180 Grad ge- dreht, so schwamm es zunächst nach oben (Fig. D), erreichte die © Normallage mit vertikaler Hauptachse, d. h. die Stellung, bei der die Exumbrella nach oben und die Subumbrella nach unten gerichtet ist, und drehte sich über diese hinaus in die der ursprünglichen entgegengesetzte horizontale Schwimmrichtung. Der Erfolg war der, daß. die Randkörper wieder in der unteren Glockenhälfte lagen. Stand aber zufällig einmal beim Schwimmen in der Horizontalebene die Medianebene, die operierte und nicht operierte Seite trennte, vertikal, so beschrieb das Tier in der Horizontalebene um die Seite mit den Randkörpern gewissermaßen als Mittelpunkt einen Kreis. All diese Erscheinungen, die sowohl bei Chrysaora als auch bei Cyanea beobachtet wurden, traten auch ein, wenn die Tiere nur noch einen Randkörper hatten. In diesem Falle wurde sogar einmal beobachtet, daß ein Tier, das in der Horizontalebene schwamm, völlig umkippte, so daß es umgekehrt orientiert war, die Exumbrella also nach unten zeigte. : | All diese Ergebnisse erinnern vollkommen an die Erscheinungen, die Pterotrachea nach einseitiger Exstirpation ihrer Statocysten zeigt. Hier tritt nach den Angaben von TscHAcHaorın ein Rollen und Krümmen um die Längsachse nach der unoperierten Seite ein. Diese Tatsache ist jedoch nicht geeignet, auf Grund eines Analogie- schlusses die Funktion der Randkörper der Medusen der der Stato- cysten von Pierotrachea gleich zu setzen. Der Ausfall der be- schriebenen Medusenexperimente zeigt nur, daß die Medusen in der physiologischen Gleichgewichtslage ein „symmetrisches Erregungs- gleichgewicht“ besitzen. Weildasselbe durch einseitige Exstirpationen gestört wird, so folgt, daß beim normalen Tiere die Erregung, die die eine Hälfte der Randkörper zum Nervensysteme schickt, der Er- regung der anderen Hälfte gleich sein muß. Damit ist aber noch keine Erkenntnis für oder wider die Gleichgewichtsfunktion der Sinneskörper gewonnen; denn das symmetrische Erregungsgleich- gewicht wird bei einseitiger Exstirpation sowohl bei statischen Organen als auch bei einfachen Erregungsorganen gestört. Daß die Die Sinnesorgane der Medusen. 331 Verhältnisse bei den Medusen aber anders liegen mußten als bei Pterotrachea ergab sich daraus, daß es diesem Tiere nach einseitiger Exstirpation nicht mehr möglich war, in seine Normallage zurück- zukehren, sondern daß es stets, auch wenn es ermüdet auf den Boden des Gefäßes fiel, seine kreisförmigen Bewegungen fortsetzte, während eine Meduse, sobald sie ihre Kontraktionen einstellte, ihre Normallage erreichte, also mit der Exumbrella nach oben gerichtet, schwebte. Dabei war es ganz gleichgültig, wie das Tier vorher orientiert war, ob es in schräger Richtung aufwärts oder abwärts schwamm, ob es sichin der Horizontalebene bewegte oder vollkommen umgekehrt orientiert war, immer erfolgte eine passive Rückdrehung, bei der stets die Normallage erreicht wurde, wenn nicht vorher wieder Kontraktionen einsetzten. Auch die Tatsache, daß Tiere, die — wie geschildert — mit der Glockenhälfte, die den noch vorhandenen Sinneskolben trug, nach unten orientiert in der Horizontalebene schwammen, im allgemeinen nicht völlig umkippten und keine in der Vertikalebene .gelegene Kreisbewegung beschrieben, wie sie es in der Horizontalebene vollführten, wenn der Randkörper in dieser Ebene lag, ließ darauf schließen, daß bei der Gleichgewichtsein- stellung der Medusen ein im Gesamtkörperbau der Tiere gegebenes Moment eine wichtige Rolle spielt. Daß dies wirklich der Fall ist, sollen die weiteren Versuche zeigen, bei denen nicht nur ein Teil sondern alle Randkörper entfernt wurden. Nach den Ergebnissen, die von den sonstigen mit Statocysten versehenen Tieren bekannt sind, hätte bei der Exstirpation aller das Gleichgewicht regu- lierender Organe eine vollkommene Desorientierung eintreten müssen. Nimmt man diese Operation an Medusen vor, so ist man erstaunt, daß keinerlei Störungen der Raumorientierung zu bemerken sind; denn die Tiere benehmen sich mit Bezug auf ihre Orientierung be- deutend normaler als „einseitig“ operierte Tiere. Während bei Pterotrachea nach Entfernung beider Statocysten völlige Desorien- tierung eintritt, das Tier „schwimmt mit der Flosse nach unten, macht echte Purzelbäume, steht auf dem Kopfe, rollt bald in einer, bald in anderer Richtung“, und während Penaeus, bei dem im Gegensatz zu den meisten anderen Krebsen die Augen bei der Raumorientierung nicht mitwirken, sich auch völlig desorientiert zeigt, tritt ein solches Verhalten bei den Medusen nicht ein. Im Gegenteil, die Tiere bewegen sich, wenn sie herumschwimmen, völlig normal. In der Hauptsache schweben sie jedoch unbeweglich in vertikaler Richtung, da bei ihnen — wie später ausgeführt 332 Conrap LEHMANN, werden soll — die Anzahl der Muskelkontraktionen sehr herab- - gesetzt ist und zwischen den einzelnen Kontraktionen somit längere Pausen vorhanden sind. An diesen Objekten ist daher die passive Rückdrehung besonders großartig zu beobachten. Zur Ergänzung sei noch hinzugefügt, daß auch Tiere ohne Randkörper, die aus der Normallage um 180 Grad gedreht werden, so daß sie umgekehrt orientiert sind, nach einiger Zeit wieder in ihrer Normallage mit vertikaler Hauptachse anzutreffen sind. Auch eine kleine Chrysaora,. der ein breiter Streifen des Randes abgeschnitten wurde, so daß dem Tier auch die Ringmuskulatur fehlte, schwebte in der Normal- lage umher, stieg etwas und sank dann ganz allmählich, indem sie sich ein wenig hin und her bewegte, in „aufrechter Stellung“ zu Boden. So wurde sie auch noch nach */, Stunden angetroffen. Als sie nun umgekehrt orientiert wurde, drehte sie sich wieder passiv in ihre Normallage zurück. All dies beweist, daß der bedeutendste Faktor für die Gleichgewichtseinstellung der Medusen in der Ver- teilung der Körpersubstanz nach ihrem spezifischen Gewichte be- ruht; d. h. die Medusen schwimmen im stabilen Gleichgewicht. Bevor ich darauf näher eingehe, soll jedoch die Frage, ob die Randkörper trotzdem Gleichgewichtsfunktion haben, völlig geklärt werden. Da ganz allgemein Tiere, die im stabilen Gleichgewichte _ schwimmen, niemals Statocysten haben, so ist es aus dieser theoretisch biologischen Erwägung schon unwahrscheinlich, daß die Medusen statische Organe besitzen. Trotzdem soll noch die Möglichkeit erörtert werden, ob bei den Medusen eine „doppelte Sicherung“ vorhanden ist. Wie bei den Mysideen Statocystenreflex, Lichtrückenreflex und der sog. allgemeine Lagereflex bei der Raumorientierung zusammen- wirken, so könnten bei den Medusen Randkörper und Verteilung des Körpergewichts zusammen an der Erhaltung des Gleichgewichts beteiligt sein. Wenn dies der Fall wäre, müßte man die Funktion der Gleichgewichtsorgane am besten beobachten können, sobald die Meduse durch äußere Umstände in eine Lage gebracht wird, in der die Körperachsen zur Reizrichtung der Schwerkraft geneigt sind. Während die einfachen Erregungsorgane bei jeder beliebigen Stellung imRaumstetsdiegleiche Wirkung ausüben, das symmetrische Erregungsgleichgewicht somit in jeder Raumlage vorhanden ist, üben die statischen Organe aber je nach der Lage im Raume eine quantitativ verschiedene Wirkung aus. Ein von diesem Gesichtspunkte aus angestelltes Experiment will ich nicht Die Sinnesorgane der Medusen. 333 unerwähnt lassen, da dasselbe ein wichtiges Resultat ergeben hat. Um die Wirkung von Mundlappen und Tentakeln auszuschalten, wurden diese einer Meduse abgeschnitten und das Tier mittels zweier gebogener Drähte, die von der Oralseite her durch die Gallerte gestoßen wurden, in schräger Lage aufgehängt. Nach Be- seitigung gewisser Störungen zeigte es sich, daß die unteren Rand- lappen ein klein wenig stärker schlugen als die oberen. Nach den bisher üblichen Vorstellungen hätte man in diesem Verhalten eine Stütze für die Gleichgewichtsfunktion der Sinneskörper sehen können; denn stärkere Kontraktionen sollten ja einen stärkeren Rückstoß des Wassers bedingen. Dadurch sollte der stärker arbeitende Teil des Mantelrandes in die Höhe getrieben werden, so daß das Tier in die Normallage gebracht wurde. Nach meinen Feststellungen, die ich nachträglich in der Literatur schon ange- deutet fand, verhält sich das Tier aber gerade entgegengesetzt: denn es wendet sich stets nach der Seite, an der die stärksten Kon- traktionen erfolgen. Man kann dies, was ich betonen möchte, nicht nur an operierten Tieren, sondern auch an völlig normalen Tieren beobachten. Aus diesem Grunde müßten, sobald sich ein normales Tier in Schiefstellung befindet, die Randlappen der nach oben ge- richteten Seite stärker schlagen, und an einem einseitig operierten Tiere müßte sich je nach der Stellung im Raume auch ein Unter- schied in der Stärke der Kontraktionen und des dadurch bedingten Einschlagens der Randlappen beobachten lassen. Diese Überlegung zeigt, daß die Reaktionsweise des in schräger Lage aufgehängten normalen Tieres, bei dem die unteren Randlappen ein wenig stärker schlugen, durchaus nicht geeignet war, die Meduse sofort wieder in die Normallage zu bringen. Als dieses Tier um 180 Grad gedreht wurde, schlugen die jetzt oberen Randlappen stärker. Das Er- gebnis zeigt also, daß bei den Medusen keinerlei kompensatorische Reflexbewegungen vorhanden sind; denn die betreffenden Rand- lappen, die bei genauem Vergleich mit den anderen ein wenig stärker ausgebildet zu sein schienen als diese, schlugen — unab- hängig von ihrer Stellung im Raume — stets ein klein wenig stärker. | Doch nicht nur das Studium operierter und fixierter normaler Tiere, sondern auch das herumschwimmender normaler Tiere ergibt ein weiteres schwerwiegendes Argument gegen die Funktion der Randkörper als Gleichgewichtsorgane. Schon Branpt schreibt: „Die Beschaffenheit des Elementes, worin die Schirmquallen leben, Zool. Jahrb. 39. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 23 334 Conrad LEHMANN, wirkt aber überaus mächtig auf ihre selbständigen Bewegungen ein. Mehr oder weniger starke Strömungen des Wassers, selbst leichtere Wellen und Winde vermögen sie nicht zu überwinden, und sie können, wenn diese äußeren Einflüsse auf sie wirken, sich nicht mehr durch eigene Kraft vorwärts bringen, sondern müssen sich ihnen ganz anvertrauen. ... Ihre Bewegungen sind dann mehr passive Die Tiere halten sich in diesem Falle nur in einer Lage, welche das Forttreiben in ihrem flüssigen Element begünstigt. Der Schirm wendet dann seine Konvexität meist nach oben, so daß sich dieselbe nur zum geringen Teile aus dem Wasser befindet. Ge- wöhnlich neigen sie sich dabei mehr oder weniger zur Seite...“ Während sonst die Statocysten jede Abweichung des Tieres von seiner Normallage zur Schwerkraft regulieren, schweben die Medusen nach diesen Beobachtungen in einer zur Schwerkraft- richtung geneigten Ebene dahin. Auch bei im Aquarium gehaltenen Tieren merkt man weder bei Chrysaora noch bei Cyanea etwas von einem „Drehreflex“; denn die Tiere ‘schweben nicht nur in ihrer Normallage, sondern bewegen sich in allen möglichen Richtungen durch das Wasser. Bald sielit man sie in der Horizontalebene schwimmen, bald beschreiben sie Kurven, ja sogar Kreise oder be- wegen sich in einer zur Vertikalen geneigten Ebene. Wohl sind diese letzten Beobachtungen — wie ich später ausführen werde — sehr vorsichtig aufzunehmen; doch alle Einwände mit Bezug auf die experimentellen Bedingungen können nicht die Tatsache entkräften, daß man an diesen in den verschiedenen Richtungen sich bewegen- den Tieren nie eine Abhängigkeit des Einschlagens der Randlappen von der derzeitigen Stellung des Tieres im Raume bemerkt, und daß die Tiere durch spontane Richtungsänderung vielfach Be- wegungen ausführen, durch die sie der Gleichgewichtslage eher ent- fernt als genähert werden. Eines der stärksten Momente jedoch, das gegen die Statocysten- hypothese spricht, ist die Beobachtung der Bewegung von Ephyren von Cyanea. Dieselben bewegen sich nämlich niemals genau in der Richtung der vertikalen Hauptachse, sondern weichen bei jeder Kontraktion von derselben ab. Sobald zwischen den einzelnen Kon- traktionen aber eine kleine Paüse eintritt, erfolgt die passive Rück- drehung in die Normallage mit vertikaler Hauptachse. Man legt sich bei diesen Ergebnissen, welche zeigen, daß die Raumorientierung der untersuchten Scyphomedusen von den Rand- körpern unabhängig ist, unwillkürlich die Frage vor, wie hat man Die Sinnesorgane der Medusen. DOD ° sich bisher die Orientierung der übrigen Medusen gedacht? Von den Hydromedusen sollten sich nach der Gleichgewichtshypothese die Vesiculaten mit Hilfe der Randbläschen orientieren. Im Hin- blick auf die Exstirpationen der Randbläschen von Gonionemus durch MursacH kam MaxGorD 1914 aber zu dem Schlusse, daß die mit Randbläschen ausgestatteten Medusen ,ihre Orientierung im Raume in der gleichen, uns freilich im einzelnen nicht bekannten Weise, wie die dieser Organe entbehrenden ocellaten Hydromedusen aufrecht erhalten“. Dies war ein Eingeständnis, aus dem hervor- ging, dab es auch aus den bisher vorliegenden Untersuchungen unmöglich war, für die Ocellaten ein spezifisches Raumsinnesorgan anzugeben. Durch später näher zu beschreibende Versuche mit Leuckartiara pileata stellte ich fest, daß für diese Anthomeduse das Licht einen gewissen Einfluß auf ihre Orientierung hat; daß die Tiere bei Belichtung von unten aber nicht fähig sind, sich in den Weg der Lichtstrahlen einzustellen. Damit zeigte ich, daß nicht nur bei den Scyphomedusen, sondern auch bei den Anthomedusen eine durch das spezifische Gewicht bedingte, also stabile Gleich- gewichtseinstellung vorhanden ist. In diesem Zusammenhange möchte ich auch noch darauf hinweisen, daß man seltsamerweise bei der Erklärung der Gleichgewichtserhaltung der Scyphomedusen, die sich ja durch die Sinneskolben orientieren sollten, nie auf die Orientierung der Tesseridae eingegangen ist. Für Tessera und Tesserantha konnte man nämlich keinerlei Raumsinnesorgane an- geben und diskutierte die Art der Raumorientierung dieser Tiere daher garnicht. | Aus all diesen Erörterungen geht somit nicht nur hervor, dab die Randkörper von Chrysaora und Cyanea keine statischen Sinnes- organe sind, sondern daß dies wahrscheinlich allgemein fiir die Medusen gilt. Wenn BETHE auch meint, „es läßt sich in der Tat für manche Arten wahrscheinlich machen, daß sie ein Gleichgewichts- organ besitzen“, so kann ich ihm auf Grund der dafür angeführten Momente nicht zustimmen. Nach ihm müßte man nicht nur für Carmarina hastata (Geryonia proboscidalis), die sich eine passive Ver- änderung ihrer Lage zum Horizonte nicht gefallen lassen soll, sondern sich sehr schnell durch aktive Glockenbewegungen wieder in die Normallage bringt, Gleichgewichtsorgane annehmen, sondern auch für all die Formen, die — aus der Normallage gebracht — ihre Kontraktionen einstellen und sich der passiven Rückdrehung über- lassen. Es scheint mir diese Annahme nach den bisher vorliegenden 23* 336 ConrAD LEHMANN, Beobachtungen nicht ohne weiteres zwingend; denn theoretisch ist es nicht nötig, daß die Gleichgewichtsempfindung an die Randkörper geknüpft ist. Denkt man nämlich an die geotropische Reaktion der Aktinie Cerianthus und an den sog. „allgemeinen Lagereflex“ bei einigen Krebsen, so sieht man, daß es in der Tat statische Reflexe gibt, die nicht von einem spezifischen Sinnesorgane abhängen. BETHE weist schließlich auch noch auf Solmaris flavescens ( Aegineta flavescens) hin, die ein veränderliches spezifisches Gewicht besitzt \ = Fig. E. Umdrehreaktion von Solmaris flavescens (nach BETHE!. a Normallage. b Tier ist spezifisch schwerer als Seewasser. c Tier ist spezifisch leichter als Seewasser. und dementsprechend bei der Abweichung aus der Normallage Ver- schiedenheiten bei der Umdrehung zeigt, „je nachdem das Tier schwerer oder leichter als das umgebende Medium ist“, und er. meint, diese Reaktionsweise deute darauf hin, „daß ein spezifisches Gleichgewichtsorgan vorhanden ist, welches die zur passiven Drehung notwendigen Änderungen der Tentakelhaltung auslöst (Fig. E). Es muß sich aber auch, sagt BETHE, mit dem Wechsel des spezifischen (sewichts der ganze Reaktionsmechanismus auf den von eben diesem Rezeptionsorgan zugeleiteten Reiz ändern.“ Diese ganze Annahme Die Sinnesorgane der Medusen. | 337 scheint mir nicht zwingend; denn BETHE erklärt selbst, „daß dies nicht in prompter Weise geschieht, konnte ich verschiedentlich be- obachten. (Die Bedingungen für das Auftreten abnormer, d. h. für den augenblicklichen Zustand unzweckmäßiger Umdrehstellungen sind noch genauer zu untersuchen).“ Auch die Skizze, die A. G. MAYER in: „Medusae of the World“ von Solmaris flavescens gibt, und die mit dem Zusatz versehen ist: „from life by the author“, spricht gegen die Annahme von Gleichgewichtsorganen; denn das Tier bewegt sich durchaus nicht in seiner Normallage mit vertikaler Hauptachse, sondern schwimmt schräg nach unten (Fig. F). Auf jeden Fall ist, so lange uns eingehende neue Forschungen nicht eines anderen be- lehren, kein Grund vorhanden, für die Randkörper von Solmaris flavescens eine statische Funktion anzunehmen; denn die Unter- suchungen von Murgacx haben ja gezeigt, daß selbst bei der für Medusen so abberanten Lebensweise, wie sie Gonionemus murbachii führt, die Randkörper keine Statocysten sind. Fig. G (nach Berne). B Bewegungsrichtung. RW Resultante der Widerstände. S, Schwerpunkt der verdrängten Wasser- masse. LM | S, Schwerpunkt des Systems. Fig. H. Einseitig operierte Meduse. A Rand- Schraffiert sind die spezifisch schweren körper sind vorhanden. C Randkörper fehlen. Teile. 338 ConraD LEHMANN, Wirft man nun die Frage auf, wie die Verteilung der Körper- masse bei den Medusen ist, damit die mechanische Erhaltung des Gleichgewichts gewährleistet wird, so ist zunächst darauf hinzu- weisen — was vor allem BETHE betont hat —, daß das Manubrium und die Subumbrella spezifisch schwerer sind als die Gallerte der Exumbrella. Denkt man daran, daß die Gallerte vielfach im zen- tralen Teil des Schirmes, wie es Craus in einer Beschreibung von Chrysaora schon angibt, eine bedeutende Dicke erreicht, und dab KRUCKENBERG bei craspedoten Medusen des Triester Golfes 95,34 bis 96,3°/, Wasser gefunden hat, so sieht man ein, daß eine ganz geringe Erhöhung des spezifischen Gewichtes der Subumbrella ge- nügt, um automatisch die Gleichgewichtslage zu erhalten (Fig. G). Erhöht wird die Stabilität der Normallage noch durch das hinzu- kommende Gewicht des Manubriums und der Tentakeln und durch die Tatsache, daß ein Körper beim Fallen um so schneller die kon- stante Gleichgewichtslage einnimmt, „je geringer der Unterschied im spezifischen Gewicht zwischen dem Körper und dem Widerstand Jeistenden Medium ist. Infolgedessen schwebt — um mit BETHE zu reden — das sich selbst überlassene Tier mit senkrecht ge- richteter Radiärachse (Fig. H). Die iokomotorische Kraft greift in der Richtung der Radiärachse an (BD), und die Resultante aller Widerstände in dieser Bewegung (RW) geht durch die Radiärachse selber, in welcher auch der Schwerpunkt des Systems (S,) und der der verdrängten Wassermasse (S,) gelegen ist. Eine Änderung der Achsenlage könnte also nur durch äußere Gewalt oder durch Ände- rung in der Symmetrie der widerstandleistenden Flächen oder der bewegenden Kräfte herbeigeführt werden.“ Da für die Stellung, die ein schwimmender Körper einnimmt, die Lage seines Schwer- punktes zu der des Schwerpunktes der verdrängten Wassermasse maßgebend ist, so ist es klar, daß ein Tier mit wenig starker Gallerte eine geringere Stabilität der Lage besitzt. Dies zeigen die erwähnten Ephyren von Cyanea sehr gut. Wie ich schon ge- schildert habe, weichen diese bei den Kontraktionen von ihrer phy- siologischen Gleichgewichtslage ab, nehmen die Normallage aber so- . fort wieder ein, sobald sie ihre aktiven Bewegungen einstellen. An dieser Stelle will ich nun gleich auf jene der allgemeinen Ansicht entgegengesetzte Beobachtung eingehen, nach der sich die Medusen nach der Seite bewegen, an der die stärkste Muskelkon- traktion erfolgt. Die Fortbewegung der Medusen wird als „Schwimmen durch Rückstoß“ bezeichnet und kommt dadurch zustande, „daß der Die Sinnesorgane der Medusen. 339 Rückstoß der Wassermasse oder — richtiger gesprochen — der Widerstand, den sie am umgebenden Wasser findet, den Körper in der entgegengesetzten Richtung forttreibt“. Die - Vorstellung, die man sich betreffs der Richtungsänderung in der Bewegung der Medusen macht, wird am besten mit folgenden Worten R. pu Bots- Reymonps wiedergegeben: „Arbeitet eine Stelle des Mantelrandes stärker als die übrigen, so treibt sie diesen Teil des Tieres in die Höhe und wendet dadurch die Glocke um, so daß nunmehr ihre Wölbung nicht nach oben, sondern nach einer Seite oder gar nach unten steht. . .. Bemerkenswert ist in beiden Fällen die Art der Steuerung durch ungleiche Tätigkeit des entgegengesetzten Teiles des Schirmrandes.“ Die in der Literatur gelegentlich angegebene Beobachtung, daß einseitig operierte Rhizostomeen stets nach der Seite der erhaltenen Randkörper abweichen, hätte aber schon ge- eignet sein müssen, zu zeigen, daß die bisherige Anschauung von der Richtungsänderung nicht ganz richtig sein konnte; denn die Tiere hätten sich, da die Seite mit den erhaltenen Randkörpern am stärksten schlägt, stets nach der Seite ohne Randkörper wenden müssen. Aus meinen schon weiter oben besprochenen Beobach- tungen ging nur zu deutlich hervor, daß nicht nur Tiere mit ex- stirpierten Randkörpern eine Abweichung nach der am stärksten sich kontrahierenden Seite zeigen, sondern daß sich auch normale Tiere nach der Seite der stärksten Kontraktion wenden. Ein ge- nauer mathemetischer Beweis für diese Erscheinung ist schwierig. Fest steht, daß nicht die Größe, sondern die Richtung des Rück- stoßes das Ausschlaggebende ist, und daß wahrscheinlich auch die Deformation des Schirmes infolge der ungleichen Kontraktion eine Rolle spielt. Ein Verständnis für diese Beobachtung läßt sich folgendermaßen gewinnen (Fig. H): Die Randlappen, die sich an der - Stelle der stärksten Kontraktion befinden, werden bedeutend kräftiger eingeschlagen als die übrigen. Die Resultante AD der Wasser- masse, die von den ersteren Randlappen bewegt wird, muß daher mit der Vertikalen einen größeren Winkel bilden als die Resultante CD der von den nicht so stark eingeschlagenen Randlappen be- wegten Wassermasse. Zerlegt man AB und CD in ihre Kompo- nenten, so sieht man, daß die in der vertikalen Richtung wirkende Komponente AE der kräftiger eingeschlagenen Randlappen kleiner ist als die entsprechende Komponente CF der anderen Randlappen. Da die horizontalen Komponenten bei der Fortbewegung keine Wirkung haben, so folgt, daß der „Rückstoß* an der schwächer 340 CoNRAD LEHMANN,‘ kontrahierten Seite um CF—AE größer sein muß als an der Stelle der stärksten Kontraktion. Die Meduse muß also nach der Seite der stärksten Kontraktion abweichen. Diese Betrachtung erklärt es auch, warum sich Medusen, denen man einige Randlappen abgeschnitten hat, scheinbar gerade ent- gegengesetzt benehmen; denn sie treiben tatsächlich den stärker arbeitenden Teil, d. h. den Teil mit den Randlappen, in die Höhe und weichen nach der Seite ohne Randlappen ab. Unsere theoretische Auseinandersetzung zeigt uns, daß dies eintreten muß; denn in diesem Falle kommt ja nur die vertikale Komponente der mit Rand- lappen versehenen Seite zur Wirkung, da die andere Resultante durch die Beseitigung der Randlappen zum Wegfall kommt. Diese | Erörterung gilt auch für Tiere, denen 4 nebeneinander liegende Randkörper exstirpiert sind und bei denen die Subumbrella durch- trennt wird, so daß die eine Hälfte Randkörper besitzt, die andere aber nicht; denn auch diese Tiere weichen nach der Seite ohne Randkörper ab. Wenn sich diese letzten Ausführungen auch auf Acraspeden be- ziehen, so glaube ich doch, daß man sie bis zum gewissen Grade auch auf die Craspedoten anwenden darf, indem man die Entfernung von Randlappen mit der teilweisen Entfernung des Velums gleich- setzt. MURBACH zeigte bei seinen Untersuchungen an Gonionemus. daß Verletzungen oder teilweise Entfernung des Velums auf die Orientierung und Schwimmbewegung des Tieres einen großen Ein- flu8 haben. Er schließt daraus, daß wahrscheinlich das Muskel- gefühl — vor allem das im Velum — bei Gonionemus und den ~ Hydromedusen der Sitz der statischen Funktion ist: Ich sehe auf Grund meiner obigen Ausführungen nicht ein, warum man dem Muskelgefühl statische Funktion zuschreiben sollte; denn die Un- regelmäßigkeiten beim Schwimmen sind rein mechanisch zu erklären. Überblickt man noch einmal all die Ausführungen über die Bedeutung der Randkörper für die Gleichgewichtserhaltung der Me- dusen, so sieht man, daß die Statocystenhypothese für die Medusen aufgegeben werden muß. Die Randkörper sind keine extero- receptiven Organe, durch die reflektorisch die Normallage erhalten wird, sondern die Medusen haben eine rein mechanische Erhaltung des Gleichgewichts; denn sie befinden sich in ihrer physiologischen Gleichgewichtslage stets im stabilen Gleichgewichte. Die Sinnesorgane der Medusen. 341 2. Die Randkörper als Nervenerregungsorgane. Nach diesen für die Gleichgewichtsfunktion der Randkörper negativ ausgefallenen Untersuchungen war die Frage zu beantworten: Was für eine Funktion kommt den Randkörpern denn überhaupt zu? Die Tatsache, daß einseitig operierte Medusen an der mit Randkörpern versehenen Seite stärkere Kontraktionen zeigen, be- weist, daß die Randkörper einen Einfluß auf die Tätigkeit der Muskulatur haben. Schon Ermer und Romaxes haben ja den Rand- körpern mit dem umgebenden Gewebe eine gewisse Bedeutung für die rhythmischen Kontraktionen zugeschrieben. Ermer beobachtete einzelne Randstücke von Aurelia aurita und fand durch Heraus- schneiden des Randkörpers, „daß die rhythmischen Kontraktionen ausgingen von der Gegend des Ansatzes des letzteren an den Schirmrand, genauer: von einer nur wenige Millimeter breiten Ge- webszone, welche in ihrer Längenausdehnung die Umgrenzung des halbkreisförmigen, je ein Randkörperchen bergenden Ausschnittes bildet“. Diese in der Umgebung jedes Randkörpers vorhandenen Gewebsteile bezeichnete er als „kontraktile Zonen“. Nach Ermer soll sich ein Tier, dem alle kontraktilen Zonen bis auf eine entfernt worden sind, wie vor der Operation kontrahieren; ein Tier jedoch, dem auch diese letzte kontraktile Zone herausgeschnitten wurde, sollte unmittelbar nach der Operation unbeweglich sein. Erst später sollten wieder einige spontane Kontraktionen auftreten. Auf Grund dieser Beobachtungen schloß Ermer: „Die rhythmischen Kon- traktionen der toponeuren Medusen (Acraspeden) werden angeregt von den kontraktilen Zonen“. Eine nähere Analyse hat Eımer jedoch nicht gegeben. Zur gleichen Zeit stellte Romanes seine Untersuchungen an. Während Ermer eine Beteiligung der Rand- körper selbst an der Anregung der rhythmischen Kontraktionen nicht für ausgeschlossen hielt, den Hauptsitz der Entstehung der rhythmischen Kontraktion aber in die „kontraktilen Zonen“ verlegte, schrieb Romanes dem Kristallsickchen einen besonderen Reichtum an „locomotor centres“ zu und behauptete, daß in der Regel schon das Abschneiden der Randkörper Bewegungslosigkeit hervorrufe. Die „kontraktilen Zonen“ Eımers und die ,locomotor centres“ RomanEs’ veranlaßten Urxküur (1901), nach dem die Kontraktionen auslösenden rhythmischen Zentrum zu suchen. Hierbei sprach er die Randkörper als „Rezeptionsorgane für mechanische Reize an, die zur Aufnahme von Bewegungen dienen, die vom eigenen Tierkörper 342 ConrAD LEHMANN, ausgehen“. Uber die Rolle, die die Randkérper beim Schwimmen der Medusen spielen, machte er sich folgendes Bild: Bei jedem Schlage werden die Sinneskolben hin und her bewegt. Dadurch wird — sei es durch das Anschlagen des Randkürpers an die Innenwand der Sinnesgrube oder sei es durch eine Dehnung an der Biegungsstelle dieses kleinen Klöppels — eine Erregung erzeugt, die sich im Nervennetze verbreitet und die Muskeln zur Kontraktion bringt. Obwohl diese Untersuchung von v. UExKÜLr zwei Jahre danach von BETHE bei seiner Betrachtung über „die rhythmischen Bewegungen des Wirbeltierherzens und der Medusen“ gewürdigt wurde, beachtete man sie auf zoologischer Seite fast garnicht. Dies war nach 1913 noch weniger zu erwarten; denn in diesem Jahre erklärte Basuıoxı im Handbuch der vergleichenden Physiologie, dab die Auffassung UExKÜLLS in offenem Widerspruche zu den Ver- suchsergebnissen von ROMANES und YERKES stehe, die im Randkörper ein Sinnesorgan für Lichtreize sehen, und dab die Anschauungen der anderen Forscher, die Randkörper seien äußere oder extero- zeptive Sinnesorgane viel begründeter sei. Ohne an dieser Stelle auf die falsche Deduktion Bacrionis einzugehen, will ich nur her- vorheben, daß ich mich auf Grund meiner Versuche diesem Urteile Bacuionis nicht anschließen kann. Im Gegenteil, meine Ausführungen werden zeigen, daß v. UrxküLu und BETHE im Anschluß an EımEr und Romanes mit Recht darauf hingewiesen haben, daß die rhyth- mischen Kontraktionen der Medusen nicht als automatische Be- wegungserscheinungen angesehen werden dürfen, sondern daß die Ursache des physiologischen Phänomens des Rhythmus in den Rand- körpern liegt. Am besten zeigt sich dies nach Exstirpationen der- selben. Während das Fehlen eines oder zweier Randkörper keinen merkbaren Einfluß ausübt, was wohl am deutlichsten daraus her- vorgeht, daß eine Chrysaora, welche schon mit nur sieben Rand- körpern gefangen wurde, die für ihre Größe üblichen Kontraktionen vollführte, ist beim Entfernen der Hälfte der Randkörper schon eine Verringerung der Pulsationen zu beobachten. So kontrahierte sich ein Tier, das vor der Exstirpation von vier nebeneinander liegenden Randkolben in der Minute im Durchschnitt 26 Kontrak- tionen vollführte, 40 Minuten nach der Operation nur noch etwa 20mal, und bei der schon erwähnten Chrysaora mit nur 7 Rand- körpern, die sich 23 mal kontrahierte, fiel die Anzahl der Pulsationen nach der Exstirpation von drei Sinneskolben im Verlaufe von 20 Minuten auf etwa 17. Hierbei konnte ich an den gerade ope- Die Sinnesorgane der Medusen. 343 rierten Tieren sehr schön beobachten, daß sich die Randlappen ohne Randkörper nicht mehr aktiv einschlagen. Um die Exstirpationen ausführen zu können, legte ich die Medusen in eine Schale mit Wasser und zwar so, daß die Exumbrella dem Boden der Schale zugekehrt war. Nach der Operation konnte an noch in der Schale liegenden Tieren, denen z. B. 4 Randkörper entfernt worden waren, folgende Beobachtung gemacht werden (Fig. J): Die Randlappen Fig. J. Einseitig operierte Meduse. (Das Tier liegt in einer Schale auf der Exumbrella.) mit Randkörpern und die diesen benachbarten Randlappen wurden sehr stark eingeschlagen. Je weiter man sich von denselben jedoch entfernte, um so geringer wurden die Kontraktionen der Randlappen und zwar fand ein ganz allmählicher Übergang statt bis zu den in der Mitte der von Randkörpern freien Hälfte liegenden Randlappen, die völlig ausgebreitet lagen und keine Spur einer Kontraktion zeigten. Eine im Verhältnis zur geschilderten größere Verringerung der Muskeltätigkeit tritt aber ein, sobald die Medusen nur noch einen Sinneskolben besitzen. Die beiden Tabellen 1 und 2 mögen dies zeigen. 344 Conrap LEHMANN, Tabelle 1. Untersuchungsobjekt: eine am vorhergehenden Tage gefangene große Chrysaora. a) Vor der Exstirpation. ae Pulsationen Zeit | na Bemerkungen 3h 12° 23 Das Tier schwebt im allgemeinen in halber Höhe 3h 13: 23 des Aquariums. 3h 14° 24 3h 15! 23 b) Nach der Exstirpation. Zeit | a \ re Bemerkungen 3h 34! — das Tier, dem 7 Randkörper entfernt sind, wird wieder 3h 35‘ — ins Aquarium gesetzt; es liegt zunächst am Boden : a sa i teilweise sehr kleine Kontraktionen 3h 38‘ 9 das Tier erhebt sich nur wenige Zentimeter vom 3h 39 14 Boden; mitunter treten kleine Extrakontraktionen 3h 40 13 in der Randumgebung des Randkörpers anf 3h 49! 11 3h 50! 6 aha‘ 8 3h 52! tL 34h 59! 14 3h 54! 8 4h 10 7 4h 11‘ 8 4h 12° 13 4h 13° ine 4h 14' 6 4h 15‘ 7 4h 16‘ 10 th 41' 14 4h 42: 7 4h 43° 9 4h 44 6 4h 45‘ 9 4h 46‘ 11 4h 47! 12 4h 48° 8 Die Sinnesorgane der Medusen. 345 Tabelle 2. Untersuchungsobjekt: große soeben gefischte Chrysaora. a) Vor der Exstirpation. Pulsationen pro ee Bemerkungen 11h 55‘ 14 0 11h 56‘ 12 Eh 57° 13 11h 58‘ 12 aftr. 59’ 13 12h 0 10 i ee 8 12h 2 9 on 9% 14 2h 10° 12 2h 11‘ 10 ma | 11 b) Nach der Exstirpation. DD DD WDD DD TW IN WD IN EEE LEE EE EEE EEE EP ES RER © € O OP PP IN IN IN IN) 9 9 9 D9 D IŸ Pulsationen pro Minute Bemerkungen 25' —) !) Dem Tier sind 7 Randkörper exstirpiert; es 29 1?) | steigt ohne Kontraktion an die Oberfläche und stellt 30! 0 sich in die Normallage mit vertikaler Hauptachse ein. 31° 1 ?) Tier kontrahiert sich und zwar am Randlappen 32° 6°) mit Randkörper zuerst und am stärksten; es erfolgt 33 6 eine kleine Drehung nach dieser Seite, dieselbe wird 34 1 jedoch sofort durch passive Rückdrehung wieder + ae aufgehoben. 97! 14 3) Das Tier verharrt eine ganze Zeit in verti- 28 4 kaler Schwimmrichtung und dreht sich erst nach 39) 3 den en 6 Kontraktionen allmählich passiv 40! 6 zuriic 41' 6 42! 7 43! 7 44! 10 45' : siehe 2h 32° 46‘ 47 8 17° 6 18° 7 19 5 20' 3 5 5 5 346 Conrap LEHMANN, Zieht man in beiden Fallen das arithmetische Mittel aus den Kontraktionen vor und nach der Operation, so folgt für: Tabelle 1 Tabelle 2 a) == 23 Kontraktionen pro Min. a) =: 12 Kontraktionen pro Min. b) = 10 Kontraktionen pro Min. b) = 7 Kontraktionen pro Min. (von 3h 36‘ an gerechnet) (von 2h 31’ an gerechnet). Die Anzahl der Pulsationen der operierten Tiere ist demnach im Vergleich zum normalen Tiere etwa auf die Hälfte gesunken. Noch stärker tritt die Bedeutung der Randkörper für die Tätigkeit der Muskulatur aber hervor, wenn den Tieren alle Randkörper exstirpiert werden. In der Literatur findet man darüber einige Angaben, wonach sich die acraspeden Medusen, die verschiedenen Familien angehören, nach der Exstirpation aller Randkörper scheinbar ver- schieden benehmen; denn Ahizostoma und Cotylorhiza sollen ihre Pulsationen dauernd einstellen, Awrelia soll sich dagegen schon nach einigen Minuten wieder kontrahieren. Ich glaube, daß nähere darüber angestellte Untersuchungen das Resultat ergeben würden, daß die Unterschiede zwischen den einzelnen Arten nur quantitative aber keine qualitativen sind. Ich halte dies für ganz sicher, weil nach meinen Erfahrungen auch innerhalb einer Art individuelle Verschiedenheiten auftreten, so daß ich glaube, daß auch der augen- blickliche physiologische Zustand des Tieres eine Rolle spielt. Ich sebrauche den Ausdruck „physiologischer Zustand“, wenn er nach Lorg auch ein Zeichen dafür ist, daß das Problem des tierischen Benehmens dadurch in einer Weise behandelt wird, die mehr ent- spricht „to the viewpoint of the introspective psychologist than to that of physicist“. Trotz individueller Verschiedenheiten steht fest, daß die Entfernun® aller Randkörper, bzw. der Statolithen bei Cyanea und Chrysaora eine bedeutende Verringerung der Muskel- kontraktion bedingt. Wie groß dieselben sein können, zeigen Tabelle 3 und 4. Die Sinnesorgane der Medusen. 347 Tabelle 3. Untersuchungsobjekt: grobe Cyanea. 2) Vor der Exstirpation. N cD Cr ct O1 Où Or Ot Qt OT Qt O1 Or = = Pulsationen pro Minute Bemerkungen b) Nach der Exstirpation. pP" RSS — Be He He Be He ne ji 2 =] Où Ot = GO DO III EN EN ID DDD Où Où Où MD TD DDH Où Où Où Où Où M Gd GT a u = © © © — © — 1 Kontraktionen pro Minute Bemerkungen Tier schwebt in der Normallage mit vertikaler Haupt- achse und sendet die Tentakeln sehr weit aus erste Kontraktion; Tier sinkt ein wenig, steigt aber sofort wieder | Tier sinkt ein wenig, steigt wieder siehe 6h 46’ abends Tier sinkt Tier steigt und schwebt an der Oberfläche SRKHSS9O95955-r SS 55095955 S HH 9 55 9 m 348 ConraD LEHMANN, © (Fortsetzung von Tabelle 3 b.) Kontraktionen pro Minute N cD 4. ct Bemerkungen œ end = N Tier sinkt bis auf den Boden des Aquariums und steigt dann wieder CO 1D =1 D 10‘ bd hs pod pd > CS D + = or ER ER EE EC ER ER ER ER ES EE — or PSP ean jar laren ler leer lar He O HN OH ON © =" —] c) Am nächsten Tage. Kontraktionen pro Minute Bemerkungen Tier sinkt etwas schräg nach unten und steigt wieder siehe 7h 9 Tier sendet Tentakeln weit aus ES EN EN EN ER ES bd bd © er — do 10h 19: bd pi bed jt bed pd bed bed pod QAI OOayoxiS) Serdar ler salles ler bo I DO DOO OO OO OO MOMOMOONOOOOHOOMOMOMOO M Tier berührt bei der ersten Kontraktion die Wand des Aquariums; es erfolgen danach die beiden anderer Kontraktionen Die Sinnesorgane der Medusen. 349 Tabelle 4 (Fortsetzung von Tabelle 2). Untersuchungsobjekt: große Chrysaora. Kontraktionen Zeit - pro Minute Bemerkungen abends 6h 40‘ | dem Tier, das seit 2h 35‘ nur noch einen Randkörper hatte, ist der letzte Randkörper entfernt worden. Es erfolgen einige Kontraktionen, das Tier steigt ohne Kontraktionen und schwebt an der Oberfläche Tier dreht sich bei jeder Abweichung immer in die Normallage zurück 54' 56‘ 57‘ DS" = Tier schwebt an der Oberfläche Tier fallt, steigt wieder allmählich, auch in den beiden folgenden Minuten Tier fällt, steigt wieder allmählich. elektrische Beleuchtung; Tier schwebt BR E 8 8% Be de > He He He Hp= I Or ~ Error EEE EE EE EEE EEE EE EE EEE EEE Oo me 60 00 60 on GO do Go do G0 00 do 0000 HH HO DHONI IAI I =] lonopwocoroomprocccccmnocconuwomoboccoowmms#oowmoon | 11h 30° Tier schwebt noch an der Oberfläche Zool. Jahrb. 39. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 24 350 ÜONRAD LEHMANN, Tabelle 5. Untersuchungsobjekt: große, frische Chrysaora. a) Vor der Exstirpation. Zeit et Bemerkungen 5h 16‘ 29 5h 17 28 dh 18 29 5h 21! 28 5h 24' 30 5h 32! 30 5h 41‘ 29 b) Nach der Exstirpation. | . Kontraktioner Zeit pro Minute | Bemerkungen 5h 51! — Tier ist operiert dh 53° 9 5h 54' 12 5h 55‘ 11 5h 56‘ 12 5h 57! LE dh 58: 13 5h 59! 11 abends 6h 0! 9 6h 1! 8 6h 2° 11 6h 3 10 6h 4' 11 bih #3: 10 6h 6° 10 Oh of 10 6h 8 9 Gi, 9, 8 6h 10' 15 6h 11‘ 17 Tier stößt gegen eine Ecke des Aquariums 6h 12° 10 6h 13° 7 6h 14‘ 7 6h 15‘ 11 6h 16! 12 bewegt sich in horizontaler Schwimmrichtung 6h 17: 13 6h 18° 8 6h 19‘ 14 6h 20! 15 Die Sinnesorgane der Medusen. 351 (Fortsetzung von Tabelle 5b.) . Kontraktionen Zeit pro Minute Bemerkungen abends 6h 21‘ 13 vgl. 6h 16‘ abends 6h 22° 12 6h 23° 1 6h 24‘ 14 6h 25‘ 10 6h 26‘ 9 6h 27° _12 6h 28 11 6h 39! 8 6h 30° 15 6h 31‘ 10 6h 32! 10 6h 33 16 vgl. 6h 16‘ abends .6h 34! 8 6h 35‘ 12 6h 36‘ 11 6h 37° 16 Tier schwimmt im Kreise herum 6h 38' 10 6h 39 10 6 h 40° 14 vgl. 6h 16° abends 6h 41‘ 12 6h 42' 14 vgl. 6h 16‘ abends 6h 43‘ 10 6h 44‘ 11 6h 45‘ 9 6h 46‘ 11 6h 47‘ 16 .6h 48' 14 6h 49 11 6h 50‘ 16 6h 51‘ 12 6h 52’ 19 Tier stôBt mit Exumbrella gegen den Boden des 6h 53° 12 Gefäßes 6h 54‘ 14 6h 55’ 15 vgl. 6h 16‘ abends 6h 56‘ 10 6h 57 15 6h 58° 9 6h 59 9 1h O! 13 Die Tabellen 5 und 6 weisen freilich nicht gleich nach der Operation eine so enorme Verminderung der Anzahl der Kontrak- tionen auf wie Tabellen 3 und 4; doch auch sie lassen sehr gut die Bedeutung der Randkörper für die Tätigkeit der Muskulatur erkennen. Wenn bei der in Tabelle 5 angeführten Chrysaora die Pulsationen zunächst nur auf annähernd ein Drittel verringert waren, so zeigte sich das Fehlen der Randkörper jedoch sehr gut am nächsten Morgen. Das Tier war nämlich nicht mehr kräftig 24* 352 Conrad LEHMANN, Tabelle 6 (Fortsetzung von Tabelle 1). Untersuchungsobjekt: große Chrysaora. Zeit Er N ROUE 2 Bemerkungen 4h 52‘ | — der letzte Statolith wird herausgenommen 4h 54 10 4h 58' 11 4h 59' 13 sin, 0) 8 Sn 13 e 5h 2! 14 phe oO. 3 5h 6 10 5h 7 20 Shes! 18 Hi: g 5h 10‘ 20 abends 6h 35' 2 Tier liegt in einer Ecke 6h 36‘ 7 | 6h 37° 15 Tier kommt nur einige Zentimeter hoch 6h 38' 17 6h 39' 10 6h 40‘ 2 6h 41‘ 3 6h 42‘ 3 6h 43‘ 13 6h 44‘ 12 Gh 45‘ 2 6h 46‘ g 6h 47 3 6h 48° 13 6h 49' 115 6h 50' 14 6h 51’ 15 6h 52 6 6h 53‘ 5 6h 54' 6 6h 55‘ 3 6h 56: 8 | genug, um sich in Richtung der vertikalen Hauptachse zu bewegen. Es schwamm ab und zu ein wenig auf dem Boden des Gefäßes umher; im allgemeinen blieb es jedoch längere Zeit auf einer Stelle liegen. Das gleiche Benehmen zeigte das in Tabelle 6 angeführte Tier. Wohl kontrahierte sich auch diese Meduse nach dem Ent- fernen des letzten Randkörpers immerhin noch sehr stark; aber sie erhob sich nur wenige Zentimeter vom Boden. Der Grund ist darin zu suchen, daß für die ausgeführte Muskeltätigkeit eigentlich nicht mehr der Name „Kontraktion“ in dem Sinne, wie er beim normalen Die Sinnesorgane der Medusen. 353 Tiere gebraucht wird, angewendet werden darf. Wenn die Tiere nach der Operation zunächst auch noch einigermaßen normal herum- schwimmen, so findet man sie jedoch nach einiger Zeit auf dem Boden in einer charakteristischen Stellung liegen. Entweder be- findet sich die Glocke der Meduse dauernd in einer „erhobenen“ Lage (Fig. K) und die „sogenannten Kontraktionen“ äußern sich nur in Bewegungen des Randes oder die ganze Glocke bildet mit den Randlappen eine Ebene, wobei es oft auch vorkommt, daß die Exumbrella etwas konkav gebogen ist und die Randlappen erhoben sind, also über die Glocke des Tieres hinausreichen (Fig. L). Aus Fig. K. Fig. L. Heduse, der alle Randkörper exstirpiert sind. Meduse, der alle Randkörper exstirpiert sind, (Glocke in „erhobener“ Lage.) (Exumbrella ist konkav gebogen.) all diesen Beobachtungen geht somit hervor, daß die Randkörper nicht nur einen Einfluß auf die Zahl der Kontraktionen, sondern auch auf die Energie, mit der diese ausgeführt werden, haben. Bevor ich jedoch auf das zweite Problem näher eingehe, will ich noch die Frage anschneiden: Auf welche Art und Weise lösen denn die Randkörper die Kontraktionen aus? v. UExKküÜLL hat — wie ich schon ausgeführt habe — für die Acalephen nachzuweisen ge- sucht, daß durch die Bewegung des Sinneskörpers Erregungen er- zeugt werden, die durch Vermittelung des Nervensystems der Muskulatur zufließen und so die Kontraktionen auslösen. Ich möchte mich dieser von v. UExKkÜLL geäußerten Ansicht anschließen; denn es spricht dafür zunächst sein Experiment, daß eine Rhizostoma, der er alle Randkörper bis auf einen exstirpiert hatte, ihre 354 CoNRAD LEHMANN, Pulsationen einstellt, sobald er den letzten Randkörper an den Schwingungen verhinderte Ich habe diesen Versuch an meinem Material leider nicht nachgeprüft; dasselbe war dazu auch nicht geeignet, da vor allem die Randlappen von Oyanea den eigentümlichen Bau aufweisen, durch den die Randkörper vüllig von den Sinnes- lappen verdeckt werden. Für die Auffassung v. UExküLıs spricht aber auch die von mir beobachtete Tatsache, daß eine randkörper- lose Meduse kleine Stöße gegen einen ihrer Randlappen mit einer von diesem Randlappen ausgehenden Kontraktion beantwortet. Diese Reaktion auf mechanische Reize scheint darauf hinzudeuten, daß bei der Entstehung der Kontraktionen die direkte Reizung der Sinneshaare keine entscheidende Rolle spielt. Hier ist zu erwähnen, daß schon O. u. R. Herrwic im Hinblick auf die zartere Be- schaffenheit, die die Sinneshaare der Acraspeden den stärkeren und längeren Sinneshaaren der übrigen Medusen gegenüber zeigen, darauf hingewiesen haben, daß dem Sinneskörper der Acraspeden keine spezifische Sinnesfunktion zukommen könne. Das physiologische Experiment zeigt jedoch, daß das nur aus morphologischen Tatsachen geschlossene Argument hinfällig ist; denn die gewaltige Bedeutung der Randkörper für die Tätigkeit der Muskulatur ist durch meine Versuche erwiesen. In einem Punkte kann ich v. UExkÜLL und BETHE aber nicht folgen, sondern muß Romaxes beipflichten. Nach v. Urxküut soll es ziemlich gleichgültig sein, ob alle oder nur einzelne Randkörper die Erregung erzeugen; immer soll ein ein- heitlicher Schlag zustande kommen, und nach BETKE soll nur dann eine Störung der Synchronität vorhanden sein, d. h. die Seite, an der noch der letzte Sinneskolben sitzt, soll sich eher kontrahieren, „wenn bei der Randkörperfortnahme größere oder radiärwärts tiefer einschneidende Verletzungen des Schirmrandes stattgefunden haben“. Für Cyanea und Chrysaora stimmt dies nicht; denn man kann stets beobachten, daß die Kontraktionen von dem mit Randkörper ver- sehenen Randlappen ausgehen, so daß es für den Erregungsverlauf nicht gleichgültig ist, ob alle oder nur einzelne Randkörper die Erregung erzeugen. Während die Pulsationen eines normalen Tieres kräftig und im allgemeinen an allen Stellen der Muskulatur gleich- zeitig erfolgen, schlägt an operierten Tieren der Teil ohne Rand- körper später als der mit solchem. Da mir feinere Apparate zur Feststellung dieses Unterschiedes nicht zur Verfügung standen, so versuchte ich ein ungefähres Resultat mit Hilfe einer Stoppuhr zu erhalten. An einer mittelgroßen Chrysaora, der vier Randkörper Die Sinnesorgane der Medusen. ne 355 exstirpiert waren, stellte ich fest, daß die Seite ohne Randkörper etwa 0,8“—1“ später schlug. Wie groß die Differenzen im Einsetzen der Systole sein können, zeigte eine Cyanea sehr schön, der ich sieben Randkörper völlig herausgeschnitten hatte. Das Tier sank zu Boden und vollführte keine Kontraktionen. Es gingen aber vom Randlappen mit Randkörper Bewegungen aus, denen sich allmählich auch die übrigen Randlappen ' anschlossen. Dabei kam es oft vor, daß der Randlappen mit Randkörper schon wieder erschlaffte, während sich die gegenüberliegenden Randlappen gerade erst .kontrahierten“. Allmählich trat ein gewisser Ausgleich ein, und es erfolgte die erste gleichmäßige Kontraktion, bei der aber auch der Randlappen mit Sinneskolben zuerst und stärker schlug. An all den operierten Medusen war jedoch nicht nur zu be- obachten, daß die Kontraktionen von den Randkörpern ausgehen, sondern daß die Intensität der Erregung um so mehr abnimmt, je erößer die Strecke ist, die sie durchläuft. Tiere, denen ein Teil der - Randkörper exstirpiert war, hatten bei einer Aufsicht nicht mehr die Form eines Kreises. Ihre Muskulatur glich wohl an der mit Randkörpern versehenen Stelle der normalen, aber der übrige Teil der Muskulatur war „entspannt“. Er zeigte jenes Bild, das auch an Tieren zu beobachten ist, denen alle Randkörper exstirpiert sind, d. h. die Muskulatur war sehr schlaff und nicht mehr fähig, starke Kontraktionen auszuführen. Dieses gut zu beobachtende Dekrement der Erregungsleitung zeigt somit auch, daß das Nerven- netz der Medusen eine geringe Reaktionsgeschwindigkeit besitzt. An dieser Stelle soll gleich noch die Frage nach der aktiven Richtungsänderung der Medusen aufgeworfen werden. Ich halte dies für sehr wichtig, da es bisher noch nie eingehend erfolgt ist Emer nimmt aktive Richtungsänderungen an; denn er spricht von Ortsveränderungen, die dadurch entstehen, daß die Zusammen- ziehung der Medusenglocke deutlich unter die Herrschaft des Willens trete. v. UExKküLL äußert sich bei seinen Untersuchungen an ÆRhizostoma pulmo dagegen folgendermaßen: „Das unverletzte Tier sucht weder seine Nahrung noch flieht es vor schädlichen Reizen. Man kann in ein größeres Bassin durch ein Glasrohr eben- sowohl Luft wie Kohlensäure einperlen lassen — die Bewegungs- richtung der Meduse wird keinen Unterschied zeigen. Und doch ist die Kohlensäure ein schweres Gift, das die Rhizostoma binnen kurzem bewegungslos macht; nur Zuführung von frischem Seewasser rettet die Meduse aus ihrer Betäubung. 306 Conrap LEHMANN, Die Bewegungsrichtung von Rhizostoma wird ausschließlich durch die Form der Tiere bestimmt. Ihr gewölbter Schirm läßt sie leicht von Hindernissen abgleiten oder durch den Gegenstoß im rechten Winkel abprallen. Bei strömendem Wasser sieht man - Rhizostoma bald mit, bald gegen den Strom gerichtet, schwimmen, — je nachdem der Schirm oder der Stiel sich im Strömungsmaximum befindet.“ Diese Feststellung von v. Urxxtut kritisierte BAGLIonI im Handbuch der vergleichenden Physiologie folgendermaßen: „So beginnt er (v. UExKULL) mit der unbegründeten und unrichtigen Be- hauptung, daß die Medusen keiner Richtungsbewegung fähig sind.“ Diese seine Behauptung belegte Bacriont aber durch keinerlei Tatsachen! Es liegt nach meiner Meinung daher kein Grund vor, die Beobachtung v. UExkünLs als ,unrichtig“ hinzustellen, noch dazu, da v. Uexkürt diese Behauptung nicht allgemein für die Medusen aufstellt, sondern diese Tatsache nur von Rhizostoma pulmo schildert. Ich möchte zu dem Problem der aktiven Richtungs- änderung der Medusen nach meinen Beobachtungen an Chrysaora und Cyanea folgendes bemerken: Wie ich weiter oben ausgeführt habe, muß bei jeder Richtungsänderung im allgemeinen die Seite, nach der sich das Tier wendet, stärker kontrahiert worden sein. Die für die Entstehung der Kontraktionen notwendigen Reize werden hauptsächlich durch die Randkörper geliefert. Wie die mechanische Reizung der Randlappen und die Beobachtung völlig randkörper- freier Medusen zeigen, die auch noch die Fähigkeit haben, einige Teile der Glocke stärker zu kontrahieren, spielen aber neben der Randkörperreizung auch noch sonstige äußere und innere Reize bei der Entstehung der Kontraktionen eine Rolle. Dadurch ist die Möglichkeit gegeben, daß beim Vorhandensein der Randkörper durch akzessorische Reize der eine oder der andere Randlappen ~ stärker kontrahiert wird. Durch den so zustande kommenden un- gleichen Schlag würde dann eine Richtungsänderung resultieren. In der Tat lassen sich solche Richtungsänderungen bei im Aquarium gehaltenen Tieren beobachten. Wenn ein Teil dieser unter experi- mentellen Bedingungen auftretenden Richtungsänderungen auch da- durch bedingt ist, daß die Wände des Aquariums die Richtung des Rückstoßes des Wassers beeinfiussen, so muß man doch jene Rich- . tungsänderungen, die spontan durch stärkeres Einschlagen eines Teiles der Randlappen erfolgen, als aktive bezeichnen. Fraglich ist es aber, ob derartige Richtungsänderungen im Leben der Tiere Die Sinnesorgane der Medusen. 357 eine Rolle spielen, ob sie eine biologische Bedeutung haben? Ich halte dies aus folgenden Gründen für sehr unwahrscheinlich. 1. Ein Ausweichen vor einem Feinde oder bei einem Zusammen- stoß mit anderen Tieren ist unmöglich; denn die Medusen drehen sich nach der sich am stärksten kontrahierenden Seite. Dies ist im allgemeinen aber die Seite, an der plötzlich akzessorische Reize auftreten, d. h. sie drehen sich dem Reizorte zu. 2. v. ÜUExküLur hat festgestellt, daß das unverletzte Tier weder seine Nahrung sucht noch vor schädlichen Reizen flieht. Aus bio- logischen Erwägungen glaube auch ich nicht an ein aktives Auf- suchen der Beute durch die Medusen. Damit soll natürlich nichts dagegen gesagt werden, daß manche Medusen mit beweglichem Magenstiel wie z. B. Geryonia nach ihrer Beute greifen. Daß die aktiven Ortsbewegungen der Medusen für den Nahrungserwerb kaum eine Rolle spielen können, geht vor allem daraus hervor — worauf schon Branpt hingewiesen hat —, daß die Medusen selbst leichtere Wellen und Winde nicht zu überwinden vermögen, sondern vollkommen auf die passiven Ortsveränderungen angewiesen sind. Gerade die Rhizostomeae zeigen sehr gut, daß die Kontraktionen keine Bedeutung für eine Ortsänderung haben, sondern nur dem Nahrungserwerb dienen. DoFrLEIN schreibt darüber: „Die Rhizo- stomeen jedoch haben einen unbeweglichen Magenstiel, der wie ein Klöppel von der Mitte der Medusenglocke herunterhängt. Die rhythmischen Bewegungen, mit deren Hilfe eine solche Meduse sich schwebend erhält und durch das Wasser vorwärts schwimmt, pumpen gleichzeitig einen Wasserstrom durch die Anhänge des Mundrandes hindurch. Ja manche von ihnen liegen zeitweise am Boden des Meeres und benutzen ihren Bewegungsmechanismus nur zum Herbeistrudeln des Wassers.“ Unverständlich ist es mir im Hinblick auf diese Tatsache, daß Bacuıonı die angeführte Fest- stellung UExKkÜLLS an Rhizostoma > als „unbegründet“ und „un- richtig“ hinstellt. 3. Meine Beobachtungen haben gezeigt, daß der aktiven Rich- tungsänderung durch ungleiches Einschlagen der Randlappen auch keine Bedeutung für die Gleichgewichtserhaltung der Medusen zu- kommt. 4, Die Schrägstellung, die die Medusen nach Branpr bei der passiven Bewegung einnehmen, ist sicher rein mechanisch bedingt und steht in keinem Zusammenhange mit dem stärkeren Einschlagen eines Teiles der Randlappen. 358 Coyrap LEHMANN, Überblickt man die bisherigen Erörterungen über die Bedeutung der Randkörper, so ersieht man, daß die von v. UExKÜLL schon vor 20 Jahren ausgesprochene Behauptung, der Randkörper sei ein Organ, das die zur Muskelkontraktion notwendige Erregung hervor- bringe, zu Recht besteht. Da meine Ausführungen über die Rand- körper als statische Organe gezeigt haben, daß von einer Gleich- gewichtsfunktion derselben keine Rede sein kann, so darf jetzt be- hauptet werden, daß die Randkörper nur Organe zur Erzeugung nervöser Erregungen sind; denn durch die von den Sinneskörpern hervorgerufenen adäquaten Reize wird der nötige Muskeltonus — wenn ich dies Wort hier einmal gebrauchen darf — geliefert. Die rhythmischen Kontraktionen der Medusen sind demnach, worauf . schon RomaxEs und BETHE mit Nachdruck hingewiesen haben, keine automatischen Bewegungen. Schaut man, durch dieses Ergebnis angeregt, einmal auf all die Organe, die ursprünglich als Gehörorgane beansprucht wurden, und prüft von den bisher untersuchten die physiologischen Ergebnisse, so erkennt man, daß sie nach physiologischen Gesichtspunkten in einer Entwicklungsreihe angeordnet werden können. Ich will der historischen Entwicklung der Erkenntnis dieser Organe gemäß mit den Gehörorganen der Wirbeltiere beginnen. 1. Im Gehörorgan der Wirbeltiere ist zugleich ein statisches Organ und ein Tonusorgan gegeben. Die Funktion der Gleichgewichtsregulierung schrieb als erster Gozrz 1870 im Anschluß an die Untersuchungen von FLourens dem Laby- rinthe der Wirbeltiere zu, und J. R. Ewa» stellte dann 1892 auf Grund seiner Experimente, die ihm gezeigt hatten, daß die Ex- stirpation beider Labyrinthe bei Wirbeltieren auch eine bedeutende Herabsetzung des Muskeltonus und der absoluten Muskelkraft hervorruft, die Hypothese vom „Labyrinthtonus“ auf. Danach soll durch Flimmerhaare in den halbzirkelförmigen Kanälen ein dauernder Flüssigkeitsstrom erzeugt werden, der die Rezeptionshaare derselben Gegend in eine dauernde Erregung versetzt. Die so entstehende Erregung soll durch Vermittlung des Zentralnervensystems zu den Muskeln geleitet werden. Die statische Funktion und die Tonus- funktion des Gehörapparates sind der Gehörfunktion gegenüber die phylogenetisch älteren; denn sie finden sich schon in weiter ven breitung bei den Wirbellosen vor. 2. Die Statocysten der Wirbellosen sind statische Organe, die neben der Gleichgewichtserhaltung auch Die Sinnesorgane der Medusen. 309 dauernd eine Tonusfunktion ausüben. Die Gleichgewichts- erhaltung ist dadurch bedingt, daß in der Normallage, d. h. in der Gleichgewichtslage des Tieres, der Einfluß der Statocysten auf Nerven und Muskeln der symmetrischen Kürperhälften der gleiche ist. Bei einer Abweichung aus dieser Normallage sind die den symmetrischen Muskeln zufließenden Erregungen jedoch quantitativ verschieden, so daß dadurch reflektorisch die Gleichgewichtslage er- halten wird. Auf die bei den Wirbellosen vorkommenden statischen Organe hat zuerst DELAGE 1887 hingewiesen. Wenn DELAGE die Wirkung der Statocysten auf den Tonus der Muskulatur auch nicht besonders hervorhebt, so ist in seiner Arbeit doch schon ein Hin- weis auf diese Tonusfunktion gegeben. Er erwähnt, daß sich ein Oktopode, dem er beide Statocysten exstirpiert hatte, wie ein unver- letztes Tier benahm, die dargebotene Nahrung fraß, aber — wenig- stens am ersten Tage — keine spontanen Bewegungen zeigte. Die weiteren Untersuchungen der statischen Organe der Wirbel- losen ließen bald erkennen, daß die „Tonusfunktion“ eine allgemeine Eigenschaft der Gleichgewichtsorgane ist. FröHLıcH beobachtete z. B. an Æledone (Moschites), dab die der Statocysten beraubten Tiere eine schlaffe Muskulatur aufwiesen und nicht recht geneigt waren, Bewegungen auszuführen; auch für Penaeus gab er eine Herabsetzung des Tonus an. BETHE zeigte mittels eines kleinen Dynamometers, daß bei Carcinus die Muskelkraft der Extremitäten auf der Seite herabgesetzt ist, wo die Statocyste entfernt wird, TscHAcHoTIn gibt für Péerotrachea nach Exstirpation einer Stato- cyste Erschlaffung der Körpermuskulatur auf der operierten Seite an, und v. BUDDENBROCK weist darauf hin, daß statocystenlose Branchiomma eine Verminderung des Muskeltonus aufweisen. Theo- retisch lag nach diesen Feststellungen die Frage nahe, ob es im Tierreiche noch Organe gibt, die nur die ,Tonusfunktion“ be- sitzen. 3. Die einfachen Erregungsorgane der wirbellosen Tiere, wie sie im Sinneskörper der Medusen und in den Fliegen- halteren gegeben sind, sind Organe, denen die Aufgabe zu- fällt, nervöse Erregungen zu erzeugen. Durch diese Er- regungen ist der Tonus der Muskulatur bedingt und wird die zur Bewegung notwendige Energie geliefert. Unabhängig von der der- zeitigen Lage im Raum üben die einfachen Erregungsorgane stets den gleichen Einfluß auf Nerven und Muskeln aus. Sie sind als Vorstufen der statischen Organe zu betrachten. Aus ihnen können 360 ConraD LEHMANY, sich Gleichgewichtsorgane dadurch entwickeln, daß ihre Wirkung je nach ihrer Lage im Raum quantitativ verschieden ausfällt. Schon v. UExKkÜLL hatte 1901 die Randkörper der Medusen als der- artige Organe betrachtet und seine Arbeit mit dem Hinweise ge- schlossen, daß nun der Einfluß der Otolithen auf die Körper- muskulatur bei höheren Tieren nicht mehr so wunderbar erscheine und die interessante Hypothese von RicHarp EwıALp somit eine neue Stütze erhalte Doch v. UEXKÜLL war im Verlaufe seiner ganzen Arbeit nicht mit einem Worte auf die Gleichgewichts- funktion eingegangen, die von Seiten der Zoologen doch den Rand- körpern zugeschrieben wurde, so daß durch seine Ausführungen noch nicht bewiesen war, daß den Sinneskolben nur die Funktion der Nervenerregung zukommt. Wie aus meinen bisherigen Dar-. legungen hervorgeht, ist dies jetzt als sicher zu betrachten. Als einfache Erregungsorgane hat v. BuppEnprock 1919 auch die Halteren der Fliegen beansprucht. Auch diese sind weder als Gleich- gewichts- noch als Steuerorgan aufzufassen, sondern es sind, da ihre Entfernung eine Herabsetzung der Flugenergie bedingt, „Organe zur Erzeugung potentieller Nervenenergie, die den Flügeln zufließt und ihnen ihre frequente und weit ausholende Bewegung: ermöglicht.“ Aus diesen Betrachtungen geht hervor, daß in der Reihe der Gehör-, Gleichgewichts- und einfachen Erregungsorgane die letzteren als die phylogenetisch ältesten zu bezeichnen sind, so daß den Ge- hörorganen und den statischen Organen ganz allgemein die Fähig- keit zukommt, auch in der Ruhelage einen Einfluß auf die Mus- kulatur auszuüben, indem von ihnen dauernd Erregungen zu den Muskeln fließen und diese somit in einer gewissen Spannung er- halten. Im Hinblick auf die große theoretische Bedeutung, die den Randkörpern der Medusen als einfache Erregungsorgane dadurch zukommt, will ich noch einige Erörterungen folgen lassen. In seiner Arbeit über „die vermutliche Lösung der Halterenfrage“ hat v. BUDDENBROCK folgendes geschrieben: „Das Sinneskélbchen der Medusen wird durch die Bewegungen des Tieres und des umgebenden Wassers in fortwährend pendelnde Bewegungen versetzt. Es erzeugt den Reiz durch Anschlagen an die ringsherum stehenden Sinneshaare. Von hier bis zu den Halteren ist nur noch ein ganz kleiner Schritt, und damit komme ich auf meine Behauptung der Wesens- gleichheit beider Organe zurück, die ich in meinem ersten Aufsatz theoretisch als Forderung aufstellte. Das Experiment hat dies über Die Sinnesorgane der Medusen. 361 alles Erwarten bestätigt. Genau so, wie die Schwimmuskulatur der Meduse stillsteht, wenn die Sinneskölbchen entfernt oder an ihrer Bewegung verhindert sind, ebenso verharrt die Flügelmuskulatur der beinlosen Sarcophaga in Ruhe, sobald die Halteren heraus- gerissen oder festgeklebt sind. Dieser völligen Gleichheit der Funktion entspricht die Über- einstimmung im morphologischen Bau beider Organe, die sich Schritt für Schritt in alle Einzelheiten verfolgen läßt. Der Unterschied zwischen beiden besteht nur darin, daß die Bewegung beim Sinneskölbchen eine passive, bei der Haltere eine aktive ist, und daß die Sinneszellen bei letzterer ins Innere des Organs verlegt sind.“ Ich kann diesen Ausführungen nur beipflichten; denn der Ver- gleich ist sehr treffend; teilweise treffender als man nach der da- mals nur vorliegenden — oben wiedergegebenen — Angabe von v. Uexkürt annehmen konnte. " Meine Aufgabe kann es natürlich nicht sein, im Hinblick auf die rhythmischen Kontraktionen der Medusen die einzelnen Theorien über die Entstehung der rhythmischen Bewegungen anzuführen. Ohne auf die chemisch-physikalische Hypothese BETHEs über die Funktion der Nerven, noch auf den hypothetischen Tonusschalter vy. UexkÜzLs oder auf die Stoffwechselhypothese VERWORNS einzu- gehen, soll nur hervorgehoben werden, daß für meine Ergebnisse auch die UExküLtL-MArurasche Hypothese, auf die v. BUDDENBROCK in seiner Halterenarbeit so eindringlich hinweist, gute Erklärungs- möglichkeiten bietet. | Da, wie ich hoffe, durch meine Ausführungen die Bedeutung der Randkörper einigermaßen geklärt ist, so soll an dieser Stelle schon mit Nachdruck darauf hingewiesen werden, daß die Be- zeichnung der Randkörper als Statocysten aufge- geben werden muß. Es liegt mir fern, ein neues Wort zu prägen; denn die alten Bezeichnungen: Randkörper, Randkolben. Sinneskolben, Randbläschen und Sinnesbläschen sind sehr treffend. Physiologisch betrachtet sind sie Nervenerregungsorgane, deren afferente Erregungen für die Tätigkeit der Muskulatur unbedingt notwendig sind. Unabhängig von den verschiedenen physiologischen Vorstellungen über die Prozesse in den nervösen Bahnen kann so- mit allgemein gesagt werden: Die von den Randkörpern hervor- gebrachten Erregungen geben den Hauptanlaß für die rhythmischen Kontraktionen. 362 Coyrap LEHMANN, II. Die Funktion der Augenflecke. Wenn ich mich bei der Analyse der Funktion der Randkörper zugleich mit der der Augenflecke der Medusen beschäftigte, so ge- schah es, wie eingangs erwähnt, um dem Problem der Raum- orientierung der Anthomedusen näher zu treten. Dies war nach den Ergebnissen über die Bedeutung der Randkörper um so dringen- der, da die Möglichkeit, das eigenartige Vikariieren von Sinnes- kolben und Ocellen dadurch zu erklären, daß beide Organe zur Raumorientierung dienen, durch die erkannte Bedeutung der ersteren lediglich als Nervenerregungsorgane völlig hinfällig wurde. Zugleich zeigte aber ein Blick in die Literatur über den Lichtsinn der Me- dusen, daß man über denselben ganz unbestimmte Vorstellungen hatte. Nur wenige Worte findet man darüber bei der Behandlung des „Gesichtsinnes“ durch Hess im Handbuch der vergleichenden Physiologie. Etwas eingehender, aber völlig unklar, behandelt Baczionr im Kapitel über die Physiologie des Nervensystems die von Lichtreizen hervorgerufenen Reaktionen der Medusen. Ganz kritiklos interpretiert er die Bezeichnung. „marginal bodies“ der amerikanischen Autoren mit „Randkörper“ und spricht daher nicht nur von „Randkörpern“ bei Sarsia, sondern macht zwischen diesen „Randkörpern“, die die pigmentierten Randanschwellungen der Anthomedusen sind, und den Randkörpern der Scyphomedusen keinen Unterschied. Ich muß dies scharf hervorheben, weil BaGziont auf Grund dieser falschen Voraussetzungen wiederum v. UEXKULL angreift; denn er sagt von der Feststellung v. UEXKULLs, daß der Randkörper ein „Rezeptionsorgan für mechanische Reize“ sei, folgendes: „Diese Auffassung UExKkÜLLS steht jedoch im offenen Widerspruch zu den oben erwähnten Versuchsergebnissen über die Lichtwirkung.“ Dieser Schluß BAcuioxıs ist aus folgenden Gründen völlig falsch: | | 1. v. Uexküzx stellte seine Versuche an Rhizostoma pulmo an. Da dies eine Scyphomeduse ist, ist die Bezeichnung Randkörper (= Lithocyste) dem heutigen Sprachgebrauche nach richtig. 2. Die ersten von BaGuioni angeführten Experimente über die Wirkung des Lichtes auf Medusen sind die Untersuchungen von Romanes. Dieser Forscher experimentierte mit Sarsia Wenn er von dem Wegschneiden der „marginal bodies“ spricht, so können dies nicht — wie Bacuioni interpretiert — „Randkörper“ im Sinne der Scyphomedusen sein, sondern es sind, wie Eimer und O. und Die Sinnesorgane der Medusen. ‘ 363 R. HERTWIG oe richtig übersetzten, die mit Ocellen versehenen Randanschwellungen. 3. Ba@ztont führt ferner die auf Lichtreize Bon Re- aktionen von Gonionemus murbachii gegen die Ergebnisse von v. Uexküun ins Feld. Gonionemus ist eine Trachymeduse, die Rand- bläschen und Ocellen besitzt. Auch in der diesbezüglichen Arbeit von YERKES ist „marginal bodies“ nicht mit Randkörper zu über- setzen, wie eS BAGLIonI tut, sondern es handelt sich auch hier um die pigmentierten Randanschwellungen, worauf MurBacx schon 1904 mit folgenden Worten hingewiesen hat: „But since they (YERKES u. AÂYER) describe these marginal bodies as heavily pigmented, and on the oral side of the medusa, it is probable they had in mind - _ the subumbral papillae.“ ‘Ein warnendes Beispiel möge uns diese Feststellung dafür sein, in wissenschaftlichen Arbeiten jede Bezeichnung und jeden Begriff möglichst korrekt zu fassen. Was nun die eigentlichen Ocellaten selbst anbetrifft, so sind, abgesehen von der Angabe von Sars, nach der junge Ocellaten immer die belichtete Seite des Gefäßes aufsuchen sollen, die Fest- stellungen von RoMANEsS an Sarsia zu erwähnen. Dieser Forscher hatte nicht nur gefunden, daß sich auch Sarsia an der dem Licht zugewendeten Wand ansammelt, sondern daß Dunkelheit die spon- tane Bewegung des Tieres hemmt, Belichtung dieselbe dagegen an- regt. Das, was außer den Untersuchungen von RomAnzEs über den Einfluß des Lichtes bei Ocellaten bekannt geworden ist, mag aus den folgenden Angaben von Hess entnommen werden: „Mast (1911) gibt an, dab Pougainvillea superciliaris genauer als irgendeine andere Meduse auf Licht reagiert, doch aber nicht genügend, um Schlüsse auf den Mechanismus ziehen zu können; sie schwimmen im allgemeinen in Zickzackbewegungen dem Lichtezu. Nach Logs (1911) ruft bei Polyorchis (Meduse) plötzliche Verringerung der Lichtstärke Schwimmbewegungen hervor.“ Mit Spannung begann ich daher meine diesbezüglichen Unter- suchungen an Leuckartiara octana (FLeming, 1823). Dies ist nach - HaRTLAUB (1914) die früher fälschlich als Tiara pileata (Turris vesi- caria A. Mayer 1910) bezeichnete Medusenart, die vor allem im Herbst auch bei Helgoland auftritt. Aus der von HArTLAUB gegebenen „Beschreibung (nach Exem- plaren von Helgoland)“ führe ich folgendes an: „Umbrella tief glockenfürmig mit einem in der Form und Größe sehr wechselnden, 364 | ConRAD LEHMANN, meist aber hohen Aufsatz der dorsalen Gallerte.“ (Zur besseren Vorstellung über den konischen, sehr variierenden Scheitelaufsatz verweise ich auf die wiedergegebenen Abbildungen Fig. M und N). a Fig. M. Leuckartiara octana Fig. N. Leuckartiara octana (FLEMING) (FzxminG). Fast ausgewach- var. smaragdina Hancxes. Exemplar von senes Exemplar von Helgoland Nizza (nach Hacker, 1879) (aus HARTLAUR). ‘(nach HARTLAUB). ; „Manubrium vierkantig, mit breiter Basis, von sehr wechselnder Größe, bisweilen den Scheibenrand erreichend und die Glockenhöhle stark ausfüllend. — Auf jeder der vier Magenseiten eine Gonade mit starker Faltenbildung. — Gesamtzahl der entwickelten Tentakel sehr selten über 16, bei ausnahmsweise großen, sehr alten Exemplaren bis zu 28, von denen aber nur ein Teil (etwa 20) eine ansehnlichere Länge erreicht. Zwischen diesen mehr oder weniger entwickelten Fangfäden eine Anzahl stummelférmig bleibender Tentakelanlagen. — Ein Ocellus auf dem Ende des exumbrellaren Schenkels der Tentakel- Die Sinnesorgane der Medusen. 365 basis, manchmal sehr wenig distinkt und in ein mehr oder minder ausgedehntes Feld von Pigmentgranulationen aufgelöst. Außerdem ein Ocellus von distinkter Form auf den stummelförmig bleibenden Tentakelanlagen (Ocellarkolben).“ Im Verlaufe meiner Untersuchung sah ich bald ein, daß mich das gestellte Problem zu zwei Haupt- fragen führte, die hier nacheinander behandelt werden sollen. 1. Übt das Licht auf die Anthomedusen eine orien- tierende Wirkung aus? Die über positive Phototaxis angestellten Versuche bestätigten zunächst die Angaben von Sars und Romaxes. Nicht nur in einem Gefäße, das — parallel zum Lichteinfall am Fenster stehend — der Nachmittagssonne ausgesetzt wurde, sammelten sich die Tiere an der dem Licht zugewandten Seite an (Fig. O), sondern auch bei Fig. ©. Leuckartiara octana. (Positive Phototaxis.) Seitenbeleuchtung des Aquariums in der Dunkelkammer konnte be- obachtet werden, daß sie positiv phototaktisch sind. Belichtete man nur die Hälfte des Aquariums, so drehten sich die Tiere, die bisher im beschatteten Teile herumschwammen, sobald sie an die Belichtungsgrenze kamen, korrekt zur Lichtquelle und schwammen auf dieselbe zu (Fig. P). Bei diesem Übergange konnte trotz der — wie schon oben erwähnt — mangelhaften Hilfsmittel eine Zu- nahme der Kontraktionen beobachtet werden; denn die gleiche An- zahl der Kontraktionen wurde im beschatteten Teile in a) 12!/, Sek., Zool. Jahrb. 39. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 25 366 ConraD LEHMANN, b) 201, Sek., c) 7 Sek. ausgeführt; in der helleren Hälfte dagegen schon in a) 10 Sek., b) 171}, Sek., c) 5 Sek. Bei dieser - Versuchs- anordnung war nun aber zu beobachten, daß die Tiere nicht dauernd „an der Glaswand eine beinahe feste Masse“ (Romans) bildeten, sondern daß sie ohne weiteres wieder die Möglichkeit be- ‚saßen, in die beschattete Hälfte hineinzuschwimmen. Hierbei lief sich feststellen, daß plötzlicher Übergang vom Licht zum Dunkeln nicht als Reiz wirkt. Man könnte, da ich mit einem kleineren Aquarium arbeitete und der beschattete vom belichteten Teile nicht durch eine scharfe Linie getrennt war, gegen meine Ver- suchsanordnung zunächst einwenden, daß es sich hier um keinen plötzlichen Übergang vom Licht zum Dunkeln handelt. Ich gebe dies sehr gern zu und will daher darauf hinweisen, daß auch Tiere, die plötzlich in die Dunkelkammer gebracht wurden, zunächst keine Veränderung in ihrem Verhalten zeigten. Da daraus einwandfrei hervorgeht, daß die Tiere auf verminderte Lichtintensität nicht so- fort reagieren, folgt: Nur plötzliche Erhöhung der Lichtintensität wirkt als ein sofort reaktionsauslösender Reiz. Fig. P. Leuckartiara octana bei Seitenbeleuchtung. D dunkel. H hell. Diese Ergebnisse sind von großem theoretischen Interesse. Ich bin mir wohl bewußt, daß die Seitenbeleuchtung einen Laboratoriums- versuch darstellt, der in der Natur nicht realisiert ist. Um so größer ist die Berechtigung aber, ihn gegen andere Laboratoriums- versuche ins Feld zu führen. Wie festgestellt, drehen sich die Tiere beim Übergange vom beschatteten in den belichteten Teil der Lichtquelle zu. Nichts liegt näher, - als anzunehmen, daf dies im Sinne der Tropismenlehre Lozss automatisch erfolgt, da bei ungleicher Belichtung der Augenflecke die Muskelerregung un- gleich ist. Ich pflichte ihm darin vollkommen bei, muß aber im Hinblick auf die Fähigkeit der Tiere, vom Hellen ins Dunkle zurück- Die Sinnesorgane der Medusen. 367 zuschwimmen, darauf hinweisen, daß auch in diesem Falle die Tropismenlehre nicht genügt, um das Verhalten der Tiere zu er- klären; denn nach ihr müßten die Tiere stets symmetrisch zur Lichtquelle eingestellt bleiben und dürften also nicht fähig sein, durch Richtungsänderung in den beschatteten Teil zu schwimmen. Ich komme nun zu der Frage, ob man nur aus der Feststellung, daß Leuckartiara positiv phototaktisch ist, irgendwelche Schlüsse ziehen kann, die mehr wären als ganz hypothetische Ansichten. Da auch in diesem Falle die Tropismenlehre zur Erklärung nicht genügt, so könnte man daran denken, im Sinne von Franz von der Phototaxis im Dienste der Schwärm- und Fluchtbewegung zu reden. Doch man ist in der Tierphysiologie noch nicht berechtigt, weit- gehende Analogieschliisse ohne weiteres zu ziehen. Man muß sich eben darüber klar sein, daß die großen Gesetze, die sicher trotz der so mannigfaltig differenzierten und unter so verschiedenen bio- logischen Verhältnissen lebenden Organismenwelt das ganze physio- logische und psychologische Geschehen im Reiche der Tiere be- herrschen, nicht so an der Oberfläche liegen, daß man sie mühelos erkennt. Will man im vorliegenden Falle ein Verständnis für die Tatsache der positiven Phototaxis bei Leuckartiara gewinnen, so muß man sich zunächst über gewisse biologische Momente klar sein. Als ein Tier der Hochsee lebt Leuckartiara unter physikalisch sehr ein- fachen Bedingungen. Da, wie aus dem Brechungsgesetz folgt, bei ruhiger Oberfläche die ins Wasser eintretenden Lichtstrahlen höchstens um 481}, Grad von der Senkrechten abweichen können, so empfangen die Medusen das Licht einigermaßen vertikal von oben. Es liegt daher der Gedanke nahe, daß die physiologische Gleich- gewichtslage der Tiere dadurch bedingt ist, daß dieselben unter dem Zwange der positiven Phototaxis stehen. Schon EHRENBERG hat sich in diesem Sinne geäußert; denn er meinte, daß bei der Stellung der Augen auf der Rückenseite (Exumbrella) die Bewegung der Medusen mit dieser Seite nach vorn organisationsgemäß nicht zufällig sei. Soll festgestellt werden, ob die Raumorientierung von Leuckartiara durch die Einstellung der Symmetrieachse in die Rich- tung der Lichtstrahlen gewährleistet ist, so kann dies nur durch einen Versuch mit Unterlicht erfolgen. Die Tiere müßten dann den Lichtriickenreflex zeigen, d. h. sie müßten sich dem unter nor- malen Verhältnissen von oben kommenden Lichtstrahle zuwenden und mit dem dorsalen Scheitelaufsatz voran nach dem Boden des Gefäßes schwimmen. Führt man dieses Experiment mit Leuckartiara 25* 368 Conan LEHMANN, aus, indem man die Hälfte des Aquariums von unten belichtet, so bietet sich einem ein überraschender .Anblick. Die Tiere stoßen nicht in schräger Richtung nach unten auf die Lichtquelle zu, son- dern begeben sich in den beleuchteten Teil und schwimmen hier normal, d. h. mit dem Scheitelaufsatze nach oben orientiert herum. Nur ganz vereinzelt ist zu sehen, daß ein Tier den Versuch macht, sich der Lichtquelle zuzudrehen; eine passive Rückdrehung korri- giert das Abweichen aus der Normallage aber sofort. Daraus geht hervor, daß Leuckartiara im stabilen Gleichgewichte schwimmt, und daß der Wirkung des Lichtes für die Gleichgewichtserhaltung nur eine sekundäre Rolle zukommt. Die Augenflecke der Anthomedusen haben somit in Bezug auf das Problem der Raumorientierung eine analoge Funktion wie die Augen der Krebse; denn obwohl bei diesen Tieren die physiologische Gleichgewichtslage durch die Stato- cysten völlig gewährleistet ist, dienen auch die Augen zur Gleich- gewichtserhaltung, da die Tiere nach Entfernung der Statocysten den Lichtrückenreflex zeigen. Die Erkenntnis der wenn auch unter- geordneten Bedeutung der Augenflecke der Anthomedusen für die Raumorientierung läßt vermuten, daß auch die bei einigen mit Randbläschen bzw. Randkörpern ausgestatteten Medusen vor- handenen Pigmentflecke eine ähnliche Funktion haben. Die ge- schilderten Versuche haben zusammenfassend folgendes ergeben: Das Licht hat einen gewissen Einfluß auf die Orientierung von Leuckartiara; denn die positive Phototaxis. bewirkt normalerweise das Aufwärtsschwimmen und ist ein Hilfsmittel zur Erhaltung des Gleichgewichtes. Der primäre Faktor für die Gleichgewichtserhaltung, durch den dieselbe völlig gewährleistet wird, ist aber auch bei den - Anthomedusen die spezifische Verteilung der Körpersubstanz. Zu- gleich hat die Beobachtung der Fälle, in denen die Tiere aus dem Dunkeln ins Helle schwammen, gezeigt, daß das Licht für Leuckartiara noch eine andere als bis zum gewissen Grade richtende Rolle spielt; denn die Medusen beantworten den Eintritt ins Helle mit einer größeren Kontraktionszahl. Dies wies darauf hin, daß auch hier etwas Ähnliches vorliegt, wie es von anderen Tieren, z. B. Daphnia und Branchipus, als „Tonusfunktion“ der Augen beschrieben worden war. Ich wurde somit zu der Frage geführt: | Welche Wirkung hat dasLicht auf Anzahl und Stärke der Kontraktionen? Die mit Bezug auf diese Fragestellung angestellen Experimente sollten bald sehr interessante Ergebnisse zeitigen. Zunächst be- Die Sinnesorgane der Medusen. 369 stätigte sich die Beobachtung, daß der plötzliche Übergang vom Dunkeln zum Hellen als ein Reiz wirkt, der nicht nur eine größere Frequenz, sondern auch eine zunehmende Stärke der Kontraktionen bedingt. Die Zunahme der Frequenz möge an Tabelle 7 näher er- läutert werden. Die Feststellung erfolgte derart, daß für eine be- stimmte Kontraktionszahl mit der Stoppuhr die Anzahl der nötigen Sekunden bestimmt wurde. Wichtig ist, was ich noch einmal be- sonders hervorheben will, daß die Tiere in der Dunkelkammer standen. Die Lichtintensitäten waren so weit vermindert, daß man beim Fixieren eines Tieres gerade noch imstande war, die Kon- traktionen wahrzunehmen. Jede horizontale Spalte der Tabellen bezieht sich auf ein anderes Tier. In Tabelle 7b handelt es sich um die gleichen Tiere wie in Tabelle 7a, dieselben wurden nach den Versuchen in der Dunkelkammer plötzlich ans Tageslicht gebracht. Tabelle 7a. Plötzliche Belichtung mittels einer Taschenlampe. Anzahl der |Im Dunkeln| Im Hellen : Kontraktionen | Sekunden Sekunden ENS EEE 40 48,16 Me aia et AA 40 40 > 13 Sek. — Tier sinkt unter stärkeren Kontraktionen 40 45,92 = 8 Sek. — s. 0. 40 74,1 66,35 sehr großes, schwächliches Tier 40 1 42 2 Durchschnitt: | 51,07 |s. Tabelle 7b| Tabelle 7b. Im Sonnenlichte. Anzahl der Anzahl BER B Te a Kontraktionen der Sekunden emerkungen 40 38 40 34 40 37 40 53 sehr schwächliches, großes Tier 40 41,2 40 42,4 40 37,7 Durchschnitt: 39,64 | 370 | ConraD LEHMANN, Tabelle 7e. Anzahl der Anzahl Kontraktionen der Sekunden Bemerkungen 40 54,1 40 50,4 40 53 40 51,3 bei plötzlicher Belichtung mit Taschen- lampe — 46 Sekunden Durchschnitt: | 52,2 | Nach dem Experimente in der Sonne wurden die Tiere wieder in die Dunkelkammer gestellt. Nach etwa 11}, Stunden wurden sie besichtigt, und hierbei wurde durch Stichproben die in Tabelle 7c wiedergegebene Anzahl der Kontraktionen ermittelt. Es erfolgte nun eine neue-Belichtung durch die jetzt mit größerer Intensität strahlende Sonne. Die hierbei gemachten Beobachtungen sind in Tabelle 7d niedergelegt. | Tabelle 7d. Anzahl der Kontraktionen Anzahl der Zeit Bemerkungen Sekmaden 2h 47 Das Aquarium wird am offenen Fenster 40 41,4 der Wirkung der Sonnenstrahlen aus- gesetzt. Durch die Bewegung des 40 43 Gefäßes während des Transportes liegen die Tiere alle am Boden; denn 40 40 sie sinken bei starker Bewegung der Wasseroberfläche ab. 2h 53! 8 Tiere schwimmen an der Oberfläche 40 36 herum. Ein Tier sank einen Augen- 40 44,1 blick. 3h 00 6—7 Tiere schwimmen umher. Die am 40 40,4 : Boden liegenden Tiere zeigen krampf- hafte Kontraktionen. 3h 25! 2 Tiere schwimmen nur noch umher; sie sinken immer nach sehr kurzer Zeit; sie vollführen schnelle und kurze Kontraktionen. Eines- dieser Tiere steigt, führt 31 Kontraktionen aus, sinkt, steigt und fällt zu Boden, wo es sich krampfhaft bewegt. All dies geschieht in einer Zeitpause von nur 27,4 Sek. 3h 31 Nur 1 Tier schwimmt herum. 40 27 Nach derartig schnellen Kontraktionen folgen vielfach unrhythmische Be- wegungen, durch die das Tier sinkt. Es vollführt schließlich 40 17 4h 55’ Das Aquarium wird nicht mehr von den Sonnenstrahlen getroffen. Die | Tiere liegen alle am Boden. | | Die Sinnesorgane der Medusen. | 371 Aus der Tabelle 7d geht somit hervor, daß zu starke Belichtung nicht nur krampfhafte Kontraktionen hervorruft, sondern daß längere Einwirkung derselben einen schädigenden Einfluß ausübt. Daß es sich hierbei nicht um Wärmewirkungen handelt, geht daraus hervor, daß Tiere, die in der Dunkelkammer plötzlich mit einer Taschen- lampe scharf beleuchtet wurden, dieselben krampfhaften Kontrak- tionen zeigten, durch die sie zu Boden sanken, wie es in Tabelle 7a auch schon vermerkt worden ist. Diese Beobachtung ist um so wichtiger, da sie zeigt, daß die geschilderte Erscheinung nicht durch eine absolute maximale Lichtintensität hervorgerufen wird. Der plötzlich eintretende Lichtreiz wirkt nur durch seine relative Intensitätssteigerung. Die Tatsache, daß selbst die Intensität einer elektrischen Taschenlampe derartige unrhythmische Kontraktionen hervorrufen kann, läßt aber einen noch wichtigeren Schluß zu. Diese Erscheinungen weisen darauf hin, daß Leuckartiara eine Adaptionsfähigkeit besitzt. Die krampfhaften unrhythmischen Kon- traktionen bei dem Eintreten einer plötzlichen Steigerung der Licht- intensität sind mit den Erscheinungen zu vergleichen, die EwALp bei Cladoceren gefunden hat und von denen er sagt: „Maximale Lichtreize führen zu „Schreck“reaktionen, die als summierte negative Reflexe aufzufassen sind. Der Reiz wird durch periodische Unter- brechung gesteigert. Erschütterungsreize können die gleiche Wirkung haben“. Auch der letzte Satz hat für Leuckartiara seine Gültigkeit; denn aus Tabelle 7d geht ja schon hervor, daß Erschütterung ein zu Boden Sinken hervorruft. Auch Romanzs gibt für Sarsia an, daß Tiere, die in einer halb mit Seewasser gefüllten Flasche heftig geschüttelt wurden, zunächst nicht nur die Spontanität, sondern auch die Reizbarkeit verloren. Die Übereinstimmung im Verhalten von Leuckartiara und den Cladoceren ist jedoch noch viel größer. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß das Licht nicht nur einen Einfluß auf die Anzahl, sondern auch auf die Stärke der Kontraktionen hat. Daraus war sicher zu entnehmen, daß das Licht für die energetische Leistung der Muskulatur eine prinzipielle Bedeutung besitzt. Gestützt wurde diese Ansicht noch durch die in den Tabellen 8 und 9 wiedergegebenen Beobachtungen, wonach matte, wie leblos auf dem Boden des Gefäßes liegende Leuckartiaren durch Belichtung wieder die Kraft erlangten, sich zu kontrahieren und sogar an der Oberfläche herumzuschwimmen. 372 CONRAD LEHMANN, Tabelle 8. Zeit | Bemerkungen 12h 15 | In einem seit mehreren Stunden in der Dunkelkammer stehenden Gefäße liegen alle Tiere am Boden und kontrahieren sich kaum. Das Gefäß wird von 12h 15° an in der Dunkelkammer elek- trisch beleuchtet. 3h 15‘ Alle Tiere liegen am Boden. 4h 00' 2 Tiere schwimmen oben herum und kontrahieren sich regelmäßig. (Min.: — 49 Kontraktionen.) 5h 15! Die Tiere liegen am Boden und kontrahieren sich. Das Gefäß wird dem Tageslichte ausgesetzt, so daß ein wenig Sonnen- schein hineinfällt. oh 55‘ 4 Tiere schwimmen oben umher (Min.: — 47 Kontraktionen). | 1 Tier kommt nach oben. 6h 41‘ Die letzten Sonnenstrahlen sind fort; 1 Tier schwimmt oben umher. Tabelle 9. Zeit : Bemerkungen 9h 00° | Am Tage vorher geschöpfte Tiere, die von 9h 00‘ abends in der Dunkelkammer gestanden haben, liegen alle am Boden des Gefäßes und machen einen leblosen Eindruck. Das Gefäß wird von 9h 00‘ an dem Tageslichte ausgesetzt. Am Nachmittage wird es von Sonnenstrahlen getroffen. 4h 45‘ 4 Tiere schwimmen oben umher. 5h 30‘ 4 Tiere schwimmen oben umher (Min.: = 52 Kontraktionen). Der größte Teil der am Boden liegenden Tiere kontrahiert sich abends lebhaft. 6h 40! Die Sonnenstrahlen sind verschwunden; 2 Tiere schwimmen oben umher. © On 19’ 1 Tier kontrahiert sich oben. Die Tatsache, daß Tiere, die während einer Nacht in der Dunkelkammer gestanden hatten, am nächsten Morgen wie tot auf dem Boden des Gefäßes lagen, veranlaßte mich, den Einfluß von Lichtabschluß genauer zu prüfen. Ich verfuhr derart, daß ich zu dem Gefäße in der Dunkelkammer ein Kontrollgefäß am Fenster aufstellte. Um möglichst wenig Fehlerquellen zu erhalten, brachte ich die Tiere, selbst auf die Gefahr hin, daß sie sich weniger gut darin halten, in das filtrierte Aquariumwasser der Biologischen Anstalt; denn ich schaltete dadurch bis zu einem gewissen Grade die bei Licht erfolgende Sauerstofferzeugung durch das Phytoplankton aus. Beide Gefäße — in jedem befanden sich 25 Leuckartiaren — wurden mit einer Glasplatte bedeckt. Der Einfachheit halber soll das in die Dunkelkammer gebrachte Gefäß als Gefäß D, das am LA Die Sinnesorgane der Medusen. 373 Tabelle 10a. Zeit 11h 45‘ 11h 50' 12h 00' 12 h 00' 12h 35‘ 2h 40‘ 3h 40' An der Oberfläche herumschwimmende Tiere Gefäß D | Gefäß H 25 24 25 23 24 23 24 23 19 22 10 16 9 20 3 15 1 9 1 9 0 8 1 0 Bemerkungen Gefäß D: — „ H: 1 Tier liegt unten. Gefäb D: — Vor- » H:2 Tiere liegen unten. BEI Bak SE eG Oe 1 WIESE TI DES ‚versuche Gefäß D: 1 Tier schwimmt unten im Hellen herum. | Gefäß H: 2 Tiere schwimmen unten herum. Gefäß D wird in die Dunkelkammer, Gefäß H auf das Fensterbrett gestellt. Wetter: vollkommen bewölkt, kein Sonnenschein. Gefäß D: 1 Tier liegt unten. » HH: 2 Tiere liegen unten. Gefäß D: 6 Tiere liegen am Boden, sie kontrahieren sich wenig. Gefäß H: 3 Tiere kontrahieren sich unten. Gefäß D: 15 Tiere liegen unten; sie fangen bei Belichtung an, sich zu kontrahieren. Gefäß H: 9 Tiere liegen unteh; der größte Teil kontrahiert sich lebhaft. Gefäß D: 16 Tiere liegen unten und kontrahieren sich bei Beleuchtung. Gefäß H: 4 Tiere liegen unten; 1 Tier sinkt. Gefäß D: 22 Tiere liegen unten; einige kontrahieren sich bei Belichtung. Gefäß H: 10 Tiere liegen unten; aber der größte Teil derselben kontrabiert sich lebhaft. Gefäß D: 24 Tiere liegen unten; einige Kontrahieren sich bei Belichtung. Gefäß H: 16 Tiere liegen unten. Gefäß D: Nur ein ganz kleines Tier schwimmt oben herum. Aus beiden Gefäßen wird zur Sauerstoffbestimmung eine Wasserprobe entnommen. Gefäß D wird mit elektrischer Tischlampe beleuchtet. Die Tiere fangen allmählich an, etwas lebhafter zu werden. Gefäß D: 1 Tier schwimmt oben umher (Min.: — 43 Kontraktionen). Gefäß H: steht noch am Fenster. Gefäß D und H bleiben während der Nacht am Fenster stehen. 374 ConraD LEHMANN, Fenster aufgestellte als Gefäß H bezeichnet werden. Der weitere Verlauf des Versuches soll in Tabelle 10 näher angegeben werden. - Tabelle 10b. (Am nächsten Tage.) Zeit 7h 20! 7h 50! 8h 10' 8h 45' 9h 30' 10h 12‘ 10h 50’ 11h 57! 2h QO! 2h 00! 2h 20° Gefäß D © © oO} © © An der Oberfläche herumschwimmende Gefäß H Or 10 10 Bemerkungen Gefäß D | alle Tiere liegen am Boden; der größte SH Teil kontrahiert sich. Gefäß D: ein ganz kleines Tier schwimmt ein Stück empor. -Gefäß H: 1 kleines Tier kontrahiert sich oben. Gefäß D: das ganz kleine Tier erhebt sich bis zur Hälfte, mitunter auch bis oben, sinkt jedoch immer wieder auf den Boden herab. Gefäß H: 43 Kontraktionen in der Minute. Gefäß D: ein ganz kleines Tier schwimmt oben umher. Gefäß D: wird vollkommen von den Sonnenstrahlen getroffen. Gefäß H: wird zur Hälfte von den Sonnenstrahlen getroffen. Gefäß D: Tiere kontrahieren sich am Boden. Da ich für diese Versuche filtriertes Aquariumwasser benutzte, konnte es für ausgeschlossen gelten, dab die Einstellung der Kon- traktionen im Gefäße D auf die bei Lichtabschluß nicht mehr erfolgende assimilatorische Tätigkeit des Phytoplanktons und die dadurch bedingte Verarmung dés Wassers an freiem Sauerstoffe zurückzuführen sei. Der Sicherheit halber führte ich doch noch eine Bestimmung des Sauerstoffgehaltes auf chemischem Wege durch. Die Titrationen, die ich dank der liebenswürdigen Unterstützung von Herrn Dr. Hacmerer-Helgoland ausführen konnte, ergaben, daß Gefäß D nicht weniger Sauerstoffgehalt wie Gefäß H aufwies. Die Sinnesorgane der Medusen. 375 Da diese erkannte Bedeutung des Lichtes für die Lebenstätigkeit der Anthomedusen theoretisch sehr wichtig ist, will ich noch auf zwei Angaben hinweisen, die ich nachträglich in der Literatur fand und deren Wiirdigung ich in diesem Zusammenhange fiir not- wendig halte: 1. Die 1883 erfolgten Untersuchungen ENGELMAnns an Bacterium photometricum haben in vieler Beziehung analoge Ergebnisse gezeitigt ENGELMANN schreibt: „Den Ausgangspunkt möge die fundamentale Tatsache bilden, daß die Bewegungen von Bacterium photometricum überhaupt nur durch Licht erweckt werden und einmal erweckt, bei Abschluß von Licht auch unter den sonst denkbar günstigsten Bedingungen wieder erlöschen, Wurden dieselben Präparate, nachdem sie einige Stunden lang dem Licht ausgesetzt waren, wieder ins Dunkel gebracht, so nahm die Geschwindigkeit der Bewegungen allmählich ab. Nach einigen Stunden waren bewegliche Individuen nur noch ganz vereinzelt oder überhaupt nicht mehr aufzufinden. Sie stellten sich jedoch im Lichte bald in Menge wieder ein. Der belebende Einfluß des Lichtes beruht nicht auf Sauerstoff: entwicklung. | Das Licht äußert seine belebende Wirkung nicht momentan: sondern erst nach einer sehr merklichen Zeit („latente Reizung“). Je kürzer der Aufenthalt im Dunkel gewährt hatte, um so schneller schienen die Bewegungen durchschnittlich wieder zu erwachen. Jedoch sah ich in mehreren seit über 4 Wochen zugeschmolzenen und 6 volle Tage im Dunkel belassenen Kapillarröhrchen bei Prüfung in konzentriertem Gaslicht einige Individuen schon vor Ablauf der ersten halben Minute ihre Bewegungen wieder aufnehmen. Entsprechend der langsamen Entwicklung der bewegenden Wirkung des Lichts schwindet dieselbe auch nur langsam. Bakterien, die nach etwa 12stündigem Aufenthalt im Dunkel durch eine nur wenige Minuten währende Beleuchtung wieder in Bewegung ge- kommen waren, wurden aufs neue ins Dunkel gebracht und nach verschiedenen Zeiten bei möglichst schwachem Licht schnell geprüft. Es ergab sich, daß die letzten Bewegungen erst nach 1 bis 2 Stunden erloschen. ‘Bei lang anhaltender Einwirkung sehr gleichmäßigen starken Lichts kommen die meisten Bakterien zur. Ruhe. Betrug diese Zeit einige Stunden, so blieben dann sehr viele auch unter beliebig 376 ConraD LEHMANN, - veränderten Bedingungen 2, 3 und mehr Tage lang sitzen, wobei sie keine merkliche Anderung erlitten, sich auch nicht teilten.“ 2. Was die Tiere selbst anbetrifft, so beschreibt Wour. F. Ewarn eine bis zum gewissen Grade ähnliche Erscheinung an Cladoceren : „Beobachtet man Daphnien in der Dunkelkammer bei rotem - Licht, so ist die Verringerung der Amplitude ihrer periodischen Lokomotionen höchst auffallend. Die Tiere halten sich durch gleich- mäßige Ruderschläge stets annähernd auf der Stelle, statt wie sonst mehr oder weniger lebhaft auf und ab zu schwimmen.“ PAL 9 4 6 8 40 12 14 46 218 120 92 24° 20° 28 NE Fig. Q. Leptodora hyalina. Oberlicht. 10h il‘ Blende aus rotem Papier aufgedeckt. 10 h 23° Blende abgedeckt (nach Ewa up). Doch zwischen dem Benehmen von Cladoceren und Leuckartiara ist ein auch theoretisch wichtiger Unterschied. Wie aus der von Ewaup festgestellten Kurve für Leptodora hyalina hervorgeht (Fig. Q), tritt die für Cladoceren beschriebene Reaktion bei Verdunkelung sofort ein; Leuckartiara dagegen reagiert, wie Tabellen 10a u. b zeigen, auf den Verdunkelungsreiz nur ganz allmählich. Ist das Tier aber einmal völlig zur Ruhe gekommen, so ist längere Ein- wirkung des Lichtes nötig, um wieder die zur Lokomotion nötigen kräftigen Kontraktionen hervorzurufen. Es scheint aber auch hier Die Sinnesorgane der Medusen. Oe eine Grenze fiir die Dauer der Verdunkelung gesetzt zu sein; denn wie Tabelle 10 zeigt, erholten sich die Tiere des Gefäßes D nicht mehr. An dieser Stelle will ich noch darauf hinweisen, daß die Tatsache, daß in der Mitternachtsstunde auch im Gefäß H sich keine Tiere mehr an der Oberfläche kontrahierten, keinen Schluß auf ein natürliches Verhalten der Tiere zuläßt; denn die zu dieser Zeit herrschenden Lichtintensitäten auf dem Meere sind nicht mit den minimalen Lichtreizen im Zimmer zu vergleichen, die noch dazu in schrager Richtung eintreten. Die an Leuckartiara gewonnenen Ergebnisse sind von allge- meinem biologischen Interesse; denn die daraus zu ziehenden Schlüsse gehen über das als Tonusfunktion der Augen bezeichnete Problem hinaus. Hier treten Lahmungserscheinungen auf, die nicht zu vergleichen sind „mit den bekannten Erscheinungen der Lähmung durch Kälte und Wärme, Sauerstoffmangel oder Gift“, sondern die zu der schon oben erwähnten MATuLAschen Hypothese führen. Die Behandlung des Problems der Bedeutung des Lichtes für die Antho- medusen ist für diese Hypothese besonders anregend, da bei den Medusen jener Fall realisiert ist, den MATurA theoretisch als Spezial- fall angibt. Er sagt darüber folgendes: | „Eine afferente, von einem Rezeptor kommende Energie kann also zweierlei bewirken: 1. eine Energieerzeugung veranlassen, 2. einen Reflexvorgang auslösen, also potentielle Energie in die kinetische Energie einer afferenten Erregung verwandeln. Viel- leicht kann ein und dieselbe afferente Erregung beides gleichzeitig ausführen.“ In den auf die Anthomedusen wirkenden Lichtreizen sind in der Tat afferente Erregungen gegeben, die sowohl imstande sind. Energie zu erzeugen, als auch die produzierte potentielle Energie inkinetische umzuwandeln. Die schwächerên Muskelkontraktionen und das allmähliche Abklingen derselben bis zur vülligen Lähmungs- erscheinung bei im Dunkeln gehaltenen Tieren zeigen, daß sich auch bei den niedersten Metazoen schon das physiologische Problem der Koordination und das der Energetik, wenn auch noch einander be- dingend, erkennen lassen. Die Anthomedusen realisieren aber nicht nur jenen Fall, bei dem ein und dieselbe afferente Erregung poten- tielle Energie erzeugt und diese zugleich in kinetische Energie um- setzt, sondern sie scheinen die Ansicht Matunas zu bestätigen, daß in gewissen Teilen des Tierkérpers — sei es in den zentralen Teilen des Nervensystems oder in den Sinnesorganen selbst — 318 ConraD LEHMANN, Energie gespeichert wird. Bei Ausschaltung der Lichtreize erfolgen — die Kontraktionen von Leuckartiara nur auf Kosten dieser ge- speicherten Energie. Im Verhältnis zu der Abnahme derselben sinkt die Lebhaftigkeit der Bewegung der Tiere. Nach erfolgter Ver- dunkelung muß die für die Lebensfunktion notwendige Menge von Energie erst wieder allmählich angesammelt werden, so daß die Tiere nicht sofort fähig sind, ihre gewöhnlichen Bewegungen aufzunehmen. War die Verdunkelung jedoch zu lange, so daß die gespeicherte Energie völlig verbraucht ist, so tritt damit anscheinend ein dauern- der Stillstand der Bewegung ein. Die Erkenntnis dieser am untersten Tierkreise der Metazoen festgestellten Tatsache leitet hinüber zu dem vergleichend physio- logisch und psychologisch so wichtigen Problem der Bedeutung der Sinnesreize für den wachen Gehirnzustand. Ich gehe auf diese Frage hier ein, weil in neuerer Zeit die Wichtigkeit der Sinnesreize für den Wachzustand des Menschen geleugnet worden ist. Im Anschluß an die PrLüsersche Theorie des Schlafes hatte Heusen auf Grund seiner Experimente mit Fröschen 1877 schon behauptet, daß der wache Gehirnzustand von äußeren Erregungen abhängt. Er konnte zeigen, daß bei Fröschen, die unter Bedingungen versetzt wurden, wo die kontinuierlich auf das Gehirn wirkenden Erregungen der Empfindungsnerven von dem Gehirn plötzlich abgehalten wurden, der wache Gehirnzustand nicht fortbestehen konnte, sondern in Schlaf überging. Im gleichen Jahre veröffentlichte der Leipziger Kliniker STRÜMPELL einen „Beitrag zur Theorie des Schlafes“ und berichtete darin von einem in der Physiologie und Psychologie des Menschen klassisch gewordenen Falle. STRÜMPELL experimentierte mit einem hysterischen Menschen, der ausgedehnte Sinneslähmungen zeigte und eine besondere geistige Bildung nicht genossen hatte. Die gesamte Haut war für alle Qualitäten der Empfindung voll- kommen anästhetisch; es lag ferner eine Amaurose des linken Auges und Taubheit des rechten Ohres vor, so daß dem Patienten als einzige Sinneswege nur das rechte Auge und das linke Ohr zur Verfügung standen. Wurden diese beiden Sinnespforten auch noch versperrt, so daß das Gehirn von allen äußeren sensiblen Reizen isoliert war, „so ließen nach wenigen Minuten die anfänglichen Äußerungen der Verwunderung und die unruhigen Bewegungen nach, die Atmung wurde ruhig, regelmäßig — der Kranke war tief ein- geschlafen“. Dieser Feststellung Strümrenıs legten u. a. VERWORN und E. Becuer bei der Besprechung des allgemeinen Seelenzustandes Die Sinnesorgane der Medusen. : 379 des Schlafes eine große Bedeutung bei, und Aazz äußert im Hin- blick darauf bei seinem Versuche einer theoretischen Erklärung des Traumes auf Grundlage von psychologischen Beobachtungen: „Wir sind wach, weil uns die Welt unaufhörlich erweckt.“ Diese These, daß der Wachzustand durch Sinneseinwirkungen mitbedingt sei, greift Pickner (1917) an. Er meint, die Tatsache, daß der Strimpetische Patient nach Verbindung seines funktionierenden Auges und nach Verstopfung seines funktionierenden Ohres ein- schlief, sei nur dann ein Beweis für das Bedingtsein des Wach- zustandes durch Sinneseinwirkungen, wenn der Fall so steht, daß der auf diese Weise eingeschläferte Patient auch nie erwachte, be- vor diese Verschlüsse abgenommen wurden oder sonst eine Sinnes- funktion an ihm sicher festgestellt werden konnte. Da dies aber nicht der Fall war, sondern der Patient am Tage nach mehr- stündigem Schlafe „von selbst“ aufwachte, so ist dieser Fall nach PICKLER im Gegenteil „ein sehr starker experimenteller Wahrschein- lichkeitsbeweis dafür, daß der Wachzustand durch gleichzeitige er- weckende Sinneseinwirkungen nicht bedingt ist“. Hiermit unter- schätzt PıckLrr nach meiner Meinung den Einfluß der Sinnes- eindrücke für den Wachzustand vollständige. Meine Versuche an Leuckartiara zeigen die Abhängigkeit der spontanen Bewegung von den äußeren Reizen in aller Schärfe Diese Tatsache, die uns bei den niedersten Metazoen entgegentritt, hat aber auch bedingte Gültigkeit für den Menschen. Vom vergleichend physiologischen und psychologischen Standpunkte aus erkennt man, „daß mit der höheren morphologischen Organisation auch der für die Lebens- erscheinungen im allgemeinen und für den Wachzustand im be- sonderen notwendige Komplex von Reizen komplizierter werden muß. Für die Frage nach der Funktion der Sinnesorgane der Me- dusen ergibt sich aber folgendes: Nicht das Problem der Erhaltung des Gleichgewichts beherrscht diese Organe, sondern das Problem der Energetik. Die Aufgabe der Randkörper und der Ocellen ist es, die für die Muskelenergie notwendigen Erregungen zu liefern. Diese experimentellen Tatsachen weisen aber nicht nur auf den funktionellen Kausalzusammenhang hin, der im Vikariieren von Randkörpern und Ocellen liegt, sondern sie zeigen, daß auch in der Physiologie, wie es Roux für die Entwicklungsmechanik gezeigt hat, der Satz nicht umkehrbar ist: Gleiche Ursachen haben gleiche Wirkungen. 380 ConRAD LEHMANN, 3. Verwertung der physiologischen Ergebnisse für biologische Erkenntnis. Im Anschluß an die mitgeteilten Untersuchungen soll nun noch versucht werden, aus den physiologischen Ergebnissen biologische Erkenntnisse zu schöpfen. Von der Tatsache ausgehend, daß eine bestimmte Lichtintensität für das normale Lebensgeschehen von Leuckartiara und wahrscheinlich für das der Anthomedusen im all- gemeinen notwendig ist, folgt, daß nur mit Ocellen ausgestattete Medusen wahrscheinlich nicht in größeren Meerestiefen vorkommen können. Zu große Lichtintensitäten, die bei längerer Einwirkung schädlich sind, werden dadurch gemieden, daß sie krampfhafte, un- rhythmische Kontraktionen hervorrufen, durch die die Tiere sinken. Unmöglich ist es den Anthomedusen aber auch, sich dauernd in zu lichtarmen Regionen, wo sie ja auch zu einem Stilistand ihres Lebens kommen würden, aufzuhalten; denn unter dem Zwange der positiven Phototaxis stehend, werden sie stets das Licht aufsuchen. Starke Bewegung der Wasseroberfläche wird aber andererseits ein Absinken auslösen. Fragt man nun, inwieweit dieses theoretisch konstruierte biologische Bild durch die nur wenig vorhandenen biologischen Angaben gestützt ist, so will ich zunächst darauf hin- weisen, daß das Absinken von Planktontieren durch eine ziemlich bewegte Wasseroberfläche jedem Biologen bekannt ist; denn Plankton- fänge bei unruhiger See weisen nur ganz geringes Zooplankton auf. Die aus Laboratoriumsversuchen gewonnene Erkenntnis, daß die Anthomedusen eine gewisse Lichtintensität zum Leben gebrauchen, wird dadurch bekräftigt, daß die bisher durch Planktonexpeditionen aus größeren Tiefen bekannt gewordenen craspedoten Medusen nur Trachymedusen sind. An dieser Stelle ist auch die Angabe von HAECKEL über Callitiara polyophthalma zu erwähnen. Diese Meduse trägt ihre Tentakeln bald aufwärts, bald abwärts gerichtet. Stets ist aber die Wirkung des Lichtes auf die Augenflecke gewährleistet; denn Callitiara besitzt auf der äußeren Seite der Tentakelbasis einen hufeisenförmigen und auf der unteren Seite einen kreisrunden Ocellus. Was nun die Frage anbetrifft, ob sich das Gebiet, in dem die notwendige Lichtintensität herrscht, im Laufe des Tages sehr verschiebt, so daß dadurch vertikale Wanderungen der Antho- medusen bedingt sind, so erscheint: mir dieses Problem noch nicht: spruchreif; denn die in der Natur ausgeführten Untersuchungen über periodische Vertikalwanderungen sind noch zu gering. Für die An- Die Sinnesorgane der Medusen. 381 nahme, daß die Vertikalwanderungen durch eine Verschiebung der Grenze der notwendigen Lichtintensität bedingt sind, spricht die Be- obachtung von Lo Branco, die er während des letzten Vesuv- ausbruches machte. ,,Die während des Aschenregens herrschende Dunkelheit veranlaßte Planktonten und selbst Benthosformen zu- nächst zu einem Aufstieg in höhere Wasserschichten, so daß man an der Oberfläche am Tage Formen sehen konnte, die sonst zur Nachtzeit in diesen Schichten gefangen werden“ (STEUER). Auch Prof. Mrezck-Helgoland bestätigte mir im Verlaufe einer Unter- haltung die Tatsache, daß in der Nacht die Planktonorganismen, unter ihnen auch Medusen, in höheren Wasserschichten anzutreffen sind als am Tage. Den Einwand von V. Franz, daß die Tiere bei Tag den Fangapparat sehen und ihm entfliehen, bei Nacht ihn aber nicht sehen können, und daß darauf der Unterschied von Tag- und Nachtfängen beruht, wird wohl niemand für Medusen als stichhaltig anerkennen. Mit Bezug auf die Medusen möchte ich aber noch eine in der Literatur zu findende Angabe erwähnen, die dringend nach- geprüft werden müßte; denn sie würde wahrscheinlich Licht in das noch dunkle Problem der Vertikalwanderung bringen. In der „Forschungsreise in das europäische Eismeer 1889“ von KÜKENTHAL schreibt WALTER folgendes: ° „Wir beobachteten in der Hinlopenstraße mit absoluter Sicher- - heit ein ganz regelmäßiges Aufsteigen der nun als Golfstromformen uns bekannt gewordenen Medusen aus der Tiefe an die äußerste Wasseroberfläche zur Nachtzeit, ihr Herabsinken am Morgen, obgleich in Belichtung und Temperatur zur Hochsommerzeit hier nicht der geringste Unterschied zwischen Tag und Nacht eintrat... Das Faktum des nächtlichen Aufsteigens der Golfstrommedusen zur Zeit der hochstehenden Mitternachtssonne gewinnt Bedeutung, wenn wir dagegen halten, daß alle die Formen, welche sich gleichmäßig über die ganze Fläche, auch der kalten Stromgebiete, so über die ganze Olgastraße verteilen, nicht nur dort, sondern auch an den gleichen Stellen, wie jene Medusen, diese Eigenschaft absolut nicht verraten, sich vielmehr größtenteils in gleicher Menge, in allen Tiefenlagen, zu jeder Tagesstunde finden lassen. Einige der hier gemeinten Tierarten aus der Crustaceengruppe der Amphipoden lassen noch ganz schwache Spuren jener den Me- dusen noch ausgeprägt zukommenden Eigenschaft erkennen. Von Gammarus locusta z. B. könnten wir angeben, daß er im allgemeinen etwas häufiger nachts an der Oberfläche auftritt, doch keineswegs Zool. Jahrb. 39. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 26 382 ConraD LEHMANY, mit Regelmäßigkeit. Oft erschienen gerade die Gammari mitten am Tage auch in zahllosen Scharen ganz plötzlich an der Oberfläche. Es bleibt hier kaum eine andere Erklärung übrig als anzu- nehmen, daß jene reinen Golfstromformen, die mit der warmen Strömung aus südlicheren Meeresteilen in noch nicht zu ferne zurückliegender Zeit eingeführt sind, noch in großer Zähigkeit an einer in den neuen Heimstätten gänzlich zwecklos scheinenden in südlicheren Strichen durchgängig üblichen Gewohnheit hangen“. „Römer konnte diese Beobachtung während der „Helgoland-Reise“ an Ctenophoren bestätigen“ (STEUER). In diesen Berichten treten uns bis zum gewissen Grade neue Probleme entgegen, und es soll daher zurückschauend nur noch einmal mit Be- friedigung festgestellt werden, daß die über Medusen vorhandenen biologischen Angaben nur geeignet sind, die gefundenen physio- logischen Ergebnisse zu bestätigen. Ill. Die Orientierung von Gonionemus und den Ctenophoren. Wenn ich es anschließend an meine Untersuchungen unternehme, im folgenden auf die Orientierung von Gonionemus und auf die der Ctenophoren einzugehen, so bin ich mir wohl bewußt, daß meine Ausführungen rein theoretischer Natur sind. Es soll aber nicht nach Art eines Analogieverfahrens über die Orientierung dieser Tiere etwas ausgesagt werden, sondern die vorhandenen Unter- suchungen sollen im Hinblick auf die durch die vorliegende Arbeit hervorgehobenen neuen Gesichtspunkte betrachtet werden, nach denen Randkörpern und Ocellen die Aufgabe zukommt, die für die Muskelkontraktionen nötigen Erregungen zu liefern. Ich halte dies für dringend nötig; denn die Orientierung von Gonionemus wird im Anschluß an die Arbeit von YERKEs stets als sehr kompliziert hin- gestellt, und für die Ctenophoren wird auch heute noch die Gleich- gewichtsregulierung durch den Sinnespol mit seinem Statolithen als bewiesen angesehen, obwohl ManGcotrp schon darauf hingewiesen hat, daß nach dem Ausfalle der. neueren Untersuchungen eine ex- perimentelle Begründung für die Annahme, daß die Lithocyste ein spezifisches Sinnesorgan für die Perzeption von Schwerkraftreizen sei, fehlt. +008 Die Sinnesorgane der Medusen. 383 1. Die Orientierung von Gonionemus murbachii. Nicht nur zum besseren Verständnis der weiteren Erörterungen seien kurz die eigenartigen Lebensgewohnheiten dieses Tieres er- wähnt, wie sie von YERKES, PERKIns und MurBacx beschrieben worden sind, sondern um vor allem auch die wichtigen Angaben Fig. Ra. Fig. Rb. Gonionemus, in umgekehrter Stellung mit weit ausgelegten Tentakeln abwärts treibend (nach Perkins, 1903; aus JENNINGS). des letzten Autors einmal hervorzuheben. Die Tiere sitzen vielfach mittels gewisser Haftwiilste ihrer Tentakeln — die Subumbrella ist dabei dem Einfalle der Lichtstrahlen zugekehrt — an den Pflanzen des Grundes oder an anderen Flächen fest. Beim Herannahen der 26* 384 ConraD LEHMANN, Dunkelheit werden sie in ihren natürlichen Schlupfwinkeln unruhig, sie geben die Anheftung auf und schwimmen mit der konvexen Fläche der Glocke nach oben und mit eingezogenen Tentakeln aufwärts nach der Wasserfläche hin (Fig. R). Steigt die Sonne höher, dann suchen sie wieder tiefere Wasserschichten auf. Werden die Tiere gestört, z. B. durch einen Wechsel der Lichtintensität, so schwimmen sie in allen Richtungen herum, stellen die Kontraktionen ein und bewegen sich passiv mit ausgebreiteten Tentakeln und umgekehrter Glocke abwärts. Hin und wieder zeigen die Tiere ein auffallenderes Benehmen; sie schwimmen fast vertikal zur Wasseroberfläche. So- bald sie diese erreicht haben, drehen sie sich um und schwimmen mit erschlaffter Glocke und weit ausgestreckten Tentakeln abwärts (Fig. R). Die Umdrehreaktion an der Wasseroberfläche ist nach MursBAacH wahrscheinlich nur durch das Zurückprallen der Glocke bei der letzten unwirksamen Kontraktion bedingt. Während die früheren Autoren gerade diesen letzten „Kreis der spontanen Be- wegung“ (JENNINGS) als die Bewegung von Gonionemus bezeichneten und sie mit dem Namen „fishing“* und „surface reaction“ belegten, spricht MursAcH von dieser Bewegung in vertikaler Achse aus- drücklich von einem „particular behavior“. Fest steht, daß beim Aufwärtsschwimmen von Gonionemus die Exumbrella nach oben, beim Abwärtsschwimmen dieselbe aber nach unten zeigt. Es ist daher zunächst die Frage zu beantworten, wo- durch es dem Tier ermöglicht ist, sich bald in der einen, bald in der anderen Lage zu halten? a) Das Aufwärtsschwimmen ist aus folgenden Gründen möglich: Wohl ist die Gallerte am aboralen Pole dünn und nimmt zum Glockenrande hin an Stärke zu. Doch dieser minimale Unterschied — MurBaAcH spricht von „the slightly heavier apex of the bell“ — wird einigermaßen durch die 60 bis.80 schlanken, steifen Tentakeln ausgeglichen. Auf jeden Fall wird durch dieselben der Schwerpunkt ungefähr in die Mitte des Tieres verlagert, wenn nicht sogar noch . tiefer. Damit ist aber ein Aufwärtsschwimmen gewährleistet. b) Beim Abwärtssinken befindet sich das Tier im stabilen Gleichgewichte. Der Schwerpunkt der zurückgeschlagenen Tentakeln, - die bei Gonionemus in kurzer Entfernung vom Glockenrande an der Exumbrella entspringen, dürfte sehr tief liegen, so daß der Schwer- punkt der Tiere sehr weit zum aboralen Pole verschoben wird. Aus den Lichtversuchen, die YERKES und MurBAcH an dieser Meduse angestellt haben, geht folgendes hervor: Die Sinnesorgane der Medusen. 385 1. Unter experimentellen Bedingungen zeigt Gonionemus positive Phototaxis. 2. Wird Gonionemus in seiner Ruhelage gestört, so schwimmt es dem Lichte zu. 3. Starkes Licht schädigt Gonionemus; ein Einfluß von mehreren Stunden wirkt tödlich. 4. In seiner natürlichen Umgebung schwimmt Gonionemus weg, wenn das Licht stärker ist als das gewöhnliche Tageslicht. 5. Zunahme der Lichtstärke beantwortet Gonionemus stets mit einer lokomotorischen Reaktion der Glocke. 6. Stark pigmentierte Individuen reagieren auf Lichtreize kräftiger als schwach pigmentierte. Zwischen diesen Reaktionen von Gonionemus und den von mir an Leuckartiara festgestellten erkenne ich keinen prinzipiellen Unter- schied und muß im Anschluß an meine Ausführungen über Leuckartiara darauf hinweisen, daß mir die Beziehung des Verhaltens von Gonionemus zum Lichte nicht so außerordentlich kompliziert erscheint und ich mich nicht der Meinung Jenyines’ anschließen kann, daß die Lichtreaktion von Gonionemus in keiner Weise durch ein einfaches Gesetz ausgedrückt werden kann. Im Hinblick auf die fast analogen Reaktionen von Gonionemus und Leuckartiara neige ich daher zu der Ansicht, daß bei Gonionemus Ocellen vorhanden sein müssen. Wohl hat Mursacx festgestellt, daß bei Gonionemus die Subumbrella im allgemeinen für Lichtreize empfindlich ist, doch meine Annahme wird durch die von YERKES gefundene Tatsache verstärkt, daß stark pigmentierte Individuen kräftigere Reaktionen als schwach pigmentierte zeigen. Die physiologischen Ergebnisse weisen darauf hin, daß Gonionemus Lichtsinnesorgane hat. Aus diesem Grunde halte ich es für wahrscheinlich, daß die Pigment- flecke, die sich freilich als pigmentierte Exkretionsporen heraus- gestellt haben sollen, doch als Ocellen zu beanspruchen sind, wie es HAECKEL schon getan hat. Mit Bezug auf die bei Gonionemus vorhandenen Randkörper soll noch erwähnt werden, daß auch die Angabe von MurBacH, „that these organs have little if anything to do with spontaneous move- ments“ einigermaßen zu erklären ist, da bei dieser Trachymeduse Ocellen vorhanden sind. Es liegt die Annahme nahe, daß die Tiere nach dem Entfernen der Randbläschen infolge der in den Nerven- ringen gespeicherten und der von den Ocellen gelieferten Energie noch die Fähigkeit besitzen, ihre gewöhnlichen Bewegungen auszu- 386 CONRAD Lexan, führen. Doch es soll noch einmal betont werden, daß es sich hier nur um theoretische Erörterungen handelt, die zeigen sollen, dab das Verhalten von Gonionemus noch einmal in qualitativer und quantitativer Hinsicht genau nachgeprüft werden muß. 2. Die Orientierung der Ctenophoren. Wenn an dieser Stelle auch noch auf die Orientierung der Ctenophoren eingegangen wird, so geschieht es, weil trotz des Hin- weises von ManGozp, dab nach den vorliegenden Untersuchungen eine Beteiligung des Sinnespoles mit seinem Statolithen bei dem ganzen Vorgange der Gleichgewichtsregulierung äußerst zweifelhaft ist, in den Lehrbüchern — mit Ausnahme der „Vorlesungen über vergleichende Anatomie“ von BürschLıi — die statische Funktion als sicher hingestellt wird. Selbst STECHE, der seinen „Grundrib der Zoologie unter dem Zeichen des Primats der Funktion gegenüber dem Bau der Organe“ stehen läßt, schildert eingehend, wie die ein- zelnen Federn des Sinnespoles durch den Statolithen in den ver- schiedensten Stellungen verschieden belastet werden und so befähigt sind, die Gleichgewichtslage zu erhalten. Hieraus ersieht man, wie sehr gerade der Sinneskörper der Ctenophoren durch die Unter- suchung von VERWORN zu einem klassischen Darstellungsobjekt für die Statolithenhypothese geworden ist, obwohl weder VERworN noch Baver die Formveränderungen und Stellungen der Feder unter dem Druck und Zug des Statolithen haben beobachten können. Meine. Ergebnisse über die Funktion der Randkörper der Scyphomedusen veranlaßten mich, die Statolithenhypothese der Ctenophoren kritisch zu würdigen. Ich gelangte dabei zu dem Resultate, daß auch der Sinneskörper der Ctenophoren wohl nur einen energetischen Ein- fuß auf die Tätigkeit der Schwimmplättchen hat; denn die VER- wornschen Beobachtungen stimmen sehr gut mit den von mir bei den Medusen gemachten überein. Ehe ich aber auf die Unhaltbar- keit der Statocystenhypothese für die Ctenophoren näher eingehe, soll erst eine Schilderung von der bisherigen Anschauung über die Raumorientierung der Ctenophoren gegeben werden: | „Steht die Hauptachse des Körpers senkrecht, so ruht der schwere Statolith auf allen vier Feldern gleichmäßig, dement- sprechend ist der Reiz, der auf die acht Rippenstreifen ausgeübt wird, ein allseitig gleicher, und das Tier bewegt sich in vertikaler Linie nach unten. Sobald aber die Qualle irgendwie schräg oder horizontal zu liegen kommt, hängt der Statolith an der jeweils Die Sinnesorgane der Medusen. 387 oberen Feder, der Reiz auf die oberen Rippenstreifen verstärkt sich und der beschleunigte Schlag ihrer Ruderplättchen führt den Organismus in seine Normallage zurück. Der ganze Bewegungs- apparat erscheint also auf den ersten Blick hin “äußerst einfach, und es würde sich kaum lohnen, ihn eingehender zu betrachten, wäre er nicht in sehr eigentümlicher Weise kompliziert. Beröe be- sitzt nämlich zwei verschiedene Gleichgewichtslagen. Die erste, die wir bereits betrachteten, mit dem Sinnespol nach oben (Fig. Sa), ist die sogenannte Erregungsstellung. Sie wird eingenommen, wenn das Tier, das vorher an der Oberfläche des Meeres weilte, durch zu starke Belichtung, Wellenschlag usw. gestört wird. Da die Ruder- <-Sinnespol Drehung im Erregungszustande / b a R NI Mund” Drehung im Ruhezustande Fig. S. Beröe. plättchen stets nach dem Sinnespol zu schlagen, ist von dieser Stellung aus nur eine Bewegung nach unten, also in ruhigeres Wasser möglich. Die zweite Gleichgewichtslage, mit dem Munde nach oben, bei welcher das Tier nur nach oben schwimmen kann, ist die Ruhestellung. Nun ist es ganz klar, daß die Qualle, wenn man sie schräg oder horizontal hinlegt, sich verschieden verhalten muß, je nach dem physiologischen Zustand, in welchem sie sich be- findet. Im Erregungszustande muß sie (Fig. Sb) eine Drehung im Uhrzeigersinn ausführen (Pfeil Æ), im Ruhezustand eine solche ent- gegen dem Uhrzeiger (Pfeil AR), und es erhebt sich nun die Frage, wie der so einfach gebaute Statocystenapparat eine solche doppel- sinnige Reaktion auslösen kann. Die neuesten Untersuchungen hierüber (v. Bauer, 1910) haben nun das folgende ergeben: Mechanische Reize, und in diese Kategorie gehört natürlich auch der von der Statocyste ausgehende Reiz, wirken im Erregungszu- stande des Tieres fördernd auf die nächst betroffenen Ruderplättchen, 388 CoNRAD LEHMANN, im Ruhezustande dagegen hemmend. Bei horizontaler Lage des Tieres wird also im Ruhezustande der Schlag der oberen Rippen- _ plättchen aufhören, der der unteren also überwiegen, so daß die er- wähnte Drehung entgegen dem Uhrzeiger zustande kommt, während im Erregungszustand, obgleich der von der Statocyste herrührende Reiz genau der gleiche wie vorher ist, die oberen Plättchen stärker schlagen wie die unteren“ (v. en . Anschließend möchte ich zunächst darauf hinweisen, daß man nach der jetzt üblichen Beschreibung der Orientierung de Cteno- phoren zu der Ansicht kommt, daß diese Tiere nur zu vertikal ge- richteten Bewegungen fähig sind; denn bei jedem Abweichen aus einer der Gleichgewichtslagen soll infolge der Verschiebung des Statolithen automatisch die betreffende Seen wieder hergestellt werden. Diese Darstellung aber ist völlig falsch! VERworn selbst schreibt darüber: „Wenn die Tiere lebhaft schwimmen, so kann man sie in der Tat bald in geradliniger, bald in kreisförmigen, bald in verschlungenen Bahnen wechselnd sich bewegen sehen und bei genauer Beobachtung erkennt man leicht den Grund dieses Wechsels in der wechselnden Energie, Tätigkeit oder Ruhe der Rippen.“ Da VERWORN diese unregelmäßigen Schwimmbewegungen, „wie sie die mitten im Wasser schwimmenden Ctenophoren stets charakteri- sieren“, durch die Autonomie der Flimmerelemente erklärt, die Regu- lierung derselben Flimmerelemente aber andererseits durch die aktive Bewegung der Aufhängefedern des Statolithen bedingt sein soll, so ist hierin schon ein schwerwiegendes Argument gegen die Gleichgewichtshypothese gegeben. Ein anderer schwerer Einwand, auf den MaxGozp ausdrücklich hingewiesen hat, ist die Feststellung Bavers, daß die reflektorische Hemmung und Erregung des Plätt- chenschlages auch nach Abtragung des Sinnespoles noch unverändert fortbesteht. „Wenn also nach diesen Versuchen die von VERWORN zuerst beobachtete doppelte Art der senkrechten Gleichgewichtsein- stellung der Beroiden dadurch zustande kommt, daß bei der Störung der Gleichgewichtslage die Flimmerplättchen der gereizten (oberen) Körperseite das eine Mal gehemmt, das andere Mal gereizt werden (je nach dem Erregbarkeitszustande des Tieres), so erscheint eine Beteiligung des Sinnespoles mit seinem Statolithen bei dem ganzen Vorgange der Gleichgewichtsregulierung äußerst zweifelhaft“ (Max- GOLD). Für das Schweben in der einen oder der anderen Gleich- gewichtslage ist der Besitz eines statischen Organes erst recht nicht Die Sinnesorgane der Medusen. 389 nötig; denn auch die Meduse Gonionemus für die MurBAcH ja nach- gewiesen hat, daß die Randkörper keine Statocysten sind, kann in zwei verschiedenen Gleichgewichtslagen schwimmen. Im Gegensatz zu Maneoup bin ich der Meinung, daß auch selbst. die Versuche Verworxs an Eucharis multicornis und Bolina hydatina, wo nur der Statolith und nicht das ganze Sinnesorgan entfernt wurde, nicht für eine statische Funktion sprechen. Daß nach der Entfernung des Sinneskörpers bei Eucharis und Bolina keine Gleichgewichts- einstellung mehr zu beobachten ist, ist dadurch bedingt, daß die einzelnen Plättchenreihen vollkommen unregelmäßig schlagen. Wie richtig diese Darstellung ist, geht daraus hervor, daß VERWORN an Beroë ovata folgende Beobachtung machte: „Dagegen kam, wenn die Tätigkeit aller Rippen, was bei operierten Tieren besonders auf- fällt, oft lange Pausen erfuhr, bisweilen die passive Senkrecht- stellung, infolge der spezifischen Gewichtsdifferenzen beider Körper- pole vor.“ Auf Grund dieser Überlegungen komme ich zu folgender Dar- stellung der Orientierung der Ctenophoren: Die Gleichgewichtsein- stellung der Ctenophoren ist mechanisch bedingt. Der Schlag der Wimperplättchen wird in qualitativer Hinsicht je nach der Stellung der Tiere im Raume nicht vom Sinneskörper reguliert, sondern er ist auch bei schräger Lage des Tieres in allen acht Rippen gleich stark. Infolge des passiven Drehmomentes wird das Tier trotzdem die senkrechte Gleichgewichtslage erreichen. Mit dieser Darstellung stimmen die Beobachtungen an operierten Tieren völlig überein. Daß es bei diesen vielfach nicht zur Einstellung in die Gleich- gewichtslage kommt, wird dadurch hervorgerufen, daß das Zu- sammenarbeiten zwischen passivem Drehmomente und Schlag der Wimperplättchen, das ja zur Aufrichtung führt, gestört ist. Das Drehmoment bleibt bestehen, doch der gleichmäßige Plattchenschlag ist im allgemeinen nicht mehr vorhanden. Infolge stärkerer Be- wegung irgend einer Plättchenreihe wird stets ein aktives Dreh- moment nach irgend einer Seite gegeben. Dieses hat aber den Effekt, daß es das passive Drehmoment stört und die Einstellung in die Gleichgewichtslage verhindert. An dieser Erklärung muß man vorläufig festhalten, denn bisher ist es nicht bewiesen, dab: das Sinnesorgan der Ctenophoren die für ein statisches Organ charakteristische Funktion ausübt. Wirft man nun die Frage auf, welche Funktion dem Sinnes- organ der Ctenophoren zukommt, so glaube ich, daß die Randkôrper 390 ConraD LEHMANN, der Medusen und der Sinneskörper der Ctenophoren eine annähernd analoge Funktion haben. So wie die Medusen sich nach der Seite mit erhaltenem Sinneskolben drehen, so bewegen sich Ctenophoren, denen einige Rippen an ihrer oberen Ursprungsstelle durchschnitten sind, im Kreise herum, indem der Sinnespol nach der Seite der schlagenden Rippen vorangeht. Für eine Erregungsfunktion des Sinneskörpers spricht auch die Tatsache, daß an Plattchenreihen, die nicht mehr mit dem Sinneskörper verbunden sind, längere Ruhe- pausen auftreten. Auf Grund dieser meiner Ausführungen komme ich somit zu der Annahme, daß auch der Sinneskörper der Ctenophoren keine statische, sondern eine energetische Funktion hat. Mögen auch - diese Erörterungen nur ein Hinweis darauf sein, daß neue physio- logische und histologische Untersuchungen nötig sind, um ein klares Bild von der Funktion des Sinneskörpers der Ctenophoren zu er- halten. | Zusammenfassung der Hauptergebnisse. 1. Die Randkörper von Cyanea capillata und Chrysaora hysoscella und wahrscheinlich die aller Medusen sind keine Statocysten. 2. Die Medusen weisen eine Orientierung zur Schwerkraft auf, die durch keine Reflexe, sondern durch die Verschiedenheit im spezifischen Gewicht von Subumbrella und Manubrium einerseits und der Gallerte der Exumbrella andererseits bedingt ist. 3. Den Randkörpern kommt die Funktion der nervösen Er- regung zu. 4. Die Randkörper haben einen großen Einfluß auf die Frequenz und die Stärke der Kontraktionen. | 5. Die von den Randkörpern hervorgerufenen Erregungen geben den Hauptanlaß für die rhythmischen Kontraktionen. 6. Leuckartiara octana ist positiv phototaktisch. 7. Leuckartiara octana zeigt keinen Lichtrückenreflex. 8. Plötzliche Erhöhung der Lichtintensität wirkt als ein sofort reaktionsauslösender Reiz. 9. Bei relativ hohen Lichtintensitäten treten krampfhafte Zuckungen auf, die ein Absinken des Tieres zur Folge haben. 10. Verminderung der Lichtintensität wirkt nicht als sofort reaktionsauslösender Reiz. 11. Längere Verdunkelung verursacht uen der Kon- traktionen. Die Sinnesorgane der Medusen. 391 12. Die Funktion der Ocellen ist der der Randkôrper analog. 13. Die physiologischen Ergebnisse werden durch die vorhan- denen biologischen Angaben bestätigt. 14. Zwischen den Reaktionen der Trachymeduse Gonionemus und den von Leuckartiara besteht kein prinzipieller Unterschied. 15. Die kritische Würdigung der Literatur über die Funktion des Sinneskörpers der Ctenophoren legt den Gedanken nahe, daß Randkörper der Medusen und Sinneskörper .der Ctenophoren an- nähernd analoge Funktion haben. Die vorliegenden Untersuchungen wurden im August und Sep- tember des Jahres 1920 auf der Preußischen Biologischen Anstalt — Helgoland ausgeführt. Den Angehörigen dieser Anstalt, besonders aber den Herren Prof. MıeLcx und Dr. HaAGMEIER danke ich für die mir gewährte freundliche Unterstützung bei der Beschaffung des nötigen Materials. Vor allem bin ich aber meinen hochver- ehrten Lehrern — Herrn Geheimrat Prof. Hrıner für das rege In- teresse, das er meiner Arbeit entgegenbrachte, ‚Herrn Dr. P. SCHULZE für so manchen Hinweis auf literarische Hilfsmittel, vor allem aber Herrn Prof. v. Buppensrock für die Anregung zu diesen Studien und die stete liebenswürdige Unterstützung derselben — zu großem Dank verpflichtet. 392 Conrap LEHMANN, -Literaturverzeichnis. AALL, A., Der Traum. Versuch einer theoretischen Erklärung auf Grund- lage von psychologischen Beobachtungen, in: Ztschr. Psychol. Physiol., Vol. 70, 1914—1915. | BAGLIONI, S., Physiol. des Nervensystems, in: WINTERSTEIN, Handb. vergl. Physiol., Vol. 4, Jena 1913. ; BAUER, V., Uber die anscheinend nervése Regulierung der Flimmer- bewegung bei den Rippenquallen, in: Ztschr. allg. Physiol., Vol. 10, 1910. BECHER, E., Gehirn und Seele, Heidelberg 1911. BERGMANN, C. u. R. LEUCKART, Anatomisch-physiologische Ubersicht des Tierreiches, Stuttgart 1855. BETHE, A., Allgemeine Anatomie und Physiologie des Nervensystems, epee 1903. , Notizen über die Erhaltung des Körpergleichgewichts schwimmender Tiere, in: Festschr. HERTWIG, 1910. BonniER, P., Sur les fonctions AUS in: Soc. Biol., 1893. —, L'orientation, 1900. te J. F., Ausführliche Beschreibung der von ©. H. MERTENS auf seiner Weltumseglung beobachteten Schirmquallen, in: Mém. Acad. Sc. St. Pétersbourg (6), Sc. nat., Vol. 2, 1838. v. BUDDENBROCK, W., Uber die Funktion der Statocysten im Sande grabender Meerestiere, in: Zool. Jahrb., Vol. 33, Physiol., 1912 bis 1913. —, Orientierung der Krebse im Raum, ibid., Vol. 34, 1913—1914. —, Die Beziehung der tierischen Organismen zur Schwerkraft, in: Naturw., 1914, Heft 19. | —, Die vermutliche Lösung der Halterenfrage, in: PFLUGER’s Arch. Vol, 175, 1919. Die Sinnesorgane der Medusen. 393 Czaus, C., Studien über Polypen und Quallen der Adria. I. Acalephen, Wien 1877. DEEGENER, P., Lebensweise und Organisation, Berlin 1912. DELAGE, Y., Sur une fonction nouvelle des otocystes, in: Arch. zool. exp. (2), Vol. 5, 1887. ° Du Bois Rreymonp, R., Physiologie der Bewegung, in: WINTERSTEIN’s Handb. vergl. Physiol., Vol. 3, 1. Hälfte. EIMER, Tu., Die Medusen physiologisch und morphologisch auf ihr Nerven- system untersucht, Tübingen 1878. ENGELMANN, TH. W., Uber die Funktion der Ceca in: Zool. Anz,, Vol. 10 (1887). —, Bacterium photometricum, in: PFLÜGER’s Arch., Vol. 30 1883. en Fr., System der Acalephen, Berlin 1899. EwALD, WOLFG. F., Uber Raumorientierung, Lokomotion und Licht- reaktionen einiger Cladoceren und deren Bedeutung für die Theorie der Tropismen, in: Biol. Ztrbl., Vol. 30 1910. Franz, V., Die phototaktischen Erscheinungen im Tierreiche und ihre _ Rolle im Freileben der Tiere, in: Zool. Jahrb., Vol. 33, Physiol., 1912 bis 1913. | GAEDE, H. M., Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Medusen, Berlin 1816. GEGENBAUR, C., Bemerkungen über hs Randkörper der Madasen» in: Arch. nab, Physiol. u. wiss. Med., 1856. HAECKEL, E., Das System der Medusen, 1879—1881. HARTLAUB, CL., Craspedote Medusen, in: Nord. Plankt., 17. Liefg. —, Cyanea capillata und Chrysaora hysoscella, in: Tier- und Pflanzen- leben der Nordsee, 1914. Hertwic, O. u. R., Das Nervensystem und die Sinnesorgane der Medusen, Leipzig 1878. v. Hess, C., Gesichtssinn, in: WINTERSTEIN’s Handb. vergl. Physiol., Vol. 4. HEssE-DOFLEIN, Tierbau und Tierleben, Vol. 2, Leipzig 1914. HEUBEL, E., Über die Abhängigkeit des wachen Gehirnzustandes von äußeren Erregungen, in: PFLÜGER’s Archiv, Vol. 14. JENNINGS, H. S., Das Verhalten der niederen Organismen, 1910. JouRDAN, E., Die Sinne und die Sinnesorgane der niederen Tiere, 1891. Karka, G., Einführung in die Tierpsychologie, Leipzig 1914. KRUCKENBERG, C. F. W., Über den Wassergehalt der Medusen, in: Zool. Anz., 1880. Künn, A., Coelenterata, in: Bronn, Klass. Ordn. Tierreiches, Vol. 2, Abt: 2. —, Die Orientierung der Tiere im Raum, Jena 1919. KÜKENTHAL, W., Forschungsreise in das europäische Eismeer 1889, Bremen 1890. 394 ConraD LEHMANN, Die ee der Medusen. Loss, J., Forced Movements, pie and Animal Conduct, Philadelphia | 1918. LOVÉN, 8. L., Beitrag zur Kenntnis der Gattung Campanularia und Syn- coryne, in: Arch. Naturg., 1837, Vol. 1. LUBBOCK, J., Die Sinne und das geistige Leben der Tiere, Leipzig 1889. Maas, O., Coelenterata, in: Handwörterb. Naturw., Vol. 2, 1912. | MANGOLD, E., Gehörsinn und statischer Sinn, in: WINTERSTEIN’s Handb.. vergl. Physiol., Vol. 4. MATULA, J., Untersuchungen über die Funktion des Zentralnervensystems. bei Insekten, in: PFLÜGER’s Arch., Vol. 138. MAYER, A. G., Medusae of the World, Washington 1910. MURBACH, L., The Static Function in Gonionemus, in: Amer. Journ. Physiol., Vol. 10, 1904. —, Some Light Reactions of the Medusa Gonionemus, in: Biol. Bull. | Woods Hoole, Vol. 17, 1909. NAGEL, W., Experimentelle sinnesphysiologische Untersuchungen an Coelenteraten, in: PFLÜGER’s Arch., Vol. 54, 1893. PIKLER, J., Sinnesphysiologische Untersuchungen, Leipzig 1917. Ray LANCESTER, E., A Treatise of Zoology, 1900. ROMAXNES, G. J., Further Observations of the Locomotor System of Medusae, in: Philos. Transact. Roy. Soc. London, 1877, Vol. 16. Ruprin, E., Die Bestimmung des Sauerstoffgehaltes. Abhandl. = aus: vr en (N. F.), Vol. 14, Kiel. v. SIEBOLD, TH., Lehrbuch der vergleichenden Anatomie. Berlin 1848. STEUER, A., Planktonkunde, 1910. STRÜMPELL, A., Beiträge zur Theorie des Schlafes, in: PFLUGER’s Arch., "ol. 18: 1807: TSCHACHOTIN , Die Statocyste der Heteropoden, in: Ztschr. wiss. Zool., Vol. 90, 1908. v. UEXKULL, J., Die Schwimmbewegungen von Rhizostoma pulmo, in: Mitt. Zool. Stat. Neapel, Vol. 14, 1901. VERWORN, M., Die Mechanik des Geisteslebens, Berlin 1919. —, Gleichgewicht und Otolithenorgan, in: PFLUGER’s Arch., Vol. 50, 1891: YERKES, R., A Study of the Reactions and Be Time of the Medusa , Gone Murbachii to Photic Stimuli, in: Amer. Journ. Physiol. Ver. 9,1903. G. Pätz’sche Buchdr. Lippert & Co. G. m. b. H., Naumburg a. d. S. Neue Veröffentlichungen aus dem Verlag von Gustav Fischer in Jena. Er a Preis für die angezeigten Bücher ergibt sich durch Vervielfältigung der hinter dem Titel stehenden Grund- zahl (Gr.-Z.) mit der jeweils geltenden und je nach dem Markwert sich verändernden Schlüsselzahl (S.-Z.). Die „für gebundene Bücher sich ergebenden Preise sind nicht verbindlich, Bei Lieferung nach dem Ausland erfolgt Berechnung in der W ahrung des beir. I Landes. * Lehrbuch der Zoologie tür studierende. Von Dr. 3. E. V. Boas, Prof. der - Zoologie an der Kgl. landwirtschaftlichen Hochschule in Kopenhagen. Neunte, Auflage. Mit 683 Abbildungen im Text. XI, 785 S. gr. 8° 1922 : Gr.-Z. 14.—, geb. 17.— Zoologisches Zentralblatt: Das Buch hat die Berechtigung seines Bestehens durch seine weite Verbreitung bewiesen und bedarf keiner neuen Empfehlung. A. Schuberg, Berlin-Großlichterfelde. Forst- und Jagdzeitung, Juli 1920: . . . Daß auch sonst das Lehrbuch des Kopenhagener Zoologen auf der Höhe der Zeit steht, bedarf wohl kaum der Erwähnung. Prof. Dr. Wolf, Eberswalde. Naturwissenschaftl. Monatshefte 1920, Heft 4/5: . . . Die hohe Auflage- ziffer beweist am besten, welche Bedeutung ihm für die Ausbildung der Studierenden zukommt. Es ist unübertroffen und unentbehrlich und beansprucht seinen Platz in der Bibliothek jedes Naturwissenschaftlers. C. W. Schmidt. = Anleitung zu makroskopisch-zoologischen Uebungen. von Dr. H. F. Nierstrasz, Professor und Dr. G. Chr. Hirsch, Privatdozent an der Reichsuniversität zu Utrecht. Heft 1: Wirbellose Tiere. VII, 103 S. gr. 8° 1922 Gr.-Z. 1.50. geb. 3.50 Dieser Führer weicht in vielen ‚Punkten von den sonst gebräuchlichen ab. Er behandelt nur wenige Tiere, diese aber werden tiefer makroskopisch durchgearbeitet als gewöhnlich. Ferner fehlen die Abbildungen; die Aufgabe der Anleitung ist nämlich, sehen zu lehren; die Bilder sollen vom Studierenden selbst gesehen und nicht nach- gezeichnet werden. So gibt dieses Buch nicht eine Beschreibung des betreffenden Tieres, sondern eine Anleitung, selbständig Bild für Bild zu entwerfen. Damit kehren die Ver- fasser bewußt zur alten Methode der zoologischen Arbeit zurück, weil sie die beste Grundlage gibt. Das zweite Heft über „Wirbeltiere‘‘ wird 1923 erscheinen. Grundzüge einer Stammesgeschichte der Haustiere. von Dr. ‚Otto Antonius, Priv.-Doz. a. d. Univers. u. Hochschule für Bodenkultur in Wien. Mit 144 Abbild. im Text. XVI, 363$. gr. 8° 1922 Gr.-Z. 6.—, geb. 8.50 Inhalt: Allgemeiner Teil: I. Quellengebiete der Haustiergeschichte, Zoologie, Prähistorie und Archäologie. Tierdarstellungen. Sprachwissenschaft. Völker- - kunde, — II. Bemerkungen über Veranderungen durch die Domestikation. Größe, Schädelbildung. Unterschiede im übrigen Skelett. Histologische und physiologische Veränderungen. Farbe. — Spezieller Teil: III. Hund. Die Wildhunde. Die Umformung des Caniden-Schäd-ls durch die Domestikation. Die ‚Stämme‘ der Haushunde. Die Abstammung der ältesten Haushunde. — IV. Die Rinder. Die Systematik der Wildrinder. Die Umformungen der domestizierten Wildrinder, Die Wildformen der Untergattung Bos im engsten Sinne. Die ältesten Hausrinder und ihre Abstammung. — V, Schaf und Ziege. Systematik der wildlebenden Formen, Die Unterscheidungsmerkmale der Hausschafe. Die prä- und frühhistorischen Hausschafe. — VI. Schwein. Die Wild- schweine. Die ältesten Hausschweine, — VII. Pferd und Esel. Die Wildpferde, Die Herkunft des Hausesels. Die ältesten Hauspferde. Maultier und Maulesel, — VII. Kamele und Lamas. — Sachregister. Das vorliegende Buch beschränkt sich auf jene Haustiere, bei denen man wirklich von einer Stammesgeschichte sprechen kann und zeichnet sich vor ähnlichen Publikationen dadurch aus, daß es in erster Linie auf eigenen Untersuchungen aufgebaut ist. Hund und Pferd, für die dem Verfasser die umfangreichsten eigenen Forschungen zu Gebote standen, haben eine besonders eingehende Behandlung erfahren. Das Buch spiegelt den neuesten Stand der Haustierforschung wider und dürfte daher nicht nur bei Biologen sondern auch in Züchterkreisen besonderer Beachtung sicher sein, Verlag von Gustav Fischer i in un. hi 4 D ee m a mm pn Seit Dezember 1922 Echte Im Auftrage der Anatomischen Gesellschaft unter Mitwirkung von E. FISCHER -Freiburg i. Br, ©. GROSSER: Prag, R Re HESS. SR München, E. KALLIUS- -Heidelberg a ae u herausgegeben von H VON EGGELING-Breslan | ni a Seit dem Jahre 1914 hat der von Gustav Schwalbe ue : „Jahresbericht über die Fortschritte der Anatomie und Entwicklungsgeschichte“ | ER zu erscheinen aufgehört. Er bildete seit über 40 Jahren ein überaus wich- tiges Hilfsmittel für jede Forscherarbeit auf diesen Gebieten, und sein — 3 Fehlen wurde um so schmerzlicher empfunden, als auch der langbewährle ~ re Jahresbericht der Zoologischen Station zu Neapel nicht fortgesetzt wurde. : Die Anatomische Gesellschaft hat deshalb beschlossen einen Ersatz à . zu schaffen durch Herausgabe eines Berichtes-iiber die neu erscheinenden anatomischen Abhandlungen, was auch deshalb dringend erforderlich er- ~ scheint, weil die Beschaffung der Literatur, namentlich der ausländischen ie die größten Schwierigkeiten bereitet. Eee a 3 Der Bericht soll die seit dem ı. Januar 1922 erschienenen Abel de sammeln und eine kurze Uebersicht über deren Inhalt geben, ohne ‚kritische à Stellungnahme. Er arbeitet in engster Verbindung mit dem von der deut- N schen Zoologischen Gesellschaft herausgegebenen Zoologischen Bericht ae und tauscht mit ihm Referate aus. Er gliedert sich in 3 Hauptteilé : : A) Allgemeines. 3B) Wirbeltiere. C) Mensch. In letzterem sollen besonders _ at auch die in klinischen Zeitschriften verstreuten anatomischen Beobachtungen i “+ Berücksichtigung finden. É one Durch das heftweise Erscheinen wird eine sehr viel raschere. Bee à = is erstattung ermöglicht als durch den Jahresbericht. Diesem großen Vorteil gegenüber dürfte die geringere Geschlossenheit in der Darstellung der einzelnen ne Forschungsgebiete nicht ins Gewicht fallen, zumal durch reiche Gliederung der ui Anordnung und ein zusammenfassendes Inhaltsverzeichnis am Schluß — oe jedés Bandes fiir rasche und leichte Uebersicht Sorge getragen wird. = Cig es Der Anatomische Bericht erscheint in zwangloser Folge. 8—10. Hefte im Gesamtumfange von etwa 20 Bogen bilden einen Halbband. Der Bezugspreis für den ersten Halbband beträgt für Deutschland, ane Oesterreich, Ungarn, Polen, Rußland, Türkei Mk 1600.—; Schweiz Fr. 10.—; UN Dänemark Kr. 9—; Norwegen Kr. 10.—; Schweden Kr ne; Finnland © Marka 40.—; cas sh. 8.6; Frankreich Fr. 20.—; Belgien Fr. 20.— Luxemburg Fr, 20.—; Holland fl. x — ; Spanien Pes. 10.—; Portugal Milr.g30.—; Italien Lire 25.—; Tschechoslovakei RC 30.—; Bulgarien Lewa 140.5 + x Jugoslavien Dinar 55.—; Rumänien Lei 150.—; Vereinigte Staaten von a Nordamerika $ 2.—; Mexiko $ 2.—; Brasilien Milreis 10.—; Chile Pes. pap. 10.—; Argentinien Pes. pap. 3.—; Japan sh. 8.6. / Postgebühren extra. ji ABTEILUNG FUR ALLGEMEINE ZOOLOGIE UND PHYSIOLOGIE | DER TIERE à BEGRÜNDET VON J. W. SPENGEL HERAUSGEGEBEN VON PROF. DR. S. BECHER In GIESSEN BAND 39, HEFT 4 MIT 15 ABBILDUNGEN IM TEXT JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER | 1923 Die ,,Zoologischen Jahrbü cher“ ( Abteilung für Rene Z Physiologie der Tiere) erscheinen in zwangloser Folge. Je vier H bilden einen Band. Der Preis. wird für nt Heft einzeln bestim t. Inhalt. TIRALA, LOTHAR GOTTLIEB, Die Form als Ré. a: x suchung an Libellen und an Vögeln (Wellensittichen und Kanarien- = vögeln) nebst einer Betrachtung über das Verhältnis von Mechanismus, Biologie und Tierpsychologie . . . . 2... DEMOLL, R., Der Inzuchtschaden, sein Wesen und seine Bea Mit 2 Aura im Text... mar . KREISEL, CHRISTA, Untersuchungen über den Einfluß von Sauces Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven und ae 3 Ein Beitrag zur DUR en der Insekten. Mit 11 Ab- 3 bildungen im Text . . - ‘ es WEISS, SIMON, to ne über die wen itd ye Abris oe Re der Spinnen. Mit 2 Abbildungen im Text. . . . . .. 088 Verlag Verlag von Gustav Fischer in Jena. Nenerscheinung es Die Vererbungslehre in gemeinverstandlicher Darstellung ihres Inhalts von Dr. Johannes Meisenheimer ord. Professor der Zoologie an der Universität Leipzig . Mit 49 Abbildungen im Text = Rae V, 131 S. gr. 8° 1923 — | Gz 3.50, geb. 5.— 1. Die Zelle als Träger der Vererbung. — 2. Begriffe und Methoden der modernen Erblichkeitslehre. — 3./4. Die Formen der Vererbung im Zuchtexperiment: I, Grund-. sätzliche Tatsachen. II. Theoretische Vorstellungen. — 5. Die Vererbung des Geschlechts und seiner Kennzeichen. — 6. Die allgemeinen Vererbungstheorien und das Problem der Vererbung erworbener Eigenschaften. - Der Ursprung dieses Versuches einer gemeinverständlichen Darstellung des Inhaltes der modernen Vererbungslehre liegt in einer Reihe von Vorträgen, die wohl an recht verschiedenartige Kreise sich wandten, stets aber einen mit den Grundbegriffen moderner Bildung vertrauten Zuhörer zur Voraussetzung hatten. Es ist ernste und reine Wissenschaft, die hier geboten wird, nicht populär gemachte Wissenschaft. Es sollte nicht Wissenschaft den Stoff zu einer bequemen Unterhaltungslektüre hergeben, sondein ernstliche Gedankenarbeit soll das Lesen jeder Zeile dieses kleinen Werkes begleiten. Das ist aber auch die einzige Anforderung, die an den Leser gestellt wird, nichts von speziellen Kenntnissen biologischer Wissenschaft braucht der Leser mitzubringen. Alles, was — an Erfahrungsstoff für die tiefer schürfende Analyse des Vererbungsproblems erforderlichist, wird aus dem Inhalt des Buches selbst verständlich werden können. Neben diesem Zu- geständnis war dem derart gedachten weiteren Leserkreis noch ein zweites zu machen, Beschränkung im Stoff, Zurückführung seiner verwirrenden Materialfülle auf klare Einzel- … beispiele. Knappe, fast schematische Vereinfachung des Stoffes in textlicher wie figür- licher Darstellung wurde nach Möglichkeit zu präzisieren gesucht. Wirkliches Tatsäch- — liches war ferner von vorgestellter Deutung streng zu scheiden. Deutung mußte als solche _ gekennzeichnet werden, durfte nicht jenem Tatsächlichen gegenüber als gleich uner- schütterlicher Gewinn hingestellt werden. Strenge Objektivität: gegenüber dem Stoffe selbst in der Behandlung seiner ja zum nicht geringen Teil noch mitten im Fluß der. Gestaltung begriffenen Probleme war gerade in Rücksicht auf den gedachten Leserkreis. unbedingte Pflicht. Der Verfasser ist in dieser kritischen objektiven Stellungnahme viel- ~ leicht weiter gegangen, als es manchem modernen Vererbungstheoretiker zusagen mag, jedoch nicht zum Schaden exakter Wissenschaftlichkeit. Nachdruck verboten. Ubersetzungsrecht vorbehalten. Die Form als Reiz. Experimentaluntersuchung an Libellen und an Vögeln (Wellensittichen und Kanarienvögeln) nebst einer Betrachtung über das Verhältnis von Mechanismus, Biologie und Tierpsychologie. Von Dr. phil. et med. Lothar Gottlieb Tirala. Seite En der Korn 2°. 0.0.00. NN er 39 0 remem des Baumes 54... 0... nr 397 Binpirismus und Nativismus. .. . . . . . . . . . . 898 DE chophysischer Parallelismus : . . . . . . . . :. . . 400 4. Vitalismus . RIT ee aM Ese, san AOD Das LEE de ideas, RRR NY th ee te Lis eis Ae Seeereecovlemsider Hasdlune. . . . + . . . . . . . 406 5. Biologie . OE nn re se. OS Das ler ae Dee Be ee. 408 Be EEE N ee. 409 Eee, Wiekmieswelt. 2.40, ue Me a. 419 Bl Bez an lee Halls See eus wa « 418 pee Cares ang BOSE EN Are ea ela pS b) Libellen . . TM es NL Zentrenlokalisation, das Seliema und die Gecenwell.” US NE Rein à Bee et AT A US EEE aaa RER ee A POST 71T, Kritik des Begriffes: Bam; |. Ya vire mA rer yon Dr holonie oder lierpaycnelogie.: 2)... uni 260, 5484 Zool. Jahrb. 39. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 27 396 LOTHAR GOTTLIEB TiIRALA, Seit mehr als 100 Jahren steht das eine Problem in dem -Vor- dergrund des Interesses der Philosophen und der Naturforscher und dieses Problem ist das des Raumes. Gewiß hat Kant durch seine Untersuchungen die allgemeine Aufmerksamkeit auf dieses Problem gelenkt. Man kann aber nicht sagen, daß seit seinen Untersuchungen die Anschauungen hierüber bedeutend vertieft worden seien, ohne Zweifel aber sind sie bedeutend erweitert worden. Ganze Genera- tionen von Forschern haben vor allem mit psychologischen Methoden dieses Problem zu lösen gesucht. Es scheint aber, wenn wir einen Rückblick auf diese Arbeit werfen, die Förderung, die dieses Problem durch: die rein psychologischen Untersuchungen erfahren hat, ge- ring zu sein. Mit JoHAnnes MÜLLER haben sich nun auch die Naturforscher dieses Problems bemächtigt, das früher die alleinige Domäne der Philosophen und Psychologen war. Aber erst Urxküuu hat im letzten Jahrzehnte auf die Möglichkeit hingewiesen einen Teil dieses umfassenden Problems experimentell zu untersuchen. Die Fragestellung selbst lautet: Leitet sich der Raum von den Gegenständen oder die Gegenstände vom Raum ab. Man kann es aber auch anders ausdrücken, indem man fragt, leiten wir unsere Raumvorstellung von den Gegenständen ab durch Abstraktion oder sind unsere Gegenstände, d. h. die Erscheinungswelt nur möglich dadurch, daß wir die verschiedenen Sinnesempfindungen räumlich zu ordnen imstande sind. Wenn aber wirklich diese Sinnesempfindungen, welche wir zu einem Gegenstande zusammenfügen ihre räumliche Anordnung erst durch unsere psychophysische Organisation empfangen, so ist dann die erste Frage die, woher kommen die Gegenstände, zu einer bestimmten Form im Raume, zu einer bestimmten Gestalt? Lassen wir das erste Problem vorläufig aus den Augen und beschäftigen uns eine Weile mit dem zweiten. Ich will mich ab- sichtlich hier auf den Gesichtsraum beschränken und kann daher behaupten, daß in unserem Gesichtsraume nicht alle Gegenstände . Form haben, sondern daß es eine ganze Reihe von Dingen gibt, die ohne bestimmte angebbare Form sich in dem Gesichtsraum befinden. Ich kann das mit Hilfe eines einfachen Versuches jedem beweisen, indem ich z. B. ein viereckiges Blatt Papier irgendeiner Person, an welcher der Versuch gemacht wird, von rückwärts und seitwärts langsam in den Blickraum hineinschiebe Die Person merkt zwar, daß ein neues Ding da ist, kann aber keinerlei Form angeben. Der Gegenstand ist im Raum, hat aber keine Form. Man braucht zu diesem Versuche gar kein Perimeter, er gelingt auf jeden Die Form als Reiz. 397 Fall und beweist, daß nur die Gegenstände, welche in unserer Blick- richtung liegen, eine bestimmte Form haben, die ganz im seitlichen Gesichtsfeld liegenden haben keine Form. Die deutliche Form wahr- nehmung — man kann das nämlich auch physiologisch (statt psycho- logisch) ausdrücken, ohne deshalb um die Schwierigkeiten hinweg- zukommen — findet nur in der Netzhautmitte statt, in der Netzhaut- peripherie gibt es keine solche. Also ist für die deutliche Form unsere Netzhautmitte, die Gegend der Macula lutea, unbedingt not- wendig. Denn ein Unterschied zwischen der Form und der wahr- genommenen Form ist ein Unding. Eine Form, welche von unserem menschlichen Auge nicht wahrgenommen wird, existiert nicht. Genau so wie es unabhängig von uns keinen Gegenstand gibt, was er un- abhängig von der menschlichen psychophysischen Organisation ist, bleibt uns ewig verschlossen. Die Form eines Gegenstandes ist also erstens einmal eine Funktion unseres Auges, wie ich eben festgestellt habe. Sie braucht deshalb aber noch nicht eine alleinige Funktion unseres Auges zu | sein; es ist so gut wie sicher, daß auch von der sogenannten Außenwelt gewisse Elemente beigesteuert werden, welche von uns unabhängig sind und uns zur Bildung der bestimmten Formen anregen. Die Aufgabe folgender Arbeit soll es nun sein, eine experimentelle Lösung dieser Frage anzubahnen. Nun zuerst einige Worte über den Raum, in welchem ja unsere ganze Außenwelt ruht. Kant und die auf ihn folgenden een Philosophen FICHTE, SCHELLING, HEGEL und auch SCHOPENHAUER haben den Raum für eine een des menschlichen Bewußtseins erklärt. Die Raumanschauung wird dem einzelnen Individuum zwar in der Erfahrung bewußt, aber in dem Individuum nicht etwa erst infolge der Erfahrung aufgebaut. Ich weiß gar wohl, daß auch diese Ausdrucksweise von manchen Kanr-Interpreten angefochten werden wird — doch Kant selbst hat unzweideutig erklärt: „Die Möglichkeit einer Raumanschauung ist allein angeboren, nicht die Vorstellung selbst“. Es ist kein Zweifel, daß die sogenannte trans- zendentale Idealität des Raumes auf diese Entdeckung gegründet wird. Nicht etwa auf die Überlegungen, welche dann zur Stütze dieser Entdeckung herbeigeführt wurden. Und nun geschah in der Geschichte der Wissenschaft etwas ganz Merkwürdiges. Die Apriorität des Raumes, welche Kant entdeckt hatte, hat die Empiristen unter den Naturforschern zurückgeschreckt, obwohl gerade sie aus 27* 398 LoTHAR GOrTLIEB TIRALA, Kanv’s Kritik unschwer eine Reihe von wichtigen Argumenten für ihre Lehre hätten schöpfen können. Sie alle bekämpfen Kant’s Ansicht immer in der Art und Weise, als ob er ideae innatae, an- geborene Ideen mit einer Apriorität des Raumes verkündet hätte. Kant aber hat verkündet, daß der Kritizismus, dessen Schöpfer er selbst gewesen ist, „schlechterdings keine anerschaffenen oder an- seborenen Vorstellungen erlaubt“. Ich kann unter dem Angeboren- sein „der Möglichkeit einer Raumanschauung“, wie sich Kant aus- drückte, als Naturforscher nichts anderes verstehen, als daß wir Menschen, um es knapp auszudrücken, mit einem dreidimensionalen Koordinatensystem geboren worden. — Die Raumvorstellung ist eben nicht etwas, was man im Laufe der Erfahrung von den Gegen- ständen ,abzieht“, wie sich Kart ausdrückt; insofern ist es zu begreifen, daß die Empiristen sich von Kant abgewendet haben, obwohl Kant ihre Versuche unsere fertige Raumanschauung aus den Angaben des Muskelsinnes, des Tastsinnes, des Bewegungssinnes und des Richtungssinnes abzuleiten, sicherlich mit höchster Freude und Zustimmung verfolgt hätte; weil eben diese Versuche ja durch- aus niemals etwas gegen ihn entscheiden konnten, sondern erst recht seine Stellung stärken würden. Denn es unterliegt doch gar keinem Zweifel, daß, wenn nicht das erkennende Subjekt alle diese Daten nach einem bestimmten Schema zu ordnen gezwungen wäre niemals unser dreidimensionaler Raum entstehen könnte. Die Ver- einigung der Empfindungen aus diesen verschiedenen Sinnesgebieten ist allein möglich, wenn bereits ein solches Koordinatensystem vor- handen ist. Wenn wir also aus der durch die Zeit bedingten Aus- drucksweise heraustreten, so könnte man, um ganz scharf die Meinung Kanr’s auszudrücken, sagen: nicht der Raum ist eine angeborene Vorstellung, sondern die produktive Einbildungskraft ist uns an- geboren, wie Kant diese Tätigkeit unserer Psyche zu nennen pflegte, vermöge welcher die Empfindungen aus den verschiedenen Sinnesgebieten als Anhaltspunkte zur Bildung der Raumanschauung verwertet werden. Diese Raumanschauung beruhigte aber weder die Empiristen, noch die Nativisten, daher die merkwürdige Er- scheinung, daß sich meist beide Parteien gegen Kant gewendet haben. Oder wenn sie Kant für sich in Anspruch nalım, seine An- schauungen derart verzerrten, daß sie nicht wieder zu erkennen sind. Als Beispiel für den Empiristen, der Kanr abgelehnt hat, führe ich Cyon an. Dieser Forscher wollte den Nachweis führen, daß die Richtungsempfindungen, welche uns durch drei halbzirkel- Die Form als Reiz. 399 . förmige Kanäle übermittelt werden, die Raumanschauung selbst sind. Die Erregung des horizontalen Ganges gibt die Empfindung rechts, links, die des vertikalen Kanals oben und unten, und die des sagit- talen Kanals vorn und hinten. Gewiß tragen wir also auch in unserem Körper das schönste Koordinatensystem herum. Trotzdem aber reicht natürlich ein Koordinatensystem niemals aus, um, wie Cxox es wollte, selbst die Raumvorstellung zu sein, weil erst das beziehende und verarbeitende Subjekt aus diesen Daten die Raum- vorstellung schaftt. Ich kann mich natürlich auf die nervösen Be- ziehungen zwischen dem Kern der Augenmuskelnerven und dem Vestibulariskern nicht einlassen und will nur bemerken, daß im verlängerten Marke eine Verbindung der beiden Kerne vor- handen ist. Ich mache deshalb darauf aufmerksam, weil auf den tieferen Stufen des Tierreiches den Muskelnerven bzw. ihrem pro- priozeptischen Fasern es allein überlassen ist, die Bewegungsempfin- dungen zu übermitteln und auf diese Weise Angaben zur Raum- anschauung zu liefern, bei den höheren Säugetieren springt aber dieser hoch komplizierte Apparat dafür ein. Teilweise wird dieser Apparat auch noch durch andere Einrichtungen ersetzt, um die notwendigen Angaben zur Orientierung zu übermitteln und das ge- schieht durch die Statolithen, kleine Steinchen, welche auf feinen Haaren balanzieren, und je nach der Stellung des Körpers zum Erdmittelpunkt bald auf dieses, bald auf jenes Haar drücken. Hoch interessant ist es nun, daß entsprechend diesem zweiten Organe wir auch eine zweite Empfindung oben und unten besitzen, die unsere Stellung zum Erdmittelpunkt angibt und daher das Oben und Unten nicht in bezug auf unsere Person, also rein subjektiv, sondern auch ob- jektiv festlegt. Auch hierüber ist ziemlich viel experimentiert worden; wenn ein Mensch über seine eigene subjektive Lage des- orientiert wird, so orientiert er sich nach dem phylogenetisch älteren Organe, nach dem Statolithen, Er zeigt dann oben nicht kopfwärts, sondern in der lotrechten Richtung, wie die Versuche STIGLER’S (1912) beweisen. Unter den Naturforschern, welche auf Seite der Nativisten stehen, nenne ich als älteren Vertreter JOHANNES MÜLLER, unter den neueren L. Morean, weil gerade aus seinen Versuchen — tier- psychologisch gesprochen — das Angeborensein der Raumvorstellung mit zwingender Notwendigkeit hervorgeht. — Nach den Untersuchungen des Letzteren unterliegt es gar keinem Zweifel, daß eine Reihe von Tieren, sowohl Vögel, wie Säugetiere mit bereits völlig ent- 400 LOTHAR GOTTLIEB TIRALA, wickelter Raumanschauung zur Welt kommen. Vorsichtiger ist es vielleicht ausgedrückt, wenn man sagt, diese Tiere benehmen sich so, als ob sie bereits völlig entwickelte Raumanschauung hätten. Da sind wir bereits vor einem Problem angelangt, welches unlösbar zu sein scheint oder besser gesagt, welches von jedem Forscher nach eigenem Gutdünken gelöst wird. Wasaus der großen Anzahl der Lösungen hervorgeht, welche für das Problem bereits existieren, welches lautet: Dürfen wir aus den Reaktionen der Tiere auf psychische Vorgänge in ihnen schließen? Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts und später in der Epoche des Materialismus galt es als Grundsatz, daß die Tiere aufzufassen wären, als mehr oder weniger beschränkte Menschen, Menschen mit beschränkten Sinnen, mit beschränktem Hirne, mit beschränkter Psyche. Denn auch der Materialismus hat dem Tier schon eine Psyche zugeschrieben, dem inneren Wesen nach gleich der Psyche des Menschen, nur entstünde sie und verginge mit dem Körper, sei also ein Produkt der Struktur. Dar war ge- rade der Unterschied zwischen den Materialisten der französischen Aufklärungszeit, welche mit HozBacxæs, L’homme machine auch dem Menschen die Psyche absprachen. HAEcKEL hingegen hat sie auch den Protozoen, ja in seinen naturphilosophischen Schriften sogar den Atomen zugeschrieben. Daß durch diesen Hylozoismus die ge- samte Physik vernichtet wird, war diesem Forscher ziemlich gleich- gültig, vielleicht auch deshalb, weil er sich der Konsequenzen dieser Lehre gar nicht bewußt war. Denn sobald die Bewegung der Atome, ihre Anziehung und Abstoßung, auf Liebe und Haß der Atome bezogen wird, wird doch jeder schließen müssen, daß die wahre Ursache der Bewegung in psychologischen Motiven liegt — die exakte Naturwissenschaft ist aufgelöst in kühnste naturphilo- sophische Schwärmerei. — Die Naturwissenschaft hat es nun vorgezogen, die Lehre vom psychophisischen Parallelismus auf den Schild zu heben, welche be- sagt: mit jedem psychischen Vorgang ist ein physischer Prozeß un- lösbar verknüpft und mit manchem physischen Prozeß ist ein psychischer Vorgang notwendig verbunden. Auf alle die Schwierig- keiten näher hier einzugehen, ist natürlich keine Gelegenheit. Die Hauptschwierigkeit liegt vor allem darin, dab das Psychische des Menschen, das wir doch als wesentlichen Bestandteil seines Wesens ansehen, zu einem Anhang herabgewürdigt wird, der mitlaufen kann, aber auf den Ablauf des physischen Geschehens keinerlei Einfluß haben darf; denn die mechanische Reihe ist lückenlos ge- Die Form als Reiz. 401 schlossen. Kant also hatte seine Kritik der reinen Vernunft, ‘GOETHE seinen Faust auch schreiben können, ohne daß er dabei einen Gedanken hätte haben müssen, denn jeder einzelne Buchstabe, der geschrieben wurde, die jahrelange Arbeitszeit, die aufgewandt wurde, ist notwendig, durch das Kausalgefiige dieses Organismus und der auf ihn wirkenden Umwelt hervorgerufen und es ist gänzlich gleichgültig, ob der Betreffende bei gewissen Sätzen oder Buchstaben sozusagen mitdenkt oder nicht. Jede einzelne seiner Bewegungen ist kausal bedingt, daher auch das Denken auf den Ablauf dieser Bewegungen keinen wie immer gearteten Einfluß besitzt. Sollte sich aber ein Vertreter des Parallelismus dazn hinreißen lassen, zu behaupten, daß das Physische ja auch dem Psychischen angegliedert, verknüpft und von ihm abhängig sei, dann wird bereits die Eigen- gesetzlichkeit des Geistes behauptet. Dann hat aber der Parallelismus gar keinen Sinn mehr, sondern es heißt nur: hier ist eine Reihe des mechanischen Geschehens, welche nach den Gesetzen der Mathe- _ matik, Physik und Chemie abläuft und hier ist eine Reihe, welche psychologischen Gesetzen unterworfen ist, beide Reihen scheinen an bestimmten Stellen des Zentralnervensystems miteinander verknüpft zu sein, haben aber sonst miteinander nichts Gemeinsames. Wenn jemand aber darauf hinweisen wollte, daß das die Meinung BERG- SONS’S sei, wie er sie in seinen Arbeiten vertritt, so will ich nur be- merken, daß diese Auffassung seit O. LieBmanx bei uns gang und gabe ist, und daß es sich niemand einfallen lassen sollte, diese Auf- fassung als etwas Neues vorzutragen. Alle Argumente, welche Hass DriEscH in seinem 1917 erschienenen Buch „Leib und Seele“ zur. Kritik des Parallelismus vorgetragen hat, kehren in letzter Hin- sicht auf diese Grundlage zurück. Und ich darf behaupten, daß das einzige ausgearbeitete Argument, das sich nicht auf den Satz: Das Psychische folgt psychologischen Gesetzen, das Physische physikalischen Gesetzen, daher kann von einer Parallelität, d. h. also doch wohl einem Ablaufe in gleicher Richtung, nicht die Rede sein, bezieht, falsch ist. Drıesch behauptet nämlich, dab innerhalb unseres Bewußtseins jedem Vorgange im Raum auch ein psychischer Vorgang entspreche. Daß also für jede Art der räum- lichen Mannigfaltigkeit eine direkte Parallelität gegeben sei, im Psychischen, in welchem also alle diese Vorgänge als räumliche An- schauung begleitet werden. Damit sei aber nicht die ganze Mannig- faltigkeit unserer Psyche erschöpft, sondern es gebe andere psychische Vorgänge, eine große psychische Mannigfaltigkeit, welcher überhaupt 402 LorHAr GortLiEB TiRALA, nichts Räumliches entspräche, weil ja die räumliche Mannigfaltigkeit durch unsere Raumanschauung und all das, was mit ihr in Be-. ziehung steht, bereits besetzt sei. Es leuchtet aber unschwer ein, daß der Parallelismus niemals behaupten wollte, daß es in unserer Psyche nur räumliche Anschauung gebe, und daß das Parallellaufen so zu verstehen sei, daß einem räumlichen Vorgange eine räumliche Anschauung entspräche, und daß daher dann die anderen psychischen Vorgänge sozusagen in der Luft hingen. Drrescx hat aber in seinen anderen Schriften den Nachweis zu führen gesucht, daß man die Kluft zwischen Erkennen und Handein, zwischen Werden und Beharren ja die Schwierigkeiten, die sich bei der Analyse der Handlung des Tieres ergeben, nur dadurch über- brücken könne. daß man einen psychischen Faktor anerkenne, welcher in das mechanische Getriebe eingreift. — Man darf also nicht bloß schließen auf psychische Vorgänge in Tieren auf Grund ihrer Handlungen, nein ein psychischer Faktor steckt in jeder Hand- lung selbst drin. Diesen Faktor nennt er die „Entelechie“ oder das Psychoid (der aristotelische Ausdruck „Entelechie“ hat eine ab- weichende Bedeutung). Ausgangspunkt für ihn waren die Erschei- nungen der Regeneration und der Restitution. Er hat an ver- schiedenen Tieren die Regeneration studiert und zu zeigen versucht, daß das Problem der tierischen Formbildung tatsächlich mit Hilfe der Gesetze der Physik und Chemie grundsätzlich nicht lösbar ist. Denn es wäre natürlich unschwer zu zeigen, dab wir eine grobe Anzahl von Vorgängen in der belebten Natur derzeit mechanisch nicht deuten können, aber man könnte immer sagen, dab dieser Vor- gang einmal vielleicht mit Hilfe von neuen Entdeckungen werde gedeutet werden können. Seine Leistung besteht darin, die grund- sätzliche Unmöglichkeit einer solchen Lösung aufgezeigt zu haben. Er fand eine Anzahl von Tieren, bei denen er den Begriff des harmonisch-äquipotentiellen Systems aufstellen konnte. Ich will versuchen auf Grund meiner eigenen Experimente ein Beispiel eines solchen harmonisch-äquipotentiellen Systems nach Derescx zu geben. Criodrilus lacwum ist ein ziemlich naher Verwandter unseres Regenwurms. An diesem Tiere konnte ich eine in der doch ziem- lich hoch organisierten Gruppe der Anneliden bisher unbekannte Tatsache entdecken, die uns auch diesen Wurm als ein solches har- monisch-äquipotentielles System erscheinen läßt. — Schneidet man einem solchen Wurm das Vorderende ab, so regeneriert das Tier im Verlaufe von 3—4 Wochen das Vorderende u. zw. je mehr Seg- Die Form als Reiz. - 403 mente des Vorderendes entfernt werden, um so mehr Segmente werden gebildet. Es ist also jedes einzelne Segment mit Ausnahme des Hinterendes (etwa die 15 letzten Segmente) imstande, einen ganzen Wurm herzustellen. Das Tier ist bezüglich seiner Segmente also äquipotentiell. Jedes Segment kann das gleiche. Man kann ‚aber auch den Schnitt innerhalb eines Segmentes anlegen, so dab man sagen darf, jeder Querschnitt innerhalb eines Segmentes ist auch äquipotentiell. — Diese Tatsache war nun mehr oder weniger bekannt. Aber nun bildet ein solches Vorderende im Lauf der 3 oder 4 Wochen auch die gesamten Generationsorgane, männliche und weibliche Gonade, und zwar — jetzt kommt der springende Punkt — in denselben Segmenten, in welchem sich die Gonade bei den normalen Tieren befindet, also in den Segmenten 9—16, von vorn gezählt. Im Sinne Driescu’s müßte man also argumentieren: Jeder einzelne Querschnitt ist äquipotentiell, d. h. imstande das ganze Tier zu erneuern, also nicht etwa dasselbe zu leisten, denn tatsächlich leistet ja der Querschnitt im Segment No. 20 etwas ganz anderes zum Aufbau der Gonaden als der Querschnitt No. 40. Der Abstand von dem Segment 16, welches als letztes Generationsorgane trägt, beträgt das eine Mal 4 Segmente, das andere Mal 24. — Man müßte also nicht etwa nur dem einzelnen Segment die Fähigkeit, das zu bilden, was zu geschehen hat, zuschreiben, sondern auch dem ein- zelnen Querschnitt innerhalb eines Segmentes. Das Wort harmonisch bezieht sich darauf, daß das ganze Tier restituiert wird, in der Größe genau abhängig von dem übrig bleibenden Teile. Wenn: z. B. von einem federkielstarken etwa 15 cm langen Wurm nur die Regenerationstätigkeit des 2 cm langen Hinterendes beobachtet wird, - so wird das regenerierte Stück lang, schmal und dünn werden, wenn man dagegen einen gleichstarken Wurm nur die ersten 20 Segmente, also etwa 1!/, cm abschneidet, so wird auch das Regenerat, welches aus dem nun ca. 13 cm langen Hinterende auswächst, stark und dick werden, also angepaßt an die jeweilige Form des Ganzen. Man darf also nicht sagen, ja diese Würmer sind eben nur eine mehr oder weniger innige Vereinigung gleichwertiger Segmente, wo jedes ein- zelne Segment eigentlich den ganzen Wurm darstellt — das wäre der Fehlschuß eines oberflächlichen Beobachters, sondern gerade aus diesen Versuchen geht hervor, dab das übrig bleibende Stück als Ganzes wirkt, die Nährstoffe mobilisiert, kurz sich so verhält, als ob etwas da wäre, das erstens die Form und die Länge des ur- sprünglichen Wurmes bewahrte und aus dem übrig gebliebenen 404 LoTHAR GOTTLIEB TIRALA, Stück das Beste aufbaute, das gerade möglich ist. Auf Grund solcher harmonisch-äquipotentieller Systeme, von denen Driescx z.B. eines in der Gruppe der Hydrozoen (Hydra) eines in der Gruppe der Ascidien (Clavellina) fand, an welche sich das Beispiel des Criodrilus gut anschließt, zog: DRIESCH seine bedeutsamen Forderungen. Die Tatsache, daß man den Schnitt in jeder beliebigen Richtung inner- halb eines jeden beliebigen Segmentes anlegen konnte, machte die Ansicht unmöglich, es könnte sich um eine Maschinenstruktur inner- halb jedes einzelnen Segmentes handeln. Denn diese Maschinen- struktur, d. h. also eine dreidimensionale Vorrichtung zur Wieder- herstellung des Tieres, müßte bei diesen in beliebiger Richtung geführten Schnitten zerstört werden, auch wenn die Vorrichtung mikroskopisch klein wäre, wofür übrigens histologisch nicht der geringste Anhaltspunkt besteht. — Eine Maschine aber, die sich selber regeneriert, ist keine Maschine mehr. Die Verhältnisse liegen wahrhaftig so, daß das Tier, welches nicht mehr da ist, nämlich der ganze Wurm, auf die Neubildung gesetzmäßigen Einfluß nimmt, so daß also immer mit bestimmter Rücksichtnahme auf den zurück- gebliebenen Rest ein Tier neu entsteht, welches zur Zeit der Ver- letzung ja noch nicht da ist, sondern welches erst geschaffen werden soll. Ein derartiger Vorgang ist aus mechanischen Prinzipien grund- sätzlich nicht abzuleiten, daher Driescx zur Erklärung der Natur- wirklichkeit den psychischen Faktor der ,Entelechie“ einführt, welcher also in das mechanische Geschehen eingreift. Um durch dieses Eingreifen aber nicht das Gesetz der Erhaltung der Energie zu durchbrechen, nimmt der moderne Vitalismus an, daß die Ente- lechie nicht innerhalb des Potentialgefälles Arbeit leistet, sondern im selben Potentialniveau ordnend eingreift.!) Diese Vorstellung der Möglichkeit einer Arbeitsleistung innerhalb der gleichen Potential- ebene stammt von dem Physiker BoutzmAnn selbst her und ist vielleicht geeignet, die ordnende Tätigkeit der Entelechie wissen- schaftlich einwandfrei zu machen. Natürlich hat DrıEsch seine Argumente nicht nur aus der Regenerationslehre geholt, sondern aus dem gesamten Gefüge der Lehre von der tierischen Formbildung. Besonders die überraschenden Versuche auf dem Gebiete der experi- mentellen Embryologie haben DrirscH neue Waffen in die Hand 1) Vgl. hierzu E. BECHER, in: Ztschr. Psychol., Vol. 46, p. 100. Nachtrag, ibid., Vol. 48. Ferner E. BECHER, Gehirn und Seele, Heidel- berg 1911, p. 391ff. Daselbst weitere Literatur. Die Form als Reiz. 405 gedrückt. Er selbst hat ja die Tatsache entdeckt, daß die Zellen der ersten Entwicklungsstadien die gleiche „prospektive Potenz“ besitzen. Wenn aus Meerwasser das Calciumion entfernt wird, so zerfällt die Blastula eines Seeigels in ihre einzelnen Zellen. Vom 2-Zellenstadium bis zum Stadium der 64 Zellen gelingt es aus jeder einzelnen Zelle immer einen ganzen Pluteus sich entwickeln zu lassen. Jede Zelle hat, wie sich Drıesch ausdrückt, die gleiche „prospektive Potenz“. Es kann also in dem Ei keine dreidimensio- nale Vorrichtung, keine Maschine vorhanden sein, welche die Ent- wicklung ablaufen läßt. Aus dem gleichen Grunde wie bei der Regeneration; denn die Teilung in 64 Zellen müßte diese räumliche Einrichtung, diese Struktur bereits zerstört haben. Es ist gar kein Zweifel, daß ganz allgemein das Problem die tierische - Formbildung eine derartige Fülle von mechanisch nicht deutbaren Verhältnissen birgt, daß der Vitalismus hier eine sichere Stütze hat. Aber auch aus der menschlichen und tierischen Handlung selbst hat Drrescx diesen psychischen Faktor abzuleiten gesucht. Sehr frucht- bar erscheint mir da der Begriff der „historischen Reaktionsbasis“. Die Menschen und die höheren Tiere handeln auf Grund der Er- fahrung, die sie im Laufe ihres Lebens gesammelt haben, die Totalität dieser Erfahrung nennt Driescu die historische Reaktions- basis. Nun gibt es da zwei Wege, einen empirischen und einen nativistischen, selbst wenn ich im ersten Momente von den Instinkt- handlungen wegen der größeren Kompliziertheit des Problems ab- sehe. — Nach der Meinung des Empiristen ist das Tier ein un- beschriebenes Blatt, die Großhirnrinde bereit, jeden Reiz aufzunehmen und dann psychisch irgendwie verarbeiten zu lassen. Die Erinnerung müßte in der Ganglienzelle in irgendeiner Form gespeichert werden. K. C. ScHNEIDER hat in seinem „Vitalismus“ die Hypothese vertreten, daß die Ganglienzelle die Erregung, die ihr durch die Neurofibrillen zuge- führt würde, in den Nıssrv’schen Schollen speichern könnte. Auf diese Weise könnte auch die räumliche Anordnung der Reize in irgend- einer Form innerhalb der Zelle erhalten bleiben. Wenn es aber nicht das Tigroid wäre, dann würden doch wenigstens die Chondren, die kleinsten Körnchen, welche an bestimmten Punkten des Fibrillen- netzes liegen, durch den Reiz chemisch verändert und könnten auf diese Weise die Reproduktion irgendeines Bildes, um bei einem relativen einfachen Vorgange zu bleiben, ermöglichen. — Forez und Semon könnten dann auf diese Weise die Spur ihrer Engramme in den chemisch veränderten Chondren innerhalb der Zelle aufzeigen. 406 LorHar GOTTLIEB Tirana, — Mit Hilfe dieser Engrammenvorstellung und den zugehörigen Assoziationsbahnen gelingt es natürlich nicht, der tierischen oder gar menschlichen Handlung halbwegs gerecht zu werden. Erinnern wir uns nur daran, daß die gleichen Elemente je nach ihrer inneren Bedeutung geordnet werden, daß ferner die Erscheinung der Auf- merksamkeit, der freien Kombinationsmöglichkeit durchaus gegen die Engrammenlehre sprechen. — Als drastisches Beispiel im Sinne des Vitalismus müßte man folgenden Fall anführen: Ein Mann be- kommt ein Telegramm: Dein Vator -ist gestorben. Unterschrieben ist sein Freund X. Daraufhin stürzt die betreffende Person zu- sammen. Am Tage vorher bekam er ein Telegramm: Mein Vater ist gestorben. Unterzeichnet ist beide Male ein und dieselbe Person. Der Mann verzieht seine Miene zu einer Gebärde des Bedauerns. Lediglich die Änderung eines einzelnen Buchstabens kann in letzter Hinsicht über Leben und Tod des Empfängers entscheiden. *) — Das ist rein mechanistisch kaum begreiflich zu machen. — Wenn man sich im Sinne der Engrammenlehre vorstellt, daß das Wort mein in einer Zelle irgendwie festgelegt ist, ebenso das Wort dein, daß von beiden Zellen je eine Verbindung zur Zelle, in welcher das Wort Vater irgendwie aufbewahrt ist, hinzieht, daß dann von der Zelle mit dem Inhalte Vater eine ganze Reihe von Verbindungen zu allen möglichen anderen Ganglienzellen und Zellhaufen hinzieht, so ist es physiologisch tatsächlich nicht zu begreifen, wieso der Inhalt in dem einen Falle so durchaus von dem anderen verschieden ist. Es kommt eben, selbst wenn man diese hypothetische Ablagerung in den Zellen zugibt, noch immer etwas hinzu und dasist die Erfassung der Bedeutung; für diesen psychischen Vorgang eine physiologische Grundlage aufzuzeigen, kann wohl nicht gelingen. Wenn man dieses Beispiel noch fortsetzen wollte, so lassen wir demselben Manne nach 20 Jahren wieder das gleiche Telegramm zukommen, er wird es kalt beiseite legen. Da darf man wohl nicht sagen, daß diese Bahn bereits so ausgefahren ist, denn sie wurde ein einziges Mal in dieser Weise benützt. Die Empiristen also versuchen die tierische und menschliche Handlung abzuleiten einzig und allein aus den Erfahrungen, die das Tier im Laufe seines Lebens 1) Vgl. hierzu E. BECHER, Kritik der Widerlegung des Parallelismus auf Grund einer ,naturwissenschaftlichen“ Analyse der Handlung durch H. DRIESCH, in: Ztschr. Physiol. 45, p. 401—440. — Darrescx, Philo- sophie des Organischen (ausführl. Referat und kritische Besprechung von S. BECHER), in: Götting. gelehrte Anz., 1911, No. 4, p. 201—240. Die Form als Reiz. 407 gesammelt hat. Auf dieser Seite stehen natürlich die Mechanisten, die Materialisten und die gerade dieser Gruppe zuneigenden Natur- forscher. Den schroffen Gegensatz zu den Vitalisten mit ihrer Entelechie habe ich ja eben zu zeichnen versucht. Es gibt aber einen dritten, den nativistischen Standpunkt oder, wie wir ihn mit UEXKÜLL nennen, den biologischen. — Wie immer man sich zum Vitalismus stellen mag, zugeben muß man, daß diese Lehre viel An- klang und Ähnlichkeit mit dem alten Dualismus hat. Ich erachte es aber für unwissenschaftlich, eine Lehre nur deshalb abzulehnen, weil sie mit irgendeiner uns z. B. nicht passenden Lehre an - manchen Stellen übereinstimmt. — Aber der Tatsache können wir uns nicht verschließen, daß der Vitalismus aus dieser Übereinstimmung mit älteren Anschauungen viel Feinde hat. Die dritte Auffassung, die biologische, ist auch die meinige. Ihr hervorragendster Vertreter ist J. v. UEXKULL. Von diesem Standpunkte aus werden die bestehenden Verhält- nisse, d. h. also die Trennung der Welt in eine belebte und eine unbelebte anerkannt. — Der Biologe sucht nicht auf allen mög- lichen Schleichwegen die Unterschiede wegzudisputieren, so wie es die verschiedenen Metaphysiker aller Schulen, seien es nun Mate- rialisten, seien es Monoisten, allenthalben versuchen. Über. die end- gültige Ableitung der einen Welt von der anderen enthält sich die Biologie jeder Aussage, genau so wie Kant bei seiner: Analyse des menschlichen Bewußtseins ausdrücklich gesagt hat, er lasse es offen, ob die beiden Hauptstämme des menschlichen Geistes Spontanität und Rezeptivität, Denken und Anschauung auf eine gemeinsame Wurzel zurückgehen. — Denn die Biologie will Naturwissenschaft sein und keine Metaphysik und eine Naturwissenschaft soll sich grundsätzlich keine Gedanken über letzte Ursachen und Ursprünge machen. — Wenn das der einzelne Forscher dennoch tut, so treibt er eben Privatmetaphysik. Die Biologie verkündet die Autonomie, d. h. die Eigengesetzlichkeit des Lebens. Die Biologie muß als selbständige Grundwissenschaft anerkannt werden. Ihre Gesetze haben mit den Gesetzen der Physik und Chemie nichts Gemeinsames. Fragen, welche auf dem einen Gebiete höchst wichtig sind, sind auf der anderen Seite direkt unverständlich. Was soll es für einen Sinn haben, in der Chemie von Regulation, von Zweckmäßigkeit, von Planmäßigkeit, von Zielstrebigkeit zu sprechen? Man mib- verstehe mich nicht. Gewiß wird es immer die Aufgabe der Phy- siologie sein, die Gesetze der Physik und Chemie auf den lebenden 408 LOTHAR GorTTLies TiRALA, Organismus anzuwenden. Deshalb muß die Physiologie immer ver- suchen, den Mechanismus aufzudecken, welcher in jeder Lebens- gestalt tätig ist, anders ausgedrückt: Da jeder Organismus auch eine Maschine ist, so ist es die Aufgabe der Physiologie, die Ein- richtung dieser Maschine auf das genaueste zu erkunden, die Funk- tion jedes einzelnen Organes vollkommen darzulegen, den Weg der gegenseitigen Beeinflussung festzustellen. Wenn es sich aber darum handelt, die Gesetze der tierischen Formbildung, Planmäßigkeit und Zweckmäßigkeit im Aufbau des Körpers, Zielstrebigkeit in der Handlung des Lebewesens aufzufinden, da haben die Gesetze der Physik gar keinen Sinn mehr. Da muß man die Eigengesetzlich- keit des Lebens, die Autonomie anerkennen. Ich glaube, daß dieser Lehre die Zukunft gehört, weil da ohne Voreingenommenheit, ohne versteckte Metaphysik, weder aus Feindschaft gegen den Mechanis- mus, noch aus Freundschaft für den Vitalismus den Tatsachen ihr Recht gelassen wird. Gleich bei dem ersten Problem, dem Problem der Urzeugung . wird sich dieser Standpunkt in seiner Natürlichkeit viele Freunde erwerben müssen. Während die Mechanisten seit Jahrzehnten ver- künden, es muß einmal eine Urzeugung gegeben haben, der zufolge aus dem Anorganischen plötzlich Organisches, also das Protoplasma einer Amöbe wurde, steht der Biologe auf dem Standpunkte, daß er im Reiche des Organischen gar nicht um den Ursprung fragt, sondern die Gegebenheit der Organismen annimmt, genau so wie es doch eigentlich ein müßiges Spiel der Phantasie ist, über die Entstehung der Atome nachzudenken oder über die erste Bewegung. Das überläßt der Physiker, soweit er wissenschaftliche Physik und nicht etwa unbewußt Metaphysik treibt, ruhig dem Metaphysiker. Wenn aber die Mechanisten etwas schärfer zudrängen und mit dem Argument kommen: Weil die Erde sich noch vor so und soviel Millionen Jahren im feurig flüssigen Zustande befand, währenddessen das Leben hier nicht möglich war, das Leben aber jetzt doch den Erdball überzogen hat, so müßte es eben einen Anfang haben: dann muß die Biologie die Ewigkeit des Lebens vertreten auf Grund der Anschauung, die in modernster Form Svante ARRHENIUS vertritt, eine Anschauung, die aber uralt und schon bei den Griechen auf- getaucht ist: die Panspermie, d.i. die Erfüllung des ganzen Welten- raumes durch Keime und Sporen wird in einer etwas abgeänderten Form wieder eingeführt. Nach ARRHENIUS reicht der Strahlendruck aus, um Sporen von einem Weltkörper zum anderen zu befördern. Die Form als Reiz. 409 Hezmaozrz hat auch an die Meteoriten gedacht als Vehikel, um Sporen von einem Weltkörper zum anderen zu befördern. Es ist tatsächlich in diesem regressus ad infinitum kein Zurückweichen vor der Lösung einer Frage, sondern eine grundsätzliche Auffassung zu ersehen, die besagt: Überall dort, wo die Bedingungen für das Fortkommen und die Weiterentwicklung von Lebewesen gegeben sind, dort treten die Lebewesen auch auf. Die Vitalisten, z. B. J. RENKE, welcher eine Schöpfung postuliert und die Mechanisten, welche die generatio aequivoca die Urzeugung, als einen ihrer wichtigsten Glaubenssätze, aufgestellt haben, sind gleichermaßen unbefriedigt. Der Biologe hingegen hält diesen Standpunkt über- haupt für den einzig wissenschaftlichen. Man muß an die Natur herantreten und Frage auf Frage stellen, das Unerforschliche aber schweigend verehren. Ganz allgemein gesprochen liegt das Problem für den einzelnen Forscher immer darin, entweder zu fühlen, wann das Unerforschliche beginnt — das ist eine Frage des Taktes, der Intuition, und kann daher auch nie gelehrt werden — oder wenn er philosophischkritisch geschult und veranlagt ist, die Grenzen natur- wissenschaftlichen Erkennens richtig abzustecken. Wie sich die Biologie zu den anderen wichtigsten Problemen stellt, soll nun kurz dargelegt werden. — Schon bei dem Probleme der Ontogenese wird ein neues Licht auf die Biologie fallen. Die Verteidiger des Mechanismus sehen in der tierischen Entwicklung aus dem Ei zum erwachsenen Organis- mus lediglich das Aufeinanderfolgen bestimmter chemischer Prozesse. Der Vitalist betont nun, daß die planmäßige Aufeinanderfolge der einzelnen Prozesse nur unter der Leitung der Entelechie vor sich gehen kann. Der Biologe hingegen betont die Planmäßigkeit, ohne deshalb eine neue metaphysische Realität in das Naturgeschehen einzuführen. Er ist vorsichtiger, bescheidener, wenn man will zurück- haltender. Wenn die Entwicklung eines Seeigels z.B. aus der Ei- zelle auf eine Struktur im Protoplasma bezogen werden müßte, wie es doch bei. jeder mechanischen Auffassung bewußt oder unbewußt angenommen wird, dann müßte z.B. die Abtrennung von 2 Zellen im 32. Zellenstadium bereits eine schwere Störung der gesamten Entwicklung zur Folge haben. Es kann also der Bauplan eines Tieres im Protoplasma des Keims auf keinen Fall irgendwie struk- turell vorgebildet sein. Die Entwicklung des Einzelwesens geht tat- sächlich so vor sich als ob ein Plan da wäre, der mit den vor- handenen Mitteln zur Ausführung gelangen sollte. Wenn man aber 410 Loraar GOTTLIEB TIRALA, die Einzelentwicklung, wie UExKkÜLL es tut, mit dem Bau eines Hauses vergleicht, so ist die einzelne Zelle infolge der Regulations- fähigkeit des sich bildenden Lebewesens einmal Haustür und einmal Dach geworden, um es im Bilde auszudriicken oder um bei unserem Beispiel von dem Seeigel zu bleiben, es kann dann bei dem Pluteus, wie die Larve des wachsenden Tieres heißt, dieselbe Zelle einmal zum Aufbau des Mundes, das anderemal zum Scheitelpol verwendet werden. — Wir können daraus mit Sicherheit schließen, daß der Aufbau des einzelnen Individuums nicht nach einer irgendwo vor- handenen Struktur vor sich geht, sondern daß das Tier nach einem Plan entsteht, welcher das vorhandene Material — die einzelne Zelle — je nach der augenblicklichen Erfordernis benützt. Die Entwicklung läuft so ab, als ob der Plan sich nach den vorhandenen Mitteln durchsetzen wollte, das Ziel, der fertige Organismus, soll erreicht werden. Ein solches Geschehen nennen wir ein zielstrebiges. K. E. v. Barr hat den Namen der Zielstrebigkeit geprägt. In den letzten 50 Jahren des vorigen Jahrhunderts glaubte man in weiten Kreisen der Naturforscher diesen Begriff entbehren zu können, heute wissen wir, dab wir ohne diesen Begriff nicht auskommen können. | Aber nicht bloß der planmäßige Aufbau der Lebewesen soll von der Eigengesetzlichkeit des Lebens abgeleitet werden, wie es die Biologie will, der Vitalismus geht weiter und versucht auch das Funktionieren der Organe auf eine Lebenskraft oder die „Regulation“ zurückzuführen. Diesen Weg hat sowohl JENNINGS als K. C. SCHNEIDER betreten. JENNINGS, der ausging von der regulativen Tätigkeit der Protozoen, speziell der Amöben konnte zeigen, daß diese Tiere keine fertige Struktur haben, sondern die Struktur erst im Momente des Bedarfes schaffen. Da seine grund- legenden Untersuchungen sich aber vor allem auf diese spezielle Gruppe der Einzelligen bezog, mußte ihm die Form, die Struktur als etwas mehr oder weniger nebensächlich erscheinen. Jede Re- aktion ist für ihn eine Regulation; das Bedürfnis der Amöbe schafft das neue Organ, mit dem sie die Befriedigung dieses Bedürfnisses bewerkstelligt. Der Gedanke hat viel für sich, daß sich jeder Or- ganismus in einem gewissen Gleichgewicht mit seiner Umwelt be- findet, sobald aber eine Störung in den Beziehungen zu seiner Um- welt eintritt, dann tritt auch eine Veränderung in dem Verhalten des Tieres ein, das Tier versucht sich in denselben Gleichgewichts- zustand zurückzuversetzen, was ihm nach einigen Versuchen und Die Form als Reiz. 411 Fehlgriffen auch gelingt (Trial and Error). Bei diesem Gedanken- gange ist das Teleologische in der Reaktion des Tieres die Haupt- sache. — K.C.SCHNEIDER, welcher als früherer Histologe doch mehr Achtung vor der Struktur hat, vertritt immerhin einen ähnlichen Standpunkt. Auch der Reflex gilt ihm nicht mehr als ein einfaches mechanisches Antwortgeschehen, wie es dem Physiologen geläufig ist, sondern er versucht in ihm ähnlich wie Wunpr, der ja den Reflex als eine automatisierte Handlung auffassen wollte, ein teleologisches Element, eine Zweckvorstellung aufzuzeigen. Gerade an diesem Punkt aber, wo die schärfste Analyse am nötigsten wäre, versagt meiner Ansicht nach seine Beweisführung vollkommen. Denn deshalb, weil ein Mensch, der einen dunklen Gegenstand an seinem Kopfe vorbeischwirren fühlt, sei es nun ein Stein oder ein Spatz, mit dem Kopfe zurückfährt, wo doch offenbar die Vorstellung der Gefahr und die Zweckvorstellung des sich Schützens an der gleichen Reaktion wenn auch früher einmal beteiligt war, deshalb gleich bei sämtlichen Reflexen eine Zweckvorstellung als zentrales Glied anzunehmen, halte ich für ganz und gar ungerechtfertigt. An anderer Stelle, wo ScHNEIDER sich mit dem gleichen Probleme beschäftigt, setzt er sich noch leichter darüber hinweg, indem er erklärt, Reflexe gebe es nur an lebenden Organismen, in jedem lebendigen sei aber ein gewisses Mai von Bewußtsein, daher müsse auch beim Refiexvorgang Bewußtsein beteiligt sein. Der Beweis ist meines Erachtens jedenfalls nur obenhin versucht, überzeugen wird diese Argumentation niemanden, außer er glaubt im Vorhinein, daß Leben und Bewußtsein identisch sind. Dieser letzte Satz, welcher dem Laien so ganz und gar selbstverständlich erscheint, daß er von dem Zorne oder der Trauer der Bienen spricht oder von der Dummheit der Fliege (siehe Forrr’s: „Leben der Insekten“), dünkt dem Mechanisten eine Ungeheuerlichkeit. Denn er geht ge- rade darauf aus, das Bewußtsein aus dem Gehirn und der darin aufgefundenen Struktur abzuleiten. Die Laien, die Monisten, die Vitalisten und die Tierpsychologen sprechen von der Tierseele, als ob das eine Selbstverständlichkeit wäre. Diese Art Gedanken- dichtung, Metaphysik, dem Tier bestimmte psychische Eigenschaften zuzuschreiben, auf Grund der Handlungen der Tiere ihrer Psyche gewisse Eigenschaften zu oder abzusprechen, hat unsere Wissen- schaft nicht gefördert. UrxküLz blieb es vorbehalten, der Biologie eine entscheidende Wendung zu geben. Es soll nicht mehr Aufgabe des Naturforschers Zool. Jahrb. 39. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 28 412 LoTHAR GOTTLIEB TirALA, sein, sich irgendwelche Vorstellung über die Seele dieses oder jenes Tieres zu bilden, sondern wir sollen klarstellen, welcher Gegenstand. unserer Welt in der Welt des Tieres auch vorkommt. Ein Beispiel wird diese Fragestellung sofort klarstellen. In der Schlacht bei St. im August 1914 weideten zwischen unseren Batterien und dem Feinde eine Herde Rinder, welche sich durch den ungeheuren Lärm der Schlacht, das Krachen der Kanonen und das Platzen der Gra- naten und Schrapnells nicht im geringsten in ihrer Freßtätigkeit stören ließen. Dieses Ereignis war für sie einfach nicht da, der Gegenstand Kanone, Granate existierte so durchaus nicht in der Welt dieser Tiere, daß sie in ihrer Tätigkeit unbehindert weiter fortfuhren. | Es handelt sich also nicht darum, sich in das für uns voll- kommen incommensurable Seelenleben eines Tieres zu versenken und auf diese Weise Tierpsychologie zu treiben, sondern darum, die Re- aktionen der Tiere zu studieren, Reaktionen, welche durch den Aus- schnitt aus unserer Welt, der auf sie wirkt, hervorgerufen wird: Diesen Ausschnitt aus unserer Welt nennt UExKÜzz ihre Merkwelt. Hat Kant seinerzeit verkündet: Unsere Welt ist eine Welt der Erscheinung, SCHOPENHAUER noch einen Schritt weiter gehend: Die Welt ist unsere Vorstellung — so lehrt UExküzz: Unsere Welt ist Merkwelt, d. h. wir kennen von der Welt, die uns umgibt, nur eine mehr oder weniger große Anzahl von Merkmalen, auf Grund welcher wir vermöge des Zwanges unserer Organisation unsere Welt auf- bauen. Jedes einzelne Sinnesorgan eines Tieres oder eines Menschen ist bildlich gesprochen ein Filter, welcher nur einen Teil der Reize durchläßt. Ich erinnere nur daran, dab nach unserer heutigen physikalischen Vorstellung alle die Schwingungen im Äther, welche sich in 1 Sekunde mehr als 390 Billionen mal wiederholen, unseren Sinnesorganen verloren gehen, auf sie überhaupt nicht einwirken und Licht und Farbe nur durch die Schwingungen mit einer Frequenz von 400—700 Billionen in 1 Sekunde erzeugt werden. Unsere Sinnesorgane also treffen eine Auswahl. Und erst nach dieser Aus- wahl wird die Erregung in das Zentralnervensystem weiter geleitet auf isolierten Bahnen, welche im einfachen Falle in ein Nervennetz oder eine Gruppe miteinander verbundener Ganglienzellen, ein Zentrum, einmünden. Da werden die aus den einzelnen Sinnesgebieten kommenden Erregungen, also die einzelnen Merkmale zu einem Gegen- standskern, einem Schema, wie es UEXKULL nennt, zusammengefaßt. Um ein einfaches Beispiel zu geben. Der Gegenstand — eine vier- Die Form als Reiz. 413 eckige Bleiplatte — setzt sich zusammen aus den Merkmalen: vier- eckig, grau, schwer, hart, sound sogroß, und er wird jedesmal wieder in meinem Bewußtsein auftauchen, wenn die gleiche Merkmalskombi- nation vorkommt. (Er wird vielleicht manches Mal auftreten, wenn auch nicht alle Merkmale gegeben sind.) Unsere Welt setzt sich aus lauter solchen Gegenständen zusammen, denn die feste Ver- bindung einer derartigen Kette von Merkmalen nennen wir Gegen- stand. Der Reichtum unserer Welt — bleiben wir vorläufig bei der anschaulichen Welt — beruht auf der Anzahl der Merkmale, welche unser Nervensystem getrennt aufzunehmen imstande ist und auf der Zahl der im Gehirne vorhandenen Schemata, d. h. der einer solchen Merkmalskombination entsprechenden, festen een von Ele- menten des Nervensystems. Der Biologe sucht also bei den Tieren grundsätzlich nicht mehr ihre Psyche, sondern versucht die Merkmale festzustellen, welche in ihrer Merkwelt vorkommen und wenn sie hoch genug organisiert sind, die Schemata oder Gegenstandskerne aufzuzeigen, die dem Tiere erst zu eigen sind, wenn es Gegenstände in seiner Merkwelt besitzt; denn es gibt natürlich eine ungeheuer große Anzahl von Tieren, welche mit den wenigen Merkmalen und bei dem niedrig stehenden Zentralnervensystem nicht imstande sind, irgendwelchen Gegenstand aufzubauen. Wir würden aber nicht die ganze Fülle des Lebens fassen, wenn wir die Tiere lediglich vom Standpunkte ihrer Merkwelt betrachten wollten, denn jedes einzelne Tier gehört mit seinen Muskeln, seinen Drüsen, seinem Verdauungsapparat und Geschlechtswerkzeugen und mit seinen Handlungen zu der uns allen gemeinsamen Außenwelt, oder wie es UEXKULL nennt, zur Wirkungswelt. Die Wirkungs-, richtiger Wirkenswelt, ist sozusagen die objektive Welt, die Welt der reflektorischen Organe, im Gegensatze zur re- zeptiven Welt, der Merkwelt. Das Verhältnis dieser beiden Welten ist eines der kompliziertesten, deshalb habe ich ja auch schon früher gesagt, daß fast jeder Forscher seine eigene Lösung findet. Je tiefer das Tier auf der Stufenleiter steht, desto mehr klafft der Unterschied zwischen beiden, manchmal scheint es überhaupt keine Verbindung zwischen den beiden zu geben. Dafür will ich sofort ein Beispiel geben. Eine Scyphomeduse schwimmt oder besser gesagt schwebt frei im Meere. Der Schirm wird durch die Ring- muskeln nach oben stark gewölbt und bei Erschlaffung der Ring- muskeln wieder abgeflacht. Darauf beruht die Schwimmbewegung. Schirmschlag nach unten infolge der Kontraktion der Muskeln ist 287 414 Loruar Gorriies TiRALA, — stärker als Schirmabflachung und der dadurch erfolgende Schlag nach oben, daher treibt die Meduse an der Oberfliche des Meeres. Durch diese Schirmbewegung wird auch der Magen rhythmisch er- weitert, es wird also gleichzeitig mit der Bewegung des Wassers auch die Nahrungsaufnahme und die Atmung sicher gestellt. Die reflektorischen Leistungen Schwimmen, Fressen, Verdauen und Atmen sind also auf diese Art und Weise gegeben. Die Rezeptionsorgane bestehen nur aus acht runden Körpern, primitiven Statocysten, in denen einSteinchen auf ein Kissen von Nervenfasern aufschlägt und derart einen einzigen Reiz erzeugt, welcher dem Nervensystem dieser Meduse zuge- leitet wird. Von wem immer die Erschütterung der Meduse herrührt, die sie beispielsweise erfährt, ob sie von einer Welle an einen Stein © angeworfen wird oder ob sie sich zwischen den Algen verfängt, das ist ihr ganz und gar unerfahrbar, unzugänglich. Wenn man alle Rand- körper mit der Schere entfernt, bis auf einen, schlägt sie ruhig weiter, erst wenn auch dieser letzte Randkörper festgehalten wird, stellt sie ihre Bewegung ein. Ihr eigener Körper erzeugt den Reiz in ihrem Randkörper, welcher den rhythmischen Ablauf ihrer Schwimm- bewegung zur Folge hat. Sämtliche Einflüsse der Außenwelt, der Merkwelt, sind nur imstande, die Bewegung des Steinchens zu fördern oder zu hemmen. Sie kommt, so scheint es, mit einem ein- zigen Merkmal in ihrer Welt aus. Daß die Wirkungswelt, zu der ja auch die eigenen reflektorischen Organe gehören, kis hinauf zum Menschen weitaus die Merkwelt überragt, geht aus dem Verhalten der Jakob Pilgermuschel — Pecten jacobaeus, das wiederum UÜEXKÜLL zergliedert hat, unzweideutig hervor. Das hoch komplizierte Auge von Pecten jacobaeus ist allgemein bekannt. Cornea, zwei Sehzellen- schichten, seitwärts und hinten durch Pigment isoliert, eine Linse, ja selbst Muskeln zur Akkommodation des Auges sind vorhanden — mit einem Wort — höchst komplizierte Wirkungswelt. Und dennoch wie einfach ist noch diese Merkwelt! Ein Schatten, von wo immer er auch auf das Tier fällt, welches ja in seinem ganzen Mantelrand eine große Anzahl Augen besitzt, bewirkt, daß die kurzen Tentakel sich von den Augen wegstrecken und auf diese Weise dem Tier freien Ausblick gegen die androhende Gefahr bieten. Der ärgste Feind dieses Tieres ist der Seestern. Wenn also jetzt ein Gegen- stand, der ungefähr die Größe eines Seesternes besitzt, sei es nun die menschliche Hand oder eine gleich große Bleiplatte in einiger Entfernung vor dem Tiere erscheint, so erschlaffen die großen Ten- takel, dadurch strömt Wasser in sie ein und sie flattern dem Feind Die Form als Reiz. 415 als ,Wimpel“ entgegen. Wenn jetzt der chemische Reiz, welcher von dem Seestern ausgeht, auf die Tentakel zu wirken beginnt, werden die Schließmuskel der Schale erregt, sie klappt zusammen und die Muschel schwimmt rückwärts. Wir können aus der Analyse dieses Vorganges behaupten, daß in der Merkwelt der Muschel das Merkmal „so groß wie ein Seestern“ vorkommt, daß aber dieses Merkmal weiter mit keinem anderen Merkmal wie Farbe oder be- sondere Form verknüpft, sondern lediglich mit dem bestimmten chemischen Reiz, welcher also von einem anderen Sinnesorgan ge- liefert wird, gekuppelt ist. Das Merkmal der Größe „ungefähr so groß wie“, ist gewiß von dem Merkmal einer bestimmten Form noch weit entfernt. Diese drei Merkmale Schatten, handgroße Fläche, chemische Veränderung reichen in der Merkwelt der Pilger- muschel aus, um den Gegenstand „Feind“ entstehen zu lassen, zumal da diese drei Merkmale noch in einem bestimmten zeitlichen Verhältnis stehen, ein Zeitschema, wie sich UExkKÜLL ausdrücken würde. UEXKULL meint nun, daß ein Merkmalskomplex erst dann zu einem Gegenstande geformt wird. wenn diesen einzelnen Merkmalen eine feste räumliche Verknüpfung der Zellen im Zentralnervensystem ent- spricht, eine feste Verknüpfung, die er Schema nennt. Dieses Schema bildet in primitiver Art die Form der Gegenstände der Um- welt wieder. Wenn z. B. der Hecht auf eine sich drehende weiße Blechscheibe losstürzt und zuschnappt. wie man es beim Fischen mit der Schleppschnur zu beobachten Gelegenheit hat, so schließt der Biologe daraus, daß in dem Hirn des Hechtes ein räumliches Schema für die Beute vorhanden ist, welches in der allereinfachsten Form sowohl eine bogenförmige Begrenzung oben als unten besitzt und durch das Bild dieser Blechscheibe erregt wird. Von dem Schema Beute gehen die Verbindungen zu den reflektorischen Or- ganen, welche das Hinschwimmen und Zuschnappen besorgen. Durch Vereinfachung der Nachbildung des Beutetieres kann die Biologie schließlich auf das Schema schließen. Es ist natürlich für den Forscher eine große Gefahr aus dem Gegenstande der Merkwelt auch auf die bestimmte Form des Schemas im Hirn schließen zu wollen, einer Gefahr, der UExKÜLL, wie ich meine, nicht immer ent- gangen ist. Denn es wäre ganz gut möglich, daß das Schema mit dem Bilde auf der Netzhaut nicht die geringste räumliche Ähnlich- keit. hätte, also z. B. dem Bilde eines Kreises ein dreieckiges Schema zugeordnet wäre. Es ist allerdings am einfachsten anzunehmen, daß das Formschema im Gehirn nur eine vereinfachte Abbildung des 416 LoTHAR GOTTLIEB TIRALA, Bildes auf der Netzhaut ist. Die Tatsache aber, daß auch beim Menschen die Fasern und Zellen in der Sehbahn und in der Seh- rinde genau so liegen wie in der Retina, — die Fasern aus der Dorsalhälfte der Retina liegen in der Sehbahn dorsal, die aus der ventralen ventral — würde nur dafür sprechen, daß das Projektions- bild auf der Sehrinde dem Bilde auf der Retina ziemlich genau gleiche. In der Sehrinde würden also die Zellen in der gleichen Art erregt werden wie in der Retina. Das Projektionsbild ist aber nicht das Schema. Von dort erst muß die Erregung zu dem bereit liegenden Schema fließen, dessen Form man daraus zu erschließen vermöchte, daß man die verschiedenen Gegenstände, welche gleiche Reaktion bewirken, auffindet, so daß man dann von dem Unterschied der Gegenstände absehen und sozusagen das „Urbild“ dieser Gegen- stände als Schema ansprechen könnte. Es ist nun sehr reizvoll, die bisher absichtlich oder unabsicht- lich durchgeführten Untersuchungen über die Merkwelt der Tiere, vor allem da wo es vielleicht noch am leichtesten ist, auf dem Ge- biete der Formwahrnehmung zu verfolgen. Der Organismus, der auf der Stufenleiter der Organisation recht tief steht und dessen Merkwelt bereits Formen enthält, wie sich die Biologie ausdrückt, oder auf den eine bestimmte Form als spezifischer Reiz wirkt, wie es die Physiologie ausdrückt, ist der Regenwurm. Ich will hier absehen von den Aktinien, bei denen bekanntlich Sagartia sich die von Einsiedlerkrebsen bewohnten Schneckenschalen aussucht, um sich darauf festzusetzen, ja wenn sie auf der Schale einen ungünstigen Platz hat, sich einen besseren Platz auszusuchen imstande ist, denn es steht die genaue Analyse dieser Handlung noch aus, doch wird man bereits in der Merkwelt der Aktinien ohne bestimmte Formen nicht auskommen. — Also zurück zum Regenwurm. Schon Darwin hatte entdeckt, daß die Regenwürmer verschiedene Objekte in ihre Erdlöcher hineinziehen, vor allem Blätter. Diese Blätter werden aber mit der Spitze voran hineingezogen, wie es am zweckmäßigsten ist, nicht etwa mit dem Stiel oder mit der Breitseite. Rhododendronblätter aber, welche sich an der Basis leichter zusammenrollen lassen, werden mit der Basis vorne in die Röhre hineingezogen. HAnEL konnte zeigen, daß der Regenwurm Dreiecke aus Papier immer mit dem kleinsten Winkel vorne in sein Erdloch hineinzieht und zwar nachdem er das Dreieck einmal umkrochen hat. Diese Leistungen werden auf die Angaben des Muskelsinnes begründet. Anstatt also mit der alten Tier- Die Form als Reiz. 417 psychologie zu sagen, der Regenwurm empfindet die Länge der Seiten und schließt daraus, daß der spitze Winkel am leichtesten in seine Höhle hineingezogen werden könnte, sagt der Biologe: In der Merkwelt des Regenwurms kommen Dreiecke vor. Während im ersten Fall alle möglichenAnnahmen metaphysischer Art gemacht werden müßten, wird im zweiten Falle wirklich nur in exakter Weise das Verhalten des Regenwurms auf die einfachste Formel gebracht. Wenden wir uns einer höheren Gruppe zu, den Arthropoden und greifen z. B. die Klasse der Arachnoidea heraus. Das Verhalten der Kreuzspinne ist recht genau untersucht worden. Gewiß besitzt das Tier, welches ein hoch kompliziertes Radnetz baut und diesen Bau den jeweils herrschenden Umständen anpaßt, eine hoch entwickelte Merkwelt. Aber man ist doch verblüfft, wenn man sieht, daß das Schema eines Beutetiers schon so genau differenziert ist, daß eine gewöhnliche Fliege, die sich im Netz gefangen hat, ruhig verzehrt wird; wenn es dagegen eine Biene oder eine Bienenmimikry treibende Fliege Helophilus ist, so rührt die Spinne diese Beute nicht an, sondern zieht sich in ihr Netz zurück. Hier ist die Trennung von Futter und Feind bereits deutlich vollzogen und der Gegenstand Beute merkmalsreicher als der „gleiche“ Gegenstand in der An- schauung eines Städters. Ziehen wir nun die Libellen in den Kreis unserer Betrachtungen. Ich gebe einen kurzen Auszug aus den Versuchsprotokollen. Die Versuche wurden von Mai bis November in Südungarn angestellt — ein auffallend warmer Herbst begünstigte die Versuche. — Ein etwa 1 cbm großer Käfig — Holzrahmen mit grünem Flor überspannt — diente dazu, operierte Tiere längere Zeit beobachten zu können. Die Libellen besitzen bekanntlich Facettenaugen und Ocellen. Die Ocellen sind sehr kompliziert gebaut, besitzen eine Linse, 2 Schichten von Sehzellen, ein Tapetum usw. Die Fragen, die beantwortet werden sollten, waren folgende: 1. Benötigen die Libellen die Ocellen zum Fliegen und Orientieren ? 2. Wie fliegen die Libellen mit nur einem Seitenauge — kommt ein binokularer Sehakt vor? 3. Wie schaut das Schema des Beutetieres aus? 12./8. 3 h nachm. Einer Libelle sämtliche Stirnocellen entfernt. Vielleicht bei der Operation leicht gedrückt, da sie zwischen den Armen einer feinen Pinzette vorsichtig gehalten wurde. Sie fliegt während des ganzen Nachmittags nicht mehr. 418 LOTHAR GOTTLIEB TIRALA, 4 h. Lebhaftes Flügelschlagen, ohne aber mit den Füßen los- zulassen. | 13./8. früh. Sie sitzt ganz normal, Fliegen und Mücken, die ihr in den Käfig hineingebracht werden, nimmt sie nicht. — Sie sitzt manchmal so, daß sich ihre Flügel verbiegen. Im Laufe des Vormittags fängt sie an herumzufliegen. 7,4 h nachm. Sie wird im Freien ausgelassen, fliegt zuerst genau in der Richtung der Sonnenstrahlen, der Sonne den Rücken zugekehrt, etwa 6 m, dann macht sie scharf kehrt und fliegt in der genau entgegengesetzten Richtung weg. 13./8. 2h nachm. Einer Libelle, die zwischen den Fingern ge- halten wird, werden die Ocellen exstirpiert. Nach einer kurzen Pause wird sie in den Käfig gesetzt. Sie fliegt sofort in die dunkelste Stelle des Käfigs. 3 h nachm. Fliegt viel herum, wobei sie fortwährend mit dem Kopfe in die Decke des Käfigs stößt (das kommt aber bei jeder frisch gefangenen Libelle vor). 4h nachm. Wird frei gelassen und fliegt geradeaus weg, ohne daß man einen Unterschied zwischen ihr und einer normalen be- merken kann. 15./8. Bei 2 Libellen werden die Ocellen lackiert. Die eine fliegt ohne Zögern und so rasch fort, daß eine weitere Beobachtung unmöglich ist, die andere bleibt über Nacht im Käfig und fliegt am 16./8. ohne irgendein Zeichen der Störung fort. 16/9. 2 h nachm. 2 Libellen werden die Ocellen lackiert und ein feiner Seidenfaden an den Hinterleib gebunden, die Tiere dann auf je eine Zweigspitze eines Johannisbeerstrauches gesetzt. Sie fliegen wiederholt mit aller Sicherheit auf und finden auch richtig wieder Sitz. — Die eine fliegt, nachdem der Seidenfaden besser gebunden, wiederholt sehr schön fort und sucht sich einmal hoch, einmal niedrig einen neuen Ruheplatz. — Wird am Seidenfaden zurückgeholt. 16./10. 1,3 h nachm. Einer Libelle werden sorgfältigst beide Facettenaugen lackiert, die Ocellen frei gelassen. Während alle anderen Libellen an der Decke des Käfigs sitzen, sitzt diese am Boden. Freigelassen fliegt sie gleich fort, stößt aber an den nächsten Baum und schwebt dann steil in die Höhe. — Beobachtung weiter unmöglich. 17.110. Bei 2 Libellen werden nur die Facettenaugen lackiert. — Die erste fliegt gleich weg, die 2. später, beide fliegen geradeaus. 2./11. 1,3 h nachm. 3 Libellen die Seitenaugen lackiert, Stirn- Die Form als Reiz. - 419 augen frei. Seidenfaden um das Abdomen. — Die Tiere fliegen von selbst auf. — Beim Anfliegen an den Ruheplatz beobachte ich deut- lich Unsicherheit, z. B. fliegt eine wiederholt an eine Mauer an. In der Dämmerung — von 1,5 han — fliegt keine mehr auf. 2 sitzen auf der Erde, eine auf einem Holzstoß. 3/11. 1,9 h früh. In der Sonne werden alle sehr lebendig. Eine befreit sich aus der Seidenschlinge und fliegt weg, indem sie in Spiralen höher steigt. 4/11. 2 h nachm. 2 Libellen werden beide Facettenaugen weg- geschnitten, sie fliegen auf einem freien Platz gleich fort, ohne daß man eine Unsicherheit merkt. 6/11. 3 h nachm. 2 Libellen werden Stirn- und Seitenaugen lackiert. Sie bewegen anfangs heftig die Flügel, fliegen aber nicht, sondern bleiben sitzen. 7/11. 3 h nachm. 4 Libellen werden die Stirnaugen und die obere Hälfte der Seitenaugen lackiert. Kurze Zeit — einige Mi- nuten — sitzen sie am Boden, dann fliegen sie sehr steil in die Luft. 2 steigen kirchturmhoch und verschwinden, 2 andere fliegen auf 2 hohe Bäume und setzen sich dort nieder. 10./11. 3 h nachm. 2 Libellen werden die Stirnaugen und die obere Hälfte der Seitenaugen lackiert. Sie 2 gleich hoch und rasch weg. 2 Libellen werden die Stirnaugen und die untere Hälfte der Seitenaugen lackiert. Auch sie fliegen hoch und rasch weg. 15./11. 2 Libellen werden die Stirnaugen und die obere Hälfte der Seitenaugen lackiert. Eine fliegt gleich ohne Verzug weg, sehr hoch, weitere Beobachtung unmöglich; die andere fliegt später ohne Störung weg. Versuche über den Wert des binokularen Sehens. 31./7. 2 h nachm. Einer Libelle werden die Ocellen und das rechte Seitenauge lackiert. — Nach einigen vergeblichen Bemühungen, den Lack zu entfernen, benimmt sie sich ganz normal, fliegt fort, wird durch einen Seidenfaden am Weiterwegfliegen verhindert. Fliegt einige Male von ihrem Sitze auf und kehrt zurück. Wenn sie am Seidenfaden von ihrem Sitze weggezogen wird, fliegt sie weiter und setzt sich mit vollkommener Sicherheit auf ein Blatt. — Die Haltung ist normal, der Kopf wird beim Fliegen nicht bewegt. 3 hnachm. Es wird auch das linke Seitenauge lackiert, sie versucht den Lack abzuwischen und sitzt nach dem vergeblichen 420 'LoTHAR GOTTLIEB TIRALA, Versuche ruhig. Wenn ich sie mit Hilfe des Seidenfadens zum Fliegen zwinge, so fliegt sie in größeren oder kleineren Spiralen, ‘ stößt an allen in der Nähe befindlichen Gegenständen (Strauch, Tisch, Sessel, Käfig) an und ist selbst bei richtigem Anfliegen an einen Gegenstand, nicht imstande, sich anzuklammern. — Kommt sie auf die Erde, so klammert sie sich an und fliegt nicht weiter. Solange sie ein Blatt hält, fliegt sie nicht, auch wenn man sie mit dem Faden in die Luft hebt, erst wenn man ihr das Blatt entreißt, fängt sie zu fliegen an. 2.8. Einer Libelle wird das rechte Seitenauge mit der Schere entfernt. Sie sitzt fast normal, fliegt aber merkwürdig kurz und ungeschickt. | 10.9. 3h nachm. 2 Libellen werden alle Augen mit Ausnahme eines Seitenauges lackiert. Sie fliegen geradeaus und ohne Un- sicherheit. Einer Libelle wurden alle Augen mit Ausnahme des halben linken Seitenauges lackiert. Sie fliegt nicht mehr, sondern bleibt sitzen. — Bei Ausbohrung der Stirnaugen wird wiederholt augen- blicklich starker Tonusfall im genzen Tiere beobachtet. Deshalb wurde für die Mehrzahl der Fälle die Lackierung vorgezogen. Aus diesen und zahlreichen anderen Versuchen geht hervor, daß die Libellen normalerweise die Ocellen zur Orientierung und beim Fliegen nicht benutzen; die Ocellen reichen aber bei Aus- schaltung der Seitenaugen aus, um eine grobe Orientierung im freien Raume zu gewährleisten, — genügen aber nicht, das Anfliegen, Niedersetzen, Ausweichen zu leiten. — Es reicht ein Seitenauge aus, um einer Libelle das richtige Fliegen, Niedersetzen zu gewähr- leisten. — Die genaue Form des Zweiges oder Blattes, auf welches sich die Libelle niedersetzt, wird durch das eine Seitenauge soweit richtig wiedergegeben, daß an der Libelle kein Zögern oder un- sicheres Anfliegen bemerkt wird, wie es bei der Orientierung durch die Ocellen allein der Fall ist. Eine Libelle mit nur einem halben Seitenauge benimmt sich wie eine blinde. Es scheint, daß die Ocellen zur Einstellung des Tieres gegen den Horizont, die Seitenaugen der Formwahrnehmung dienen. Urxküun hat gerade bei der Analyse der Handlung dieser Tiere seine Lehre vom Schema aufgestellt. Zuerst einmal einige Worte über die Kopfbewegnngen. Die beiden Augen der Libellen bilden, worauf UExküLL aufmerksam gemacht hat, zusammen gerade eine Kugel, woraus die Größe des Gesichtsfeldes hervorgeht. Wie be- Die Form als Reiz. 421 kannt zeigen die Libellen außerordentlich deutlich eine kompen- satorische Kopfbewegung. In dem Moment, wo eine Libelle nach einer Richtung gedreht wird, sagen wir in einer horizontalen Ebene um eine vertikale Achse, werden die Augen mit dem Kopfe in entgegengesetzter Richtung gedreht, damit die Bilder der Umgebung auf der gleichen Stelle der Netzhaut auffallen können. Beim Vor- _ wärtsfliegen aber werden die Augen nicht bewegt, obwohl die Bilder an den Seiten doch auch vorüber ziehen, deshalb, meint UEXKÜLL, weil die Halsmuskeln von rechts und links entgegengesetzte Impulse empfangen, die sich gegenseitig aufheben. Nach meinen Versuchen müßte man diese Erklärung noch etwas ergänzen. Ich habe bei den Libellen gesehen, dab sowohl Exstirpation, als auch Schwärzung des einen Auges mittels Lacks, wobei auch die Stirnaugen der gleichen Seite ausgeschaltet wurden, weder Veränderung der Haltung des Kopfes, noch Abweichung im Fluge zur Folge haben; eine solche Libelle fliegt mit gerade gehaltenem Kopf gerade aus. Man müßte also die Annahme machen, daß das Wandern der Bilder nur auf einem Auge nicht ausreicht, um die Drehung des Halses zu be- wirken. Auch das Anfliegen an einen Zweig oder Ast wird mit einem Auge ohne Schwierigkeiten bewerkstelligt. Es kommt also beim Sehen der Libelle ein binokularer Prozeß nicht in Frage, wie - ich glaube, ein Hinweis darauf, daß das Schema noch relativ einfach sein wird. Die Impulse, welche von der Retina eines Auges aus- gehen, um dem Kopf die gleiche Stellung im Raum zu erhalten, sind zu schwach ihn zu bewegen, wenn sie nicht durch die gleich ge- richteten Impulse des zweiten Auges unterstützt werden. Wenn beide Augen geschwärzt sind, kommt es nicht mehr zur Bewegung des Kopfes. Der Kopf wird ganz ruhig gehalten, ob das Tier ge- dreht wird oder nicht. Daraus ist der Beweis einwandfrei abzu- leiten, daß die Bewegung des Kopfes infolge Kontraktion der Hals- muskeln von der Reizung beider Retinae abhängt. Der Wert dieser Kopfbewegung liegt darin, dab dadurch dem Tier die Außenwelt in Ruhe gezeigt wird und ein fliegendes Beutetier sich um so deut- licher von dem feststehenden Hintergrunde abheben wird. Wie sind nun die Formen beschaffen, welche bei den Libellen als Reiz wirken? Wie beschaffen ist das Schema des Beutetieres in dem Hirne der Libelle? Weil die Lehre vom Schema eine grundlegende ist, an welcher sich die Geister scheiden, will ich etwas ausführlicher bei den Libellen verweilen. Auf der Netzhaut einer Libelle erscheint das Bild eines Insektes. Dieses Bild ist, wie wir nach den Untersuchungen 422 LOTHAR GOTTLIEB TIRALA, Exxer’s wissen, ein aufrecht stehendes, recht deutliches Bild der Außen- welt. Von der Retina ziehen dieOptikusfasern zur Sehsphäre des Gehirns. Es sei die Analogie mit dem Säugergehirn gestattet. Dort entsteht das Projektionsbild des Retinabildes dadurch, daß jeder einzelnen Retinazelle eine bestimmte Faser und dementsprechend wieder eine bestimmte Zelle zugeordnet ist. Auf der Hirnrinde liegt also jetzt _ nicht mehr so wie beim Bilde auf der Retina die ganze Landschaft samt dem Insekt, sondern nur die Neuerregung durch das Insekt, eine negative Schwankung der Nervenzellen, in einem Bereiche, der genau der scharfen Silhouette des Beutetieres entspricht. Dieser Umriß des Beutetieres kann natürlich auf jeder beliebigen Stelle der Sehsphäre liegen und dennoch wird sein Erscheinen mit der gleichen Reaktion beantwortet. Da es eine unmögliche Vorstellung ist, daß die bestimmte Reizkombination, sagen wir im einfachsten Falle ein Rechteck als Projektionsbild so oft mal mit dem motorischen Kerne der Halsmuskelnerven in Verbindung stünde, als es angeht, dieses Rechteck auf der Sehsphäre aufzutragen und zwar nicht nur immer in der gleichen Lage nebeneinander liegend, sondern auch so, 1 2 3 daß z. B. das Rechteck auf der Sehsphäre erscheint, . , indem der Punkt 1 des Rechteckes auf die Zelle 2 zu liegen kommt, oder auf Zelle 3, aber auch so, dab i 6 ° Punkt 1 auf Zelle No. 8, Punkt 8 aber nicht auf Zelle No. 7, sondern auf No. 6 zu liegen kommen und daß jedesmal von dieser Gruppe von 8 Zellen eine feste Verbindung zu dem lokali- sierten Erinnerungsbilde hinüber zöge, so darf man sie ruhig ab- lehnen. Es müßte nämlich dementsprechend eine Ganglienzelle nicht 3, sondern vielleicht 10000 Fortsätze haben, welche als bestimmte Leitungsfasern zu anderen Zellen hinzögen. ÜEXKÜLL meint nun, daß das lokalisierte Erinnerungsbild, wie man sich psychologisch ausdrücken kann, das Schema bei der bestimmten Erregung der Sehsphäre anspräche, sagen wir so, wie in der sekundären Spirale bei einem Induktionsapparate durch Induktion ein Strom entsteht. Die physikalische Analogie hierbei ist gänzlich Nebensache. Das Entscheidende ist die Annahme einer solchen irgendwo im Gehirn liegenden festen Verbindung — ich vermeide absichtlich das Wort Zelle —, eine Verbindung, welche die Form des Um- risses, im Falle des Beutetieres bei den Libellen also ein außer- ordentlich einfaches Umrißbild dieses Tieres wiedergibt. Durch das Schematisieren der Form eines Beutetieres könnte man also schlieb- lich so weit kommen, daß man den Prozeß des Vereinfachens nicht Die Form als Reiz. 423 mehr der Sehsphäre überläßt, sondern sofort die Form des Schemas als Projektionsbild auf der Sehsphäre erscheinen ließe, wodurch das Schema erregt und dann die charakteristische Reaktion aus gelöst würde. Seit Exner wissen wir, daß die Libelle aber nicht nur auf Beutetiere losstürzt, sondern daß sie auf Papierschnitzel oder ein dürres Blatt losfliegt. Ich will kurz einen solchen Versuch schildern. Die Libelle sitzt auf dem vorragenden Aste eines Johannisbeerstrauches, der auf und ab schwankt. Es fliegt eine kleine Mücke in einer Entfernung von 2 m vorbei. Der Klammerreflex wird gehemmt, die Beine lassen los und die Libelle fliegt gerade auf die Mücke los, packt sie im Fluge und trägt sie auf ihren Standort, wo sie dann die Mücke verzehrt. Es fliegt eine große Fliege vorbei, die Libelle läßt sie ungehindert ziehen, nicht etwa deshalb, weil die Nahrungsaufnahme bereits eingestellt worden ist, sondern nur deshalb, weil durch das Bild der großen Fliege das Beuteschema nicht erregt wurde — so würde der Biologe ant- worten. Ist das Bild vielleicht lediglich zu groß? Dem kann wohl nicht sein, denn eine kleine Mücke, welche in einer Entfernung von 1, m vorbeifliegt, wird genau so viel Retinulazellen erregen, als das Bild der großen Fliege, welche in einer Entfernung von 2 m vorbeifliegt. Also ist es die Form des Objektes, welches das Ent- scheidende ist? Nun werfe ich ein Papierkügelchen in einer Ent- fernung von 2 m mit einer Geschwindigkeit von etwa 2 m in der Sekunde in gleicher Höhe mit dem Standort der Libelle, die Libelle rührt sich nicht. Jetzt lasse ich aber ein Blättchen Seidenpapier, das vielleicht 1, qem groß ist, in der Luft schweben, nach 1 oder 2 Sekunden stürzt sich die Libelle darauf, packt aber nicht zu, sondern kehrt unmittelbar vor dem Objekt wieder um. Wenn man Glück hat, kann man diese Reaktion 3—4mal wiederholen, öfter gelang es mir nicht. Auch gelingt der Versuch mit braunem oder grauem Seidenpapier besser, als mit weißem Seidenpapier. Sehr wahrscheinlich ist es, daß die Helligkeit des Papiers ein Merkmal mehr mit sich bringt, welches das rasche Anklingen des Schemas verhindert. Das Merkwürdige ist nun, daß hier nicht die Form des Gegenstandes von irgendeiner Bedeutung ist, sondern vielmehr das langsame Fliegen oder Schweben eines Objektes von einer ge- wissen Größe. Daß also in dem Schema Beutetier zuerst ganz deutlich die Bewegungsart, rasch oder langsam eine Rolle spielt, das könnte man ja gerade noch physiologisch begreiflich machen. Die Schwierigkeiten aber wachsen, wenn in der Merkwelt eines 494 LoTHAr Gorrnies TIRALA, Tieres eine ganz bestimmte Bewegungsform eine Rolle spielt, z. B. bei den Liebestänzen der Attiden, Spinnen, bei denen die Männchen durch ganz merkwürdige Tanzstellungen die Weibchen in geschlechtliche Erregung versetzen. Man kann auch für eine Bewegungsform noch ein räumliches Schema ausdenken. Wir wollen auf diese Frage später noch einmal zurückkommen. Die Libelle packt aber das Papierschnitzelchen doch nicht, also muß eine mehr oder weniger bestimmte Form letzten Endes doch dem Schema Beute- tier zugrunde liegen, nur beginnt das Schema Beutetier nicht etwa mit dem Formschema, sondern mit einem Bewegungsschema. UEXxKkULL hat versucht die Umrisse eines Beutetieres in Papier auszuschneiden, also typische Silhouetten geschnitten und berichtet, daß er nicht imstande war, die Urbilder der gejagten Tiere herzustellen, denn die Libelle reagiert gewöhnlich nicht darauf. Es war also nicht möglich, die Form © des Schemas im Gehirne der Libelle anzugeben. Ich ging das Problem von einer anderen Seite an, indem ich nicht versuchte, die Silhouetten _ auszuschneiden und den Libellen vor die Augen zu bringen — es geht aus Urxkürr’s Angaben nicht hervor, ob er die Silhouetten fliegen ließ oder nicht —, sondern ich setzte die Mücken, welche den Libellen zur Nahrung dienen, in einem großen geräumigen Käfig aus hellgrünem Gazestoff. Die Mücken und kleinen Fliegen krochen auf diesem Stoff herum, niemals aber sah ich, daß eine Libelle eine solche Fliege, die auf dem Stoff herumklettert, gepackt und verzehrt hätte, sondern sie verhungert. Die Libellen können also nur fliegende Beutetiere haschen — etwas ganz anderes ist es natürlich, wenn man den Frefreflex auslöst, indem man zwischen ihre Kiefer eine Mücke bringt. — Das Schema Beutetier besteht mithin nicht nur aus dem vereinfachten Bilde einer Mücke, sondern als erstes nnd wich- tigstes Merkmal der Beute hat zu gelten das langsame Auf- und Abschweben der kleinen Mücke, welches noch am besten nachgeahmt wird durch das Schweben eines Stückchen Seidenpapiers, das durch einen Windhauch während des Heruntersinkens auch wieder ab und zu leicht gehoben wird. Wenn man sich das noch räumlich darzustellen versucht — und die Biologie stellt ja nach Urxkünn geradezu das Postulat nach anschaulichen Vorstellungen —, so müßte man die flächenhafte Sil- houette noch mit einer zweiten räumlichen Anordnung, der Flugbahn, also z. B. einer Sinuswelle vereinigen und bekommt dann für das im Gehirn liegende Schema selbst nicht mehr flächenhafte Bilder, sondern wirkliche Körper. Die Schwierigkeit wird daher immer Die Form als Reiz. 495 größer, wenn verschiedene Sinnesgebiete zusammenwirken und auch ein Zeitschema oder ein Bewegungsschema notwendig ist, um die charakteristische Handlung des Tieres auszulösen. Alle diese Schemata zusammen bilden nach UExküru die Gegen- welt des Tieres. Psychologisch gesprochen kennt das Tier nur seine Gegenwelt, von etwas anderem kann ihm ja nie Kunde werden, ein Gegenstand der Außenwelt, welcher an kein Schema anklingt, wird nicht beachtet, existiert für das Tier nicht, kann also aus seiner Merkwelt ruhig ausgeschieden werden. Das wäre also ein völliger Triumph der Nativisten über die Empiristen. Das Tier ist in seine Merkwelt eingeschlossen und bringt seine Gegenwelt als Erbgut völlig fertig mit zur Welt. Die Tiere haben aber doch auch die Fähigkeit zu lernen und dies geht auf die plastische Kraft des Gehirns zurück, wie man sich in der Zoologie ausdrückt. Diese plastische Fähigkeit besteht darin, dab es möglich ist, neue Schemata zu erwerben, indem z. B. eine gewisse Reizkombination so oft auf der Sehsphäre, dem Abklatsch der Netz- haut im Zentralnervensystem, erscheint, bis sich dafür eine neue räumliche Kombination in dem Gehirne bildet, also ein neues Schema auftritt. Jede dauernde Neuerwerbung einer Erfahrung wäre nur durch diese Fähigkeit möglich. Bei den Tieren wäre diese Eigen-- schaft aber recht beschränkt, speziell dann, wenn man dem Tier die Bildung eines wirklich neuen ganz außerhalb seiner eigentlichen Merkwelt liegenden Schemas abverlangt. Ein Beispiel dafür gibt uns der Formensinn der Hymenopteren. Zwar hat Puareau auf Grund seiner Versuche behauptet, daß die Arthropoden Formen nur sehr schwer und schlecht unterscheiden können, doch schon Foret gelang es, eine Hummel und eine Wespe auf allereinfachste Formen zu dressieren. Er gab ein wenig Honig auf eine runde Scheibe; wenn die Wespe zurückkehrte, nachdem sie bereits Honig von der Scheibe geholt hatte, so flog sie gerade auf die Scheibe hin, um sich dort wieder Honig zu holen, auch wenn auf der Scheibe jetzt kein Honig lag, wohl aber daneben auf einem anders geformten Papierstück. Forez konnte sie auch auf einen schmalen Streifen Papier oder auf ein Papierkreuz dressieren. Man kann also sagen, daß ein Schema in dem oberen Schlundganglion der Wespe und der Hummel für die Form des Kreuzes, des Streifens und des Kreises vorhanden ist. Sicherlich haben diese einfachen Formen, die ja sonst in der Merkwelt der Wespe nicht vorkommen, gewisse Anklänge an die Merkwelt dieser Tiere und man kann sich 426 _ LorHar Gorruies TırALa, ganz gut vorstellen, daß das Schema der Scheibe, bei bestimmten Blumen erregt wird, bei anderen Blumen das Schema des Kreuzes. v. Frisch, der diese Versuche im großen wiederholte, schnitt in’ der ersten Reihe seiner Versuche elliptische und sternförmige Schablonen aus, die in der Mitte von einem Loch durchbohrt : waren. In diesem Loch stak ein mit Honig gefülltes Glasröhr- chen. Diese Schablonen wurden nun auf einem Tisch befestigt, es gelang ohne große Schwierigkeit, die Bienen dadurch, daß z. B. nur in die Röhrchen der sternförmigen Schablonen Honig gebracht wurde, die Bienen auf diese Formen zu dressieren. Im Verlauf von 3 Tagen waren 90°, der anfliegenden Bienen auf die sternförmigen Schablonen dressiert. Diese Versuche wurden dann in verbesserter Form wiederholt. v.FrıscH nahm gleichgroße Holzkästchen. An einer Seitenwand war ein Loch von 1!/, cm Durchmesser angebracht und wie als Gasthausschild eine héhcst vereinfachte Blumenform darüber gemalt. Er arbeitete mit zwei Schemen, dem Schema eines Kom- positenkeiches und dem einer Enzianblüte. \Venn man in das Käst- chen mit dem Kompositenschild z. B. Honig hineinbrachte und das mit der Enzianblüte leer ließ, so flogen die Bienen zu dem Kompo- sitenschild schon nach wenigen Stunden, wenn auch selbstverständ- lich die Lage der Kästchen zueinander immerzu vertauscht wurde, um die bekannte Orientierung der Bienen an bestimmten Stellen des Raumes auszuschalten. Dadurch ist der Beweis geführt, daß ein relativ einfaches Schema ein ganz einfacher Stern oder eine Strahlenform in der Merkwelt der Bienen vorkommt. Ebenso konnte er z. B., wenn er zu einem Schild eine solche Scheibe wählte, deren linke Hälfte einmal gelb und ein andermal blau, deren rechte Hälfte in umgekehrter Folge einmal blau und einmal gelb war, die Bienen auf diese Schilder dressieren. Es kommt also das Merkmal rechts und links in der Merkwelt der Bienen vor. Und nun stellt sich der schon früher angekündigte Fall ein, daß ein Schema, welches dem Tier ganz fremd ist, auch wenn es ganz einfach ist, auf das Tier nicht wirken kann; es gelingt nämlich nicht, Bienen auf Dreiecke oder Vierecke oder sonst irgendwelche künstliche geometrische Formen zu dressieren. Es ist das biologisch vollkommen einleuchtend, denn die Bienen besitzen in ihrem Leben keine irgendwie geartete Beziehung zu unseren geometrischen Formen, es sei denn auf Sechs- ecke, die aber leider in den Versuchen von v. Friscx nicht in Be- tracht gezogen wurden. Das Bienenhirn besitzt kein Schema für geometrische Figuren. Sie existieren daher für die Bienen nicht. Die Form als Reiz. 427 Die Dressurmethode hat natürlich ihre Vor- und Nachteile. Sie ist bei den meisten Tieren anwendbar und ziemlich verläßlich. Da- dureh, daß diese Versuche beliebig lang wiederholt werden können, ist es aber möglich, dab neue Schemata gebildet werden, welche dem unbeeinflußten Tiere fremd sind. Diese neuen Schemata können psychologisch gesprochen mit starken Lust- oder Schmerzreizen ver- bunden sein, wie es ja bei der Dressur gewöhnlich der Fall ist. Es kommt dadurch eine Fülle von neuen Bedingungen in diese Untersuchungen, welche uns das klare Bild der Merkwelt mit einem Schleier überzieht. Die plastische Fähigkeit des Gehirns hat ja die Wissenschaft von jeher zugegeben. Ich habe bisher in diesen Versuchen über das Schema und den Formensinn fast nur den Gegenstand Beute und Futter betrachtet. Ich versuchte nun bei höheren Tieren, nämlich bei den Vögeln, Antwort auf die Frage zu bekommen: wie ist das Schema des Ge- schlechtsgenossen beschaffen ? oder anders ausgedrückt: welche Merk- male werden zum Gegenstand Männchen oder Weibchen zusammen- gefiigt? Zu diesem Behufe wählte ich als Versuchstiere die be- kannten Wellensittiche, bei denen Männchen und Weibchen sehr lieblich schnäbeln, und man also eine charakteristische Reaktion auf das lange getrennte Männchen oder Weibchen erwarten durfte. Meine Versuche mit diesen Tieren spielten sich in der ersten Hälfte des Jahres 1915 ab. Die Versuchsanordnung war folgende: Männ- chen und Weibchen wurden getrennt, waren also tagelang von- einander entfernt. Ein Tier saß in einem geräumigen Käfig. Über dem Käfig war ein geräumiges Pappendeckelzelt aufgeschlagen, welches an der Fensterseite vollkommen offen war, so daß das Licht vom Fenster aus unbehindert hineinfallen konnte, an der Seite hatte ich mit Hilfe von zwei Pappendeckelröhren einen Ausguck auf das Vogelhaus geschaffen, so daß ich das Tier ungestört zu beobachten vermochte, ohne selbst von dem Tier gesehen zu werden. Der Käfig wurde nun knapp an den Rand des Tisches gebracht und das Pappen- deckelzelt derartig über den Tischrand hinausgeschoben, daß zwischen Käfig und Pappendeckelwand ein Raum entstand, in welchem ich eine Silhouette plötzlich aufzeigen und nach unten wieder ver- schwinden lassen konnte. Die Versuche fanden entweder vormittags oder nachmittags statt. Später verzichtete ich auf die Komplikation des Pappendeckelzeltes und beobachtete das Tier in seinem Käfig, an welchem ich das betreffende Schema oder die Puppe mit Hilfe eines langen Stabes heranbrachte. Die Reaktionen, welche man als Zool. Jahrb. 39. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 29 428 - LoTHAR GOTTLIEB TIRALA, charakteristisch ansehen dürfte, waren das „Mit-dem-Schwanz- Wippen“, das Kopfhinwenden und das Schnäbeln, das häufigere „Auf- und Abspringen“ in der Zeiteinheit, eventuell die Reihe von Lauten, welche man als Geschwätz bezeichnet. Das waren also die Re- aktionen, die ich bestenfalls beim Aufzeigen meiner Schemen er- warten durfte. Ich begann nun damit, daß ich in grauer Pappe mir einen Umriß eines solchen Vogels ausschnitt, den grauen Pappen- deckel einmal mit weißem Papier überzog, ein andermal in seiner gewöhnlichen Farbe beließ, ein drittes Mal die Farben der Wellen- sittiche als Flecken auf so einem Umrißbild auftrug. Beim Vor- zeigen der drei Schemen zeigte der Vogel psychologisch gesprochen nicht das geringste Interesse. Diese Schemata existierten in seiner Merkwelt nicht. Sodann malte ich so gut es ging ein flächenhaftes Bild eines solchen Vogels, auch das wurde nicht beachtet. Auch die aufgezogene und gut ausgeschnittene Abbildung eines Wellen- sittichs ließ keine der erwarteten Reaktionen eintreten. Ab und zu vielleicht wippte das Männchen öfter mit dem Schwanz, sprang auch häufiger von Sprosse zu Sprosse und auf den Boden des Käfigs, woraus man aber doch wohl keinen Schluß ziehen darf. Ich ver- suchte nun durch Bewegung dieses flächenhaften Schemas — eine durch langsames Auf- und Abwiegen und Hin- und Herspringen, so gut man das Hin- und Herspringen eines Sittichs mit der Hand nachahmen kann — eine charakteristische Reaktion des Tieres herbeizuführen. Auch das gelang nicht. Nun ging ich gleich zu den körperlichen Schemen, zu einer Puppe über und nahm zu diesem Zwecke einen einwandfrei ausgestopften Wellensittich. Auch der ausgestopfte Kamerad wurde nicht beachtet. Auch dann nicht, wenn ich ihn die schönsten Bewegungen ausführen ließ. Nun versuchte ich Merkmale aus einem anderen Sinnesorgan hinzuzufügen und brachte das Weibchen in das Nebenzimmer; sobald es einen Laut von sich gab, wurde das Männchen lebendig und gab seiner Er- regung sofort lebhaft Ausdruck durch Umherspringen und lautes Rufen, wobei aber die vor ihm stehende Puppe nicht im geringsten angeblickt oder angeschnäbelt wurde, sondern deutlich der Kopf des im Käfig befindlichen Männchens gegen die Tür gerichtet wurde, hinter welcher das Weibchen gerufen hatte. Ich sah also ein, daß auf diese Weise eine Synthese von Lock- ruf und Schema bei diesen Tieren nicht zu erzielen sei. Wenn aber . dieser Weg nicht beschritten werden konnte, so wollte ich nun den umgekehrten Weg einschlagen und stellte die Frage so: Wieviel Die Form als Reiz. : 429 der Merkmale eines Weibchens kann man wegnehmen, ohne dab sich das Verhalten des Mannchens ändert ? Ich nahm also das Weibchen und färbte es tüchtig mit Fuchsin rot, so daß es ganz düster rot aussah, und brachte es sodann in den gemeinsamen Käfig. Das Männchen wich augenblicklich in. die Ecke des Käfigs zurück, drehte den Kopf ab, wippte lebhaft mit dem Schwanz, gewiß Zeichen der Erregung, wenige Minuten später aber war dieser Zustand bereits abgeklungen, die beiden Tiere saßen einander wieder gegenüber, das Weibchen putzte sich und es schien alles wie vorher. Man kann daraus schließen, daß die Farbe zwar in der Merkwelt der Tiere vorkommt, denn das Be- nehmen des Männchens war sichtlich verändert, als das gefärbte Weibchen in den Käfig herein gebracht wurde, allein das Schema Weibchen hat das Merkmal Farbe nicht. Schwieriger war es die Form des Weibchens zu verändern. Ich benützte dazu kleine Papierblättchen, unter dem Namen Coriandoli bei uns bekannt, und bestreute das Weibchen gründlich damit. Die sich zwischen den Federn einklemmenden Blättchen veränderten natürlich sowohl den Umriß, als auch die Farbe, da die Blättchen weiß, rot, blau, grün, gelb gefärbt waren. Das Tier hatte auch für uns ein ganz phan- tastisches Aussehen gewonnen; tatsächlich glückte auch der Versuch. Das Männchen flüchtete in die Ecke, zog sich vor dem Weibchen zurück und blieb die ganze Zeit, solange das Weibchen in diesem Zustande im Käfig war, in dieser Stellung, so daß ich nun schließen durfte: In der Merkwelt der Wellensittiche werden verschiedene Merkmale dazu verwendet, um das Schema Weibchen in dem Ge- hirne des Männchens. aufzubauen, dazu gehört: die genaue Form und Größe, die charakteristische Federbedeckung, die Bewegung und die Stimme. Gestützt wird diese Auffassung noch durch folgenden Versuch: Wenn man einem Männchen einen Spiegel vorhält, der also doch wohl ganz einwandfrei die Gestalt wiedergibt, so haben die Wellensittiche, deren Schema, wie ich ausführte, eine ziemliche Komplikation besitzt, keine charakteristische Bewegung gegen das Bild im Spiegel hin gemacht, wie es bei anderen Tieren mit weniger komplizierten Schemen ja der Fall ist. Im Freien, wo es natürlich noch schwerer zu experimentieren ist, wird unter dem Merk- mal Bewegung auch noch die charakteristische Flugform hinzu- kommen. Trotz des hoch entwickelten Auges geht aber aus den Beobachtungen im Freien einwandfrei hervor, daß das Schema mit einer Tonfolge beginnt, denn die Vögel finden auf Grund des Lock- 29* 430 LoTHAR GOTTLIEB TIRALA, rufes zueinander, z. B. Finken, Amseln, Pirole findet man im Früh- jahr gewöhnlich da und dort auf dem Wipfel eines hohen Baumes ihren Lockruf üben. Wie schwierig es da ist, die natürlichen Ver- hältnisse durch die Schemalehre zu deuten, geht daraus hervor, wenn man sich klar macht, daß also das Schema Männchen im weiblichen Gehirn zuerst einmal nur durch eine bestimmte Tonfolge gekennzeichnet ist, das Weibchen wird durch diese Tonfolge zum Fliegen veranlaßt. Obwohl der Sänger in dem Baumwipfel sitzt, ist natürlich auf die große Entfernung die Einwirkung der bestimmten Gestalt des Männchens völlig unmöglich, aber auch wenn das Weibchen bereits vermöge seines dioptrischen Apparates das Männ- chen erblicken könnte, ist es noch notwendig, daß das Männchen den Lockruf weiter ertönen läßt, denn es muß, wie ich ja zeigen konnte, der Lockruf auch aus der Gegend der bestimmten Gestalt kommen. — Etwas einfacher ist das Schema des Weibchens bei dem Kanarien- vogel, auch hier ist es am besten zur Zeit erhöhter Reizbarkeit, also im Frühjahr zu experimentieren, wenn alle Schemata wahr- scheinlich infolge der Sensibilisierung durch die Hormone der Genital- drüsen besser ansprechen. Auch bei diesen Vögeln werden flächen- hafte Schemen nicht beachtet, ob sie nun kanariengelbe Farbe haben oder nicht. Dagegen gelingt es sehr schön mit Hilfe einer hellgelb gefärbten Vogelpuppe, so z. B. wie man sie bei uns zu Ostern häufig - zu Gesicht bekommt — alle Zeichen der geschlechtlichen Erregung bei dem Männchen auszulösen. Das Männchen stürzt zum Gitter des Kafigs hin, springt in ganz kleinen Umkreisen auf und ab, pickt auf das lebhafteste auf die Puppe hin, schlägt mit den Flügeln, wippt stark mit dem Schwanze, fliegt 10—20 cm aufwärts, sowie es das vor dem Behüpfen des Weibchens zu tun pflegt. Die Puppe stellt ein kleines Küken dar, zwei schwarze Flecken bezeichnen die Augen, ein gelbrotes Schnäbelchen, zwei Beine aus schwarzem Draht vervollständigen die Puppe. Es geht also aus diesem Versuch un- zweideutig hervor, daß das Schema für Kanarienweibchen durch diese höchst einfachen Merkmale genügend gekennzeichnet ist. Der Umriß ist ja nur im allgemeinen der eines kleinen Vogels, die Farbe ist recht ähnlich, hingegen geht weder Laut, noch eine be- stimmte Bewegungsfolge in dieses Schema ein. Daß man die Vögel auf alle möglichen Formen dressieren kann, interessiert uns hier weniger. Wir haben ja hier nicht die Auf- gabe, die plastische Fähigkeit des Gehirns irgendeines Tieres zu Die Form als Reiz. 431 untersuchen, sondern wir wollen nur das Vorhandene aufzeigen. Und da will ich als ein wichtigstes Ergebnis dieser Untersuchung hervorheben, daß das Schema der Vögel nicht mehr ein flächenhaftes ist, sondern ein dreidimensionales. Daß das Schema bei den Vögeln nicht etwa immer auch eine bestimmte Tonfolge und charakterisierte Bewegungslinie einschließt, geht auch aus den Beobachtungen der Jäger hervor, welche unbewußt ein schönes Experiment angestellt haben. — Wenn man Krähen jagen will, so kann man diese am raschesten versammeln, indem man einen Uhu an den Wipfel eines Baumes anbindet. Obwohl dieses Tier weder ruft, noch sich in charakteristischer Weise bewegen kann, findet um ihn herum eine großartige Versammlung sämtlicher Krähen des Umkreises statt. Hier kann also nur die Gestalt, die Form allein wirksam sein, ab- gesehen von den Geruchseindrücken, die, wie ich glaube, keine Rolle spielen, obwohl das experimentell noch nicht untersucht ist. Wenden wir uns nun zurück zum Inhalt der Lehre vom Schema. Vieles spricht für diese Auffassung, vieles auch dagegen. Ich will kurz das hervorheben, was gegen diese Lehre spricht. Wie ich schon bei den Libellen zeigen konnte, kommt man mit flächenhaîften Schemen nicht aus, da Merkmale von anderen Sinnes- gebieten sehr oft mit zur Synthese des Gegenstandes beitragen. — Dem kann man aber Genüge leisten, indem man statt des flächen- haften Schemas ein körperliches Schema annimmt. Die Frage, ob es bedenklich ist, im Gehirn ohne irgendwelche histologischen Grund- lagen dreidimensionale Gegenstandsschemen anzunehmen, lasse ich offen. Eine zweite Schwierigkeit ist die, daß obendrein für ein und denselben Gegenstand, z. B. Weibchen im Gehirn des Männchens so viele Schemen da sein müßten, als es verschiedene Bilder dieses Weibchens gibt, also wenigstens eine Vorderansicht, eine Seiten- ansicht und eine Rückenansicht. — Obwohl dieser Einwand berechtigt ist und neue Komplikationen schafft, will ich nur darauf hinweisen, daß selbst unsere Erinnerungsbilder von einem gut Bekannten ge- wöhnlich nur ein oder zwei Seiten haben, und dab wir oft ganz erstaunt sind, eine fremde Person zu erblicken, während es nur der Anblick der wohl bekannten Person von einer uns ungewohnten Seite ist, der uns in Verwirrung bringt. — Selbst das bestbekannte Gesicht wird unkenntlich, wenn wir es umgekehrt sehen. Man käme also zur Not mit zwei oder drei. Bildschemen aus. Schwieriger wird das Problem schon, wenn zu dem Schema auch eine zeitliche Aufeinanderfolge und der Begriff der Funktion 432 Loruar Gortiies TiRara, hinzukommt. Unsere meisten Gegenstände werden, wie UExkÜLL ja selbst überzeugend ausführt, erst zu Gegenständen dadurch, daß die Vorstellung ihrer Leistung mitwirkt mit ihrem Bilde Ob ein Gegenstand mit drei Beinen einer horizontalen Platte und einer einfach geradlinigen Lehne als Sessel oder als Staffelei aufgefabt wird, hängt nicht so sehr von seiner Form, als vielmehr von seiner Leistung ab. Auf das Tier hier übertragen, muß man sich die Frage vorlegen, ob die charakteristische Bewegungsfolge, das Zeit- schema sich überhaupt noch in einem solchen räumlichen Schema widerspiegeln läßt. Man kann das, wenn man einige Hilfsannahmen macht, gerade noch bejahen. Wenn z. B. der Lockruf, also die Aufeinanderfolge von Tönen in einem Schema dargestellt werden sollte, so müßte man so zu Werke gehen. Der einfachste Lockruf, der Kuckuckruf, die Terz, bei der der höhere Ton dem tieferen vorausgeht, wird im Schema so dargestellt, daß die induzierte Er- regung des, sagen wir durch 2 Zellen dargestellten Schemas, nur möglich ist, von dem höheren Ton zum tieferen, d. h. daß die Er- regung nur in einer Richtung fließen kann. So vermag man also auch noch die zeitlichen Verhältnisse räumlich darzustellen — eine Lösung der Aufgabe, gegen welche es einen grundsätzlichen Ein- wand nicht gibt. | Die Handlungen der höchst stehenden Tiere und des Menschen aber mit dem Begriff des Schemas allein erleuchten zu wollen, ist vergeblich, weil die Bedeutung einer Situation die Veränderung des Bildes, die Bewegung, die Leistung eine derartige Fülle in diese Lösung hineinbrächte, daß es keine Lösung, sondern nur eine Ver- dopplung des Wirklichen wäre. Außerdem versetzte man sich nur in folgende Lage: Man zeige einem Menschen verschiedene Bilder, die er ohne die Haltung oder Miene zu verändern, ruhig anblickt. Wenn die betreffende Person auch in der folgenden Zeit keinerlei Veränderung in ihrem Benehmen zeigt, wäre der Schluß, daß diese Bilder nicht zu ihrer Merkwelt gehören, verfehlt. — Je höher ent- wickelt das Großhirn, unser Hemmungsorgan ist, desto schwerer ist es, das reine Bild des Schemas aufzuzeigen. — Man kann daher speziell beim Menschen nur dann mit Erfolg diesen Begriff anwenden, wenn die Hemmungen des Großhirnes ausgeschaltet sind oder die Erregbarkeit des Nervensystems gesteigert ist, z. B. durch Alkohol einerseits, durch Erotisierung, d. h. Erregbarkeitssteigerung, mittels der Hormone der Genitaldrüsen andererseits. — Da wird es deutlich L 2 Die Form als Reiz. 433 mit wie wenig zahlreichen Merkmalen z. B. das Schema „Weib“ erregt werden kann. Nach all dem habe ich daher den Eindruck, daß die Vorstellung vom Schema geeignet ist, ein wunderbarer Leitfaden zu sein, durch das Gewirr der verschiedenen Merkwelten vor allem bei den tief-- stehenden Tieren, bei den höheren Tieren aber und gar bei den Menschen kann das Schema nicht alles leisten. Jedoch eine Richt- schnur kann dieser Begriff sein, Verhältnisse aufzudecken, welche sonst stets im Dunkeln blieben; vor allem wegen der Anschaulichkeit und bildhaften Kraft, welche dieser Vorstellung zu eigen ist. — Der Naturforscher muß trachten, soviel als möglich mit dieser Hypothese zu arbeiten, weil er sonst unmittelbar den Begriff der Seele zu bilden gezwungen ist. — Wie sollte man denn das Verhalten der Megapodiden (australischer Hühner) erfassen, bei denen trotzdem z. B. das Küken soeben erst aus dem Ei ausgeschlüpft ist, es dennoch nur bestimmte Gegenstände aufpickt und bestimmte Gegenstände liegen läßt. Das ist tatsächlich nur so zu erklären, daß das Schema Futter bereit liegt und durch die dazu passenden Gegenstände er- regt wird, während nicht passende Gegenstände eben unbeachtet lieren bleiben. So notwendig mir auch sonst die Welt der Schemen zu sein scheint, welche UExKkÜLL die Gegenwelt genannt hat, in diesem Falle ist gar der glatte Beweis für ihre Existenz erbracht. Ebenso muß man das Verhalten der kleinen amerikanischen Eichhörnchen auf- fassen, welche, obwohl sie z. B. doch nie in ihrem Leben etwas anderes als Milch und Bisquit bekamen, beim ersten Anblick von Hickorynüssen diese sofort aller Nahrung vorziehen; obwohl sie niemals irgendeine Nuß gesehen haben, da sie nach der Geburt sofort den Eltern weggenommen worden waren. — Die ererbte und vererbbare Organisation des Gehirns entscheidet also im Vorhinein, welcher Gegenstand in diesem Falle Nahrung ist, und welcher nicht. Was dem ersteren entspricht, wird aufgepickt oder aufgebrochen. — Es ist fürwahr die platonische Lehre der Anamnesis (Wiedererinnerung) ins Physiologische und Biologische übertragen. Genau so ist es bei diesen Tieren mit dem Gegenstand Feind. Während sonst Küken auf alle möglichen Reize hin die Flucht ergreifen, flüchten diese australischen Hühnchen nur auf ganz bestimmte Merkmale hin. Ein Beweis dafür, daß sie für den Gegenstand Feind ein wohl aus- gebildetes Schema fertig mit auf die Welt bringen. Wer sich vor die Aufgabe gestellt sieht, die ganze Reihe der 434 LoTHAR GOTTLIEB TIRALA, Instinkthandlungen nur einigermaßen zu überblicken, der wird den Begriff des Schemas nie mehr missen wollen. Es sei denn, daß er sich kühnlich in dic Arme der ‚Tierpsychologie stürzt. Auf jeden Fall aber stehen wir da vor einem vollen Sieg der Nativisten über die Empiristen. Wenn ich zu Beginn die Stellung der Nativisten und Empiristen zur Raumfrage kennzeichnete, so war damals von den beiden Parteien das Problem der Form noch gar nicht in Frage gestellt. Gestützt auf die Lehre Kanr’s hatte man erklärt, daß zwar der Raum eine angeborene Anschauungsform unseres Geistes sei, die spezielle Form aber, welche sich im Raum befindet, ein vom Standpunkt des Subjektes zufälliges Merkmal sei, d. h. sie wirke auf uns als bestimmte Qualität durch die Pforte des Sinnesorganes, sei aber durchaus a posteriori. Nun hat zwar schon JOHANNES MÜLLER in seiner Lehre von den spezifischen Sinnesener- gien einen Vorstoß der Nativisten gegen das a posteriori der Er- fahrungsgegenstände gemacht. Denn es ist ja einleuchtend, daß, wenn es ganz gleichgültig ist, wie beschaffen der Reiz ist, welcher ein bestimmtes Sinnesorgan trifft, wenn er nur überhaupt dazu kommt, eine Erregung des betreffenden Sinnesnerven herbeizuführen: daß der Mensch dann lediglich nach dem Gefüge seines Nerven- systems den Gegenstand zu bilden gezwungen ist und daß die Außenwelt aller ihrer Qualitäten entkleidete, nur noch ganz all- gemein sich in der Wirkung auf die Sinnesorgane äußert, von denen es einzig und allein abhängt, welche Eigenschaften und Formen diese Außenwelt für uns besitzt. Die Lehre von den spezifischen Sinnesenergien wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts zwar nicht gerade abgebaut, aber doch durch den Einwand der verschiedenen Abstammungslehren abzuschwächen gesucht, indem man darauf hin- wies, daß sich vielleicht die bestimmten Energieformen aus einem gemeinsamen einheitlichen Sinnesorgan die bestimmten Sinnesorgane, die auf sie eingestellt wurden, geschaffen hätten. Nun tritt auf Grund der biologischen Experimente der letzten 20 Jahre neuerdings die Frage an uns heran, was wissen wir von den Qualitäten der Außenwelt? Diesmal wird sie nicht durch Hin- weise und durch Hypothesen entschieden, sondern das Experiment entscheidet. Und es hat bereits entschieden: Jedes Lebewesen lebt in seiner bestimmten Wirkungswelt, mit seiner bestimmten Merkwelt. Welche Formen dieser Welt zukommen, ist festgelegt durch die Welt der Schemen, ~ die Gegenwelt. Dem Tier gelingt es nur schwer, ganz neue Die Form als Reiz. 435 Schemen aufzubauen, was dem Menschen doch leicht gelingt. Dar- auf beruht zum Teile die Überlegenheit des Menschen, dessen Merkwelt die Merkwelt aller Tiere umfaßt. Diese biologische Auf- fassung ist mechanistisch infolge der Lehre, daß die Gegenwelt als Gefüge räumlicher Schemen im Gehirn bereitliegt und nur durch physiologische Reize erregt werden könne; und sie ist eigengesetz- lich, weil die Gegenwelt angeboren und unabhängig von der Außen- welt ist, welche ja im Gegenteil erst durch diese Gegenwelt er- möglicht wird. — | Die Tierpsychologen, vor allem K. C. Soanerner, haben nun diese ganze Gegenwelt der Tiere aus dem Räumlichen ins Geistige gehoben und sprechen von psychischen Dingen und Gegenständen, welche also angeboren und mit Zweckvorstellungen durchsetzt das gesamte Leben der Tiere leiten würden. UEXkÜLL freilich ist diesen Forderungen ausgewichen. Denn er hat Merkwelt und Wirkungs- welt derart getrennt, daß es einen Übergang von der einen Welt zur anderen kaum geben kann. — Ein letztes Beispiel soll uns das klar machen: WOoRrcEsSTER berichtet über eine australische Huhn- art, bei denen die Eier in den warmen Sand vergraben werden, so daß das ausschlüpfende Küken gezwungen ist, sich oft meterweise durch den Sand ins Freie hinauszugraben. Er versuchte beim Graben in einen solchen Hügel einen eben ausgeschlüpften Vogel zu fangen. Dieser flog ohne Schwierigkeit davon und verschwand im dichten Buschwerk. Während der Empirist ratlos vor dieser Tatsache steht, der Tierpsychologe aus dieser zweckmäßigen Hand- lung bereit ist, auf ein bereits hochentwickeltes Seelenleben zu schließen, würde der Biologe im Sinne Urxküur's sagen: Da ist einer von den vielen Beweisen für die hohe Ausbildung der Wir- kungswelt, die man geradezu als Vollkommenheit bezeichnen mübte, durch diese Tatsache neuerdings erbracht. Alle Handlungen der Tiere, vor allem die Instinkthandlungen gehören zur Wirkungswelt, welche die Merkwelt unendlich überragt. Die frühere Frage: Dürfen wir aus den Handlungen der Tiere auf irgendwelche Bewußtseins- vorgänge schließen, wird glatt abgelehnt, denn die Bewußtseins- vorgänge der Tiere müßten bei den Instinkthandlungen unsere eigenen an Weite und Tiefe durchaus übertreffen. So bleibt nichts übrig, als die Wirkungswelt ganz und gar der Eigengesetzlichkeit des Lebens zu überantworten. — Der Biologe lehnt die Tierseele ab, weil sie nicht ausreicht, selbst wenn man ihr Qualitäten gleich denen der menschlichen zuerkennen würde, die bestimmten Hand- 436 LorHAR GOTTLIEB TIRALA, lungen kurzum das Wunder der in Frage kommenden Wirkungswelt zu erklären, nicht weil die Tierseele sozusagen ihm als Erklärungs- prinzip zu hoch, zu kompliziert, sondern viel eher weil sie zu gering, zu menschlich inka — Die Handlung selbst in ihrer Planmäßig- keit und Zielstrebigkeit wird dadurch zum eigentlichen Problem. So läuft die Wirkungswelt ab, ganz unabhängig von der Merkwelt. Wir aber untersuchen die Merkwelt mit Hilfe der Reaktionen der Tiere, welche zu ihrer Wirkungswelt gehören. Da führt also ein schmaler Steg hinüber und herüber, der um so breiter wird, je größer die Fähigkeit des Tieres ist, seine Merkwelt auf Grund neuer Ein- drücke zu erweitern und dementsprechend auch seine Wirkungswelt abzuändern. Bei uns Menschen scheinen sich bei oberflächlicher Betrachtung diese beiden Kreise sogar zu decken, und doch wird man bei genauerem Zusehen gewahr, daß auch bei uns die Wirkungs- welt unsere Merkwelt weit überragt. Um der Wirkungswelt halb- wegs gerecht zu werden, müßten wir das in der Zeit zerrissene Leben eines Individuums zu einer höheren Einheit zusammenfassen können, doch wer darf sich rühmen, das Leben eines einzigen Or- ganismus, also „Geburt, Wachstum, Reife und Tod“, als Einheit zu überblicken, als welche sich doch der Lebenslauf eines jeden ein- zelnen Organismus bewährt? | So stehen sich die beiden Anschauungen die psychologische und die biologische einander gegenüber, welcher der Sieg zuneigt, werden wir vielleichf gar nicht erleben. In letzter Hinsicht gehen beide Anschauungen auf die zwei großen Weltanschauungen zurück, von denen die eine das Leben aus dem Bewußtsein ableitet, die andere aber, die biologische, das Bewußtsein für einen Sonderfall des Lebens erklärt. Nur von dieser hohen Warte aus kann man das Ringen von Biologie und Tierpsychologie richtig einschätzen und Ordnung hineinbringen in die verwirrende Fülle von Fragestellungen und Problemen. Die Form als Reiz. 437 Literaturverzeichnis. *) ARRHENIUS, SV., Der Ursprung des Lebens. —, Das Werden der Welten. | BAGLIONI, S., Die Grundlagen der vergleichenden Physiologie des Nerven- systems und der Sinnesorgane, in: WINTERSTEIN, Handb. vergl. Physiol., Vol. 4, 1910—1911. BALDWIN, J. M., Die Entwicklung des Geistes beim Kinde und bei der Rasse, Berlin 1898. BECHTEREW, W., Die Funktionen der Nervenzentra, Jena 1908—1911. BERGSON, H., Materie und Gedächtnis, Jena 1908. —, Die schöpferische Entwicklung. BETHE, A., Allgemeine Anatomie und Physiologie des Nervensystems, | Leipzig 1903. —, Das Zentralneryensystem von Carcinus maenas. I. u. II. Teil, in: Arch. mikr. Anat., Vol. 50 u. 51, 1897. —, Dürfen wir den Ameisen und den Bienen psychische Qualitäten zu- : schreiben ?, in: PFLÜGER’s Arch., Vol. 70, 1898. —, Noch einmal über die psychischen Qualitäten der Ameisen, in: Arch. ges. Phys., Vol. 79, 1900. — , Die Heimkehrfähigkeit der Ameisen und Bienen,- in: Biol. Ztrbl., Vol. 22, 1902. BIEDERMANN, W., Über die Innervation der seen in: SB. Akad. Wiss. Wien, "1887. pu Bors-Reymonp, E., Über die Grenzen des Naturerkennens, 10. Aufl., Leipzig 1907. DU nen, R., Über die Geschwindigkeit des Nervenprinzips, in: Arch. Anat. u. Phys., 1900. en. A. E., Tierleben, Leipzig. BREUER, J., Über die Funktion der Otulithenapaacnis: in: PFLUGER’s Fan, Vol. 48, 1891. Busse, L., Geist und Körper, Seele und Leib, Leipzig 1903. v. BUTTEL-REEPEN, H., Sind die Bienen Reflexmaschinen ?, Leipzig 1900. 1) Weitere Literatur über das Problem der Gestaltreize siehe in: S. BECHER, Untersuchungen über nichtfunktionelle Korrelation in der Bildung selbständiger Skeletelelemente und das Problem der Gestaltbildung in einheitlichen Protoplasmamassen, in: Zool. Jahrb., Vol. 31, p. 1—188 u. 64 Textfig., 1911. 438 LOTHAR GOTTLIEB TiRALA, CHAMBERLEIN, H. ST., Immanuel Kant. Brückmann 1905. Goethe 1912. CLAPARÈDE, E., Uber die verschiedenen Formen des Experimentes in der Tierpsychologie, in: Umschau, No. 26, 27, 1908. —, Die Methoden der tierpsychologischen Beobachtungen und Versuche, in: Ber. 3. Kongr. exp. Psych. Leipzig, 1909. CLASSEN, A., Kants Theorie des Gesichtssinnes. CouTURAT, L., Die philosophischen Prinzipien der Mathematik, Leipzig 1908. v. Cyon, E., Leib, Seele und Geist, in: Arch. ges. Phys., Vol. 127. —, Das Obrlabyrinth usw., Berlin 1908. DAHL, Die psychischen Vorgänge in den Spinnen, in: Vierteljahrsschr. wiss. Phil., Vol. 9, 1885. Darwin, C., Der Ausdruck der Gemütsbewegungen bei Menschen und Tieren, 1899. —, Entstehung der Arten, in: RECLAM’s Univ.-Bibl. —, Die Bildung der Ackererde durch die Tätigkeit der Würmer, 1882. DOFLEIN, F., Tierbau und Tierleben, Vol. 2, Leipzig 1913. DRIESCH, H., Die Seele als elementarer Naturfaktor, Leipzig 1903. —, Die organischen Regulationen, 1903. —, Naturbegriffe und Natururteile, 1904. —, Der Vitalismus als Geschichte und Lehre, 1906. —, Philosophie des Organischen, 1909. — , Die Biologie als selbstständige Grundwissenschaft, 2. Aufl., 1911. , Leib und Seele, 1917. ie L., Vorlesungen über den Bau der nervösen Zentralorgane usw., Leipzig 1908. —, Haben die Fische ein Gedächtnis: in: ies Ztg., Oktober 1899. —, Die Beziehungen der vergleichenden Anatomie zur vergleichenden Psychologie, in: Ber. 3. Kongr. exp. Psych., Leipzig 1909. ESCHERICH, K., Die Ameise, Braunschweig 1906. Exner, S., Die Physiologie der facettierten Augen von Krebsen und Insekten, Leipzig u. Wien 1891. —, Entwurf einer physiologischen Erklärung der psychischen Erscheinungen. FABRE, J. H., Bilder aus dem Insektenleben, 1. u. 2. Reihe, Stuttgart. —, Ein Blick ins Käferleben, Stuttgart. FECHNER, G., Elemente der Psychophysik, 2. Aufl., 1889. FLECHSIG, P., Gehirn und Seele, Leipzig 1896. Fiiess, W., Vom Leben und vom Tod, Jena 1909. FOREL, A., Das Sinnesleben der Insekten, München 1910. —, Der Hypnotismus. FREUD, S., Die Traumdeutung, Leipzig u. Wien 1909. Die Form als Reiz. 439 v. FriscH, K., Der Farbensinn und Formensinn der Bienen, in: Zool. Jahrb., Vol. 35, Phys., 1914. Gourz, F., Beiträge zur Lehre von den Funktionen der Nervenzentren des Frosches, Berlin 1869. —, Der Hund ohne Großhirn, in: PFLÜGER’s Arch. Vol. 51, 1892. HACKER, V., Der Gesang der Vôgel, Jena 1900. HANEL, E., Ein Beitrag zur , Psychologie“ der Regenwiirmer, in: Ztschr. allg. Phys., Vol. 4, 1904. v. HARTMANN, E., Die Philosophie des Unbewußten, 10. Auf. Leipzig 1889. —, Energetik, Mechanik und Leben, in: Ztschr. Philos., Vol. 124. HELMHOLTZ, Physiologische Optik, 2. Aufl., Berlin 1896. HERING, E., Zur Theorie der Nerventätigkeit, Leipzig 1910. HERTWIG, O., Allgemeine Biologie, 3. Aufl., Jena 1909. HERTWIG ©. u. R., Das Nervensystem und die Sinnesorgane der Medusen, Leipzig 1878. v. Hess, C., Vergleichende Physiologie des Gesichtssinnes. Hesse, R., Untersuchungen über die Organe der Lichtempfindung bei niederen Tieren. VII. (Arthropoden), in: Ztschr. wiss. Zool., Vol. 70, 1901; —, Tierbau und Tierleben, Vol. 1, Leipzig 1911. JAMES, W., Psychologie, Leipzig 1909. JENNINGS, H. S., Das Verhalten der niederen Organismen unter natür- lichen und experimentellen Bedingungen, Leipzig und Berlin 1910. JORDAN, H., Die Leistungen des Gehirnganglions bei den krebsartigen Tieren, in: PFLÜGER’s Arch., Vol. 131, 1910. Karka, Einführung in die Tierpsychologie, Leipzig 1913. Kant, J., Kritik der reinen Vernunft, in: RECLAM’s Univ.-Bibl. — , Kritik der Urteilskraft, ibid. v. KEYSERLING, H., Das Gefüge der Welt. — , Prolegomena zur Naturphilosophie. Konic, E., Kant und die Naturwissenschaft, 1900. KrEIDL, A., Weitere Beiträge zur Physiologie des Ohrlabyrinthes, in: SB. Akad. Wiss. Wien, math.-naturw. Kl., Abt. 3, Vol. 102, 1893. v. Kries, J., Über die materiellen Grundlagen der Bewußtseinserschei- nungen, Tübingen u. Leipzig 1901. LANGE, F. A., Geschichte des Materialismus, Vol. 2,in: RECLAM’s Univ.-Bibl. LIEBMANN, O., Zur Analysis der Wirklichkeit. LoEg, J., Einleitung in die Gehirnphysiologie und vergleichende Psycho- logie, Leipzig 1899. —, Vorlesungen über Dynamik der Lebenserscheinungen, Leipzig 1906. ? 440 LOTHAR GOTTLIEB Tırara, LOEB, J., Die Bedeutung der Tropismen fiir die Psychologie, Leipzig 1909. , Das eben Leipzig 1911. —, Die Tropismen, in: WINTERSTEIN, Seal, vergl. Psychol., Vol. 4, Eli. LUBBOCK, J., Ameisen, Bienen und Wespen, Leipzig 1883. MAcH, E., Erkenntnis und Irrtum, Leipzig 1905. —, Die Analyse der Empfindungen, 5. Aufl., Jena 1906. MAGNUS, R., Zur Regelung der Bewegungen durch das Zentralnerven- system, in: PFLÜGER’s Arch., Vol. 130, 1911. MATULA, J., Untersuchungen über die Funktionen des Zentralnervensystems bei Insekten, in: PFLÜGER’s Arch., Vol. 138, 1911. METZNER, R., Einiges vom Bau und: du Leistungen des sympathischen Ne isn, Jena 1913. v..MONAKOFF, G., Uber den gegenwärtigen Stand der Frage nach der Lorean im Großhirn, in: Ergebn. Physiol., Jg. 1, 3 u. 6, 190% 1904 u. 1907. MORGAN, C. L., Introduction to comparative oe 3. us, —, Instinkt und Gewohnheit, Leipzig und Berlin 1909. —, Instinkt und Erfahrung, Berlin 1913. NAGEL, W. A., Lichtsinn augenloser Tiere, Jena 1896. —, Ergebnisse vergleichender physiologischer und anatomischer Unter- suchungen über den Geruch- und Geschmacksinn und ihre Organe, in: Biol. Ztrbl., Vol. 14, 1894. | —, Experimentelle sinnesphysiologische Untersuchungen an Üoelenteraten, in: PFLÜGER's Arch., Vol. 57, 1894. NORMANN, W. W., Dürfen wir aus den Reaktionen niederer Tiere auf Schmerzempfindungen derselben schließen?, in: PFLÜGER’s Arch. Vol. 67, 1897. PıurLy, A., Das urteilende Prinzip und die mechanische Kausalität bei Kant und ım Lamarckismus, in: Kosmos, Vol. 3, 1906. PAWLOFF, J. P., Die Arbeit der Verdauungsdrüsen, Wiesbaden 1898. — —, Das Experiment als zeitgemäße und einheitliche Methode medizinischer - Forschung, Wiesbaden 1900. PECKHAM, G. W. u. E. G., Some observations on the mental powers of spiders, in: Journ. Morph., Vol. 1, 1887. — , The sense of sight in spiders with some observations on the color sense, in: Trans. Wis. Acad. Sc. Arts. and Letters, Vol. 10, 1894. PFLÜGER, E., Die sensorischen Funktionen des Rückenmarkes, Berlin 1853. —, Die teleologische Mechanik der lebendigen Natur, in: PFLÜGER’s Arch., Vol. 15 und separat, 1877. PrunGst, O., Das Pferd des Herrn von Osten (Der kluge Hans). Mit einer Einleitung von Prof. C. STUMPF, Leipzig 1907. PLATON’s Werke, Jena. Die Form als Reiz. 441 PLATEAU, F., Recherches experimentelles sur la vision chez les arthro- podes, in: Bull. acad. roy. Belg. (sciences) (3), t. 10, 1885; t. 14, 1887; t. 15, 1888; t. 16, 1888. —, Les fleurs artificielles et les insects, in: Mem. acad. roy. Belg. (2), a,b, 1906: —, Les insects ont il la mémoire des faits?, ibid., t. 15, 1909. Poixcaré, H., L’Hypothése et science. —, La valeur de la science. _ PUTTER, Vergleichende Physiologie, Jena 1911. RADL, Untersuchungen über den Phototropismus der Tiere, Leipzig 1903. REUTER, Lebensgewohnheit und Instinkt der Insekten, Berlin 1913. Ripot, TH... Psychologie et l’Attention, Paris 1894. —, Psychologie des sentiments, 1896. REINKE, J., Philosophie der Botanik. ‚ Die Welt als Tat. ir, ALOIS, Der philosophische Kriticismus, Mol: 1 u: 2: RoMENES, G. J., Die geistige Entwicklung im Tierreiche, Leipzig 1885. —, Die geistige clone beim Menschen, Leipzig 1893. SCHNEIDER, K. C., Vitalismus, Wien u. Leipzig 1903. _—, Vorlesungen über Tierpsychologie, Leipzig 1909. —, Die Grundgesetze der Deszendenztheorie und ihre Beziehung zum religidsen Standpunkt, Freiburg 1910. —, Einführung in die Deszendenztheorie, 2. Aufl., Jena 1911. —, Plasmastruktur und -bewegung bei Protozoen und Pflanzenzellen, in: Arb. z. Ins. Wien, Vol. 16, 1905. —, Tierpsychologisches Praktikum, Leipzig 1912. Semon, R., Die Mneme, 2. Aufl., Leipzig 1908. STIGLER, Versuche über die Beteiligung der Schwerempfindung an der Orientierung des Menschen im Raume, in: PFLÜGER’s Arch., 1912. STÖHR, Psychologie, 1917. ZUR STRASSEN, O., Die neuere Tierpsychologie, Leipzig, oder: Verh. Vers. D. Netarf. Arzte, Dresden 1907. —, Die Spinnen und die Tierpsychologie, in: Zool. Anz., Vol. 33, 1908. STUMPF, C., Leib und Seele, 2. Aufl., Leipzig 1903. . SwoBOoDA, H., Die Perioden des menschlichen Organismus, Leipzig u. Wien 1904. SZYMANSKI, J. S., Abhandlungen zum Aufbau der Lehre von den Hand- lungen der Tiere, Bonn 1918. TIRALA, G. L., Regeneration und Transplantation bei Criodrilus, in: Arch. Entw. iach 1912. v. TSCHERMAK, A. Studien über das Binocularsehen der Wirbeltiere, in: PFLÜGER's Abe 1902. —, in: Allg. Physiol. v. UEXKULL-TIRALA, Über den Tonus bei Crustazeen, in: Ztschr. Biol., Vol. 65. “ “ “ “ 449 LOTHAR GOTTLIEB TırArA, Die Form als Reiz. v. UEXKULL, J., Zur Muskel- und Nervenphysiologie von Sipunculus nudus, in: Ztschr. Biol., Vol. 33, 1896. —, Die Schwimmbewegungen von Rhyzostoma pulmo, in: Z. Station ‚Neapel, Vol. 14, 1901. , Über die Stellung der vergleichenden Physiologie zur Hypothese der Tierseele, in: Biol. Ztrbl., Vol. 20, 1900. —, Studien üher den Tonus. I. Der biologische Bauplan von Sipunculus nudus, in: Ztschr. Biol., Vol. 44, 1903. , Die nn cer von Be und Sen auf den Seeigel, ibid., aes 40, 1900. —, Uber Reflexe bei den Seeigeln, ibid., Vol. 34. —, Die Physiologie des Seeigelstachels, ibid., Vol. 39, 1900. —, Leitfaden in das Studium der experimentellen Biologie der Wasser- tiere, Wiesbaden 1905. —, Studien über den Tonus. V. Die Libellen, in Ztschr. Biol., Vol. 50, 1908. | —, Umwelt und Innenwelt der Tiere, Berlin 1909. —, Biologische Weltanschauung 1913, Miinchen. —, Die Pilgermuschel, in: Ztschr. Biol. 58. v. UEXKULL, J. u. GROSS, Résultats des récherches sur les extrémités des langoustes et des crabes, in: Bull. Inst. Océanogr. Monaco, 1909. WAGNER, W., Psychobiologische Untersuchungen an Hummeln, in: Zool. Vol. 47, 1907. WALLASCHEK, R., Psychologie und Pathologie der Vorstellung, Leipzig 1905. WASMANN, E., Die psychischen Fähigkeiten der Ameisen, 2. Aufl, Stuttgart 1909. WASMANN, E., Instinkt und Intelligenz im Tierreich, 3. Aufl, Frei- burg i. B., 1905. | WIESNER, Letzte Lebenseinheiten. WEISMANN, A., Vorträge über Deszendenztheorie, 2. Aufl., Jena 1904. WILBRAND u. SANGER, Die Neurologie des Auges, Vol. 7, 1917. —, Die Erkrankungen der Sehbahn vom Tractus bis in den Cortex, Wiesbaden 1917.- WunpT, W., Die physiologische ee 5. Aufl, 1903. —, Vorlesungen über die Menschen- und Tierseele, Hamburg u. Leipzig 1906. YERKES, R., Habit formation in the Green Crab, Carcinus granulatus, in: Bar. Bull. Woods Holl. Mass., Vol. 3. —, The instincts, habits and reactions of the Frog. Harvard Psych. Studies, Vol. 1, 1903. YERKES, R. u. 8S. G. Hucarns, Habit formation in the crawfish, Gans barus affinis, ibid., Vol. 1, 1903. | Nachdruck verboten. Ubersetzungsrecht vorbehalten. Der Inzuchtschaden, sein Wesen und seine Beseitigung, Von R. Demoll. Mit 2 Abbildungen im Text. Die Überschrift, die ich dieser Arbeit voranstelle, sagt bereits, daß ich es hier unternehme eine Hypothese zu geben, die das Wesen des Inzuchtschadens aufdecken soll, daß sich aber dieser Erklärungs- versuch insofern bereits aus dem Rahmen des Hypothetischen heraus- hebt, als es mir auf Grund meiner Vorstellungen gelungen ist, ein Mittel zu finden, das die schädigende Wirkung der Inzucht beseitigt. Es kann wohl kaum ein Buch über Biologie, über allgemeine Zoologie, Tierzucht, Hygiene etc. geschrieben werden, ohne daß darin die Bedeutung der engeren Inzucht gewürdigt wird. In selt- samem Kontrast zu dem intensiven und weitreichenden Interesse, das der Inzucht und ihren Folgeerscheinungen zukommt, steht die Sterilität der Forschung auf diesem Gebiete seit Mitte des vorigen Jahrhunderts. Daß so wenige Biologen versuchen unsere Erkennt- nisse auf diesem Gebiete vorwärts zu treiben, mag daran liegen, daß es sich hier um eine Frage handelt, die heute noch ziemlich isoliert uns entgegentritt insofern, als sie nicht innerhalb eines umfassenden Themas liegend, allen denjenigen sich aufdrängt, die auf solchem Gebiete arbeiten. Daß aber die wenigen Arbeiten, die ‘sich mit der Inzucht beschäftigen, eine gewisse Monotonie der Zool. Jahrb. 39. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 30 444 R. Demotı, Fragestellung aufweisen !), findet ihre Erklärung darin, daß man von jeher — schon lange vor Darwin — auf die Frage, warum die Inzucht schädigt? die Antwort vom Kumulieren ungünstiger Eigen- schaften bereit hatte. Die Unzulänglichkeit dieser Erklärung konnte um so eher bis heute verborgen bleiben, als sie für einige besondere Fälle wohl in der Tat das Richtige trifft; dab sie allgemein zur Klärung des Inzuchtschadens nicht brauchbar ist, wurde über- sehen. Was wir heute über Inzucht wissen, finden wir bereits bei Darwin geschrieben. Seitdem sein Buch über: „Die Wirkungen der Kreuz- und Selbstbefruchtung im Pflanzenreich“ erschienen ist, wurde keine wesentlich neue Idee mehr verfolgt, keine neuen Tat- sachen mehr gewonnen, die unsere Kenntnis nach dieser Richtung hin gefördert hätten. , Was Darwin in jahrelangen ausgedehntesten und gewissen- haftesten Versuchen tiber die Wirkung dauernder engster Inzucht feststellte, ist auch heute noch das wichtigste Material, auf das wir uns stützen können. Darwin kam zu dem Resultat (Kap. 12, p. 818): „Die erste und bedeutungsvollste Folgerung, welche aus den in diesem Bande gegebenen Beobachtungen gezogen werden kann, ist die, daß Be- fruchtung durch Kreuzung meist wohltätig, und Selbstbefruchtung schädlich ist. Dies zeigt sich durch den Unterschied an Höhe, Ge- wicht, konstitutioneller Kraft und Fruchtbarkeit der Nachkommen aus gekreuzten und selbst befruchteten Blüten und in der Zahl der von den elterlichen Pflanzen produzierten Samenkörnern. In bezug auf den zweiten dieser Sätze, nämlich, daß Selbstbefruchtung meist schädlich ist, haben wir außerordentlich reichliche Beweise.“ Die Frage: Warum die Inzucht schadet, beantwortet DARWIN nicht scharf. Der Ansicht mancher damaliger Physiologen, daß die Schwächung durch Inzucht „das Resultat der Zunahme irgendeiner Krankheit, Neigung oder Schwäche der Konstitution“ sei, kann er nicht beistimmen. Nur in seltensten Fällen könnte diese Erklärung gelten (p. 426). Ihm scheint vielmehr „ein gewisser Betrag. von Verschiedenartigkeit in den sexuellen Elementen — für die volle 1) Bis zum Jahre 1906 wurde der Frage nachgegangen, ob und inwieweit die Inzucht schädigt? Von da ab lautete ein ausschließlich von Amerikanern behandeltes Thema: ob durch extremste Auslese der Inzuchtschaden hintangehalten werden kann? d. h. also die Frage: „Was ist wirksamer, extremste Selektion oder Inzucht ?* Ä Der Inzuchtschaden, sein Wesen und seine Beseitigung. 445 Fruchtbarkeit der Eltern und für die volle Lebenskraft der Nach- kommen unentbehrlich zu sein“ (p. 249). Auch an anderen Stellen spricht sich Darwry_ nicht br aus, ob er in der zu nahen Verwandtschaft lediglich das Ausbleiben eines günstigen Faktors als ausschlaggebend erkennt, oder ob er eine direkte Schädigung durch zu große Gleichheit der Elemente vermutet. Alle seit Darwın erschienenen Arbeiten haben sich entweder die Frage: Schädigt die Inzucht? in gleicher Form nochmals ge- stellt und die Antwort lautet dann: ja; oder es wurde gefragt: Kann man durch rücksichtslose Selektionen (Ausmerzen von bis zu 97°/, der Nachkommen) den Schaden der Inzucht hintanhalten (alle amerikanischen Arbeiten), und auch hier fiel die Antwort bejahend aus. Aber auch diese letztgenannten Ergebnisse können schon der Arbeit Darwın’s mit ziemlicher Gewißheit entnommen werden. Die Situation ist heute die: Wir wissen, daß fortdauernde Inzucht unter nächsten Verwandten (nur um diese engste Inzucht handelt es sich hier), in den weitaus meisten Fällen schädlich wirkt, daß sie aber nicht immer schädlich wirken muß, daß es somit kein prinzipiellesGeschehen sein kann, das den Schaden hervorruft. Sucht man einzudringen in das Wesen des Inzuchtschadens, so wird man sich mit einer Erklärung nur dann zufrieden geben können, wenn sie diese Eigentümlichkeit — daß die Inzucht nicht bedingungslos schaden muß — in ihren Ursachen aufdeckt. Je mehr ich mich mit der Frage des Inzuchtschadens beschäf- tigte, um so mehr gewann ich den Eindruck, daß der Schlüssel für das Problem gerade in dieser Eigentümlichkeit der Schädigungen gefunden werden müsse. Dabei geht es nicht an, auf die Erklärung der Physiologen zurückzukommen, von denen Darwin spricht. Auch Weısmann hat sich diese Erklärung zu eigen gemacht, ähnlich auch MEISENHEIMER. |) 1) „Die Gegensätze, wie sie in diesen beiden Gruppen von Beobach- tungen und Versuchen zum Ausdruck kommen, - finden darin ihre Erklärung, daß die Inzucht als solche keinerlei Schädigungen verursacht, daß sie aber sehr wohl in hohem Maße krankhafte Anlagen der Elternformen durch fortgesetzte Summation verstärkt und schließlich zu einem ver- hängnisvollen Gemeingut der gesamten Nachkommenschaft macht. Fehlen solche krankhaften Anlagen einem Stamme, so werden sie auch durch die Inzucht nicht hineingetragen, und sind solche wirklich vorhanden, so ge- 30* 446 R. Deumorı, Wenn die Inzucht nur dann schädigend auftreten würde, wenn eine Häufung ungünstiger Anlagen durch sie herbeigeführt wird, so müßte die Harmlosigkeit der Inzucht die Regel und nicht eine seltene Ausnahme sein. Daß nicht die Homozygotie hinsichtlich einer ungünstigen An- lage die Ursache des Inzuchtschadens sein kann, läßt sich deutlich aus Darwin’s Ergebnissen ablesen. Wäre dem so, so dürfte nur der Durchschnitt, nicht aber jede Einzelpflanze durch Inzucht gelitten haben. Denn nur bei einem kleinen Teil, niemals bei allen Pflanzen zugleich hätte Homozygotie eintreten können. Daß jede Pflanze in Darwın’s Versuchen — und Darwin betont dies ausdrücklich — zurückgeht hinsichtlich Größe, Zahl der Pollen, Widerstandsfähigkeit etc. macht eine derartige Erklärung unmöglich. Meine eigenen Ansichten über das Wesen des Inzuchtschadens zu entwickeln, kann ich mich erst jetzt entschließen, nachdem es mir durch jahrelange Versuche gelungen ist, auf Grund dieser meiner Vorstellungen ein Mittel zu finden, durch das eine Schädigung durch Inzucht vermieden werden kann. Das Individuum, das aus der Verschmelzung von Ei und Samenzelle hervorgeht, kann als Doppelwesen aufgefañt werden. Das Protoplasma, das Serum, alle Gewebssäfte, sie werden in ihrem Charakter zum Teil von den Erbanlagen des Spermas, zum Teil von den Anlagen, die im Ei enthalten sind, bestimmt. Es wird also immer der werdende Embryo ein Doppelwesen mit zweierlei Serum, zweierlei Protoplasma darstellen, wobei sich diese beiden Sera überall so miteinander mischen, so einander durchdringen und physi- kalisch eine Einheit darstellen, daß ein innigstes Vertragen derselben Voraussetzung sein muß. Es ist aber zu erwarten, daß diese beiden verschiedenen von Ei und Samenzellen gebildeten Protoplasmen und Sera zunächst ebenso fremd aufeinander reagieren wie das Serum des eines der Elterntiere auf das des anderen Elterntieres ein- wirken würde, wenn es in dessen Blutbahn gelangt. Selbst die Mutter und das neugeborene Kind haben verschiedenes Blut, so dab das Blut des einen auf das des anderen in bestimmter Weise reagiert. Ebenso müssen wir annehmen, werden auch im Embryo zunächst die beiden fremden Bildungen aufeinander reagieren. Es langen sie zur schädlichen Wirkung erst nach einer größeren Generations- reihe.“ (Geschlecht und Geschlechter im Tierreiche von Dr. JOH. MEISEN- HEIMER. I. Die natürlichen Beziehungen, p. 375, Jena 1921.) : Der Inzuchtschaden, sein Wesen und seine Beseitigung. 447 werden im normalen zweigeschlechtlich entstandenen Embryo Cyto- toxine, Cytolysine und Hämagglutinine vorhanden sein und sie werden gebunden werden müssen durch die Bildung von entsprechenden Antikörpern, soll das normale Entwicklungsgeschehen nicht gestört werden. Was Sperma und Ei bildet, wirkt aufeinander giftig und muß Entgiftungsreaktionen auslösen.) Faßt man verschiedene Verwandtschaftsgrade der beiden Eltern ins Auge, so muß man erwarten, daß bei großem Abstand der beiden Eltern, der gleichbedeutend ist mit Kreuzung verschiedener Gattungen oder Familien, die Entgiftung schließlich nicht mehr in vollem Um- fange gelingen wird. Aus dem befruchteten Ei vermag nichts Lebensfähiges mehr zu entstehen oder der Organismus entwickelt sich zwar noch, doch hat die mangelhafte Entgiftung dem empfind- lichsten subtilsten Apparatim Organismus geschädigt, den Geschlechts- apparat. Die Tiere sind steril. (Bei Menschen ist das Gehirn ein noch feinerer Indikator für Schädigungen und registriert noch besser jede nicht genügende oder zu langsam erfolgte Entgiftung.) Bis hierher ist der Gedankengang außerordentlich naheliegend, beinahe trivial. Man braucht aber diesem Faden nur konsequent zu folgen, um den Schleier des Inzuchtschadens zu heben. Die gegen- seitige Entgiftung wird ihr Optimum erreichen, wenn zwei Individuen der gleichen Art oder zwei nahverwandte Arten sich kreuzen. Wird aber die Verwandtschaft eine zu enge, die Gleichheit der Proto- plasmen und der Gewebssäfte eine zu weitgehende, so kann der Fall eintreten, daß der die Entgiftung auslösende Reiz zu schwach wird. Der Entgiftungsprozeß bleibt aus.) Wir haben es dann mit einem unterschwelligen Reiz zu tun; oder die Entgiftung erfolgt verspätet, sie erfolgt zu langsam, nachdem der Embryo bereits Schaden ge- nommen hat. Wenn dem so ist, so kann man sagen, die Inzucht schädigt, weil die beiden Keimzellen für einander zu ungiftig sind. 1) So wie Spermatozoen in einem Gemisch von Spermatoxinen und Antitoxinen ungeschädigt lebendig bleiben, so auch der Embryo in den durch Gegengifte gebundenen Giften. 2) Eine Parallele hierzu findet man in der Unmiglichkeit bei naher Verwandtschaft zweier Individuen die hämolytische Kraft des A gegenüber dem Blute des B dadurch zu steigern, daß man A durch Einverleibung von Erythrocyten (intraperitoneal, subcutan oder intravenös) des B vor- behandelt hat. Es wird dadurch nicht wirksamer gegenüber dem Blute des B, während dies bei nicht verwandten Individuen eintritt. 448 : R. Dermott, Nähern sich die beiden Partner noch mehr bis zu einer weit- gehenden Identität ihres Protoplasmas, so wird zwar auch jetzt kein Reiz mehr zur Gegengiftbildung vorhanden sein, aber die gegenseitige Giftigkeit ist nun so minimal geworden, daß sie prak- tisch nicht mehr besteht. Die engste Inzucht, d.h. die Kreuzung zweier nahezu identischer Individuen bringt keinen Nachteil mehr. (Die beigefügte Fig. A versinnbildlicht das An- geführte.) AT | | | Fig. A. Die zwei divergierenden Schenkel bringen das Maß der Ver- wandtschaft zum Ausdruck. Auf ihnen sind die einzelnen Individuen eingetragen (schwarze Kreise). Je zwei sich kreuzende Individuen sind durch Querstriche miteinander verbunden. Je größer der Ab- stand der Schenkel an der Stelle, an der die Individuen eingezeichnet, desto weiter die Verwandtschaft. Zone A engste Verwandtschaft. Inzucht ohne Schädigung, da keine gegenseitige Schädigung der gebildeten Gewebssäfte im Embryo _ eintritt. (In diese Zone fällt auch Selbstbefruchtung von Zwittern sowie Parthenogenese mit sekundärer Verschmelzung der reduzierten Kerne.) In Zone B wirkt Inzucht schädlich — Zone der unterschwelligen Reize. Zone C optimale Zone, völlige Entgiftung. In Zone D sind die beiden Komponenten zu verschieden, als daß noch eine völlige Entgiftung erfolgen könnte. Verschiedene Abstufungen sind hier wieder möglich, nämlich: Phase 1. Der Bastard ist lebensfähig, aber nicht fortpflanzungs- fähig. Phase 2. Der Embryo stirbt während der Entwicklung. Phase 3. Die Entwicklung geht nur soweit, als sie ohne Tätig- keit des Verschmelzungskernes zu gehen vermag. (Die Ergebnisse Der Inzuchtschaden, sein Wesen und seine Beseitigung. 449 von Boveri, GODLEWSKI, BALZER, neuerdings von P. HERTWIG wären von diesem Gesichtspunkte zu betrachten.) Man darf sich natürlich nicht vorstellen, daß die optimale Zone C eine so scharfe Begrenzung gegenüber B und D hat, wie dies im Schema angegeben ist. Innerhalb der Zone C wird von der Mitte aus ein Gefälle, d.h. Verringerung des Optimums nach beiden Seiten hin anzunehmen sein. Das Reagieren des Serums, des Protoplasmas etc. wird ein verschiedenes sein, auch wenn artgleiche im übrigen aber nicht verwandte Individuen zusammenkommen. Also auch außer- halb der Inzucht wird die Entgiftung nicht immer eine optimale, sondern, je nach den Partnern, eine abgestufte sein und man darf sich nicht verhehlen, daß zwei nicht verwandte Individuen gelegent- lich einander biochemisch ähnlicher sind, als zwei verwandte. Da- mit ist aber gesagt, daß das, was wir als Inzucht- schaden bezeichnen (das ist die mangelhafte Ent- giftung), auch außerhalb der Inzucht auftreten kann. Der inzuchtschaden* ist also nicht spezifisch für Inzucht. Wir dürfen somit erwarten, daß Mittel, die den Inzuchtschaden . beeinflussen, nicht nur in der Zone B und D, sondern auch in der Zone C wirken, solange als nicht zufällig das (sicher selten sich ergebende) nicht mehr steigerungsfähige Optimum vorliegt. Man kann wohl annehmen, daß jedes Gen sein eigenes Plasma und Serum bildet, resp. dem gesamten Plasma einen besonderen Akzent verleiht; doch können wir in einem aus Ei und Sperma entstandenen Individuum die Genkomplexe vom Vater und die von der Mutter als Einheit insofern auffassen, als die Produkte eines jeden dieser Genserie sowohl im Vater als auch in der Mutter bereits eine gegenseitige Auseinandersetzung erfahren haben. Damit, dab Vater und Mutter lebensfähig waren und normale Keimzellen lieferten, haben sie die normale gegenseitige Entgiftung ihrer Genprodukte dargetan. !) 1) Die Erscheinung, daß durch Inzucht nicht nur die Konstitution der Nachkommen, sondern auch ihre Zahl beeinflußt wird, ferner daß nebeneinander in einem Wurf noch völlig gesunde Individuen neben stark degenerierten und neben Embryonen entstehen, die über die ersten Ent- wicklungsstadien schon nicht mehr hinauskommen, läßt sich nicht erklären, wenn man allein die Verwandtschaftsgrade der beiden Eltern-Individuen ins Auge faßt — dann müßte der Wurf einheitlich sein; entweder alle gesund, oder alle krank oder alle entwicklungsunfähig — man muß auch 450 R. DEMOLL, —— Cn 6e 0e ausgest. A. wt 27 reer rt 00e 6 06000 2. 57 x — —_ eee © e ausgest. Der Inzuchtschaden, sein Wesen und seine Beseitigung. 451 0000000000 u 50 . R. Demott, D à 45 er Inzuchtschaden, Sein Wesen und seine Beseiti itigung —— — 0000000 5 Totgeborene x REP eae OLOSER OVC RORORORS o! al . 1 a ' oo 0 09 ausgest SE N ausgest. 7 = ausgest. a), ee ~ = en Ti 4 °00o Fig, 000000 451 452 R. Denoxt, Die Frage lautet demnach: Wie verhalten sich gegenseitig zwei derartige Komplexe einmal, wenn sie einander sehr fernstehen? (Gattungsbastarde) dann, wenn sie derselben Art entstammen? und schließlich, wenn sie in weitgehendem Maße einander gleichen ? (Inzucht). Im Effekt gleich der Bastardierung zweier einander fern- stehender Genkomplexe sind Bastarde von Mutationen, deren Kom- plexe nur hinsichtlich eines einzigen Gens unüberbrückbar große (nicht zu entgiftende) Differenzen aufweisen. Dies mag für manche der sogenannten zygotisch-lethalen Gene gelten. Hier — so darf man wohl manche dieser Fälle erklären — wird durch das lethal wirkende Gen ein im Artplasma zu fremdes Protoplasmaelement produziert, resp. es wird dem Gesamtprotoplasma und Serum eine eigene Art zu geben versucht, die zu fremd ist, um sich mit dem der betreffenden Rasse eigentümlichen Plasmatyp noch erfolgreich auseinandersetzen zu können. Liegen geschlechtsbegrenzte, rezessive, lethale Faktoren vor, so wird es sich darum handeln, daß im männlichen Individuum die Schwierigkeiten der Entgiftung nicht durch Gen-Komplexe ge- geben sind, sondern daß sie zwischen diesem lethalen Gen und allen übrigen bestehen. Betrachten wir nun, von dieser Anschauung über das Wesen hier von der Verschiedenartigkeit der Nachkommen infolge der ver- schiedenen Genkombinationen ausgehen. Genkomplexe des befruchtungsfähigen Spermas eines Männchens können infolge Austausch und darauffolgende Reduktion tausendfältig ver- schieden sein. Dasselbe gilt für die Eier eines Individuums. Werden in der Norm 8 Eier befruchtet, so werden diese sich auch alle meist ent: wickeln, so lange der Verwandtschaftsgrad der Tiere kein zu enger ist. Mit fortschreitender Annäherung an die Schädlichkeitsgrenze, werden sich Kombinationen von Genkomplexen im Sperma und im Ei häufen, die, ‚wenn sie zusammenkommen, infolge weitgehender Gleichheit keine genügende Entgiftung mehr auszulösen fähig sind, während dies bei anderen Kom- binationen noch in vollem Maße gelingt. Je weiter die Inzucht geht, desto häufiger werden wir ungenügende Reaktionen erwarten müssen. Der Effekt fortschreitender Inzucht wird sich daher zunächst darin äußern, daß bei gleichbleibender Geburtenziffer einzelne Individuen von schlechterer Konstitution vorhanden sind. Dann wird die Zahl der Embryonen, die sich zu entwickeln nicht mehr fähig sind, zunehmen, die Geburtenziffer beginnt zu sinken. . Unter den noch lebensfähigen werden immer weniger gesunde Individuen auftreten, bis wahrscheinlich keine Genkombinationen mehr möglich sind, welche hinreichende Differenzen schaffen, die die Grundbedingungen für die Entwicklungsfähigkeit des Embryos darstellen. Der Inzuchtschaden, sein Wesen und seine Beseitigung. 453 des Inzuchtschadens ausgehend, das reiche Material, das uns in dem Werke Darwin’s vorliegt. | Bei Darwin findet sich eine Beobachtung, die er selbst besonders hervorhebt, ohne eine Erklärung dafür finden zu können. Bei derselben Pflanze bestäubte er einen Teil der Blüten mit Pollen von anderen Blüten dieser gleichen Pflanze, einen anderen Teil bestäubte er mit den dieser Blüte eigenen Pollen. Hier liegen also zwei verschiedene Stufen sehr enger Inzucht vor, im zweiten Fall so eng, daß man eine gewisse Identität der beiden Protoplasmen sehr wohl erwarten darf. Über das Ergebnis schreibt Darwin (p. 40): „Nehmen wir all die Beweise zusammen, so müssen wir schließen, daß diese im strengsten Sinne selbstbefruchteten Pflanzen etwas höher wuchsen, schwerer waren und meistens auch eher blüten als die von einer Kreuzung zwischen zwei Blüten an einer und der nämlichen Pflanze herrührenden. Diese letzteren Pflanzen bieten daher einen wunderbaren Kontrast zu denen dar, welche aus einer Kreuzung zwischen zwei bestimmten Individuen herrühren.“ Was hier Darwin wunderbar und unerklärlich findet, ist die ausbleibende Schädigung bei denkbar engster Inzucht. Da wir für ein und dieselbe Blüte ein nahezu uniformes Protoplasma annehmen dürfen, so überrascht uns das Ergebnis nicht. Es fällt diese Kreuzung in die Zone A des beigegebenen Schemas. ’) Wenn die hier entwickelte Ansicht das Richtige trifft, so muß es — theoretisch wenigstens — möglich sein, Schäden der Inzucht auszuschalten. Es bieten sich verschiedene Wege. Gelingt es auch nur auf einem von diesen zum Ziele zu kommen, so gibt uns dies eine Gewähr, daß meine Erklärung das Richtige getroffen hat. Wie ausgeführt, entsteht der Schaden dadurch, daß infolge unterschwelliger Reize keine Entgiftung mehr stattfindet, daß aber die Identität der beiden Plasmakomplexe noch nicht ein solches Maß erreicht, daß eine Entgiftung nicht mehr nötig wäre. Es bleibt daher zu untersuchen, ob der Schaden ferngehalten werden kann: 1. dadurch, daß man das Protoplasma des Embryos in seiner Gesamtheit gegen die unterschwelligen Schädigungen widerstands- fähig macht; 1) Es wäre sehr erwünscht, wenn von Seiten der Chirurgen Parabiose — Versuche von diesem Gesichtspunkt aus angestellt würden der Art, daß der Einfluß enger Verwandtschaft mit dem Einfluß engster Verwandt- schaft (Zone B u. A) z. B. bei Eineizwillingen verglichen würde. 454 R. DEMoLL, 2. dadurch, dab die Reizschwelle soweit als möglich herab- gedrückt wird und dadurch im Embryo noch Entgiftungsprozesse zur Auslésung gelangen, und 3. dadurch, daß man künstlich die Differenzen, die die Sera der beiden zu kopulierenden Individuen besitzen, steigert. Auf das Schema 1 bezogen, würde der erste Weg das Proto- plasma befähigen, dem in der Zone B einwirkenden Schaden stand- zuhalten. In 2 würde man erreichen, daß die Zone B von C her eingeengt wird, dab sie eventuell ganz verschwindet und so die Zone C direkt an A angrenzt. Durch 3 schließlich würde erwirkt, daß Individuen, die infolge naher Verwandtschaft schon in der Zone B stehen, wieder aus dieser heraus nach © gerückt werden. Von den drei Möglichkeiten habe ich bisher zwei in Angriff genommen, davon eine mit Erfolg durchgeführt. Ich arbeitete mit weißen Mäusen. Die Generationen folgen relativ schnell aufeinander. Es wurden jeweils Geschwister gepaart. Zunächst suchte ich zwischen den Geschwistern Unterschiede zu schaffen, indem ich jeweils das eine von beiden Tieren großer Feuchtigkeit und hoher Temperatur aussetzte. Die Vorversuche belehrten mich aber, daß die weißen Mäuse für diese Versuche ungeeignet sind, da sie sich starken Milieuänderungen gegenüber zu wenig widerstandsfähig erweisen. ? Die Versuche, die ich bisher durchführte und dabei positive Resultate erzielte, gingen darauf aus, die Widerstandsfähigkeit des Embryos gegenüber den unterschwelligen Schädigungen zu heben. Einen Fingerzeig bot mir bei meinem Suchen nach einer solchen Möglichkeit die Feststellung von Gunn (1908) ?), die ergab, daß die Widerstandsfähigkeit der roten Blutkörperchen gegen hämolytische Agentien durch Verabreichung von Arsen nennenswert gesteigert wird. Man durfte nun vermuten, daß die Wirkung der Arsengaben sich möglicherweise nicht allein auf eine Steigerung der Wider- standsfähigkeit der roten Blutkörperchen erstreckt und ferner, daß diese Steigerung sich nicht nur den Lysinen gegenüber äußert. Kurz man durfte vermuten —, und ich ging von dieser Annahme 1) Ich hoffe demnächst mit Schmetterlingsraupen diese Versuche wieder aufnehmen zu können, wobei zum Teil mit normalen, zum Teil mit anßergewöhnlichen Futterpflanzen gefüttert werden soll. Es bleibt ferner zu untersuchen, ob durch Impfung des einen Parte wirksame Unterschiede gesetzt werden können. 2) Gunn, Brit. med. Journ., 1908; Gunn u. FELTHAM, ibid., 1911. Der Inzuchtschaden, sein Wesen und seine Beseitigung. 455 aus —, daß durch mäßige Arsengaben eine Steigerung der vitalen Äußerungen des Protoplasmas und der Gewebssäfte ganz allgemein zu erreichen sei. Ferner setzte ich voraus, daß die Wirkung sich von den behandelten Eltern auch auf die Embryonen übertragen würde. Das durchaus positive Ergebnis belehrte mich, daß ich mit dieser Annahme nicht zu weit gegangen war. J Die Versuche laufen über 21}, Jahre. Es wurden jeweils Ge- schwister unter sich gekreuzt. Von jedem Paar wurden drei Würfe abgewartet. Um sicher zu sein, daß bei der Auswahl derjenigen Tiere eines Wurfes, die zur Fortpflanzung verwendet werden sollten, jede Selektion vermieden wurde, habe ich die Zusammenstellung der Paare jeweils einem Unbeteiligten (dem Diener) überlassen, der über Bedeutung und Ziele der Untersuchung völlig unorientiert war. Ich gab dann nur die Weisung, das erste Männchen mit dem ersten Weib- chen, das er in die Hand bekam, zu einem Paar zu vereinigen. Der verwendete Stamm stand schon beim Händler längere Zeit unter regelloser Inzucht. Die Zahl der bei einem Wurf erhaltenen Jungen war beim Ausgangsmaterial durchschnittlich fünf; erst etwas mehr, vor Beginn der Aufspaltung in Versuchs- und Kontrolltiere etwas weniger. Mit den Versuchen wurde eingesetzt, als die Tiere bereits in der Behaarung und an den Ohren Zeichen der Degeneration auf- wiesen. Die Vorversuche wurden mit arseniksaurem Natrium 0,0004 mg täglich ausgeführt. Die Ergebnisse waren günstig. Ich prüfte nun verschiedene zum Teil auch organische Arsenpräparate. Ein von den Farbenfabriken vorm. FriEpr. BAYER & Co. herge- stelltes Arsenpräparat mit 36,4°/, Arsen bewährte sich am besten. Es wurde für die weiteren Versuche beinahe ausschließlich ver- wendet. Kontrolltiere wurden von Anfang an abgeschieden. Nachdem diese letzteren eingegangen waren, wurden immer wieder neue Kon- trolltiere aus der Reihe der behandelten abgetrennt. Ich unter- suchte den Einfluß des Arsens, wenn es-nur dem Männchen oder nur dem Weibchen verabreicht wurde und außerdem, wenn beide Partner gleichmäßig davon erhalten hatten. Abgesehen von den Arsengaben erhielten alle Tiere genau gleiches Futter. Um Un- gleichheiten, wie sie durch individuelle Vorliebe für dieses oder jenes Futtermittel hätten entstehen können, zu vermeiden, wurde der Speisezettel so monoton wie möglich festgelegt, immerhin aber so, daß keine Krankheiten dadurch entstanden. Die Tiere erhielten Milch, Mehl und Körnerfrüchte. 456 | R, Dermott, Der völlige Raummangel im Institut, insbesondere das Fehlen eines eigenen Arbeitsraumes, verhinderte, daß ich zahlreichere Ver- suche nebeneinander laufen ließ. Bei sechs Serien war bereits der Geruch im Institut unerträglich geworden, da die Tiere im Gang untergebracht werden mußten. Es war nötig, in einer der Serien . Männchen und Weibchen gleich zu behandeln, um zu entscheiden, ob das Arsen auch wirklich dadurch wirkt, daß es die Widerstands- kraft erhöht. Ich mußte mir sagen, daß eine Einwirkung: bei ein- seitiger Fütterung auch darauf beruhen könnte, daß durch diese Verfütterung Unterschiede zwischen den Männchen und den Weib- chen gesetzt worden sind. Es zeigte sich aber, daß bei diesen Serien, wo beide Tiere in gleicher Weise Arsen erhielten, der Erfolg der gleiche blieb wie bei den anderen Versuchsanordnungen. Das Hauptergebnis der Versuche ist das: Während die unbehandelten Kontrolltiere jeweils innerhalb weniger Generationen völlig degenerierten (in bezug aufKörpergewicht, auf Habitus, aufFrucht- barkeit) und bald ganz ausstarben, stieg die Zahl der Nachkommen der behandelten Tiere auf sieben und acht. Junge (bis zu neun) im Wurf. Degenerations- zeichen waren nicht nachweisbar. Ich gebe hier die am längsten durchgeführte Serie wieder; überall da, wo die Linien durchgezogen sind, fand keine Behandlung der Eltern vor der Begattung statt. Die Anordnung in der Tabelle wurde so getroffen, dab alle Würfe, die aus behandelten Eltern hervorgingen (unterbrochene Linie) rechts stehen, während alle Kontrollwürfe auf der linken Seite vereinigt sind. Die Wirkung der Behandlung tritt hier un- zweideutig zutage. Andere Serien, die weniger lang liefen, zeigen das Gleiche. Die Durchschnittszahl der Jungen in den Würfen der be- handelten Tiere aller Serien ist 6,8; die unbehandelten degenerierten schnell. | Die Durchschnittszahlen für das Gewicht der 3 Monate alten Tiere .(es sind etwa 20°, aller Tiere gewogen worden), beträgt 20,2 g bei den behandelten, 13,1 g bei den unbehandelten. Da Arsengaben an sich zur Vermehrung des Körpergewichts zu führen vermögen, wurden mit Absicht nur solche Tiere gewogen, bei denen nur der Vater mit Arsen behandelt wurde; die gewogenen Tiere selber hatten eine Arsenfütterung nicht erhalten; ebenso ihre Mütter Der Inzuchtschaden, sein Wesen und seine Beseitigung. Pas Ain nicht, um die Möglichkeit auszuschließen, daß das durch die Milch _ übermittelte Arsen die Gewichtszunahme bedingen könnte. Bei den Ableitungslinien des letzten Wurfes dieser Serie ist ein Kreuz eingezeichnet. Durch ein Versehen des Dieners wurden den jungen Tieren etwa 10 Tage lang das pulverisierte, mit Mehl vermischte Präparat in etwa zehnfach höherer Dosis (er verwendete die Stammischung) verabreicht. Als ich den Irrtum erkannte, lieb ich mit der Arsenfütterung von einem Tag auf den anderen ganz aussetzen. Irgendwelche ungünstige Folgen zeigten sich nicht. Um die Dauer der Nachwirkung zu prüfen, ließ ich die Tiere erst einige Wochen später zusammen. Die Arsenwirkung war noch voll vor- handen. Das Weibchen brachte neun lebende Junge. Durch diese Versuche ist somit dargetan, daß ich durch die ständige Verfütterung geringer Mengen eines Arsenpräparats die schädigende Wirkung völlig zu beseitigen vermochte Damit ist wohl auch zu- gleich die Richtigkeit meiner Ansicht über das Wesen des Inzuchtschadens dargetan. Die Bedeutung dieser Er- kenntnis- liegt nicht allein in der Verwendung dieses Mittels bei Menschen; auch für den Tierzüchter, der bisher immer zwischen Vorteil und Schaden, den ihm die Inzucht bringt, abwägen mußte, ist es von größtem Interesse nun die Gefahren der Inzucht bannen zu können. In dem eindeutigen positiven Ausfall der Versuche liegt ein starker Ansporn, nun auch die anderen oben skizzierten Wege zu beschreiten, um der einen gewonnenen Möglichkeit — die Inzucht- schäden zu beseitigen — noch weitere hinzuzufügen. Versuche nach dieser Richtung hin sind im Gange.?) | 1) Aus allen Serien (am deutlichsten an der hier aufgezeichneten, am längsten durchgeführten Serie) ist weiter zu erkennen, daß nach Aus- setzen der Behandlung die Schädigung durch Inzucht um so schneller ein- tritt,. je länger die Inzucht schon gedauert hat. Auf Fig. A bezogen, würde dies heißen: Je weiter unter Behandlung mit dem Arsenpräparat in die Zone B vorgedrungen wurde, um so schneller erfolgt nach Aussetzen der Behand- lung die Degeneration. Es ist zu erwarten, daß eine jahrelang durch- geführte strengste Inzucht unter Behandlung mit Arsen schließlich den Stamm ungeschädigt durch die Zone B ganz hindurchführt nach der Zone A, wo dann die Behandlung ohne Nachteil ausgesetzt werden kann. Eigentümlich ist das nach Aussetzen der Behandlung auftretende 458 RB. Dermott, Der Inzuchtschaden, sein Wesen und seine Beseitigung. momentane Absinken der Fruchtbarkeit mit nachfolgender geringer Er- . holung. | Es muß besonders darauf hingewiesen werden, daß in dem in Fig. B (S. 450 u. 451) wiedergegebenen Versuch lediglich die Männchen be- handelt wurden. Ich hatte kaum erwartet, auch in diesem Falle eine volle Wirkung zu sehen. Es schießen hier eine Reihe neuer Fragen auf: | Vermag das Sperma größere Mengen Arsen aufzuspeichern und in ~ welcher Form? Wirkt Arsen auf die Erbmasse ebenso wie auf das, was aus der Erbanlage entsteht? Hat das Chromatin für das Arsen besondere Affinitäten? Sind bei Einwirkung auf Anlagen geringere Mengen ausreichend als bei Einwirkung auf das, was aus den Anlagen sich entwickelt? Wirkt das. Arsen que titativ ? Vermag es jederzeit auf das Chromatin zu wirken oder nur in einer sensiblen Periode usw. ? Kann das Arsen in seiner Wirkung durch andere Faktoren, die eine „Protoplasmaactivierung“ hervorrufen, ersetzt werden ? (Versuche nach dieser Richtung hin sind angesetzt.) FEI Zahlreich und vielgestaltig sind die Fragen, die hier entstehen; mannigfaltig sind auch die Beziehungen zu Bekanntem, die sich beim weiteren Verfolgen dieser Gedankengänge ergeben. Das eine oder andere wurde hier schon flüchtig gestreift. Hier sei noch darauf hingewiesen, daß auch der Wechsel der Dominänz möglicherweise mit der schnelleren Entgiftung des einen der beiden Komponenten (des weiblichen oder des männlichen) zusammenhängt. Nachdruck verboten. Übersetzungsrecht vorbehalten. . Untersuchungen über den Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven und -puppen. Ein Beitrag zur Atmungsphysiologie der Insekten. Von Dr. phil. Christa Kreisel. (Aus dem Zool. Institut der Westfälischen Wilhelms- Universitat Münster i. W.) : Mit 11 Abbildungen im Text. Inhaltsverzeichnis. Feit: I. Einleitung. II. Notiz über biologische Beobachtungen. III. Bau und Anwendung der Apparatur. IV. Submersionsversuche mit Culicidenlarven und -puppen. 1. Submersionsversuche mit Culex-Puppen. A. Vorversuche mit Oulex-Puppen in offener Schale. B. Submersionsversuche. a) in Leitungswasser von normalem Gasgehalt. B) in CO,- oder O,-reichem Wasser. II. Teil. 2. Submersionsversuche mit Culex- und Anopheles-Larven. Zool. Jahrb. 39. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 31 460 _ CHRISTA KRrEIskL, VY. Einfluß der Neutralsalze auf die Körperkolloide, speziell die CO, - Bildung. VI. Mechanik der Kohlensäure-Exkretion. VII. Zusammenfassung. VIII. Literaturverzeichnis. I. Teil. I. Einleitung. Vorliegende Arbeit steht in Zusammenhang mit den Unter- suchungen von A. Koca (1918, 1919) und M. Gorrergx (1918) über das Verhalten der Culicidenlarven bei der Submersion. Als Ziel der Untersuchungen hat die Erforschung des physikalisch-chemischen Atemmechanismus bei den Insekten mit metapneustischem Tracheen- system zu gelten. A. Kocx (l. c.) konnte zunächst zeigen, daß bei Larven von Culex pipiens während der Submersion die Kohlensäure- abscheidung sowohl durch die Körperoberfläche als auch (in F orm kleiner Gasblasen) durch das abdominale Stigma der Atemröhre er- folgen kann, und daß die Art der Exkretion unabhängig ist vom Gasgehalt des Wassers. Es lag deshalb nahe zu unter- suchen, wie weit die im Submersionsmedium gelösten Salzmengen von Einfluß auf den Mechanismus der Kohlensäure-Exkretion sind. M. GOFFERJE (I. c.) wies in diesem Zusammenhang nach, daß eine Kohlensäure-Speicherung in den Haupttracheenstämmen und eventuell eine Abgabe von wohl größtenteils CO,-haltigen Gasbläschen durch das Stigma der Atemröhre erzielt werden kann, wenn man eine „tödlich“ wirkende Salzlösung als Submersionsmedium verwendet. Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, war es zunächst nötig, in Vorversuchen die Tiere in Salzlösungen zu züchten und den Einfluß der Salze auf das physiologische Verhalten der Tiere unter nor- malen Atembedingungen auf ihre Lebensdauer und ihre Ent- wicklungsmöglichkeiten festzustellen. M. GorFERIE verwandte zu diesen Versuchen die in der Regel in natürlichem Süßwasser vor- handenen Salze: KNO,, NaNO,, Ca(NO,), NaCl, KCl, CaCl,, MgCl,, Na,S0,, K,SO,, MgSO,. Diesen Vorversuchen schlossen sich Unter- suchungen im Submersionsapparat an. Hier wurden von den Medien nur NaCl, KCl und außerdem HgCl, benutzt, weil die übrigen Salze wegen der Kriegsverhältnisse in den erforderlichen großen Mengen nicht zur Verfügung standen. M. Gorrerse konnte ferner zeigen, daß die Energieproduktion der Larven während der Submersion un- Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven. 461 abhängig ist von der Art der CO,-Exkretion. Die von ihr erhaltenen, nach der Kocu’schen Methode aufgenommenen Ergogramme lassen an sich keinen Rückschluß zu, ob das betreffende Versuchstier die Kohlensäure in Form von Gasblasen durch das Stigma oder ander- weitig (durch Haut- und Darmatmung) ausgeatmet hat. GOoFFERJE erblickt darin den Beweis, daß die CO,-Ansammlung in den Tracheen und die Abscheidung von Gasblasen durch das Stigma wohl kaum als Zeichen einer allgemeinen Degeneration der Larve, als patho- logische Erscheinung, sondern als Ausdruck einer Anpassung an bestimmte Lebensbedingungen zu gelten hat. Meine Aufgabe war eine doppelte Es sollten die Versuchs- reihen von M. Gorrerse fortgeführt und das Problem weiter ge- klärt werden, wie man sich die Einwirkung der Salze auf den physikalisch-chemischen Mechanismus der Atmungsvorgänge, speziell der Kohlensäureabscheidung, zu denken hat. Ferner war es wünschenswert, den von A. Kocx (l. c.) an Larven angestellten Submersionsversuchen solche mit Puppen gegenüberzustellen, um zu prüfen, inwieweit die Sätze, die für die Larven gefunden wurden, auch für die Puppen von Culex Geltung haben. Soweit es sich um Versuche über die Einwirkung verschiedener Salze auf den tierischen Organismus handelt, bestehen Zusammen- hänge dieser Untersuchungen mit einer Reihe anderer Arbeiten. M. GoFFERJE (l.c.) hat in der Einleitung zu ihren Untersuchungen ausführlich darüber referiert, so daß ich an dieser Stelle nur darauf zu verweisen brauche. Erwähnt sei aber außerdem die inzwischen erschienene Arbeit von WırHermı (1919) „Über die Bekämpfung der Musciden-Brut mit Kali-Salzen“. WırHermı hat aus prak- tischen Gesichtspunkten heraus eine große Reihe Versuche an- gestellt über den Schädlichkeitswert einzelner Kalisalze auf Eier, Larven und Imagines der Musciden. Es ergaben sich als geeignete Mittel zur Fliegenbrutbekämpfung gelôschter Kalk, Borax und - Endlaugenkalk; bei Anwendung im Mengenverhältnis 1:320, 1 : 160 bzw. 1;80 töten diese Stoffe etwa 75°, der Fliegenlarven in weniger als 8 Tagen oder hindern die Entwicklung der Larven aus dem Ei. | a Auch A. Korater (1919) berührt in ihrer jüngst erschienenen Arbeit „Über antagonistische Salzwirkungen an Colpoden“ ähnliche Probleme wie sie sich in meinen Ausführungen finden. Die Autorin beobachtete, daß Salzlésungen eine Veränderung der Gestalt der Tiere bewirkten und schloß daraus, daß es sich um Wechselwirkungen 31* 462 CHRISTA KREISEL, zwischen den Salzionen und den Kolloiden des Tierkörpers handeln müsse und zwar im Sinne der Harpy'schen Regel. !) Die Arbeit wurde im Zoologischen Institut der Wilhelms- | Universität zu Münster i. W. angefertigt. Anschließend. möchte ich allen denjenigen herzlich danken, die zum Gelingen beigetragen haben. Mein hochverehrter Lehrer, Herr Prof. Dr. W. STEMPELL, und besonders Herr Privatdozent Dr. A. Koca, der mir die Anregung zu den Untersuchungen gegeben hat, haben durch wertvolle Rat- schläge meine Arbeit gefördert, und ich möchte nicht verfehlen, ihnen meinen aufrichtigen Dank auszusprechen für das Interesse, das sie mir entgegenbrachten. Auch Herrn Dr. SupHorr, Abteilungsvorsteher an der Land- wirtschaftlichen Versuchsstation, danke ich für die Ausführung der Wasseranalysen. II. Notizen über biologische Beobachtungen. - Ehe ich zum eigentlichen Thema meiner Arbeit übergehe, möchte ich vorher auf einige biologische Tatsachen hinweisen, die wohl durch den warmen Winter 1919—1920 bedingt wurden. Wie eine Bestimmung nach SCHNEIDER (1913), der die Culiciden- fauna in der Umgegend von Bonn bearbeitet hat, ergab, handelt es sich bei-meinen Versuchstieren um Culex pipiens L., Theobaldia annulata SCHRANK und Anopheles maculipennis Mic. Als Fundorte für die Ver- suchstiere kommen ein flacher Tümpel auf einer Wiese in der Nähe des Hafens bei Münster i. W. und ein zweiter in Nevinghoff, einem in der Umgebung der Stadt gelegenen Gutshof, in Betracht. Die Tiere lebten dort in ziemlich verschmutztem Wasser, im wesentlichen zusammen mit Asellus aquaticus L., Dytiscus marginalis L. und Notonecta glauca L. Eine Wasseranalyse, die hier an der Landwirtschaftlichen Versuchsstation gemacht wurde, lieferte folgendes Resultat: Tümpel am Hafen und in Nevinghoff. Aussehen: durch braune Schwebestoffe getrübt. Geruch: ohne besonderen Geruch. 1) Anodische Kolloide werden durch Kationen, kathodische durch Anionen ausgefällt. . Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven. 463 Reaktion: neutral. Ammoniak: 0—0.7?) 1 Liter enthält an gelösten Stoffen mg im ganzen: 896,0—376,0 !) davon glihbestandig: 794,0—282,0 darin Kalk (CaO): 280,0— 94,0 Magnesia (MgO): 30,4— 9,3 Schwefelsäure (SO, ): 199,2— 76,3 Chlor (Cl): Bra 497° Salpetersäure (N,0,): 0,7— 15,0 Zur Oxydation erforderlicher O,: 49— 4,8 Auf CO,- und O,-Gehalt wurden die Tümpel öfter an Ort und Stelle analysiert. Es ergab sich ein durchschnittlicher CO,-Gehalt ‘ von 7,04 mg und ein solcher an O, von 0,9 mg pro Liter für den Tümpel am Hafen und von CO, = 6,03 mg und 0, — 0,8 mg für den Tümpel in Nevinghoff. Die O,-Bestimmung wurde nach der WInNELER’schen Methode vorgenommen. In bezug auf die CO,- Bestimmung sei auf die eingangs zitierten Arbeiten von A. Kocx verwiesen, der eine ausführliche Beschreibung der Methode gibt. Die Tiere wurden gefangen während der Monate März 1919 bis Januar 1920, und zwar die Puppen von Mai bis Oktober, die Anopheles- und Theobaldia-Larven von Mitte September bis Mitte November und die Culex pipiens-Larven während der ganzen Zeit. Mitte November setzte eine Frostperiode ein, der eine un- gewöhnlich warme, regenreiche Zeit folgte. SCHNEIDER gibt an, dab Culex pipiens und Anopheles maculipennis als Imagines überwintern. Kurz vor Weihnachten fing ich aber ganz frisch ausgeschlüpfte Culex pipiens-Larven von 1,5—2 mm Lange. Die Culex pipiens- Imagines müssen also noch im Dezember zur Eiablage ge- schritten sein. Anopheles-Larven wurden nach der Kälteperiode im November nicht mehr gefangen. Entweder ist nach dieser Zeit das Wärmeminimum, das zur Kiablage für die Imagines der Ano- pheles wohl notwendig ist, nicht mehr erreicht worden, oder aber die abgelegten Eier haben sich nicht weiter entwickelt. Hingewiesen sei schließlich noch auf das verschiedenartige Ver- halten, das fiir Anopheles, Culex und Mochlonyx (die damals zu 1) Die ersten Zahlen beziehen sich auf das Tiimpelwasser vom Hafen, die zweiten auf das von Nevinghoff. 464 : CHRISTA KREISEL, anderen Zwecken gefangen wurden) festgestellt werden konnte. Während sich Mochlonyx Lw. sehr gut unter dem Hise entwickelt, ist das bei Culex nur in beschränktem Maße der Fall und für Anopheles anscheinend unmöglich. III. Bau und Anwendung der Apparatur. Die Versuche der Culex-Puppen wurden mit dem von A. Koch in seiner Arbeit ausführlich beschriebenen Submersionsapparat an- Fig. A. Apparatur zur Submersion von Culicidenlarven. gestellt. Ich verweise deshalb auf die genannte Abhandlung. Der zu den Versuchen mit Culicidenlarven verwandte Apparat ist in Fig. A schematisch wiedergegeben. Ein Glasrohr a 5 von 65 cm Länge und 1 cm Durchmesser ist auf einem Maßstab angebracht und durch eine bewegliche Muffe an einem Stativ befestigt. Das Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven. 465 Ende a der Röhre trägt ein durch einen Quetschhahn q abzu- klemmendes Schlauchstückchen. Das andere Ende d der Röhre ist durch einen kurzen Schlauch mit einem T-Glasrohr verbunden, an dessen zweitem, in der Richtung a b liegendem Schenkel wieder ein 5 cm langer Schlauch angeschlossen ist, der ebenfalls abgepreßt werden. kann (x) Das Verbindungsstück zwischen T-Rohr und Versuchsrohr ist durch einen weiteren Quetschhahn (y) abzuklemmen. Der erste Schenkel des T-Rohres ist durch einen 70 cm langen Schlauch mit einem Scheidetrichter (g) verbunden, der mit dem Versuchswasser gefüllt und ebenfalls an einem Stativ befestigt ist. Durch Öffnen des am Scheidetrichter befindlichen Hahnes kann frisches Versuchswasser in die Röhre einströmen. Ist es bis a ge- stiegen, wird das Versuchstier mit Hilfe einer Pipette eingeführt; dann wird a 5 durch die Quetschhähne q und y abgequetscht. Nach Beendigung des Versuches wird das Tier bei x herausgespült. Zu den Versuchen mit Anopheles wurde derselbe Apparat ver- wandt, nur wurde an Stelle der 65 cm langen Röhre eine 20 cm lange benutzt, um bei der Kleinheit der Versuchstiere eine einwand- freie Beobachtung zu ermöglichen; denn die kleinere Röhre wurde in diesen Fällen nicht mehr durch die Muffe getragen, sondern mittels eines Reagenzglashalters (um ein Erwärmen zu verhindern) mit der Hand vor der Lupe hin und her bewegt. Um eine Ansammlung schädlicher Stoffwechselendprodukte zu vermeiden, wurde in allen Fällen das Versuchswasser jede 10 Minuten erneuert. IV. Vorversuche mit Culex-Puppen in offenen Standgefäßen. Bei den Puppen handelt es sich um zwei Versuchsreihen: um Züchtungen in Salzwasser in offenen Standgefäßen und um Sub- mersion. Zunächst wurden die Puppen in offene Standzylinder mit Salz- ‚lösungen verschiedener Konzentrationen gebracht. Über das Ver- halten der Puppen in Salzlösungen geben bereits die Versuchsreihen von M. Gorrerse (1918) Auskunft, und zwar insofern, als in den sogenannten „indifferenten“ Konzentrationen eine Entwicklung der Larve, Verpuppung und Imagobildung beobachtet werden konnte. Mit Ausnahme des Kaliumnitrats lieferten alle von M. GOFFERJE n n (1918) benutzten Salze der „.- und 39 6 „Lösung, Kochsalz schon in der 466 Curista KREISEL, 16 " „Lösung indifferente Konzentrationen, in denen also für die Puppen die Möglichkeit des Lebens und der Umbildung zur Imago bestand. Im Gegensatz zu diesen Versuchen stellen meine eigenen Unter- Tabelle I KNO3 ------- 8 -—~----2# Ri I I I ) 3 a 1 1 { ae Fig. B. Eine ausgezogene Linie bedeutet „Puppe“. Eine gestrichelte Linie bedeutet „Larve“, Ein Kreis bedeutet „Verpuppung“. Zwei konzentrische Kreise bedeuten „Imago- bildung“. (X) bedeutet „Tod“. Die römischen Zahlen geben die Puppenzeit in Tagen, die arabischen das Häutungsstadium der Larven an. Gestrichelte Linien ohne Endzeichen bedeuten „Weiterleben der Larve“. Auf der Ordinatenachse sind die Tage angegeben. suchungen „Uberführungsversuche“ dar, bei denen Tiere, die sich im Tümpelwasser des Aquariums bereits bis zur Puppe entwickelt hatten, in die betreffende Salzlösung eingesetzt wurden. Es sollte dadurch festgestellt werden, ob bei dieser Versuchsanordnung irgend- welche Unterschiede in der Empfindlichkeit der Puppen a: | gegenüber zu beobachten sind. | Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven. 467 In die Versuchsgläser kamen je eine Puppe bestimmten Alters und außerdem 1—2 Larven. Auf diese Weise wurde es ermöglicht, genau zu verfolgen, ob ein Unterschied im Verhalten der Puppen den Larven gegenüber vorliegt. Es lag nahe, zunächst KNO, auf Tabelle Mg 504 © © HAT W310 3 IN 34 LIN 343 3 Tabelle IV Leitungswasser n Na NOs+nMgS0, Le 2 MgS0« Fig. C. Figurenerklärung vgl. bei Fig. B. seine Wirkungen hin zu untersuchen, das einzige Salz, für das von M. GoFFERJE keine indifferent wirkende Konzentration gefunden worden ist. Natürlich schien es dann auch geboten, das andere Alkalinitrat, NaNO,, vergleichsweise zu diesen Versuchen zu ver- wenden. Als Vertreter der übrigen Salze wurde in diesem Zu- sammenhang MgSO, benutzt und zwar sowohl allein als auch in Kombination mit einem Alkalinitrat, so daß im ganzen Versuche vorliegen mit folgenden Lösungen: | 468 Carisra KREISEL, KNO, in den Konzentrationen von n en NaNO, und Meso, in denselben Konzentrationen; ferner n NaNO,: n MgSO, = 1:1 5 NaNO, : 5 MgSO, = 1:1 Als Kontrollversuche dienten solche in Leitungswasser und Aqua dest. Es sei zunächst auf die Figuren verwiesen, die in graphischem Bilde das Verhalten der Puppen und der vergleichsweise benutzten Larven zeigen sollen. Aus diesen Darstellungen ergibt sich: Von den zu den Versuchen verwandten gleichmäßig lebenskräftigen 73 Puppen und 55 Larven starben 18 Puppen und 46 Larven d.h. 25°/, der Puppen und 80°, der Larven. Es stellte sich somit eine weit höhere Sterblichkeits- ziffer für die Larven heraus. Die den Tod der Tiere bewirkenden Salze müssen also in den Larvenkörper besser eindringen können als in den der Puppen. Diese Tatsache wird ja auch leicht verständlich, wenn man an die Wasseraufnahme der Larven in den Darm per os und per anum ~ denkt. Es sei erinnert an die Beobachtungen, die RAscHkeE (1913), Dewırz (1918) und Dürken (1913) an Culex-Larven machen konnten. Nach längeren oder kürzeren Pausen wird durch schluckepde Be- wegung des Afters Wasser oft in beträchtlichen Mengen aufgenommen, dessen Entleerung ruckweise erfolgt. Da der Enddarm vom Blut umspült wird, so ist natürlich eine Resorption der im Wasser vor- handenen Salze (ebenso wie der darin gelösten Gase) möglich. Das infolge des dauernden Spieles der Mundgliedmaßen wohl auch ge- legentlich durch den Mund dem Darm zugeführte Wasser ist in demselben Sinne zu bewerten. Die Larven treten also sozusagen in viel intensivere Beziehung zum Wasser, und die Salze können ihre Giftwirkung viel besser entfalten, als dies bei den Puppen der Fall ist, wo nur die Körperwand eine Resorption ermöglicht und eventuell (in stärkeren Konzentrationen) als Membran einen schädlich wirkenden Wasseraustritt in das hypertonische Medium gestattet. Daß tatsächlich durch das Chitin der Puppenhaut die Salze tödlich einzuwirken vermögen, beweist der Tod der 18 Puppen, der meistens in den hohen Konzentrationen erfolgte (vgl. n MgSO,, 5 und 7 NaNO,). Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven. 469 Die schwachen Konzentrationen haben auf die Puppen keinen Einfluß. Die Dauer des Puppenstadiums wird durch die Salze nicht ge- ändert. Ebenso scheint das Alter der Puppen bei der Überführung keine Rolle zu spielen. - Wenn man die Wirkungsweise aller Versuchsmedien auf die Puppen überblickt, so ergibt sich das wichtige Resultat, daß alle angewandten Konzentrationen in bezug auf Puppen als indifferent zu gelten haben. „Tödlich“ oder „entwicklungshemmend“ wirken die Neutralsalze innerhalb der n- bis 55" Konzentrationen nur auf Larven, nicht auf Puppen. Da die Alkalinitrate nach den GOFFERJE- schen Versuchen als die am schädlichsten wirkenden Salze zu gelten haben, läßt sich das aus den oben angegebenen Versuchen abgeleitete Ergebnis in seiner Gültigkeit wohl ohne weiteres auf alle 10 Salze übertragen. Dem Resultat kommt nicht nur in theoretischer, sondern vor allem auch in praktischer Hinsicht eine größere Bedeutung zu, und zwar bei der Frage nach der Bekämpfungsmöglichkeit der Culieidenbrut durch Salzeinwirkung. Submersionsversuche in Leitungswasser, CO,- und O,-reichem Wasser. Gleichzeitig mit den Züchtungen in offener Schale wurden eine große Anzahl Versuche im Submersionsapparat gemacht, um fest- zustellen, wie sich Puppen bei Luftabschluß verhalten. Als Sub- mersionsmedien wurden benutzt: Leitungswasser mit normalem Gasgehalt, Aqua dest. mit starkem CO,-Gehalt, ” ” ” ” O,-Gehalt. Vor Versuchsbeginn lebten die Tiere in Tümpelwasser, das vom Fangort mitgebracht wurde. (Das verdunstete Wasser wurde durch Leitungswasser ergänzt.) Das zur Submersion verwandte Medium wurde unmittelbar vor dem Versuch auf seinen O,- und CO,-Gehalt untersucht. In erster Linie wurde während der Submersion darauf geachtet, ob die Tiere durch die Stigmen der Atemhörnchen Gasblasen ab- geben oder nicht, ferner wurden aktive und passive Bewegung der Puppen in ihren wechselnden Größen möglichst genau festgestellt, 470 CHRISTA KREISEL, da sich ja daraus Schlüsse auf den Gasgehalt des Tracheensystems und somit auf die Atmungsvorgänge ziehen lassen. Was zunächst aktive und passive Bewegung der Puppen an- belangt, so ähnelt ihr Verhalten im wesentlichen dem der Larven, wenn sich auch bei der Submersion der Puppen die drei Perioden, von denen A. Koch (l..c.) in dem Kapitel: „Die Reizbeantwortungen während der Submersion“ in seiner Arbeit (1919) redet, nicht ganz so deutlich unterscheiden und gegeneinander abgrenzen lassen. Be- sonders auffallend ist, daß des Öfteren derartig lang dauernde Zu- stände völliger Lethargie (die durch gänzliche Bewegungslosigkeit — der Puppen charakterisiert sind) eintreten können, daß man glaubt, mit dem Tod des Tieres rechnen zu müssen. In diesen Fällen setzen aber nach 10—15 Minuten spontan wieder Schwimm- bewegungen ein. Allerdings ist ein lethargischer Zustand von dieser verhältnismäßig langen Dauer wohl als Vorbote des Todes anzusehen. ER Dem Eintritt der Lethargie gingen öfters eigentümliche Zuckungen des Tieres voraus, eine Art klonischer Krämpfe, die auf Vergiftungserscheinungen des Nervensystems zurückzuführen sein müssen. Wird gleich zu Anfang des lethargischen Zustandes oder spätestens unmittelbar nach Wiederbeginn der Bewegung die Sub- mersion unterbrochen, so bleibt die Puppe meist am Leben. Wird der Versuch jedoch Sorin go so tritt in vielen Fallen kurze Zeit darauf der Tod ein. Der Eintritt eines solchen, wie oben be- schriebenen, lethargischen Zustandes kann somit als Grenzwert dafür gelten, wie lange die Submersion hôchstens ausgedehnt werden darf, um das Tier noch eben am Leben erhalten zu kénnen. Ks wurde deshalb in den Versuchen einmal diese Submersionsdauer zu ermitteln versucht. In den untenstehenden Tabellen ist in der mit „Eintritt der Lethargie“ überschriebenen Spalte die betreffende zeitliche Angabe enthalten. Hielt die völlige Bewegungslosigkeit länger als 30 Minuten an, so lag keine Lethargie, sondern ein un- widerruflicher Stillstand der Lebensfunktionen vor, d.h der Beginn der Bewegungslosigkeit bedeutete in diesen Fällen den Tod. Zwischen „Eintritt der Lethargie“ und „Tod“ mußte somit ein prinzipieller — Unterschied gemacht werden, je nachdem es sich um einen vorüber- gehenden (10—15 Minuten währenden) oder einen dauernden Starre- zustand handelte. Zahlen für die maximale, den Tod der Puppen verursachende Submersionsdauer, wurden ebenfalls ermittelt. Einflu8 von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven. 471 Zunächst seien die Protokolle der verschiedenen Versuchsreihen wiedergegeben. *) Protokolle. 1. Versuch. Gehalt an O,: 9 mg pro Liter. Gehalt an CO,: 1,9 mg pro Liter. Alter der Puppe: 3 Tage. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 1,3 cm/sec. Beobachtungszeit physiologischer Zustand des Tieres Std. | Min. | 9 55 Versuchsbeginn 10 17 unregelmäßige Schwimmbewegungen 35 Sinken der Puppe 40 Hörner gefüllt 43 Zittern der Puppe 47 Abdomen bewegungslos 53 Zurücksinken des Kopfes 55 Versuchsschluß. Puppe lebt 2. Versuch. Gehalt an O,: 9 mg pro Liter. Gehalt an CO,: 1,9 mg pro Liter. Alter der Puppe: eben ausgeschlüpft. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 1,2 cm/sec. Beobachtungszeit physiologischer Zustand des Tieres Std. | Min. 10 45 regelmäßige Schwimmbewegungen 11 05 Fragezeichenstellung 25 Hörner gefüllt 30 Puppe tot 3. Versuch. Gehalt an O,: 9 mg pro Liter. Gehalt an CO,: 1,9 mg pro Liter. Alter der Puppe: eben ausgeschlüpft. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 0,8 cm/sec. 1) 1—12 Versuche in Leitungswasser. 13—35 = „ CO,-reichem Wasser, 36—47 ; » Oo- r FE 472 Carisra KREISEL, Beobachtungszeit physiologischer Zustand des Tieres Std. | Min. | 11 50 regelmäßiges Steigen 12 30 Sinken der Puppe 35 Hörner gefüllt . 40 bewegungslos 55 VersuchsschluB. Pupss lebt 4. Versuch. Gehalt an O,: 9 mg pro Liter. Gehalt an CO, : 1,9 mg pro Liter. Alter der Burpee 1 Tag. Mittlere Steiggeschwindigkeit : u 5 cm/sec. Beobachtungszeit physiologischer Zustand des Tieres Std. | Min. 8 50 9 20 langsames Steigen 30 Hôrner gefüllt 50 schnelleres Steigen 53 bewegungslos 55 Horner gefüllt 10 00 Puppe tot 5. Versuch. Gehalt an O,: 9 mg pro Liter. Gehalt an CO, : 1,9 mg pro Liter. Alter des Tieres: eben ausgeschlüpft. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 0,6 cm/sec. Beobachtungszeit physiologischer Zustand des Tieres Std. |» Min. 10 08 regelmäßige Schwimmbewegungen 22 zeitweises Zurücksinken des Kopfes 30 Hörner. wenig gefüllt 38 Kopf sinkt zurück 40 starkes Zittern 45 starkes Schlagen mit dem Abdomen 50 Drehung der Puppe um 180° _ 89 starker Glanz am Thorax 1110,29 Puppe tot 6. Versuch. Gehalt an O,: 9 mg pro Liter. Gehalt an CO, : 1,9 mg pro Liter. Alter des Terese 2 Tage. | Mittlere Steiggeschwindigkeit: 0,3 .cm/sec. Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven. 473 Beobachtungszeit physiologischer Zustand des Tieres Std, | Min. 9 20 regelmäßige Schwimmbewegungen 77 00 ruckweises Zurücksinken des Kopfes 20 ein Horn ist zurückgelegt 30 Sinken der Puppe in Spiralen 35 Abdomen Fragezeichenstellung : 45 bewegungslos — Horner gefüllt LE 30 Puppe tot Versuch, Gehalt an O,: 8 mg pro Liter. Gehalt an CO,: 1,9 mg pro Liter. Alter des Tieres: 3 Tage. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 0,9 cm/sec. Beobachtungszeit physiologischer Zustand des Tieres Std. | Min. 9 30 regelmäßige Schwimmbewegungen 10 00 schnelles Steigen 13 langsames Steigen 15 bewegungslos — Hörner gefüllt 30 Puppe lebt. Versuchsschluß 8. Versuch. Gehalt an O,: 7 mg pro Liter. Gehalt an CO, : 2 mg pro Liter. Alter des Tieres; 3 Tage. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 1,2 cm/sec. u un physiologischer Zustand des Tieres Std. | Min. 10 40 55 regelmäßige Schwimmbewegungen 11 25 Zuckungen 40 Hörner gefüllt 45 Kopf sinkt zurück 50 bewegungslos 12 00 Puppe tot 9. Versuch. Gehalt an O,: 6,2 mg pro Liter. Gehalt an CO,: 3 mg pro Liter. Alter des Tieres: 3 Tage. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 1,3 cm/sec. 474 CHRISTA KREISEL, Beobachtungszeit physiologischer Zustand des Tieres Std. | . Min. 9 20 regelmäßige SO ae ungen 10 20 bewegungslos 30 Zurücksinken des Kopfes 50 Hörner teilweise gefüllt 11 | 00 a der Puppe Puppe tot 10. Versuch. Gehalt an O,: 6,8 mg pro Liter. Gehalt an CO,: 2 mg pro Liter. Alter des Tieres: 2 Tage. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 1,1 cm/sec. Beobachtungszeit physiologischer Zustand des Tieres Std. | Min. | 11 00 |langsame Schwimmbewegungen 20 Zurücksinken des Kopfes, zeitweise 30 Puppe wieder lebhafter 40 allmählich wieder bewegungslos 50 völlig bewegungslos 12 00 Puppe tot 11. Versuch. Gehalt an O,: 5 mg pro Liter. Gehalt an 00, : 2 mg pro Liter. Alter des thease: 1 Tag. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 1,8 cm/sec. —— — Beobachtungszeit physiologischer Zustand des Tieres Std. | Min. 12 | 00 regelmäßige Schwimmbewegungen 20 ; 30 zeitweises Zurücksinken des Kopfes 40 Zittern 50 Hörner gefüllt 1 00 Puppe tot 12. Versuch. Gehalt an O,: 5,8 mg pro Liter. Gehalt an CO,: 1,9 mg pro Liter. Alter des Tieres: 3 Tage. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 1,5 cm/sec. Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven. 475 Beobachtungszeit physiologischer Zustand des Tieres Std. | Min. À 2 ri | regelmäßige Schwimmbewegungen 4 » 45 zeitweise bewegungslos 3 00 vollkommen bewegungslos 10 zeitweise Zittern 20 — MR | Puppe tot I. Übersichtstabelle (über Versuch 1—12). ss 2. 3. 4. 5. 6. 7. 2 ® Alter Eintritt der | Versuchs- Sri Versuchs- Zustand = = Ider Puppe] Lethargie beginn dauer der Puppe 2 = 3 U. 4 y = am Schluß >4 | Tage | Std. | Min. | Std. | Min. Min. Min. 2 0 11 25 10 45 40 40 tot 3 : 12 40 val 50 50 60 lebt 5 a 10 38 10 08 30 ad tot 4 1 9 40 8 50 50 70 tot #1 1 12 40 12 00 40 60 tot 6 2 10 30 9 20 70 130 tot 10 2 11 22 th 00 22 60 tot 1 3 10 |, 45 9 55 48 60 lebt 7 3 101216 9 30 45 60 lebt 8 3 LE | 40 10 40 60 80 tot 9 3 10 1: 10 9 20 50 120 tot 12 3 2 | 55 2 1720 35 70 tot 13. Versuch. Gehalt an O,: 0 mg pro Liter. Gehalt an CO,: 1760 mg pro Liter. Alter des Tieres: 1 Tag. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 1,9 cm/sec. Beobachtungszeit physiologischer Zustand des Tieres Std. | Min. 3 | 15 schnelle Schwimmbewegungen | 30 Zurücksinken des Kopfes 40 Blase an der Ansatzstelle des Abdomens 50 Blase fort, nicht abgeschleudert 55 Tier steigt schneller 4 00 bewegungslos 10 Puppe tot Zool. Jahrb. 39. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 32 476 CHRISTA KREISEL, 14. Versuch. Gehalt an O,: 0 mg pro Liter. Gehalt an CO,: 1760 mg pro Liter. Alter des Tieres: 1 Tag. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 1,1 cm/sec. Beobachtungszeit physiologischer Zustand des Tieres Std... | Min. 5 00 33 Luftblase am Thorax 40 Blase fort 45 Hörner gefüllt. Puppe tot 15. Versuch. Gehalt an O,: 0 mg pro Liter. Gehalt an CO,: 1760 mg pro Liter. Alter des Tieres: 4 Tage. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 2 cm/sec. EO SOBA aT AL physiologischer Zustand des Tieres _ Std. | Min. 10 15 20 Kopf sinkt zurück. Tier bewegungslos 32 Blase am Thorax 40 ‚Blase fort. Puppe lebt 16. Versuch. Gehalt an O,: 0 mg pro Liter. Gehalt an CO,: 1760 mg pro Liter. Alter des Tieres: 3 Tage. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 2 cm/sec. — SAU eee physiologischer Zustand des Tieres Ste Ni | | 12 00 15 Kopf zurück, bewegungslos 32 Blase am Horn 40 Blase fort. Puppe tot Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neatralsalzen auf Culicidenlarven. 477 17. Versuch. Gehalt an O,: 0 mg pro Liter. Gehalt an CO,: 739,2 mg pro Liter. Alter des Tieres: 3 Tage. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 2 cm/sec. an EE physiologischer Zustand des Tieres Std. | Min. | 3 55 10 | 05 Lethargie i _ Bo ab und zu Zuckungen 11 | 00 |Thorax glänzt stark 05 Puppe lebt. Am nächsten Tag schlüpft die Imago aus 18. Versuch. Gehalt an O,: 0,1656 ccm = 0,17 mg pro Liter. Gehalt an CO,: 739,2 mg pro Liter. Alter des Tieres: 3 Tage. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 2 cm/sec. Beobachtungszeit physiologischer Zustand des Tieres Std. | Min. 11 | 50 12 05 Lethargie 20 30 völlig bewegungslos 38 Puppe lebt. Am nächsten Tag schlüpft die Imago aus 19. Versuch. Gehalt an O,: 0,10 mg pro Liter. Gehalt an CO, : 1408 mg pro Liter. Alter des Tieres: 1 Tag. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 1,8 cm/sec. Beobachtuneszeit physiologischer Zustand des Tieres Std. | Min. |» | 58 groBe Gasblase am rechten Horn 3 | 02 Lethargie I ee Blase fort | 24 neue Blase am rechten Horn La: cae Blase fort | 45 4 00 10 Puppe tot 32* 478 _ Curista KRrkıskL, 20. Versuch. Gehalt an O,: O0 mg pro Liter. Gehalt an CO,: 844,8 mg pro Liter. Alter des Tieres: 3 Tage. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 1,2 cm/sec. Beobachtunsszeit physiologischer Zustand des Tieres Std. | Min. | 9 40 55 große Blase am Thorax 10 10 Blase wird kleiner 30 Blase fort 47 Hörner gefüllt, starker Glanz 11 00 Puppe liegt horizontal 10 Puppe tot 21. Versuch. Gehalt an O,: 0 mg pro Liter. Gehalt an CO,: 844,6 mg pro Liter. Alter des Tieres: 2 Tage. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 1,5 cm/sec. Beobachtungszeit physiologischer Zustand des Tieres Std. | Min. 2 20 40 Lethargie 3 00 Blase am Thorax 10 Blase fort 30 Puppe tot 22. Versuch, Gehalt an O,: 0 mg pro Liter. Gehalt an CO, : 844,6 mg pro Liter. Alter des Tieres: 2 Tage. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 1,2 cm/sec. Beobachtungszeit physiologischer Zustand des Tieres Std. Min. 3 40 4 10 Lethargie 20 Blase am Thorax 25 Blase fort 40 Puppe tot Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven. 479 23. Versuch. Gehalt an O,: 0 mg pro Liter. Gehalt an CO,: 844,6 mg pro Liter. Alter des Tieres: 3 Tage. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 2,2 cm/sec. Beobachtungszeit physiologischer Zustand des Tieres Std. | Min. er 3 50 4 05 Lethargie 20 Blase am Thorax 30 Blase fort 35 Puppe lebt 24, Versuch. Gehalt an O,: 0 mg pro Liter. Gehalt an CO,: 844,6 mg pro Liter. Alter der Puppe: 2 Tage. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 2,5 cm/sec. Beobachtungszeit physiologischer Zustand des Tieres Std. | Min. - 20 36 Lethargie 58 Blase am Thorax 5 10 Blase fort 15 Puppe tot 25. Versuch. Gehalt an O,: 0 mg pro Liter. Gehalt an CO,: 844,6 mg pro Liter. Alter des Tieres: 3 Tage. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 2,2 cm/sec. Beobachtungszeit physiologischer Zustand des Tieres Std. | Min. 5 30 6 00 Blase am Thorax, bewegungslos 15 Blase fort 20 Puppe tot 480 CaristA Kretsen, 26. Versuch. Gehalt an O,: 0 mg pro Liter. Gehalt an CO,: 844,6 mg pro Liter. Alter der Puppe: 1 Tag. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 1,2 cm/sec. POE UE SESE physiologischer Zustand des Tieres Std? Min: 8 05 35 Blase am Thorax, bewegungslos 40 . | Blase fort 45 Puppe tot 27. Versuch. Gehalt an O,: 0 mg pro Liter. Gehalt an CO,: 2534,4 mg pro Liter. Alter der Puppe: eben ausgeschlüpft. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 1,2 cm/sec. Beobachtungszeit physiologischer Zustand des Tieres Std. | Min. 2 53 58 Beginn der Lethargie 3 04 Hörner gefüllt 11 Blase am rechten Horn 15 Blase fort 22 30 33 36 45 Puppe tot : 28. Versuch, Gehalt an O,: 0 mg pro Liter. Gehalt an CO,: 1056 mg pro Liter. Alter der Puppe: 1 Tag. Mittlere Steiggeschwindigkeit 1 cm/sec. Beobachtungszeit physiologischer Zustand des Tieres Std. | Min. 55 Beginn der Lethargie Blase am Thorax Blase fort. Puppe tot Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven. 481 29. Versuch. Gehalt an O,: 0,782 mg pro Liter. Gehalt an CO,: 422,4 mg pro Liter. Alter der Puppe: 2 Tage. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 1 cm/sec. Beobachtungszeit physiologischer Zustand des Tieres Std. | Min. 11 10 20 Hörner sehr stark gefüllt 30 Beginn der Lethargie 38 40 Kopf zurück 58 59 121%; 00 Puppe heraus — lebt noch 2 Tage 30. -Versuch. Gehalt an O,: 0 mg pro Liter. . Gehalt an CO,: 1056 mg pro Liter. Alter des Tieres: 2 Tage. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 1,2 cm/sec. Beobachtungszeit | physiologischer Zustand des Tieres Std. | Min. 2 20 25 Beginn der Lethargie 35 Blase am rechten Horn 40 Blase fort 41 neue Blase 42 Blase fort 3 00 Puppe lebt 3l. Versuch. Gehalt an O,: O0 mg pro Liter. Gehalt an CO,: 1056 mg pro Liter. Alter der Puppe: eben ausgeschlüpft. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 2,3 cm/sec. Benbarhiungszeit physiologischer Zustand des Tieres Std. | Min. 4 18 30 Blase bildet sich 35 | Blase fort | | 35 Zuckungen, Glanz 50 Puppe lebt 482 | Curista KREISEL, 32. Versuch. Gehalt an O,: 0 mg pro Liter. Gehalt an CO,: 1140,5 mg pro Liter. Alter der Puppe: 3 Tage. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 2,8 cm/sec. 1 SE NIE TEES SLE physiologischer Zustand des Tieres Std. | Min. 3 11 20 | 25 Lethargie 30 Blase entsteht 40 Blase wird kleiner 43 Blase fort 45 50 : | Puppe tot 33. Versuch. Gehalt an O,: 0,7653 mg pro Liter. Gehalt an CO,: 436,8 mg pro Liter. Alter der Puppe: 3 Tage. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 2 cm/sec. Beobachtungszeit physiologischer Zustand des Tieres Std. | Min. 6 10 45 Zurücksinken des Kopfes 50 Versuchsschluß. Puppe lebt 34. Versuch. Gehalt an O,: 0 mg pro Liter. Gehalt an CO,: 1660 mg pro Liter. Alter des Tieres: 3 Tage. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 1,9 cm/sec. Beobachtungszeit physiologischer Zustand des Tieres Std. | Min. 3 a | 25 Beginn der Lethargie 28 Blase bildet sich 30 Blase fort 40 neue Blase 50 Blase fort 55 Puppe tot Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven. 35. Versuch. Gehalt an O,: 0 mg pro Liter. Gehalt an CO,: 8800 mg pro Liter. Alter des Tieres: 3 Tage. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 3 cm/sec. Beobachtungszeit physiologischer Zustand des Tieres Std. | Min. 1 55 2 00 Zuriicksinken des Kopfes 03 Blase am linken Horn 07 Zuckungen 14 Blase fort 16 neue Blase 18 Glanz 20 Puppe bewegungslos 22 Blase fort 35 Puppe tot TE Ü bersichtstabelle!) (über Versuch 13—35). 483 7. tot lebt tot tot tot lebt tot tot tot tot lebt lebt tot lebt lebt tot lebt tot tot lebt tot lebt i 2 =. 4, 5. 6. Versuchs- Zahl |Dauer der No. [Alter der dauer COs-Gehalt O,-Gehalt der | Blasen | Resultat Puppe Blasen Min. mg mg Min. 27 0 52 2534,4 0 1 4 31 0 32 .1056 0 À 5 13 | 55 1760 0 1 10 14 1 45 1760 0 al 7 19 1 85 1408 0,1 2 15—3 26 1 40 844,8 0 1 5 28 1 55 1056 0 1 10 21 2 70 844,8 0 1 10 22 2 60 844,8 0 1 15 24 2 55 844,8 0 1 12 29 2 50 422,4 0,782 _ — 30 2 40 1056 0 2 5—1 16 3 40 1760 0 1 8 17 3 70 739,2 0 = pre 18 3 48 739,2 0,17 _ _ 20 3 90 844,8 0 1 35 23 3 45 844,8 0 1 10 25 3 50 844,8 0 1 15 32 3 30 1140,5 0 1 13 33 3 40 436,8 0,765 — _ 34 3 34 1660 0 2 35 + 30 1800 0 2 11—6 15 4 25 1760 0 1 8 lebt 1) Diese Tabelle soll Aufschluß geben über die Beziehung von Kohlensäuregehalt und Blasenbildung. 484 CHRISTA KREISEL, III. Übersichtstabelle!) (über Versuch 13—35). 1. 2. 3. 4. we! 6. ip 8. Di Versuchs- AM Blasen- pease CO,-Gehalt |0:-Gehalt oe er ° beginn |rethargie| Pildung No. Min Min. mg mg 40 D Se — — 422,4 0,782 29 35 610 645 _ — 436,8 0,765 33 33 500 538 583 33 1760 0 14 30 530 6°° 6°° 30 844,8 0 25 30 895 835 835 30 844,8 0 26 20 = 240 300 40 844,8 0 21 20 340 400 410 30 844.8 0 22 20 935 955 1020 45 1056 0 28 17 245 302 258 13 1408 0 19 16 420 436 458 18 844,8 0 24 Lae 315 330 340 25 1760 0 13 15 12008 1215 1232 32 1760 0 16 15 1150 1905 = = 139,2 0,17 18 15 350 lin 420 30 844,8 0 23 10 955 10°5 — — 139,2 0 17 10 940 950 5 15 844,8 0 20 ine as 425 430 12 1056 0 OL 5 1015 1020 1032 17 1760 0 15 5 253 258 aos 18 2534,4 0 27 5 222 225 235 15 1056 0 30 5 ee 11250 113° 10 1140,5 0 32 5 155 200 203 8 8800 0 35 4 ee 325 a 9 1660 0 34 36. Versuch. Gehalt an O,: 32 mg pro Liter. Gehalt an CO,: 369,6 mg pro Liter. Alter der Puppe: 1 Tag. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 0,9 cm/sec. Beobachtungszeit physiologischer Zustand des Tieres Std. Min. 5 09 regelmäßige Schwimmbewegungen 18 Puppe lebhaft 30 schwimmt auf der Seite 45 Hörner gefüllt 6 00 Puppe tot 1) Diese Tabelle soll Aufschluß geben über die Beziehung zwischen Kohlensäuregehalt und Eintritt der Lethargie. Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven. 485 37. Versuch. Gehalt an O,: 32 mg pro Liter. Gehalt an CO, : 369,6 mg pro Liter. Alter der Puppe: 1 Tag. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 0,5 cm/sec. Beobachtungszeit physiologischer Zustand des Tieres Std. | Min. | 2 20 39 Puppe sinkt. Hörner gefüllt 45 Puppe schwimmt auf der Seite 55 Hörner weniger gefüllt 3 05 Hörner halb leer 23 Puppe hat sich um 180° gedreht 40 langsame Schwimmbewegungen 4 00 | Puppe tot 38. Versuch. Gehalt an O,: 32 mg pro Liter. Gehalt an CO,: 369,6 mg pro Liter. Alter der Puppe: 2 Tage. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 0,6 cm/sec. Beobachtun gszeit physiologischer Zustand des Tieres Std. | Min. 4 | 12 22 32 langsame Schwimmbewegungen 40 |Glanz 50 6) 2700) Puppe lebt 39. Versuch. Gehalt an O,: 34 mg pro Liter. Gehalt an CO,: 506,9 mg pro Liter. Alter der Puppe: 1 Tag. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 0,7 cm/sec. Beobachtungszeit physiologischer Zustand des Tieres Std. Min. 2 20 30 35 langsames Sinken und Steigen wechseln 40 Hörner voll 50 Hörner leerer 3 00 Kopf sinkt zurück 4 45 Puppe tot 486 CHRISTA KREISEL, 40. Versuch. Gehalt an O,: 34 mg pro Liter. Gehalt an CO,: 506,9 mg pro Liter. Alter der Puppe: 1 Tag. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 0,7 cm/sec. Beobachtungszeit physiologischer Zustand des Tieres Std er Mn 4 55 5 2 Starker Glanz am Körper 3 ie Zurücksinken des Kopfes 6 07 Puppe tot 41. Versuch. Gehalt an O,: 33 mg pro Liter. Gehalt an CO, : 8 mg pro Liter. - Alter der Puppe: 2 Tage. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 0,9 cm/sec. Beobachtungszeit physiologischer Zustand des Tieres Std. | Min. . 12 40 45 regelmäßige Schwimmbewegungen 1 00 Starker Glanz 2 15 Puppe tot 42. Versuch. Gehalt an O,: 35 mg pro Liter. Gehalt an CO, : 338 mg pro Liter. Alter der Puppe: 2 Tage. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 0,9 cm/sec. Beobachtungszeit physiologischer Zustand des Tieres Std 2Min: 9 45 10 00 Hörner voll 50 Glanz 11 00 45 Puppe tot 43. Versuch. Gehalt an O,: 48 mg pro Liter. Gehalt an CO, : 7,04 mg pro Liter. Alter der Puppe: 2 Tage. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 1,1 cm/sec. Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven. Beobachtungszeit physiologischer Zustand des Tieres Std. | Min. 10 00 05 starker Glanz am Körper 2 Hörner gefüllt 35 Zurücksinken des Kopfes 40 bewegungslos 51 starker Glanz 55 Hörner leerer 11 08 15 Puppe tot 44, Versuch. Gehalt an O,: 48 mg pro Liter. Gehalt an CO,: 7,04 mg pro Liter. Alter der Puppe: 3 Tage. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 1 cm/sec. Beobuchtuneezeit physiologischer Zustand des Tieres Sid] Min! 11 28 30 40 Horner gefüllt 55 12-2677 00 lies gD Puppe tot 45. Versuch. Gehalt an O,: 24 mg pro Liter. Gehalt an CO,: 8 mg pro Liter. Alter der Puppe: 3 Tage. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 1,1 cm/sec. Beobachtungszeit Std. | Min. 10 | | physiologischer Zustand des Tieres 30 Hörner voll 38 starker Glanz 58 Puppe lebt noch 2 Stunden 46. Versuch. Gehalt an O,: 16 mg pro Liter. 3 Gehalt an CO,: 352 mg pro Liter. Alter der Puppe: 3 Tage. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 1,2 cm/see. 487 488 Gehalt an O,: 24 mg pro Liter, CHRISTA KREISEL, bewegungslos Starker Glanz Beobachtungszeit Std. Mm 10 34 | 55 11 00 2 95. 33 12 05 Puppe lebt noch 1 Stunde 47. More ci Gehalt an CO, : 6,03 mg pro Liter. Alter der Puppe: 1 Tag. Mittlere Steiggeschwindigkeit: 1,1 cm/sec. Beobachtungszeit Std. | Min. 10 55 11 06 13 | 28 38 | 45 Hörner voll sehr lebhaft Hörner leerer Puppe lebt noch 1 Stunde physiologischer Zustand des Tieres physiologischer Zustand des Tieres IV. Übersichtstabelle (über Versuch 36—47). We Alter der Puppe Tage bi DO bi DO GO DD O9 bd es eH 0D DO 2 Eintritt der Lethargie nach Min. 3. Versuchs- dauer a D RE) 4. CO,-Gehalt 5. O,-Gehalt mg x SC nn 6. Resultat No. Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven. 489 Besprechung der Protokolle Überblicken wir die Versuchsergebnisse, so: läßt sich zunächst zeigen, daß das Alter der Puppen von keinerlei Einfluß auf das Verhalten der Tiere ist. Der Zeitpunkt für den Eintritt der Lethargie, die Gasblasenbildung und das Endergebnis sind, wie aus den Über- sichtstabellen zu ersehen ist, ganz unabhängig vom Alter der Puppen. M. GorrerRJE glaubt, bei Larven gelegentlich beobachtete Ab- gabe von Gasblasen im Submersionsmedium ohne Einfluß von Salzionen durch die Annahme erklären zu können, daß es sich in. solchen Fällen um Tiere handele, die unmittelbar vor einer Häutung stehen; denn die zwischen alter und neuer Körperwand sich bildende Exuvialflüssigkeit soll den Gastransport der CO, vom Organismus ins Außenmedium bedeutend erschweren. Da aber die Puppen un- mittelbar vor dem Ausschlüpfen — wie erwähnt — kein anderes Verhalten wie in der vorhergehenden Zeit zeigen, so ist während des ganzen Puppenstadiums im wesentlichen dieselbe Diffusions- fähigkeit der Gase anzunehmen. Kompensationsverhältnisse undSchwimmbewegungen der Puppen. A. Kocx (1919) stellte fest, daß Larven im Gegensatz zu der Annahme WESENBERG-LunD’s (1919) meistens überkompensiert sind, und daß die Kompensation des Tieres stets durch das Zusammen- wirken verschiedener Komponenten zustande kommt. Als solche gibt er an: die Körperstruktur des Tieres, den Füllungsgrad des Darmes, sowie die Luftmenge in den Tracheen. Bei den Puppen liegen diese Verhältnisse bedeutend einfacher. Sie sind stark mit Gas gefüllt und daher stets überkompensiert. Diese Luft- füllung tritt in einem Glänzen des Tieres in Erscheinung. LAMPERT (1910, p. 320) bemerkt darüber: „Bei Nymphen, die an der Ober- fläche des Wassers hängen, befindet sich eine Luftschicht unter der Oberhaut. Diese wird aus dem Tracheensystem ausgestoßen, infolge Verminderung des Körpervolumens, das mit der letzten Häutung Hand in Hand geht.“ Mit dieser starken Luftfüllung hängt es auch zusammen, daß die Tiere passiv nach oben steigen können, doch sieht man sie häufig auch Schwimmbewegungen ausführen. Sie sind ganz anderer Art als die der Larven, und ich verweise auf folgende Angaben, die über das Schwimmen der Puppen yon Culex 490 CHRISTA KREISEL, handeln’): „Au lieu d’exécuter des oscillations perpendiculaires au plan de symétrie du corps, la région caudale frappe l’eau de coups isolés et dirigés suivant ce plan de symétrie“. Hennecux (1904) äußert sich weiter darüber ?): „La nymphe nage par saccade“. Da- durch wird zwar die Bewegung der Puppen sehr gut charakterisiert, aber nicht physiologisch genau analysiert. In letzter Hinsicht ist die Bewegung der Puppen als Stoßbewegung zu definieren, und zwar kommt die zur Wasseroberfläche senkrechte Aufwärtsbewegung folgendermaßen zustande: In der Ruhelage nimmt das Tier die in Fig. D 1 gezeichnete Haltung ein. Das Abdomen führt nun einen starken nach hinten unten gerichteten Schlag aus (Fig. D2), wobei in der Richtung des Pfeiles a ein Stoß auf das Wasser ausgeübt wird. Die Kraft a läßt sich in die Komponenten 6 und c zerlegen, von denen die eine senk- recht nach unten, die andere in horizontaler Richtung wirkt. Im nächsten Augenblick findet die Rückbewegung des Abdomens in der in Fig. D3 angegebenen Richtung statt. Die hierbei auf das Medium ausgeübte Kraft (a‘) läßt sich (analog Fig. D2) in 2 Komponenten 6' und c‘ zerlegen. Da durch die unmittelbar aufeinanderfolgenden beiden Stöße des Abdomens die Wirkung der Komponenten 0 und 0! — sich aufhebt, kommen die Komponenten ce und c‘ allein zur Geltung. Als gleichgerichtete Kräfte addieren sie sich in ihrer Wirkung und treiben das Tier nach oben. Der Drehpunkt für das die Bewegung ausführende Abdomen liegt in seiner Ansatzstelle am Thorax, und der Angriffspunkt der Kraft in dem ersten Drittel des Abdomens, wie sich bei ganz genauer Beobachtung deutlich feststellen läßt. Den Hörnchen der Puppe ist dieselbe Funktion zuzuschreiben wie der Atemröhre von Culez-Larven, bei der A. Kock von einer „Schwimmglockenfunktion“ redet. Unter normalen Verhältnissen hat der Cephalothorax der Puppe horizontale Lage (vgl. Fig. Di), das Abdomen liegt demselben dicht an. Im Submersionsapparat waren die Hörnchen oft so gefüllt, daß an ihrer Außenwand die Gasschicht starke konvexe Krümmung annahm. Je mehr diese Gaskuppe ihre Konvexität verlor, desto mehr sank der Cephalothorax nach hinten, um im extremsten Falle die durch Fig. D4 angegebene Stellung ein- zunehmen, die durch eine Drehung um 180° aus der Normallage heraus zustande kommt. Es bestand folglich bei allen Versuchen 1) Vgl. HENNEGUY, 1904, p. 528. 2) Vgl. p. 528. Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven. 491 eine deutliche Beziehung zwischen der Lage des Thorax und der Füllung der Hörnchen. Bei Puppen handelt es sich also — ebenso wie bei Larven — um eine „passive Gleichgewichtshaltung“, die rein mechanisch durch die Verteilung von Luft und Körpermasse im Organismus bedingt wird. Den Hörnchen kommt somit auch: eine Art „Schwimmglockenfunktion“ zu, aber wieder ebenso wie bei den Larven wird ihr Füllungsgrad allein durch die physikalisch- chemischen Vorgänge bei der Atmung bestimmt. Stellung bei ganz Fragezeichenstellung rendent bei völliger Lethargie Fig. D. Über die unterschiedliche Lage der „Schwimmglocken“ bei Larven und Puppen sei auf die folgende Ausführung DEEGENER’S (1910) ”) verwiesen: „Die Puppe hätte ja die Atemröhre der Larve beibehalten können. Damit aber der Thorax gerade in dieser zur Wasseroberfläche senkrechten Richtung liegt, haben sich als spezielle Puppenorgane diese Hörnchen am Rücken des ersten Brustsegmentes gebildet. Die Puppe von Corethra hat diese Hörnchen auch. Hier dienen sie aber nicht zum Atmen, sondern nur zur Beibehaltung der Lage. Die Mücke muß beim Ausschlüpfen doch sofort in die Luft und nicht ins Wasser geraten. Der Riß entsteht gerade in der Nähe der Ansatzstelle der Hörnchen.“ Mechanismus der Atmung. Während für die Culiciden-Larven neben der Tracheenatmung (durch das abdominale Stigma) eine Haut-, Darm- und Kiemen- 1) Vgl. p. 74. Zool. Jahrb. 39. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 33 492 Curista KKEIsEL, atmung in Betracht kommt, handelt es sich bei der Puppe nur um einen Gasaustausch durch Haut und Stigmen. Das Tracheensystem steht normalerweise, wenn die Puppen an der Wasseroberfläche hängen, durch die Stigmen der Hôrnchen mit der atmosphärischen Luft in Verbindung. „Diese Stigmen stellen (Hurst)*) offene Mündungen des Tracheensystems vor. Im ganzen sind 8 Paar Stigmen vorhanden, die aber bis auf das erste Abdominalpaar geschlossen sind. Der Eintritt von Wasser in die Atemhörner soll durch dichte Haare, die der inneren Fläche ent- springen, verhindert werden (Mrazz, p. 207), doch scheint es, daß schon die ganze Beschaffenheit der Ränder dieser kleinen Öffnungen dem Wasser den Eintritt verwehrt.“ Bringt man die Tiere in anormale Lebensverhältnisse, d. h. — in unserem Falle — werden sie submergiert, so ist keine Möglich- keit zur O,-Aufnahme durch die Stigmata aus der atmosphärischen Luft vorhanden. Von den verschiedenen Atmungswegen ist deshalb der eine in einer Richtung geschlossen. Der ganze Atemmechanis- mus wird zwar jetzt auf eine einfachere Form gebracht (und somit ist der Zweck der Submersionsversuche erreicht), aber es kann auch durch die Versuche gleichzeitig bewiesen werden, daß eine Atmung atmosphärischer Luft für die Puppen auf die Dauer unerläfiich ist; denn ein gleichstarkes Atembedürfnis wie das der Larven läßt auch die Puppen fast stets an der Wasseroberfläche hängen. Zunächst sei auf interessante Vergleiche in bezug auf die Dauer der Submersionszeit bei Puppen und Larven hingewiesen. A. Koch (l. c.) stellte bei Larven eine durchschnittliche Submersionszeit von 180 Minuten fest, während sie bei meinen Versuchen nur rund 80 Minuten betrug. Diese Zahlen lassen sich allerdings nicht absolut nebeneinanderstellen, da ja die Versuchsbedingungen (CO,- und O,-Gehalt) nicht ganz die gleichen waren. Aus dem Ergebnis ist zu schließen, daß die Puppen nicht so befähigt sein müssen wie die Larven, O, aus dem Wasser aufzunehmen. Als Grund ist die fehlende Darmatmung anzusehen. Wie sich aus dem 2. Teil meiner Arbeit ergibt, spielt diese bei der Larve eine große Rolle. Außerdem stellte BABAK (1913), gestützt auf Submersionsversuche in O,-reichem und O,-armem Medium, ein großes Sauerstoffbedürfnis der Puppen fest. In O,-reichem Wasser lebten die Puppen 2 Stunden, in O,- 1) Vgl. WINTERSTEIN, 1913, p. 495. Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven. 493 armem 55 Minuten. Es muß eine starke Hautatmung angenommen werden, eine Tatsache, die ich durch meine Versuche bestätigt fand. Was noch weiter das O,-Bedürfnis der Puppen anbetrifft, ver- weise ich auf eine Stelle aus BaB4k 1): „Es läßt sich während der Entwicklung der Mücke eine fortschreitend zunehmende Empfindlich- keit gegenüber O,-Mangel feststellen. . .. Im Wassertropfen in der ENGELMANN’schen Kammer, welche mit Wasserstoff gefüllt wird, wird die Larve in etwa 90 Minuten, die Puppe in 55 Minuten... gelähmt.“ An dieser Stelle möchte ich noch eine andere Beobachtung er- wähnen, die ich ebenfalls in Übereinstimmung mit Basix (1913) anstellte. Wurden absichtlich Luftblasen in das Versuchswasser ge- bracht, so legte sich die Puppe mit ihren Hörnchen an diese an, und es ist anzunehmen, daß ein Gasaustausch zwischen Hörnchen und Luftblase durch Diffusion stattfand; denn die Submersionszeit wurde bei diesen Versuchen verlängert. Der Einfluß des O,-Ge- haltes des Mediums zeigte sich auch deutlich in folgenden Versuchen, in denen dasselbe Submersionsmedium (Leitungswasser von normalem Gasgehalt) in verschieden langen Submersionsröhren verwandt wurde. Bei einer Länge von 1,60 m betrug die Lebensdauer 3 Stunden, bei einer Röhre von 1 m 2 Stunden und bei 30 cm 45 Minuten. Trotzdem die Puppe während der Submersion auch von dem Sauerstoff zehrt, der in dem ursprünglich mit atmosphärischer Luft gefüllten Tracheensystem und den Hörnchen enthalten ist, so mußte doch sehr oft die Beobachtung gemacht werden, daß die Hörnchen bis zum Schluß des Versuches und manchmal noch kurze Zeit nach dem Eintritt des Todes gefüllt blieben. Es muß also an die Stelle des verbrauchten O, ein anderes Gas treten, und es kann sich dabei nur um CO, als Exkret des Stoffwechsels handeln. Daß tatsächlich während der Submersion Änderungen im Gasgehalt des gesamten Tracheensystems auftraten, ergibt sich daraus, daß Schwan- kungen in der Kompensation des Versuchstieres zu beobachten waren, die sich im wesentlichen in einer wechselnden Steiggeschwindigkeit der Puppen äußerten. Eine Exkretion von Ammoniak, wie sie für Dipterenlarven in Frage kommt, findet bei Puppen (ebenso wie bei Imagines) nach den Weinzanp'schen Untersuchungen nicht statt, sondern auf diesen Stadien wird der im Körper gebildete Stickstoff als Harnsäure ausgeschieden. 1) Vgl. WINTERSTEIN, 1913, p. 494. 33* 494 CHRISTA KREISEL, Wie früher erwähnt wurde, bleiben für die CO,-Ausscheidung unter normalen Verhältnissen zwei Wege. Sie kann durch die Hörner in die Luft entweichen, oder durch die Körperhaut ins Wasser diffundieren. Eine dritte Annahme, daß sie sich in der unter der Puppen- haut befindlichen Gasmenge ansammelt, ist nicht ausgeschlossen. LAMPERT nimmt bei seiner Erklärung des Glänzens der Puppe (s. 0.) etwas Ahnliches an, wenn er auch nicht von CO,, sondern von Luft redet, die aus den Tracheen ausgestoßen werde. Endgültigen Auf- schluß kann nur eine Mikrogasanalyse der Gashülle unter der Puppen- haut liefern. Da bei später angeführten Versuchen mit Anopheles ebenfalls eine Diffusion von CO, aus den Stigmenöffnungen in das Wasser angenommen werden muß, so ist dieselbe Möglichkeit in vorliegendem Falle keineswegs auszuschließen, und es läßt-sich dann die Tatsache der dauernden Füllung der Hörnchen auf diese Weise erklären, dab man eine Diffusion eines Teiles der Stoffwechselkohlensäure in das ' Tracheensystem und die Hörnchen und von da aus in das Medium annimmt. Einfluß von O, und CO, bei der Submersion. Um gerade das Problem der CO,-Aufnahme und CO,-Abgabe noch näher zu beleuchten, wurden, wie die vorhergehenden Proto- kolle zeigen, Versuche in Aqua dest. gemacht, das abgestufte Mengen der beiden Gase enthielt. Es läßt sich zunächst der Einfluß vom starken CO,- oder O,- Gehalt des Mediums auf die Versuchsdauer konstatieren. Sie beträgt im Mittel 42 Minuten. Verglichen mit Leitungswasser bedeutet dies eine Differenz von 38 Minuten. Die Lethargie setzt in gasreichem Wasser auch bedeutend eher ein, nämlich bei starkem CO,-Gehalt nach 20 Minuten und bei starkem O,-Gehalt nach 36 Minuten. In Leitungswasser mußten durchschnittlich 53 Minuten vergangen sein, ehe das Tier bewegungslos geworden war. Es ist nicht ohne weiteres die Möglichkeit vorhanden, diese Er- gebnisse mit denen zu vergleichen, die A. Kocx (l. c.) an Culex- Larven beobachtete, weil bei seinen Untersuchungen der Eintritt der Lethargie den Versuchsschluß bedeutet. Wenn A. Kocx (1919) als mittlere Versuchsdauer 28 Minuten in stark CO,-haltigem Wasser angibt, so bedeutet dies in bezug auf meine Versuche: durchschnitt- liche Zeitdauer bis zum Eintritt der Lethargie. Diese betrug bei — Puppen unter starkem CO,-Einfluß 20 Minuten. Man muß also Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven. 495 “daraus schließen, daß die Puppen diesem Gas gegenüber empfind- licher sind als die Larven, da bei ihnen schon in ?/, der Zeit lethargische Zustände eintreten. Dies Resultat deckt sich wieder mit Hennecuy’s (1904) Ansicht‘): „Les nymphes paraissent plus sensibles que les larves à l’action des gaz toxiques.“ | Ein übermäßig starker CO,-Gehalt bewirkte, daß sich über der Offnung der Atemhörnchen bei den Puppen große Gasblasen bildeten. Ab und zu traten auch ungefähr an der Verbindungs- stelle zwischen Thorax und Abdomen Gasblasen aus. Die Ent- stehung dieser Blasen läßt sich nur als Folge des hohen Druckes erklären, den die eingedrungene CO, im Inneren des Tieres ausübte, da zum Zustandekommen dieser Blasen ein Mindestgehalt von 800 mg CO, pro Liter unbedingt erforderlich war. Die Puppen ver- halten sich somit anders als die Larven des letzten Stadiums, die nach den Untersuchungen von A. Kock keine Gasblasenbildung in CO,-reichem Medium zeigen. Bei den Puppen muß somit die Körper- wand in bedeutend höherem Maße gasdurchlässig sein, als bei den Larven, sonst bestände nicht die Möglichkeit, daß CO, aus dem Medium in den Puppenkörper und sein Tracheensystem hineindiffun- dierte. Unter dem Einfluß des O,-reichen Mediums bildete sich nie _ eine Gasblase, weil einmal der Druck bei allen Versuchen wesentlich geringer blieb und es mir an den technischen Hilfsmitteln fehlte, ihn zu erhöhen und weil zum anderen der Diffusionskoeffizient für O, viel kleiner ist als für CO, (0, — 0,0283, CO, — 0,812). Die Blasen lösten sich nicht vom Körper des Tieres los, sondern nahmen all- mählich an Volumen zu, behielten eine Zeitlang ihre Größe, um dann langsam kleiner zu werden, bis zum völligen Verschwinden. Es ist anzunehmen, daß sie sich in Wasser lösten; denn das Tier wurde, nachdem sie in Wasser resorbiert waren, schwerer. Bildete sich eine neue Blase, dann trat sofort das Gegenteil ein. Die Tiere wurden also während eines Versuches abwechselnd leichter und schwerer, d.h. sie stiegen oder sanken. Mit dem Eintritt der Lethargie hatte diese Blasenbildung nichts zu tun, wie sich aus den Versuchen 13—16, 19—24, 26—28, 30—32, 34—35 ergibt. Wurde der Versuch rechtzeitig abgebrochen, d. h. ehe die CO, das Tier im Apparat schon vergiftet hatte, so lebte es noch einige Stunden weiter. Zur Imagobildung kam es jedoch nur in 2 Fällen (vgl. Versuch 17 u. 18). Hier war auch der CO,-Gehalt relativ niedrig, nämlich 739,2 mg. 1) p. 530. 496 CHRISTA KREISEL, Jedenfalls bildeten diese Tiere aber eine Ausnahme; denn in Ver- such 29 und 33 unterblieb die Weiterentwicklung, obgleich das Versuchswasser nur 436 mg CO, pro Liter enthielt. In stark CO,- haltigem Wasser starben also die Puppen wohl an CO,-Vergiftung, wie das A. Kocx auch für die Larven annimmt. Er beobachtete ferner, daß hoher Partialdruck von O,, bei niederem CO,-Gehalt zwar die Zeit bis zum Eintritt der Lethargie verlängert, aber nicht die Möglichkeit zu einer größeren durchschnittlichen Energieproduk- tion bietet, sondern im Gegenteil die Bedingungen dazu verschlechtert. Auch bei meinen Versuchen war kein günstiger Einfluß eines O,-reichen Mediums zu bemerken. Die Lebensdauer der Tiere war im Gegenteil geringer als in Leitungswasser von normalem Gasgehalt. Submersion in Salzwasser. Zur Vervollständigung der Versuchsreihen wurden die Puppen auch in einigen Konzentrationen verschiedener Salze, die auch später noch zu Submersionszwecken bei Larven dienten, submergiert, um festzustellen, ob es zur Gasblasenabgabe kommen würde. Das Resul- tat war negativ. Die Submersionszeit war je nach der Stärke der angewandten Konzentration verkürzt, aber sonst ließen sich keinerlei Einwirkungen der Salze feststellen.1) Die Verkürzung der Submersionszeit in Salzwasser gegenüber derjenigen in Leitungs- wasser läßt. den deutlichen Schluß zu, daß die Ionen in das Tier einzudringen vermögen, wieder ein Beweis für die Durchlässigkeit der Körperwand. | | | Über die Bedeutung dieser Salzwasserversuche vgl. Kap. 5. Il. Teil. 2. Submersionsversuche an Culex-Larven. Im folgenden sollen nun die schon in der Einleitung erwähnten Versuche an. Culex-,:. Theobaldia-, sowie an Anopheles-Larven be- sprochen werden. Zu Submersionszwecken wurden die Salze be- 1) Die Protokolle dieser Versuche sind hier nicht angegeben, da sie im Vergleich mit den oben angeführten Protokollen nichts Neues zeigen. | Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven. 497 nutzt, mit denen M. GorreRJz (1. c.) ihre Zuchtversuche gemacht hatte, nämlich die Chloride von Na, K, Ca, Mg Sulfate von Na, K, Mg Nitrate von Na, K, Ca und außerdem HgC],. Von jedem Salz wurde eine Normallösung hergestellt. War mit dieser Lösung die obere Wirkungsgrenze für das Tier noch nicht erreicht, so arbeitete ich mit doppelter Normallösung. Die Lösungen wurden so lange mit dem gleichen Volumen destillierten Wassers verdünnt, bis keine sichtbare Wirkung mehr auf das Versuchstier zu erkennen war. Auf diese Weise wurde die untere Grenze des Wirkungsbereiches des Salzes festgestellt. Wegen ihrer großen Zahl (400) können die Versuche hier unmöglich vollständig angeführt werden. Ich beschränke mich deshalb darauf, die Wirkungen der verschiedenen Konzentrationen jedes Salzes in Übersichtstabellen wiederzugeben. Der Einfluß der Salze zeigte sich am auffälligsten darin, daß sich an der Spitze des Atemtubus Gasblasen bildeten, die bei einzelnen Salzen abgeschleudert wurden, bei anderen nur sekunden- lang aufblitzten. Die Angaben über das Verhalten der Versuchstiere in jeder Konzentration entsprechen dem Mittel aus 6 Versuchen; denn Kon- trollversuche zeigten, daß diese Versuchszahl ausreichend ist, um charakterisieren zu können, wie die Tiere durchschnittlich auf die einzelnen Salzkonzentrationen reagierten. Ich habe nie ein gleich- mäßiges Verhalten aller 6 Tiere einer Versuchsgruppe beobachten können. Im günstigsten Falle konnte nur festgestellt werden, daß die Mehrzahl der Tiere einer Gruppe sich prinzipiell gleich- artig auf das Salz einstellte. Man kann daraus den Schluß ziehen, daß es sich um außerordentlich feine Unterschiede handeln muß, die in dem allgemeinen physiologischen Zustand des Tieres be- gründet liegen. Es folgen zunächst die Protokolle der Salzversuche mit Culex und Theobaldia; denn beide Tiere zeigten in bezug auf ihr Verhalten bei der Submersion die weitestgehenden Übereinstimmungen, so daß eine Trennung dieser Versuchsergebnisse nicht erforderlich schien. Die Versuche mit Anopheles werden später besprochen. Bei den Versuchsreihen, bei denen Gasblasenabgabe beobachtet worden ist, ist der Tabelle eine Kurve beigegeben worden, die anzeigt, wieviel 498 CHRISTA KREISEL, Blasen die Tiere durchschnittlich in den einzelnen Konzentrationen des Salzes abgegeben haben. + bzw. — in den Tabellen be- deutet positives bzw. negatives Ergebnis.*) | | I. Tabelle. KNO,. (Fig. E) nfm) ofm]o]o]o[n) a} no| oo Peon ele estate | 32 | 64 | 128 | 256 | 512 |1024]2048]2096 Bildung u. Abgabe | — | — = — | + Ur ne + [= Nur Bildung | Aufblitzen © 8 faa) © © 8 Konzentraniönen Fig. E. II. Tabelle. NaNO,. (Fig. F.) | Bl 2 a n | a a | 2 (at | Bi on] sel ia 6) Teil Ba eme Bildung u. Abgabe| — + + + + + | — + = Nur Bildung — | — _ = = + at = = Aufblitzen — — | = | == = a + = + 1) Auf der Ordinatenachse sind die Zahlen der abgegebenen Blasen dar- gestellt (1 Blase — 1 Teilstrich); auf der Abszisse die Konzentrationen von n n n 7 — USW. oe Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven. 499 egebenen Blasen Zahlen der abg a Konzentrationen Fig. F. Fig. H. | tH — A Ca(NO3)2 Zahlen der abgegebenen Blasen _Zahlen der abgegebenen Blasen Konzentrationen Konzentrationen Fig. G. Fig. J. III. Tabelle. Ca(NO,),. (Fig. G.) Blasen Bildung und Abgabe Nur Bildung Aufblitzen 500 CHRISTA KREISEL, IV. Tabelle. HgCL. (Fig. H.) m0) mo | nem nn 2 |.8 | 16 | 02 lu Bildung u. Abgabe | + + + = en a Nur Bildung + + + + = er Aufblitzen aS | A (ae a | rae V. Tabelle. MgSO,. (Fig. J.) ri n n n n n n Blasen n | 5 à = TE = a Bildung u. Abgabe | + + + — + — = Nur Bildung | + + + + + + ae Aufblitzen | Se | Se | aa fF | a VI. Tabelle KCl. n n n Blasen 2n n 5 7 3 Bildung u. Abgabe + — — — _ Nur Bildung + + + ale ar Aufblitzen | Zee | = VII. Tabelle. NaCl. n n | n n n Blasen | on 2n n 5 7 3 16 en Bildung und Abgabe | — — == ae on _ Nur Bildung + | + + + + a ee Aufblitzen — | + = la +- | — — Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven. 501 VIII. Tabelle. MgC],. 2 x 2 a Wt Blasen n n > à = = Bildung u. Abgabe + _- — _ == a Nur Bildung + + + am ai = Aufblitzen | — = | + + + = IX. Tabelle. CaCl, Blasen 2n n 5 7 5 Eildune u. -Abgabe | = I + — | — | — ‘Nur Bildung -- + + ap ae Aufblitzen — | = + | = oe X. Tabelle. K,SO,. n n Blasen n 5 à Bildung und Abgabe | — — ar Nur Bildung a == ae Aufblitzen + es en XI. Tabelle. Na,SO,. Blasen n Bildung und Abgabe | — _ EZ Nur Bildung + — Ar: Aufblitzen + Es er 502 CHRISTA KREISEL, XII. Tabelle. XIII. Tabelle. Leitungswasser. Tümpelwasser. Nur Bildung Blasen . Blasen Bildung u. Abgabe + Bildung u. Abgabe + Nur Bildung + Nur Bildung a Aufblitzen oe ae: | Aufblitzen ur V. Übersichtstabelle. (Fig. K.) es = N is Bia --B C 0-26 A KCI Bhebtul bse Cr © A CaCl, i Soy eb ctl OT 5 E CRC A MgCl, Bt Ske B Chi CEC NLA HgCl, Bo Ba B © Na,S0, B C K,SO, B © AN A A MgSO, Bt Be Baw. B Es bedeutet: A: Bildung und Abgabe, B: nur Bildung, C: Aufblitzen von Gasblasen. Curista KREISEL, Zahlen der abgegebenen Blasen Ga Ca(N0;)> al My SO, Konzentrationen Fig. L (zu,Übersichtstabelle VI). Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven. 505 Besprechung der Protokolle. Bei Besprechung der Versuchsergebnisse, die zum Teil in den Tabellen I—XIII niedergelegt sind, ist zunächst festzustellen, daß die Culicidenlarven auf Submersion in Salzlösungen in der Weise . reagieren, daß in verschiedenen Konzentrationen einzelner Salze an der Spitze des Atemtubus ein einsekundenlanges „Aufblitzen“ einer kleinen Gasblase erfolgt. Eine gesteigerte Wirkung der Salze macht sich bemerkbar, wenn diese Blase größer wird und während 2—8 Minuten hängen bleibt, um dann allmählich an Volumen ab- zunehmen bis zum völligen Verschwinden. Ich rede dann von „Blasenbildung“ (vgl. auch die Versuche mit Culex-Puppen). Ist der Einfluß des Außenmediums auf das Tier noch intensiver, so wird die Blase mit kurzem Ruck abgeschleudert („Blasen- bildung und Abgabe). | Diesem Abschleudern geht stets eine lebhafte Bewegung des Tieres voraus. Die abgegebenen Blasen steigen schnell bis zur Spitze des Versuchsrohres. Wenn das Tier auch bis zu 10 Blasen abgeschleudert hatte, so konnte ich doch nie eine Gasblasenansamm- lung in der Versuchsröhre bemerken. Diese blieb nach wie vor völlig frei von jedem Gas. Es ist also keine andere Annahme mög- lich, als daß sich das Gas im Wasser wieder gelöst hatte. Ent- weichen konnten die Gasblasen nicht, da die Röhre völlig luftdicht abgeschlossen war. Ehe sich eine derartige Wirkung der Salze bemerkbar machte, mußte das Tier eine ganz bestimmte Zeit in der Lösung submergiert gewesen sein. Diese Zeitdauer, sowie auch die Zahl der entstandenen Blasen während eines Versuches hängt ab einerseits von der chemischen Natur des Salzes und der Stärke der Konzentration, andererseits von dem Ernährungsstadium und dem Entwicklungsstadium des Tieres. Aus den Tabellen und Kurven läßt sich schließen, daß die stärkste „Blasenbildung und Abgabe“ unter Einwirkung der Nitrate, des Magnesiumssulfats und Sublimats auftrat, und zwar nicht in den stärksten Konzentrationen die angewandt wurden, sondern in den mittelstarken. Es hängt das damit zusammen, daß die Giftwirkung in den hohen Konzentrationen so groß war, daß der Tod des Tieres fast sofort eintrat und infolgedessen Reaktionen zwischen lebendem Organismus und Salz unmöglich wurden. Die Salze lassen sich in bezug auf die Stärke ihrer Wirkung in. 3 Kategorien einteilen. 506 Curtsta KREISEL, 1. Salze stärkster Wirkung: KNO,, NaNO,, Ca(NO,),, MgSO,, HgCl,. 2. Salze schwächerer Wirkung: MgCl,, CaCl,, KCl. 3. Salze schwächster Wirkung: NaCl, Na,SO,, K,SO,. Bei einer Betrachtung der Kurven zu Tabelle I, III, IV ergibt sich, daß eine maximale Wirkung der Salze in bezug auf Blasen- abgabe in einer bestimmten Konzentration zu beobachten ist. In den stärkeren und schwächeren Lösungen geht die Erscheinung all- mählich zurück. Bei NaNO, und MgSO, erhielt ich Kurven mit 2 Maxima. Es handelt sich dabei nicht um zufällige Ergebnisse; denn mit den betreffenden Salzen wurde in den entsprechenden Konzentrationen nachträglich eine größere Reihe von Versuchen an- gestellt, die aber alle das gleiche, in bezug auf die Blasenabgabe negative Ergebnis lieferten. Es liegt in diesem Falle zweifellos mitten in der Reihe der wirkungsvollen Konzentrationen ein Indiffe- renzpunkt vor. Vielleicht bestehen Zusammenhänge zwischen diesen Erscheinungen und den Beobachtungen von M. GoFFERJE (I. c.) über die indifferente Wirkung bestimmter Salzkonzentrationen in bezug auf Lebensdauer und Entwicklungsmöglichkeiten der Larven. Im: Hinblick auf den Ernährungszustand und das Entwicklungsstadium ist zu sagen, daß Tiere des 3. und 4. Larvenstadiums, die lange gehungert hatten, am schnellsten die meisten Blasen bildeten und abgaben. Die Tatsache, daß Hungertiere am stärksten reagieren, läßt sich wohl nur durch die Annahme erklären, daß der Hungerstoffwechsel derartige Veränderungen der lebenden Substanz bewirkt, daß eine besonders starke Einwirkung der Salze möglich wird. Eine Erklärung dafür, daß ältere Tiere in derselben Konzen- tration desselben Salzes mehr Blasen abgeben als junge, ist darin zu suchen, daß bei älteren Tieren die Haut weniger gasdurchlässig ist als bei jüngeren und die beim Stoffwechsel gebildeten Gasmengen in ihrer Gesamtheit durch die Körperwand nicht nach außen ent- weichen können. Wir werden auf diese Zusammenhänge zurück- zukommen haben. | te Wenn eine Larve während eines Versuches mehrere Blasen gebildet und abgegeben hatte, so stimmten diese an Größe, Dauer Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven. 507 der Bildung und Abgabe nicht überein. Folgende Tabellen mögen ein Bild von einer rung: und „Blasenabgabe“ bei 2 Ver- suchen geben. XIV. Tabelle. Blasenbildung. Lösung: 5 KCl. Versuchstier: Theobaldia annulata. 4. Häutungsstadium. Hungertier. Unverändertes | Vollständige Blase |Pauer der Bildung | Yojumen der nao tae: Std. | Min. u. Sek. Blase bis Blase bis 1 10 | 1500-1605 1800 1808 if 2 ee 2708 9803 3 | [ao se | 36 |. à | [ar 380 3905 de 2] oe er |) Soon E08 CR ae ee RE En Er XV. Tabelle. Blasenabgabe. Lösung: 158 KNO,. Versuchstier: Culex pipiens. 3. Stadium. Blase Dauer der Bildung Abgabe Std. BE Mid. [ Min. u. SEL aioe u. Sek. i 2 3000 3005 3005 2 3201— 3205 3208 3 | 3500 _3501 3501 4 40°°— 400% 4093 5 BEE 49201 4203 4203 6 4502 4600 4690 Zool. Jahrb. 39. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 34 508 | CHRISTA KREISEL, Vergleicht man die Tabellen miteinander in bezug auf die Dauer der Bildung, so findet man, daß die Bildungszeit bei Abgabe der Blasen wesentlich kürzer ist als in den Fällen, in denen sie am Atemtubus hängen bleiben und allmählich verschwinden. Es ist daraus zu schließen, daß die Gasexkretion bei einer „Blasenabgabe“ bedeutend energischer vor sich geht als bei einer „Blasenbildung“. Gegen Ende des Versuches wurden die Bewegungen, die das Tier vor dem Abschleudern der Blase ausführte, wesentlich lang- samer. Dieses ist selbstverständlich darauf zurückzuführen, dab infolge der unnatürlichen Lebensbedingungen die Energie des Tieres mit fortschreitender Versuchsdauer bedeutend abnahm. In keinem Falle konnte konstatiert werden, daß der Eintritt der Lethargie, der sich in gleicher Weise äußerte wie bei den Puppen, nämlich in völliger Bewegungslosigkeit, in irgendeinem Zu- sammenhang stand mit „Bildung“ und „Abgabe“ der Blasen. Es war für den Eintritt der Lethargie völlig gleichgültig, ob und wieviel Blasen das Tier während eines Versuches gebildet bzw. — abgegeben hatte. Diese Feststellung ist deshalb von größter Wichtig- keit, um gegebenenfalls dem Einwand zu begegnen, es könne sich bei der Gasexkretion durch das Stigma um die atmosphärische Luft handeln, die vor Versuchsbeginn in das Tracheensystem aufgenommen und infolge der anormalen Lebensbedingungen bei der Submersion wieder abgegeben wurde. In diesem Falle müßte bei Blasenabgabe die Lethargie bedeutend eher eintreten, als in den Versuchen, bei denen von einer Gasexkretion nichts zu beobachten ist, und das entspricht nicht den Tatsachen. | Blasenbildung und Abgabe haben als typische Erscheinungen zu gelten, die durch die Einwirkung der Salze bei der Submersion hervorgerufen werden. Neben diesen Wirkungen konnten eine Reihe weiterer Reaktionen der Tiere bei den Versuchen beobachtet werden, die allerdings nicht alle unbedingt auf die Gegenwart von Salzen zurückzuführen, sondern zeitweise (wenn auch in schwächerem Maße) in salzfreien Submersionsmedien wahrzunehmen sind. Dazu gehören: veränderte Bewegungen des Tieres, verschiedene Versuchsdauer in den einzelnen Konzentrationen, sowie Weiterentwicklung der Larve nach Schluß des Versuches. Es treten in den n- und 5 Lösungen der Nitrate, von MgSO, und HgCl, nach einer Submersion von 15—20 Minuten krampf- artige Zuckungen auf, die sich aus der Giftwirkung der Salze er- Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culieidenlarven. 509 klären lassen. Neben diesen krankhaften Erscheinungen möchte ich noch eine Bewegung hervorheben, die zwar nicht direkt durch den Einfluß der Salze hervorgerufen ist, da man sie auch im Aquarium vereinzelt wahrnehmen kann, die aber doch durch die Submersion ganz bedeutend verstärkt wird. Die Tiere benagen nämlich mit den Mundgliedmaßen sehr intensiv die Spitze des Atemtubus und streichen an dem ganzen Atemtubus entlang. Es findet unter sicht- licher Mühe ein Massieren des Tubus statt. Ähnliche Feststellungen machte Jura Hoppe (1911) bei seinen Atemuntersuchungen an Notonecta glauca (vgl. p.31): „Bisweilen zieht das Tier das Abdomen unter Wasser und putzt die Enden desselben lebhaft mit dem letzten Beinpaar. Dieser Vorgang ist oft mehrere Male hintereinander zu beobachten. Dies Putzen wird dann geschehen, wenn der Haar- kranz der Atemöffnung infolge gewisser Störungen nicht aufklappt.“ Hoppe nimmt also Störungen der Respiration als Grund des Putzens an, und dieselbe Erklärung möchte ich für meine Beobachtungen geben. Die Tiere müssen fühlen, daß sie sich unter anormalen Lebensbedingungen befinden. Der Atemtubus wird ihnen geschlossen erscheinen, und deshalb versuchen sie wohl durch Streichen und Benagen, ihn zu öffnen. XVI. Tabelle. Konzentration Versuchsdauer Salze Min. n bis 6 20—30 KNO,, NaNO,, Ca(NO;), MgSO,, HgCl, his 60 16 128 n bis 5 30—45 MgCl,, CaCl, 3 KCl ee == 5 bis 54 | 60—90 2n bis n 90 NaCl, Na,SO, 7 K,S0, I 20—1 n bis 64 120—150 Wie A. Kocx (1919) feststellte, betrug die Versuchsdauer bei Oulex-Larven in Submersion durchschnittlich 21}, Stunden, wenn das 34* 510 | CHRISTA KREISEL, _ Versuchsmedium Leitungswasser von mittlerem Gasgehalt war. Ver- gleicht man damit vorstehende Tabelle, die einen Aufschluß über die Versuchsdauer bei meinen Versuchen gibt, so lassen sich wesentliche Unterschiede konstatieren. Bei Aufstellung der Tabelle sind nur die Versuche berücksichtigt, bei denen die Tiere bis zum Eintritt des Todes submergiert wurden. Die Versuchsdauer beträgt in den hohen Konzentrationen der Salze nicht über 1'}, Stunde. In den Konzentrationen von D — à der. Salze stärkster Wirkung starben die Tiere schon nach einer Sub- mersion von 20—30 Minuten. Nach Schluß des Versuches wurden die Tiere in Leitungswasser gebracht. In zwei Fällen konnte beobachtet werden, daß sie dann sofort noch einmal eine Gasblase abgaben. Sehr oft trat ein Starre- zustand ein, der 1—2 Stunden anhalten konnte. Diese Erscheinung ist wohl aufzufassen als langanhaltende Schockwirkung, die als Reaktion auftritt bei der spontanen Überführung des durch die Submersion äußerst stark geschädigten Körpers in ein anderes Medium. Nach Überwindung dieses Zustandes lebten die Tiere verschieden lange. Manche starben nach 3—4 Stunden. War die Larve nur in schwacher Lösung submergiert worden, so lebte sie oft noch 3—4 Tage weiter. Zur Imagobildung kam es nur dann, wenn die Submersionszeit kurz bemessen war und als Medien. schwache Konzentrationen von Chloriden und Sulfaten benutzt wurden. Es wurde schon in der Einleitung erwähnt, daß zu den Sub- mersionsversuchen dieselben Salzlösungen verwandt wurden, in denen M. GoFrERJE ihre Zuchtversuche in offenen Standzylindern machte. Ein Vergleich mit ihren Ergebnissen scheint deshalb geboten. M. GOFFERJE stellte in bezug auf den Einfluß der Salze folgendes fest: n ne EN „Lödlich“ wirken alle 9 1 Nitrate sowie des Kalium- und Magnesiumchlorids. „Indifferent“ wirkende Lösungen lieferten sämtliche Salze (mit Ausnahme von n n KNO,) in der 39” oder 64” Lg Lösung. Der Salzgehalt dieser Lösungen schwankt zwischen 1 und 4 pro Mille. Lösungen, die „entwicklungshemmend“ wirken, konnten Lösungen und die Lösungen der Lösung, NaCl allerdings schon in der Einfluß von Sauerstofi, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culieidenlarven. 511 LS dee in or von NaCl, Li Na, SO,, und zwar in 35 baw. = NaCl, 5, KCl, =; Na,SO, und 5, K,SO,. Als Resultat dieser Feststellungen bezeichnet M. GOFFERJE (1. c.) die Nitrate als die Salze stärkster Wirkung. Der gleichen Ansicht ist auch Hrescx (1914), der angibt, daß Cl und SO, ziemlich gleich- sinnig wirken, wenn natürlich auch Schwankungen vorkommen, daß dagegen die Wirkung erheblich stärker ist bei Verwendung von NO,-Salzen. Diesem Urteil über die Wirkungsweise der Salze muß ich mich auf Grund meiner Versuchsergebnisse in jeder Hinsicht anschließen. Die auf die Lebensfunktionen der Tiere einwirkenden Salze sind auch für die Gasblasenentstehung verantwortlich zu machen. Die Nitrate, als die am schädlichsten auf Lebensdauer und Entwicklung einwirkenden Salze veranlassen auch die zahlreichsten Blasen- bildungen und Abgaben. Bildung und Abgabe kann also nicht der Submersion allein zur Last gelegt werden. Daß die Tiere vereinzelt auch in Leitungswasser Blasen ab- geben, spricht durchaus nicht gegen diese Annahme, denn einmal ist das Leitungswasser in Münster äußerst reich an an besonders Eisen (das gleiche gilt natürlich von den Versuchen in Tümpelwasser), zum anderen ist bei Tieren, die in Leitungs- oder Tümpelwasser Blasen abgeben, auf Tiere zu schließen, die unmittel- bar vor einer Häutung stehen (vgl. diesbezügliche Ausführungen von M. GOFFERJE, ]. c., 1918) und insofern eine Ausnahme machen von dem regulären Verhalten. Nachstehende Tabelle dient zum Vergleich des Gehaltes an Anionen im Tümpelwasser und in den zur Submersion verwandten Kalisalzen (unter Berücksichtigung der stärksten und schwächsten bei den Versuchen benutzten Konzentrationen). Es ergibt sich, daß der Chloridgehalt der schwächsten angewandten Konzentration von KNO,—19 bzw. 8,9, der SO,-Gehalt 356- bzw. 260-, der NO,- Gehalt 34- bzw. 1,6mal so stark im Submersionsmedium war als in den Tümpeln (am Hafen bzw. Nevinghoff). Daraus schon er- klärt sich, daß im Tümpelwasser bedeutend weniger Blasen abgegeben wurden. Ein zweiter Grund für diese Tatsache ist auch darin zu suchen, daß in dem Tümpelwasser niemals ein Salz allein, sondern stets in Kombination mit anderen Mineralstoffen vorhanden ist, so daß in allen diesen Fällen eine. antagonistische Salzwirkung in Frage kommt. Dadurch wird das Bild natürlich wesentlich ver- 512 Curista KREISEL, XVII. Tabelle. Gramm pro Liter | Gramm pro Liter | Gramm pro Liter Nevinghoff 0,0094 0,0915 | 0,0497 Hafen 0,00044 0,0674 0,2389 n KNO, 62 es KNO 0,0151 4096 > n KCI 35,460 3 KCI 4,4325 n K,SO, 96,070 is K.SO 24,0175 a 2 ändert und komplizierter, so daß von meinen Versuchen aus keinerlei Schlüsse auf das Verhalten der Tiere bei Anwesenheit verschiedener Salze gezogen werden können. Weitere speziell auf diesen Punkt gerichtete Untersuchungen sollen die Zusammenhänge klären helfen, da ja das Problem der antagonistischen Salzwirkung ein besonderes Interesse beanspruchen darf, und viele Autoren z. B. W. Osrwazp !) und Lors?) ähnliche Untersuchungen in den Mittelpunkt ihrer Forschungen stellen. : Submersionsversuche an Anopheles-Larven. Im folgenden Teil der Arbeit sollen die Versuche mit Anopheles- Larven in Submersion besprochen werden. Zunächst sei eine kurze allgemeine Bemerkung über das Verhalten der Larven gestattet. Die Anopheles-Larve besitzt keinen Atemtubus, sondern nur zwei Stigmen auf dem vorletzten Abdominalsegment. Bei der Submersion waren diese Öffnungen in verschiedenen Konzentrationen einzelner 1) 1905. 2) 1912. Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven. 513 Salze so stark mit Gas gefüllt, daß sich eine Gasblase halbkugel- förmig vorschob, und die Stigmen eine glänzende Kuppe trugen — in anderen Salzen war wieder kein Glanz zu bemerken. Folgende Tabellen sollen diese, verschiedenen Füllungsgrade der Stigmen charakterisieren. Sie geben zugleich ein Bild von dem Einfluß der Salze auf die Lebensdauer und die Bewegungen der Tiere. Wie bei den Tabellen über Culex-Larven stellt auch hier jede Versuchs- gruppe das Mittel aus 6 Versuchen dar. Da man oft betont findet, daß Anopheles-Larven nur in fließendem Wasser im Laboratorium lebend zu erhalten seien, so möchte ich hier darauf hinweisen, daß ich diese Beobachtung nicht bestätigen konnte. Die Larven lebten mehrere Wochen in einer großen PETRI- Schale, der täglich frisches Leitungswasser zugesetzt wurde. Sie sammelten sich hier stets an der dunkelsten Stelle an. Auch im Freien konnte übrigens beobachtet werden, daß die Tiere viel schattenliebender sind als die Culex-Larven. Während des Aufent- haltes in den Schalen fanden Häutungen statt, überhaupt zeigten die Larven im allgemeinen normale Lebensäußerungen. Allerdings kam es selten zur Verpuppung und Imagobildung. Auch Hunger konnten die Larven sehr gut vertragen. So habe ich Versuchstiere 4 Wochen lang ohne Nahrung in Einzelkultur gehalten, ohne daß irgendwelche Hungerwirkungen zu beobachten waren, ja ohne daß das Wachstum sichtbar aufhörte. Zeichenerklärung für die folgenden Versuche, —- = überkompensiert, — = unterkompensiert. Stehen beide Zeichen untereinander, so soll das unterschiedliche Verhalten zu Beginn und zum Schluß des Versuches charakterisiert werden. t — Tod des Tieres. 1 — Leben des Tieres. tl= Tier kommt noch lebend aus dem Apparat, stirbt aber nach 1—2 Stunden. 514 CHRISTA KREISEL, VO. Übersichtstabelle. KNO.. E E É Physiologischer Zustand 3 a A 5} y fee Stigmen Bewegungen des Tieres = g N > = = = ls! 518 M | | M > lé | Min. Se In den ersten 20 Min. | Zu Beginn lebhaft. Nach n T | starker wechselnder | 5 Min. starr. Bleibt starr bis | 30 | t Glanz. zum Schluß. Nach 10 Min. Starke Mandibelbewegung. 1 EE emg wechselnder Glanz. Nach 8 Min. starr. Während 45 | 1 3 ee 12 Min. lebhaft. Starr bis t SchluB. 4 Anfangs starker, zum | 5 Min. starr — lebhafte Man- — | 3 | — | Schlußschwächerer Glanz. | dibelbewegung. Am Schluß | 28 | t 4 starr. | à Starker wechselnder Sehr lebhaft — dann Wechsel — 13 |— Glanz. zwischen Starre und Bewegung. | 45 | t 8 Zuckungen. — Kuppen während des 40 | t n 16 2 uppen. | nl Stigmen tragen glänzende| Nach 30 Min. Zuckungen. 32 ganzen Versuchs. n |» Auffallend starkerGlanz. | Erst starr, dann lebhaft. Nach | 9 | + 64 CE Aufblitzen. 20 Min. Lethargie. n |» Wechselnder Glanz. Nach | Starre u. Bewegung wechseln. 25 | 1 128 398 Bewegung stärker. Mandibelbewegung. t n | Wechselnder Glanz. Nach | Erst 4 Min. starr, dann lebhaft. | 9, | | 256 FE Bewegung stärker. Nach 15 Min. starr. Sehr schwacher Glanz. | 5 Min. starr — lebhaft in la Leitungswasser. 5 Std. starr, | 20 | 1 512 dann lebhaft. n Kein Glanz. Starre und Lebhaftigkeit wech- 1511 1024 7 seln. Mandibelbewegung. n A Lebhafte Schwimmbewegung. | 95 |] 2048 Dazwischen Starre. n a Wechsel zwischen Starre und | og |} 4096 Bewegung. Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven. 515 VIII. Übersichtstabelle. NaNO,. EHE = Soe tS cis Se = -| 2] 3 |Füllungsgrad der Stigmen Bewegungen des Tieres sis Ss | 2] = 2 |S s 1:15 a 13 4 |<|x | > le Min. wots —+ | Starker Glanz an den | Völlig starr — zeitweise 30] t — | Stigmen. Aufblitzen. Zuckung u. Mandibelbewegung. n — | Wechselnder starker Starke Mandibelbewegung. 95 | + 2 — Glanz. Aufblitzen. Putzen der Stigmen. n Wechselnder lebhafter | Wechsel zwischen Starre und 45 l 4 Glanz. Bewegung. t < — Wechselnder Glanz. Mäßig lebhaft. 120] t n Re Wechsel zwischen Starre und m — Schwächerer Glanz. Bewegung. 20] t = Lk Schwacher Glanz. È 60 | 1 32 n l = = 2 2 60 t n A: be 30] 1 128 2 5 rs. : à 60 | 1 256 Um zu prüfen, welcher Unterschied in bezug auf die Lebens- dauer sich ergeben würde, wenn Anopheles-Larven in offene Schalen mit Salzlösungen gebracht würden, habe ich eine Anzahl Tiere in verschiedene Konzentrationen zweier Salze gebracht, die ich auch bei Versuchen mit Culex-Puppen verwandte, nämlich KNO, und Ca(NO,),. Es wurde nicht auf die Entwicklungsmöglichkeiten ge- achtet, da es nur auf einen Vergleich zwischen der Lebensdauer im Submersionsapparat und in offener Schale in gleicher Lösung ankam. 516 CHRISTA KREISEL, IX. Übersichtstabelle. Ca(NO,),. = 5] E = 2 | 5 |Füllungsgrad der Stigmen Bewegungen des Tieres a 3 Sel als Saas 5 [3 M | | M > I el | Tebhatter Glanz > der | Tebliat. Putzen deren ee ebhafter anz der ebhaft. Putzen der Stigmen. 20 | 8 |} Stigmen. - Nach 12 Min. starr. Au 8 Sie Lebhafter Glanz der | Starrezustand. Nach 15 Min. 30 | + Stigmen. einige Bewegung, dann starr. ne are Anfangs schwacher, dann | Mandibelbewegung. Wechsel 60 | + 2 |. stark wechselnder Glanz.| zwischen Starre u. Bewegung. | 4 3 is Sehr ann nel Lebhaftes Putzen. 20 ; 3 = en et Starre u. Bewegung wechseln. | 20 : a 83 | — Schwächerer Glanz Ganz starr 20 |1 2 3 | —| Wechselnder schwacher | Tier schwach beweglich. | 80 | 5 ai 3 | — | Schwacher Glanz. Tier schwach beweglich. 20 ı Während in den starken Konzentrationen der Unterschied zwischen Lebensdauer im Submersionsapparat und im Standgefäf nicht wesentlich hervortritt (vgl. n, 5 KNO, — 30 Min. in offener Schale und 30—45 Min. im nee wächst die Differenz 1 in den schwachen Lüsungen bedeutend (vgl. 1086 KNO, — 191}, Std. in offener Schale und 32 Min. im 1 Apparat — oder a7 7 Ca(NO,) )a — 221/, Std. in offener Schale und 2 Std. im Apparat. Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven. 517 X. Ubersichtstabelle. MgSO,. REIE 3 |e = | 2] § |Füllungsgrad der Stigmen Bewegungen des Tieres dais s |e] & 2 |= MIE a8 M | | M > Is Min ls + | Stigmen tragen glänzen- | Starrezustand während des 451 t — de Kuppen. ganzen Versuches. 2 |3 + Starker wechselnder Sehr lebhaft. Nach 50 Min. TA Glanz. Starre. À Wechset ischen S d 4 3 | — Kuppen schwinden ee Bove ER a ee DIT ut Tier meist starr, selten Be- 5 4 | — Wechselnder Glanz. wegung. 45] 1 n = Wechsel zwischen Starre und 16 3 | — | Glanz schwicher.. Bewegung. 30] 1 5 3 | — Glanz schwach. Putzen der Stigmen. 30} 1 Fr 3 | — 4s Mandibelbewegung. 120] 1 Zum Unterschiede von Culex konnte bei Anopheles-Larven keine Abgabe von Gasblasen konstatiert werden. Hier äußerte sich der verschieden starke Einfluß der Konzentrationen nur in wechselndem Glanz der Stigmen. Ich glaube diese Erscheinung auf dieselbe Weise deuten zu können, wie die Tatsache, daß Culex-Larven jüngeren Stadiums seltener Blasen bildeten und abgaben als die älteren. Ich führe diese Unterschiede auf eine vermehrte Haut- atmung zurück, worauf ich später noch ausführlich zurückkomme. Ältere Anopheles-Larven besitzen, gerade so wie die jüngeren Oulex- Larven, eine zarte Körperwandung, so daß ein Gasaustausch zwischen Körpersubstanz und Wasser sehr viel eher möglich ist, als z. B. bei der starkwandigen Theobaldia oder einer Culex-Larve älteren Stadiums. Daß sich aber auch bei Anopheles-Larven die Wirkung 518 CHRISTA KREISEL, XVII. Tabelle Ca(NO,),. Kon- zentration | Std. 2n das Tier stirbt nach — “ 99 GES 9 92 7 » 3 3 Ä 5 35 À 15 ai y 22 XIX. Tabelle. KNO,. Kon- zentration Tage | Std. n das Tier stirbt nach — — : ie he n \ 4 ” =e FA : | a n 16 .. == 12 n 35 4 _ 12 a 4 — 19 n 4 eo 2 = 128 2 n MES 2 — 256 2 513 À le n brie 2 sale 1024 ” n ae 3 LE 2048 | 4 fis | Le 4096 4 Min. 45 45 30 30 15 Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven. 519 der Salze in einer starken Gasentwicklung zeigt, lassen die Stigmen deutlich erkennen, die je nach der Stärke der Konzentration mehr oder weniger stark gefüllt sind. Ebenso wie bei Culex war auch hier das Auftreten stärkeren Glanzes an mehr oder weniger lebhafte Bewegungen, die vorher erfolgten geknüpft. Hungertiere reagierten lebhafter. Der Eintritt der Lethargie hängt ebensowenig mit dem Auftreten starken Glanzes zusammen als die Blasenabgabe bei Culex. Sehr charakteristisch und viel deutlicher als bei Culex traten bei diesen Versuchen mit Anopheles die Starrezustände in Erscheinung. Die Tiere waren im Apparat oft so lange Zeit völlig bewegungslos, daß ich sie anfangs in diesem Zustand für tot hielt, bis ich be- merkte, daß die starren Tiere, in Leitungswasser gebracht, sofort wieder sehr lebhaft wurden. Die gleichen Beobachtungen machte RxonE 1) (1912) an Tendipediden: „Es wird eine völlige Starre der Körpermuskulatur hervorgerufen. In welcher Weise sie aber zustande kommt und worauf die ganzen physiologischen Erscheinungen be- ruhen, konnte bisher nicht festgestellt werden.“ Es muß sich bei diesem Unterschied zu den Culex-Larven um eine stärkere Beeinflussung der Muskulatur bzw. des Nervensystems handeln, was wohl darauf zurückzuführen sein könnte, daß die Salze durch die verhältnismäßig sehr dünne Körperwand der Ano- pheles-Larven besser einzudringen vermögen, als das bei Oulex-Larven, selbst bei denen jüngsten Stadiums, der Fall ist. Mit diesen Beobachtungen im Zusammenhang steht die stärkere Beeinflussung der Lebensdauer bzw. Weiterentwicklung der Ano- pheles-Larven in und nach der Submersion. Culex-Larven lebten bei der Submersion in Salzen stärkster Wirkung in Konzentrationen je durchschnittlich 20—30 Min, von +, bis 75 60 Min. Bei Anopheles-Larven betrug die durchschnittliche Versuchsdauer von n bis z.B. bei KNO, in allen Konzentrationen von n bis TE nur 30 Min. Puppen- und Imagobildung fand nie statt. 1) Vgl. p. 29. 520 Christa KREISEL, V. Einfluß der Neutralsalze auf die Körperkolloide, speziell die CO,-Bildung. Fragen wir nun nach einer Erklärung der in den vorhergehenden Kapiteln beschriebenen Erscheinungen der Gasblasenbildung und -Abgabe und deren Zusammenhänge mit dem Gehalt des Submersions- mediums an Neutralsalzen, so werden wir mitten hineingeführt in das Problem der Atmungsvorgänge bei den Insekten, speziell bei den im Wasser lebenden aber atmosphärische Luft atmenden Formen. A. Koch (1919) und M. GorrErJE (1918) haben in ihren Arbeiten klarzulegen versucht, daß es sich bei der Abgabe von Gasblasen nur um verbrauchte Atemluft, d. h. letzten Endes Kohlensäure handeln kann, eventuell durchmischt mit Teilen des ursprünglich aus der atmosphärischen Luft in das Tracheensystem aufgenommenen Stickstoffes. | Den Weg, der vermutlich zur Klarstellung der Zusammenhänge führen wird, hat M. Gorrerse (1919) dadurch charakterisiert, daß sie auf folgende Ausführungen BorrAzzr’s (1911) +) hingewiesen hat: „Zur Erhaltung des physiologischen Gleichgewichtes trägt vor allem eine flüchtige Säure bei, die Kohlensäure, deren Brzeugung und Ausscheidung der Organismus mit außerordentlicher Feinheit re- gulieren kann. Wir können diese feinen Reaktionen, an denen be- sonders die Eiweißkörper beteiligt sind, nicht definieren.“ Diese im Jahre 1911 veröffentlichten Ausführungen haben in ihrem ersten Teile zweifellos auch heute noch volle Gültigkeit, in ihrer zweiten Hälfte auch noch insofern, als den Eiweißkörpern die hervor- ragende Rolle im Stoffwechselgetriebe zugeschrieben wird; hingegen bieten die gewaltigen Fortschritte, die gerade in den allerletzten Jahren auf kolloidchemischem Gebiete erzielt worden sind, uns heute _ die Möglichkeit, eine Erklärung dieser „feinen Reaktionen, an denen besonders die Eiweißkörper beteiligt sind“, wenigstens zu versuchen. | Weil einerseits in den Submersionsversuchen eine CO,-Abgabe so besonders stark unter Einwirkung der angewandten Neutralsalze auftritt, und weil andererseits CO,-Bildung und Eiweißreaktionen in engster Beziehung stehen, so muß es sich bei meinen Versuchen um eine ganz bestimmte Beeinflussung der Eiweißkörper der Larven durch die Neutralsalze handeln. 1) Vgl. WINTERSTEIN, p. 208. Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven. 521 Die Tatsache, daß die im Medium vorhandenen Salze nicht nur osmotische Wirkungen auf den Tierkörper ausüben, sondern daß die Ionen auch in denselben eindringen und Reaktionen mit den Körper- kolloiden eingehen, steht heute zweifellos fest. Hingegen ist die Frage, wie man sich das Eindringen der Ionen zu erklären hat, noch keineswegs endgültig geklärt. Es erhebt sich da sofort die schwierige Frage, ob man berechtigt ist, ganz allgemein Zellmembranen im kolloidchemischen Sinne anzunehmen oder nicht. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Theorie von Moore (1911) und RoaF (1911), die keine Zellmembran gelten lassen will und auf die Ansicht HôBers, der im Gegensatz dazu „Membranen“ annimmt. Höger (1911) selbst gibt an, daß sich zwei Hauptmöglichkeiten für eine generelle Auffassung des Stoffaustausches darbieten. Ent- weder wird von der Zelloberfläche aus der Stoff chemisch so ver- ändert, daß er durchtreten kann (also daß ein lipoidunlöslicher Stoff lipoidlöslich gemacht wird), oder die Zelloberfläche selbst wird vom Plasmainnern her temporär so verändert, daß sie für mehr Stoffe als gewöhnlich durchgängig gemacht wird. Moore (1 ce.) und Roar (l. c.) dagegen fassen die Zelle als ein Klümpchen Protoplasmas auf, das mit den in der perizellularen Flüssigkeit sich anhäufenden Ionen Verbindungen von der Natur der Adsorbate eingeht. | Im Widerspruch mit den beiden hier angegebenen Theorien steht die Ansicht, die A. Koruter (1918) zu Beginn ihrer eingangs zitierten Arbeit vertritt. Sie geht von der Voraussetzung aus, daß durch die im Medium vorhandenen Salzionen nur eine Beein- flussung der Membrankolloide der Colpoden möglich sei, dab also mit einem Eindringen der Ionen in den Zellkörper nicht ge- rechnet werden könne. Wie sich aus der weiteren Diskussion des Problems ergeben wird, haben meine Versuche mich zu dem Schlusse geführt, daß ein Eindringen der Salze in das Zellinnere bestimmt anzunehmen ist, und es ist interessant festzustellen, daß A. Kornter (1918) am Schlusse ihrer Arbeit ebenfalls zu dieser ihren ursprünglichen Voraussetzungen entgegenstehenden Ansicht gelangt. Es sei noch darauf hingewiesen, daß auch Lors (1912) und TSCHERMAK (1916) eine direkte Einwanderung der Ionen in die Zellen annehmen. | Über die Wirkung, die die Ionen im Innern der Zellen auf die Eiweißkolloide ausüben, sind nun ebenfalls wieder die ver- schiedensten Ansichten laut geworden. W. OstwAun (1904) nimmt 522 CHRISTA KREISEL, als Ursache der Wirkung der Salze an, daß es sich um einen Koagu- lationsvorgang handele, der bei Verdünnung oder Konzentrations- erhöhung der im Sol vorhandenen Elektrolyte auftreten kann; denn die Ausflockung hat als elektrische Erscheinung zu gelten, die durch Elektrolyte (ebenso wie durch Kolloide mit entgegengesetzter elek- trischer Ladung, sowie durch ultraviolette und Ron bewirkt wird (vgl. BEcHHOLD, 1912, p. 89). Im großen ganzen ist die ans der Neutralsalze rever- sibler Natur, die nach den Forschungen Osrwazps auf einer Adsorption der Salze durch die Organkolloide beruht und sich auf jeden Fall nicht (oder höchstens zum kleinsten Teil) durch osmotische Vorgänge erklären läßt: „denn dann dürfte nicht die reine NaCl-Lösung so bedeutend giftiger sein, als ihre Kombination mit den übrigen Salzen. des Seewassers. Es müßte ferner das Hinzufügen der übrigen Salze diese Giftigkeit steigern und zwar im Verhältnis ihrer relativen Konzentration — eine Forderung, die keineswegs bestätigt wird.“ Auf Grund der Ergebnisse ihrer Züchtungsversuche mit Culez- Larven in Salzwasser kommt auch M. GorrErJE (1918) zu dem Schluß, daß die Annahme einer rein osmotischen Wirkung der Salze abzulehnen ist, und ebenso führen v. FRANKENBERG (1915) und A. Kocx (1919) das Verhalten der Tracheenblasen von Corethra- bzw. Mochlonyx-Larven auf kolloidchemische Wirkungen der Blasenwand mit den Neutralsalzionen zurück. Auch aus meinen Versuchen ergab sich, daß die Tiere nicht immer in den stärksten Konzentrationen am schnellsten starben, was der Fall hätte sein müssen, wenn der Tod allein infolge Wasserentziehung durch den Salzgehalt des Mediums erfolgt wäre. Pauz Brrr (1905) bestätigt ebenfalls diese Anschauung über die Salzwirkung. Er betont, daß die Giftigkeit hypertonischer Lösungen nicht direkt proportional ihrer Konzen- tration ist, sondern daß es eine kritische Konzentration der Außen- lösung gibt, bei der die vorher kaum nachweisbaren Gift- wirkungen einen außerordentlich schnellen Zuwachs erfahren. Lorg (1912) ist derselben Ansicht und betont die Möglichkeit, daß sich die relative Giftigkeit verschiedener Ionen mit der Konzen- tration verschiebt und zwar deshalb, weil die Salze in erster Linie die Natur und Durchlässigkeit der Oberflächenlamelle der Zellen bestimmen. Lors (1912) sowohl wie RoBerrson (1912) und Moore (1912) denken sich den Verlauf der Ionenwirkung so, daß das Eiweiß mit der umspülenden Salzlösung „Inneneiweißverbindungen“ eingeht, und zwar auch in nicht stöchiometrischer Form, z. B. mit Molekeln. Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven. 593 Moore (1912) bezeichnet diese Wechselwirkung zwischen Eiweiß und Ionen als „eine Störung des Gleichgewichtes“ im physiologischen Sinne. Alle eben genannten Forscher sind der Ansicht, daß eine bestimmte Minimalzeit für das Eindringen der Salze in den Tier- körper, in unserem Falle durch die Chitinhaut hindurch, erforderlich ist. Auch bei meinen Versuchen zeigte sich, daß eine bestimmte Zeitdauer vergangen sein mußte, ehe der Einfluß der Salze sich bemerkbar machte. Zur Beurteilung der Wirkungsweise der Ionen auf die Eiweiß- körper sei nun darauf hingewiesen, daß nach den neueren Ansichten von Paury (1912), BECHHOLD (l. c.), TSCHERMAK (1916) u. A. sämtliche Eiweißkörper amphotere Elektrolyte sind, d. h. Stoffe, die die Fähigkeit haben, H- und OH-Ionen abzuspalten’), „d. h. sie besitzen gleich- zeitig den Charakter von schwachen Säuren und Basen, wobei der Säurecharakter mehr oder weniger überwiegt“ (BEecHHoLD, 1912, p. 155). In Protoplasma und Körperflüssigkeiten, in denen Eiweiß stets zusammen mit Salzen vorkommt, zeigt jenes „stets nachweisbare elektrische Ladung und zwar meist Besaliyen Art“ (TSCHERMAK, 1916, sp: 139). Wenn sich also ein solches Eiweiß-Kolloid in einer Lösung von dissoziiertenSalzen befindet,solagernsich die Kationen an das negative EiweiBmolekül an, bilden mit ihm eine Appositionsverbindung und entladen es. Dabei wird es gefallt. Unter Umständen kann auch eine derartig zahlreiche Menge von Kationen die Appositionsverbindung mit dem Eiweiß eingehen, daß nicht nur eine Entladung, sondern sogar eine Umladung der Eiweißmolekel erfolgt.°) TsCcHERMAK (]. c.) denkt sich diesen Vorgang ganz ähnlich. Die biologische Rolle der Salze bzw. der Elektrolyten, und zwar sowohl der äußeren oder der Benetzungs- ionen als auch der Binnenelektrolyte, besteht nach seiner Meinung in der Wechselwirkung mit den Kolloiden, besonders den Eiweiß- stoffen des Plasma, Baumann (1910) äußert sich in der Weise : darüber, daß er annimmt, daß die quellungsfähigen Kolloide infolge ihrer negativen elektrischen Ladung nur Salze, die positiv geladenen Eiweißkörper nur Basen eindiffundieren lassen, dagegen die Säuren 1) Vgl. „Übersicht der Ionenbildung aus Eiweiß, Salzeiweiß und EiweiBsalzen“ bei TSCHERMAK (1916, p. 142). 2) Vgl. BAUMANN, 1910. Zool. Jahrb. 39. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 35 524 | CHRISTA KREISEL, abstoßen; ebenso wie umgekehrt in Blutkörperchen nur Säuren ein- diffundieren und Basen zurückgestoßen werden. Harpy !) untersuchte ein negatives Kolloid auf sein Verhalten gegen verschiedene Säuren und zwar mit folgendem Ergebnis: HNO, braucht zur Ausfällung eines Eiweißkörpers eine Kon- zentration von 0,00385 Mol., HCl von 0,00385 Mol. und H,SO, von 0,00435 Mol. Alle Säuren, die gerade eine Fällung bewirkten, hatten ungefähr die gleiche spezifische Leitfähigkeit und die Fällung ist deshalb auf die gleiche Ionenkonzentration zurückzuführen. Je stärker die Säure ist, die sich von der Base trennt, je mehr freie H-Ionen sie enthält, um so stärker ist der Zug, den sie auf die absorbierte Base ausübt, um sie wieder in Lösung zu bringen. Je verdünnter die Salzlösungen werden, um so mehr müssen die Unter- schiede schwinden. Mit dieser Ansicht stehen meine Versuchsergeb- nisse insofern in Einklang, als in den schwächeren Konzentrationen niemals Blasenabgabe zu beobachten war; denn in diesen Fällen wurden nur derartig geringe Säuremengen aus den Salzlösungen frei, daß sie nicht zur sichtbaren Wirkung gelangen konnten. Auch die Tatsache, daß Kolloide sich unter Umständen nicht wie Kristalloide verhalten, sondern wie BECHHOLD (p. 76) sich aus- drückt, ein „eigenartiges Individuum“ darstellen, dem eventuell eine Art Anpassung an veränderte Milieubedingung möglich sein kann, fand ich darin bestätigt, daß Tiere, die mehrmais nacheinander in derselben Lösung submergiert wurden, beim 2. Mal schwächer und beim 3. Mal kaum noch auf das Salz reagierten. | Wenn das Kation mit dem Eiweißkörper eine Verbindung ein- geht und ihn entladet, bzw. umladet, wird das Anion, z. B. NO,, frei und bildet mit den anwesenden H-Ionen Säuren, die stark dissozieren. Es werden dabei anderen Verbindungen noch H-Ionen entzogen; die Folge ist eine bedeutende Erhöhung der H-Ionen-Konzentration. MicHAELIS (I. c.) hat dies an folgendem praktischen Beispiel aus- gerechnet: Blut hat nach ihm eine H-Ionen-Konzentration [H]=3.10 7. BS DD Darin ist 3:10 —7 = Dissoziationskonstante der CO,. Im Blute finden sich pro Liter gelöst: 0,01 Mol. CO, und 0,1272, NaHie0®. 1) Vgl. BAUMANN, 1910. Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven. 525 Bringt man eine Säure dazu, so wird die [H'] bedeutend erhöht. Bei Hinzusetzung von HCl würde sich nach MıcHArLıs also folgender Vorgang abspielen: 0,12 Mol. NaHCO, + 0,01 Mol. HCl geben 0,11 Mol. NaHCO, + 0,01 Mol. H,CO? [H] 3.10. SH — 0,546. 10 +. Von der |H'] der Gewebesäfte ist bis jetzt noch wenig bekannt, doch ist sie, wie MICHAELIS bereits experimentell feststellte, eine höhere als die des Blutes. Es bestände sonst auch kein Konzentrations- gefälle zwischen Gewebe und Blut. Diese Erhöhung der H-Ionen-Konzentration ist nun für die CO,-Bildung im Zellularstoffwechsel von der größten Bedeutung. i TscHERMAK (1916) schreibt darüber, daß Erhöhung der H-Ionen-Konzentration des Blutes, nicht dessen CO,- Spannung an sich, zur Mehrausatmung der CO, führte. Es handelt sich also nach seiner Meinung um die Theorie der „respiratorischen Neutralitätsregulation“, die annimmt, daß erhöhte CO,-Absonderung verursacht wird durch Vermehrung der H-Ionen des Blutes oder der Kürperflüssigkeit. Die große bio- logische Bedeutung, die den H-Ionen der Körperflüssigkeit zukommt, hebt TscHERMAK (]. c.) wiederholt hervor.) „Die rhythmische Funk- tion des Atemzentrums hängt von der jeweiligen H-Ionen-Konzen- tration des Blutes, nicht von dessen CO,-Spannung an sich ab. Unter einem gewissen Minimum stellt das Zentrum seine Tätigkeit ein (Apnoe). Höhere Wertigkeit steigern dieselbe und führen durch vermehrte Ventilation und CO,-Abscheidung wieder zu normalen H-Werten zurück. Das Ergebnis unserer Ausführungen, daß unter Einfluß der Neutralsalze eine vermehrte CO,-Bildung im Organismus eintreten muß, kann vielleicht durch folgende Betrachtung noch weitere Klärung erfahren. Die durch Anlagerung der positiven Salzionen an die negativen Eiweißkörper frei gewordenen Säurereste reagieren mit den normaler- weise im Organismus gebildeten CO,-Mengen, die wahrscheinlich in Form von Bikarbonaten in Lösung gehalten werden. Diese Karbonate halten unter normalen Umständen die H-Ionen-Konzen- trationen konstant. Da nun HNO,, HCl und H,SO, bedeutend 1) Vgl. p. 111f. 35% 526 CHRISTA KREISEL, stärker sind als H,CO,, so wird die Kohlensäure aus ihren Verbindungen ausgetrieben: es entstehen an Stelle der Karbonatverbindungen die Nitrate, Chloride ‘und Sulfate, die ihrerseits dissoziieren. Das Eiweiß wird durch neueindringende lonen wieder aufgeladen, und der Prozeß spielt sich dauernd von neuem ab. Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich ohne weiteres, daß alle die genannten Vorgänge, die letzten Endes zu vermehrter CO,-Bildung führen, von der Zusammensetzung des Mediums in qualitativer und quantitativer Hinsicht abhängig sein müssen. Ferner sei darauf hingewiesen, dab als Versuchsobjekte lebende Organismen in Frage kommen,. deren physiologischer Zustand und deren Re- aktionsfähigkeit naturgemäß in den weitesten Grenzen schwanken muß. Aus dem Gesagten folgt, daß nicht in allen Salzen CO,- Abscheidung durch Blasen sichtbar werden konnte. Die Salze aber, in denen es zur Blasenabgabe kommt, zeigen in den verschiedenen Konzentrationen das durch die Kurven charakterisierte Verhalten. Die Tatsache, daß zur maximalen Gasblasenabgabe bestimmte Kon- zentrationen der Salze erforderlich sind, beweist geradezu, daß es sich bei den Gasblasen um Kohlensäure handeln muß, die, infolge der verschieden starken Salzeinwirkungen der einzelnen Konzen- trationen, auch in verschieden großen Mengen gebildet wird. Von den Forschern, die bis jetzt über die Einwirkung von Neutralsalzen auf die Eiweißkörper gearbeitet haben, sind für einzelne Gruppen von Individuen selbständige Reihen aufgestellt worden, die die abgestufte Wirkung verschiedener Salze zeigen sollen. Meine Ergebnisse decken sich, wie bereits oben erwähnt, im wesent- lichen mit der Ansicht von Hormeister und Paury, die angeben, daß NO, » CI >SO, wirkt. Allerdings wird diese Reihe dadurch unterbrochen, daß, wie sich am deutiichsten aus Fig. J ergibt, das Sulfat des Magnesiums eine den Nitraten in ihrer Wirkung gleichkommende Stelle einnimmt. Sieht man von dieser Ausnahme- stellung des Magnesiumsulfates ab, so läßt sich die Wirkung der übrigen Salze auf das Tier nach dem Anion deutlich definieren, aber nicht nach dem Kation; denn während das Kaliumion z.B. in Verbindung mit SO, schwach wirkt, zeigt es in Verbindung mit Cl schon stärkere und NO, die stärkste Wirkung. Der Vollständigkeit halber sei zum Schluß dieser Ausführungen auf Pürrer’s Ansichten verwiesen, der von erhöhter CO,-Produktion als dem generellen Erfolg völliger O,-Entziehung redet. Ich will Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven. 527 dieser Meinung nicht widersprechen. Zur Erklärung der Gasblasen- Entstehung reicht sie aber nicht aus. Es handelt sich zwar bei der Submersion nicht um einen völligen, sondern nur teilweisen O,-Entzug, da ja die Larven durch Hautatmung befähigt sind, eine allerdings ungenügende O,-Menge aus dem Wasser aufzunehmen. Wenn aber diese verminderte O,-Zufuhr eine derartige Über- _ produktion zur Folge hätte, wie sie aus der Blasenbildung zu erschließen ist, dann müßten in jedem Submersionsversuch, vor allem auch ohne Anwesenheit von Salzen Gasblasen entstehen, was den Be- obachtungen widerspricht. VI. Mechanismus der Kohlensäure-Exkretion. Nach den Darlegungen ergibt sich somit ein klares Bild von dem Mechanismus der Kohlensäure-Exkretion bei den Culiciden- Larven und Puppen. Da die Kohlensäure in der Körperflüssigkeit in sehr hohem Maße löslich ist, werden die im Zellularstoffwechsel gebildeten CO,- Mengen unter normalen Umständen wohl restlos vom Blute auf- genommen und von diesem durch Körper- und Darmwand hindurch in das Außenmedium abgeschieden, vorausgesetzt, daß die Wandung dünn genug ist und daß von Körperflüssigkeit zu Wasser ein Partial- druckgefälle für Kohlensäure besteht. Als Außenmedium hat natürlich für die Larve auch das Tracheensystem zu gelten. In dieses werden aber vom Blute aus unter normalen Umständen nur so geringe CO,- Mengen abgeschieden, daß sie gegenüber der CO,-Exkretion ins Wasser kaum in Betracht kommen. Das unterschiedliche Verhalten der Tracheenwand einerseits und der Darm und Körperwandzellen andererseits ist entweder durch die Annahme zu erklären, daß die Kohlensäure die Darm und Körperwandzellen — infolge eines großen Lösungsvermögen derselben für CO, — besser passieren kann als die Tracheenwand, oder aber durch die Voraussetzung, daß es sich bei der Gasdiffusion durch die Tracheenwand, wenigstens zum Teil, um sekretorische Vorgänge handelt, wobei durch die Wirkung der lebenden Tracheenwandzellen die Gasmenge und dadurch der Partialdruck des betreffenden Gases erst derartig reguliert werden muß, daß eine ausreichende Diffusion eintreten kann. Die Versuche von v. FRANKENBERG mit Corethra und von A. Kock mit Culex- und Mochlonyz-Larven scheinen zugunsten der Annahme einer aktiven Stoffwechseltätigkeit der Tracheenwandzellen beim 528 | Curista KRBISEL, Gasdurchtrittzusprechen,und auch die hier vertretene Anschauung, „daß die Körperflüssigkeit (Blut) Aufnahme und Transport der beim Zellularstoffwechsel gebildeten CO, besorgt“ (A. Koch, 1919, p. 488) stimmt mit der Ansicht der genannten Autoren überein. Handelt es sich aber unter Einwirkung der in den Körper ein- gedrungenen Ionen von Neutralsalzen um eine Überproduktion von Kohlensäure, so ist anzunehmen, dab zunächst. eine Lösung bestimmter CO,-Mengen in der Körperflüssigkeit stattfindet, und daß diese CO, auf demselben Wege nach außen gelangt wie unter normalen Bedingungen. Es ist — wenigstens für die höheren Tiere — festgestellt, daß die Kurven, die über die Gasaufnahme durch das Blut experimentell ermittelt wurden, auf typische Ad- sorptionserscheinungen schließen lassen: bei kleineren Gasdrucken werden relativ viel mehr Gase aufgenommen als bei höheren Drucken. Dazu kommt, — und das ist im vorliegenden Falle besonders in Betracht zu ziehen — daß durch die in der Körperflüssigkeit vor- handenen Salze die CO,-Aufnahme ins Blut derartig beeinflußt wird, daß die Vorgänge zu den kompliziertesten Erscheinungen der Physio- logie der tierischen Atmung gehören. Wie diese Dinge im einzelnen liegen, müssen künftige Forschungen der Kolloidchemiker zeigen. In diesem Zusammenhange kommt es auf die Feststellung an, daß unter Einfluß der in den Larvenorganismus eingedrungenen Neutral- salze eine Exkretion bestimmter CO,-Mengen in gasförmigem Zustand erfolgt, eine Erscheinung, die nach dem Gesagten sich wohl darauf zurückführen läßt, daß infolge des gegen die Norm ver- änderten Ionengehaltes der Zellen und der Körperflüssigkeit keine restlose Lösung der im Übermaß produzierten CO, möglich ist, und daß unter diesen Bedingungen (ob ohne oder mit Beteiligung des lebenden Gewebes ist in diesem Falle gleichgültig) die Spannung groß genug wird, damit der nicht vom Blute gelöste Teil der Kohlen- säure die Tracheenwand zu durchsetzen vermag und so als Gas in die sich überall zwischen den Zellen verzweigenden Endäste der Tracheen gelangt. Der Gasstrom kommt durch die Hauptleitungs- bahnen nach den Tracheenverästelungen in der Haut, am Darm, in den Kiemen und schließlich auch zu dem abdominalen Stigma. An allen diesen Stellen findet eine CO,-Exkretion ins Medium statt, letzten Endes also infolge Ansammlung großer CO,-Mengen im Tracheensystem eine „Bildung“ und schließlich „Abgabe“ von CO,-Blasen durch das Stigma. Handelt es sich allein um „Bildung“ von Blasen, die allmählich wieder kleiner werden, so ist anzunehmen, Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven. 529 daß eine Lösung der am Stigma haftenden CO,-Blase durch das Medium erfolet. Läßt sich nur ein „Aufblitzen“ von Gasblasen beobachten, so kann das allein als Beweis dafür gelten, daß das Tracheensystem völlig mit Gas gefüllt ist und daß deshalb bei Körperkontraktionen — infolge des leicht zu öÖffnenden Stigmen- verschlusses — sekundenlang das Gas sichtbar wird. In allen diesen Fällen kommt somit eine Speicherung und Exkretion der im Übermaß gebildeten CO, durch das Tracheensystem in Betracht. DEEGENER (1913) erwähnt auch bereits die Möglichkeit einer CO,-Exkretion durch das Tracheensystem neben der durch das Blut. Der Autor denkt dabei an eine nachträgliche Abscheidung der bereits im Blute gelösten CO, in „stärkere peripherische Tracheen“, während ich — im Gegensatz dazu und aus oben angeführten Gründen — annehmen möchte, daß die im Überschuß gebildete CO, direkt in das Tracheensystem abgeschieden wird im Sinne von R. Herrwie (s. A. Kocx: 2. Theorie über den Gasaustausch bei der Tracheenatmung), der eine Mitwirkung des Blutes so gut wie ganz auszuschalten versucht. Alle Culiciden-Larven lassen sich in bezug aufihre CO,-Exkretion in dieses allgemeine Schema in verschiedener Weise einordnen, und zwar auf Grund der unterschiedlichen Stärke und Durchlässigkeit ihrer Körperwand. Anopheles-Larven geben in Salzwasser keine Blasen ab, sondern zeigen nur starken Glanz der Stigmen. Es ist daraus zu schließen, daß das Übermaß an Kohlensäure — wie oben erwähnt — im Tracheensystem gespeichert wird. Eine Gasblasenbildung und Abgabe erfolgt nicht. Die Körperwand muß deshalb in so hohem Grade für CO, durchlässig sein, daß fast die gesamte CO,- Menge vom Blut und den Tracheen aus durch die Körperwand und den Darm ausgeschieden werden kann. Allerdings besteht außerdem die Möglichkeit einer geringen CO,-Exkretion dadurch, daß eine Diffusion der CO, aus den offenen Stigmen ins Wasser erfolgt. Culex-Larven zeigen — besonders in älteren Stadien — im Salzwasser Gasblasenbildung und -Abgabe, aber nicht in salzfreiem und CO,-reichem Wasser. Daraus ist zu schließen, daß die Haut nur in sehr beschränktem Maße für CO, durchlässig ist. Normaler- weise muß die Darmatmung?) zur CO,-Exkretion ausreichen, bei 1) Bei Uuler-Larven ist somit der Darmatmung eine größere Be- deutung beizumessen, als A. KocH ursprünglich anzunehmen geneigt war. 530 | CHRISTA KREISEL, Uberproduktion erfolgt Ausscheidung der erhöhten CO,-Mengen durch © das Stigma. Bei jüngeren Culex-Larven ist die Haut leichter für CO, passierbar; folglich geben die Larven auf diesen Stadien er- heblich weniger Gasblasen ab als ältere Tiere. Sie nehmen eine © Mittelstellung zwischen Anopheles-Larven aller Stadien und älteren Culex- und Theobaldia-Lärven ein. Da kein Grund vorliegt zu der Annahme, daß unter normalen Umständen, nicht Submersionsbedingungen, die CO,-Exkretion auf andere Weise erfolgen sollte, als das hier angegeben wurde, so müssen diese Ausführungen, die den Mechanismus der Kohlensäure- ausscheidung zu erklären versuchen, für die Culiciden-Larven unter allen Lebensbedingungen Gültigkeit haben, vorausgesetzt, daß die Tiere nicht unmittelbar vor einer Häutung stehen; denn in diesem Falle wird auch unter normalen Bedingungen wohl stets ein Teil der Kohlensäure durch das Stigma entfernt. | Culex-Puppen verhalten sich ähnlich wie Anopheles- Larven: sie geben in Salzwasser keine Gasblasen ab, hingegen zeigen sie in stark CO,-haltigem Medium Blasenbildung sui Abgabe. Die Kôrper- wand muß also CO,-durchlässig sein. Ob bei Puppen überhaupt die Salze in demselben Maße zur Wirkung gelangen können wie bei den Larven, erscheint fraglieh, da ihnen der Darm zur Resorption der Ionen fehlt. VII. Zusammenfassung. Im Anschlu an die Arbeiten. von A. Koch (1919) und M. GoFFERJE (1 c.) über die Funktion des Tracheensystems bei Culiciden-Larven wurden weitere Versuche über die Einwirkung von Neutralsalzen (der Nitrate, Chloride und Sulfate des Na, K, Ca und Mg) auf den Atemmechanismus angestellt. Als Versuchstiere dienten Culex pipiens L., Theobaldia annulata Scu., Anopheles macu- lipennis Meıc. Von den ersteren konnten noch Ende Dezember frisch ausgeschlüpfte Larven gefangen werden, was als Beweis dafür gelten kann, daß unter Umständen die me als Larven zu über- wintern vermögen. Den Submersionsversuchen mit Culex-Puppen gingen Versuche voraus, bei denen Puppen in offene Standzylinder mit Salzlösungen gebracht wurden. Als Einfluß der Salze bei ungehindertem Luft- zutritt ergab sich im Vergleich zu den Kontrollversuchen mit Larven eine weit größere Sterblichkeit der letzteren (25:80°/,), was darauf Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven. 531 zurückzuführen ist, daß die Larven das Salzwasser per os und per anum aufnehmen können, während bei den Puppen nur die Haut dafür in Frage kommt. Alle angewandten Salzkonzentrationen (n bis 55) haben deshalb fiir die Puppen als indifferente Lösungen zu gelten. Bei den Versuchen, bei denen Culex-Puppen in Leitungswasser von normalem Gasgehalt, in Aq. dest. mit starkem CO,- oder O,-Gehalt und in Lésungen von Neutralsalzen submergiert wurden, zeigte sich zunächst, daß das Alter der Tiere ohne Einfluß auf die Submersions- dauer ist. In Leitungswasser von normalem Gasgehalt war die Lebensdauer abhängig von der Länge der Submersionsréhre bei gleichem Durchmesser. Es ergab sich eine Submersionszeit von 80 Minuten bei einer Röhre von 60 cm Länge und von 32 Minuten bei einer Rohrlänge von 40 cm. Aus den Versuchen geht die Ab- hängigkeit der Puppen von der Menge des im Submersionsmedium gelösten Sauerstoffes und damit die Tatsache der Hautatmung ein- wandfrei hervor. Trotz dieser Hautatmung starben die Puppen bei der Submersion eher als die Larven, da den Puppen einmal die Möglichkeit der Darmatmung fehlt und ihnen außerdem ein starkes O,-Bedürfnis zukommt, das (nach WeınLanp 1910) mit dem Fett- abbau während der Puppenzeit in Zusammenhang stehen mag. Unter ‘Einfluß von stark CO,-haltigem Wasser (über 800 mg pro Liter) erscheinen an der Spitze der Atemhörnchen Gasblasen, die allmäh- lich vom Medium resorbiert werden. In dieser Hinsicht verhalten sich die Puppen anders als die Larven, bei denen A. Kocx (1919) unter denselben Voraussetzungen keine Gasblasenbildungen kon- statieren konnte. Die Puppe muß deswegen eine bedeutend durch- lässigere Körperwand als die Larve besitzen. Bei Verwendung von Salzwasser als Submersionsmedium traten keine Gasblasen in Er- scheinung, trotzdem mit einem Eindringen der Ionen in den Organis- mus gerechnet werden mußte, da die Lebensdauer in Salzlösungen gegenüber der in Leitungswasser merklich herabgesetzt war. Infolge der unter der Puppenhaut vorhandenen Gasmenge sind die Tiere (im Gegensatz zu den meisten Larven) stets überkompen- siert. Die Atemhörnchen wirken als Schwimmglocken, entsprechend der Atemröhre der Larve. Mit Larven wurden Submersionsversuche in Salzwasser angestellt. Der deutlichste Einfluß der Salze zeigte sich bei Culex und Theobaldia in der Bildung und Abgabe der Gasblasen, deren Zahl mit der Zu- sammensetzung und Konzentration des Mediums wechselte. Die 532 CHRISTA KREISEL, stärkste Wirkung übten die Nitrate aus, dann folgten die Chloride und schließlich die Sulfate (allerdings nahm Magnesiumsulfat eine abweichende Stellung ein, da es sich im wesentlichen ebenso verhielt wie die Nitrate). Aus den Figg. Bu. C ergibt sich, daß nicht gerade die „tödlich“ wirkenden Konzentrationen eine Gasblasenabgabe bedingen, sondern, daß — im Gegenteil — der stärkste Einfluß von weit schwächeren Konzentrationen ausgeübt wird. Anopheles-Larven zeigten in denselben Salzlösungen keine Gas- blasenbildung und -Abgabe, sondern nur einen wechselnden Glanz der Stigmen (als Folge des verschiedenen Gasgehaltes des Tracheen- systems). | Eine Erklärung der Gasblasenentstehung ergibt sich aus der Überlegung, daß es sich bei den Blasen nur um verbrauchte Luft, d. h. letzten Endes CO, handeln muß, eventuell durchmischt mit Teilen des ursprünglich aus der atmosphärischen Luft in das Tracheensystem aufgenommenen Stickstoffes. Die Kohlensäure- mengen, die für die Gasblasenentstehung verantwortlich zu machen sind, bilden sich unter dem Einfluß der in den Organismus ein- gedrungenen Ionen der Neutralsalze auf die Eiweißkörper der lebenden Substanz. Nach dem heutigen Stande der kolloidchemischen Forschung sind die Eiweißkörper z. T. als negativ geladene Molekeln anzusehen. Die Gegenwart dissoziierter Neutralsalze gestattet eine Anlagerung der Kationen an die Eiweißmolekel unter Freiwerden der entsprechenden Anionen, die mit dem H des Dispersionsmittels zusammen starke Säuren bilden. Diese verdrängen die Kohlensäure aus den im Blut vorhandenen Karbonatverbindungen, was eine Vermehrung der freien Kohlensäure bedeutet. Der Typus, nach dem die Kohlensäureabscheidung vor sich geht, ist bei den Culiciden-Larven äußerst wechselnd. Eine ~ Erklärung ergibt sich nur durch die Annahme (die allerdings durch morphologische Tatsachen gestützt wird), daß sich nicht nur die verschiedenen Culiciden-Larven durch die Gasdurchlässigkeit ihrer Körperwand unterscheiden, sondern, daß (bei Culex und Theobaldia) auch die einzelnen Stadien selbst eine verschieden starke Larvenhaut besitzen. Man kann im Hinblick auf die abnehmende Gasdurch- lässigkeit der Körperwand folgende Reihe aufstellen: Anopheles- Larven, junge Culex- und Theobaldia-Larven, ältere Culex- und Theobaldia - Stadien. In dem Maße, wie bei stärker werdender Körperwand die Hautatmung erschwert wird, muß die CO,-Exkretion in der Hauptsache durch Kiemen-, Darm-, und Stigmenatmung er- Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culicidenlarven. 533 folgen. Zur Ausscheidung normaler CO,-Mengen genügen wohl in allen Fällen (falls die Larve nicht unmittelbar vor einer Häutung steht) Haut, Kiemen und Darm. Kommen aber — unter Einfluß der Neutralsalze — anormal große Kohlensäuremengen in Frage, so ist eine dünne Körperwand, wie bei Anopheles-Larven, nötig, wenn durch dieselbe die Exkretion der gesamten CO, erfolgen soll; sonst muß eine Exkretion durch das Stigma vor sich gehen (neben Darm- und Kiemenatmung), wie das bei älteren Culez- und Theobaldia-Stadien zu beobachten ist. Culex-Puppen verhalten sich in bezug auf die CO,-Ausscheidung wie Anopheles-Larven. Literaturverzeichnis. 1904. HENNEGUY, F., Les Insectes, Paris. 1904. Osrwazp, W., Über Beziehungen zwischen Adsorption und Giftig- keit von Salzen fiir SüBwassertiere, in: Arch. Ges. Physiol., Vol. 120. 1905. —, Versuche über Giftigkeit des Seewassers für Süßwassertiere, in: PFLÜGERS Arch. | 1910. Baumann, A., Untersuchungen über Humussäuren, in: Mitteil. bayr. Moorkulturanstalt, Heft 4, Stuttgart. 1910. WEINLAND, E., Stoffwechsel der Wirbellosen, in: Handb. Biochemie, Vol. 4, 2. Hälfte, Jena. 1910. DEEGENER, P., Wesen und Bedeutung der Metamorphose bei den Insekten, Leipzig. 1910. Lampert, K., Das Leben der Binnengewässer, Leipzig. 1911. Borazzi, FıL., Das Cytoplasma und die Körpersäfte, in: WINTER- | STEIN, Handb. vergl. Physiol., Vol. 1, 1. Hälfte. 1911. SÖRRENSEN, S., Über Messung und Bedeutung der Wasserstoffionen- konzentration bei biologischen Prozessen, in: ASCHER-SPIRO, Ergebn. Physiol., Wiesbaden. 1911. Hoppe, J., Die Atmung von Notonecta glauca, Inaug.-Diss., Greifswald. 1911. PÜTTER, A., Vergleichende Physiologie, Jena. 1912—1914. BaB4k, E., Die Mechanik und Innervation der Atmung, in: WINTERSTEIN, Handb. vergl. Physiol., Vol. 1, 2. Hälfte. 1912. BECHHOLD, P., Kolloide in Biologie und Medizin, Dresden. 534 Carısta Kreisez, Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure usw. auf Culicidenlarven. 1912. RHoDE, C., Uber Tendipediden und deren Beziehung zum Chemis- mus des re, in: Deutsch. entomol. Ztschr. 1912. LorB, F., Abhängigkeit der relativen Giftigkeit von Na und Ca vom Anion, in: Ztschr. Biochemie, Berlin. 1913. DEEGENER, P., Respirationsorgane, in: SCHRODER, Handb. Entomol., Vol. 1, Kap. 5. | 1913. SCHNEIDER, P., Beitrag zur Kenntnis der Culiciden in der Um- gebung von Be in: Verh. naturh. Ver. preuß. Rheinl. Westf., Je. 70! 1914. HırscH, E., Untersuchungen über biol. Wirkungen einiger Salze, in: Zool. ne, Vol. 34. 1916. STEMPELL, W. und A. KocH, Elemente der Tierphysiologie, Jena. 1916. v. TSCHERMAK, A., Allgemeine Physiologie, Berlin. 1918. GoFFERJE, M., Die Wirkung verschiedener Salze auf Larven von Culex pipiens L., in: Mitteil. zool. Inst. Wilhelms-Univ. Münster, Heft 1. 1918. Koch, A., Zur Atmungsphysiologie von Culex pipiens I, ibid. 1918. --, Zur Physiologie des Tracheensystems der Larven von Moch- lonyx Lw., ibid. 1919. —, Messende Untersuchungen über den Hinflu8 von 0, und CO, auf Ola Iren, in: Zool. Jahrb., Vol. 37, Physiol. 1919. KOEHLER, A., Antagonistische Wirkungen von Salzlösungen dar- gestellt durch eine verschiedene Einwirkung der letzteren auf die be- weglichen: Zellen, in: Ztschr. allg. Phys., Jena. 1919. WILHELMI, P., Über die Bekämpfung der Muscidenbrut mit Alkalisalzen, in: Mitteil. Landesanst. Wasserhygiene, Berlin-Dahlem. 1919. EICHWALD, F. u. A. Fopor, Die physikalisch chee Grund- lagen der Biologie, Berlin. 1920. KocH, A., Züchtungen und Submersion von Culicidenlarven in Wasser von verschiedenem Salzgehalt, in: Zool. Anz., Vol. 50, 1, No. 4—5. Nachtrag bei der Korrektur. 1921. Kocx, A., Die Atmung der Culicidenlarven, in: Mitt. zool. Inst. Wilhelms-Univ. Münster, Heft 3. 1921. KREISEL, CHR., Über den Einfluß von Sauerstoff, Kohlensäure und Neutralsalzen auf Culiciden-Larven und -Puppen, ibid. 1922. GOFFERJE, Uber den Einfluß verschiedener Salze auf die Ent- wieklungsdauer von Culex pipiens L. und auf das Verhalten der Culex-Larven während der Submersion, in: Zool. Jahrb., Vol. 39, Physiol. Nachdruck verboten. Ubersetzungsrecht vorbehalten. Untersuchungen über die Lunge und die Atmung der Spinnen. Von Simon Weiß. Mit 2 Abbildungen im Text. Inhaltsverzeichnis. I. Einleitung. II. Untersuchungen an lebenden Tieren. III. Präparation der Spinnenlunge. IV. Histologische Untersuchungen. V. Wirkung der Muskeln auf die Atmung (schematisiert). VI. Zusammenfassung. Literaturverzeichnis. I. Einleitung. Während man bei den Insekten Atembewegungen sicher nach- weisen konnte, ist dies bei den Spinnen nicht gelungen. Es be- geonen uns daher in der Literatur die verschiedensten Anschauungen über den Vorgang des Gaswechsels in den Tracheenlungen. Fast immer jedoch wird die Vermutung ausgesprochen, daß Muskelkräfte die Erneuerung der Luft besorgen müssen. Daher soll in dieser Arbeit versucht werden, folgende Fragen zu beantworten: 1. Sind am lebenden Tier Atembewegungen bemerkbar’? 2. Treten am Atmungsorgan elastische Fasern und Muskel- gewebe auf? 536 SIMON WEISS, II. Untersuchungen an lebenden Tieren. Die Untersuchung befaßt sich mit zwei Vertretern der Arach- niden, mit Epeira diadema und Tegeneria domestica. Diese beiden Arten besitzen ein Paar Tracheenlungen, die an der Basis des Ab- domens und zwar im proximalen Drittel, zu beiden Seiten des Genitalsegmentes liegen. Die äußere Decke bildet eine unbehaarte Chitinplatte von der Form eines Dreieckes mit abgerundeten Ecken. Darunter liegt der Lungensack, welcher das Organ umschließt. An der Grundlinie dieses Dreieckes befindet sich ein längliches Stigma, das in seiner Gestalt an einen leichtgeöffneten Mund erinnert. Die vordere Lippe ist eine starre Chitinleiste und zeigt eine an dem äußeren Winkel gelegene, rötlich gefärbte Vorwölbung, während die hintere Lippe dagegen beweglich ist und sich etwas unter die vordere schiebt. Zur Beobachtung der Stigmenöffnungen wird die Spinne auf den Rücken gelegt und mit Plastilina auf ein Holzblöckchen gefesselt. Das Hauptaugenmerk ist hierbei auf gute Beleuchtung zu richten. Am besten ist es, das Licht entweder von hinten oder von der Seite auf die Stigmenöffnungen fallen zu lassen. Nach WinTERSTEIN (1913) erwähnen die älteren Beobachter, wie LISTER, SWAMMERDAM, SORG, TREVIRANUS u. A. gar nichts über das Vorkommen von Atembewegungen bei Spinnen. Andere haben verschiedene Hypothesen über die Lungenventilation aufgestellt auf Grund der anatomischen Verhältnisse: so geben z. B. Stmon und Lesut nach PLATEAU (1887) an, daß gewisse, zwischen den Wänden des Pericardialsinus und der circumpulmonären Blutsäcke liegende Muskeln die Luftbewegung in den Tracheenlungen beeinflussen, ähn- lich wie andere von BLAncHARD beschriebene Muskeln bei den Scorpionen; aber nach PLATEAU dienen diese Muskeln nur zur Förderung der Zirkulation. Bei diesem Autor finde ich, daß er an Epeira diadema, Tegeneria domestica und Meta segmentata die gleichen Untersuchungen angestellt hat und nicht einmal mittels Projektions- vergrößerung irgendwelche Bewegungen an den Stigmen oder an der ventralen oder dorsalen Partie des Abdomens wahrnehmen konnte. Bei meinen Beobachtungen verhielten sich die Tiere im all- gemeinen ruhig, doch machten sie von Zeit zu Zeit heftige Be- wegungen mit dem Abdomen, indem sie es in die Höhe zogen und wieder sinken ließen. Dabei war deutlich zu erkennen, wie die Die Lunge und die Atmung der Spinnen. 537 Ventralfiäche in der Mitte eine Einsenkung erfuhr. Diese Stelle ist der Fixationspunkt der Abdominalmuskulatur. Nach der Be- wegung zeigten sich an den Stigmenöffnungen stets einige Schlief- und Offnungsbewegungen. Die untere Lippe näherte sich der oberen und zog sich wieder zurück. Viel häufiger beobachtete ich das Vor- und Zurückfluten eines im auffallenden Lichte hellschimmernden Lamellenhäutchens, das mit Sicherheit als die hintere Wand des Lungensackes angesprochen werden konnte. Die gleiche Erscheinung findet sich auch bei den Scorpioniden. J. MÜLLER beschreibt bei diesen Tieren die Vorstülpung der Haut der Lunge (von dem Rande des Stigmas entspringend) über die Öffnung, so daß diese durch ein Häutchen geschlossen erscheint. Bei wiederholten Untersuchungen war längere Zeit keine Bewegung des Lamellenhäutchens zu er- kennen. Wenn man aber die Tiere durch Berührung mit dem Finger oder durch Annäherung eines mit Äther getränkten Watte- pfropfens belästigte, so machten sie sehr heftige Bewegungen mit dem Abdomen, worauf auch dieses Häutchen in lebhafte Aktion trat. Nach Aufhören der Bewegungen blieb das Häutchen vor- - gestülpt und wurde erst nach der Befreiung des Tieres wieder ganz zurückgezogen. Bei einer anderen Beobachtung an Epeira zeigte sich am rechten Stigma unter der hinteren Lippe eine eigenartige Bewegung. Ein Gebilde, ähnlich einer Zunge, glitt unter dem hinteren Stigmenrand gegen die caudale Wand des Lungensackes -vor und wieder zurück. Die Bewegungen wurden 5 Minuten lang beobachtet, dann waren sie wieder verschwunden; durchschnittlich zählte ich 30 in der Minute. Die Ursache dieser Bewegung konnte vielleicht das Herz sein, dessen Bewegungen sich durch die Pulsation auf die hintere Wand des Lungensackes übertrugen. Da diese Be- wegung jedoch nur an einem Stigma zu sehen war, wurde diese Annahme hinfällig. Wie sich bei der Präparation der Spinnenlunge herausstellte, handelte es sich hier um einen Muskel, der unmittelbar unter der hinteren Stigmenlippe parallel zur Stigmenöffnung ver- läuft. Während der Beobachtung war das Stigma mit dem Häutchen verschlossen. Das Tier war bereits über eine Stunde gefesselt und mochte infolge dieser unangenehmen Lage starke Atemnot bekommen haben. Daß man die Tiere nicht in ihren natürlichen Verhältnissen beobachten kann, sondern sie fesseln und auf den Rücken legen muß, bedeutet einen ziemlichen Nachteil, der sicherlich nicht ohne Einfluß auf das Resultat der Untersuchungen ist. Ferner zeigte sich bei den Beobachtungen, daß bei jedem Tier nach Abdominal- 538 ; Simon WEIss, bewegungen am Munde eine Luftblase hervortrat, die allmählich wieder verschluckt wurde. Es lag so der Gedanke nahe, ob nicht die Lungenatmung durch Darmatmung unterstützt würde. War diese Annahme richtig, so mußten die Tiere auch bei verschlossenen Stigmen weiterleben können. Die Spinnen aber, deren Stigmen ver- schlossen wurden, waren nach einer Minute vollständig gelähmt und betäubt und konnten sich nach Öffnen der Stigmen nicht wieder erholen. Bemerkt sei, daß zum Verkleben der Stigmen ein säure- freier, unschädlicher Kleister verwendet wurde. Durch diesen Ver- such ist einwandfrei dargetan, daß die Atmung nur durch die Lungen erfolgt. Mit gleicher Sicherheit kann man daraus auch die Folgerung ziehen, dab an den Stigmen eine Luftströmung vorhanden sein muß. Diesen Nachweis suchte bereits MENGE zu erbringen. Nach BERTKAU bemerkt er ausdrücklich, daß man weder den Aus- noch den Eintritt von Luft wahrnehmen könnte, wenn man bei lebenden Tieren den Spalt mit Wasser verschließt, und ebensowenig eine dyspnoische Bewegung bei Spinnen, die eine Zeitlang wie tot im Wasser gelegen haben und sich nun an der Luft allmählich er- holen. Er zweifelt deshalb überhaupt an der „angeblichen“ Respi- ration. Die. gleichen Versuche mit Wasser wurden von mir eben- falls vorgenommen. Nach einigen Sekunden konnte bei zwei Tieren das Entweichen einer kleinen Luftblase aus den Stigmen beobachtet werden. Nach zwei Minuten wurden die Tiere wieder befreit und hatten sich nach einer Stunde vollständig erholt. Andere Tiere tauchte ich vollständig unter Wasser. Diese umgaben sich sofort mit einer Luftblase, die den ganzen Körper einhüllte und bei den Stigmen am größten war. Die Luft wurde wohl größtenteils mit den Körperhaaren heruntergenommen, ein Vorgang, den wir bei der im Wasser lebenden Argyroneta finden. Brachte man die Spinnen nach 5 Min. wieder an die Luft, so erholten sie sich sehr rasch, ein Beweis dafür, daß diese Luftblase zur Atmung verwendet wird. Nur so ist es auch erklärlich, daß diese Tiere bis zu einer Viertel- stunde unter Wasser am Leben bleiben konnten. Waren die Spinnen nach dem Versuch noch bewegungsfähig, so machten sie sowohl in ~ Ruhe, als auch beim Laufen heftige Bewegungen mit dem Abdomen. Nach einiger Zeit hörten diese wieder auf. Der Grund dieser Be- : wegungen ist in großer Atemnot zu suchen. In diesem Zustand verwenden die Tiere anscheinend auch die Abdominalmuskulatur zur Atmung. Aus diesen Beobachtungen geht hervor, daß Luft in den Lungen enthalten ist und daraus auch entweicht. Ferner kann Die Lunge und die Atmung der Spinnen. 539 man daraus schließen, daß bei Atmung an den Stigmen eine Luft- strömung stattfinden muß. Doch ein direkter Nachweis läßt sich auf diese Weise nicht erbringen, weil die Tiere durch das Wasser zu stark belästigt werden. Es wurde daher folgender Versuch angestellt: Die Spinne wurde auf den Holzblock gefesselt und ein feines Wollhaar mit Plastilina so darauf festgeklebt, daß das freie Ende über den Stigmen zu schweben kam. Um jeden Luftzug von außen fernzuhalten, wurde eine Glasglocke über das Ganze gestülpt. Mit der Lupe konnte man nun einen deutlichen Ausschlag des Wollhaares er- kennen. Die Bewegung war ziemlich schwach und unregelmäßig, Es war nicht möglich Exspiration und Inspiration zu unterscheiden und eine Atemzahl festzustellen. Die Luftströmung an den Stigmen ist anscheinend so gering, daß nur ausnahmsweise kräftige Atmung einen Ausschlag herbeizuführen vermag. Hand in Hand mit diesen Versuchen wurde die Präparation der Spinnenlunge vorgenommen. Die Spinnen wurden zuerst in Alkohol gehärtet, dann wurde der Rücken abgetragen, bis zur Lunge weiterpräpariert und diese freigelegt. Wir sehen die starke Chitin- platte des Genitalsegmentes in der Mitte und rechts und links daran befestigt die beiden ovalen, blattförmigen Lungen. Sie sind am vorderen und seitlichen Rande am dünnsten und werden gegen die Mitte hin dicker, weil die senkrecht stehenden Lungenblätter hier am längsten sind und oben und unten kürzer und schmäler werden. III. Präparation der Spinnenlunge. Bei dem Präparieren der dorsalen Partie der Lunge tritt uns in erster Linie die starke Thorax-Abdominalmuskulatur entgegen, die median zwischen den beiden Lungen nach rückwärts verläuft. Von dieser zweigt beiderseits in Höhe der Stigmen fast senkrecht ein kräftiger Muskelzug ab, zieht lateral gegen das Tegument hin und inseriert sich hier an der Stelle, wo dieses und Lunge ver- wachsen sind. Von hier aus läuft ein gleich starker Muskel gegen die Lungenspitze hin (Fig. A). IV. Histologische Untersuchungen. Was die eingehende Beschreibung des histologischen Baues der Spinnenlunge betrifft, möchte ich auf MacLeon’s Untersuchungen verweisen. Hier soll nur kurz ein allgemeiner Überblick gegeben werden. Bei den für die Arachniden charakteristischen Tracheen- Zool. Jahrb. 39. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. 36 540 _ Simon WEIss, lungen führt das Stigma in einen gemeinsamen Luftraum, der durch zahlreiche, gleich den Blättern eines Buches, von der medialen Wand ausgehende Septen in zahlreiche, lufterfüllte Fächer geteilt wird. Die Zahl der Fächer schwankt nach BErTKAU bei den Araneen zwischen 4 und 5 (Dictyma) und 60 und 70 (Epeira); die größeren Arten besitzen nicht nur größere, sondern auch viel zahlreichere als die kleineren; die Zahl der Fächer vergrößert sich außerdem mit dem allgemeinen Wachstum des Körpers. Nach seiner Ansicht erfolgt das Wachstum des Lungensackes von der der äußeren Stigmenecke genäherten Spitze aus. Dies dürfte sehr unwahrschein- lich sein, wenn man bedenkt, daß die meisten Blutgefäße an der medialen Seite der Lunge liegen, diese Partie also am besten mit Blut versorgt ist und das Wachstum hier am günstigsten vor sich gehen kann. Zudem finde ich an der medialen Seite im Lungen- organ einen Komplex von Zellen mit randständigen Kernen, die ein kleines Lumen einschließen. Aus diesem Komplex entwickeln sich die Querpfeiler. Jedes der Septa besteht aus 2 Chitinlamellen, die einen mit Blut gefüllten Hohlraum zwischen sich einschließen, der von Querpfeilern durchsetzt wird. Nach MacLron würden diese Querpfeiler wahrscheinlich myoider Natur sein und ihre Funktion würde darin bestehen, durch ihre Kontraktion und Expansion eine Verengerung bzw. Erweiterung der zwischen den Lamellen ein- geschlossenen Bluträume und eine Vergrößerung bzw. Verkleinerung der Luftfächer herbeizuführen und so gleichzeitig für eine Ventilation der Lunge und für eine Fortbewegung des sie durchströmenden Blutes zu sorgen. Wie bereits erwähnt, schreibt ihnen BERTRAUx nach WINTERSTEIN nur letztere Funktion zu. Dagegen kann ein- gewendet werden, dab beide Funktionen in wechselseitiger Beziehung stehen müssen, daß also eine Verengerung des Blutraumes im gleichen Verhältnis eine Erweiterung der Luftfächer bewirkt und umgekehrt. Man kann sich wohl vorstellen, daß die Querpfeiler in Ruhe den Gasaustausch innerhalb der Luftfächer erzeugen können, doch wenn größere Anforderungen, wie z. B. bei lebhaften Bewegungen, an das Organ gestellt werden, ist es unverständlich, daß die Kräfte der Querpfeiler allein die Durchlüftung der Lunge besorgen können. In diesem Falle müssen stärkere Kräfte eingreifen. Vielleicht könnten auch elastische Fasern dabei mitwirken. Letztere in der Lunge nachzuweisen, ist mir nicht gelungen. Die Lungenlamellen wurden mit Kalilauge behandelt, ferner Schnitte mit Orcein-Wasserblau gefärbt; doch bei keinem Verfahren konnte Die Lunge und die Atmung der Spinnen. 541 ich elastische Fasern feststellen. Soviel mir iibrigens bekannt ist, finden sich diese Elemente bei Tieren, die mit Chitin ausgestattet | sind, nicht. Sie sind stets durch Chitin ersetzt. So ist es wahr- scheinlich auch bei der Spinnenlunge. Muskelfasern dagegen hat bereits BORNER einige beschrieben, welche teils von der Bauchplatte des Genitalsegmentes, teils von - der Hinterwand des gemeinsamen Luftraumes zu den Vorderenden der Lungenfächer hinziehen und als Erweiterungsmuskeln der Atmungsräume fungieren. Infolge der mangelhaften Beschreibung konnte ich diese Muskelfasern nicht feststellen. Nach dem Verlauf zu schließen, kommen nur die Thorax-Abdominalmuskeln in Frage. Doch haben diese sicher eine verengernde Wirkung auf den Atmungs- raum. Ferner berichtet BERTKAU über zweierlei Muskeln, welche an der Außenseite der Hautvertiefung, in der der Luftsack liegt, und in der Mitte zwischen den beiden Stigmen sich befinden; er findet die Abwesenheit äußerlich auffallender Atembewegungen, welche in periodischen Stößen vor sich gingen, aus dem Bau der Atmungsorgane erklärlich, im Hinblick auf die Enge der Luftfächer; nichtsdestoweniger müssen die sehr kräftigen, an dem verbindenden Gange und an dem Rande der Körperhaut angebrachten Muskeln bei ihrer Zusammenziehung den Lungensack ausdehnen und zugleich eine Erweiterung der zu den Luftfächern führenden Spalten herbei- führen. Die ersteren, an der Außenseite des Lungensackes erwähnten Muskeln konnte ich auf meinen Schnitten nicht finden, wohl aber die zwischen den beiden Stigmen gelegenen, welche dem verbindenden Gange entlang laufen und sich an der Hinterwand des Lungensackes inserieren. Durch ihre Kontraktion wirken diese Muskelfasern jedoch auf den Lungenspalt sowohl, wie auf den Lungenraum verengernd. Auch SCHIMKEWITSCH hat die von BERTKAU beschriebenen Muskeln nicht gefunden, dafür aber andere festgestellt: Zwei davon heften sich an den vorderen Rand des Stigmas an, der dritte befindet sich „pres de l’angle antéro-intérieur du poumon“: seiner Vermutung nach ist die Lunge bei der Inspiration offen und „lair s’y introduise naturellement“, wonach durch die Muskeltätigkeit die vordere Wand der Lungenhöhle sich abhebt und zur hinteren Wand vorschiebt, um die Öffnungen der Lungen zu verschließen; dann wird durch die Tätigkeit der longitudinalen Abdominalmuskulatur und wahrschein- lich des erwähnten dritten Muskels die Lungenhöhle komprimiert und so Luft zwischen die Lungenblättchen eingepreßt. Die Ex- spiration könnte durch die Retraktion der dorsoventralen Abdominal- 36* 542 SIMON WEISS, muskeln (bei geöffnetem Stigma) gefördert werden. Die beiden ersten Muskeln konnten nicht festgestellt werden. Der dritte Muskel diirfte identisch sein mit dem von mir bereits erwähnten, der von der äußeren Stigmenecke zur Lungenspitze verläuft. Die eben be- schriebene Anschauung über den Atmungsvorgang ist somit kaum begriindet. | Über das technische Verfahren bei meinen Untersuchungen sei kurz bemerkt: fixiert wurde mit Formol-Alkohol-Eisessig, eingebettet in Celloidin-Paraffin, gefärbt mit Hämatoxylin nach BÖHMER-HAnsEN und Pikrinsäure, mit Hämatoxylin-Eosin, und mit Orcein-Wasserblau. Das ganze Organ wurde längs, quer und horizontal geschnitten. - Fig. A. Dorsale Fläche mit Muskeln. a Muskel, der von der äußeren Stigmenecke zur Lungenspitze zieht. b Muskel aus der hinteren Wand des Lungen- sackes. c Thorax-Abdominalmuskulatur. R. L rechte Lunge \ von dem Muskeldreieck ein- L. L linke Lunge geschlossen. — Auf all den Schnitten finden wir die Bestätigung der bereits bei der Präparation beschriebenen Muskeln. Nach den Querschnitten muß der Verlauf des Muskels a (Fig. A) etwas korrigiert werden. Dieser Muskel zieht nämlich nicht so hart am Rande des Organs, sondern mehr diagonal über die Lunge hinweg und vereinigt sich mit den Hauptmuskeln des Genitalsegmentes. Auf den Horizontalschnitten zeigt sich die Verbindung des Muskels 5 (Fig. A) mit der Thorax-Abdominalmuskulatur. Ferner finden wir an der äußeren Ecke des Stigmas kurze Muskelzüge, die von der hinteren Wand des Luftraumes zum Tegument ziehen und bei ihrer Kontraktion eine Erweiterung des Luftsackes bewirken. Dies sind die einzigen Muskeln, die erweiternd wirken. Alle anderen Muskeln wirken auf die Lungenhöhle komprimierend. Es ist wohl die Frage sehr naheliegend, warum keine Er- weiterungsmuskeln vorhanden sind? Diese Tatsache findet ihre Be- antwortung, wenn wir zum Vergleich andere mit Muskeln versehene Organe betrachten. So gibt es z. B. an den Öffnungen der Insekten- tracheen allenthalben nur Schließmuskeln; Antagonisten fehlen. Die gleiche Erscheinung finden wir an den Augen der Spinnen. Am Die Lunge und die Atmung der Spinnen. 543 Auge heften sich wohl Abduktorenmuskeln an, Antagonisten fehlen wiederum. Die Rückbewegung wird stets durch Elastizität des Chitins hervorgerufen, das wir bei all diesen Organen finden. V. Wirkung der Muskeln auf die Atmung (schematisiert). Durch die Kontraktion des Muskels c, welcher vom Thorax herüberzieht zum Abdomen und zwischen den Lungen median nach rückwärts verläuft, werden Lungenspitze und hinterer, innerer Schnittrichtg ( Schnittrichtung für Schemall für Schema II Fig. B. Schema I. Schema II. Schema III. Fig. B. R. Lrechte Lunge, Stigma offen. JL. L linke Lunge, Stigma geschlossen. V Vorder- lippe. H Hinterlippe. Schema I. Horizontalschnitt von oben. ..... Wirkung der Muskeln auf das Organ bei ihrer Kontraktion. Schema II. Längsschnitt von der Seite. Wirkung des Muskels b auf die hintere Wand des Lungensackes und die Stigmenöffnung. Schema III. Schnitt durch Diagonalmuskel a und Lunge. c Thorax-Abdominalmuskulatur. JZ Lunge. ..... Lungenraum nach Kontraktion des Muskels a. Lungenwinkel einander genähert und die innere Wand des Lungen- sackes gegen die äußere geschoben (Fig. B Schema I). Kontrahiert sich Muskel 5, der beim hinteren, inneren Winkel der Lunge aus dem Muskel c entspringt, der hinteren Wand des Luftraumes an- 544 Simon WEIss, liegend nach der äußeren Ecke zieht und sich hier an der Ver- wachsungsstelle von Lunge und Tegument inseriert, so wird die hintere Wand des Lungensackes in den freien Luftraum gedrückt und dieser so verengt. Zum Schutze kann so auch die Stigmen- öffnung verschlossen werden (Fig. B Schema II). Der 3., für die Atmung wichtigste Muskel a zweigt. an der Lungenspitze von der Thorax-Abdominalmuskulatur ab, zieht diagonal über das Organ hinweg zum hinteren, äußeren Winkel und inseriert sich hier an der gleichen Stelle wie Muskel db. Durch seine Kontraktion drückt er den Lungensack gegen die äußere, starre Chitinplatte und preßt so die Luft aus den Lungenfächern (Fig. B Schema III). Verschluß des Stigmas geht folgendermaßen vor sich (Fig. B Schema I u. IL): Da die Vorderlippe des Stigmas eine starre Chitinleiste ist, kann der _ Verschluß der Stigmaöffnung nur durch die Hinterlippe erfolgen, welche bereits bei offenem Stigma unter die Vorderlippe greift. Soll das Stigma geschlossen werden, so braucht die Hinterlippe nur gegen die Vorderlippe gepreßt zu werden und der Verschluß ist hergestellt. _ Diese Bewegung wird durch die Muskeln d und c (Fig. B, Schema I u. II) ausgelöst. Zusammenfassung. Bewegungen, die mit der Atmung zusammenhängen, wurden bisher nicht nachgewiesen. Für die Atmungsmechanik waren folgende, bereits in der Ausführung angeführten Anschauungen geltend: 1. Nach MacL#op vollzieht sich die Ventilation der Lunge durch Kontraktion und Expansion der Querpfeiler. 2. Borner, BERTKAU und SCHIMKEWwITSCH führen die Atmung auf Muskeltätigkeit zurück. Die von ihnen beschriebenen Muskeln dienen alle der Inspiration. | | Ich habe Schließ- und Offnungsbewegungen an den Stigmen festgestellt und an den Offnungen Luftstrémung nachgewiesen. Die Exspiration vollzieht sich durch Kontraktion des Muskels a (Fig. B Schema I) — 6 und ec können sie unterstützen (Fig. B Schema I) —, — die Inspiration durch die chitinöse, somit elastische Beschaffenheit der Lungenlamellen und der Querpfeiler. Die Lunge und die Atmung der Spinnen. 545 Literaturverzeichnis. BERTKAU, P., 1872, Ueber die Respirationsorgane der Araneen, in: Arch. Naturg., Vol. 38. BÖRNER, G., 1904, Beiträge zur Morphologie der Arthropoden. 1. Ein Beitrag zur Kenntnis der Pedipalpen, in: Zoologica, Heft 42, Vol. 17. MacLEon, J., 1884, Recherches sur la structure et la signification de l’appareil respiratoire des Arachnides, in: Arch. Biol., Vol. 1. PLATEAU, F., 1887, De l’absence de mouvements respiratoires perceptibles chez les Arachnides, ibid., Vol. 7. WINTERSTEIN, H., 1913, Handbuch der vergleichenden Physiologie, Vol. 1, 2. Hälfte, Jena. | Betreffs der älteren Literatur verweise ich auf WINTERSTEIN. | har. L ' ppert & C Zoolog. Jahrbücher Bd.39 Abt.f allg. Zool. u.Phystol. vo, Le ore) pus 207 . Sat E Titschack gez. Tafel 1. „ei - LithAnst.vE.Giltsch Jena we N = dir PU ‘ ] vr 1 ee") Ÿ 5 i $ 7 i £ Pe v4) x 4 + » > ~ { { J . u.Phystol. t.f allg. Zool 39 Ab Zoolog. Jahrbücher Bd. 3 3 = 5 5 E = 4 ETitschack gez. pure ry. 2 pui AN ’ Aa 7 TL er EN EEE déni hs + Zoolog.Jahrbücher PA SQAbE F ally. Zool. u.Physiol. 7 = RER IR, i SDS ye Bory Y BEE WU Des PIS d RUE VIS Stolte. i Verlag von Gustav | L Var 2. * all # 3 PA) ae iy! ai w . ar? any * Chor = —— =. 283 P Weise, Lith., Jena. F1 Rh, shy 7) logJahrhücher Bd.29401.1. ally Zool.u Physiol. ( | N Stolte. Verlag von Gustav Fischer in Jena, s P Weise. Lith. Jena. ob aust aif Lea Dt, r Verlag von Gustav Fischer in Jena Neuerscheinung Der Preis für die angezeigten Bücher ergibt sich durch Vervielfältigung der hinter dem Titel stehenden Grund- zahl (Gz) mit der vom Börsenverein der Deutschen Buchhändler fesigeseizten Schlüsselzahl. — Die für gebundene Bücher sich ergebenden Preise sind nicht verbindlich. — Bei Lieferung nach dem Ausland erfolgt | Berechnung in der Währung des betr. Landes. Die Weberknechte der Erde Systematische Bearbeitung der bisher bekannten Opiliones Von Dr. Carl-Friedrich Roewer in Bremen ' Mit 1212 Abbildungen im Text V, 1116 S.gr. 8° 1923 Gz 35.— Bisher hat es an einer Bearbeitung dieser Tiere gefehlt. Hs existierte weder ein neueres noch älteres Werk dieser Art und auch in keinem Sammelwerke der zoologischen Literatur finden sich eingehendere Beschreibungen tiber die Opilionen. Der Verfasser obigen Werkes widmete sich seit 15 Jahren dem Studium der Weberknechte und ist zurzeit der einzige Spezialist dieser Gruppe nicht nur in Deutschland, sondern der Erde überhaupt. Im Laufe dieser Zeit hat er die ver- hältnismäßig wenigen schon bekannten Arten und eine Unmenge unbeschriebener und neuer Formen aus den Beständen einzelner Museen und aus Reiseausbeuten neu beschrieben bzw. die Zahl der bekannten Weberknechte beträchtlich vermehrt. Neben der Benutzung der bisher vorhandenen Literatur stand ihm das gesamte Opilionidenmaterial der Museen in Hamburg, Berlin, Frankfurt a. M., Lübeck, Wien, Budapest, Paris, Brüssel, Amsterdam, New York, Kalkutta u. a. m., sowie besonders auch das unbestimmte Material dieser Museen und des Britischen Museums in London zur Verfügung, ebenso umfangreiche Ausbeuten aus Südost-Asien, Australien, China, Japan, Nord- und Süd-Amerika, ganz Afrika und auch Europa (besonders Südost- Europa). Der bekannte Arachnologe E. Simon in Paris überließ ihm einen großen Teil seiner Typen und unbestimmtes Material; Cotypen, Doubletten und Privataus- beuten konnte er in großer Zahl erwerben und hat so eine einzigartige Sammlung zusammengetragen mit über 4600 Tieren von etwa 1400 Fundorten aus aller Welt, enthaltend etwa 630 Typen, darunter 360 Unica. Fußend auf diesem Material seiner eigenen Sammlung und dem Material der oben genannten Museen etc. von über 5000 Fundorten mit über 25000 Exemplaren übergibt der Verfasser der Oeffentlichkeit sein Werk, dessen Drucklegung in jetziger Zeit mit großen Schwierigkeiten verbunden war. Entomologischer Anzeiger (Wien). 1923, Nr. 3: Ein dickleibiger Band, 1116 Seiten, repräsentiert dieses Werk wohl die hervorragendste Arbeit, die je auf dem Gebiete der Arachniden geschaffen wurde. Dievon dem Autor in diesem Buche bearbeitete Gruppe der Spinnentiere war bisher ungemein vernachlässigt und nur hie und da wurden einzelne Gruppen und Faunengebiete mehr oder weniger umfangreich einer Bearbeitung unterzogen. Ganz im Argen stand es bisher mit der Systematik und es muß als ein ganz hervorragender Dienst des Autors bezeichnet werden, daß mit dieser grundlegenden Arbeit die Gruppe der pile ie de yst Aufbau unddie Anordnung auf Grund morphologiséher und verg der Gliederung der einzelnen Familien und Subfamilien, See festgel Der besondere Vorzug des Werkes liegt darin, daß die ie Arbeit” der üblichen Form zusammengetragener Literatur basiert, sondern daß unt der gesamten bisher veröffentlichten Literatur die Bearbeitung an der Hand se umfangreich angelegten Sammlung und eines enormen Materiales erfolgte, das sich ir Museen Hamburg, Berlin, Frankfurt a. M., Lübeck, Wien, Budapest, London, Paris, Brüssel, Amsterdam, New York, Kalkutta u. a. m. angehäuft hatte und eine gründliche Bearbeitung und Revision erforderte. Insbesondere wurde das in diesen Museen befindliche unde- terminierte und revisionsbedürftige Material aus umfangreichen Ausbeuten aller fünf. Erdteile gründlich bearbeitet und konnte eine Unmenge Neubeschreibungen vorgenommen | werden, so daß zu den bisher bekannt gewordenen Weberknechten nunmehr eine Le liche Anzahl neuer Arten und Neubenennungen hinzukommen. Be Die Anordnung des Werkes zerfällt in eine „Allgemeine Übersicht über die. äußere Morphologie“, die in die Systematik einführt und sie begründet, und dem umfangreichen ,Systema t ischen Teil“, der von der Ordnung: bis zur Unterart in dichotomen Schliisseln alle bisher bekannten Opilioniden bringt. Die stattliche Anzahl von 1212 trefflich gelungenen Textfiguren werden zur Vollstandigkeit anschaulich beitragen Dr. Roewers Arbeit kann als ein monumentales Werk deutschen Fleißes und deutscher Schaffensfreude bezeichnet werden, und kein Museum, kein zoologisches Institut, kein Forscher, der sich mit dem Studium der Arachniden befaßt, versäume es, de Prachtwerk anzuschaffen. ! Weser-Zeitung. 19. März 1923: Dieses serie systematische Werk eines. bremischen Gelehrten muß als ein bedeutsamer Beitrag zu der internationalen zoologischen Forschung gewertet werden. Nur unvollständig und beiläufig ist. bislang über die Klasse der Spinnentiere, die man als Weberknechte, Afterspinnen oder Kanker bezeichnet, gearbeitet worden. Die vorliegende zusammenfassende Darstellung sämtlicher bis heute bekannter Formen der Weberknechte vervollständigt daher die Be- standsaufnahme der Gesamtfauna der Erde nicht unwesentlich. Die sorgfältig angelegten, ausführlichen Bestimmungstabellen machen das Werk zu einem unentbehrlichen Handbuch “der zoologischen Praxis. Verfasser fußt in seiner Arbeit auf außerordentlich reichem Material, das zu einem großen Teil eigenen Sammlungen entstammt, zum anderen den Museen fast aller Linder entnommen ist. Die Ausstattung des Werkes ist sehr gediegen. Dr. H. M. Verzeichnis nature | Werke | der Verlagsbuchhandlung Gustav Fischer in Jena. li. Zoologie. 1625. gr. 8° 1923 Inhalt: 1, Encyklopädie (Handwörterbuch d. Naturw.) 2. Gesamtwerke. Fest- — schriften. Schriften und Verhandlungen gelehrter Gesellschaften. 3. Forschungs- reisen. 4. Lehrbücher der Zoologie. Anleitungen zu prakt. Arbeiten. Wörter bücher. 5. Histologie (Zellen- und Gewebelehre), 6. Descriptive und vergleichende Anatomie. 7. Ontogenie (Entwicklungsgeschichte). 8. Allgemeine, vergleichende 5 und experim. Physiologie. Tierpsychologie. 9. Oekologie / Chorologie (Lebens- ~ à weise, Anpassung und Verbreitung der Tiere. Tier und Pflanze). Phylogenie und — Deszendenztheorie (Abstammung und Vererbung). 11. Paläontologie, 12. Nomen- — 4 clatur. / Systematik. 13. Praktische oder angewandte Zoologie, 14. Theoretische 4 Zoologie. / Methodologie. — Anhang: 15. Geschichte der Biologie. Biographien. I 16. ee ea 17. Verschiedenes. 18. Jahresberichte. ZEICHEN ‘ ‚19. Autorenverzeichnis, Zusendung erfolgt ee es durch jede Buchhandlung oder vom Verlag. Man verlange Verzeichnis 31. G. Pätz’sche Buchdr. Lippert & Co. G. m. b. H., Naumburg a. S. Ea, pe or Bo ) Ret Fe ei fe ‘A PEUT EE ise EU er Eat wisi rs À a } ®, Ko ai: x fs À Fa RUE ey LA CoN h Ke f a 16e = S ” Be) I rd, } Il I 67 ’ i | ; S Er : EN ARLES 4 Or ten ya Ne 23 . : + 4 =; N He Es M a hea | | = lus LES oy : | | 1 | ue itty MT : . ill i ÿ i A I ae | x, Ant INC IL Il yun wy 4 %, 4 lv % | III 3 9088 00805 1179