+ 7 “4 LE A ua ey te ’ 5 dy PE Le = £ a ao >> = N ¥ fl i Pane RM à MA ais he "4 a> RG DAS RE sh) Oy ne u iF at ZOOLOGISCHE JAHRBÜCHER ABTEILUNG FÜR ANATOMIE UND ONTOGENIE DER TIERE HERAUSGEGEBEN VON PROF. DR. J. W. SPENGEL IN GIESSEN EINUNDDREISSIGSTER BAND MIT 33 TAFELN UND 127 ABBILDUNGEN IM TEXT JENA VERLAG VON GUSTAV FISCHER 1914 f ia fg sy | u mv à ’ | t Le > > ® Tray” ’ 1 gar‘ Alle Rechte, namentlich das der Übersetzung, vorbehalten. Ped G Inhalt. Erstes Heft. (Ausgegeben am 19. Dezember 1910.) KAUDERN, WALTER, Studien über die männlichen Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. Mit 46 Abbildungen im Text DEIBEL, JOHANNES, Beiträge zur Kenntnis von Donacia und Macroplea unter besonderer Berücksichtigung der ie Mit Tafel 1—2 und 3 Abbildungen im Text. ae PETRUNKEVITCH, ALEXANDER, Über die Creer von Lycosa carolinensis WALCK. Mit Tafel 3 Zweites Heft. (Ausgegeben am 13. Januar 1911.) WASSERLOOS, E., Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea und andern Acephalen des süßen Wassers. Mit Tafel 4—7 und 52 Abbildungen im Text . PAWLOWSKY, E., Uber den Bau der ipidenmis von Haut a en bei NT intermedius und Capoeta heratensis. Mit Tafel 8—10 Drittes Heft. (Ausgegeben am 3. April 1911.) Lipin, A., Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydri- forme Uss. Mit Tafel 11—15 und 3 Abbildungen im Text Koun, F. G., Beitrag zur Kenntnis der Haut des Nackthundes. Mit Tafel TEE SCHÖN, ARNOLD, Bau und ne de) lee Oro organs bei der Honigbiene und bei Ameisen. Mit Tafel 17 bis 19 und 9 Abbildungen im Text - Ascout, G., Zur Neurologie der Hirudineen. Mit Tafel 20—23 161 289 439 473 IV Inhalt. Viertes Heft. (Ausgegeben am 29. Mai 1911.) RAUTHER, M., Beiträge zur Kenntnis der Panzerwelse. Mit Tafel 24 bis 25 RE Sn Pr Re u fete PAWLOWSKY, EUGEN, Ein Beitrag zur Kenntnis des Baues der Giftdrüsen einiger Scorpaeniden. Mit Tafel 26—27 . HASPER, MARTIN, Zur Entwicklung der Geschlechtsorgane von Chiro- nomus. Mit Tafel 28—30 und 14 Abbildungen im Text . SCHAXEL, JULIUS, Das Verhalten des Chromatins bei der Eibildung einiger Hydrozoen. Mit Tafel 31—33 Nachdruck verboten, Übersetzungsrecht vorbehalten. Studien über die männlichen Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. Von Walter Kaudern. (Aus dem Zootomischen Institut der Universität zu Stockholm.) Mit 46 Abbildungen im Text. Inhaltsverzeichnis. Seite 1. Einleitung A RER AUS 2 2. Präzisierung der Moe arol sei e: u ee Se 3. Inseetivora...:; ETW Mr er Se nn. AaBesehmenbieutder, Deil . 2... vum ee CHU SOCHUOTUAGE mates 5 LT rT UNO N Pete igs. 2 de” jo CRETEIL ISGIORORORUINIC En a à 4 va ete ON RER ET IRD S COEUR RS aa Loue à we OR NE EE OR TOM Meh tee es et ee le EL LE, 6, 57 NEN SET ENMMME EDR NS NUS SCENE ICE EE MES ANNE rt NUDE EN Lane ana NAS SO 3 Benllsemerner Verl... 14 u SUPREME Dons der Hoden’ 2 + 4:14 S Re ee RE ES Canalismoareronrialis’ so. 2% NC En A Dierakzessoriscehen. Drüsen. « (ah. NE ee ae dura os ae Le ee NN GE Baylbeemersa ls ee D TE 76 Zool. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. 1 2 WALTER KAUDERN, Seite Lébemuridae.s a sow) hy ee D BR es Die Tage:der. Hoden, RER 85 Die akzessorischen Drisen CR Gate ae) OO Penis: Beschreibung’ 7 Tas eee le Oo Penis: Vergleichung 72) 0.2) eae eee ees 2 ages 0 Vergleichung zwischen Lemuridae und Tupaja. . . . 100 1. Einleitung. Unsere Kenntnisse über den Bau der männlichen Geschlechts- organe der Insectivoren sind sehr lückenhaft. Ich habe mich auf die Aufforderung meines hochverehrten Lehrers Herrn Prof. Dr. WILHELM LecHe in den letzten Jahren mit einer Untersuchung der betreffenden Organe beschäftigt. Im Jahre 1907 habe ich einige Resultate publiziert, die als vorläufig zu bezeichnen sind. Die vor- liegende Arbeit ist also nur eine Fortsetzung und Vervollständigung meiner frühern Publikation und fußt auf neuen und eingehendern Untersuchungen über denselben Gegenstand bei einer größern An- zahl von Formen. Infolge der Seltenheit einiger Formen ist es nicht möglich ge- wesen, embryologisches und histologisches Untersuchungsmaterial herbeizuschaften, sondern muß ich meine Untersuchung hauptsächlich auf die vergleichende Anatomie der fertigen Genitalapparate ein- schränken. Da ich während eines 10 Monate langen Aufenthaltes auf Mada- gaskar die Gelegenheit gehabt habe, Material von Lemuriden zu sammeln, die nach dem Dafürhalten verschiedener Verfasser ihre nächsten Vorfahren unter den Insectivoren oder’ unter ihnen nahe stehenden Formen haben, werde ich auch die männlichen Geschlechts- organe dieser Säuger im Folgenden behandeln. Ehe ich auf meine Ergebnisse eingehe, will ich meinem hoch- verehrten Lehrer Herrn Prof. Dr. W. LecHE meinen besten Dank für das Interesse, die guten Ratschläge und die große Liberalität, mit welcher er die großartigen Sammlungen des Zootomischen Instituts zu meiner Verfügung gestellt. hat, darbringen. Außerdem spreche ich hier allen, die mir Material beschafft haben, meinen besten Dank aus. 2. Präzisierung der Terminologie. In den ältern Arbeiten über die männlichen Geschlechtsorgane der Insectivoren bezieht sich die Nomenklatur auf die Anatomie Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 5 des Menschen. Besonders der für die Harnblase, die Vasa deferentia und die akzessorischen Drüsen gemeinsame Ausführungskanal ist in diesen Arbeiten mit verschiedenen Namen bezeichnet worden. Im Folgenden werde ich hauptsächlich den Gross’schen Defini- tionen folgen. Demnach werde ich den Abschnitt zwischen der Harn- blase und den Mündungen der Vasa deferentia die Urethra nennen, da dieser Abschnitt der Uretra des Weibchens, wie Boas schon im Jahre 1891 nachgewiesen hat, entspricht. Das Übrige oder der Urogenitalkanal, d. h. der Teil, der sich von den Mündungen der Vasa deferentia bis an die Mündungsstelle des Kanals auf die Pars libera Penis erstreckt, kann füglich in zwei Abschnitte, einen proxi- malen und einen distalen, geteilt werden. Ersterer, der innerhalb des Beckens liegt (Pars muscularis Gross), entspricht hauptsächlich der Pars membranacea und der Pars prostatica urethrae in der Anatomie des Menschen, dem Beckenabschnitt der Harnröhre in der Veterinär- anatomie und dem Urogenitalkanal nach Boas. Der distale Ab- schnitt (Pars cavernosa Grosz), der dem Penis angehört und etwa am Crus penis oder dort, wo die Cowrer’schen Drüsen einmünden, anfängt, entspricht der Pars cavernosa urethrae in der Anatomie des Menschen, dem penialen Abschnitt der Harnröhre in der Veterinär- anatomie und der Samenröhre nach Boas. Die akzessorischen Drüsen, die vorhanden sind, dürften füglich auf folgende drei Gruppen verteilt werden. I. Drüsen, die dem Vas deferens angehören. a) Einzelne Drüsen oder Drüsenpartien ohne gemeinsamen, ein- fachen Ausführungsgang. (Glandulae vasis deferentis). b) Eine größere Drüsenpartie mit einem einfachen, gemeinsamen Ausführungesgang. (Glandulae vesiculares oder Vesiculae semi- nales). II. Drüsen, die in den Urogenitalkanal münden. a) Einfache oder zusammengesetzte Drüsen, die gewöhnlich am proximalen Abschnitt des Urogenitalkanals entweder im M. urethralis selbst liegen oder von diesem Muskel umhüllt sind. (Glandulae urethrales, Urethraldrüsen). b) Drüsen, die außerhalb des Musculus urethralis liegen und deren Wände quergestreifte Muskulatur besitzen. (Glandulae Cowperi oder Glandulae bulbo-urethrales). c) Drüsen, die außerhalb des Urogenitalkanals liegen und deren fh 4 WALTER KAUDERN, Wände glatte anstatt quergestreifte Muskulatur besitzen. (Glandulae prostatae, Prostata). III. Drüsen, die den äußern Geschlechtsteilen angehören. a) Präputialdrüsen. b) Inguinaldrüsen. c) Perinealdrüsen. d) Analdrüsen. Diese Einteilung der Drüsen, die im wesentlichen mit derjenigen anderer Verfasser übereinstimmt, kann, wenn die OUDEMANS’sche An- sicht richtig ist, daß alle diese Drüsen, wenigstens die Gruppen I und II, mehr oder weniger differenzierte Urethraldrüsen sind, nur eine künstliche sein. Die folgende Untersuchung wird dies end- eültig beweisen, indem wir mehrfach finden werden, dab sich grobe | Schwierigkeiten erheben, wenn wir entscheiden wollen, ob gewisse Drüsen der einen oder der andern Gruppe angehören. In der 3. Gruppe habe ich nur die Präputialdrüsen und Anal- drüsen behandelt. Für die Behandlung der Inguinal- und Perineal- drüsen habe ich kein Material gehabt. Hinsichtlich des Baues der Rute schließe ich mich der GERHARDT- schen Terminologie an und weise deshalb nur auf seine Arbeiten hin. Als Cloake bezeichne ich wie in meiner frühern Arbeit nur die gemeinsame Vertiefung der Körperoberfläche, wo der Mastdarm und die Präputialhöhle münden, und lasse es dahingestellt sein, welcher Name dieser Vertiefung nach der FLEischmann’schen Terminologie zu- kommt. Um dies zu entscheiden, ist ein embryologisches Material erforderlich, das ich leider nicht herbeischaffen konnte. Der vorliegenden Untersuchung liegen Sektionen und in sehr srobem Umfang auch Rekonstruktionen zugrunde. Um letztere zu gewinnen, habe ich Serienschnitte von verschiedener Dicke je nach Bedürfnis gemacht, welche ich in der Regel mit Bönmer’schem oder Hexuve’schem Hämatoxylin oder mit Eisenhämatoxylin und dann mit Eosin oder Pikrofuchsin gefärbt habe. Da eine Rekonstruktion des vorliegenden Materials in ‚Wachsplatten gar zuviel Zeit gekostet haben würde, so habe ich das rekonstruierte Bild direkt nach den Schnitten gezeichnet nach der Methode, die von KASTSCHENKO in: Arch. Anat. Physiol. 1886 mitgeteilt wurde und die sich für Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 5 kleinere makroskopische Objekte eignet. Wenn ich den Becken- abschnitt des Urogenitalkanals rekonstruierte, so habe ich ihn in derselben Richtung wie den penialen Abschnitt zeichnen müssen in- folge der Größe des Objekts, das ich beim Einbetten in Paraffin ausstrecken mußte. 3. Insectivora. A. Beschreibender Teil. Gelegentlich sowohl in ältern wie in neuern Zeiten sind die männlichen Geschlechtsorgane einzelner Formen der Insectivoren von verschiedenen Verfassern behandelt worden, ohne daß es jemandem gelungen wäre, die vielen Typen, die unter dieser Säugetierordnung vorhanden sind, auf eine einheitliche Form zurückzuführen. Im Jahre 1907 versuchte ich eine Zusammenfassung über die männlichen Geschlechtsorgane der Insectivoren, besonders hinsicht- lich der Lage der Hoden und des Baues des Penis, zu geben, wobei ich einige Gruppen selbst untersuchte und außerdem, wo es mir an Material mangelte, die Untersuchungen anderer Verfasser benutzte. Ich hoffte dadurch über die mannigfache Gestalt dieser Organe bei den Insectivoren ins Klare zu kommen. Ich muß heute diesen meinen Versuch als nicht sonderlich gelungen betrachten, was ich teils dem unvollständigen Material zuschreiben möchte, teils dem Umstande, daß meine damaligen Untersuchungen durch eine zoo- logische Forschungsreise nach Madagaskar, von der ich einen Teil des in vorliegender Arbeit untersuchten Materials heimgebracht habe, unterbrochen wurden. Später hat GrrHARDT im Jahre 1908 eine Zusammenstellung der bisherigen Publikationen über die vergleichende Anatomie des männlichen Copulationsorgans der Wirbeltiere veröffentlicht und A. Carısson im Jahre 1909 einige makroskopische Beobachtungen über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane bei Macroscelides. Über die akzessorischen Drüsen sind unsere Kenntnisse noch fragmentarischer als über die Lage der Hoden und den Bau der Rute. Nur bei wenigen Formen, wie bei Zalpa und Erinaceus, sind diese Drüsen untersucht worden. Ærinaceus ist ein sehr beliebtes Unter- suchungsobjekt gewesen, und die Erklärung dieser Drüsen wechselt mit den Verfassern. Im Jahre 1902 hat OupEMANS versucht, eine Zusammenfassung der akzessorischen Drüsen bei Insectivoren zu 6 WALTER KAUDERN, geben, es ist ihm aber nicht gelungen, einen einheitlichen Typus aufzustellen. Später, im Jahre 1904, hat DisserHnorst denselben Gegenstand mit ebensowenig Erfolg behandelt. Mit Recht sagt er, daß es einer umfassenden Untersuchung sämtlicher Arten bedürfen wird, um hier auch nur einen Überblick zu erhalten. Ärsgäck hat im Jahre 1907 einige Beobachtungen über die Soriciden mitgeteilt. In der vorliegenden Arbeit habe ich die Gelegenheit gehabt alle Familien, die äußerst seltenen Solenodontiden ausgenommen, zu untersuchen. Unten folgt ein Verzeichnis meines Arbeitsmaterials, das zum allergrößten Teil an mikroskopischen Schnitten untersucht wurde. Ohrysochloris rutilans 1 ad. * trewcelyani 1 juv. À aurea I ad. Centetes ecaudatus Date) ur Hemicenteles nigriceps l juv. Erieulus setosus ad a Juy.s al OLUs: 5 (Echinops) telfoiri 1 ad. Oryxorictes tetradactylus l ad. Microgale longicaudata lead Potamogale velox | 1 juv Macroscelides roxeti Sorex vulgaris Crocidura indica ad, 1 uw. ad; Lu! 2 4 2 Crossopus fodiens l ad. Talpa europaea Pads,” 1 jJuv. » Mierurd 1 ad. Mogera insularis Lad: Scapanus breweri Peas » um: Scalops aquaticus ] ad. Myogale moschata 1 ad. Condylura cristata Tad. Gymnura rafflesti bad) Juve Hylomys suillus 2 ad. Erinaceus europaeus 4 ad., 2 juv., 1 ältern und 2 jüngere Föten. 34 pictus ad. à aurilus 2 ad. is jerdoni 1 ad. Tupaja javanica 2 adı, 1. JUN » ferruginea 1 Fotus. Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. % Außerdem habe ich aus der Literatur folgende Formen ange- führt, ohne die Angaben durch eigne Untersuchungen kontrollieren zu können. Myogale pyrenaica Petrodromus tetradactylus vhynchocyon cirnei Solenodon cubanus. Chrysochloridae. Schon im Jahre 1852 hat Prrers die männlichen Geschlechts- organe bei Chysochloris obtusirostris beschrieben. Er sagt, die Hoden seien intraabdominal und lägen in der Nähe der Nieren. Das Vas deferens ist proximal stark gewunden. Dann öffnet es sich mit der verhältnismäßig großen 8,5 mm langen Samenblase in die Urethra. Die Rute ist außerordentlich klein und kann in die kleine Genital- öffnung unmittelbar vor dem After ganz zurückgezogen werden. Die Eichel ist glatt, auf der Unterseite ihrer ganzen Länge nach gespalten. Dosson hat im Jahre 1882 der Beschreibung von PETERS wenig Neues zuzufügen. Er sagt indessen, ein Os priapi fehle, er- wähnt die Cowrer’sche Drüsen und gibt einige Abbildungen, die sich auf makroskopischen Untersuchungen gründen. Im ‚Jahre 1898 hat WEBER, wie schon vor ihm einige ältere Verfasser, die Frage erörtert, ob bei Chrysochloris ein Descensus testiculorum stattfände oder nicht. Er beantwortet diese Frage verneinend. Ich verfügte im Jahre 1907 über 2 Arten von dieser Gattung, nämlich Chryso- chloris trewelyani und Chr. rutilans, und gab damals eine kurze Be- schreibung der Rute mit Abbildungen, nach Serienschnitten von Chr. rutilans. In der vorliegenden Untersuchung habe ich auch über Chr. aurea verfügt und dabei gefunden, daB alle 3 Arten sehr gut mit ein- ander übereinstimmen. Die Hoden liegen in unmittelbarer Nähe der Nieren, wo sie zeitlebens bleiben. Das Vas deferens beschreibt in der Nähe des Hodens zahlreiche Windungen, aber ehe es in den proximalen Teil des Urogenitalkanals ausmündet, ist es wieder ge- rade geworden. Die Mündungen der Vasa deferentia werden von einer ziemlich großen, zweilappigen Drüse umgeben (Fig. A), die sowohl von Peters als von Dossen als Glandulae vesiculares bezeichnet worden ist. Welcher Name dieser Drüse nach der früher gegebenen Definition der akzessorischen Drüsen zukommt, ist fast unmöglich zu entscheiden. Jede Drüse mündet mit einigen Ausführungsgängen 8 WALTER KAUDERN, in den distalen Teil des Vas deferens, während andere Gänge direkt in den Urogenitalkanal ausmünden. Diese Ausführungsgänge sind bei meinem Exemplar von Chr. rutilans rechts 2 und links 3. Dazu kommt noch der mediale Ausführungang einer kleinen Drüsen- partie, die in der Mitte der beiden Vasa deferentia liegt. Nach der Definition der akzessorischen Drüsen (siehe oben S.3 Mom. I u. II) wäre also ein Teil dieser Drüsen als Glandulae vasis deferentis, ein anderer Teil als Glandulae prostatae zu bezeichnen. Dies scheint mir aber nicht möglich, da die betreffende Drüsenmasse nicht in größere Partien zerfällt, die der Zahl der Ausführungsgänge ent- spricht. Sie ist eine ganz einheitliche Drüsenpartie mit mehreren Ausführungsgängen. Auch zeigen die Serienschnitte von Chr. rutilans keine Spuren einer Spaltung auf. Vorläufig lasse ich es dahingestellt sein, welcher Name für diese Drüsen am besten paßt. Ich werde in einem folgenden Kapitel auf diese Frage zurückkommen (Fig. A). Fig. A. Chrysochloris rutilans. Die Drüsenpartie, die an der Mündung des Vas deferens liegt, mit Ausführungsgängen (Rekonstruktion). 30:1. Dr Drüse. V.d Vas deferens. V.w Vesica urinaria. U Ureter. Die Harnblase mündet mit einer ganz kurzen und schwach abgesetzten Urethra in den Urogenitalkanal aus, der deutlich in einen proximalen Beckenabschnitt und einen penialen Abschnitt zerfällt. Ersterer ist ziemlich lang und schmal und besitzt, außer den oben erwähnten, keine Drüsen. Am Übergang in den penialen Abschnitt ist der Urogenitalkanal erweitert. Er bildet auf der Dorsalseite eine blasenähnliche Ausstülpung (Fig. B). An der Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 9 Basis dieser Ausstülpung mündet auf jeder Seite eine Cowrer’sche Driise. Diese Drüsen haben die Form einer Birne und sind ver- hältnismäßig groß, obwohl sie zwischen den beiden Schenkeln des Crus penis zusammengeklemmt sind und nicht außerhalb des Crus reichen. Die Rute ist bei Chrysochloris von unansehnlicher Größe. Sie ist vollständig nach hinten gerichtet. Am Becken ist sie mit einem Fig. B. Längsschnitt durch den Penis von Chrysochloris rutilans (Rekonstruktion). 12:1. ©. f Corpus fibrosum. C.s Corpus spongiosum. C.w Canalis urogenitalis. Gl. C Glandula Cowperi. wohlentwickelten Crus befestigt. Die Pars libera ist ziemlich kurz, abgerundet und entbehrt jeder Bewaffnung mit Stacheln o. dgl. Das Corpus fibrosum reicht bis an die Penisspitze hin. Es bildet Fig. C. Querschnitt durch die Pars libera Penis bei Chrysochloris rutilans. 25:1. C.f Corpus fibrosum. C.s Corpus spongiosum. Sr Samenrinne. eine Rinne, deren Offnung auf der Dorsalseite liegt und die in der Pars libera besonders wohlentwickelt ist. Das Septum ist im proximalen Teil des Penis kräftig, hört dann plötzlich auf und fehlt dem distalen Drittel der Rute ganz. Unter diesen Umständen fehlt 10 WALTER KAUDERN, auch natürlicherweise ein Os penis. Die Pars libera ist auf der Dorsalseite, d. h. der gegen den Darm gewandten Peripherie, ihrer ganzen Länge nach zweigespalten, so daß der Urogenitalkanal hier kein Rohr bildet, sondern als eine auf der Dorsalseite offene Rinne verläuft; d. h., die dorsalen Ränder des Corpus spongiosum sind miteinander nicht verwachsen. Es ist jedoch, wenigstens im proxi- malen Teil der Pars libera, eine Andeutung davon vorhanden, daß diese Rinne als ein geschlossenes Rohr fungiert. Die Mündung des Urogenitalkanals liegt also in der Tat beinahe terminal (Fig. B). Die Ränder der Rinne sind nämlich etwas gegeneinander umgebogen und werden wenigstens bei der Erektion zusammengedrückt. Das Corpus spongiosum ist äußerst schwach. Im Schaft wird der Uro- genitalkanal von einer ziemlich dicken, lockern Schicht von Binde- gewebe umgeben, die aber kaum als ein wirkliches cavernöses Ge- webe bezeichnet werden kann. Kopfwärts geht sie unmerkbar in das Bindegewebe über, das den Beckenabschnitt des Urogenitalkanals umschließt, ohne irgendeine Andeutung einer Zweispaltung. In der Pars libera aber ist das Corpus spongiosum besser entwickelt. Besonders an den Rändern der Rinne ist das spongiöse Gewebe wohlentwickelt (Fig. C). Ich habe auf der Abbildung, die sich in meiner Arbeit vom Jahre 1907 findet, das Gewebe, das den Uro- genitalkanal umschließt, als Corpora cav. urethrae bezeichnet, man darf es aber nicht als ein wohlentwickeltes Corpus spongiosum auffassen. Die Penisscheide, die in der Ruhelage die Pars libera völlig einschließt, mündet zusammen mit dem Darm in eine Vertiefung der Körperwand, also in eine Cloake, aus. Die Abbildung des männlichen Geschlechtapparats ist nach einer Schnittserie von Chr. rutilans rekonstruiert. Centetidae. Centetes ecaudatus. Von der betreffenden Art habe ich Gelegenheit gehabt den Bau des Penis und die Lage der Hoden bei einem alten Individuum zu untersuchen. Außerdem habe ich den männlichen Geschlechtsapparat bei einem fast ausgewachsenen Exemplar studiert. Die Rekonstruk- tion ist nach letzterm gemacht. (Fig. D). Der Urogenitalkanal zerfällt in einen Beckenabschnitt und Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. Wat einen deutlich von demselben abgesetzten penialen Abschnitt. Am Crus penis geht ersterer in den stark angeschwollenen penialen Ab- schnitt über, der hier nach hinten in einen Blindsack, den so- genannten „Sinus urethralis“, ausläuft. Durch die in mehreren Be- Fig. D. Centetes ecaudatus. Längsschnitt durch den Beckenabschnitt des Urogenitalkanals mit den akzessorischen Drüsen (Rekonstruktion). 11:1. C.f Corpus fibrosum. V.d Vas deferens. V.u Vesica urinaria. Pr Prostata. Gl. ur Glandulae urethrales. @/. C Glandula Cowperi. ziehungen fehlerhafte Abbildung der männlichen Geschlechtsorgane in Dogsox’s „Monograph of the Insectivora“ verführt, habe ich in meinem Aufsatz vom Jahre 1907 den Beckenabschnitt des Uro- genitalkanals bei Centetes und Microgale fälschlich als eine Harnblase bezeichnet. | Die Harnblase mündet mit einer ziemlich langen Urethra terminal, ohne besondere Grenze, in den Urogenitalkanal. Glandulae vesiculares sowohl als andere Drüsenbildungen am Vas deferens fehlen. Die Prostata. An der Basis der Harnblase liegt eine Drüsen- partie, die von Dogsox Prostata genannt worden ist. Er sagt in- dessen nichts von der Anzahl der Drüsen oder der Ausführungs- gänge. Letztere sind sogar auf seiner Abbildung nicht gezeichnet. 12 WALTER KAUDERN, Nach meinen Untersuchungen finden sich an der Dorsalseite 2 Paare von Drüsen, von denen das mediale Paar aus einer großen Drüsen- masse besteht, das sich plötzlich verjüngt und mit einem einfachen Ausführungsgang auf jeder Seite in unmittelbarer Nähe von den Mündungen der Vasa deferentia ausmündet. Das 2. mehr laterale Drüsenpaar, das den schmalen Abschnitt des erstern fast umschließt, mündet bei meinem Exemplar mit zwei ganz kurzen Ausführungs- gängen auf jeder Seite in der Nähe von den Vasa deferentia. Außer diesen beiden dorsalen Drüsenpaaren ist noch ein ven- trales Drüsenpaar vorhanden, das sich aber kaum über die Stufe der Urethraldrüsen erhebt. Zwar sind es ziemlich wohl abgesetzte Drüsenmassen, sie münden aber mit einer sehr großen Anzahl von Ausführungsgängen, die auf der linken und der rechten Seite ganz unsymmetrisch liegen. Als eine unmittelbare Fortsetzung dieser Drüsenmasse finden sich weiter caudalwärts einige wirkliche Urethral- drüsen, deren Mündungen in derselben Zone wie die Mündungen der betreffenden Drüsenmasse liegen. Obwohl sich mein Material für Feststellungen des histologischen Baues dieser Drüsenpartien nicht recht gut eignet, ist es jedenfalls ganz klar, daß diese 3 Drüsen- paare große Verschiedenheiten in ihrem Bau aufweisen. Glandulae urethrales. Wie schon gesagt, sind hinter den ventral gelegenen Prostata Urethraldrüsen vorhanden. Da mein Exemplar nicht geschlechtsreif ist, haben bei ihm wahrscheinlich diese Drüsen noch nicht ihre volle Entwicklung erreicht. Außer diesen Drüsen findet sich noch ein Drüsenpaar, das auf jeder Seite etwa in der Mitte des Blindsacks am penialen Abschnitt des Uro- genitalkanals ausmündet. Die Cowper’schen Drüsen sind birnformig und liegen inner- halb des Beckens. Sie münden mit je einem langen Ausführungs- sang dort aus, wo der Beckenabschnitt des Urogenitalkanals in den penialen Teil übergeht. Die Wände dieser Drüsen besitzen eine Schicht von quergestreifter Muskulatur. Präputialdrüsen fehlen. Die Analdrüsen sind schon früher mehrfach beschrieben und abgebildet worden. Perineal- sowohl als Inguinaldrüsen fehlen. Den Penis habe ich schon in meinem vorigen Aufsatz genau beschrieben und abgebildet. Er besteht aus einem Sförmig ge- bogenen proximalen und einem fadenförmigen, stark zusammen- gefaltenen distalen Abschnitt. Die Rute befestigt sich mit einem schwach entwickelten Crus. Das Corpus fibrosum, das sich nur am Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 13 Zustandekommen des proximalen Abschnitts beteiligt, besitzt ein kräftiges Septum und endigt mit einem gut entwickelten (11,5 mm) Penisknochen. Das Corpus spongiosum ist im proximalen Teil kräftig entwickelt, den Blindsack am penialen Abschnitt des Uro- Fig. E. Längsschnitt durch den Penis von Centeles ecaudatus. 2:1. ©. f Corpus fibrosum. C.s Corpus spongiosum. a. S akzessorisches Schwellgewebe, O. P Os penis. B.u Bulbus urethrae. @I.c Glandula Cowperi. genitalkanals umschlieBend. Dann verjüngt es sich und verläuft, vom Urogenitalkanal durchzogen, ventral vom Corpus fibrosum bis an die Penisspitze. Im proximalen Teil der Rute findet sich noch ein drittes, cavernöses Gewebe, das als ein kräftiger Zylinder so- wohl das Corpus fibrosum als das Corpus spongiosum umschließt. Es stammt vom subcutanen Bindegewebe. In der Pars libera geht es unmerklich in dieses Gewebe über (Fig. E). Die Präputialhöhle ist vom After durch ein Perineum nicht ge- trennt. Die beiden Mündungen liegen nebeneinander in eine kleine Vertiefung der Körperwand eingesenkt. Es ist also hier wie bei Chrysochloris eine Cloake vorhanden. 14 WALTER KAUDERN, Hemicentetes nigriceps. Soweit es sich an meinem Material entscheiden ließ, verhält sich diese Form hinsichtlich der männlichen Geschlechtsorgane ganz wie Centetes. Ericulus setosus. Die Lage der Hoden ist dieselbe wie bei Centetes. Auch der Urogenitalkanal zerfällt wie bei dieser Form in einen deutlichen Beckenabschnitt und einen penialen, mit einem Blindsack ausge- statteten Abschnitt. Von der Lage der akzessorischen Drüsen gilt dasselbe wie von den Hoden. Es finden sich also auf der Dorsalseite des Urogenital- kanals 2 Drüsenpaare. Ein kleineres Drüsenpaar liegt mehr lateral- ventral. Das eine der dorsalen Drüsenpaare ist wie bei Centetes langgestielt, und jede Drüse mündet mit einem einfachen Aus- führungsgang in unmittelbarer Nähe von den Mündungen der Vasa deferentia. Das 2. Drüsenpaar besitzt wahrscheinlich auf jeder Seite 2 oder 3 kurze Ausführungsgänge Es ist mir nicht möglich mit voller Sicherheit die Zahl der Ausführungsgänge festzustellen. Diese beiden dorsalen Drüsenpaare weisen auch hier bedeutende Ver- schiedenheiten in ihrem Bau auf, indem das langgestielte Paar viel größere Lumina als das andere besitzt, was man schon bei ziemlich jungen Tieren erkennt. Bei den ausgewachsenen Individuen sieht man dies noch deutlicher. Bei einem alten Männchen, das ich am Anfang der Regenzeit fing, waren alle Geschlechtsdrüsen sehr groß. und das langgestielte Drüsenpaar von sehr dunkler, fast bläulicher Farbe, während die übrigen Drüsen keine auffällige Farbe zeigten. Alles scheint mir anzudeuten, dab die beiden Drüsenpaare verschie- dene Funktionen haben. Das lateral-ventrale Paar hat sich wie bei Centetes kaum über die Urethraldrüsen erhoben. Das Drüsenpaar tritt nämlich nur als eine Anhäufung einer großen Anzahl von wohlentwickelten Urethral- drüsen auf. Caudalwärts geht die Drüsenmasse in eine Mehrzahl von kleinern, einfachen Urethraldrüsen über, die bei Krieulus in größerer Zahl vorhanden sind und weiter verbreitet als bei Centetes. Im Blindsack am Urogenitalkanal habe ich keine Drüsen entdecken können. Die Cowrzr’schen Drüsen und die Analdrüsen ver- halten sich ganz wie bei Centetes. Auch die Rute ist wie die- jenige bei Centetes gebaut. Nur ist die Präputialhöhle hier etwas tiefer. Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 15 Ericulus (Echinops) telfairi. Diese Form habe ich nur makroskopisch untersucht. Hinsicht- lich der männlichen Geschlechtsorgane scheint sie in allem mit Ericulus setosus übereinzustimmen. Oryzorictes tetradactylus. Die Hoden haben, wie ich in meiner Arbeit vom Jahre 1907 nachgewiesen, ihre embryonale Lage in der Nähe von den Nieren verlassen und sind in die Inguinalregion gewandert, wo sie, da keine Cremastersicke vorhanden sind, zeitlebens intraabdominal bleiben. Der Urogenitalkanal zerfällt, wie die Rekonstruktion es deutlich zeigt, in einen Beckenabschnitt und einen penialen Abschnitt, letzterer im proximalen Teil wie bei Centetes in einen Blindsack auslaufend. Glandulae vesiculares sowohl als andere Drüsenbildungen am Vas deferens fehlen. Auch die Prostata fehlt hier. Glandulae urethrales. Diese Drüsen sind sehr kräftig entwickelt, besonders in der Nähe von den Mündungen der Vasa deferentia, wo sich gewisse Partien für verschiedene Funktionen in verschiedene Richtungen spezialisiert haben. An der Basis der Harn- blase liegen einige größere Drüsenpartien, die ich im Jahre 1907 un- richtig als Prostata und Glandulae vesiculares bezeichnete. Eine nähere Untersuchung zeigt nämlich, daß sie nur ein gelappter Drüsenkomplex sind,. der ohne besondere Ausfiihrungsgiinge den obern Teil des Beckenabschnitts des Urogenitalkanals umgibt. Auf der Dorsalseite liegen 2 Paare von Lappen, wovon das eine sehr langgestreckt ist. Beide Paare haben ihren Ursprung auf der Dorsalseite des Uro- senitalkanals in unmittelbarer Nähe von den Mündungen der Vasa deferentia. Auf der Ventralseite findet sich ein einfacher Lappen, der eine Andeutung von Zweispaltung längs der Mittellinie zeigt. Diese Partie stammt hauptsächlich von den Lateral- und Ventral- seiten des Urogenitalkanals. Vorn umschließt sie ganz den Urogenital- kanal. Hinten geht sie in einfache Urethraldrüsen über, die sich innerhalb der Muskulatur der Wände des Urogenitalkanals halten. Die mitgeteilten Bilder der Rekonstruktion und der Querschnitte machen eine nähere Beschreibung dieses Drüsenkomplexes überflüssig (Bier RU, G). Der innere Bau des langgestreckten Lappenpaares scheint be- WALTER KAUDERN, 16 CF Lur Fig. F. Oryzorictes tetradactylus. Längsschnitt durch den Beckenabschnitt des Urogenitalkanals mit den akzessorischen Drüsen (Rekonstruktion). 15:1. ©. f Corpus fibrosum. V.w Vesica urinaria. V.d Vas deferens. Gl. C Glandula Cowperi. Gl. wr Glandulae urethrales. Fig. G. Oryzorictes tetradactylus. Querschnitt durch den Urogenitalkanal etwas unter der Einmündungsstelle der Vasa deferentia und einen Teil der um- gebenden Drüsenmasse. 20:1. C.w Canalis urogenitalis, V.d Vas deferens, Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. £7 sonders von den übrigen Lappenpaaren abzuweichen. Die Lumina sind groß, und die Farbe dieser Lappen ist viel dunkler als die übrigen. Die Cowrer’schen Drüsen sind ziemlich groß. Sie reichen nicht außerhalb des Beckens. Ihre Wände sind mit quergestreifter Muskulatur versehen, und die Drüsen münden in den Urogenital- kanal dort aus, wo der Beckenabschnitt in den penialen Abschnitt übergeht. Sowohl Präputialdrüsen als Perineal- und Inguinal- drüsen fehlen. Die Analdrüsen sind sehr groß und münden unmittelbar in die Cloake aus. Der Penis besteht wie bei Centetes aus einem Sförmigen proximalen Teil und einem viel schmälern, in der Penisscheide ein- geschlossenen distalen Teil. Auch bei Oryzorictes sind 3 Arten von Schwellkörpern vorhanden. Das Crus ist aber bei Oryzorictes viel größer als bei Centetes. Microgale longicaudata. Diese Form stimmt in allen Beziehungen betreffs des Baues der männlichen Geschlechtsorgane mit Oryzorictes überein. Die Ab- bildung, die Dogsox gibt, scheint ganz richtig zu sein. Er hat aber die verschiedenen Drüsenpartien falsch homologisiert. Er behauptet nämlich, daß das langgestreckte, dorsale Lappenpaar die Vesiculae seminales und die übrigen Lappen die Prostata seien. Er sagt weiter, hier wie bei Centetes münden die Vasa deferentia in die taschenartige Erweiterung des Urogenitalkanals aus, was aber sicher unrichtig ist. Potamogale velox. Die Literatur enthält nur spärliche Angaben über die männ- lichen Geschlechtsorgane von Potamogale. Dozson hat eine kurze Beschreibung der Rute gegeben. Er lenkt auch die Aufmerksam- keit auf eine gewisse Ähnlichkeit mit Centetes. Die seiner Be- schreibung beigefügte Abbildung ist wenig befriedigend. Im Jahre 1907 habe ich nach der Untersuchung des Baues der Rute die Potamogalinen mit den übrigen Centetiden zusammen- gestellt, weil sich zwischen ihnen kaum einige Verschiedenheiten finden sollten. Das ist auch betreffs des Penis richtig, gilt aber für die akzessorischen Drüsen nicht, wie wir sehen werden. Die Hoden haben, wie ich früher nachgewiesen habe, ihre Zool. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. 2 18 WALTER KAUDeErn, Lage in der Nähe der Nieren verlassen und sind inguinal geworden. Die Ligamente, die die Hoden befestigen, weichen bedeutend von denjenigen der übrigen Centetiden ab. Hier ist eine sehr kurze Plica diaphragmatica vorhanden, die jeden Hoden an der Bauchwand befestigt. Es ist weiter bemerkenswert, daß die Hoden in einem Cremastersack frei herabhängen. Der Urogenitalkanal zerfällt in einen mit Drüsen reichlich aus- gestatteten Beckenabschnitt und einen penialen Abschnitt, dem Drüsen völlig fehlen. Der Beckenabschnitt besitzt ein ziemlich ge- räumiges Lumen, das sich gegen das Crus penis hin verjüngt und sich mit einer verhältnismäßig engen Mündung in den penialen Ab- schnitt öffnet, der wie bei Centetes und Oryzorictes in einen Blind- sack ausläuft, von DoBsox „Cul-de-sac“ genannt. Die Harnblase mündet in den Urogenitalkanal mit einer sehr kleinen Urethra. Auch die Vasa deferentia münden in den proximalen Teil des Becken- abschnitts aus (Fig. H). Vesiculae seminales sowohl als andere Drüsenbildungen am Vas deferens fehlen. Dagegen ist an den Mündungen der Vasa deferentia ein mäch- tiger Drüsenkomplex vorhanden, aus mehreren groben Drüsen zu- sammengesetzt. Es sind 3 Paare von Drüsen, die nach der Defi- nition als Prostata bezeichnet werden müssen. Das größte Drüsen- paar, das dorsal von der Harnblase liegt, besitzt ziemlich weite Lumina. Jede Drüse mündet mit einem einfachen Ausführungsgang lateral von der Mündung des Vas deferens aus. Die beiden übrigen Drüsenpaare weichen vom erstern durch viel kleinere Lumina ab. Das kleinere dieser Drüsenpaare liegt auf der Dorsalseite des Uro- genitalkanals, und jede Drüse mündet mit einem Ausführungsgang unterhalb der Mündungen der Vasa deferentia. Das größere Paar, das mehr lateral-ventral liegt, mündet oberhalb der Vasa deferentia. Glandulae urethrales. Unterhalb der Mündungen der oben erwähnten Drüsen und in unmittelbarer Nähe von den Mün- dungen wird der Urogenitalkanal von einer mächtigen Drüsenmasse umgeben. Sie ist als eine undifferenzierte Anhäufung von Urethral- drüsen aufzufassen. Unterhalb derselben, sowohl auf der Dorsal- als auf der Ventralseite, liegen hier und da einzelne Urethraldrüsen mit deutlichen Ausführungsgängen. Alle sind sie in die Muskulatur der Wände des Urogenitalkanals eingebettet. In unmittelbarer Fort- setzung der dorsalen Urethaldrüsen findet sich weiter nach hinten ein großes Drüsenpaar, das ganz außerhalb der Muskulatur der 19 Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. ‘8)8)S01X 47 ‘SoTBATJOAN SVINPULTH AN 79 ‘'SUOI9JOP SEA P'A "elmeurm voIsaA n ‘À ‘wnsorsuods sudo) s D ‘wnsorqy sudi0) / 9 "1:6 ‘(MONYNAYSMOYaY) Wash] UANOSLIOSSIZYE Wop Yıu STEUENTENUHDOAN sop JJUUISAUUIHIIT Uap yaınp YruyosssugT ‘20994 oynbowmJoT ‘H OL Dx 20 WALTER KAUDERN, Wände liegt. Diese Drüsen kommen an Größe den früher be- sprochenen Prostatabildungen gleich. Sie münden mit je 2 sehr engen Kanälen. Nach der Definition sollten auch diese Drüsen Prostata genannt werden. Es fehlt den Wänden quergestreifte Muskulatur. In ihrem feinern Bau weichen sie von den übrigen Prostatadrüsen deutlich ab, und ich halte sie nach ihrer Lage und der Art der Mündung für wirkliche Urethraldrüsen, die nur so sehr an Größe zugenommen haben, daß sie aus den Wänden des Urogenital- kanals herausgetreten sind. Will man sie jedoch Prostata nennen, so dürfte das kein Fehler sein, da man, wie wir später sehen werden, die Prostata nur als differenzierte Urethraldrüsen anzusehen hat; mit andern Worten, der Name ist in diesem Fall nur Geschmacksache. Die Cowrer’schen Drüsen fehlen. Die Präputial- drüsen, auf jeder Seite eine Drüse, sind recht groß. Die Anal- drüsen sind besonders kräftig entwickelt. Sie münden in je eine Vertiefung am Rande der Cloake aus. Die Rute ist im wesentlichen wie bei Centetinen und Oryzo- rictinen gebaut. Sie besteht auch hier aus einem Sförmigen, etwas nach der einen Seite verschobenen, dicken proximalen Abschnitt und einem viel schmälern, zusammengefalteten distalen Teil. Auch bei Potamogale findet sich ein kräftig entwickelter Schwellzylinder, der das Corpus fibrosum mit dem großen Os penis und das Corpus spongiosum mit dem Urogenitalkanal umschließt. Der distale Ab- schnitt der Rute verhält sich ganz wie bei Centetinen und Ory- zorictinen. Das Corpus fibrosum hat ein Crus penis, das etwas kräftiger als bei den übrigen Centitiden ist. Das Corpus spongiosum ist auch hier in seinem proximalen Teil wohlentwickelt, zeigt aber keine Andeutung von Zweispaltung dieses Teils, der den hier be- sonders tiefen Blindsack am penialen Abschnitt des Urogenitalkanals umschließt. Potamogale besitzt wie die übrigen Centetiden eine Cloake, die bei dem von mir untersuchten Exemplar eine Tiefe von 3,5 mm hat. Solenodontidae. Da ich nicht selbst Gelegenheit gehabt habe, diese seltene Gattung zu untersuchen, führe ich hier die Angaben über die männ- lichen Geschlechtsorgane dieses Genus an, welche man in der Lite- ratur findet. Dogsox gibt uns in seiner Monographie über die Insectenfresser sowohl eine Beschreibung als auch Abbildungen der verschiedenen Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 21 Teile der männlichen Geschlechtsorgane bei Solenodon cubanus. Von den Hoden sagt er, sie haben ihre Lage in der Nähe der Nieren verlassen und sind am Boden eines aus Fasern des M. humero-ab- dominalis gebildeten Sackes befestigt. (Zweifelsohne handelt es sich hier um einen Cremastersack von ungefähr derselben Art wie bei den Talpiden, Fig. I). Die Vasa deferentia sollen in einen „Cul- de-Sac“ am Anfang des penialen Teils des Urogenitalkanals münden, eine Angabe, die sicherlich nicht richtig ist. Von den akzessorischen IE A A NLA EN ja VA Wa In Fig. I. Solenodon cubanus (nach Dogsox). t Hode. v.d Vas deferens. v Vesica urinaria. Pre Präputium. a After. P Penis. e Pars libera Penis. Drüsen teilt er nur beiläufig mit, daß er Prostatadrüsen gefunden habe, ohne sich auf ihren Bau oder ihre Mündungen einzulassen. Andere Drüsen werden nicht erwähnt. Der proximale Teil der Rute liegt dem Bauche an und ist nach vorn gerichtet, das distale Drittel dagegen ist rückwärts gebogen. Die Spitze der Pars libera ist abgerundet. Es findet sich hier eine enge, aber tiefe Furche, die fast um die ganze Spitze herum läuft. 2 WALTER KAUDERN, Die Haut ist mit zahlreichen kleinen Papillen besetzt. Eine senk- rechte Furche in der Spitze der Pars libera führt in einen tiefen Raum hinein, an dessen Boden die Urethra mündet. Macroscelididae. In der Literatur finden wir nur spärliche Angaben über den männlichen Geschlechtsapparat bei den Macroscelididen. PETERS gibt eine Beschreibung und Abbildungen von Petrodromus tetradactylus und Rhynchocyon cirnei, und WAGNER, WEBER und A. CARLSON haben Macroscelides behandelt. Macroscelides rozeti. Es ist schon mehrfach vorher konstatiert worden, daß die Hoden bei Macroscelides intraabdominal und in unmittelbarer Nähe der Nieren liegen und daß der linke Hoden mehr caudalwärts als der rechte liegt. Ein Descensus testieulorum findet hier nicht statt. Die Nebenhoden sind wohlentwickelt und gehen nach WAGNER unmerklich in das Vas deferens über, das in der Nähe der Prostata eine bedeutende Anschwellung trägt, die durch Aufwicklung des Vas deferens zustande gekommen sein soll, ehe das Vas deferens in den Urogenitalkanal mündet. Ich habe aber gefunden, dab dies nicht der Fall ist. Der Nebenhodenschwanz ist bis zu einer abnormen Länge ausgezogen, bildet erst in der Inguinalregion den Lobus minor und geht dann in das Vas deferens über. Wie bei Talpa findet man in der aufgewickelten Partie einen Teil, wo der Kanal ein ziemlich enges Lumen mit dünnen, auf der Innenseite mit einem Wimperepithel gekleideten Wänden besitzt, und einen Teil, der mit kräftigen Wänden und weitern Lumina ausgestattet ist und in den Urogenitalkanal ausmündet. Ersterer Teil dokumentiert sich also als der Epididymisschwanz, letzterer als das Vas deferens. Die Vasa deferentia sind infolge der eigentümlichen Beschaffen- heit des Nebenhodenschwanzes ziemlich kurz, obgleich die Hoden in der Nähe der Nieren liegen. Sie münden dicht beieinander in eine kleine Vertiefung in der Wand des Urogenitalkanals aus. Der Urogenitalkanal zerfällt in einen Beckenabschnitt und einen von demselben scharf abgesetzten penialen Abschnitt. Die Urethra, die Vasa deferentia und die Prostata münden alle in den proximalen Teil des Beckenabschnitts aus. Wie bei den Centetiden ist auch hier der peniale Abschnitt des Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 23 Urogenitalkanals proximal mit einem größern Blindsack versehen. Die Mündung des Urogenitalkanals liegt auf der Ventralseite un- mittelbar hinter der Spitze des Penis. Am Vas deferens findet sich weder Vesiculae seminales, noch Ampullen noch andere Drüsen. Die Prostata ist in 2 paarige Drüsenpartien gesondert, von denen die eine mehr kopfwärts und ventral als die andere liegt. Fig. J. Macroscelides rozeti. Längsschnitt durch den Beckenabschnitt des Urogenitalkanals mit den akzessorischen Drüsen (Rekonstruktion). 11:1. ©. f Corpus fibrosum. C.s Corpus spongiosum. V.w Vesica urinaria. L.m Lobus minor des Epididymis. V.d Vas deferens. Pr Prostata (V.m Vagina masculina). Gl. C Glandula Cowperi. Hinsichtlich des feinern Baues der Drüsen kann ich an meinem Material nicht mit Sicherheit wesentliche Verschiedenheiten nach- weisen. Die Lumina der beiden Drüsenpartien scheinen von unge- fähr derselben Größe zu sein. Das Cylinderepithel der caudal- dorsal gelegenen Drüsenmasse scheint etwas höher als das Epithel der andern Driisenpartie. Das Secret, das sich in den Gängen findet, ist in den beiden Drüsenpaaren von ganz verschiedenem Aus- sehen. Es ist in der caudalen Partie ganz homogen, während es im vordern Drüsenpaar aus einer großen Menge von kleinen Kugeln oder Tropfen gebildet ist. Die vordere Partie zerfällt in 2 Drüsenpaare. Jede Drüse be- sitzt nur einen Ausführungsgang. Die 4 Mündungen liegen auf der 24 WALTER KAUDERN, Ventralseite etwas mehr kopfwärts als die Mündungen der Vasa deferentia. Die caudale Partie ist aus mehreren Drüsen zusammen- gesetzt, obwohl es nicht möglich war, die Drüsenmasse in eine den Ausführungsgängen entsprechende Anzahl von Drüsen deutlich zu teilen. Rechts finden sich bei meinem Exemplar 5 Ausführungs- sänge, von denen einer möglicherweise reduziert ist, da er mit der Drüsenmasse in Verbindung nicht steht und auf Schnitten sich viel schmäler als die übrigen Gänge zeigt. Links finden sich nur 4 Aus- führungsgänge. Die Mündungen liegen alle auf der Dorsalseite unterhalb der Mündungen der Vasa deferentia (Fig. J). Außer den oben erwähnten paarigen Drüsen findet sich eine un- paare Drüse. Die Mündung des Ausführungsganges liegt in un- CFTC Fig. L. Macroscelides rozeti. Querschnitt durch die vordere Partie des Penis. 0: de C. f, C.f* Corpus fibrosum. C. u Canalis urogenitalis. Fig. K. Macroscelides rozeti. Querschnitt durch den Beckenabschnitt des Urogenitalkanals. 36:1. C.u Canalis urogenitalis. Pr Ausführungsgänge der Prostata. V.d Vas deferens. x die sogenannte Vagina masculina. mittelbarer Nähe von den Mündungen der Vasa deferentia und zwischen diesen und den Miindungen der caudalen, paarigen Driisen. Diese unpaare Drüse hat eine Länge von etwa 2mm und besitzt einen Ausführungsgang von derselben Länge. Ich habe hinsichtlich Männliche Geschlechtsorgane von Inseetivoren und Lemuriden. 25 des Baues dieser Drüse konstatiert, daß sie ein sehr geräumiges Lumen besitzt, in welches die Schleimhaut und dünne Lamellen von der Mucosa mit zahlreichen Falten hereindringen. Am Boden der auf diese Weise gebildeten Crypte liegen kleine, in die Mucosa ein- gebettete, einfache Drüsenschläuche. Das Epithel ist ein fast ein- faches Cylinderepithel. Über den Ursprung dieser Bildung werde ich vorläufig nichts äußern, nur das konstatieren, daß hier eine blindsackähnliche Bildung vorliegt, die als eine Drüse fungiert. Urethraldrüsen habe ich nicht entdecken können. Die Cowprr’schen Drüsen sind groß und liegen außerhalb des Beckens. Die ziemlich langen Ausführungsgänge münden in den Urogenitalkanal dort aus, wo der Beckenabschnitt in den penialen Abschnitt übergeht. Der Penis ist bei Macroscelides (Fig. G'd) sehr lang und schmal und mit einem ziemlich wohlentwickelten Crus am Becken befestigt. Der proximale Teil, der kopfwärts gerichtet ist, folgt der Bauchwand. Der distale, nach hinten gerichtete Teil hat eine Länge von 5 mm. Die Pars libera ist vom Schaft schwach abgesetzt, ver- jüngt sich und endet mit einer Spitze. Der Oberfläche fehlt jede Bewaffnung mit Stacheln. Es finden sich aber am vordern Teil der Pars libera auf der Ventralseite 2 Falten, die hauptsächlich vom Corpus spongiosum gebildet sind. Der Urogenitalkanal mündet auf der Ventralseite der Pars libera unmittelbar hinter ihrer Spitze. Die Vorhaut ist vom After durch ein 25 mm langes Perineum ge- trennt. Das Corpus fibrosum (nach A. Carzsson das C. spongiosum) entbehrt fast ganz eines Septums, hat vielmehr die Form eines ein- heitlichen Zylinders. In seiner Mitte verläuft ein schwacher Strang aus Bindegewebe, der wahrscheinlich dazu beiträgt, das Corpus fibrosum zu stützen. Dieser Strang verdankt dem verloren ge- gangenen Septum seinen Ursprung nicht, was deutlich aus dem Bau des distalen Teils des Corpus fibrosum hervorgeht, wo ein kleiner Teil des Septums noch zurückgeblieben ist. Dorsal von den oben erwähnten Falten nimmt das Corpus fibrosum bedeutend an Breite zu (Fig. L). Lateral sondert sich auf jeder Seite eine Partie vom Corpus fibrosum fast ganz ab, die man folglich als ein akzessorisches Schwellorgan bezeichnen könnte. Ein Os priapi fehlt. Das Corpus spongiosum ist ziemlich wohlentwickelt und nimmt in seinem proxi- malen Teil bedeutend an Mächtigkeit zu. Hier besitzt es sogar ein schwaches Septum. Es endet mit 2 kurzen Schenkeln (Fig. J). 26 WALTER KAUDERN, Petrodomus tetradactylus. Selbst habe ich nicht Gelegenheit gehabt diese Form zu unter- suchen. Ich muß mich deshalb damit begnügen, die Resultate, zu denen PETERS gekommen ist, anzuführen. Die Hoden sind intraabdominal und liegen in der Nähe der Nieren. Die Nebenhoden sollen unmerklich in fein aufgewundene Vasa deferentia übergehen. Ehe das Vas deferens in den Urogenital- kanal mündet und nachdem es die Urethra gekreuzt hat, soll es in eine große Drüse (Samenblase) übergehen (Fig. M). Der Beckenabschnitt des Urogenitalkanals (Pars prostatica, Peters) hat eine Länge von 10 mm und nimmt auf jeder Seite die Ausführungsgänge eines gelappten Drüsenpaars (Gl. prostaticae ac- cessoriae, PETERS) auf. Die 3 mm langen Cowper’schen Drüsen münden gleich hinter dem sehr kräftigen M. bulbo cavernosus aus. Die Rute ist 45 mm lang, wovon 18 mm auf die Pars libera kommen, die fadenförmig mit 3 Spitzen endet, von denen 2 seitwärts ge- richtet sind. Fig. M. Fig. N. Petrodromus tetradactylus Rhynchocyon cirnei (nach PETERS). (nach Perers). v. d Vas deferens. v Vesica urinaria. t Hode. e Epididymis. v. d Vas deferens. Pr Prostata. Gl. C Glandula Cowperi. v Vesica urinaria. Gl.v Glandula veri- cularis. Gl. C Glandula Cowperi. Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 27 Rhynchocyon cirnei. Auch hier sehe ich mich wegen Mangels an Material genötigt, die Untersuchung von Peters anzuführen. Die Lage der Hoden geht weder aus seiner Beschreibung noch aus der Abbildung hervor. Es scheint mir jedenfalls, als lägen sie nicht in unmittelbarer Nähe der Nieren, sondern in der Nähe der Inguinalregion. Den Vasa deferentia fehlen Drüsen oder andere Anschwellungen. Die Pars prostatica wird von den gelappten Glandulae prostaticae accessoriae umgeben. Die Cowper’schen Drüsen sind verhältnismäßig klein und münden in der Nähe des Crus penis aus (Fig. N). Die Rute hat eine Länge von 80 mm, wovon 35 mm auf die Pars libera kommen. Die Spitze der Pars libera verjüngt sich plötzlich, ist von den Seiten zusammengedrückt und endet fadenförmig. Der eine Rand ist wie ein Sägeblatt gezähnt. Soricidae. DavBENTON scheint der Erste gewesen zu sein, der die männ- lichen Geschlechtsorgane bei Sorex beschrieben und abgebildet hat. Er sagt, ein Scrotum fehle. Von den akzessorischen Drüsen werden 2 Anschwellungen am Vas deferens, ein Paar Vesiculae seminales und die Analdrüsen erwähnt. Die Prostata aber soll nach seinen Angaben fehlen. Von dem Penis sagt er, er sei etwas von oben abgeplattet. Perers gab im Jahre 1852 eine kurze Beschreibung der männ- lichen Geschlechtsorgane bei Crocidura hirta. Owen sagt später in einer Arbeit vom Jahre 1868 nur, bei Sorex fänden sich Drüsenbildungen am Vas deferens. LECHE und Weser haben beide die Frage behandelt, ob bei den Soriciden ein Descensus testiculorum stattfände oder nicht. Ravurser berührt in seiner Arbeit vom Jahre 1903 auch die Soriciden. Er legt das Hauptgewicht auf die akzessorischen Drüsen. Arnpäck behandelt den Bau der Soriciden. Von den Hoden sagt sie, daß diese, nach- dem sie ihre embryonale Lage verlassen haben und in die Cremaster- säcke gewandert sind, in den Cremastersäcken auch nach der Brunst- zeit bleiben. Arnpicx ist also der Ansicht, daß bei den Soriciden kein periodischer Descensus testiculorum stattfindet. Sie hat auch die ak- zessorischen Drüsen untersucht und dabei ihre Aufmerksamkeit auf die Drüsenbildungen gerichtet, die sich bei Sorex am Vas deferens finden. Versehentlich habe ich im Jahre 1907 auf Arxsicx’s Arbeit 28 WALTER KAUDERN, hingewiesen betrefts der Rute bei Sorex. Da sie dieses Organ nicht untersucht, habe ich jetzt den Penis sowohl als den ganzen männ- lichen Geschlechtsapparat untersucht. Sorex vulgaris. Meine Untersuchung über die Hoden hat dieselben Resultate wie die ArnBAcK’s ergeben, und ich verweise deshalb auf ihre Arbeit. Dasselbe gilt auch für die 2 folgenden Formen. Der Urogenitalkanal zerfällt wie bei den Centetiden in einen deutlichen Beckenabschnitt und einen penialen Teil. Letzterer ist wie bei Centetiden und Macroscelididen mit einem Blindsack versehen. Die Harnblase mündet mit einer ziemlich langen Urethra proximal in den Urogenitalkanal aus. Das Vas deferens ist mit 2 Drüsenbildungen versehen. Sie sind beide spindelförmige Anschwellungen an demselben. ARrnBicK hat diese Drüsen auf Schnitten studiert und richtig konstatiert, daß sie von ganz verschiedenem Bau sind. Die erste dieser Drüsen be- steht aus einfachen oder nur wenig verästelten Drüsenschläuchen rings um das Vas deferens, das inmitten der Drüse verläuft. In das Lumen des Vas deferens dringen von den Wänden her einige Epithel- falten hinein. Die ganze Anschwellung wird, wie der proximale Teil des Vas deferens, von 2 Muskelschichten umgeben, zu innerst einer Ringmuskelschicht, äußerlich einer Längsmuskelschicht. Die 2. Drüsenbildung besteht aus einer Menge von mehr oder weniger verästelten Drüsenschläuchen, die ohne besondere Ausführungsgänge in das Vas deferens ausmünden. Die Längsmuskelschicht der 1. Drüse setzt sich auf die 2. Drüse fort, die von derselben ganz um- schlossen wird. Die Ringmuskelschicht dagegen nimmt am Über- gang von der 1. in die 2. Drüse bedeutend an Stärke ab. Sie gibt hier nur einzelne Muskelfasern an das Vas deferens ab, das inmitten der Drüse liegt. Mein Material ist indessen nicht von der Be- schaffenheit, daß es eine genaue histologische Untersuchung er- laubt. Die Mündungen der Vasa deferentia liegen auf einer dor- salen, längsziehenden Leiste einander sehr nahe. Mit Recht nennt ÄrngÄck das Drüsenpaar, das dorsal von der Harnblase liegt, Prostata. Die Drüsen münden mit je einem ein- zigen Ausführungsgang. Diese Mündungen sind in gleicher Höhe mit den Mündungen der Vasa deferentia und liegen auf 2 Falten, Männliche Geschlechtsorgane von Inseetivoren und Lemuriden. 29 die parallel mit der oben erwähnten medialen Leiste auf der Dorsal- seite des Urogenitalkanals verlaufen. Glandulaeurethrales. Im Beckenabschnitt des Urogenital- kanals finden sich zahlreiche kleine Schläuche, die auffällig an die einfachen Drüsenschläuche erinnern, die man bei Talpa kennt. Infolge der Beschaffenheit des Materials kann ich nichts mit voller Sicherheit darüber sagen, aber wegen der großen Ähnlichkeit mit Talpa halte ich sie doch für Urethraldrüsen. Die Cowpzr’schen Drüsen liegen außerhalb des Beckens. Sie münden mit je einem langen Ausführungsgang in den Urogenital- kanal eben dort aus, wo der Beckenabschnitt desselben in den peni- alen Abschnitt übergeht. Sie sind von einer quergestreiften Muskel- lage umgeben. Die Rute entspringt mit einem sehr breiten Crus vom Sitzbein. Sie ist knieförmig gebogen, so daß die proximale Hälfte kopfwärts, dagegen die distale Hälfte oder die ganze Pars libera rückwärts gerichtet ist. Die Vorhaut ist sehr schwach entwickelt und vom After nur durch ein unbedeutendes Perineum getrennt. Das Corpus fibrosum, das sich fast bis an die Spitze der Pars libera erstreckt, besitzt kein Septum. Auch ein Os priapi fehlt. Das Corpus spon- giosum ist proximal rings um den oben erwähnten Blindsack sehr kräftig entwickelt. Im Schaft und in der Pars libera dagegen spielt es eine sehr unbedeutende Rolle. Der Oberfläche der Pars libera fehlt jede Bewaffnung mit Stacheln. Akzessorische Schwellkörper habe ich mit Sicherheit konstatieren können. Sie sind durch eine Vascularisierung in der Vorhaut entstanden (Fig. J‘a). Crocidura indica. Von dieser Form gilt mit einigen Modifikationen das oben vom Sorex Gesagte. Die Hoden liegen in Cremastersäcken, die mit deut- lichen Stielen versehen sind. Am Vas deferens findet sich nur eine einzige Drüsenbildung, die Ärsgäck für homolog mit der 2. Drüse bei Sorex hält. Ich habe Serienschnitte von der Drüse untersucht und mich davon überzeugt, daß sie die betreffende Driise zweifels- ohne richtig beurteilt hat. Der Bau der Drüse stimmt gut mit der- jenigen bei Sorex überein. Ärngäck hat bei Crocidura kein Gegen- stück zur 1. Drüse am Vas deferens bei Sorex finden können. Meine Serienschnitte zeigen aber, daß bei Crocidura der Teil des Vas deferens, der oberhalb der Drüse liegt, etwas angeschwollen ist. 30 WALTER KAUDERN, Möglicherweise geht dies aus der Abbildung hervor, die Ärygick von Crocidura crassicauda gibt. Das Vas deferens ist mit zahlreichen Falten und seichten Taschen ausgestattet, die zweifelsohne mit den viel tiefern Drüsenschläuchen homolog sind, die bei Sorer eine ent- sprechende Lage haben. Die Wand des Vas deferens ist auch hier aus 2 Muskelschichten zusammengesetzt, wovon nur die äußere Schicht die große Drüse kleidet, während die innere stark reduziert ist und endlich ganz verschwindet. Fig. Oa. Crocidura indica. Längsschnitt durch den Beckenabschnitt des Urogenitalkanals mit den akzessorischen Drüsen (Rekonstruktion). 15:1. Ur Ureter. Pr Prostata. GI.C Glandula Cowperi. Gl.v.d Glandula varis deferentis. C. f Corpus fibrosum. Fig. Ob. Crocidura indica. Längsschnitt durch den distalen Teil des Penis (Rekonstruktion). EL C.f Corpus fibrosum. C.u Canalis urogenitalis. Die Prostata ist wie bei Sorer paarig. Sie liegen aber nicht dorsal von der Harnblase, sondern mehr lateral-ventral. Sie münden ganz ebenso wie bei Sorez. Die Urethraldrüsen (?) und die Cowrerschen Drüsen ver- halten sich wie bei Sorex. Der Penis besitzt ein großes Crus und dieselbe knieförmige Um- biegung wie bei Sorer. Die Vorhaut ist hier vom After durch ein Perineum nicht getrennt. Die Präputialhöhle und der Darm münden Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 31 in eine gemeinsame Vertiefung, d.h. hier ist eine Cloake vorhanden. Das Corpus fibrosum erreicht die Spitze der Pars libera nicht. Distal spaltet sie sich in 4 Bindegewebelappen. Ein kräftiges Septum erstreckt sich durch das ganze Corpus fibrosum. Das Corpus spongiosum ist wie bei Sorex im proximalen Teil am kräftigsten entwickelt. Es beteiligt sich hier an der Bildung der Pars libera, die vorn zwei Paare längslaufende Falten trägt, das eine Paar an der Ventralseite, das andere an der Dorsalseite. Die Pars libera besitzt keine Stacheln (Fig. Ob). Crossopus fodiens. Auch bei Crossopus sind die Hoden in Cremastersäcke einge- senkt. Nach Arnpick nehmen sie diese Lage schon im Jugend- stadium ein. Mein Material erlaubt mir keine feinern Untersuchungen über die männlichen Geschlechtsorgane. Das Vas deferens ist mit einer sehr langgestreckten Drüse ver- sehen, die, soweit ich sehen kann, der ersten Drüse bei Sorex ent- spricht. Irgend ein Gegenstück der 2. Drüse bei letzterm Tiere habe ich nicht mit Sicherheit nachweisen können. Die Prostata sowohl als die Vasa deferentia münden dorsal wie bei Sorex und Crocidura. Die Leisten auf der Wand des Uro- genitalkanals sind hier viel schwächer, und die Prostata mündet mit je 2 Ausführungsgängen. Glandulae urethrales. Obwohl mein Material für das Studium der akzessorischen Drüsen nicht gut geeignet ist (ein nicht brünstiges Exemplar), geht jedenfalls aus der Untersuchung hervor, daß bei Crossopus die Urethraldrüsen viel kräftiger als bei Sorex und Crocidura entwickelt sind. Die Cowrer’schen Drüsen. Nach der Definition dieser Drüsen sollten Cowper'sche Drüsen bei Crossopus fehlen. Indessen ist bei ihm an derselben Stelle, wo bei Sorex und Crocidura die Vorsteherdrüsen liegen, ein Drüsenpaar vorhanden, das aber der quergestreiften Muskelschicht der Wand entbehrt. Die Mündungen scheinen etwas höher als die Prostatamündungen bei Sorex und Crocidura zu liegen. Es ist mir aber nicht möglich, an meinem Material eine zuverlässige Vergleichung zwischen den Mündungen dieses Drüsenpaares und den Mündungen der Cowper’schen Drüsen bei Sorer und Crocidura anzustellen. Der Urogenitalkanal weist näm- lich am Crus penis solche Eigentümlichkeiten auf, daß zweifelsohne ein größeres Material nötig ist, um zu erforschen, ob in diesem Falle 32 WALTER KAUDERN, a etwas Abnormes vorhanden ist oder nicht. Am Ubergang des Becken- abschnittes des Canalis urogenitalis in den penialen Teil desselben biegt der Urogenitalkanal zur Rechten um und verbindet sich ver- mittels eines breiten, platten Ganges mit einer größern Erweiterung, Mie: Crossopus fodiens. a u. b der Beckenabschnitt des Urogenitalkanals (Rekonstruktion). 15:1. ce Quer- schnitt durch den proximalen Teil des Penis. 20:1. V.d Vas deferens. V.w Vesica urinaria. C.w Canalis urogenitalis. Pr Prostata. Gl. C Glandula Cowperi. C.f Corpus fibrosum. a. S akzessorische Schwellgewebe. die nicht medial, sondern rechts vom M. bulbo-cavernosus liegt. Oben geht diese Erweiterung in einen Blindsack, vorn allmählich in den penialen Abschnitt des Urogenitalkanals iiber. Der Canalis urogenitalis hat eine mediale Lage unterhalb des Corpus fibrosum. Der Penis besitzt ein sehr breites Crus und ist wie bei Sorex Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 33 und Crocidura umgebogen. Die Mündung der Präputialhöhle ist vom After kaum getrennt. Das Corpus fibrosum ist in seiner proximalen Hälfte mit einem Septum versehen, und es erstreckt sich fast bis an die Spitze der Pars libera. Ein Os priapi fehlt. Das Corpus spongiosum ist in seinem proximalen Teil angeschwollen, umschließt aber keinen Blindsack des Urogenitalkanals. Außer dem Corpus fibrosum und dem Corpus spongiosum ist der Penis mit Schwell- körpern einer 3. Art ausgestattet. An meinem Material zeigen sie sich als sehr wohlentwickelte Organe, die sich auf beiden Seiten der Rute finden. Sowohl an der Ventral- als an der Dorsalseite stoßen sie miteinander zusammen, ohne sich jedoch zu einem wirklichen Zylinder zu verbinden. Ich füge eine Abbildung des Querschnittes bei, der besser als eine Rekonstruktion oder eine Beschreibung die gegenseitige Lage der Schwellgewebe beleuchtet (Fig. I!c). Der Pars libera fehlen Stacheln. Talpidae. Talpa europaea. Seit den Tagen Cuviers und Mecker’s haben verschiedene Forscher die männlichen Geschlechtsorgane bei Talpa europaea unter- sucht. Erst durch Lrypies sorgfältige Untersuchungen hat man eine korrekte Beschreibung ihrer Morphologie erhalten. Er stimmt mit Jon. MÜLLER in der Beurteilung der Prostata und der CowPEr- schen Drüsen überein. Er entdeckte weiter die Urethraldrüsen, und über den Bau des Penis macht er auch einige richtige Angaben. Seit Leypıg’s Untersuchung ist nur wenig Neues hinzugekommen. DissELHORST fand ein eigentümlich gebildetes „Samenreservoir“ am Übergang des Nebenhodenschwanzes in das Vas deferens. RAUTHER hält diese Bildung ausschließlich für einen Teil der Nebenhoden. In meiner frühern Untersuchung untersuchte ich dieselbe bei einem Brunstexemplar und fand in ihrem Innern eine kleine taschenartige Bildung mit einem atrophierten Ausführungszang. Jetzt habe ich meine Untersuchungen über Zalpa an einem reichhaltigen, von mir selbst im Sommer 1910 in Süd-Schweden ge- sammelten Material wiederholt. Meine Resultate stimmen mit denen Leyoıe’s überein, soweit letztere gehen. Die Verfasser sind über einen Descensus testiculorum verschie- dener Meinung. In meiner früheren Untersuchung habe ich den Bau ? Zool. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. 2 94 WALTER KAUDERN, des Cremastersackes beschrieben und hervorgehoben, daß die Hoden wahrscheinlich nicht wandern, sondern daß die Ab- und Zunahme des Cremastersackes mit der Turgescenz der Hoden zusammenhängt. Die Exemplare, die ich jetzt untersucht habe, bestätigen meine frühere Annahme. Fig. Q. Talpa europaea. Längsschnitt durch den Beckenabschnitt des Urogenitalkanals (Rekonstruktion). 11:1. V.u Vesica urinaria. V.d Vas deferens. G1. C Ausführungsgang der Gl. Cowperi. Pr Prostata. C.f Corpus fibrosum. Der Canalis urogenitalis ist von RAUTHER beschrieben worden, und die Beschreibung wird durch zahlreiche Querschnitte erläutert. Durch Serienschnitte und Rekonstruktion habe ich die- selben Resultate wie RAUTHER bekommen. Der Beckenabschnitt des Urogenitalkanals (Fig. Q) geht un- merklich in den penialen Abschnitt über. Im proximalen Teil ist der Kanal weit und durch einen distal hervorspringenden Zapfen in eine dorsale und eine ventrale Partie geteilt, von denen erstere nur eine Tasche ist, die nichts mit einer Vagina masculina zu schaffen hat, wie LEUCKART vermutete. Im ventralen Teil mündet die Pro- stata. Die Vasa deferentia münden auf dem oben erwähnten Zapfen. Ehe ich auf die Beschreibung der akzessorischen Drüsen ein- gehe, werde ich zuerst bei der Bildung, die DissELHORST als ein „Samenreservoir“ bezeichnet, etwas verweilen. In meiner vorigen Arbeit habe ich gezeigt, daß sie dadurch entstanden ist, dab der Nebenhodenschwanz eine große Menge von Schlingen bildet, ehe er allmählich in das viel weitere Vas deferens übergeht, das sich auch an der Bildung des „Samenreservoirs“ beteiligt. Inmitten dieser Bildung fand ich bei einem Brunstexemplar, wie schon erwähnt, eine dreieckige Blase mit einem atrophierten Ausführungsgang und sprach Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 35 die Vermutung aus, sie könnte möglicherweise ein Vas aberrans sein. Jetzt habe ich gefunden, daß sie ein Secret enthält und daß ihre Wände aus einem drüsenähnlichen Gewebe gebaut und mit einem Cylinderepithel gekleidet sind. Infolge der Beschaffenheit des Materials kann ich nicht entscheiden, ob sie eine Lymphdrüse oder eine ge- wöhnliche Drüse mit innerer Secretion sei. Glandulae vesiculares oder andere Drüsenbildungen am Vas deferens fehlen. Die Prostata liegt ventral von der Basis der Harnblase. Der histologische Bau ist von mehreren Verfassern beschrieben worden. LEypiG sagt nichts von der Zahl der Ausführungsgänge, OuDEMAns, dab sie auf jeder Seite in einen einzigen Gang zusammen- laufe, RAUTHER dagegen, daß es auf jeder Seite 2 seien. Das Lumen des innern Paares soll nach letzterm Verfasser durch Falten stark verengert sein, während das äußere Paar ein weit offenes Lumen besitzt. Bei 4 unter 5 von mir untersuchten Exemplaren fand ich auf jeder Seite 2 beinahe gleichgrofe Kanäle. Die Größe des Lumens kann ein wenig wechseln. Bei dem 5. Exemplar fanden sich auf der einen Seite 2 gut entwickelte Ausführungsgänge, während die andere Seite mit 3 solchen Gängen ausgestattet war, denen jede Verengerung des Lumens fehlte. Die Ausführungsgänge scheinen also auf jeder Seite gewöhnlich 2 zu sein. Aber eine Variation ist hier vorhanden, deren Grenzen erst durch die Untersuchung von einer eroßen Anzahl von Individuen sich feststellen lassen. Glandulae urethrales. Nach Leypic und Jon. MÜLLER treten Urethraldrüsen als einfache Schläuche im Epithel des er- weiterten Teils des Urogenitalkanals auf. RAUTHER, der diese Drüsen später untersuchte, fand sie auch am Ende der Ausführungsgänge der Prostata. Es scheint ihm, als seien diese Bildungen nicht wahre Drüsen oder nur während der Brunstzeit völlig ausgebildet. Mein Material, das zwar keine sichern histologischen Schlüsse erlaubt, scheint die Levvıe’sche Ansicht zu bestätigen. daß es sich hier um wahre Drüsen handelt. Die Cowrzr’schen Drüsen sind wie die übrigen akzes- sorischen Drüsen von verschiedenen Verfassern untersucht worden. Sie liegen caudalwärts vom Becken und münden nach meinen eige- nen Untersuchungen mit je einem langen Ausführungsgang in un- mittelbarer Nähe vom Crus penis, nachdem dieser Gang einen weiten Bogen beschrieben hat (Fig. Q). Rauruer’s Angabe, dab die Aus- führungsgänge dieser Drüsen ein wenig unterhalb der Prostata 3% 36 WALTER KAUDERN, münden, scheint mir zweifelhaft, da meine 5 Exemplare keine Varia- tion in dieser Hinsicht zeigen. Die Rute entspringt mit einem sehr großen Crus von den weit gespreizten Sitzbeinen. Der proximale, kopfwärts gerichtete Teil des Penis begleitet auf einer Strecke von etwa 12 mm die Bauchwand, um dann nach hinten gerichtet zu werden, und die Pars libera endet spitz. Die schwach gespaltene Vorhaut ist durch ein gut ent- wickeltes Perineum vom After ganz getrennt. Das Corpus fibrosum, das mit einem kräftigen Septum versehen ist, erreicht die Spitze der Pars libera nicht, sondern ist hier durch ein Os priapi ersetzt, das mit seiner Basis in das Septum eindringt. Das Os priapi wurde schon von Lrypic im Jahre 1850 gefunden, aber seine Untersuchung scheint nachher in Vergessenheit geraten, und das Vorkommen eines Os priapi wurde von LiLJEBORG und GERHARDT bestritten. Im Jahre 1907 fand ich auf Serienschnitten des Penis ein Os priapi, das mir ungefähr 1 mm lang schien. Da indessen GERHARDT noch im Jahre 1908 kein Os penis bei Talpa finden kann, habe ich aufs neue die Frage untersucht und bei 6 Exemplaren einen Penisknochen gefunden (sämtliche Exemplare sind aus Süd-Schweden). Folgende Tabelle gibt nach sorgfältigen Messungen die Länge des Os priapi an. juv. 1,84 mm. DAT +, dd 250 5. ” 2,64 ” AS is » 2,02 „ Durch diese Messungen scheint es mir festgestellt, daß Talpa europaea ein recht gut entwickelter Penisknochen zukommt. Er hat die Form eines feinen Stabes von ziemlich gleichmäßiger Dicke, dessen Spitze etwas angeschwollen und mit körnigen Erhöhungen versehen ist. Der Penisknochen, der, wie schon erwähnt, eine un- mittelbare Fortsetzung des Septums ist, wird von einer mächtigen Hülle aus Bindegewebe umgeben. Wie schon Leypie hervorgehoben hat, ist die Pars libera, auber der Spitze, mit Stacheln bewaffnet. Meine Untersuchungen zeigen, dab diese Stacheln nur den erwachsenen Individuen zukommen. Sie sind klein, rückwärts gerichtet und zeigen keine besondere Grup- pierung. Sie kommen dadurch zustande, daß die Papillen der Haut in die Höhe gewachsen sind und die deckende Hornlage der Ober- Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 37 haut starr geworden ist. Vor der ersten Copulation fehlt der Haut der Pars libera eine Hornlage, und sie ist mit der Schleimhaut des Präputiums verwachsen, d. h. die Glandarlamelle (FLEISCHMANN) bleibt unverändert bis auf diese Zeit erhalten. Nur die äußerste Spitze der Rute ist frei und mit einer Hornlage gekleidet. In diesem Stadium erkennt man die oben erwähnten Stacheln als sehr kleine niedergedrückte Bildungen, die viel schwächer als bei den erwachsenen Tieren sind. Nach RAUTHER soll bei Talpa ein akzessorisches Schwellgewebe vorkommen. Über diese Frage kann ich nichts mit absoluter Sicher- heit äußern. Es scheint mir aber, als ob sich eine schwache An- deutung eines solchen Gewebes im hintern Teil der Vorhaut und ihrer Verlängerung nach hinten fände. Wie bei den Centetiden distinkt begrenzt ist es aber nicht, sondern vielmehr eine schwache Vascularisierung des subcutanen Bindegewebes. Talpa micrura. Die Lage der Hoden ist dieselbe wie bei 7. europaea. Aus meiner mikroskopischen Untersuchung der akzessorischen Drüsen und ihrer Ausführungsgänge geht hervor, daß auch diese Drüsen mit der oben erwähnten Form übereinstimmen. Ihre histologische Beschaffenheit habe ich nicht Gelegenheit gehabt zu studieren. Fig. R. Talpa mierura. Längsschnitt durch die Pars libera Penis (Rekonstruktion). 11:1. C. f Corpus fibrosum. Cu Canalis urogenitalis. Den Bau des Penis dagegen habe ich genau untersucht und dabei gefunden, daß Talpa micrura in dieser Hinsicht bedeutend von T. europaea abweicht. Die Vorhaut ist bei ersterer Form nicht durch ein deutliches Perineum vom After getrennt wie bei letzterer. Die Strecke zwischen After und Vorhaut ist bei 7. micrura gering und unbehaart. Die Rute ist wie bei 7. ewropaea mit einem Crus am 38 WALTER KAUDERN, Becken befestigt, sie ist aber verhältnismäßig bedeutend kürzer und dicker (10,5 mm vom Crus bis zur Penisspitze). Die Pars libera ist ein wenig abgeplattet und mit einer Furche versehen, die fast um die ganze Spitze verläuft. Der Oberfläche fehlen Stacheln oder irgendeine andere Bewaffnung. Das Corpus fibrosum besitzt im Penisschaft kein Septum. Ein solches ist aber an der Basis der Pars libera vorhanden. Bald aber spaltet sich das Corpus fibrosum in 2 Zylinder, die sich auf beide Seiten des Urogenitalkanals legen (Fig. R). Ein Os priapi fehlt. Das Corpus spongiosum ist in der Pars libera gut entwickelt, indem es das Corpus fibrosum und den Canalis urogenitalis umschließt. Mogera insularis. Diese seltne Form stimmt in mehrfacher Hinsicht mit der vorigen überein. So ist auch hier die Vorhaut nur schwach von dem vor- springenden After abgesetzt. Die Rute ist wie bei Talpa micrura kürzer und dicker als bei 7. europaea. Im Penisschaft fehlt im proximalen Teil ein Septum, und in der Pars libera zeigt das Corpus fibrosum dieselbe eigentümliche Spaltung wie bei 7. micrura. Zwischen den beiden Schenkeln des Corpus fibrosum biegt der Urogenitalkanal nach oben um und mündet durch eine längs verlaufende Spalte. Ein Penisknochen fehlt. Das Corpus spongiosum verhält sich un- gefähr wie bei 7. micrura. Es fehlen hier sowohl Stacheln als auch eine Ringfurche. Scalops aquaticus. Die Lage der Hoden ist dieselbe wie bei Talpa. Der Becken- teil des Urogenitalkanals ist nicht wie bei 7. europaea angeschwollen. Hier findet sich nur eine schwache Andeutung des Blindsackes, der bei Talpa eine sehr bedeutende Größe erreicht hat (Fig. S). Drüsenbildungen am Vas deferens fehlen. Die Prostata liegt wie bei Talpa an der Basis der Harn- blase. Sie mündet bei dem von mir untersuchten Exemplare mit 2 Ausfiihrungsgiingen auf jeder Seite. Die Mündungen sind aber viel weiter voneinander entfernt als bei Talpa. Ob Scalops Urethraldrüsen zukommen. war mir nicht mög- lich zu entscheiden. Die Lage der Cowrerr’schen Drüsen ist dieselbe wie bei Talpa. Die Drüsen besitzen sehr lange Ausführungsgänge Auf Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 39 jeder Seite laufen die einzelnen Äste in einen großen Stamm zu- sammen, der sich mit dem Stamme der andern Seite verbindet. Die Mündung liegt etwas unterhalb des Crus penis. Die Rute verhält sich wie bei 7. europaea hinsichtlich des Crus und der Sförmigen Umbiegung, nur mit dem Unterschied, daß sie etwas kürzer und dicker ist, dadurch an 7. micrura und Mogera insularis erinnernd. Die Vorhaut ist vom After durch ein Perineum getrennt. Das Corpus fibrosum besitzt im proximalen Teil ein gut ausgebildetes Septum. Dieses sowohl als ein Os priapi fehlt dem distalen Drittel. Das Corpus spongiosum ist sogar noch kräftiger als bei 7. micrura entwickelt und umschließt (wenigstens in der Pars libera) das Corpus fibrosum und den Urogenitalkanal als ein mächtiger Zylinder. Nach hinten erstreckt sich das Corpus spongiosum wie bei 7. europaea bis auf die taschenähnliche Erweiterung des Urogenitalkanals. Die Haut der Pars libera ist mit einer Menge von Stacheln bewaffnet, die über die ganze Fläche gleich verteilt sind. Scapanus breweri. Die Lage der Hoden ist dieselbe wie bei den übrigen Talpiden. Auch die akzessorischen Drüsen scheinen mit denjenigen der Tal- piden übereinzustimmen. Die Rute ist ziemlich kurz und schmal, doch war das unter- suchte Exemplar nicht in der Brunstzeit. Das Crus penis ist hier wie bei den übrigen Talpiden kräftig, während der Penis nur 8,5 mm lang ist, wovon 4,8 mm auf den nach hinten gerichteten Teil kommen. Die Vorhaut ist vom After deutlich getrennt. Das Corpus fibrosum ist anfangs mit einem Septum versehen, das hier und da durch- brochen ist und im distalen Teil ganz fehlt. In der Pars libera endet das Corpus fibrosum mit einem nagelförmigen Os priapi (Fig. T). Das Corpus spongiosum ist im distalen Teil der Pars libera ziemlich gut ausgebildet. Der Pars libera fehlt jede Bewaffnung mit Stacheln, und der Canalis urogenitalis mündet ein wenig hinter ihrer Spitze. Condylura cristata. Betreffs der akzessorischen Drüsen und der Lage der Hoden scheinen nach makroskopischen Untersuchungen keine wesentliche Verschiedenheiten zwischen Condylura und den übrigen Talpiden vorhanden zu sein. Der Penis ist am Becken befestigt, Sförmig gebogen und mit libera versehen, die nicht: mit Stacheln WALTER KAUDERN, einer schmalen, spitzen Pars 40 , das die ganze Pars libera durch- Das Corpus fibrosum bewaffnet ist. Fig. S. Scalops aquaticus. Liingsschnitt durch den Urogenitalkanal und den Penis (Rekonstruktion). 11:1. C.f Corpus fibrosum. C.u Canalis urogenitalis. V.d Vas deferens. Gl Glandarlamelle. Pr Prostata. Gl. C Glandula Cowperi. BD Blindsack. : 3 ; Condylura cristata. Längsschnitt durch die distale Hälfte Scapanus breweri. Die Spitze der Pars be = . : er : s Penis (Rekonstruktion), 7:1. libera. Penis mit dem Penisknochen. We des Penis ( : À ) = 13° C.f Corpus fibrosum. a. 8 akzessorisches Schwellgewebe. Gl Glandarlamelle. C.w Canalis urogenitalis. ximalen Hälfte ein ziemlich kräftiges besitzt in seiner pro setzt, Irgend- stale Hälfte dagegen entbehrt eines Septums. Septum. Die di Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 41 eine Andeutung eines Os priapi ist hier nicht vorhanden. Das Corpus spongiosum ist in der Pars libera bei weitem nicht so kräftig wie bei Scalops, wenn es auch etwas kräftiger als bei Talpa curopaea ist. Außer dem Corpus fibrosum und dem Corpus spongiosum kommt bei Condylura noch ein Schwellkörper hinzu, der subcutanen Ursprungs ist. Alsein Zylinder umschließt dieses akzessorische Schwellgewebe den proximalen Teil der Pars libera und den distalen Teil des Penis- schaftes. Dann geht es allmählich in das subeutane Bindegewebe über (Fig. U). Die ursprüngliche Präputialhöhle ist jetzt ohne Funktion. Sie bleibt nur als eine Epithellamelle zwischen der Pars libera und dem oben erwähnten Zylinder zurück, und an seiner Stelle ist eine sekun- däre Präputialhöhle entstanden. Myogale moschata. Dogsox, der sowohl diese Art als auch M. pyrenaica untersucht hat, beschreibt die Hoden und ihre Lage und teilt mit, daß sich bei diesen beiden Formen sowohl Cowrer’sche Drüsen als Prostata finden. Vom Penis sagt er, er sei umgebogen und entbehre eines Os priapi. Die Pars libera ist mit dicken, verhornten Falten ver- sehen, die bei M. moschata mit rückwärts gerichteten Stacheln be- waffnet sind. Solche Stacheln fehlen M. pyrenaica. In meiner frühern Arbeit habe ich die Lage der Hoden be- schrieben und eine Abbildung der Pars libera bei M. moschata ge- geben. Auch diesmal habe ich über ein erwachsenes Exemplar von M. moschata verfügt. Betreffs die Lage der Hoden habe ich nichts über meine vorigen Angaben hinaus hinzuzufügen, da sich die Hoden sanz wie bei den übrigen Talpiden verhalten. Die akzessorischen Drüsen und den Penis habe ich jetzt untersucht und dabei folgendes gefunden. Der Beckenteil des Urogenitalkanals ist nicht wie bei Talpa und Scalops mit einer blinden Tasche versehen und geht unmerklich in den penialen Teil über. Es fehlen bei Myogale sowohl als bei den übrigen Talpiden Drüsenbildungen am Vas deferens. Die Prostata liegt auf der Ventralseite der Harnblase und mündet mit je 2 Ausführungsgängen auf jeder Seite in den Uro- genitalkanal. Die Mündung des einen Ganges liegt oberhalb der Mündung des Vas deferens, die Mündung des andern Ganges unter- halb derselben. 49 WALTER KAUDERN, Ob Myogale Urethraldrüsen besitzt, kann ich an meinem Material nicht mit hinlänglicher Sicherheit entscheiden. Die innere Wand des Beckenteils des Urogenitalkanals ist tief gefaltet, und diese Falten scheinen wenigstens teilweise den Drüsenschläuchen zu entsprechen, die sich bei Talpa an derselben Stelle finden. Die Cowrer’schen Drüsen liegen innerhalb des Beckens und nicht wie bei den übrigen Talpiden außerhalb desselben. Sie münden mit je einem kurzen Ausführungsgang in den Beckenteil des Urogenitalkanals. Jede Drüse ist zum Teil in die Muskulatur des Urogenitalkanals eingebettet. Auf einem Querschnitte durch die Wand des Urogenitalkanals und die Cowper’schen Drüsen findet man, dab die Muskellage, die den freien Teil der Drüse um- gibt, nur ein Derivat der Muskulatur des Urogenitalkanals ist. Im innern Bau scheinen sie von den Cowrer’schen Drüsen bei Talpa dadurch abzuweichen, dab sie bedeutend größere Lumina besitzen. Die Rute ist wie bei den übrigen Talpiden mit einem großen Crus versehen und hat dieselbe Sförmige Umbiegung wie bei ihnen. Die Vorhaut ist vom After durch ein deutliches Perineum getrennt. Das Corpus fibrosum besitzt nur in der Nähe vom Crus penis ein Septum. Sonst fehlt es ganz. Im vordern Teil der Pars libera liegt ein 0,94 mm langes Os priapi. Das Corpus spongiosum erstreckt sich noch weiter auf den Beckenteil des Urogenitalkanals hinauf als bei Talpa, ohne jedoch eine so kräftige Entwicklung wie bei letzterer erreicht zu haben. In der Pars libera ist es gut entwickelt und bildet im terminalen Teil das eigentliche Schwellorgan. Die Haut der Pars libera ist, wie schon Dogsox gefunden hat, mit Reihen von Stacheln bewaffnet. Der Urogenitalkanal mündet in eine Furche auf der Ventralseite der Pars libera etwas hinter der Spitze. Erinaceidae. Gymnurinae. WEBER beschreibt und bildet die männlichen Geschlechtsorgane bei Hylomys und Gymnura ab und hebt hervor, daß bei ihnen die Hoden zeitlebens, nachdem die Geschlechtsreife eingetreten ist, in Cremastersäcken liegen. Er findet im Bau des Vas deferens viele Ähnlichkeiten zwischen den beiden Formen. Nach Lecur aber soll wenigstens bei Gymnura ein periodischer Descensus testiculorum stattfinden. Ich selbst habe mich in meiner Arbeit über die männ- Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 43 lichen Geschlechtsorgane bei Insectivoren der WEBEr’schen Auffassung angeschlossen. Die Rute ist nach LECHE sowohl bei Aylomys als bei Gymnura schwach Sförmig gebogen, und der Urogenitalkanal mündet auf der Spitze der Rute. Die Pars libera ist mit rückwärts gerichteten Stacheln bewaffnet, die bei Gymnura ziemlich schwach und mehr gleichmäßig über die ganze Haut verteilt sind als bei Hylomys, wo sie geringer an Zahl, aber kräftiger sind und sich hauptsächlich auf der Dorsalseite des Penis finden. Für die vorliegende Untersuchung habe ich über 2 erwachsene Exemplare von Hylomys suillus, von denen das eine ein Brunst- exemplar war, und über ein erwachsenes Exemplar sowie ein zartes Junges von Gymnura raffles verfügt. Ich habe mich sowohl der Sektion als der Schnitte durch die verschiedenen Teile bedient. Von dem nicht brünstigen Exemplar von Hylomys habe ich nach den Serien- schnitten eine Rekonstruktion gemacht. Hylomys suillus. Hylomys suillus hat, wie ich mit LECHE und WEBER in meiner Arbeit vom Jahre 1907 vermutete, zweifelsohne die Hoden zeitlebens in ziemlich tiefe, recht weit caudalwärts gelegene Cremastersäcke eingesenkt. Der Beckenteil des Urogenitalkanals ist vom penialen Teil nicht deutlich abgesetzt. Die Grenze dürfte am besten etwa am Crus penis oder an die Mündungen der Cowperr’schen Drüsen gesetzt werden. Glandulae vesiculares fehlen. Glandulae vasis deferentis. Das Vas deferens ist mit 2 Anschwellungen versehen, die sich durch ihren Bau als 2 deutlich voneinander geschiedene Drüsen dokumentieren. Zwischen dem Nebenhoden und der ersten dieser Anschwellungen besteht die Wand des Vas deferens aus 2 Schichten von glatter Muskulatur. Die innere Schicht ist eine Ringschicht, die äußere eine Längsschicht. Die 1. Anschwellung ist aus einer großen Anzahl von beinahe un- verästelten Drüsenschläuchen mit weiten Lumina zusammengesetzt. Das Epithel der Drüse scheint mir ein hohes Cylinderepithel zu sein, und in den Wänden der Drüse sind wahrscheinlich dieselben Muskelschichten wie im Vas deferens vorhanden (wenigstens die Ringmuskelschicht). Daß hier nicht von einer Aufwindung des Vas deferens die Rede sein kann, wird durch die Serienschnitte völlig bewiesen. Diese zeigen nämlich, daß das Vas deferens am Rande 44 WALTER KAUDERN, der Anschwellung verläuft und von hier aus nur auf der Lateral- seite die betreffenden Drüsenschläuche heraussendet. Infolge der Beschaffenheit des Materials ist es mir nicht möglich zu entscheiden, ob irgendeine der Muskelschichten des Vas deferens die ganze An- schwellung umschließt. Es scheint mir aber, als seien einzelne Muskel- fasern in das Bindegewebe eingelagert, welches die Drüse bekleidet. Die 2. Anschwellung am Vas deferens liegt der 1. sehr nahe, Fig. V. Hylomys suillus. a Längsschnitt durch den Beckenabschnitt des Urogenitalkanals mit den akzessorischen Drüsen. b Längsschnitt durch den Penis (Rekonstruktion). V.u Vesica urinaria. Ur Ureter. V.d Vas deferens. Gl. ur Glandulae urethrales (etwas schematisiert). GJ. C Glandula Cowperi. Pr Prostata. G1. v. d 1. u. 2. Glan- dulae varis deferentis. ©. f Corpus fibrosum. C.s Corpus spongiosum. ©. u Canalis urogenitalis. 11:1. ist aber kleiner als diese und weicht durch ihren Bau bedeutend davon ab. Das Vas deferens liegt hier inmitten der Drüse und sendet nach allen Richtungen Drüsenschläuche aus, die weit mehr verästelt und mit kleinern Lumina versehen sind. Über die Be- schaffenheit des Epithels habe ich mir keine Meinung bilden können. Die Wände der einzelnen Drüsenschläuche besitzen keine besondere Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 45 Muskulatur, wie es bei der 1. Drüse der Fall ist, sondern die äußere Muskellage, die hier bedeutend an Stärke abnimmt, bildet die Wände der ganzen Drüsenmasse, während die innere Lage beinahe völlig verschwunden ist oder nur als einzelne Fasern die Wand des Vas deferens begleitet. Obwohl das Material infolge der Beschaffenheit ein näheres Studium der Histologie nicht erlaubt, ist es jedenfalls unzweifelhaft, daß das Vas deferens hier mit 2 Drüsen ausgestattet ist, die be- deutende Verschiedenheiten in ihrem Bau aufweisen. Die Prostata ist ein relativ kleines Drüsenpaar, das an der Basis der Harnblase auf der Ventralseite liegt. Jede Drüse ist durch eine seichte Furche in 2 Lappen geteilt, die aber nur einen gemeinsamen Ausführungskanal besitzen. Die beiden Kanäle sind ziemlich weit und münden auf der Ventralseite des Canalis uro- genitalis etwas unterhalb der Mündungen der Vasa deferentia (Fig. Va). Urethraldrüsen sind rings um den Urogenitalkanal in großer Zahl vorhanden. Sie erstrecken sich bei dem von mir untersuchten Exemplar nicht außerhalb des M. urethralis. Sie sind meistens stark verästelte, tubulöse Drüsen mit deutlichen, wenn auch kurzen Aus- führungsgängen. Sie liegen zwischen den Mündungen der Prostata und den Mündungen der Cowper’schen Drüsen. Die Cowrer’schen Drüsen sind von ungefähr derselben Größe wie die Vorsteherdrüsen. Ihre Ausführungsgänge liegen un- mittelbar oberhalb des Crus penis. Durch ihren Bau dokumentieren sie sich als alveoläre Drüsen mit einem etwas größern Lumen in- mitten, welches als Ausführungsgang fungiert. Die Wände der Drüsen besitzen eine kräftige Lage von quergestreifter Muskulatur. Ein Vergleich zwischen den beiden Hylomys-Exemplaren zeigt, dab sowohl die Hoden als auch die Rute und die akzessorischen Drüsen während der Brunstzeit an Größe bedeutend zunehmen. Die Rute ist mit einem gut entwickelten Crus penis am Becken befestigt. Sie schlägt sich auf die Bauchwand herum, so daß die Pars libera kopfwärts gerichtet wird. Dadurch wird die Vorhaut vom After durch ein sehr breites Perineum getrennt. Dem Corpus fibrosum fehlt ein mediales Septum. Es finden sich an seiner Stelle eine große Anzahl von kleinern Septa, die auf einem Querschnitte facherformig auszustrahlen scheinen (Fig. Wa). Das Corpus fibrosum umschließt fast den ganzen Urogenitalkanal, so dab dieser wie in einer tiefen Rinne liegt. Vorn nimmt das C. fibrosum an Größe ab und erreicht die Spitze der Pars libera nicht. Diese wird vom 46 WALTER KAUDERN, Corpus spongiosum umgeben. Das C. spongiosum zeigt im proxi- malen Teil eine Andeutung von Spaltung. Es ist mit einem schwachen medialen Septum versehen (Fig. Wb) und behält durch fast die ganze Rute seinen doppelten Charakter. Die proximale Fig. W. Hylomys swillus. a Querschnitt durch den Penisschaft. 34:1. b Querschnitt durch den proximalen Teil des Penis. 20:1. C. f Corpus fibrosum. C.s Corpus spongiosum. C.w Canalis urogenitalis. Partie des C. spongiosum liegt ventral vom Urogenitalkanal. Weiter nach vorn aber schlagen sich die beiden Hälften um die Lateral- seiten herum, nehmen bedeutend an Größe zu und umschließen end- lich in der Pars libera den Urogenitalkanal. Die Pars libera ist in der Ruhelage nicht deutlich vom Penisschaft abgesetzt, scheint aber nach dem Bau des C. spongiosum bei der Erection bedeutend an- schwellen zu können. Die Haut der Pars libera ist mit kräftigen, Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 47 rückwärts gerichteten Stacheln bewaffnet, die besonders auf der Oberseite zahlreich sind. Das Brunstexemplar ist mit einer Ein- schnürung rings um die Spitze der Pars libera und einem Wall um die Mündung des Urogenitalkanals versehen. Eine Rekonstruktion der Serienschnitte von dem nicht brünstigen Exemplar zeigt, dab der vorderste Teil der Pars libera durch eine seichte Furche auf der Ventralseite in einen kleinern ventralen und einen größern dor- salen Abschnitt zerfällt. An Bildung des erstern beteiligt sich nur das Corpus spongiosum, während in den letztern auch das Corpus fibrosum mit seinem vordersten Teil hereinragt. Die Mündung des Urogenitalkanals liegt in der dorsalen, größern Partie (Fig. Vb). Gymnura rafflesii. Gymnura rafflesii stimmt betreffs der männlichen Geschlechts- organe beinahe völlig mit Aylomys überein. Dieselbe Zahl und An- ordnung der akzessorischen Drüsen ist hier vorhanden. Wahrschein- lich sind jedoch im feinern Bau dieser Drüsen einige kleinere, un- wesentliche Verschiedenheiten vorhanden, wenigstens bei denjenigen, die am Vas deferens liegen. Indessen kann ich der Beschaffenheit des Materials wegen nichts mit Sicherheit entscheiden. So scheint z. B. bei Gymnura das Epithel jedes Drüsenschlauchs in der 1. der beiden Drüsen am Vas deferens gefaltet zu sein, während dem Epithel derselben Drüse der beiden Aylomys-Exemplare solche Falten fehlen. Die Pars libera, welche der Furchen oder Einschnürungen ent- behrt, ist mit einer großen Zahl von Stacheln bewaffnet, die schwächer und mehr gleichmäßig über die Haut verbreitet sind als bei Hylomys. Erinaceinae. Erinaceus europaeus. Unter den Insectenfressern gibt es wohl keinen, der so oft wie Erinaceus europaeus untersucht wurde. Beschreibungen und Ab- bildungen kommen häufig sowohl in der ältern als in der neuern Literatur vor. Durch die Untersuchungen verschiedener Forscher ist jetzt fest- gestellt worden, daß die Lage der Hoden nicht immer dieselbe ist. Bei einigen erwachsenen Individuen liegen sie in einen seichten Cremastersack eingesenkt, bei andern, ebenfalls erwachsenen Exem- 48 WALTER KAUDERN, plaren dagegen findet man sie intraabdominal, in der Inguinalregion. Sie stehen im letztern Falle mit einem Conus inguinalis in Verbin- dung. Es ist mir ebensowenig wie andern Forschern gelungen, das Vorkommen eines periodischen Descensus testiculorum oder das Gegenteil zu beweisen. Wie bei Hylomys und Gymnura zerfällt nicht der Urogenital- kanal durch .eine Einschnürung in einen deutlichen Beckenteil und einen penialen Teil. Zum erstern dürfte man den Teil rechnen, in welchen die Urethra, die Vasa deferentia und die akzessorischen Drüsen münden. Das übrige gehört zum penialen Teil. Der Beckenteil ist proximal mit einer sackförmigen Ausstülpung versehen, die von mehreren Forschern unrichtig als eine Vagina masculina bezeichnet wurde, wie es schon RAUTHER gezeigt hat. Die Urethra ist sehr lang und mündet wie die Vasa deferentia ° und die Prostata I und II R. 1) (Vesicula seminalis und Prostata I D.) an der Ventralseite des angeschwollenen Beckenteils des Urogenital- kanals, während die Prostata III R. (Prostata II D.) sowohl als auch die Cowrer’schen Drüsen mit allen ihren Ausführungseängen auf der Dorsalseite miinden (Fig. X). Bei meinen eignen Untersuchungen über den Bau der akzes- sorischen Drüsen habe ich ungefähr dieselben Resultate wie OUDE- MANS erhalten. Indessen bin ich der Meinung, daß er die Verhält- nisse nicht ganz richtig aufgefaßt hat. Oben ist schon erwähnt worden, daß die sackförmige Ausstülpung am proximalen Teil des Urogenitalkanals nichts mit einer Vagina masculina zu tun hat. Sie ist nur eine sekundäre Bildung des Urogenitalkanals selbst, d. h. die Mündung der Urethra lag ursprünglich am proximalen Ende des Urogenitalkanals wie bei den übrigen Insectivoren und ist später nach der Dorsalseite desselben verschoben worden. Deshalb gehören auch die Mündungen der Vasa deferentia und der Prostata I R. genetisch der Ventralseite zu. Die Bezeichnung der Drüsen wird also meiner Ansicht nach die im Folgenden benutzte sein müssen. Drüsen, die in unmittelbarer Verbindung mit den Vasa defe- rentia stehen, fehlen nach den meisten Verfassern. Gross hat in- dessen sehr kleine Drüsen an dem distalen Teil des Vas deferens nachgewiesen. Ich habe diese Drüsen nicht finden können, aber ich zweifle durchaus nicht an der Richtigkeit der betreffenden Angabe. 1) R = Ravutuer, D = DiIssELHORST. Männliche Geschlechtsorgane von Inseetivoren und Lemuriden. 49 Vielleicht wechseln diese Drüsen mit den Jahreszeiten oder bei den Individuen. Die Prostata ist besonders kräftig und zerfällt in folgende Drüsenpartien: Die Prostata I (II R., I D.) nenne ich die großen Drüsen, die auf der Ventralseite der Harnblase liegen und mit je einem Aus- 9:2 Pr I, II, III Ausführungsgänge der Prostata ©. f Corpus fibrosum. Fig. X Erinaceus europaeus. Längsschnitt durch den Beckenabschnitt des Urogenitalkanals (Rekonstruktion). Gl.ur Glandulae urethrales. IE, J JUN, V.d Vas deferens. U Urethra. Zool. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. 4 50 WALTER KAUDERN, führungsgang auf beiden Seiten der Urethra unmittelbar in den Urogenitalkanal münden. Diese Drüsen nenne ich Prostata I, weil sie am Anfang des proximalen Teiles des Urogenitalkanals entstanden sind und in diesen Teil auch ausmünden. Die Prostata II (I R., Ves. seminalis D.) besteht aus einer Drüsengruppe, die dorsal von der Harnblase liegt und gewöhnlich mit 4 Ausführungsgängen auf jeder Seite versehen ist, deren Mün- dungen etwas hinter den Mündungen der Vasa deferentia liegen. Deshalb betrachte ich diese Drüsen genetisch als einem weiter nach unten gelegenen Teil des Urogenitalkanals zugehörig und bezeichne sie mit II. Ich finde es nicht nötig, sie mit ebenso vielen Nummern zu bezeichnen, wie sich Drüsen und Ausführungsgänge finden, wie SEUBERT es tut, weil sie einander ganz gleich sind und sich durch ihren Bau bedeutend von den übrigen Prostatabildungen unterscheiden. Es ist möglich, daß bei den Individuen ihre Anzahl variiert. Nach SEUBERT sollen es nämlich 3. und nicht 4 auf jeder Seite sein. Die meisten Verfasser haben mit mir 4 gefunden. Nach Gross können sogar nur 2 auf jeder Seite vorhanden sein. Die Prostata III (III R, II D, Gl. Cowp. nach ältern Ver- fassern). In der sackförmigen Ausstülpung des Urogenitalkanals läuft auf jeder Seite eine Längsfalte. Dadurch entstehen 2 kleine seichte Taschen. Am Grunde jeder solchen Tasche liegt die Mün- dung der fraglichen Drüse (Fig. Y). (Zuweilen sind nach OUDEMANS 2 Mündungen in einer der Taschen vorhanden, was dann als eine individuelle Variation zu betrachten ist). Die Ausführungs- gänge der Drüsen sind sehr lang und begleiten auf einer Strecke den Urogenitalkanal. Die Drüsen, die von beträchtlicher Größe sind und außerhalb des Beckens liegen, sollen nach einigen Ver- fassern in gewissen Beziehungen von den übrigen Vorsteherdrüsen hinsichtlich des Baues abweichen. Wir werden sehen, dab die Prostata III den Urethraldrüsen morphologisch sehr nahe stehen. Die Glandulae urethrales (zum Teil Gl. Cowp. Lrypie). LeypiG entdeckte, daß sich auf der Dorsalseite des Urogenitalkanals innerhalb des M. urethralis 2 größere, in mehrere Lappen zerlegte Drüsenmassen finden, die eine große Menge von Ausführungsgängen haben. Nach OupEemaxs soll diese Drüsenmasse besonders im hintern Teil in eine Zahl von Lappen geteilt sein, denen eine gleiche Zahl von Ausführungsgängen entsprechen. Mit Recht hebt DissELHORST hervor, dab man diese Drüsenmasse nicht als Cowrer’sche Drüsen, sondern als Urethraldrüsen ansehen muß. Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden 51 Meine eignen Untersuchungen weichen etwas von denen LEYDIG’s und OupEmans’ ab. Dieselbe große, lappige Drüsenmasse mit meh- reren Ausführungskanälen habe ich auch gefunden. Im hintern Teil zerfällt jede Drüse in eine Anzahl deutlich getrennter Urethral- drüsen, die je einen Ausführungsgang besitzen. Der Übergang ist Gl.u Gl. u Bie->Y. Erinaceus europaeus. Querschnitt durch den obern Teil des Beckenabschnittes des Urogenitalkanals. 11:1. V.d Vas deferens. V.u Vesica urinaria. Pr Ausführungsgänge der Prostata. Gl.w Glandulae urethrales. . nicht plötzlich, sondern geht nach und nach vor sich, indem die große Drüse hinten tiefer und tiefer gelappt wird, bis endlich jeder Lappen zu einer ganz selbständigen Drüse wird. Die Mündungen der Ausführungskanäle sind in einer einfachen Reihe geordnet. Hinten, d. h. in der sackförmigen Ausstülpung des Urogenitalkanals, spaltet sich diese Reihe in 2 Linien, von denen sich die eine bis in den Fundus des Sackes fortsetzt und hier gegen die Dorsalseite herumbiegt (Fig. X), während die andere in der oben erwähnten Tasche liegt. Am Ende der letztern Reihe liegt die Mündung der Prostata III, welche sich dadurch als eine sehr grobe Urethraldriise dokumentiert, die aber nach ihrer Lage außerhalb des M. urethralis der früher gegebenen Definition gemäß als Gl. prostata bezeichnet werden mub. UowPEr’sche Drüsen fehlen. Der Bau der Rute ist auch mehrfach untersucht worden. Hauptsächlich hat man dabei die äußern Charaktere berücksichtigt. 4* 52 WALTER KAUDERN, In seiner Untersuchung im Jahre 1904 hat GERHARDT infolge der Beschaffenheit seines Materials einige Fehler gemacht, die er aber im Jahre 1909 berichtigte. Ich selbst hatte im Jahre 1907 Gelegenheit, den Penis bei Erinaceus europaeus und E. auritus zu untersuchen. Ich habe jetzt aufs neue die Rute bei Ærinaceus untersucht und mich diesmal eines reichhaltigern Materials bedient. Der Penis ist bei Æ. europaeus verhältnismäßig dick und kopf- wärts gerichtet, ohne irgendeine Umbiegung der Pars libera nach hinten. Nicht selten aber ist der Schaft nach der Seite gebogen. Die Vorhaut ist durch ein breites Perineum vom After getrennt. Es fehlt dem Corpus fibrosum, das am Becken mit einem kräftigen Crus penis entspringt, ein mediales Septum. Anstatt dessen besitzt es, wie bei Aylomys und Gymnura, zahlreiche schwächere Neben- septa. Das Corpus fibrosum bildet auch hier eine Rinne. Die Ränder derselben sind bei X. europaeus mit längs verlaufenden Bindegewebe- massen versehen. Bei P. auritus und E. pictus sind diese Streifen von Bindegewebe nicht so kräftig entwickelt. Das Corpus spongiosum ist im proximalen Teil nicht so groß wie bei Hylomys und Gymnura. In der Pars libera dagegen hat es eine bedeutende Entwicklung erreicht, wie wir sehen werden. Die vordere Hälfte der Pars libera ist in einen kleinern dor- salen und einen größern ventralen Abschnitt geteilt (Fig. Z). Der Fig. 2. Erinaceus auritus. Längsschnitt durch die Pars libera Penis (Rekonstruktion). 3:1. C.f Corpus fibrosum. C.w Canalis urogenitalis. letztere umschließt fast den erstern. Durch den dorsalen Teil erstreckt sich das Corpus fibrosum beinahe bis an die Spitze des Penis, und die Mündung des Urogenitalkanals liegt ungefähr terminal. An der Bildung des dorsalen Abschnitts beteiligt sich auch das Corpus spongiosum ein wenig. Der untere und größere Teil ist nur vom Corpus spongiosum gebildet, das hier &norm angeschwollen ist. Der dorsale Abschnitt ist bei einigen Ærinaceus-Arten mit Stacheln be- waffnet. Bei einem Exemplar von E. auritus fand ich die Stacheln in 2 Doppelreihen geordnet mit 5 in der lateralen und 2 in der medialen Reihe. Ein anderes Exemplar hatte nur 2 einfache Reihen mit 6 Stacheln in jeder Reihe. E. pietus scheint mir mit letzterm Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 53 Exemplar übereinzustimmen. ZÆ. europaeus fehlen Stacheln. Sie sind durch 2 parallele Hautsäume ersetzt. Schwache Stacheln sollen jedoch nach LEcHE zuweilen vorkommen. Bei E. jerdoni habe ich nicht mit Sicherheit Stacheln nachweisen können. Wie bei Æ. euro- paeus scheinen auch hier 2 Hautsäume die Stelle anzugeben, wo man bei andern Arten die Stacheln findet. Ein Os priapi fehlt. Tupajidae. Tupaja javanica. OUDEMANS scheint der Erste gewesen zu sein, der eine Be- schreibung über den Bau der männlichen Geschlechtsorgane bei Tupaja gegeben hat. Er teilt uns mit, daß die Hoden in einem präpenialen Hodensack liegen. Er hat auch die akzessorischen Drüsen untersucht, aber dabei Resultate bekommen, die von den meinigen völlig abweichen. Ich werde seine Resultate hier mit einigen Worten anführen. Es sollen bei Tupaja sowohl Glandulae vasis def., als Gl. vesiculares und Gl. urethrales fehlen. Dagegen finden sich Vor- steherdriisen und Cowrer’sche Drüsen, beide acinös, letztere hinter dem M. bulbocavernosus gelegen und mit quergestreifter Muskulatur in den Wänden ausgestattet. Es soll auch eine sehr große Vagina masculina vorhanden sein. Im Urogenitalkanal hat er 5 Öffnungen gefunden, eine mediale Öffnung für die Vagina masculina, 2 für die Vasa deferentia und 2 für die Prostata, die alle auf derselben Höhe liegen. Später hat auch WEBER die Lage der Hoden untersucht und dabei festgestellt, daß sie zeitlebens in einem präpenialen Hodensack liegen, der nur vom M. transversus abd. gebildet ist. Früher habe ich sowohl die Richtigkeit dieser Angabe hinsichtlich der Lage der Hoden als die Sform der Rute und das Fehlen eines Os priapi und akzessorischer Schwellkörper konstatiert. Diesmal habe ich über 2 erwachsene Individuen und ein nicht ganz ausgewachsenes Tier verfügt. Von dem einen der beiden er- wachsenen Exemplare und vom ‚Jungen habe ich Schnittserien ge- macht. Dabei habe ich folgende Resultate bekommen. Die Hoden behalten zeitlebens, nachdem Geschlechtsreife ein- getreten ist, ihren Platz im Hodensack, der außerhalb der Symphysis pubis liegt. Der Nebenhodenschwanz macht am Übergang in das Vas deferens 54 WALTER KAUDERN, eine Menge von Windungen, die auf dem medialen Teil des Hodens eine Anschwellung bildet. Diese Bildung erinnert sehr an das so- genannte Samenreservoir bei Chiropteren und Zalpa. Bei Tupaja weicht sie dadurch von Zalpa ab, dab sie vom Peritonealblatt nicht umgeben wird. Die Innenwände scheinen mit einer einfachen Schicht von kubischen Epithelzellen gekleidet zu sein, ohne irgend eine Drüsenstruktur zu zeigen. Der Urogenitalkanal ist recht deutlich in 2 verschiedene Teile gesondert. Das junge Exemplar ist am proximalen Teil des penialen Abschnitts mit einem seichten Blindsack versehen, darin Fig. Al, Tupaja javanica. Der proximale Abschnitt des Urogenitalkanals (Rekonstruktion). V.d Vas deferens. Am Ampulle (der Länge nach durchgeschnitten). @GI.v Glan- dula vesicularis. Pr, Pr (V. m) die abgeschnittenen Ausführungsgänge der Prostata. LE PONT an einige niedere Insectenfresser erinnernd. Das erwachsene Exemplar ist an der oben erwähnten Stelle etwas beschädigt. Deshalb war es mir nicht möglich zu entscheiden, ob es einen wirklichen Sack besitzt oder ob es sich nur um eine dorsale Erweiterung des Uro- genitalkanals handelt. Das Vas deferens nimmt in einiger Entfernung von der Mündung in den Urogenitalkanal an Größe zu und bildet eine deutliche Ampulle (Fig. At). Ich bin darüber nicht ins klare gekommen, ob diese Bildung eine Drüse ist oder nicht. Die Wand des Vas deferens ist m. Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 55 mit Blindsäcken ausgestattet, in welche sich zahlreiche Falten der Schleimhaut hineinstülpen. Gleich unterhalb der Ampulle münden in das Vas deferens die Glandulae vesiculares, die wohlentwickelt sind, die Form rundlicher Schläuche haben und enge Ausführungsgänge besitzen. Das sehr weite Lumen jeder Drüse ist mit einem Secret gefüllt. Die Mucosa bildet hier nur ziemlich unbedeutende Falten. Im schmälern Teil der Drüse dagegen sind sie zahlreicher und tiefer. Übrigens war es mir wegen der Beschaffenheit des Materials nicht möglich, genauere histologische Beobachtungen zu machen. Doch scheint mir der Bau der Vesiculae seminales beinahe völlig mit dem der oben erwähnten Ampullen übereinzustimmen. Die Prostata (Fig. Bt). Ein Drüsenpaar liegt gleich unter- halb der Glandulae vesiculares, den schmälern Teil derselben so- wohl als die Ausführungseänge beinahe umschließend. Die rechte Fig. B! Tupaja javanica. Der proximale Abschnitt des Urogenitalkanals mit seinen Drüsen- bildungen. (Die Vasa deferentia mit ihren Drüsen sind nicht gezeichnet.) (Rekonstruktion.) 11:1. Pr, Pr (V.m) Prostata. V.d das abgeschnittene Vas deferens. 56 - WALTER KAUDERN, Drüse besitzt 3 Ausführungsgänge, von denen 2 zu einem Kanal zusammenlaufen. Die linke Drüse hat 4 Ausführungsgänge, wovon 3 zusammenlaufen und wie diejenigen der rechten Seite in den Urogenitalkanal oberhalb der Mündungen der einfachen Ausführungs- gänge münden. Außer diesen Drüsen findet sich auch eine mediale Drüse von ansehnlicher Größe, die zwischen ihnen und den Glandulae vesicu- lares liegt. Sie ist ein wenig unsymmetrisch und mündet mit einem einzigen medialen Ausführungsgang in den Urogenitalkanal. Ihre Eis Tupaja javanica. Querschnitt durch die sogenannte Vagina masculina. 15:1. Dr Driisengewebe. Z Lumen. Mündung liegt in der Mittellinie zwischen den Mündungen der Vasa deferentia. Der Bau dieser Drüse scheint mit den paarigen Prostata- drüsen übereinzustimmen, und daher will ich sie als eine Vorsteher- drüse bezeichnen. In diesem Zusammenhang muß ich bei der Oupemaxs'schen Vagina masculina ein wenig verweilen. Meine Untersuchungen über dieses Organ stimmen gar nicht mit den seinen überein. Die Schnitt- serien zeigen nur eine besonders wohlentwickelte, tubulöse Drüse, die inmitten ein größeres Lumen besitzt (Fig. C1), das auch als Aus- führungsgang dient und fast medial in einem Lappen mündet, der vor der Mündung der oben erwähnten Drüse herabhängt. Auch diese ge- waltige Drüse dürfte am ehesten zu den Prostatadrüsen gerechnet werden, sowohl nach ihrem Bau als nach der Lage der Mündung in der Nähe der übrigen Prostatamündungen. Als eine Vagina masculina oder eine Art von Glandulae vesiculares kann man sie durchaus nicht bezeichnen. Glandulae urethrales sind als wohlentwickelte Drüsen- partien längs einer bedeutenden Strecke des Urogenitalkanals vor- handen. Sie können sogar ansehnliche Dimensionen erreichen. In ziem- lich großer Entfernung von den Mündungen der Prostata und der Vasa Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 57 deferentia findet sich ein kleineres Drüsenpaar, das in die Musku- latur der Urethra eingebettet ist. Dann fehlen auf einer ziemlich langen Strecke alle Drüsen. Erst gegen das Crus penis hin treten wieder Drüsenpartien auf. Sie folgen hier mehrere aufeinander in Tupaja javanica. Der Urogenitalkanal am Crus penis mit den Cowperr’schen Drüsen (g. ©) und den Urethraldrüsen (g.u) (Rekonstruktion). 11:1. der Mittellinie. Die meisten liegen auf der Dorsalseite des Uro- eenitalkanals. In der Gegend des Crus penis finden sich aber einige mehr laterale Drüsen. Zwischen den beiden Schenkeln des Crus penis liegt eine Drüse von so gewaltigen Dimensionen, dab sie den Cowper’schen Drüsen gleichkommen kann (Fig. D'). Auf einigen Schnitten habe ich konstatieren können, dab die Drüsen tubulös sind. Die Cowrer’schen Drüsen sind wohlentwickelt. Sie liegen unmittelbar hinter dem Crus penis, wo sie auch mit je einem sehr kurzen Ausführungsgang in den Urogenitalkanal münden. Die Wände sind mit einer Schicht von quergestreifter Muskulatur ausgestattet. Der Penis, der am Becken mit einem wohlentwickelten Crus befestigt ist, hat eine schwache Sform. Der proximale Teil ist aber nicht kopfwärts gerichtet. Er verjüngt sich allmählich, so dab die Pars libera nicht als eine Glans penis abgesetzt wird. Das Corpus 58 WALTER KAUDERN, fibrosum ist proximal normal entwickelt. Distal nimmt es aber etwas an Breite zu, bis es sich endlich in dem letzten Drittel des Penis spaltet und als 2 gleichlaufende, voneinander völlig getrennte Teile auf die Spitze der Pars libera ausläuft. Fast seiner ganzen Länge nach ist das Corpus fibrosum mit kleinen Nebensepten ausgestattet, die besonders im proximalen Teil, wo das mediale Septum schwach ist, zahlreich sind. Ein Os penis fehlt ganz. Das Corpus spongiosum mit dem Urogenitalkanal verläuft in einer Rinne, die vom Corpus fibrosum gebildet wird. Proximal, rings um den erweiterten Teil des Urogenitalkanals, nimmt das Corpus spongiosum bedeutend an Mächtig- keit zu und zeigt wenigstens bei dem jungen Individuum eine An- deutung eines medialen Septums. In der Pars libera dagegen spielt das Corpus spongiosum eine sehr unbedeutende Rolle. Die Pars libera, die in eine Spitze ausläuft, trägt keine Stacheln. Der Uro- genitalkanal mündet etwas hinter der Spitze aus. Die Präputial- höhle ist ziemlich tief und vom After durch ein breites Perineum getrennt. B. Allgemeiner Teil. Die Lage der Hoden. Bekanntlich ist schon lange die Frage nach der Lage der Hoden bei den Insectivoren erörtert worden, besonders da man unter diesen Säugern einen periodischen Descensus testiculorum vermutet hat. Dies gilt namentlich von den Formen, die einen Cremastersack in Verbindung mit einem Conus inguinalis besitzen. Es ist aber durch die Unter- suchungen mehrerer Forscher festgestellt, daß in den meisten Fällen wahrscheinlich kein periodischer Descensus vorliegt. So hat ARNBACK dies bei den Soriciden, Verfasser beiden Talpiden und WEBER und Verfasser bei Hylomys nachgewiesen. In bezug auf Gymnura und Erinaceus weib man bis jetzt nichts mit Sicherheit. Nur das steht fest, daß man Individuen dieser beiden Formen gefunden hat, bei denen die Hoden in Cremastersäcken liegen, und auch Individuen mit intraabdominalen Hoden in Verbindung mit einem Conus inguinalis. Ich habe in meiner frühern Untersuchung, teils mit Rücksicht auf die Verwandtschaft dieser beiden mit Hylomys, teils wegen der nicht seltnen Anomalien hinsichtlich der Lage der Hoden bei den Insectivoren, die Ansicht ausgesprochen, daß die Hoden hier ent- weder in einem Cremastersack eingeschlossen sein könnten, oder sie Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 59 blieben auf dem Jugendstadium stehen, d. h. in diesem Falle trete eine Art von Cryptorchismus äußerst häufig auf. Um diese Frage endgültig zu beantworten, wäre zweifelsohne ein sehr großes, systematisch beobachtetes Material nötig. Erstens hätte. man dann zu erforschen, ob während der Brunstzeit eine Ausstülpung des Cremastersackes stattfinde, und zweitens, wenn ein solcher peri- odischer Descensus vorhanden ist, ob er durch eine periodische Wanderung der Hoden oder durch die starke Turgescenz derselben veranlaßt ist. Wie schon erwähnt, fehlen vorläufig einwandsfreie Beweise sowohl für die eine als für die andere Theorie. Unten folgt ein Schema über die Lage der Hoden, das mit einigen kleinen Veränderungen dasselbe ist, welches ich früher ge- geben habe. A. Die Hoden bleiben immer intraabdominal (Testiconda). I. Die Hoden behalten ihre primäre Lage in unmittelbarer Nähe der Nieren Chrysochloridae; Centetinae; Macroscelides, Petrodromus. II. Die Hoden sind schwanzwärts verschoben und liegen in in der Inguinalgegend Oryzorictinae (Rhynchocyon ?). B. Die Hoden stehen in Verbindung mit einem Cremastersack. I. ohne ein Scrotum und a) ohne einen Conus inguinalis Potamogale, b) mit einem Conus inguinalis Soricidae, Talpidae. Solenodontidae, Gymnurinae, Erina- ceinae. II. mit einem Scrotum !) Tupaja. Canalis urogenitalis. Der Beckenabschnitt des Urogenitalkanals ist nach dem be- schreibenden Teil dieser Arbeit bei Zalpa und Erinaceus mit einer blindsackähnlichen Erweiterung versehen, die zuweilen als eine 1) Da ich nur über erwachsene Exemplare von Tupaja verfügt habe, läßt es sich nicht entscheiden, ob der Descensus testiculorum hier in Ver- bindung mit einem Conus inguinalis steht oder nicht. 60 WALTER KAUDERN, Vagina masculina, d. h. ein Rest der MÜLtEr’schen Gänge, bezeichnet worden ist. RaAuTHER hat aber, wie schon erwähnt, nachgewiesen, dab diese Bezeichnung sowohl für Zalpa als für Ærinaceus unzu- treffend ist. Auch bei Macroscelides und Tupaja finden sich Bildungen, die man als Vagina masculina gedeutet hat. Es handelt sich in beiden Fällen um eine große Drüse, die in ihrer Mitte ein geräumiges Lumen besitzt und medial in den Urogenitalkanal mündet. Ich habe sie im beschreibenden Abschnitt als Prostata behandelt aus Gründen, die ich unten darlegen werde. | Wenn diese große, kräftige Drüse eine Vagina masculina, d. h. ein Rudiment der Mürter’schen Gänge, wäre, so hätte hier ein ge- waltiger Funktionswechsel stattgefunden, indem sich die Rudimente zweier Ausführungsgänge, die in der Regel nicht mit Drüsen- bildungen auftreten, zu einer großen, einheitlichen Drüse umgebildet hätten. Ich bin der Ansicht, daß man diese unpaare Drüse bei Tupaja und Macroscelides als eine Prostatadrüse bezeichnen muß, bis uns die Embryologie einwandsfreie Beweise dafür geliefert hat, dab diese Drüse den Müurer’schen Gängen entstammt. Völlig homolog sind aber diese Bildungen bei Macroscelides und Tupaja nicht. Bei Macroscelides mündet die betreffende Drüse mitten zwischen den beiden Mündungen der Vasa deferentia aus, während sie bei Tupaja oberhalb dieser Mündungen in den Urogenitalkanal ausmündet. Außerdem ist bei T'upaja noch eine unpaare Drüse vor- handen, die wie die Prostata gebaut ist und mitten zwischen den Mündungen der Vasa deferentia mündet. Unter diesen Umständen muß wenigstens eine der unpaaren Drüsen bei Tupaja als eine Vor- steherdrüse bezeichnet werden, sonst wäre das Tier mit 2 Vaginae masculinae ausgestattet, einer oberhalb der andern, von verschiedenem Bau, obwohl sie desselben Ursprungs sein sollten, was sich kaum denken läßt. Es scheint mir deshalb ein wenig voreilig zu sein, wenn man, sobald man am proximalen Abschnitt des Urogenital- kanals eine unpaare Drüse findet, sie als eine Vagina masculina bezeichnet. Im folgenden Kapitel soll nachgewiesen werden, dab die Entstehung von Prostatadrüsen fast im ganzen Beckenabschnitt des Urogenitalkanals möglich ist und daß sie besonders in der Gegend der Mündungen der Vasa deferentia heimisch sind. Es scheint mir deshalb sehr wahrscheinlich, daß diese Drüsen sowohl paarig als unpaarig angelegt werden können. Auch bei Chrysochloris findet sich mitten zwischen den Vasa Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 61 deferentia ein unpaarer Drüsenschlauch, den ich nicht als eine Vagina masculina bezeichnen will, da sein Bau ganz mit der großen Drüsen- masse an der Basis der Harnblase übereinstimmt, von welcher er nur ein Teil zu sein scheint. Indessen ist jedenfalls ein embryologisches Material erforderlich, um die Natur dieser Drüse mit Sicherheit zu bestimmen. Bis aber sichere Beweise dafür vorgelegt worden sind, daß sie den MÜLLER’schen Gängen entstammt, scheint es mir wahrscheinlicher, daß sie nach der Definition (S. 3 Mom. IIc) als ein Teil der Prostata angesehen werden muß. Im übrigen bietet der Beckenabschnitt des Urogenitalkanals wenige von Interesse dar. Bei einigen Formen geht er unmerklich in den penialen Abschnitt über, bei andern dagegen ist er stark ver- jüngt und mündet mit einer engen Öffnung in den penialen Abschnitt aus. Letzteres gilt besonders für die Formen, bei denen der peniale Abschnitt des Urogenitalkanals proximal mit einem Blindsack aus- gestattet ist. Ob dieser Blindsack eine primitive oder eine sekundäre Bildung ist, läßt sich nicht leicht entscheiden. Infolge ihrer gleichartigen Be- schaffenheit in den Familien Chrysochloridae, Centetidae, Solenodontidae, Soricidae, Macroscelididae und Tupajidae, wo sie vorhanden ist, dürfte sie bei ihnen homolog und dann auch von hohem phylogenetischem Alter sein. Eine ähnliche Bildung soll auch bei andern Säugern vorkommen. Wenn die Ansicht von Boas richtig ist, daß die placen- talen Säugetiere während der Entwicklung ein Monotremenstadium durchlaufen, dann würde der betreffende Blindsack möglicherweise ein ungebildeter Rest des Teils des Urogenitalkanals sein können, der bei den Monotremen in direkter Verbindung mit dem Darm steht. Die Mündung des Urogenitalkanals auf der Pars libera kann sowohl terminal als dorsal und ventral sogar bei Formen liegen, die einander nahe stehen. In dieser Hinsicht bieten somit die Insecti- voren kein einheitliches Verhalten dar. Akzessorische Drüsen. Sowohl Oupemaxs als DissELzHORST haben umsonst versucht, einige von ihnen untersuchte Insectenfresser in betreff der akzes- sorischen Drüsen unter einem gemeinschafthichen Typus zu ver- einigen. Dies ist hinsichtlich des Baues der akzessorischen Drüsen auch gewiß nicht möglich. Die Verschiedenbeiten im Bau dieser Drüsen unter den Insectivorengruppen sind allzu groß. 62 WALTER KAUDERN, Ihre akzessorischen Drüsen sind aber von besonders großem Interesse, da sie bei verschiedenen Formen solche Grade der Aus- bildung aufweisen, daß man allein in dieser Säugerordnung sowohl mit den niederern Beuteltieren als mit den höhern Primaten Über- einstimmung findet. Um die Homologien, die möglicherweise hinsichtlich der akzes- sorischen Drüsen der verschiedenen Insectivorengruppen bestehen, klar zu machen, werde ich unten die verschiedenen Drüsengruppen in der betreffenden Säugetierordnung miteinander vergleichen. Drüsen, die dem Vas deferens angehören, sollen unter den In- sectivoren nach der Literatur in der Regel fehlen. Wie schon im beschreibenden Teil gezeigt wurde, sind sie aber mit Sicherheit bei 4 verschiedenen Typen vorhanden. Sie waren schon bei den Sori- ciden und bei Gymnurinen (Andeutung auch bei Erinaceus) be- kannt, und jetzt habe ich sie auch bei Tupaja und Chrysochloris nachgewiesen. Nun aber fragt es sich, ob diese Drüsenbildungen am Vas deferens bei den 4 oben erwähnten Gruppen homolog sind. Einige Verfasser haben schon die Vermutung ausgesprochen, dies sei der Fall betreffs Sorex, Gymnura und Hylomys. Diese Annahme wird durch meine Serienschnitte entschieden bestätigt. Die Soriciden aber scheinen mir besonders betreffs der ersten Anschwellung auf einem ursprünglichern Stadium als Aylomys und Gymnura zurück- geblieben, und unter den Soriciden ist Crocidura ursprünglicher als Sorez, denn wie schon vorher gezeigt wurde, finden sich bei Croci- dura am Vas deferens schwache Vertiefungen, dort, wo bei Sorex die 1. Anschwellung gelegen ist. Bei Hylomys würden dann die Drüsen- schläuche der 1. Anschwellung eine noch höhere Entwicklungsstufe als bei Sorex erreicht haben. Hinsichtlich der Drüsenbildungen bei Zupaja, die ich dem Bau nach als Ampullen und Glandula vesicularis bezeichnet habe, scheint mir ein Vergleich mit Sorex nicht ganz unmöglich. Die Ampulle bei Tupaja würde der 1. Drüsenanschwellung bei Sorex und die Glan- dula vesicularis der 2, Anschwellung entsprechen. Wie wir vorher gesehen haben, ist der Bau der Ampulle und der 1. Anschwellung übereinstimmend. Beide bestehen aus ziemlich einfachen Drüsen- schläuchen, die in der Muskulatur des Vas deferens eingebettet sind. Die Homologisierung der Glandula vesicularis mit der 2. Anschwellung ist unsicherer. Durch ihren Bau unterscheiden diese beiden sich wesentlich voneinander, denn während die 2. Anschwellung bei Sorex aus zahlreichen Drüsenschläuchen, die unmittelbar in das Vas defe- Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 63 rens münden, zusammengesetzt ist, kommt bei Tupaja eine wirkliche Glandula vesicularis vor, die mit einem wohlentwickelten Ausführungs- gang in das Vas deferens ausmündet, dadurch ihren Ursprung aus einem einzigen Drüsenschlauch dokumentierend. Obwohl der Bau dieser Drüsen keinen Beweis dafür geliefert hat, dab sie homolog sind, scheint mir dennoch ihre Lage im Verhältnis zu den oben be- handelten Drüsenbildungen anzudeuten, dab sie homolog sind, d.h, bei Sorex finden wir das primitive, mehr undifferenzierte Stadium, während bei Tupaja eine bedeutende Spezializierung stattgefunden hat, indem nur ein einziger Drüsenschlauch auf Kosten der übrigen eine enorme Entwicklung erreicht hat. Endlich will ich auch bemerken, dab mir Tupaja hinsichtlich des Vorkommens einer Glandula vesicularis viel mehr an die Pri- maten als an die übrigen Insectivoren zu erinnern scheint. Wie wir später sehen werden, erinnert Tupaja in mehreren andern Punkten an die Primaten, die Halbaften mitgerechnet. Auch bei Chrysochloris ist, wie schon erwähnt, das Vas deferens mit Drüsenbildungen versehen. Es scheint mir aber nicht möglich, diese Biidungen mit den Drüsenbildungen am Vas deferens zu homo- logisieren, die bei Soriciden, Gymnurinen und Tupaja vor- handen sind. Wie schon erwähnt, ist an meinem Material kein ver- schiedener Bau zwischen der Drüsenpartie, die in das Vas deferens mündet, und der, welche sich in den Urogenitalkanal öffnet, naclı- gewiesen. Unter diesen Umständen wird es bei Chrysochloris äuberst schwer, eine Grenze zwischen der Prostata und den Glandulae vasis deferentis zu ziehen, was die Homologisierung der Drüsenpartie er- schwert. Möglicherweise sind bei Chrysochloris in der Nähe der Mündungen der Vasa deferentia einige primitive Drüsen kräftig ent- wickelt und bilden einen Drüsenkomplex mit einheitlicher Funktion. Die einheitliche Drüsenmasse in 2 verschiedene Abschnitte einzu- teilen, wird dadurch nicht berechtigt, daß ein Teil dieser Masse dem Vas deferens, ein anderer Teil der Wand des Urogenitalkanals ent- stammt, der in der Nähe der Mündung des Vas deferens liegt. Schon früher habe ich als meine Ansicht ausgesprochen, dab bei den Insectivoren die Prostata einen sehr verschieden Grad der Entwicklung und der Gestaltung aufweist. Die vorliegende Unter- suchung hat dies vollständig bestätigt. Jeder Versuch, die ver- schiedenen Drüsentypen, die unter den Insectivoren vorkommen, zu homologisieren, ist umsonst gewesen. Ich habe schon betreffs Chrysochloris die Schwierigkeiten hervor- 64 WALTER KAUDERN, gehoben, die sich zeigen, wenn man den Drüsenkomplex an den Mündungen der Vasa deferentia sowohl mit den Glandulae vesi- culares als mit den Prostatadrüsen bei andern Insectivoren zu homo- logisieren versucht. Die Centetiden, die sich in mehrfacher Hinsicht als eine sehr primitive Gruppe dokumentieren, enthalten unter sich Formen, die sich hinsichtlich der akzessorischen Drüsen sogar nicht über die Stufe der Beuteltiere erheben. Nach LECHE sind unter den Centetiden zweifelsohne die Oryzorictinen die Gruppe, die am primitivsten ist. Dies gilt auch für die akzessorischen Drüsen. Es fehlt ihnen also eine wirkliche Prostata, und sie besitzen außer den CowPper’schen Drüsen nur Urethraldrüsen, die, nach der Art von gewissen Beutel- tieren, in der Nähe der Mündungen der Vasa deferentia besonders kräftig entwickelt sind. Bei den Oryzorictinen sind diese Drüsen gelappt, was auch bei den Beuteltieren der Fall sein kann. Bei den Centetinen ist die Entwicklung viel weiter gegangen, indem sich die dorsalen Lappen losgelöst haben und 2 deutlich ab- gegrenzte Drüsenpaare mit bestimmten Ausführungsgängen darstellen. Sie müssen also als Prostata bezeichnet werden. Die ventrale Drüsenpartie aber behält eine gewisse Ähnlichkeit mit den weiter nach unten gelegenen Urethraldrüsen, obwohl es nicht zu bestreiten ist, dab schon bei ihr eine gewisse Spezialisierung vorhanden ist. Bei den Potamogalinen ist die Differenzierung noch weiter gediehen. Hier haben sich nicht nur die dorsalen Lappen zu 2 Drüsenpaaren mit je 2 einfachen Ausführungsgängen entwickelt, auch die ventrale Partie stellt ein größeres Drüsenpaar dar, das mit je einem Ausführungsgang mündet. Auber diesen Prostatadrüsen besitzt Potamogale weiter nach unten am Urogenitalkanal noch ein Drüsenpaar, das bei den Ory- zorictinen und den Centetinen kein Gegenstück hat und das viel- leicht ein Ersatz der Cowper'schen Drüsen ist. Obwohl ich vonMacroscelididen nur Macroscelides untersucht habe, glaube ich dennoch, daß die Macroscelididen betreffs der Pro- stata wie im übrigen eine recht einheitliche Gruppe ist. Zwar sollen noch PETERS Glandulae vesiculares bei Petrodromus vorhanden sein. Es liegt hier jedoch zweifelsohne ein Irrtum vor, indem die angeblichen Glandulae vesiculares nur ein Teil der Prostata sind. Seine Ab- bildung scheint mir auch darauf hinzudeuten, daß die betreffende Drüse vom Vas deferens unabhängig in den Urogenitalkanal mündet. Wie schon erwähnt, finden sich bei Macroscelides an der Basis Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 65 der Harnblase 2 Drüsenpartien, von denen die eine mit zahlreichen Ausführungsgängen unterhalb der Vasa deferentia mündet, während die Mündungen der andern Partie, die eigentlich in 2 Drüsenpaare zerfällt, oberhalb der Vasa deferentia liegen. Das Bild, das PETERS von Rhynchocyon gibt, zeigt uns, daß auch hier eine langgestreckte dorsale Drüsenpartie und eine deutlich zweilappige ventrale Partie vorhanden sind. Zweifelsohne sind diese Drüsen bei Æhynchocyon mit denjenigen bei Macroscelides homolog. Auch Petrodromus scheint mir in dieser Hinsicht mit den beiden oben erwähnten Formen über- einzustimmen. Ob Peters „Glandula vesicularis ein Derivat der dorsalen oder der lateral-ventralen Partie ist, läßt sich natürlich ohne weiteres Untersuchungsmaterial nicht entscheiden. Man hat versucht, die akzessorischen Drüsen bei Macroscelides sowohl mit den Drüsen bei den Tupajiden als bei Erinaceus zu homologisieren. Weder der eine noch der andere Versuch scheint mir recht gelungen. Betreffs der Prostata kann ich zwischen Macroscelides und Erinaceus keine Ähnlichkeit finden. Macroscelides und Tupaja aber besitzen beide auf der Dorsalseite des Urogenital- kanals eine unpaare Drüse, die im Innern ein weites Lumen hat. Im übrigen ist der Unterschied zwischen diesen beiden so groß, dab man hier nicht von wirklichen Homologien reden kann. Die Prostata könnten bei den Soriciden, Talpiden und Gymnurinen möglicherweise homolog sein. Bei allen 3 Gruppen münden sie mit nur wenigen Ausführungsgängen — in der Regel 1 oder 2 Paaren — in der Nähe der Mündungen der Vasa deferentia. Die Mündungen liegen aber bald auf der Dorsalseite, bald auf der Ventralseite des Urogenitalkanals, was eine strenge Homologisierung “ der Prostata unmöglich macht. Unter den Soriciden weist Crossopus dadurch eine gewisse Ähnlichkeit mit den Talpiden auf, daß die beiden Prostatadrüsen mit je 2 Ausfiihrungsgiingen münden. Bei den Erinaceiden ist die Prostata von so eigentümlicher Beschaffenheit, daß es mir nicht möglich ist, Homologien mit den übrigen Insectivoren zu finden. Sie scheint eine von ihnen ganz verschiedene Entwicklung durchgemacht zu haben. Auch Tupaja zeigt hinsichtlich des Baues der Prostata keine nähere Verwandtschaft mit den Insectivoren, Macroscelides, wie schon erwähnt, ausgenommen. Mir scheint, die Beschaffenheit der Prostata bei den In- sectivoren deutet darauf, daß die Insectivoren solchen Säugern ent- 7001. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. B) 66 WALTER KAUDERN, stammen, bei denen die Prostata unentwickelt ist und sich nur Urethraldrüsen finden. Die Oryzorictinen sind auf diesem Stadium stehen geblieben. Im Laufe der Entwicklung sind gewisse Partien der Urethraldrüsen zu abgegrenzten Drüsen mit besondern Aus- führungsgängen geworden. Diese Drüsen entstammen verschiedenen Punkten des Urogenitalkanals und sind bei den verschiedenen Formen ganz unabhängige. In der Regel findet diese Differenzierung der Urethraldrüsen in der Nähe der Mündungen der Vasa deferentia statt. Unter dieser Annahme wird es natürlich nicht möglich, eine Homologisierung zwischen den verschiedenen Insectivoren-Gruppen durchzuführen. Auch der Umstand, daß die Ausführungsgänge der Prostata variieren, erschwert den Versuch, sie zu homologisieren. Die meisten Insectivoren besitzen wohlentwickelte CowPpEr’sche Drüsen. Es gibt indessen Formen, denen sie ganz fehlen, und die OupEMANS’sche Ansicht, sie fehlten allen im Wasser lebenden Säugetieren, dürfte sich auch zum Teil auf die Insectivoren an- wenden lassen. Unter den 3 im Wasser lebenden Insectivoren, die ich untersucht habe, Potamogale, Crossopus und Myogale, fehlen den beiden erstern die Cowper’schen Drüsen, während sie bei Myogale bedeutend schwächer als bei den übrigen Talpiden sind und nur teilweise aus der Muskulatur des Urogenitalkanals hervorragen. Vielleicht sind bei Potomogale und Crossopus die Cowrer’schen Drüsen durch ein Drüsenpaar ersetzt, das mehr kopfwärts am Urogenital- kanal liegt und bei ihren nächsten Verwandten kein direktes Gegen- stück hat. | Auch bei Ærinaceus fehlen die Cowper’schen Drüsen. Zweifels- ohne ist dies ein sekundärer Zustand, da sie bei Hylomys und Gym- nura, die als die primitiven Formen der Erinaceiden angesehen werden, noch vorhanden und normal entwickelt sind. Vielleicht hat bei Erinaceus die Prostata III die Funktion der Cowper’schen Drüsen übernommen. Nach Oupemans fehlen in der Regel den placentalen Säugern Urethraldrüsen, indem sich diese Drüsen zurückbilden, während an ihre Stelle die Cowrerschen Drüsen treten. Bei den Insectivoren kann man vielmehr sagen, daß in der Regel Urethraldrüsen vor- handen sind, die sogar zuweilen einen ansehnlichen Umfang besitzen können. Wie schon gezeigt wurde, gehören die Urethraldrüsen fast ausschließlich dem Beckenabschnitt des Urogenitalkanals an. Bei Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 67 Tupaja aber finden sie sich auch auf einem größern Teil des penialen Abschnitts. Nur bei Chrysochloris und Macroscelides habe ich keine Urethraldrüsen nachweisen können. Bei Sorex und Talpa treten sie als kleine einfache Drüsenschläuche auf. Bei andern Formen aber sind sie so groß geworden, daß einige Verfasser veranlaßt worden sind, einen Komplex solcher Drüsen als Cowrper’sche Drüsen zu bezeichnen. OupEMANS vermutet, dab sowohl die Prostata als die CowPEr- schen Drüsen hoch spezialisierte Urethraldrüsen seien. Diese Ver- mutung scheint mir durch die Verhältnisse bei den Insectivoren, besonders bei den Centetiden und den Erinaceiden und bei Tupaja, aufs schönste bestätigt zu werden. Ob auch die Glandulae ductus deferentis den Urethraldrüsen entstammen oder nicht, ist nicht ganz klar. Die Verhältnisse bei Chrysochloris scheinen mir aber anzudeuten, daß sie denselben Ur- sprung wie die Prostata haben. Der Penis. Wie wir gesehen haben, ist der Penis bei den verschiedenen Insectivoren-Gruppen von sehr ungleichartigem Bau. Man hat auch an diesem Organ keine Charaktere nachweisen können, die allen Insectivoren gemeinschaftlich wären. Früher habe ich hervorgehoben, daß bei Z'alpidae, Soricidae, Solenodontidae und Centetidae der proxi- male Teil der Rute kopfwärts, ihr distaler Teil schwanzwärts ge- richtet ist. Im Folgenden wollen wir jetzt sehen, ob vielleicht dieser Charakter auch bei den übrigen Insectivoren vorhanden und also für diese Säugetierordnung typisch ist und welche Charaktere der Rute primitiv oder sekundär sind. Chrysochloris läßt sich infolge der ganz schwanzwärts gerichteten Rute mit dem Typus, welchen wir als vermutlich gemeinsam be- trachten könnten, nicht zusammenstellen. Man muß die Verwandten dieser Form unter solchen Säugern suchen, die auch einen nach hinten gerichteten Penis besitzen. Dies ist bei den Duplicidentaten der Fall. TuLuBere sagt aber, daß die männlichen Geschlechtsteile bei Lepus sehr umgebildet sind, was mir jeden Vergleich zwischen Chrysochloris und den Duplicidentaten auszuschließen scheint. Im übrigen dürften die Nagetiere zu geringe Verwandtschaft mit den Insectivoren zeigen, um sich für einen Vergleich mit ihnen zu eignen. = Où 68 WALTER KAUDERN, Es würde sicherlich keine bessere Resultate geben, Chrysochloris mit noch höhern Säugern zu vergleichen. da schon der Vergleich mit den übrigen Insectivoren lehrt, daß diese Form nähere Verwandte unter ihnen nicht hat. Unter diesen Umständen bleibt nur übrig, zu erforschen, ob sich unter den niedern Säugern irgendeine Form findet, deren Rute von demselben Bau wie bei Chrysochloris ist. Aus der Literatur ergibt sich, daß dies bei den Beuteltieren nicht der Fall ist. denn der Penis ist hier mehr oder wenig deutlich knieförmig gebogen. Auch soll bei den Beuteltieren die Präputial- höhle nicht in eine Cloake, sondern unmittelbar auf die Körperober- fläche münden. ANotoryctes aber macht, wie Gapow nachgewiesen hat, sowohl betreffs des Penis als der Cloake eine Ausnahme von den übrigen Beuteltieren, indem bei ihm die Rute kurz, nach hinten gerichtet und nicht knieförmig gebogen ist und die Präputialhöhle 5 mm von der Körperoberfläche in den Darm mündet. Nur ein ge- naueres Studium der männlichen Geschlechtsorgane bei Notoryctes ver- mag darzutun, ob hier eine wirkliche Homologie zwischen Chrysochloris und Notoryctes vorhanden ist oder es sich nur, wie in vielen andern Beziehungen unter diesen beiden, um eine Konvergenz handelt. Aus der makroskopischen Untersuchung ergibt sich, daß die Pars libera bei Notoryctes und Chrysochloris verschieden ist. Bei Chrysochloris bildet. wie wir schon gesehen haben, der Uro- eenitalkanal eine offene Rinne auf der Dorsalseite der Pars libera. Ob diese Rinne mit der Spermarinne der Crocodile und Schildkröten homolog ist oder nicht, kann nur durch eine embryologische Unter- suchung festgestellt werden. Aus dem oben mitgeteilten dürfte zu ersehen sein, daß, obwohil bei Chrysochloris der Penis gewisse Charaktere mit den placentalen Säugern gemein hat, er auch solche Eigenschaften besitzt, die dieses Tier als einen Verwandten der niedern Säuger dokumentieren. Vor- läufig lasse ich es dahingestellt sein, ob man seine Vorfahren unter den Beuteltieren oder unter noch niedern Formen zu suchen hat. Wie ich schon vorher gezeigt habe, ist der Penis bei allen Cen- tetiden von sehr einheitlichem Bau. Die Unterschiede, die ich ge- funden habe, sind mehr quantitativer als qualitativer Art. Ohne allzu große Schwierigkeit kann man den Penis der Centetiden auf den knieförmig gebogenen Typus zurückführen, wenn man sich die sekundär erworbenen Charaktere reduziert denkt. Als ein solcher Charakter muß erstens das akzessorische Schwellgewebe bezeichnet Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 69 werden. Ich bin auch der Ansicht, daß die fadenförmige, zusammen- gefaltete Pars libera ein sekundärer Erwerb ist, d. h. der Penis würde ursprünglich mit dem Penisknochen geendigt haben. Nach dieser Reduktion bleibt uns ein einfacher, knieförmig gebogener Penis mit einer Präputialhöhle übrig, die sich in die Cloake öffnet, ein Stadium, das sehr an die Soriciden erinnert. Fig. F1. Fig. E!. Æriculus setosus. Die männlichen Geschlechtsorgane in situ P Penis. V.w Vesica urinaria. Pr Prostata. Gl. C Glandula Cowperi. R Rectum. 4:3. Fig. Fl. ÆEriculus setosus. Fütus. P Penis. Gl.C Glandula Cowperi. 8:3. Die Richtigkeit der Annahme, daß das akzessorische Schwell- sewebe und die fadenförmige Pars libera sekundäre Bildungen sind, wurde durch meine Untersuchungen an Jungen und an einem Fötus von Ericulus bestätigt (Fig. Elu. F}). Je jünger das Tier ist, um so schwächer die Ausbildung des akzessorischen Schwellgewebes und der fadenförmigen Pars libera. Der proximale Teil des Penis, d.h. der Teil, der das Corpus fibrosum enthält und mit dem Os priapi endet, zeigt dieselbe knieförmige Umbiegung, die wir bei den er- wachsenen Individuen kennen gelernt haben, nur mit dem Unter- schied, dab bei den Jungen der Penis eine mehr mediale Lage hat. Die Ontogenie liefert also den Beweis dafür, daß der proximale, knieförmig gebogene Teil des Penis ursprünglicher als das akzes- sorische Schwellgewebe und die fadenförmige Pars libera ist. In diesem Zusammenhang will ich auch hervorheben, daß meine früher ausgesprochene Vermutung, daß bei den Centetiden und Soriciden die Cloake ein sekundärer Erwerb sei, nicht durch die Ontogenie bestätigt worden ist. Denn obgleich der Penis auf dem 70 WALTER KAUDERN, Jugendstadium von einfacherm Bau als bei den erwachsenen Indi- viduen ist, ist bei den Jungen die Cloake nicht seichter, sondern vielmehr tiefer als bei den erwachsenen Tieren. Die Soricidae, Talpidae, Solenodontidae und Macroscelididae, die alle einen mehr oder weniger knieförmig gebogenen Penis besitzen, Fig. G1. Penis in situ bei a Crocidura indica, b Sorex vulgaris, ¢ Talpa europaea, d Macro- scelides rozeti. 2.9.38, DH AC Olah pct WRC P Penis. V.u Vesica urinaria. Gl.v.d Glandula vasis deferentis. Gl. C Glandula Cowperi. R Rectum. A After. bilden eine Entwicklungskette, in welcher einige Soricidae mit einer wohlentwickelten Cloake und Macroscelides mit einer Vorhaut mitten auf der Bauchwand die äubersten Gegensätze sind (Fig. I u. Gt). Im übrigen ist bei diesen 4 Gruppen die Rute von so verschiedenem Bau, daß hier nicht von einer nahen Verwandtschaft die Rede sein kann. Weder für die Soriciden noch für die Talpiden kann man einen Typus aufstellen, der für alle Formen gemeinschaftlich wäre. Vielmehr scheint in diesen Gruppen die Rute mehrere Richtungen der Entwicklung eingeschlagen zu haben. Hinsichtlich der Soricidae will ich aber hervorheben. daß der Mangel eines Os penis und irgendeiner Bewaffnung der Pars libera zweifelsohne als ursprüngliche Charaktere bezeichnet werden müssen. Unter den Talpidae ist die Rute von wechselndem Bau. Ge- Männliche Geschlechtsorgane von Inseetivoren und Lemuriden. Fall wöhnlich findet man das Präputium vom After durch ein deutliches Perineum getrennt. Talpa micrura und Mogera insularis erinnern durch ein sehr kurzes Perineum an die Soriciden. Die Entwicklung des Corpus fibrosum ist sehr verschieden. Folgendes Schema gibt die verschiedenen Typen desselben an. Aus diesem Schema (Fig. H1) a b Cc d e Rios Hi. Schematische Darstellung der verschiedenen Entwicklungsstufen des Corpus fibrosum, des Septum und des Os penis bei den Talpidae. a Talpa europaea, b Scapanus breweri, ce Myogale moschata, d Scalops aquaticus u. Condylura cristata, e Talpa micrura u. Mogera insularis. ergibt sich, daß in der Gattung Zalpa 2 divergente Typen durch Talpa europaea und Talpa micrura repräsentiert sind. Bemerkenswert ist, daß in dieser Hinsicht Talpa micrura mit Mogera insularis ganz übereinstimmt, was vielleicht darauf hindeutet, daß die Gattung Talpa eigentlich in 2 Gattungen geteilt werden sollte. Den ameri- kanischen Formen fehlt im distalen Teil des Penis ein Septum. In dieser Hinsicht stimmen sie mit Solenodon überein. Bei Myogale fehlt es ganz. In diesem Zusammenhang dürfte auch die Frage nach dem Ur- sprung der akzessorischen Schwellorgane zu behandeln sein. Wie wir gesehen haben, weisen diese Bildungen bei Centetidae, Soricidae und Talpidae einen verschiedenen Grad der Entwicklung auf. Bei allen Formen weichen diese akzessorischen Schwellorgane durch ihren Bau vom Corpus fibrosum und Corpus spongiosum ab. Sie scheinen (wenigstens bei Sorex und Talpa) durch eine Vascularisierung des sub- cutanen Bindegewebes entstanden zu sein. Falls diese Annahme richtig ist, wären diese akzessorischen Schwellorgane bei den 3 oben 12 WALTER KAUDERN, erwähnten Gruppen homologe Bildungen. Im Folgenden werde ich die primitiven Penisformen als Ausgangspunkt nehmen, um zu ver- suchen, die Entstehung der übrigen aus ihnen abzuleiten. Der primitive Typus ist zweifelsohne durch Sorex vertreten, wo das Schwellgewebe fast ausschließlich präputial ist (Fig. I’a u. Jta). Eis: Querschnitt durch den Penis von a Sorex, b Condylura, e Crossopus, 4 Microgale. ©. f Corpus fibrosum. C.w Canalis urogenitalis. a. 5 akzessorisches Schwellgewebe. G.l Glandarlamelle. Pr.h Präputialhöhle 15:1. Bei Talpa findet sich das akzessorische Schwellgewebe auch ein wenig auf den Penisschaft ausgebreitet. Der Unterschied zwischen Sorex und Talpa scheint mir aber sehr unbedeutend zu sein. Condylura (Fig. I!b u. Jb) läßt sich ziemlich gut mit Talpa europaea vergleichen. Das akzessorische Schwellgewebe dürfte bei Condylura dadurch entstanden sein, daß die Präputialhöhle auf dem Jugend- stadium von Talpa stehen geblieben wäre, während das akzessorische Schwellgewebe bedeutend an Größe zugenommen hätte. Unter diesen Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 73 Umständen hat die ursprüngliche Präputialhöhle als eine solche zu fungieren aufgehért, und an ihre Stelle ist eine sekundäre Präputial- höhle getreten, die wahrscheinlich eine Einstülpung der Wand der ursprünglichen Präputialhöhle ist. Eine embryologische Untersuchung könnte uns vielleicht volle Klarheit über die historische Entwicklung geben. Bei den Centetidae ist die Ausbildung noch weiter fortgeschritten. Der akzessorische Schwellzylinder ist distal mehr und mehr gewachsen und bildet endlich zusammen mit dem Corpus spongiosum einen An- hang der ursprünglichen Rute. Die ursprüngliche Präputialhöhle ist auch hier völlig reduziert worden (Fig. I'd u. J'd). Eine wirkliche Zwischenform zwischen Condylura und Centetes habe ich nicht gefunden. Vielleicht aber konnte Crossopus in gewisser Beziehung als eine solche Form bezeichnet werden (Fig. I’e u. J'e). a b c d Cf Z as 7 4 “4 N V) SP Fig. J!. Schematische Darstellung der verschiedenen Entwicklungsstufen des akzessorischen Schwellgewebes bei a Sorex u. Talpa europaea, b Condylura cristata, e Crossopus fodiens, d Centetidae. a. S akzessorisches Schwellgewebe. p. P primäre Präputial- ©. f Corpus fibrosum. s. P sekundäre Präputialhöhle. höhle oder Glandarlamelle. Bei ihm reichen nämlich die kräftig entwickelten akzessorischen Schwellorgane nicht vor die Pars libera penis. Soweit es mir möglich war, die Entwicklung des Penis bei Centetiden zu verfolgen, zeigt sie uns, wie schon vorher bemerkt wurde, daß die Rute bei Cente- tiden von solchen Formen abstammt, bei denen der akzessorische Schwellzylinder nicht über das Corpus fibrosum hinausragt. Um zu ermitteln, ob die Erinaceinen mit ihrem ganz kopfwärts 74 WALTER KAUDERN, gerichteten Penis möglicherweise von solchen Formen abstammen, die wie die oben besprochenen Insectivoren einen knieförmig ge- bogenen Penis besaßen, habe ich Junge sowohl als Embryonen von Erinaceus europaeus von verschiedenem Alter untersucht. Stadium I Das ausgewachsene Individuum, das schon vorher beschrieben wurde (Fig. K1). Stadium II. Bei einem 120 mm langen Jungen verhält sich die Rute fast ganz wie bei dem erwachsenen Tier. Die dorsale Partie der Pars libera ist ein wenig länger als die ventrale. Die Vorhaut ist wie bei den Erwachsenen vom After durch ein breites Perineum getrennt. Sta dın nae I Der Penis eines 75 mm langen Jungen ist ungefähr wie die Rute des erwachsenen Individuums gebaut. Die ventrale Partie der Pars libera ist hier aber bei weitem nicht so kräftig wie bei dem erwachsenen Individuum. Die dorsale Partie ist bei dem Jungen verhältnismäßig größer und länger. Ferner zeigt auch der proxi- male Teil der Pars libera, besonders die Dorsalseite desselben, eine starke Tendenz schwanzwärts gerichtet zu werden. Auch die Vorhaut hat diese Tendenz. Das Perineum ist nicht so breit wie bei den Erwachsenen (Fig. Lt). Stadium IV. Ein Fötus von 30 mm Scheitel-Steißlänge besitzt einen Sförmig gebogenen Penis ganz wie die Talpiden. Dadurch wird auch die Vorhaut schwanzwärts gerichtet und das Perineum noch kürzer als bei dem Stadium III (Fig. Mi). Stadium V. Bei einem Fötus von 21 mm Scheitel-Steiflänge ist die Rute deutlich umgebogen. Der kopfwärts gerichtete Teil aber ist hier bei weitem nicht so lang wie auf dem Stadium IV, und ein Perineum fehlt fast völlig (Fig. N?). Die individuelle Entwicklung bei Ærinaceus zeigt uns also, dab die Erinaceinen solchen Formen entstammen, die hinsichtlich des Baues der Rute mit den übrigen Insectivoren übereinstimmen, d.h. Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 75 der Penis war bei den Vorfahren von Erinaceus Sförmig gebogen, so dab die Pars libera schwanzwärts gerichtet war. Die Differenzierung der Pars libera in einen dorsalen und einen ventralen Abschnitt ist ein sekundärer Erwerb. Der dorsale Abschnitt ist als der ältere Fig. M! Fig, N! Fig. K!. Penis von Erinaceus europaeus. P Penis. B Becken. R Rectum. V.u Vesica urinaria. 2:3. Fig. LL! Erinaceus europaeus. Stadium III. P Penis. V.u Vesica urinaria. T Hode. @I.C Glandula Cowperi. 10:3. Fig. M!. Erinaceus europaeus. Stadium IV. P Penis. V.w Vesica urinaria. i Hodes 10:3. Fig. N!. Erinaceus europaeus. Stadium V. Die Afterregion. 12:1. und der ventrale, vom Corpus spongiosum gebildete Abschnitt als eine sekundäre Bildung von der Ventralseite der Pars libera auf- zufassen. Aus einem Vergleich zwischen Hylomys und Gymnura einerseits 16 WALTER KAUDERN, und den Entwicklungsstadien von Ærinaceus andrerseits ergibt sich, dab Gymnura mit der einheitlichen Pars libera einem ziemlich jungen Stadium von Erinaceus entspricht. Die Entwicklung ist bei Aylomys noch weiter fortgeschritten und dürfte vielleicht einem etwas ältern Erinaceus-Stadium entsprechen. Bei Hylomys zeigt nämlich die Pars libera die Andeutung einer Zweispaltung, so daß hier der ventrale Teil ausschließlich vom Corpus spongiosum gebildet wird. Obwohl ich nur ein Junges von Gymnura rafflesii untersucht habe, glaube ich dennoch die Ansicht aussprechen zu können, daß die Ent- wicklung des Penis bei Gymnura dieselbe wie bei Ærinaceus ist. Bei dem Jungen von Gymnura ist die Rute kopfwärts gerichtet, wie bei dem erwachsenen Tier, die Pars libera aber ist vorn schwach nach hinten gebogen. Zweifelsohne ist bei noch jüngern Stadien diese Umbiegung noch kräftiger. Es bleibt uns jetzt nur übrig zu untersuchen, ob der Penis bei Tupaja solchen Formen entstammt, die einen Sförmig, kopfwärts ge- bogenen Penis besitzen. Bei einem Fötus von 39 mm Scheitel-Steib- länge war die Rute ungefähr wie bei dem erwachsenen Individuum gerichtet und wies auch keine Andeutung einer Sförmigen Umbiegung auf (Fig. O!b). Es scheint also, als ob bei Tupaja der Penis kein solches Fig. OF a Tupaja javanica. Der Cremastersack und der Penis in situ Sy Symphysis pubis. b Tupaja ferruginea. (Fötus.) Die Afterregion. P Penis. 2:1. Sförmig gebogenes Stadium durchmacht, sondern er dürfte immer, von der Körperwand frei, mehr oder weniger schräg schwanzwärts gerichtet gewesen. Was bisher vom Penis gesagt wurde, gilt hauptsächlich von seiner Richtung und der verschiedenen Entwicklung des Corpus fibrosum. Auch das Corpus spongiosum besitzt Charaktere, die da- durch interessant werden, daß sie Bezienungen zu den Beuteltieren offenbaren. Der proximale Teil des Corpus spongiosum ist nämlich Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 7 =] sehr oft stark angeschwollen — Centetidae, Soricidae, Macroscelididue, Gymnurinae, Tupajidae und sicherlich auch Solenodontidae — und zu- weilen mit einem Septum versehen. Auch kommt, wie z. B. bei Macroscelides, eine Andeutung einer Zweispaltung desselben vor. Sämtliche Insectivoren außer Chrysochleris und Tapaja besitzen also einen Sförmig gebogenen Penis oder können aus Formen abge- leitet werden, die einen solchen Penis besaßen. Die Erinaceiden und die Centetiden weichen durch sekundäre Veränderungen am meisten von dem ursprünglichen Typus ab. Ein solcher Sförmiger Penis dürfte aus einem Stadium hervor- gerangen sein, wo er gerade und völlig schwanzwärts gerichtet ist. Mit zunehmender Länge wird ein solcher schwanzwärts gerichteter Penis genötigt sich umzubiegen, um auf derselben Stelle münden zu können. Diese Bucht wird dann erößer und größer. Ist in- zwischen die Präputialhöhle vom After nicht getrennt worden, so entstehen solche Verhältnisse, wie wir sie bei den Centetiden und gewisse Soriciden gefunden haben. Im allgemeinen strebt aber die Präputialhöhle sich vom After zu trennen und kopfwärts zu wandern. Obwohl dies bei mehreren Insectivoren der Fall ist, behält doch der Penis gewöhnlich seine kniefürmige Umbiegung. Ich halte dies deshalb für einen Charakter von hohem phylogenetischem Alter. Bei den von mir untersuchten Embryonen !) habe ich kein Stadium gefunden, das einen ganz geraden und schwanzwärts gerichteten Penis besitzt. Die Sform der Rute dürfte also bei den Insectivoren schon lange fixiert gewesen sein. Chrysochloris, der ein solches primitives Stadium darstellen soll, muß wenigstens in dieser Hinsicht als von den übrigen Insectivoren isoliert bezeichnet werden. Phylogenie. Aus dem oben von dem Bau der männlichen Geschlechtsorgane bei den Insectivoren Mitgeteilten dürfte zu ersehen sein, dab sich kaum einige Charaktere finden, die für die ganze Ordnung gemein- schaftlich sind, sondern in dieser Beziehung ist sie vielmehr so hetero- sen, dab gewisse Familien wenigstens eine Sonderstellung unter den Insectivoren einnehmen. Ich bin der Ansicht, dab die Chrysochloridae und die Tupajidae von den übrigen Insectivoren so bedeutend abweichen, dab erstere 1) Allerjüngste Embryonen habe ich nicht untersucht. 18 WALTER KAUDERN, eine tiefere, letztere eine höhere Stellung als diese einnehmen müssen, falls ihre Anatomie im übrigen keine Hindernisse in den Weg legt. Die eigentlichen Insectivoren werden folglich durch einen Sförmigen Penis charakterisiert, d. h. der proximale Teil des Penis ist kopfwärts, der distale Teil schwanzwärts gerichtet, wobei entweder letzterer mit seiner Präputialhöhle in die Cloake mündet oder die Präputialhöhle vom After durch ein Perineum getrennt wird. Auch fehlen ihnen echte Vesiculae seminales. Uber die phylogenetische Stellung von Chrysochloris sagt LECHE im Jahre 1907, daß „die Chrysochloridae sich mehr von den übrigen Insectivoren unterscheiden als diese unter sich“ und ferner: „einige der dieser Familie eigentümlichen Charaktere, so vor allem die Be- schaffenheit des Jochbogens, das Verhalten des M. rectus abdominis und des M. tibialis anticus, sowie wohl auch die Länge der Brust- region, weisen den Chrysochloridae entschieden eine ursprünglichere, tiefere Stellung als den übrigen Insectivoren an, indem diese Eigen- schaften Beziehungen zu Sauriern und Monotremen offenbaren“. Sein schließliches Urteil spricht dieser Verfasser in folgenden Worten aus: „Zweifelsohne stellen die Chrysochloridae unter allen lebenden Eutheria den niedriesten Typus dar, welcher sich durch starke, ein- seitige Spezialisierung vom Untergange gerettet hat, ganz wie es der Fall mit den Monotremen ist.“ Meine Untersuchungen über die männlichen Geschlechtsorgane haben, wie schon erwähnt, ganz dasselbe Resultat gegeben wie Lecue’s Untersuchungen über die übrigen Organsysteme. Zweitelsohne wäre es am richtigsten, die Chrysochloriden als eine besondere Unterabteilung der Insectivoren zu bezeichnen, die auf einer niedern Stufe der Entwicklung stehen geblieben sind, wenn man sie nicht aus dieser Ordnung ganz ausschließen will. Zwar bestehen zwischen den Chrysochloriden und den Centetiden gewisse Überein- stimmungen, sie sind aber, wie LEcHE nachgewiesen hat, von primi- tiver Natur, während alle mehr spezialisierten Charaktere dieser beiden wesentlich verschieden sind, so daß ihr gemeinsamer Ursprung unwillkürlich in eine sehr entfernte Zeit verlegt werden mub. Die Stellung der Z'upajidae soll zusammen mit den Halbaffen näher behandelt werden. Hier will ich nur das hervorheben, daß Tupaja echte Glandulae vesiculares besitzt und dab die Rute vom Crus an schwach Sförmig gebogen ist, ohne daß der proximale Teil des Penis kopfwärts gerichtet ist (Fig. O'a). Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 79 Wenn wir die Tupajiden und die Chrysochloriden aus- schließen, bleibt uns noch übrig, die phylogenetische Stellung der übrigen Insectivorenfamilien, d. h. der Centetidae, der Solenodontidae, der Macroscelididae, der Soricidae, der Talpidae, und der Erinaceidae, klar zu machen, welche ich als echte Insectivoren bezeichnen möchte. Unter ihnen haben die Centetidae die meisten primitiven Charak- tere beibehalten. So besitzen sie eine ziemlich tiefe Cloake, die ak- zessorischen Drüsen sind bei den Oryzorictinen sogar auf dem Marsupialstadium geblieben. und bei Centetinen behalten die Hoden zeitlebens ihre embryonale Lage bei. Diese Charaktere finden sich nur selten unter den übrigen Insectivoren-Familien und niemals alle auf einmal. Mit gewissen Soriciden stimmen die Centetiden darin überein, daß beide eine Cloake besitzen. Diese ist aber bei den Soriciden viel seichter als bei den Centetiden. Auch bei Macroscelides bleiben die Hoden zeitlebens in der Nähe der Nieren. Der Nebenhoden aber hat hier solche Veränderungen erlitten, dab er an die Verhältnisse bei den Talpiden erinnert. Wenn auch das Vorkommen einiger primitiver Charaktere keinen absoluten Beweis für die primitive Stellung der Centetiden den übrigen Insectivoren gegenüber liefert, so machen diese Charaktere jedenfalls eine solche Stellung sehr wahrscheinlich. Die sekundären Veränderungen, die bei den Centetiden stattgefunden haben, be- stätigen die Annahme der Sonderstellung der Centetiden. Bei den Centetiden hat der Penis, wie wir schon kennen gelernt haben, in hohem Grade sekundäre Veränderungen erlitten und ist in der ganzen Familie von so identischem Bau, wie keine andere Insecti- voren-Familie ihn aufweisen kann. Auch erscheint der bei den Oryzorictinen und Potamogalinen beginnende Descensus testiculorum nicht ganz homolog mit dem Descensus der übrigen Insectivoren. Von der Verwandtschaft zwischen den Centetinae, Oryzorictinae und Potamogalinae sagt Lecur, Potamogale stamme von einer Micro- gale-ähnlichen Form ab. Um die verschiedenen Charaktere der männlichen Geschlechtsorgane übersichtlich zu machen, habe ich folgendes Schema aufgestellt (s. folgende Seite). Aus diesem Schema ergibt sich, daß bei Oryzorictes fast alle Charaktere primitiv sind und daß bei Potamogale die Charaktere außer No. 6 in höherm oder geringerm Grade sekundäre Verände- rungen erlitten haben. Bei Centetes dagegen sind die Charaktere No. 1 und No. 3 primitiver Natur, während alle übrigen sekundär 80 WALTER KAUDERN, Oryzorictes Potamogale Centetes 1: Hoden inguinal, | inguinal, embryonale Lage ohne Cremastersack mit Cremastersack 2. Prostata nicht deutlich | wohlentwickelt zum Teil entwickelt entwickelt | 3. | Cowrer’sche vorhanden | fehlen vorhanden Driisen 4. Präputial- undifferenziert wohlentwickelt fehlen drüsen | | : ; à | 5). Analdriisen undifferenziert | am Rande der außerhalb der Cloake miinden in die Cloake | Cloake | : à | . | 9 6. Crus Penis wohlentwickelt | wohlentwickelt schwach entwickelt verändert worden sind. Dies gilt auch von No. 6, was aus der Embryologie hervorgeht. Potamogale kann also von einer Oryzorictes-ähnlichen Form, aber nicht von einer Centetes-ähnlichen abstammen. Auch kann Centetes nicht von einer Potamogale-ähnlichen Form abstammen. Was No. 1 betrifft, kann Centetes nicht einer Oryzorictes-Form entstammen, wohl aber einer Stammform, die dieser nahe steht. Bei Solenodon, der nach LECHE in mehreren Beziehungen, nament- lich durch primitive Charaktere, mit den Centetiden übereinstimmt, ist der männliche Geschlechtsapparat von einem ganz andern Typus als bei den Centetiden, was Dogson veranlaßt hat, folgendes zu äußern: „The penis resembles in no respect that of any species of Centetidae“. Der Bau des Penis und die Lage der Hoden scheinen, soweit sich dies aus Dogson’s Abbildungen erkennen läßt, mit den Ver- hältnissen der Soricoidea übereinzustimmen. Unter diesen Umständen dürfte es schwierig sein, die richtige Stellung von Solenodon zu ent- scheiden. Wahrscheinlich hat er sich schon auf einem so frühen Stadium von seinen Verwandten gesondert, dab es jetzt große Schwierigkeiten darbieten muß, festzustellen, ob sein Ursprung in der Nähe von den Centetiden oder den Soricoiden liegt. Entweder ist Solenodon ein Centetide, der die Fähigkeit gehabt hat, sich in gewisser Hinsicht in derselben Richtung wie die Soricoiden zu ent- wickeln, oder er ist eine Form, die sich so früh von den Vorvätern der Soricoiden gesondert hat, daß noch mehrere primitive Charaktere bei ihm vorhanden sind, die sowohl den Urformen der Centetiden als Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 81 der übrigen Insectivoren zukommen. Ich bin der Ansicht, daß letzteres das Wahrscheinlichste ist. Die Soricidae sind nach LEcHE unter den Insectivoren die, welche den Centetiden am nächsten stehen. Auch hinsichtlich des männlichen Geschlechtsapparats zeigen sie Charaktere, die mit den Centetiden übereinstimmen. Zu gleicher Zeit haben sie aber sekun- däre Veränderungen erfahren, die sie den höhern Formen nähern. An die Soriciden schließen sich unmittelbar die Talpiden sowohl durch den allgemeinen Bau der männlichen Geschlechtsorgane als durch das Vorkommen von Zwischenformen. So steht Crossopus den Talpiden dadurch nahe, dab die Prostata auf jeder Seite mit 2 Ausführungsgängen mündet, während Talpa micrura und Mogera in- sularis in hohem Grade an die Soriciden durch ihr kaum merkliches Perineum erinnern. Unter den 3 von mir untersuchten Soriciden weicht Crossopus mehr von den übrigen ab als diese unter sich, was aus folgendem Schema erhellt. Sorex | Crocidura | Crossopus 1. Urogenital- = Centetes, = Centetes, stark asymmetrisch kanal symmetrisch symmetrisch umgebildet 2. [GI vasis defer. 2 Stiick | 1, Anlage einer 1, sehr langge- zweiten streckt 3. Prostata münden mit einem | münden mit einem | münden mit zwei Paar von Ausfüh- | Paare von Ausfüh- Paaren von Ausfüh- rungsgängen rungsgängen rungsgängen. Ein zweites Drüsenpaar weiter nach hinten am Urogenitalkanal 4. |Urethraldrüsen| kleine, seichte, ein- kleine, seichte, ein- | ziemlich tiefe, ver- fache Drüsen- fache Drüsen- ästelte Drüsen- schläuche schläuche schläuche 5. | Cowrer’sche vorhanden vorhanden fehlen Drüsen 6. | Akzessorische [schwach entwickelt schwach entwickelt) besonders kräftig Schwellorgane | entwickelt Die gegenseitige Stellung der Talpiden ist schon im Zusammen- hang mit dem Penis behandelt worden. Über die Stellung der Macroscelididae sind die Meinungen ver- schieden. Einige Verfasser sind der Ansicht, daß sie den Tupajiden, Zool. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. 6 82 WALTER KAUDERN, andere, daß sie den Erinaceiden nahe stehen. Da ich schon vorher die Tupajiden als nicht zu den eigentlichen Insectivoren gehörig behandelt habe, bleibt nur übrig zu ermitteln, ob die Beschaffenheit der männlichen Geschlechtsorgane auf eine nähere Verwandtschaft zwischen den Macroscelididen und Erinaceiden hindeutet. Zu diesem Zweck füge ich folgendes Schema bei. Macroscelides Gymnurinae Erinaceinae 18 I. age der Hoden embryonal in Cremastersack | in Cremastersack 2.| Urogenital- [= Centetiden und | von Centetiden und | von Centetiden und kanal Sorieiden Soriciden verschie- | Soriciden verschie- | den den 3. Penis knieförmig gebogen, kopfwärts gerichtet, kopfwärts gerichtet lang und schmal | ohne Umbiegung ohne Umbiegung | (embryonale Um- | (embryonale Um- biegung), dick biegung), dick 4, Pars libera sich verjiingend, stumpf, mit stumpf, zweigespal- penis ohne Bewaffnung | einzelnen Stacheln | ten mit 2 Reihen bewaffnet von Stacheln 5. lGL vasis defer. fehlen 2 Stiick Andeutung 6. Prostata so verschieden, daß eine sichere Homologisierung nicht möglich ist. 7. |Urethraldrüse n| fehlen | wohlentwickelt | wohlentwickelt Aus diesem Schema geht hervor, daß Macroscelides hinsichtlich des Baues der männlichen Geschlechtsorgane in keinem einzigen Punkt mit den Erinaceiden übereinstimmt. In den 4 ersten Punkten stimmt Macroscelides mit mehr primitiven Formen überein, während die Erinaceiden im Punkte 7 primitiver erscheinen. Eine nähere Verwandtschaft zwischen den Macroscelididen und den Erinaceiden ist also bezüglich der männlichen Geschlechtsorgane nicht vor- handen, wenn auch gewisse andere Charaktere für eine solche An- nahme sprechen, sondern ihre gemeinschaftliche Wurzel muß auf einem sehr primitiven Stadium liegen. Da A. Carusson fast ausschließlich die männlichen Geschlechts- organe bei Macroscelididen mit den Tupajiden und den Erinaceiden verglichen hat, bleibt nur übrig festzustellen, ob vielleicht die Macroscelididen mit irgendeiner andern Insectivorengruppe ver- wandt sind, z. B. mit den Soriciden oder den Talpiden. Siehe folgendes Schema! Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 83 Macroscelides Soricidae Talpidae 1. [Lage der Hoden embryonal in Cremastersack | in Cremastersack 2.]| Urogenital- |penialer Abschnitt | penialer Abschnitt | penialer Abschnitt kanal mit Blindsack mit Blindsack ohne Blindsack 3. Penis knieförmig gebogen, knieförmig gebogen, knieförmig gebogen, lang und schmal | lang und schmal |bei einigen lang und schmal 4. Pars libera sich verjüngend, | sich verjüngend, |bei einigen sich ver- penis ohne Bewaffnung | ohne Bewaffnung | jüngend, lang und schmal 5. [GI vasis defer. fehlen vorhanden fehlen 6. Prostata eine dorsale, eine! entsprechen möglicherweise der dor- ventrale Partie salen Partie bei Macroscelides 7. [Urethraldrüsen fehlen schwach entwickelt|schwach entwickelt 8. Perineum groß fehlt oder kaum | ziemlich wohlent- merkbar bei einigen, wickelt wenigstens bei gewissen Formen Aus diesem und dem vorigen Schema geht hervor, dab Macro- scelides in bezug auf die männlichen Geschlechtsorgane eine nähere Verwandtschaft mit den Soriciden und den Talpiden als mit den Erinaceiden zu zeigen scheint. Um die Verwandtschaft fest- zustellen, ist natürlich eine allseitige Untersuchung nötig. Noch bleibt uns übrig die Stellung der Ærinaceidae unter den übrigen Insectivoren klar zu stellen. Ich habe aber bei den männ- lichen Geschlechtsorganen keine solchen Charaktere finden Können, die als Leitfaden dienen können. Die Gymnurinen, die auch hin- sichtlich des Baues der ‘männlichen Geschlechtsorgane im großen Ganzen primitiver als die Erinaceinen sind, zeigen betreffs der ak- zessorischen Drüsen gewisse Ähnlichkeiten mit den Soriciden, die aber zu untergeordneter Natur sind, um eine nähere Verwandtschaft zwischen den Soriciden und den Gymnurinen zu beweisen. 4. Lemuridae.') Unsere Kenntnisse über den Bau der männlichen Geschlechts- organe bei den Halbaffen sind in mancher Hinsicht unvollständig. In der ältern Literatur finden sich über diese Frage nur einzelne 1) Als Lemuridae werden im Folgenden alle Halbaffen außer Tarsius 6* 84 WALTER KAUDERN, Angaben. Später hat Oupemans die akzessorischen Drüsen bei mehreren Arten untersucht. Diese Untersuchung wird von DisseEL- worst in Ermangelung von eigenem Material angeführt. Im Jahre 1908 hat GeruAarpt die Angaben der Literatur über den Bau des Penis zusammengefaßt und sie durch eigene Beobachtungen ergänzt. Sowohl Oupemans als DissELHORST sind der Ansicht, daß die Halbaffen, außer Chiromys, in bezug auf die männlichen Geschlechts- organe eine besonders einheitliche Gruppe bilden. GERHARDT da- gegen sagt, sie hätten kaum andere gemeinsame Charaktere als ein Os penis und eine Ringfurche auf der Pars libera. Die vorliegende Untersuchung bezweckt, zu entscheiden, ob sich unter den Halbaffen ein oder mehrere Typen hinsichtlich der männ- lichen Geschlechtsorgane aufstellen lassen, und den ursprünglichsten dieser Typen aufzudecken. Infolge der Beschaffenheit des Materials habe ich meine Untersuchung hauptsächlich auf die Lage der Hoden und den Bau des Penis gerichtet. Mit den akzessorischen Drüsen habe ich mich nur wenig beschäftigt; von Chiromys habe ich leider kein Material gehabt. Auf die Frage nach den akzessorischen Drüsen hoffe ich aber in einer künftigen Arbeit zurückzukommen. Ich habe über folgendes Material verfügt: Lemur mongox var. nigifrons ad., 3 juv., 1 Fötus e = var. collaris ad. 5 macaco ad. (Ausgeschnittenes Präparat) Lepilemur edwardsit ad. 5 2 Chirogale milii ad. Microcebus smithii Propithecus verreauxi var. coquereli Avahis laniger ad. 3 Jungen ad., 2 Föten ni ps Ed ui pu IN NN à HN - juv. Otolienus (Euolicus) elegantubus ad. Nyetieebus tardigradus beinahe ad. Perodicticus polto. ad. Außer diesen Arten haben mir folgende Arten aus der Literatur zur Vergleichung gedient: bezeichnet. Ich habe mich an die folgende Einteilung dieser Gruppe an- geschlossen. 1. Fam. Madagassische Halbaffen: Unterfam. Lemurinae (Lemur, Lepilemur, Chirogale, Microcebus). 3 Indrisinae (Propithecus, Indris, Avahis). 4 Chiromyinae (Chiromys). 2. Fam. Außermadagassische Halbaffen: Unterfam. Otolicinae (Galago, Otolicnus). ñ Nycticebinae (Nycticebus, Perodicticus). Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 85 Lemur varius nach GERHARDT = catta nach GERHARDT Indris brevicaudatus nach MILNEEDWARDS Chiromys madagascariensis nach ZUCKERKANDL Galago monteiroi nach GERHARDT „ demidoffi nach GERHARDT. Die Lage der Hoden. Bei allen Halbaffen verlassen die Hoden schon während eines frühen Entwicklungsstadiums ihre ursprüngliche Lage und gehen in Fig. Pı. a Lemur mongoz var, nigrifrons. b Chirogale mili. ce Microcebus smitii pithecus verreauxi var. coquereli. e Nycticebus tardigradus. O. p Os penis. d Pro- a—d 1:1, e 2:1. Cr Cremastersack. C.f Corpus fibrosum. Sym Symphyse. 86 WALTER KAUDERN, einen mehr oder weniger deutlich abgesetzten Hodensack oder Scrotum herab. Nur das von mir untersuchte Exemplar von Nycticebus macht von der Regel eine Ausnahme. Hier liegen die Hoden etwas vor der Peniswurzel, und man kann kaum von einem Hodensack reden. Es kann hier möglicherweise eine individuelle Variation vorliegen, denn die nahestehende Form Perodicticus besitzt unmittelbar hinter der Peniswurzel einen Hodensack, der zwar nicht wohlentwickelt, aber doch groß und deutlich abgesetzt ist. Bei Ofolicnus (Fig. Q'a) ist der Hodensack noch deutlicher als bei Perodicticus. Der Hodensack liegt bei den Madagaskarhalbaffen entweder wie bei Lemur unmittelbar hinter der Peniswurzel, ventral von der Symphyse, oder er hängt, wie bei Propithecus, beinahe frei herab. Seine Größe verhält sich zur Körpergröße sehr verschieden. So hat z. B. Propithecus einen verhältnismäßig sehr kleinen Hodensack, während derselbe bei einer Art wie Microcebus unverhältnismäßig groß ist (Fig. Q!b). Immer hängt er natürlich von der Größe der Hoden ab. Ich will hier die Aufmerksamkeit darauf lenken, dab die abnorme Größe der Hoden bei Microcebus nicht eine zufällige ist. Ich habe dieselben Dimen- sionen der Hoden bei 2 erwach- senen Männchen gefunden und mich davon überzeugt, daß schon bei den Jungen der Hodensack besonders kräftig entwickelt ist. Fig. Q'. Es wäre aber nicht undenkbar, a Penis und Serotum von Otolicnus ele- daß während der Trockenzeit, Ginny en Due wenn das Tier schläft, die Größe Inguinalregion von Microcebus smithü. der Hoden abnähme. a 9:5, a’ 18:5, b 9:10. Der Hodensack wird bei den Halbaffen schon auf einem sehr frühen Stadium der Entwicklung angelegt. Schon bei dem Fötus und später beim Jungen kommt eine Area scroti vor, die warzig und Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 87 durch ihren Mangel an Haaren gekennzeichnet ist. Zuweilen besitzt sie auch Drüsen. Am besten scheint mir die Area scroti beiNycti- cebiden, besonders bei Perodicticus und Otolienus (Fig. Q'a), ent- wickelt zu sein. Bei Lemuriden ist sie viel schwächer, besonders bei dem erwachsenen Individuum, z. B. Lemur varius (WEBER), ent- wickelt. Sie läßt sich auch bei den von mir untersuchten Formen schwer nachweisen. Bei Lemur mongoz var. nigifrons dürfte sie durch eine fast nackte Stelle auf der Caudalseite des Hodensacks repräsentiert sein. Bei den Jungen dagegen ist sie deutlicher (s. die Abbildungen von Avahis laniger Fig. Rta und einem Fötus von Lemur mongoz Fig. R'c). Fig. R\. Die Scrotalanlage bei a Avahis laniger, b Propithecus verreauxi var. coquereli, © Lemur mongoz var. nigrifrons, d Tupaja ferruginea. a, b Jungen, c, d Fötus, 77 Hoden tae. 4 925, b 9:10 88 WALTER KAUDERN, Wenn auch die Anlage eines Hodensacks schon auf einem frühen Entwicklungsstadium vorhanden ist, so erfolgt doch die Entwicklung des Scrotums nicht bei allen Formen auf dieselbe Weise. Avahis, Propi- thecus und Lemur sind die Vertreter von 3 verschiedenen Richtungen der Entwicklung. Bei Avahis wandern die Hoden in je einer Hautfalte gegen die Area scroti hin. Frst nachdem sie reif sind, nehmen sie ihren Platz hinter der Peniswurzel ein. Ich habe Gelegenheit gehabt, die Wanderung der Hoden bei 2 lebenden Jungen von Propithecus verreauxi var. coquereli zu beobachten. Das kleinere Junge war sehr zart, nach den Aussagen der Einge- bornen kaum 14 Tage alt. Dieses Junge, das auf Fig. R'b abgebildet ist, besaß von dem Michgebiß die Schneidezähne, im Unterkiefer den 1. Pm und im Oberkiefer die Eckzähne. Die übrigen Zähne des Milch- gebisses waren kaum erkennbar. Weiter kann ich auch für die Be- urteilung des Alters dieses Jungen erwähnen, daß bei ihm die Parie- talia noch völlig voneinander getrennt sind, so daß die beiden Fonta- nellen miteinander kommunizieren. Der Schädel hat von der vordern Kante des Zwischenkiefers bis an das Hinterhaupt eine Länge von 59 mm. Die Haut war schwach behaart. Bei diesem Jungen fand ich die Hoden dicht aneinander, unmittelbar vor der Peniswurzel, liegend. Sie waren von solcher Größe, daß dadurch ein präpeniales Scrotum entstanden war, an die Verhältnisse bei Tupaja völlig erinnernd. Erst mit zunehmendem Alter wandern die Hoden weiter nach hinten, so dab das Scrotum schließlich postpenial wird. Irgend eine Area scroti konnte ich nicht entdecken. Lemur mongoz var. nigifrons besitzt schon als Fötus eine sehr deutliche Anlage eines postpenialen Hodensackes (Fig. R'c), ehe die Hoden ihren Bestimmungsort hinter der Peniswurzel erreicht haben. Bei den Halbaffen scheinen sich alle 3 breiten Bauchmuskeln an der Bildung des Cremastersackes zu beteiligen. Dabei ist aber zu bemerken, daß der M. obl. internus und der M. obl. externus ge- wöhnlich in den Cremastersack nur als Aponeurosen eingehen, die sogar zuweilen äußerlich verdünnt sind. Bei Avahis laniger und Galago demidoffi soll nach WEBER der M. obl. internus auch mit ein- zelnen Ringfasern in den Cremastersack eingehen. Er sagt weiter von Nycticebus, der Cremastersack wäre nur vom M. transversus abd. gebildet. Meine Untersuchungen ergeben aber, daß sich hier wie bei Lemur mongoz sowohl der M. obl. internus als der M. obl. externus, Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 89 wenn auch nur als dünne Aponeurosen, an der Bildung des Cremaster- sackes beteiligen. Infolge der Beschaffenheit des Materials war es mir nicht möglich zu entscheiden, ob bei Propithecus die beiden MM. obliqui in den Cremastersack eingehen oder nicht. Jedenfalls geht aus der Untersuchung des Cremastersackes bei den Halbaffen her- vor, daß der M. transversus die Hauptmasse des Muskelgewebes des Cremastersackes bildet und daß die MM. obliqui gewöhnlich nur als Aponeurosen in dasselbe eingehen. Akzessorische Drüsen. Soviel ich sehen kann, sind bei sämtlichen Halbaffen aus Mada- gaskar die Glandulae vesiculares von etwas anderm Bau als bei den andern Halbaffen. OupEmans hat dies für die Gattung Lemur hervorgehoben, und ich finde, daß dasselbe für alle von mir unter- suchten Formen aus Madagaskar gilt. Trotz vieler Ähnlichkeiten im Baue der akzessorischen Drüsen scheinen also unter den Halbaffen wenigstens 2 Typen vorhanden zu sein, der eine durch die madagassischen, der andere durch die außermadagassischen Halb- affen repräsentiert. Um zu entscheiden, ob Cheromys hinsichtlich der akzessorischen Drüsen völlig von dem verhältnismäßig homologen Bau dieser Drüsen bei den übrigen Halbaffen abweicht, ist eine Schnittserie nötig, denn die Glandulae vesiculares könnten möglicherweise rudimentär sein, was sich nicht durch eine einfache Section nachweisen läßt. Der Bau des Penis. (Beschreibung.) Die Madagassischen Halbaffen. Unterfam. Lemurinae. Lemur. Minne Epwarps publiziert einige Abbildungen der männlichen Geschlechtsorgane der Gattung Lemur. Den Bildern fehlt aber jede Erklärung, und man weiß daher nicht, welche Arten er untersucht hat, was den Wert der Bilder bedeutend verringert. GERHARDT hat Lemur varius, L. catta und L. macaco untersucht. Ich führe hier seine Resultate an. Von Lemur varius sagt GERHARDT, dab ihm ein Septum corporis fibrosi fehlt, daß das Os priapi eine Fortsetzung der fibrösen Scheide 90 WALTER KAUDERN, der Schwellkörper zu bilden scheint und daß hier wie bei L. macaco und Microlemur murinus, „soweit es sich nach herausgeschnittenen Präparaten beurteilen läßt, ein solcher Zustand (Penis pendulus) an- gebahnt ist“. Bei Lemur catta dagegen hat er einen echten Penis pendulus mit einer Präputialhöhle von geringer Tiefe gefunden. (Dies auch nach Präparaten des Breslauer Zool. Inst.) Von Lemur macaco sagt er nur, das Os priapi sei bei ihm kürzer als bei den oben erwähnten Arten, und die Umschlagstelle der Vorhaut liegt bei ihm wie bei L. varius hinter der Basis des Os priapi. Ich selbst habe ein Exemplar von Lemur mongoz var. nigifrons und 2 Exemplare von L. mongoz var. collaris untersucht. Die Rute ist bei diesen Formen von fast demselben Bau. Der Schaft ist kopf- wärts gerichtet und erstreckt sich an der Symphyse entlang ziemlich weit kopfwärts (Fig. Pa). Am Übergange in die Pars libera biegt die Rute plötzlich ab, so daß die Pars libera fast nach unten ge- richtet wird Das Corpus fibrosum besitzt ein gut entwickeltes Septum, in der Pars libera durch ein Os priapi fortgesetzt, welches als ein einfacher Knochenstab sich bis an die Spitze der Rute hin erstreckt. Der Urogenitalkanal mündet auf der Spitze der Pars libera, ventral vom Os priapi. Die Ringfurche ist bei diesen Formen wie bei Lemur macaco ziemlich schwach. Doch ist sie bei L. macaco etwas tiefer als bei den Spielarten von Z. mongoz. Die Haut der Pars libera ist mit einer großen Anzahl von dreispitzigen rückwärts- gerichteten Stacheln bekleidet. Diese Stacheln sind bei Z. macaco weiter gegen die Spitze verbreitet als bei den L. mongoz-Formen. Außer diesen Stacheln oder Schuppen finden sich auf beiden Seiten bei L. mongoz var. nigifrons noch 3 große einfache, rückwärts ge- richtete Stacheln (Fig. Sta). Bei dem einen der beiden Exemplare von L. mongoz var. collaris sind die dreispitzigen Stacheln kräftiger als bei L. mongoz var. nigifrons. Auch besitzt er 4 größere, ein- fache Stacheln auf jeder Seite, die beinahe einen Kreis rings um die Rute bilden. Das 2. Exemplar ist mit 2 deutlichen Kreisen von solchen großen Stacheln versehen, der vordere Kreis mit 10, der hintere mit 8 Stacheln. Ob auch Z. macaco derartige einfache Stacheln besitzt, konnte ich an dem montierten Präparat nicht ent- scheiden. Jedenfalls scheint es mir klar, daß die Bewaffnung der Pars libera bei der Gattung ZLemur ziemlich veränderlich ist. Die Präputalhöhle ist ganz seicht, und die Umschlagstelle der Vorhaut liegt etwa an der Basis des Os priapi. Niemals habe ich Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 01 eine Präputialhöhle gefunden, die so tief ist wie die von GERHARDT abgebildete. Bei der Gattung Lemur kann man kaum sagen, es sei ein Penis pendulus vorhanden, obwohl man hier den Anfang eines solchen vor Fig. St Die Pars libera Penis von a Lemur mongoz var. nigrifrons, b Indris brevicaudatus, ce Avahis laniger (b u. c nach MizxeEpwanrps). a ER a 1 Fig. T4 a—e Os priapi. a von Lemur, b von Lepilemur, e von Microcebus, d von Indris, e von Avahis, f die Pars libera Penis von Chirogale. 2:1. O.p Os priapi. C.u Canalis urogenitalis. Cf Corpus fibrosum. 92 WALTER KAUDERN, sich hat, da sich die Spitze der Rute von der Bauchwand losgelöst hat und frei herabhängt. Endlich will ich darauf aufmerksam machen, daß die Abbildungen von MinneEpwarps einen verschiedenen Grad der Entwicklung des Os priapi zeigen, indem dieser Knochen bei einigen Arten ganz einfach, bei andern abgeplattet ist und sogar Anzeichen einer Spaltung trägt. Eine solche sehr eigentümliche progressive Entwicklung werden wir späterhin bei andern Madagaskar-Halbaffen wiederfinden (Fig. T!a). Lepilemur edwardsi. Das Material war eine herauspräparierte Rute. Ihre Länge vom Schambeine bis an die Spitze ist 37 mm, wovon 16 mm auf die Pars libera kommen, d. h. auf den terminalen Teil der Rute, der an der Umschlagstelle der Vorhaut anfängt. Das Corpus fibrosum be- sitzt, wie man aus einem Querschnitt durch den Schaft ersieht, ein ganz deutliches, obwohl nicht kräftiges Septum, welches in der Pars libera in einem 13 mm langen Penisknochen übergeht, der die Spitze der Pars libera erreicht (Fig. T!b). Der distale Teil ist in 2 kurze, aber weit gespreizte Schenkel gespalten. In dem Winkel, der von diesen Schenkeln gebildet wird, biegt der Canalis urogenitalis nach oben um. Die Mündung liegt am Dorsum penis auf der Spitze der Pars libera. Das Corpus spongiosum ist stark entwickelt und bildet wie bei Lemur die Hauptmasse der Pars libera, die dadurch deut- lich vom Schaft abgesetzt wird. Die Oberfläche der Pars libera ist der Länge nach gestreift und mit zahlreichen kleinen teils ein- fachen teils zweispitzigen rückwärts gerichteten Stacheln bekleidet Eine eigentliche Kranzfurche rings um die Spitze ist hier nicht vor- handen. Die Umschlagstelle liegt unmittelbar hinter dem Penis- knochen. Chirogale milii. Die Rute hat eine Länge von 25 mm, wovon 8 auf die Pars libera kommen. Sie liegt auf der Ventralseite der Symphyse kopf- wärts gerichtet, löst sich aber am Ende von der Bauchwand los und wird schwach bogenförmig. Hier finden wir also einen Penis pen- dulus viel besser als bei Lemur angebahnt (Fig. P'b). Das Corpus fibrosum ist ganz einheitlich, da ihm ein Septum fehlt. Nur auf der Dorsalseite schiebt sich ein geringer Rest des Septums als eine Leiste in das cavernöse Gewebe hinein. In der Verlängerung dieser Leiste erstreckt sich ein 10 mm langes Os priapi bis an die Spitze der Pars Männliche Geschlechtsorgane von Inseetivoren und Lemuriden. 93 libera. Bei Chirogale spaltet sich der Penisknochen wie bei Lepi- lemur in 2 Schenkel, deren Spitzen, anstatt frei zu enden, sich gegen- einander biegen, um sich in der Mittellinie der Pars libera zu begegnen, dadurch ein Foramen im Os priapi bildend. Durch dieses Foramen tritt der Urogenitalkanal von der Ventralseite an das Dor- sum penis herauf, wo er etwas hinter der Spitze der Pars libera mündet (T'f). Die Pars libera ist durch ihren größern Umfang vom Schaft deutlich abgesetzt. Ihre Oberfläche ist der Länge nach gefurcht oder gestreift und mit Papillen bekleidet, die sehr kleine, einfache Stacheln tragen. Eine deutliche Ringfurche ist nicht vor- handen. Die Präputialhöhle ist ziemlich seicht, und die Umschlag- stelle der Vorhaut liegt etwas vor der Basis des Os priapi. Microcebus smithii. Der Bau der Rute ist in allem Wesentlichen demjenigen bei Chirogale gleich. In gewissen Beziehungen ist aber die Spezialisierung hier noch weiter gegangen. Das Corpus fibrosum ist nicht besonders groß. Dagegen findet sich ein gewaltiges Os priapi, welches fast durch die ganze Rute von der Symphyse bis an die Penisspitze hin verläuft. Auch hier kommt ein Foramen dadurch zustande, daß sich die beiden Schenkel des Os priapi vorn vereinigen (Fig. T1¢). Durch dieses Foramen tritt der Urogenitalkanal hervor, dessen Mündung noch mehr dorsal als bei Chirogale liegt. Die Präputialhöhle ist ziemlich tief. Die Pars libera wird dadurch recht groß. Sie ist der Länge nach gefaltet und mit einer großen Anzahl von mehrspitzigen, rückwärts gerichteten Stacheln oder Schuppen bekleidet, welche er- heblich kräftiger als bei Lepilemur und Chirogale sind. Obwohl das Präputium mit der Bauchwand nicht zusammenhängt, hat die Rute dennoch nicht den Charakter eines Penis pendulus. Dies beruht auf dem abnorm entwickelten Scrotum, das die Rute gegen die Bauch- wand preßt (Fig. Pte). Unterfam. Indrisinae. In seiner Arbeit über die Indrisinen hat MıLneEpwArps auch die männlichen Geschlechtsorgane behandelt und einige Figuren ge- geben. Meistens spricht er nur von der äußern Form und dem Vor- kommen eines im vordern Teil gespaltenen Os priapi. Ich selbst habe Gelegenheit gehabt, ein Exemplar von Propithecus verreauxi var. coquereli und ein Junges von Avahis laniger zu untersuchen. 94 WALTER KAUDERN, Propithecus verreauxi var. coquereli. Die Rute setzt sich mit einem gut entwickelten Crus am Scham- bein an und hängt, ohne der Symphyse zu folgen, bogenförmig frei herab. Hier finden wir also den Penis pendulus besser als bei den obenerwähnten Lemuriden ausgebildet (Fig. P'd). Das Corpus fibro- sum besitzt ein kräftiges Septum, das vorn in ein zweigespaltenes Os priapi übergeht. Nach den Untersuchungen von MILNEEDWARDS und Verfasser ist die Länge des Penisknochens unter den verschie- denen Arten recht verschieden. Bei Propithecus verreauxi var. coquereli ist das Os priapi 11 mm lang, wovon 4,5 auf die Schenkel kommen. Auch hier wie bei den vorgenannten Lemuriden bildet das Corpus spongiosum die Hauptmasse der Pars libera, in deren Spitze mitten zwischen den beiden Schenkeln des Os priapi der Urogenitalkanal mündet. Die Oberfläche der Pars libera ist der Länge nach gefurcht und mit kleinen, stacheltragenden Papillen versehen, die ihr ein chagrinartiges, rauhes Aussehen verleihen. Die Spitze ist stumpf und entbehrt einer Ringfurche. Die Präputialhöhle ist ziemlich seicht, und die Umschlagstelle der Vorhaut liegt etwa an der Basis des Os priapi. Bei Indris scheint nach Minne Epwarps die Rute von ungefähr demselben Bau wie bei Propithecus zu sein. Die Pars libera ist hier nicht mit kleinen Stacheln bedeckt. Nur der proximale Teil be- sitzt 3 Reihen von größern, kräftigen Stacheln (Fig. Stb). Der proximale Teil des Penisknochens ist nicht wie bei Propithecus ein einfacher, zylindrischer Stab, sondern von den Seiten zusammenge- drückt (Fig. T!d). Avahis laniger. Das Äußere der Pars libera und die Form des Os priapi ist hier noch mehr abweichend. Alle Stacheln bis auf 2 an jeder Seite sind verschwunden (Fig. S!c). Diese beiden aber sind um so riesiger ge- worden. Die Schenkel des Os priapi sind weit auseinander gespreizt, und dieser Knochen ist an der Basis stark angeschwollen (Fig. T'e). Die seichte Präputialhöhle, den Mangel einer Ringfurche und einen wahren Penis pendulus hat Avahis mit Propithecus gemein. Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 95 Unterfam. Chiromyinae. Chiromys madagascariensis. Owen war der Erste, der den männlichen Geschlechtsapparat dieser Art behandelt hat. ZUCKERKANDL aber hat eine genauere Beschreibung seines Baues gegeben. Die Rute ist mit der Pars libera 94 mm lang, wovon 51 mm auf einen proximalen Teil kommen, welcher der Symphyse folgt und sogar über den vordern Pubisrand hervorragt. Dann biegt die Rute herab. Das Corpus fibrosum be- sitzt ein auffällig kräftiges Septum und endet an der Basis der Pars libera wie plötzlich abgeschnitten. Hier geht das Septum in einen 26 mm langen, nagelförmigen Penisknochen über, der, mit seinem platten Basalende auf das Corpus fibrosum gestützt, sich durch die ganze Pars libera hin erstreckt. Die Pars libera ist zylindrisch und vorn stumpf. Ihre Oberfläche ist mit dreispitzigen Stacheln bekleidet, die auf der Spitze einfacher sind. Die Mündung des Canalis urogenitalis liegt ventral vom Os priapi. Die Umschlagstelle der Vorhaut ist an der Basis des Os priapi. Die außermadagassischen Halbaffen. Galago monteiroi. GERHARDT hat diese Form untersucht und dadurch festgestellt, daß die Pars libera penis ziemlich lang und mit rückwärts gerich- teten Stacheln bewaffnet ist, daß die Spitze von einer Ringfurche umgeben ist, in welche der Urogenitalkanal ventral mündet, dab das Septum im Corpus fibrosum schwach und das Os priapi gut ent- wickelt ist. Otolicnus (Euolicus) elegantulus. Obgleich diese Species der vorigen sehr nahe steht, gebe ich dennoch hier eine ausführlichere Beschreibung des Baues der Rute, da meine eignen Untersuchungen etwas von der obigen Beschreibung von Galago monteiroi abweichen. Die Rute besteht aus 2 vonein- ander scharf abgegrenzten Teilen. An der Bildung der proximalen Partie, die bis an die Umschlagstelle der Vorhaut reicht, beteiligt sich das kräftige Corpus fibrosum, das auch bei dieser Species eines Septums entbehrt. Der distale Teil oder die Pars libera ist viel schmäler und von einem 22 mm langen Os priapi gestützt, dessen 96 WALTER KAUDERN, Basis man schon in der proximalen Partie der Rute findet, wo es sich auch etwas verdickt. Sonst ist es ein einfacher Knochenstab ohne Andeutung einer Spaltung, der die Pars libera bis an die Spitze durchdringt, wo er nur mit einer dünnen Haut gekleidet ist. Im Gegensatz zu Galago monteiroi ist die Ringfurche unbedeutend, und die von einem Wall umgebene Mündung des Canalis urogeni- talis liegt nicht innerhalb dieser Furche wie bei Galago, sondern ventral außerhalb derselben auf der Penisspitze (Fig. Q'a‘. Die Oberfläche der Pars libera ist wie bei Galago monteiroi mit scharfen, rückwärts gerichteten Stacheln bewaffnet. Sie fehlen aber hier in der Nähe der Umschlagstelle der Vorhaut. Nyeticebus tardigradus. Die Rute ist von mehreren Verfassern untersucht worden, und GERHARDT hat in jüngster Zeit bei einem Vergleich mit dem Bau des Penis bei Galago monteiroi gefunden, daß diese beide miteinander in mehrfacher Hinsicht übereinstimmen. Meine Untersuchungen lehren, daß die Rute sehr kurz ist, als ein stumpfer Kegel von der Bauchwand abgesetzt und nach vorn und unten gerichtet (Fig. P’e). Die Rute ist indessen so kurz, daß man hier nicht von einem Penis pendulus reden kann, wie es einigermaßen bei Otolicnus der Fall ist. Bei Nycticebus und wahrscheinlich auch bei Otolicnus ist die Rute mit einer besonders kräftigen Muskulatur ausgestattet, die zweifelsohne eine große Rolle bei der Erection spielt. Die Spitze der sehr kurzen Pars libera penis besitzt eine sehr tiefe Ringfurche, in welcher, auf der Ventralseite der Rute, der Canalis urogenitalis seine Mündung hat. Die Oberfläche der Pars libera ist hinter dieser Furche mit 2—3 unregelmäßigen Reihen mit kleinen, rückwärts gerichteten Stacheln bewaffnet. Bei Perodicticus potto, den ich Gelegenheit gehabt habe zu unter- suchen, ist die Rute von demselben Bau wie bei Nycticebus. Der Bau des Penis. (Vergleichung.) Aus meinen Untersuchungen über den Bau der Rute bei den Halbaffen ist hervorgegangen, daß sich unter ihnen 2 verschiedene Typen finden, die man aber leicht aus einer gemeinschaftlichen Ur- form ableiten kann. Der eine Typus ist durch die in Madagaskar lebenden Halbaffen vertreten, der andere durch die Formen, welche auf dem afrikanischen Kontinent und in Asien heimisch sind. - Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 97 Bei den madagassischen Lemuriden hat der Penis eine Tendenz, hängend zu werden, eine Tendenz, die zwar bei Lemur und Chiromys sehr schwach, aber bei den Indrisiden, besonders bei Propithecus um so deutlicher ist. Das Corpus fibrosum ist immer wohlentwickelt und erreicht im allgemeinen die Umschlagstelle der Vorhaut, wo es durch ein Os priapi fortgesetzt wird, das sich ge- wöhnlich in 2 Schenkel spaltet und sich bis an die Spitze der Pars libera erstreckt. Nur bei Chiromys und Lemur ist dieser Penis- knochen in der Regel einfach. Es kann aber bei Lemur eine schwache Andeutung einer Zweispaltung der Spitze vorhanden sein. Das Septum im Corpus fibrosum ist entweder, wie bei Chiromys, sehr kräftig, oder, wie bei Lepilemur, schwach oder fehlt endlich, wie bei Lemur varius. Es weist also einen sehr verschiedenen Grad der Entwicklung auf: vom Fehlen bis zu enormer Größe und Kraft. Die Präputialhöhle ist gewöhnlich recht seicht, was aus den Abbildungen hervorgeht (Fig. P'). Nirgends habe ich eine solche Präputialhühle wie die von GERHARDT abgebildete gefunden. Von der geringen Tiefe der Präputialhöhle hängt die ziemlich kurze Pars libera ab, die nach GERHARDT'’s Definition der Eichel den Namen einer solchen verdient, indem das zentral gelegene Os priapi immer von einem wohlentwickelten Corpus spongiosum umgeben wird, das proximal bis an die Umschlagstelle der Vorhaut reicht. Die Pars libera hat eine mehr oder weniger zylindrische Form und eine stumpfe Spitze. Sie ist zuweilen, wie bei Chirogale und Mierocebus, etwas von oben ab- geplattet. Eine Ringfurche kommt zuweilen, aber nicht bei allen vor. Der Urogenitalkanal mündet entweder auf der Spitze der Pars libera oder auf der Dorsalseite derselben. Im allgemeinen ist die Haut der Pars libera der Länge nach etwas gefaltet und mit großen einfachen oder kleinern mehrspitzigen rückwärts gerichteten Stacheln bewaffnet. Die Stacheln können zuweilen von sehr geringer Größe sein und wenigstens zum Teil durch rundliche Hautpapillen ersetzt werden. Aus dem oben vom Bau des Penis der madagassischen Halb- affen Gesagten geht hervor. daß der Penis sowohl bei den Le- murinen als bei den Indrisinen eine Entwicklung zeigt von dem einfachen, undifferenzierten Stadium zu dem mehr spezialisierten und daß Chiromys hinsichtlich des Baues der Rute sich an die Formen unter den Lemurinen anschließt, die betreffs des Penis am wenigsten differenziert sind. So haben Lemur und Chiromys ein ein- faches Os priapi, das beinahe ausschließlich der Pars libera ange- hört, und der Urogenitalkanal mündet beinahe terminal. Die Pars 2001. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. 7 98 WALTER KAUDERN, libera ist bei diesen beiden Formen mit mehrspitzigen Stacheln be- waffnet, die bei Lemur durch eine größere oder geringere Zahl von kräftigen, einfachen Stacheln ersetzt werden können. Bei Lepilemur hat das Os priapi, das bei Lemur schon zuweilen eine schwache Andeutung einer Zweispaltung zeigt, eine höhere Ent- wicklungsstufe erreicht, indem es sich in 2 gespreizte Schenkel spaltet. Bei Chirogale bilden die Schenkel ein Foramen, und bei Microcebus hat das Os priapi an Mächtigkeit so zugenommen, daß es fast die ganze Rute durchläuft. Der Zweigablung des Penis- knochens folgt eine Verschiebung nach der Dorsalseite hin, der Mün- dung des Urogenitalkanals, so daß diese Mündung schließlich auf der Dorsalseite liegt. Daß das Os priapi auf diese Weise einen Ring um den Urogenitalkanal bildet, scheint wenigstens nach den Angaben in der Literatur ein ganz vereinzelter Befund zu sein. Zwar soll nach GILBRRT der Penisknochen bei Mustela foina ein kleines Foramen be- sitzen, der Urogenitalkanal aber verläuft nicht durch dieses Foramen. Die Bewaffnung der Pars libera ist sowohl bei ZLepilemur als bei Chirogale und Microcebus schwächer als bei Lemur. Lepilemur erinnert jedoch an Lemur dadurch, dab er außer den einfachen Stacheln auch einige doppelte besitzt. Unter den Indrisinen ist der Penisknochen vom einfachsten Bau bei Propithecus, bei Avahis am meisten spezialisiert, wo er an Größe sehr bedeutend zugenommen hat und an der Basis eine große An- schwellung besitzt. Es kommt hier nicht zur Bildung eines Fora- mens. Die Pars libera ist bei Propithecus mit zahlreichen, kleinen stachelähnlichen Papillen bekleidet. Diese Papillen fehlen auf der, Spitze der Pars libera bei Zndris, während sie auf dem proximalen Teil der Pars libera eine bedeutende Größe erreicht haben. Bei Avahis sind an jeder Seite nur 2 Stacheln übriggeblieben, die aber dafür äußerst kräftig sind. Bei den außermadagassischen Halbaffen hat sich, wie schon oben erwähnt, der Penis in einer von den madagassischen Halbaffen verschiedenen Richtung entwickelt. Wir werden aber sehen, daß man erstere auf einen Urtypus zurückführen kann, der auch der Urtypus letzterer sein könnte. Ein Unterschied zwischen Otolicnus einerseits und Nycticebus und Perodicticus andrerseits liegt darin, daß die Pars libera bei Otolic- nus bedeutend länger ist. Sie sind aber darin miteinander überein- stimmend, dab die Haut der Pars libera mit einfachen Stacheln be- Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 99 waffnet ist. Es fehlt ihnen fast ganz das spongiöse Gewebe, und es fehlt ihnen also auch nach GERHARDT eine Eichel. Der Penisknochen hat sowohl bei Ofolicnus als bei Nyticebus an- sehnliche Dimensionen erreicht, ohne jedoch die Andeutung einer Spaltung der Spitze zu zeigen. Das Corpus fibrosum ist stark redu- ziert worden und gehört nur dem proximalen Teil der Rute an. Als den Penis stützendes Organ ist es vom gewaltigen Os priapi weit überflügelt worden und dient hier hauptsächlich nur dem Zweck, die Rute bei der Copulation zu verlängern. Mit der starken Reduk- tion des Corpus fibrosum bei Nyeticebus dürfte also hier die Kürze der Pars libera zusammenhängen. Die für die letzterwähnten Formen charakteristischen Kenn- zeichen des Penis dürften also folgende sein: 1. das Vorkommen eines sehr kräftigen Penisknochens; die Reduktion des Corpus fibrosum; das fast gänzliche Fehlen eines Corpus spongiosum; 4. die Bewaffnung mit einfachen Stacheln der Pars libera und 5. das Vorkommen einer mehr oder weniger deutlichen Ringfurche. Wollte man sich eine Urform dieses eigentümlichen Baues der Rute vorstellen, so dürfte man zuerst an eine Form denken, die einen kleinern Penisknochen hatte und dementsprechend auch ein kräftigeres Corpus fibrosum besaß. Wenn ein besser entwickeltes Corpus spongiosum noch hinzukäme, da hätten wir ja ungefähr den Typus, den wir bei der Gattung Lemur kennen gelernt haben, d. h. unter den jetzt lebenden Halbaffen würde Lemur die ursprünglichen Charaktere des Baues der Rute behalten haben. Durch die Spezialisierung des Penisknochens könnten aus der Urform 2 verschiedene Reihen hervorgegangen sein, die eine durch die madagassischen Halbaffen repräsentiert, unter welchen die Ent- wicklung mit Chirogale und Microcebus kulminiert, die andere durch die außermadagassischen Halbaffen vertreten, wo der Gipfel bei einer Form wie Nycticebus erreicht wird. Auf meinen Bildern habe ich die Rute in ihrer natürlichen Ruhelage abgebildet. Aus diesen Bildern dürfte zu ersehen sein, daß der Penis, von der Körperstellung ziemlich unabhängig, sich derart einzustellen strebt, daß die Pars libera oder die Eichel immer schräg nach unten gerichtet wird. Daß bei den Indrisinen der Penis mehr hängend als bei den andern Halbaffen ist, ist also wahrscheinlich nur die Folge der be- bedeutend mehr aufrechten Körperstellung der Indrisinen. 7% 100 WALTER KAUDERN, Vergleichung zwischen Lemuridae und Tupaja. Nachdem wir jetzt erfahren haben, daß hinsichtlich der männ- lichen Geschlechtsorgane der Halbaffen sich unter ihnen 2 verschie- dene Richtungen der Entwicklung nachweisen lassen, die durch die madagassischen Halbaffen einerseits und die außermadagassischen andrerseits vertreten sind, und dab unter den jetztlebenden Halb- affen Lemur der Stammform am nächsten steht, so ist es von großem Interesse zu ermitteln, ob sich bei den niedern Säugern vielleicht irgendeine Form findet, die man sich als die Stammform der Halb- affen denken könnte. Aus mehreren Gründen ist man der Ansicht gewesen, daß man die Vorväter der Halbaffen unter den Insectivoren zu suchen habe. Ich werde deshalb einen Vergleich zwischen den Halbaffen und Tupaja anstellen, einer Form, die unter den Insectivoren zweifels- ohne für einen solchen Vergleich am besten geeignet ist. Sowohl bei den Halbaffen als bei Tupaja wandern die Hoden herab und sind in ein wohlentwickeltes Scrotum eingeschlossen. Bei den Halbaffen geschieht dies schon auf einem frühen Entwicklungs- stadium. Auch für Zupaja gilt dasselbe. Ich habe bei einem Fötus von Tupaja ferruginea, der eine Scheitelsteißlänge von 39 mm hatte, eine deutliche Scrotalanlage gefunden (Fig. O!b u. R!d). Irgend eine Area scroti habe ich nicht nachweisen können, aber die ganze Scrotalanlage zeichnete sich vor der umgebenden Haut durch ihren größern Reich- tum an Warzen aus. Ein Unterschied liegt aber darin, daß bei den Halbaffen der Hodensack hinter dem Penis, bei Zupaja dagegen vor demselben liegt. Ich bin indessen der Ansicht, dab man diesem Unterschied nicht allzu große Bedeutung beilegen darf, denn eine nähere Untersuchung der Lage der Hoden bei Zupaja überzeugt uns davon, daß der Descensus testiculorum bei Tupaja ebenso gro wie bei den Halbaffen ist, ja, daß er sogar den Descensus bei einigen Halbaffen übertrifft (Fig. Ola, Pte). Um die Größe des Descensus zu beurteilen, darf man nicht die Lage der Hoden im Verhältnis zum Penis bestimmen, denn die Rute kann ja verschiedene Rich- tungen einnehmen, sondern man muß sie mit dem Becken vergleichen. Dann wird es ganz klar, daß die Lage des Scrotums vor dem Penis bei Tupaja nicht durch einen geringen Descensus bedingt ist, sondern davon abhängt, daß die Rute schon von der Wurzel an von der Symphyse frei ist und ihrer ganzen Länge nach schwanzwärts strebt. Männliche Geschlechtsorgane von Insectivoren und Lemuriden. 101 Im Bau des Cremastersackes liegt möglicherweise ein Unter- schied zwischen Tupaja und den Halbaffen. Bei letztern beteiligen sich ja an der Bildung dieses Sackes alle 3 breiten Bauchmuskeln, obgleich unter diesen am gewöhnlichsten nur der M. transversus muskulös ist. Bei Tupaja ist der Cremastersack nur vom M. trans- versus gebildet. Dieser Unterschied hat vielleicht seinen Grund darin, daß der M. obl. internus und der M. obl. externus derart re- duziert sind, daß man sie nur mehr sehr schwierig nachweisen kann. Die Nebenhoden stimmen bei Tupaja wenigstens mit den Ver- hältnissen bei einigen Halbaffen überein. Der Nebenhodenschwanz ist nämlich bei Tupaja wie bei Lemur und Chirogale mehrfach ge- wunden. Hinsichtlich der akzessorischen Drüsen scheint zwischen den Halbaffen und Tupaja keine größere Übereinstimmung vorhanden zu sein. Mit den Affen stimmt aber 7Tupaja darin überein, daß die Glandula vesicularis deutlich in das Vas deferens mündet. Es läßt sich auch betreffs des Baues der Rute keine nähere Verwandtschaft zwischen den Halbaffen und den Affen einerseits und Tupaja andrerseits nachweisen. Wenn auch die männlichen Geschlechtsorgane bei Tupaja in einigen Beziehungen keine auffallende Ähnlichkeit mit den Halbaffen oder den Affen zeigen, so besitzen sie jedenfalls mehrere Charaktere, die, indem sie Zupaja von den Insectivoren scheiden, sie den Primaten nähern. Obgleich es eigentlich nicht in das Gebiet dieser Untersuchung fällt, will ich die Aufmerksamkeit darauf lenken, daß Tupaja den Primaten in mehreren Punkten nahe steht, wie GREGORY jüngst nachgewiesen hat. Selbst habe ich in einem noch nicht veröffentlichten Aufsatz die Bauch- und Hautmuskulatur bei T'upaja behandelt und dabei grobe Übereinstimmung zwischen Zupaja und gewissen Halbaffen kon- statiert. Betreffs der Hautmuskulatur dürften die Nycticebinen ein weniger differenziertes Stadium vertreten, aus dem leicht so- wohl Tupaja als die Lemurinen abgeleitet werden könnten. Hin- sichtlich der Bauchmuskulatur herrscht zwischen Tupaja und den madagassischen Halbaffen eine vollständige Übereinstimmung im Bau der Rectusscheide. Folgende Tabelle gibt einige Punkte an, wodurch sich Tupaja von den Insectivoren unterscheidet und mit den Pri- maten übereinstimmt. 102 WALTER KAUDERN, . Die Hoden liegen in einem Scrotum = Primaten u. a. . Der Epididymisschwanz = Lemur u. Microcebus . Glandulae vesiculares = Affen u. Mensch. . Die Rectusscheide — Lemurinen u. Indrisinen. 5. Die Hautmuskulatur — Lemuriden. H OD D - Zweifelsohne würde ein genauer Vergleich zwischen T'upaja und den Halbaffen noch viele Charaktere aufweisen können, die die nähere Verwandtschaft dieser beiden bestätigen und damit auch Tupaja von den Insectivoren entfernen würden. Man dürfte sich aber Tupaja weder als eine Stammform der Affen noch als eine der Halbaften denken, sondern als eine vielleicht selbständige Tiergruppe neben den beiden oben erwähnten Gruppen. Nur das möchte ich hier hervorheben, dab Tupaja in so vielfacher Hinsicht den Primaten nahe steht, daß sie besser mit letztern als mit den Insectivoren zu- sammengestellt wird. Ob sie aber als eine niedere Form unter den Primaten oder als eine ganz selbständige Gruppe bezeichnet werden soll, das lasse ich bis auf weiteres dahingestellt sein. Eingesandt im Juni 1910. Nachdem die vorliegende Arbeit in Druck gegeben wurde, er- schien ein Aufsatz von L. Pont über das Os penis bei den Halb- affen. Wie er selbst sagt, hat er ein zu geringes Material gehabt, um phylogenetische Schlüsse zu wagen. Dieser Aufsatz hat auf meine Untersuchung keinen Einfluß, und ich erwähne ihn hier nur beiläufie. Männliche Geschlechtsorgane von Inseetivoren und Lemuriden. 103 Literaturverzeichnis. 1847—1849. ADams, J., in: Cyclopaedia of anatomy and physiology, Vol. 4, part 1, p. 160, London 1847-1849. 1907. ÄRNBÄCK-OHRISTIE-LINDE, A., Der Bau der Soriciden und ihre Beziehungen zu andern Säugetieren, in: Morphol. 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Beiträge zur Kenntnis von Donacia und Macroplea unter besonderer Berücksichtigung der Atmung. Von Johannes Deibel. (Aus dem Zoologischen Institut der Universität zu Greifswald.) Mit Tafel 1-2 und 3 Abbildungen im Text. Inhalt. Einleitung. _ Historischer Überblick. L. Teil, Lebensweise beider Gattungen. Eiablage. Larven (Aufenthaltsort, Nahrung, Entwicklungsdauer, Häutungen). Puppen (Aufenthaltsort, Puppenruhe). Imagines (Futterpflanzen, Zeit und Dauer des Vorkommens, Be- gattung, Systematisches). Fang der Tiere. I. Teil. Atmung der Larven. Bau der gewöhnlichen Stigmen. Bau des letzten Stigmas (einschließlich Häkchen). Morphologie des letzten Stigmas und des Häkchens. Phylogenese des letzten Stigmas. Experimente. Theorie der Atmung. 108 JOHANNES DEIBEL, Il. Ve: Atmung der Puppen. IV. Teil. Atmung der Imagines. Stigmen und Stigmenverschlüsse beider Gattungen (Lage und Zahl der Stigmen, Bau der Stigmen). Experimente (Atmung von Macroplea). Bau der Antennen von Macroplea und Donacia. Physiologische Bedeutung der Antennen von Macroplea. Zusammenfassung. Die an das Wasserleben gebundenen Larven der beiden Gat- tungen Donacia und Macroplea (Haemonia) besitzen für ihre Atmung keinerlei den übrigen wasserbewohnenden Insecten zukommende Ein- richtungen. Sie vermögen nicht an die Wasseroberfläche zu gelangen, haben weder Kiemen noch Darmatmung. Ihre derbe Cuticula scheint für eine Hautatmung ungeeignet zu sein. Die fast walzenförmige, plumpe Körpergestalt zeigt ebenfalls keine Anpassung an das Wasser- leben. Die bleiche Farbe, wie überhaupt der ganze Habitus dieser Larven weist vielmehr auf ein Leben im Verborgenen hin. Läßt sich schon aus diesen äußern Merkmalen schließen, daß die Tiere noch nicht allzulange vom Land- zum Wasserleben übergegangen sind, so wird dieser Schluß dadurch noch wahrscheinlicher, daß die Imagines von Donacia noch ein Landleben führen. Bei Macroplea ist die Anpassung an das Wasser weiter gediehen, da die Imago zeitlebens in ihm verweilt. Es ist daher von hohem Interesse, die Biologie dieser Tiere, besonders ihre Respiration, klarzulegen und festzustellen, welche Ver- änderungen die Larven dieser Käfer und die Imagines von Macroplea erfahren haben, um im Wasser existieren zu können. Dabei ist es natürlich nötige, bei der Untersuchung von Macroplea zugleich die analogen Erscheinungen bei Donacia mit zu berücksichtigen, da diese als die ursprünglichere Form anzusehen ist. Über die Biologie und Anatomie der Imago von Macroplea ist so gut wie nichts bekannt. Dasselbe gilt in anatomischer Hinsicht von Donacia, während über ihre Lebensweise einige Angaben vorhanden sind. Eine größere Be- rücksichtigung fanden bei den Forschern und Beobachtern die Larven und Puppen beider Gattungen, ohne indes erschöpfend behandelt worden zu sein. Mir schien daher eine Bearbeitung von Donacia und Macroplea erwünscht, zumal von der letztgenannten Gattung die Beiträge zur Kenntnis von Donacia und Macroplea. 109 Species mutica F. in der dänischen Wieck des Greifswalder Boddens zu gewissen Zeiten häufig ist. In Greifswalds engerer und weiterer Umgebung, die für Entomologen wegen ihrer außerordentlich reich- haltigen Süßwasserfauna von hohem Wert ist, fand ich auch Donacia in reicher Zahl vor und zwar D. crassipes F., D. aquatica Kunze, D, cinerea HERBST, D. versicolorea Braum, D. limbata Panz., D. dentata Horpr, D. simplex F., D. clavipes F., D. semicuprea Panz., D. vulgaris ZSCHACH, D. nigra F. Die Arten bestimmte ich nach REDTENBACHER: „Fauna Austriaca“ und nach Ep. Reirrer in: Braver, „Die Siib- wasserfauna Deutschlands“. Ich schloß mich in der Benennung, so- weit dies möglich war, REITTER an unter gelegentlicher Angabe der Synonyme von REDTENBACHER. Historischer Überblick. Die erste bemerkenswerte Literaturangabe über Donacia reicht zurück bis zum Jahre 1810, wo Aus. AHRENS in „Beiträgen zu einer Monographie der Rohrkäfer“ auf die an Wasserpflanzen sitzenden Käfer aufmerksam macht und eine systematische Beschreibung einer großen Zahl von Arten liefert. Ihm waren auch schon die Larven und Puppen bekannt (p. 10): „Als ich im März 1806 den Pechauer See bei Magdeburg beschiffte, um Wasserinsekten zu fangen, trafen wir an den Wurzeln des herausgezogenen Rohres (Arundo phrag- mites) mehrere schwarze Tönnchen, von der Gestalt der Wespen- puppen. In einigen derselben befanden sich Larven, in anderen der Käfer noch im Puppenstande und in anderen als vollkommenes In- sekt.“ 1818 beschrieb Kunzs die Larve von Don. equiseti F. (nach REITTER, p. 215, Macroplea appendiculata P.), wobei er auch (p. 51) die „an der Basis des Afterringes auf der Oberseite befindlichen, nach unten gekehrten Klauen oder Haaken“ miterwähnt. Außerdem gab er eine genaue Beschreibung der Imagines von Donacia equiseti F. und Don. zostera Gyuı. (nach REITTER, p. 213, Macroplea appendi- culata P. und Macroplea mutica F.) und machte auf die unterschei- denden Merkmale beider Arten aufmerksam. Die folgenden Arbeiten von WATERHoUSE (1841), KÖLLIKER (1842), Mutsant (1846), Perrıs (1847), Lacorparre (1851), HREGER (1854), SIEBOLD (1859) tragen alle systematischen und teilweise auch bio- logischen Charakter. Unter diesen Verfassern möchte ich zunächst hervorheben Mut- SANT und PERRIS, die beide durch sorgfältige Beobachtungen schätzens- werte Beiträge zur Kenntnis der Lebensweise von Donacia lieferten. 110 JOHANNES DEIBEL, Auch ihnen fielen die am 8. Abdominalsegment der Larve befind- lichen Anhänge auf, ohne daß sie allerdings ihre Bedeutung erfaßten. Perris macht als erster auf die an der Basis eines jeden der beiden Anhänge gelegene kreisrunde helle Fläche aufmerksam. In diesen beiden Flächen („disques“), die nach seinen Angaben 2 Tracheen- stämme in Form einer Membran verschließen, sieht er Pseudostigmen, durch die der Gasaustausch auf osmotischem Wege zustande kommen soll. Vier Jahre später veröffentlichte TH. LAcoRDAIRE „Bemerkungen über die Larve von Haemonia Gyllenhalii Lac.“ (Macroplea mutica F.), wobei er auf die große Ähnlichkeit von Donacia und Macroplea hin- wies. Er sah ebenfalls die Anhänge („Häkchen“), stellte jedoch hier das Vorhandensein der „Pseudostigmen“ in Abrede. Ebenso sollten die Larven dieses Käfers keine Augen besitzen. Ich möchte hier gleich erwähnen, daß, wie später nachgewiesen wurde, derartige Unterschiede zwischen den Larven beider Gattungen nicht existieren. Macroplea verhält sich vielmehr in dieser Hinsicht ganz wie Donacia. HEEGER berichtet einiges über die Lebensweise von Donacia menyanthidis und Haemonia equiseti Fas. (D. clavipes F. bzw. Macro- plea appendiculata Panz. nach REITTER). Seine Angaben über Ei- ablage, Entwicklungsdauer von Larve und Puppe sind sämtlich sehr zweifelhaft. An anderer Stelle komme ich auf diese Punkte zurück. Seit 1859, als v. SIEBOLD die Abdominalanhänge der Larven mit deren Atmung in Zusammenhang brachte, richteten die Forscher fast ausschließlich auf diese ihr Augenmerk. SıEsor» fand an der Basis der Anhänge ein wirkliches Stigma. (Prrrıs hatte den in der Mitte der hellen Flächen vorhandenen Spalt übersehen.) Er nahm nun an, dab das hintere Körperende in ein von der Larve in die Pflanze gefressenes Loch gesteckt würde und (l. c., p. 211) „indem die Krallen (Anhänge) in die Wurzel eindringen, werden zugleich die beiden Stigmata der Larven fest in die ausgenagte Grube der , Wurzel eingedrückt, wodurch die Mündung des Luftgefässsystems der Larven mit den von Luft gefüllten Intercellular-Räumen der benagten Wurzel in unmittelbare Verbindung gebracht werden.“ Auch von der Puppe wies SreBozn die Abhängigkeit von der Sauer- stoff spendenden Pflanze nach. In einer Abhandlung über die Atmung der Larven von Donacia crassipes vertrat SCHMIDT-SCHWEDT (1887, 1889) auf Grund einer ein- gehendern Untersuchung der Abdominalanhänge die Meinung, daß die beiden Stigmen am Hinterleib bei der Einatmung der Luft keine Beiträge zur Kenntnis von Donacia und Macroplea. al Rolle spielen. Vielmehr existiert zwischen den von mehreren Kanälen durchzogenen Anhängen und den Tracheen eine direkte Verbindung. Die zwischen Anhang und Trachee eingeschobene Chitinmasse ist luftdurchlässig. Dewirz dagegen schloß sich (1888) nach Untersuchungen an Macroplea appendiculata der Ansicht SıesoLp’s an, während die 1906 in dänischer Sprache erschienene Arbeit von Bovine wieder die ScamipT'sche Anschauung vertritt. Lebensweise beider Gattungen. Eiablage. Die walzenförmigen, an beiden Enden abgerundeten, gelblichen Eier der Gattung Donacia werden in der Hauptsache im ersten Monat des häufigsten Auftretens der jeweiligen Art abgelegt. Die meisten findet man daher im Juni, Juli. Bei einigen Arten er- streckt sich die Eiablage auf sehr lange Zeit (vielleicht eine Ablage in 2 Perioden). Hierher sind zu rechnen Don. versicolorea und Don. crassipes, von denen wir den ganzen Sommer hindurch die Eier finden können. Als typischer Vertreter mit sicher nur einmaliger Ablage sei Don. cinerea genannt. Diese kurzlebige Art begann schon An- fang Juli wieder abzusterben. Die ersten Eier beobachtete ich Mitte Juli. Die Eiablage dieses Käfers findet daher innerhalb höchstens dreier Wochen statt. Nach den Beobachtungen an 7 verschiedenen Arten werden die Eier immer nur an den Blättern der Futterpflanzen abgesetzt, und man ist in Rücksicht auf die geringen Unterschiede dieser Tiere in ihrem übrigen biologischen Verhalten zu der Annahme berechtigt, daß dieser Ort der Ablage auch für die andern Arten gilt. Es ist daher höchst unwahrscheinlich, wenn HEEGER von der an Potamo- geton natans lebenden Haemonia equiseti Fas. (Macroplea appendi- culata Panz.) angibt, daß (l. c., p. 940) „die Weibchen die Eier an jene Wurzelteile legen, wo buschig die Haarwurzeln entwachsen“. Außerdem ist hierbei aus rein mechanischen Gründen ganz uner- klärlich, wie der Käfer zu den gewöhnlich am tiefsten im Schlamme verborgenen Haarwurzeln gelangen soll. Die einzelnen Arten wählen ausschließlich oder bevorzugen ganz bestimmte Pflanzen, ihre Futterpflanzen (vgl. später). Diejenigen Käfer, deren Nährpflanzen keine Schwimmblätter besitzen, wie Typha, Sparganium, Sagitta, Glyceria, legen die Eier unregelmäßig, in kleinern oder größern Abständen an den im Wasser stehenden Teile des Stengels und zwar an eines der äußersten, in dieser Region 112 JOHANNES DEIBEL, noch nicht verzweigten Blätter. Sie gehen also zu diesem Zweck unter Wasser. Ich fand jedoch auch, daß Käfer derselben Art in den Stengel an verschiedenen Stellen viele kleine Löcher bissen, in die sie die Legeröhre steckten und dann in jede von ihnen erreich- bare Pflanzenzelle 1—2 Eier legten, so daß ein und dieselbe Species 2 verschiedene Arten der Eiablage hat. Diese letztere Art der Ei- ablage wird dann erfolgen, wenn das Tier der Möglichkeit beraubt ist, die Eier zwischen den Blättern abzusetzen, da diese besonders am basalen Teile des Stengels oft sehr fest anliegen. Analog wird sich Macroplea mutica verhalten. Leider gelang es mir trotz häufigen Suchens nicht, Eier von Macroplea zu finden. Doch es dünkt mir im höchsten Maße unwahrscheinlich, dab sie diese einfach zu Boden fallen läßt. Eine Stütze meiner Annahme ist, daß ich junge, eben ausgeschlüpfte Larven an den Stengeln von Potamogeton pectinatus fand, denn nach meinen Beöbachtungen steigen die Larven nie an der Pflanze empor, sie lassen sich viel- mehr zu Boden fallen, sobald sie aus dem Ei gekrochen sind. Ein anderes Verhalten zeigen Don. crassipes und Don. versicolorea, die ihre Eier in regelmäßigen Reihen ablegen, ohne dabei in das Wasser zu gehen. Bekanntlich frißt jene in das Schwimmblatt von Nymphaea ein Loch, um welches an der Unterseite des Blattes die Eier konzentrisch angeordnet sind. Bei Don. versicolorea liegen sie zwischen zwei Blättern. Am 25.8. 1909 hatte ich Gelegenheit, ein Tier der letztgenannten Art bei der Ablage zu beobachten. Es lief unruhig im Aquarium auf den dicht nebeneinander liegenden Blättern des Laichkrautes (Potamogeton natans) umher, wurde schließlich ruhiger und machte am Rande eines Blattes halt. Nun ergriff der Käfer mit den Beinen ein Nachbarblatt, zog dieses zu sich herüber und hielt es mit dem 1. und 2. Beinpaar fest. Zwischen beide Blätter schob er nun die Legrühre und erledigte sein Geschäft. 7 Stunden verharrte das Tier in dieser Stellung. In längern und kürzern Intervallen hatte es dann seine Eier (19 Stück) abgelegt. Das mit den Eiern entleerte weißliche Secret klebt beim Erstarren die Blätter fest aneinander. Um die Spannung aufzuheben, fribt das Tier in den meisten Fällen das herangezogene Blatt, das einen Schutz gegen den Fraß und das Austrocknen der Eier bietet, so weit ab, dab es sie nur noch genügend bedeckt. Zu ihrer Aus- bildung brauchen die Eier 16—20 Tage. Jedenfalls wird aber diese Zeit je nach dem Wetter sehr schwanken. Larven. Gegen Ende der Eientwicklung ist die junge Larve Beiträge zur Kenntnis von Donacia und Macroplea. 113 schon zu erkennen. Ihre Abdominalanhänge lassen sich unter dem Mikroskop leicht wahrnehmen. Die Tracheen sind mit Luft gefüllt. Der Körper ist mit äußerst langen Borsten besetzt, die vor allem am hintern Körperende bis zu '/, der Länge des Tieres betragen können. Mit den verschiedenen Häutungen werden die Borsten immer kleiner, bis sie schließlich mit unbewaffnetem Auge nur noch schwer sichtbar sind. Trotzdem ist es unverständlich, wie HEEGER die Larven unbehaart nennen konnte. Ob die langen Borsten junger Individuen einem besondern Zweck dienen, ist sehr fraglich. Viel- leicht haben wir es hier mit den Nachkommen ehemals sehr lang behaarter Formen zu tun. Wie schon erwähnt, lassen sich die aus dem Ei geschlüpften Larven zu Boden fallen. Ich habe dies direkt an Don. versicolorea beobachtet und glaube, ein derartiges Verhalten auch von den übrigen Larven der beiden Gattungen annehmen zu dürfen. Ein Herabkriechen an der Pflanze findet nicht statt. Die Tiere gehen vom Boden aus in die Tiefe, um zu den feinen Haarwurzeln zu ge- langen. Bei der ihnen eignen Trägheit dürfte dieses Ziel erst nach Tagen oder Wochen erreicht werden, zumal sie sich immer nur die jüngsten, gewöhnlich am tiefsten im Schlamm steckenden Würzelchen erwählen, wie aus meinen Beobachtungen an gezüchteten jungen Individuen hervorging. Mit dem Wachstum wandern die Tiere mehr nach dem Stengel der Pflanze zu den dickern Wurzeln resp. Rhizomen, an denen sie sich auch stets verpuppen. Der eigentliche Aufenthaltsort ist demnach der unterirdische Teil der Futterpflanze. Hier sind sie auch von den Sammlern stets angetroffen worden. Unbekannt jedoch dürfte sein, daß sich die Larven auch an der Basis des Stengels zwischen den Blattscheiden aufhalten. Von Don. limbata Paxz. und Don. aquatica Kunze, die beide in hiesiger Gegend zahlreich sind, fand ich regelmäßig mehrere Larven von mittlerer und definitiver Größe an dieser Stelle der Pflanze. Die Körperform dieser Tiere ist nicht mehr zylindrisch. Sie sind viel- mehr dorsoventral zusammengedrückt, weil die Blätter an dem untern Stengel eng aneinander liegen. Nahrung der Larve. Während sich an den Wurzeln der Futterpflanzen die Fraßstellen in Form kleiner zylindrischer Löcher stets nachweisen lassen, vermißt man ähnliche Stellen, wenn sich die Tiere zwischen den Blattscheiden aufhalten. An diesem Teil der Pflanze befindet sich ein zäher, farbloser Schleim, der offenbar zur Nahrung dient. Diese Vermutung veranlaßte mich zu einer Zool. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. 8 114 JOHANNES DEIBEL, Prüfung des Darminhaltes der Larve. Obwohl ich eine große An- zahl Tiere untersuchte, konnte ich niemals irgendwelche festen Be- standteile wahrnehmen. Man muß daher annehmen, daß auch die an den Wurzeln und Rhizomen lebenden Larven nicht die festen Teile der Pflanze in ihrem Körper aufnehmen, sondern nur den Saft zur Nahrung verwenden, der der Pflanze aus der Wunde entströmt. Daraus ist erklärlich, daß die Fraßstellen in weit geringerer Zahl vorhanden sind, als man bei der Annahme einer Nahrungsaufnahme von festen Pflanzenteilen erwarten sollte. Wurzelstöcke, an denen ich öfter 50—80 Larven sammeln konnte, waren nicht übermäßig zernagt. Jedenfalls bereiten die Verletzungen durch die Tiere der Pflanze nur unmerklichen Schaden. Entwicklungsdauer. Nach HrEGER brauchen die Larven von Don. menyanthidis (Don. clavipes) 5—6 Wochen zu ihrer Aus- bildung. PERRIS dagegen gibt von Don. sagittariae (dürfte nach REITTER Don. dentata sein) eine Entwicklung von 4--5 Monaten an. Trotz der Verschiedenheit der Arten ist ein so großer Unterschied in der Entwicklungsdauer der betreffenden Larven kaum anzunehmen. Von Don. cinerea bin ich imstande, eine ziemlich genaue Angabe über diesen Punkt zu machen. Da dieser Käfer seine Eier in der Hauptsache in der zweiten Hälfte des Juni ablegt (s. unter „Ei- ablage“) und die Larven Anfang Oktober zur Verpuppung schreiten, so brauchen sie für ihre vollkommene Ausbildung 3 Monate, eine Zeit, die man mit großer Wahrscheinlichkeit auf die übrigen Arten und auch auf Macroplea übertragen kann. Häutungen. Um die einzelnen Larvalstadien zu erhalten, machte ich den Versuch, junge Tiere zu züchten. Leider miblang mir dies, da in der Gefangenschaft kaum eine merkliche Entwicklung wahrzunehmen ist. Es ist bis jetzt noch nicht gelungen, die Zahl der Häutungen anzugeben. Hercer schreibt (p. 940): „Wie viele Häutungen und in welchen Zwischenräumen sie solche machen, konnte ich nicht erforschen, da ich, aller Mühe ungeachtet, die zu - Hause in Gläsern gezogenen nicht zur vollkommenen Entwicklung brachte.“ Auch Exprrr gibt an, daß ihm die Fortsetzung der Ent- wicklung mißlang. Ich selbst habe junge, eben aus dem Ei ge- schlüpfte Larven von Donacia über 5 Monate (Anfang Juli bis Mitte Dezember) gehalten, ohne dab sie zur definitiven Größe heran- gewachsen wären. In dieser Zeit erreichen die im Freien lebenden Larven nicht nur ihre vollständige Größe, sondern sie haben sich schon verpuppt und leben als vollkommen ausgebildetes Insect im Beiträge zur Kenntnis von Donacia und Macroplea. 115 Puppengehäuse, um hier den Winter zu verbringen. Wohl erhielt ich einige Larvenhäute. In den meisten Fällen aber wird bei der Häutung die Exuvie in viele kleine Stücke zerrissen, so daß ein Auffinden dieser winzigen Teile im Glas sehr erschwert wird. Unter diesen Umständen ist natürlich eine schrittweise Ver- folgung der Entwicklung unmöglich. Ich versuchte daher unter Berücksichtigung der postembryonalen Entwicklung der Larve die Zahl der Häutungen festzustellen und beachtete den noch ausführlich zu beschreibenden Anhang, der bei Larven von verschiedener Größe einige Unterschiede in seinem Bau aufweist. Die sich dabei be- sonders stark verändernden Teile des Anhanges, die erst an späterer Stelle erläutert werden können, sind die „Zwischenwände“, der „Trichter“ und das bis zum Verschluß des letzten Stigmas reichende Tracheenrohr. Von Don. vulgaris ZscH. hatte ich zahlreiche Tiere in den verschiedensten Altersstadien gesammelt, und es gelang mir mit Hilfe der eben erwähnten Teile und durch Messung der Länge der Anhänge sechs Häutungen nachzuweisen. Daß ich keine übersah, beweisen die Maaße der Anhänge von den einzelnen Larvalstadien. Mit jeder Häutung wuchs die Länge der Anhänge um ungefähr 12 Einheiten. Die jedesmalige Zunahme schwankte nur innerhalb dreier Einheiten. Die untenstehende Tabelle gibt eine Übersicht der beschriebenen Verhältnisse. Die angegebene Länge der Anhänge variierte bei den einzelnen Stadien nur um zwei Einheiten. Die gegebenen Zahlen sind die nach Messungen an 3—4 Individuen ge- fundenen Durchschnittszahlen. Triehter und Länge Zu : : é Larval- Zwischenwand anschließendes des Differenz : Tracheenrohr Anhanges me stadien schiebt sich nehmen | 2 12 1 at stufenweise schrittweise > 42 11 1 IL nach der an Gröbe ab | 52 10 0 IV. use der | definitive Form 62 In 3 Ve Sy aaa definitive Form 75 VI. Puppe. Die tönnchenförmigen Puppengehäuse finden sich an den Wurzeln der Wasserpflanzen. Ein Tier beim Einspinnen zu be- obachten, gelang mir nicht, obwohl ich alte Larven unter möglichst günstige Bedingungen brachte Ganz von Schlamm umgeben, wie dies ihrem natürlichen Aufenthalt entsprach, hielt ich die Tiere 8* 116 JOHANNES DEIBEL, nicht, da ich sie so nicht hätte beobachten können. Nach Monaten hatten sie sich noch immer nicht weiter entwickelt. Es scheint, als ob sie in der Gefangenschaft, wenn sie also nicht von Schlamm umgeben sind, die Verpuppung scheuten. Tiere, die sich eben eingesponnen hatten, deren Gehäuse noch ganz dünn und durchsichtig war, sprengten in der Gefangenschaft die Hülle, um wieder ein Larvenleben zu führen. Es ist bis jetzt noch niemandem gelungen, ein Tier während des Verpuppens zu beobachten. PERRIS sagt (p. 45): „Comment la larve s’y prend-elle pour faconner sa coque? Je l’ignore, car celles que j’ai gardées dans des bocaux sans y mettre de la vase, afin de pouvoir les observer, ont péri avant de se préparer à leur métamorphose.“ Die eigentliche Umbildung zur Imago ist sehr kurz. Schon 4 Wochen nach der Verpuppung waren lebensfähige Imagines von Don. einerea zu erhalten. Der Aufenthalt im Gespinnst nimmt je- doch die weitaus längste Zeit im Leben des Tieres in Anspruch, weil es hier den Winter verbringt. Der fertig ausgebildete Käfer kriecht erst frühestens Mitte Mai des nächsten Jahres aus, nach dem er also, um bei dem Beispiel von Don. cinerea zu bleiben, reichlich 7 Monate im Kokon verbrachte. Von vielen Arten findet man Larven und Puppen mit noch un- entwickeltem und mit ausgebildetem Käfer im bunten Gemisch neben- einander. Dieser Fall wird dann eintreten, wenn sich die Eiablage auf einen größern Zeitraum erstreckt. Die Larven, die den zuletzt abgelegten Eiern entschlüpften, können sich nicht rechtzeitig ver- puppen. Sie müssen daher überwintern, um sich dann erst im nächsten Frühjahr zu verpuppen und, sobald sie sich zur Imago ent- wickelt haben, das Gehäuse zu verlassen. Die Metamorphose dürfte sich immer in dem Zeitraum von nur einem Jahr abspielen. Ich glaube dies wenigstens von Don. cinerea behaupten zu können und halte es auch bei den andern Arten für sehr wahrscheinlich. Beim Verlassen des Puppengespinnstes fressen die Käfer an dem einen Ende einen Deckel ab. Donacia, die wegen ihrer Be- borstung im Wasser von einer dicken Lufthülle umgeben ist, steigt empor, Macroplea, schwerer als Wasser, bleibt am Boden. Imago. Futterpflanzen. In neuester Zeit wurden die den Gattungen Donacia und Macroplea als Wohnsitz und Nahrung dienenden Wasserpflanzen von Ep. REITTER zusammengestellt. Für die einzelnen Arten ergaben sich in den weitaus meisten Fällen mehrere Futterpflanzen. Ihre Zahl vermehrt sich weiter, wenn man Beiträge zur Kenntnis von Donacia und Macroplea. hl die Literatur eingehender berücksichtigt. Nach Rerrrer lebt Don. crassipes (vgl. Tabelle No. 1) auf Nymphaea alba und Nuphar-Arten. Linxé dagegen soll Don. crassipes an Phellandria gefunden haben. Min sagt p. 93: „Don. crassipes is often found aboundantly upon Nymphaea or Sparganium“. Als Nährpflanzen für Don. simplex (Tabelle No. 9) sind von REITTER Glyceria und Carexarten ange- geben worden. AHRENS teilt mit, Don. simplex am Rohr (Arundo phragmites) gesammelt zu haben, während SıEsoLn dieselbe Art an Sparganium gefunden zu haben angibt. Nach meinen zahlreichen Funden, die ich während fast zweier Sommer in der Umgegend von Greifswald machte, bin ich zu der Überzeugung gelangt, daß jede Art ihre typische Nährpflanze besitzt. Ich habe Imagines in der Puppenhülle immer nur an einer bestimmten Pflanze gefunden. Auch außerhalb des Wassers waren die Käfer ausschließlich an nur einer Pflanze anzutreffen. Nach meiner Meinung sind die Vertreter von Donacia fast ausschließlich monophag. Die großen Abweichungen in den Angaben über die Futter- pflanzen erklären sich vielleicht aus der vielfachen Verkennung der gefundenen Arten. REITTER führt diese Tatsache z. B. von Don. vulgaris direkt an. Ein anderer Grund, der eine häufige Verwechs- lung in der Pflanze erklärt, ist in folgender Beobachtung zu suchen: In einem Tümpel im Guester Moor (Potthagen bei Greifswald) wächst zugleich Typha latifolia und Sparganium ramosum, und zwar stehen die Pflanzen oft so dicht nebeneinander, daß ihr Wurzelwerk sich innig miteinander verschlingt. Hier fand ich nun an den Wurzeln von Typha Don. aquatica, an Sparganium Don. limbata, was sich in diesem Falle leicht nachweisen ließ, da die Puppengehäuse schon den fertig ausgebildeten Käfer enthielten. Ein Irrtum ist hierbei wegen des Durcheinanders der Wurzeln leicht möglich. Ähnliche Funde machte ich auch anderwärts. In der folgenden Tabelle führe ich die Pflanzen an, auf denen Donacia nach den Berichten der Sammler leben soll. Zum Teil sind die Angaben sehr ungenau. Ich verweise nur auf No. 10: Don. vulgaris lebt „an sehr verschiedenen Wasserpflanzen“. Ist der Name der Futterpflanze angeführt, so fehlt in vielen Fällen ihr Species- name. Ich habe daher versucht, die Nährpflanzen der einzelnen Arten genau festzustellen, um die Angaben zu prüfen und einige Vervollständigung herbeizuführen. Die Zeit ihres Vorkommens schwankt von Mai bis Sep- tember. Im Juni sind die Vertreter von Donacia und Macroplea am JOHANNES DEIBEL, 118 Art 1. | Don. crassipes F. (striata) 2. | Don. cinerea Hresr. (hydro- charis F., tarsata Panz.) 3. | Don. clavipes F. (meny- anthidis F.) 4. | Don. aquitica Kunze, (den- tipes F., coccineo-fasciata HARRER, vittata OLıv.) 5. | Don. versicolorea BRAHM (cincta GErM., bidens Ottv.) 6. | Don. limbata Panz. (lem- nae F., lateralis BonELLI, vittata Panz.) 7. | Don. dentata Hoppe (angus- tata Kunze, phellandrii SAHLB.) 8. | Don. semicuprea Panz. (moerens Kunze, simplex F.) 9. | Don. simplex F. (linearis Hoppe) 10. | Don. vulgaris ZscHAcH (typhae Aur.) 11. | Don. nigra F. (palustris Panz.) 12. | Don. ? Macroplea mutica EF. (Haemonia curtisii Lac., Haemonia baltica SEIDL) Futterpflanzen nach eignen Funden Nymphaea alba, Nymphaea lutea Typha angustifolia Phragmites commnnis Typha latifolia Potamogeton natans Sparganium ramosum Sagittaria sagittaefolia Glyceria spectabilis Glyceria fluitans Sparganium simplex Acorus calamus Zanichellia palustris, Potamogeton pectinatus Futterpflanzen nach Reirrer u. A. Nymphaea alba und Nuphar-Arten Sparganium, Typha lati- folia, Phragmites communis Phragmites communis, Phalaris arundinacea, Potamogeton natans Carex, Glyceria, Sparganium Potamogeton natans Sparganium, Carex-Arten Sparganium ramosum, Sagittaria sagittaefolia Glyceria spectabilis Glyceria, Carex-Arten, Arundo phragmites, Sparganium An sehr verschiedenen Wasserpflanzen „Habitat in plantis aqua- ticis“ (GERMAR 1811 p. 32) Ruppia maritima Zeit des häufigsten Auftretens Juni, Juli Juni Juni Mai, Juni Juni, Juli Juni, Juli Im Juli gesammelt Juni Im August gesammelt Juli Ende Juni gefunden Larven Mitte Juli gefunden Juli Dauer ihres Auftretens Mitte Juni bis Anfang September Mitte Mai bis Ende Juli Mitte Mai bis Mitte Juli Ende April bis Mitte August Mitte Juni bis Anfang September Mitte Mai bis Mitte August Mitte Mai bis Ende Juli Mitte Juni bis Mitte August Anfang Mai bis Ende Juli Beiträge zur Kenntnis von Donacia und Macroplea. 119 häufigsten zu finden. In vorstehender Übersicht sind, soweit ich nachkommen konnte, die genauen Zeiten für jede einzelne Art an- geführt. Der Name Don. hydrocharis und Don. menyanthidis deutete auf die von den beiden Arten bewohnten Pflanzen. Hydrocharis morsus ranae und Menyanthes trifoliata untersuchte ich jedoch stets mit negativem Erfolg. Von Don. nigra, die sich nur nach REDTENBACHER bestimmen ließ, da sie in „Die Süßbwasserfauna Deutschlands“ nicht mit aufgenommen war, ist es mir leider nicht möglich gewesen die Nährpflanze anzugeben, da ich zu spät auf diese Art aufmerksam wurde. Ich fand sie gelegentlich unter Exemplaren von Don. semi- cuprea. Schließlich sei noch eine an Kalmus lebende Art erwähnt. Dieser Fund ist insofern interessant, als bis jetzt an dieser Pflanze Donacia noch nicht beobachtet wurde. Der scharfe Geruch der Rhizome hält also die Larven nicht fern. Imagines konnte ich wegen der vorgerückten Jahreszeit nicht mehr finden. Eine Artbestimmung war daher ausgeschlossen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auf einen Fund hinweisen, den ich bei den Untersuchungen der Wasserpflanzen auf Donacia machte. In den Kammern des Rhizoms von dem als äußerst giftig geltenden Wasserschierling, Cicuta, saßen die Larven des ebenfalls zu den Chrysomeliden gehörigen Käfers Helodes phellandrii. Als Nährpflanze für Macroplea ist in der Tabelle Zanichellia und Potamogeton angegeben. Im Süßwasser waren jedoch die Käfer an diesen Pflanzen nie zu finden. Man könnte annehmen, daß sie eben nur im Salzwasser zu leben vermöchten. Der Versuch aber lehrte, daß die Tiere monatelang in gewöhnlichem Leitungswasser aushielten. Es müssen daher andere Momente in Frage kommen, die eine Bevorzugung der See erklären. Vielleicht sind sie in der Art des Untergrundes und in der Bewegung des Wassers zu suchen. An Zosterea und Myriophyllum waren die Käfer nie anzutreffen. Begattung. Den ganzen Sommer hindurch kann man die Tiere in Copula antreffen. Das Männchen sitzt auf dem Weibchen und umklammert es mit seinen Beinen. Bei Macroplea geht auch dieser Akt im Wasser vor sich. Die sonst so trägen Tiere liefen erregt im Glase umher und suchten sich gegenseitige. Das Männchen umfaßte das Weibchen mit den beiden ersten Bein- paaren, das 3. Beinpaar war frei ausgestreckt. Während der Copulation, die ungefähr eine halbe Stunde dauerte, bewegten die Tiere die Fühler lebhaft auf und nieder. Nach einer Ruhepause, 120 JOHANNES DEIBEL, während welcher die Tiere vereinigt blieben, erfolgte die Begattung von neuem. Systematisches. Über die systematische Stellung von Donacia und Macroplea über die Zugehörigkeit zu den Chrysomeliden haben wohl nie Zweifel bestanden. Schwierigkeiten dagegen bereitete den Systematikern die speziellere Klassifizierung. GERMAR reihte Macro- plea noch der Gattung Donacia an, obwohl er schon das Unrichtige dieser Vereinigung empfand, wenn er p. 45 sagt: „Fast möchte ich über das Bürgerrecht dieses Käfers in dieser Gattung Bedenken tragen, und ihn lieber mit den Sagras FAgr. verbinden, wenn er nicht zu einer eigenen Gattung sich qualifizierte.“ Die Arten beider Gattungen sind von den Forschern nach ihrem Äußern genau be- schrieben worden, so daß an dieser Stelle auf die Systematik ein- zugehen unnötig erscheint. Weniger Wert legte man auf die unter- scheidenden Merkmale der beiden Geschlechter derselben Art. Ohne mich auf diesen Punkt näher einzulassen, will ich nur erwähnen, daß man Männchen und Weibchen stets ohne weiteres an ihrer verschiedenen Größe erkennen kann, da das Männchen durchweg kleiner ist. Einiges über den Fang der Tiere. Die im Schlamme verborgenen Larven und Puppen beider Gattungen sind schwer zu- eänglich. Dasselbe gilt von der an der pommerschen Küste in einer Tiefe von 1—2 m lebenden Imago von Macroplea mutica. Doch auch die Imagines von Donacia sind nicht immer leicht zu fangen, da sich einige Arten von ihnen durch ihren schnellen Flug und be- sondere Lebhaftigkeit auszeichnen. Ich will daher in kurzen Worten auf den Fang der Tiere eingehen. Larven und Puppen von Donacia sammelte ich, indem ich mit einem langen Bambusstab, dem ein Haken aufgeschraubt war, die am Ufer stehenden Wasserpflanzen samt den Wurzeln herausriß. Über das Wurzelwerk zog ich dann ein Netz von mittlerer Maschenweite und wusch gut aus. Der an den Wurzeln hängende Schlamm löst sich ab und ging durch das Netz. Larven, die von der Pflanze abgefallen waren, blieben zu- rück. Die gereinigte Pflanze ließ sich dann leicht untersuchen. Bequemer war der Fang der Imagines. Einige Arten, besonders Don. cinerea und Don. semicuprea, sind so träge, daß sie beim Ein- sammeln ganz selten den Versuch machen, fortzufliegen. Meistens wollen sie sich dadurch retten, daß sie sich einfach von der Pflanze fallen lassen. Vorsichtiger sind Don. limbata und Don. aquatica, Am schwierigsten gestaltet sich der Fang von Don. erassipes und Don. Beiträge zur Kenntnis von Donacia und Macroplea. 121 versicolorea, da diese Tiere bei nahender Gefahr schnell davonfliegen oder auf die Unterseite der Blätter flüchten, wo sie dann für den Sammler nicht zu sehen sind. Bei einiger Übung kann man jedoch auch diese Käfer in größerer Zahl erhalten. Auf den Stab schraubte ich ein Netz und streifte damit schnell die auf den Schwimmblättern sitzenden Tiere ab. Das schnelle Flugvermügen nimmt bei kalter Witterung ab. Im Spätsommer werden daher diese Arten träger. Hierbei möchte ich auf eine Eigentümlichkeit der Imagines von Donacia aufmerksam machen. An Stellen, die mir als Donacia-Fund- plätze bekannt waren, hätte ich an manchen Tagen die Tiere, die am Stengel der Pflanze sitzend leicht zu sehen waren, zu hunderten fangen können. Manchmal dagegen gelang es mir erst nach eifrigstem Suchen einige wenige Exemplare zu erlangen. Dieses eigenartige Auftreten, einmal in großer, das anderemal in sehr geringer Zahl, hängt mit den Witterungsverhältnissen zusammen. Bei Sturm und Regen suchen sie Zuflucht zwischen den Halmen des Schilfes oder Rohrkolbens und andern geschützten Stellen. Sonnenschein und Windstille lockt sie hervor. Sonderbarerweise sind sie gegen Feuchtigkeit sehr empfindlich. Es empfiehlt sich daher, die Käfer stets in ganz trockenen Sammel- gläsern aufzubewahren, da sie sonst in kurzer Zeit zugrunde gehen. Beim Fang von Macroplea benutzte ich einen Rechen, dessen Zähne ich tief in den von den Nährpflanzen bestandenen Boden ein- schlug. Mit kurzem Ruck zog ich dann den Rechen nach oben. Die so zutage beförderte Portion Sand wurde dann im Netz ausge- waschen, die Pflanze mit den an ihr sitzenden Käfern blieb zurück. In größerer Zahl und bequemer fischte ich die Imagines, indem ich ins Wasser stieg und die Pflanzen möglichst kurz über dem Boden mit den Händen abriß. Die Käfer blieben ruhig sitzen und ließen sich dann ablesen. Das Abnehmen bereitete einige Schwierigkeiten, da die Tiere mit ihren langen Beinen die Pflanze fest umklammern. Macroplea mutica verhält sich in dieser Beziehung ganz wie Macro- plea appendiculata, von der GERMAR (p. 34 u. 35) schreibt: „Sie hatten sich stets fest an die Stengel, die nicht über das Wasser heraus- ragten und die sie vermöge ihrer langen Füsse ganz umfassen, an- geklammert, daß wir sie nicht abnehmen konnten, ohne ihnen Füsse abzureissen.“ Pflanzen, die von Algen überwuchert sind, meidet der Käfer vollständig. Man findet ihn immer nur an reinen, gesunden Stengeln. Bei hohem Wellengang gehen die Käfer nach dem untern Teil der Pflanze und sitzen nur noch einige Handbreit vom Boden 122 JOHANNES DEIBEL, entfernt. Ist die See ruhig, so steigen sie hoch. Man kann sie dann häufig von oben durch das Wasser hindurch an der Pflanze beobachten. Atmung der Larven. Bau der gewöhnlichen Stigmen. Die Untersuchungen an der Larve führte ich aus an Don. aquatica K. Bei der Gleich- artigkeit der einzelnen Arten in biologischer und anatomischer Hin- sicht ist man berechtigt, die nachstehenden Ausführungen auch für die übrigen Arten und für Macroplea gelten zu lassen. Auf etwaige Unterschiede im Bau der zu behandelnden Organe mache ich im Folgenden aufmerksam. Bei der Beachtung, die man den Atmungs- organen schenkte, hatte man sich nur auf die Häkchen beschränkt, die gewöhnlichen Stigmen dagegen vernachlässigt. SIEBOLD, SCHMIDT, Dewıtz, die speziell über die Atmung gearbeitet haben, erwähnen sie überhaupt nicht. Bovine berücksichtigte nur die Stigmen alter Larven. Junge Tiere haben kollabierte Stigmengänge. Die Stigmen, die sich äußerlich als kleine, sehr schwer sichtbare, braune Punkte zeigen, kommen also für die Atmung nicht in Betracht. Von einem Reusen- und Verschlußapparat ist hier noch nichts wahrzunehmen. Erst im letzten Larvalstadium haben die Stigmen, abgesehen vom zweiten thoracalen, das kollabiert bleibt, ihre definitive Form er- reicht, sie sind offen und haben alle Eigenschaften eines funktions- fähigen Stigmas (Taf. 1, Fig. 1). Der Reusen- und Verschlußapparat tritt in diesem Stadium deutlich hervor. Ob die Stigmen jedoch in dieser Gestalt für die Respiration eine Rolle spielen, bezweifle ich, da sie bei dem Aufenthalt der Larven im Schlamme nicht funk- tionieren können. Trotzdem muß ich auf den Bau der ausgebildeten Stigmen so weit eingehen, als zum Verständnis des Folgenden nötig ist. Die gewöhnlichen Stigmen zeigen untereinander durchweg die gleiche Beschaffenheit. Sie besitzen einen „Vorhof“, der die Form eines Bechers aufweist (Taf. 1, Fig. 1 u. 2 VA). Er ist bei Donacia be- sonders an der Basis stark chitinisiert und zeigt nach außen eine größere Öffnung als nach innen. Am distalen Ende schlägt sich der Rand des Bechers um und bildet den ,Stigmenring“ (Sr), dessen äußerer Teil in die weiche Cuticula des Körpers übergeht. Auf den Vorhof folgt, indem sich das Lumen erweitert, ein Rohr ohne tracheale Struktur. Die Faltungen desselben in Fig. 1 halte ich für ein beim Schneiden entstandenes Kunstprodukt. Am Grunde —, Beiträge zur Kenntnis von Donacia und Macroplea. 123 des Rohres erhebt sich der Reusenapparat (R). Er besitzt eine An- zahl kräftiger, nicht verzweigter Borsten, die nach der Stigmen- öffnung zu gerichtet radial von der Wand nach der Mitte zu laufen und sich mit ihren Spitzen berühren. An den Reusenapparat schließt sich (Fig. 2) ein kurzes Stück einer häutigen Röhre an, die auf der einen Hälfte bald eine Ein- faltung erleidet. Der eingebuchtete Teil ist stärker chitinisiert und bildet schließlich den Verschlußbügel (Vg) des Tracheenverschluß- apparats. Nach Untersuchungen von Laxpoıss und THELEN, später von KRANCHER, setzt sich ein solcher allgemein aus 4 Teilen zusammen (welz'Eie.3): 1. dem Verschlußbügel (Vg), 2. dem Verschlußhebel oder -kegel (@Vk und KVh), 3. dem Verschlußband (Vd), 4. dem Verschlußmuskel (Me). Diese 4 Teile lassen sich an allen bis jetzt bekannten Stigmen- verschlüssen nachweisen, wenn sie auch bei den einzelnen Insecten- formen ganz bedeutend variieren. Die obengenannten Forscher haben eine große Zahl von Tracheen- verschlüssen beschrieben, jedoch nicht immer genau genug. Wie einige Untersuchungen in neuester Zeit lehren, sind die Angaben KRANCHER’S noch ergänzungsbedürftig. So hat sich ALT nochmals mit den Stigmen von Dytiscus marginalis L. beschäftigt und einige Verbesserungen gegeben. SoLowIow untersuchte abermals nnter anderm eingehend den schon von Lanpoïs und KRANCHER beschrie- benen Bau des Verschlußapparats von Cossus cossus und entdeckte noch einen zum Verschluß des Stigmas dienenden Muskel, durch den ein Verschließen der Trachee verständlicher wird. Trotzdem liegt aber noch kein Grund vor, die von Lanpots ein- geführten Bezeichnungen der einen Verschluß bildenden 4 Teile durch andere zu ersetzen. Es liegt im Interesse einer einheitlichen Nomenklatur und leichter Orientierung, die alten Namen beizube- halten. Obwohl SoLowıow von Laxpois ausgeht, spricht er (p. 710) von einer „auswärtigen chitinigen Hautverdickung“ und (p. 708) von der „Haut, welche das chitinige Gerippe des Verschlußapparates mit dem äußern Ring zusammen bildet“. Statt dessen hätte es sich empfohlen, einfach Verschlußbügel bzw. Verschlußband zu sagen. Am meisten ähnelt der Bau des Verschlusses bei den Larven von Donacia und Macroplea dem von Sozowiow bei Cossus cossus be- 124 JOHANNES DEIBEL, schriebenen, und im Folgenden werde ich seine Bezeichnungsweise der Verschlußmuskel verwenden. Der Verschlußbügel ist ein fester, elastischer Stab, der sich nach beiden Seiten hin in Chitinwülste fortsetzt, die mit den beiden an Größe ein wenig verschiedenen Verschlußkegeln (Fig. 3 GVk u. KVk) identisch sind. Morphologisch sind sie, wie aus Fig. 1 hervorgeht, als eine Ausbuchtung des häutigen Rohres anzusehen. Über die Be- schaffenheit des Verschlußbandes gibt ein Schnitt durch den Ver- schluß Auskunft (Fig. 3 Vd). Hiernach bildet es den dem Bügel gegenüberliesenden Teil des Verschlusses. Im Gegensatz zum festen Bügel ist es weichhäutig. Der Bügel (Vg) und das Band (Vd) ragen beide ein wenig in das Lumen des Rohres hinein und bilden die „Lippen des Stigmas“. Die Verschlußkegel sind durch einen kräf- tigen Muskel (Musculus constrictor) verbunden. Am kleinern Kegel inseriert außerdem noch ein sehr langer Muskel (Fig. 1, 2 Mir), der transversal verläuft und an der Hypodermis der Körperhaut endet. Es ist der Musculus transversus. Aus Fig. 3 ist die physiologische Wirkung des beschriebenen Verschlußapparats leicht ersichtlich: Durch Kontraktion des Mus- culus constrictor nähern sich die beiden Kegel, das Verschlußband . legt sich dem Bügel an und verschließt das Lumen. Der Musculus transversus dient als Abductor und bewirkt durch Zusammenziehen ein Öffnen des Stigmas. Auf den Verschlußapparat folgt die eigent- liche Trachee mit ihrer charakteristischen spiraligen Struktur. Diese Darstellung gilt, abgesehen vom letzten Stigmenpaar, von allen übrigen offenen Stigmen. Wesentliche Unterschiede zwischen Donacia (Fig.1) und Macroplea (Fig. 2) bestehen nicht. Der Vorhof ist bei Macroplea auffällig schwach chitinisiert. Der äußere umgeschlagene Teil legt sich eng der eigentlichen Wandung an. Daher erheben sich bei Macroplea die Stigmen etwas höher über die Körperoberfläche als bei Donacia, was ein sicheres und einfaches Unterscheidungsmerk- mal für die sonst schwer auseinanderzuhaltenden Larven beider Gattungen ist. Bau des letzten Stigmas (einschließlich Häkchen). Die von den Forschern als Afterdornen, Krallen, Sicheln oder Stacheln bezeichneten Abdominalanhänge sind, wie schon aus den mannig- fachen Ausdrücken hervorgeht, von jeher als eine Eigentümlichkeit der Larven von Donacia und Macroplea angesehen worden. Die Untersuchungen an diesen Tieren beschränken sich vielfach fast ausschließlich auf diese Gebilde. Daß trotzdem noch keine völlige Beiträge zur Kenntnis von Donacia und Macroplea. 125 Klarheit herrscht, liegt einmal an dem komplizierten Bau der An- hänge, die außerdem der Untersuchung wegen ihrer festen Chitini- sierung bedeutende Schwierigkeiten in den Weg legen, und dann an der geringen Größe des Objekts. Auch an dieser Stelle muß ich darauf hinweisen, daß in der Literatur immer nur von den An- hängen alter Larven die Rede ist. Groß sind die Unterschiede zwischen alten und jungen Individuen allerdings nicht, und ich will daher zunächst eine Beschreibung des Anhanges einer erwachsenen Larve geben. An der dorsalen Seite des 8. Abdominalsegments sind zwei dicht nebeneinanderliegende helle Flächen sichtbar, die „Stigmenhöfe“. In -ihnen gibt sich je ein Stigmenspalt als dunkel verlaufender Streifen kund. Dieses Stigma möchte ich „Häkchenstigma“ nennen. Der Stigmenhof ist rings umsäumt von braunem, hartem Chitin, der „Stigmenplatte* (Fig. 17 Sp), die analwärts in jene hornigen Ge- bilde, die Häkchen, übergeht. Diese selbst sind mehr oder weniger gebogen und liegen für gewöhnlich dem Körper an. Die dorsale Mittellinie der Häkchen erscheint als ein feiner Spalt mit eigen- artiger Zeichnung, der bis in die Nähe des Häkchenstigmas verläuft. Viel mehr ist bei oberflächlicher Betrachtung nicht zu sehen. Zum eingehendern Studium sind Schnitte nötie. Schon SCHMIDT-SCHWEDT erkannte, daß es sich bei den Ab- dominalanhängen nicht um einfache Röhren handelte, sondern dab der Anhang von 5 Hohlgängen durchzogen sei, 4 paarigen und 1 „unpaaren“. Diese Anschauung ist nur soweit zutreffend, als sie für eine bestimmte Partie des Gebildes gilt. Auberdem ist der als 5. „unpaarer Kanal“ bezeichnete Teil des Häkchens nicht hohl, so dab von einem Kanal nicht gut die Rede sein kann. Er endet auch nicht blind, besitzt also keine Öffnung nach außen, wie sie SCHMIDT annimmt. Auch Bovine hat den Bau des Häkchens noch nicht vollständig erfaßt. Um sich ein Übersichtsbild von einem Häkchen zu verschaffen, stelle man sich zunächst eine konisch zulaufende, ein wenig ge- krümmte Rinne mit doppelter Wandung, also mit einer innern und einer äußern Schicht, vor, deren Ränder sich soweit nähern, daß ein schmaler Spalt entsteht. Das spitze Ende der Rinne sei ge- schlossen. Orientiert man sie in der Weise, daß die Spitze nach unten, der Spalt nach hinten zeigt, so hat man die dem Anhang entsprechende natürliche Lage (Textfig. Al). Die Rinne sei jedoch nicht einfach gestaltet, sondern durch eine Faltung der innern 126 JOHANNES DEIBEL, Mro Mel Se Mn War PA 6 Fig. A1—A6. Schematische Querschnitte durch das Häkchen. Fig. Al. Querschnitt durch das Häkchen. (Mittel- und Zwischenwand weg- gelassen.) Fig. A2. Querschnitt durch das Häkchen. (Zwischenwand weggelassen ) Fig. A3. Querschnitt durch die Mitte. Fig. A4. Querschnitt durch die distale Hälfte. Fig. A5 u. A6. Querschnitte durch die proximale Hälfte, basalwärts fort- schreitend. Buchstaben vgl. Tafelerklärung. Schicht (,Mittelwand“), die bis zum Spalt verläuft, in 2 Hohlräume geteilt (Textfig. A2). Durch weitere Faltung des mittlern Teiles der Mittelwand bis zum Rand der „Außenwand“ entsteht nunmehr in jedem der beiden Hohlräume eine „Zwischenwand“, die das ganze Gebilde in 4 Räume gliedert. Textfig. A3 gibt einen Schnitt durch die Mitte der Rinne. Nach ihren beiden Enden zu wandert die Zwischenwand allmählich nach außen, jedoch mit dem Unterschiede, dab sie nach der Spitze zu immer schmäler wird und schließlich die Außenwand nicht mehr erreicht (Textfig. A4), während sie nach der Basis hin der Außenwand fest angelagert bleibt, um zuletzt die Öffnung der Rinne nach außen zu überbrücken (Textfig. A5 u. A6). An beiden Enden ist daher die Mittelwand einfach, und es sind dann wieder 2 Hohlräume hergestellt. Es werden jetzt die Einzelheiten im Bau des Häkchens, wie sie uns eine Querschnittserie am besten veranschaulicht, verständlich werden. An einem Abdominalanhang lassen sich bis zum Stigmen- spalt verschiedene, durch Übergänge verbundene Formen unter- Beiträge zur Kenntnis von Donacia und Macroplea. 127 scheiden, die der Reihe nach von der Spitze nach der Basis an einer Auswahl von Schnitten erläutert werden mögen (Taf. 1, Fig. 4—7,9—11). Die Spitze besteht aus einer braunen Chitinmasse (Fig. 4). Der zweite Schnitt zeigt dorsal zwei symmetrisch gelegene Ein- buchtungen (Fig. 5). Von der Mittelwand, die sich an ihrem distalen Ende dachförmig verbreitert und, wie besonders aus Fig. 6 hervorgeht, die beiden Spaltöffnungen teilweise überdeckt, ent- springen nach beiden Seiten kleine Chitinäste (Ca). Je einer von diesen zahlreichen Ästchen zeichnet sich durch seine Größe aus. Weiter basalwärts haben die beiden großen Vorsprünge (Fig. 6), die die Anfänge der Zwischenwand (Zw) darstellen, so weit an Um- fang zugenommen, dab sie die Außenwand (Aw), die ihrerseits wieder je einen kleinen, frei endenden Vorsprung in das Lumen schickt, an der dorsalen Seite erreicht haben. Die Kammerwände sind aus zwei Schichten gebildet. Wie erwähnt, wandert die Zwischenwand dorsal. In Fig. 7 ist sie nur noch rudimentär und verschließt den Spalt vollständig. Auch die Mittelwand findet bald ihr Ende. Aus Fig. 7 ist schon ersichtlich, daß ihre Dicke abgenommen hat. Dieses allmähliche Schwinden tritt da ein, wo das Häkchen nicht mehr frei aus der Körperhaut herausragt. Gleichzeitig weichen (Fie. 11, 9) die beiden Schichten der Außenwand auseinander. Die äußere geht über in die Körperhaut, von der sie sich allerdings noch durch braune Farbe und hartes Chitin, das sich an der Übergangsstelle in die weiche Cuticula wulstförmig verdickt, hervorhebt. Von der innern, sehr dünn gewordenen Schicht springen (Fig. 9 On) radial Chitinnadeln vor, die sich verästeln und verzweigen, dabei (Fig. 10 Cr) immer dichter werden und schließlich eine kompakte undurchlässige Masse bilden, die den Hohlraum vollständig verschließt. Von einer eigentlichen Mittelwand kann an dieser Stelle nicht mehr die Rede sein, sie geht sozusagen in den Trichter, einen später zu beschreiben- den Teil des Häkchenstigmas, über. Totalpräparate und Frontalschnitte geben Auskunft über die Struktur der Wände. An der äußern Wand sind feine Streifen bemerkbar, die annähernd quer verlaufen. Die Zwischenwand be- steht aus einer Aneinanderreihung von. Chitinstäben (Fig. 8 Cstb), von denen jeder einzelne längsgestreift ist. Am dorsalen Teil ver- breitern sie sich etwas, indem sie gleichzeitig in lauter kleinen, regel- mäßig nebeneinanderliegenden Lamellen enden. Dasselbe Bild zeigt der dachförmige, den Lamellen gegenüberliegende Rand der Mittel- wand (Fig. 12 L). 128 JOHANNES DEIBEL, Unberücksichtigt blieb die ventrale Seite der Häkchen, die aus einem farbbaren Chitin besteht (Fig. 6 WC). Allem Anscheine nach ist es weich. Es erfüllt die ventrale Partie des Anhanges mit einer homogenen Masse, die sich noch bis in die engen Räume zwischen die aus zwei Schichten bestehenden Wände erstreckt. Scumripr hält diese Masse für die Matrix. Nach ihrem histologischen Bau ist dies jedoch ansgeschlossen. Beim Übergange des Häkchens in die Körperhaut schlägt sich die äußere Schicht der Außenwand um und geht in die weiche Cuti- cula des Tieres über (Fig. 11). Am basalen Abschnitt des Häkchens zieht sich, wie erwähnt, die äußere Schicht der Außenwand dorsal ein Stück nach vorn und.hebt sich von dem gewöhnlichen Integument als härteres und stärkeres Chitin ab. Inmitten dieses Chitins liegt eine helle, chitinige Fläche, der Stigmenhof, der in Form eines Längsspaltes die Stigmenöffnung zeigt (Fig. 13). Auch durch diese Region liefern Querschnitte die anschaulichsten Bilder, da sie uns aufklären über die Beschaffenheit und den Verlauf des Stigmen- ganges (Sg). Letzterer besitzt ziemlich dicke, weichhäutige Wände, die ich auf Schnitten nie aneinanderliegend fand. Der Stigmengang mündet nach Fig. 13 in einen großen Raum, den „Trichter“ (Zr), dessen eigentümliche dicke Wandung (Zw) peripher eine radiäre Streifung zeigt, nach dem Lumen zu homogen ist. Die Wand ist das Abscheidungsprodukt von einem Komplex langgestreckter, flaschenförmiger Hypodermiszellen (Hd), die dieselbe radiale Anordnung wie die Streifen der Trichterwand aufweisen. Dieser Teil hat in anatomischer Hinsicht große Ähnlichkeit mit dem Reusenapparat eines der gewöhnlichen Stigmen. Analwärts wird das Lumen des Trichters immer kleiner, bis schließlich seine Wan- dung (Fig. 14) zu einem gemeinsamen Ganzen verschmolzen ist, das mit der den Hohlraum an der Basis des Häkchens abschließenden Chitin- masse identisch ist. Nach vorn erweitert sich der Raum des Trichters noch etwas und endet mit ein wenig nach außen umgeschlagenem Rand. An den Trichter schließt sich (Fig. 13, 14 ST) ein Stück Tracheenrohr an, dessen Spiralfaden bis zum Verschlußapparat be- deutend weiter gewunden und stärker chitinisiert ist als bei der typischen Trachee. Der Verschluß des letzten Stigmas zeichnet sich vor dem der gewöhnlichen Stigmen durch seine bedeutendere Größe aus. Andrer- seits haben die einzelnen den Apparat zusammensetzenden Stücke Veränderungen erlitten. Der große Kegel hat (Fig. 15, 16) an Beiträge zur Kenntnis von Donacia und Macroplea. 129 Mächtigkeit auf Kosten des kleinen zugenommen. An die den großen Kegel bildende Ausfaltung des Tracheenrohres schließt sich eine Einfaltung desselben an (Fig. 15). Der eingefaltete Teil ist kräftig ehitinisiert und bildet eine Platte (Cp), die weit in das Lumen der Trachee hineinragt. Das Verschlußband (Fig. 16 Vd), das von Kegel zu Kegel verläuft, ist mit der Platte fest verwachsen. Die Musku- latur ist sehr kräftig. Außer dem Musculus constrietor (Me) und Musculus transversus (Mtr), die sich auch an den übrigen Stigmen nachweisen ließen, inseriert am großen Kegel noch ein sehniges Band (Lt), das Ligamentum tendinosum, dessen Verlauf später ange- geben wird, und der Musculus Versoni (MV), der sich nach hinten fortsetzt. Er hat seinen Namen von VERSON, der als erster einen . analogen Muskel bei Bombyx mori fand. TicHoMIRoFF führte dann diese Bezeichnung ein, die SoLowıow beibehielt. Dieser Muskel und das Ligament liegen nicht ganz in der Schnittebene der Fig. 16 und sind daher nur schwach angedeutet. Der Bau des letzten Ver- schlusses läßt auf eine sehr kräftige Wirkung schließen. Dies nimmt nicht Wunder, denn er hat das Öffnen und Verschließen eines der 2 großen Haupttracheenstämme zu besorgen, während die übrigen, schwächer gebauten Verschlüsse nur die feinen, in die Längsstämme mündenden Stigmengänge zu bedienen haben. Später wird sich zeigen, welche wichtige Rolle der letzte Verschlußapparat für die Atmung des Tieres spielt. Es bleibt nun noch übrig, die Häkchen junger Larven zu be- rücksichtigen. Das Auffälligste bei ihnen ist das Fehlen der Zwischenwände. Die Mittelwand bildet also keine Ausfaltungen. Ein derartiges Häkchen bleibt daher stehen auf der aus Textfig. A2 er- sichtlichen Form. Die beiden Hohlräume sind mit einer haarartigen Masse erfüllt, die uns bei alten Larven nur noch als feine Wand- auskleidung entgegentritt. Mit alten Larven verglichen zeichnet sich bei jungen Tieren noch das zwischen Trichter und Verschluß liegende Stück der Trachee durch seine relativ ganz bedeutende Länge aus. Der Tragapparat der Abdominalanhänge. HEEGER berichtet, er habe gesehen, wie die Larven die Anhänge zangen- förmig übereinanderlegten und sich so an den Wurzeln festhielten. Da ich diese Beobachtung nie gemacht hatte, so untersuchte ich, ob vielleicht Muskeln vorhanden wären, die eine derartige Deutung zuließen, und ich fand, daß Heecer’s Mitteilung auf einem Irrtum beruhen muß. Zool. Jahrb, XXXI. Abt. f. Anat. 9 130 JOHANNES DEIBEL, Zwischen den hinter der Stigmenplatte gelegenen Chitinplatten, deren Lage später noch genauer festgestellt wird, stülpt sich das Integument (Fig. 17 Ha) weit in das Innere des Körpers ein. Die unpaare Invagination, die wegen ihrer noch zu beschreibenden Funk- tion als Hebelarm bezeichnet werden mag, läuft parallel den ventral und lateral von ihr liegenden Tracheenlängsstämmen. An dem Hebelarm setzt nun eine überaus kräftige Muskulatur an. Ich fand nicht weniger als 18 Muskelbündel (DM, VM), dorsal 7 nach dem Rücken divergierende Paare, ventral 2 ähnliche, entgegengesetzt ver- laufende. Von besonderer Wichtigkeit ist, daß auch das sehnige Aufhängeband, das Ligamentum tendinosum, des letzten Tracheen- verschlußapparats an dem Hebelarm endet (Fig. 17 Lt), nachdem es sich, vom Verschlußkegel ausgehend, fächerförmig verbreitert hat. Die Invagination steht in engem Zusammenhang mit der Be- wegung der Abdominalanhänge. Eine starre Verbindung besteht allerdings nicht. Trotzdem scheint mir eine Bewegung des Häkchens durch Heben und Senken des Hebelarmes ohne allen Zweifel. Daraus erhellt, daß von einer zangenförmigen Übereinanderlagerung der Häkchen nicht die Rede sein kann, da beide nur durch eine Kraftwirkung gleichzeitig in Bewegung gesetzt werden. Morphologie des Häkchenstigmas und des Häk- chens. Bei der vergleichenden Betrachtung eines der gewöhnlichen Stigmen mit einem Häkchenstigma ergeben sich trotz der äußer- lichen Verschiedenheit beider Stigmenformen gleichwertige Bildungen. Als solche sind zunächst ohne Zweifel die sowohl einem Stigma als auch einem Anhang zukommenden Tracheenverschlußapparate zu er- wähnen. Nach außen folgt nach Fig. 13, 17 beim Anhang ein Stück Trachee, das dem bis zum Reusenapparat reichenden Rohr des Stigmas (Fig. 2) homolog ist. Weniger einleuchtend scheint eine Identi- fizierung des Trichters mit dem Reusenapparat. Der feinere Bau läßt uns aber nicht im Zweifel, daß es sich um homologe Bildungen handelt. Die radial um den Trichter angeordneten Hypodermiszellen : lassen sich in gleicher Weise um den Reusenapparat herum nach- weisen, wie aus Fig. 1, 2 und 13, 17 hervorgeht. Ebenso zeigen Tangentialschnitte durch diese beiden entsprechenden Stücke eine überraschende Ähnlichkeit in der Chitinstruktur. Es entsteht nun die Frage, läßt sich das Häkchen von einem Stigma ableiten? So grundverschieden beiderlei Gebilde zunächst erscheinen mögen, so ergeben geeignete Schnitte doch eine auf- fallende Ähnlichkeit zwischen Stigma und Häkchen, die eine morpho- Beiträge zur Kenntnis von Donacia und Macroplea. 131 logische Deutung des letztern gestatten. Beistehende Textfiguren stellen schematisiert in Fig. Bl u. B2 Längsschnitte durch ein st Hs 28 7 Fig. B1—B8. Ableitung des Häkchens und Häkchenstigmas von einem typischen Stigma. Fig. Bl. Schematisierter Längsschnitt durch ein typisches Stigma. Fig. B2. Schem. Längsschnitt durch ein typisches Stigma, in der Ebene der Linie 7 (Fig. Bi) geführt. Fig. B3. Schem. Frontalschnitt durch das Häkchen. AA = Sr, JA= Vh, Tr=R. (Mittelwand weggelassen.) Fig. B4. Schem. Schnitt durch das Häkchen, ziemlich parallel dem Spalt. Fig. B5. Schem. Querschnitt durch das Häkchen. (Mittel- und Zwischenwand weggelassen.) Fig. B6. Schem. Schnitt durch das Häkchen in der Ebene der Linie Q geführt (Fig. B4). (Mittelwand weggelassen.) Fig. B7. Typisches Stigma in der Aufsicht. Fig. B8. Häkchenstigma (Hst) und Häkchenspalt (Hsp) in der Aufsicht. Hier nicht erklärte Buchstaben vgl. Tafelerklärung. Ox 132 JOHANNES DEIBEL, typisches Stigma dar, Fig. B2 ist ein annähernd tangentialer Schnitt, in der Ebene der Linie 7 in Fig. Bl geführt, der die an der Basis des Vorhofes befindliche kleine Öffnung nicht getroffen hat. Die Figg. B3, Bd u. B6 gehören dem Anhang an, und zwar stellt Fig. B3 einen Frontalschnitt dar, Fig. B5 u. B6 sind Querschnitte. Die Mittelwand des Häkchens ist nicht gezeichnet, ich lasse sie vorläufig unberück- sichtigt. Die Analogie der Fig. Bl mit B3 sowie B2 mit B6 leuchtet ohne weiteres ein. Denkt man sich in Fig. B2 die den Stigmenring umgebende typische Körperhaut der Vorhofswand angelegt, so löst sich das Häkchen von der Unterlage ab und es entsteht Fig. Bd (vel. auch S. 128). Die äußere Wand des Häkchens erklärt sich danach als die modifizierte Vorhofswand (einschließlich Stigmenring) eines gewöhn- lichen Stigmas. Die Umformungen, die dieses erlitten hat, bestehen, wie es Textfig. B4 darstellt, in einer einseitigen Verlängerung und gleichzeitigen Krümmung des Vorhofes, dessen Rand (Fig. B5) sich nach dem Lumen hin etwas eingebogen hat. Der an der dorsalen Seite des Häkchens hinlaufende Spalt ist die außerordentlich ver- längerte Stigmenöffnung. Eine Einschnürung der modifizierten Vor- hofswand führte zugleich zu einer Trennung des Spaltes in 2 Off- nungen (Fig. B7 u. B8). Die stark chitinisierte Stigmenplatte im Um- kreis der kleinern Öffnung fasse ich als einen ebenfalls modifizierten Teil des Stigmenringes auf. Als zu diesem gehörig betrachte ich ferner die 2 dicht hinter der Stigmenplatte eines jeden Häkchens in der Körperhaut befindlichen Chitinplatten, deren größere nach der Mediane des Tieres zu gelegen ist. Weitere gleichwertige Bildungen sind folgende: Die Vorhofswandung mit Stigmenring und anschließender Körperhaut ist den beiden Schichten der Außenwand des Häkchens homolog, wobei der Stigmenring und die Körperhaut die äußere, die eigentliche Vorhofswand die innere Schicht der Außen- wand bildet. Fassen wir die homologen Teile von Stigma einerseits, Häkchen’ und Häkchenstigma andrerseits zusammen, so ergibt sich: Der Stigmenring ist homolog der äußern Schicht der Außenwand des Häkchens, ferner der Stigmenplatte und den beiden hinter dieser in der Körperhaut gelegenen Chitinplatten. Die übrige Vorhofswand ist gleichzusetzen der innern Schicht der Außenwand. Die Stigmen- öffnung entspricht dem dorsal am Häkchen verlaufenden Spalt und dem eigentlichen Häkchenstigma. Verschiedenheiten finden sich in der Beschaffenheit des Reusen- Beiträge zur Kenntnis von Donacia und Macroplea. 133 apparats. Dieser erstreckt sich in die Hohlräume des Häkchens hinein und ist besonders bei jungen Larven, wo die Wände der Hohlräume bedeutend dichter als bei alten Tieren mit jener haar- artigen Masse besetzt sind, sehr stark entwickelt. An der Basis des Häkchens geht der Reusenapparat in die Wand des Trichters über. Einige Teile des Anhangs lassen sich nicht auf gleichwertige Stücke eines Stigmas zurückführen. Die Mittel- und Zwischenwand sind als Neubildungen aufzufassen. Ich halte die Mittelwand für eine Ausfaltung der innern Schicht der Außenwand (Fig. 6), die Zwischenwand für eine Ausfaltung der Mittelwand. Ihre Ausbildung dürfte in engstem Zusammenhang mit der kräftigen Entfaltung des Reusenapparats gestanden haben, dessen Oberfläche durch die Wände bedeutend vergrößert wurde. Phylogenese des letzten Stigmas. Ist die morpho- logische Deutung des Häkchens und Häkchenstigmas richtig, so muß man annehmen, dab bei den Vorfahren 2 Stigmenöffnungen vorhanden waren, die natürlich beide mit der Trachee kommuni- zierten. Von ihnen war die eine mit einem hochentwickelten Reusen- apparat ausgerüstet, die andere ließ dagegen einen solchen vermissen. Diese Verhältnisse deuten auf eine verschiedene Art der Luftauf- nahme. Während das im Besitz des Reusenapparats befindliche Stigma für eine Atmung in der Luft geeignet war, konnte das Stigma ohne einen derartigen sichern Verschluß gegen eindringende Fremdkörper für eine Atmung unter Wasser in Betracht kommen. Bei den rezenten Formen, wo nur noch die letztere Art der Atmung existiert, ist mit der Ausbildung der Trichterwand die direkte Ver- bindung der Hohlräume des Häkchens mit der Trachee verloren ge- gangen. Experimente. Larven, die die Anhänge in die Wurzel ein- geschlagen hatten, traf ich beim Sammeln sehr selten an. Nur einige Male konnte ich sie mit eingebohrten Häkchen sehen. Gewöhnlich ziehen sie, so langsam und träge sie sonst sind, bei der geringsten Störung die Häkchen schnell aus der Wurzel heraus. Setzt man die Tiere in Schalen, so lassen sie sich von der Wurzel abfallen, ohne für Stunden und selbst Tage ein Verlangen zu zeigen, wieder an die Pflanze zu gehen. Es lag mir besonders daran, die Tiere während des Einschlagens der Häkchen zu beobachten, um dem Problem der Atmung der Larve näher zu kommen. In der An- nahme, daß sie zur Atmung ausschließlich den in der Pflanze be- findlichen Sauerstoff verwenden, hoffte ich dieses Ziel zu erreichen, 134 JOHANNES DEIBEL, indem ich den Tieren zunächst den Sauerstoff entzog, d. h. sie in reines Wasser setzte, um sie dann später wieder an die Wurzel zu bringen. Leider erreichte ich mit diesem Versuch nicht den ge- wünschten Erfolg. Trotzdem scheint mir aber das Ergebnis so inter- essant, daß ich es nicht unerwähnt lassen möchte. Die in das Wasser gesetzten Tiere hielten wochenlang aus. Gewöhnlich trat der Tod erst nach vierwöchentlicher Gefangenschaft und Aufenthalt im Wasser ein. Dabei war es immer noch fraglich, ob das Tier an Nahrungs- oder an Sauerstoffmangel zugrunde gegangen war. Sie zeigten dann immer eine starke Pilzinfektion. Jedenfalls aber ließ sich schon jetzt schließen, daß sie gegenüber Sauerstoff- mangel sehr widerstandsfähig waren. Diese Fähigkeit brauchen z. B. die nach den Haarwurzeln wandernden jungen Larven. Man könnte noch annehmen, die Tiere sind befähigt, den Sauerstoff osmo- tisch aufzunehmen. Doch der Aufenthalt der Larven im Schlamm macht das unwahrscheinlich. Die außerordentliche Lebenszähigkeit und das erstaunlich ge- ringe Sauerstoffbedürfnis der Larven wird der nächste Versuch in sauerstoffarmem Wasser in das rechte Licht rücken. Ich setzte die Tiere in ausgekochtes Wasser und schloß es, wie NI@GMAnN (p. 49) und Does (p. 49) angeben, durch eine Schicht flüssigen Paraffins von der Luft ab. Nach 11 Tagen unterbrach ich den Versuch, ob- wohl alle Larven noch am Leben waren, da mit der Tatsache zu rechnen war, daß die Paraffinschicht, die für kürzere Versuche einen hinreichenden Abschluß gegen die Atmosphäre bieten mag, bei längerem Stehen an der Luft genügend Sauerstoff aufnimmt, um solchen ihrerseits an das Wasser wieder abzugeben, bis dieses unter den gegebenen Verhältnissen mit Gas gesättigt ist. Um möglichst sauerstoffreies Wasser zu erhalten, verfuhr ich folgendermaßen (s. Textfig. C.): Auf einen Erlenkolben setzte ich einen doppelt durchbohrten, gutschließenden Kork. In die eine Öffnung steckte ich ein kleines Glasröhrchen, in die andere eine zweimal gebogene Röhre. Nachdem das Wasser in dem Kolben ge- nügend lange gekocht hatte, setzte ich, solange er mit Wasserdampf gefüllt war, den Kork auf, verschloß die Glasröhre mit dem gut eingefetteten Stopfen und goß in die gebogene Röhre eine alkalische Pyrogallollösung (30°, Alkali, 10°, Pyrogallol), die den Sauerstoff absorbieren wird, wenn bei der Kondensation des Wasserdampfes atmosphärische Luft in die gebogene Röhre eindringt. Über dem Wasser befindet sich also nach der Abkühlung nur Stickstoff. Durch Beiträge zur Kenntnis von Donacia und Macroplea. 135 das kleine Glasrohr setzt man dann die Objekte schnell ein, indem man den kleinen Stopfen für einige Augenblicke entfernt. Auf diese Weise wird sich ausgekochtes Wasser ziemlich lange aufbewahren lassen, ohne eine merkliche Sauerstoffmenge zu lösen. Es empfiehlt sich, die Korke noch mit heißem Paraffin zu übergießen, um ein etwaiges Eindringen der Luft durch den Kork zu verhindern. Dieser Apparat hat noch den Vorteil, daß die Tiere beim Ein- setzen nicht, was sich bei der ersten Ver- suchsanordnung trotz aller Sorgfalt kaum vermeiden läßt, mit Paraffinöl in Berührung kommen, das am Chitin mit großer Zähig- keit haften bleibt und natürlich die Tiere in ihren Lebensfunktionen beeinträchtigen muß. Alt gewordene Pyrogallollösung kann man durch mehrmaliges teilweises Abgießen und jedesmaliges Hinzufügen frisch bereiteter Lösung gänzlich ohne jede Störung des Versuches erneuern. In dieses Gefäß brachte ich die Tiere. Die in den ersten Tagen lebhaftern Bewegungen ließen allmählich nach, bis sich vom 12. Tag ihrer Gefangenschaft an die Larven absolut bewegungslos verhielten, so dab nicht zu sehen war, ob sie noch am Leben waren. Trotz- dem befreite ich sie erst 5 Tage später, nachdem sie also 17 Tage im sauerstoffarmen Wasser zugebracht hatten. Von 5 Exemplaren waren 2 gestorben. Theorie der Atmung. Da Versuche keine Antwort auf die Frage der Atmung erteilen, so bleibt nur noch übrig, die Art der Atmung der Larven nach den anatomischen Befunden zu erklären. Erinnern wir uns folgender Tatsachen: Die 3 letzten Segmente, das 8. mit dem Häkchen, das 9. und 10. zeichnen sich den vorangehenden, besonders dem 7. gegenüber, durch ihre äußerst geringe Größe und durch ihre Stellung aus, da sie nach unten gebogen sind. Durch diese Gestaltung des hintern Körperteiles legen sich die Häkchen- stigmen der Unterlage des Tieres an, mag es die Anhänge in die Pflanze eingeschlagen haben, oder mögen sie dem Körper anliegen. Die Häkchen können mit Hilfe des Tragapparats, dessen physio- logische Wirkung ich schon kurz skizzierte, eine Art sägende Be- Fig. C. 136 JOHANNES DEIBEL, wegung ausführen und sich in die Wurzeln einbohren. Dabei findet ein vorheriges Anfressen der Pflanze statt, was jedoch nicht immer der Fall ist. Die Verletzung der Luftgänge der Pflanze durch die Anhänge bewirkt ein Ausströmen des Gases, das .ür die Atmung Verwendung findet. Nach meinen Befunden ist noch zu konstatieren, daß die Trichterwand weder Kanäle besitzt, die einen Luftdurch- gang ermöglichen könnten, noch eine so feine, haarartige Struktur aufweist wie etwa die die Hohlräume der Häkchen auskleidende Masse. Die Trichterwand. ist luftundurchlässig. Zu derselben An- schauung führten mich die Versuche, die ich nach Scamipr's „ent- scheidenden“ Experimenten anstellte. So oft ich Larven mit Hilfe einer Glasplatte stark drückte oder die Tiere in Wasser erwärmte, nachdem ich die Häkchenstigmen verklebt hatte, so trat die Luft, wenn sie überhaupt entwich, nie an dem dorsalen Spalt der Häkchen aus, wie es SCHMIDT gesehen zu haben glaubt, sondern beim Druck mit der Glasplatte stets am Häkchenstigma. Ich muß mich daher der Ansicht v. SteBoLp’s und DewirZ anschließen (vgl. historischen Überblick). Wie kommt nun das Gas zum Häkchenstigma und von da in die Trachee? Darüber geben die beiden Forscher keine Ant- wort. Ich will daher auf diesen Punkt eingehen. Der Weg der Luft dürfte folgender sein: Die beim Einbohren der Häkchen in die Wurzel ausströmende Luft tritt zunächst in die Hohlräume des Häkchens. In den beiden ventralen Kanälen findet sie Widerstand durch den basalen Verschluß der Trichterwand. Sie wird daher, getrieben durch den in der Pflanze herrschenden Luftdruck, die aus Chitinstäben bestehende Zwischenwand und den von vorspringenden Lamellen der Mittel- und Zwischenwand durchquerten Spalt, der auf diese Weise zum Reusenapparat geworden ist, passieren. Von hier aus dürfte sie zum Stigmenhof und so zum Stigma selbst ge- langen. Hier gerät die Luft zwischen die Stigmenplatte und die Unterlage, d. h. die Pflanze. j Durch das sehnige Ligament steht der Verschlußapparat mit dem Tragapparat in unmittelbarer Verbindung (Fig. 17), so daß eine Bewegung des am Tragapparat befindlichen Hebelarmes den Tracheen- verschluß in Mitleidenschaft zieht. Eine Aufwärtsbewegung des Hebels hat einen Zug auf den Verschluß, speziell auf den Ver- schlußkegel, im Gefolge, an dem das Ligament inseriert. Dadurch wird die Trachee geöffnet, wie aus Fig. 16 ersichtlich ist. Die Wirkungsweise ist nur erklärlich durch das Vorhandensein des Beiträge zur Kenntnis von Donacia und Macroplea. 137 Musculus transversus, der als Antagonist des sehnigen Bandes eine Verschiebung oder Knickung des Haupttracheenstammes bei der Zug- wirkung des Hebelarmes verhindert. Bewegt sich der Arm ventral- wärts, so wird leicht mittels des Musculus constrictor ein Verschluß des Stigmas zustande kommen können. Ein Zwang dazu liegt jedoch nicht vor. Ist der Tragapparat in Ruhe, dann kommen zum Öffnen der Trachee der Musculus transversus und Musculus Versoni, zum Verschließen wiederum der Musculus constrietor in Betracht. Nachdem die engen Beziehungen zwischen Verschlußapparat, Hebel und Anhang festgestellt sind, läßt sich die saugende Wirkung des letzten Verschlusses erklären. Hat sich am Stigma genug Gas angesammelt, so resultiert durch regelmäßige Kontraktion des Ver- schlußmuskels beim Senken des Hebels nach jedesmaliger Öffnung des Verschlusses durch Heben des Armes ein rhythmisches Schließen und Öffnen der Trachee, wodurch die Möglichkeit gegeben ist, daß einerseits Sauerstoff in die Trachee gepumpt und andrerseits auf das am Stigma befindliche Gas eine Saugwirkung ausgeübt wird. Sollten sich beim Saugen die beiden Wände des Stigmenganges aneinanderlegen, was mir jedoch bei der Dicke der Wandung des weichhäutigen Ganges unwahrscheinlich dünkt, so würde das Gas zunächst dem Hohlraum des Trichters und des anschließenden, stark chitinisierten Tracheenrohres entnommen (Fig. 14, Zr, ST). Hört die Saugwirkung auf, dann werden sich die Druckdifferenzen zwischen dem außen und innen befindlichen Gas durch den Gang wieder aus- gleichen. Es kann dann wieder der eben geschilderte Vorgang ein- treten. Atmung der Puppen. Seit SıeBonn herrscht kein Zweifel mehr, daß die Puppen ihre Atemluft der Pflanze entnehmen. Die Puppengehäuse besitzen an der ihr anliegenden Seite ein oder zwei Löcher, die einer benagten Stelle an der Wurzel entsprechen. Durch die Öffnung steht das Innere des Kokons mit den Intercellularräumen in Verbindung, und es wird daher in dem Gehäuse die Luft der Pflanze ebenso circu- lieren wie in ihren luftführenden Gängen. Im Winter hört natür- lich die Sauerstoffzufuhr auf. Das Tier ist dann auf die im Kokon eingeschlossene Luft angewiesen. Bei der Mehrzahl der Arten finden sich zwei in die Wurzel gefressene kleine, runde Löcher, die beide als sauerstofizuführende 138 JOHANNES DEIBEL, Öffnungen dienen. Bovine wies zwei Öffnungen nach bei Don. bidens, Don. semicuprea, Don. limbata, Don. nigra. Ergänzend möchte ich hinzufügen Don. aquatica, Don. dentata, Don. simplex. Don. crassipes und Don. cinerea dagegen nagen nur ein Loch. Eine dritte Form der Gaszuleitung stellt Macroplea mutica dar, indem hier das Gehäuse auf einer vollständig abgenagten Stelle der Wurzel ruht. Außer den Fraßstellen sind im Bereich des Gehäuses bei beiden Gattungen noch die von den Anhängen herrührenden Narben an der Wurzel sichtbar. Sie sind stets überdeckt von der aus mehreren Schichten bestehenden Kokonwand. Ob bei der Herstellung des Ge- spinnstes die Häkchen zum Zweck der Atmung in die Pflanze ein- geschlagen werden oder ob sie zum Fixieren dienen, läßt sich schwer entscheiden. Wahrscheinlich ist nach den Versuchen an der Larve, die ein sehr geringes Sauerstoffbedürfnis ergaben, daß die Anhänge während des Einspinnens der Larve dazu Verwendung finden, dem Tier an der Wurzel einen festen Halt zu bieten. Atmung der Imagines. Stigmen und Stigmenverschlüsse bei beiden Gat- tungen. Lage und Zahl der Stigmen. Der Lage nach müssen wir die Stigmen einteilen in die lateral gelegenen Thoracalstigmen und die dorsal unter den Flügeln sich befindenden abdominalen Stigmen. Die letztern liegen für gewöhnlich in einer Rinne, die gebildet wird von der an beiden Seiten etwas eingesenkten Rückendecke und einer die Senkung dachförmig überragenden Hautfalte. Diese besteht auf der dem Stigma zugekehrten Seite aus der Tergit und Sternit ver- bindenden weichen Zwischenhaut, auf der distalen Seite dagegen aus hartem Chitin, das der dorsal ein wenig umgeschlagene Teil des Sternits ist. Auf diesem Teil der Bauchdecke ruhen die Flügel. Während sich beim Männchen diese Rinne zeitlebens erhält, schwindet sie beim Weibchen zur Zeit der Eireife, wenn der Körper prall mit Eiern gefüllt ist. Ihre physiologische Bedeutung besteht außer einem Schutz für die Stigmen noch darin, einen Hohlraum zwischen Rückendecke und den Flügeln herzustellen. Während sich die ab- dominalen Stigmen äußerlich leicht durch ihren gut ausgebildeten Reusenapparat markieren, sind die thoracalen von außen vollkommen unsichtbar. Das 2. thoracale Stigma liegt in dem nach innen ein- gesenkten häutigen Integument zwischen Skeletstücken des Meso- Beiträge zur Kenntnis von Donacia und Macroplea. 139 und Metathorax. Das 1. hat seine Lage in der Intersegmentalhaut von Prothorax und Mesothorax, dem sogenannten Halsschild. Man findet sie, wenn man die Trachee nach außen verfolgt. Wegen der starken und dunklen Chitinisierung des Thorax und der geringen Größe der Stigmen sind sie schwer zu finden. Welchem Teile des Thorax gehören die Stigmen nun an? Eine Auskunft erteilen die übrigen unter den Flügeln sich befindenden Stigmen. Hier liegt das 1. Stigma in der Intersegmentalhaut von Metathorax und 1. Abdominalsegment, das 2. in der Haut zwischen 1. und 2. Abdominalsegment. Allmählich aber rücken die Stigmen mehr analwärts, so dab das 3. Stigma nicht mehr in der Inter- segmentalhaut des 2. und 3. Segments liegt, sondern unzweideutig zum 3. Abdominalsegment gehört. Wir werden daher das 1. und 2. Stigma unter den Flügeln (3. und 4. überhaupt) als 1. und 2. Ab- dominalstigma zu bezeichnen haben. Überträgt man diese Folgerung auf die beiden thoracalen Stigmen, so haben wir das 1. als zum Meso-, das 2. als zum Metathorax gehörig anzusehen. Entwicklungsgeschichtlich gelangt man zu demselben Resultat. Bei der Larve kann man nicht darüber im Zweifel sein, daß die beiden Thoracalstigmen als meso- und metathoracales zu bezeichnen sind. Daß später beim Imaginalstadium eine nachträgliche Ortsver- änderung der Stigmen innerhalb des Segments erfolgte, ist nichts Absonderliches, da wir auch, wie schon G. W. MÜLLEr früher (1884) nachwies, bei den Lepitopteren dieselbe Erscheinung haben. Der- selbe Forscher zeigte auch, dab sogar ein Stigma über eine Segment- grenze hinaus wandern kann (l. c., p. 200): „Dass indessen die Ver- schiebung über die Grenzen eines Segmentes hinausgehen kann, da- für scheinen mir die Käfer den Beweis zu liefern, bei deren Larven von den 2 Thoracalstigmen (ein offenes, ein geschlossenes), das 1., offene, bald am Pro-, bald am Mesothorax liegt, wobei es wohl keinem Zweifel unterliegt, dass wir es, trotz der verschiedenen Lage, mit homologen Bildungen zu tun haben.“ In zweifelhaften Fällen, wenn also das Stigma in der Intersegmentalhaut liegt, ist dieses daher stets zum folgenden Körperring zu rechnen. Die Zahl der offenen Stigmen beträgt 7. Vergleicht man diese Anzahl mit den 9 Stigmen der Larve, so läßt sich das Minus von 2 Stigmen damit erklären, daß das letzte abdominale Larvalstigma bei der Imago vollständig geschwunden ist, während das vorletzte kollabiert ist. Die Trachee selbst, die bis zum Stigma führt, ist nicht kollabiert und hat dieselbe sackartige Erweiterung kurz vor 140 JOHANNES DEIBEL, dem Stigma wie alle andern Stigmengänge. Umgekehrt ist das 2. Thoracalstigma, das bei der Larve kollabiert ist, bei der Imago offen. Es ist schwer, für diese eigenartigen Verhältnisse eine an- gemessene Erklärung zu geben. Die Verminderung der Abdominal- stiemen bei der Imago läßt sich vielleicht noch damit erklären, daß bei der Metamorphose der Larve bis zur Imago häufig Abdominal- segmente verloren gehen und daher auch in den meisten Fällen eine Reduktion von Stigmen eintritt. Schwieriger ist es, einen Grund zu finden, warum das metathoracale Stigma bei den Larven kolla- biert ist. Es muß im höchsten Maße verwunderlich erscheinen, dab gerade am Thorax, also an dem bei der Bewegung am meisten in Anspruch genommenen Körperteil, Verschluß eines Stigmas vor sich gehen konnte. Wir begnügen uns mit der Tatsache, daß dies bei holometabolen Insecten allgemein der Fall ist. Auf diese Eigen- tümlichkeit hat zuerst G. W. MÜLLER in dem oben erwähnten Buche aufmerksam gemacht, indem er diese Erscheinung bei Coleopteren und Lepidopteren (s. auch Zitat) gebührend berücksichtigte. Später stellte Boas die Tatsache noch fest für die übrigen holometabolen Insecten außer den Dipteren. Diese zeigen aber nach Angaben G. W. Mürrer’s dieselben Verhältnisse, soweit offene Stigmen in größerer Zahl vorhanden sind. Bau der Stigmen. Die beiden thoracalen Stigmen, die sich durch ihre besondere Lage gegenüber den abdominalen auszeichnen, weisen auch in ihrem Bau wesentliche Unterschiede auf. Es ist daher unrichtig, wenn KrancHEr in bezug auf die Thoracalstigmen der Coleopteren Folgendes sagt (p. 555): „Die der Brust zeichnen sich stets durch ihre bedeutendere Grösse aus, sind aber betrefis ihres Baues genau so konstruiert wie die Abdominalstigmen.“ Im vorliegenden Falle ist die Größe der thoracalen Stigmen von den abdominalen, vor allem dem ersten größern Hinterleibsstigma, nicht auffallend verschieden. Dieses Stigma hebt sich bei sonst gleichem Bau außer durch seine Größe noch durch seine stärkere Muskulatur von den übrigen Abdominalstigmen ab. Bei Macroplea allerdings zeigt dieses Stigma ganz dieselbe Beschaffenheit wie die übrigen. Da das 1. Abdominalstigma bei Donacia ohne Zweifel beim Flug eine große Rolle spielt, so erklärt sich der eben erwähnte Unter- schied als eine Folge des Verlustes der Flugfähigkeit bei Macroplea. Es lassen sich also bei Donacia 4, bei Macroplea 3 Typen von Stigmen unterscheiden: Beiträge zur Kenntnis von Donacia und Macroplea. 141 Donacia : Macroplea : 1. 2.—5. abdominales Stigma, 1. 1.—5. abdominales Stigma, 2. 1. abdominales Stigma, 2. 1. thoracales Stigma, 3. 1. thoracales Stigma, 3. 2. thoracales Stigma. 4. 2. thoracales Stigma. Die abdominalen Stigmen beider Gattungen, ebenso die ent- sprechenden Thoracalstigmen, weisen in ihrem Bau nur geringe Differenzen auf. Ich beschränke mich daher in der Hauptsache auf die Beschreibung der Stigmen von Donacia, von welcher Gattung ich zahlreiche Individuen erhalten konnte. Bemerkenswerte Abweichungen in der Beschaffenheit der Stigmen von Macroplea werden berück- sichtigt. Beim 1. Typus (Fig. 18) liegen die Stigmen nicht in gleicher Höhe mit der Körperhaut des Tieres, wie das gewöhnlich der Fall ist, sondern sie ragen ein wenig hervor. Das gilt auch vom 1. ab- dominalen Stigma. Es beginnt bei ihnen das Stigma mit dem Reusenapparat (AR). Seine zahlreichen, starken, unverzweigten Borsten, die in verschiedenen Etagen übereinanderstehen und da- durch einen wirksamen Schutz gegen eindringende Fremdkörper liefern, sind leicht sichtbar. Dicht unter ihm liegen die beiden Verschlußkegel (GVk, KVk), die durch den kräftigen Musculus constrietor (Me) verbunden sind. Zeigten sich schon bei der Larve zwischen ihnen geringe Grüben- unterschiede, so ist bei der Imago die Reduktion des einen Kegels ganz bedeutend fortgeschritten. Der kleinere Kegel ist z. B. nach ‘ KrAncHER bei Dytiscus marginalis und Panorpa communis so weit rückgebildet, daß hier von einem Kegel kaum noch die Rede sein kann. Auf der andern Seite ist der Verschlußbügel (Vg) nachweisbar, der als kräftige Chitinspange die eine Hälfte des Tracheenrohres umgibt. Er geht über in die Verschlußkegel und umgibt, indem er sich flächenartig verbreitert, die Kegel mit einem ziemlich festen Chitinmantel. Die Basis der Kegel setzt sich fort als ein weichhäutiges Band, das Verschlußband (Vd). Ihm gegenüber springt direkt unterhalb des Verschlußbügels in das Lumen eine Chitinlamelle vor, so dab die eigentliche Stigmenöffnung nur einen schmalen Spalt darstellt. Werden durch den Reusenapparat gröbere Verunreinigungen fern- gehalten, so wird der enge Spalt ein Eindringen feinerer Schmutz- 142 JOHANNES DEIBEL, teilchen in die Trachee verhindern. Beim 2. Thoracalstigma wird sich zeigen, daß tatsächlich eine so feine Öffnung auch ohne besondern Reusenapparat imstande ist, die Funktion der Luftreinigung allein zu übernehmen. Die Wirkung des Verschlusses liegt auf der Hand. Durch Kon- traktion des Verschlußmuskels werden die Kegel das Band an den lamellenartigen Vorsprung drücken und den Verschluß herstellen. Beim Erschlaffen des Muskels geht der Verschlußapparat durch die Elastizität des Verschlußbügels wieder in seine gewöhnliche Lage zurück, das Stigma öffnet sich. Geeignete Schnitte durch den Verschlußapparat gestatten eine morphologische Deutung seiner einzelnen Teile. Die beiden Kegel, der lamellenartige Vorsprung und das Verschlußband sind nach Fig. 19 Faltungen der Stigmengrube. Sind die Lamelle und das Band aufzufassen als Einfaltungen der Stigmengrube, so sind die Kegel Ausbuchtungen derselben. Lamelle und Kegel setzen sich nach außen fort in das Peritrem, das die Borsten des Reusen- apparats trägt, während Lamelle und Band nach innen in die Trachee übergehen. Die Muskeln an den Stigmenverschlußapparaten und die quer- liegenden Segmentalmuskeln faßt SoLowıow als homologe Gebilde auf. Er weist dies nach an Malacosoma neustria. Dieser Anschau- ung möchte ich mich anschließen, weil mir der Öffnungsmusskel beim Larvalstigma von Donacia und Macroplea diese Ansicht zu be- stätigen scheint. An einer ventral liegenden Stelle des Segments, von der aus 3 Muskeln nach verschiedenen Richtungen hin ver- streichen, verläuft der eine direkt zum Stigma. Offenbar haben wir es hier mit einem ehemaligen transversalen Segmentalmuskel zu tun, der in den Dienst des Stigmenverschlusses getreten ist. Analog dem eben beschriebenen Typus sind die abdominalen Stigmen von Macroplea gebaut (Fig. 20), wenn sie auch bei ober- — flächlicher Betrachtung ein ganz anderes Bild ergeben als die von Donacia. Der Grund hierfür liegt darin, daß sich das Peritrem aut der Seite des Verschlußbügels weit nach den Kegeln zu überge- schlagen hat. Es ist daher an Totalpräparaten die Stigmenöffnung selten oder überhaupt nicht zu sehen. Der Eingang nach dem Innern hat sich seitlich verlagert. Die starke Beborstung des Reusenapparats bei Donacia hat bei Macroplea einem sehr feinen, dichten Haarfilz Platz gemacht, wie wir ihn auch am Körper des Tieres vorfinden. Außer der geringen Größe der Stigmen existieren Beiträge zur Kenntnis von Donacia und Macroplea. 143 keine andern Unterschiede. Ich kann mich deshalb im Folgenden, was die beiden noch zu behandelnden Thoracalstigmen von Macroplea anbelangt, darauf beschränken, nur die Stigmen von Donacia, die mir bequem in größerer Zahl zugänglich war, zu beschreiben. Das 1. Abdominalstigma (Fig. 21), das bei Macroplea den übrigen abdominalen Stigmen gleich ist, weist auch bei Donacia außer dem schon erwähnten Größenunterschied keine wesentliche Verschieden- heit von dem Chitinskelet der andern auf. Die geringen Ab- weichungen sind aus der Abbildung ersichtlich. Nur die Muskulatur des Verschlußapparats differiert von den übrigen. Außer dem Musculus constrietor treten hier noch 2 Muskeln auf. Sie inserieren beide je an einem Verschlußkegel. Der am großen Kegel ansetzende Muskel verläuft dorsal und heftet sich an der Hypodermis des Tergits an, der vom kleinen Kegel ausgehende inseriert an der ventral-lateralen Seite des Thorax. Da alle 3 Muskeln in einer Ebene liegen, so läbt sich ihre Wirkung leicht erkennen. Während der Musculus constrietor wieder den Verschluß bewerkstelligt, dienen die beiden andern Muskeln dem Öffnen des Stigmas, indem sie bei ihrer Kontraktion die Kegel nach außen ziehen. Ein von den bis jetzt behandelten Typen völlig abweichendes Verhalten zeigen die Thoracalstigmen. Als vermittelnde Formen zwischen einem der abdominalen und dem 2. thoracalen Stigma ist gewissermaßen das 1. Thoracalstigma anzusehen (Fig. 22). Es ist mir nicht möglich, auf die Beschreibung eines ähnlichen Stigmas zu verweisen. Das Auffälligste an ihm ist, daß das Peritrem und folglich auch der Reusenapparat auf der Seite der Verschlußkegel geschwunden ist. Die Verschlußkegel sind also an die Oberfläche gerückt. Die Funktion der Luftreinigung übernehmen die Borsten des übrigen Peritrems. Der die Borsten tragende Teil des Stigmas ragt, wie es der schematische Schnitt in Fig. 23 angibt, wieder ein wenig hervor, während die Kegel in gleicher Höhe mit der Inter- segmentalhaut liegen. Eine ganz wesentliche Abweichung von dem 1. abdominalen Stigma zeigt sich in der Muskulatur, weil beim 1. Thoracalstigma ein vom großen Verschlußkegel ausgehender Öffnungsmuskel nicht vorhanden ist. Um so stärker sind dafür die am kleinen Kegel ın- serierenden Muskeln. Sie endigen nicht wie bei den abdominalen Stigmen an der äußern festen Cuticula, sondern an der Zwischen- haut. Zu diesem Zweck ist das um die Kegel liegende Stück der Intersegmentalhaut erhärtet und bildet eine Chitinplatte (Fig. 22 Cp). 144 JOHANNES DEIBEL, Sie ist noch ziemlich weichhäutig in der Region des großen Kegels, nimmt aber an Festigkeit nach dem kleinen Kegel hin zu und geht schließlich in das gewölbte, stark chitinisierte spitze Ende über. Hier endigen zum großen Teil die vom kleinen Kegel ausstrahlenden Muskelstränge, während einige Muskelbündel an der den äußersten Punkten der beiden Kegel ziemlich parallel laufenden Seite der Platte ihr Ende finden. Alle diese Muskeln dienen dem Öffnen, als Verschlußmuskel fungiert wieder der von Kegel zu Kegel verlaufende Musculus constrictor. Beim 2. Thoracalstigma (Fig. 24) ist das Peritrem gänzlich ge- schwunden. Wir begegnen hier dem merkwürdigen Fall, dab ein Reusenapparat vollständig fehlt. Bei Macroplea und Donacia fabte ich schon in bezug auf die Ausbildung des Reusenapparats das 1. thoracale Stigma als eine Übergangsform zwischen einem der abdo- minalen und dem 2. thoracalen Stigma auf. Eine weitere, dem letzten Typus sehr nahestehende Form tritt uns im 2. Thoracal- stigma von Dytiscus marginalis entgegen. Hier findet sich der Reusenapparat nur noch in ganz spärlichen Resten in Form weniger Borsten an einer bestimmten Stelle des Stigmas. Er kommt für die Luftreinigung sicher schon nicht mehr in Betracht. Aut, der die Stigmen von Dytiscus neuerdings untersuchte, erwähnt diese Borsten nicht. Was dem 2. Thoracalstigma ein so eigenartiges Gepräge ver- leiht, ist das Fehlen der Verschlußkegel. Der Verschluß wird auf eine besondere Weise erreicht. Um die spaltförmige Stigmenöffnung legen sich 2 Chitinspangen (Csp), die an dem einen Pol des Spaltes durch weiches Chitin (@) geienkig verbunden sind. Am andern Pol verbreitern sich die Ränder beider Spangen flächenartig und ver- wachsen zu einer Kappe (X), die an ihrer untern, proximalen Hälfte stark chitinisiert ist, nach oben zu aber weichhäutig wird. Der die Kappe nach oben abschließende Teil, den man anzusehen hat als die direkte Verlängerung der Chitinspangen, die sich nur jenseits der Stigmenöffnung einander angelegt haben und verwachsen sind, hat sich eingesenkt (C). An der untersten Spitze dieser Einsenkung inseriert ein Muskel (M), der fächerförmig nach dem untern Rand der Kappe verstreicht. Bei seiner Kontraktion nähert er den eingesenkten Teil der Kappe. Dadurch wird auf beide Spangen ein Zug nach dem Lumen des Stigmenspaltes zu ausgeübt und der Verschluß bewerkstelligt. Als Drehpunkte kommen in Betracht der obere weichhäutige Teil der Beiträge zur Kenntnis von Donacia und Macroplea. 145 Kappe und das ihr gegenüberliegende, die beiden festen Spangen verbindende weiche Chitin (@). Morphologisch sind die beiden Spangen, die KrANCHER die Lippen des Stigmas nennt, als Einfaltungen des Tracheenrohres an- zusprechen, wie der schematisierte Schnitt in Fig. 25 leicht erkennen läßt. Sie sind daher homolog der Lamelle und dem Verschlußband bei den abdominalen Stigmen. Von diesem Gesichtspunkte aus ver- wischt sich die scharfe Grenze von Stigmen mit und ohne Lippen, da ja dann Lamelle und Band nichts anderes sind als die Lippen des Stigmas. Diese führen bei allen beschriebenen Stigmen den Verschluß herbei, mögen sie durch Verschlußkegel oder mit Hilfe des kappenförmigen Gebildes einander genähert werden. Das Vor- handensein oder das Fehlen des Reusenapparats spielt dabei keine Rolle. Atmung von Macroplea. Experimente. Was man über die Lebensweise der Imago von Macroplea bis jetzt kannte, war, daß dieser Käfer von den Sammlern immer nur an dem im Wasser be- findlichen Teile der Futterpflanze angetroffen wurde. Es stand jedoch keineswegs fest, ob das Tier nach Art anderer Wasserkäfer zeit- weilig an die Wasseroberfläche käme, um atmosphärische Luft zur Atmung aufzunehmen. Dies klarzulegen stellte ich mir bei meinen Versuchen zunächst zur Aufgabe. Zu diesem Zwecke brachte ich die Tiere unter Wasser. Bei ihrem hohen spezifischen Gewicht und ihrer Unfähigkeit zu schwimmen, sanken sie unter, und es war ihnen unmöglich, an die Oberfläche zu gelangen. Das Gefäß mit einem Deckel zu verschließen war daher unnötig. Die Tiere lebten 12—14 Tage. In Rücksicht auf die Länge der Zeit brauchte der Tod also nicht allein durch Luft- mangel eingetreten zu sein. Ebensowenig war anzunehmen, dab das Sauerstoffbedürfnis so minimal sein sollte, daß das Tier mit ein- maliger Luftversorgung 14 Tage im Wasser aushielt. Kiemen, Darm- atmung oder sonstige fiir die Atmung im Wasser in Betracht kommen- den Organe schienen, wie bei der Larve, vollständig zu fehlen. Dab eine Sauerstoffversorgung nötig war, eine intramolekulare Atmung also nicht vorlag, lehrte ein zweiter Versuch in ausgekochtem Wasser, in dem die Tiere nach 24 Stunden zugrunde gingen. Eine solange Lebensdauer in sauerstoffarmem Wasser findet man bei den Insecten sehr selten. Nach Nıcmann lebt z. B. der zu den Wasser- schmetterlingen gehörige Acentropus niveus Ouıv. nur 2 Stunden, die Wasserwanze Nepa cinerea nur !/, Stunde (nach Does) im sauerstotf- armen Wasser. Zool. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. 10 146 JOHANNES DEIBEL, Wie die Atmung vor sich geht, läßt sich aus den beiden Ver- suchen noch nicht erkennen. Sie zeigen aber zunächst die über- raschend große Lebenszähigkeit dieser Käfer. Wir erfahren weiter, daß ein Bedürfnis nach Sauerstoff vorhanden ist. Dieser muß auf irgendeine Weise dem Tier unter Wasser zugeführt werden, da die Experimente ferner lehrten, daß die Käfer nicht fähig sind, an die Wasseroberfläche zu gelangen. Die einzige Möglichkeit, dieses Ziel etwa durch Emporklettern an der Pflanze zu ereichen, wird dadurch vereitelt, daß Zostera und Potamogeton nicht ganz bis zum Wasser- spiegel reichen. Zum Vergleich mit Macroplea stellte ich die obigen Experimente auch mit Donacia an. In Leitungswasser vermochten die Tiere durchschnittlich 30 Stunden auszuhalten. Die verschiedenen Arten zeigen in ihrer Fähigkeit, unter Wasser zu verweilen, ziemliche Ab- weichungen. Das Minimum beträgt 26 Stunden (Don. semicuprea Paxz.). Die Lebensfähigkeit unter Wasser ist in den einzelnen Monaten ungleich. Die vorliegenden Zahlen beziehen sich auf Ver- suche, die ich im Juni ausführte. In den spätern Monaten büßen die Tiere an Widerstandsfähigkeit ein und können oft nur noch den dritten Teil der angegebenen Zeit im Wasser ausharren. Im sauer- stoffarmen Wasser starben die Tiere nach ca. 4 Stunden. Obwohl Donacia ein Landleben führt, ist sie doch imstande länger unter Wasser zu verweilen als mancher typische Wasser- bewohner, z. B. Nepa cinerea. Diese Tatsache darf uns nicht wunder- nehmen. Bei dem Aufenthalt an den Wasserpflanzen wird der Käfer oft die Bekanntschaft mit dem Wasser machen müssen, sei es, dab er bei einem plötzlichen, heftigen Windstoß oder dgl. auf das Wasser geworfen wird, sei es bei der Eiablage, die ja bei der Mehrzahl der Arten unter Wasser vor sich geht. Es müssen sich daher Ein- richtungen finden, die es dem Tier ermöglichen, sich von der Wasser- oberfläche zu erheben, und die ein längeres Verweilen unter Wasser ohne Schädigung des Tieres gestatten. Beides wird erreicht durch die Beborstung. Taucht man ein Tier unter Wasser, so bleibt zwischen den Borsten Luft hängen, und den Körper umgibt eine dicke, silberglänzende Luftschicht. Der Käfer kann daher nicht im Wasser versinken. Klettert er zur Eiablage an dem Stengel der Pflanze in die Tiefe, so dient ihm die Luftschicht als Reservoir für die Atemluft. Wenden wir uns nun wieder zu Macroplea. Da sich aus den beiden ersten Versuchen ergab, daß eine Atmung des Käfers unter Beiträge zur Kenntnis von Donacia und Macroplea. 147 Wasser erfolgt, so bemühte ich mich, die Art und Weise der Re- spiration durch weitere Experimente festzustellen. Ich brachte die Tiere in Ostseewasser, nachdem ich den Boden des Aquariums mit Seesand bestreut und noch einige Futterpflanzen eingesetzt hatte. Unter diesen Bedingungen, die den natürlichen Verhältnissen ziem- lich nahe kommen, lebten die Tiere monatelang. Es lag nun nahe anzunehmen, daß der Käfer, analog seiner Larve, das zur Atmung nötige Gas der Futterpflanze entnimmt. Diese Vermutung bestätigte sich. Eines Tages, als die Sonne das am Fenster stehende Aquarium beschien und die Pflanze daher gut assimilierte, fiel mir auf, wie einige Tiere, entgegen ihrem sonst so trägen Charakter, geschäftig im Glas umherliefen. Andere verhielten sich wie gewöhnlich ruhig an der Pflanze, führten aber mit den Fühlern lebhafte rhythmische Bewegungen aus. Bei näherm Zusehen mit der Lupe fand ich nun, daß jedes der stillsitzenden Tiere sich an einer Stelle der Pflanze befand, wo sich Gasbläschen bildeten. Die Käfer fingen mit den Fühlern geschickt eins der Gaskügelchen auf. Manchmal lösten sie auch mit den Beinen ein an der Pflanze haftendes Bläschen ab, das an den Tarsen hängen blieb und an die Antennen gebracht wurde. Zu meiner großen Überraschung verschwanden nun alle diese an die Fühler gebrachten Sauerstoffblasen. Es hatte den An- schein, als ob sie in den Fühler eingesogen würden. Die Beobachtung machte ich später noch sehr oft. Assimiliert die Pflanze wenig oder überhaupt nicht, so hilft sich der Käfer dadurch, daß er die Stengel oder Blätter anbeißt. Er verletzt die Intercellularräume der Pflanze, der das Sauerstoffgas entströmt. Dieses wird von den Antennen aufgenommen. Unter dem Hohlschliff bemerkte ich auch einige Male ein Verschwinden des Gases am Kopf. Bei normalen Verhältnissen, wenn der Käfer im Wasser an der Pflanze sitzt, habe ich jedoch diese Beobachtung selten gemacht. Augenscheinlich spielen also die Antennen für die Atmung eine _ Rolle, da sie fähig sind, den von der Pflanze produzierten Sauerstoff aufzunehmen. Um mir Klarheit zu verschaffen, stellte ich folgenden Versuch an: In ein Glas mit Zanichellia setzte ich einige normale Tiere, 4, denen ich beide Fühler, 3, denen ich nur einen Fühler amputiert hatte. Indem ich dafür sorgte, daß die Pflanze nicht bis zur Wasseroberfläche reichte, verhinderte ich die Käfer mit der atmosphärischen Luft in Verbindung zu treten. Der Erfolg war, daß nach 4 Tagen sämtliche Tiere ohne Fühler tot waren, ebenso 2 mit einem Fühler. Am 5. Tage ging noch der 3. Käfer mit einem 10* 148 JOHANNES DEIBEL, Fühler zugrunde. Die unversehrten Tiere blieben noch wochenlang am Leben. Diesen Versuch wiederholte ich noch einige Male mit demselben Resultat. Mußte man zunächst vermuten, daß der Tod als Folge des ‚operativen Eingriffes anzusehen sei, so wurde diese Annahme durch nachstehenden Versuch hinfällig: In eine Glasschale, die mit feuchtem . Fließpapier beschickt war, brachte ich je 3 Exemplare mit und ohne ‚Fühler. Die Tiere befanden sich also in feuchter Luft, die Atmung ‚erfolgte natürlich mit den offenen Stigmen. Vor dem Austrocknen waren die Tiere durch das feuchte Fließpapier geschützt. Der Er- folg war, daß die Käfer der Reihe nach erst am 13.—15. Tag ein- gingen, also 3—4mal solange lebten wie in Wasser. Sonderbarer- weise waren die unbeschädigten Exemplare schon eher gestorben. Dieser Versuch beweist, daß die amputierten Tiere in Wasser nicht an der Verwundung zugrunde gingen. Ich verweise auch auf eine Arbeit von NAGEL (1 ¢, p. 36): „Die Folge der Operation [von An- tennen] ist niemals ein depressorischer Zustand, sondern ein Zustand abnormer Aufregung. Auch dieser ist meist mehr Folge der mit der Operation verknüpften unangenehmen Situation für das Tier, und mit Vermeidung dieser, also wenn man mit raschem Schnitt operiert, lässt sich oft das Erregungsstadium auf ein Minimum be- schränken.“ Dieselbe Beobachtung machte ich auch an Don. ver- sicolorea. Nach der Entfernung der Antennen hielt ich den Käfer noch wochenlang lebend. Der Tod trat erst dann ein, als auch die unverletzten in demselben Gefäß sich aufhaltenden Tiere eingingen. Aus den Versuchen ging hervor, daß die Antennen beim Atmungs- prozeß beteiligt sind. Es war deshalb nötig, die Fühler von Macro- plea näher zu untersuchen. Diese interessieren uns in erster Linie. Es scheint jedoch angebracht, zum Vergleich auch die entsprechen- den Organe bei Donacia zu berücksichtigen. Bau der Antennen von Macroplea (und Donacia). Wasserbewohnende Insecten haben im allgemeinen wenig ausgebildete Antennen. Ich erinnere nur an die Wasserwanzen, deren Fühler oft sehr kurz sind und ganz verborgen liegen, wie es z. B. der Fall ist bei Notonecta, Corixa, Nepa, Ranatra, Belostoma u. a. Die zum Teil im Wasser lebenden Parniden und Gyriniden besitzen ebenfalls kurze Fühler. Lange Antennen scheinen den Tieren hinderlich zu sein. Anders verhält sich Macroplea. Sie besitzt, genau wie Donacia, wohl- ausgebildete, lange Fühler, die auch im Wasser frei vorgestreckt sind. Wie bei Donacia lassen sich 11 walzenförmige Glieder nach- Beiträge zur Kenntnis von Donacia und Macroplea. 149 weisen. Die 3 basalen Glieder sind kleiner als die übrigen 8, die bei ziemlich gleicher Größe nach der Spitze hin an Länge etwas zunehmen. Die Antennen beider Gattungen sind dunkel pigmentiert und undurchsichtig. Sie gestatten daher leider keine Untersuchung am lebenden Material. Bevor ich auf die Gebilde am Fühler etwas näher eingehe, will ich erwähnen, daß seine Chitinwand nicht einheitlich ist. Es lassen sich vielmehr 2 scharf getrennte Schichten unterscheiden, von denen die nach außen zu gelegene dunkel gefärbt und ziemlich hart ist, die innere hell und weich erscheint. Die dunkle Farbe der äußern Schicht, die bei Donacia dicker und spröder ist als bei Macroplea, zerstörte ich mit konzentrierter heißer Kalilauge oder, was schneller wirkte, mit Chlordämpfen (Kaliumchlorat + Säure). Auf die helle Schicht wirken manche Reagentien gut ein. So färbt sie sich intensiv bei Behandlung mit Eisenhämatoxylin und gewöhnlichem Hämatoxylin (DELAFIELD). Boraxkarmin dagegen bringt keine Fär- bung hervor. Der auffälligste Unterschied an den Antennen von Macroplea und Donacia ist die Bekleidung. Bei Macroplea findet sich ein dichter Haarfilz und Porenkanäle (Fig. 27 Hf, Pk), bei Donacia kleine Borsten und Schuppen (Fig. 26). Beide Gattungen besitzen auch ge- meinsame Bildungen, nämlich große Borsten (GB) und kleine Chitin- stifte (Fig. 26, 27, 28 Cst). Die letztern finden sich bei Macroplea in weitaus größerer Zahl. Ich schätze sie für einen Fühler auf 10000, während Donacia nur etwa den zehnten Teil davon besitzt. Die großen Borsten sind bei beiden Gattungen viel seltner. Donacia hat an einem Fühler ca. 300, Macroplea hat deren 200. Sie stehen am Ende eines jeden Fühlergliedes dichter. Nach der Basis der Antennen zu werden sie häufiger. Die großen Borsten stehen in einer geringen Einsenkung des Integuments und sitzen hier einem dunkel pigmentierten Chitinring auf, der das Ende des Porenkanals umgibt. Der Kanal führt als ein feiner Gang nach dem Innern des Fühlers. Oft liegt er radiär, manchmal verläuft er schräg nach innen. Hieran anschließend möchte ich die nur den Antennen der Gattung Donacia zukommen- den kleinen, sehr zahlreichen Borsten erwähnen, die dasselbe Ver- halten zeigen wie die großen Borsten (Fig. 26, 28 KB). Beiden Gattungen gemeinsam waren die Chitinstiftchen (Fig. 29). Sie sitzen auf zylindrischen, stets radiär angeordneten Porenkanälen, deren Wandungen aus dunklem Chitin bestehen, so daß sie in der 150 JOHANNES DEIBEL, hellen Chitinschicht auf Schnitten sehr gut sichtbar sind. In der Zone des Chitins erweitert sich das Lumen der Kanäle etwas, wo- durch sie ein keulenförmiges Aussehen erhalten. Sie tragen je ein gerades, massives Stiftchen von durchsichtigem, blaßgelblichem Chitin. Die Stifte ragen nur wenig über die Fühleroberfläche hervor. Nach innen zu erstrecken sie sich ein Stück in das Lumen des Kanals, wo der nervöse Endapparat herantritt. Mit den Nervenendigungen habe ich mich nicht befaßt, da die Antennen dieser Gattungen wegen ihrer geringen Größe und starken Chitinisierung ein zu un- günstiges Objekt für derartige Untersuchungen bieten. Kleine Borsten wie bei Donacia finden sich an den Antennen von Macroplea nicht (s. oben). An ihre Stelle treten helle runde Flecken, deren Natur wir auf Querschnitten am besten ergründen (Fig. 30). Ein ziemlich breiter, radiärer Kanal ist von einer Platte überdacht, die dieselbe Beschaffenheit zeigt wie die distale dunkle Chitinschicht der Fühler. Mit Vom Rarn, der ähnliche Gebilde an den Antennen von Hymenopteren und Coleopteren gefunden hat, möchte ich die Kanäle Membrankanäle nennen. Bei Behandlung mit Karmin erscheint der Kanal gleichmäßig blaßrot. Irgendwelche Zellfortsätze in seinem Lumen sind nicht nachweisbar. Es liegt nahe, die kleinen Borsten von Donacia und die Membrankanäle von Macroplea zu vergleichen. Da Donacia als die ursprünglichere Form zu gelten hat, so ist man zu dem Schluß be- rechtigt, die Membran als modifizierte Borste zu betrachten. Forscher, wie SCHIEMENZ, FOREL, VoM RATH, die sich speziell mit den An- tennen der Insecten beschäftigt haben, sind in der Tat zu der An- sicht gelangt, daß die Membrankanäle auf Haargebilde zurückzu- führen sind. In einer Arbeit über die Hautsinnesorgane der Insecten schreibt Vom Ratu (p. 415): „Man könne denselben (Membrankanal) in der Weise entstanden denken, daß das Haargebilde rudimentär geworden ist und nur die Papille zurückgeblieben ist“. Der Körper von Macroplea ist, abgesehen von der Rückendecke, : den Flügeln und den Beinen, von einem dichten Haarfilz bedeckt. An der Insertionsstelle der Antennen am Kopf erleidet er eine Unter- brechung. Donacia läßt einen Haarfilz vermissen. Sie zeigt nur kurze Schuppen, die mit breiter Basis ansetzen (Fig. 26, 28). Ein Filzhaar da- gegen ist ein schlankes, elastisches Chitingebilde, das ganz den Ein- druck einer feinen Borste macht. Man sucht jedoch vergeblich nach dem zu dieser scheinbaren Borste gehörigen Porenkanal. Ein Filz- haar ist eine rein cuticulare Bildung und ist daher der Schuppe von Beiträge zur Kenntnis von Donacia und Macroplea. 151 Donacia homolog. Es ist nichts anderes als eine in die Länge ge- zogene Schuppe. Erscheint in diesem Fall der Unterschied zwischen den beiden Gebilden bedeutend, so lassen sich bei den Raupen der Lepidopteren alle Stufen von der typischen Schuppe bis zum schein- baren Haar verfolgen. Die große Vermehrung, die bei Macroplea die Filzhaare gegenüber der geringen Zahl der Schuppen von Donacia erlitten haben, nimmt nicht wunder, da z.B. auch die Chitinstift- chen von Macroplea in weitaus größerer Zahl vorhanden sind wie bei Donacia. Entsprechende Gebilde an den Antennen der beiden Gattungen sind demnach: Macroplea : Donacia : große Borsten, große Borsten, Chitinstiftchen, Chitinstiftchen, Membrankanäle, kleine Borsten, Haarfilz. Schuppen. In den Antennen beider Gattungen lassen sich 2 diinne, unver- zweigte Tracheenstämme (Fig. 31 7) nachweisen. Ferner verläuft in ihnen ein kräftiger Nervenstrang (N) und ein Gefäß (Gf). Er- schwerend für die Untersuchung war wieder die Undurchsichtigkeit der Fühler. Am lebenden Tier ließ sich also keine Beobachtung an- stellen. Ich konnte nur auf Schnitten (am besten an Querschnitten) den Gefäßschlauch verfolgen. Danach liegt er inmitten eines den Fühler in der Längsrichtung durchziehenden Raumes, verbunden mit der Hypodermis durch Septen, die von seiner Wand nach ver- schiedenen Seiten ausstrahlen. Dieser Raum erscheint auf Schnitten manchmal hohl, manchmal ist er mit einer homogenen Masse ange- füllt, je nachdem man die dem lebenden Tiere amputierten Antennen erst nach einiger Zeit (in der das im Fühler befindliche Blut aus- treten konnte) oder sofort in die Fixierungsflüssigkeit (Pikrinschwefel- säure) gebracht hatte. In der Wand des Gefäßes sind große, läng- liche Kerne zu erkennen. In dem am distalen Ende offenen Gefäb dürfte das Blut in der Hauptsache zur Spitze des Fühlers gelangen. Seinen Rückweg wird es in dem das Gefäß umgebenden Blutraum nehmen. Ob es sich bei den Septen um kontraktile Elemente handelt, die für die Bewegung des Blutes eine Rolle spielen, oder ob sie nur dazu dienen, den Herzschlauch in seiner Lage zu er- halten, läßt sich nicht entscheiden. Bemerkenswert ist die reiche Blutströmung in den Antennen. Beim Abschneiden eines Fühler- 152 ‚JOHANNES DEIBEL, teiles treten sofort kleine helle Blutstropfen aus. Nach Analogie mit den in den Antennen einiger Orthopteren nachgewiesenen Blut- gefäßstämmen dürfte bei Macroplea und Donacia der eigentlich pul- sierende Apparat im Kopf zu suchen sein, wie es PAwLowa an der gemeinen Küchenschabe (Periplaneta orientalis), an der kleinen Schabe (Phyllodromia germanica), an Locusta viridissima und cantans und noch einigen anderen Orthopteren am lebenden Objekt beobachten konnte. Es wollte mir jedoch nicht gelingen, den Apparat im Kopfe nach- zuweisen. Physiologische Bedeutung der Antennen von Macro- plea. Aus obigen Versuchen ergab sich, daß der von der Pflanze entwickelte Sauerstoff fast ausschließlich von den Antennen aufge- nommen wird. Diese Fähigkeit der äußern Gasaufnahme wird sicher bewirkt durch den feinen, goldglänzenden Haarfilz. Dabei erfolgt ein Aufrichten der Filzhaare. Direkt beobachten konnte ich das nicht, es scheint mir jedoch aus dem optischen Verhalten hervorzu- gehen. Die Beweglichkeit der Filzhaare ist keine willkürliche, sondern eine rein mechanische, die nur bedingt ist durch die An- wesenheit größerer oder kleinerer Gasmengen. Es müssen sich also Bläschen jedes beliebigen Gases in dem Haarfilz verteilen. Das Experiment bewies, daß dem so war. Kohlensäure- und Schwefel- wasserstoffbläschen verschwanden, an die Antennen gebracht, nach kurzer Zeit. Natürlich verteilen sich auch den Antennen künstlich angeheftete Luftbläschen. Zu diesem Versuch, der sich wegen seiner Einfachheit gut zur Demonstration eignet, ist nur eine zur feinen Spitze ausgezogene Pipette nötig, der durch einen Druck auf den (Gummi die Luftbläschen entströmen. Jetzt wird verständlich, warum Macroplea in gewöhnlichem Wasser solange lebt. Es ist nicht zu vermeiden, daß sich in einem Gefäß mit Wasser, auch wenn dieses schon abgestanden ist, im Wasser gelöste Luft in Bläschenform ab- scheidet und sich an der Glaswand absetzt. Diese Luft nimmt natürlich der Käfer auf. Er lebt daher bei seinem geringen Sauer- stoffbedürfnis sehr lange. Da an der Ansatzstelle der Antennen am Kopf der Haarfilz eine Unterbrechung erleidet, so kann die mit den Fühlern aufgenommene Luft nicht auf den übrigen Körper über- strömen. Es bleibt daher nur die eine Möglichkeit, daß, so sonderbar es klingen mag, die Fühler anzusehen sind als die Organe, an denen ein Gasaustausch stattfindet. Eine derartige Atmung kann auf zweierlei Weise zustande kommen: entweder es legen sich fein ver- Beiträge zur Kenntnis von Donacia und Macroplea. 153 zweigte Tracheen in großer Zahl der äußern Haut an, oder das Blut, das unter dem Integument hinfließt, bewirkt die Gasüber- tragung. Bei Macroplea kommt nur der letztere Fall in Frage, da die beiden im Fühler verlaufenden Tracheenstämme keinerlei feine Verästelung aufweisen. In den Antennen circuliert, wie oben ge- sagt, ein kräftiger Blutstrom infolge des in ihnen verlaufenden Ge- fäßes. Für den eigentlichen Ort des Atmungsvorganges halte ich die jeden einzelnen Membrankanal überdeckende sehr dünne Chitin- schicht, die besonders geeignet ist, den Sauerstoff dem Blut der An- tennen zu übermitteln. Die Rolle, die die eigentlichen Respirationsorgane, die Stigmen und Tracheen, spielen, ist sehr gering. Normalerweise dürften sie nicht funktionieren. Daß sie unter besondern Umständen die Atmung übernehmen können, beweist das Experiment in feuchter Luft (S. 148). Spielen die Antennen noch eine andere Rolle für die Atmung? Am nächsten liegt die Annahme, daß sie die Gasprüfung übernehmen. Vergegenwärtigt man sich, daß durch die mechanische Gasaufnahme des Haarfilzes das Tier gezwungen wäre, alle möglichen vom Meeres- grund aufsteigenden Gase (Methan, Schwefelwasserstoff usw.), die an der Futterpflanze des Käfers hängen bleiben, aufzunehmen, so muß man vermuten, dab Organe vorhanden sind, die das Tier vor schäd- lich wirkenden Gasen schützen. Ich beobachtete daher das Benehmen der Käfer, wenn ich Schwefelwasserstoff an die Antennen brachte. Sie bewegten die Fühler lebhaft auf und nieder, was sie immer zu tun pflegen, wenn sie sich in Aufregung befinden. Die Mehrzahl der Tiere verließen nach kurzer Zeit ihren Platz, wanderten an eine andere, weiter abgelegene Stelle derselben Pflanze oder ließen sich zu Boden fallen, um eine neue Pflanze aufzusuchen. Der Käfer nimmt augenscheinlich die ihm schädlichen Gase war und geht ihnen aus dem Weg durch Auswandern an einen andern Ort. Das Ver- halten einiger Tiere stellte allerdings eine derartige Wahrnehmung von Schwefelwasserstoff in Frage, da sie erst ihren Ort änderten, nachdem die Antennen wiederholt mit einem Gasbläschen behangen worden waren. Es war daher nicht zu entscheiden, ob das Tier den Platz verließ, um dem Gas auszuweichen, oder um sich vor den Störungen zu schützen, die ihm durch die Manipulationen beim An- heften der Bläschen an die Fühler bereitet wurden. Das Experiment läßt uns in diesem Falle einigermaßen im Stich. Trotzdem halte ich eine Geruchsempfindung für sehr wahr- scheinlich, weil uns in den Chitinstiftchen Organe entgegentreten, 154 JOHANNES DEIBEL, die für eine Prüfung des Gases geeignet sind. Derartige Stiftchen sind von jeher von den Forschern als Sinnesstiftchen, speziell Ge- ruchsorgane, angesprochen worden. Auch bei diesen beiden Gattungen dürfte es sich um nichts anderes handeln. Dafür sprechen noch fol- gende Umstände: Das Chitin der Stifte ist blaß und durchsichtig. Es ist daher chemischen Einflüssen besonders gut zugänglich. Die Stifte werden von dem Haarfilz weit überragt, sie kommen also für eine Tastempfindung nicht in Betracht. Sie finden sich ferner bei Macroplea in weitaus größerer Zahl wie bei Donacia. Die Annahme, daß die Fühler dem Aufsuchen der Gasblächen an der Pflanze dienen, halte ich für sehr unwahrscheinlich, da mir dies durch die Versuche widerlegt zu sein scheint. Fassen wir die wichtigsten Ergebnisse noch einmal kurz zu- sammen, so ist Folgendes zu sagen: Die an den Wurzeln, Rhizomen und zwischen den Blattscheiden am basalen Teile des Stengels lebenden Larven benutzen als Nah- rung den Saft ihrer Futterpflanze, der ihr infolge der Verletzung beim Anbeißen durch die Tiere entströmt. Die von mir untersuchten Arten von Donacia sind fast ausnahmslos monophag. Zur vollständigen Ausbildung brauchen die Larven 3 Monate. Sie machen in dieser Zeit 6 Häutungen durch. Die gewöhnlichen Stigmen sind bis zur vorletzten Häutung kollabiert, ihnen fehlt auch der Reusen- und Verschlußapparat. Erst mit der letzten Häutung haben diese Stigmen, deren Bau auf S. 122 bis 124 beschrieben ist, ihre definitive Form erreicht. Auch beim letzten Stigma, einschließlich dem Häkchen, gehen mit den verschiedenen Häutungen Veränderungen vor sich. Die dabei besonders starke Umbildungen erleidenden Teile sind der Trichter, das anschließende, stark chitinisierte Tracheenrohr und die Zwischenwand des Häkchens, die bei jungen Tieren vollständig fehlt und mit den verschiedenen Larvalstadien schrittweise an Aus- bildung zunimmt. Das Häkchenstigma und das Häkchen (vgl. S. 124—129) sind, wie auf S. 130—133 nachgewiesen wurde, aufzufassen als ein modifi- ziertes Stigma einer alten Larve. Die Atmung geschieht nach den anatomischen Befunden — er- folgreiche Experimente am lebenden Objekt ließen sich nicht an- stellen — vermittels des Häkchenstigmas, dessen Verschlußapparat Beiträge zur Kenntnis von Donacia und Macroplea. 155 durch das Ligamentum tendinosum mit dem Tragapparat in unmittel- barer Verbindung steht. Eine direkte Luftzufuhr durch das Häk- chen ist ausgeschlossen. Bei Donacia lassen sich 4, bei Macroplea 3 Typen von Stigmen unterscheiden. Die Abweichungen in den verschiedenen Stigmen- formen beruhen in der Art der Stigmenmuskulatur und auf dem Vorhandensein oder Fehlen des Verschlußapparats und der Ver- schlußkegel. Morphologisch lassen sich die verschiedenen Typen auf dieselbe Form zurückführen. Macroplea lebt als Imago dauernd im Wasser. Sie benutzt zur Atmung keine atmosphärische Luft (s. Experimente), sondern ent- nimmt das zur Atmung nötige Gas der Pflanze. Die Gasaufnahme geschieht mittels des an den Antennen sich befindenden Haarfilzes. Für eine Prüfung des Gases kommen die Chitinstiftchen in Betracht. Die Gasaufnahme findet, wie aus den Experimenten folgt, an dem Fühler statt, der von einem Blutgefäß durchzogen ist. Der eigentliche Ort des Gaswechsels sind die Membrankanäle resp. die sie überdeckende dünne Chitinschicht. Zum Schluß sei es mir gestattet. meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. G. W. MÜLLER, meinen herzlichsten Dank auszu- sprechen für sein freundliches Interesse an meiner Arbeit, für seine zahlreichen, nützlichen Ratschläge wie überhaupt für alle Förderung, die ich in meinen Studien bei ihm gefunden habe. Ferner bin ich zu großem Dank verpflichtet dem ehemaligen leider so früh verstorbenen Assistenten des Zoologischen Instituts, Herrn Dr. R. Srreirr, Riga, für die wertvolle Unterstützung, die er mir zuteil werden lief. 156 JOHANNES DEIBEL, Literaturverzeichnis. AHRENS, AuG., Beiträge zu einer Monographie der Rohrkäfer, bearbeitet von FRIED. GERMAR, in: Neue Schrift. naturf. Ges. Halle, Vol. 1, Heft 3, 1810, p. 9: ALT, W., Ueber den Bau der Stigmen von Dytiscus marginalis L., in: Zool. Anz., Vol. 36, 1909, p. 793. Bovine, G., Bidrag til Kundskaben om Donaciin-Lavernes Naturhistorie, Kobenhavn 1906 (Diss.). BRAUER, A., Die Süßwasserfauna Deutschlands. Heft 3 u. 4. Coleoptera. Bearbeitet von Ep. REITTRR, 1909, p. 212. 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AA äußere Schicht der Außenwand Aw Außenwand C Einsenkung Ca Chitinästchen Cn Chitinnadel Cp Chitinplatte Csp Chitinspange Ost Chitinstiftchen Cstb Chitinstab DC dunkle Chitinschicht DM dorsale Muskulatur G Gelenkige Verbindung Gf Gefäßschlauch GB große Borste GVk großer Verschlußkegel 4) H Häkchen Ha Hebelarm HC helle Chitinschicht Hi langgestreckte Hypodermiszelle Hf Haarfılz TA innere Schicht der Außenwand K Kappe Kh Körperhaut KB kleine Borste KVk kleiner Verschlußkegel *) L Lamellen Lt Ligamentum tendinosum M Muskel Me Musculus constrictor Mtr Musculus transversus MV Musculus Versoni Mw Mittelwand N Nervenstrang P Peritrem Pk Porenkanal R Reusenapparat RS radiäre Streifungen Sg Stigmengang Sr Stigmenring Sp Stigmenplatte ST stark chitinisiertes Tracheenrohr T typische Trachee Tr Trichter Tw Trichterwand V Verschlußapparat Vd u. Vb Verschlußband Vg Verschlußbügel Vh Vorhof VM ventrale Muskulatur WC weiches Chitin Zw Zwischenwand 1) In Fig. 1 muß für KVk GVk stehen. Beiträge zur Kenntnis von Donacia und Macroplea. 159 Tafel 1. Fig. 1. Längsschnitt durch das Stigma einer erwachsenen Larve von Donacia aquatica K. 350:1. Fig. 2. Ausgebildetes Larvalstigma von Macroplea mut. 350 : 1. Fig. 3. Schnitt senkrecht zur Achse der Trachee durch den Ver- schlußapparat eines Larvalstigmas. 350:1. Fig. 4. Querschnitt durch die distale Spitze des Häkchens. 350: 1. Fig. 5. Querschnitt durch die distale Hälfte des Häkchens. 350:1. Fig. 6. Querschnitt durch die Mitte des Häkchens. 350:1. Fig. 7. Querschnitt durch das Häkchen nahe der Basis. 175: 1. Fig. 8. Teil eines Frontalschnittes durch das Häkchen in der Region der Zwischenwand. 350: 1. Fig. 9, 10, 11. Querschnitte durch das Häkchen nahe der Basis. 11 liegt zwischen 7 und 9. 175:1. Fig. 12. Frontalschnitt durch die Mittelwand. 700:1. Fig. 13. Schnitt durch den Stigmengang des Häkchenstigmas. 110:1. Fig. 14. Frontalschnitt durch den Trichter. (Die punktierte Linie deutet das bis zum Verschluß reichende, nicht in der Schnittebene ge- legene Tracheenrohr an.) 150:1. Fig. 15. Totalansicht des Verschlußapparats vom Häkchenstigma, 180 : 1. Fig. 16. Schnitt durch den VerschluBapparat des Häkchenstigmas, (Die durch Punkte angedeuteten Muskeln liegen nicht ganz in der Schnitte ebene.) 175:1. Tafel 2. Fig. 17. Nach Schnitten und Totalpräparaten kombinierte Abbildung des hintern Körperendes einer alten Donacia-Larve. 35:1. Fig. 18. Totalansicht eines der 4 letzten abdominalen Stigmen von Donacia (von innen gesehen). 250: 1. Fig. 19. Schnitt durch ein solches Stigma. 350:1. Fig. 20. Schnitt durch ein abdominales Stigma von Macroplea mut. 350: 1. Fig. 21. Erstes abdominales Stigma von Donacia (Totalpräparat, von innen gesehen). 110:1. Fig. 22. Totalansicht des 1. thoracalen Stigmas von Donacia (von außen gesehen). 110: 1. 160 350: 300: JOHANNES DEIBEL, Beiträge zur Kenntnis von Donacia und Macroplea. 23. . 24. ee . 26. ER Br . 29, 30. Sol. Schematischer Schnitt durch ein solches Stigma. Totalansicht des 2. thoracalen Stigmas. 80:1. Schematischer Schnitt durch dieses Stigma. Teil eines Fühlergliedes von Don. clavipes. 260:1. Teil eines Querschnittes durch die Fühlerwand von Macroplea. Teil eines Querschnittes durch die Fühlerwand von Donacia. Chitinstiftchen von Macroplea. 700:1. Membrankanal von Macroplea. 700: 1. Querschnitt durch die Antenne von Macroplea. 350: 1. Nachdruck verboten. Übersetzungsrecht vorbehalten. Über die Circulationsorgane von Lycosa carolinensis Walck. Von Dr. Alexander Petrunkevitch. Mit Tafel 3.*) Es ist eine bedauernswerte Tatsache, daß mit dem Fortschritt unserer Kenntnisse auf dem Gebiete der experimentellen Zoologie und Vererbungslehre Anatomie und Systematik der Tiere immer mehr in den Hintergrund treten und vernachlässigt werden. Ältere erprobte und wertvolle Methoden sind fast vollständig vergessen worden und finden nur selten Anwendung. In vielen zoologischen Kreisen stößt man öfters auf ein absichtliches Ignorieren, zum Teil sogar verächtliches Lächeln, wenn eine Untersuchung kein experi- mentelles oder allgemeines Problem zum Ziel hat. Infolgedessen finden sich in unsern Lehrbüchern ungemein viele Fehler, falsche Behauptungen und Abbildungen, die jahraus jahrein wiederholt werden und, von neuern Lehrbüchern aufgenommen, ihre Existenz dauernd begründet haben. Und doch ist die Kenntnis der Anatomie und Systematik die Grundlage, ohne die jede Theorie zur reinen Spekulation wird. Ich habe schon einmal darauf hingewiesen, dab die Anatomie der Spinnen, trotz der vielen Arbeiten, die den Gegen- stand behandelt haben, immer noch ungenügend bekannt ist und ein 1) Nach Injektionspräparaten gemalt von Herrn IGnaz MATAUSCH. Zool. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. 11 162 ALEXANDER PETRUNKEVITCH, vernachlässigstes Gebiet in der Zoologie bleibt.') In Przipram’s Lehrbuch der experimentellen Zoologie finden wir das durchaus falsche Schema von CLAPAREDE für die Muskulatur der Spinnenbeine wieder reproduziert, obgleich GAUBERT vor mehreren Jahren den Gegenstand ausführlich behandelt und sehr wichtige Fehler CLapa- REDE’s beseitigt hat. Das alte und auch wesentlich falsche Schema der Circulationsorgane der Spinnen wird durch PARKER u. HASWELL’s Textbook of Zoology und andere Lehrbücher verbreitet und ist auch in der letzten Auflage des Cuaus’schen Lehrbuches enthalten, ob- gleich Causarp 1896 diese Organe ausführlich behandelt und manche falsche Behauptungen widerlegt hat. Die vorliegende Abhandlung über die Circulationsorgane von Lycosa carolinensis ist im allgemeinen, von einigen Unterschieden abgesehen, eine Bestätigung der Ansichten von Causarp. Im vergangenen Winter wurde nämlich ein anderswo zu beschreibendes anatomisches Modell dieser Spinne von Herrn Marauscx für das American Museum of Natural History unter meiner Anleitung hergestellt, wobei wir auf verschiedene Schwierig- keiten gestoßen sind, die nur durch genaues Studium der Verhält- nisse an frischem Material klargelegt werden konnten. Da die Ab- handlung von CAUSARD wenig zugänglich und in weitern zoologischen Kreisen fast unbekannt geblieben ist und da seine Resultate sich nicht vollständig mit den meinigen decken, so hielt ich es für an- gemessen meine Befunde hier ausführlich darzulegen und ihnen eine Tafel beizugeben, welche von Herrn MarauscH nach meinen In- jektionspräparaten angefertigt wurde. ÜLAPAREDE mißtraute der alten Injektionsmethode und studierte ausschließlich junge lebende Spinnen, welche eben das Ei verlassen hatten und noch in Kokon eingeschlossen waren. Die große Durchsichtig- keit solcher Spinnen erlaubt es, die Blutströmungen unter dem Mi- kroskop zu verfolgen, was sicher von großem Werte ist. Und doch hat gerade diese Methode ihn irregeführt und zu Schlußfolgerungen verleitet, die mit dem wahren Verhalten in unvereinbarem Widerspruch stehen. BLANCHARD und Voer u. Yung benutzten die Injektions- methode, und ihre Resultate kommen der Wahrheit viel näher. CausarD wandte beide Methoden an und war somit in der Lage, die eine durch die andere zu kontrollieren. Unter den amerikanischen Spinnen gibt es wenige, die sich als anatomisches Untersuchungsobjekt mit Lycosa carolinensis vergleichen 1) In: Ann. entomol. Soc. America, 1908, Vol. 1. Circulationsorgane von Lycosa carolinensis WALck. 163 ließen. Es ist eine durchaus nieht seltene Art, die in manchen Gegenden sogar ganz gemein ist. Sie lebt auf offenen, sonnigen Wiesen, wo sie tiefe Höhlen in der Erde gräbt und aus diesen selbst im Winter, falls sie nicht vom Schnee bedeckt sind, herausgeholt werden kann. Es ist leicht sie in Gefangenschaft am Leben zu er- halten, indem man ihr Wasser zum Trinken und Grillen oder Schaben zum Futter gibt. Sie wird mehrere Jahre alt, und alte Weibchen erreichen die beträchtliche Größe von 30 mm. Bei der Injektion, die am besten durchs Herz ausgeführt wird, bediene ich mich am liebsten der gemeinen hypodermalen Spritze mit einer sehr feinen Nadel. Ich ziehe diese Methode dem komplizierten Apparate mit konstantem Druck vor, da die erzielten Resultate nichts zu wünschen übrig lassen und die ganze Prozedur viel einfacher ist. Als In- jektionsmasse erwies sich am besten nicht Chinesische Tusche, wie sie Causarp empfohlen hat, sondern das bekannte frisch zubereitete Präzipitat von Karmin, das durch tropfenweises Zusetzen von Eisessig zu einer ammoniakalischen Karminsolution hergestellt wird. Die Masse muß sofort benutzt werden, da sonst die Karminteilchen mit der Zeit zu groß werden und in die feinern Gefäße nicht mehr ein- dringen. Ich töte die Spinne durch einige Tropfen Chloroform oder Benzin, ergreife sie am Cephalothorax mit der linken Hand und führe die Injektionsnadel von hinten nach vorn ins Herz hinein, in- dem ich die Haut in der Symmetrieebene auf dem Rücken durch- steche. Die Injektion muß so lange fortgesetzt werden, bis alle Beine straff auseinandergespreizt bleiben und die Stacheln an ihnen nahezu senkrecht abstehen. Ohne die Nadel herauszuziehen, bringe ich jetzt die ganze Spritze mit der am Ende der Nadel hängenden Spinne in 95°, Alkohol, wobei eine gewisse Vorsicht nötig ist, um das Heraustreten der Masse aus der Wunde zu verhindern. Die Spinne wird etwa 1 Stunde lang im Alkohol gelassen. Jetzt ziehe ich die Nadel aus dem Herzen, wobei infolge der Wirkung des Al- kohols auf die Injektionsmasse die letztere nur wenig aus der Wunde heraustritt. Ich schneide die Haut an den Seiten des Abdomens vorsichtig vermittels einer feinen Augenscheere auf, ohne die Leber zu verletzen, und entferne sie vollständig, indem ich die Schnitt- ränder mit zwei Pinzetten ergreife Weitere Zerlegung kann erst später vorgenommen werden, nachdem die Spinne in 70°, Alkohol wenigstens einen Tag lang gehärtet worden ist. Der Cephalothorax wird jetzt längs des Randes anfgeschnitten und entfernt, wobei die Augen zurückgelassen werden. Die Muskeln des Rückens 11 164 ALEXANDER PETRUNKEVITCH, werden vermittels einer Pinzette ausgerupft, man achte aber dabei darauf, nicht aus Versehen an den Fortsätzen des Entosternits zu ziehen, da dadurch die Gefäße zerrissen werden. Wenn alle Gewebe mit Ausnahme des Entosternits und der Blindschläuche entfernt sind, erhalten wir ein Bild, wie es in Fig. 1 dargestellt ist. Jetzt muß die Spinne sorgfältig auf den Rücken gelegt und zuerst das Sternum, dann das Nervensystem und die Ventralmuskeln entfernt werden, um die Gefäße, die zu den Extremitäten führen, bloßzulegen. Ohne besondere Schwierigkeit können jetzt auch die Mandibeln ge- öffnet werden, um ein Bild der Gefäße zu erhalten, die zu den Man- dibularmuskeln und den Giftdrüsen verlaufen. Im Abdomen muß die Leber stückweise mit aller Vorsicht entfernt werden, um die sie durchsetzenden Gefäße zu sehen. Ist die Injektion vollständig ge- lungen, so erscheinen alle Gefäße im Abdomen und im Cephalothorax prachtvoll rot und können die Lungenvenen und die Arterien der Extremitäten sowie alle andern Gefäße bis auf die kleinsten Ver- zweigungen in den Muskeln und Organen leicht verfolgt werden, ohne daß selbst die geringste Spur von Karmin in der Leibeshöhle zu finden ist. Das Herz hat 3 Paar Ostien (und nicht 4, wie es in PARKER u. Haıswerv’s Lehrbuch der Zoologie abgebildet ist; diese letztere Zahl findet sich nur in der Gruppe der Theraphosidae). Die relative Länge des Herzens ist starken Variationen unterworfen: sie variiert nicht nur in verschiedenen Arten derselben Gattung, sondern auch in Individuen derselben Art, ja vielleicht sogar desselben Alters. Im allgemeinen finden wir das längste Herz bei den jüngsten Spinnen. Bei Spinnen, die eben das Ei verlassen haben, aber noch im Kokon eingeschlossen sind, erstreckt sich das Herz oft bis an die Spinnwarzen, während es bei geschlechtsreifen Tieren manch- mal kaum die Mitte des Abdomens erreicht. Bei jungen Spinnen entsendet es keine Gefäße und hat die Gestalt, wie sie auf der Abbildung von CLaparèpe dargestellt ist. Bei geschlechtsreifen ' Individuen finden wir aber regelmäßig mehrere Gefäße, die vom Herzen zu den verschiedenen Organen verlaufen. Von oben be- trachtet (Fig. 1) zeigt das Herz 1 Paar Gefäße, die von den vordern Vorsprüngen aus zu den Lungen verlaufen: dies sind die von Causarp als Lungenvenen bezeichneten Gefäße. Ich bin über- zeugt, daß BLaAnCHARD’S vaisseaux pneumocardiaques auch diesen Venen entsprechen und nicht bloß Bindegewebsfasern sind, wie es CAUSARD anzunehmen geneigt ist. Daß es wahre Gefäße und Cireulationsorgane von Lycosa carolinensis WALck. 165 nicht kanalförmige, von der Leber gebildete Blutlakunen sind, ist daraus genügend ersichtlich, daß sie eigene vom Pericard her- stammende Wände besitzen. Ihrer Lage nach sind sie als Venen aufzufassen, auch spricht dafür der Umstand, dab an jungen und durchsichtigen Spinnen der Blutstrom an diesen Stellen von den Lungen zum Herzen laufend beobachtet werden kann. Das 2. Paar Vorsprünge ist von Ostien durchbohrt, gibt aber keine Gefäße ab. Das 3. Paar ist auch von Ostien durchbohrt, liefert aber außerdem 1 Paar Gefäße (Venen?), welche in der Leber verlaufen und sich daselbst rasch verzweigen. Außer diesen Gefäßen finden wir noch 2 Paar, welche von der Ventralfläche des Herzens in der Region der dritten Vorsprünge ihren Anfang nehmen (Fig. 3). Diese Gefäße verlaufen ebenfalls in der Leber, wo sie sich in allen Rich- tungen verzweigen. Es ist möglich, dab alle diese Gefäße als Venen ‘ aufzufassen sind, da sie alle sich ins Pericard nicht weit von den Ostien öffnen. Die übrigbleibenden, jetzt zu besprechenden Gefäbe sind aller Wahrscheinlichkeit nach Arterien, da man bei ganz jungen Spinnen sehen kann, wie das Blut vom 3. Ostienpaar vor- wärts und rückwärts strömt. Von diesen Gefäßen gehören 2 Paar zu den vierten Vorsprüngen, die keine Ostien haben. Das äußere Paar (Fig. 1,2,3 ADV) versorgt die hintern dorsoventralen Muskeln des Abdomens sowie denjenigen Teil der Leber, der diese Muskeln umgibt. Das innere Paar verzweigt sich in der Leber. Ein 3. Paar wird von den kaum sichtbaren fünften Vorsprüngen entsendet und versorgt den hintern Teil der Leber und andere Organe (BP). End- lich finden wir ein unpaares Gefäß vom hintern Ende des Herzens ohne Verzweigungen in der Medianlinie, verdeckt vom rechten und linken Leberlappen nach hinten bis ans Rectum verlaufend. Dies ist die Aorta recurrens (AR). Das Herz bildet nach vorn die Aorta (AO), welche, immer über dem Darm liegend, durch den Petiolus läuft, in den Cephalothorax eintritt und den Rand des Blinddarmringes erreicht. Dabei ver- läuft sie auch hier über dem Darm, aber unter dem medianen, un- paaren Blindschlauch, was dadurch ermöglicht wird, das der letztere knieförmig gebogen ist und nicht median, sondern links oder rechts von der Mittellinie in den Blinddarmring mündet. Dabei konnte ich keine Regelmäßigkeit darin entdecken, da die Zahl der Individuen mit links-mündendem hintern Blinddarm ungefähr dieselbe ist wie die Zahl der mit rechts-mündendem. Da die äußere Seite des Knie- gelenkes des hintern Blindschlauches durch lockeres Bindegewebe 166 ALEXANDER PETRUNKEVITCH, am Blinddarmringe befestigt ist und der Ring in der Mitte eine starke Vertiefung zur Aufnahme der Aorta bildet, so sieht es aus, als wire der Ring selber von der Aorta durchbohrt. Dies ist je- doch nicht der Fall, und man kann sich durch vorsichtiges Abtrennen des Bindegewebes von der Richtigkeit meiner Auffassung überzeugen. Die Aorta spaltet sich gleich nach dem Überschreiten des hintern Randes des Ringes in 2 thoracale Arterien. Außerdem gibt sie ein kurzes unpaares Gefäß ab, das senkrecht nach oben verläuft und und sich auch sofort in 2 Gefäbe spaltet, welche von oben gesehen mit der Aorta ein rechtwinkliges Kreuz bilden (Fig. 1 AT). Jedes dieser Gefäße spaltet sich wieder in 2 Arterien, eine lange dorsale Arterie, welche die thoracalen Muskeln mit Blut versieht (DP), und eine kurze Arterie, die nach hinten zum Petiolus läuft (RD). Die thoracalen Arterien verlaufen im Bogen, rechts und links dem Innen- rande des Ringes anliegend, und nähern sich einander wieder am Vorderrande desselben. Jede thoracale Arterie gibt eine kurze dor- sale (D) und eine noch kürzere ventrale Arterie ab, deren Verzwei- sungen die Muskeln des Saugmagens speisen. Die thoracalen Ar- terien selbst verlaufen unter dem vordern Rande des Blindarmringes und spalten sich hier sofort in 2 Arterien, das untere Paar ist kurz und senkrecht nach unten gerichtet, das obere viel länger und bogen- artig nach vorn aufsteigend. Dies sind die Kopfarterien. Jede Kopfarterie gibt 2 dorsale Arterien ab (D7, D 2), welche zu den Muskeln des Cephalothorax verlaufen. Jetzt nähern sich die Kopf- arterien der Körpermittellinie wieder und spalten sich jederseits in eine Augen- und eine Mandibulararterie, geben aber außerdem noch eine kleine dorsale Arterie ab, welche zu den dorsalen Muskeln ver- läuft. Die Augenarterien steigen nahezu senkrecht nach oben auf. Die Mandibulararterien nähern sich der Stelle, wo die Man- dibeln durch eine Membran mit dem Cephalothoraxrande verbunden sind, und geben hier 3 kleinere Arterien ab, welche an die Giftdrüse jederseits verlaufen. Die längste dieser Arterien ist nach hinten ' gerichtet, und ihre Verzweigungen erreichen das Ende der Drüse. Der Hauptstamm der Mandibulararterie, der einen beträchtlichen Durchmesser hat, kann bis an die Mandibelklaue verfolgt werden. Ob er sich hier wiederum spaltet oder in der Nachbarschaft der Klaue sich in die Leibeshöhle öffnet, bin ich nicht in der Lage zu entscheiden (Fig. 4 MF). In der Mandibel gibt der Hauptstamm 4 Gefäße ab, von denen der eine dem schwächern Extensor faleis (Eig. 4 ME) und die 3 andern dem stärkern Flexor faleis angehören. Cireulationsorgane von Lycosa carolinensis WALcK. 167 Die weiter oben erwähnten kurzen Arterien, welche von den Thoracalarterien unmittelbar am Rande des Entosternits abgegeben werden und senkrecht nach unten verlaufen, endigen jederseits in einer sinusartigen Erweiterung. Ein Querschnitt durch die Mitte dieser Sinus durchschneidet auch das 2. Paar Coxen. Infolgedessen ist die Lage der Extremitätenarterien, die alle in diesen Sinusen beginnen, durchaus eine andere, als sie in den meisten Lehrbüchern beschrieben wird. Vocr u. YUNG waren die Ersten, die in ihrem Lehrbuch eine gute Beschreibung geben, und Causarp hat die Be- funde an vielen Arten bestätigt. Bei Lycosa carolinensis ist die Ar- terie des 1. Beines nach vorn gerichtet, die des 2. etwa rechtwinklig zur Achse ‚des Körpers, während die Arterien des 3. und 4. Beines, besonders die letztere, nach hinten gerichtet sind (Fig.2 J, 11, III, IV). Die Arterie des 1. Beines gibt schon früh die Arterie des Palpus ab (Fig. 2 PAL). Ebenso zweigt von der Arterie des 4. Beines ein Gefäß ab, welches knieförmig gebogen ist und ohne jegliche Ver- zweigungen nach hinten zum Petiolus verläuft und vielleicht in diesen eintritt (Arteria recurrens auctorum). Wahrscheinlich ver- sorgt es die langen Muskeln des Petiolus und Abdomens mit Blut. Ein flüchtiger Vergleich mit der Abbildung CLaparÈDE’s wird jeder- mann sofort ükerzeugen, wie stark er durch die Anwendung seiner Methode getäuscht worden ist. So wie sie auf seiner Abbildung er- scheinen, können die Gefäße überhaupt nicht verlaufen, da das Entosternit es unmöglich macht. Die Arterien der Beine können bis an die Klauen verfolgt werden. Im Cephalothorax liegen sie unter den Blindschläuchen und nicht über ihnen. Was die Art des Blutes im Herzen von Lycosa carolinensis an- betrifft, so kann ich nur Vermutungen aussprechen. Sicher ist es, daß das Blut, welches von den Lungen dem Herzen durch die Lungenvenen zugeführt wird, in den Lungen oxydiert ist. Vielleicht ist auch ein Teil des Blutes, welches durch das 3. Paar Ostien ins Herz eingeführt wird, durch die Tracheen oxydiert. Das Blut, das durch das 2. Paar Ostien ins Herz einströmt, kommt direkt aus der Leibeshöhle und ist wahrscheinlich venös. Vermutlich erhält also das Herz gemischtes Blut. Die Lungen können also als das Organ betrachtet werden, welches das Blut für den ganzen Cephalothorax mit seinen Extremitäten oxydiert, während die Organe des Ab- domens ihr oxydiertes Blut von der Trachee erhalten. 168 11. 12. ALEXANDER PETRUNKEVITCH, Literaturverzeichnis. BLANCHARD, L'appareil circulatoire et les organes respiratoires dans les Arachnides, in: Ann. Sc. nat., Vol. 7, 1849. —, L'organisation du règne animal. Arachnides. CAUSARD, M., Sur la circulation du sang chez les jeunes araignées, in: CR. Acad. Sc. Paris, Vol. 114, 1892. —, Sur l’appareil circulatoire de la Mygale caementaria, ibid., Vol. 116, 1893. —, Recherches sur l'appareil circulatoire des Aranéides, in: Bull. Sc. France Belgique, 1896. CLAPAREDE, Ep., Etudes sur la circulation du sang chez les araignées du genre Lycosa, (Genève, 1863. Franz, V., Ueber die Structur des Herzens und die Entwicklung von Blutzellen bei Spinnen, in: Zool. Anz., Vol. 27, 1904. GRIFFITHS, A. B., On the blood of Invertebrata. Arachnida, in: Proc. Roy. Soc. Edinbourgh, Vol. 19, 1893. PARKER and HASWELL, Textbook of Zoology. Vol. 1, 1897. SCHIMKEWITSCH, W., O spinnom organe u Araneina (russisch), in: Prot. St. Petersburg Obscht., Vol. 28, 1898. SCHNEIDER, A., Sur les appareils circulatoires et respiratoires de quelques Arthropodes, in: CR. Acad. Sc. Paris, Vol. 113, 1891. —, Mélanges Arachnologiques. I. Sur l’endothelium des vaisseaux. IT. Sur le poumon des Aranéides. III. Sur le système artériel du Scorpion. IV. Systeme artériel des Aranéides, in: Tabl. zool., Vol. 2, 1892. 13. 14. 15. 16. 17. Cireulationsorgane von Lycosa carolinensis WALcK. 169 Voat et Yung, Traité d’anatomie comparée pratique, Vol. 2, 1894. WAGNER, J., Etude sur l’activité du coeur chez les Araignées, in: Ann. Sc. nat. (7); Vol. 16, 1893. WAGNER, W., Du sang des Araignees, in: Arch. Slav. Biol., Vol. 4, 1888. WARBURTON, C., Arachnida, in: Cambridge nat. Hist., 1909. Wırson, Wm. H., On the blood of Chaetopelma olivacea, with special reference to the presence of haemocyanin, in: Rec. Egypt. Gov. School. Med. Cairo, Vol. 1, 1901. 170 A. PerrunxevircH, Circulationsorgane von Lycosa carolinensis WALck. Erklärung der Abbildungen. AC Kopfarterie DP hintere dorsale Arterie ADV Arterie des dorsoventralen M Mandibulararterie Muskels im Abdomen ME Arteria extensoris falcıs AH Arterie des 4. Diverticulums MF Arteria flexoris faleis ANT. COE vorderer Blindschlauch OH Osophagus A, OPH Augenarterie P Lunge AO Aorta PAL Palpus AP Arteria posterior PO. COE hinterer Blindschlauch AR Aorta recurrens RD Arteria dorsalis recurrens A. REC Arteria recurrens V 1, V 2, V 3 Blutgefäße des 3. Di- AT dorsale Querarterie verticulums AV Arterie der Muskeln des Saug- VP Vena pulmonalis. Die Arterien magens der Beine sind durch römische D dorsale Arterie Ziffern bezeichnet. D1, D2, D3 dorsale Zweige der Kopfarterie Tafel 3. Die Circulationsorgane von Lycosa carolinensis W.!. Fig. 1. Dorsalansicht. Fig. 2. Seitenansicht. Fig. 3. Ventralansicht des hintern Endes des Herzens. Fig. 4. Das BlutgefäBsystem der Mandiblen und der Giftdrüsen. Lippert & Co. (G. Pätz’sche Buchdr.), Naumburg a. S. Nachdruck verboten. Übersetzungsrecht vorbehalten, Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea und andern Acephalen des süßen Wassers. (Ein Beitrag zur Organogenese und Phylogenie der Lamellibranchiaten.) Von E. Wasserloos. (Aus dem Zoologischen Institut der Universität Marburg.) Mit Tafel 4—7 und 52 Abbildungen im Text. Inhalt. . Einleitung. . Übersicht über die Literatur. . Material und Untersuchungsmethoden. . Eigne Untersuchungen. el, I. Die Entwicklung der Kiemen bei der Gattung Sphae- rium: Cyclas cornea Lam. (Hauptuntersuchungsobjekt.) a) Vorbemerkungen iiber den Bau der erwachsenen Kiemen. b) Die Entwicklung der Kiemen. 1. Innere Kiemen. a) Anlage und Zerlegung derselben in Filamente. B) een über die Ausbildung der Filamente, y) Die spätern Stadien in der Entwicklung der äußern La- melle der innern Kieme. 0) Bildung der aus dem marginalen Teile der äußern Lamelle hervorgehenden nach oben wachsenden „innern Lamelle“ der innern Kieme. €) Die Differenzierung dieser Lamelle zu Filamenten. Zool. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. 12 172 E. WASsERLOOS, 2. Äußere Kieme. a) Anlage und deren Differenzierungen. 6) Bildung der sogenannten 2. Lamelle der äußern Kieme. 3. Verbindung zwischen innerer und äußerer Kieme. 4. Der Interlamellarraum, die interlamellaren Brücken und die interfilamentaren Verbindungen. Wachstum der Kiemen (die embryonalen Zonen). Die Korrelation der Kiemen mit andern Organen. a) mit ihren Anhangsorganen: Entwicklung der Velen und der Siphonen. 5) mit den Circulationsorganen: Herz, Vorhof, Blutbahnen. y) mit den Excretionsorganen. 0) mit den Geschlechtsorganen. 7. Anhang: Die Kiemen als Brutraum. SSH II. Die Entwicklung der Kiemen bei andern Genera des süßen Wassers (Vergleichsobjekte). a) Gen. Calyculina: C. lacustris MÜLLER. b) Gen. Pisidium: P. pusillum GMELIN. c) Die Najaden. Gen. Unio: U. tumidus RETZIUS u. U. pictorum Linn. Gen. Anodonta: A. piscinalis NILSON. d) Gen. Dreissensia: D. polymorpha PALL. E. Theoretische Betrachtungen. F. Schluß. A. Einleitung. Während der letzten 3 Jahrzehnte sind zahlreiche Versuche ge- macht worden, auf Grund eingehender anatomischer Untersuchungen ein natürliches System der Lamellibranchiaten zu gewinnen. Diese Studien mußten um so intensiver betrieben werden, als diese Tier- eruppe in ihrer Gesamtheit eine weitgehende Gleichförmigkeit des Baues aufweist. Nachdem man lange Zeit einseitig nach dem einen oder dem andern Organe eine Einteilung vorgenommen hatte, ver-, suchten endlich in neuerer Zeit Rice (70) und GROBBEN(21) ver- schiedene Organsysteme gleichzeitig zur Systematisierung zu be- nutzen. 1908 gab Srexra (89) eine zusammenfassende Übersicht über alle hierher gehörigen Klassifikationsversuche und betonte die Notwendigkeit, auch die Entwicklung der einzelnen Organe mehr als bisher in den Kreis der Betrachtung zu ziehen, weil nur durch eine solche Verbindung der vergleichend-anatomischen und der ver- sleichend-entwicklungsgeschichtlichen Betrachtungsweise die Klassi- fikation besser fundiert werden kann. Diese Forderung konnte Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 173 in bezug auf die Kieme der Lamellibranchiaten, welche durch die hervorragenden Arbeiten PELSENEER’s, DALL'S u. a. eine so hohe systematische Bedeutung erlangt hat, nicht erfüllt werden, weil unsere Kenntnisse über die Bildung dieses Organs große Lücken aufwiesen. Immer. wieder ist sowohl in vergleichend-anatomischen als auch in entwicklungsgeschichtlichen Arbeiten auf diese Lücken hingewiesen worden, die um so empfindlicher waren, als die wenigen vorhandenen Angaben über die Bildung der Acephalenkieme sich zu widersprechen schienen. Aus dem Mangel an vollständigen und positiven Angaben zieht Rinewoop (74, p. 157) den Schluß „that the phenomena of gill ontogeny are extremely difficult to make out.“ Zweifellos würden für viele marine Formen schon der Sammlung eines lückenlosen Materials große Schwierigkeiten im Wege stehen. Am besten geht die Notwendigkeit einer eingehenden Untersuchung hervor aus folgender Bemerkung BErnArp’s (1, 1895, p. 383): „Dans tous les cas, si grâce aux travaux de PECK, POSENER, MITSUKURT, MENEGAUX, PELSENEER, KELLOGG, JANSSENS etc., la structure de la branchie chez les lamellibranches doit étre considerée comme connue avec un degré remarquable de précision, le probleme de son déve- loppement et par suite de son interprétation morphologique ne sau- rait passer pour résolu et les hypothéses les plus séduisantes, émises à cet égard, demandent à être confirmées par les recherches d’em- bryologie comparée“. Da seit 1895 unsern Kenntnissen über die Bildung der Lamellibranchiatenkieme Wesentliches nicht hinzugefügt worden ist, so hat vorstehende Bemerkung noch heute ihre volle Gültigkeit. Im Folgenden ist der Versuch gemacht worden, durch Untersuchung der Kiemenentwicklung einiger Sübwasseracephalen die bisherigen lückenhaften Kenntnisse der Embryologie zu vervoll- kommnen. Als Hauptuntersuchungsobjekt diente aus Gründen der leichtern Materialbeschaffung Cyclas cornea Lam. bei welcher Form auch die übrige Organogenese eingehend berücksichtigt wurde. Außerdem wurden Calyculina lacustris MÜLLER, Pisidium pusillum GMELIN, Unio tumidus Rerzıus, Unio pietorum Linnt, Anodonta pis- einalis Nınson und Dreissensia polymorpha Parı. in bezug auf die Grundzüge der Kiemenentwicklung untersucht. Um die folgenden Ausführungen leichter verständlich zu machen, möge es an dieser Stelle gestattet sein, eine kurze Zusammenstellung der bisherigen Untersuchungen über die Entwicklung der Pelecypoden- kieme zu geben. 174 E. WAssERLoos, B. Übersicht über die Literatur. Die Literaturangabe von VoinEA (92) berücksichtigt nur einen geringen Teil der einschlägigen Arbeiten. Rice (73) gab zwar einen vollkommenern Überblick über die bisherigen Untersuchungen, je- doch zählt er im wesentlichen nur die untersuchten Formen auf, während er die Befunde selbst ihrem Inhalte nach nicht anführt. Ein Hinweis auf die Literaturzusammenstellung von Rice würde nicht genügen, weil im Folgenden auf die Ergebnisse früherer Au- toren häufiger zurückgegriffen werden muß. Sehr spärlich ist die Zahl derjenigen Arbeiten, die sich mit der Entwicklungsgeschichte der Lamellibranchiatenkieme im speziellen befassen. Neben der ältern Arbeit von Lacaze-DuTHIERS (38) über die Entwicklung der Kieme von Mytilus ist nur eine Arbeit neuern Datums von VoinEA (92) über die Kiemenentwicklung der Najaden zu erwähnen; in jüngster Zeit, 1908, veröffentlichte Rıcz (73) einige bisher unbekannte Daten über die Kiemenentwicklung bei Mytilus, ohne jedoch den Entwicklungsprozeß in seiner Gesamtheit zu be- rühren. Alle andern Befunde entstammen gelegentlichen Beobach- tungen beim Studium der allgemeinen Entwicklungsgeschichte der Lamellibranchiaten. So umfassend diese Untersuchungen für die Furchungs- und Trochophorastadien sind, so endigen sie fast immer mit einem Stadium, auf welchem das junge Tier im wesentlichen die Organisation des Muttertieres erlangt hat und die Kieme nur wenig entwickelt ist. Sie berücksichtigen daher lediglich die Stadien mit einer allerdings meistens schon differen- zierten Anlage der innern Kieme, während sie über die spätern und endgültigen Differenzierungen derselben wie über die An- lage und Differenzierung der durchweg bei allen Formen später auftretenden äußern Kieme keinen Aufschluß geben. Auf ge- legentliche Ausnahmen komme ich weiter unten zurück. Auch die erwähnten Spezialarbeiten weisen Lücken auf. Es ist schlechter- dings nicht möglich, ausschließlich auf die Literatur über die Ent- wicklung der Kieme sich zu beschränken; der Zusammenhang der zu untersuchenden Frage mit der vergleichend-anatomischen Be- trachtungsweise der Kieme ist so eng, daß gelegentlich auch die vergleichend-anatomische Untersuchung wenigstens in denjenigen Richtlinien hier erwähnt werden muß, die sie den entwicklungsge- schichtlichen Untersuchungen entnommen hat. Um Wiederholungen zu vermeiden, soll sie jedoch vorderhand soweit wie angängig aus- Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 175 geschaltet werden. Erst nach Darlegung meiner eignen Befunde und ihrer Einreihung in die bisherigen entwicklungsgeschichtlichen Ergebnisse soll auf der dadurch gewonnenen Grundlage die Frage erörtert werden, inwieweit eine eingehende entwicklungsgeschicht- liche Untersuchung der Kieme die vergleichend-anatomischen Folge- rungen stützen kann. An dieser Stelle muß notwendigerweise auch auf die Resultate der vergleichenden Anatomie eingegangen werden. Bekanntlich verdanken die Lamellibranchiaten ihren Namen dem Bau ihres Respirationsorgans. Die ältern Autoren, Cuvier, BOJANUS u. a., fanden auf jeder Körperseite meistens paarig vorhandene Kiemen, die aus je 2 „Lamellen“ bestehen sollten (Lamellentypus). Erst später wurden Formen bekannt, bei denen jede Lamelle durch eine Reihe hintereinander gelegener Röhrchen, sogenannter Filamente, ersetzt erscheint (Filamenttypus). In den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts endlich wurden Formen beschrieben, welche von den beiden beschriebenen Typen abweichen, einerseits Formen wie Nucula, Yoldia, bei denen die Kiemen als echtes Ctenidium, d.h. als eine Reihe paariger hintereinander gelegener und an einer gemein- samen Achse sitzender Fiederblättchen sich darstellt (Protobran- chier — Nuculatypus), andrerseits Formen wie Cuspidaria und Poromya, bei denen die Kiemen zu einem im Mantelraum ausge- spannten Septum reduziert sind (Septibranchier = Cuspidaria- Typus). Die „Lamelle“, durch welche der zuerst erwähnte Typus charak- terisiert wurde, darf nicht einer Membran gleichgesetzt werden; es handelt sich vielmehr um komplizierte Gebilde, welche lamellenartig aus der ganzen Kieme sich herauslösen lassen und deren Bau im einzelnen aus den weitern Ausführungen klar werden wird. Der Ausdruck Lamelle ist in der vergleichend-anatomischen Literatur gebräuchlich und daher beibehalten worden. Was die Nomenklatur der einzelnen Teile der Kieme anbetrifft, so ist dieselbe sehr ver- wickelt, da sie bei den einzelnen Autoren verschieden ist. Von einer Zusammenstellung soll hier abgesehen werden. zumal von PELSENEER (58, p. 38) eine solche bereits gegeben wurde. Den Aus- druck „Ctenidium“ für das gesamte Respirationsorgan aller Acephalen, also auch für den Filament- und Lamellentypus, wie Rice (70) ihn geprägt hat, möchte ich nicht annehmen, da in einer solchen Be- zeichnungsweise, wie wir weiter unten sehen, eine Hypothese ohne weiteres als richtig angenommen wäre. Ich schließe mich in bezug auf die Nomenklatur den deutschen Autoren Bonner (3) und 176 E. WAssERLOos, POSENER (66, 67) an. Bei den untersuchten Formen, die sämtlich dem Lamellentypus angehören, zerfällt der ganze Kiemenapparat jederseits des Körpers in 2 Kiemen, eine innere und eine äußere; jede Kieme zerfällt in 2 Lamellen, ebenfalls eine innere und eine äußere. Die ältesten Angaben über die Entwicklung der Pelecypodenkieme finden wir bei QUATREFAGES (68) und Carus (5). Beide Autoren unter- suchten die Najaden. Ihre Organdeutungen — so hält z. B. CARUS die Borsten der Najadenlarven für die Anlage der Kiemen — können aber nur geschichtliches Interesse beanspruchen und kommen hier nicht weiter in Betracht. LEUCKART (41) stellte in seiner Abhandlung „Über die Morphologie und die Verwandtschaftsverhältnisse der wirbellosen Thiere“, 1849, fest, daß die Kiemen der Najaden (p. 160—168) sich seitlich von der von ihm als „Fußwulst“ bezeichneten zentralen Masse der Najadenlarven bilden; über den Modus der Entwicklung konnte er aber keine Angaben machen. Gegen QUATREFAGES (68), der die seitlichen Gruben der Larven als Mägen auf- faßte, von denen jeder einen besondern Darm besitzen sollte, führt LEUCKART (p. 168) wörtlich folgendes an: „Der Hauptsache nach gehen wahrscheinlich aus den seitlichen embryonalen Hälften nur die Mantellappen und die Kiemenblätter hervor ; wie ich vermuthe, ist der wulstige Rand der ersteren von QUATREFAGES für die seitlichen Aorten gehalten worden, die äussere Begrenzung der, wie es scheint, jederseits noch ungeteilten Kiemen- masse aber für die Darmröhren.“ Aus den folgenden Ausführungen wird hervorgehen, daß die Beobachtungen LEUCKART’s mit denjenigen späterer Autoren sich völlig decken. In demselben Jahre beschrieb LOVEN (43) für einige marine Formen die Kiemenanlage als einen scheinbar hohlen, in gewissen Abständen regel- mäßig erweiterten und sich allmählich in Bogen legenden Strang. Indem die erweiterten Partien vertikal stark in die Länge wachsen, werden sie zu vertikalen Röhrchen, und es kommt ein Gebilde zustande, welches mit dem Filamenttypus große Ähnlichkeit zeigt. Die weitere Ausbildung konnte LOVÉN nicht verfolgen, ebensowenig wie er für die zum Teil pelagisch gefangenen, sehr jungen Acephalen mit Sicherheit die zugehörige Gattung eruieren konnte. Er erklärte die beschriebenen Gebilde lediglich deshalb für die Anlage der Kieme, weil sie mit der erwachsenen Kieme, dieselbe Lage und eine große Ähnlichkeit im Bau gemeinsam hatten. Zur selbigen Zeit beschrieb QUATREFAGES (68) in den Seitenteilen der Embryonen von Teredo gelegene bewimperte Öffnungen, über deren Funktion er nicht ins klare kommen konnte, die aber, wie sich aus seiner ausführlichen Beschreibung schließen läßt, nichts weiter als die bereits differenzierte Kiemenanlage darstellen. LeyviG (44) beschrieb 1855 für Cyclas cornea die Kiemenanlage als eine deutlich wahrnehmbare Falte oder Leiste, welche ursprünglich vom Mantel ausgeht und von hinten nach vorn wächst. Die weitern Ge- staltungsprozesse hat LEYDIG nicht verfolgt. Schon 1854 hatte SCHMIDT (81) Die Entwicklung der Kiemen bei Cyelas cornea. 177 die erste Anlage der Kieme bei Cyclas calyculata als „zwei unter dem Mantel liegende Zipfel“ beschrieben. Eine vollständigere Untersuchung blieb LACAZE-DUTHIERS vorbe- halten, der 1856 seine wahrhaft klassische Abhandlung über die Kiemen- entwicklung von Mytilus veröffentlichte (38). Schon 1854 (36) hatte dieser Forscher über eine eigenartige Verwachsung der beiden innern Kiemen der Najaden hinter dem Fuße berichtet und dabei eine Nomenklatur ange- wandt, welche zeigt, daß er die innere Lamelle der innern Kieme und die äußere Lamelle der äußern Kieme als sekundäre Gebilde auffaßte, eine Anschauung, die sich nur durch seine embryologischen Befunde recht- fertigen läßt. 1855 gab LACAZE-DUTHIERS (37) eine vorläufige Mitteilung seiner entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen, deren Ergebnisse etwas genauer mitgeteilt werden mögen. Die Kiemenanlage von Mytilus stellt sich nach LACAZE-DUTHIERS als eine Reihe von Papillen dar, welche in der Rinne zwischen Mantel und Fuß in der Richtung von vorn nach hinten allmählich hintereinander hervorsprossen. Im weitern Verlaufe der Entwicklung wird ihr Insertionsbezirk etwas vorgewölbt, so daß derselbe einer hohlen Leiste gleicht, während in allen übrigen Punkten die gesamte Anlage von der von LOVÉN beschriebenen verschieden sein soll. Die Papillen wachsen in die Länge, erhalten Wimpern und werden zu Fila- menten, während gleichzeitig ihre Enden lateral etwas vorwachsen und völlig miteinander zu einer queren, die Köpfchen verbindenden Brücke verschmelzen. Aus dieser Brücke entsteht eine Lamelle, welche nach innen und oben, d. h. in dem Raume zwischen Kiemenanlage und Fuß, in die Höhe wächst. Diese Lamelle, welche deutlich sichtbar wird, wenn 10—11 Filamente gebildet sind, zeigt im weitern Verlaufe der Entwicklung Depressionen, welche den Zwischenräumen zwischen den Papillen ent- sprechen. Indem diese Invaginationen weiter fortschreiten, kommt es zu völligen Durchbrechungen. Die äußere Kieme, welche später auftritt, bildet sich in ähnlicher Weise. An der äußern hintern. Insertionspartie der innern Kieme treten Papillen auf, welche von einem mittlern Teile aus nach vorn und hinten allmählich hintereinander hervorwachsen; sie verlängern sich, ihre Köpfe verschmelzen miteinander, und es bildet sich aus der Verschmelzung eine Lamelle, welche nach außen gerichtet ist, d. h. zwischen Kieme und Mantel zu liegen kommt, und auf spätern Stadien die- selben Durchbrechungen erleidet wie die in ihrer Genese bereits beschrie- bene innere Lamelle der innern Kieme. LACAZE-DUTHIERS’ Untersuchungen waren von grundlegender Be- deutung für die vergleichende Anatomie. Diejenigen Forscher, welche die Kieme unter vergleichend-anatomischem Gesichtspunkte betrachteten, schlossen sich der von LACAZE-DUTHIERS gegebenen Bezeichnungsweise an und faßten die reflektierten Lamellen, d. h. die innere Lamelle der innern Kieme und die äußere Lamelle der äußern Kieme, als sekundäre Gebilde auf. Auch wurde die Entstehung der Kieme aus ursprünglichen Papillen (filaments, tubercules) als ein starkes Argument für die Behauptung ins Feld geführt, daß die Filamentkieme ursprünglicher sei als der durch late- rale Verbindung der Filamente, sogenannte interfilamentare Brücken, ent- standene Lamellentypus. 178 E. WASSERLOOoSs, 1865 bestätigte STEPANOFF (90) die Befunde LEYDIG’s in bezug auf die Kiemenanlage von Cyclas. Er beobachtete, daß die ursprünglich un- differenzierten Zapfen, aus denen später die innern Kiemen hervorgehen, in der Richtung von vorn nach hinten in eine Reihe hintereinander ge- legener Säulchen oder Filamente zerfallen. Nach seinen Angaben soll die äußere Kieme später als die innere entstehen, jedoch scheinbar nach demselben Modus sich bilden. Für die mit Cyclas jedenfalls nahe verwandte Form Pisidium pu- sillum gab 1875 RAY LANKESTER (40) als ursprünglichste Kiemenanlage Papillen an, welche in der Richtung von hinten nach vorn allmählich hintereinander hervorsprossen sollten. Foret (20) fand, daß die Kiemenanlage der Najaden mit dem Fub- wulste LEUCKART’s verbunden bleibe. Jedoch beschreibt er einen eigen- artigen Wimperapparat zu beiden Seiten dieses Fußwulstes, den er als Ernährungs- oder Atmungsapparat deutet auf Grund der Strömung, welche er in gleicher Richtung auf den Kiemen des erwachsenen Tieres beobach- tete. Zu beiden Seiten des Fußes liegen nach ihm 2 korbartige, ovale Formen mit abgesetztem Rand; eine Commissur, die beide Ränder ver- bindet, weist in ihrer Mitte einen Spalt auf, Ränder und Commissur sind mit Cilien bedeckt. Unschwer läßt sich in den so charakterisierten Gebilden die Kiemen- anlage der Najaden erkennen, wie sie 1878 gleichzeitig von BRAUN (4) und SCHIERHOLZ (77) beschrieben wurde. Nach Braun bilden sich die Kiemen aus faltenartigen Erhebungen an der Ubergangsstelle zwischen Mantel und Fuß; nach SCHIERHOLZ sind die seitlichen Gruben, die ovalen Formen FOREL’s, „gleichgültige Erscheinungen, während ihre welligen äußeren Umgrenzungen die erste Anlage der Kieme“ darstellen, „die durch den vorwachsenden Fuß in die Länge gezogen werden und sich in je 2 Faltungen legen“. SCHIERHOLZ erwähnt, daß bei Anodonta im 2., bei Unio im 3. und 4. Sommer die äußern Kiemen entstehen und bringt dieses Verhalten in Beziehung zu der etwas später eintretenden Geschlechtsreife. 1880 stellte HATSCHER (24) fest, daß bei Teredo navalıs die Kiemen- anlage eine verdickte Epithelleiste darstellt, welche zu beiden Seiten des Rumpfes in der Tiefe der Mantelfurche gelegen ist und bald zu einer echten Epithelfalte sich auswächst. Diese Kiemenrudimente finden sich auf Stadien, welche wenig älter als die Trochophora sind. Die Kiemen- falte differenziert sich, indem auf ihrer innern und äußern Seite einander entsprechende Verdünnungen des Gewebes in gewissen Intervallen auf-- treten, welche zu einer Durchfensterung führen. Die Köpfchen der da- durch entstehenden Filamente sind infolge dieses eigenartigen Modus der Durchfensterung auf allen Stadien miteinander verbunden. Ähnliche, aber nicht so unzweideutige Angaben machte RYDER (75) für die amerikanische Auster. Die Kiemen, sowohl innere als auch äubere, sollen bei dieser Form sehr frühzeitig denselben Bau aufweisen wie die- jenigen der Imago, indem sie in Form von 4 verlängerten, mit vertikalen Spalten versehenen Taschen in den Mantelraum hineinragen. „The pouches or rows of branchial processes, of which the gills are formed, were at first developed from a tract of epiblastic tissue or the skin layer proper“; Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 179 die Kiemen entstehen aus , longitudinal folds, ‘which were at first conti- nuous.“ Ob der von RYDER beschriebene Modus mit demjenigen Har- SCHEK’s übereinstimmt, geht aus diesen Ausführungen nicht hervor. Identisch mit dem letztern ist dagegen der Modus, den 1885 ZIEGLER (95) fiir Cyclas cornea angab. Die Kiemenfalte dieser Form, wie sie be- reits friihere Autoren wahrgenommen hatten, wird in Filamente zerlegt, indem zuerst auf der Außenseite vom untern Rande her in gewissen Ab- ständen Einbuchtungen auftreten, denen seichtere Depressionen von der Innenseite entgegenwachsen. Dadurch kommen Durchbrechungen zustande. Jedoch gibt ZIEGLER keinen Aufschluß darüber, ob die Durchschniirung vollständig ist oder nur eine Durchfensterung erfolgt, d. h. die entstehen- den Filamente am untern Ende miteinander verbunden bleiben. Überein- stimmend sind die Angaben von ZIEGLER und HATSCHEK, daß die Durch- brechung in der Richtung von vorn nach hinten stattfinden soil. F. ScHMipT (79, 80) bestätigte die Befunde von BRAUN und SCHIER- HOLZ in bezug auf die Kiemenanlage der Najaden; „die wallartigen Ränder der seitlichen Gruben zerfallen in mehrere knopfartige Erhebungen, die sich allmählich stärker entwickeln und deren Köpfchen etwas anschwellen.“ SCHIERHOLZ (38) ergänzte 1889 seine Beobachtungen für diese Formen; er beobachtete, daß die wallartigen Ränder der seitlichen Gruben in 2 Papillen zerfallen, von denen jede wieder in 2 Papillen sich teilt, und stellte fest, daß allgemein auf den postparasitären Stadien eine Vermehrung der Papillen in der Richtung von vorn nach hinten eintritt, daß die Pa- pillen nach innen umschlagen und so die innere Lamelle der innern Kieme entstehen soll. Uber den Bildungsmodus dieser letztern Lamelle im ein- zelnen hat er keine genauern Angaben machen können. Einige bemerkenswerte Daten über die Kiemenentwicklung gab JAck- SON in seinen beiden Abhandlungen (28, 29), ohne allerdings über den Modus der Anlage Genaueres auszusagen. Er geht stets von Papillen als dem Gegebenen und Ursprünglichsten aus. Bei Ostrea virginiana fand er, daß auf den spätern Stadien die Köpfchen der Papillen erweitert und durch eine quere Brücke miteinander verbunden waren, aus der später die innere Lamelle der innern Kieme hervorging; die äußere Lamelle der äußern Kieme entstand in analoger Weise an den ursprünglichen innern Filamenten dieser Kieme. Bei Anomia beobachtete er „eine Reflexion der Lamellen“ in demselben Sinne. 1891 fand KORSCHELT (34) die Kiemenrudimente von Dreissensia in Form von seitlich zusammengedrückten Papillen; jedoch ließ er die Frage offen, ob diese Filamentchen ursprüngliche Elemente oder durch Zerfall einer Falte entstanden waren. Dieselben Kiemenstrahlen oder Kiemen- papillen beschrieben auch WELTNER (93) und MEISENHEIMER (45), gaben aber beide über den Bildungsmodus keinen Aufschluß. Schon RIDEWOOoD (74) hat bedauert, daß sich aus den vorzüglichen Zeichnungen MEISEN- HEIMER’s kein Schluß auf die Bildung der Kieme ziehen läßt. SIGERFOOS bestätigte (83) die Angaben von HATSCHEK über die Kiemenbildung bei Teredo und stellte fest, daß der von HATSCHEK be- schriebene Modus ein dauernder ist. Nach dem 10. Filament jedoch soll eine Anderung eintreten, indem nämlich „a second slit ventral to the 180 E. WAssERLOOS, first“ auftritt, so daß „each filament is separated from its fellow by double slits.“ Da SIGERFOOS keine Abbildungen zu diesem Passus gibt, so ist er nicht verständlich. BERNARD (1) beschrieb 1896 für Smoberetia australis, welche der „äußern“ Kieme entbehrt, als Kiemenrudiment eine Falte, die in der Richtung von hinten nach vorn in Filamente zerfällt, indem sie durch- fenstert wird, während die fertige Kieme sich in umgekehrter Richtung durch Anlagerung neuer Filamente an ihre hintere Partie vergrößert. BERNARD ist sich des Widerspruches wohl bewußt, den diese Behauptung in sich schließt; er gibt seine Beobachtungen nur mit Vorbehalt und be- tont die Schwierigkeiten, die der Untersuchung und Deutung der Kiemen- rudimente sich entgegenstellen. Drew (14, 15, 16, 17) beschrieb für die in phylogenetischer Hin- sicht interessante Gruppe der Protobranchier (Nucula, Yoldia) als erste An- lage der Kiemen eine Verdickung, welche im hintern Teile des Mantels entsteht; die ursprüngliche Verdickung zerfällt in 2 Teile; die vordere wächst etwas in die Länge, während die hintere sich wieder in 2 neue teilt, und so fort. Einen Hinweis auf die Ursprünglichkeit der von ihm untersuchten Formen vermag DREW in diesem Modus nicht zu erblicken; er warnt vor einer voreiligen Verwertung der Kiemenentwicklung in phylogenetischer Beziehung. Er beobachtete, daß die äußern Kiemen- blättchen später aber nach demselben Modus sich bilden wie die innern. VoINEA (92) stellte fest, daß die innere Kieme von Anodonta aus einer Epithelverbindung an der Innenseite des Mantels entsteht, die zu einer schmalen, hohlen Leiste wird, an der vom untern Rande her Ein- kerbungen auf der Außenseite im gewissen Zwischenräumen auftreten. Die folgenden Stadien hat VOINEA nicht untersucht, weil ihm die jungen Najaden im Aquarium eingingen; seine Beobachtungen setzen erst dort wieder ein, wo verschiedene Kiemenpapillen im Mantelraum gebildet sind. Harms (23) bestätigte 1909 im großen ganzen diese Resultate; die ur- sprüngliche Leiste zerfällt in „Papillen“, die auf jungen postparasitären Stadien bereits nach innen umzuschlagen beginnen. Die Bildung der Papillen geschieht in der Richtung von vorn nach hinten. Für die äußere Kieme von Anodonta beschrieb VOINEA (92) für ca. l cm große Exemplare als ursprüngliche Kiemenanlage eine Epithelver- dickung ebenfalls an der Innenseite des Mantels. Die Epithelleiste wächst zu einer Falte aus, an der in der Längsrichtung eine Invagination auftritt, durch die eine longitudinale Röhre ins Innere verlagert wird. Das Ganze wird dadurch in ein aus 2 Lamellen zusammengesetztes voll- ständiges Kiemenblatt verwandelt. In Zwischenräumen treten Durch- brechungen der Lamellen ein und zwar von einer mittlern Zone aus, so daß die ältesten Filamentchen in der Mitte liegen. VOINEA hält diesen Modus für einen abgekürzten. 1905 beschrieb STAFFORD (85) Kiemenrudimente der canadischen Auster als Papillen. 1906 charakterisierte BOURNE (2) für das von ihm aufgestellte Genus Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 181 Jousseaumia !), das der äußern Kieme entbehrt und dessen innere Kieme stark reduziert ist, die Kiemenanlage als eine Falte, welche in der von HATSCHEK für Teredo angegebenen Weise in der Richtung von vorn nach hinten durchfenstert wird. Aus der marginalen Brücke, welche die Fila- mentköpfchen vereinigt, entsteht die innere Lamelle der innern Kieme. Rice (71, 72, 73) bestätigte, daß die Kieme von Mytilus aus ur- sprünglichen Papillen hervorgehe, wie sie von LACAZE-DUTHIERS (38) und 1887 auch von WILSON (94) beschrieben worden waren. Für die spätern Stadien soll jedoch eine Abkürzung eintreten, indem aus einer ursprünglichen Papille durch vertikale Teilung derselben ein Filament der äußern und innern Kieme entsteht; indem jedes Teilstück in der Mitte vertikal durchschlitzt wird, differenziert es sich wiederum in einen innern und äußern Teil, die verschiedenen Lamellen angehören. Bei Mya fand Rice dieselben Kiemenrudimente wie bei Mytilus (Papillen); bei Mya, Anomia, Arca und Modiola wiesen die spätern Stadien denselben aber- ranten Modus auf wie Mytilus. Kürzere Zusammenstellungen der bisherigen Untersuchungen finden sich in den meisten einschlägigen vergleichend-anatomischen Arbeiten, kürzere Übersichten in verschiedenen Lehrbiichern (z. B. FiscHEr (19) p- 919 etc.); kritische Betrachtungen geben KORSCHELT u. HEIDER (35) und RIDEWOOD (74). Trotzdem die Literatur nur wenige vollständige Angaben bietet, lassen sich doch 2 Modi der Kiemenanlage unterscheiden: 1. die Kiemenanlage besteht aus Papillen (Nucula, Mytilus, Mya, Pisidium), bei der letztern Form entstehen die Papillen in der Richtung von vorn nach hinten, bei den übrigen in umgekehrter Richtung; 2. die Kiemenanlage ist eine Epithelfalte, welche durchschnürt bzw. durch- fenstert wird und dadurch erst in Papillen zerfällt (Teredo, Cyclas, Scioberetia, Jousseaumiella). Bei Scioberetia geschieht die Durch- fensterung abweichend von den iibrigen Formen in der Richtung von hinten nach vorn. Für alle andern Formen ist nicht zu ent- scheiden, ob sie dem 1. oder dem 2. Modus zuzurechnen sind. Hier- her gehören z. B. Ostrea, Dreissensia und die von Lovkn (43) be- schriebenen Formen (Arca, Montacuta u. a). VoinEa (92, p. 39) rechnet Anodonta, wie überhaupt die Najaden, dem Faltenmodus zu; da er aber eine Durchschnürung der von ihm gefundenen hohlen Leiste, wie HarscHek und ZIEGLER sie beschrieben, nicht hat fest- stellen können, so scheint mir dieses Verfahren übereilt zu sein; die folgenden Untersuchungen werden übrigens zeigen, daß die Kiemen- 1) Später Jousseaumiella genannt (in: Proc. malacol. Soc. London, Mel 57, part 5). 182 E. WAssERLOOS, anlage der Najaden von derjenigen von Cyelas völlig verschieden ist und dem Papillenmodus angehört. Papillen- und Faltenmodus, die beide bei unsern Süßwasserpelecypoden vorkommen, sind beieinerein- sehenden histologischen Untersuchung scharf von- einanderzuunterscheiden. Siestellenallerdingsbeide inihrer allerursprünglichsten Form eine Epithelver- dickung dar, die aber auf den folgenden Stadien in ganz verschiedener Weisesichdifferenziert. Die folgen- den Ausführungen werden dafür den Beweis erbringen. C. Material und Untersuchungsmethoden. Die weitverbreitete Art Cyclas cornea beherbergt sowohl im Sommer als auch im Winter in ihren Kiemen zahlreiche Embryonen. Alle Individuen von Cyclas, die ich mit der von CLESSIN !) ange- gebenen Specifikation nicht in Übereinstimmung bringen konnte, blieben unbenutzt. Postembryonale Stadien dieser Species verschaffte ich mir, indem ich erwachsene Tiere während des Winters 1908 bis 1909 im Aquarium hielt. Es schlüpften im Laufe dieser Zeit zahl- reiche junge Tiere aus. Dieses Verfahren war sicherer, als wenn ich postembryonale Tiere an Ort und Stelle im Freien gesammelt hätte, wo man namentlich im Sommer zahlreiche junge Muscheln findet, deren Gattung geschweige Species nicht eruiert werden kann. Calyculina lacustris fand ich überaus zahlreich in den Sümpfen des südlich von Marburg gelegenen Ebsdorfer Grundes (tertiärer Kalk). Postembryonale Stadien dieser Form verschaffte ich mir in der gleichen Weise wie bei Cyclas, nachdem ich die gesammelten Tiere von den Cyclas-Arten, mit denen sie vergesellschaftet vorkamen, sorgfältig getrennt hatte. Diese Form enthielt während des Winters keine Embryonen. Pisidium pusillum kommt in großer Menge in einigen Lachen auf den südlich von Marburg liegenden Lahnbergen vor. Andere Muschelarten leben nicht in diesen Pfützen, so daß die dort ge- sammelten postembryonalen Stadien und jungen Muscheln der Species Pisidium pusillum zugerechnet werden mußten. Im Sommer und im Herbst 1909 schlüpfte von dieser Form auch im Aquarium eine große Zahl von Jungtieren aus, so daß auch für Pisidium, welches 1) CLESSIN, S., Deutsche Exkursionsmolluskenfauna, 2. Aufl., Nürn- berg 1884. Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 183 in bezug auf die Kiemenentwicklung ganz andere Verhältnisse auf- weist als Cyclas cornea, die Zugehörigkeit der postembryonalen Stadien verbürgt werden kann. Pisidium pusillum hat jährlich eine einmalige Brut, wie ich 2 Jahre hindurch verfolgen konnte. Aus den Muttertieren, welche ich im Aquarium hielt, schlüpften die ersten Jungen Anfang September aus. Mein Material von Genus Unio war recht dürftig. Infektionen, welche ich in den Monaten Juni und Juli 1909 ansetzte, mißlangen, weil gegen Ende der Infektion die benutzten Fische zum größern Teile eingingen. Nichtsdestoweniger gelang es mir, die Entwicklung der Kiemen bei dieser Gattung wenigstens in ihren Grundzügen zu studieren. Durch die Freundlichkeit des Herrn Dr. Harms, der in jüngster Zeit seine bereits erwähnte Arbeit über die post- embryonale Entwicklungsgeschichte der Najaden (23) veröffentlichte und mir in zuvorkommender Weise einige seiner Schnittserien über- ließ, war es mir ermöglicht, die Beobachtungen, die ich an meinem eignen Material gesammelt hatte, zu vertiefen und zu ergänzen, andrerseits auch an einigen Stadien die Kiemenentwieklung bei Genus Anodonta zu untersuchen. Herrn Dr. Harms spreche ich an dieser Stelle meinen herzlichen Dank aus. Ebenso bin ich Herrn Prof. MEISENHEIMER zu großem Dank verpflichtet, da er mir einen kleinen Teil seines Dreissensia-Materials (Dreissensia polymorpha), das er 1900 bearbeitete, in liebenswürdiger Weise zur Verfügung stellte. Dank einer sorgfältigen Aufbewahrung war dieses Material in gutem Zustande, so daß die daraus herge- stellten Schnittserien nichts in bezug auf den Erhaltungszustand des Gewebes zu wünschen übrig ließen. Bedauerlicherweise fehlten in diesem Material einige Stadien. Die benutzten Ebryonen wurden aus den an den Kiemen ge- bildeten Brutkapseln, die Najadenlarven aus den Cysten heraus- präpariert. Zum Konservieren wurde Sublimat, Sublimat-Salpeter- säure, ZENKER’sche und Hrrmann’sche Lösung — heiß und kalt — mit im allgemeinen gleich gutem Erfolge benutzt. Die Hermann’sche Lösung ergab jedoch nur für die jüngern Stadien befriedigende Resultate; für die ältern erwies sie sich als unbrauchbar. Auf Schnitten durch solche ältere, mit Hermann’scher Lösung konservierte Individuen war das Gewebe mazeriert, wenn auch an den verschie- denen Körperstellen in verschiedenem Grade; die äußern beim Kon- servieren unmittelbar mit der Flüssigkeit in Berührung kommenden Teile wie Mantelrand ete. waren gut erhalten; nach oben und nach 184 E. WASSERLoos, der Mitte des Tieres zu war die Mazeration so weit fortgeschritten, daß die feinere histologische Struktur völlig undeutlich war. Diese schlechte Erhaltung des Gewebes erklärt sich daraus, daß die Tiere im Momente, in dem sie mit der Flüssigkeit überschüttet werden, ihre Schalen schließen. Die jüngern Stadien, die eine noch nicht den ganzen Körper bedeckende dünne Schale und einen noch wenig entwickelten Schließmuskel besitzen, werden gut konserviert; bei den ältern Stadien kann die Platinosmiumessigsäure nicht eindringen, sie greift wenigstens in ihren Bestandteilen, Eisessig und Osmiumsäure, die Schale an und wird dadurch in ihren hauptsächlich wirkenden Agentien vom Kalk der Schale gebunden. Wenn später die Schale durchdringbar geworden ist und die Flüssigkeit ins Innere eindringt, ist dort der Macerationsproze8 schon zu weit fortgeschritten. Wurden dagegen bei erwachsenen Tieren oder ältern Embryonen Teile der Kieme herausgenommen und dann mit Hermann’scher Lösung kon- serviert, so war an der Erhaltung des Gewebes nichts zu tadeln. Gelang es den Embryonen, beim Konservieren den Fuß ein- zuziehen, so wurde häufig durch eine starke Anziehung des Fußes die Kieme in vertikaler Richtung zusammengepreßt und in Falten gelegt. Auf Schnitten war dann die histologische Struktur wie auch die Morphologie verwischt und schlecht erkennbar. Gelang es den Tieren, die Schalen vollständig zu schließen, so wurde häufig die Kieme so sehr an den Fuß angedrückt, daß derselbe Nachteil sich einstellte. Eine Behandlung mit zu starker Salz- oder Essig- säure zwecks Auflösen der Schalen hatte dieselbe üble Folge; durch den osmotischen Druck der durch Zersetzen des Calciumcarbonats entstandenen, zwischen Schalenhäutchen und Mantel eingeschlossenen Kohlensäure wurden die Kiemen stark zwischen Fuß und Mantel eingeklemmt. Besondere Schwierigkeiten machte das Orientieren; Paraffin- einbettung war von vornherein ausgeschlossen. Um die Schnitt- richtung im Nelkenölcollodium zu fixieren, wurden im Anfange der Untersuchung Papierstreifchen oder Härchen benutzt, die aber nicht festlagen und sich bei der geringsten Erschütterung oder bei Druck- unterschieden im Tropfen verschoben. Diese Art des Orientierens erwies sich als zu grob; es war von Anfang an wenig Aussicht vorhanden, symmetrische Schnitte zu erhalten. Ward der Tropfen auf weißes liniiertgerifftes Papier gebracht, so war das Objekt nicht durchleuchtet genug, um nach den Linien der im Innern gelegenen Kiemen orientieren zu können. Ich gelangte daher im Laufe meiner Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 185 Untersuchung zu folgender Methode. Ich brachte den Nelkenöl- collodiumtropfen mit dem Tier auf kleine Glasplättchen, die ich durch Zerschneiden von Objektträgern herstellte und auf die ich vermittelst eines Schreibdiamanten eine grade Linie einkratzte. Diese Rißlinie legte ich nach oben, so daß das Nelkenölcollodium hinein- floß. Ich orientierte dann das Tier so, daß die Linie die Schnitt- richtung angab. Die Rille war später nach der Behandlung mit Xyloi, nach der Einbettung in Paraffin und dem Ablösen des Plätt- chens auf dem erhärteten Nelkenölcollodium als erhabene Linie sichtbar. Totalpräparate und Präparate der aus den einzelnen Stadien herauspräparierten Kiemen erleichterten die Untersuchung wesentlich. Die folgenden Zeichnungen von Totalpräparaten sind so orientiert. daß sie der von PELSENEER (60, p. 158) aufgestellten Forderung — Cerebralregion nach vorn, Fuß nach unten und After nach hinten — genügen; die Tiere sind also stets von der linken Seite gesehen dargestellt. Die konzentrischen Anwachsstreifen der Schalen sind in den Totalbildern nicht eingezeichnet, um das Bild der innern Organisation nicht zu verwischen. Um Wiederholungen zu vermeiden, mögen hier zunächst die Schnittrichtungen festgelegt werden. Es mußten zunächst Schnitte parallel zum ventralen Rande der Kieme geführt werden, um über die ge- samte Morphologie, insbesondere aber über die Bildung der sogenannten sekundären Lamellen ins klare zu bekommen. Andrerseits mußte zu den Filamenten genau senkrecht geschnitten werden, um deren Aus- bildung und deren Elemente studieren zu können; schräge Schnitte ergaben verlängerte, ungenaue Bilder. Die longitudinalen Schnitte durch die Kieme zerfallen also in zwei Gruppen, in solche parallel dem marginalen Rande und solche senkrecht zu den Filamenten. Außerdem wurden transversale Schnitte durch die Kieme ange- fertigt, d. h Schnitte, welche, quer durch das Tier gehend, den Filamenten parallel sind. Das Gesagte gilt für innere wie für äußere Kiemen. Sagittalschnitte durch die Em- bryonen lieferten leicht verständliche Bilder der Kiemen und er- leichterten das Verständnis für den allgemeinen Organisationsgrad der Embryonen in weitgehendem Maße. 186 E. WAssERLoos. D. Eigne Untersuchungen. J. Die Entwicklung der Kiemen bei der Gattung Sphaerium : Cyclas cornea Lam. (Hauptuntersuchungsobjekt). a) Vorbemerkung über den Bau der erwachsenen Kiemen von Cyclas cornea. Das Respirationsorgan von Cyclas cornea ist bereits mehrmals Gegenstand einer eingehenden Untersuchung gewesen [ZIEGLER (95) und JANSSENS (30)|. Nichtsdestoweniger seien an dieser Stelle einige Bemerkungen über den Bau der erwachsenen Kieme gestattet. Durch dieselben soll nicht nur das Endresultat der Entwicklung kurz charakterisiert, sondern es sollen auch mehrere im Folgenden an- sewandte Bezeichnungen festgelegt werden. Cyclas cornea besitzt jederseits zwei Lamellenkiemen. Die Kiemen der beiden Seiten vereinigen sich hinter dem Fuße. Was im übrigen die äußere Gestalt und die Lage dieser Organe anbetrifft, so verweise ich auf ein in Fig. V abgebildetes postembryonales Stadium von 3,2 mm Länge, welches im allgemeinen denselben Kiemenbau be- sitzt wie die ausgewachsenen Individuen. Die untern Ränder der Kieme sind etwas abgerundet, die äußere Kieme hängt nur wenig über die innere Kieme herunter. Die innere Lamelle der innern Kieme erreicht etwa die Hälfte der Höhe der äußern Lamelle, die innere Lamelle der änbern Kieme ist hingegen sehr klein. Die innere Lamelle der innern Kieme setzt nicht am untersten Rande der äußern Lamelle an, sondern ein wenig höher; zwischen beiden Lamellenrändern befindet sich an dieser Stelle eine bewimperte Rille, die sogenannte marginale Rinne, welche in den Zwischenraum zwischen den beiden Mundlappen führt. Jede der jederseitigen vier Lamellen zeigt auf ihrer Oberfläche einander parallel laufende erhöhte Leisten, sogenannte Segmente (Fig. V). Je ein Segment ist von seinen Nachbarn durch je einen Spalt, die intersegmentaren Spalten (issp in Fig. A,,,), getrennt, welch letztere bis auf die andere zugehörige Lamelle durchgehen. Je zwei einander ent- sprechende Segmente einer innern und einer äußern Lamelle sind durch Querbrücken, die interlamellaren Brücken (2b in Fig. A,) miteinander verbunden; außerdem sind die Segmente einer Lamelle in gewissen Abständen durch horizontal verlaufende Stränge, die intersegmentaren Verbindungen, miteinander verknüpft (sv in Fig. A, und Fig. V). 187 Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. SR La Tre = 5 Fig. A,—A;. Bilder longitudinaler Schnitte durch die innere Kieme. Cyclas cornea. Beide Lamellen, äußere und innere, = — o a Es © ee Er Pa 5 Fe ae 2 = ir © 3 > ae =| ne a) am ru) CE Er re '~ = > die äußere dorsalen Teil, in dem nur noch 204 : 1. Schnitt durch den Fig. Ag. Lamelle (al. ik) vorhanden ist. = a SH SH = | Sa A CS S Pals) Sure ur” D a3 as E a M | o 2 § T as "Rie 5 we 4 as NS Se n = ag 28 28 = © 22 a on a à 28 ES SA - Ss rst . ER a=) fel aoe GIE no Ba se ia n 11 Die hier in Betracht kommenden ventralen Teile beider Schnitte sind in den Figg. 14 u. 15 (Taf. 6) stärker vergrößert dargestellt. Der ganze Wachstumsprozeß läuft hinaus auf eine Reflexion der ur- sprünglichen Kiemenfalte. Diese Reflexion erfolgt nach innen zum Bes © : € Kai pga see Mm Bl rg pH ni, Pics Ts one Fig. N. Transversaler Schnitt durch das Stadium der Fig. M (Linie / in Fig. M), der reflektierte, umrahmte Teil der rechten innern Kieme ist in Fig. 14 (Taf. 6) stark vergrößert dargestellt. 80:1. Fuße hin und nach dorsal. Sie erscheint ermöglicht zu sein durch die Cilienbürsten, welche die Kiemenanlage an den Fuß befestigen und gleichzeitig für den nach oben wachsenden reflektierten Teil eine Stütze abgeben. Daß die Konkreszenz zwischen Kieme und Fuß außerdem die Anlage der innern Lamelle der innern Kieme schützt, ist bereits erwähnt worden. Das erwähnte Lumen tritt Piz E. WassErLoos, Fig. Q. Stadium aus dem Ende der Embryonalzeit. Innere und äußere Kieme sind in ihrer Entwicklung weiter fortgeschritten. Uber den Entwicklungsgrad der innern Lamelle der innern Kieme geben die schematischen Longitudinalschnitte in Textfig. S, bis. S; (S. 220, 221) Aufschluß, welch letztere durch die Linien ZZ, 111, IV, V, VI markiert sind. Die Zäpfehen, in welchen die Filamente der bis dahin aus einer Lamelle bestehenden äußern Kieme in der an den Insertionsbezirk der innern Kieme be- festigten Partie endigen, beginnen nach ventral zu wachsen. Linie J markiert die Lage der Schnittfig. R des Textes. 40:1. zuerst in den vordern Kiemenfäden in die Erscheinung. An den beiden vordersten Filamenten f, u. fs der angewandten Nomenklatur scheint die Brücke nicht frei zu sein; ihr Epithel liegt hier so dicht demjenigen des Fußes an, daß beide aller Wahrscheinlichkeit nach miteinander fusioniert sind. An dem allervordersten Filament f, hängt die Brücke mit dem Körper zusammen, und ihr Lumen kommuniziert hier mit der Körperhöhle. Die nach oben wachsende, sekun- däre Falte, welche die Anlage der innern Lamelle darstellt, findet an dieser Stelle einen zweiten Aufhängepunkt. Am 1. und 2. Filament scheint nur eine beschränkte Ausdehnung der Filamentbrücke, wie ich weiterhin der Kürze halber die margi- nale Brücke benennen möchte, nach oben hin einzutreten, jedenfalls Die Entwicklung der Kiemen bei Cyelas cornea. 913 hält sie hier mit dem Wachstum in den mittlern Zonen der Kieme nicht gleichen Schritt, sodaß die dorsale Begrenzungslinie der se- kundären Falte nach vorn zu sich etwas senkt. Diese Grenzlinie ist in den beigegebenen Totalbildern (Fig. L, M, Q, V [S. 209, 210, 212, à SI gu F RIT a oF “ . Nas "Rolle mern ee 2 Boe a, ER + he SR Se =. [Sasi Pig Nun Lad e > se un. BIN jr «8: A ET = = x a) N IR, . RES. : #7 ANS \ se TER: REN . foarte Sten N. N Sur» Sea Fig. R. Transversaler Schnitt durch das Stadium der Fig. Q. Der ventrale reflektierte umrahmte Teil der innern Kieme ist in Fig. 15 (Taf. 6) stärker vergrößert ab- gebildet. 70:1. 214 E. WAssERLOOS, 231]) deutlich zu erkennen. Da im übrigen die Reflexion der innern Kiemenfalte in der Richtung von vorn nach hinten vor sich geht, so nimmt in den hintern Partien des Körpers die Höhe des reflektierten Teiles wieder ab. Aus diesem Grunde stellt die dorsale Begrenzungs- linie der sekundären Falte in ihrer Gesamtheit sich als eine ge- bogene, nach oben konvexe Linie dar. Man vergleiche die bereits erwähnten Textfiguren. Die sekundären Falten der innern Kiemen bleiben hinter dem Fuße nicht durch einen Spalt voneinander getrennt. Auf einem Stadium, wie es Fig. M zeigt, ist der Spalt, welcher die Kiemen der beiden Seiten voneinander trennt, zwar noch vorhanden, späterhin zeigt sich jedoch, daß in diesem Spalte am innersten und untersten Teile, wie bereits betont, eine Verbindung der beiderseitigen Kiemen durch zelliges Gewebe in der Richtung von ventral nach dorsal zu- stande kommt. Diese Verbindung macht nun dieselben Umwand- lungen durch wie die Filamentbrücke. So kommt es, daß die so- genannte „innere Lamelle“ der innern Kieme, welche an den vordern Filamenten f, an den Körper befestigt ist, rings um den Fuß um- schließt. Sie gibt der gesamten Kieme eine größere Festigkeit. Die Cilienbürsten sind nicht mehr notwendig; die bis dahin inein- ander verschlungenen Flimmern weichen auseinander, und auf spätern Stadien ist die Konkreszenz zwischen Kieme und Fuß nicht mehr aufzufinden. Hinter dem Fuße hat die sekundäre Falte der innern Kieme nicht die steile Richtung wie an den Seitenteilen, sondern ist etwas mehr geneigt. Ihr Lumen erscheint daher auf transversalen Schnitten hier am größten zu sein und ist hier am leichtesten konstatierbar. Der obere Rand der Falte hängt hier häufig etwas nach unten über, so daß auf Längsschnitten, welche parallel zum marginalen Rande der Kieme geführt sind, die Falte nur oberflächlich angeschnitten wird. Auf postembryonalen Stadien scheint dieses Überhängen der innern Kiemenlamelle in schwächerm Maße auch den Seitenteilen zuzukommen. Die Figg. 14 u. 15 (Taf. 6) zeigen kein einheitliches Lumen inner- halb der sekundären Falte, sondern am Grunde derselben, d. h. im marginalen Teile der innern Kieme, liegen zahlreiche Zellen (me). Das Lumen, welches im obern Teile der Falte liegt, wird, wie aus der Fig. N (S. 211) und der Fig. 15 (Taf. 6) hervorgeht, allmählich weiter nach dorsal verlagert. Es stellt in seiner Gesamtheit einen longitu- dinalen Hohlraum dar und wird zu einem zuführenden Blutgefäß; gegen Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 215 Ende der Embryonalzeit sind in ihm zahlreiche Blutzellen zu finden. Weitere histologische Einzelheiten werden erst klar werden, wenn über die Differenzierung der sekundären Falte Genaueres mitgeteilt worden ist. An Totalpräparaten ist die sekundäre Falte als Umschlag der äußern Kiemenlamelle deutlich wahrnehmbar. Ihr Lumen ist je- doch so gering, dab sie, auch wenn die Kieme aus dem Tier heraus- präpariert wird, als eine Lamelle — Membran erscheint. Vorderhand sei hier auf die Figg. U u. V auf S. 229 hingewiesen, welche Kiemen- teile (Fig. T linke, Fig. U rechte Kieme) von innen gesehen dar- stellen. Meine Befunde decken sich daher vollständig mit denjenigen von LACAZE-DUTHIERS. Dieser Forscher sah nur eine Lamelle, un repli membraneux; er konnte das im Innern der Falte liegende Lumen mit den damaligen Hilfsmitteln der mikroskopischen Technik, welche noch der Schnittmethode entbehrte, nicht feststellen. Rice (43) hat seine Befunde bestätigt, aber ebenfalls ein Lumen nicht gesehen; auch er hat, wie es scheint, im wesentlichen mit Totalpräparaten sich begnügt. Bourne beschrieb für Jousseaumiella ebenfalls als An- lage der innern Kiemenlamelle eine Membran. Nun ist aber nicht direkt einzusehen, wie aus einer Filament- reihe und einer nach oben wachsenden Membran, welche so durch- fenstert wird, daß die Durchbrechungen den Spalten zwischen den Filamenten entsprechen, 2 Filamentreihen entstehen sollen. Handelt es sich tatsächlich um eine Lamelle, so müßte sich doch der Prozeb haben feststellen lassen, durch welchen dieselbe zu einer Filament- reihe werden kann. Jedenfalls ist eine ganze Reihe von derartigen Prozessen denkbar. Z. B. ist es möglich, daß die Membran Invagi- nationen erleidet, d. h. sich in Falten legt, am Grunde der Invagi- nationen kleinere laterale Invaginationen sich bilden, welche mit den benachbarten verwachsen, und das Ganze in eine Reihe hinter- einander gelegener Röhrchen zerfällt. Von einem derartigen Prozeb berichtet LACAZE-DUTHIERS nichts; er hat nur eine Durchfensterung der Membran beobachtet. Es ist leicht zu erkennen, daß die sekun- däre Falte, wie sie oben beschrieben wurde, nur analog der primären durchfenstert zu werden braucht, um eine Filamentreihe zu bilden. Es ist zweifellos berechtigt, Lacaze-Durmiers sekundäre Lamelle = Membran als eine Falte aufzufassen. Übrigens ist auch für Mytilus die innere Lamelle der innern Kieme vor dem Erscheinen der äubern Kieme konstatiert worden. 216 E. WAssERLoos, é) Die Differenzierung der innern „Lamelle“ zu. Fila- menten. In ihren Einzelheiten sind die Differenzierungsprozesse, welche der reflektierte Teil der innern Kieme erleidet, nicht .so leicht fest- zustellen, wie es bei einer oberflächlichen Betrachtung der Total- präparate der Kieme erscheinen möchte. Diese Prozesse laufen aller- dings auf eine Durchfensterung der sekundären Falte hinaus, jedoch gehen die Filamente, welche dabei entstehen, mit der frühern äußern Filamentreihe Verbindungen ein, welche aus den Totalpräparaten nicht zu entnehmen sind. Es ist daher eine eingehende Darstellung notwendig. Die in Frage stehenden Differenzierungen sind nur an Schnittserien zu studieren, welche dem marginalen Rande der Kieme parallel laufen. ING ARRAS m, NEUES > KT = ba Ü in Fig. 0,—O,. Schematische, longitudinal, dem marginalen Rande parallel ver- laufende Schnitte durch die innere Kieme des Stadiums der Fig. M (Linie JJ, IIT, Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. DM. _ Auf dem Stadium der Fig. L (S. 209) ist die Brücke, welche die Filamentköpfchen verbindet, abgesehen davon, daß sie einen Hohlraum aufweist und letzterer nach oben etwas erweitert ist, noch völlig intakt. Nur auf Longitudinalschnitten, welche in der Höhe der Linie x in der Fig. 13 (Taf. 6) liegen, findet sich nach innen von den Filamenten der noch schwach erkennbare reflektierte Faltenteil. Ist indessen das in Fig.M (S. 210) abgebildete Stadium erreicht, so be- ginnen auf der Innenseite der sekundären Falte in gewissen Abständen von vorn nach hinten kontinuierlich fortschreitend vertikal gerichtete Invaginationen aufzutreten. Die Abstände entsprechen der Breite der Filamente der äußern Lamelle, d. h. die Invaginationen liegen den Interfilamentarspalten gegenüber und sind letztern ungefähr parallel. Die Textfigg. O, —O, stellen horizontale Schnitte durch ein NEE Wi St, DS A 3 | aA mr x \ Se ee IV, V in letzterer Figur). Die innere Lamelle ist schraffiert, die äußere durch eine schwarze Fläche dargestellt. 60:1. 218 E. WAssERLOOS, entsprechendes Stadium in schematischer Vereinfachung dar. Die Lage dieser Schnitte ist in Fig. M (S. 210) durch die Linien ZZ, III, IV, V eingezeichnet. JZ entspricht dem Schnitte der Fig. O,, III der Fig; '0,, 7V der Vis. 0,2 ider Min nO,. Die Invaginationen an dem reflektierten Teile der Kieme be- sinnen nicht an dem am weitesten ventral gelegenen Rande der Kiemenfalte, sondern etwas oberhalb derselben. Die Invaginationen setzen sich daher nicht von der Außenseite der Falte auf deren Innenseite fort. Die Einkerbungen bilden sich von dem ventralen Bezirk aus und steigen dorsalwärts auf. Aus den Figg. O,—O, geht hervor, daß die Invaginationen auf dem Stadium der Fig. M noch nicht zu Durchbrechungen geführt und die dorsale Region des reflek- tierten Teiles der innern Kieme noch nicht erreicht haben. Fig. O, zeigt diese letztere Region angeschnitten, und in ihrem Lumen sind Blutzellen wahrzunehmen. Figg. O, u. O, zeigen außerdem, wie dieses Lumen mit dem Körperinnern an dem Filament /, kommuni- ziert. Auf genauere Einzelheiten komme ich weiter unten bei der Besprechung der Entwicklung des Circulationssystems zurück. Um innere und äußere Lamelle der Kieme zu unterscheiden, ist in den erwähnten schematischen Figuren die erstere Lamelle durch eine schraffierte, letztere durch eine schwarze Fläche dargestellt. Streng genommen kann der ventralste Teil der Kieme nicht als reflektiert oder sekundär aufgefaßt werden; er ist nichts weiter als die er- weiterte Filamentbriicke. Da aber die zum Fuße hin liegende Epithelwand der letztern später der innern Lamelle angehört, so ist auch dieser Teil der Anschaulichkeit wegen schraffiert gezeichnet. In den Figg. O,—O, ist einem Prozesse nicht Rechnung getragen, der eigentlich schon auf dem entsprechenden Stadium begonnen hat, aber erst auf der Entwicklungsstufe der Fig. @ (S. 212) deutlicher her- vortritt. Er ist in Fig. 0,—O, weggelassen, um die Übersichtlichkeit nicht zu beeinträchtigen. Die nach innen, zum Fuße hin gelegenen etwas zugespitzten Ränder der Kiemenfilamente der äußern Reihe verschmelzen nämlich mit dem nach außen gelegenen, ihnen zuge- kehrten Epithel des reflektierten Faltenteils, d. h. das Lumen der Filamente tritt durch Fusion in Verbindung mit dem Lumen der sekundären Falte. Dieser Verwachsungsprozeß, den wir im Sinne der vergleichenden Anatomie der Acephalenkieme als Konkreszenz bezeichnen dürfen, findet naturgemäß in der Richtung von unten nach oben statt. Der ventrale Teil der Kieme, welcher beiden Kiemenlamellen gemeinsam ist, wird in Segmente zerlegt, indem die Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 219 Invaginationen auf Innen- und Außenseite immer mehr entgegen- wachsen und schließlich eine Durchbrechung erfolgt. Die Invagi- nationen auf der Innenseite des reflektierten Faltenteiles sind mittler- weile weiter nach oben fortgeschritten und haben die Höhe erreicht, wo die Filamente der äußern Reihe mit letzterm verschmolzen sind. Auch diese Zone wird nun in Segmente zerlegt, indem am Grunde der Filamente, d. h. an der Stelle, wo sie ins äußere Epithel des umgeschlagenen Teiles übergehen, die sie trennenden Interfilamentar- spalten weiter nach innen zum Fuße hin sich ausdehnen und schließ- lich auf die Invaginationen auf der Innenseite des reflektierten Teiles stoben. Das Gesagte wird anschaulich werden aus den Figg. S,—S, (folgende Seite), welche schematische Längsschnitte durch das in Fig. Q (S. 212) dargestellte Stadium zeigen. Die Lage dieser Schnitte ist markiert durch die Linien ZZ, III, IV, V, VI in letzterer Figur. Der Schnitt der Fig S, liegt in der Höhe der sogenannten marginalen Rinne, welche dadurch zustande kommt, dab die ventralen Enden der Fila- mente der äußern Reihe nach unten zu etwas vorwachsen. (Ich ver- weise auf Schnittfig. R des Textes S. 213). Schnittfig. S, zeigt die In- vaginationen, Schnittfig. S, die Durchbrechungen, welch letztere oberhalb des ventralen Teiles eintreten. Am ventralen Rande bleiben die Filamente beider Reihen stets untereinander verschmolzen. In Schnittfig. S, zeigen sich die äußern Filamente mit der reflektierten Falte verschmolzen, und es wird deutlich, wie die Interfilamentar- spalten sich vergrößern. Schnittfig. S, liegt etwas höher und zeigt die Fusionszone zwischen äußerer Filamentreihe und dem hier noch nicht differenzierten, reflektierten Faltenteil. Die innere Lamelle ist wiederum schraffiert, die äußere durch eine schwarze Fläche dargestellt. Der gesamte Prozeß der Verschmelzung der äußern Filamente mit der umgeschlagenen Falte und der Zerlegung des fusionierten Teiles in Segmente ist in einer und derselben Serie longitudinaler Schnitte zu verfolgen, wenn man die Schnitte von dorsal nach ventral gehend studiert. Die Figg. 16a—c (Taf. 6) stellen Teile einer solchen Schnittreihe dar (Stadium der Fig. Q) Sie sind nach dem Gesagten ohne weiteres verständlich. Der Schnitt der Fig. 16c liegt am weitesten dorsal, es folgt dann nach unten zu Schnitt 16b und endlich der Schnitt in Fig. 16a. Die besprochenen Differenzierungsprozesse kommen während der Embryonalzeit zum Abschluß. Die reflektierte Falte stellt, sobald sie ungefähr ein Drittel der Höhe der äußern Filamente erreicht hat, ihr dorsales Wachstum ein. (Wenn auf postembryonalen Stadien das Verhältnis Zool. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. 15 220 E. WASSERLOOS, Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 291 Ss Fig. 8,—S;. Schematische, dem marginalen Rande der Kieme parallel laufende Longitudinalschnitte durch die innere Kieme des Stadiums der Figur Q (Linie 71 bis V1). Die innere Lamelle ist schraffiert gezeichnet, die äußere durch eine schwarze Fläche dargestellt. Einzelheiten siehe Text. 53:1. zwischen reflektiertem und ursprünglichem Faltenteil ein größeres zu sein scheint, so rührt dies daher, daß beide am ventralen Teile gemeinsam miteinander nach ventral wachsen.) Die Invaginationen auf der Innenseite des reflektierten Faltenteiles hören auf und bilden kleine Kuppen, die ins Innere des zuführenden Gefäbes hineinragen, welches wir am dorsalen Ende der innern Kiemenlamelle finden. Die Fig. 17 (Taf. 6) gibt einen Teil eines in dieser Höhe geführten Longitudinalschnittes durch die innere Kieme aus dem Ende der Embryonalzeit wieder. 15* 222 E. WASSERLOOS, Es bleibt noch zu erwähnen, daß an dem reflektierten Teile der innern Kieme, dessen Entwicklung nunmehr klargestellt ist, Seiten- zellen und Stützgerüst frühzeitig zur Ausbildung kommen. Sowohl Seitenzellen wie Chitinstäbchen bilden sich von einer mittlern Zone aus nach dorsal und ventral, für die gesamte Kieme in der Rich- tung von vorn nach hinten. Derartige Prozesse, wie sie für die Entwicklung der innern Lamelle der innern Kieme beschrieben wurden, waren bisher nicht bekannt. Vielleicht hat Bourne für Jousseaumiella etwas Richtiges im Sinne gehabt, wenn er bemerkt, daß „as the reflected lamella grows upwards, the fenestrae of the direct lamella extend into it“ (2, p. 252). Die Verschmelzung der Kiemenfilamente am untern Rande hat Jackson (29, p. 304) als eine erste Interfilamentarver- bindung angesprochen. Aus den weitern Ausführungen wird er- sichtlich werden, dab die sogenannten interfilamentaren Verbin- dungen in ganz anderer Weise entstehen. Eine Abweichung stellen die beschriebenen Prozesse im Ver- gleich zu denjenigen, durch welche die ursprüngliche Falte in Fila- mente zerlegt wird, nicht dar; nur wird die reflektierte Falte erst durchfenstert, nachdem sie mit der äußern Filamentreihe ver- schmolzen ist. 2. Außere Kieme. a) Anlage und deren Differenzierungen. Der Untersuchung der Entwicklung der äußern Kieme bieten sich zahlreiche Schwierigkeiten. Ihre Anlage ist zwischen mehrere Organe eingezwängt. Innere und äußere Kieme sind, was die Fila- mente und den ventralen Rand betrifft, nicht einander parallel: gerichtet. Die äubere Kieme steigt mehr nach vorn dorsal an als die innere, und ihre Filamente weisen eine schrägere Lage auf. Es sind daher für die äußere Kieme besondere Schnittserien anzu- fertigen. Die äußere Kieme entsteht etwa auf einem Stadium, welches 0,65 mm lang und 0,40 mm hoch ist und ungefähr dem in Fig. L auf S. 209 abgebildeten Tiere entspricht. An der innern Kieme sind zu diesem Zeitpunkt bereits 13—14 Filamente entwickelt. Auch die Anlagederäußern Kiemestelltin Übereinstimmungmit derjenigen der innern ursprünglich eine Epithelver- dickung dar, welche alsbald zu einer Falte auswächst. Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 293 Um die Lagebeziehung dieser Falte klarzustellen, müssen vorder- hand einige Bemerkungen über den Mantelraum eingeschaltet werden. Im Mantelraume aufgehängt erscheint die innere Kieme, welche, wie bereits früher angegeben wurde, vorn zwei Grenzlinien bildet, die in den beigegebenen Totalbildern von unten links nach oben rechts ansteigen: eine nach vorn gelegene äußere Grenzrinne mit dem Mantel, eine etwas weiter nach hinten gelegene innere Grenze mit dem Fuße. Außerdem bildet die innere Kieme zwei longitudinal verlaufende, dorsal gelegene Rinnen, welche von vern dorsal nach hinten ventral verlaufen: wiederum eine nach außen gelegene mit dem Mantel, eine nach innen gelegene mit dem Fuße. Die beiden letztern Grenzrinnen sind ungefähr einander parallel. ‚Jedoch ist die Grenzlinie zwischen Kieme und Mantel etwas höher gelegen als diejenige zwischen Kieme und Fuß. Auch stellt die erstere keine gerade Linie dar, sondern verläuft in einem schwach gewölbten, nach unten offenen Bogen, so daß sie in dem etwas vor dem Visceral- ganglion gelegenen Bezirke am weitesten dorsalwärts aufsteigt. Es bildet sich nunmehr an der Außenseite der innern Kieme, etwas vor dem Visceralganglion in einer Höhe, welche ungefähr der Grenzrinne zwischen Kieme und Visceralmasse entspricht, eine Epithelverdickung, die bereits erwähnte ursprüng- lichste Anlage der äußern Kieme. Diese Verdickung des Epithels schreitet allmählich von dem erwähnten Bezirke aus gleich- zeitig nach vorn und hinten fort. Sie bildet sich, wenn die vertikal verlaufenden Invaginationen auf der Außenseite der innern Kiemen- falte noch nicht die obere Insertionslinie derselben erreicht haben. In der mittlern und der hintern Region erreichen diese Invaginationen überhaupt nicht den obern Rand, sondern machen an der Anlage der äußern Kieme halt. Vorn gehen sie dagegen bis an die Grenz- linie zwischen Kieme und Mantel hinauf (s. Fig. Q S. 212). Wir dürfen den oberhalb der Grenzlinie zwischen Kieme und Fuß gelegenen Teil der ursprünglichen Kiemenfalte in der hintern Körperregion kaum noch als einen Teil der Kieme auffassen, da Teile des Vis- ceralganglions in diesen Bezirk des Faltenlumens verlagert sind. Die erwähnten Verhältnisse lassen sich am besten durch die ab- gerundete und verkürzte Gestalt von Cyclas cornea erklären. Diese „abgerundete und verkürzte Gestalt der Cyclas cornea“ selbst läbt sich einerseits auf eine Erweiterung des zwischen der Kieme und der Mantelfalte gelegenen Raumes in dorsaler Richtung in der Gegend des Visceralganglions, andrerseits auf eine verstärkte Aus- 294 E. WAsSERLOOS, dehnung des gesamten Mantelraumes in lateraler Richtung zurück- führen. Der Mantelraum erscheint daher stark ausgehöhlt. Es ist wohl berechtigt, die Stelle, an welcher die Anlage der äußern Kieme erscheint, als die äußere Insertionslinie der innern Kieme und gleich- zeitig als Insertionsrand der äußern Kieme anzusehen. Bei der srößern Zahl der Acephalen ist diese Insertionslinie mit der Grenz- linie zwischen Kieme und Mantel identisch. Daß die abgerundete Körperform von Cyclas eine sekundäre, abgeleitete ist, darauf deutet der Umstand, daß die jüngsten Stadien in Übereinstimmung mit den übrigen Acephalen eine ellipsoidische Schale, JACKSONS „prodisso- conch“, aufweisen. Man vergleiche in dieser Hinsicht die jüngern Stadien der Figg. K, L, M (S. 208—210) mit dem postembryonalen Tiere der Fig. V (S. 231). Unter lebhaften Zellteilungen wächst die ursprünglichste Anlage der äußern Kieme nach dorsal und wird alsbald zu einer Falte. Ehe noch ein eigentliches Lumen in ihr wahrzunehmen ist, geht die Epithelverdickung bereits Differenzierungen ein, welche eine Zer- legung in Filamente zur Folge haben und auf die ich weiter unten zu sprechen komme. Vorläufig sei auf die Textfig. L (S. 209) verwiesen. An ihren ältesten Teilen wird die äußere Kieme zuerst zur Falte. Sie ist an diesen Teilen am weitesten in ihrem dorsalen Wachstum fortgeschritten. Daher kommt es, daß ihre dorsale Begrenzung eine nach unten offene bogenförmige Linie darstellt, welche auf den bei- gefiigten Totalbildern (Fig. L, M, Q, V s. 0.) deutlich sichtbar und mit dgl.äk bezeichnet ist. Die nach oben wachsende Falte legt sich in den ältesten Teilen der Körperwand an. Dieser Prozeß findet ent- sprechend der ganzen Entstehung von der mittlern, in der Gegend des Visceralganglions liegenden ältesten Zone aus nach vorn und hinten statt. Serien transversaler Schnitte durch die Anlage der äubern Kieme zeigen daher von vorn nach hinten gehend, zunehmend Jüngste Stadien bis zu den ältesten, dann wieder abnehmend jüngere. An den hintersten Teilen der innern Kieme tritt die Epithelver- dickung und Faltenbildung genau in derselben Weise ein wie an den vordern. Irgendwelche Abkürzungsprozesse, wie Rice (73) sie für Mytilus beschrieb, kommen bei der äußern Kieme ebensowenig wie bei der Bildung der innern vor. Die vorstehenden Angaben werden erläutert durch die Totalbilder in den Figg. L,M,@ (S. 209, 210, 212) und durch die Schnittfigg. 18a, 18b u. 19 (Taf. 6) und Fig. 19a (Taf. 7). Bei den Totalfiguren muß von den Differenzierungen, welche an der Falte mittlerweile eingetreten sind, abgesehen werden. Die in Rede Die Eutwicklung der Kiemen.bei Cyelas cornea. 295 stehenden Bilder zeigen dann, daß die Anlage der äußern Kieme vom Insertionsbezirke der innern Kieme aus nach dorsal — siehe die Verschiebung der dorsalen Grenzlinie dgl. dk — und gleichzeitig von einer mittlern Zone nach vorn und hinten stattfindet. Schnittfig. 18a u. 18b (Taf. 6) entstammen einer transversalen Serie durch ein Stadium, das etwas jünger ist als das in Fig. L (S. 209) darge- stellte. Der Schnitt in Fig. 18a ist am weitesten nach vorn ge- legen, er zeigt die Anlage der äußern Kieme in Gestalt einer nach oben ragenden Epithelverdickung (ik) und die Endigungen der Invagi- nationen auf der Außenseite der innern Kieme (isspk. äl. ik); die Nierenmündung (ng) ist angeschnitten; derselbe Schnitt illustriert auch die Lagebeziehung der Anlage der äußern Kieme (dk) zu der Mantelrinne bei mvr. Der Schnitt in Fig. 18b liegt weiter nach hinten. Die Anlage der äußern Kieme (ä%) hat sich der Körperwand angelegt, wodurch ein Teil des Mantelraumes von dem ursprüng- lichen abgetrennt und zwischen Visceralmasse und äußere Kieme zu liegen kommt. Es ist das Visceralganglion (vg) angeschnitten; bei nr befindet sich ein Nervenstrang, welcher, soweit ich feststellen konnte, vom Visceralganglion ausgeht und nach hinten in die Kieme sich er- streckt. Die Schnittfigg. 19 (Taf. 6) u. 19a (Taf. 7) entstammen einer transversalen Serie durch ein Stadium der Fig. M (S. 210) in der auch ihre Lagen durch die Linien VZ, VII markiert sind. In Schnittfig. 19 zeigt sich die äußere Kieme noch in Anlage als eine dorsalwärts ge- richtete Epithelverdickung (äk) am obern Ende der innern Kieme (24). Es sind außerdem die Niere (x) und die Geschlechtsorgane (gz) ange- schnitten. Der Schnitt in Fig. 19a liegt weiter nach hinten in der Gegend der Nierenmündung, welch letztere bei ng angeschnitten ist. Der betreffende Schnitt zeigt deutlicher noch wie Fig. 18b (Taf. 6), daß die nach dorsal wachsende Falte (a) sich dem Epithel der Visceralmasse anlegt und dadurch zwischen der letztern und der äußern Kieme ein hypobranchialer Raum (hpbr) vom allgemeinen Mantelraum abgetrennt wird. Die Bildung der äußern Kieme aus einer Falte ist bisher in der Literatur bei keiner Form beschrieben worden. Es wurde bereits betont, daß Differenzierungsprozesse an der Anlage der äußern Kieme schon sehr frühzeitig auftreten. An dem in den dorsalen Teil des Mantelraumes hineinragenden Zellenwulst treten in gewissen Abständen Invaginationen auf der Außenseite ein, welche am ventralen Rande beginnen und allmählich nach dorsal 226 E. WAssERLOOS, aufsteigen. Auf diesem Stadium (Totalfig. L S. 209) sind weitere Einzel- heiten nicht wahrnehmbar. Fig. 20 (Taf. 7) stellt einen Teil eines Schnittes dar, wie ihn die Schnittlinie Z in Fig. L ergeben würde. Auf diesem Schnitte sind 4 Einkerbungen #ssp. dl. ai: sichtbar. Das Zäpfchen dk stellt den allervordersten Teil der äußern Kieme dar. Außerdem zeigt der Schnitt das typische, etwas schwer zu verstehende Bild der Schnitte durch die äußere Kieme in dieser Höhe, auf denen auch Teile der innern Kieme (?%) angeschnitten sind. Letzteres ging schon aus dem Verlauf der zugehörigen Schnittlinie in Fig. L her- vor. Auf den Schnitten, welche höher liegen als der in Fig. 20 abgebildete, verlieren sich die Einkerbungen allmählich in einem Zellenwulst, welcher in seinen dorsalen Teilen dem Epithel der Visceralmasse dicht anliegt. Die erwähnten Invaginationen treten zuerst an den ältesten Teilen auf und bilden sich von der ältesten Zone aus nach vorn und hinten. Auf den folgenden Stadien der Entwicklung, welche etwa der Fig. M (S. 210) entsprechen, treten In- vaginationen auch auf der der Visceralmasse zugekehrten Seite der Falte ein. Diese Invaginationen entsprechen denjenigen auf der Außenseite und laufen ihnen parallel. Sie bilden sich etwas oberhalb der dor- salen Insertionslinie der äußern Kiemenfalte In Schnittfig. 19a (Taf. 7) ist die Lage dieser letztern Insertionslinie mit d. 2sl. ak be- zeichnet und ohne weiteres verständlich. Etwas später kommt es zu Durchbrechungen, indem den seichtern Invaginationen auf der Innenseite diejenigen der Außenseite immer mehr entgegenwachsen. Die Durchbrechungen treten in dem mittlern, ältesten Teile der äußern Kieme zuerst ein. Die nebenstehenden schematischen Figg. P, —P,, welche Longitudinalschnitte durch die äußere Kieme eines Stadiums der Fig. M (S. 210) darstellen, geben über die beschriebenen Prozesse Aufklärung. Durch den in Rede stehenden Prozeß zerfällt die ursprüngliche nach dorsal gerichtete Falte bereits in Filamente, während sie selbst noch dorsalwärts wächst. Gegen Ende der Embryonalzeit hat sich ihr dorsaler Teil bis nahezu in die Rinne zwischen Mantel und Kieme vorgeschoben. Dieser dorsale Teil wird nicht durchbrochen, sondern bleibt stets kontinuierlich. Er verschmilzt später vorn und in der Mitte mit der Visceralmasse. hinten mit letzterer und dem Intersiphonalseptum. Die Invagi- nationen auf der Außenseite der Falte endigen in Kuppen, welche in diesen dorsalen kontinuierlichen Bezirk hineinragen. Was die histologische Differenzierung der durch Zerlegung der Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 997 Re Py Fig. P,—P,. Schematische longitudinale Schnitte durch die äußere Kieme auf dem Stadium der Fig. M (S. 210); die äußere Kieme ist durch eine schwarze Fläche dargestellt, Teile der innern sind (in Fig. P, u. P,) schraffiert gezeichnet. 60:1. 328 E. WAassERLoos, Falte entstandenen Filamente anbelangt, so stimmt sie im Prinzip mit derjenigen, welche an der Anlage der innern Kieme auftritt, überein. Die Seitenzellen treten zuerst in der Mitte der entstandenen Interfilamentarspalten auf und zwar nur auf der Außenseite. Ihre Entwicklung schreitet dann weiter nach ventral und dorsal fort. Für die ganze äußere Kieme findet dieser Prozeß von der mittlern, ältesten Zone aus nach vorn und hinten statt. Analoges gilt für die Ausbildung des Stützgerüstes. Rice (73) hat gegenüber Lacaze-DuruHters betont, daß bei Mytilus die ältesten, am weitesten entwickelten Filamente etwas hinter dem Mittelpunkte der äußern Kieme liegen. Diese Angabe würde auch für Cyclas cornea zutreffen, bei welcher die ältesten Filamente etwas hinter der Mitte des Visceralganglions gelegen sind. Bei 4 Filamenten ist das 3. das größte. 22 12 2 ” ” de 22 ” 18 ” ” ” 10. ” Daß aber später auf postembryonalen Stadien eine Verschiebung eintritt, ist mit Sicherheit festzustellen, denn wie aus einem Ver- gleich der Figg. Q, V (S. 212, 231) hervorgeht, ist der vordere End- punkt der äußern Kieme in bezug auf den gesamten Körper des Tieres nicht mehr verschoben worden, während weiter nach hinten noch neue Filamente sich anlagern. Die beschriebenen Entwick- lungsvorgänge sind im Prinzip genau dieselben wie bei der innern Kieme, jedoch mit dem Unterschiede, daß die Falte, welche die An- lage darstellt, nach dorsal gerichtet ist und die Invaginationen von den Insertionsrändern aus beginnen. 6) Bildung der sogenanntenzweiten Lamelle der äubern Kieme. Würden wir die äußere Kieme auf dem zuletzt behandelten Stadium der Fig. M (S. 210) verlassen, so würde sie als aus nur einer nach dorsal gerichteten Lamelle bestehend sich darstellen. Bei der Be- sprechung der erwachsenen Kieme wurde aber betont, daß im ven- tralen Teile dieses Organs 2 sogenannte Lamellen deutlich sich unterscheiden lassen, von denen allerdings die innere sehr kurz ist. Es bleibt mithin festzustellen, wie dieser Aufbau aus 2 Lamellen in diesem Teile zustande kommt. Die Vorgänge, welche dabei eine Rolle spielen, sind im Grunde genommen einfacher Natur und nicht mit denjenigen zu vergleichen, welche bei der Bildung der innern Lamelle der innern Kieme auftreten. Die Invaginationen auf der Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 290 Außenseite der äußern Kiemenfalte nehmen nicht ganz von der ven- tralen Insertionslinie derselben [in Fig. 19a (Taf. 7) mit v. dsl. dk be- zeichnet] ihren Ursprung, sondern etwas oberhalb dieser Linie. Sie isspk. dil. dk dik isspk. il. ük isspk. äl. ik Fig. T. "Rechter Kiemenapparat des Stadiums der Fig. Q, stärker vergrößert dargestellt, zeigt den Zusammenhang zwischen innerer und äußerer Kieme. 60:1. isspk. il. äk isspk. äl. ik Fig. U. ‘Hinterer Teil des linken Kiemenapparats eines etwas Altern Stadiums. Die äußere Kieme ist bereits über die innere etwas heruntergewachsen. 60: 1. 230 E. WASSERLOos, schreiten dann gleichzeitig auf der Außenseite nicht nur nach dorsal, sondern auf der ventralen Seite auch zur ventralen Insertionslinie (v. asl. dk in Fig. 19a Taf. 7) fort. Die letztere überschreiten sie noch. und es kommt zu der bereits mehrfach erwähnten Kuppenbildung. Die entsprechenden Kuppen ragen in den obern Teil der ursprüng- lichen Kiemenfalte hinein, welcher äußerer und innerer Kieme ge- meinsam ist. Sie sind in der Fig. 21 (Taf. 7) angeschnitten und auch in den Textfigg. T u. U (S. 229) sichtbar und sind durchgehend mit zsspk. el. dk bezeichnet. Durch den beschriebenen Prozeß sondern sich aus dem ventralen Teile der äußern Kiemenanlage ventrale Zäpfchen heraus, welche nichts weiter als die Köpfchen der Fila- mente darstellen. Gegen Ende der Embryonalzeit beginnt der mittlere Teil der Filamente sich etwas nach lateral vorzuwölben. Die Fige. T u. U (S. 229), welche herauspräparierte Kiemen von innen gesehen darstellen, veranschaulichen zwei Stadien dieses Prozesses. Man be- achte die mit dk bezeichneten Teile. Gleichzeitig beginnen die besprochenen Filamentköpfchen stark ventralwärts zu wachsen, so daß sie die äußere dorsale Insertionslinie der innern Kieme etwas überdecken. Letzteres geht bereits aus Fig. U hervor, wenn auch dieses Überdecken erst auf postembryonalen Stadien deutlicher in die Augen fällt. Es sei in dieser Beziehung auf das postembryonale Stadium in Fig. V verwiesen. Es ergeben sich auf diese Weise auf transversalen Schnitten Bilder, wie es Fig. 21 (Taf. 7) für ein Stadium kurz vor dem Ausschlüpfen aus den Brutkapseln zeigt. Der in Rede stehende Schnitt geht durch den hintern Teil der äußern Kieme. Er zeigt, daß die Falte, welche die ursprüngliche Anlage der äußern Kieme darstellt, sich nach dorsal bis in die Rinne mvr zwischen Visceralmasse und Mantelfalte (mf) vorgeschoben hat. Die Invaginationen auf der Außenseite dieser Falte endigen in den Kuppen zssph. dl. dk. Indem die Invaginationen, wie bereits oben betont wurde, auch zur ventralen Insertionslinie der äußern Kieme hin fortschreiten, kommen Kuppen (isspk. il. ak) zustande, welche die Intersegmentarspalten ') der innern Lamelle der äußern Kieme begrenzen. Diese letztern Kuppen (isspk. 2. äk) liegen lateral von denjenigen, in welchen die Intersegmentarspalten !) der äußern 1) Die Bezeichnung „Intersegmentarspalten“ ist angewandt, weil auf den in Rede stehenden Stadien die Kieme von Cyclas cornea bereits als eine Lamellenkieme aufgefaßt werden muß. Siehe weiter unten den Ab- schnitt über Entwicklung der Interfilamentar(Intersesmentar)-verbindungen. Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 231 Lamelle der innern Kieme endigen (isspk. al. ik). Die Überschiebung der äußern Kieme über die innere geht nur bis zu einem Grade vor sich, wie ihn Fig. V zeigt. Ein weiteres Wachsen der Filamentköpfchen in ventraler Richtung findet nicht Fig. V. Postembryonales Stadium von Cyclas cornea (von 3,2 mm Länge). 23:1. statt. Die ventrale Partie der äußern Kieme erweist sich schon auf Totalpräparaten als embryonale Zone; sie erscheint dunkler als die obern Partien, da sie im Innern zahlreichere Mesemchymzellen aufweist. Die Köpfchen der Filamente sind, wie bereits betont, ur- sprünglich völlig frei voneinander, später erst werden sie durch Inter- segmentarverbindungen miteinander verknüpft. Die schematischen Figg. W,—W, (S.232,233) veranschaulichen den Bau der äußern Kieme und den Zusammenhang derselben mit der innern Kieme auf einem postembryonalem Stadium, wie er nach Longitudinalschnitten sich darstellt; das geschnittene Stadium entspricht ungefähr dem in Fig. V abgebildeten. Die äußere Kieme ist durch eine schwarze Fläche von der schraffierten innern Kieme unterschieden. Der 239 E. WASSERLOOS, Fig. W,—W.. Schematische Longitudinalschnitte durch die äußere Kieme eines jungen post- embryonalen Stadiums, welche über den Bau der äußern Kieme und ihren Zu- sammenhang mit der innern Aufschluß geben. Die äußere Kieme ist durch eine schwarze, die innere durch eine schraffierte Fläche dargestellt. aust ol & der Kiemen bei Cyclas cornea. Die Entwicklun Val | \ IT 234 E. WASSERLOOS, Schnitt in Fig. W, trifft horizontal den ventralen Rand der äußern Kieme, Fig. W, liegt etwas höher hinauf. Fig. W,, W, zeigen die Zone, in welcher die äußere Kieme mit dem dorsalen Teile der innern zusammenhängt. Fig. W, u. W, finden ihre Erklärung in den weiter oben beschriebenen Entwicklungsvorgängen und decken sich mit den Figg. P, u. P, (S. 227); Fig. W, zeigt die Kuppen (ésspk. dl. ak), in welchen die Intersegmentarspalten der äußern Lamelle der äußern Kieme endigen. An den nach unten wachsenden Teilen der Fila- mente, der äußern Kieme, die beiden Lamellen gemeinsam sind, differenzieren sich auf innerer wie äußerer Seite in der Richtung von dorsal nach ventral Schalt-, Eck- und Höhenzellen heraus, und es kommt in ihnen ein Stützgerüst zur Ausbildung. 3. Verbindung zwischen innerer und äußerer Kieme. Die schematischen Figg. W,—W,, die Fig. U und die Fig. 21 (Taf. 7) geben auch Aufschluß über die Verbindung zwischen innerer und äuberer Kieme, die hier noch einmal kurz hervorgehoben werden soll. Die Insertionszone ist beiden gemeinsam. Die Kuppen (ésspk. dl. ik), in welchen die Intersegmentarspalten der Außenlamelle der innern Kieme endigen, liegen unmittelbar neben denjenigen, welche die Interfilamentarspalten auf der Innenseite der äußern Kieme dorsal begrenzen, und sind durch eine gemeinsame Intersegmentarverbindung (sv) in Fig. 21 (Taf. 7) untereinander verbunden. Eine andere Ver- bindung als die letztere tritt nicht ein. Vor diesen Kuppen liegt nach außen hin ein schmaler Epithelwandstreifen (e) in Fig. 21 (Taf. 7), welcher, wie bereits STENTA (88) angab, Flimmern trägt. Dieses schmale Flimmerband führt weiter nach vorn zu den Velen, indem es vom vordern Endpunkte der äußern Kieme über den Lebersäckchen in dem vor dem Filamente f, gelegenen Bezirke nach ventral führt. Die erwähnte Flimmerlinie ist an den regelmäßig angeordneten Kernen der sie bildenden Zellen auch an Totalpräparaten erkenn- bar, jedoch in den Totalfiguren nicht eingezeichnet, um die Bilder nicht allzuschwer verständlich zu machen. Der dorsale Teil der allerursprünglichsten Kiemenfalte, der beiden Kiemen gemeinsam ist, wird, wie weiter unten näher ausgeführt werden soll, im hintern Teile zu einem zuführenden, in der vordern Region, in welcher er mit den Vorhöfen in Kommunikation tritt, zu einem abführenden Gefäh. Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 235 4. DerInterlamellarraum, dieinterlamellaren Brücken und die interfilamentaren Verbindungen. Es soll nunmehr die Bildung einiger histologischen Elemente der Kieme verfolgt werden, über deren Ursprung in der vergleichen- den-anatomischen wie auch in der entwicklungsgeschichtlichen Lite- ratur keine übereinstimmenden Angaben vorhanden sind. Der Interlamellarraum. Die Entwicklung des Interlamellarraumes ist in den bereits ge- machten Angaben über die Kiemenentwicklung enthalten. Um Wiederholungen zu vermeiden, sollen zunächst die Angaben früherer Autoren über die Entstehung des Interlamellarraumes diskutiert und in diese Besprechung die eigenen Befunde kurz eingeflochten werden. Nach der Auffassung von LACAZE-DUTHIERS (38) soll der Inter- lamellarraum allgemein durch eine Reflexion der Kiemenfilamente zustande kommen. In neuerer Zeit hat VoımzA (92) an dieser Meinung eine Kritik ausgeübt, auf deren einzelne Punkte ich hier eingehen möchte. VoınzA setzt das Lumen, welches Loven (45) im Ursprungsstrange der Kiemen z. B. bei Montacuta vermutete (s. d. Einleitung S. 180), dem Interlamellarraume gleich. Ein solcher Hohlraum findet sich, wie wir weiter unten sehen werden, auch in der Kiemenanlage der Najaden. Hier kann dieser Raum nach seiner Lage und nach dem ganzen Bildungsmodus der Kiemen bei diesen Formen nur zu einem Blutgefäß werden. Es ist daher sehr unwahrscheinlich, daß er bei andern Formen, bei denen er in gleicher Ausbildung vorkommt, zum Interlamellarraume wird. VomeaA (92, p. 40) gibt ferner an, „daß bei den Najaden die Kiemenlamellen niemals nach oben zurückkehren, um den interlamellaren Hohlraum hervorzubringen, wie dies LACAZE- Duriers für Mytilus beschreibt“. Für die äußere Najadenkieme hat VoixEA zwar gezeigt, daß durch eine longitudinale Invagination ein Hohlraum ins Innere der ursprünglichen Epithelverdickung, welche die Anlage der äußern Kieme darstellt, verlagert und dieser Raum zum Interlamellarraume wird (s. d. Einleitung S. 180). Jedoch ist er den Beweis schuldig geblieben, daß auch bei der innern Kieme der Interlamellarraum in ähnlicher Weise zur Ausbildung gelangt. SCHIERHOLZ (78) und Harms (23) beobachteten, daß die Köpfchen der Papillen, welche die Anlage der innern Kieme darstellen, sich nach innen zum Fuße hin umschlagen. Diese letztere Beobachtung würde Zool. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. 16 236 E. WASSERLOOS, sogar gegen die oben (S. 235) zitierte Bemerkung Voixe4’s (92, p. 40) sprechen. Jedenfalls ist der Zweifel, den Vornea (92, p. 16—18) an den Befunden von LaAcAzE-DUTHIERS ausübt, nicht berechtigt. Immerhin ist zuzugeben, dab es nicht als ein Gesetz hinge- stellt werden darf, daß der Interlamellarraum stets das Resultat einer Reflexion der ventralen Enden der Kiemenfilamente ist. VoıseA hat aber mit KoRSCHELT u. HrIDER (35, p. 964— 966) dieses Zurückknicken der Filamente überhaupt für unwahrscheinlich ge- halten. Meine Untersuchungen zeigen, daß in der Tat bei Cyclas cornea eine Reflexion der ursprünglichen Kiemenfalte stattfindet. Lacaze-Duraiers Angabe, dab der Interlamellarraum durch das Zurückknicken einer ursprünglichen Filamentreihe entsteht, würde auch für die von mir hauptsächlich untersuchte Form völlig zutreffen. Bei Cyclas cornea bilden die Lumina der ursprünglichen Kiemenfalten, insbesondere die von dem subfilamentaren Gewebe umschlossenen Lumina der Filamente, einen Teil des Interlamellarraumes, der in seiner Gesamtheit dadurch zu- stande kommt, dab diese Lumina mit dem Lumen des umgeschlagenen Faltenteiles verschmelzen. Nun ist es denkbar, daß diese Ver- schmelzung nicht stattfindet und aufsteigender, sekundärer und ab- steigender, primärer Faltenteil zwar in Filamente zerfallen, aber aufsteigender und absteigender Filamentschenkel nicht miteinander verwachsen. In einem solchen Falle würde der Interlamellarraum einen kontinuierlichen Teil des Mantelraumes darstellen. Wie wir weiter unten sehen werden, ist bei Dreissensia ein solcher Modus der Entstehung des Interlamellarraumes gegeben, indessen mit dem Unterschiede, daß in bestimmten Abständen bei einzelnen Filamenten eine Verbindung des auf- und absteigenden Schenkels . eintritt. Die vorstehenden Angaben beziehen sich nur auf die innere Kieme von Cyclas cornea. Bei der äußern Kieme ist ein Interlamellar- raum nur in dem kurzen ventralen Teile vorhanden, welcher über den dorsalen Bezirk der innern Kieme herunterhängt. Der Inter- lamellarraum entsteht in diesem Teile dadurch, daß in den ursprüng- lich massiven, nach ventral wachsenden Zäpfchen oder Köpfchen der Filamente, wie wir sie weiter oben kennen lernten, unter lebhaften Zellteilungen ein Hohlraum zur Ausbildung kommt, während gleich- zeitig 2 Kiemenlamellen an diesen Köpfchen sich herausdifferenzieren. Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 937 Die interlamellaren Brücken. Die interlamellaren Brücken sind ihrem morphologischen Bau nach schon früher bei der Beschreibung der erwachsenen Kieme kurz charakterisiert worden. Es sind jene Paare vertikal gestellter Querwände, welche je 2 einander entsprechende Segmente einer innern und einer äußern Kiemenlamelle miteinander verbinden und durch welche die Kiemen in eine Reihe vertikaler, hintereinander gestellter Kämmerchen zerfallen. Zwischen je 2 solchen Kämmerchen liegt ein Spaltraum. In Fig. A, (S. 187) ist ein Querschnitt durch 2 nebeneinander liegende Kammern oder Segmente gezeichnet, um den Verlauf und den anatomischen Bau der interlamellaren Brücken (2b) zu demonstrieren. Die interlamellaren Brücken kommen natür- lich nur in den ventralen Teilen der innern und äußern Kieme vor, wo eben beide Organe 2 Lamellen aufweisen. Weiter dorsalwärts, in denjenigen Kiementeilen, in denen nur eine Lamelle vorhanden ist, setzten sich die Kämmerchen in die länglichen vom subfilamen- taren Gewebe und den Segmentköpfen umschlossenen Lumina der äußern Lamelle fort (s. S. 187, Fig. A,, subf. gew, dl. ik). Diese Ver- hältnisse erklären sich aus der ganzen Bildungsweise der Kiemen, wie sie weiter oben eingehend beschrieben wurde. Im marginalen Teile der innern Kieme, der beiden Lamellen von vornherein gemeinsam ist, entstehen die interlamellaren Brücken einfach dadurch, daß den Invaginationen auf der Außenseite der Falte Invaginationen auf der dem Fuße zugekehrten Seite des er- weiterten marginalen Faltenbezirkes entgegenwachsen und es zu Durchbrechungen kommt. Weiter dorsalwärts entstehen die inter- lamellaren Brücken durch Verschmelzung des subfilamentaren Ge- webes der absteigenden Filamente mit dem äußern Epithel des nach oben wachsenden Faltenteiles und nachträgliche Durchbrechung. Die letztere kommt dadurch zustande, daß auf der Innenseite des reflektierten Faltenteiles Rillen auftreten und mit diesen die zum Fuße hin sich ausdehnenden Interfilamentarspalten sich vereinigen. Dieser Prozeß ist weiter oben eingehend erörtert und durch die Fige. 16a—c (Taf. 6) und die Textfigg. S,—S, (S. 220, 221) illustriert worden, auf welche auch in diesem Zusammenhange noch einmal hin- gewiesen sei. In Fig. 16a (Taf. 6) sind die Interlamellarbrücken bereits entstanden und entsprechend der Fig. A, (S. 187) mit 2b bezeichnet. An der äußern Kieme entstehen die interlamellaren Brücken aus den ein- ander zugekehrten Wänden der ursprünglich massiven, nach ventral 16% 238 E. WASSERLOOS, wachsenden, bereits mehrfach erwähnten Zäpfchen, welche eine Ver- längerung der Filamente darstellen. Innerhalb einer Interlamellar- brücke und innerhalb der Segmente sind die sogenannten intersegmen- taren Brücken ausgespannt (me in Textfig. A,, A, (S. 187), Fig. 16a—c, Taf. 6); es sind Zellen mesenchymatischer Natur, welche wir von vornherein in großer Zahl innerhalb der Kiemenanlage finden. JANSSENS (30) hat für Cyclas cornea eine Untersuchung der inter- lamellaren Brücken angekündigt, doch ist meines Wissens eine Publi- kation seinerseits bisher nicht erfolgt. Rice (73) beobachtete, daß bei Mytilus aufsteigender und absteigender Schenkel eines Filamentes ur- sprünglich im ventralen Teile durch eine „continuous membrane“ (p. 72) miteinander verbunden sind, welch letztere später vertikal durchschlitzt wird, wobei nur in gewissen Höhen Reste als Interlamellarverbin- dungen stehen bleiben. Da der ursprüngliche, zuerst erwähnte Zu- stand der Filamente sich bei Modiola zeitlebens findet, konnte Rice in der Entwicklung der Kieme von Mytilus ein Modiola-Stadium feststellen. Dergleichen spätere Modifikationen kommen an den Interlamellarbrücken von Cyclas nicht vor. Die interfilamentaren Verbindungen. Wichtiger als die in diesem Kapitel bisher beschriebenen Einzel- heiten ist die Entstehung der interfilamentaren Brücken. Denn es verbindet sich mit der Frage nach ihrer Entstehung die alte, um- strittene Frage, ob der Filamenttypus oder der Lamellentypus der ursprüngliche ist. Eine theoretische Erörterung dieser Frage wollen wir vorläufig zurückstellen. Es soll nur die Theorie Posexer’s (66, 67) angeführt werden, nach welcher der Filamenttypus durch Zer- schlitzung der Lamellenkieme entstanden sein soll. Posexer führt | als Beweis seiner Auffassung die ursprünglich kontinuierliche, später durchbrochene Kiemenfalte der Cyclas-Embryonen an. Aus seiner Theorie würde folgen, daß die interfilamentaren Verbindungen Reste dieser ursprünglichen Falte darstellen. Es ist mithin zu entscheiden, ob die Interfilamentarverbindungen von vornherein vorhanden sind oder ob sie erst später sekundär entstehen. Mit diesem Entscheid steht und fällt die Posrner’sche Theorie, so weit eine entwicklungs- geschichtliche Begründung durch den Faltenmodus für sie in Betracht kommt. Bevor wir diesen Entscheid treffen, wollen wir uns über einige histologische Details klar werden. Die interfilamentaren Verbin- dungen stellen bei Cyclas cornea epitheliale Brücken zwischen den Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 239 subfilamentaren Geweben der einzelnen Filamente (Segmente) dar, in deren Innerm Mesenchymzellen und ein faseriger Strang deutlich sichtbar sind. Ich verweise auf die Figg. 10—12 (Taf. 5) und Fig. 16a (Taf. 6); Fig. 11 (Taf. 5) stellt einen Querschnitt, die übrigen Figuren stellen Längsschnitte durch eine interfilamentare Ver- bindung (isv) dar. Die ganzen Lagebeziehungen deuten darauf hin, daß die Fibrillen (fd.s in Fig. 11, Taf. 5) nicht das Produkt der sie um- schließenden Epithelzellen sind, sondern mesenchymatischen Zellen, dem lacunar tissue PEcr’s, entstammen. Dieselbe Lagebeziehung fanden wir zwischen Mesenchymzellen und dem Stützgerüst (st), das wir ebenfalls als Produkte der erstern auffassen mußten. Es sei hier auf Fig. 5 (Taf. 4), Fig. 9, 10, 12 (Taf. 5) und die Textfigg. IRUSA, (8% 182) verwiesen. ; Die interfilamentaren Verbindungen treten zuerst auf dem. in Fig. M (S. 210) dargestellten Stadium auf in einer Höhe, welche etwa der Mitte des dorsal gelegenen Lebersäckchens (/s) entspricht. Auf frühern Stadien waren in dieser Höhe die Interfilamentarspalten völlig durchgehende. Auf dem erwähnten Stadium bilden sich an den einander zugekehrten Wänden der Filamente Erweiterungen, welche miteinander verschmelzen, und im Innern der so entstandenen Verbindungen werden sehr schnell die oben erwähnten Fibrillen sichtbar. Auf Sagittalschnitten durch die in Rede stehenden Stadien zeigt sich oft, daß die vordersten Filamente bereits miteinander durch Interfilamentarbrücken verbunden, die hintern Filamente aber noch völlig frei sind. Die Bildung der Interfilamentarbrücken geht mithin in der Richtung von vorn nach hinten vor sich. Da die interfilamentaren Verbindungen stets in einer bestimmten Höhe der Filamente auftreten, letztere aber nach hinten zu an Höhe ab- nehmen, so bilden sie, wie aus der Totalfig. V (S. 231) hervorgeht, von vorn dorsal nach hinten ventral verlaufende, nach oben konkave Linien (iso). Später entstehen sie auch weiter ventralwärts von der zuerst entstandenen Verbindung. Auch an der innern Lamelle der innern Kieme sind sie frühzeitig wahrzunehmen. An den Kuppen, in welchen die interfilamentaren Spalten jeder Kiemenlamelle dorsal endigen, treten ebenfalls frühzeitig interfilamentare Verbindungen auf, welche den dorsalen Abschluß des gitterartigen Gerüstes bilden, welches wir in jeder Kiemenlamelle finden (s. sv in Textfig. A, [S. 187], Fig. 17 [Taf. 6] u. Fig. 21 [Taf. 6] Das erwähnte Gitterwerk kommt da- durch zustande, daß die interfilamentaren Verbindungen (sv), wie bereits früher betont, mit den vertikal verlaufenden Stützstäbchen 240 E. WAssERLOOS, (st) der Filamente verschmelzen (s. Fig. 10, Taf. 5; Fig. 12, Taf. 5 u. Fig. 16a, Taf. 6). Meine Befunde sprechen gegen die Theorie Posexer’s. Bei dem Papillenmodus, bei welchem die Papillen ursprünglich völlig frei sind, können die interfilamentaren Verbindungen nicht anders als durch seitliches, sekundäres Verschmelzen der Filamente entstehen. Jackson’s falsche Auffassung über die Entstehung der interfilamen- taren Brücken ist bereits weiter oben (S. 222) moniert worden. Die frühzeitige Ausbildung der interfilamentaren Verbindungen an den Kuppen, welche die dorsalen Endigungen der Interfilamentarspalten darstellen, sah Bourne (2) auch bei Jousseaumiella. Von dem Stadium der Fig. M (S. 210) ab können wir die Kieme nicht mehr als eine Filamentkieme auffassen. Wir müßten die Filamente als Segmente bezeichnen; um die Darstellung nicht unnötigerweise noch verwickelter zu machen, ist jedoch von einer solchen Bezeichnung so weit wie möglich abgesehen worden. Um auch die Übersichtlichkeit der Total- bilder nicht zu beeinträchtigen sind in diesen die interfilamentaren Verbindungen außer in Fig. V (S. 231) nicht eingezeichnet. 5. Das Wachstum der Kiemen. (Die embryonalen Zonen.) An den Kiemen kommen folgende Wachstumszonen vor. So- wohl bei der innern wie bei der äußern Kieme finden wir eine hintere Zone, aus welcher in der Richtung von vorn nach hinten allmählich neue Filamente sich herausdifferenzieren. Eine zweite Zone, welche eine Vergrößerung in vertikaler Richtung bewirkt, findet sich im marginalen Teile beider Kiemen; bei der äußern Kieme stellt diese Zone auf den jüngern postembryonalen Stadien ihre Tätigkeit ein. Eine obere dorsale Embryonalzone finden wir an der innern Lamelle der innern Kieme in dem nach oben wachsen- den reflektierten Faltenteil. Hier kommt die Wachstumstätigkeit gegen Ende der Embryonalzeit zur Ruhe. Bei der äußern Kieme ist außer der hintern noch eine vordere Zone vorhanden, aus der von hinten nach vorn Filamente entstehen. Diese Zone kommt, wie bereits weiter oben bemerkt, schon für die spätembryonalen Stadien nicht mehr in Betracht, da sie alsbald ihr Wachstum einstellt. Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 241 6. Die Korrelation der Kiemen mit andern Organen. Im Zusammenhange mit den Kiemen wurde die Entwicklung derjenigen Organe untersucht, welche mit den Kiemen zu charakte- ristischen Organsystemen sich verbinden. Unter diesem Gesichts- punkte wurde sowohl die Entwicklung der Velen und der Siphonen als auch die Entwicklung des Pericards, des Herzens und der Blut- bahnen studiert. Erstere bilden mit den Kiemen einen Plancton- organismen zum Munde strudelnden Zuleitungsapparat, der in ver- gleichend-anatomischer und physiologischer Beziehung namentlich von Srenta (88) und Turese (91) untersucht worden ist; letztere ver- einigen sich mit den Kiemen zum Circulationsorgan. Ebenso wurde die Korrelation der Kiemen mit der Niere und den Geschlechtsorganen in den Grundzügen festgestellt. Eine Untersuchung der Entwick- lung aller dieser Organe war um so fruchtbarer, als die meisten von ZIEGLER (95) für die spätern Stadien nicht untersucht wurden und in bezug auf einzelne Punkte ihrer Entwicklungsgeschichte Widersprüche in der Literatur vorhanden sind. a) Die Anhangsorgane der Kiemen. (Die Entwicklung der Velen und der Siphonen.) Die Velen. Die Velen entstehen aus dem Wimperfelde, welches auf den Trochophorastadien den Mund umgibt. Auf beiden Seiten läuft dieses Wimperfeld in einen spitzen Zipfel aus, der bis zu den Lebersäckchen sich hinaufzieht (s. die Textfigg. B—D |S. 191]). Die ersten Gestaltungs- prozesse, welche die Entwicklung der Velen einleiten, sind von ZIEGLER richtig beobachtet und in seiner Fig. 29b dargestellt worden. Die Ober- lippe wächst auf dem Stadium der Figg. E u. F (S. 192, 196) etwas nach ventral vor, so daß, wie ZreGLer (95, p. 559) bemerkt, der laterale Mundrand, der früher auf dem Stadium der Fig. D „schräg nach (vorn) oben aufstieg, eine horizontale Lage (s. Fig. F) annimmt“. Gleich- zeitig bildet sich vom Munde aus auf beiden Seiten des Velarfeldes in dessen Mittellinie eine Rinne, welche das gesamte Wimperfeld in 2 Teile zerlegt, einen dorsalen, welcher der Oberlippe (ol) ange- hört, und einen ventralen, der zur Unterlippe (u!) wird (s. Fig. F). Auf dem Stadium der Fig. G (S. 198) ist eine in der Medianlinie der Oberlippe liegende Rinne sichtbar geworden, welche die Oberlippe in 2 Teile zerlegt; diese beiden Teile stellen 2 kleine, nach ventral 242 E. WAssERLooSs, hängende Wülste dar. Indem diese letztern ventralwärts in die Länge wachsen, bilden sie die beiden äußern Velarlappen. Während dieses Wachstum eintritt, ist die Mantelbildung, wie sie früher be- Schrieben wurde, weiter nach vorn fortgeschritten, und die Mantel- falte beginnt die in Entwicklung begriffenen äußern Mundsegel zu verdecken. Man vergleiche die Totalbilder der Textfigg. E,F. u. H (S.192, 196, 200). Etwas später, auf dem Stadium der Fig. I, (S.201), tritt auch an der mittlerweile ebenfalls stark nach ventral vorgeschobenen Unterlippe ein medianer Einschnitt auf, und es tritt auch an ihr eine Zerlegung in 2 Läppchen ein, welch letztere ebenfalls in die Länge wachsen und dabei die innern von den äußern etwas überdeckten Velar- lappen liefern. ZIEGLER hält es nun für schwierig festzustellen, wie das flimmernde Velarfeld der Larve auf die Innenfläche des äußern und die Außenfläche des innern Läppchens übertritt. Eine solche Schwierigkeit besteht nicht; der Prozeß, durch welchen die Flimmern auf die erwähnten Seiten der Mundlappen verlagert werden, ist von Anbeginn an ein einfacher. Die lebhaftesten Zellteilungen finden, wie aus Schnittserien an der Lage der Kernteilungsfiguren zu er- kennen ist, nicht innerhalb der beschriebenen Wülste statt, in welche die Lippen zerfallen, sondern bei der Oberlippe am dorsalen, bei der Unterlippe am ventralen Wulstrande. Dadurch kommt eine Uber- schiebung der neugebildeten Teile über die ältern zustande. Infolge dieser Überschiebung kommen die Flimmern auf die einander zuge- kehrten Seiten der Mundlappen zu liegen. — Auf einen Punkt, welcher ZIEGLER entgangen ist, möchte ich an dieser Stelle auf- merksam machen. Auf den spätern Stadien, etwa von dem Stadium der Fig. K (S. 208) ab, wird deutlich sichtbar, daß der oberhalb der eigent- lichen Velen liegende flimmernde, früher spitzwinklig zulaufende Teil | des Velarfeldes und die dorsal an ihn sich anschließende Körperpartie sich stark lateral vorwülbt. An diesem vorgewölbten Teil ist eine Flimmerzone zu verfolgen, welche bis zu den Kiemen hinaufreicht. Fig. 6 (Taf. 5) stellt einen longitudinalen Schnitt durch die in Rede stehende Körperregion dar. Ich konnte jedoch nicht entscheiden, ob die Flimmern (f), wie die erwähnte Figur sie zeigt, einen Rest des ursprünglichen Velarfeldes darstellen oder ob letzteres in dorsaler Richtung sich ausdehnt. Jedenfalls ist durch die beschriebene Flimmerlinie schon frühzeitig eine flimmernde Verbindung zwischen der Kieme und den Mundlappen hergestellt. Sobald die Konkreszenz zwischen Fuß und Kieme gelockert wird, tritt die Flimmerlinie am marginalen Rande der Kieme mit der vorhin erwähnten Flimmerlinie Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 243 an dem vorgewülbten Teile in Verbindung und mündet so auf jeder Körperseite in den Raum zwischen den beiden Mundlappen. Daß die Lagebeziehung zwischen Velen und Kiemen von den jüngern Stadien an keine wesentlichen Verschiebungen erfährt, geht aus einem Vergleich der beigefügten Totalbilder in Fig. I, K, L, M (S. 201, 208 bis 210) hervor. Später wird der lateral stark vorgewölbte Bezirk der Mundregion mit in die Velarbildung einbezogen, indem die laterale Rinne, welche die Mundlappen einer Seite voneinander trennt, sich in dorsaler Richtung ausdehnt. So kommt es, daß auf den ältesten Stadien der Embryonalentwicklung die Velen dieselbe Lage zur Kieme auf- weisen wie beim erwachsenen Tier, bei welchem der marginale Teil direkt an die Velen grenzt und die marginale Rinne unmittelbar in die Intervelarfurche mündet (s. Fig. Q [S. 212] und Fig. S, [S. 220)). Die Ausbildung histologischer Einzelheiten, z. B. der Sinneszellen, habe ich nicht verfolgt. Erst auf den spätembryonalen und post- embryonalen Stadien treten auf den einander zugekehrten, bewim- perten Seiten der Mundlappen jene queren, leistenförmigen, dem Insertionsrande parallel laufenden Erhebungen auf, welche die er- wachsenen Mundsegel charakterisieren (s. Fig. S,, S. 220). Schon frühzeitig war man auf die Verbindung der Kiemen mit den Mundlappen aufmerksam geworden und hatte diese letztern Ge- bilde wohl auch als „Nebenkiemen“ bezeichnet. Man war dabei der Ansicht, daß sie vorwiegend der Respiration dienten. Die zahlreich in ihnen verlaufenden Gefäße schienen diese Auffassung zu recht- fertigen. Die Abhängigkeit der Mundsegel von der Kieme, wie sie in der Bezeichnung „Nebenkieme“ ausgesprochen ist, führte dazu, beide auch in entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhang zu bringen. Nach Ryper (75, p. 787) sollen Kieme und Mundlappen aus den- selben Anlagen, „loneitudinal folds“, entstehen. Bisher ist jedoch für keine Form der endgültige Beweis erbracht worden, daß die Mundlappen aus einem Teil der Kiemenanlage hervorgehen, vielmehr stellen dieselben nach neuern Untersuchungen über die Entwicklungs- geschichte der Acephalen stets modifizierte Teile des mehr oder minder reduzierten Velums der Trochophora dar. Schon Lovin (43) hatte diesen Zusammenhang vermutet. Physiologisch ist allerdings der Konnex zwischen Mundlappen und Kiemen ein so inniger, dab z. B. bei manchen Septibranchiern mit der Reduktion der Kieme eine Reduktion der Mundlappen Hand in Hand geht [Daun (9), PELSENEER (57, 59)|. Diese letztere Beobachtung widerspricht schein- bar der Bemerkung Ripewoop’s (74, p. 158), dab trotz der Ver- 244 E. WassEerLoos. schiedenheit im morphologischen Bau der Kiemen die Mundsegel eine große, durchgängige Konstanz zeigen und daher schon aus diesem Grunde nicht als ein Teil der Kieme angesprochen werden dürfen. In Anbetracht des Unterschiedes zwischen Filamentkieme und Lamellenkieme und des Umstandes, daß beide Typen mit Mund- lappen gleichen Baues verbunden sein können, ist jedoch Rrpewoon's Bemerkung in beschränktem Sinne zutreffend. Die Befunde früherer Autoren in bezug auf die Mundsegel von Cyclas cornea sind bereits von ZIEGLER (95, p. 560) diskutiert worden und kommen hier nicht weiter in Betracht. Die Siphonen. Die Entstehung der Siphonen ist bisher für Cyclas cornea nicht untersucht worden. Die Siphonen bilden sich, wie nach ihrem morphologischen Verhalten zu erwarten war, durch Verschmelzen der Mantelränder. Einige Einzelheiten in ihrer Entwicklung mußten bereits bei Besprechung der Kiemenanlage angegeben werden und mögen hier kurz zusammengefaßt werden. Der Gesamtverlauf der Siphonenentwicklung wird illustriert durch die Figg. X,—X, u. Y,, > (S. 247), welche aufeinander folgende Stadien von hinten gesehen dar- stellen. Das Stadium der Fig. X, ist etwas älter als das in Fig. G (S. 198) abgebildete Tier. Fig. Y, entspricht dem Stadium der Fig. M (S. 210). Wie wir früher sahen, wachsen Mantelfalte und Kiemenfalte von einem gewissen Stadium ab beide nach hinten. Es wurde auch bereits erwähnt, daß sich dabei aus der Mantelfalte ein nach innen gelegenes Zäpfchen (es in Fig. X,) herausdifferenziert und daß die Zäpfchen der beiden Seiten zum Intersiphonalseptum miteinander verschmelzen (?ss in Fig. X,). Die Bildung der Mantelfalte schreitet nun nicht nur nach vorn, sondern auch nach hinten und nach dorsal fort. Daher findet man im hintern dorsalen Teile des Tieres zu beiden Seiten in der Aftergegend jederseits eine Falte (s. Fig. X,). Weiter dorsalwärts stoßen diese beiden Falten zusammen; dieser dorsale Grenzteil schiebt sich etwas nach ventral vor, während gleichzeitig von dieser Stelle aus eine Verschmelzung der beider- seitigen Falten von dorsal nach ventral stattfindet. Diese Ver- schmelzung geht vor sich bis zu einem Punkte, welcher etwas ven- tral vom After gelegen ist. Die Figg. X,—X, erläutern das Ge- sagte. Durch diesen Prozeß wird an dem hintern Körperteil des Embryos eine Kammer gebildet, welche durch die Aftersiphoöffnung mit der Außenwelt in Kommunikation steht. Während der be- Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 245 schriebenen Prozesse wächst der hintere Teil der Kiemen etwas in die Höhe, so daß, wie bereits betont, die hintern Enden der Kiemen hinter das Intersiphonalseptum zu liegen kommen. Einen Punkt in der Morphologie der Kieme, welcher bei den Fig. x —X;. Jüngere Stadien von hinten gesehen (Bildung des Aftersiphos), Mantel- und Kiemfalte wachsen nach hinten, wobei sie sich immer schärfer gegeneinander ab- grenzen (Fig. X, u. X,). Aus den Mantelfalten differenzieren sich 2 nach innen liegende Zäpfchen heraus (es in Fig. X,), welche zum Intersiphonalseptum mit- einander verschmelzen (iss in Fig. X,). Letzteres erweitert sich (Fig. X,). Ge- naueres siehe den Text. 246 E. Wassertoos, bisherigen Ausführungen über die Entwicklung der Kieme nicht er- wähnt wurde, um die ohnehin verwickelten Bildungsvorgänge nicht unnötig noch komplizierter zu machen, möchte ich an dieser Stelle nachholen. Ursprünglich stellt die Kieme eine einfache Falte an der ventralen Seite des Mantels dar. In dem Teil der Mantel- und Kiemenfalte, welcher nach hinten wächst, sind beide ursprünglich nicht voneinander unterschieden, heben sich aber allmählich deutlich gegeneinander ab; mit andern Worten: die Kiemen verlängern sich nach hinten in kurze, am Ende geschlossene Röhren, welche unter der Mantelfalte gelegen sind. Die Kiemenden, d. h. die Enden der röhrenartigen Verlängerungen der Kiemenfalten, kommen, wie bereits mehrfach erwähnt, hinter das Intersiphonalseptum zu liegen, mit welch letzterm sie verschmelzen. Die Kiemenfalte ist also im vordersten und mittlern Teile im Mantelraume an der dorsalen Körpermasse, in ihren hintersten Enden am Intersiphonalseptum auf- gehängt. Nach dem Gesagten ist im hintersten Teile vor den Kiemenden eine —- allerdings sehr kurze — Zone vorhanden, an welcher die Kieme nicht aufgehängt ist und an welcher der Mantelraum mit dem Cloakenraum kommuniziert. Wenn später die äußere Kieme entsteht, dann kommuniziert der zwischen äußerer Kieme und Körper- masse gelegene hypobranchiale Raum an der erwähnten Zone mit dem Cloakenraume, der erstere selbst wieder durch die Interseg- mentarspalten der äußern Kieme mit dem eigentlichen Mantelraum. Auch wird dann in dieser Zone der ganze Kiemenapparat einer Seite aufgehängt, indem der dorsale Teil der Falte, aus welcher die äußere Kieme entsteht, sowohl mit dem Körper als auch mit dem Intersiphonalseptum verschmilzt. Die spätern Vorgänge bei der Bildung der Siphonen nehmen von dem Intersiphonalseptum ihren Ausgang. Letzteres dehnt sich nach hinten stark aus und wächst über die Kiemenenden herunter. Es erscheint dann von hinten gesehen breiter als auf den frühern Stadien (s. iss Fig. X,, vorige Seite). Unterdessen ist der Mantel stark ventral- wärts vorgewachsen. An den Stellen, an welchen das Intersiphonal- septum ventral in den Mantel übergeht, treten auf dem Stadium der Fig. V, 2 Zäpfchen oder Läppchen (as) deutlich hervor, welche später in der Medianlinie des Körpers miteinander verschmelzen und die Branchialsiphoöffnung umschließen (as in Fig. Y,). Diese Verschmel- zung schreitet noch etwas weiter nach vorn fort. Die Ränder der beiden entstandenen Siphonalöffnungen (as u. es der Fig. Y,) stülpen sich nach außen vor, und es kommt zu einer röhrenartigen Ver- Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 247 längerung. After- und Atemröhre verschmelzen später ihrer ge- samten Länge nach miteinander. Eine Erörterung der bei der Siphonenbildung auffallenden Einzelheiten (Innervation, Muskulatur) würde hier zu weit führen. Zum Verständnis der Fig. Y, u. Y, sei Fig. Y,, Yo. Mittlere Stadien von hinten gesehen (Bildung des Atem- siphos). Die Zäpfchen as in Fig. Y, verschmelzen miteinander und umschließen mit dem Intersiphonalseptum iss den Atemsipho as in Fig. Yo. 60:1. nur noch erwähnt, daß mit der Vergrößerung der Schale die Seiten- teile des Mantels sich als sogenannter Mantelrandwulst (mr) etwas über die Siphoanlagen hinausschieben und letztere dadurch etwas ins Innere zu liegen kommen. Das Wasser strömt durch den Atemsipho in den Mantelraum, umspült die innere Kieme und gelangt durch die Intersegmentar- spalten der äußern Kieme in den Teil des Mantelraumes zwischen der letztern Kieme und der Visceralmasse. Dieser Raum steht nach dem oben Gesagten mit dem eigentlichen Cloakenraum in Kommuni- kation. Durch den Aftersipho wird das verbrauchte Wasser nach außen entleert. 248 E. Wasserr.oos, #) Die Circulationsorgane (Pericard, Herz, Vorhöfe, Blutbahnen). Perieard und Herz. Was die Entwicklung von Herz und Pericard anbetrifft, so stimmen meine Beobachtungen ganz mit denjenigen MEISENHEIMER’S (46) überein. Jedoch habe ich Keine Untersuchungen darüber angestellt, ob der Zellenkomplex, welcher die ursprüngliche Anlage von Pericard, Herz, Niere und Geschlechtszellen darstellt, wie MEISENHEIMER an- gibt, durch eine Wucherung des Ectoderms entstanden ist, von welch letzterm er sich alsbald loslösen soll. Meine Beobachtungen setzen erst dann ein, wenn die Geschlechtszellen innerhalb der ge- meinsamen Anlage sichtbar geworden sind und die Niere sich ab- gelöst hat. In den beiden zurückbleibenden Zellenmassen, die links und rechts vom aufsteigenden Enddarm liegen, treten jederseits zwei Lumina auf, die bereits erwähnten ,,Pericardialhéhlen* MEısen- HEIMER’S (s. Tafelfig. 1b, cu. c“). Die Geschlechtszellen treten aber nicht aus der gesamten Anlage heraus, sondern liegen vorder- hand noch in der untern Wandung der Pericardialbläschen. Bevor noch weitere Differenzierungen eintreten, ist bereits die Niere in ihren Hauptbestandteilen gebildet; sie besitzt schon auf dem Stadium der Fig. G (S. 198) einen in die untern „Pericardialbläschen“ mündenden, flimmernden Trichter (s. Tafelfig. 4e, png), einen mittlern drüsigen Teil und einen Ausführungsgang. Gründe, welche dafür sprechen, dab die gemeinsame Anlage von Genitalzellen, Niere, Pericard und Herz nicht nach der Ansicht MEISENHEIMER’S als eine direkte Primitivanlage aufzufassen, sondern auch cölomatischer Natur ist, sind von TÔnniGes u. Orto (55, p. 488—492) angegeben worden. Speziell für die Lamellibranchiaten hat sich Harms (23, p. 369) dieser Begründung angeschlossen. Es erübrigt sich diese Gründe hier weiter auseinanderzusetzen, da die von Tonnices angeführten Beweise auch für die Entwicklung der in Rede stehenden Organe bei Cyclas ihre Gültigkeit haben. Tönnıces (55) hat den Einwand, dab die ectodermale Entstehung der ursprünglichen Wucherung der Auffassung der cölomatischen Natur derselben im Wege stehe, dadurch widerlegt, daß er auf ganz ähnliche Bildungen bei den Annulaten hinwies, „die zweifellos die sekundäre Leibeshöhle aus sich entstehen lassen und welche eben- falls ihren Ursprung am hintern Ende des Embryos nehmen“. Harms (23, p. 370) ist der Ansicht, dab die Entstehung der Genital- zellen aus dem Pericard die Auffassung des letztern als eines Restes Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 249 einer „sekundären Leibeshöhle“ noch erhärten könnte. Er weist jedoch darauf hin, daß bei Cyclas die Genitalzellen bereits früher als die Pericardialbläschen auftreten. Wie wir gesehen haben, liegen aber die Genitalzellen völlig in der untern Wandung der „Pericardialbläschen“. Erst später rücken sie aus derselben heraus, bleiben aber stets der untern Pericardwand dicht anliegend. Da die Geschlechtszellen in der Bläschenwand liegen, die Bläschen von einem deutlichen Epithel begrenzt sind und durch die bereits ge- bildete Niere nach außen münden, so sind sie zweifellos, im Sinne der Beweisführung von Tönntses auch bei Cyclas cornea mehr als ein Pericard. Es ist daher berechtigt, sie als Reste eines Cöloms aufzufassen. Erst wenn die Geschlechtszellen aus der Bläschenwand herausrücken, könnte man diese Hohlräume als Pericard bezeichnen; denn es sind zu diesem Zeitpunkt bereits Differenzierungen einge- treten, welche die Entwicklung des Herzens einleiten. Die Bildung des Herzens verläuft in folgender Weise: Wie aus der Fig. H, (S. 200) hervorgeht, erstrecken sich die dorsalen Cülomsäck- chen c' etwas weiter nach vorn als die ventralen c“. Die obern Cölom- säckchen c' der beiden Körperseiten verschmelzen völlig miteinander, ebenso die untern ce“. Außerdem tritt eine Verschmelzung der beiden Bläschen jeder Körperseite (c’ und c“) in einer vordern und einer hintern Partie ein; in der Mitte bleibt jederseits zwischen den verschmolzenen Bläschen ein horizontaler Strang bestehen, an welchem keine Verschmelzung eintritt. In bezug auf die Einzelheiten dieser Prozesse verweise ich auf Mretsennermer’s (46) Beschreibung und Figuren. Die ursprünglichen 4 Bläschen vereinigen sich zu einem Gebilde, das man sich in schematischer Vereinfachung etwa in folgender Weise vorstellen kann: ein kurzer Zylinder mit doppelter Wandung ist horizontal gelegt, und es sind auf beiden Seiten die Wandungen für eine kurze wagerecht verlaufende Zone miteinander verschmolzen. Die innere Wandung des Zylinders würde den Ven- trikelraum umschließen. Die Totalfiguren geben im übrigen Auf- schluß über die Form des Herzventrikels. Die Entwicklung des Herzens ist auf dem Stadium der Fig. I, (S. 201) bereits vollendet. Die Vorhöfe. Es bleibt nunmehr noch festzustellen, wie der vom Darm durch- bohrte Herzventrikel, der noch nach vorn und hinten offen ist, mit den Kiemen in Verbindung tritt. Der obere Teil des Pericards, welcher den dorsalen Cölomsäckchen (c‘ in Fig. 1b [Taf. 4]) ange- 250 E. WassERL00s, hörte, erweitert bedeutend sein Lumen, indem er sich nach ventral und nach den Seiten hin ausdehnt, während das ventrale Pericard nur eine schwächere Vergrößerung seines Lumens durchmacht. Die Ausdehnung des obern Pericards nach ventral findet vorn und hinten in stärkstem Maße statt, in der Mitte ist sie schwächer. Auf diese Weise entsteht auf jeder Körperseite ein Raum, welcher von der äubern lateralen Wand des untern Pericards, von der ventralen Wand des dorsalen Pericardteils und vom Körperepithel begrenzt ist und der von der Seite gesehen dorsal von einer bogenförmigen, nach oben gekriimmten Linie abgeschlossen erscheint. In Fig. N (S. 211) ist zwar ein transversaler Schnitt durch ein bereits ausgebildetes Herz ge- zeichnet, doch lassen sich die erwähnten Verhältnisse noch deutlich erkennen. Die laterale Wand des ventralen Pericards ist mit pw“, die ventrale Wand des dorsalen Pericardlumens mit pw‘, der Raum der zwischen diesen Wänden und dem Körperepithel liegt, mit vh bezeichnet. Dieser Raum kommuniziert, wie aus Fig. N (rechte Seite) sich ergibt, nach ventral mit dem Lumen der Kiemenfalte, welche die ursprüngliche Anlage der innern Kieme darstellt. Die beiden beschriebenen auf jeder Seite des Körpers liegenden Räume bilden die Vorhöfe, deren dorsale bogenförmige Begrenzungslinie auf den beigegebenen Totalbildern (Fig. K, L, M, Q, V [S. 208—210, 212, 231]) deutlich zu erkennen ist. An der oben erwähnten Stelle, an welcher die Cölomsäckchen einer Körperseite nicht miteinander verschmolzen, ist mittlerweile eine Verdünnung des Gewebes eingetreten; es bleibt nur noch eine dünne trennende Membran übrig, die schließlich einreißt. Die Vorhofräume treten auf diese Weise mit dem Herzventrikelin Kommuni- kation, so daß das Blut aus den Kiemen durch die Vorhöfe ins Herz- innere fließen kann (s. Fig. N, ik, vh, h auf der rechten Seite). Frühere Befunde über die Entwicklung des Acephalenherzens sind von Harms (23) diskutiert worden, und nach meinen Unter- suchungen stimme ich damit überein. In dem Stadium der Fig. F (S. 196) ist die Kieme bereits angelegt und differenziert, das Herz dagegen noch nicht ausgebildet. Die Kieme entsteht mithin früher als das Herz. Schon von Vortnea (92) ist für die Najaden, von Wırson (94) für Ostrea auf diesen Punkt aufmerk- sam gemacht worden. Die Blutbahnen. Im vorigen Abschnitt ist nur die Entwicklung der Wege be- schrieben worden, auf denen das Blut aus der Kieme ins Herz ge- Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 951 langt (abführende Kiemengefäße oder Kiemenvenen). Um die Beschreibung der Entwicklung des Circulationssystemes zu vervollständigen, soll nunmehr auch die Bildung der Blutbahnen verfolgt werden, in denen das Blut vom Herzen in die sinösen Körperräume und aus den letztern wieder in die Kiemen fließt. Die Blutbahnen im einzelnen sind namentlich auf jungen Stadien nicht ganz leicht festzustellen, zumal Injektionen der Embryonen nicht vorgenommen werden können. Auf den spätern Entwicklungsstadien sind Herz, Aorten und Arterien mit einem feinen Gerinnsel erfüllt und auf Schnitten leicht erkennbar, während die venösen Blutbahnen stets schwierig zu verfolgen bleiben. Meine Untersuchung be- schränkte sich darauf, die Entstehung der Hauptstämme des Circu- lationssystems festzustellen. Da eine spezielle Untersuchung des Gefäßsystems der Cycladiden bisher meines Wissens nicht vorliegt, war eine solche Untersuchung auch vom anatomischen Standpunkte aus wünschenswert. Für das gestellte Problem war sie von vorn- herein erforderlich, da MÉxÉGaux die Verbindung zwischen Kieme, Herz und Blutgefäßen als wichtig für die Beurteilung der Phylogenie der Acephalen bezeichnet und die Berechtigung dieser Auffassung in mehreren Arbeiten dargetan hat (48-52). Die Entstehung des Blutgefäßsystems beginnt bei Cyclas cornea sehr frühzeitige. Auf den jüngsten Stadien pulsiert die Blutflüssig- keit, soweit eine solche vorhanden ist, jedenfalls in den mesen- chymatischen Lückenräumen des Körpers. Sobald jedoch das Herz in Bildung begriffen ist, etwa auf dem Stadium der Fig. G (S. 198), wird auch die Bildung des Aortensystems eingeleitet. Bevor ich jedoch auf dieselbe eingehe, soll eine histologische Einzelheit erörtert werden. Schon auf dem Stadium der Fig. G (S. 198) ist auf Schnitten inner- halb der Körperhöhle ein Septum wahrzunehmen, das in der vordern Hälfte des Embryos ausgespannt ist. Von dem vordern Ende der „Pericardbläschen“ geht auf beiden Körperseiten nach vorn eine dünne, kontinuierliche Zellenwand aus, welche vertikal ausgespannt ist. Sie reicht nach dorsal bis in die Nähe des Schlosses; weiter ventral inseriert sie an. der vertikalen Linie, welche das vorderste Filament (f, unserer Nomenklatur) mit dem Epithel des Fußes bildet. Noch weiter ventralwärts vereinigen sich die Membranen der beiden Körperseiten, indem sie gemeinschaftlich etwas ventral von der Unterlippe an der Linie sich anheften, in welcher der Fuß von der Lippenpartie sich absetzt. Dieser dadurch gebildete Septen- teil ist schräg ausgespannt; er steigt von vorn dorsal nach der zu- Zool. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. 17 259 E. WAsSERLOOS, letzt erwähnten Linie ab. Vorn inseriert er am Körperepithel etwas dorsal vom vordern Schließmuskels. Der letztere wie auch das Visceralganglion liegen also unterhalb des Septums. Die Lage des Septums (s) ist deutlich erkennbar in den Figg. 4a—e (Taf. 4) Auch in den Figg. 7a, 7b, 9, 10, 12 (Taf. 5) kehrt dieses Septum (s) wieder. Die Lage des schräg oberhalb des Schließmuskels ausgespannten und vom Ösophagus durchbohrten Septenteils geht auch aus den schema- tischen Textfigg. 0, —O, (S. 216, 217) deutlich hervor. Durch dieses Septum wird im vordern Teile der Körperhöhle eine Scheidung der nach außen gelegenen Teile (Mantelfalte, Lumen des Grenzfilaments, Innen- raum der Velen), in denen das Blut sich mit Sauerstoff beladet, von denjenigen innern Teilen vollzogen, in denen das Blut venös wird. In dem mittlern Teile des Embryos ist eine gleiche Scheidung durch die Vorhöfe bewirkt, welche die Kiemen- und Mantelfalte gegen die Körperhöhle absperren. Noch weiter nach hinten kommuni- zieren, wie wir weiter sehen werden, die Kiemen und das Lumen der Mantelfalte mit dem Teil des Körperlumens, in welchem die Niere gelegen ist. Auf dem Stadium der Fig. G (S. 198) sind oberhalb des Vorderdarms vor der vordern Öffnung, welche der Herzventrikel nach dem oben Gesagten aufweist, zahlreiche Mesenchymzellen wahrzunehmen, welche alsbald zu einer Röhre sich zusammenschließen. Indem diese Röhre sich an die vordere Mündung des Herzventrikels ansetzt, ent- steht die vordere Aorta (Aorta anterior, aao der Totalbilder in Fig. K, L, M, Q, V [S. 208—210, 212, 231] Die Wandung der sie bildenden mesenchymatischen Zellen weist sehr bald eine festere Begrenzung auf. An eben dieser festern Begrenzung werden die Hauptarterienstämme frühzeitig erkennbar. In Tafelfig. 4a sind die ursprünglich auftretenden Mesenchymzellen me angeschnitten; in Fig. 7b (Taf. 5) ist bereits ein von ihnen begrenztes Lumen (aao) deutlich erkennbar (die Schnitt- ebene liegt schräg zur Medianebene des Körpers; daraus erklärt sich die unsymmetrische Lage des Lumens aao in dieser Figur). Die vordere Aorta verlängert sich allmählich nach vorn, wobei sie stets oberhalb des Vorderdarmes verläuft. Etwas über der Mitte der Leber gibt sie eine Arterie ab, die Arteria pedalis (pa in Fig. K, L, M, Q, V [S. 208- 210, 212, 231]), die, unterhalb des Osophagus ver- laufend, Magen und Leber versorgt und in den Fuß geht; unterhalb der Lebersäckchen (ls) gibt die letztere einen größern Ast ab, der in die innern Velarlappen eintritt. Schon frühzeitig teilt sich die vordere Aorta in ihrem vordersten Teile in zwei Arteriae cephalicae, welche Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 253 dem vordern Schließmuskel, dem vordern Retractormuskel und dem Cerebralganglion Blut zuführen (ca in Fig. K, L, M, Q, V, s. o.). Wenig später als die vordere bildet sich die schwächere, hintere Aorta, Aorta posterior, nach genau demselben Modus wie die vordere. Sie verläuft ventral vom Enddarm und spaltet sich alsbald in 2 Arterien, welche zu den Siphonen hinziehen. Vorher gibt sie je- doch eine Arteria visceralis ab, welche den hintern Schließmuskel, den hintern Retractormuskel und das Visceralganglion versorgt. Zur Erläuterung des Gesagten vergleiche man die Totalfiguren (K, L, M, Q, V, s. 0.; pao hintere Aorta; va Arteria visceralis). Daß die arteriellen Blutgefäße aus Zellen mesenchymatischer Natur entstehen, indem sie zu Röhren zusammentreten und ihre Wandung eine festere Begrenzung erhält, ist bereits betont worden. Die Ansicht M£En#saux’ (52), daß diese Gefäße durch ein Auswachsen des Herzventrikels entstehen, ist nicht haltbar. Im Gegensatz zu den Hauptarterienstämmen ist die Abgrenzung der Venen keine deutliche. Die Entwicklung des Venensystems ist daher äußerst schwierig festzustellen und bedarf einer be- sondern Untersuchung. Am deutlichsten erkennbar ist ein großer Längssinus, welcher hinter den Geschlechtsorganen unterhalb der ventralen Wand des Pericards verläuft und durch welchen das Blut aus den sinösen Lückenräumen des Fußes in das Venen- system der Niere fließt. Dieses Venensystem der Niere mündet aber in den dorsalen Bezirk der ursprünglichen Kiemenfalte, soweit der- selbe hinter den Vorhöfen (vh) gelegen ist. Dieser hintere dor- sale Teil der Kiemen wird zu einem Gefäß, das den Kiemen Blut zuführt (zuführendes Kiemengefäb oder Kiemenarterie). Gefäße gleicher Funktion sind außerdem gegeben einerseits in dem dorsalen Teil des Lumens der reflektierten Falte, welche die innere Lamelle der innern Kieme darstellt und ringsum den Fuß umschließt, andrerseits in dem dorsalen Restteil des Lumens der dorsalwärts wachsenden Falte, welche zur äußern Kieme wird. Das erstere führt das Blut aus dem vordern Mantelfaltenraume und dem Innenraum der Velen in die innere Kieme (s. d. Textfigg. O,—O, [S. 216, 217]), das letztere das Blut aus den Siphonen in die äußere Kieme. Es ist schwer zu entscheiden, ob das zuletzt erwähnte Gefäß auch noch mit dem Venensystem der Niere in Verbindung tritt. Der ganze Blutkreislauf ist ziemlich verwickelt, wenn er auch im allge- meinen mit den von MÉnÉGaux für andere Formen gemachten An- gaben übereinstimmt. Über den Weg des Blutes in den Kiemen, 17* 254 E. WassErLoos, innerhalb deren keine eigentlichen Gefäße vorhanden sind, kann ich keine Angaben machen. Diese sowie die bereits betonten Lücken müssen einer speziellen Untersuchung vorbehalten bleiben. Was den Blutkreislauf angeht, so kann ohne Injektionen mit Sicherheit nur konstatiert werden, daß das Blut aus dem Herzen durch die vordere und hintere Aorta und die Arteria pedalis zum Teil in den Fuß, zum Teil in die Mantelfalte, Velen und Siphonen gelangt. Aus dem Fuß strömt es durch den vorhin erwähnten, in den Totalfiguren nicht eingezeichneten Längssinus in das Nieren- venensystem und von dort in die Kieme zurück. Aus den andern Körperräumen wird es durch die oben beschriebenen Kiemenarterien den Kiemen wieder zugeführt. Wird der hintere Retractormuskel ausgedehnt, so wird der Längssinus im hintern Teile des Fußes zusammengedrückt. Es kann dann kein Blut mehr aus dem Fuße in die Nierenvenen fließen. Die Blutmenge staut sich innerhalb des Fußes. und letzterer wird turges- cent. — Es sei noch bemerkt, daß ich, ebensowenig wie andere Autoren, welche in neuerer Zeit das Gefäßsystem der Acephalen studierten [JAnNssens (30) u. a.|, weder ein Endothel noch ein Endocard finden konnte. y) Die Excretionsorgane. Die Niere mündet zwischen dem Fuß und der Falte, welche die ursprüngliche Anlage der innern Kieme darstellt, nach außen. Diese Mündung ist eher vorhanden als die Kiemenfalte selbst. Die Lage- beziehung zwischen Kieme und Niere erleidet auch späterhin keine Verschiebungen (s. d. Fig. 18a [Taf. 6]). Der Ausführungsgang der Niere ist etwas nach hinten gekrümmt. Etwa auf dem Stadium der Fig. M (S. 210) mündet in diesen Endteil (ng) der Geschlechtsausfüh- rungsgang (99). Die Entstehung der Niere im einzelnen bedarf einer besondern Darstellung, die ich hier nicht unternehmen kann. 0) Die Geschlechtsorgane. Über die Entwicklung der Geschlechtsorgane sind weiter oben bereits einige Angaben gemacht worden. Sie entwickeln sich in jenem Zellenkomplex, der oberhalb des aufsteigenden Enddarmes ge- legen ist und den MEISENHEIMER als eine direkte Primitivanlage von Herz, Pericard, Niere und Geschlechtszellen auffaßt. Daß die Ge- schlechtszellen am frühzeitigsten in diesem Komplex sichtbar werden und in der untern Wandung der später auftretenden ventralen Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 255 Cölomsäckchen liegen, ist schon erwähnt. Ebenso wurde schon be- tont, daß sie später aus dieser Wandung herausrücken. Die Genital- zellen, die ursprünglich eine mediane Patte bilden, spalten sich später in 2 links und rechts unter dem Pericard gelegene Gruppen. Es tritt in diesen symmetrischen Komplexen von Geschlechtszellen sehr bald ein Lumen auf, das in einen Ausführungsgang (gg in Textfig. L, M, Q, W,—W, [S. 209, 210, 212, 232—233]) sich fortsetzt, welch letzterer wieder in den Nierenausführungsgang mündet. Die weitern Entwicklungsprozesse habe ich im einzelnen nicht untersucht. Doch scheint mir eine frühzeitige Differenzierung der männlichen und weiblichen Elemente einzutreten, indem die kleinern männlichen Zellelemente in dem äußern und nach vorn gerichteten Teil der noch nicht entwickelten Drüse liegen, die erößern weib- lichen dagegen nur in dem nach innen und zum Ausführungsgang hin gelegenen Teil vorhanden sind. Diese Lagen entsprechen den spätern männlichen und weiblichen Keimbezirken der ausgebildeten Zwitterdrüse. 7. Anhang: Die Kieme als Brutraum. Da die Kieme nicht bloß Respirations- und Strudelungsorgan ist, sondern bei Cyclas cornea auch in den Dienst der Brutpflege tritt, so mögen einige kurze Angaben über die Ausbildung der Brutkapseln gestattet sein. Diese Brutkapseln finden sich bei Cyclas cornea stets im vordern Teile der innern Kieme etwas ober- halb der Mitte der innern Lamelle und reichen dorsalwärts bis in die Gegend der Geschlechtsorgane hinauf. Über den Modus ihrer Ausbildung sind von frühern Autoren im allgemeinen überein- stimmende Mitteilungen gemacht worden. Sie sollen stets in einer Intersegmentarspalte zur Ausbildung kommen und zwar dadurch, dab die beiden den Intersegmentarspaltraum begrenzenden Epithelien zweier benachbarter Interlamellarbrücken Wucherungen bilden und in einer ringförmigen Zone um ein zwischen sie geratenes, in Furchung begriffenes Ei so miteinander verschmelzen, daß das Ei ins Innere des entstehenden Säckchens zu liegen kommt. Ein direkter Beweis für diesen Bildungsmodus der Brutkapseln ist bisher nicht geführt worden. Er wird sich auch für Cyclas cornea schwer er- bringen lassen, weil bei dieser Form stets mehrere Brutsäcke von ganz verschiedenem Alter vorhanden sind, deren Ausbildung nicht an eine bestimmte Jahreszeit gebunden ist; das Auffinden eines Stadiums, in welchem eine Brutkapsel noch nicht völlig ausgebildet 256 E. Warner 00e ist, bleibt daher vom Zufall abhängig. Nichtsdestoweniger glaube ich für Cyclas cornea einige Punkte anführen zu können, die ge- eignet sind, die ausgesprochene Vermutung über Ursprung und Ent- wicklung der Brutkapseln noch zu erhärten. Ein wesentlicher Unter- Fig. Z,. Teil eines Schnittes durch eine junge, oberhalb der innern Kiemen- lamelle gelegene Brutkapsel mit abgelösten Zellen im Innern. Es ist ein Teil des Schnittes ausgewählt, in welchem die innern Ränder zweier benachbarter Segmente I u. II mit ihrem subfilamentären Gewebe miteinander verschmolzen sind. e Em- bryo. 200:1. Fig. Z,. Teil eines Schnittes durch eine alte Brutkapsel (große, blasig auf- getriebene Zellen mit Kernkonglomeraten). 200: 1. schied besteht zwischen alten und jungen Brutsäcken. In den ältern sind im allgemeinen die Zellen groß, blasig aufgetrieben, von einem eroben Inhalte erfüllt (s. Fig. Z,) und weisen im Innern Konglo- merate von Kernen auf; die Zellen der Wandung junger Brutkapseln sind viel weniger aufgetrieben, enthalten keine Kernkonglomerate und gleichen vollständig dem Epithel der Interlamellarbrücken (s. Fig. Z,). Zwischen ältesten und jungen Brutkapseln lassen sich alle Übergänge finden. Dieselben Unterschiede wie die erwähnten findet man an den Zellen der einzelnen Bezirke einer alten Brut- kapsel; während in ihrer mittlern, d. h. ältesten Zone die Zellen den für die ältern Bruttaschen angegebenen Charakter aufweisen, ‚finden sich an den Randbezirken, d. h. an denjenigen Stellen, an welchen die Brutkapsel wächst und ihr Lumen vergrößert, Zellen- lagen, deren Zellen immer weniger aufgetrieben sind und die all- mählich ins Epithel der Interlamellarbrücken übergehen. Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 257 Werden die Wandungen der Brutkapseln bei der Reife der Embryonen gesprengt, so können die jungen Tiere nach außen ent- weichen, ohne das eine Verletzung der Kiemen eintritt. ZIEGLER (95) gab an, daß die ältern Brutkapseln stets mehrere Embryonen von nahezu gleicher Entwicklungsstufe enthalten und daß man, falls mehrere Brutkapseln vorhanden sind, von vorn nach hinten gehend, immer jüngere Stadien trifft. Dieser Umstand läßt auf eine gewisse Periodizität im Reifen der Geschlechtsprodukte schließen. Meine Be- funde stimmen mit denjenigen Zıester’s überein. Das Verhalten der Bruttaschen ist dadurch zu erklären, daß mehrere junge Kapseln mit- einander verschmelzen und daß die aus mehreren kleinern Säckchen entstandenen Bruttaschen ausschließlich in der Richtung nach vorn sich ausdehnen. Die Möglichkeit einer solchen Verschmelzung ist bereits von STEPANOFF (90) angegeben worden. Mit der Verschmel- zung müßte aber gleichzeitig eine Auflösung einzelner Kapselwände verbunden sein. Daß eine Auflösung oder ein Zerfall der Wände tatsächlich möglich ist, wird einleuchten, wenn man die folgenden Angaben über die Funktion der Brutkapseln in Betracht zieht. Schon STEPANOFF (90) beobachtete, daß Zellen von der innern Ober- fläche der Brutkapseln sich ablösen und von den Embryonen ge- fressen werden. ZIEGLER (95) fand im Vorderdarm und im Magen der Embryonen zahlreiche gefressene Zellen und bestätigte STEPANOFF'S Angaben. Meine Schnittserien zeigten in der Tat im Vorderdarm und im Magen und zwischen den Mundlappen zahlreiche Zellen; da dieselben zum Teil deutliche Kernkonglomerate aufwiesen, so konnte an ihrer Identität mit abgelösten Brutkapselzellen wohl kaum ge- zweifelt werden. Schnitte durch alle Stadien von Brutkapseln zeigten mir, daß nicht immer ganze Zellen sich ablösen, sondern manche Zellen völlig zerfallen oder nur ein Teil des Protoplasmas der Zellen sich abspaltet. Im letztern Falle legen sich die zurückbleibenden Kerne denjenigen einer Nachbarzelle an. Daraus erklären sich die bereits mehrfach erwähnten Kernkonglomerate. Siehe Fig. Z, u. Z,. Die abgelösten Zellen und Zellpartikelchen schwimmen in der Flüssigkeit, welche die Brutkapseln erfüllt und welche wohl ihrem Hauptbestandteile nach aus Wasser und den in Wasser löslichen Bestandteilen zerfallener Zellen besteht. Durch die Wände der Bruttaschen findet zweifellos ein Austausch des Wassers mit dem- jenigen des Intersegmentarspaltraumes statt. Die frühzeitige Aus- bildung der Kiemen und der sie charakterisierenden Flimmerzellen und Flimmerlinien läßt sich auf zwei Funktionen dieser Elemente 258 E. WASSERLOOS, zurückführen. Sie genügen einerseits dem erhöhten Sauerstoffbedürf- nis des wachsenden Embryos, indem sie eine verstärkte Bewegung des Wassers innerhalb der Brutsäcke erzeugen, andrerseits gehen die Flimmerlinien, welche die marginalen Rinnen der innern Kiemen bekleiden, so frühzeitig eine für sie charakteristische Verbindung mit den Velen ein, daß der Schluß nahe liegt, daß sie auch physio- logisch frühzeitig mit den Velen zusammenwirken und die Nahrung herbeistrudeln. Daß ein solcher Schluß nicht unberechtigt ist, geht daraus hervor, daß man an herauspräparierten oder geschnittenen Kiemen der Embryonen mittlern Alters am marginalen Rande und an den vertikalen Flimmerlinien, welche durch die Seitenzellen ge- bildet werden, zahlreiche Zellen findet, welche nicht dem Organismus des Embryos angehören, sondern zweifellos mit den durch die Tätig- keit der Flimmern erzeugten Strömungen hierher gelangten und zerfallene Zellen der Brutkapseln darstellen. Der Vollständigkeit wegen sei jedoch erwähnt, daß bei der Präparation auch Zellen und Zellteile des Muttertieres herangestrudelt werden können. II. Die Entwicklung der Kiemen bei andern Genera des süfsen Wassers (Vergleichsobjekte). Die Vergleichsobjekte, an denen die Entwicklung der Kiemen untersucht wurde, lassen sich in 3 Gruppen einteilen: 1. Gen. Caly- culina und Gen. Pisidium, welche im ganzen Habitus eine große Ähnlichkeit mit Cyclas aufweisen und mit der letztern eine Brut- pflege innerhalb besonderer, an den Kiemen entstehender Bruttaschen gemeinsam haben; 2. Gen. Unio und Anodonta (die Najaden), welche einen weitgehenden Parasitismus zeigen; 3. eine Form mit frei- schwimmender Larve, Dreissensia polymorpha. Bei der erstern Gruppe und der unter 3. erwähnten Form ist im allgemeinen das Bild der gesamten Organogenese ein viel klareres als bei den Najaden, bei denen zahlreiche Organe zur Ausbildung kommen, deren einzige Aufgabe es ist, die Ansiedlung der Glochidien auf der Fischhaut zu ermöglichen, und die im Verlaufe der Entwicklung durch eine eänzliche Umgestaltung zu den definitiven Organen herangebildet werden. Es erübrigt sich, bei diesen Vergleichsobjekten auf alle Einzelheiten der Kiemenentwicklung zurückzukommen. Meine Dar- stellung soll sich darauf beschränken, mit der Kiemenentwicklung von Cyclas cornea Identisches und von ihr Abweichendes hervor- zuheben. Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 259 a) Gen. Calyculina: C. lacustris MÜLLER. Schon aus Totalpräparaten der Embryonen von Calyculina lacustris und aus Präparaten herausgenommener Kiementeile ist zu ersehen, daß die Kiemenentwicklung bei dieser Form in allen Zügen mit derjenigen von Cyclas cornea übereinstimmt. Auch in bezug auf histo- logische Einzelheiten zeigen sich auf Schnitten keinerlei Unterschiede. Die Kieme erscheint auch bei Calyculina lacustris als eine Ectodermleiste an der ventralen Seite des ursprünglichen Mantel- wulstes. Die Leiste wird zu einer Falte, welche durchfenstert wird. Die Falten der beiden Körperseiten wachsen nach hinten und ver- einigen sich hinter dem Fuße. Sie sind an den Fuß befestigt durch jene eigenartigen Flimmerbürsten, wie sie für Cyclas cornea be- schrieben wurden. Auch ihre hintern Enden sind durch dieselbe Konkreszenz miteinander verbunden. Die Entwicklung der innern Lamelle stimmt gleichfalls mit derjenigen von Cyclas cornea überein. Die äußere Kieme erscheint auf dem gleichen Stadium wie bei Cyclas cornea in Form einer longitudinalen Ectodermleiste auf der Außenseite des dorsalen Teiles der innern Kieme; diese Leiste wird zu einer in den dorsalen Teil des Mantelraumes hineinragenden Falte, welche in ihrem mittlern Teil in der Richtung von ventral nach dorsal durchfenstert wird. Die Durchfensterung schreitet von einem mittlern Bezirke aus gleichzeitig nach vorn und hinten fort. Die ältesten der dabei entstehenden Filamente liegen etwas hinter der Mitte des Visceralganglions. Später wächst derjenige Teil der äußern Kieme, der an der innern befestigt ist, etwas nach ventral wie bei Cyclas cornea, so daß er den dorsalen Teil der innern Kieme etwas überdeckt. Die Embryonen von Calyculina lacustris sind etwas kleiner als diejenigen von Cyclas cornea. b) Gen. Pisidium: P. pusillum GMELIN. Im Gegensatz zu Ray LankEsTERS Angaben (40) konnte ich feststellen, daß bei Pisidium pusillum die ursprüngliche Kiemenanlage nicht aus Papillen besteht, sondern aus einer Ectodermverdickung, welche alsbald zu einer Falte auswächst. Diese Falte weist dieselbe Lage auf wie bei Cyclas cornea und wird auch in der für diese Form angegebenen Weise durchfenstert. Damit ist der. Widerspruch beseitigt, der zwischen den zweifellos nahe verwandten Genera Pisidium und Cyclas 260 E. WaAssERLOOS, a in der Literatur bestand und auf den schon KorsSCHELT u. HEIDER (35) ‘hingewiesen haben. Auch die innere Lamelle der innern Kieme entsteht genau nach demselben Modus, wie er für das Hauptunter- suchungsobjekt beschrieben wurde. Die Embryonen von Pisidium sind an Totalpräparaten in ihrer gesamten Organisation insofern einfacher und klarer als diejenigen von Cyclas, als die äußere Kieme während der Embryonalentwicklung völlig fehlt. Dieselbe kommt erst während der postembryonalen Entwicklung zur Ausbildung auf einem Stadium, das man mit Recht als Jungtier bezeichnen kann. Beim Verlassen der Brutkapseln sind die Jungen von Pisidium pusillum etwa 1,1 mm lang und 0,8 mm hoch. Die ausgewachsenen Tiere messen im Mittel etwa 3,3 mm an Länge und 2,8—3 mm an Höhe. Die erste Anlage der äußern Kieme zeigt sich nun auf einem Stadium, das etwa 2 mm lang und 1,8 mm hoch ist. Diese Anlage stellt auch hier eine auf der Außenseite des dorsalen Bezirkes der innern Kieme gelegene KEctodermleiste dar, welche zu einer Falte wird. Die Falte wächst dorsalwärts in den Mantelraum hinein, der bei Pisidium, genau wie bei Cyclas, in der Gegend des Visceralganglions stark nach dorsal zum Schlosse hin er- weitert ist. Die in Rede stehende Falte wird alsbald durchfenstert. Die Durchfensterung findet von einer mittlern Zone aus nach vorn und hinten statt. Ob die dabei zuerst entstehenden Filamente etwas hinter der Mitte der gesamten Anlage liegen, läßt sich schwer ent- scheiden; jedoch ist dieser Punkt für den ganzen Prozeß der Ent- wicklung völlig belanglos. Ein weiterer Unterschied zwischen Pisidium und Cyclas besteht darin, daß bei der erstern ein Wachstum der Filamente der äußern Kieme ventralwärts nicht eintritt und die äußere Kieme die innere nicht überdeckt. Die äußere Kieme von Pisidium bleibt etwa auf einem Stadium stehen, wie es Fig. M auf S. 210 für Cyclas cornea darstellt. Eine größere Zahl erwachsener Individuen wurde in bezug auf die äußere Kieme untersucht; ein ventrales Überwachsen der äußern Kieme über die innere konnte in keinem Falle konstatiert werden. Immerhin wäre es denkbar gewesen, daß erst im spätern Alter bei der in Rede stehenden Form ein solches Überwachsen stattfindet, dann hätten aber unter den untersuchten Tieren jedenfalls solche alten Individuen sich finden müssen. Die äußere Kieme von Pisidium weist da- her auch keine 2 „Lamellen“ auf; sie besteht nur aus einer in den dorsalen Teil des Mantelraumes hinein- Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 261 ragenden Lamelle. Ihr gesamter Bau kann nach dem Gesagten durch die für das Stadium der Fig. M für Cyclas gegebenen schema- tischen Figg. P,—P, (8. 227) erläutert werden. Im Vergleich zu der äußern Kieme von Cyclas und Calyculina erscheint diejenige von Pisidium reduziert. Das Lebensalter des Stadiums von Pisidium, in welchem die äußere Kieme erscheint, kann nicht genau, sondern nur schätzungsweise angegeben werden. Zwecks einer genauern Bestimmung sind Züchtungen postembryonaler Tiere während einer längern Zeit, eventuell mehrere Jahre hindurch, not- wendig. Möglicherweise kommt die äußere Kieme, wie SCHIERHOLZ (47) für die Najaden vermutete, erst mit eintretender Geschlechtsreife zur Ausbildung. Jedenfalls ist denkbar, daß mit Beginn der ersten Brut die innere Kieme so stark bei der Bildung von Brutkapseln in Anspruch genommen wird, dab sie zur Atmung nicht mehr aus- reicht. Bei den Najaden liegt zwischen der Entwicklung der innern Kieme und dem Erscheinen der äußern nach SCHIERHOLZ (77) ein Zeit- raum von 2—3 Jahren. Bei Pisidium scheint, wenn man die oben angegebenen Größenverhältnisse der Tiere in Betracht zieht, die äußere Kieme im 2. oder 3. Lebensjahre zu entstehen. Merkwürdig bleibt das späte Auftreten der äußern Kieme von Pisidium pusillum im Verhältnis zur frühzeitigen Ausbildung dieses Organs bei Cyclas und Calyculina. Wenn man aber bedenkt, dab, wie weiter unten im theoretischen Teil gezeigt werden soll, die äußere Kieme der Acephalen sich überhaupt als sehr plastisch und leicht reduzierbar erweist, so verliert der zwischen Cyclas und Pisidium konstatierte Unterschied viel an Auffälligkeit. Durch die erwähnten Unterschiede in der Ausbildung der äußern Kieme ist es ermöglicht, für irgendwelche postembryonalen Stadien der Acephalen des Süßwassers zu bestimmen, ob es sich um ein junges Pisidium einerseits oder eine junge Cyclas oder Calyculina andrerseits handelt. Bei den letztern ist die äußere Kieme bereits ziemlich entwickelt und überdeckt den dorsalen Teil der innern Kieme, bei dem erstern fehlt sie bei jüngern Stadien noch voll- ständig, bzw. überdeckt sie bei ältern den dorsalen Teil der innern Kieme nicht. c) Die Najaden. Gen. Unio: U. tumidus Rerzıus u. U. pictorum LINNé. Gen. Anodonta: A. piscinalis NILSON. Da die Genera Unio und Anodonta in bezug auf die Anlage 262 E. WassERLoos, und Entwicklung der Kiemen völlig übereinstimmen, können sie hier gemeinschaftlich behandelt werden. Bei beiden Genera ist die Ent- wicklung der Kieme schon so häufig Gegenstand der Untersuchung gewesen, daß ich mich kurz fassen kann. Die Kiemen entstehen bei den Najaden während des Parasiten- stadiums. In ihrer ursprünglichsten Form stellt die Kiemenanlage eine Epithelverdickung an der Innenseite der Mantelfalte dar. Diese Hervorwölbung ist identisch mit den Randwülsten der sogenannten seitlichen Gruben der ältern Autoren. Die Ectodermverdickung zer- fällt alsbald unter lebhaften Zellteilungen nach dem Prinzip des ungleichen Wachstums in eine Reihe hintereinander gelegener Knöpfe. Indem der vorderste Knopf nach ventral in die Länge wächst, ent- steht die vorderste Kiemenpapille. Die zweite knopfförmige Er- hebung beginnt dann ebenfalls in die Länge zu wachsen. Indem diese Art der Entwicklung fortdauert, entstehen bis zum Ende des parasitischen Lebens auf jeder Seite des Körpers 3 hintereinander liegende Papillen. Diese Papillen sitzen auf der Ectodermverdickung auf; diese letztere wächst ebenfalls ein wenig nach ventral, und in ihrem Innern Kommt ein geringes Lumen zur Ausbildung. Wenn man dieses Lumen berücksichtigt, so zeigt die ganze Anlage eine gewisse Ähnlichkeit mit der Kiemenanlage von Cyclas auf einem Stadium, wie es etwa Fig. G (S. 198) zeigen würde und auf welchem eine Durchfensterung der ursprünglichen Falte erst eben eingesetzt hat. Was jedoch die Kiemenanlage der Najaden von der- jenigen von Cyclas unterscheidet, ist der Umstand, daß die ventralen Enden der Papillen nicht mitein- ander verbunden, sondern völligfreivoneinander sind. Die Najaden gehören daher nicht dem Faltenmodus, sondern dem Papillenmodus an. In gewissem Sinne sind bei Cyclas die Inter- filamentarspalten das Primäre, die Filamente dagegen sekundär durch die Interfilamentarspalten erzeugt; bei der Kiemenanlage von Unio und Anodonta ist das Umgekehrte der Fall. Das Epithel der Papillen ist mit Wimpern dicht besetzt. Früh- zeitig tritt ähnlich wie bei Cyclas cornea eine Sonderung der in vertikaler Richtung kürzern Höhen- und Eckzellen von den längern Seitenzellen ein. Bei den Najaden tragen auch die erstern von vorn- herein kräftige Flimmern. Fig. 22 (Taf. 7) stellt einen Querschnitt durch die Filamente (f,,f,,f,) einer postparasitären 4 Tage frei- lebenden Anodonta dar; es sind an den einzelnen Filamenten die Höhenzellen (hz), die Eckzellen (ez), die wimperlosen Schaltzellen Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 263 [2 (sche), die Seitenzellen (sz) in derselben Anordnung wie bei den Filamenten von Cyclas, Calyculina oder Pisidium wahrzunehmen. Im Innern ist bereits das Stützgerüst (st) zur Ausbildung gekommen. Die Kiemenpapillen stehen ursprünglich senkrecht zur Längs- achse des Körpers; später nehmen sie eine mehr schräge Richtung an. Nach Harms (23) sollen sie auf den jüngern postparasitären Entwicklungsstufen etwas nach innen umschlagen. Ob dadurch, wie Harms (23, p. 375) angibt, eine zweischichtige Kiemenlamelle zustande kommt, ist, wie mir scheint, nicht mit Sicherheit anzunehmen. Wenn auch wahrscheinlich die Bildung der innern Lamelle mit diesem Umknicken der Papillen eingeleitet wird, so ist es doch fraglich, ob ausschließlich durch eine Reflexion die innere Lamelle zustande kommt oder ob noch andere Prozesse dabei eine Rolle spielen. Der- gleichen ältere postparasitäre Stadien mit in Entwicklung begriffener innerer Lamelle der innern Kieme sind bisher nicht untersucht worden. Da meine Infektionen größtenteils fehlschlugen, konnte ich mir die erforderlichen Stadien nicht durch Züchten meiner wenigen postparasitären Tiere verschaffen, sondern mußte mich darauf be- schränken, diese letztern zu untersuchen. Die erforderlichen ältern Stadien draußen im Freien im Schlamme der Gewässer zu suchen, wäre ein ebenso mühsames wie wenig aussichtsvolles Unternehmen gewesen. Es gelang mir nicht einmal junge, viel größere Tiere mit undifferenzierter Anlage der äußern Kieme im Freien aufzu- finden. Nach Vornea’s Angaben (92) soll bei Anodonta die äubere Kieme auf einem Stadium von etwa 1 cm Länge sich bilden. An allen Tieren, die ich fand, war die Anlage der äußern Kieme bereits zu weit differenziert, um einen Schluß auf die ursprüngliche Bildung zuzulassen. Daher habe ich Vornea’s Angaben über die Entwick- lung der äußern Najadenkieme nicht kontrollieren können. Bereits in der Einleitung ist darauf hingewiesen worden, dab VorneA fälschlicherweise aus Mangel an lückenlosem Material die Najaden dem Faltenmodus zugerechnet hat. Die ursprüng- liche Anlage der innern Kiemen bei den Najaden be- steht nicht aus einer Falte, sondern, wie schon SCHIER- HOLZ (77) und Braun (4) angaben, aus Papillen. d) Dreissensia polymorpha. In dem mir von Herrn Prof. MEeISENHEIMER übergebenen Material fehlten leider die Stadien mit der allerursprünglichsten Kiemenan- lage, so daß ich den Entwicklungsmodus für die ersten Stadien nicht 264 E. WAssERLOOS, einwandsfrei feststellen konnte. Auf den jüngsten Stadien, die mir vorlagen, bestand die Kieme auf jeder Seite des Körpers aus einer Reihe hintereinander liegender Papillen. An den ersten dieser Pa- pillen waren die ventralen Enden an den einander zugekehrten Seiten erweitert und eben zu einer longitudinalen Brücke miteinander verschmolzen. Die hintersten Papillen saßen einer kurzen Ectoderm- verdickung auf, und ihre ventralen Enden waren völlig frei von- einander. Auf denältern und ältesten der von mir untersuchten Stadien waren die hintersten, jüngsten, auf einer Ectodermleiste in der Richtung von vorn nach hinten hintereinander hervorsprossenden Papillen ventral völlig frei, während die vor ihnen liegenden ältern durch eine ventrale Querbrücke miteinander verbunden waren. An der letztern waren in grüberm oder geringerm Maße in der Richtung von vorn nach hinten auftretende Differenzierungen wahrzunehmen, auf die ich weiter unten zurückkomme. Auf den mittlern und ältesten Entwicklungsstadien entsteht also die Kieme aus Papillen, welche auf einer in der Rinne zwischen Fuß und Mantel gelegenen Ectoderm- leiste in der Richtung von vorn nach hinten hintereinander hervor- sprossen. Da für die vordersten Filamente eine gleiche Entstehung mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist — vom 5. Filament ab konnte ich die Entwicklung verfolgen —, so ist Dreissensia poly- morpha den Formen mit Papillenmodus zuzurechnen. Über die ursprünglichste Anlage vermögen vielleicht MEISENHEIMER'sS Figuren (45, tab. 5) einige Aufklärung zu geben. Nach ihnen zu schließen, stellt die ursprünglichste Anlage der Kieme eine in der Rinne zwischen Mantel und Fuß liegende Ectodermleiste dar; die Zellen dieser Eetodermverdickung teilen sich lebhaft, und es kommt in ihr ein geringes Lumen zur Ausbildung, während sie gleichzeitig in eine Reihe hintereinanderliesender Knöpfe zerfällt, welch letztere zu Papillen auswachsen. Bei Dreissensia sind die gesamten Bildungsvorgänge bei der Kiemenentwicklung an Totalpräparaten besser zu verfolgen als bei Cyclas, weil bei ihr die Interfilamentarspalten größer sind und der Mantel dünner und durchsichtiger ist. Soweit ich an den im hintersten Teile der Kieme entstehenden Papillen der ältern Stadien und an den vordersten Papillen der mir vorliegenden jüngsten Entwicklungsstufen feststellen Konnte, werden die Papillen sehr schnell zu Filamenten, indem an ihnen bewimperte Höhen- und Eckzellen. wimperlose Schaltzellen und flimmertragende Seitenzellen sich herausdifferenzieren. Die beiden Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 26 erstern sind im Verhältnis zu den zuletzt genannten in vertikaler Richtung viel kürzer und daher ähnlich wie bei den bisher unter- suchten Formen deutlich voneinander zu unterscheiden (siehe ez und sz in Fig. 23, Taf. 7). Die Flimmern sind etwas stärker als die- jenigen, mit denen die Filamente von Cyclas bekleidet sind. Die marginale Brücke, welche die Kiemenfilamente von Dreissensia verbindet und welche durch sekundäres Verschmelzen der ventralen Enden der Papillen entsteht, stellt genau wie die bei Cyclas infolge des Durchfensterungsmodus von vornherein vorhandene marginale Brücke die erste Anlage der innern Lamelle der innern Kieme dar. Die Brücke entsteht sehr frühzeitig; auf einem Stadium, das 5 Papillen aufweist, ist an den 3 ersten die Bildung derselben bereits nahezu vollendet. Dieses frühzeitige Auftreten erscheint weniger auffällig, wenn man bedenkt, daß Lacaze-Durarers für Mytilus an Total- präparaten eine Verschmelzung der ventralen Enden der Kiemen- filamente feststellte, wenn 12—14 Papillen vorhanden waren; nur an den hintersten 4—5 war dabei eine Verschmelzung noch nicht ein- getreten. Das von LACAZE-DUTHIERS (38) in seiner fig. 5 abgebildete entsprechende Entwicklungsstadium zeigt indessen, daß die marginale Brücke nicht nur schon entstanden, sondern auch schon weitgehend differenziert und die Entwicklung der innern Lamelle der innern Kieme bereits ziemlich fortgeschritten ist. Die marginale Brücke muß also auch bei Mytilus noch früher auftreten. In der Beschleuni- sung der Bildung der innern Lamelle der innern Kieme ist viel- leicht die Ursache des Überganges von dem Papillenmodus in den Faltenmodus zu suchen, welch letzterer, wie weiter unten gezeigt werden soll, als ein Abkürzungsprozeß aufgefaßt werden mub. Meine weitern Beobachtungen beschränken sich auf die Ent- wicklung der innern Lamelle der innern Kieme bis zu einem Grade, wo dieselbe etwa die Mitte der Höhe der äußern Filamentreihe er- reicht hat. Nach der Entstehung der marginalen Brücke dehnen sich die Filamente, mit dem Gesamtwachstum des Körpers gleichen Schritt haltend, in vertikaler Richtung aus, während sie ihm früher - im Wachstum in dieser Richtung vorauseilten. Die marginale Brücke erhält alsbald ein Lumen, welches sich nach innen zum Fuße hin und gleichzeitig nach dorsal ausdehnt. Das Wachstum in letzterer Richtung dauert fort, und es resultiert so aus der marginalen Brücke eine in dem Raume zwischen Fuß und äußerer Filamentreihe dorsalwärts in die Höhe wachsende ursprünglich kontinuierliche Falte. Die Fig. 23 (Taf. 7) zeigt einen 266 E. WAsSERLooSs, transversalen Schnitt durch ein Stadium, das etwas älter ist als das von MEISENHEIMER (45) in seiner fig. 58 (tab. 5) abgebildete und auf welchem die marginale Brücke (mbr) eben ihr Wachstum in dorsaler Richtung beginnt. Sehr frühzeitig setzen an der entstehenden Falte Differen- zierungen ein, welche eine Durchfensterung und damit einen Zerfall in Filamente bewirken. An der innern dem Fuße zugekehrten Seite der Falte treten Invaginationen auf, welche am ventralen Rande beginnen und allmählich nach dorsal aufsteigen. In der ventralen Region, in der äußere Filamentreihe und Falte zusammenhängen, kommt es zu Durchbrechungen, indem die zuletzt erwähnten Ein- kerbungen den Interfilamentarspalten immer mehr entgegenwachsen. In der ventralsten Partie bleiben allerdings die Filamente wie bei Cyclas durch eine quere Brücke miteinander verknüpft (s. Fig. 24a Taf. 7). Die Falte, welche die innere Lamelle der innern Kieme aus sich hervorgehen läßt, ist nicht steil aufwärts gerichtet, sondern zum Fuße hin etwas geneigt. Es treten alsbald dorsal von der Linie, an welcher sie mit der äußern Filamentreihe zusammenhängt, Invaginationen auch auf ihrer Außenseite auf, welche denjenigen auf der Innenseite entgegenwachsen, während der dorsale Teil der Falte stets kontinuierlich bleibt. Bevor jedoch eine Durchfensterung der Falte erfolgt, verschmelzen die zum Fuß hin liegenden subfilamen- taren Gewebe eines jeden zweiten Filaments der äußern Lamelle mit der nach außen liegenden Wand der Falte; erst nach dieser Ver- schmelzung tritt die Durchfensterung ein. Jedes zweite Filament der innern und der äußern Lamelle sind daher durch eine Interlamellar- brücke miteinander verbunden, während die dazwischen liegenden Fila- mente frei sind. Die Figg. 24a—c (Taf. 7) geben Aufschluß über den zu- letzt erwähnten Prozeß. Der Schnitt in Fig. 24c zeigt, dab jedes zweite Filament der äußern Lamelle (dl. 7k) mit der nach dorsal wachsenden Falte (2. 2k) verschmilzt, während die Durchfensterung stattfindet. Da der gesamte Prozeß in der Richtung von ventral nach dorsal vor sich geht, so ist in dem in Fig. 24b abgebildeten, weiter ventral liegenden Schnitte eine höhere Stufe der Entwicklung sichtbar. Jede zweiten Filamente beider Lamellen (7. ik u. dl. ik) sind durch eine Interlamellarbrücke (2b) miteinander verbunden. Der Inter- lamellarraum ist, wie bereits oben erwähnt, deutlicher als bei Cyelas, bei welcher sämtliche Filamente durch Interlamellarbrücken mitein- ander verbunden sind. Der in Fig. 24a abgebildete Schnitt liegt im ventralsten Teile der innern Kieme; er ist bereits oben erwähnt und Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 267 braucht hier nicht näher erläutert zu werden. Die Falte, aus welcher die innere Lamelle der innern Kieme hervorgeht, wächst nach dorsal, bis sie den Insertionsbezirk der äußern Lamelle erreicht hat, denn beim erwachsenen Tier sind beide Lamellen gleichlang. Ihr dor- saler, stets kontinuierlich bleibender Teil wird dabei zu einem zu- führenden Blutgefäß. Die Interfilamentarverbindungen entstehen frühzeitig, indem in gewissen Höhen der Kieme an den einander zugekehrten Seiten die Filamente mit ihrem subfilamentaren Gewebe verschmelzen. Über die Anlage und Ausbildung der äußern Kieme kann ich keine Angaben machen. In dem von mir untersuchten Material waren nur 2 Tiere mit äußerer Kieme vorhanden. In beiden Fällen war jedoch die Anlage schon zu weit differenziert, als das ein Schluß auf ihre Bildungsweise möglich gewesen wäre. Die äußere Kieme entsteht auf einem Stadium, das etwa 1 mm lang ist, und bildet sich, wie ich beobachten konnte, ähnlich wie bei Cyclas von einer mittlern Zone aus nach vorn und hinten. Sobald ich Gelegenheit finde, gedenke ich mir im Plöner-See das nötige Material zu verschaffen, um die Ausbildung der äußern Kieme feststellen und gleichzeitig die jüngern Stadien kontrollieren zu können. E. Theoretische Betrachtungen. Um die gewonnenen Befunde mit denjenigen früherer Autoren in Einklang zu bringen, soll nunmehr in Kürze die Kiemenentwick- Jung in der Phylogenie diskutiert werden. Um so größere Vorsicht ist dabei geboten, als die vorliegenden Untersuchungen nur an einer kleinen Zahl von Formen ausgeführt wurden und die untersuchten Tiere zu den hochspezialisierten Süßwasseracephalen gehörten. Daß bei der Bildung der innern Kieme deutlich zwei Modi zu unterscheiden sind, ist durch die vorliegende Untersuchung aufs neue bestätigt. Cyclas cornea, Calyculina lacustris und Pisidium pusillum zeigen genau dieselbe Kiemenanlage, wie HATSCHEK (24) sie für Teredo beschrieben hat. Der Faltenmodus, d. h. die Durchfensterung einer ursprünglich kontinuierlichen Kiemenfalte, kann daher als fest- gestellt gelten für die Genera: Cyclas, Calyculina, Pisidium, Teredo, Jousseaumiella und Scioberetia. Den Formen mit Papillenmodus ist vorläufig Dreissensia neu hinzuzufügen. Unio und Anodonta gehören nicht, wie VoıneA (92) vermutet, dem Faltenmodus an, sondern sind gleichfalls den Formen mit Papillenmodus zuzurechnen. Nach Zool. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. 18 268 E. WAsserLoos, dem heutigen Stande unserer Kenntnisse über die Entwicklung der Acephalenkieme kommt der Papillenmodus folgenden Formen zu: Nucula, Mytilus, Mya, Unio, Anodonta, Dreissensia. Fiir andere schon (von Loven etc.) untersuchte Formen ist der Modus aus der Lite- ratur nicht eindeutig festzustellen (man vergleiche die Einleitung S. 176 u. 181). Die Papillen entstehen bei allen angegebenen Formen in der Richtung von vorn nach hinten. PELSENEER (62, in Buan- CHARD, Traité de Zoologie, Mollusques, p. 132) hat Ray LAnkEsTEr’s Angaben (40) über die Kiemenanlage von Pisidium verallgemeinert und nimmt eine Entstehung der Filamente in der Richtung von hinten nach vorn an. Diese Verallgemeinerung ist nach den vor- liegenden Befunden nicht statthaft. Es soll nunmehr die Frage untersucht werden, wie sich der Unterschied in der Ausbildung und Differenzierung der beiden Kiemenanlagen erklärt. VoineA (92, p. 40) ist der Ansicht. daß der Papillenmodus nur den weniger spezialisierten, primitiveren Formen unter den Lamellibranchiaten eigentümlich sei. Da er: die Najaden dem Faltenmodus zurechnete, welcher nach seiner Meinung nur hoch- spezialisierten Formen zukommt, so konnte er den Widerspruch nicht empfinden, der nach dem Gesagten in der von ihm vertretenen An- sicht liegt. Was würde z. B. dazu berechtigen, die Najaden oder Dreissensia in bezug auf den Kiemenbau als primitivere Formen an- zusehen als Cyclas oder Teredo? Zunächst ist zu entscheiden, welcher von den beiden Modi überhaupt der ursprünglichere ist. Einfach den Papillenmodus, wie Vomra (92, p. 40) es tut, als ur- sprünglicher aufzufassen, weil er mit der auf Grund vergleichend- anatomischer Beziehungen als primitiver aufgefaßten Filamentkieme eine größere Ähnlichkeit aufweist als der Faltenmodus, ist nicht angingig. Wenn man aber bedenkt, daß die Köpfchen der Papillen zu einer Brücke miteinander verschmelzen und aus der letztern ge- nau wie aus der als Rest der ursprünglich kontinuierlichen Falte zu betrachtenden Brücke, welche die Köpfchen der Filamente bei Cyclas verbindet, die innere Lamelle der innern Kieme hervorgeht, so kann kein Zweifel bleiben, daß der Faltenmodus eine Abkürzung in der Genese des Branchialsystems darstellt. Da vorläufig die Zahl der Acephalen, für welche der Falten- modus beschrieben wurde, sehr klein ist, so kann kein endgültiges Urteil darüber abgegeben werden, welche Faktoren diese Abkürzung herbeigeführt haben. Es spielt jedenfalls die Notwendigkeit einer stärkern Atmung für den wachsenden Embryo, vielleicht gleichzeitig die Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 269 Notwendigkeit einer Beschleunigung aus andern biologischen Gründen dabei eine Rolle. Ob auch die Brutpflege innerhalb der Kiemen (Cyclas, Pisidium, Calyculina, jüngere Stadien von Teredo) einen Einfluß auf die Ausbildung des Faltenmodus gehabt hat, ist sehr zweifelhaft. Dievorliegende Untersuchungzeigt,daßdiereflek- tierte Lamelle der innern Kieme nicht aus einer Lamelle=Membran entsteht, wiedie Beschreibung von LACcAZE-DUTHIERS (38) vermutenläßt, sondernaus einer Falte sich bildet. Diese Falte zerfällt in Filamente; sie wird zu einer innern Filamentreihe, welche mit der früher auftretenden äußern Filamentreihe charakteristische Verbindungen eingeht und in ihrem dorsalen Teile ein Blutgefäß zur Ausbildung bringt. Das Gesagte gilt nicht nur für den Faltenmodus, sondern, wie bereits aus LACAZE-DUTHIERS’ Untersuchungen an Mytilus hervorgeht, auch für den Papillenmodus. Die Entstehung der innern Lamelle der innern Kieme aus einer Falte ist zweifellos ebenfalls als ein Abkürzungs- prozeß aufzufassen. Ob diese Art der Bildung der innern Lamelle daher allen Formen mit Papillenmodus zukommt, bleibt abzuwarten. Es sei jedoch daran erinnert, daß bei manchen Filamentkiemern, wie z. B. Anomia, Arca, Amusium [s. Rinewoop (74, p. 171) und Lane (39, p. 142)], die dorsalen Enden der aufsteigenden Schenkel der Kiemenfäden nicht wie bei Mytilus durch ein Blutgefäß miteinander verbunden, sondern frei sind. Wenn eine einfache Reflexion der Filamente stattfindet, so wäre sie, wie bereits KELLOGG (32, p. 428) vermutete, bei Formen mit derartigem Kiemenbau in erster Linie zu suchen. Solche Formen sind aber in ihrer Entwicklung bis- her nicht untersucht worden. Ob bei den Najaden die Papillen ein- fach umknicken und keine Falte entsteht, bleibt, wie schon oben betont, einer eingehenden Untersuchung vorbehalten. Bei den Genera Cyclas, Calyculina, Pisidium bildet auch die äußere Kieme sich nach dem Faltenmodus. Diese Art der Ent- stehung stellt ohne Zweifel ebenfalls eine Abkürzung dar. In ur- sprünglicherer Gestalt — Papillenform — finden wir nach LACAZE- Durutiers die Anlage der äußern Kieme bei Mytilus. Aber auch bei dieser Form weist die Genese wiederum stark veränderte, abkürzende Züge auf, indem die äußere Lamelle aus einer nach dorsal wachsen- den „Membran“ entsteht, die wir wohl auch in diesem Falle einer Falte gleichsetzen dürfen. Die ursprünglichsten Verhältnisse würden genau wie bei der innern Kieme bei Formen wie Arca zu vermuten sein; denn auch die äußere Kieme weist bei denselben die oben er- 18* 270 E. WASSERLOooSs, wähnte Eigentümlichkeit auf. Vielleicht ist es nicht unangebracht hier zu erwähnen, dab man die Kiemen von Arca, Anomia usw. auf Grund vergleichend-anatomischer Beziehungen als die primitivsten Filamentkiemen auffaBt. Bei Cyclas, Calyculina und Pisidiwm wächst die Falte, welche die Anlage der äußern Kieme darstellt, nicht nach ventral, wie bei den innern Kiemen oder der äußern Kiemenanlage von Mytilus, sondern sie wächst aufwärts in den dorsalen Teil des Mantelraumes hinein. Erst nachträglich beginnt bei Cyclas und Calyculina die äußere Kieme in ihrem marginalen Teile ein einfaches ventral ge- richtetes Wachstum, so dab sie auf den postembryonalen Stadien die innere Kieme etwas überdeckt. Bei Pisidium tritt dieses Wachstum nicht ein. Nur im ventralsten Teile der äußern Kieme sind bei Cyclas und Calyculina 2 Lamellen zu unterscheiden, die aber nicht nach dem von LacazE-DUTHIERS angegebenen und von spätern Autoren verallgemeinerten Modus entstanden sind. Die äußere Kieme erweist sich überhaupt, wie schon VOINEA’S (92) Befunde über die Entwicklung der Najaden zeigten, als sehr plastisch. Bei ihrer Entwicklung sind noch stärkere Abänderungen als bei der Bildung der innern Kieme festzustellen. Jedenfalls ist es nicht statthaft, wie es bisher geschah, ohne weiteres für alle Formen bei der äußern Kieme die innere Lamelle als die ursprüngliche, die äußere als die reflektierte zu betrachten oder überhaupt eine derselben als sekundär aufzufassen. Diese Auffassung findet sich aber in fast allen Arbeiten der vergleichend-anatomischen Richtung |[PEck (63), MéÉnéGaux (52)|, hierher gehört auch v. JHE- RING (31, p. 475), Lane (39) u. a. Wie erklärt sich das abweichende Verhalten in der Wachstums- richtung der Anlage der äußern Kieme bei Cyclas, Calyculina und Pisidium? Es ist naheliegend, bei dieser Frage an die verkürzte und abgerundete Körpergestalt dieser Formen zu denken, welche im hintern Teile eine Verlängerung des Mantelraumes in dorsaler Rich- tung zur Folge gehabt hat. Letzteres geht ja daraus hervor, dab die Insertionsstelle der Kiemen, welche wir für gewöhnlich in der Rinne zwischen Fuß und Mantel finden, ventralwärts verschoben ist. Auf diese Verhältnisse mußte schon vorher genauer eingegangen werden. Es ist leicht einzusehen, dab eine ausgiebigere Berührung mit frischem Wasser, das in den Mantelraum einströmt, stattfinden kann, wenn die äußere Kieme dorsalwärts in die dorsale Verlänge- Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. al rung des Mantelraumes hinaufsteigt, als wenn sie nach ventral herunterhängt und zwischen innerer und äußerer Kieme ein enger Raum (Zwischenkiemenraum) vorhanden ist. Einige Besonderheiten in der Richtung der Strömungen im Mantelraume bei Cyclas hat STENTA (88, p. 16) ebenfalls aus der runden Körpergestalt zu er- klären versucht. Das spätere Überwachsen der äußern Kiemen von Cyclas und Calyculina über die innern ist jedenfalls sekundär. Aus dem Gesagten geht bereits hervor, daß der Faltenmodus nicht vergleichbar ist mit irgendwelchen Kiemenformen erwachsener Acephalen und zum Vergleiche nur der Papillenmodus in Betracht kommen kann. Der Faltenmodus ist nur dann verwertbar, wenn man von der untern Brücke absieht, d. h. die Kiemenanlage als aus Papillen oder freien Filamenten bestehend auffaßt. Letzteres würde aber dem Papillenmodus gleichkommen. Vorderhand muß die Frage offen gelassen werden, ob der Abkürzungsmodus nur den höher spezialisierten Formen zukommt (mit Ausnahme der Najaden!). Ebensowenig ist mit Sicherheit zu entscheiden, an welchen Punkten der Entwicklung des Pelecypodenstammes, d. h. in welchen Genera, er sich zuerst herausgebildet hat. In dieser Beziehung wird eine genauere Kenntnis der Entwicklungsgeschichte der Kieme manche Aufklärung geben können. Nach PELSENEER (58, p. 49) entspricht die Anlage der innern Kieme von Cyclas cornea, wie sie nach den Zıester’schen Angaben sich darstellt, „a cette saillie primitive, qui s’est subdivisee en lamelles latérales (état persistant chez Malletia et Nucula“). Nach den Er- gebnissen der vorliegenden Untersuchung ist dieser Vergleich mit der Nuculidenkieme nicht ohne Bedenken anzustellen. Dagegen hat PELSENEER vollkommen recht, wenn er weiter fortfährt: „Le déve- loppement ultérieur de Cyclas montre en effet que cette lame [ge- meint ist die Kiemenfalte] se subdivise en filaments, qui par leur union formeront les lames définitives.“ Die vorliegende Unter- suchung zeigt, daß die ursprünglich freien Filamente !) durch die später auftretenden interfilamentaren Brücken lateral miteinander verbunden und zu Segmenten der Lamellenkieme werden. Daß der Filamenttypus ursprünglicher ist als der Lamellentypus, ging, wie bereits betont, schon aus den Untersuchungen von LACAZE-DUTHIERS hervor. Nach den Angaben dieses Forschers Konnte aber nur aus der Kiemenanlage in Form von Papillen auf die Ursprünglichkeit 1) Abgesehen von der marginalen Brücke „frei“. 272 E. Wassertoos, der Filamentkieme geschlossen werden. Die vorliegende Unter- suchung hat den Vorteil, daß sie über die Metamorphose der Fila- mentkieme, d. h. über die Ausbildung der interfilamentaren Ver- bindungen, genauern Aufschluß gibt. Die Anschauung, daß die Lamellenkieme aus der Filamentkieme entstanden ist, wird geteilt von den meisten Autoren, welche die Acephalenkieme vergleichend- anatomisch und untersucht haben [Mirsuskurt (53, 54), PELSENEER (58, 60—62), JannssEns (28), Rinewoop (74) u. a]. Die Theorie Posexer’s, nach welcher die Filamentkieme durch Zerklüftung der Lamellenkieme entstanden sein sollte, kann als widerlegt gelten. PosENER (66, 67) stützte seine Anschauung auf die Befunde STepa- NOFF'S (90), nach welchen die Kiemenanlage von Cyclas cornea eine kontinuierliche, erst später zerfallende Falte darstellt. Daß ein solcher Vergleich nicht angestellt werden darf, ist bereits betont worden. Mit Leichtigkeit läßt sich der Lamellentypus von dem Filament- typus ableiten, wenn man bedenkt, daß ein erhöhtes Sauerstoff- bedürfnis nach dem Prinzip der Oberflächenvergrößerung zu einem Zurückknicken der Filamente auf sich selbst führte. Eine Kieme mit solchen umgebogenen Filamenten war jedenfalls leichter ver- letzlich als eine nicht refiektierte Filamentkieme. Dem erhöhten Schutzbedürfnis genügen die interfilamentaren Verbindungen. Da letztere bei manchen Formen vascularisiert sind, so war mit ihrer Ausbildung wiederum eine Oberflächenvergrößerung verbunden. Es darf auch nicht außer acht gelassen werden, daß die Kiemen in Verbindung mit den Velen als Zuleitungsorgan dienen und auch in dieser Hinsicht Veränderungen erfahren können. Einem eingehen- den Studium der Biologie muß es vorbehalten bleiben, unter den. äußern Faktoren, welche eine Veränderung des Kiemenbaues be- wirken können, den ausschlaggebenden zu ermitteln. Eine große Zahl von vergleichenden Anatomen [MrrsuskuRt (53, 54), PELSENEER (58, 60—62), Ringwoop (74)] hat an den Anfang der phylogenetischen Reihe der Acephalenkieme, aus der in den vorigen Abschnitten der Übergang von der Filamentkieme zur Lamellen- kieme bekannt gemacht wurde, den Nucula-Typus gestellt, welch letzterer seinen Platz unmittelbar vor der Filamentkieme erhielt. Die erwähnten Forscher setzten das Ctenidium der Protobranchier den Kiemen der übrigen Acephalen homolog und dachten sich durch Verlängerung der Plättchen der zweizeiligen Fiederfahne eine Fila- mentkieme entstanden mit zwei direkten Filamentreihen, d.h. einer Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 273 innern und einer äußern Kieme. Eine solche Ableitung finden wir deutlich ausgesprochen von Mrrsuxurt (53, 54); später wurde sie von PELSENEER im einzelnen durchgeführt. Die Priorität kommt in- dessen nicht MıTsuKurı, sondern LEUCKART (41)!) zu. LEUCKART betrachtete das einzeilige Ctenidium von Patella als ursprünglicher als die Chitonkieme, welche durch Erwerbung seitlicher Neben- blättchen in die zweizeilige Form übergegangen sei (41, p. 133 ff.). Das zweizeilige Ctenidium findet er bei der Acephalengruppe Solenomya wieder und leitet von ihr die gewöhnliche Conchiferen- kieme, welche dieselbe Lage im Mantelraume aufweist, in folgen- der Weise ab. Die einzelnen Plättchen oder Strahlen der Fahne wachsen bedeutend in die Länge und erscheinen dann jederseits als zwei nebeneinander stehende Längsreihen dünner und freier Fäden (z. B. Pectunculus, Arca) oder noch häufiger, wenn nämlich die Fäden einer jeden Reihe untereinander sich verbinden, als zwei ganz unge- wöhnlich entwickelte häutige Blätter. Diese Ableitung entspricht der- jenigen der spätern Autoren vollkommen. Allerdings hat LEUCKART über die Ableitung der einzelnen Lamellen oder Filamentreihen nichts vorbringen können, da LACAZE-DUTHIERS’ Untersuchungen erst einige Jahre später bekannt gemacht wurden. Es ist nunmehr die Frage zu behandeln, ob die embryologische Untersuchung einen Hinweis darauf gibt, daß die Filamentkieme aus dem Nucula-Typus entstanden ist. Rein theoretisch hat Mrrsu- KURI (53, p. 603) die Nucula-Kieme als ein in Falten gelegtes Blut- gefäß, als „a stem“ angesprochen, „which is folded on either side to 1) Schon GROBBEN (21) hat gegenüber PELSENEER auf diesen Um- stand aufmerksam gemacht, und auch andere Forscher, z. B. STEMPELL, (87, p. 91) haben ihn erwähnt. Angeregt zu dieser Spekulation war LEUCKART durch eine von ihm zitierte Arbeit PHiILIPPI'S (64) über Solenomya. PHILIPPI war der Ansicht, daß, „wenn die Naturforscher der Acephalenkieme mehr Aufmerksamkeit schenken, sich aus den Unter- schieden in der Struktur dieses Organes gute Hinteilungsgriinde“ ent- nehmen ließen. GROBBEN’S Einwand (21, p. 102) hätte sich übrigens nicht gegen PELSENEER, sondern gegen MITSUKURI richten müssen, welch letzterer von LEUCKART’S Arbeit nichts erwähnt. PELSENEER hat die von MITsU- KURI neu aufgestellte Hypothese weiter ausgebaut und die Ableitung von der Nucula-Kieme im einzelnen vergleichend-anatomisch in einer mühsamen Untersuchung durchgeführt. PELSENEER’S Verdienst ist um so höher ein- zuschätzen, als noch 1881 HAREN-NORMAN (22, p. 41) eine phylogenetische Einteilung der Lamellibranchier nach den Kiemen für gänzlich unmög- lich hielt. 274 E. WassERLOOS, increase the surface“. Wenn er weiterhin die Kiemenanlage von Cyclas (nach STEPAnOFFs Untersuchungen) mit diesem Strange ver- gleicht, so ist gegen dieses Verfahren genau dasselbe einzuwenden, was weiter oben gegen PELSENEER gesagt wurde. Ohne Zweifel gleicht die Kiemenanlage der Najaden, welche wir nach den bisherigen Unter- suchungen als die primitivere auffassen müssen, anfänglich einem in Falten gelegten Strang, der später zu einem Blutgefäß wird. Die ein- zelnen Erhebungen wachsen dann aber sehr rasch in die Länge, so daß sie jedenfalls als Filamente, nicht aber als seitlich zusammenge- drückte Plättchen erscheinen. Der Kiemenanlage der Najaden ist die- jenige der Protobranchier nach Drew’s Angaben (14, 15, 16, 17) ähn- lich, jedoch, wie es scheint, mit dem Unterschiede, daß bei den letztern die knopfförmigen Erhebungen der Leiste nicht in demselben Maße in die Länge, sondern bedeutend mehr in die Tiefe wachsen. Nichts- destoweniger kann die Kiemenanlage der Najaden nicht mit dem Protobranchier-Ctenidium verglichen werden; denn sie entbehrt der äußern Plättchenreihe; die äußere Kieme entsteht erst viel später. Die embryologische Untersuchung der Kieme kann daher die Ableitung der Filamentkieme aus dem Cte- nidium der Protobranchier nicht ohne weiteres stützen. Gründe vergleichend-anatomischer Natur, welche für die Ursprünglichkeit der Protobranchier und ihrer Kieme sprechen, sind indesSen so schwerwiegend, daß ihnen gegenüber der negative Befund der entwick- lungsgeschichtlichen Untersuchung nicht in die Wag- schale fallen kann. Ich verweise hier vor allen Dingen auf die Ausführungen PELSENEER’S (41, p. 274, 275) und STEMPELT’S (86, p. 412; 87, p. 158, 159). | An dieser Stelle sei bemerkt, dab auch bei Nucula die äubere Plättchenreihe später entsteht als die innere. In dieser Hinsicht weicht Nucula nicht ab von den bisher untersuchten übrigen Ace- phalen, bei denen ausnahmslos die äußere Kieme später auftritt als die innere. Ihre Filamente bilden sich dabei von einer mittlern Zone aus nach vorn und hinten. Ob letzteres auch für die Protobranchier gilt, läßt sich aus Drew’s Angaben (14—17) nicht entnehmen. Bei Scoberetia will BERNARD (1) eine Entstehung der Filamente in der Richtung von hinten nach vorn beobachtet haben, während später die fertige Kieme durch Anlagerung neuer Filamente an ihre hintere Partie sich vergrößert. Sind BERNARD’S Beobachtungen richtig, so wäre es auf Grund dieser Richtungen in Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 975 der Bildung der Kiemenfilamente berechtigt, die bei Scioberetia jeder- seits in der Einzahl vorhandene Kieme als die äußere, die innere bei dieser Form als völlig reduziert aufzufassen. Wie weiter unten gezeigt werden soll, hätte eine solche Auffassung wenig Wahr- scheinlichkeit für sich. Eine phylogenetische Hypothese Darr's wäre geeignet gewesen, dem Umstande, daß die äußere Kieme später entsteht als die innere, Rechnung zu tragen. Dawu (6, 7, 10, 11, 13) nahm als ursprüng- lichste Kiemenform die Dimya-Kieme an, bei welcher nur eine nicht reflektierte Filamentreihe vorhanden sein sollte. Wie er aus dieser Dimya die weitern Formen ableitete, werden wir weiter unten sehen. Nun hat aber RıpEwoon (74, p. 194) nachge- wiesen, dab Dimya zwei nichtreflektierte Filamentreihen jederseits besitzt, von denen die eine als die innere, die andere als die äußere Kieme aufgefabt werden muß. Dazz hat eine Filament- reihe übersehen. Im Grunde genommen würde also auch Dimya ein richtiges Ctenidium besitzen. Von KErLose (32, p. 428) ist die Auf- fassung vertreten worden, daß die Protobranchierkieme durch Ver- kürzung und Degeneration des aufsteigenden Filamentastes aus der Filamentkieme entstanden ist. Das ist, wie Ripewoop (74, p. 170) bemerkt, nicht gänzlich unmöglich. Jedoch weist das Ctenidium der Protobranchier mit dem Ctenidium der Gastropoden und Cephalo- poden eine viel größere Ähnlichkeit auf als die Kieme der Dimya. Im besondern ist von PELSENEER die große Übereinstimmung im Bau der Protobranchierkieme mit dem Ctenidium von Fissurella, Chitonellus und Trochus dargetan worden. Siehe PELSENEER (60, p. 246—250; p. 276, Fig. 99, 100, 103) und RipEwoop (74, p. 176 u. 178). KELLOGG (32, p. 428) läßt zwei Möglichkeiten offen. Entweder ist der aufsteigende Filamentteil „a new structure, which has sud- denly developed in those forms, closely connected with the form with plate gills“ oder es ist bloß „a continuation outward of the descending filaments“, und das Protobranchieretenidium ist dem aufsteigenden und dem absteigenden Teile homolog zu setzen. Unsere Befunde sprechen für die erstere Möglichkeit. Da bei Formen, welche den verschiedensten Gruppen angehören, z. B. Lasaea, Lyonsia (Anatinacea), Montacuta, Lucina (Submytilacea), die äußere Kieme ganz oder teilweise fehlt, so ist die Wahrschein- lichkeit nicht von der Hand zu weisen, daß die äußere Kieme bei den Lamellibranchiern leicht reduziert werden bzw. völlig ver- schwinden kann. Phylogenetisch sind dann zwei Möglichkeiten vor- 276 E. Wassernoos, handen: entweder haben die Vorfahren der Lamellibranchiaten die äußere Plättchenreihe des Ctenidiums, d. h. allgemein die äußere Kieme, wie LEUCKART (41) meint, erst nachträglich erworben, oder sie haben mehrere Ctenidien jederseits besessen, die dann allmählich reduziert worden sind. Zu letzterer Auffassung steht im Gegensatz die Tatsache, daß die äußere Kieme später erscheint als die innere; auch gibt sie keine Erklärung für den Umstand, daß ihre Filamente sich in der Richtung nach vorn und hinten bilden. Den entwick- lungsgeschichtlichen Tatsachen würde mehr die Auffassung LEUCKART'S entgegenkommen, nach welcher die äußere Kieme, weil später er- worben, auch später angelegt wird; das biogenetische Grundgesetz würde gewahrt bleiben. Auch würde die Entwicklungsgeschichte darauf hinweisen, daß die äußere Kieme, d. h. die äußere Plättchen- reihe, in der Mitte zuerst entstanden und dann nach vorn und hinten verlagert worden ist. Allerdings läßt sich auch die andere, gegen- teilige Ansicht mit den Befunden in Übereinstimmung bringen, wenn man annimmt, daß bereits sehr früh die Reduktion der Ctenidien so weit fortgeschritten war, dab bei den Protobranchiern die äußere Reihe wieder sekundär erworben wurde, die weiterhin bei den spätern Acephalen durchgängig nur dann zur Ausbildung kam, wenn die innere Kieme zur Atmung nicht mehr ausreichte. Zurzeit sind sich die vergleichenden Anatomen nicht klar darüber, ob die ur- sprünglichste Kiemenform der Mollusken mehrere zweizeilige Ctenidien aufwies, die dann allmählich reduziert wurden, oder ob sie ein ein- faches einzeiliges Ctenidium darstellte. Ich verweise hier auf LANG (39, p. 128 u. p. 134). Die Entwicklungsgeschichte der Acephalen- kieme scheint mir darauf hinzuweisen, daß ursprünglich ein ein- zeiliges Ctenidium vorhanden war, das im Sinne LEUCKART's später. zu einem zweizeiligen sich ergänzte, aber bei vielen Lamellibranchiaten später wieder reduziert wurde. Dazz steht nicht auf dem Boden der von MırsuXurı und PEL- SENEER angegebenen Ableitung der Acephalenkieme. Da sein Aus- sangsstadium, die Dimya, durchRipEwoop als solches hinfällig ge- macht worden ist, so brauche ich nicht darauf einzugehen, wie er aus dem einzeiligen Ctenidium das zweizeilige Filamentetenidium, z. B. bei Arca ectomata, sich entstanden dachte, sondern kann bei letzterm einsetzen. Die Kiemenfäden der jederseits paarweise vorhandenen Fila- mentreihen sollen sich vertikal in der Mitte spalten, so daß dann auf jeder Körperseite 4 Filamentreihen entstehen, die paarweise am ven- tralen Rande miteinander verbunden sind. Zwischen je zwei einander Die Entwicklung der Kiemen bei Cyelas cornea. 271 entsprechenden Filamenten zweier zugehörigen Reihen soll es zur Ausbildung von Septen und teilweise von interfilamentaren Verbin- dungen kommen. Werden die Septen in vertikaler Richtung ver- kürzt, so soll der Nucula-Typus entstehen. Diese Spekulation Daun's, nach welcher die Protobranchier ans Ende der Pelecypodenreihe zu setzen sind, ist schon von Ripewoop (74, p. 175) auf Grund ana- tomischer Betrachtungen widerlegt worden. Durch die vorliegende Untersuchung ist aufs neue bestätigt, daß die innern Lamellen der innern Kiemen durchgängig, wenn auch nicht immer, sekundäre, reflektierte Gebilde sind. Dazr's Hypothese ist nicht haltbar, weil sie allgemein innere und äußere Lamelle als gleichwertig auffaßt. Die Kieme erweist sich, wie schon Rice (70, 73) angab, als äußerst plastisches Organ. Es treten bei ihrer Entwicklung zahl- reiche Abkürzungsprozesse auf. Die Richtigkeit der Ableitung der Lamellenkieme von der Filamentkieme ist aufs neue bewiesen. Es ist daher nicht, wie Rice meint, das Verfahren zu verurteilen, den tieforeifenden Unterschied zwischen diesen beiden Kiemenformen zur Grundlage einer Klassifikation zu machen. Für die einzelnen Untergruppen mag, wie Ripewoop (74) und Bourne (2, p. 260) an- geben, eine Einteilung nach dem Bau der Kiemen auf Schwierig- keiten stoßen. Hier wird vielleicht eine embryologische Unter- suchung Aufschluß über manche Verwandtschaftsverhältnisse geben können. Mit Erfolg ist dieser Weg von Rice (73) schon beschritten worden, der, wie oben (S. 238) mitgeteilt, in der Kiemenentwicklung von Mytilus ein Modiola-Stadium fand. Eine entwicklungsgeschicht- liche Untersuchung würde z. B. für das Septum der Cuspidaridae und Poromyidae feststellen können, ob allein die Kiemenfilamente oder ihre reduzierten Äquivalente durch Einlagerung von Fibrillen zum Branchialseptum werden oder ob, wie PLATE (65, p. 27 u. 28) ver- mutet, auch andere Organe, Fuß, Intersiphonalseptum zu seiner Ent- stehung beitragen oder ob, wie Datu endlich in seinen verschiedenen Arbeiten ausspricht, das Intersiphonalseptum allein das Branchial- septum liefert. Auch über andere wichtige Fragen der Morphologie und Genese der Acephalenkieme werden erst weitere entwicklungs- geschichtliche Untersuchungen Aufschlußb geben. Zum Schlusse möchte ich meinem hochverehrten Lehrer Herrn Prof. KorscHELT für die Anregung zu dieser Arbeit und das stetige, freundliche Interesse, das er meinen Untersuchungen entgegengebracht 278 E. WassERLoos, hat, herzlich danken. Ebenso bin ich Herrn Prof. MEISENHEIMER für seine liebenswürdige Hilfe und seine Unterstützung mit Material zu großem Dank verpflichtet. Auch Herrn Dr. ToOnnices bin ich vielen Dank schuldig. Wald (Rhld.), Ostern 1910. Literaturverzeichnis. Die mit * bezeichneten Arbeiten sind dem Verfasser nur aus Referaten bekannt. 1. BERNARD, F., Scioberetia australis, type nouveau de Lamellibranche, in: Bull. sc. France Belg., Vol. 27, 1895, p. 364—395, mit 3 Tafeln. 2. Bourne, G. G., On Jousseaumia, a new genus of Eulamellibranche commensal with the Corals Heterocyathus and Heteropsammia, in: Rep. to the Governement of Ceylon on the Pearl oyster Fisheries of the Gulf of Manaar, veröffentlicht durch d. Roy. Soc. London 1906, Teil 5, p. 246—266, mit 3 Tafeln. 3. Bonnet, R., Der Bau und die Cirkulationsverhältnisse der Acepha- lenkieme, in: Morphol. Jahrb., Vol. 3, 1877, p. 283—327, mit 3 Tafeln. 4. Brawn, M., Uber die postembryonale Entwickelung unserer Süßwasser- muscheln, in: Ber. phys. med. Ges. 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Die Abkürzungen gelten auch für die Textfiguren, soweit dieselben nicht besonders im Texte angegeben sind. aao vordere Aorta äk äußere Kieme dil. ik (ik) äußere Lamelle der innern (äußern) Kieme an After as Atemsipho by Byssusdrüse bya Ausführungsgang der Byssusdrüse bx Blutkörperchen c' dorsales Cölomsäckchen c" ventrales Cölomsäckchen ca Kopfarterie (Arteria cephalica) cg Cerebralganglion d. isl. dk dorsale Insertionslinie der äußern Kieme dgl. äk dorsale Begrenzungslinie der äußern Kieme ed Enddarm es Aftersipho ex Eckzelle fib. s fibrilläre Substanz der interfilamentären Verbindungen f Flimmern (f in Fig. 20, Taf. 7 — Filament) ff Flimmerbürste f, Grenzfilament der innern Kieme fis 99 3)» Filamente der innern Kieme f'ıs 993. Filamente der äußern Kieme fu Fuß gg Geschlechtsausführungsgang gx Genitalzellen h Herz hpbr Hypobranchialraum hr hinterer Retraktormuskel hs hinterer Schließmuskel hx Höhenzelle il. ik (ik) innere Lamelle der innern (äußern) Kieme issp. il. ik Intersegmentarspalt (Interfilamentarspalt) der innern Lamelle der innern Kieme Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 285 issp. Gl. ik Intersegmentarspalt (Interfilamentarspalt) der äußern Lamelle der innern Kieme issp. il. dk Intersegmentarspalt (Interfilamentarspalt) der innern Lamelle der äußern Kieme issp. dil. ik Intersegmentarspalt (Interfilamentarspalt) der äußern Lamelle der äußern Kieme isspk. il. ik Kuppen, in welchen die Intersegmentarspalten der innern Lamelle der innern Kieme endigen isspk. äl. ik Kuppen, in welchen die Intersegmentarspalten der äußern Lamelle der innern Kieme endigen isspk. il. äk Kuppen, in welchen die Intersegmentarspalten der innern Lamelle der äußern Kieme endigen isspk. äl. äk Kuppen, in welchen die Intersegmentarspalten der äußern Lamelle der äußern Kieme endigen isv Interfilamentarverbindung (Intersegmentarverbindung) kf Kiemenfalte ! Ligament ls Lebersäckchen ma Magen mbr marginale Filamentbrücke md Mund me Mesenchymzelle mf Mantelfalte ml’ äußerer Mundlappen ml innerer Mundlappen mer Rinne zwischen der Visceralmasse des Körpers und der Mantelfalte n Niere ng Nierenausführungsgang nr Nerv ol Oberlippe ote Otocyste p Pericard p' dorsaler Pericardteil p" ventraler Pericardteil da FuBarterie (Arteria pedalis) pao hintere Aorta dg Pedalganglion dng Pericardialnierengang pw Pericardialwand s Körperseptum sch Schale sch”: Schaltzelle sd Schalendrüse sh Schalenhäutchen (Periostracum) subs. gew subfilamentares (subsegmentares) Grewebe sx Seitenzelle st Stützgerüst ul Unterlippe 286 E. WassERLooSs, v Velum va Visceralarterie (Arteria visceralis) vd Vorderdarm vg Visceralganglion vh Vorhof v. isl. dk ventrale Insertionslinie der äußern Kieme vr vorderer Retraktromuskel vs vorderer Schließmuskel Sämtliche Figuren wurden mit dem Zeichenprisma entworfen mit Hilfe LEITZ’scher Objektive und Okulare. Tafel 4. a) Cyclas. Fig. la—c. Transversale Schnitte durch ein Stadium mit noch undifferenzierter Kiemenanlage (kl in Fig. la, kf in Fig. lb u. c) an der ventralen Seite des Mantelwulstes m/f. Das geschnittene Stadium ist wenig jünger als das in Textfig. E (S. 192) dargestellte. Die Lage der Schnitte ist in Textfig. E durch die Linien J, //, III bezeichnet. 255:1. Fig. 2. Transversaler Schnitt durch ein wenig älteres Stadium mit Flimmerlinien (f) auf Kieme (kf) und Fuß (fu). 255:1. Fig. 3. Transversaler Schnitt durch einen Embryo auf dem Stadium der Textfig. F (S. 196), zeigt die Konkreszenz (ff) zwischen Kieme (%kf‘) und Fuß (fu). 255:1. Fig. 4a—e. Longitudinale Schnitte durch ein Stadium der Textfig. G (S. 198). Die Lage der Schnitte ist in letzterer durch die Linien J, II, II, IV, V markiert. Fig. 4a—e geben über die Durchfensterung der Kiemenfalte (kf) Aufschluß. 180:1. Fig. 5. Teil eines longitudinalen, zu den Filamenten senkrecht stehenden Schnittes durch einen Embryo auf dem Stadium der Textfig. I, (S. 201). 460:1. Tafel 5. Fig. 6. Teil eines longitudinalen Schnittes durch ein Stadium der Textfig. I, (S. 201). Es ist die dorsal vom Velum liegende, vorgewölbte, mit einer Flimmerlinie (f) versehene Körperregion angeschnitten. 350:1. Fig. 7a, b. Longitudinale, etwas schräg zur Medianlinie geführte Schnitte durch ein Stadium zwischen den Stadien der Textfiguren H, (S. 200) und I, zeigen den Fortschritt in der Durchfensterung der Kiemenfalte gegenüber Fig. da—e. 180:1. Fig. 8 Teil eines sagittalen Schnittes durch ein Stadium der Textfig. K (S. 208). 3 Filamente sind oberflächlich angeschnitten, sx Seiten- zellen, hx Höhenzellen, ex Eckzellen. 350:1. Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. 287 Fig. 9. Longitudinaler, zu den Filamenten senkrecht geführter Schnitt durch den obern Teil der innern Kieme eines Embryos aus dem Stadium der Textfig. L (S. 209). Das subfilamentäre Gewebe (subs. gew) beginnt sich zu verdünnen. 460:1. Fig. 10. Longitudinaler, zu den Filamenten senkrecht geführter Schnitt in gleicher Höhe wie in Fig. 9 durch die innere Kieme eines Embryos aus dem Stadium der Textfig. Q (S. 212). Die Segmentköpfchen treten deutlicher hervor, die interfilamentaren Verbindungen is» treten auf. 460:1. Fig. 11. Transversaler Schnitt durch eine interfilamentare Ver- bindung aus dem Stadium der Textfig. M (S. 210) (isv aus Fig. N [S. 211] stärker vergrößert). 1000:1. Fig. 12. Longitudinaler, zu den Filamenten senkrecht stehender Schnitt durch die innere Kieme eines jungen postembryonalen Stadiums (in gleicher Höhe wie in Fig. 9 u. 10). Die Höhen- (hx) und Eckzellen (ex) haben Flimmern erhalten, 460 : 1. Tafel 6. Fig. 13. Transversaler Schnitt durch die innere Kieme des Stadiums der Textfig. K (S. 208) (Lage durch die Linie / bezeichnet). Die marginale Brücke erhält ein Lumen (br) und dehnt sich zum Fuße hin nach innen und nach dorsal aus (Anlage der inneren Lamelle der innern Kieme). 255:1. Fig. 14. Ventraler Teil eines transversalen Schnittes durch die innere Kieme des Stadiums der Textfig. M (S. 210) (der umrahmte Teil in Textfig. N [S. 211] stärker vergrößert dargestellt). 300 : 1. Fig. 15. Ventraler Teil eines Transversalschnittes durch die innere Kieme des Stadiums der Textfig. Q (S. 212) (der ventrale, reflektierte, um- rahmte Teil der rechten innern Kieme in Textfig. R [S. 213] stärker ver- größert dargestellt). 255 : 1. Fig. 16a—c. Longitudinalschnitte durch den ventralen Teil der innern Kieme des Stadiums der Textfig. Q (S. 212) (Differenzierung der innern Lamelle der innern Kieme). Die Filamente der äuBern Lamelle verschmelzen mit ihren innern Enden mit dem nach dorsal wachsenden, sekundären Faltenteil (Fig. 16c); die Interfilamentarspalten ‘ssp. di. ik wachsen den Einkerbungen auf der Innenseite der reflektierten Falte ent- gegen (Fig. 16b) und es kommt zu Durchbrechungen (Fig. 16a). Näheres siehe Text. 350:1. Fig. 17. Longitudinaler Schnitt durch die innere Kieme eines Em- bryos gegen Ende der Embryonalzeit in der Höhe des dorsalen Endes der innern Lamelle. Die Intersegmentarspalten #ssp. il. ik endigen in den in dieser Figur angeschnittenen Kuppen isspk. i. ik. 350:1. Fig. 18a u. b. Transversale Schnitte durch die Anlage der äußern Kieme (ük) des Stadiums in Fig. L (S. 209) (näheres siehe Text). 300:1. Fig. 19. Transversaler Schnitt durch die äußere Kieme des Stadiums der Textfig. M (S. 210) (markiert durch die Linie V7). 300:1. 288 E. Wassertoos, Die Entwicklung der Kiemen bei Cyclas cornea. Te fel 7: Fig. 19a. Transversaler Schnitt durch die äußere Kieme des Stadiums der Textfig. M (S. 210) (markiert durch die Linie VII). 300: 1. Fig. 20. Longitudinaler Schnitt durch die Anlage der äußern Kieme auf einem Stadium der Textfig. L (S. 209) (Linie / markiert die Lage). 420 : 1. Fig. 21. Transversaler Schnitt durch die äußere Kieme gegen Ende der Embryonalzeit; zeigt das ventrale Wachstum der äußern Kieme. 300:1. b) Anodonta. Fig. 22. Querschnitt durch die Filamente 7, u. f, einer jungen post- parasitären 4 Tage freilebenden Anodonta. 555:1. c) Dreissensia. Fig. 23. Transversaler Schnitt durch die Filamentbrücke der Kieme eines Stadiums von Dreissensia polymorpha, das etwa MEISENHEIMER’S fig. 58 in (45) entspricht. 555:1. Fig. 24a—c. Longitudinalschnitte durch die Kieme einer Altern Dreissensia polymorpha vor der Anlage der äußern Kieme. In Fig. 24a ist der ventrale Rand angeschnitten. Fig. 24b liegt etwas höher hinauf; Fig. 24c zeigt den dorsalen Bezirk der innern Lamelle angeschnitten (Näheres siehe Text). 555:1. Nachdruck verboten. Ubersetzungsrecht vorbehalten. Über den Bau der Epidermis von Haut und Lippen bei Schizothorax intermedius und Capoeta heratensis. Von Dr. E. Pawlowsky. (Aus dem zoologischen Laboratorium des Herrn Prof. N. A. CHoLop- Kovsky an der Kais. milit.-mediz. Akademie zu St. Petersburg.) Mit Tafel 8-10. Gelegentlich meines Aufenthalts in der Stadt Samarkand in Mittelasien im Sommer 1908 gelang es mir einiges Material über den Bau der Epidermis der Haut wie der Lippen von den Fischen Schizothorax intermedius, Schizothorax intermedius var. eurystomus (Fam. Cyprinidae) und Capoeta heratensis (Fam. Cyprinidae) zu sammeln. Mein hauptsachlichstes Augenmerk habe ich dem Studium der genannten Formen der Gattung Schizothorax zugewandt, indem diese Gattung in systematischer Hinsicht nur sehr ungenügend, in morpho- logischer hingegen noch gar nicht bekannt geworden ist. Das Studium der Morphologie dieser Formen versprach, abgesehen von dem an und für sich gebotenen Interesse, auch noch eine Aufklärung über die systematische Stellung von Schizothorax intermedius und Schizo- thorax intermedius var. eurystomus zu geben, welche von L. BERG (1) aus zwei früher als selbständig anerkannten Arten auf den Wert von zwei Formen zurückgeführt worden sind, wobei dieser Autor so- gar die Möglichkeit einer Identität beider Formen zuläßt. 290 E. Pawrowsky, Die Fische erhielt ich aus dem Flusse Serafschan und den von ihm gespeisten Bewässerungskanälen. Das zur Untersuchung dienende Material wurde an Ort und Stelle mit Sublimat nebst einem kleinen Zusatz von Essigsäure fixiert und erst später im Laboratorium der Kais. milit.-mediz. Akademie weiter bearbeitet. Die Ergebnisse meiner Untersuchungen sind in dem vorliegenden Aufsatze niedergelegt. 1. Die Epidermis der Körperhaut. In der Epidermis von Schizothorazx +) finden wir außer indifferenten epidermalen Zellen und Organen der Hautsinne, deren Beschreibung hier nicht beabsichtigt wird, auch noch einzellige Schleimdrüsen, einzellige Eiweißdrüsen (Kolbendrüsen) und Wanderzellen. Ohne mich bei der Beschreibung der Schleimdrüsen aufzuhalten, welche uns nichts Neues bieten, gehe ich sofort zu den Kolben- zellen über, welche über die gesamte Haut zerstreut liegen. Jene drüsigen Elemente, welche schon seit langen Zeiten die Bezeichnung von „Kolbenzellen“ erhalten haben, sind in der Epidermis der Cypri- niden zahlreicher vorhanden als bei den Vertretern andrer Familien der Fische. Schizothorax bildet in dieser Hinsicht keine Ausnahme, indem auch bei dieser Gattung eine große Anzahl solcher Zellen vorhanden ist. Es muß hier bemerkt werden, daß die „Kolbenzellen“ nicht bei allen Fischen auch wirklich die ihrem Namen entsprechende Gestalt besitzen, d. h. ein Oval oder eine Kugel mit ausgezogenem Halsteil darstellen. So läßt sich z. B. bei Anguilla vulgaris ein Polymorphismus dieser Organe beobachten und zwar von der typischen Gestalt bis zu einer Kugel mit unregelmäßigen Umrissen [MAURER (10), fig. 1, tab. 3]. Eine irreguläre Gestalt besitzen die Kolben- zellen auch bei Silurus glanis [OxNER (14), tab. 22, fig. 5 A), Amiurus nebulosus (ibid., tab. 22, fig. 4), Cyprinus carpio (ibid. tab. 23, fig. 49), Lota vulgaris (ibid., tab. 22, fig. 10, 11). Ein solches Nichtübereinstimmen von Gestalt und Benennung finden wir auch bei Schizothorax. Die Kolben besitzen bei dieser Gattung keinen Hals (Fig. 1, 3, 4, 5, Taf. 8) und können vermöge ihrer Plastizität ihre kugelförmige oder ovale Gestalt unter dem Einfluß des Druckes der benachbarten Elemente verändern. So er- scheinen sie an denjenigen Stellen, wo die Epidermis von einer Schuppe auf eine andere übergeht, stark in die Länge ausgezogen. 1) Der russische Name für diese Fische ist Marinka, der usbekische Name Schirmai. Epidermis von Haut und Lippen bei Schizothorax und Capoeta. 291 Die Größe der Kolben ist verschieden. Während sie am Bauche fast die ganze Dicke der Epidermis erreichen, beträgt ihre Länge an den Seiten des Fischkörpers 7/,—1/, dieser Dicke (Taf. 8, Fig. 1 u. 9). Die Kolbenzellen färben sich, gleich allen Eiweißdrüsen, mit sauren Färbemitteln: Eosin, Orange, Pikrinsäure u. a. m. Wenn nun auch die äußere Gestalt derartiger Eiweißdrüsen, wie wir dies bei Schizothorax gesehen haben, nicht immer der Be- zeichnung „Kolben“ entspricht, so ist doch ihr Bau für alle unter diesem Namen vereinigten Elemente ein und derselbe Für solche drüsigen Bildungen ist die Lage des Kernes charakteristisch, indem dieser letztere sich im Zentrum oder in der Achse, niemals aber an der Peripherie der Zelle befindet. 1) Die Figg. 1, 2 u. 3 der Taf. 8 zeigen uns die Anordnung des Kernes in den Kolbenzellen von Schizothorax. Der Kern ist von geringer Größe; seine Gestalt ist eine ver- schiedene, in Abhängigkeit von dem Stadium der Tätigkeit der Zelle, indem der Kern innigen Anteil an dem Secretionsprozesse (s. unten) nimmt. Nicht selten sind hantelförmig durchschnürte Kerne oder seltner 2 Kerne in einer einzigen Kolbenzelle anzutreffen — wahrscheinlich Stadien der Amitose, welche in den Drüsenzellen der Fische eine recht häufige Erscheinung ist |Oxser (14), tab. 1, fig. 13)]. Der Kern ist von einer gürtelförmigen Körnchenzone umgeben, deren Größe und Gestalt verschieden ist (Fig. 2d sc, Taf. 8); der Körnchengürtel seinerseits ist in der ihn allseitig umschließenden Hauptmasse der Kolbenzelle eingeschlossen, die aus einer feinkörnigen Substanz besteht (Fig. 2d pl, Taf. 8). Über die Bedeutung dieser einzelnen Teile wird man sich klar werden können, indem man die in den tiefen Schichten der Epidermis vor sich gehende Entwick- lung der Eiweißdrüse aus einer gewöhnlichen epidermalen Zelle verfolgt. In den entsprechenden Bezirken wird man bei einem jeden Exemplar der Fische Zellen mit vergrößertem Kern und mit dem verdickten Saum eines Protoplasmas finden, welches sich von dem Plasma der benachbarten Zellen durch größere Empfänglichkeit für saure Farben unterscheidet. Unmittelbar um den Kern herum be- findet sich ein schmales Feld von größern, von Eisenhämatoxylin 1) In den Kolbenzellen von Petromyzon kann man bisweilen an der Peripherie der Zelle liegende Kerne beobachten (MAURER, ibid., fig. 3, 4, tab. 1), allein neben solchen Zellen trifft man auch Kolben mit typisch angeordnetem Kern. 292 E. Pıwrowsky, schwarz gefärbten Körnern (Fig. 2a, Taf. 8). Es sind dies Chromatin- körner, die offenbar aus dem Kerne heraustreten und die ersten Spuren des Secrets bilden. Hieraus können wir schließen, daß die großen Körner Secretkörner darstellen, während der übrige Teil der Zelle von differenziertem Protoplasma gebildet wird, welches eine feinkörnige Struktur angenommen hat und von sauren Farben gefärbt wird. Bei fortschreitender Entwicklung vermehrt sich die Menge der Secretkörner, wobei das Secret noch immer den Charakter einer Chromatinbildung aufweist. Auch das Protoplasma fährt fort zu wachsen, überholt jedoch in seinem Wachstum meist die Masse des sich bildenden Secrets (Fig. 2b, c, d, e, g, Taf. 8). In dem letzten Stadium erhalten wir eine fertige, reife, einzellige, kolbenförmige Eiweißdrüse. Genau genommen geht aus dem oben angeführten Entwicklungs- bild der Drüse die Bedeutung ihrer einzelnen Teile nicht mit voller Deutlichkeit hervor, indem wir für die definitive Feststellung ihrer Rolle zuvor mit dem Secretionsprozesse der Kolbenzellen bekannt werden müssen; diesen Vorgang wollen wir denn nun auch besprechen, nachdem wir zuvor die hierauf bezüglichen Angaben der Autoren rekapituliert haben. Eine Diskussion der alten Frage, ob die Kolben- zelle eine Drüse oder aber eine Nervenendigung darstellt, halte ich für überflüssig, indem diese Frage von den meisten Autoren bereits dahin entschieden worden ist, daß die Kolbenzelle eine Drüse dar- stellt. Ich will hier nur in Kürze jene Widersprüche berühren, welche in den Beschreibungen der Bestandteile der Kolben einiger Cypriniden seitens der verschiedenen Autoren enthalten sind. So erblickt MAURER (ibid. p. 66 u. 97, tab. 4, fig. la, 1b) in den Kolbenzellen von Barbus fluviatilis und Idus melanotus das Proto- plasma in den Körnern, welche den Kern in Gestalt einer stern- förmigen Figur unmittelbar umgeben (entsprechend Fig. 2d sc, Taf. 8), während er den übrigen, größern Teil der Zelle als Secret auffaBt. Einer derartigen Deutung ist von J. Nuspaum u. W. Kuuczyckt (13) in ganz gerechtfertigter Weise entgegengetreten worden. Die ge- nannten Autoren fanden, dab die den Kern umgebende körnige Sub- stanz bei Tinca vulgaris die erste Spur des Secrets darstellt, nicht aber den „plasmatisch bleibenden Teil der Zelle“, wie MAURER dies vermutet hatte. Von dieser körnigen Substanz verlaufen pseudo- podiale Fortsätze nach der Peripherie der Zelle, welche an irgendeiner Stelle die Oberfläche dieser letztern erreichen und hier in den inter- cellulären Zwischenraum ausmünden. Die Excretkörner gelangen durch derartige intercelluläre Spalten nach der Oberfläche der Epidermis. Epidermis von Haut und Lippen bei Schizothorax und Capoeta. 293 H. Norpquisr (11—12) ergänzt die Arbeit von Oxner (14), in- dem er den Prozeß der Secretion in den Kolbenzellen von Tinca vulgaris beschreibt. Die von ihm gegebene Deutung dieses Vorganges stimmt im Prinzip mit den oben mitgeteilten Erklärungen von Nuspaum u. Kutczyckı überein, deren Arbeit Norpquist unbekannt geblieben war. Die Zeichnungen von Norpquist (1 u. 2, p. 526) geben ein deutliches Bild von der Rolle der körnigen Substanz, welche den Kern in den Kolbenzellen umgibt. Diese Substanz er- gießt sich durch einen einzigen schmalen Kanal (nicht aber durch die pseudopodialen Fortsätze, wie bei Nusspaum) in den die Zelle umgebenden Raum. Meine eigenen Beobachtungen über die Kolbenzellen von Schizothorax gestatten es mir zu bestätigen, daß die Secretion in der Tat in der von NoRDQuIST angegebenen Weise vor sich geht. In- dem man die Kolbenzellen einem genauern Studium unterzieht, wird man solche darunter antreffen können, bei denen die den Kern um- gebende körnige Substanz (welche späterhin ihren chromatinähnlichen Charakter einbüßt) durch einen einzigen Kanal in den intercellulären Zwischenraum ausmündet, wie Norpquist dies bei Tinca vulgaris beschrieben hat (fig. 2f, tab. 1). In dem fernern Verlaufe dieses Prozesses können zweierlei Varianten auftreten. In dem einen Falle tritt der größte Teil der körnigen Substanz oder die gesamte Sub- stanz in den intercellulären Zwischenraum aus, wobei der Kern in der Zelle verbleibt [Fig. 2f u. 5 (rechter Kolben), Taf. 8]. Ein anderer seltner Fall besteht darin, daß gleichzeitig mit den Körnern auch der Kern nach außen austritt [Fig. 4 u. 5 (linker Kolben), Taf. 8]. Der beschriebene Austritt der Körner ist zweifellos ein Secretions- prozeß, wobei er sich in ein und derselben Drüsenzelle mehrere Male nacheinander wiederholen kann. An denjenigen Stellen, wo das von der Zelle ausgeschiedene Secret liegt, weist das Protoplasma der Kolbenzelle an seiner Oberfläche eine mehr oder weniger beträcht- liche Vertiefung auf, welche eine Spur des nachträglich wieder ver- schlossenen Kanals darstellt, längs welchem die Secretkörner nach auben geströmt sind (Fig. 3a, b, Taf. 8). In einzelnen Zellen finden sich zwei bis drei solcher Eindrücke von verschiedener Größe, bald noch mit Secretkörnern erfüllt, bald bereits von diesen befreit (siehe die gleiche Zeichnung). Offenbar hatte ein und dieselbe Kolbenzelle mehrere Male Secret abgesondert, nach jeder Secretion eine ent- sprechende Vertiefung zurücklassend. In solchen Fällen haben wir es in der Kolbenzelle mit einer 294 E. Pıwrowsky, Drüse zu tun, welche zu dem Typus der dadurch charakterisierten merocrinen Drüsen gehört, daß auf die Zerstörung eines Teiles der Zelle während der Secretion deren Regeneration erfolgt, hierauf wiederum eine Secretion usw., eine unbestimmte Zeit hindurch, bis die Zelle vollständig abgenutzt ist und zugrunde geht. Die Zellen, in denen mit dem Secret auch der Kern austritt, ge- hören natürlich dem holocrinen Typus an, indem unmittelbar nach dem Austritt des Kernes der unvermeidliche Untergang der Zelle eintritt. Die Kolbenzellen nehmen aber auch in anderer Weise an der Secretion teil. Für gewöhnlich erreicht jede Drüsenzelle die Ober- fläche der Epidermis und endet hier ihre Existenz, allein dies er- folgt nicht auf die gleiche Weise. Am häufigsten werden die an die Oberfläche der Haut grenzenden Zellen gleichsam von dieser abge- rieben, wobei dieses „Abreiben“ wegen der Zähigkeit des Proto- plasmas der Drüsenzelle ziemlich lange Zeit hindurch andauert. Während dieses Vorganges geht eine allmähliche Verringerung des Umfangs der Zelle vor sich, welche immer flacher wird (Fig. 6, 7a, b kb, Taf. 8); endlich bleiben von den Kolbenzellen nur noch Spuren ihres Körpers zurück, in Gestalt kleiner Protoplasmamassen, welche noch mit Eosin, Orange und anderen Farben färbbar sind. In denjenigen seltnern Fällen, wo die Secretion rasch und energisch vor sich geht, wird der Inhalt der Kolbenzelle auf einmal aus demselben an die Oberfläche der Epidermis ausgestoßen, wie dies auf der Fig. 7c der Taf. 8 abgebildet ist. In den Bezirken der ziemlich niedern Epidermis üben die Kolbenzellen bei ihrem Wachs- tum einen gegenseitigen Druck aufeinander aus und verschmelzen nicht selten zu mehreren miteinander, wobei die eine in die Höhlung der andern mündet (Fig. 12, Taf. 8) und der Inhalt der Zeilen durch; die der Oberfläche zunächst liegende Zelle auf die Epidermis er- gossen wird. In einigen Zellen endlich erfolgt eine Abnahme der Dichtig- keit der Protoplasmakörner der Kolbenzelle sowie ein Zerfall des Kernes, ein Vorgang, welcher möglicherweise für das Alter einer solchen Zelle Zeugnis ablegt. Die oben aufgezählten Arten der Secretion verleihen den Kolben den Charakter von holocrinen Drüsen. Indem wir uns das Leben einer Eiweiß-Drüsenzelle auf Grund des oben Dargelegten vorstellen, sehen wir, daß dieselbe die erste Zeit über ihr Secret wiederholt, mehrere Male nacheinander ausscheidet, worauf sie ganz aus dem Bestande der Epidermis austritt. Epidermis von Haut und Lippen bei Schizothorax und Capoeta. 295 Indem ich die Kolbenzellen von Schizothorax untersuchte, be- obachtete ich noch eine weitere interessante Erscheinung, zu deren Beschreibung ich etwas weiter ausholen muß. Schon 1885 hatte List (9) in dem Epithel der Barteln der Ober- lippe sowie in der Epidermis von Cobitis fossilis Wanderzellen ge- funden, welche, zwischen den einzelnen Elementen des Epithels herumirrend, niemals in diese letztern eindrangen. Diese Beobach- tung wurde von andern Autoren bestätigt, so von MAURER (ibid. p. 106, 114, 119, 120), C. Kwiernrewsxr (7, p. 110, 111) u. a. m. Eine große Anzahl solcher wandernder Zellen findet sich auch bei Schizothorax. Es sind deren bisweilen so viele, daß die Epithel- zellen ganz durch sie verdeckt werden, wodurch das gewohnte Aus- sehen der Epidermis eine Veränderung erleidet (Fig. 10, Taf. 8); indem die Zellen der Epidermis eine sternförmige Gestalt annehmen, anastomosieren sie untereinander mittels ihrer langen Fortsätze (den Überresten veränderter Zellbrücken), wobei die Lymphocyten in den von diesen Fortsätzen gebildeten Maschen herumwandern (Fig. 8, 12 st, lim; Taf. 8). Ein derartiges Epithel mit sternförmigen Zellen, wie es bisweilen auch ohne den Einfluß von Wanderzellen auftritt, wurde denn auch von Koppen (5), SrupniékA (19) beschrieben und von mir bei Scorpaena porcus (16) beobachtet. Ich möchte bei dieser Gelegenheit auf die von mir beobachtete Erscheinung hinweisen, dab die Zellen einer solchen Epidermis, ungeachtet der Veränderung ihres äußern Aussehens, dennoch die Fähigkeit bewahren sich in Drüsen zu verwandeln, wie dies durch die Fig. 8, Taf. 8 be- stätigt wird. Die Wanderzellen dringen auf ihren Wanderungen zwischen den Epidermiselementen in die Kolbenzellen ein, und zwar sowohl in die in der Entwicklung begriffenen (Fig. 10 links, Taf. 8) als auch in die völlig entwickelten (Fig. 10 kb, 9 kb, Taf.8). Man kann Schritt für Schritt das Versinken des Lymphocyten in der Kolbenzelle ver- folgen, in deren Protoplasma um die fremde Zelle herum die Körner weniger dicht angeordnet sind. Auf die eine Zelle folgt eine andere, hierauf eine dritte und so fort bis zu mehreren Dutzenden, bis end- lich die ganze Kolbenzelle nicht selten dicht mit Lymphocyten an- gefüllt ist, in deren spaltförmigen Zwischenräumen Reste ihres Proto- plasmas zu bemerken sind (Fig. 10 kb, 9 kb, Taf. 8). Es ist von Interesse, daß eine solche beladene Kolbenzelle nicht die Fähigkeit einbüßt, ihr Secret auszuscheiden; sie kann die Ober- fläche der Epidermis erreichen und sich auf diese letztere ergießen, 296 E. Pıwrowsky, wobei die in sie eingedrungenen Lymphocyten mit hinausgeschwemmt werden (Fig. 11 kb, Taf. 8). Sind nur wenige Wanderzellen in der Kolbenzelle enthalten, so ist deren Kern leicht zu beobachten, welcher sich durch seine be- deutendere Größe, seine verschiedenartige Gestalt, die Verteilung des Chromatins in seinem Innern, endlich durch den ihn umgebenden (Gürtel von Körnern von den kleinern und kompaktern Kernen der Lymphocyten unterscheidet. Der Kern der Drüsenzelle bleibt un- verändert, oder er unterliegt dem Prozeß der Caryorhexis, d. h. er zerfällt in große Körner, die sich wiederum in kleinere Körner zer- teilen und endlich gänzlich verschwinden [Fig. 9 (linker Kolben), Taf. 8]. Ein solches Eindringen der Lymphocyten in die Kolbenzellen scheint mir ein ganz normaler Prozeß zu sein, indem diese Er- scheinung bei vielen Exemplaren von Schizothorax beobachtet werden konnte. Was die Bedeutung des Vorganges für den Organismus betrifft, so kann ich mich hierüber nicht in bestimmter Weise aus- sprechen. Es ist wohl kaum anzunehmen, daß die Wanderzellen die Kolbenzellen gänzlich zerstören (in Schleimdrüsen fehlen sie), da in diesem Falle die Kolbenzelle sich nicht auf die Oberfläche der Epidermis entleeren und damit ihre Bestimmung erfüllen könnte. Vielleicht erleichtert das Eindringen der Lymphocyten in die Kolbenzellen den erstern den Austritt aus dem Organismus, allein was kann in diesem Falle der Zweck des Austrittes sein? MAURER (ibid., p. 119—120) erklärt das Hervortreten der Lymphocyten an die Oberfläche der Epidermis durch Excretion. Diesem Ausstoßungsprozeb der Lymphocyten kommt wahrscheinlich die gleiche Bedeutung zu wie der Ausstoßung der Lymphocyten an die Oberfläche des Epithels an den Stellen, wo sich bei dem Menschen adenoides Gewebe in der Mundhöhle ansammelt (Stöhr). Oder aber verändern viel- leicht die Wanderzellen bei ihrem Eintritt in die Kolbenzellen den pbysiologischen Charakter ihres Secrets? Eine derartige Vermutung kann indessen wohl kaum die Erklärung einer Erscheinung bedeuten. Wir wollen nunmehr alle Ergebnisse, zu denen wir bei dem Studium der Kolbenzellen von Schizothorax gelangt sind, in ihren allgemeinen Zügen zusammenfassen. Wie bereits oben bemerkt worden ist, kann man in dem Leben der einzelligen Eiweißdrüsen zwei Perioden unterscheiden, und zwar: A. Die merocrine Periode. 1. Die Zelle scheidet wiederholt (mehrere Male) Secret in die intercellulären Spalten aus (Fig. 2f, 3a, b, Taf. 8). Epidermis von Haut und Lippen bei Schizothorax und Capoeta. 297 B. Die holocrine Periode. 2. Die Zelle scheidet Secretkörner aus, mit denen auch der Kern die Zelle verläßt |Fig. 5 (linker Kolben) u. 4, Taf. 8]. 3. Die Zelle mündet an der Oberfläche der Epidermis aus und wird hier a) langsam von derselben „abgerieben“ (Fig. 6, 7a, b kb, Taf. 8), b) rasch geleert (Fig. 7c, Taf. 8). 4. Das Protoplasma der Zelle wird weniger dicht gekörnelt, und ihr Kern zerfällt (Alter ?). 5. Die Zelle wird von wandernden Elementen angegriffen und mündet an der Oberfläche der Epidermis aus, wobei der in ihr enthaltene Kern a) sich nicht stark verändert (Fig. 10 Xb, Taf. 8), b) der Caryorhexis unterliegt (Fig. 7b, 9, Taf. 8). Wir wissen demnach, daß in den Kolbenzellen eine ganze Reihe verschiedener Arten von Secretion vor sich geht, abgesehen von dem bisweilen auftretenden ungleichen Verhalten ihres Protoplasmas den sauren Farben gegenüber; so werden auf ein und demselben Schnitte die einen Kolbenzellen mit Eosin und Säurefuchsin stark, die andern schwächer gefärbt. Von großem Interesse wäre die Beantwortung der Frage, ob die Eigenschaften des Secrets der Kolbenzellen, welches von letztern in der oben beschriebenen verschiedenen Art und Weise ausge- schieden werden, in physiologischer Beziehung gleichbedeutend ist. Ist das Secret nicht gleichbedeutend, so fragt es sich, auf welche Reize oder Einwirkungen des umgebenden Mediums diese oder jene Art der Secretion reagiert. Leider läßt sich eine derartige Frage auf keine Art und Weise beantworten. Nachdem ich die Beschreibung der Kolbenzellen von Schizothorax hiermit beendet habe, möchte ich nachstehendes kombiniertes Schema derjenigen Typen der Epidermis und ihrer Drüsen aufstellen, welche bei den Fischen angetroffen werden. Diese Typen wurden von ver- schiedenen Autoren beschrieben und sind auch von mir beobachtet worden. Die Epidermis der Fische ist nach folgenden Typen gebaut (Big. 30, Taf. 9). Typus 1 (Fig. 30, T. I, Taf. 9). Gewöhnliche, am häufigsten vorkommende Epidermis, bestehend aus mehreren durch protoplas- matische Brücken miteinander verbundenen Zellenschichten. Die tiefste 298 E. Pawrowsky, Schicht besteht aus cylindrischen Zellen (bas), die mittlern Schichten aus polygonalen, die oberste Schicht aus abgeflachten, mit einer dünnen Cuticula bedeckten Zelle (02). Typus 2 (Fig. 30 7. II, Taf. 9). Das Epithel besteht aus zwei Abschnitten — einem tiefen, nach dem oben geschilderten Typus gebauten Abschnitt (dem stratum plasmaticum) und einem oberflächlichen, dessen sämtliche Zellen sich in Schleimdrüsen verwandelt haben (dem stratum mucosum). Eine derartige Epidermis wurde von Maurer bei Bdellostoma (ibid., tab. 1, fig. 1) und Myxine glutinosa (ibid., tab. 1, Fig. 2) beschrieben. Typus 3 (Fig. 30 7. III, Taf. 9). Epidermis mit sternförmigen, durch verhältnismäßig zahlreiche verdickte protoplasmatische Brücken miteinander verbundenen Zellen (Epithelien mit netzförmigen oder sternförmigen Zellen |Korren, ibid.], bei Spinax niger, PAwLowskY [ibid.| bei Scorpaena porcus). Typus 4 (Fig. 30 7. IV, Taf. 9). ‚Epithel‘ vom 1. und 3. Typus, infiltriert mit Wanderzellen (lim) bis zum völligen Unsicht- barwerden seines wahren Baues, so z. B. in der Nähe der Lippen von Schizothoraz (siehe unten), an der Übergangsstelle der Epidermis von der untern Fläche einer Schuppe auf eine andere bei Cyprinus carpio (MAURER ibid. p. 106). Typus 5 (Fig. 30 7. V, Taf. 9) Epithel vom 1. . Typus, dessen oberflächliche Schichten verhornen, wobei der Kern entweder an der Bildung der Schleimtropfen Anteil nimmt (MAURER ibid. tab. 2, fig. 3, p. 42, 47, 48) (bei dem Neunauge in der Epidermis der Schwanzseiten) oder aber sich nicht wesentlich verändert (Der- selbe, ibid., tab. 1, fig. 10, p. 43) (Neunauge, ventraler Schwanz- rand). Auf meinem Schema ist der letztere Fall abgebildet. Die einzelligen epidermalen Drüsen der Fische können ent- sprechend den Eigenschaften ihres Secrets und seinem Verhalten Farbstoffen gegenüber in 2 Gruppen eingeteilt werden. Die mit sauren Farbstoffen (Eosin, Orange, Pikrinsäure, Fuchsin u. a. m.) färbbaren Drüsen gehören zu den Eiweiß- oder serösen Drüsen (seröse Drüsenzellen, cellulae albuminoidae acidophilae), während die Drüsen, welche sich mit Hämatoxylin blau, mit Muci- karmin, Mucihämatein und Tionin lila färben etc. Schleimdrüsen darstellen (Schleimzellen, cellulae muciparae). Eine solche Klassifizierung wurde von Kwierniewskt (ibid. p. 100—110) sowie von Kurczyckı u. NusBauM (6, 13) in die Literatur eingeführt. Epidermis von Haut und Lippen bei Schizothorax und Capoeta. 299 ed Eine jede dieser Gruppen von Drüsen zerfällt wiederum in kleinere Gruppen. Die Schleimdrüsen können von zweierlei Art sein. 1. Der gewöhnliche Typus der Drüsen, in Gestalt eines Bechers oder Sackes mit peripher angeordnetem Protoplasma und Kern (Fig. 30 Schz,_,, Taf. 9; Fig. 1 u. 8, Taf. 8) (Becher- zellen, cellulae calyciformes). Anzutreffen z. B. bei nach- stehenden Fischen: Rhina squatina, Torpedo ocellata, Raja clavata, Barbus fluviatilis, Anguilla vulgaris, Schizothorax intermedius, Trachinus draco und vielen andern. 2. Außer den becherförmigen Zellen treten die Schleimdrüsen auch noch in Gestalt kugelförmiger oder ovaler Zellen auf, mit zentral gelegenem Kern und um diesen herum gelager- tem Protoplasma, indessen Maschen Schleimtröpfchen liegen. Diese Art von Zellen bezeichnet List (9) als Levpıe’sche Zellen, Rerzıus (18) dagegen als Blasenzellen. Beschrieben wurden dieselben bei Bdellostoma (MAURER, ibid. fig. 18, tab. 2) und bei Myxine (MAURER, ibid. tab. 1, fig. 2a—f; Rerzıus, ibid., tab. 8, fig. 1) (Fig. 30 schb,_,, Taf. 9). Auch die Eiweißdrüsen können einen verschiedenen Bauplan aufweisen. 1. Bei vielen Fischen aus der Familie der Cypriniden sowie bei einigen andern gehören die Eiweibdrüsen zu dem Typus der Kolbenzellen. Letztere sind dadurch ausgezeichnet, daß ihr Kern im Innern der Zelle, nicht aber an ihrer Peri- -pherie gelegen ist; der Kern ist entweder allseitig (so z. B. bei Schizothorax, Barbus fluviatilis, Idus melanotus, Tinca vulgaris und viele andere) (SXZ,, SKZ, Fig. 30, Taf. 9) oder aber von einer Seite von Secret umgeben, wobei das letztere in diesem Falle in einer dem Kern anliegenden Vacuole enthalten ist (Anguilla vulgaris) (Fie 30 SKZ,, Taf. 2). 2. Der letzte Typus der Eiweißdrüsen entspricht den becher- förmigen Schleimdrüsen. Das Protoplasma bildet einen verschieden gestalteten Sack, in dessen Wandung der Kern gelegen ist, während die Höhlung nicht von einem schleimigen Secret, wie in den becher- förmigen Zellen, sondern von Eiweibßsecret erfüllt ist; letzteres kann entweder homogen oder körnig sein (Fig. 30 SSZ,, SSZ,, Taf. 9). Solche „sackförmige seröse Drüsenzellen“ sind bei mehreren Fischen gefunden worden, so z. B. bei Acanthias vulgaris und Spinax niger (KWIETNIEWSKI, ibid., tab. 2, fig. 3, 7, 8), Fierasfer Cuv. |ByKowskı, Zool. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. 20 300 E. PAwrowsky, NusBaum (2) p. 170, fig. 1), Lepadogaster [Srupniëéka (20)|, Truchinus draco |Pawrowsky (15) fig. 1—4], Callichthys punctatus und Pleco- stomus commersoni [RAUTHER (17) fig. 2, 3 u. D|. Indem RavurHer in seiner Arbeit vom Jahre 1907 (17) Drüsen des letztgenannten Typus unter dem Namen „Körnerdrüsen“ bei Plecostomus commersoni und Callichthys punctatus (Siluridae) beschrieb, nahm er irrtümlicherweise an, solche Gebilde seien in der ein- schlägigen Literatur unbekannt, während dieselben doch schon im Jahre 1905 von KwreTnrewskr bei den Selachiern (ibid., 7), von Bykowskı u. Nuspaum bei Fierasfer (2) entdeckt und im Jahre 1906 von STUDNICKA beobachtet worden waren. Leider hat RAUTHER weder die Entwicklung der Körnerdrüsen noch diejenige der LExprG- schen Zellen (wie er die Kolbenzellen nennt) verfolgen können. Dieser Umstand verdient Beachtung, indem gewöhnlich in jedem beliebigen Exemplar von Fischen verschiedene Entwicklungsstadien seiner Drüsen anzutreffen sind; Ausnahmen hiervon sind, soweit mir bekannt ist, recht selten. RAUTHER, welcher 3 Exemplare von Plecostomus commersoni von 7, 2,2 und 3,5 cm Länge untersuchte, fand bei diesen Stadien folgende Unterschiede Das erste Exemplar besaß becherförmige (Schleim-) Drüsen und Körnerdrüsen, während Kolbenzellen fehlten; bei dem zweiten und dritten Exemplar war das umgekehrte Verhalten zu beobachten: in der Haut fanden sich Leypia’sche Drüsen (-Kolben- zellen; bei dem Exemplar von 2,2 cm Länge mündeten die Kolben- zellen mit dem schmalen halbförmigen Ende an der Oberfläche der Epidermis), während Körnerdrüsen fehlten. Angesichts dieser Ver- schiedenheit in dem Auftreten der Drüsen vermutet RAUTHER, dab „hier im Jugendzustande die entstehenden Drüsenzellen die Form von Leyviıg’schen Zellen annehmen, während die spätern Generationen derselben sich zu Körnerdrüsen ausbilden“ (ibid., p. 93). Der Autor der eben besprochenen Arbeit gibt selbst zu, dab seine Untersuchungen zur Bekräftigung einer solchen Schlußfolgerung nicht ausreichen, indem er die Entwicklung der Drüsen sowie den Übergang dieser letztern aus einer Form in die andere nicht selbst beobachtet hat. Das Studium von Fischen, bei denen statt der Kolbenzellen nur becherförmige Eiweißdrüsen (homogene oder körnige) anzutreffen sind, welche sich unmittelbar aus Epidermiszellen ent- wickeln [ Zrachinus draco E. PAwLoWwsKY, Lepadogaster STUDNICKA (20)] weist mit großer Wahrscheinlichkeit auf die völlige Selbständigkeit Epidermis von Haut und Lippen bei Schizothorax und Capoeta. 301 und Unabhängigkeit des Typus der Becherdrüsen von demjenigen der Kolbenzellen hin, weshalb ich denn auch in dem oben mitge- teilten Schema eine solche Abgrenzung dieser Drüsen beibehalten habe. 2. Die Lippen. Außer der Hautepidermis habe ich auch den Bau der Lippen von Schizothorax untersucht, wobei ich mein Augenmerk hauptsäch- lich auf die Verhornung der Unterlippe von Schizothorax intermedius var. eurystomus KESSLER richtete (Fig. 3lc u. 34, Taf. 10). Auf Grund des Vorhandenseins oder Fehlens einer Hornscheide unter- scheidet L. BERG (bei Übereinstimmung aller übrigen Merkmale) zwei Formen: Schizothorax intermedius M. CLeLLand (Day), wo die Unterlippe keine schneidende Hornscheide besitzt, sondern mit einer leicht abfallenden Hornmembran bedeckt ist, und Schizothorax intermedius var. eurystomus KESSLER mit zugespitzter horniger Unter- lippe (ibid., p. 76). Bei der Beschreibung dieses letztern Fisches macht der erwähnte Autor die nachstehende Bemerkung. „Ich zweifle nicht daran, dass diese Arten identisch sind und dass Sch. eurystomus als ein Synonym von Sch. intermedius betrachtet werden muß. Ich behalte jedoch ersteren einstweilen als eine besondere Abart bei, da mir die Ursache unbekannt ist, woher bei einigen Exemplaren eine Hornscheide an der Unterlippe auftritt... . Es fällt oft schwer ein gegebenes Exemplar auf diese oder jene Abart zu beziehen, weil die Hornscheide bei demselben schwach entwickelt und der Rand des Kiefers wenig zugespitzt erscheint. Ausserdem findet sich an dem Oberkiefer von Sch. intermedius häufig eine hornige Membran. Dieser Umstand trägt zur Bestätigung der Ansicht von der Identität beider Formen bei“ (op. cit. p. 81). Eine Hornscheide tritt sporadisch auch bei Sch. poelzami und Sch. pseudoaksaiensis auf (ibid.). Allein bei gewissen Cypriniden tritt eine solche Verhornung der Unterlippe ständig auf und bildet ein charak- teristisches Merkmal für die betreffende Art, so z. B. bei Capoeta heratensis, Chondrostoma, Sarcocheilichthys, Onychodon, Ptychobarbus oschanint. Ich habe mehrere Dutzend Lippen von Schizothorax untersucht und habe unter denselben eine Reihe von Übergangsformen gefunden, welche die von L. BERG aufgestellten Unterarten miteinander ver- binden. Die typischen Unterarten wie auch die zwischen ihnen be- stehenden Übergangsformen wurden von mir Herrn Dr. L. Bere 20* 302 E. Pawrowsky, vorgelegt, welcher deren Untersuchung in liebenswürdigster Weise unternahm und feststellte, daß keinerlei Unterschiede zwischen den vorgelegten Stücken bestanden, mit Ausnahme des Grades der Ver- hornung der Unterlippe. Ich beabsichtigte nunmehr, durch die mikroskopische Unter- suchung meines Materials die Identität der genannten Unterarten zu bestätigen und gleichzeitig die Verhornung selbst genauer zu untersuchen, welche auch in morphologischer Hinsicht ein gewisses Interesse bietet. Der Unterkiefer von Schezothorax weist nachstehenden Bau auf. Sein Skelet wird durch eine Knochenplatte gebildet (Fig. 17, 22 kn, Taf. 9), an deren vorderm Teile eine Menge fasrigen Knorpels dicht anliegt (Fig. 22 krp; Taf. 9), welcher der Lippe ihre äußere Ge- staltung verleiht; die Fasern dieses Knorpels gehen in das Peri- chondrium und das Corium über; letzteres ist von der Epidermis bedeckt, welche die Epidermis aller übrigen Körperbezirke an Dicke übertrifft. Das Corium dringt entweder in Gestalt starker zitzen- förmiger Vorsprünge in die Epidermis ein (Fig. 18, 21 bg, Taf. 9) oder aber in Gestalt schmaler Stränge, welche die Masse der Epi- dermis durchsetzen und mit den Zellen der Hautsinnesorgane in Verbindung treten. Wir wollen zunächst den Unterkiefer der typischen Form von Schizothorax intermedius betrachten (Fig. 3la u. 32, Taf. 10). Die Epidermis der äußern Oberfläche des Kiefers enthält in dessen hinterm Abschnitte eine große Anzahl von Schleim- drüsen, während Kolbenzellen hier fehlen; je näher dem Rande der Lippe, desto mehr nehmen die Schleimdrüsen an Zahl ab, wobei die Epidermis schließlich nur noch von indifferenten Zellen gebildet wird. In der äußern Oberfläche der Lippe sind in der Epidermis stets Ansammlungen von Wanderzellen zu beobachten, welche bald die gesamte Masse der Epidermis diffus infiltrieren, bald gruppen- weise in deren tiefen Schichten angeordnet sind. Gegen den Lippen- rand hin nimmt die Zahl der Wanderzellen ab, während die Epi- dermiszellen an Umfang zunehmen; ihr dichtkörniges Protoplasma ist massiv, und sie sind durch deutlich ausgesprochene intercellu- läre Brücken untereinander verbunden. Am Rande der Lippe, nament- lich aber in dem vordern Abschnitt ihrer Innenfläche, kann man folgende Schichten der Epidermis unterscheiden. 1. Eine tiefere Schicht, welche die Fortsetzung des basalen Cylinderepithels der benachbarten Hautbezirke bildet. Diese Schicht Epidermis von Haut und Lippen bei Schizothorax und Capoeta. 303 wird von zwei bis drei unregelmäßigen Reihen runder Zellen mit ebensolchen Kernen gebildet, welch letztere dicht aneinander liegen und die Grenzen zwischen den einzelnen Zellen verdecken. 2. Mittlere Schichten polygonaler großer Zellen mit rundem chromatinarmen Kern und intercellulären Brücken (Fig. 25, Taf. 9), in deren Zwischenräumen oft recht beträchtlich in die Länge ge- zogene Lymphocyten herumwandern. 3. Auf diesen Zellen, meist ohne irgendwelche Übergangsformen, liegt der oberflächliche Teil der Epidermis, welcher aus 3—4 Reihen verhornter, sich einigen Farbstoffen gegenüber in besonderer Weise verhaltender Zellen besteht!) (Fig. 15, 16, violetter Saum, Taf. 9). Der hintere Teil der innern Lippenoberfläche geht in den Boden der Mundhöhle über, deren Schleimhaut sehr faltig und reich an Sinnes(Geschmacks?)-Organen ist; letztere liegen sowohl auf dem Gipfel der Falten wie auch zu deren Seiten. Von neuem treten grobe Mengen von Lymphocyten auf, während die Oberflächenschicht des Epithels von einer ununterbrochenen Reihe einzelliger Schleim- drüsen bedeckt ist, welche offenbar an der Verdauung beteiligt sind. Wir wollen nunmehr die Einzelheiten des Baues desjenigen Be- zirkes der Lippe besprechen, wo sich verhornte Zellen finden. Die Kerne der tiefen Schicht von Epithelzellen sind rund, wo- durch sich diese letztern von dem basalen Cylinderepithel der be- nachbarten Bezirke unterscheiden, dessen Kerne in die Länge ge- streckt sind. Das Chromatin ist in Gestalt eines Netzes angeordnet, 1) Die Lippen bearbeitete ich nach folgenden Methoden. Die Lippen wurden in Celloidin eingebettet und in diesem durch 5°/, HNO, entkalkt, mit nachfolgendem Auswaschen mit 5°/, Alaunlösung und Wasser. Die Schnitte wurden auf verschiedene Weise gefärbt (LEE u. MAYER, Grund- züge der mikroskop. Technik, 1901, p. 336, Horn.): zuerst mit Borax- karmin, sodann nach GRAM mit Methylviolett. Die Hornsubstanz färbte sich intensiv violett, die übrigen Gewebe mit Karmin (die Schleimdrüsen färbten sich ebenfalls nach GRAM). Ein nicht weniger scharfes Bild er- gab sich bei der Färbung mit Safranin und Lichtgrün. Die Hornsubstanz färbte sich dabei diffus grellrot, die übrigen Elemente, mit Ausnahme der Kerne, nahmen vom Lichtgrün eine grüne Färbung an. Das poly- chrome Methylenblau von Unna färbt die Hornsubstanz dunkelblau. Bei genügendem Auswaschen mit Wasser nach der Färbung mit WEIGERT- schem Eisenhämatoxylin und VAN GiESON’scher Mischung blieben nur die verhornten Elemente gelb gefärbt. Bei der letztern Färbemethode er- fuhren die intercellulären Zwischenräume derjenigen Hornbezirke eine Rot- färbung, in denen die Zellen noch nicht zu einer kompakten Masse ver- schmolzen waren. 304 E. Pawrowsky, wenn in der Zelle nicht gerade die hier sehr häufige Caryokinese stattfindet. Der Prozeß der Neubildung von Zellen durch deren Teilung unterliegt keinem Zweifel. Indem die Tochterzellen in den nächsten, mittlern Teil der Epidermis eintreten, verändern sie ihren Charakter. Das feinkörnige Protoplasma solcher Zellen ist umfang- reich. Der Kern nimmt an Größe zu und erhält das Aussehen eines Bläschens. Derselbe enthält wenig Chromatin, 1—3 große Körner und mehrere kleine, durch ebenfalls aus Chromatin bestehende Fäden miteinander verbundene Körnchen. In einigen Zellen kann man gleichsam 2—3 dicht aneinanderliegende Kerne antreffen, doch kann ich nicht mit Bestimmtheit aussagen, ob derartige Zellen in der Tat vielkernig sind oder ob sie einen groben, faltigen Kern besitzt. In vielen Zellen der tiefen wie auch der mittlern Schicht ist eine Vacuolisierung der Kerne zu bemerken. Anfangs erscheint unter irgendeiner Stelle der Kernoberfläche ein durchsichtiges Trüpfchen einer unbekannten Substanz. Dieses Tröpfchen nimmt an Größe zu, wobei es sich in ein Bläschen verwandelt, dessen Wachstum augenscheinlich mit einer Abnahme des Chromatins im Kern zusammenhängt, welches in Gestalt einer ununterbrochenen dünnen Schicht auf dessen Oberfläche angeordnet ist (Fig. 25 u. 26, Taf. 9). Dieser Vacuolisierungsprozeß zeigt Übereinstimmung mit dem von Maurer in den Epidermiszellen des Rückens von Petromyzon beschriebenen Vorgang. Zu dieser Überzeugung gelange ich auf Grund der fig. 3, tab. 8, während ich mich mit der dazugehörigen Beschreibung nicht einverstanden erklären kann, da ich keinen Anlaß dazu erblicke, die im Kern auftretende Substanz für Schleim zu halten, wie Maurer dies tut (ibid, p. 37). Der Inhalt der Vacuole wird von den Schleimfarben nicht gefärbt, weshalb der- selbe auch nicht als Schleim bezeichnet werden darf. Außerdem kann man in den Zellen des von uns betrachteten Abschnitts stets einen andern Vorgang der Bildung einer Substanz beobachten, welche sehr an Schleim erinnert. Eine tätige Rolle spielt hierbei der Kern, an dessen Peripherie sich irgendwo eine sich mit Hämatoxylin blau färbende Substanz ansammelt (Fig. 14a, Taf. 8) Diese Substanz tritt in das Protoplasma der Zelle ein, wo sie je nach ihrem Ent- wicklungsgrade einen mehr oder weniger beträchtlichen Raum ein- nimmt (Fig. 14b—f). Die Bedeutung dieses Vorganges ist mir un- klar geblieben. Ich kann hierzu nur angeben, daß die hervor- Epidermis von Haut und Lippen bei Schizothorax und Capoeta. 305 gebrachte Substanz nicht an die Oberfläche der Epidermis gelangt, da letztere mit einer Hornschicht bedeckt ist. Derartige Zellen werden vermischt mit undifferenzierten Zellen auch an den Grenzen der Hornsubstanz beobachtet. In dem Plasma der polygonalen abgeflachten Zellen der letztern ist eine ungeheure Menge kleiner Körnchen von Keratohyalin enthalten, welche mit Methylviolett nach Gram färbbar sind. Der Kern zeigt sich in Ge- stalt eines in die Länge gestreckten Chromatinklümpchens. Die verhornten Zellen bilden 3—4 Schichten, wobei ihre intercellulären Brückchen offenbar nicht mit verhornen, indem sie bei Färbung nach Gram von dem Methylviolett nicht berührt werden, sondern in Ge- stalt von rosafarbenen Spalten die Zellen äußerst scharf von ein- ander trennen (entsprechend Fig. 26, Taf. 9). Dies ist der Bau der Unterlippe bei denjenigen Exemplaren von Schizothorax, welche als die reine Form von Sch. intermedius angesehen werden können (Fig. 15—16, Taf. 9; Fig. 32, Taf. 10). Die Übergangsformen zwischen den untersuchten Unterarten sind makroskopisch durch eine Unterlippe charakterisiert, welche einstweilen noch keinen schneidenden Rand besitzt, sondern mit einer Hornplatte versehen ist, die massiver ist als die soeben be- schriebene Hornmembran (Fig. 31b u. 33, Taf. 10). Bei der mikroskopischen Untersuchung finden wir nicht mehr 3—4 Schichten verhornter Zellen in der oberflächlichen Epidermis, sondern viel mehr, je nach dem Fortschritt der Verhornung. Die Fig. 17, Taf. 9 stellt eine solche Ubergangsform dar. In histologischer Hinsicht zeigt sie keine irgendwelchen qualitativen Abweichungen von der reinen Form von Sch. intermedius. Der Unterschied besteht nur in der Anzahl der verhornten Zellen, welche in den oberfläch- lichen Schichten die Tendenz an den Tag legen, zu einer kompakten Masse mit spärlich verstreuten stäbchenförmigen Kernen zu ver- schmelzen, während die tiefer liegenden Zellen ihre Selbständigkeit beibewahren. In weiter fortgeschrittenen Übergangsformen geht die bisher auf den vordern Abschnitt der innern Lippenfläche und auf die Lippenränder beschränkte Verhornung allmählich auch auf den vordern Abschnitt der äußern Lippenfläche über (Fig. 18, Taf. 9). Die Form Schizothorax intermedius var. eurystomus endlich ist gekennzeichnet durch den weit fortgeschrittenen Verhornungsprozeb, dessen Endergebnis die schneidende Hornscheide auf der Unter- lippe bildet (Fig. 31c, f u. 34, Taf. 10). Derartige Formen werden 306 E. Pawrowsky, | bei Fischen aller Altersstufen angetroffen, von den Jungen bis zu ganz alten Tieren (Fig. 19—22, Taf. 9), wobei mit fortschreitendem Alter nur die absolute Größe der Hornscheide sich verändert, während ihr relativer Umfang nur wenig schwankt. Die Hornscheide besteht aus 2 Platten, einer obern (innern, Fig. 19—22 ip; Taf. 9) und einer untern (äußern, Fig. 19—22 ap; Taf. 9), welche unter einem spitzen Winkel miteinander verbunden sind, wobei der schneidende Rand der Scheide von der obern, stets weiter als die untere entwickelte Platte gebildet wird. In der Ecke, wo beide Platten zusammenstoßen, weisen die Epidermiszellen ein Bild der allmählichen, durch das Auftreten von Keratohyalin- körnern im Plasma zum Ausdruck gelangenden Verhornung auf, wobei diese Körner bei zunehmender Anhäufung die ganze Zelle mit sich anfüllen (Fig. 21, Taf. 9). Auch in den Zellen der mittlern Epidermisschichten tritt häufig eine Vacuolisierung der Kerne auf, wobei sowohl Zellen mit nicht differenzierten Kernen, wie auch solche mit vacuolisierten Kernen der Verhornung unterliegen; in den bereits verhornten Zellen kann man die erste Zeit hindurch bald an den Resten der Vacuole, bald an der kompakten Chromatinmasse den Charakter des Kernes er- kennen. Die tiefliegenden Zellen der Hornscheide sind durch un- differenzierte plasmatische Brücken voneinander getrennt (Fig. 26, Taf. 9); sie sind gleich den unter ihnen liegenden, nicht ver- hornten Epidermiszellen, abgeplattet, während die oberflächlichen Zellen zu einer kompakten Masse verschmolzen sind (Fig. 27, Taf. 9). Die obere Hornscheidenplatte erscheint an der untern Oberfläche ihres schneidenden Teiles (linker Rand, Fig. 27, Taf. 9) gleichsam gezähnelt, weil ihre Zellen weggewischt werden und mit ihren Ecken und den Bruchstücken der plasmatischen Brücken dieser Ober- fläche ein unebenes Aussehen verleihen. Für die Ernährung der Lippe nebst ihrer verhornten Scheide dienen Zotten des Corium, welche tief in die auf Kosten der Ent- wicklung ihrer mittlern Schichten verdickten Epidermis hereinragen (is 121 bg: Tai): Die Oberlippe von Schizothorax ist mit einer Epidermis bedeckt, welche reich an sensiblen Nervenendigungen ist, aber keine Drüsen- zellen enthält. An ihrer untern (innern) Oberfläche findet sich in dem vordern Abschnitt der Lippe, da wo sie beim Schließen des Mundes den hornigen Teil des Unterkiefers berührt, ebenfalls eine Verhornung, welche, im Gegensatz zur Unterlippe, bei verschiedenen Epidermis von Haut und Lippen bei Schizothorax und Capoeta. 307 Exemplaren von Schizothorax nur wenig Schwankungen in ihrem Umfang aufweist. Der histologische Bau des uns beschäftigenden Bezirkes der Oberlippe ist durch keine besondern qualitativen Merkmale vor dem Bau des Epithels der Unterlippe ausgezeichnet. Gleich hinter dem verhornten Bezirk bilden die Hüllen des Oberkiefers eine Falte, welche in Gestalt eines Vorhanges in die Mundhöhle herabhängt (Fig. 23, 24 mem, Taf. 9). Die Grundsubstanz der Falte besteht aus Bindegewebe, in welchem Gefäße enthalten sind. Sie ist beiderseits von mehreren Schichten des Epithels be- deckt, welches viele Lymphocyten, Schleimdrüsen und sensible Nervenendigungen in sich enthält. Hinter dieser großen Falte bildet das Gaumenepithel eine Menge Vertiefungen und Fältchen (Fig. 24 ep, Taf. 8); es ist ebenso reich an Schleimdrüsen wie auf der gleich- artig beschaffenen Stelle der Schleimhaut am Grunde der Mundhöhle. Zum Vergleich untersuchte ich den Bau des Unterkiefers bei Capoeta heratensis, dessen Hornscheide eine beständige Bildung dar- stellt. Der allgemeine Plan ihres Baues ist der gleiche wie bei Schizothorax. Einen Unterschied zeigt nur das Epithel, welches auf der innern Fläche der Lippe ein sehr dickes Polster bildet, in das die die Lippe ernährenden bindegewebigen Zotten herein- ragen (Fig. 28 ep, Taf. 9). Der vordere Rand der Lippe ist mit einer schneidenden Scheide versehen; letztere wird von Eosin in- tensiv rosa (Fig. 29, Taf. 9), nach Gram dagegen violett gefärbt (Fig. 28, Taf. 9), wie dies auch bei Schizothorax der Fall ist. Die Scheide besteht aus verhornten Zellen, in denen stäbchenförmige Kerne zu sehen sind (Fig. 29, Taf. 9), und sitzt unmittelbar auf dem Lippenepithel, von dem sie infolge des Fehlens allmählich verhornter Zellen scharf abgegrenzt ist. In dem Epithel ist der Prozeß der Vacuolisierung der Kerne wie auch der Hervorbringung von Schleimsubstanz ebenso häufig zu beobachten wie bei Schizo- thorax (s. oben; vgl. Fig. 14, Taf. 8 und Fig. 25, 26, Taf. 9). Dies führt uns zu dem Schluß, daß die Hornscheiden der Lippen von Capoeta und Schizothoraz morphologisch identische Gebilde dar- stellen. Indem man die oben dargelegten Resultate zusammenfabt, wird man die Ergebnisse der systematischen Untersuchungen an Schizo- thorax nur bestätigen können. Es besteht kein prinzipieller Unter- schied zwischen Schizothorax intermedius und Schizothorax intermedius var. eurystomus, indem der ganze Unterschied zwischen beiden nur E. Pawrowsky, (oe) 30 auf den Grad der Verhornung der Unterlippe zurückzuführen ist, welche ihrer Veränderlichkeit wegen jedoch nicht als ein speci- fisches Merkmal angesehen werden kann. Im gegebenen Falle haben wir es mit ein und derselben Art Schizothorax intermedius zu tun, bei deren verschiedenen Vertretern unter der Einwirkung un- bekannter Ursachen eine mehr oder weniger ausgebildete Hornscheide auf der Unterlippe auftritt. Wie dies aus der Fig. 19—22 der Taf. 9 zu ersehen ist, spielt das Alter des Fisches keinerlei Rolle in dem Prozeß der Verhornung; nach den Angaben von L. S. BerG (ibid. p. 81) wird der Grad der Entwicklung der Scheide auch nicht durch das Geschlecht beeinflußt, ebensowenig wie durch den Fundort des Fisches, da der Verbreitungs- bezirk für alle untersuchten Schizothorax-Exemplare der gleiche ist (Zerafschan, Syr-Darja, Amu-Darja, Tarim). Bei FEDTSCHENKO finden wir folgende Angaben: „Die Lippen... sind bei Schizothorax und Diptychus zu einer gewissen Jahreszeit von einer harten Platte bedeckt, die mit einem scharfen schneiden- den Rande versehen ist. Die Lippenplatte entwickelt sich nur zu einer gewissen Jahreszeit bei beiden Geschlechtern ; die übrige Zeit hindurch sind die Lippen klein; der Umfang der Lippen ist wiederum verschieden. Die dicken Lippen scheiden reichlich Schleim ab, und ich vermute, dass die harte Platte durch Erhärtung des Sekretes von in den Lippen enthaltenen Drüsen gebildet wird; in diesem Falle wird es ganz begreiflich, dass die Lippen bei verstärkter Tätigkeit der Drüsen dicker werden; diese Platte löst sich bei Spiritusexemplaren außerordentlich leicht ab, was ebenfalls darauf hinweist, dass sie gleichsam einen an die Lippen angeklebten ver- härteten Abschnitt darstellt; wahrscheinlich ist diese Platte als ein durch Drüsen ausgeschiedenes Cuticulargebilde anzusehen. Welche: Rolle dasselbe spielt, bleibt unbekannt. Die Eingeborenen erzählten mir, dass die Fische sich während der Laichzeit in die aus den Gebirgsbächen abgeleiteten Entwässerungsgräben begeben, in deren weichen Wänden Höhlen anlegen und dann leicht in denselben zu fangen sind. Sollten nicht die mit scharfen Platten bedeckten Lippen hierbei eine Rolle spielen, d. h. der Fisch vermittelst der- selben die Erde abbeissen ?“ 1) Auch durch das hier angeführte Zitat wird die Sache nicht aufgeklärt. Vor allem hat die Jahreszeit für den Verhornungsprozeb 1) Zitat nach L. S. BERG (ibid., p. 254). Epidermis von Haut und Lippen bei Schizothorax und Capoeta. 309 keinerlei Bedeutung. Das meiner Untersuchung zugrunde liegende Material war von Juni bis August 1908 gesammelt worden, so daß im Verlaufe der Sommermonate alle Stufen der Verhornung ange- troffen werden. Was die Erklärung des Auftretens einer schneiden- den Scheide durch Verhärtung eines Drüsensecrets betrifft, so ist diese Vermutung von FEDTSCHENKO nicht richtig. Wie aus meinen Untersuchungen hervorgeht, sind an der Stelle der Verhornung keinerlei Drüsen vorhanden, und die Scheide stellt keine Cuticular- bildung dar, sondern besteht aus Hornsubstanz. Was endlich die Erzählungen der Eingebornen über das Graben von Höhlen durch Schizothorax während der Laichzeit betrifft, so könnte durch dieselben der Zweck der Hornscheide bei den ge- schlechtsreifen Exemplaren erklärt werden, ihre Rolle bei jungen Exemplaren dagegen bleibt dennoch unaufgeklärt. Eine öcologische Erklärung für die Bildung einer Hornscheide kann demnach einstweilen noch nicht gegeben werden. Es erübrigt nunmehr nur noch die Lippen von Schizothorax mit denjenigen Hornbildungen zu vergleichen, welche wir bei andern Fischen antreffen. Zu derartigen Bildungen gehören die Perlorgane sowie die Hornzähne von Petromyzon und Myxine. Es genügt eine flüchtige Übersicht der Literatur [Jacosy (3) Känsche (4) u. a. m.], um sich von der Verschiedenheit des Baues der Zähne der Neunaugen von demjenigen der Hornscheiden bei Schzzothorax zu überzeugen, wobei sich diese Verschiedenheit durch die beträchtliche Differenzierung ihrer Zellelemente kund gibt. Dagegen stehen die Perlorgane, wenn auch nicht bei allen, so doch bei einigen Fischen ihrem Baue nach der Scheide der Unter- lippe von Schizothorax sehr nahe. MAUurEr bildet in seiner fig. 2, tab. 4 einen Perlhöcker von Jdus melanotus ab. Die epidermalen Zellen dieses Gebildes sind vergrößert, Drüsenzellen sind darunter. Auf dem Höcker sitzt ein Hornfutteral, dessen Zellen sich deutlich von den darunterliegenden Epithelzellen unterscheiden. Endlich können die Perlorgane auch gefäßführende Zotten besitzen, wie dies LEYD1@ (8) für Discognathus lampta (fig.5, tab. 1) nachgewiesen hat. Alle diese Züge weisen meiner Ansicht nach auf eine morphologische Überein- stimmung zwischen dem Perlhöcker und der Hornscheide der Lippe von Schizothorax hin. Diese Übereinstimmung wird dadurch noch erhöht, daß auch die Perlhöcker bei beiden Geschlechtern angetroffen 319 E. Pawtowsey, werden (ich habe dieselben z. B. bei dem Weibchen von Ptychobarbus oschanini angetroffen). Was den Hinweis von MAURER darauf betrifft, daß in den ver- hornten Zellen der Knochenfische kein Eleidin und Keratohyalin ent- halten sei (ibid., p. 120), so läßt sich dies dadurch erklären, daß dieser Autor nicht diejenigen Färbemittel angewandt hat, vermittels derer das Vorhandensein solcher Elemente nachgewiesen werden könnte. Um die Charakteristik der oben beschriebenen Hornscheiden der Unterlippe zu vervollständigen, will ich noch darauf hinweisen, daß derartige Gebilde bis jetzt nur bei Fischen aus der Familie der Cypriniden bekannt geworden sind. St. Petersburg, 15.—28. Mai 1910. =] . 12. 13. Epidermis von Haut und Lippen bei Schizothorax und Capoeta. 311 Literaturverzeichnis. BERG, L., Die Fische von Turkestan (russisch), 1905, in: Nachr. Turkestan-Abtheilung Russ. geogr. Ges. BykowskI, L., und J. NUSBAUM, Weitere Beiträge zur Morphologie des parasitischen Knochenfisches Fierasfer Cuv., in: Bull. internat. Acad. Sc. Cracovie, Classe Sc. math. pat., p. 169—198, 1905. JACOBY, Die Hornzähne der Cyclostomen und Untersuchungen an Myxine glutionosa, Petromyzon fluviatilis und marinus, in: Arch. mikrosk. Anat., Vol. 43. 1894. KANSCHE, Beiträge zur Kenntniss der Metamorphose des Ammocoetes branchialis in Petromyzon, in: Zool. Beitr. SCHNEIDER, Vol. 2. 1890. Koppen, H., Ueber Epithelien mit netzförmig angeordneten Zellen und über die Flossenstachel von Spinax niger, in: Zool. Jahrb., Vol. 14, Anat. 1901. KULCZYcK1, W., und J. NusBAuM, Zur Kenntnis der Drüsenzellen in der Epidermis der Knochenfische, in: Bull. internat. Acad. Se. Cracovie, Classe Sc. math. nat., p. 785— 787, 1905. 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Erklärung der af äußere Lippenfläche ap äußere Platte der Hornscheide auf der Unterlippe bas basale Schicht der Epidermis bg Bindegewebe ep Epithel epd Epidermis if innere Lippenfläche ip innere Platte der Hornscheide auf der Unterlippe kb Kolbenzelle kn Knochen krp Faserknorpel lium Wanderzellen (Lymphocyten). mem Falte in den Hüllen der innern Fläche der Oberlippe 0% Oberflächenschicht der Epidermis pl Protoplasma se Secret schb, Schleimdrüse (vom Typus der Blasenzellen) während ihrer Ent- wicklung Abbildungen. schb, dieselbe Zelle, ihr Secret auf die Oberfläche der Epidermis er- gießend schz, becherförmige Schleimdrüse während ihrer Entwicklung schx, dieselbe Zelle, aber völlig ent- wickelt ane j Eiweißzellen vom Typus der Et | Kolbenzellen, in der Entwick- ? \ lung begriffen skx, Kolbenzelle während der defini- tiven Secretion ss“, in der Entwicklung begriffene sackförmige Eiweißdrüse ssx. dieselbe Drüse, völlig entwickelt st sternförmige Epidermiszelle str. muc Schleimschichten der Epi- dermis str. pla Schichten der gewöhnlichen Epidermis x Schuppe Wat eles: Schizothorax Pig. 1. Epidermis 4 Kolbenzellen und eine Schleimdrüse. Eosin. Zeıss DD, Ok. 4. Epidermis der Körperseite oberhalb der Seitenlinie. intermedius. In der Celloidin, Hämatoxylin- 214 E. PAwLowsky, Fig. 2. Entwicklung der Kolbenzellen aus der Epidermiszelle in der Epidermis des Bauches. Eisenhämatoxylin nach WEIGERT, Eosin. ZEISS !/& hom. Imm., Ok. 4. Fig. 3a, b. Wiederholte Secretion in den Kolbenzellen der Bauch- epidermis. Dieselbe Färbung. Zeiss 1/,,, Ok. 4. Fig. 4. Austritt des Kernes samt den Secretkörnern aus einer Kolben- zelle. Bauchepidermis. Dieselbe Färbung. Zeiss !/,, Ok. 4. Fig. 5. Secretion der Kolbenzellen in die intercellulären Spalten (rechte Kolbenzelle) und Austritt des Kernes mit den Secretkörnern (linke Kolbenzelle). Körperseite. Eisenhämatoxylin nach WEIGERT, Säurefuchsin. ZEISS 1/2, Ok. 4. Fig. 6. Abreiben einer Kolbenzelle von der Oberfläche der Bauch- epidermis. Eisenhämatoxylin nach WEIGERT, Eosin. ZEISS !/,, Ok. 4. Fig. 7a, b, c. Mehr oder weniger rasche Entleerung der Kolben- zelle auf die Oberfläche der Epidermis. Bauch. Methylenblau nach Unna. ZEISS 1/2, Ok. 2. Fig. 8. Epidermis mit sternförmigen Zellen und drei Schleimzellen. Körperseite in der Nähe der Seitenlinie, Epidermisbezirk einer Schuppe. Hämatoxylin, Eosin. ZEISS 1/,, Ok. 2. Fig. 9. Epidermis der Körperseite mit Kolbenzellen, die von Lympho- cyten (Wanderzellen) angefüllt sind. In der linken Kolbenzelle beginnt der Zerfall des Kernes. Hämatoxylin, Eosin. ZEISS 4/,,, Ok. 2. Fig. 10. Epidermisbezirk an der Grenze des Coriums. Die Lympho- cyten infiltrieren die tiefe Epidermisschicht und dringen in die sich ent- wickelnde junge Kolbenzelle herein. Rechts eine erwachsene Kolbenzelle, in welche ebenfalls Wanderzellen eingedrungen sind. Eisenhämatoxylin nach WEIGERT, Eosin. ZEISS 1/,,, Ok. 2. Fig. 11. Entleerung einer mit Lymphocyten angefüllten Kolbenzelle auf die Oberfläche der Epidermis. Hämatoxylin, Eosin. Zeiss !/,, Ok. 2. Fig. 12. Verschmelzung von 5 Kolbenzellen untereinander. In der Epidermis sternförmige Zellen. Hämatoxylin, Eosin. ZEIss 4/,,, Ok. 2. Fig. 13. Verschiedene Gestalten von Kolbenzellenkernen. Die Kerne sind von Secretkörnern umgeben. Hämatoxylin. Zeiss !/., Ok. 4. Fig. 14. Prozeß der Schleimsecretion aus den Kernen in den Epithel- zellen der Ober- und Unterlippe unter einem verhornten Bezirk. Häma- toxylin, Eosin. ZEISS 1/,, Ok. 4. Manel 9. Fig. 15—22. Schnitt durch die Unterlippe von Schixothorax längs der Medianlinie des Körpers. Boraxkarmin. Färbung nach GRAM (methyl- violett). Die Hornsubstanz ist violett gefärbt. ZEIss An Ok Epidermis von Haut und Lippen bei Schizothorax und Capoeta, 315 Fig. 15—16. Reine Form von Schixothorax intermedius. Fig. 17 —18. Ubergangsform von der vorhergehenden zu Seh. inter- medius var. eurystomus. Fig. 19—22. Reine Form von Sch. intermedius var. eurysiomus in verschiedenen Altersstufen. Fig. 23. Schnitt längs der Medianlinie des Körpers durch die Ober- lippe des Exemplars von Schixothorax, dessen Unterlippe in Fig. 16 dieser Tafel dargestellt ist. Die gleiche Färbung und Vergrößerung. Fig. 24. Ein gleicher Schnitt durch die Oberlippe des Exemplars, dessen Unterlippe auf Fig. 21 abgebildet ist. Färbung und Vergrößerung die gleichen. Fig. 25. Epithelzellen unter einem verhornten Bezirk der Lippe. In den Kernen geht der Vacuolisierungsprozeß vor sich. Boraxkarmin. ZEISS 1/9, Ok. 4. Fig. 26. Teil einer Hornplatte der Unterlippe (Fig. 20). Die ver- hornten Zellen liegen ohne irgendwelche Ubergangsformen unmittelbar auf den Epithelzellen; in dreien dieser letztern geht die Vacuolisierung der Kerne vor sich. Boraxkarmin. Färbung nach GRAM. Zeiss !/,,, ORT Fig. 27. Ende der schneidenden Hornscheide einer Unterlippe (Fig. 20 über der Linie ap—ip). Ihre Unterfläche (auf der Zeichnung links) ist uneben, ihre Zellen sind nicht miteinander verschmolzen, während die oberflächlichen Zellen bereits eine kompakte Masse gebildet haben. GRAM, ZEISS DD, Ok. 2. Fig. 28. Capoeta heratensis. Schnitt durch die Unterlippe längs der Mittellinie des Körpers. Boraxkarmin. Färbung nach GRAM. ZEISS A Ok: 1: Fig. 29. Capoeta heratensis. Epidermis und Hornscheide der Unter- lippe bei stärkerer Vergrößerung. Hämatoxylin, Eosin. Zeiss AA, Ok. 1. Fig. 30. Kombiniertes Schema für die Typen der Epidermis und ihrer Drüsen bei verschiedenen Fischen. Blaue Zellen — Schleimdrüsen ; rosafarbene und rote Zellen — Eiweißdrüsen. T. I Epidermis vom gewöhnlichen Typus. 7. // Epidermis mit Einteilung in stratum plasmaticum (str. pl) und str. mucosum (str. muc). T. III Epidermis mit sternförmigen Zellen (st). T. IV Epidermis mit sternförmigen Zellen, von Lymphocyten (lym) in- fiziert. T. V Epidermis vom Typus I mit verhornten Zellen (gelb). Bedeutung der Buchstaben siehe oben. Erklärung der Drüsen im Text. 316 E. Pawrowsky, Haut und Lippen bei Schizothorax und Capoeta. Tafel 10. Fig. 31. Photogramm der Unterlippen von Schixothorax in natür- licher Größe. a u. d — die reine Form von Sch. intermedius (Schnitt durch Unterlippen dieses Typus siehe Fig. 15, 16 u. 23, Taf. 9). b — Übergangsform von der vorhergehenden zu Sch. inter medius var. eurysto- mus (Schnitt auf Fig. 18, Taf. 9). ec, e, f — reine Form von Sch. inter- medius var. eurystomus (Schnitte auf Fig. 20—22 u. 24, Taf. 9). Fig. 32. Photogramm des Kopfes von Sch. intermedius. 1:1. Fig. 33. Photogramm des Kopfes der Übergangsform von Schixo- Dioraz, le 1, Fig. 34. Photogramm des Kopfes von Sch. intermedius var. eurysto- mus; Ansicht von unten. 1:1. Lippert & Co. (G. Pätz’sche Buchdr.), Naumburg a. S. Nachdruck verboten. Übersetzungsrecht vorbehalten. Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. Von A. Lipin. (Aus dem zootomischen Kabinet der Universitit Kasan.) Mit Tafel 11—15 und 3 Abbildungen im Text. Die Geschichte der Erforschung von Polypodium hydriforme ist sehr einfach. Dieser Organismus wurde 1871 vom Akademiker OWSJANNIKOW während seiner Untersuchungen über die Entwicklung des Sterlets (Acipenser ruthenus) entdeckt; er bemerkte, daß im Rogen sich Rogenkörner fanden, die sich von den übrigen durch erößern Umfang und grauliche Färbung unterscheiden. Mit Hilfe der Lupe überzeugte sich OwsJannıkow, daß im Innern dieser un- normalen Rogenkörner sich ein Parasit befand. Als diese Rogen- körner in Wasser gesetzt wurden, platzten ihre Hüllen nach einiger Zeit (die für die einzelnen Körner verschieden war), und die in ihnen wohnenden Parasiten begaben sich ins Wasser, in dem sie dann ihr Leben fortsetzten. Owssannixow (1873) gab die erste Be- schreibung dieses Organismus und kam auf Grund seiner Unter- suchungen an demselben zu dem Schluß, daß er es mit einem Zwischen- stadium in der Entwicklung eines unbekannten Geschöpfes zu tun habe, das in seinem Aussehen mit der gefundenen Form nichts ge- mein haben könne. Schon OwsJAannıkow bemerkte eine überaus große Ähnlichkeit im Bau dieses Parasiten mit den Hydropolypen, Zool. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. 21 318 A. Lipin, entschloß sich aber nicht — irregeführt durch seine parasitische Lebensweise —, ihn endgültig den Hydroiden zuzuzählen. Danach wurde dieses Tier von O. Grimm (1873) untersucht, der es ohne allen Grund für die Larve irgendeines Wurmes ansah. Beim Vergleich des Organismus mit Aydra führt der Autor einer- seits solche Unterscheidungsmerkmale an, die gar nicht existieren, und übertreibt andrerseits die Bedeutung der vorhandenen Unter- schiede. Denselben Fehler, jedoch nur iu Hinsicht der Ähnlichkeit, nicht aber der Unterschiede, begeht er bei Durchführung der Ana- logie zwischen dem Parasiten des Sterletrogens und den Würmern mit ihren Larven. Nach Grimm hat im Laufe von 12 Jahren niemand diesen Para- siten untersucht, und erst 1885 erschien eine Mitteilung über ihn von Ussow zuerst in russischer, dann auch in deutscher Sprache (1887). Dieser Autor stellte endgültig den Cülenteratencharakter des Tieres fest und nannte es auf Grund seiner histologischen Ähnlichkeit mit Hydra: Polypodium hydriforme. Seitdem vergingen mehr als 20 Jahre, ohne dab Polypodium von jemand näher untersucht worden sei, ungeachtet des wissen- schaftlichen Interesses, das dieser Organismus bei den Zoologen ver- dienterweise erregt hatte. Im Jahre 1908 begann ich auf Vorschlag von Herrn Prof. EDUARD MEYER meine morphologischen Studien an Polypodium und begab mich zu diesem Zwecke im Mai des genannten Jahres auf die Biologische Station in Saratow. Die Resultate meiner Forschungen habe ich kurz in einer vorläufigen Mitteilung (1909) dargelegt, die ich in einer Sitzung der Naturforschergesellschaft an der Universität Kasan verlas. Im Jahre 1909 besuchte ich, in entgegenkommendster Weise von der Kasaner Naturforschergesellschaft unterstützt, wieder- um die Saratower Station, wo ich meine Untersuchungen vom Jahre vorher ergänzte. In der vorliegenden Arbeit gebe ich die bisherigen Resultate meiner Untersuchungen an Polypodium hydriforme, obgleich dieselben noch lange nicht abgeschlossen sind; doch ist die Erforschung des gesamten Lebenszyklus dieses Organismus, der uns immer noch unbekannt bleibt, von derartigen Zufälligkeiten abhängig, daß ein definitiver Abschluß derselben sich kaum in absehbarer Zeit vorher bestimmen läßt. An dieser Stelle sei es mir gestattet, Herrn Prof. Ep. MEYER und dem Herrn Privatdozenten H. Sapussow für ihre freundliche An- leitung und Ratschläge, die sie mir bei meiner Arbeit zuteil Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 319 werden ließen, sowie Herrn Prof. A. Ostroumow für das mir zur Verfügung gestellte binokulare Mikroskop von Zeiss, welches mir hervorragende Dienste leistete, und dem Leiter der Saratower Bio- logischen Station, Herrn W. Meissner, für die gastfreundliche Auf- nahme bei meinem zweimaligen Besuch der Station und die freund- liche Fürsorge, mit der er mir alles Erforderliche zu verschaffen wußte, meinen aufrichtigen Dank auszusprechen. Die Untersuchungsmethoden. Bei meinen Untersuchungen kamen drei Methoden zur An- wendung: Schnitte, Maceration und Beobachtungen am lebenden Objekt. Von allen. von mir ausprobierten Konservierungsflüssigkeiten er- wies sich als am besten geeignet 4°/, Formalin. Da letzteres aber die Zellkerne vollständig homogen, dem Aussehen nach ohne jeg- liche Struktur erscheinen lieb, so setzte ich, um dies zu vermeiden, demselben !/,—1°/, Eisessig zu. Diese Mischung erwies sich als für alle Entwicklungsstadien von Polypodium brauchbar. Für jüngere Stadien, wie die Stolonen mit Knospen, ergaben die Flüssigkeiten von Hermann und Vom Ratu, besonders die letztere, gute Resultate. Sublimat mit Essigsäure war für jüngere Stadien ebenfalls brauchbar. Vor dem Konservieren wurden die Tiere, um eine starke Kon- traktion zu vermeiden, cocainisiert. Von Färbungsmitteln benutzte ich für Schnitte hauptsächlich Hämalaun mit Eosin, Borkarmin mit Indigo, Safranin (für Osmium- präparate) und HrereEnnatrn’s Hämatoxylin. Ich muß bemerken, daß mir die Schnitte hauptsächlich zur allgemeinen Orientierung in den Geweben dienten. Beim Studium feinerer Einzelheiten der Histo- logie benutzte ich die Maceration und Beobachtung an lebenden Ge- weben. Als Macerationsflüssigkeiten leisteten mir gute Dienste Liısr’s Flüssigkeit für Actinien (starke Fuemnmine’sche Flüssigkeit 3 Teile + 10 Teile Wasser) und Iwanzow’s Flüssigkeit (1°, Osmiumsäure 1 Teil + 9 Teile 1°/, Methylenblaulösung). Die erste Flüssigkeit diente hauptsächlich zur Trennung der Embryonalschichten (des Ectoderms und Entoderms) und um Flächenbilder zu erhalten. Dies ließ sich mit derselben vorzüglich erreichen. Die Objekte wurden in der Mischung 10—15 Minuten lang gehalten und dann in 0,2°/, Essigsäure gelegt, auf etwa 24 Stunden, worauf sie mit 21* 320 A. Liıpin, Methylenblau gefärbt wurden. Die zweite Flüssigkeit gibt auch keine üblen Flächenbilder, doch liegt ihr Hauptwert darin, daß sie die einzelnen histologischen Elemente, die Zellen, isoliert. Die Be- arbeitung ist dieselbe wie bei der ersten Flüssigkeit. Da in der Iwanzow’schen Flüssigkeit selbst schon Färbemittel enthalten sind (Osmiumsäure und Methylenblau), so erforderten die Präparate selten eine Nachfärbung mit Methylenblau. Die Isolation wurde mit Hilfe von Nadeln und feinen Pinseln unter dem binokularen Mikroskop vorgenommen, das in diesem Falle (wie auch in vielen andern) ein unersetzliches Instrument ist. Zur Färbung der macerierten Objekte versuchte ich noch Pikro- karmin und BraAue’sches Karmin anzuwenden, sah mich aber in meinen Erwartungen getäuscht. Methylenblau dagegen gibt so klare und demonstrative Bilder, daß hierdurch seine freilich großen Mängel, das schnelle Verbleichen, wett gemacht werden. Die Herrwıg’schen Flüssigkeiten und Alkohol von verschiedener Stärke erwiesen sich für die Maceration von Polypodium nicht tauglich. Bei meinem ersten Besuche der Saratower Station benutzte ich beim Studium der Histologie fast ausschließlich die Maceration. Bei meinem zweiten Aufenthalt daselbst dagegen beschäftigte ich mich fast nur mit der Untersuchung lebender Polypodien. Diese Methode leistete mir sehr große Dienste. Sie half mir nicht nur einige (wenn auch nicht wichtige) Fehler in den Untersuchungen des Jahres 1908 festzustellen, sondern — und das war die Hauptsache — sie gab mir auch die Möglichkeit, viele feinere Einzelheiten im Bau und in der Entwicklung einiger histologischen Elemente, besonders der Nesselzellen, klarzustellen. Was nun das Studium der äußern Mor- phologie von Polypodium angeht, so wurde dieses natürlich nur an lebendem Material ausgeführt. Durch Kombination der drei erwähnten Methoden, d. h. der Untersuchung von Schnitten, der Maceration und der Beobachtung an lebenden Objekten, gelang es mir manches im Bau und Leben von Polypodium hydriforme klarzustellen, was bei Anwendung nur einer der Methoden meiner Aufmerksamkeit hätte entgehen und unbeachtet bleiben können. Die äußere Morphologie. Wenn man einen Sterlet anfangs Mai öffnet, d. h. in der Zeit, die dem Laichen kurz vorausgeht, so kann man in den allermeisten Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 321 Fällen beim ersten oberflächlichen Blick auf den Rogen von den Parasiten infizierte Rogenkörnchen bemerken, die, obwohl sie mit den anliegenden Kierchen in der Form übereinstimmen, sich von diesen stark in der Größe unterscheiden und eine grauliche Färbung angenommen haben, die aus dem Zusammenwirken der dunkeln Farbe des Dotters mit der weißen Farbe der in ihnen befindlichen Organismen resultiert. Bei stärkerer Vergrößerung sieht man, daß der Parasit im Innern des Eies in eine Spirale zusammengewunden liegt. Wenn man ihn vorsichtig aus dem Ei befreit, so kann er in verschiedener Form erscheinen, je nach dem Entwicklungsstadiun, in dem er sich gerade befindet. Das jüngste Stadium, das mir zu beobachten gelang, war ein Stolo mit Knospen, welche je 12 Fühler enthielten, d. h. also die Form, welche Ussow (1887) als „Stolo mit sekundären Knospen“ ') bezeichnete. Alle Knospen liegen auf einer Seite des Stolos. Da dieser in seinem Längenwachstum durch die Eihülle beengt ist, so muß er aus rein mechanischen Gründen (Widerstand der Eihülle) in der Spirale wachsen, so daß auch die auf dem gebogenen Stolo sitzenden Knospen in der Spirale angeordnet erscheinen. Zuweilen gelingt es, diese Spirale auf der ganzen Länge der Stolonen zu ent- wirren — dann nimmt er eine C-Form an, wobei alle Knospen der Konvexseite desselben in einer Reihe aufsitzen. An jeder derselben kann man zwei Teile unterscheiden: einen dünnern, sich unmittelbar dem Stolo anschließenden Teil, den Fuß, und einen mehr auf- getriebenen, der den eigentlichen Körper der Knospe bildet. Auf dem Gipfel der letztern verläuft eine mehr oder weniger tiefe Rinne, die eine zur Achse des Stolos perpendikuläre Richtung hat. Der Stolo und alle Knospen haben einen gemeinsamen, völlig abge- schlossenen Hohlraum, der nirgends mit der Umgebung in Verbin- dung steht. Mit Hilfe der Lupe können wir im Innern jeder Knospe 12 „primäre“ Tentakel, nach Ussow’s Ausdruck, erblicken, die durch die durchsichtige Wand derselben durchschimmern. Diese Tentakel liegen an der Basis des Knospenkörpers, d. h. näher deren Fub, symmetrisch je 6 auf jeder Seite. Ihre Lage im Innern der Knospe kann man deutlich am Schema Fig. 1 sehen, wo eine Hälfte 1) Nächst jüngere Stadien gelang es mir leider nicht zu finden, wes- halb ich Ussow’s Angaben über die Existenz von Stolonen mit „primären Knospen“ nicht kontrollieren konnte. Ganz junge Stadien aber, noch ohne Knospen, habe ich später entdeckt und über dieselben eine kurze Mit- teilung veröffentlicht (s. Zool. Anzeiger, Vol. 37). 322 A. Lirry, einer Knospe dargestellt ist, die in der Symmetrieebene durch- schnitten gedacht ist. Man sieht hier 6 Tentakel (die übrigen 6 sind in der andern Knospenhälfte), die symmetrisch zu je 3 in beiden Seiten der Knospe gelegen sind. Aber nicht alle Tentakel sind in ihrer Größe und Form gleich. Zwei von ihnen, die dickern und kürzern, sind an ihren Enden reichlich mit Nesselelementen ver- sehen; die übrigen 4 sind dünner und länger. Diese Differenzierung der Tentakel in 2 Arten entspricht, wie wir weiter sehen werden, einer Verschiedenheit der Funktion in der Periode des Freilebens. Wenn auch Ussow diesen Unterschied in der physiologischen Rolle beider Tentakelarten bemerkte, so beschrieb er sie gerade im ent- gegengesetzten Sinne, als es in Wirklichkeit der Fall ist. Die dünnen Tentakel nennt er „Strahltentakel“ und sagt, sie seien weniger empfindlich und kontraktil als die dicken. Seiner Angabe nach „dienen die Strahltentakel dem Polypodium hauptsächlich zur Fort- bewegung und zum Greifen, während die Senktaster [d. h. die kurzen dicken Tentakel. A. L.] vielmehr als Angriffs- und Verteidigungs- waffen angesehen werden können“. Meine Beobachtungen ergaben das gerade Gegenteil. Welchen Körperteil der freilebenden Form ich auch reizte, so kamen immer zuerst die dünnen Tentakel in Bewegung. Bei der leichtesten Berührung ziehen sie sich schnell und intensiv zusammen. Umgekehrt muß man die dickern Tentakel, um sie zur Kontraktion zu bringen, länger und stärker reizen. Folglich sind die dünnen Tentakel empfindlicher und beweglicher als die dieken. Außerdem funktionieren nicht die dünnen, sondern gerade die dicken Tentakel, wie wir weiterhin sehen werden, als Stützorgane. Alles dies veranlaßt mich, den Tentakeln der Poly- podien eine andere Bezeichnung zu geben: die dünnen nenne ich Tast- oder taktile Tentakel, die dicken Stiitztentakel.’) Die relative Lage der Tentakel beider Arten im Innern der Knospe wird dadurch charakterisiert, daß die sensiblen Tentakel näher am Stolo sitzen als die Stütztentakel. Bei der weitern Entwicklung werden in der Knospe noch 12 Tentakel angelegt (die Ussow „sekundäre“ nennt), ebenso zu je 6 auf jeder Seite derselben, aber nur in der distalen Hälfte (vom Stolo aus). Das Schema auf Fig. 2, A zeigt die Lage dieser Tentakel 1) In meiner vorläufigen Mitteilung (1909) nannte ich die dicken Tentakel Nesseltentakel, da ich ihre eigentliche physiologische Rolle noch nicht kannte. Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 323 im Vergleich mit den 12 früher entstandenen. Wie aus diesem Schema zu ersehen, entstehen die sekundären Tentakel symmetrisch zu den primären, so daß die Stütztentakel näher dem Stolo sich er- weisen als die Tasttentakel. So liegen denn alle 24 Tentakel im Innern der Knospe symmetrisch zu den drei Koordinatenflächen: 1. zur Fläche, welche durch die Längsachse des Cförmig gebogenen Stolos geht (Fig. 2, bei A Ebene der Zeichnung, bei B Ebene cd, bei C Ebene gh); 2. zur Ebene, welche durch die Rinne am Gipfel der Knospe perpendikulär zur Achse des Stolos gedacht ist (bei A und B Ebene ab, bei C Ebene der Zeichnung), und 3. zur Ebene, welche perpendikulär zu den beiden ersten steht und zwischen zwei Gruppen von Tentakeln — den primären und sekundären — hindurch geht (bei A und C Ebene ef, bei B Ebene der Zeichnung). In den 8 Oktanten, welche durch diese 3 Ebenen begrenzt werden, befinden sich je 3 Tentakel: 1 Stütztentakel und 2 Tasttentakel; diese 8 aus 3 Tentakeln bestehenden Gruppen sind so angeordnet, dab jede von ihnen 3 Spiegelbilder auf der andern Seite der Koordinaten- ebene hat. Bisher erscheint als charakteristisch für das äußere Aussehen der Knospen, daß die Tentakel sich im Innern derselben befinden. Das folgende Entwicklungsstadium unterscheidet sich scharf in dieser Hinsicht vom vorhergehenden: hier stehen die Tentakel außen auf der Oberfläche der Knospen. Diese Umwandlung beginnt bald nach dem Erscheinen der sekundären Tentakel und geht auf dem Wege der Umstülpung (Ausstülpung) vor sich, die aber nicht bei allen Knospen gleichzeitig eintritt. Es gelang mir nicht, irgendeine bestimmte, strenge Folge in der Ausstülpung der einzelnen Knospen zu beobachten; offenbar existiert hier auch gar keine Gesetzmäßig- keit. Bei den einen Stolonen beginnt die Ausstülpung an dem einen Ende, bei den andern irgendwo in der Mitte in Abhängigkeit davon, welche Knospen zuerst reiften. Hinsichtlich der Lösung der Frage, wie der Prozeß der Aus- stülpung selbst vor sich geht, besteht zwischen Ussow’s und meinen Beobachtungen ein prinzipieller Gegensatz. Ussow behauptet, dab die Tentakel sich in der Knospe als in das Innere der letztern ein- gestülpte hohle Säcke entwickeln, ähnlich den eingestülpten Fingern eines Handschuhs, daß sie sich nachher ausstülpen, und daß so die Form mit äußern Tentakeln zustande käme. Ich muß entschieden einen solchen Modus der Ausstülpung in Abrede stellen. Die letztere geschieht gerade in umge- 324 A. Lis, kehrter Weise: nicht die Tentakel stülpen sich aus, sondern die Knospe selbst; die Tentakel dagegen werden von Anfang an in ihrer normalen Lage an- gelegt. Bei Durchmusterung von Ussow’s Präparaten sowie meiner eignen (Schnitte) war ich durch das ungewöhnliche Aussehen der Gewebsschichten bei der Form mit innern Tentakeln überrascht: die äußere Schicht hatte genau dasselbe Aussehen wie die innere Schicht bei der Form mit äußern Tentakeln und umgekehrt. Nur in den Tentakeln war die Lage der Gewebsschichten für beide Formen die gleiche. Außerdem zeigten fast beständig Schnitte durch die Form mit innern Tentakeln in der. Wand des Stolos auf der Seite, die den Knospen gegenüberlag, Risse, welche Öffnungen an dieser Stelle an- deuteten. Diese Beobachtungen brachten mich zuerst auf den Gedanken, daß die Umwandlung der einen Form in die andere durch Ausstül- pung nicht der Tentakel, sondern der Knospen selbst vor sich gehe. Dazu kam noch Folgendes. Ussow behauptet, daß im Entoderm der Tentakel ein sehr enges Lumen vorhanden sei, durch welches denn auch die Ausstülpung der Tentakel vor sich gehe. Allein abgesehen davon, daß die Tentakel tatsächlich gar keinen Hohlraum besitzen und ihr Entoderm ein durchgehendes kompaktes Band bildet, mul man zugeben, daß durch einen so engen Spalt, wie ihn sich auch Ussow selbst als Lumen des Tentakels vorstellt, ein so dicker Ten- takel, wie ihn Polypodium besitzt, sich nicht herausstülpen kann. Um jede Möglichkeit eines Zweifels an der Richtigkeit meiner Voraussetzungen zu beseitigen, beschloß ich mit möglichster Genauig- keit den ganzen Vorgang an lebenden Objekten zu verfolgen, und | tat dieses im selben Jahre 1908. Und in der Tat: meine Beobach- - tungen bestätigten in unzweideutiger Weise alle meine Voraus- setzungen vollkommen. Der Prozeß der Ausstülpung der Knospen beginnt damit, dab an beiden Enden der Knospenspitze Einstülpungen auftreten (Fig. 3e). Entsprechend dem fortschreitenden Einstülpungsprozeßb treten die im Innern der Knospe befindlichen Tentakeln mehr und mehr aus dem Hohlraum derselben in denjenigen des Stolos hinein. Zugleich beginnt derselbe Prozeß in den benachbarten Knospen (Fig. 4, 5 u. 6). Übrigens kann dies nicht als Regel gelten: zuweilen hat sich eine Knospe bereits vollkommen ausgestülpt, während die benachbarten noch nicht einmal angefangen haben sich ins Innere des Stolos Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 325 vorzustülpen. Wie dem auch sein mag, tritt dennoch im Verlaufe des Prozesses ein Moment ein, wo sich die Tentakel einer, zweier oder dreier benachbarten Knospen im Hohlraum des Stolos dicht zusammendrängen. Damit endet die erste Phase der Ausstülpung, die man als Einstülpung bezeichnen kann, und zugleich beginnt die zweite Phase — die eigentliche Ausstülpung. Dieser Moment wird dadurch charakterisiert, daß annähernd in der Mitte jener Stolonenpartie, in der die Einstülpung vor sich ging, auf der der Knospe gegenüber- liegenden Wand ein kleiner Hügel erscheint (Fig. 7); dieser wächst mit der Zeit, und schließlich zeigt sich an dieser Stelle ein hervor- getretener Tentakel. In den typischen Fällen bildet sich die Öffnung auf dem Hügel, durch welche der erste Tentakel hinaustritt, offenbar durch Zerreißen der Stolonenwand unter dem Drucke der Tentakel der sich aktiv ausstülpenden Knospe. Auf dieselbe Weise wird diese Öffnung für die Ausstülpung der benachbarten Knospen erweitert. Nur einmal konnte ich beobachten, daß die Öffnung im Stolo sich schon gebildet hatte, während die Knospen eben die erste Einstül- pung an ihrem Gipfel aufwiesen. Ob die Öffnung hier auf dem Wege der Histolyse der Gewebe entstand oder durch eine zufällige Ver- letzung, weiß ich nicht zu sagen. Eins steht ohne Zweifel fest, daß schon wegen des isolierten Auftretens dieses Falles unter allen Beobachtungen er nicht als Regel, sondern nur als Ausnahme eelten kann. Was die Art und Weise des Austretens des ersten Tentakels betrifft, so wurden zwei Varianten beobachtet: entweder biegt sich der Tentakel Uförmig um und durchbricht mit dem Winkel der knieförmigen Biegung die Öffnung (Fig. 8 u. 9), wonach er sich dann in Freiheit ausstreckt (Fig. 10), oder er kommt direkt mit seiner Spitze hervor, ohne sich vorher gebogen zu haben. Nach dem ersten Tentakel erscheinen auf dieselbe Weise die übrigen, wie auf den Figg. 11—15 angegeben ist, und schließlich stülpt sich die ganze Knospe aus. Da gleichzeitig mit dem Ausstülpungsprozeß auch der Teilungsprozeß der Knospe vor sich geht, d. h. die oben er- wähnte Rinne an ihrem Gipfel sich mehr und mehr vertieft, so hat die vollkommen ausgestülpte Knospe gewöhnlich das Aussehen, wie es schematisch auf der Fig. 16') dargestellt ist. Dabei ist es zu- weilen schwer zu entscheiden, ob man solch eine Knospe als eine 1) In der vorläufigen Mitteilung ist eine solche Knospe (Fig. 4) etwas ungenau dargestellt. 326 A. Lirty, mit 24 Tentakeln oder als 2 Knospen mit je 12 Tentakeln zu deuten habe. Hier will ich noch einen pathologischen Fall beschreiben, den ich mehrmals beobachtete. Ich erwähne seiner deshalb, weil er, wie mir scheint, bis zu einem gewissen Grade erklären kann, was Ussow vielleicht zu seinem irrtümlichen Urteil über den Prozeß der Aus- stülpung veranlaßt haben könnte. Infolge irgendwelcher zufälligen Verletzungen (z. B. bei der Präparierung mit Hilfe der Nadeln) nämlich kann sich an der Spitze der Knospe ein Rif im Gewebe bilden, wie das auf Fig. 17 zu sehen ist, und durch die so gebildete Öffnung können einige Tentakel hinaustreten. Auf den ersten Blick macht ein solcher pathologischer Fall den Eindruck, als ob sich hier die Tentakel ausstülpen. Es ist sehr wohl möglich, daß Ussow auf Grund eines solchen Falles die Verwandlung der Form mit innern Tentakeln in die mit äußern Tentakeln als auf dem Wege der Aus- stülpung der Tentakel geschehend sich gedacht oder wenigstens in diesen Gedanken bestärkt worden sein mag. Ich muß bemerken, daß in der Bildung der Öffnung für die Aus- stülpung der Knospen keinerlei Gesetzmäßigkeit existiert. Neben solchen Fällen, wo die Öffnung, die für die Ausstülpung einer Knospe gebildet wurde, für die benachbarten sich erweiterte, konnten auch mehrere Öffnungen beobachtet werden, die gleichzeitig am Stolo ent- standen. Das muß ja auch so geschehen, wenn man in Betracht zieht, daß die Öffnungen sich nach Maßgabe der Ausstülpung der einzelnen Knospen bilden, die, wie gesagt, in dieser Hinsicht keiner besondern Folge unterworfen sind. Wie diese Öffnungen aber auch entstehen mögen, gegen Ende der Ausstülpung fließen sie alle zu einer ge- meinsamen Spalte zusammen, die von einem Ende des Stolos bis zum andern sich hinzieht, und wenn der Prozeß der Ausstülpung beendet ist, so erhält man einen Stolo mit Knospen, der einem solchen vor der Ausstülpung gleicht, sich aber von ihm unterscheidet: erstens durch die äußern Tentakel und zweitens durch die umgekehrte Lage der Embryonalschichten (das Ectoderm außen, das Entoderm innen). Da unter natürlichen Verhältnissen die Ausstülpung im Innern des Rogenkörnchens vor sich geht, so wird das Dotter der letztern passiv, infolge des Ausstülpungsprozesses selbst, in den Hohlraum der Knospen hineingedrängt. Infolgedessen werden die letztern ganz undurchsichtig. Infolge einer irrtümlichen Vorstellung von der Verwandlung der Form mit innern Tentakeln in die mit äußern war Ussow gezwungen Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 327 zu behaupten, daß in der erstern „der von den Ectodermzellen energisch aufgenommene Eidotter durch die Entoderm- zellen hindurchindieKnospenhöhleeindringtundsichhierin Gestalt von Reserve-Nahrungsmaterial ansammelt“.?) In der Tat aber erscheint der Prozeß der Ernährung und Assi- milation bei Polypodium in keinem der bisher bekannten Entwick- lungsstadien desselben irgendwie verkehrt. Diese Prozesse verlaufen vollkommen normal, sowohl vor wie nach der Ausstülpung der Knospen, weil der Dotter des Sterleteies die ganze Zeit über un- mittelbar dem Entoderm anliegt, das also keinen einzigen Moment in seiner physiologischen Funktion gestört wird. Die von Ussow beschriebene Ansammlung von Reservedotter ist schon aus dem Grunde unwahrscheinlich, weil — wie an den Schnitten zu sehen — dieser Dotter genau dasselbe Aussehen hat wie im Rogenkörnchen; folglich hätte der Dotter, der nach Ussow 3 Schichten (das Ecto-, Meso- und Entoderm) passiert haben würde, nicht im geringsten sein charakteristisches Aussehen ver- ändert, nämlich das von großen, glänzenden Körnchen. Das wäre aber zum mindesten sehr zweifelhaft. Endlich zeigen die Schnitte ganz klar, daß im Hohlraum der Knospen mit innern Tentakeln nichts Dotterähnliches vorhanden ist, während die Knospen mit äußern Tentakeln mit echtem Dotter voll- gepfropft sind. Somit haben denn vor der Ausstülpung die Embryonalschichten im Körper des Polypodium eine umgekehrte Lage: das Ectoderm innen, das Entoderm außen (Fig. 1 u. 2). Zieht man in Betracht, daß die Ausstülpung, wie oben gesagt, schon im Innern des Rogen- korns vor sich geht, so müssen wir den Schluß ziehen, daß diese mehr als sonderbare Tatsache nichts anderes ist als eine Anpassung des Organismus an die Ernährungsbedingungen: das Nährmaterial (der Dotter des Eies) umgibt rings den Körper des Parasiten, und da letzterer vor der Ausstülpung keinerlei Öffnungen zur Verbindung mit der Außenwelt hat, liegt zum Zwecke möglichster Ausnutzung des Nährmaterials sein Entoderm unmittelbar dem umgebenden Dotter an. Bei der Ausstülpung wird, wie erwähnt, der Dotter mechanisch in den Hohlraum des Parasiten hineingezwängt, und wenn letzterer bei seiner Befreiung aus dem Rogenkorn zum Leben im Wasser übergeht, ist er mit reichem Vorrat von Nährmaterial versehen. 1) Sperrdruck bei Ussow. 328, A. Liprn, Mir kommt es darauf an, die umgekehrte Lage der Embryonal- schichten in einer bestimmten Periode des Lebens dieses Tieres mög- lichst zu betonen: sehr rätselhaft an sich, ist diese Tatsache schon deshalb interessant, weil sie nicht ohne Einfluß auf den Prozeß der Anlage der Gewebe geblieben ist, indem ihre Folgen, wie wir weiter sehen werden, in der eigentümlichen Lage der Muskulatur und des Nervengewebes im Körper von Polypodium zum Ausdruck gelangt sind. Ausgestülpt im Innern des Eies zur Zeit des Laichens, erscheint der Parasit vollkommen reif zur freien Existenz, und wenn der Rogen ins Wasser gerät, zerreißt das Polypodium die Eihülle und geht zum Leben im Wasser über. Einige Zeit danach beginnt der Zerfall des Stolos in die einzelnen ihm aufsitzenden Knospen. Hier weichen meine Beobachtungen wieder von denen Ussow’s stark ab. Ussow behauptet, daß der frisch ausgetretene Stolo stets 32 „sekundäre“ Knospen trägt und beim Zerfall sich anfangs in 4 Teile mit je 8 Knospen teilt, wonach jeder Teil sich wieder halbiert, die so entstandenen Teile wieder usw., bis 32 einzelne Knospen entstanden sind. Meine Beobachtungen weisen darauf hin, daß weder in der Zahl der Knospen am frischen, unbeschädigten Stolo noch im Zerfall der letztern irgendwelche Beständigkeit oder Gesetzmäßigkeit herrscht. Die Zahl der Knospen am Stolo erscheint nicht fixiert, sondern vari- iert in sehr weiten Grenzen. Ich konnte aus den Rogenkörnern Stolonen mit einer sehr verschiedenen Anzahl von Knospen befreien, z. B. mit 16, 28, 44, 46, 58, 64 usw. Um zu zeigen, wie unregel- mäßig der Zerfall des Stolos vor sich geht, greife ich aus meinen Tabellen zwei heraus, die sich auf Stolonen mit 44 und 64 Knospen beziehen. Um das Verständnis dieser Tabellen ‘zu erleichtern, muß ich einige Erklärungen hinzufügen. Die Zahlen geben die Anzahl der Knospen an den Stolonen und ihren Teilen an. Durch Plus- zeichen sind die Zahlen verbunden, welche die Zahl der Knospen an den Teilstücken des Stolos angeben, in welche der letztere während der Beobachtungsintervalle sukzessive zerfiel. Das Zeichen „;“ trennt die Beobachtungsresultate, die an einem Tage zu verschiedenen Stunden erhalten wurden. In Klammern stehen die Zahlen, welche die vorletzten (2 Knospen) und letzten (1 Knospe) Zerfallprodukte des Stolos darstellen, die aus der Beobachtung und daher weiter auch aus der Tabelle ausgeschlossen wurden. Ich muß bemerken, daß es meistenteils sehr schwer ist, an einem frischen Stolo die Knospenzahl genau zu bestimmen, Das Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 329 Mai 24 44 64 25. 44 64 26. 44 Spe erage G14 27. 30 + 14 19 ete ere eee ge a age 4444 (242) Bat CA ede Ae | ee ee A gg (2-1 1); peepee) ie) ee pu a a ae) (1m PENSE en een BEER Bee ES CENTS ES QT 24 . 1); CREME RCE EC APN ARE CIC edt tet 1, atatatste@tity 4+@+1) Sy] abate os yt qu alee a2 Re) 31. 44 (2-11); @+1+1) hängt davon ab, daß an vielen Knospen sich Gruppen neuer Ten- takel bilden und außerdem sich die Knospen selbst im Teilungs- stadium befinden. Diese beiden Prozesse können an verschiedenen Knospen in den verschiedensten Entwicklungsstadien auftreten. Daher trifft man an ein und demselben Stolo oft zahlreiche Über- gangsstadien von einer 12 Tentakel tragenden Knospe bis zu zwei solcher Knospen. Das erschwert bedeutend das Zählen der Knospen, weil es bei einem solchen allmählichen Übergange schwer fällt, eine scharfe Grenze zwischen einer oder zwei Knospen zu ziehen. Ich nahm bei meinen Zählungen als Einheit eine Knospe mit 12 Ten- takeln an. Wenn sich an einer solchen Knospe neue Tentakel bilden, so hängt die Zählung vom Entwicklungsstadium dieser Ten- takel ab: bei sehr geringem Umfange wurde ihre Knospe als eine einzige betrachtet, wenn die neuen Tentakel aber schon eine be- deutende Größe erreicht. die Knospe selbst aber einen bedeutenden Teilungsgrad erreicht hatte (durch immer stärkere Vertiefung der Rinne), so galt sie für 2 Knospen. Natürlich muß bei derartigem Zählen das Resultat bei weitem kein vollkommenes sein, doch ist es vollständig genügend, um zu zeigen, daß die Zahl der Knospen an einem frischen Stolo keine bestimmte ist, und damit wäre meine Absicht vollkommen erreicht. Ich sagte, daß ich beim Zählen eine Knospe mit 12 Tentakeln als Einheit annahm. Ich tat dieses aus folgenden Gründen: in den angeführten Tafeln kommt mehrmals die Zahl 3 vor; in andern Tabellen wird man bei mir auch andere ungerade Zahlen finden. Wenn man als Einheit eine Knospe mit 24 Tentakeln annimmt (solche Knospen bilden am Stolo den Übergang von einer 12ten- 330 | A. Lıpis, takeligen Knospe zu 2 mit je 12 Tentakeln), so würden beim Zer- fall des Stolos an Stelle der ungeraden Zahlen Brüche erscheinen, z. B. statt 3 1'}, Knospen. Es ist klar, daß 7/, Knospe nicht als selbständiger, organisch einheitlicher Teil des Stolos gelten kann. Somit erscheint als Endprodukt des Zerfalles des Stolos eine Form mit 12 Tentakeln, deren schematische Darstellung in der Fig. 18 gegeben ist. Diese Form besitzt die Fähigkeit, sich in Tochterindividuen zu teilen und zugleich Gruppen neuer Tentakel zu bilden. Von der Kombination dieser Prozesse hängt es ab, ob sich die Form mit 12 Tentakeln weiter in 1 mit 24 Tentakeln verwandelt oder in 2 mit je 12 Tentakeln oder endlich in 2 mit je 6 Tentakeln. Nehmen wir in der Tat an, dab der Prozeß der Wiederbildung der Tentakel aus irgendeinem Grunde sehr schnell vor sich geht oder — was dasselbe wäre — daß der Teilungsprozeß des Individuums zurückbleibt, dann haben die neuen Tentakel (Fig. 19 a—f) Zeit zu wachsen und die Größe der alten, schon vor- handenen zu erreichen, während das Individuum noch sehr weit von seiner Teilung in 2 entfernt ist. Im Resultate erhalten wir die Form mit 24 Tentakeln (f). Jetzt wollen wir annehmen, dab beide Prozesse gleichzeitig und parallel vor sich gehen, so dab die neuen Tentakel die Länge der alten gerade dann erreichen, wenn das In- dividuum sich endgültig in 2 Tochterindividuen teilt (Fig. 20 a—f); in solch einem Falle haben wir 2 Formen mit 12 Tentakeln {f). Endlich, wenn die Bildung neuer Tentakel aus irgendeinem Grunde aufgehalten wird, während die Teilung des Individuums unterdessen normal vor sich geht (Fig. 21 a—e), so erhalten wir aus der Form mit 12 Tentakeln 2 mit 6 Tentakeln (e). Bei der ersten Kombination geht die Teilung, wenn auch ver- langsamt, dennoch ordnungsgemäß vor sich; sie endet nach Bildung der Form mit 24 Tentakeln, so daß wir hier eine Teilung derselben in 2 zu je 12 Tentakeln vor uns haben. Unter normalen Bedingungen findet man in der ersten Zeit nach dem Zerfall des Stolos am häufigsten die Form mit 24 Tentakeln. Dann treten sie allmählich in geringerer Zahl auf, und die Formen mit 12 Tentakeln erscheinen häufiger. Danach bilden sich Formen mit 6 Tentakeln, deren Zahl mit der Zeit wächst, aber doch keine bedeutende wird, da das Erscheinen dieser Formen das nahe Ende des Lebens des Polypodium im Wasser ankündigt. Es macht sich also bei der Ablösung einer Generation durch die andere eine ge- Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 331 wisse Folge bemerkbar. Wovon dieses wohl abhängt? Mir scheint, daß hier folgende Erklärung zulässig ist. Von den zwei erwähnten Prozessen — der Neubildung von Ten- takeln und der Teilung des Individuums — muß der erstere vor- herrschend als ein aufbauender angesehen werden. Er braucht also einen größern Zustrom von Nährmaterial. Wir sahen schon, dab bei der Ausstülpung das Polypodium mechanisch den Dotter in sich auf- nimmt und so zum Leben im Wasser übergeht mit genügenden Nahrungsvorrat versehen. Diesen Vorrat nutzt es während der ganzen Periode des Wasserlebens aus und geht schließlich bei dessen vollem Verbrauch zugrunde. Das Nahrungsmaterial wird also all- mählich verbraucht. In Abhängigkeit davon vermindert sich ebenso allmählich der aufbauende Prozeß der Neubildung von Tentakeln, während der Teilungsprozeß des Individuums, da er keine verstärkte Ernährung erfordert, die ganze Zeit über annähernd mit derselben Intensität vor sich geht. Deshalb überholt am Anfange der Periode des Lebens des Polypodium im Wasser der Prozeß der Neubildung von Tentakeln den Prozeß der Teilung des Individiums, und als Resultat erscheint die Form mit 24 Tentakeln; dann gleichen sich beide Prozesse in ihrer Intensivität mehr aus, wodurch die erwähnte Form weniger häufig wird und eine Menge Formen mit 12 Ten- takeln auftritt; wenn endlich der Nahrungsmaterialvorrat zu Ende geht, so wird die Neubildung der Tentakel stark verlangsamt, während die Teilung des Individuums noch fortschreitet, und es erscheinen die Formen mit 6 Tentakeln. Aus dem Vorhergehenden geht hervor, dab man als Grundform aller freilebenden Entwicklungsstadien von Polypodium wieder (wie im Stolo) die Form mit 12 Tentakeln ansehen muß; sie dient als Ausgangsform sowohl für die Form mit 24 Tentakeln wie auch für die mit 6 Tentakeln, die sich ihrerseits wieder in eine solche ver- wandeln. Auf diese Weise entstehen aus der Form mit 24 Ten- takeln 2 mit 12 Tentakeln, aus der Form mit 12 Tentakeln eben- falls 2 solche, aber aus der mit 6 Tentakeln kann nur 1 Form mit 12 Tentakeln entstehen. Folglich muß man in den Aquarien am häufigsten gerade die Form mit 12 Tentakeln antreffen. Die Wirklichkeit bestätigt vollkommen diese Annahme. Ich glaube, dab, wenn dem Polypodium für sehr lange Zeit genügende Nahrungszufuhr gesichert wäre, es sehr möglich ist, daß dann nicht nur alle Formen mit 6 Tentakeln durch Regeneration der Tentakel sich von neuem in solche mit 12 Tentakeln verwandeln würden, sondern es vielleicht 332 A. Lipis, sogar gar nicht zur Bildung von Individuen mit 6 Tentakeln kommen dürfte. In Wirklichkeit jedoch kommen (wenn auch selten) als Teilungsprodukte der Formen mit 6 Tentakeln nicht nur solche mit 3, sondern auch mit 2 und 1 Tentakel vor, und ganz am Ende des Wasserlebens des Polypodium (etwa 1 Monat nach seiner Übertragung ins Wasser) kann man am Grunde der Aquarien einfache, formlose (aber lebende) Klümpchen finden ohne Mundöffnung, Mundkonus und Tentakel. Bis zu so hohen Grade kann die Teilbarkeit des Poly- podium sich fortsetzen. Früher erwähnte ich schon, daß die Stütztentakel sich schon im Innern der Knospen von den Tasttentakeln durch ihre geringere Länge und bedeutendere Dicke unterscheiden. Die freibleibenden Formen gestatten es festzustellen, daß noch ein weiterer Unterschied besteht, nämlich ein Unterschied in der Länge der beiden Tast- tentakelpaare. Es erweist sich, dab das seiner Stellung nach mittlere Tentakelpaar kürzer ist als das äußere Paar. Wodurch dieser Unterschind zu erklären ist weiß ich nicht. Die Ursache aber, woher eine Differenzierung in Stütz- und Tasttentakel eingetreten ist, scheint mir in Folgendem zu bestehen. Wir haben schon gesehen, daß von den freilebenden Formen des Polypodium als Grundform die mit 12 Tentakeln anzusehen ist. Bei dieser Form (Fig. 18) befinden sich die Stütztentakel gerade auf der dem Munde gegenüberliegenden Seite. Das Polypodium hält sich im Wasser gewöhnlich mit dem Munde nach oben und stützt sich auf die Tentakel, auf welchen es sich auf dem Substrat fortbewegt, so dab die Tentakel die Rolle von Gehfüßen spielen. Zu diesem Zwecke dienen eben jene Tentakel, die gerade der Mundöffnung gegenüberliegen und sich somit dem Substrat am nächsten befinden, d. h. die kürzern und dickern, die ich deshalb Stütztentakel nannte. Doch haben sie noch eine andere Funktion, die vielleicht noch wichtiger ist und uns noch mehr dazu berechtigt, sie als Stütz- tentakel im weitesten Sinne des Wortes zu bezeichnen: diese Tentakel dienen nämlich als Anheftungsorgane. Die Entdeckung dieser Funktion derselben verdanke ich der Beobachtung einer biologischen Tatsache, die mir überhaupt vieles im Bau (be- sonders im histologischen) des Polypodium klar machte. Ich hatte für die Polypodien ein Aquarium eingerichtet, das den natürlichen Bedingungen ihres Lebens möglichst nahekam. Ich bedeckte den Boden des Gefäßes mit Sand, goß Wasser darauf und setzte Pflanzen zur Versorgung des Wassers mit Sauerstoff hinein (das Wasser war fließend). Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 333 Einige Zeit nach dem Einsetzen der Polypodien nahm ich aus diesem Gefäß Sand in ein Uhrgläschen heraus mit Wasser und einem Polypodium und beobachtete letzteres unter dem binokularen Mikro- skop. Dabei kam denn die interessante Tatsache zu Tage, daß das Polypodium auf dem Sande viel fester haftete als an dem Glasboden des Gefäßes. Wenn ich gegen dasselbe aus einer Pipette einen schwachen Wasserstrahl strömen ließ (immerhin aber einen so starken, daß es ohne Sand zweifellos vom Platze gerückt wäre), so wich sein Körper etwas in der Stromrichtung aus, einige Tentakel reckten sich, doch blieben sie am Boden haften und verhinderten so eine Verschiebung des Polypodium. Natürlich kann man es durch einen starken Strahl oder durch Nadeln vom Platze schieben, dabei ziehen aber die festhaftenden Tentakel je ein oder zwei Sandkörnchen (viel- leicht auch mehr) mit sich, zuweilen diese aus tiefer liegenden Sand- schichten herausholend. Ich durchmusterte darauf einige Polypodien, die ich aus diesem Aquarium ohne Sand entnahm, um mich zu über- zeugen, ob die Sandkörnchen sich an die Tentakel geklebt hatten oder nicht. Es erwies sich, daß jedes der von mir untersuchten Poly- podien Sandkörnchen mitschleppte, die nur einzig undallein an den Stütztentakeln hafteten (wenn auch nicht an allen), und daß nicht ein einziges von ihnen den Tasttentakeln anhing. Die Sand- körnchen waren an die Tentakel durch eine Menge von sie umklammern- den Nesselfäden befestigt. Wenn man den Bodensatz von der Stelle nimmt, wo die Polypodien sich befanden, so kann man unter dem Mikroskop stets eine Masse entladener Nesselkapseln sehen, deren Fäden die verschiedenen Teilchen dicht umspinnen. Die Tasttentakel sind im Gegenteil zu den Stütztentakeln offen- bar mehr für die Verteidigung des Tieres angepaßt; wenigstens bringt uns folgende Beobachtung auf diesen Gedanken. Wenn das Polypodium irgendeinem allgemeinen Reize unterliegt (z. B. einem thermischen, elektrischen usw.) oder einem lokalen, der aber stark genug ist, um sich über den ganzen Körper auszubreiten und so zu einem allgemeinen zu werden, so biegen sich alle Tasttentakel nach der Mundöfinung hinein und bedecken dieselbe. Eine ebensolche Reaktion erfolgt unabänderlich auch einzeln von seiten eines jeden Tentakels, wenn er einen unbedeutenden lokalen Reiz erleidet; er biegt sich jedesmal zum Munde hin ein. Bei den doppelt symme- trischen Formen (denen mit 24 und mit 12 Tentakeln) verkürzt sich der Mundkonus dabei entweder gar nicht, oder (bei starkem Reiz) er verkürzt sich gleichmäßig in seinem ganzen Umfange. Bei den Zool. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. 22 334 A. Lirry, monosymmetrischen Formen, d. h. denen mit 6 Tentakeln, biegen sich unter solchen Umständen nicht nur die Tasttentakel zum Munde hin ein, sondern auch der Mundkonus biegt sich den Tentakeln ent- gegen, als suche er Schutz unter ihrer Deckung. | Jeder Tentakel zieht sich nicht gleichzeitig in seiner ganzen Länge zusammen, sondern allmählich, vom distalen Ende hin zum proximalen. Dabei befindet sich, wenn die Kontraktionswelle den Basalteil des Tentakels erreicht, das distale Ende desselben schon im Stadium der Erschlaffung. Das bezieht sich natürlich auf die Fälle, wenn der Tentakel kurzen, einzelnen Reizwirkungen unter- worfen wird. Bei tetanischen Verkürzungen bleibt der Tentakel natürlich im Kontraktionszustande eine gewisse Zeit lang und in seiner ganzen Länge. Die Reizempfänglichkeit der Tentakel ist im Laufe der ver- schiedenen Lebensperioden des Polypodium nicht die gleiche: sie wächst mit dem Alter desselben. In den Knospen mit innern Ten- takeln sind letztere noch sehr wenig reizbar. Wenn man eine solche Knospe leicht von außen reizt (also deren Entoderm), so erfolgt keinerlei Reaktion. Verstärkt man aber den Reiz, so daß auf die innen liegenden Tentakel ein merkbarer Druck ausgeübt wird, so kann eine Reaktion erfolgen, indem einige Tentakel sich kontra- hieren. Bei den ausgestülpten Knospen sind die Tentakel schon be- deutend empfindlicher, obwohl sie sich noch ziemlich langsam zu- sammenziehen. Außerdem beobachtet man hier im Gegensatze zu den innern Tentakeln eine Eigenbewegung derselben, d. h. eine ‚Kontraktion ohne sichtbaren Reiz. Wie die Empfindlichkeit nimmt auch die Schnelligkeit der Reaktion bei den Tentakeln desto mehr zu, je älter das Polypidium wird. Um mit den Tentakeln abzuschließen, will ich noch meine Be- obachtungen über die Entstehung neuer Tentakel am Körper des Polypodium bei der Verwandlung einer Form in die andere durch Regeneration anführen. Die neuen Tentakel werden in bestimmter Reihenfolge angelegt. Wenn man eine Form mit 12 Tentakeln von der Seite ansieht, wo die Stütztentakel stehen, so bemerkt man leicht, daß die Tentakel immer nach einem bestimmten Plan verteilt sind, nämlich nach den Bogen zweier konzentrischer Ellipsen: die Stütztentakel an dem innern Bogen, die Tasttentakel am äußern, wie das nebenbei auf Textfig. A dargestellt ist. Dabei sind natür- lich beide Gruppen mit 6 Tentakeln vollkommen symmetrisch zu- Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 335 einander gestellt und bilden im allgemeinen gleichsam die Bogen zweier imaginären, geschlossenen, konzentrischen krummen Linien, die auf der Textfig. A durch Punktierung ergänzt sind. Dies gilt für alle freilebenden Formen von Polypodium, und diesem Gesetz folgen alle sich neubildenden Tentakel bei ihrer Entstehung. Bei den Formen mit 12 Tentakeln z. B. werden alle neuen Tentakel in der Ordnung angelegt, wie das auf Textfig. B abgebildet ist, wo im linken Kreise die Gruppe neuentstandener Tentakel in der rechten Hälfte desselben liegt, im rechten Kreise umgekehrt. Was die zeitliche Folge der Entstehung der Tentakel anbelangt, so kann man auch hier ein bestimmtes Gesetz bemerken: zuerst er- scheint immer das Paar der äußern Tasttentakel (Textfig. B a), ihnen folgen die Stütztentakel, und zuletzt wird das Paar der mittlern Tasttentakel angelegt (Textfig. B 5). Die Tentakel erscheinen als kaum bemerkbare Höckerchen, die mit der Zeit größer werden und zu wirklichen Tentakeln auswachsen. Wenn die Stütztentakel an- gelegt werden, so haben die äußern Tasttentakel das Aussehen von konischen Erhöhungen; wenn aber die kaum merkbaren Höckerchen ED @6 Fig. A. Fig. B. der mittlern Tasttentakel erscheinen, stellen die äußern Tasttentakel schon vollkommen ausgebildete, aber noch kleine Tentakel dar, während die Stütztentakel zu dieser Zeit als kleine Kegel erscheinen. Somit beginnt die Tentakelbildung mit den äußern Tasttentakeln, ihnen folgen die Stütztentakel und dann die mittlern Tasttentakel, und ihre Länge nimmt, wie wir oben sahen, in der Richtung von den äußern Tasttentakeln über die mittlern Tasttentakel zu den Stütz- tentakeln ab. Aus dieser Zusammenstellung ist ersichtlich, dab die mittlern Tasttentakel bei ihrem Wachstum in die Länge die Stütz- tentakel überholen. Dafür sind aber letztere, wie bekannt, dicker als die Tasttentakel. Es bleibt nun noch die Frage über die Bildung der Mundöffnung bei Polypodium zu erörtern übrig. Nachdem alle Knospen sich ausgestülpt haben, die am Stolo 22% 336 A. Lxpin, sitzen, verwächst die Öffnung in seiner Wand, die während des Aus- stülpens durch Zerreißen der Gewebe sich bildete, so daß wieder ein vollkommen geschlossener Stolo mit Knospen entsteht, der mit diesen einen gemeinsamen Hohlraum besitzt, welcher jeder Kommunikation mit der Außenwelt entbehrt. Der Unterschied zwischen diesem Stadium und dem vor dem Ausstülpungen besteht nur in der um- gekehrten Lagerung der Embryonalschichten und darin, daß jetzt die Tentakel nicht innerhalb, sondern außerhalb der Knospen sich befinden. Die Bildung der Mundöffnung beginnt nun in diesem Stadium: in der den Knospen gegenüberliegenden Wand des Stolos erscheinen Öffnungen, aus denen später der Mund entsteht. Folglich entstehen die Mundöffnungen sekundär und vollkommen selbständig, unabhänig von dem Rif in der Stolonenwand, der zum Ausstülpen diente. Der Prozeß der Bildung des Mundes geht, wie die Aus- stülpung der Knospen, ohne jede Regelmäßigkeit vor sich und hat durchaus keine bestimmte Beziehung zum Zerfall des Stolos. An einem frischen, heilen Stolo kann sich z. B. in seiner ganzen Länge ein ununterbrochener Spalt hinziehen (Fig. 22 m), wobei natürlich auch alle Teile des Stolos, die aus seiner Teilung resultierten, fertige Mundöffnungen besitzen werden. Oder an verschiedenen Stellen des Stolos können gleichzeitig oder nacheinander einzelne Öffnungen ent- stehen (Fig. 23 m), aber ohne jede bestimmte Ordnung, sowohl zeit- lich wie räumlich; aber alle diese Öffnungen haben die Form von Spalten und sind stets in bestimmter Weise orientiert, nämlich in der Längslinie des Stolos. Da zur Zeit der Bildung der Öffnungen am Stolo auch dessen Zerfall vor sich geht, so ist es natürlich, daß die hierbei entstehenden Teile desselben entweder eine Mundspalte oder auch keine besitzen können, was davon abhängt, in welcher Beziehung die Teilungsstellen des Stolos zu den Bildungsstellen der Mundöffnungen stehen. So werden auf der Fig. 23, wo die punk- tierten Linien, die quer über den Stolo gehen, die Stellen seines Zerfalls bezeichnen, die Teile ab, de und de Mundöffnungen besitzen, während die Teile cd und ef ohne solche bleiben. In solchen Fällen bilden sich die Mundspalten an den Teilen des Stolos erst nach deren Abtrennung von dem letztern. Aus allem, was uns über die Bildung des Mundes bekannt ist, geht hervor, daß sich am Aufbau des Mundkegels der freilebenden Form nicht nur Knospenkörper und Fuß, sondern auch der ent- sprechende Teil der Stolonenwand beteiligt. Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 337 Die Histologie. Der Körper von Polypodium besteht aus 2 Schichten, dem Ecto- derm und dem Entoderm, die voneinander durch eine Stützlamelle getrennt sind, an welcher die Muskelfasern angeheftet sind. Un- mittelbar unter der Stützlamelle (vom Eetoderm aus gerechnet) liegt das Nervennetz. An einigen Stellen, nämlich in den Tentakeln und bei den freilebenden Formen auch im Mundkegel, befindet sich zwischen dem Entoderm und der Stützlamelle noch eine ziemlich dicke Schicht einer gallertigen Masse, die Mesoglöa, die soweit flüssig ist, daß in ihr bei Kontraktion der Tentakel und des Mund- kegels runde Zellen vollkommen frei umherschwimmen, die von den Strömungen der Flüssigkeit passiv mitgerissen werden. Das Ectoderm. In der Form mit innern Tentakeln kleidet das Ectoderm die eanze innere Höhlung des Stolos mit den Knospen vollkommen aus und geht unmittelbar auf die Tentakel über, wie das am Schema klar ersichtlich ist (Fig. 24). In den freilebenden Stadien sind die Beziehungen der Schichten, wie schon mehrfach erwähnt, umgekehrt, d. h. das Ectoderm bildet die äußere Begrenzungsschicht. In den Stadien, wo der Mundkegel schon vollkommen ausgebildet ist, geht an dessen Spitze das Ectoderm unmittelbar in das Entoderm über, indem es so die Umrisse der Mundöftnung darstellt. Hinsichtlich des Baues des Ectoderms haben alle bisher be- kannten Stadien der Entwicklung von Polypodium keine prinzipiellen Unterschiede aufzuweisen. Überall ist das Eetoderm aus 3 Arten von Zellen gebildet: Epithel-, Nessel- und Embryonalzellen („Inter- stitialzellen“ nach KLEINENBERG). Die Deckschicht des Ectoderms besteht bei Polypodium aus Epithelzellen, zwischen denen mehr oder weniger dicht die Nessel- zellen sitzen. Fig. 24 und 25 geben einen Begriff von dem allge- meine Aussehen dieser Schicht, wie sie an Schnitten erscheint. Es gibt hier durchaus keine spezifischen Oberhautzellen im gewöhnlichen Sinne des Wortes; ihre Funktionen übernehmen Epithelzellen, die besonders in den freilebenden Stadien das Aussehen von drüsigen Zellen mit einem sehr großen vacuolisierten Zellkörper und einen dünnen, langen Stiel haben. Die Vacuole hat hier meistenteils die Struktur eines großmaschigen Netzes, in dessen Maschen man oft sogar an lebenden Zellen sehr kleine Kügelchen sehen kann (Fig. 26). 338 A. Liriy, Das Protoplasma der Epithelzelle mit sehr entwickelter Vacuole ist zu einer sehr dünnen Schicht um letztere herum zusammengeschrumpft. Im proximalen Teil der Zelle aber zieht es sich in einen mehr oder weniger langen und in Abhängigkeit davon mehr oder weniger dünnen Stiel aus. In der Länge und Dicke variiert der Stiel ziem- lich bedeutend. Die Ursachen dieser Erscheinung werden weiter unten betrachtet. Im oberen Teil des Stieles, direkt unter der Vacuole oder etwas niedriger, befindet sich der Kern. Auf Flächenbildern erscheinen die Epithelzellen polygonal (Fig. 27), wobei in den Winkeln zwischen ihnen die Nesselzellen liegen, welche sich in verschiedenen Entwicklungsstadien befinden. Alle angeführten Abbildungen von Epithelzellen wurden nach Macerationspräparaten angefertigt. Diese Zellen waren also zuerst fixiert und wurden dann isoliert. Ein etwas anderes Bild gaben lebende Epithelzellen, die durch vorsichtigen Druck auf das Deck- glas isoliert wurden. Die hierbei hervorquellenden Epithelzellen zeigten einen Stiel, der mit seinem proximalen Ende an der Stützlamelle (Fig. 28) befestigt war. Vollkommen befreit und durch keinen äußern Druck mehr eingeengt, zieht eine solche Zelle den Stiel all- mählich ein und rundet sich ab (Fig. 29). Hieraus folgt, daß der Stiel der Epithelzelle kein selbständiger, vorgebildeter Fortsatz der letztern ist, sondern nur einen unter dem Drucke der umgebenden Gewebe hervorgestreckten Teil ihres Protoplasmas darstellt. Am distalen Ende der Zelle findet man oft nicht eine, sondern mehrere Vacuolen, die durch dünne Plasmawände voneinander getrennt sind (Fig. 30). Es ist wohl möglich, daß das grobmaschige Netz der Vacuole der konservierten Epithelzellen als Ausdruck des Vor- handenseins von mehreren Vacuolen zu deuten ist. Dieses ungewöhnliche Aussehen der ectodermalen Deckschicht von Polypodium läßt sich durch die Art der Entstehung der Epi- thelzellen erklären. Da aber diese Frage sehr eng mit den Nessel- zellen zusammenhängt, so will ich sie erst nach Darlegung meiner Beobachtungen über den Bau, die Entwicklung und die Funktion der Nematocysten erörtern. Die Nesselzellen. Die Nesselzellen von Polypodium können nach der Größe der in ihnen eingeschlossenen Kapseln in zwei Kategorien eingeteilt werden: Zellen mit großen Kapseln und Zellen mit kleinen Kapseln. Die erstern sind auf den Stütztentakeln konzentriert und zwar haupt- Die Morphologie und Biologie von- Polypodium hydriforme Uss. 339 sächlich an deren Enden, obgleich sie zuweilen als Ausnahme sich auch an den Tasttentakeln vorfinden und sogar auch am Mundkegel. An den Enden der Stütztentakel sind sie sehr dicht gehäuft, eine förmliche Nesselbatterie bildend. Infolge dieses Umstandes erscheinen die Enden der Stütztentakel bei durchfallendem Licht für das unbe- waffnete Auge oder bei geringer Vergrößerung dunkel und fast un- durchsichtig, bei reflektiertem Licht aber (auf dunklem Grunde) haben sie eine zartweise Farbe. Die kleinen Kapseln sind über das ganze Ectoderm des Körpers ziemlich gleichmäßig zerstreut, aber bei weitem nicht so dicht wie die großen Kapseln in den Enden der Stütztentakel. Eine Ausnahme bilden nur der Rand der Mundöffnung, wo die kleinen Kapseln hin- sichtlich ihrer Gehäuftheit nicht hinter den großen an den Stütz- tentakeln zurückstehen, und die Stütztentakel selbst, wo die Zahl dieser Kapseln im Gegenteil im Vergleich mit dem Mundkegel und den Tasttentakeln vermindert ist. Außerdem sind an den Enden der Tasttentakel die kleinen Kapseln etwas dichter vereinigt als in deren Längsrichtung, aber dieser Unterschied erreicht nie den Grad wie bei den Stütztentakeln. Die großen Nesselkapseln haben das Aussehen von glänzenden Kreisflächen, die von doppelten Konturen umgeben sind. Bei passen- der Lage der Kapseln kann man sehen, daß an dem distalen Ende (Pol) derselben die Wand eine kleine, aber gut bemerkbare kegel- förmige Erhöhung bildet (Fig. 31). Mit dieser Erhöhung liegt die Kapsel gewöhnlich der dünnen Plasmaschicht am distalen, d. h. nach außen gewandten, Ende der Nesselzelle an. Bei Entladung der Kapsel wird deren Faden aus der Spitze der erwähnten kegelfürmigen Erhöhung hervorgeschleudert. Bei starker Vergrößerung erscheint diese Spitze ein wenig abgestutzt, was offenbar für das Vorhanden- sein einer Öffnung spricht. | Die Wand der Kapsel erscheint, wie schon gesagt, in doppelter Kontur und hat eine feste Konsistenz. Letzteres wird dadurch er- wiesen, daß nur bei genügend starkem Drucke auf das Deckglas einige Kapseln platzen. Außerdem besitzen die Wände der Kapseln noch eine Eigenschaft: sie sind elastisch. Das folgt mit logischer Notwendigkeit aus folgender Beobachtung. Im Wasser haben lebende entladene Kapseln eine vollkommen runde Form. Vertauscht man das Wasser mit starkem Spiritus, so schrumpfen die Kapseln ein und nehmen unregelmäßige Umrißformen an; wird dann der Spiritus aufs neue durch Wasser ersetzt, so dehnen sich die Kapselwände 340 A. Lxrix, aus, und die anfängliche runde Form wird wieder hergestellt. Dieser Versuch kann vielemal hintereinander mit stets demselben Erfolge wiederholt werden. Zuweilen, wenn auch sehr selten, konnte ich eine Erscheinung beobachten, die auf Fig. 32 dargestellt ist: es schien, als ob im Innern der festen Hülle noch eine andere sich be- fand, die dünner und zarter war und zusammenschrumpfend sich von der äußern abtrennte. Dieser Umstand weist darauf hin, daß die Kapseln eine zweifache Hülle besitzen. Der Inhalt einer unentladenen Kapsel erscheint körnig. In einigen sehr günstigen Fällen gelang es mir, die Windungen des Fadens ganz deutlich zu sehen, die unmittelbar der innern Wand- seite der Kapsel anlagen (Fig. 33).. Diese Beobachtungen bewiesen, daß der Faden im Innern der Kapsel liegt, ziemlich unordentlich zusammengerollt. Zwischen seinen Windungen ist im Innern der Kapsel eine besondere gelblich gefärbte Masse eingeschlossen, die stark lichtbrechend ist; das ist das Kapselsecret. Da es als einzelne glänzende Pünktchen durchschimmert, verleiht es der unentladenen Kapsel ein körniges Aussehen. Von dieser Substanz wird noch weiterhin die Rede sein. An einigen Präparaten sieht man deutlich, daß der Nesselfaden an der erwähnten kegelförmigen Erhöhung der Kapselhülle beginnt, sich ins Innere der letztern wendet und sich in den eigenen Windungen verliert. Bei starkem Druck auf das Deckglas gelingt es, die Entladung vieler, bei weitem aber nicht aller Kapseln zu veranlassen. Darauf verschwindet die kegel- förmige Erhöhung, und die Kapsel nimmt eine vollkommen runde Form an. Hierbei verkleinert sich ihr Umfang: so beträgt der äußere Durchmesser einer reifen Kapsel vor der Entladung 0,016 mm, nach derselben aber 0,012 mm. Der Nesselfaden bleibt auch nach der Herausschleuderung in Verbindung mit der Kapsel, da er mit seinem Basalende an ihr befestigt ist. Er stellt eine (1,2 mm) lange dünnwandige Röhre dar, die etwa 0,0025 mm breit und an ihrem distalen Ende geschlossen ist; trotz aller Mühe konnte ich keinerlei Öffnung finden. Außen ist der Nesselfaden spiralig von einem andern umwunden, der sehr dünn und zuweilen kaum erkennbar ist. Wenn man von der Spitze des Nesselfadens auf die Kapsel sieht, so verläuft der dünne Faden zum Beobachter hin schraubenförmig in der Richtung des Uhrzeigers (im Gegensatz zum Nesselfaden vieler anderer Cölenteraten) (Fig. 34). Der Inhalt einer entladenen Kapsel, wie auch der des Fadens, stellt eine homogene, wässrig durchsichtige Flüssigkeit dar, die in lebenden Kapseln durch Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 341 Methylenblau intensiv blau gefärbt wird, während der Inhalt un- entladener Kapseln sich entweder gar nicht oder nur sehr schwach färbt (die Kapselhülle wird durch Methylenblau überhaupt nicht gefärbt). Übrigens muß ich bemerken, daß zuweilen beim Färben mit Methylenblau eben entladener Kapseln der Inhalt einiger von ihnen und ihrer Fäden sich nicht durchgängig färbt, sondern nur stellenweise, wobei die gefärbten und ungefärbten Partien in Form, Zahl und Verteilung eine große Mannigfaltigkeit aufweisen. Ge- nauer werde ich hierüber berichten, wenn wir auf die Ursachen der Entladung der Nesselkapseln zu sprechen kommen. Bei der Entladung der großen Nesselkapseln stülpen sich ihre Fäden aus. Hiervon kann man sich vollkommen klar überzeugen, wenn man seinen Blick auf eine noch nicht vollständig entladene Kapsel richtet oder wenn man unter dem Mikroskop den Entladungs- prozeB selbst beobachtet. Im erstern Falle sieht man, daß im Innern des ausgeschleuderten Fadenteiles, der vollkommen glatte, ebene Konturen besitzt, ein anderer Faden liegt, der den noch nicht aus- sestülpten Teil des Nesselfadens darstellt. Er beginnt immer vom distalen Ende des schon ausgeschleuderten Teiles und endet je nach dem Entladungsgrade, noch innerhalb der Kapsel, hier zuweilen sogar noch einige Windungen machend (Fig. 35), oder außerhalb derselben, irgendwo auf der Strecke des ausgestülpten Fadenteiles (Fig. 36). Bei der Beobachtung des Entladungsprozesses sieht man deutlich, wie das noch nicht ausgestülpte Ende des Nesselfadens sich im Innern des ausgeschleuderten Teiles in der Richtung von der Kapsel fort bewegt, wobei die Länge des erstern sich allmählich vermindert, während die Länge der zweiten dementsprechend zu- nimmt. Der nicht ausgeschleuderte Teil des Fadens unterscheidet sich in seinem Aussehen scharf vom ausgeschleuderten: er hat einen unvergleichlich kleinern Durchmesser, unregelmäßige Umrisse und ist stark lichtbrechend. Alles dies hängt offenbar davon ab, dab seine Wände kollabieren und im Innern nur ein sehr kleines Lumen übrig bleibt. Die kleinen Nesselkapseln besitzen ebenfalls eine vollkommen runde Form, unterscheiden sich aber von den großen durch einen bedeutend geringern Umfang (ihr äußerer Durchmesser beträgt 0,007 mm). Ihre Hülle ist dünner, hat aber offenbar auch eine feste Konsistenz, ist elastisch und bildet am distalen Ende ebenfalls eine kleine kegelförmige Erhöhung, an deren Spitze ein Nesselfaden befestigt ist. Dieser Faden ist aber zum Unterschiede vom Faden 342 A. Lirin, der großen Kapseln 1. durch geringere Länge und Breite, 2. durch das Fehlen der dünnen Spirale und 3. dadurch charakterisiert, daß einige seiner ersten Windungen in eine ganz regelmäßige Spirale zu- sammengelegt sind, deren Achse mit der der Kapsel zusammenfallt, d. h. mit deren Maximaldurchmesser, welcher durch die Spitze der kegelförmigen Erhöhung geht; nur das distale Ende des Fadens liegt unordentlich zusammengerollt ähnlich wie der Faden der großen Kapseln. Außerdem unterscheiden sich die kleinen Kapseln von den großen noch durch das Vorhandensein eines Cnidocils, das fast bei allen großen Kapseln fehlt. Das Cnidocil der Kleinen Kapseln hat das Aussehen eines feinen, dünnen Auswuchses von ungefähr 0,02 mm Länge Es reicht bis zur Kapsel selbst und ist offenbar mit seinem Basalende an deren Hülle befestigt (Fig. 37). Leider kann ich keine Beschreibung aller Einzelheiten im Baue der kleinen Nesselkapseln geben, sowie auch nicht ihres Cnidocils, da einige derselben von mir nicht erkannt wurden wegen der äußerst geringen Größe der kleinen Kapseln. Wie die großen so sind auch die kleinen Kapseln im reifen Zustande von Vacuolen umgeben (Fig. 31 u. 37), die man am ehesten an lebenden Zellen feststellen kann, während die Fixierungsflüssig- keiten oft ihren Umfang verringern, sogar bis zu gänzlichem Ver- schwinden, so daß man an konservierten Nesselzellen bei weitem nicht immer diese Vacuolen zu sehen bekommt. Ich muß aber be- merken, daß die lebenden Zellen keine gleichbleibende Größe der Vacuolen aufweisen: in einigen Zellen sind sie größer, in andern kleiner, zuweilen bis zu einer dünnen Schicht herabsinkend, welche die Kapsel umzieht. Letztere Fälle sind übrigens ziemlich selten. Jede Vacuole besitzt eine eigne, sehr dünne Hülle, welche sie von dem sie umgebenden Plasma trennt. Das wird durch folgende Beobachtung bewiesen. Wenn man auf das Deckglas, in dem sich in reinem Wasser ein lebender Polyp befindet, einen bestimmten Druck ausübt, so reißen viele Nesselzellen ab und treten, das Ectoderm verlassend, in das umgebende Wasser heraus. Die Vacuolen sind in derartig isolierten Zellen im Vergleich zu den Gewebszellen ver- größert. Oft kann man sehen, daß die Kapseln sich im Innern der- selben frei bewegen. Nach einiger Zeit platzt die Hülle einer solchen Zelle, und das Protoplasma zerfließt, indem es die Vacuole mit der in ihr eingeschlossenen Kapsel frei läßt. Diese Vacuole bleibt nach der Zerstörung der sie enthaltenden Zelle heil und fährt einige Zeit Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 343 fort selbständig zu existieren; dann platzt auch ihre Hülle, und die Kapsel wird vollständig frei. Bei den Nesselzellen mit großen Kapseln ist die Vacuole am distalen Ende der Zelle, mit dem letztere nach außen gewandt ist, durch eine Plasmaschicht von verschiedener Dicke begrenzt. Im allgemeinen kann man annehmen, daß, je größer der Umfang der Vacuole, desto geringer diese Schicht ist; dementsprechend erscheint sie bei der Mehrzahl der Zellen ziemlich dünn und erreicht so zu- weilen in dieser Hinsicht das Äußerste, nämlich die Dicke einer häutigen Hülle. Bei fixierten Zellen mit kleinen Kapseln sieht man an dieser Stelle einen kleinen, die Basis des Cnidocils umkleidenden plasmatischen Kragen in Gestalt einer Erhöhung von der Form eines abgestumpften Kegels. Am entgegengesetzten, proximalen Pol der Vacuole liegt in ihrer Nähe der Kern der Nesselzelle. Das Basalende der letztern ist zu einem Stiel ausgezogen, mit dem die Zelle an die Stützlamelle befestigt ist. Dieser Stiel bildet kein morphologisch differenziertes Organ der Zelle, sondern erscheint nur als ein durch den Druck des umgebenden Gewebes ausgestreckter Teil des Zellkörpers. Dieser Teil existiert als Stiel nur so lange, als die Zellen aufeinander einen Druck ausüben: bei Zunahme des letztern ist das von der Vacuole aufgetriebene distale Ende jeder Zelle bestrebt, sich von der Stützlamelle zu entfernen, hält sich aber durch den Stiel fest, der auf diese Weise sich verlängert und dem- entsprechend dünner wird. Eine Verminderung des Seitendruckes wirkt umgekehrt: die Stiele werden kürzer und dicker. Bei aus dem Ectoderm herausgetretenen, vollkommen isolierten, lebenden Zellen verkürzt sich der Stiel allmählich und verschwindet schlieb- lich ganz, so daß die Zelle fast rund (Fig. 38) wird; die größte Protoplasmamasse konzentriert sich um den Kern, und nur eine dünne Schicht derselben umgibt die Vacuole am entgegengesetzten Ende. Die vom Drucke des umgebenden Gewebes befreite Zelle zieht also ihren Stiel vollkommen ein, und dies beweist, daß letz- terer ein Teil des undifferenzierten Protoplasmas ist mit allen Eigen- schaften der letztern, auch elastisch. Da bei der Maceration die Zellen in ihrem Zusammenhange fixiert und erst später isoliert werden, so ist es natürlich, daß sie an Macerationspräparaten immer einen Stiel besitzen. Einige Nesselzellen enthalten nicht eine, sondern zwei oder so- gar mehrere Kapseln. Es kam vor, daß ich Zellen mit 4—5 großen Kapseln fand (Fig. 39). Kleine Kapseln können in einer Zelle in 344 A. Lirm, noch größerer Anzahl vorkommen (Fig. 40). Was die Zahl der Vacuolen anlangt, so kommen sehr verschiedene Fälle vor: entweder ist jede Kapsel von einer eignen Vacuole umgeben, die von den be- nachbarten durch eine dünne Wand getrennt ist (in solchen Fällen nehmen die Vacuolen infolge des gegenseitigen Druckes polygonale Umrisse an, Fig. 41), oder alle Kapseln sind in eine große gemein- same Vacuole eingeschlossen (Fig. 39 u. 40). !) Ziemlich oft findet sich unter mehreren Kapseln, die in einer Zelle enthalten sind, eine oder zwei leere, die gar keinen Inhalt besitzen (Fig. 39). Sind in einer Zelle nur zwei Kapseln, so ist die eine von ihnen oft leer. Die leeren Kapseln haben das Aussehen und die Größe von entladenen Kapseln und unterscheiden sich von ihnen nur durch die vollständige Abwesenheit des Fadens. Sie färben sich in Methylenblau gar nicht. Aus der kurzen hier angeführten Beschreibung der Morphologie der Nesselzellen von Polypodium ist ersichtlich, daß sie gar nicht so einfach sind, wie Grimm (1873) und Ussow (1887) es sich vorstellten. Abgesehen davon, daß die genannten Autoren keinen Unterschied zwischen den beiden Arten von Nesselzellen machten, hatten sie sich von ihrem Bau eine falsche Vorstellung gebildet. Grim stellt das Nesselelement in Gestalt einer kleinen, kugelförmigen Kapsel mit einfachen, ausgeschleuderten Faden dar, der bis auf ?/, von der Basis hinauf ganz glatt und im letzten Drittel körnig ist. Ussow aber sagt: „Die Nesselelemente entwickeln sich in besondern Cnido- blasten und haben das Aussehen fadenförmiger, geknöpfter, einfacher Gebilde ohne besondere Bewaffnung.“ Im Gegensatz hierzu sahen wir, daß die morphologische Zweigestaltigkeit, die Anwesenheit von Cnidocilen, das Vorhandensein einer dünnen Spirale, welche den Nesselfaden (der großen Kapseln) umwindet, und anderes mehr den Bau der Nesselzellen von Polypodium sehr viel komplizierter er- scheinen läßt. Oben war davon die Rede, daß Polypodium 2 Arten von Ten- takeln besitzt, nämlich Stütztentakel und Tasttentakel. Ferner sahen wir, daß auch seine Nesselzellen von zweierlei Art sind, große 1) Es ist sehr möglich, daß auch in diesem Falle ursprünglich mehrere Vacuolen vorhanden waren mit je einer Kapsel, dann aber durch Schwinden der dünnen Zwischenwände eine große Vacuole mit mehreren Kapseln aus ihnen entstanden ist. Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 345 und kleine, wobei die erstern sich ausschließlich auf die Stützten- takel beschränken und sich hauptsächlich an deren Enden befinden. Wir wissen endlich, daß eben gerade dank diesen Kapseln und ihren Fäden die Stütztentakel imstande sind, die Rolle von Haftorganen zu spielen. Die Gesamtheit dieser Tatsachen gestattet es uns, ver- schiedene histologische Fragen zu entscheiden, viele Besonderheiten in der Organisation von Polypodium klarzustellen, die ohne dieses ganz unbegreiflich bleiben würden. So z. B.: warum besteht bei Polypodium ein so bedeutender Unterschied in der Länge, Dicke und Reizbarkeit der Tast- und Stütztentakeln? Weil die Tast- tentakel als Verteidigungsorgane dienen (ihre Fähigkeit zu aggres- siver Tätigkeit ist für mich sehr zweifelhaft), so müssen sie länger sein, um ihre Wirkungssphäre in der Umgebung möglichst auszu- dehnen; gleichzeitig aber müssen sie beweglicher (also dünner) und emp- findlicher sein, um mit größerm Erfolge ihre Funktionen ausüben zu können. Die Stütztentakel aber müssen kurz sein, da es für das Polypodium vorteilhafter ist, sich näher am Substrat zu halten; dicker müssen diese Tentakel sein, weil sie Stütztentakel sind, und deshalb entwickelt sich in ihnen eine ziemlich dichte Schicht widerstands- fähiger Substanz, die Mesoglöa. Endlich ist eine große Reizbar- keit für sie nicht nur unnütz, sondern direkt schädlich, da sie bei ihrer beständigen Berührung mit dem Boden in beständigem Kon- traktionszustande (Tetanus) sich befinden würden, was natürlich nicht zum Vorteil des Tieres wäre. Ferner, warum sind in den Stütztentakeln die großen Nesselzellen so ungewöhnlich dicht nur an deren Enden konzentriert? Weil sie eben nur hier nötig sind, da das Polypodium nur mit den Enden der Tentakel das Substrat berührt und sich an demselben befestigt. Warum haben die Nessel- kapseln, die als Haftorgane dienen, relativ einen so großen Umfang? Weil sie das lange und ziemlich breite Nesselrohr aufnehmen müssen. Warum aber muß dieses Rohr lang und breit sein? Um die Mög- lichkeit zu haben, eine möglichst große Oberfläche für die Berührung mit dem zu umspinnenden Körper zu entwickeln und so ihn mehr umstricken zu können, also auch einen festern Halt für das Poly- podium zu gewinnen. Vielleicht dient zu demselben Zwecke auch die dünne Spirale, welche die Nesselfäden der großen Kapseln um- windet. So werden nicht nur die Ursachen der morphologischen Differenzierung der Tentakel und der Nesselkapseln von Polypodium in 2 Arten klar, sondern auch einige Einzelheiten im Bau der einen wie der andern. 346 A. Lain, Hinsichtlich der physiologischen Rolle der großen Nesselkapseln steht Polypodium nicht als Unikum unter den übrigen Cölenteraten da, indem auch andere Repräsentanten derselben bekannt sind, bei denen die Nesselfäden zur Anheftung des Tieres an das Substrat dienen. So sagt Mösıus !): „Für Polypen, die ihren Ort verändern (Lucernarien, Actinien, Hydra), dienen sie (die Nesselröhrchen) als Befestigungsmittel der Tentakel, wenn letztere andere Körper bei der Ortsveränderung umklammern.“ Und Iwanzow fügt (1896) hinzu: „Ich kann dieses hinsichtlich Bumodeopsis strumosa ANDR, bestätigen.“ Die Fähigkeit der Nesselfäden, die Tentakel an andere Körper zu befestigen, erklärt Mügrus durch das Ankleben der Fäden an die Gegenstände. Diese Erklärung könnte auch für Polypodium gelten, da nichts dagegen spricht; gleichzeitig aber kann ich auch keine Tatsachen anführen, die zugunsten dieser Erklärung sprächen. Wenn man aus einem Aquarium mit Sandboden, in dem Poly- podien sich befinden, etwas Sand mit der Pipette nimmt und unter dem Mikroskop betrachtet, kann man oft Tausende entladener, sroßer Kapseln bemerken, deren Fäden endlos ineinandergeflochten, sich gegenseitig und hauptsächlich die Sandkörnchen und andere Bodenteilchen umspinnen. Das zeugt natürlich davon, daß die Kapseln nach der Entladung aus den sie enthaltenden Zellen heraus- treten. Die Verschwendung des Polypodium, das seine Kapseln links und rechts umherschleudert, erreicht einen erstaunlichen Grad, da es genügt, das Tier im Uhrgläschen einige Minuten zu halten, um es zu veranlassen, eine Masse entladener Nesselkapseln zu hinter- lassen. Und das ist offenbar eine sehr nützliche Anpassung für das Polypodium, da, wenn die Kapseln nach der Entladung in den Zellen: bleiben würden, das Tier nicht vom Platz kommen könnte, indem es durch die Nesselfäden an das Substrat angeheftet wäre. Dennoch besitzt es die Fähigkeit der Ortsveränderung, und das ist nur unter einer Bedingung denkbar, daß nämlich die Tentakel von den ent- ladenen Nesselkapseln loskommen. Um also einerseits den Nessel- kapseln mit ihren Fäden die Möglichkeit zu geben, die Rolle von Anheftungsorganen zu spielen, müssen sie sich genügend fest in ihren Zellen halten können, andrerseits aber, um nicht die freie Beweg- lichkeit der Polypodien zu hindern, müssen sie die Fähigkeit be- sitzen, diese Zellen leicht zu verlassen. Die zwei Fähigkeiten der 1) Zitiert nach Iwanzow (1896). Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 347 Nesselkapseln müssen in Kollision geraten. Wie hilft sich das Poly- podium aus diesem Zwiespalt heraus? Man könnte vermuten, daß bei genügend starker Anspannung der Nesselfäden deren Kapseln eo ipso aus ihren Zellen heraustreten. Das ist aber unter natürlichen Verhältnissen, unter denen das Poly- podium lebt, kaum möglich. Ich habe schon gesagt, daß, wenn man ein Polypodium vom Sandboden nimmt, es an seinen Stütztentakeln einige Sandkörnchen trägt, was darauf hinweist, wie fest die Nessel- kapseln in ihren Zellen festsitzen: eher können Sandkörner sogar aus tiefer liegenden Schichten mitgezogen werden (wozu natürlich eine bedeutende Kraft gehört, die den Widerstand überwinden kann, den das Gewicht der obern Sandschichten leistet), als daß die Kapseln aus den sie umschließenden Zellen heraustreten. Wo aber findet das Polypodium unter natürlichen Umständen den Stützpunkt, um diesen Widerstand zu überwinden, mit dem die Kapseln an ihrem natür- lichen Ort festgehalten werden? Solch eine Stütze kann ihm doch nur und ausschließlich durch andere Stütztentakel zuteil werden, die in entgegengesetzter Richtung wirken. Dadurch würde der ganze Vorgang auf einen Kampf der Stütztentakel untereinander hinauslaufen, die in entgegengesetztem Sinne arbeiten. Aber auch unter diesen Bedingungen, wie schon gesagt, würde bei weitem nicht immer das Ziel erreicht werden, d. h. das Austreten der Kapseln aus ihren Zellen. Eine solche Lösung der Frage kann also kaum als zutreffend angesehen werden. Man kann noch eine andere Erklärung bieten, daß nämlich das Polypodium selbst, aus eigenem Willen, die Lage der entladenen Kapseln reguliert, d. h. sie festhalten oder entlassen kann. Doch ist diese Lösung der Frage für mich schon deshalb nicht annehmbar, weil ich mich zu skeptisch nicht nur zu den vom Willen ausgehenden Regulierungsprozessen, sondern überhaupt zur Möglichkeit eines „Willens“ bei niedern Tieren und den niedersten unter den Meta- zoen — den Cölenteraten — insbesondere verhalte. Ich kann mich hier auf eine eingehende Darlegung der Frage nicht einlassen und will mich daher mit folgender Bemerkung bescheiden. Mir scheint, daß es gar keinen wissenschaftlichen Grund gibt, bei so niedrig or- ganisierten Geschöpfen mit primitiv eingerichtetem Nervensystem die Existenz eines „Willens“ als regulierendes Prinzip anzunehmen, als eines selbständigen Faktors, der in gewissem Grade von äußern Umständen unabhängig ist und eine gewisse Dosis freier Wahl und ‘Willenshandlung besitz. Daher scheint mir eine Entscheidung 348 A. Lirry, der oben gestellten Frage durch die Anerkennung einer Willens- regulation durch das Tier unwissenschaftlich. Ich will versuchen die erwähnten Erscheinungen rationeller zu erklären. Möge Textfig. C das distale Ende einer Nesselzelle mit der Vacuole und der in letzterer eingeschlossenen entladenen Kapsel darstellen. Bei einer Kontraktion des Tentakels werden die Ecto- dermzellen einem gegenseitigen Drucke unterworfen. Folglich erfährt jede Nesselzelle seitens des umgebenden Gewebes einen. seitlichen Fig. C. Eine Nesselzelle mit der großen Kapsel. n Kern. nf Nesselfaden. nk Nessel- kapsel. vw Vacuole. Druck, der auf Textfig. C durch die Pfeile außerhalb der Zelle an- gedeutet ist. Dieser Druck wird der Vacuole mitgeteilt, und da kommt denn die große Bedeutung der letztern für die in ihr einge- schlossene Kapsel zur Geltung: die Vacuole verwandelt den Seitendruck in einen hydrostatischen, der auf die Kapsel von allen Seiten gleichmäßig wirkt, wie die Pfeile in der Vacuole zeigen. Aber der Seitendruck a auf die Kapsel kommt ins Gleich- gewicht; der Druck b, der perpendikulär in der Richtung zu a wirkt, strebt die Kapsel aus der Zelle hinauszustoßen, während jeder andere Druck, dessen Richtung zwischen «a und 5 liegt, d. h. unter spitzem Winkel zu diesen geht, in zwei zueinander senkrecht stehende Drucke zerlegt werden kann, von denen der eine parallel a, der Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 349 andere parallel b sein wird. Die erstern Kräfte, als einander ent- gegengesetzt, heben sich auf, die andern helfen der Kraft b die Kapsel hinauszustoßen, wobei die Summe aller dieser Kräfte eine gleichmäßige, vollkommen genügende Größe gibt, um den Widerstand zu überwinden, welcher dem Austritt der Kapsel durch die dünne Plasmaschicht entgegengesetzt wird. Bei der Ausdehnung des Tentakels treten entgegengesetzte Er- scheinungen ein: alle angeführten Kräfte wirken gerade den be- schriebenen entgegengesetzt, und die resultierende konstante Größe wird bestrebt sein, die Kapsel im Zellinnern festzuhalten, was im Verein mit dem Widerstande der Plasmaschicht für diesen Zweck vollkommen genügend erscheint. Es ist also klar, je stärker die Kontraktion des Tentakels, desto größer wird der in der Vacuole entstehende positive Druck, und desto leichter das AusstoßenderKapselausder Zelle; umgekehrt, je stärker die Ausdehnung des Tentakels, desto größer wird der negative Druck in der Vacuole und desto stärker ihre an- saugende Wirkung auf die Kapsel. Stellen wir uns nun vor, daß der Stütztentakel durch seine Nesselfäden am Substrat haftet. Soll das Polypodium vom gegebenen Ort fortrücken, so muß es natürlich den befestigten Tentakel an einen andern Platz bringen; um ihn aber vom gegebenen Platz fort- zunehmen, muß er kontrahiert werden; bei einer Kontraktion aber, wie wir oben sahen, kommen die entladenen Kapseln aus ihren Zellen heraus und beireien so den Tentakel von der Anheftung, so dab er an einen beliebigen andern Ort gebracht werden kann. Hier- bei scheint es nicht überflüssig zu bemerken, daß der Tentakel sich vom distalen Ende aus zu kontrahieren beginnt, an dem die ent- ladenen Kapseln sich befinden, und dann läuft die Kontraktions- welle in der Richtung zum proximalen Ende hin. Schon im ersten Moment, also bei der Kontraktion des Tentakels, verlassen die ent- ladenen Kapseln ihre Zellen und machen so den Tentakel frei. Nehmen wir jetzt einen andern Fall. Gesetzt, dab irgendeine äußere Kraft, z. B. der Wasserstrom, das Polypodium vom Platze rücken will, das mit seinen Nesselfäden sich an den Boden fest ge- heftet hat. Natürlich wird im ersten Augenblick der Körper des Tieres der Stromrichtung nachgeben und so jene Tentakel aus- dehnen, mit welchen es sich am Substrat festhält. Hierbei aber werden, wie wir wissen, die Kapseln durch den negativen Druck in ihren Zellen festgehalten, der in den Vacuolen entsteht. Und je Zool. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. 23 350 A. Lipin, mehr sich der Tentakel vom Druck des Wasserstroms streckt, desto stärker werden die Kapseln in den Zellen festgehalten, also desto sicherer wird auch das Polypodium dem Wasserstrom widerstehen, wenn nur das Substrat, an dem es festsitzt, Haltbarkeit genug besitzt. Meine Erklärung wird noch dadurch bekräftigt, daß es mir fast nie gelang, unter dem Mikroskope entladene Kapseln zu sehen, die sich noch in ihren Zellen befanden. Oft habe ich mit dem Wunsche, ein solches Bild zu sehen, dem Aquarium mit Sandboden Polypodien entnommen, an deren Stütztentakeln einige Sandkörner hafteten (was mit bloßem Auge wahrgenommen werden kann), aber jedesmal, wenn ich sie auf das Objektglas zu bringen suchte und mit dem Deck- glase zudeckte, erwies es sich, dab schon keine einzige der ent- jadenen Kapseln mehr im Innern der Zellen sa — alle diese Kapseln waren aus ihren Zellen hervorgetreten, und ihre Fäden umwoben in dichtem Knäuel die Sandkörner. Von meinem Standpunkte aus erscheint dies ganz begreiflich. Während ich die Polypodien mit der Pipette nahm, waren ihre Stütztentakel noch in ausgestrecktem Zustande, da sie eine sehr geringe Empfindlichkeit gegen äußere Reize besitzen. Als ich sie aber nach Übertragung auf das Objekt- glas mit dem Deckglase bedeckte, trat ein mechanischer Reiz ein, der stark genug war, um eine Kontraktion der Stütztentakel hervor- zurufen und das Austreten der entladenen Kapseln aus ihren Zellen zu bewirken. An fixierten Tieren gelingt es auch nicht, das ge- wünschte Bild zu erhalten, da im Moment der Einwirkung der Kon- servierungsflüssigkeit sie sich stark kontrahieren. Sogar in dem Falle, dab die Polypodien vor der Fixation mit Cocain (dessen Wirkung sie sehr zugänglich sind) narkotisiert werden, kann man es nicht gänzlich vermeiden, dab die Stütztentakel sich zusammen- | ziehen. ; Man könnte mich fragen, warum bei der Kontraktion der Ten- takel nur die entladenen Kapseln ausgestoßen werden und die un- entladenen in ihren Zellen bleiben, obwohl sie genau demselben Drucke seitens ihrer Vacuolen unterliegen ? Dieser Zweifel ist folgender- maben leicht zu lösen. In den Zellen mit nicht entladenen Kapseln ist die Plasmaschicht, die die Kapseln am Austritt hindert, noch ganz heil, nirgends beschädigt und besitzt daher eine Festigkeit, die genügt, um sogar bei sehr starker Kontraktion des Tentakels die Kapsel im Innern der Zelle festzuhalten. Bei einer Entladung der Kapsel aber durchbohrt deren Faden diese Schicht, bildet eine Bresche, durch welche die Kapsel schon viel leichter nach außen Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 351 gelangen kann, wenn das umgebende Gewebe einen Druck ausübt. Diese Erklärung des Austretens und Festgehaltenwerdens der Kapseln löst auch leicht noch die weitere Frage, warum die Stütztentakel eine so geringe Reizbarkeit besitzen. Es ist klar, daß, wenn ihre Reizbarkeit eben so groß wäre wie bei den Tasttentakeln, sie sich bei dem geringsten Reize stark kontrahieren würden, und die Kapseln müßten aus ihren Zellen austreten und wären dann nicht imstande, die Rolle von Haftorganen zu übernehmen. Nun können wir uns klar vorstellen, wie groß bei Polypodium der Verbrauch an großen Kapseln sein muß. Am Ende der Stütz- tentakel sind aber die Kapseln fast immer gleichmäßig dicht ge- stellt, folglich ist die Menge der letztern, ungeachtet des großartigen Verbrauchs, annähernd immer eine gleichbleibende. Woher wird nun der Vorrat ergänzt? Woher kommen als Ersatz der ausgeschie- denen Kapseln die neuen Mengen derselben? Die Antwort ist die- selbe wie für die andern Cölenteraten: aus den interstitiellen, kapsel- bildenden Zellen. Aber ähnlich wie bei vielen andern Vertretern der Cölenteraten zeigt sich bei Polypodiwm eine interessante Eigen- tümlichkeit: die Interstitialzellen, welche die großen Nesselkapseln liefern, sind ganz im Anfang des Stütztentakels konzentriert; hier kann man verschiedene Stadien ihrer Entwicklung antreffen, von den allerfrühesten an. Aber in der Richtung zum distalen Ende des Tentakels werden sie schnell seltner und verschwinden schlieb- lich ganz. In der Länge des Tentakels aber findet man nur hier und da zerstreute Nesselzellen mit schon gut entfalteter Kapsel, die von scharfen Konturen umgrenzt ist und einen Faden umschließt. Somit befindet sich der Ort der Bildung und des Verbrauchs der eroben Nesselkapseln an zwei entgegengesetzten Enden des Tentakels, durch die ganze Länge des letztern getrennt, in deren Ausdehnung einzelne Nesselzellen mit fast fertigen Kapseln zerstreut sind. Als mir die Frage aufstieß, wie die Nesselzellen an den Ort ihrer Ver- wendung, an das Ende des Stütztentakels gelangen, hatte ich nur die eine Annahme, daß die Nesselzellen durch die ganze Länge des Tentakels wandern, von der Basis bis zu dessen Ende. Diese Annahme war logisch notwendig; damit aber der a priori-Schluß die Bedeutung einer unumstößlichen Tatsache erhielt, mußten empirische Daten geschafft werden. Bloß das Vorhandensein von auf dem 23* 392. A. Turin, Wege zerstreuten, d. h. in der Länge liegenden Zellen, war nicht genügend. Ich wollte die Wanderung dieser Zellen durch den Tentakel unmittelbar sehen. Von dem Gedanken ausgehend, daß die Nessel- zellen bei ihrer Bewegung eine verschiedene Schnelligkeit entwickeln müssen und daß somit ihre gegenseitige Lage sich stets ändern mub, begann ich meine Beobachtungen, und zu meinem großen Er- staunen übertrafen die Tatsachen alle meine Erwartungen. Ich wählte eine bestimmte Gruppe von Nesselzellen (die Beobachtungen wurden natürlich an einem lebenden Objekt mit ziemlich starker Vergrößerung vorgenommen), die am Anfang der Beobachtungen sich nicht mehr weit von der Nesselbatterie am Ende des Tentakels be- fand. Die Fig. 42 stellt die Resultate meiner Beobachtungen dar: hier sind 8 aufeinanderfolgende Phasen der Bewegung großer Kapseln dargestellt; die Ziffern geben in Minuten die Zeiträume an, die die Phasen voneinander trennen. Diese Zeiträume umfaßten 1—2 Minuten. Ich konnte in buchstäblichem Sinne zeichnend kaum mitkommen, um die Veränderungen in der gegenseitigen Lage der Zellen fest- zuhalten! Während man die eine Phase zeichnet, hat sie schon Zeit gefunden sich so zu verändern, dab man sofort die nächste Phase zeichnen muß. Auf der Fig. 43 ist die aufeinanderfolgende Orts- veränderung einer solchen Zelle hinsichtlich der unbeweglichen Konturen der Ectodermzellen dargestellt, und ebenso hinsichtlich einer reifen und daher in ihrer Lage fixierten kleinen Nessel- kapsel. Indem ich mich beim Zeichnen auf die Festhaltung der hier dargestellten drei aufeinanderfolgenden Momente der Be- wegung beschränkte, beobachtete ich weiter die Zelle, ohne sie zu zeichnen. Das Bild war so demonstrativ, dab es nichts zu wünschen ließ. Es war ganz klar zu sehen, wie die Nesselzelle, die Kcto- dermalzellen auseinanderschiebend und sich zwischen ihnen ein- keilend (wobei ihre Konturen natürlich sich immerfort änderten), langsam aber stetig an das Ende des Tentakels vordrang. Und was noch merkwürdiger war: der Eindruck war ein derartiger, dab sie gleichsam sehr wohl wußte, welche Richtung sie einzuhalten hatte; dab, wenn sie auf einen Kreuzungspunkt stieß, von dem aus 2 oder 3 Wege führten, sie immer den wählte, dessen Richtung mit der Achse des Tentakels den geringsten Winkel bildete, folglich den geradesten Weg zum Ziele, den nächsten. Es war auch deut- lich sichtbar, dab die beobachtete Zelle in der tiefern Ectoderm- schicht sich fortbewegte, da sie unter der kleinen Kapsel durchging. Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 353 Die Wanderung der Nesselzellen mit großen Kapseln erklärt auf die einfachste Weise einen interessanten Fall, der sonst kein geringes Rätsel gebildet hatte. An einem Stütztentakel war aus unbekannten Gründen eine Einschnürung (Fig. 44) entstanden, die mit der Zeit immer tiefer und tiefer wurde, so daß es klar war, daß sie die distale Hälfte des Tentakels ganz von der proximalen abtrennen würde. Aber jetzt schon hat der Tentakel, wie die Ab- bildung zeigt, eine neue Nesselbatterie hervorgebracht, die sowohl in der Einschnürung selbst als auch an ihren beiden Seiten gelegen ist, wobei diese Batterie an der der Basis des Tentakels zugewandten Seite viel größer war als an der entgegengesetzten. Außerdem übertraf sie bedeutend auch die alte Batterie, die am äußersten Ende des Tentakels sich befand. Es hatte den Anschein, als hätte das Polypodium so sehr gefürchtet, seine Stütztentakel ohne grobe Nesselkapseln zu lassen, dab es schon frühzeitig einen Vorrat an solchen an der Stelle anlegte, wo in Zukunft das neue distale Ende des Tentakels sich bilden mußte. Bei der Ortsbewegung der Nessel- zellen ist dieser Zufall leicht erklärlich. Es ist klar, dab für die wandernden Zellen die Einschnürung ein rein mechanisches Hindernis bildet, und je enger die Brücke wird, die die beiden Tentakelhälften verbindet, desto mehr hält sie die wandernden Zellen auf — daher ihre große Anhäufung vor der Einschnürung und ihre so geringe Anzahl hinter derselben, Die alte Nesselbatterie aber schwindet schnell dahin infolge des ununterbrochenen, unverminderten Ver- brauchs großer Kapseln, deren Vorrat entweder gar nicht ergänzt wird oder fast gar nicht, weil die Einschnürung ein Hindernis dazu bietet. Indem ich mich den kleinen Nesselkapseln zuwende, muß ich zuerst bemerken, daß ihre größte Menge sich am Rande des Mund- kegels befindet, um die Mundöffnung herum, wo sie äußerst dicht zusammengedrängt sind. Außerdem sind die kleinen Kapseln an den Tasttentakeln auch nicht ganz gleichmäßig verteilt: an den Tentakelenden sind sie in etwas größerer Zahl vereinigt als in deren Längsrichtung, obwohl dieser Unterschied bei weitem nicht den Grad erreicht wie bei den großen Kapseln der Stütztentakel. Ebenso sind die Bildungszellen der kleinen Kapseln hauptsächlich an der Basis der Tentakel konzentriert und werden in der Richtung zum Ende des Tentakels immer seltner. Schon aus dieser Verteilung der kleinen Kapseln geht hervor, daß ihre Bildungszellen die Fähigkeit zu wandern besitzen müssen. 354 A. Lirty, In der Tat bewiesen die Beobachtungen, daß sie im Mundkegel sich in der Richtung zum Rande der Mundöffnung hin bewegen und in den Tasttentakeln in der Richtung zu deren distalen Enden. Die Fig. 45 zeigt 9 Phasen dieser Wanderung im Mundkegel. Die stets wechselnde Lage der sich fortbewegenden Zelle ist hinsichtlich der unbeweglichen Konturen der Ectodermzellen und der ebenso unbe- weglichen reifen kleinen Kapseln registriert, die in der Oberflächen- schicht des Ectoderms liegen. Hier wie bei der Wanderung der großen Kapseln sieht man deutlich, dab die Zellen in der Tiefe des Ectoderms wandern, unter den reifen Kapseln unten durch gehend. Man darf aber nicht vergessen, daß die reifen Kapseln, mit Ausnahme des Randes der Mundöffnung und der Enden der Tast- tentakel, sonst über den ganzen übrigen Körper mehr oder weniger gleichmäßig verteilt sind, selbst den Mundkegel und die Tentakel nicht ausgeschlossen. Dies läßt voraussetzen, dab bei weitem nicht alle wandernden Zellen das Ende des Mundkegels oder der Tast- tentakel erreichen; im Gegenteil, viele (wenn nicht gar die Mehr- zahl) werden fixiert, ehe sie noch bis zu den angedeuteten Punkten gelangt sind. Die Wanderung der Nesselzellen wird bei weitem nicht von allen Zoologen anerkannt. Als ihre wärmern Verfechter erscheinen SCHNEIDER und MURBACH. Der erstere sprach in seinen frühern Arbeiten (1891, 1892) a priori die Überzeugung aus, daß eine Wan- derung der unreifen Nesselzellen (besonders bei den Siphonophoren) von ihrem Bildungsorte zu den Orten ihrer Verwendung stattfinden müsse. In einer spätern Arbeit (1900) sagt er: „Meiner Ansicht nach entsteht auch nicht eine einzige Cnide an dem Orte, wo sie verbraucht wird, sondern die Verbrauchsstätten werden von den oben besprochenen Bildungsherden aus versorgt... Allerdings direct am lebenden Materiale ist die Ueberwanderung nur in einem Falle bis jetzt beobachtet worden. MurBacx (in: Arch. Naturg., Jg. 60, Bd. 1) hat sie für die Taster von Velella, die vom Centralkörper aus versorgt werden, festgestellt, indem er Lageverschiebungen junger Stadien in der Richtung vom Bildungsherd zur Verbrauchs- stätte constatirte und auch illustrirte. Gleiche Beobachtungen machte ich auch 1894 und in diesem Jahre wieder und illustrirte sie...“ Somit gibt SCHNEIDER in den erwähnten Arbeiten seinen frühern a priori-Schlüssen eine tatsächliche Begründung. Mursach teilt außer der in ScHNEIDER’s Arbeit erwähnten, eben Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 355 zitierten Angabe auch in seinen weitern Arbeiten über die Wande- rung der Nesselzellen manches mit. So schreibt er über Velella (1895): „One case, however, which was observed for fifteen minutes, made such pronounced and rapid amoeboid movements, that it might well have been taken for an Amoeba [es war die Nesselzelle. A. Lipry| which had swallowed a nematocyst.“ Hinsichtlich Pennaria sagt der Autor im selben Artikel: „At the end of the stated time of obser- vation [t?/, Stunde — A. L.] the (nettling) organ had passed through a distance equal to its own diameter. In another case a nettling organ traveled toward a tentacle a distance equal to three times its diameter. . .. Another case particularly drew attention; the cell- body was changing its form quite rapidly, progressing at the same time between the ectoderm cells. . . .“ Endlich teilt MurBacx in einer spätern Arbeit (1899) über die Wanderung der Nesselzellen von Hypolytus peregrinus und Corynitis agassiziw ähnliches mit. SCHNEIDER Wie auch MurBACH versichern, daß die Nesselzellen bei ihrer Wanderung in ganz bestimmter Weise orientiert sind. Das künftige Basalende der Zelle, das die größte Anhäufung von Proto- plasma besitzt und den Kern umschließt, ist immer der Fort- “ bewegungsrichtung zugekehrt, während der Pol der Entladung nach rückwärts gerichtet ist. Bei Polypodium bemerkte ich eine solche Orientierung nicht. Aus den angeführten Zitaten ist ersichtlich, daß die Wanderung der Nesselzellen in den von SCHNEIDER und MurBacx beschriebenen Fällen lange nicht so demonstrativ auftritt wie bei Polypodium. Das letztere zeigt ein höchst eklatantes Beispiel dieser Wanderung dank der großen Schnelligkeit, mit der diese vor sich geht. Einige Autoren, wie JıckEuı (1882), Iwaxzow (1896) und andere, leugnen die Wanderung der Nesselzellen aus dem Grunde, weil zu- weilen zwischen den Orten der Bildung und der Verwendung dieser Zellen eine zu unbedeutende Menge von Nematoblasten sich befindet, als daß durch deren Wanderung der Verbrauch an reifen Kapseln ersetzt werden könnte. Diese Ansicht kann kaum als begründet an- gesehen werden, da die Zahl der wandernden Nesselzellen in um- gekehrt proportionalem Verhältnis zur Schnelligkeit der Bewegung steht; wenn also diese Menge gering ist, so bedeutet das, daß die Zellen schnell genug sich bewegen, um den Verbrauch an Kapseln zu ersetzen. In der Tat, nehmen wir an, daß in der Minute 20 Kapseln ver- braucht werden. Dieser Verlust kann auf verschiedene Arten er- 356° A. Liprn, setzt werden, von denen wir zwei als Beispiele herausnehmen. Wenn jede der wandernden Zellen für das Zurücklegen des ganzen Weges 1 Minute braucht, so ist es klar, daß alle 20 Zellen gleichzeitig sich auf der Wanderung befinden müssen. Wenn aber dieser Zeitraum To Minute ist, so können die Zellen den ganzen Weg einzeln zurücklegen. Im erstern Falle werden auf der ganzen Strecke zwischen dem Orte der Bildung und der Verwendung vom Beobachter 20 wandernde Zellen gesehen werden müssen, im zweiten aber nur eine, und der Ersatz des Verbrauchs an Kapseln bleibt in beiden Fällen genau derselbe. Je geringer also die Zahl der wandernden Zellen, desto größer muß ihre Geschwindigkeit sein. Außerdem be- findet sich die Zahl der Zellen wie die Schnelligkeit der Bewegung natürlich in direkter Abhängigkeit vom Verbrauch der Kapseln am Orte ihrer Verwendung. Zur Entwicklung der Nesselzellen übergehend, halte ich es vor allem für nötig zu bemerken, daß alle meine Beobachtungen sich auf die Nesselzellen mit großen Kapseln beschränken. Was die zweite Kategorie der Nesselzellen anbetrifft, so habe ich wie auch beim Studium der Morphologie derselben, infolge ihrer zu kleinen Dimen- sionen, fast nichts erreicht. Aber auch in bezug auf die Nessel- zellen mit großen Kapseln leidet meine Beschreibung an bedeutenden Lücken, die durch spätere Beobachtungen ausgefüllt werden müssen. Die Interstitialzellen, die beiden Arten von Nesselzellen den Ursprung geben, keilen sich zwischen die Basalauswüchse der Ectodermzellen ein und sind stets an der Stützlamelle gelegen, mit der sie ihre Berührung nie verlieren. Der Unterschied zwischen den erwachsenen Zellen der einen wie der andern Art ist schon früh- zeitig durch die entsprechend verschiedene Größe der Interstitial- zellen, aus denen sie hervorgehen, vorausbestimmt. Über die Verteilung der kapselbildenden Zellen beider Arten ist schon oben das Nötige gesagt. Sie teilen sich amitotisch (Fig. 46). Die Entwicklung der Interstitialzellen, welche die großen Kapseln produzieren und eine ziemlich bedeutende Größe haben, beginnt da- mit, dab in der Zelle eine Vacuole erscheint, die mit einer hellen, gänzlich durchsichtigen Flüssigkeit erfüllt ist, welche sich durch Methylenblau nicht färben läßt (Fig. 46, a). Beim Anwachsen um- Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 357 faßt diese Vacuole gewöhnlich den Kern von einer Seite. Gleich- zeitig erscheint in ihr ein homogenes Körperchen, das etwas dunkler ist als die dasselbe umgebende Flüssigkeit (Fig. 46, 6). Das ist die Anlage der Kapsel. Oft kann man sehen, daß dieser Körper an den Enden aufgetrieben wird, in der Mitte aber sich entsprechend zusammenzieht, so dab eine Einschnürung entsteht (Fig. 46, c). Mehr als einmal sah ich auch zwei Körperchen in ein und derselben Vacuole (Fig. 46, d), wobei beide die Gestalt kurzer aufgetriebener, zuweilen auch kugelförmiger Bläschen besaßen. Schon die Zusammen- stellung dieser zwei Tatsachen führt zu der Annahme, dab die Kapselanlage die Fähigkeit besitzt, sich vollständig zu teilen. Dieser Schluß wurde zur wirklichen Tatsache, als ich beim Beobachten eines lebenden Polypodiums unter dem Mikroskop den Teilungsvorgang selbst direkt wahrnahm: die Einschnürung in der Mitte des Körper- chens wurde immer dünner und dünner und riß schließlich ganz — so entstanden zwei selbständige Kapselanlagen (Fig. 46, e). Der Faden wird außerhalb der Vacuole angelegt, also auch außerhalb der Kapsel. Das zeigen aufs deutlichste die Beobachtungen an lebenden Zellen. Wenn man letztere in situ beobachtet, so ver- dunkeln die Oberflächenschichten des Ectoderms, unter denen die sich entwickelnden Nesselzellen gelegen sind, das Bild bedeutend: das Protoplasma dieser Zellen erscheint einfach grobkörnig und weiter nichts. Einen eben solchen Eindruck machen konservierte und mit Methylenblau gefärbte Zellen. Wenn aber bei vorsichtigem Drucke auf das Deckglas, unter dem sich das lebende Polypodium befindet, einige der sich entwickelnden Nesselzellen aus dem Ecto- derm hervorkommen und so isoliert werden (wobei sie eine runde Form annehmen), so wird in ihrem Protoplasma die Anwesenheit von Körnchen sichtbar, die nicht in unordentlichen Haufen liegen, sondern in Form einer Kette, die in zahlreichen Windungen zu- sammengelegt ist (Fig. 46, f). Die Körner haben eine gelbliche Schattierung und zeichnen sich durch starke Lichtbrechung aus. Ihre Form kann verschieden sein: entweder haben sie das Aussehen von annähernd kugelförmigen Kokken, oder sie zeigen eine merk- würdige Ähnlichkeit mit Bacterienstäbchen. Sie sind durch regel- mäßige Zwischenräume getrennt, die nach ihren optischen Eigen- schaften sich in nichts von dem umgebenden wässerigen, durchsich- tigen Plasma unterscheiden. An einigen Partien dieser Kette sieht man deutlich, daß diese Zwischenräume an den Seiten von Konturen in Form gerader, paralleler, äußerst dünner Linien begrenzt sind, 358 A. Lipis, die zwei benachbarte Körner verbinden, und dann wird es klar, daß dieses ganze Gebilde eine dünnwandige Röhre darstellt, in der auf annähernd gleichen Entfernungen voneinander Körner aus einer stark lichtbrechenden Substanz gelagert sind (Fig. 46, f). Aber besonders scharf treten alle diese Beziehungen in dem Falle hervor, wenn die Hülle der Zelle platzt und ihr Protoplasma im umgebenden Wasser zerfließt (das geschieht bald nachdem die Zelle das Ectoderm ver- lassen hat) (Fig. 46, eg). Der sich entwickelnde Nesselfaden, befreit von dem ihn einengenden Protoplasma, streckt sich, offenbar infolge der ihm innewohnenden Elastizität, ein wenig. Wenn bis dahin noch einige Zweifel hinsichtlich der morphologischen Natur dieser Bildung auftauchen konnten, so schwinden jetzt diese Zweifel voll- kommen. Ein sehr demonstratives Bild erhält man, wenn der Faden und die Vacuole mit der in ihr eingeschlossenen Kapselanlage durch den Strom des umgebenden Wassers in irgendeiner bestimmten Richtung fortgetragen werden: zwischen den Resten des zerfallenen Gewebes hingleitend, strecken sich die Vacuole und zuweilen auch die Kapsel in der Richtung der Bewegung, indem sie ovale Form annehmen (Fig. 46, h), und ziehen den Faden hinter sich her, der sich nach Maßgabe der Fortbewegung immer mehr entwirrt und sich schließlich zuweilen in seiner ganzen Länge ausdehnt. Jetzt kann man sich klar überzeugen, daß der Faden mit dem einen Ende untrenn- bar mit der Hülle der Vacuole verbunden ist; ob er sich aber im Innern der letztern fortsetzt und ob er bis zur Kapselanlage reicht, darüber geben unmittelbare Beobachtungen an lebenden Nemato- cysten keinerlei Auskunft, da in der Vacuole außer dieser Anlage absolut nichts zu sehen ist, weshalb es den Anschein hat, als ob der Faden von der Vacuole ausgeht. Nur an mit Iwanzow’scher Flüssig- keit konservierten und mit Methylenblau gefärbten Zellen kann man unmittelbar sehen, daß das Proximalende des Fadens in der Tat sich in engstem Zusammenhange mit der Kapselanlage befindet (Fig. 46, à). : Die letztere ist ihren optischen Eigenschaften nach mit den Körnern des Fadens identisch. In lebendem Zustande kann man an ihr keinerlei Hülle unterscheiden, da die Grenzschicht derselben in optischer Hinsicht sich in nichts von ihrer ganzen übrigen Masse unterscheidet. Aber in konservierten und gefärbten Zellen wird diese Schicht in Gestalt einer dunklen, sehr dünnen Hülle abge- schieden, die gleichmäßig den ganzen Kapselkeim umkleidet (Fig. 46, 2). Und das ist ohne Zweifel in der Tat eine Hülle, die in der fertigen Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 359 reifen Kapsel die Benennung der innern Hülle erhält. An fixierten Zellen sieht man, daß sie unmittelbar in die Wand des Fadens über- geht (Fig. 46, 2). Somit bilden die Nesselzellen von Polypodium noch einen Beweis für die Meinung, die SCHNEIDER verteidigt und Iwanzow bestreitet, dab die Wand des Fadens die unmittelbare Fortsetzung der innern Kapselhülle ist. Der Inhalt der eben beschriebenen Hülle stellt eine homogene, stark lichtbrechende Substanz dar, in der man an lebenden Kapseln oft ein oder mehrere sehr kleine, helle, durchsichtige Bläschen sehen kann (Fig. 46, 9, h, k). Zuweilen geht von der runden Kapsel zur Hülle der Vacuole ein Fortsatz dieser Substanz (Fig. 46, f), und einmal sah ich sogar, daß die Körner aus dem Faden mit Beibe- haltung ihrer Gestalt eins nach dem andern die Strecke zwischen der Hülle der Vacuole und der Kapselanlage zurücklegten (Fig. 46, x) und in die letztere eintretend, mit ihrem Inhalt in eins zusammen- flossen, ohne im geringsten dessen Einförmigkeit zu stören und ohne sein homogenes Aussehen zu verändern. Diese Tatsachen dienen meiner Ansicht nach als weitere Bestätigung davon, daß der Faden bis zur Kapsel selbst reicht und mit ihr eine gemeinsame kontinuier- liche Wand besitzt. In den Zellen mit extracapsulärem Faden kann man nicht selten zwei oder mehrere Kapselanlagen sehen, wobei entweder jede von ihnen in eine eigene, von der andern getrennte Vacuole eingeschlossen ist (Fig. 46, 7), oder aber mehrere von einer gemeinsamen Vacuole umschlossen werden (Fig. 46, m). Wir sahen schon, daß ähnliche Bilder ihre Entstehung der auf den frühesten Entwicklungsstadien der Kapseln vorhandenen Fähig- keit zur Vermehrung durch Teilung verdanken. Solche Kapselanlagen verwandeln sich, sich selbständig entwickelnd, später in vollkommen reife Kapseln. Auf diesem Wege wurden auch jene Nesselzellen gebildet, die mehrere Kapseln besitzen und von denen oben die Rede war. Die extracapsuläre Anlage des Fadens wurde zuerst von JICKELI (1882) bei Hydra beschrieben. Aber auch jetzt ist die Frage, ob der Faden auber- oder innerhalb der Kapsel angelegt wird, noch strittig und trennt die Forscher in zwei Lager. Als Verteidiger der ersten Ansicht erscheinen außer JICKELI noch NUSSBAUM, MURBACH, IWANZOW und andere, während Môgrus, Bepor und Cuun der zweiten Meinung sind. SCHNEIDER schloß sich in seinen frühern Arbeiten der zweiten Gruppe der Forscher an, ging aber später auf die Seite der Ver- 360 A. Lirin, teidiger der extracapsulären Anlage des Fadens über. Nach ein- stimmigem Zeugnis der letztern gelangt der Faden in die Kapsel nur auf sekundäre Weise, nämlich durch Einstülpung. Doch be- stehen hinsichtlich der Art, wie dieser Prozeß vor sich geht, Meinungs- verschiedenheiten. So geht nach Iwanzow (1896) die Einstülpung gleichzeitig und parallel mit dem Wachstum des Fadens vor sich, während andere Autoren behaupten, daß die Einstülpung des Fadens erst dann beginnt, wenn er vollkommen ausgebildet und sein Wachstum ganz beendet ist. Alle aber stimmen darin überein, daß die Einstülpung vom distalen Ende des Fadens aus beginnt. Jetzt erscheint es vollkommen festgestellt, dab als nächste und unmittelbare Ursache der Einstülpung der in der Kapsel entstehende negative Druck wirkt, nur besteht eine Meinungsverschiedenheit der Forscher bezüglich der Frage, was den negativen Druck selbst in der Kapsel verursachen könnte. Nach MurBacx (1894) ist die Kapselanlage rings von einer hellen Zone umschlossen, die mit einem Secret gefüllt ist. Diese Zone erscheint deshalb hell, weil sie den verdünnten Teil des Protoplasmas darstellt. Das sie umgebende Protoplasma verhält sich ihr gegenüber hygroskopisch, indem es aus ihr Flüssigkeit aufsaugt. Dieser Verlust wird seinerseits durch Aus- ziehen von Flüssigkeit aus der Kapselanlage ergänzt, weshalb in letzterer der negative Druck entsteht. Dabei wird bei fortgesetzter hygroskopischer Einwirkung des Protoplasmas die helle Zone ver- dichtet; sie wird fester und verwandelt sich so in die feste äußere Hülle der Kapsel. Für die aufsaugende Wirkung, die von dem negativen Druck im Innern der Kapsel ausgeübt wird, bleibt ein nachgiebiges Objekt übrig, der Faden, der infolgedessen beginnt, sich vom distalen Ende aus einzustülpen. Iwanzow erhebt gegen einen Punkt dieser Hypothese einen Einwand: „Wenn am Ende des langen Fadens die Einstülpung auch unter dem Einflusse des nega- tiven Druckes im Innern der Kapsel begonnen hat, so wird, je weiter sie fortschreitet, die Reibung desto stärker, und sehr bald würde das Zusammenfallen der dünnen Wände des hohlen Fadens einen geringeren Widerstand bilden als die Fortsetzung der Einstülpung.“ Wenn man in Betracht zieht, daß Mursacn in der zitierten Arbeit mit den übrigen Autoren den Inhalt der Kapsel und des Fadens für eine wässrige Flüssigkeit hält, so muß man sich mit dem besagten Einwand einverstanden erklären. Iwanzow schlägt seinerseits eine eigne Erklärung vor. Wie oben erwähnt wurde, nimmt dieser Autor an, dab die Einstülpung Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 361 schon in den frühesten Entwicklungsstadien des Fadens beginnt: „... die Einstülpung des Fadens beginnt dann“, — sagt er — „wenn die Kapsel noch klein ist und der Faden kurz“. Da beim Wachs- tum der Kapsel und des Fadens ihr Umfang wächst, so entsteht in ihrem Innern ein negativer Druck, der das distale Fadenende zwingt sich ins Innere hineinzuziehen. So soll der Beginn der Einstülpung entstehen. Man muß in Betracht ziehen, daß Iwanzow zuerst be- kannt machte, daß das Secret, welches das Innere der Nesselkapsel füllt, keine wässrige Flüssigkeit darstellt, wie die frühern Forscher lehrten, sondern eine gelatinöse Masse, die quellungsfähig ist und sehr gierig Wasser anzieht. SCHNEIDER (1900) kehrt bei der Erklärung der Einstülpung des Fadens, den er „Schlauch“ nennt, zu der Mursacn’schen Anschau- ung zurück, indem er sie etwas modifiziert. MurBacn nimmt, wie wir gesehen haben, an, daß die Einstülpung des Fadens erst dann beginnt, wenn die äußere Hülle der Kapsel ihre Entwicklung voll- kommen beendet und einen vollkommenen Dichtigkeitsgrad erreicht hat. Scanerner bestreitet diese Behauptung. Nach seiner Meinung bleibt die äußere Hülle („Sclera“ nach des Autors Terminologie) „nach der Einstülpung noch flüssig, wenn auch dichter, als vorher“. In Übereinstimmung mit Mursacn und gegen Iwanzow spricht SCHNEIDER die Überzeugung aus, daß die Einstülpung der Nessel- röhre nach der beendeten Reifung der letztern außerhalb der Kapsel beginnt, und daß: „nach Abschluß der Schlauchbildung — ja viel- leicht auch schon früher, kein Wachstum der Cnidariums !) mehr stattfindet“. Den Einstülpungsprozeß stellt er sich folgendermaßen vor: „Die von Seiten des Protoplasmas auf die sich entwickelnde Cnide ?) ausgeübte hygroskopische Wirkung bedingt eine fortdauernde Entziehung der wasserhaltigen Skleraanlage aus dem Cnidarium. Infolgedessen entsteht im Kapselinnern ein negativer Druck, welcher durch entsprechend überschüssige Vermehrung des Schlauchinhaltes, der in die Kapsel eintritt, aufgewogen wird.“ Dieser Inhalt stellt nach SCHNEIDER ein körniges Secret dar, das die Form eines Stranges besitzt — Secretstrang —, der an einem Ende mit dem distalen Ende des Rohres verwächst. Die Oberfläche des Stranges wird von der Propria durch eine helle wässrige Schicht 1) Die innere Kapselhülle nennt SCHNEIDER ,,Propria* und die Propria mit dem in ihr eingeschlossenen Secret ,Cnidarium“. 2) Cnide — die Kapsel mit dem Faden und Secret. A. L. 362 A. Lıpin. — die Scleraanlage — getrennt. „Nach Schluss der Schlauchbildung bedingt bei andauernder hygroskopischer Wirkung des Plasmas der negative Druck in der Kapsel die völlige Einsaugung des Schlauch- inhaltes, wobei der Secretstrang die mit ihm in Verbindung stehende, sich einstülpende und contrahirende Schlauchwand (Innenrohr) nach sich zieht. Die aus dem Schlauche in die Kapsel eintretende Sclera- anlage wird während der folgenden Reifung nach und nach völlig der Kapsel entzogen, bis diese allein vom festen (gelatinösen) Nessel- secret erfüllt ist.“ So hübsch diese Hypothese auch ist, so ist sie doch, wie mir scheint, nicht ganz einwandsfrei. In der Tat geht die Einstülpung nach dieser Hypothese folgendermaßen vor sich: „Am sich bildenden Schlauche steht der Secretstrang am distalen Ende direct mit der Propria im Zusammenhang. ... Wird nun der Secretstrang fort- schreitend in die Kapsel eingesogen, so wird er einfach die zusammen- schrumpfende Propria nach sich ziehen.... Hierbei müsste nun aber auch die Wand des Aussenrohres collabiren, wenn nicht zwischen Secretstrang (oder Innenrohr) und Aussenrohr die Scleraanlage vor- handen wäre, die bei der Einstülpung dem Secretstrange folgt. So gleitet das Innenrohr als directe Fortsetzung des Secretstranges im prall gefüllten Aussenrohre ohne alle directe Reibung an der Wand des letzteren nach der Kapsel zu, in die es gleich dem Secrete ein- it. Die Reibung zwischen dem innern und äußern Rohr wird also die ganze Zeit über durch die sie trennende Schicht der Sclera- anlage verhindert, die, wie oben gesagt, auch den Secretstrang von der Propria des Schlauches scheidet. Aber der negative Druck in der Kapsel, der den Secretstrang einsaugt, wird dadurch hervor- gerufen, daß aus der Kapsel die wässrige Scleraanlage herausgezogen wird. Eine Kompensation dieses Verlustes kann nur auf Kosten des Inhalts des Schlauches erfolgen; in letzterm befinden sich aber nur zwei Substanzen: eine dichtere, die den Secretstrang bildet, und eine wässrig-dünne, die die Scleraanlage darstellt. Welche von diesen beiden Substanzen wird nun zu allererst in die Kapsel strömen, um dort die Fortsetzung der Scleraanlage zu ersetzen? Das wird ohne Zweifel die flüssige, eine größere Beweglichkeit besitzende Substanz, d. h. die Scleraanlage, sein, um so mehr als der vom Secretstrang geleistete Widerstand durch den Widerstand des distalen Schlauch- endes verstärkt wird, mit dem der Strang untrennbar verbunden ist. Zu allererst wird also in die Kapsel die Scleraanlage hineingesogen, Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 363 und je stärker die Einsaugung, desto mehr wird sie sich aus dem Schlauche hinausbegeben — so lange, bis sie ganz hinausgetreten ist. Dann aber schwindet die Schicht, welche den Secretstrang von der Propria trennt, die letztere sinkt zusammen, legt sich an die Oberfläche des Stranges und erschwert durch Reibung an dieser Oberfläche noch mehr die Bewegung des Stranges im Innern des Rohres. Abgesehen von alledem hat aber ScunerpEr’s Hypothese kaum eine allgemeine Bedeutung für die Cnidarien überhaupt, ohne Aus- nahme, wenn auch allein schon deshalb, daß nicht bei allen Cnidarien die Existenz eines Secretstranges innerhalb des sich bildenden Fadens erwiesen ist. Man kann diese Hypothese zur Erklärung der Einstülpung des Fadens bei Polypodium nur mit einigen Abänderungen und Er- eänzungen verwerten. !) Vor der Einstülpung, vielleicht auch in ihren ersten Augen- blicken ist in den sich entwickelnden Nematocysten von Polypodium noch durchaus keine Kapselhülle bemerkbar (oder keine Sclera, nach SCHNEIDER). Die innere Hülle aber (Propria) ist zu dieser Zeit weich, elastisch und dehnbar. Das wird dadurch bewiesen, dab in Zellen, die in situ konserviert wurden, die Kapselanlagen oder Cni- darien gewöhnlich nach einer Richtung hin ausgedehnt sind (Fig. 46, 2), während sie in lebenden, isolierten Nematoblasten eine runde Form annehmen (Fig. 46, f, 4, 2, m). Wenn außerdem, wie wir schon sahen, bei der passiven Fortbewegung, die durch den Strom des um- gebenden Wassers hervorgerufen wird, ein solcher Nematoblast zwischen den Überbleibseln des zerstörten Gewebes hindurchzu- gehen hat, so verändert das in ihm eingeschlossene Cnidarium mit der dasselbe umgebenden Vacuole und dem Nematoblasten selbst in entsprechender Weise seine Form. Diese Tatsachen beweisen auch noch eine andere Behauptung, daß nämlich das in der sich ent- wickelnden Kapsel eingeschlossene und stark lichtbrechende Eigen- schaften besitzende Secret keine feste, dichte Konsistenz besitzt, sondern im äußersten Falle die Konsistenz einer dicken Flüssigkeit. Das sieht man auch noch daraus, daß die „Körner“ des Secrets beim Übergang aus dem Faden in die Kapsel vollkommen mit dem Inhalt der letztern zusammenfließen ; eine solche Erscheinung ist aber nur bei - 1) Da ich die von SCHNEIDER aufgestellte Terminologie für sehr ge- lungen halte, so werde ich mich ihrer auch fernerhin bedienen. 364 A. Lieis, flüssigen Körpern möglich. Diese Erscheinung spricht auch dafür, dab im Cnidarium und im Faden ein und dieselbe Substanz einge- schlossen ist. Somit stellt bei Polypodium das Secret des sich ent- wickelnden Nesselfadens keinen ununterbrochenen Strang dar, wie ihn SCHNEIDER für die andern Cnidarien beschreibt, sondern ist in der Länge des Fadens in einzelnen Partien verteilt, die das Aus- sehen von Körnern haben. Außerdem hat dieses Secret keine dichte Konsistenz, die SCHNEIDER dem Strang zuschreibt, sondern wenigstens die Konsistenz einer dickflüssigen Masse. Auf die Frage, mit was für einer Substanz die Zwischenräume zwischen den einzelnen Partien des Secrets im Faden angefüllt sind, kann ich nur mit Vermutungen antworten: da diese Substanz nach ihren optischen Eigenschaften sich in nichts von Wasser unterscheidet, (was natürlich kein Hindernis für einen chemischen Unterschied vom Wasser bildet), so scheint mir die Annahme zulässig, daß solches eben die „Scleraanlage“ Scunerper’s ist. Folglich ist das Secret und die Anlage der künftigen äußern Hülle der Kapsel im Faden in regelmäßig abwechselnden Partien verteilt, die voneinander scharf getrennt sind. Das zeugt davon, daß wir hier zwei chemisch ganz verschiedene Flüssigkeiten vor uns haben, die sich nicht miteinander vermischen. Man mub offenbar für Polypodium dieselbe Ursache zur Ein- stülpung des Fadens annehmen, die auch für die übrigen Cölenteraten | festgestellt ist, nämlich den negativen Druck in der sich entwickeln- den Kapsel, der infolge des Aufsaugens der wässrigen Scleraanlage aus ihr entsteht. Da aber bei Polypodium das Cnidarium nicht von Protoplasma, sondern von der Vacuole umschlossen ist, so muß man zugeben, daß diejenigen chemischen Substanzen, die bei andern Cölenteraten im Protoplasma enthalten sind und dessen hygroskopische © Einwirkung auf das Cnidarium bedingen, bei Polypodium sich in der Flüssigkeit der Vacuole selbst befinden, der man also im gegebenen Falle auch die hygroskopische Wirkung zuschreiben muß. Das Wesen des ganzen Prozesses wird hierdurch kaum geändert. Ich glaube nicht zu irren, wenn ich annehme, daß das von mir beobachtete Eintreten von „Körnern“ des Secrets aus dem Faden in das Cnidarium eben den Einstülpungsprozeß bezeichnet.!) Hier- 1) Man muß bemerken, daß es sehr selten gelingt, den eingestülpten Teil des Fadens im Innern des Cnidariums zu ae. und das auch nur mit großer Mühe. Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 365 bei muß natürlich aus dem Faden in die Kapsel zusammen mit dem Secret auch die wässrige Flüssigkeit gelangen, d. h. die Scleraanlage. Daß dies sich in der Tat so verhält, wird durch die Anwesenheit derselben kleinen, runden, hellen Bläschen im Secret des Cnidariums bewiesen, die ich oben erwähnte: aller Wahrscheinlichkeit nach sind diese Bläschen nichts anderes als Trépfchen der wässrigen Flüssigkeit, die in das Cnidarium bei der Einstülpung des Fadens geriet und aus ihm noch nicht durch die hygroskopische Wirkung der Vacuole extrahiert worden ist. Sobald der Faden seine Ent- wicklung beendet hat, beginnt seine Einstülpung. Es ist ersicht- lich, daß der ansaugenden Wirkung des Cnidariums zuerst ihr frisch- gebildetes distales Ende unterliegt, als der weichste und somit am wenigsten widerstrebende Teil. Hier hat nun scheinbar der oben angeführte Einwand Iwanzow’s gegen MurBAcH und überhaupt alle die Raum, die darauf hinausgehen, daß die Einstülpung des Fadens von seinem distalen Ende aus erst nach seiner endgültigen Aus- bildung stattfindet (anfängt). Nach Iwanzow soll der Widerstand, der durch die gegenseitige Reibung der innern und äußern Wand des sich einstülpenden Fadens entsteht, so groß sein, dab eher eine Abflachung (ein Zusammenfallen) der Nesselröhre eintritt als deren weitere Einstülpung. Nach meiner Ansicht hat man keinen Grund, diese Reibung für so groß zu halten, denn erstens ist die Wand des Fadens an sich weich genug, um sie abzuschwächen, und zweitens — und das ist vielleicht das Wichtigste — wird die innere Ober- fläche dieser Wand beständig, wenn nicht von beiden, so jedenfalls von einer der in ihr enthaltenen Flüssigkeit befeuchtet und mildert schon in bedeutendem Maße die gegenseitige Reibung der Auben- und Innenwand des Fadens. Ferner kann der nicht eingestülpte Teil der Nesselröhre schon deshalb nicht zusammenfallen, weil im Innern derselben der ganzen Länge nach gleichmäßig sozusagen Pfröpfehen aus dickflüssigem ‘Secret eingelagert sind, welche die Röhrenwände in beständiger Spannung halten und sie nicht zu- fallen lassen. Was die Geschwindigkeit anbelangt, mit der die Einstülpung vor sich geht, so nehmen fast alle Autoren, die diese Frage be- rühren, an, und zwar a priori, daß dieser Prozeß ziemlich schnell vor sich gehen muß. Man schließt dies daraus, daß man in der erdrückenden Mehrzahl der Fälle nur die äußersten Momente der Einstülpung — d. h. der Faden ist noch gar nicht im Begriff Zool. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. 24 366 | A. Lıpin, sich einzustülpen oder hat sich schon ganz eingestülpt — zur Be- obachtung bekommt; die Zwischenstadien aber, in denen der Faden sich noch nicht vollständig eingestülpt hat, werden höchst selten beobachtet. Soviel mir bekannt, bildet die einzige Ausnahme unter allen Autoren SCHNEIDER (1900), der auf Grund unmittelbarer Be- obachtungen am Einstülpungsprozeß (an dem von ihm entdeckten Plutus enideuporus) diesen für ziemlich langsam hält. Nach seiner Berechnung muß die ganze Einstülpung sich im Laufe von circa 14 Stunden vollziehen. Diese Zahl sieht der Autor selbst für zu hoch an, aber sie ist, nach seinen Worten „immerhin von Interesse als die einzige bis jetzt abgeleitete“. „An eine besonders geschwinde, vielleicht nur minutenlange Einstülpung dürfen wir schon deshalb nicht denken, weil der Prozess, den wir als Ursache der Einstülpung anzusehen haben, nicht übermässig schnell sich abspielen kann. Die Seltenheit der Bilder erklärt sich auch genügend bei einer Ein- stülpungsdauer von mehreren Stunden, während das Wachsthum vielleicht tagelang andauern dürfte.“ Ich zweifle stark daran, dab der Einstülpungsprozeb so lang- sam vor sich gehen sollte, wie SCHNEIDER angibt. Er beobachtete ihn eine Viertelstunde lang und machte seine Berechnung in der Voraussetzung, dab der ganze Prozeß die ganze Zeit über mit gleich- bleibender Schnelligkeit vor sich geht. Aber eine derartige Gleich- mäßiekeit der Einstülpung ist gar nicht erwiesen. Es ist sehr wohl möglich, sogar wahrscheinlich, daß sie im ersten Moment schneller vor sich geht und dann sich verlangsamt sowohl infolge allmählicher Ausgleichung des Druckes wie auch infolge anwachsenden Wider- standes. Da aber ScHNEIDER die Erscheinung in einem Momente beobachtete, als schon fast ?/, des Fadens eingestülpt waren und nur noch '/, sich draußen befand, d. h. da er den Prozeß in der Phase starker Verlangsamung antraf, so ist es vollkommen begreif- lich, daß die Berechnung eine zu geringe Schnelligkeitsziffer für die Einstülpung ergab. Eine viel wichtigere Rolle spielt aber im ge- gebenen Falle folgender Umstand. Wie schon gesagt, beobachtete SCHNEIDER den Prozeß im Verlaufe einer Viertelstunde. Dann mußte er die Beobachtung einstellen, weil die Zelle abgestorben war. Wenn der Tod aber kein gewaltsamer war, sondern ein natürlicher, so konnte er nicht momentan eintreten; im Gegenteil, das Absterben mußte allmählich erfolgen, und im selben Maße mußten, auch im Sinne der Schnelligkeit und der Intensität, alle positiven, schaffenden Prozesse im Protoplasma sich abschwächen. Es ist klar, dab auch Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 367 die hygroskopische Wirkung des Plasmas auf das Cnidarium und der durch diese Wirkung bedingte Einstülpungsprozeß des Fadens den deprimierenden Einfluß der Necrobiose unterliegen und sich stark verlangsamen mußten. Daher kann die von SCHNEIDER beobachtete Einstülpungsgeschwindigkeit in keinem Falle als normal angesehen werden, da infolge von Absterbeerscheinungen diese Schnelligkeit bedeutend herabgesetzt gewesen sein mußte. Meine Beobachtungen führen mich zu dem Schlusse, daß wenig- stens bei Polypodium der Einstülpungsprozeß recht schnell vor sich geht. Das ersieht man z. B. daraus, daß an dem Tentakel in der Nähe von dessen Basis Zellen zusammengehäuft sind sowohl mit noch gar nicht eingestülpten Fäden als auch mit schon eingestülpten. Ferner spricht der von mir beobachtete Einstülpungsprozeß auch dafür, dab derselbe, wenn auch nicht momentan, so doch mit be- deutender Schnelligkeit, jedenfalls viel schneller, als ScHNEIDER’s Berechnung ergibt, vor sich geht. Leider kann ich diese Geschwin- digkeit nicht genauer bestimmen, da ich keine entsprechenden Zahlen zur Verfügung habe. Die Wanderung der sich entwickelnden Nematoblasten beginnt nach SCHNEIDERS Meinung nach der Einstülpung. „Alle... über- wandernden Zellen haben etwas Gemeinsames. Stets ist das hintere Kapselende gegen die Verbrauchsstätte zu gewendet, und immer ist es ein und dasselbe Entwicklungsstadium (Wanderstadium). Der Schlauch ist eingestülpt, die Widerhaken sind gebildet, aber die Selera ist noch weich und unverfestigt.“ Ich kann bestätigen, dab die wandernden Zellen, die der ganzen Länge des Tentakels nach gelagert sind, sich auf ein und demselben Entwicklungsstadium befinden und sich scheinbar nicht voneinander unterscheiden. Hinsichtlich der Zellen aber, die am Anfange des Tentakels sich befinden, hat man, wie wir gleich sehen werden, (rund anzunehmen, daß sie in dieser Hinsicht eine Ausnahme bilden. Ein von mir beobachteter Fall veranlaßt mich zu bezweifeln, dab bei Polypodium die Wanderung der Zellen erst nach der Einstülpung des Fadens beginne, wie dieses nach SCHNEIDER bei den Sipho- nophoren statthat. Ich hatte Gelegenheit zu beobachten, daß eine in lebendem Zustande isolierte Zelle, deren Faden noch nicht eingestülpt war, ihre Gestalt amöbenartig veränderte, wobei sie an einem Platze blieb (Fig. 46 n): wie bei einer Amöbe erschien bei ihr an irgendeinem Körperteil allmählich ein stumpfes, sehr kurzes Pseudopodium und verschwand wieder nach und nach, während 24% 368 A. Lrrix, zur selben Zeit an einem andern Teil genau ebenso sich ein zweites Pseudopodium zeigte usw. Es ist wohl möglich, daß, wenn eine solche Zelle sich an ihrem Orte befunden hätte und in normalen Verhältnissen, sie dank ihren amöboiden Bewegungen sich im Ten- takel fortbewegt hätte. Somit ist es möglich, daß die Wanderung der Nesselzellen bei Polypodium zu der Zeit beginnt, wo der Faden noch nicht eingestülpt ist, folglich die Einstülpung schon während der Wanderung (vielleicht während ihrer ersten Stadien) stattfindet. Nach der Einstülpung aber, wie schon gesagt, sind die wandernden Zellen in ihrem Aussehen vollkommen gleich. Die Frage nach der Reifung der Sclera in den Nesselzellen von Polypodium bleibt für mich unaufgeklärt. Oft kann man an der Basis des Tentakels auf einer Querebene ziemlich verschiedene Stadien der Entwicklung der äußern Kapselhülle antreffen. Z. B. unter einer Menge von Zellen mit noch nicht eingestülpten Fäden sah ich eine, bei der nicht nur der Faden eingestülpt war, sondern auch schon eine doppelt konturierte Hülle sich gebildet hatte (Fig. 46 p). Außer diesen äußersten Momenten in der Reifung der Sclera findet man an ein und derselben Stelle des Tentakels gar nicht selten auch Zwischenstadien der Entwicklung. Nach Maßgabe der Einstiilpung des Fadens in das Innere des Cnidariums nimmt dieses eine rundere (sestalt an. und sobald die Einstülpung beendet ist, wird es voll- kommen rund. Zu dieser Zeit ist jedoch die Sclera noch nicht an der Oberfläche der Propria angelegt, da ihre Kondensation erst nach der Beendigung des Einstülpungsprozesses beginnt. Die innere Hülle hat aber hierbei ungleiche, gewundene Konturen (Fig. 46 r), die dadurch bedingt werden, dab die ausgedehnte und gespannte Propria allen Erhöhungen und Vertiefungen folgt, die durch die Windungen des Fadens gebildet werden, der unordentlich im Innern der Kapsel zusammengelegt ist. Dann beginnt sich allmählich die Sclera anzulegen. Die Umrisse der sich entwickelnden Kapsel gleichen sich aus und werden ganz glatt. Allmählich werden sie schärfer und schärfer, doch bewahrt die Kapselhülle hierbei das Aussehen mit einer Kontur (Fig. 46 s). Endlich wird auch die zweite Kontur scharf sichtbar, und die Kapsel erhält ihre endgültige Form. Sobald die Nesselzelle den Ort ihrer Verwendung erreicht hat, befestigt sie sich mit einer Partie ihres Körpers an der Stützlamelle, und der Teil von ihr, der die Vacuole mit der Kapsel umschließt, wird an die Eetodermoberfläche vorgeschoben, indem hierbei der befestigte Teil des Zellkörpers sich zu einem Stiel auszieht. Damit Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 369 ist der Prozeß der Entwicklung der Nesselzelle mit einer großen Kapsel beendet. Wie wir aber weiter sehen werden, bedeutet dies noch nicht, daß die Kapsel ganz fertig zur Entladung ist. Zu diesem Zwecke müssen in ihr noch einige Prozesse stattfinden, die bei der Behandlung der Entladungsursachen besprochen werden sollen. Die Frage über die Entladung der Nesselkapseln bei den Cül- enteraten rief unter den Forschern das lebhafteste Interesse schon von dem Augenblicke an hervor, als man zuerst die Funktion dieser Organe verstanden hatte, die zuweilen in ihrem Bau wirklich einen wunderbaren Grad von Vollkommenheit erreichen. Die Geschichte der Versuche, so oder anders diesen Prozeß zu erklären, läßt zwei Richtungen erkennen, zwischen denen Iwanzow’s Arbeit eine scharfe Scheidelinie bildete (1896). Die Vertreter der ersten Richtung wollen den Prozeß der Entladung durch Kontraktion entweder der Plasma- hülle, die von allen Seiten die Kapsel umschließt, oder aber des Stieles oder schließlich beider zusammen erklären. Die einen Autoren halten diese Kontraktion für die einzige Ursache der Entladung, die andern sprechen ihr nur eine Nebenrolle zu hinsichtlich des Hauptfaktors — der innern Spannung der Kapsel. Wie dem auch sein mag, so wird nach dieser Anschauung für die mechanische Ur- sache der Entladung der Druck gehalten, der auf die Kapsel durch die Kontraktion des Plasmamantels und des Fußes entsteht. Um aber dieser Annahme eine größere Wahrscheinlichkeit zu verleihen, muß man die Muskulatur der eben genannten Bildungen nachweisen. Und in der Tat halten viele Autoren nicht nur a priori diese Bil- dungen morphologisch und physiologisch für identisch mit dem Muskelgewebe, sondern sind auch bestrebt, dies durch Tatsachen zu be- legen. Eine kurze kritische Übersicht ihrer Meinungen wird uns zeigen, wie weit diese Versuche von Erfolg gekrönt waren. Cramicran (1879) schreibt in einer Arbeit über Tubularia mesem- bryanthemum: ,,Cuaus hat an den Nesselkapseln von Charybdea marsu- pialis anstatt eines, drei solcher Fortsäze beschrieben und spricht dabei die Vermuthung aus, dass dieselben muskulöser Natur sein könnten. Diese Auffassung erscheint nach dem Vorliegenden äusserst wahrscheinlich, da unsere fadenförmigen Ausläufer im selben Ver- hältnisse zu den ectodermalen Cnidoblasten stehen, wie die Muskel- fasern zu ihren ectodermalen Bildungszellen.“ 370 A. Lirty, Wie aus diesem Zitat zu ersehen, erscheinen weder CLaus noch CramicrAN als eifrige Verteidiger der Muskelnatur der Stiele, sondern sprechen sich nur vermutungsweise in diesem Sinne aus. Hierbei beruft sich der letztere Autor zur Begründung dieser Voraussetzung auf die Analogie der fadenförmigen Fortsätze der Nesselzellen mit den Muskelfasern der Ectodermzellen, aber Analogien sind bei weitem nicht immer ein Beweis. Die von Cuun (1881) gemachte Entdeckung, daß die Stiele der kleinen Nesselzellen bei Physalia eine deutliche Querstreifung be- sitzen, wurde ihrer Zeit als starkes Argument für den Muskel- charakter der Stiele der Nesselzellen hingestellt. Aber MurBacx (1894) wies nach, daß diese Querstreifung nichts anderes ist als eine sehr dünne Spirale, die in enggeschlossenen Kreisen den Stil der Nessel- zelle umwindet. Das Vorhandensein von Spiralen an den Stielen wurde ebenso von SCHNEIDER (1894) bei Velella festgestellt, wobei er sich jedoch nicht entschließen konnte, ihnen einen Muskelcharakter zuzusprechen. MurBACH (1895), der ungeachtet dessen, dab er selbst das Versehen in den Beobachtungen Cuun’s klarstellte, dennoch fort- fährt die Stiele für Muskelbildungen zu halten, bemerkt: „Recently SCHNEIDER confirmed the presence of spiral structures in Velella, but he denies their contractile nature, without giving substantial reasons. Since spiral muscles are now found in Cephalopods, I hold to my interpretation.“ Mir scheint, daß der Vorwurf ungenügender Begründung eher gegen Murpacu selbst gerichtet werden kann, da die Berufung auf die Cephalopoden gar nichts beweist. Hier ist wiederum das Sprich- wort gültig „comparaison n’est pas raison“, und wenn bei den Jephalopoden das Vorhandensein von spiraligen Muskeln erwiesen ist, so folgt daraus noch gar nicht, daß die spiraligen Stiele bei den Siphonophoren durchaus Muskelbildungen vorstellen müssen. Als einer der entschiedenen Verfechter der Muskelnatur des Stieles und der Plasmahülle um die Nesselkapsel erscheint JicKEL1 (1882). An den Nesselzellen von Hydra fand er nach seiner Meinung zweifellose Muskelfortsätze. Aber vergeblich suchen wir bei JICKELI tatsächliche Beweise für die Muskelnatur dieser Fortsätze, da man eine Aufzählung der Autoren, die eine Muskelbildung in den Nessel- zellen verschiedener Cnidarien beschrieben, nicht für einen solchen Beweis ansehen kann, und deren Ansichten in dieser Hinsicht Jıckeuı ohne jede Kritik beipflichtet. Nach v. LENDENFELD (1883, 1897) wird die Entladung der Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 371 Kapsel durch die Kontraktion des sie umgebenden Plasmamantels, aber nicht die des Stieles bedingt — also vertritt dieser Autor die Muskelnatur des Plasmamantels. Aber auch bei ihm finden wir keine tatsächliche Begründung dieser Behauptung, die ohne Beweise als selbstverständlich angenommen wird, wenn man nicht den Hin- weis auf die Beobachtungen CHun's an Physalia hierfür ansehen will, deren Irrtümlichkeit, wie wir sahen, schon MurBACH aufdeckte. Derselben Meinung wie LENDENFELD ist auch NussBaum (1887); er meint, daß die gemeinsame Einwirkung der Spannung der Kapsel und der Kontraktion des umgebenden Plasmamantels vollkommen genügen, um eine Entladung der Kapsel hervorzurufen. GRENACHER (1895) ist gezwungen zuzugeben, daß die Kontraktion des Stieles als Anstoß zur Entladung der Kapsel dienen kann. Aber für die Hauptursache der Entladung hält er demnach die innere Spannung der Kapsel, ohne welche seiner Meinung nach die Kontraktion der _ Muskelelemente der Nesselzelle die Entladung nicht bedingen kann. Somit zwingt nur der Wunsch, die Ursache der Entladung der Kapsel klarzustellen, diesen Autor, die Muskelnatur der Nesselzelle anzuerkennen. Die angeführten Ansichten der verschiedenen Autoren beweisen, daß alle diese Autoren genau genommen den Muskelcharakter der ganzen Nesselzelle oder ihrer Teile als vollkommen verständliche und keines Beweises bedürftige Wahrheit anerkennen. Das erklärt sich aus dem Bestreben, unter allen Umständen die verborgenen Ursachen des Entladungsprozesses aufzufinden. Die einen Autoren nehmen an, daß dieser Prozeß durch die Kontraktion der Kapsel bedingt wird. Letzteres ist aber ohne äußern Druck auf diese nicht denk- bar. Ein Druck kann aber seinerseits nur auf Rechnung der Kon- traktion des Plasmamantels stattfinden; ergo muß dieser Mantel ein Muskelmantel sein. Andere Autoren schrieben einen Anteil an der Entladung der eigenen Spannung der Kapselwand zu, wobei es nur eines schwachen Anstoßes bedarf, um das Gleichgewicht zu stören und eine Entladung hervorzurufen. Dieser Anstoß wird durch eine Kontraktion des Stieles gegeben, der also eine muskulöse Bildung vorstellen muß. So entsteht eine petitio principii: die Entladung wird durch den Muskelcharakter der Nesselzellen, und die Muskel- natur der Zellen durch die Notwendigkeit ihrer Anerkennung für die Erklärung des Entladungsprozesses bewiesen, da andere rationelle Grundlagen für eine derartige Annahme absolut fehlen. Nicht alle Autoren verfielen aber in diesen tautologischen Fehler. 372 A. Lin, So erhob schon Hamann (1882) gegen die Muskelnatur der Nessel- zellen Einspruch; er sagt: „Die Fortsätze [der Nesselzellen. A. L.] dienen der in die Höhe gerückten Zeile als Stützfasern und haben nichts mit Nerven oder Muskel zu tun.“ DELAGE (1901) leugnet ebenfalls, wenn auch vorsichtig, den Muskelcharakter der Cnidoblasten. Zu dieser Meinung neigt auch Iwanzow (1896). Ich erwähnte bisher absichtlich einen der bedeutendsten Cülenteratenforscher der Gegenwart, nämlich SCHNEIDER, noch nicht, um dessen Ansicht besonders zu besprechen. In den Anschauungen dieses Autors ging, was die behandelte Frage angeht, mit der Zeit eine Evolution vor sich. Erst erschien er als entschiedener Ver- teidiger der Muskelnatur der Nesselzellen (bei Aydra, 1890) und zwar wieder infolge des Umstandes, daß ohne diese Annahme der Entladungsprozeß unerklärbar schien. Außerdem führt er als Be- weis für seine Ansicht die Ähnlichkeit der in Rede stehenden Nesselzellen im optischen Verhalten ihrer Struktur mit der Muskel- substanz an. Diesen Beweis benutzten auch andere Autoren, doch ist er kaum haltbar, da er auf rein äußerliche Analogie gestützt ist. Auf Grund einer solchen Übereinstimmung der Stiele mit der Stützlamelle schreibt, wie wir sahen, Hamann ihnen eine ausschlief- lich stützende Funktion zu. Als SCHNEIDER (1892) in den Nesselzellen von Forskalia contorta „nicht die Spur von muskulösen Gebilden“ fand, so setzte er voraus, daß die äußere Wand der Kapsel selbst (die Sclera, nach seiner spätern Terminologie) muskulös erscheint und Kontraktionsfähigkeit besitzt. Er bemüht sich aber noch seine frühere Stellung zu ver- teidigen: „Hamann, sagt er, kann... im Recht sein, wenn er diesen beiden Nesselzellarten die muskulöse Natur auf Grund ihres Zu- sammenhangs mit der Lamelle abspricht; die Allgemeingiltigkeit dieser Ansicht widerlegen jedoch vor allem Cuun’s Befunde an Physalia.“ Wir sahen schon, daß diese , Widerlegung“ nichts wider- legt. In seiner nächsten Arbeit (1894) ist SCHNEIDER bei der Ent- scheidung dieser Frage schon ganz unschlüssig: „Ob der Stiel musculös ist und ebenso eine stets vorhandene, dünne, glänzende, der Kapsel dicht angeschmiegte Hülle... das kann ich vor der Hand nicht entscheiden.“ Im Jahre 1899 schreibt er: „Auch die musculöse Natur der kurzen Stiele [bei Rosacea. A. L.|, welche die Endfadenkapseln an die zwei elastischen Fasern befestigen, und derjenigen, durch welche die Gruppe birnförmiger Kapseln vorn am Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 373 Knopf an die Verbindungsstelle von Angelband und Gitter sich an- heftet, muß ich entschieden bestreiten und alle diese Stielbildungen für einfache Verbindungsfasern erklären, die einen innigen Zusammen- hang aller Knopfgeschosse bewirken und elastischer Natur sind.“ Endlich in der nächsten Arbeit (1900) verkündet er geradezu, dab er den Stielen der Nesselzellen keine andere Funktion zusprechen kann als eine bloß stützende. Diese Äußerung steht offenbar im Zusammenhang damit, daß SCHNEIDER in dieser Arbeit schon als Anhänger von Iwanzow’s Theorie erscheint (der Entladungs- theorie, mit einigen Abänderungen), welche jede Muskelstruktur in den Nesselzellen überflüssig macht. So führt die bloße Zusammenstellung der Anschauungen ver- schiedener Autoren über die Muskelnatur der Nesselzellen bei den Snidarien zu dem Schlusse, daß diese Frage in negativem Sinne entschieden werden muß, da das Vorhandensein von Muskelstrukturen in den Cnidoblasten weder anatomisch nech physiologisch als be- wiesen gelten kann, da niemand jemals den Kontraktionsprozeß der Nesselzellen bei deren Entladung gesehen hat. Polypodium liefert eine entschiedene Bestätigung dieser Schlub- folgerung: das Protoplasma seiner Nesselzellen ist, wie wir sahen, überhaupt so wenig differenziert, daß die Stiele der Cnidoblasten sogar keine beständigen Gebilde darstellen, sondern nur als ein Teil des Protoplasmas erscheinen, der unter äußern Einflüssen rein mechanischer Natur sich ausstreckte Nach Aufhebung dieser Ein- flüsse werden sie wieder eingezogen, und die Nesselzelle nimmt unter solchen Umständen eine runde Gestalt an. Die Theorie der Entladung, die sich auf die Anerkennung von kontraktiler Muskelstruktur im Protoplasma der Nesselzellen stützt, kann man Kontraktionstheorie nennen. Diese Theorie unterzog Iwanzow (1896) einer gerechtfertigten Kritik, deren Hauptpunkte in Folgendem bestehen. Die Kontraktionstheorie nimmt an, daß die unentladene Kapsel mit wässriger Flüssiekeit gefüllt ist, die bei einer Kontraktion der Wände der Kapsel den Nesselfaden aus ihr herausdrückt, in den sie sich nach Maßgabe der Ausstülpung ergieBt. Es ist klar, dab die Quantität der Flüssigkeit, wie in der unentladenen Kapsel, so auch in der entladenen mit dem Faden ein und dieselbe sein mub. Damit diese Flüssigkeit zur Füllung der Kapsel und des Fadens ausreicht, muß die erstere an Umfang abnehmen. Die Messungen aber bewiesen Iwanzow, dab in einigen Fällen die Kapsel sich nicht 374 A. Lipty, nur nicht verkleinert, sondern im Gegenteil größer wird. Sogar in den Fällen, wo eine Umfangabnahme stattfindet, ist der Unterschied zwischen dem Umfange der unentladenen und entladenen Kapsel durchaus nicht so groß, um den ganzen Faden zu füllen. Die großen Kapseln von Polypodium bestätigen vollkommen diese 3 Kalkulation. In der Tat ist der Umfang der Kapsel — = , wobei D den Durchmesser der Kapsel bedeutet; der Umfang des Fadens (Rauminhalt des Fadens) ao wobei d der Durchmesser des Fadens, 1 dessen Liinge ist; also das Verhiltnis dieser Rauminhalte By ¢ 3 ‘ a. = eo daD 0,016 mm, d = 0.0025-mm und] (im Durchschnitt) — 1,2 mm ist, erhalten wir bei Einstellung dieser 6 a 3 Werte in die Formel OMIS = 7 d.h. der Rauminhalt der Kapsel ist fast 3mal so klein wie die des Fadens. Diese Berech- nung ist mit Fehlern gemacht, die den Rauminhalt der Kapsel ver- gréfern und daher für die Kontraktionstheorie günstig sind: erstens wurde statt des innern Durchmessers der Kapsel der äußere ge- nommen, und zweitens wurde angenommen, dab das ganze Innere der Kapsel nur mit der Flüssigkeit gefüllt sei, während in Wirklich- keit ein bedeutender Teil derselben vom Faden selbst eingenommen wird und nur der übrige Teil auf die Flüssigkeit kommt. Sogar wenn man diese Fehler nicht in Betracht zieht und dabei zuläßt, dab bei der Entladung die ganze Flüssigkeit aus der Kapsel in den Faden überströmt (was in Wirklichkeit nicht geschieht, da nach der Entladung die Flüssigkeit gleichmäßig in der Kapsel und im Faden verteilt ist), so füllt auch in diesem Falle die Flüssigkeit aus der Kapsel kaum !/, des Fadens aus. Da aber der Faden nur infolge des Druckes dieser Flüssigkeit ausgestülpt wird, so würde die Ausstülpung niemals eine vollkommene sein. Ähnliche Rechnungen und Schlüsse veranlaßten Iwanzow, die Entladungsursache in andern Faktoren zu suchen. Es ist klar, dab, wenn nach der Entladung das Volumen der Kapsel + Volumen des Fadens viel größer ist als der Umfang der unentladenen Kapsel, und wenn nach der Entladung das Secret fortfährt, die Kapsel und den Faden zu füllen, seine Masse sich bedeutend vermehrt haben muß und diese Zunahme nur auf Kosten des umgebenden Wassers geschehen kann. Um den Eintritt von Wasser ins Innere der Sy = Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 375 Kapsel und des Fadens zu erklären, nahm Iwanzow an, dab das Secret eine gelatinöse Masse darstellt, die äußerst gierig Wasser anzieht und somit zu starkem Aufquellen fähig ist. Diese Annahme erscheint als Grundlage der Theorie Iwanzow’s, die daher mit vollem Recht als Quellungstheorie bezeichnet werden kann. Iwanzow setzt voraus, dab die Kapselhülle für Wasser absolut undurchdringlich ist, während die Wand des Fadens eine starke Wasserdurchlässigkeit besitzt. So wie nun der erste Anstoß zur Entladung gegeben und die Basis des Fadens kaum aus der Kapsel getreten ist (die Ausstülpung des Fadens erfolet von dessen proxi- malem Ende aus), so beginnt sofort die hygroskopische Wirkung des Secrets, das Wasser durch die Fadenwand einzieht, und die weitere. Ausstiilpung des Fadens ist gesichert. I[wanzow bleibt un- entschieden vor der Frage stehen, wodurch der allererste Moment der Ausstülpung des Fadens aus der Kapsel bedingt wird, und neigt schließlich sich Mögıus’ Ansicht zu, daß der erste Anstoß durch den Druck des umgebenden Gewebes gegeben wird. Dieses bildet aber den schwachen Punkt der Theorie. SCHNEIDER, der [wanzow’s Theorie akzeptiert, mit Ausnahme eben dieses Punktes, erklärt den Anfangsmoment der Entladung viel wahrscheinlicher. Nach seiner Meinung wird dieser Moment durch eine Reizung des Cnidocils be- dingt, das durch einen besondern Mechanismus mit einem Deckelchen verbunden ist, welches die Öffnung am distalen Ende der Kapsel schließt. Bei einer Reizung des Cnidocils wird der Deckel abgeworfen ; dadurch erhält das Wasser Zutritt zur Kapsel, es folgt eine schnelle Aufquellung der gelatinösen Masse, und der Faden wird hinaus- geschleudert. Daß das Secret der großen Kapseln von Polypodium eine stark hygroskopische Masse darstellt, dank deren Aufquellung der Ent- ladungsprozeß vor sich geht, wird durch folgende Beobachtungen bewiesen. Die entladenen Kapseln färben sich ziemlich schnell und intensiv mit Methylenblau. Hierbei färbt sich der Inhalt der Kapsel und des Fadens entweder durchweg oder in unordentlich verteilten Partien, die das Aussehen von Klümpchen verschiedener Größe haben (Fig. 47). Im Innern der Kapsel haben diese Partien eine runde, tropfenförmige Gestalt. Setzt man unter dem Deckglase den im Wasser befindlichen, frisch entladenen Kapseln 95° Alkohol zu, so kann man auch den gleichmäßig gefärbten Inhalt in ähnliche Partien zerteilen. Ersetzt man den Alkohol wieder durch Wasser, so vergrößern sich allmählich die gefärbten Partien in ihrem Umfange 376 A. Lıeis, und fließen dann wieder in eine gleichmäßig blaue Masse zusammen, welche das Innere der Kapsel und des Fadens vollkommen ausfüllt. Offenbar besitzt der Alkohol stärkere hygroskopische Eigenschaften und zieht so aus dem gefärbten Secret das Wasser aus, wodurch die Masse des Secrets vermindert wird und in getrennte Partikel zerfällt, die durch Partien verdünnten Alkohols getrennt sind. Bei Ersatz des Alkohols durch Wasser aber quellen die gefärbten Par- tien auf und fließen wieder in eine allgemeine Masse zusammen. Einige Autoren bestreiten [wanzow gegenüber die Undurch- dringlichkeit der Kapselwand. So ist nach v. LenDENFELD’s Meinung (1897) diese Wand so dünn, daß sie kaum dem Wasserstrom ins Innere der Kapsel Widerstand leisten kann, wo sich eine Substanz befindet, die so starke hygroskopische Eigenschaften besitzt. „Und in der Tat — schreibt dieser Autor — beweist die Tingierbarkeit des Inhaltes intakter Kapseln jene Wasserdurchlässigkeit der Kapsel- wand.“ Dasselbe sagt auch DELAGE (1901). Mir scheint dieser Einwand gerechtfertigt, wenigstens für einige Fälle. So sind die Hüllen der großen Kapseln bei Polypodium für Wasser bis zu einem gewissen Grade durchdringlich. Das wird dadurch bewiesen, daß der Inhalt von reifen, noch nicht entladenen Kapseln, die sich nur kurze Zeit in der Färbungsflüssigkeit (Methylen- blau) befanden, gar nicht gefärbt ist; wenn sie jedoch länger in der Farbe bleiben, so färbt sich ihr Inhalt schwach. Folglich läßt die Kapselwand, wenn auch nur in schwachem Maße, doch Wasser durch. Wenn man aber auch annimmt, dab dieser Einwand für alle Cnidarien gerechtfertigt ist, so gibt das noch keinen Grund, um Iwanzow’s Theorie als Ganzes zurückzuweisen, wie das v. LENDEN- FELD tut, der sie für „ganz unhaltbar“ erklärt. Übrigens nimmt v. LENDENFELD ungeachtet dieser kategorischen Erklärung, die in verschiedenen Ausdrücken an mehreren Stellen wiederholt wird, genau genommen die Grundlage dieser Theorie, nämlich die hohe hygro- skopische Fähigkeit des Secrets, dennoch selbst an. Das ist aus folgendem Zitat (1897) ersichtlich: „Diese Theorie kann jedoch der Kritik nicht Stand halten. Es erscheint vielmehr am wahrschein- lichsten, dass die in der Kapsel vorhandene hygroskopische Substanz, durch die Kapselwand Wasser osmotisch aufsaugend nur den, von den meisten Autoren angenommenen Turgor, die Kapselspannung verursacht. Die physikalischen Eigenschaften solcher Substanzen, wie die gallertige Kapselfüllmasse machen ihr Entweichen durch Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 377 die Kapselwände beim Aufquellen unmöglich und es wird daher der Druck innerhalb der Kapsel so lange zunehmen, bis er der hygro- skopisch-osmotischen, Wasser-hereinsaugenden Wirkung der intra- kapsulären Substanz die Wage hält. Explodiert dann die Kapsel, so wird — durch Ausstossung (Spirocysten), beziehungsweise durch Um- und Ausstülpung (Nematocysten) des Fadens — plötzlich Raum geschaffen, der Druck nimmt ab und die Endosmose füllt nun, allein wirkend, den ganzen frei werdenden Raum rasch mit Wasser an. Es ist also die hygroskopische Natur der Kapselfüllmasse die Ur- sache der Kapselspannung und somit auch zum großen Teile die Quelle der Kraft, durch welche beim Schusse der Faden hervor- geschnellt wird; sie bewirkt aber keineswegs die Explosion in der von Iwanzorr angegebenen Weise, und es dringt das Wasser auch nicht, wie dieser Autor meint, durch die Fadenwand allein, sondern ebenso durch die Kapselwand ins Innere ein. Man wird daher immer noch irgend ein andres Agens als mechanische Schussursache ansehen müssen; und dieses Agens erscheint heute, da die Annahme einer muskulösen Natur des Stiels und des Mantels mehr als frag- lich geworden ist, zweifelhafter denn je.“ Ich führte absichtlich dieses lange Zitat an, um eine unbeab- sichtigte Entstellung von v. LENDENFELD’s Anschauungen zu ver- meiden. Soviel ich verstehe, geht nach des Autors Meinung die Sache folgendermaßen vor sich. Das Wasser wird so lange durch die Wand in die Kapsel hineingesogen, bis der in der Kapsel an- wachsende Druck und die hygroskopische Wirkung der gelatinösen Masse sich gegenseitig aufheben. Sobald dieser Moment eintritt, hört die Einsaugung von Wasser auf, die Kapsel aber bleibt noch unentladen. Danach beginnt aus unbekannter Ursache die Ent- ladung der Kapsel, d. h. die Ausstülpung des Nesselfadens. Die weitere, völlige Ausstülpung des letztern wird durch das Ein- dringen immer neuer Massen von Wasser durch die Fadenwände bedingt. Jch verstehe nicht, was v. LENDENFELD veranlaßt zu glauben, daß im Innern der Kapsel zuerst ein Moment des Gleichgewichts eintritt, das den weitern Eintritt von Wasser in dieselbe von außen aufhören läßt, und daß dann erst die Entladung der Kapsel erfolgt. Warum soll man nicht annehmen, dab dank der äuberststarken Quellungsfähigkeit der gelatinösen Masse das in die Kapsel eingesogene Wasser so lange den intrakapsu- lären Druck erhöhen wird, bis letzterer den Basalteil 378 A. Lıpım, des Fadens, der den Ort des geringsten Widerstandes bildet, aus der Kapsel drückt? Ich persönlich glaube, daß die Entladung der Kapsel gerade durch den immer mehr anwach- senden Druck in ihrem Innern derselben bedingt wird und früher erfolgt, als in ihr der Moment des Gleichgewichts eintritt. Sobald aber der Basalteil des Fadens auch nur ein wenig nach außen gelangt ist, wird infolge der großen Permeabilität seiner Wände der weitere Entladungsprozeß, d. h. seine volle Ausstülpung, sehr rasch vor sich gehen. Ich glaube, dab der Entladungsprozeß der großen Nesselkapseln von Polypodium gerade in dieser Weise statt- findet. Nach Scunerper’s Ansicht, der ich mich anschließe, entwickelt sich das intracapsuläre Secret zusammen mit der ganzen Nessel- zelle, und nur wenn dieses Secret vollkommen reif ist, ist die Kapsel vollständig zur Entladung bereit. Dab das Secret eine lebende Substanz ist und als solche sich entwickeln kann, dafür spricht schon die von mir angeführte Beobachtung über die Fähigkeit junger Cnidarien sich selbständig zu teilen. Die Reifung des Secrets besteht in solchen chemischen Veränderungen, infolge deren es jene erwähnte ungewöhnlich starke hygroskopische Fähigkeit erwirbt, wie es sie vor dem Momente der Reife nicht besaß. Dabei gehen auch einige Veränderungen seiner physischen Eigenschaften vor sich: das Secret wird dichter und härter, da es in reifen Kapseln das Aussehen wirklicher Körner hat. Sobald also das Secret der großen Kapseln von Polypodium reif ist, d. h. sich in eine leicht quellbare Masse verwandelt hat (die Nesselzelle hat dann schon ihre Wanderung beendet und hat sich an der Verwendungsstelle festgesetzt), beginnt das Einsaugen von Wasser ins Innere der Kapsel durch deren Wand aus der sie um- gebenden Vacuole, d. h. der Strom der Flüssigkeit geht in umge- kehrter Richtung wie bei der Reifung der Kapsel. Nach Maßgabe des Aufquellens der intracapsulären gelatinösen Masse nimmt die Kapsel an Umfang zu. Das wird dadurch bewiesen, dab der Durch- messer der reifen Kapseln zwischen 0,012 mm (leer und entladen) und 0,016 mm schwankt (Maximalgröße einer normalen, nicht ent- ladenen Kapsel). Hieraus ist ersichtlich, daß die Kapsel nur bis zu einer bestimmten Größe anwächst, nämlich bis 0,012 mm. Die weitere Vergrößerung ihres Durchmessers bis zu 0,016 mm wird durch die Ausdehnung ihrer elastischen Wand unter dem Einflusse der innern Spannung bedingt, die durch die Aufnahme von Wasser Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 379 hervorgerufen wird. Sobald die Grenze erreicht ist und die Kapsel sich entladen hat, zieht sich ihre Wand bis auf ihren ersten Um- fang von 0.012 mm wieder zusammen. Es dauert also, wiederhole ich, das Einsaugen von Wasser in die Kapsel so lange, bis der anwachsende intracapsuläre Druck jenen Grad erreicht hat, bei welchem der Basalteil des Fadens aus der Kapsel hinausgedrückt wird, was denn auch den Anfangsmoment der Entladung darstellt. Diegroßen Kapseln von Polypodium entladen sich also je nach Maßgabe der Reifung voll- kommen automatisch. Die Erklärung ScHxEiper’s vom An- fangsmoment der Entladung, welche die notwendige Anwesenheit eines Cnidocils voraussetzt, ist auf diese Kapseln nicht anwendbar, einfach deshalb, weil eine größere Menge derselben, wie gesagt, keine Cnidocile besitzen. Ihre automatische Entladung bei Fehlen eines Perceptionsorgans wird aber vollkommen klar, wenn man be- denkt, dab diese Kapseln nur zur Befestigung des Tieres an das Substrat dienen, sie also durchaus nicht nötig haben, auf irgend- welche besondern Reize von außen her zu reagieren. Bei den von SCHNEIDER (1900) beschriebenen, mit Cnidocilen versehenen Kapseln der Siphonophoren befindet sich am distalen Ende ein besonderes Gebilde, das der Autor „einen konischen Auf- satz“ nennt. Seine Wand ist in Längsfalten zusammengelegt, wes- halb sie auch SCHNEIDER „die gefältelte Membran“ nennt. In dieser Membran ist eine Kreislinie, in der sich der Druck auf das Deckel- chen konzentriert, welcher letzteres von der Öffnung herabwirft. Diese Kreislinie heißt beim Autor ,Sprenglinie*. Den Beginn des Entladungsprozesses beschreibt er folgendermaben: ,1. Reizphase. Das Cnidocil empfängt den Entladungsreiz und leitet ihn über auf die Sprenglinie, mit der es jedenfalls in direeter Verbindung steht... Ohne Cnidocil ist die Entladung isolirter Cnidocyten unmöglich ... Die Existenz cnidocilloser Cniden ... erweist indessen auch die Empfänglichkeit der Sprenglinie für Nervenreize, die durch das Zellprotoplasma übergeleitet werden, und die vielleicht auch bei Cniden mit Cnidocils eine Rolle spielen. 2. Sprengphase. Auf den Entladungsreiz hin verstärkt sich momentan die Fältelung in der Sprenglinie, und der dadurch hin- reichend gesteigerte Druck auf die Kapselmündung lockert den Deckel in seiner Lage, treibt ihn vielleicht sogar aus der Mündung auf der Cnidocilseite heraus.“ Hierdurch wird dem Wasser der Zu- 380 A. Lıpın, tritt zum hygroskopischen Secret eröffnet, und der weitere Gang des Prozesses beruht schon auf dem Aufquellen des Secrets. SCHNEIDER erwähnt nirgends, daß irgendein Teil des Explosions- apparats aus Muskelsubstanz besteht. Und überhaupt erscheint dies zweifelhaft. In diesem Falle kann ich mir aber gar nicht vorstellen, wie die Sprenglinie für Nervenreizungen empfänglich sein und normal auf sie reagieren sollte Bisher kennen wir bei den Organismen nur eine Form des Überganges von Nervenenergie in mechanische, nämlich durch die Muskelsubstanz. Wie kann Nerven- reiz auf anderm Wege in Bewegung umgesetzt werden ? Außerdem, wenn SCHNEIDERS Voraussetzung vom Einfluß des Nervensystems auf den Sprengapparat richtig ist, so müssen alle Nesselzellen (oder wenigstens die von ihnen, denen ein Cnidocil fehlt) in Zusammenhang mit Ganglienzellen stehen; das kann aber keines- wegs als bewiesen gelten. Folglich bleibt für Zellen ohne Cnidocil die nächste unmittelbare Entladungsursache unbekannt. Dabei gibt es aber solche Zellen in verschiedenen Klassen der Cölenteraten. Es ist sehr wahrscheinlich, daß auf sie die Erklärung anwendbar ist, die ich für die großen Kapseln von Polypodium vorgeschlagen habe. Der Zusammenhang der Nesselzellen mit Ganglienzellen wird von vielen Forschern angenommen. In einigen Fällen ist er un- mittelbar festgestellt, in andern wird er a priori anerkannt. JICKELI (1882a) z. B. beschreibt Perigonimus steinachi (eine Anthomeduse) und sagt: „Die in Hertwie’scher Flüssigkeit isolierten Nesselkapsel- zellen liessen niemals die muskulösen Ausläufer, wohl aber häufig, ausser ihrem von Protoplasma umschlossenen Kern, noch einen zweiten ähnlichen Kern sammt Plasma erkennen. Häufig liessen sich Aus- läufer nachweisen, welche von jener ersten oder zweiten Plasma- masse abgingen. Wie bei anderen Polypen so betrachte ich auch hier diese Ausläufer als Verbindungen mit Ganglienzellen.“ Der- selbe Autor (1882) macht über den Zusammenhang der Fortsätze der Ganglienzellen mit den Nesselzellen bei Hydra und Eudendrium Mitteilung. v. LENDENFELD (1882) schreibt: „Von dieser kern- tragenden Verdickung der Plasmahülle [der Nesselzelle. A. L.] aus seht ein dicker körniger Fortsatz ab. Ich habe an Isolationspräpa- raten den direkten Zusammenhang von Nesselzellen und subepithe- lialen Ganglienzellen mittels dieses Fortsatzes mehrmals beobachtet. Eine solche Verbindung zwischen Ganglien und Nesselzellen aufzufinden gelingt zwar selten, allein die von mir beobachteten Fälle machen es doch höchst wahrscheinlich, daß eine solche Ver- Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 381 bindung der Cnidoblasten, welche die grössere Nesselkapselart ent- halten, bei Cyanea annaskala stets vorhanden ist.“ Über die Wehr- polypen der Plumaridae sagt derselbe Autor (1883): „Obwohl ich nicht sicher bin, so hat es mir doch den Eindruck gemacht ..., dass von den multipolaren Ganglienzellen feine Fäden an diesen Stielen [der Nesselzellen. A. L.] emporziehen und sich mit dem Plasma des Cnidoblasten in Verbindung setzen.“ SCHNEIDER (1890) sah nur einmal bei Aydra einen ähnlichen Zusammenhang und hält daher diese Beobachtung für zweifelhaft. Ebenso hatte Caux (1889—1892) nur einmal beobachten können, daß eine Ganglien- und eine Nessel- zelle verbunden waren und zwar bei Cordylophora, und Harpy (1891) konstatierte einen solchen Zusammenhang bei Myriothela. Bei Iwanzow (1896) lesen wir: „LENDENFELD !) beschreibt bei einigen Nesselzellen noch einen zweiten proximalen Auswuchs, der körnig ist und seiner Meinung nach mit Ganglienzellen in Verbindung steht, mir aber gelang es nicht, etwas derartiges zu beobachten. Ebenso gelang es mir nicht einen Zusammenhang zwischen den Nervenfasern und Nesselzellen zu sehen, obwohl ich einen solchen a priori zuzugeben bereit wäre.“ Aus dieser kurzen Übersicht ist ersichtlich, wie fragmentarisch, zweifelhaft und wenig beweisend die Beobachtungen sind, die für einen Zusammenhang der Nesselzellen mit dem Nervensystem bei den Cölenteraten sprechen. Daher erscheint dieser Zusammenhang gegenwärtig ziemlich problematisch. Die Verhältnisse bei Polypodium ‘sprechen auch gegen einen solchen Zusammenhang. In meiner vorläufigen Mitteilung (1909) wies ich darauf hin, daß es mir ein- oder zweimal gelang, das Heran- treten einer Nervenfaser an eine Nesselzelle mit großer Kapsel zu beobachten. Da ich dies aber in der mittlern Partie eines Stütz- tentakels beobachtete, so kann natürlich von keinerlei Zusammen- hang dieser Zellen mit Nervenfasern die Rede sein, da diese Zellen sich im Wanderstadium befanden und wandernde Zellen nicht mit unbeweglichen Fasern verbunden sein können. Was die Frage vom funktionellen Wechselverhältnis der Nessel- elemente und des Nervensystems angeht, so bestehen unter den einzelnen Forschern bedeutende Meinungsverschiedenheiten. Es ist natürlich, daß die Autoren, welche als Verteidiger des morphologischen 1) v. LENDENFELD, The function of Nettlcells, in: Quart. Journ. mierosc. Sc. (N. 8.), Vol. 27, 1887. Zool. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. 25 382 A. Lin, Zusammenhanges der Nesselzellen mit Ganglienzellen auftreten, sich zugunsten auch eines physiologischen Zusammenhanges aussprechen. Caux (1881) sagt: „... während die früheren Hypothesen die Ent- ladung dem Willen des Thieres entzogen und sie auf die jeweilig von einem äusseren Einfluss betroffenen Nesselzellen beschränken, so kann nach unserer Vorstellung es dem Willen des Thieres an- heimgestellt bleiben, eine beliebig grosse Zahl von Nesselzellen in Activität treten zu lassen.“ Eine ganz eigentümliche Anschauung über das Verhältnis des Nervengewebes zu den Nesselzellen entwickelt v. LENDENFELD (1883). Nach seiner Ansicht ist das Nervensystem imstande aktiv auf die Tätigkeit der Nesselzellen einzuwirken. „Die Kontraktion des Plasma- mantels wird durch einen Reiz veranlasst, welcher vom Cnidocil, oder von einem solchen, der vom Nervensystem ausgeht. Ausserdem kann aber vom Nervensystem aus ein Hemmungsreiz ausgehen, welcher den Cnidocilreiz, der unter gewöhnlichen Umständen die Kapsel sprengen würde, paralysirt. Es kann also das Nervensystem die Rolle eines „Hemmungscentrum“ übernehmen, während die Ent- ladung durch den Cnidocilreiz einer „Reflexbewegung“ zu vergleichen ist. Wir sehen also schon hier den Anfang jenes Wechselspieles von Reflex und Hemmung, dem die neuere Psychologie eine so grosse Bedeutung zuschreibt.“ Im Gegensatz zu diesen Autoren behauptet Nusspaum (1887), daß jede Nesselzelle einen taktilen Apparat besitzen muß, der den äußern Reiz empfängt, auf den die Zelle durch Kontraktion auto- matisch reagiert, wobei jede Zelle selbständig reagiert, unabhängig von den andern; ein Übergehen des Gereiztseins von einer Zelle zur andern existiert aber nicht. GRENACHER (1895) zweifelt an der: Möglichkeit, daß eine Nesselzelle einen Reiz vom Cnidocil durch das Nervensystem erhalten könnte. Mursach (1895) sagt im Gegenteil: „The stimulus at one cnidocil may be distributed by nerve connections to the surrounding nettling organs, thus inducing explosions en masse. Next the cell body and stalk contract, and this double pressure on the nematocyst, is transmitted by its fluid contents to all parts of the thread within, and it begins to be evaginated from its basal part outward to its end, with explosive rapidity.“ Es ist natürlich, daß jeder, der einen unmittelbaren Einfluß des Nervensystems auf die Nesselzellen anerkennt, damit auch den Muskelcharakter der letztern anerkennen muß. weil, wie oben klar- gelegt, der Nervenreiz nicht anders als durch Muskelsubstanz in Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 383 Bewegung (Entladung) übergehen kann. Da aber die Muskelnatur der Nesselzellen mehr als zweifelhaft erscheint, so kann man kaum eine Einwirkung des Nervensystems auf die Cnidoblasten annehmen. Früher hatte ich schon Gelegenheit mein negatives Verhalten zur Frage über eine vom Willen abhängige Regulierung der Tätig- keit der Nesselzellen zu äußern. Hier will ich zu dem oben Ge- sagten noch folgendes hinzufügen. Der Meinung von CHux und v. LENDENFELD nach können die Cnidarien aus eignem Willen die Entladung der Cnidoblasten so fein regulieren, dab sie imstande sind, nach Cuun’s Äußerung „eine beliebig grosse Zahl von Nesselzellen in Activität treten zu lassen“, also auch eine einzige. Ich muß ge- stehen, dab mir eine so erstaunlich vollkommene Koordination der Bewegungen sogar unter den höchsten Tieren unbekannt ist, auch nicht beim Menschen! Der allergrößte Teil unserer Bewegungen wird durch gleichzeitige Kontraktion eine ganzen Gruppe von Muskeln bedingt, und aus einer solchen Gruppe irgendeinen Muskel physiologisch zu isolieren, erscheint fast unmöglich, ganz abgesehen schon davon, daß wir absolut nicht imstande sind nach eignem Willen den Reiz auf eine Nervenfaser hin zu dirigieren. Der An- sicht der genannten Forscher nach sollen aber relativ so niedrig organisierte Tiere wie die Cnidarien diese Fähigkeit in vollkommenem Grade besitzen! Es erweist sich, dab sie nach ihrem Willen den Reiz an eine beliebige Nesselzelle auf einer an sie herantretenden Faser senden können. Das aber ist schon allzu unwahrscheinlich. Nun möchte ich die Frage nach der Entstehung der Epithel- zellen des Ectoderms entscheiden. Ich sah kein einziges Mal die Teilung dieser Zellen, weder eine caryokinetische noch eine direkte (ersteres gelang mir überhaupt nie bei Polypodium zu beobachten). In keinem Falle also kann man voraussetzen, daß sie sich durch Teilung vermehren. Wo stammen sie aber dann her? Die einzige Lösung dieser Frage besteht in folgendem: die Epithelzellen gehen aus Nesselzellen nach Entfernung der Nessel- kapseln aus ihnen hervor. Unwiderlegliche Beweise für diese Behauptung ergeben sich aus dem Vergleich einer epithelialen und einer reifen Nesselzelle. In der Tat braucht man nur einen flüch- tigen Blick einerseits auf die Figg. 26, 28 und 29, andrerseits auf die Figg. 31, 38, 41 zu werfen, um sich zu überzeugen, daß der einzige Unterschied der Epithelzelle von der Nesselzelle darin 25* 384 A. Lipin, besteht, daß in der erstern die Nesselkapsel fehlt; im übrigen sind sie fast bis zur Identität einander ähnlich. Diese Ähnlichkeit geht sogar so weit, dab sowohl in den einen wie in den andern Zellen eine oder mehrere Vacuolen sein können, wobei in letzterm Falle (vel. Fig. 26 u. 41) die vacuolisierten Auswüchse ein gleiches Aus- sehen haben, wenn man natürlich die Anwesenheit von Kapseln in der Nesselzelle und das Fehlen derselben in den Epithelzellen nicht in Betracht zieht. Endlich zeigen sowohl die epithelialen wie die Nesselzellen im lebenden Zustande ein und dieselbe Fähigkeit, bei Isolation die Stiele einzuziehen und eine runde Form anzunehmen (vel Bis. 429) 1. 38): Es ist somit klar, dab nach der Entladung und Ausschleuderung der Kapsel die Nesselzelle in Zusammenhang mit der Stützlamelle bleibt und sich in eine gewöhnliche Epithelzelle verwandelt. Auf diese Weise geschieht bei Polypodium das Wachstum des Ectoderms. Wenn sich das so verhält, müssen die Tentakel in Form einer An- häufung von Nesselzellen in verschiedenen Entwicklungsstadien an- gelegt werden, und nur nach Maßgabe des Wachstums des Tentakels müssen in ihm in immer größerer Anzahl Epithelzellen erscheinen. So verhält es sich auch in der Tat. Das Wachstum des Tentakels geschieht auf Kosten der Vermehrung der Zahl der Epithelzellen, die somit immer mehr und mehr den Ort der Bildung der Nesselzellen von dem Orte ihrer Verwendung trennen, indem letzterer gleichzeitig als Ort der Bildung der Epithelzellen dient. Dies ist wenigstens für die freilebenden Formen richtig. Was die frühern Entwicklungsstadien von Polypodium anbetrifft, so muß man für dieselben offenbar eine selbständige, von den Nesselzellen unab- hängige Entstehung der Epithelzellen annehmen, da in dem noch nicht ausgestülpten Stolo die Nesselkapseln noch nicht die Fähig- keit besitzen, sich zu entladen, und noch weniger, aus den Zellen auszutreten. Aller Wahrscheinlichkeit nach entwickeln sich hier die Epithelzellen des Ectoderms unmittelbar aus den Embryonal- zellen. Übrigens kann es sein, daß auch bei den freilebenden Formen neben der Bildung von Epithelzellen aus Nesselzellen die erstern sich auch unmittelbar aus Embryonalzellen entwickeln, indem sie das Stadium der Nesselzellen umgehen. Die Stützlamelle und die Mesoglöa. Die Stützlamelle von Polypodium hat das Aussehen einer dünnen, durchsichtigen Haut, in der man stellenweise deutlich eine Strich- Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 385 zeichnung sehen kann (Fig. 48). Senkrecht zu dieser letztern ziehen Längsmuskelfasern, die an die Stützlamelle von der Seite des Ento- derms aus befestigt sind. Dies sieht man ziemlich deutlich schon an Schnitten, die quer zu den Muskelfasern gehen; aber besonders tritt dies an Macerationspräparaten zutage, an denen Stellen von Umbiegungen der Stützlamelle nach der einen oder andern Seite vorkommen. Hier kann man mit vollster, keinerlei Zweifel zu- lassender Deutlichkeit die Lage der Muskelfasern an der innern Oberfläche der Stützlamelle feststellen. Die Strichelung der Stütz- lamelle muß man wahrscheinlich als den Ausdruck einer gewissen Struktur derselben ansehen, die die Zusammenziehung und Faltung der Lamelle in der Richtung der Verkürzung der Muskelfasern er- leichtert. An der entgegengesetzten, d. h. äußern Oberfläche der Stütz- lamelle sitzen auf Stielen die an ihr befestigten Epithel- und Nessel- zellen des Ectoderms. Diese Zellen bleiben nach vorsichtigem Ab- streifen derselben mit einem Pinsel auf der Stützlamelle in Gestalt unordentlicher Fragmente sitzen (Fig. 49). In den Tentakeln und im Mundkegel, d. h. in den am meisten beweglichen Teilen des Organismus, gibt es noch auber der Stütz- lamelle eine ziemlich dicke. Schicht einer dünnen, offenbar gallert- artigen Substanz oder der Mesoglöa, die an der entodermalen Seite der Stützlamelle gelesen ist. Das Vorhandensein der gallertartigen Schicht bei Gegenwart einer Stützlamelle darf keine Zweifel hervor- rufen, da eine ähnliche gleichzeitige Existenz derselben bei einigen Hydroiden festgestellt ist, z. B. in der Schwimmblase von Forskalia (SCHNEIDER, 1892). Bei Polypodium ist die gallertartige Schicht von feinen Fäserchen und von kleinen Zellen mit Fortsätzen durchsetzt, was deutlich sichtbar wird sowohl an Schnitten wie an Macerations- präparaten. Diese Zellen werden offenbar vom Entoderm geliefert, um so eher, da es zuweilen gelingt den Zusammenhang ihrer Fort- sätze mit den Fortsätzen des Entoderms zu beobachten (Fig. 50). Ihrem Aussehen nach erinnern die Zellen der Mesoglöa an Ganglien- zellen. Diese Ähnlichkeit wird noch durch die Anwesenheit von varikösen Auftreibungen an einigen Fortsätzen dieser Zellen ver- stärkt, die ebensolchen an Nervenfasern analog sind. In der Gallertschicht sowohl des Mundkegels wie des Tentakels befinden sich außer den oben beschriebenen Zellen noch Zellen von einem andern Typus. Sie haben eine vollkommen runde Form, besitzen einen großen Kern mit Nucleolus und erreichen zuweilen 386 A. Lipin, einen bedeutenden Umfang, was ihnen eine große Ähnlichkeit mit Eizellen verleiht (Fig. 51). Da sie bei einer Kontraktion des Mund- kegels und des Tentakels vollkommen frei in der Mesoglöa schwimmen (Fig. 52), so haben wir das Recht, anzunehmen, daß letztere eine genügend flüssige Konsistenz besitzt. Die Entstehung und Funktion dieser Zellen sind mir unbekannt. Hinsichtlich der Stützlamelle von Polypodium schreibt Ussow: „Am Anfange meiner Untersuchung war ich geneigt, obige Bildung [nach unserer Ansicht die Mesoglea. A. L.] für eine Art von Stütz- lamelle zu halten, bis ich mich später davon überzeugte, dass diese bei unseren Tieren nicht existiert.“ Es ist vollkommen richtig, dab Ussow, als er die Gallertschicht und die Stützlamelle identifizierte, sich irrte, doch wurde dieses Versehen durch die volle Negation einer Stützlamelle bei Polypodium nicht gut gemacht. Wir haben gesehen, dab für letzteres die Anwesenheit sowohl der Mesoglöa wie der Stützlamelle charakteristisch ist. Das Muskelgewebe. Die Muskulatur von Polypodium wird durch typische glatte Muskelfasern gebildet, aber ausschließlich durch Längsfasern; Ring- muskel gibt es hier überhaupt nicht. Sie ist an der entodermalen Seite der Stützlamelle gelesen und in den beweglichsten Teilen des Organismus, den Tentakeln und dem Mundkegel, besonders stark entwickelt. Die Fasern, aus denen sie gebildet ist, besitzen eigne spindelförmige Zellen und sind dem Aussehen nach ziemlich ver- schiedenartig: hier findet man einzellige, zweizellige und mehrzellige Fasern. Die erstern stellen gewöhnliche Muskelfibrillen mit einem Kern dar (Fig. 53); die zweiten unterscheiden sich von ihnen nur, durch das Vorhandensein eines statt zweier Kerne und die dritten dreier Kerne (Fig. 54). Es ist sehr wahrscheinlich, dab es Fasern dieses Typus gibt, die vier und möglicherweise noch mehr Kerne besitzen, doch kann ich mit Sicherheit nur das Vorhandensein von drei Kernen feststellen. Dennoch besitzt Polypodium Fasern eines andern Typus, die zweifellos viele Kerne haben; das sind die dichotomisch sich ver- zweigenden Muskelfasern. Wie die Fig. 55 zeigt, ist hier die Ver- zweigung nicht blos von einer, sondern mehreren Ordnungen, wobei jeder Zweig eine selbständige Muskelfibrille mit eignem Kern dar- stellt. Solche komplizierte, sich verzweigende Fasern kommen nie in den Tentakeln und dem Mundkegel vor, die durch das Vor- Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme „Use. 387 handensein nur einfacher, parallel zur Achse und untereinander ge- lagerter Fasern charakterisiert sind. Die verzweigten Fasern aber stellen ein ausschließliches Zubehör der Orte des allmählichen Über- ganges der Tentakel und des Mundkegels in die Körperwand dar. Die Fasern, die in diesen Organen einander parallel verlaufen, gehen an den erwähnten Übereangsstellen radiär auseinander, indem sie leere, sich mehr und mehr vergrößernde Räume zwischen sich lassen. Letztere werden nun von verzweigten Muskelfibrillen ausgefüllt. 1) Jetzt entsteht die Frage: in welcher Weise zieht die Kontrak- tion der einzelnen Muskelfasern eine solche des ganzen Organs oder eines bedeutenden Teiles des Körpers nach sich? Mit andern Worten, wie ist bei Polypodium der enge und untrennbare Zusammen- hang zwischen den Muskelelementen und den umgebenden Geweben hergestellt? Bei der großen Mehrzahl der Hydroiden sind die Muskelfasern fest verbunden einerseits mit dem Deckepithel, dank dem Vorhandensein von Epithelmuskelzellen, andrerseits durch Fortsätze des die Muskelfasern umkleidenden Protoplasmas mit der Stützlamelle, in welche diese Fortsätze eindringen. Eine so feste Verbindung garantiert die zweckentsprechende Tätigkeit der Muskel- fasern vollkommen. Bei Polypodiwm liegt die Muskulatur auf einer andern Seite der Stützlamelle als das Deckepithel (Fig. 24 C u. 25). Daher besteht hier kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Muskelfasern und Ectoderm. Das einzige, was diese Fasern ver- bindet, ist die Stützlamelle, und dieser Zusammenhang, der die regelrechte Funktion des Muskelgewebes bei Polypodium vollkommen sicherstellt, ist ein so fester, daß es bei der Maceration fast nie ge- lingt, isolierte Fasern zu erhalten: stets sind sie ziemlich fest mit- einander durch eine dünne, durchsichtige Haut verbunden, die nichts anderes darstellt als die Stützlamelle selbst. Da an dieser Lamelle auch die Ectodermzellen befestigt sind, so wird hierdurch eine feste Verbindung des Muskelgewebes und des Deckepithels hergestellt. 1) In meiner vorläufigen Mitteilung behauptete ich, daß außer den zwei eben beschriebenen Arten von Muskelfasern bei Polypodium noch eine dritte Art existiert — die gewundenen Fibrillen. Das hat sich als ein Irrtum erwiesen, der darauf beruhte, daß ich mich damals allein auf die Beobachtung von Macerationspräparaten beschränkte. Am lebenden Material überzeugte ich mich, daß, wenn der Tentakel sich streckt, alle seine Fasern gerade werden; verkürzt er sich aber, so nehmen einige von ihnen ein welliges Aussehen an. Durch die Wirkung des Reaktivs kon- trahieren sich die Tentakel stets bei der Maceration. Hierdurch wird es klar, weshalb ich ziemlich häufig gewundene Fasern zu sehen bekam. 388 A. Lıpin, Als gemeinsame Entstehungsquelle beider Formen von Muskel- fasern erscheinen bei Polypodium kleine runde Zellen, die dem Aus- sehen nach gewöhnlichen Embryonalzellen sehr ähneln. Sie liegen der Stützlamelle von der Entodermseite an, wodurch sich auch diese Lage des Muskelgewebes bei Polypodium erklärt. An der Basis der Tentakeln sind diese Zellen in einem spaltförmigen Raume zwischen dem Ecto- und Entoderm gelegen (Fig. 24 B u. 25). Die Entwicklung der muskelbildenden Zelle zu einer Muskel- faser beginnt damit, daß ihr Protoplasma sich an beiden entgegen- gesetzten Polen in zugespitzte Enden auszieht, wodurch die Zelle eine spindelförmige Gestalt annimmt (Fig. 24 D u. Fig. 56). Dieses Ausziehen geht immer weiter und weiter, den Zellen das Aussehen von Bändern mit unregelmäßigen Konturen verleihend, die miteinander durch die Stützlamelle fest verbunden sind (Fig. 57). Danach beginnt die Zelle eine spezifische kontraktile Substanz aus- zuscheiden in Form einer stark lichtbrechenden Faser, die noch von undifferenziertem Protoplasma umkleidet ist (Fig. 58) Bei dem weitern Fortgange des Prozesses verwandelt sich dieser Rest un- differenzierten Protoplasmas auch in Muskelsubstanz, und als Resul- tat erscheint die fertige einkernige Muskelfaser. Doch bleibt ihre Entwicklung nicht hierbei stehen. Ich besitze ganz direkte Hin- weise darauf, daß eine solche einkernige Faser durch direkte Zellteilung sich in eine zweikernige verwan- delt. Wie merkwürdig auch der Umstand ist, daß die vollkommen differenzierte Muskelzelle noch ihre Teilungsfähigkeit bewahrt hat, so ist es dennoch Tatsache. Dieser Prozeß (Fig. 59) beginnt mit der Teilung des Nucleolus, worauf eine Einschnürung und Teilung des Kerns folgt; die Tochterkerne treten auseinander, und das ; Protoplasma zwischen ihnen verengt sich ein wenig, teilt sich aber nicht. Bei dem weitern Auseinandertreten der Kerne sondern offen- bar beide Tochterzellen die kontraktile Substanz aus, infolgedessen das Protoplasma zwischen den Kernen allmählich in Muskelsubstanz sich umwandelt, und als Endresultat haben wir eine einfache, zwei- kernige Muskelfaser vor uns. Genau auf dieselbe Art entsteht aus der zweikernigen Faser eine dreikernige usw. Somit bilden die ein- fachen Muskelfasern von Polypodium mit einer verschiedenen An- zahl von Kernen eine gerade genetische Reihe, für welche die ein- fache, muskelbildende Zelle den Ausgangspunkt bildet. Was die Entwicklung der verzweigten Fasern angeht, so Konnte ich leider keine derartigen Übergangsformen derselben finden, die Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 389 mir die Möglichkeit geboten hätten, in dieser Hinsicht ganz bestimmte Schlüsse zu ziehen. Ich muß bemerken, daß im Mundkegel und in den Tentakeln sogar auf relativ jungen Entwicklungsstadien fast gar keine muskel- bildenden Zellen existieren, während die Muskelfasern selbst stets vorhanden sind. Es fragt sich, wo kommt denn das Muskelgewebe während des Wachstums der Tentakel her? Nachdem der Bildungs- prozeB der einfachen, vielkernigen Fasern klargestellt ist, ergibt sich die Antwort auf diese Frage von selbst. Wenn sich aus den muskelbildenden Zellen schon einfache, einkernige Fasern gebildet haben, werden erstere Zellen für den fernern Wuchs der Muskulatur vollkommen überflüssig: sie wächst durch Umwandlung der ein- kernigen Fasern in vielkernige. Wie von den Nesselelementen des Polypodiums, so hatten Grimm und Ussow auch von seiner Muskulatur eine allzuvereinfachte Vor- stellung. Freilich zeichnet der erstere eine dichotomisch verzweigte Muskelfaser, aber erstens geht diese Verzweigung nur bis zur ersten Ordnung, und zweitens haben die Zweige keine eignen Kerne. Ussow aber spricht nur von einfachen, einkernigen Fasern und er- wähnt irgendwelche komplizierten Formen von Muskelfibrillen gar nicht. Bei der überwiegenden Mehrheit von Hydroiden ist das Muskel- system aus kontraktilen Fasern von Epithelmuskelzellen gebildet. Als einzelstehende Ausnahmen von dieser allgemeinen Regel er- scheinen, soweit mir bekannt, unter den Hydroiden Tubularia, Euden- drium, die Wehrpolypen bei den Plumularidae, Eucopella und unter den Siphonophoren Forskalea und einige Agalmiden. Hier ist das Muskelsystem überall vom Epithel vollkommen getrennt, bildet ein selbständiges Gewebe und besteht aus typischen Muskelfasern mit eigenem Kern, der von Protoplasma umgeben ist. Übrigens kann bezüglich Tubularia die Frage kaum als endgültig entschieden an- gesehen werden, da über die Muskulatur dieses Hydropolypen aus- einandergehende Angaben vorliegen. So erkennen ALLMAN, CIAMICIAN (1879) und Hamann (1882) bei diesem Hydroiden entschieden selb- ständige, vom ectodermalen Epithel unabhängige Muskelfasern an, während Jıckerı (1882) ebenso kategorisch die Angaben dieser Forscher zurückweist und mit großer Bestimmtheit für die Existenz von Epithelmuskelzellen bei T’ubularia eintritt. Doch stützt JIcKELı seine Behauptung hauptsächlich auf eine kritische Analyse von Literaturangaben in dieser Frage, und diese Kritik kann ihrerseits 390 A. Lirin, nicht als einwandfrei gelten. SCHNEIDER (1890) sagt über das uns interessierende Thema folgendes: „Sinneszellen (bei Tubularia A. L.) konnte ich nicht beobachten, auch zeigte sich sonst nichts be- merkenswertes, da die Epithelmuskelzellen, die subepithelialen Zellen und deren Umbildungsformen im Grossen und Ganzen die gleichen waren, wie bei Hydra.“') Mir scheint, daß dieses Zitat uns das volle Recht gibt anzunehmen, daß SCHNEIDER in der vorliegenden Frage derselben Meinung ist wie Jıckerı. Somit weisen die beiden letztern Autoren, deren Untersuchungen über die Tubularien als die spätesten im Vergleich mit den übrigen Verfassern erscheinen, bei diesen Hydroiden die Existenz einer selbständigen, vom Eetoderm isolierten Muskulatur zurück. ‘Daher sage ich auch, dab die angezogene Frage noch nicht als endgültig entschieden an- gesehen werden kann. In den besondern Organen von Kudendrium, die WEISMANN (1882) entdeckte und Cnidophoren nannte, beschreibt er eine Ring- muskulatur „aus sehr feinen, langen, beiderseits zugespitzten Fasern“, die „der Innenfiäche der Stützlamelle aufliegen“. Diese Fasern, die eigne Kerne haben und zuweilen zu zweien an einer Zelle sitzen, entwickeln sich nach Weısmann aus subepithelialen Zellen, die „ganz in der Tiefe des Entoderms, unmittelbar auf der Stützmembran“ liegen. Bei den Wehrpolypen der Plumulariden fand v. LENDENFELD (1883) eine Schicht von selbständigen, subepithelialen Längsmuskel- fasern, die parallel zueinander liegen und von auben der Stütz- lamelle anliegen. Ebensolche und ebenso gelagerte Muskelfasern konstatierte dieser Autor (1883a) in den Tentakeln der Nährpolypen von Eucopella. Im Entoderm des Hypostoms dieser Polypen fand er ; eine Ringmuskulatur, die aus „glatten, dicht aneinander liegenden, circular verlaufenden Fasern“ besteht, deren Muskelkörperchen „bis nahe an die Oberfläche“ des Entoderms reichen. Im Körper dieser Polypen beschreibt v. Lexpenrezp [epitheliale oder subepitheliale, bleibt für ihn fraglich] Längsmuskelfasern, die auf der Stützlamelle liegen. Doch entschließt sich der Autor nicht, sich für die Zuge- hörigkeit dieser Fasern zu der einen oder andern Embryonal- schicht auszusprechen, da zu einer solchen Entscheidung die Quer- schnitte keine genügenden Beweise liefern. Endlich fand LENDEN- FELD bei der Meduse ÆZucopella in deren Subumbrella subepitheliale 1) Sperrdruck von mir. A. L. Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 391 Ringmuskelfasern, die durch die Stützlamelle aneinander befestigt waren. SCHNEIDER (1892) stellte das Vorhandensein von Muskelfasern mit eignen Kernen ebenso im Ectoderm von Forskalea und von ihm nicht bestimmter Repräsentanten der Agalmiden fest. Bei der erstern Ist — wie er sagt — die untere Kante der Muskelbänder etwas in die Lamelle eingesenkt; hieraus erklärt sich die feste Vereinigung beider.“ Ich habe mich absichtlich verhältnismäßig eingehend bei der Lite- ratur der Angaben aufgehalten, welche jene Repräsentanten von Hydro- iden behandeln, die sich durch eine selbständige, von den Epithel- schichten unabhängige Muskulatur auszeichnen, um einige Beziehungen von Polypodium zu denselben aufzuklären. Abgesehen davon, dab mit dem letztern die Liste dieser Organismen durch noch einen Ver- treter ergänzt wird, bildet Polypodium im Sinne des Baues der Mus- kulatur ein interessantes Objekt zu einem Vergleich mit ihnen und bietet zugleich eine sehr dankbare Basis für einige theoretische Schlubfolgerungen. Wir haben gesehen, daß die Muskelfasern von Polypodium dank ihrer guten Befestigung an der Stützlamelle sowohl mit dieser als auch untereinander dauerhaft verbunden sind. Das verleiht ihnen eine Ähnlichkeit mit der Muskulatur der Hydromeduse Æucopella und der Siphonophore Forskalea. Aber ein grober prinzipieller Unterschied zwischen dem Muskeleewebe von Polypodium einerseits und Æucopella und Forskalea andrerseits liegt darin, daß sie bei den letztern an der Außenseite der Stützlamelle, bei dem erstern an der Innenseite liegt. Der letztere Umstand nähert Poly- podium dem Eudendrium, bei dem nach Weismann die Muskelfasern der Stützlamelle von der Entodermseite anliegen. Die Ähnlichkeit wird dadurch noch größer, dab in dem einen wie in dem andern Falle die Muskelfasern aus kleinen Zellen, die Weismann zu den indifferenten Zellen des Entoderms zählt, sich entwickeln. Aber auch hier zeigt sich zwischen den beiden Organismen ein scharfer Unterschied prinzipiellen Charakters: bei Ludendrium liegt an der Innenseite der Stützlamelle eine Ringmuskulatur, bei Polypodium da- gegen eine Längsmuskulatur. Hierdurch unterscheidet sich Poly- podium scharf nicht nur von Æudendrium, sondern auch von allen Hydroidpolypen überhaupt. Die Lage der Muskulatur von Polypodium an der Innenseite der Stützlamelle beweist deren Zugehörigkeit zum Entoderm; dement- 399 A. Lipin, sprechend muß man die muskelbildenden Zellen, wie in WEISMANnN’S Fall, für Embryonalzellen des Entoderms halten. Somit gehören die Längsmuskelfasern von Polypodium dem innern Keimblatte an. Da- gegen hat, soweit mir bekannt, bei allen andern Polypen ohne Aus- nahme die Längsmuskulatur eine ectodermale Entstehung, während die Ringmuskulatur (wenn sie vorhanden ist), entodermalen Ur- sprungs ist. Folgendes sagt hierüber v. LENDENFELD (1883 a): „Es ist eine bei allen polypoiden Coelenteraten konstante Erschei- nung, dass die ektodermale Muskulatur stets aus meridional, die ento- dermale stets aus circulär verlaufenden Fasern besteht.“ Nicht weniger entschieden äußert sich in dieser Hinsicht CHux (1889—1892): „Nach dem heutigen Stande unserer Kenntnisse dürfen wir wohl behaupten, dass sämmtlichen Hydroidpolypen, nicht minder auch den Magenschläuchen und Tastern der Siphonophoren zwei antagonistisch wirkende Systeme von Muskelfasern: ektodermale Längsfasern und entodermale Ringfasern, zukommen.“ Polypodium steht nun, wie schon gesagt, in direktem Wider- spruch zu diesen Schlußfolgerungen. Wodurch soll man aber einen solchen außergewöhnlichen Fall erklären? Mir scheint, daß zur Lösung dieses Rätsels die Tatsache beitragen kann, daß der Stolo und die Knospen mit innern Ten- takeln sich ausstülpen. Wir sahen, daß vor dem Moment der Aus- stülpung die Embryonalschichten in der Knospe eine umgekehrte Lagerung hatten: das Ectoderm innen, das Entoderm außen. Wenn man sich vorstellt, daß bei der phylogenetischen Evolution die physio- logische Differenzierung der Keimschichten in der Richtung statt- | fand, dab die äußere Schicht immer Längsmuskulatur lieferte, die innere aber die Ringmuskulatur (in den Fällen, wo sie vorhanden ist), und diese Eigenschaft durch Vererbung gefestigt war, so ver- liert hierdurch das rätselhafte Verhalten der Muskulatur bei Poly- podium einen guten Teil seiner Sonderbarkeit, und die Frage läßt sich ziemlich einfach lösen: die Längsmuskulatur von Poly- podium hat deshalb das Entoderm zum Entstehungs- ort, weilletztereszur ZeitderBildungder Muskulatur eine äußereLageeinnahm, woher es auch einige Funk- tionen des Ectoderms übernahm. Das dient als neuer Beweis dafür, daß, wie verschiedentlich be- hauptet wird, bei den Cölenteraten die Embryonalschichten noch nicht physiologisch streng differenziert sind. Zum Schluß will ich einiges über die Verteilung der Muskulatur Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 393 bei Polypodium in verschiedenen Stadien seiner Entwicklung mit- teilen. Im nicht ausgestülpten und eben erst ausgestülpten Stolo sind, wie auf Fig. 60 zu sehen, die Muskelfasern nach dessen Länge ge- richtet. Da an beiden Enden der Stolo unmittelbar in die Rand- knospen übergeht, so bilden die Muskelfasern der letztern eine direkte Fortsetzung der Fasern des Stolos, d. h. sie liegen längs dem Stiele der Knospe. Dieselbe Richtung haben die Muskelfibrillen auch in den übrigen Knospen, aber weil diese Knospen selbst senkrecht zum Stolo sitzen, verlaufen ihre Muskelfasern zu denen des Stolos eben- falls unter einem rechten Winkel (annähernd). Beim Übergang der Knospe in den Stolo verzweigen sich ihre Fasern; die Fasern des Stolos senden ihrerseits an dieser Stelle oft Seitenzweige in die Knospe. Die distalen Knospenenden entbehren’ eines Muskelgewebes vollkommen. Das bezieht sich auch auf die freilebenden Formen, bei denen am untern, dem Substrate zugewandten Körperende keine Muskelfasern vorkommen. Diese anatomische Tatsache wird auch durch physiologische Beobachtungen bestätigt: so stark man auch das Tier reizt, so kontrahiert sich doch nie dieser Teil seines Körpers. Wir wissen, dab im Mundkegel der freilebenden Formen die Muskelfasern der Länge nach verlaufen; so liegen sie auch im Stiel der am Stolo sitzenden Knospe. Im Stolo selbst aber sind die Muskelfibrillen senkrecht zu den Fasern des Stieles gerichtet (mit Ausnahme der beiden äußersten Knospen). Wenn wir bedenken, dab zum Aufbau des Mundkegels nicht nur der Stiel der Knospe, sondern auch ein entsprechender Teil des Stolos verwandt wird, so taucht die Frage auf, wie die gegenseitig perpendikulären Fasern des Stieles und des Stolos nach Zerfall des letztern sich in die einander parallelen Fasern des Mundkegels verwandeln? Die Fig. 61 wird uns bei der Lösung dieser Frage behilflich sein. Nehmen wir an, daß die Linie mn (Fig. 61 a) die Richtung des Zerfalles des Stolos in 2 Teile angibt. Der Teilungsprozeß ist auf Fig. 61 in den aufeinanderfolgenden Phasen 8, €, d, e dargestellt. Hier ist deutlich sichtbar, wie nach Maßgabe des Fortschreitens dieses Prozesses, je enger das Brückchen wird, das die beiden Nach- barknospen verbindet, die Längsfasern des Stolos sich allmählich mit den Fasern des Stieles jeder der sich teilenden Knospen vereinigen. Wenn so die Teilung beendet ist und die geteilten Knospen aus mittlern sich in die äußersten verwandelt haben (Fig. 61 e), fallen 394 A. Lirry, gerade in diesem Moment die Fasern des Stolos vollkommen in der Richtung mit den Fasern der Stiele dieser Knospen zusammen, und an der gegebenen Stelle erhalten wir die Enden der Teile des zer- fallenen Stolos (Fig. 61 f), die mit den Enden des unverletzten Stolos vollkommen identisch sind (Fig. 61 a). Diese Erscheinung wieder- holt sich bei jeder Teilung des Stolonenteils. Wenn die Sache bis zur Bildung eines Teiles des Stolos gediehen ist, der aus 2 Knospen besteht, so müssen die letztern als äußerste sich so lagern, daß ihre Achsen in der Richtung zusammenfallen, und dann würden ihre Muskelfasern ununterbrochen aus einer Knospe in die andere über- gehen. Aber zu dieser Zeit befinden sich schon diese Knospen selbst im Teilungsprozesse, der gleichzeitig von zwei Seiten her vor sich eeht: einerseits vertieft sich die Furche zwischen den Knospen (Fig. 61 g, «) immer mehr, andrerseits trennt eine ebensolche Furche auch die Spitze des Mundkegels (Fig. 61 9, 5) in senkrechter Rich- tune zur Mundspalte. Diese letztere Furche trennt zugleich auch die Muskelfasern perpendikulär zu ihrer Richtung, infolgedessen — wie auf Fig. 61 9, h, à zu sehen — nach der Teilung der Knospen zwei selbständige, freilebende Formen resultieren, bei denen die Muskelfasern der Mundkegel in der Länge der letztern verlaufen. Das Nervengewebe. Das Nervengewebe von Polypodium besteht aus Zellen, die durch — ein ununterbrochenes Netz von Nervenfasern miteinander verbunden sind und so einen vollkommnen Nervenplexus bilden. Letzterer schließt sich der Stützlamelle und zwar ihrer innern Seite an, in- dem-er zwischen der Muskulatur und dem Entoderm, resp. der Meso- glöa gelagert ist, und hat somit noch nähere Beziehungen zum Ento- derm als die Muskelfasern. Wenn man also das Entoderm mit einem Pinsel entfernt, so erscheint der Nervenplexus, auf einem Flächenbilde innen auf der Stützlamelle ausgebreitet, zusammen mit den an ihr befestigten Muskelfasern. Der Zusammenhang des Nervengewebes mit der Stützlamelle ist so fest, daß beim Abstreifen des Entoderms weder die Ganglienzellen noch die Nervenfasern sich jemals vom Orte ihrer Befestigung trennen, weshalb es mir nicht ge- lang, sie in isolierter Gestalt zu erhalten, so daß ich mich bei dem Studium des Nervengewebes mit Flächenbildern desselben begnügen mußte. Übrigens glaube ich nicht, daß dieser Umstand der Sache viel geschadet hat, da diese Bilder — besonders dank dem Methylenblau — Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 395 so klar und demonstrativ waren, daß sie fast nichts zu wünschen übrig ließen. Eine so feste Verbindung des Nervenplexus mit der Stützlamelle ist, wie ich glaube, durch den engen Zusammenhang der Nerven- enden mit den Elementen bedingt, an die sie herantreten. Die Ganglienzellen von Polypodium sind größtenteils dreipolig (Fig. 62), seltner bipolar (Fig. 65). Sie sind gewöhnlich mit einem großen Kern versehen, in dem man aber nicht immer den Nucleolus konstatieren kann (Fig. 64). Die Nervenfasern sind dünne Fortsätze der Ganglienzellen von sehr verschiedener Länge. In den meisten Fällen sind sie mit vari- kösen Verdickungen von verschiedener Größe besät (Fig. 65). Die Knoten des Nervengeflechts, in denen 2 oder 3 Fasern zusammen- treffen, sind entweder von Ganglienzellen gebiidet oder von kern- losen Protoplasmaanhäufungen, die also nicht für Zellen gehalten werden dürfen (Fig. 65 u. 66), oder sie bestehen endlich aus ein- fachen Verzweigungen der Nervenfaser ohne jede Plasmaanhäufung (Fig. 63). Hinsichtlich der Entwicklung des Nervengewebes besitze ich keine bestimmten Daten, da im frühesten Stadium, das ich unter den Händen hatte, nämlich in der noch nicht umgestülpten Form, das Nerven- gewebe schon vollkommen ausgebildet erscheint. Es ist möglich, dab es in derselben Art wächst wie das Muskelgewebe, d. h. durch ein- fache Teilung der Ganglienzellen. Da ich aber überhaupt nur ein- mal eine zweikernige Nervenzelle (Fig. 65) zu sehen bekam, die in ihrem Aussehen sehr an eine sich teilende Muskelzelle erinnerte, so kann ich mich nicht kategorisch für eine solche Art des Wachstums des Nervengewebes erklären. Wenn nun Ussow auch von besondern Zellen im Ectoderm von Polypodium, die er für sensitive ansieht, spricht, so fand ich solche trotz sorgfältigen Suchens nicht. Ich gehe jetzt zu den Endigungen der Nervenfasern über. Hier entsteht vor allen Dingen die Frage: welche Gewebe werden bei Polypodium vom Plexus innerviert? Wie oben gesagt, stelle ich a priori und a posteriori einen Zusammenhang der Nervenfasern mit den Nesselzellen in Abrede. Da aber das ganze Ectoderm aus homo- logen Zellen besteht, die eine ununterbrochene genetische Reihe bilden (kapselbildende — Nesselzellen — Epithelzellen), so ist keine einzige Ectodermzelle mit dem Nervenplexus verbunden; mit andern Worten, dem Eetoderm fehlt jede Innervation von seiten des Plexus. 396 A. Lipiy, Dieser Schluß wird auch durch direkte Beobachtung bestätigt. Im Ectoderm gibt es tatsächlich keinerlei Elemente, die mit dem Nerven- system in Verbindung stehen. So bleibt also nur die Muskulatur übrig, für welche man einen solchen Zusammenhang voraussetzen kann. Und in der Tat beobachtete ich mehr als einmal eine Ver- einigung der Nervenfasern mit den Muskelfasern. Fig. 67 gibt eine klare Vorstellung von diesem Zusammenhang. An der Stelle der Muskelfaser, an die die Nervenfibrille herantritt, ist eine Anhäufung von Protoplasma bemerkbar. In dieses Protoplasma dringen die Nervenfasern ein. Übrigens tritt die Nervenfaser oft direkt an die Muskelzelle heran. Auf Grund dieser Beobachtungen halte ich den Zusammenhang zwischen Nerven- und Muskelsystem bei Polypodium für erwiesen. In der Literatur ist die Frage nach diesem Zusammenhang bei den Cölenteraten ziemlich schwach bearbeitet. SCHNEIDER (1890) stellt eine ähnliche Vereinigung bei Hydra fest, wo nach seinen Worten die Nervenfibrille im Protoplasma der Epithelmuskelzelle in der Nähe der Muskelfaser endet, ebenso bei Æucharis multicornis (1892). NussBaum (1887) sagt über die Frage Folgendes: „Bei der Schwierigkeit einer derartigen Untersuchung muss ich mich jeder Angabe über etwaige Verbindungen [der Ganglienzellen. A. L.| mit Muskelzellen oder Nesselzellen enthalten.“ DELAGE (1901) leugnet einen solchen Zusammenhang trotz der positiven Erfolge einiger Forscher in dieser Frage. ‚JıickELı (1882) behauptet, daß die Epithelmuskelzelle imstande ist, Reize von auben durch den Teil ihrer Oberfläche aufzunehmen, der unmittel- bar an die äußere Umgebung grenzt, ähnlich wie es die Nesselzelle durch ihr Cnidocil tut. Der auf diesem Wege empfangene Reiz. wird durch die Ganglienzellen weiter fortgepflanzt. Da aber im Organismus vieler Hydroidpolypen Stellen existieren, denen Ganglien- zellen fehlen, so erkennt JıckeLı eine andere Art der Reizleitung an, unmittelbar von einer Muskelzelle zur andern „durch den ganzen Muskelplexus“, wie er sich ausdrückt. Derselben Ansicht huldigt Caux (1889—1892), nach dessen Meinung die unmittelbare Uber- tragung der Reize von einer Muskelfaser zur andern ausschließlich durch Plasmabrücken stattfindet. Ich sagte, dab Polypodium gar keine sensitiven Zellen aufweist. Andrerseits ist, wie wir schon wissen, sein Ectoderm ohne jegliche unmittelbare Verbindung mit dem Nervensystem. Auf welche Weise werden nun die intensiven Reize über den ganzen Körper des Poly- Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 397 podium verbreitet? Wie werden diese Reize aufgenommen, und was dient als Leiter derselben zum Nervenplexus? Auf diese Fragen gibt es offenbar keine andere Antwort als die Annahme, daß die Nessel- und Epithelzellen selbst die Fähigkeit besitzen, die Reize aufzunehmen und fortzuleiten. Von ihnen zeichnen sich durch die größte Fähigkeit zur Perception die Nesselzellen mit kleinen Kapseln aus, weil sie alle ein Perceptionsorgan besitzen — das Cnidocil. Die Perceptionsfähigkeit der Nesselzellen mit großen Kapseln und diejenige der Epithelzellen muß sehr begrenzt sein. Aber einen empfangenen Reiz durch sich fortleiten können wohl alle diese Zellen in gleichem Grade. Daß die mit einem Cnidocil versehenen Nesselzellen vorzüglich geeignet sind, äußere, mechanische Reize aufzunehmen, und in diesem Sinne die sensitiven Zellen ersetzen, erhellt schon aus der Verteilung der Nesselzellen mit kleinen Kapseln im Körper von Polypodium. Früher ist schon darauf hingewiesen worden, daß ihre Ver- teilung sich durch Gleichmäßigkeit auszeichnet. Eine Ausnahme bilden in dieser Hinsicht nur die Spitze des Mundkegels, wo diese Zellen sehr dicht gehäuft sind, und die Stiitztentakel. wo sie im Gegenteil nur in geringer Zahl vorhanden sind. Wenn man diese Tatsachen mit der Verteilung der Empfindlichkeit über den Körper von ÆPolypodium zusammenstellt, so findet man, dab zwischen der Verteilung der mit Cnidocilen versehenen Nesselzellen und der Verteilung der Empfindlichkeit eine vollkommene Überein- stimmung herrscht, da die Spitze des Mundkegels die größte, die Stütztentakel die geringste Empfindlichkeit zeigen. Die von außen kommenden Reize übertragen die Ectodermzellen (einerlei ob Epithel- oder Nesselzellen) durch ihren Körper auf die unter ihnen liegenden Gewebe. An dieser ihrer Fähigkeit, Reizleiter zu sein, zu zweifeln, liegt kein Grund vor, weil das Protoplasma dieser Zellen, wie wir sahen, nicht differenziert ist (in keiner Richtung) und als solches die Fähigkeit besitzen muß, empfangene Reize weiter zu leiten. Wie aber gelangt der auf diese Weise durch diese Zellen auf- genommene Reiz bis zum Nervenplexus, um sich über den Körper des Polypodium zu verbreiten? Mit andern Worten, welchen histo- logischen Elementen wird dieser Reiz mitgeteilt ? Wir sahen, daß die Ectodermzellen, sowohl die Nessel- wie die Epithelzellen, an der Stützlamelle mit dem in Form eines Stieles aus- Zool. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. 26 398 A. Liptn, gezogenen Basalende befestigt sind. Ebenso wissen wir, daß von der andern Seite der Stützlamelle Muskelfasern an dieser angeheftet sind. Bei der sehr geringen Dicke der Stützlamelle erscheint es ganz undenkbar, dab die Stiele der Ectodermzellen absolut keine Berührung mit den Muskelfasern haben sollten. Daher halte ich einen unmittelbaren Zusammenhang der Ectodermzellen mit den Muskelfasern für höchst wahrscheinlich. Somit gelangt der äußere Reiz durch die Ectodermzellen an die Muskelfasern, die darauf in spezifischer Weise reagieren, nämlich durch Kontraktion. Da aber bei Polypodium der Zusammenhang von Muskelfasern und Nerven- fasern keinem Zweifel unterliegt, so ist eben dank diesem Zusammen- hang hier die Fortleitung des Reizes von den Muskelfasern zum Nervenplexus möglich, und durch letztern wird er dann weiter über den ganzen Körper verbreitet. Gegen diese von mir vorgeschlagene Erklärung kann folgender Einwand erhoben werden: die mit Muskeln verbundenen Nerven sind sonst immer motorische, zentrifugale, leiten also den Reiz nach den Muskeln hin, während sie in dieser Hypothese umgekehrt als zentripetale. sensitive erscheinen. Dieser Einwand würde nicht ganz der Sachlage entsprechen. Denn nach meiner Hypothese wird der durch irgendeine Muskelfaser erhaltene Reiz durch den Nerven- plexus andern Muskelfasern überliefert, und diese Annahme ist in absolut gleicher Wahrscheinlichkeit auf jede Muskelfibrille anwend- bar, die mit dem Nervengewebe zusammenhängt. Wenn also die Fortleitung eines Reizes von der Faser A zur Faser B möglich ist, so existiert genau dieselbe Möglichkeit auch für die Fortleitung in umgekehrter Richtung. Somit gibt es nach meiner Ansicht im Nervensystem von Polypodium weder zentripetale noch zentrifugale Fasern, sondern sie besitzen alle die Fähigkeit, Reize in gleicher Weise in beiden Richtungen weiterzugeben. Diese doppelte Leitungs- fähigkeit ist, wie nachgewiesen, sogar für die Nerven höherer Tiere, der Säugetiere, festgestellt. Eine Differenzierung der Nervenfasern in speziell sensitive und motorische, d. h. das Vorhandensein eines nicht umkehrbaren reflektorischen Bogens, ist nur bei Vorhanden- sein eines zentralen Organs des Nervensystems, des Gehirns, möglich oder im äußersten Falle bei einer Anhäufung von Ganglienknoten, die die erste Anlage zu einem solchen bildet. Da aber bei den Hydro- polypen, vielleicht mit wenig Ausnahmen, keine derartigen Gebilde festgestellt sind, so kann bei ihnen von einer strengen Scheidung der Nervenfasern in zentrifugale und zentripetale auch nicht die Rede sein. Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 399 Somit besitzen nach meiner Ansicht alle Zellen der Epithelschicht des Ectoderms, d. h. sowohl die Nessel- wie die Epithelzellen, die Fähigkeit, Reize von außen aufzunehmen. Aber im Gegen- satz zu andern Zellen ist diese Fähigkeit bei den Nesselzellen mit kleinen Kapseln sehr stark entwickelt, da sie dank dem Vorhandensein des Cnidocils sehr feinfühlig gegen äußere mechanische Insulte sind und in diesem Sinne eben die Rolle der dem Polypodium fehlenden spezifischen Sinneszellen übernehmen. Die Fähigkeit, Reizezuübermitteln, ist wahrscheinlich bei allen Zellen der epithelialen Schicht des Ectoderms die- selbe. Um das Kapitel über das Nervengewebe abzuschließen, bleibt mir nur noch übrig, einige Bemerkungen hinsichtlich des entoder- malen Ursprungs desselben zu machen. Im Entoderm wurden Nervenelemente zuerst von den Ge- brüdern Herrwıc (1879) festgestellt und zwar bei einigen Actinien. Was aber die Hydropolypen angeht, so war Eucopella campanularia die erste Form, in deren Hypostom v. LENDENFELD (1883 a) ento- dermale Ganglienzellen fand. Letztere sind untereinander durch Nervenfasern zu einem Nervenplexus verbunden. Diese Zellen bilden einen Nervenring, den v. LENDENFELD für das Zentralnervensystem von Eucopella hält. Hinsichtlich der Entstehung dieses Ringes sagt er: „Wenn wir die Möglichkeit, daß die Ganglienzellen vom Ecto- derm stammen und die Stützlamelle durch- oder umwandert haben, ausschließen, so müssen wir annehmen, daß das Zentralorgan des Nervensystems der Æucopella-Polypen vom Entoderm stammt. Diese Tatsache ist ein neuer Beleg für die von vielen Seiten in neuester Zeit erkannte völlige Äquivalenz der Keimblätter der Cölenteraten.“ Dasselbe kann ich auch vom Nervengewebe von Polypodium sagen. Der Unterschied zwischen diesen und Hucopella besteht nur darin, daß bei ersterm im Ectoderm gar keine Nervenelemente vor- kommen und das ganze Nervengewebe sich im Entoderm befindet, bei der zweiten aber diese Verhältnisse nur im Hypostom beobachtet werden. Ich muß bemerken, daß die Hydropolypen überhaupt entweder nur ein ectodermales Nervensystem besitzen oder neben diesem auch ein entodermales; letzteres ist aber gewöhnlich im Vergleich zum ersten viel schwächer entwickelt. Hydropolypen mit bloß entoder- malem Nervengewebe hat man, soviel ich weiß, bisher nicht gefunden, und Polypodium ist in dieser Beziehung von allen Hydroiden wieder 26* 400 A. Lrriw, scharf unterschieden. Die Enträtselung dieser Tatsache, olaube ich, muß man in derselben umgekehrten Anlage der Embryonalschichten bis zum Augenblick der Aus- stülpung suchen, die uns schon bei der Erklärung der nicht weniger rätselhaften Tatsache diente, daß nämlich die Längsmuskulatur bei Polypodium entodermalen Ursprungs ist. Das Entoderm. Das Entoderm von Polypodium ist in seinen verschiedenen Ent- wicklungsstadien nicht von gleicher Art. In der nicht ausgestülpten Form umkleidet es den ganzen Stolo mit den Knospen von auben (Fig. 24), auf diese Weise unmittelbar mit der Außenwelt in Be- rührung tretend; in den freilebenden Stadien aber begrenzt es den innern, gastrovascularen Raum des Körpers, und nur an der Spitze des Mundkegels geht es direkt in das Ectoderm über, dabei, wie oben gesagt, die Konturen der Mundöffnung bildend. An Schnitten von diesem Stadium gibt das Entoderm folgendes Bild. An der Stelle des unmittelbaren Überganges ins Ectoderm beginnend, steigt es in Gestalt eines beiderseits abgeflachten Rohres abwärts und bildet so einen Schlund. An den Stellen, wo die entgegengesetzten Enden des spaltenförmigen Schlundes an den gastrovascularen Raum angrenzen, bildet das Entoderm zwei kolbenförmige Vorsprünge, die in diesen Raum hinabhängen. Das sieht man sehr deutlich in den Figg. 68—71, welche Längsschnitte in zwei gegenseitig per- pendikulären Richtungen (parallel und senkrecht zur Mundspalte) von Repräsentanten dreier verschiedener Generationen freilebender Polypodien zeigen. nämlich mit 24, 12 und 6 Tentakel. Durch die Entodermerhebung der letzten Form sind der größern Anschaulich- keit halber drei aufeinanderfolgende Längsschnitte senkrecht zur Mundspalte geführt. Die Rolle dieser Erhebungen blieb mir voll- kommen unverständlich. In den bisymmetrischen Formen (24 u. 12 Tentakel) liegen gleich hinter dem Mundkegel 2 Gruppen von Tentakeln, zu 6 in jeder Gruppe. An den geschlossenen Linien, welche die Flächen des Körpers begrenzen, innerhalb deren diese Tentakel beginnen, welche von außen durch die durchsichtige Wand des Körpers gut erkennbar sind, liegt das Entoderm unmittelbar dem Ectoderm an. An der Basis der Tentakel aber, ebenso wie im Mundkegel, wo also zwischen den beiden Embryonalschichten eine mächtige Schicht von Mesoglöa ein- geschaltet ist, drückt letztere das Entoderm in den Körperraum hinein. Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 401 An den übrigen Stellen, die durch das Fehlen der Mesoglöa charak- terisiert sind, schmiegt sich das Entoderm ganz oder fast ganz (zu- weilen einen engen spaltförmigen Raum freilassend) dem Ectoderm an. An den Stellen der Körperwand, wo keine Tentakel sind, nimmt die unmittelbare Berührung der beiden Schichten eine be- deutende Fläche ein, und dort, wo zwei unabhängige Mesoglöa- schichten aneinandergrenzen (z. B. die Mesoglöa des Mundkegels und der beiden ihm anliegenden Tentakelgruppen), muß das Entoderm auf jeden Fall eine Falte bilden, welche, sich direkt an das Ecto- derm anschließend, diese 2 Mesoglöaschichten trennt (Fig. 68). Ich sagte schon, daß während der Umstülpung des Polypodium im Rogenkörnehen der Dotter des letztern mechanisch ins Innere der Knospen gedrückt wird und dort als Vorrat von Nahrungsmaterial liegen bleibt. Die weitern Verwandlungen dieses Dotters, soweit man sie an den Schnitten verfolgen kann, sind folgender Art. Die erste Phase des Verdauungsprozesses, beginnend mit dem Moment der Ausstülpung, wird dadurch charakterisiert, daß die Entodermzellen Dotterkörnchen in ihr Inneres aufnehmen, wie das auf Fig. 72 zu sehen ist. Hier werden diese Körnchen allmählich verdaut, und gleichzeitig erscheinen im Entoderm (zweite Phase) Produkte einer Ausscheidung in Form äußerst kleiner, dunkler Tröpfchen (Fig. 73). Während der Dotter, der noch gar nicht dem Verdauungsprozeß unterworfen war, das Aussehen von starklicht- brechenden, sich intensiv färbenden, scharf umerenzten Körnern von verschiedener Größe hat, verliert derselbe nach Einwirkung der Ver- dauungstätigkeit der Entodermzellen seine scharfen Konturen und seine stark lichtbrechende Eigenschaft und wird, infolge seiner schwachen Färbung, im Entoderm wenig bemerkbar (Fig. 73). Als charakteristisches Moment der dritten Phase erscheint die Ablage- rung von Fettreservestoffen im Entoderm in Form von größern oder kleinern Kügelchen (Fig. 74). Ihr Fettcharakter wird durch ihr Verhalten zur Osmiumsäure bewiesen, durch welche sie intensiv schwarz gefärbt werden. Wenn ein solches Kügelchen aus dem Entoderm herausfällt (z. B. während des Schneidens mit dem Mikrotom), so bleibt an seiner Stelle ein heller Kreis, der seinem Umfange nach diesem Kügelchen entspricht. In der dritten Phase des Verdauungs- prozesses, die in den freilebenden Formen stattfindet, gibt es im Entoderm keinen unverdauten Dotter mehr: er unterlag vollkommen der assimilierenden Tätigkeit des Entoderms, wobei ein Teil desselben zum Aufbau der Gewebe beim weitern Wachstum des Tieres dient, 402 A. Liris, und der Überschuß in Form von Reservenährmaterial (-Fettsubstanz) abgelagert wird. Man kann sich also das Bild des Verdauungsprozesses bei Poly- podium nach der Ausstülpung folgendermaßen vorstellen. Das Ento- derm nimmt aktiv Dotter in sich auf, der einer langsamen Ver- dauung unterliegt; nach Maßgabe des Verlaufes dieses Prozesses scheidet das Entoderm in Form sehr kleiner Trépfchen Excretsub- stanzen aus. Diese Sachlage hält solange an, bis die Menge ver- dauten Dotters dem Nahrungsbedürfnis genügt hat, welches durch das Wachsen des Organismus bestimmt wird. Sobald dieser Moment eingetreten ist, beginnt im Entoderm sozusagen eine Überproduk- tion an Nährstoffen, und der so erzielte Überschuß wird in Form von Fettreservesubstanzen abgelagert, auf deren Kosten die weitere Ernährung des Polypodium erfolgt. Nach vollkommenem Verbrauch dieser Vorräte geht das Polypodium an Hunger zugrunde, da es aus dem umgebenden Medium keine Nahrung aufnimmt; wenigstens ge- lang es mir kein einziges Mal diesen Prozeß zu beobachten. Meine Vorgänger (Owssannikow, Ussow) behaupten gesehen zu haben, wie einige Tentakel, an denen verschiedene kleine Tiere haften geblieben waren, sich zur Mundöffnung einbogen und so diese Tiere dem Munde nahe brachten, worin die erwähnten Autoren eine Nahrungsaufnahme aus dem äußern umgebenden Medium erblicken. Ich erkläre diese Erscheinung ganz anders: die kleinen Tiere, die an den Tentakeln hafteten, bewirkten einen Reiz derselben, und die Tentakel bogen sich zur Mundöffnung ein, indem sie so die für sie charakteristische Reaktion auf den Reiz ausübten. Bei der Form mit innenliegenden Tentakeln besteht das Ento- derm aus einfachen cylindrischen Epithelzellen ohne jegliche Fort- sätze (Fig. 75). Im kontrahierten Zustande verkürzen sich diese Zellen bedeutend, und dann verwandelt sich das Entoderm aus einem eylindrischen Epithel in ein kubisches, wie das auf Fig. 24 B, D und 25 zu sehen ist. Somit stellt das Entoderm in der Wand der Knospe nichts Besonderes dar. Aber in der Wand des Stolos verändert sich der Charakter des Entoderms bedeutend (Fig. 24 Æ): seine Zellen verlieren ihre cylindrische Gestalt und haben auf Schnitten ein den Epithelzellen des Ectoderms sehr ähnliches Aussehen (Fig. 24 E). Für mich unterliegt es keinem Zweifel, dab wir es hier mit Drüsenzellen des Entoderms zu tun haben. Leider gelang es mir nicht, an Macerationspräparaten diese Zellen aufzufinden, doch erkläre ich diesen Mißerfolg eben durch die allzu grobe Ähn- Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 403 lichkeit derselben mit Ectodermzellen, unter denen sie wahrscheinlich sich verlieren. Einen unwiderleglichen Beweis für diese Anschauung führe ich einige Zeilen weiter an. Der Übergang von der parasitischen zur freien Lebensweise wird für das Entoderm vor allen Dingen durch das Auftreten von Geißelfäden, zu je einem an jeder Zelle, bezeichnet. Das ist auch begreiflich: solange der Organismus im Rogenkorne lebte, war sein Entoderm vom Dotter, also einer festen Masse umgeben, und daher waren Geißelfäden unnötig und überflüssig. Sobald aber das Tier zum Leben in Wasser übergeht, d. h. in ein flüssiges Medium, so gewinnt das Entoderm sofort den Charakter eines Geibelepithels, das nunmehr unbehindert seine Funktion ausüben kann. Die entodermalen Epithelzellen der ausgestülpten Form haben das gewöhnliche cylindrische Aussehen und besitzen einen großen Kern mit Nucleolus. Oft kann man in ihrem Innern Körnchen von noch unverdautem Dotter sehen oder kleine Tropfen von Excretions- substanz (Fig. 76). Neben solchen Zellen trifft man ähnliche Geißel- zellen an, die mit einem Geißelfaden versehen sind (Fig. 77), welcher sich gewöhnlich im Innern der Zelle bis zum Kern selbst verfolgen läßt. Außerdem kann man hier noch drüsige Zellen feststellen, die eine becherartige Form haben (Fig. 78). Einige von ihnen besitzen ebenfalls einen Geißelfaden (Fig. 79). Das Protoplasma der drüsigen Zellen hat eine netzförmige resp. körnige Struktur. Dieselben Elemente (Fig. 80) finden wir auch im Entoderm späterer Stadien, nur mit dem Unterschiede, daß in ihnen die Zahl der Geibelzellen bedeutend vermehrt ist, so dab man im Entoderm z. B. des Mundkegels der freilebenden Form am lebenden Objekt einen ganzen Wald von Flimmerhaaren sehen kann. Die Geibel- zellen können je nach dem Grade der Kontraktion eine sehr ver- schiedene Form annehmen. Bei starker Kontraktion werden ihre Ausmaße nach Länge und Breite fast gleich (Fig. 81); bei der Ausdehnung verlängern sich umgekehrt die Zellen ganz ungewöhn- lich, so sehr, daß sie sich an gewissen Stellen in einenfeinen Faden ausziehen (Fig. 82). An Schnitten fallen die Drüsenzellen zwischen den gewöhnlichen Epithelzellen durch ihre Kôrnigkeit und intensivere Färbung auf (Fig. 74 u. 83). Aber außer solchen Zellen gibt es noch eine andere Art drüsiger Elemente des Entoderms. Das Vorhandensein eben dieser Zellen dient auch als unwiderleglicher Beweis für das Vor- handensein von Drüsenzellen im Stolo der unausgestülpten Form, 404 A. Lıpım, wovon ich oben gesprochen habe. Das äußere Aussehen dieser Zellen ist im höchsten Grade dem der Epithelzellen des Eetoderms ähnlich; von den letztern unterscheiden sie sich nur durch das Vorhanden- sein einer Geifel und zuweilen durch die Gegenwart von Excretions- produkten (Fig. 84). In frühern Entwicklungsstadien, also z. B. in der Form mit innern Tentakeln, wo die Geißel fehlt, können sie leicht für Ectodermzellen gehalten werden. Einige Ectodermzellen des Mundkegels bilden an ihren Enden, die dem Ectoderm zugewandt sind, charakteristische Auswüchse, welche, als kegelförmige Erhebungen beginnend, in Gestalt dünner Fäserchen in die Mesoglöa hineingehen (Fig. 83) und mit den Fasern der Mesoglöa oft anastomosieren. Zuweilen zieht sich solch ein Fortsatz vom Entoderm durch die ganze Mesoglöaschicht und tritt bis an die Stützlamelle heran. Die Flächenansicht des Entoderms ist für alle Stadien der Ent- wicklung gleich (Fig. 85): die Zellen erhalten dank dem gegen- seitigen Drucke eine polygonale Form. Mir bleibt noch übrig, jene Entodermstränge in den Tentakeln zu beschreiben, von denen ich schon früher gesprochen habe. Solche Stränge sind in der Literatur unter verschiedenen Benennungen be- kannt: entodermales Bindegewebe (Hamann), axiales Gewebe — die dritte Körperschicht (Jıckeuı), entodermales Stützgewebe (CHUN) usw. An Längsschnitten durch die Tentakel von Polypodium erscheinen diese Stränge in folgender Gestalt. In die Tentakel eintretend, bildet das Entoderm erst eine Vertiefung; danach fließen seine Zellen in einen zusammenhängenden, kompakten Strang zusammen, wobei eine Abgrenzung des Körperentoderms gegen das Tentakel- entoderm durch die Stützlamelle, wie das bei sehr vielen Hydro- polypen beobachtet wird, bei Polypodium fehlt. Hierzu muß man noch hinzufügen, dab der Charakter der Entodermzellen bei diesem Übergange sich bedeutend ändert (Fig. 25). Indem die Zellen ihre cylindrische Form verlieren, werden sie unregelmäßig, und ihre der Mesoglöa zugewandten Enden spitzen sich zu und gehen allmählich in dünne, lange Fortsätze über, die mit den Fasern der Mesoglöa anastomosieren. In der Länge des Tentakels liegen diese Zellen (auf den Schnitten) annähernd in 2 Reihen. Sie sind soweit fest mitein- ander verbunden, daß es mir bei der Maceration nie gelang, sie 1S0- liert zu erhalten; ich konnte stets nur einen ganzen Strang ab- scheiden (Fig. 50). Dieser Strang verläuft im Tentakel, besonders bei dessen Kontraktion, im Zickzack. Ist der Tentakel ausgestreckt, Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 405 so haben die Strangzellen annähernd die gleiche Ausdehnung in beiden einander perpendikulären Richtungen, parallel und senk- recht zur Tentakelachse (Fig. 50. Wenn der Tentakel aber sich zusammenzieht, so flachen sich die Zellen in der Richtung dieser Achse ab. Über die Funktion des axialen Gewebes (nach Jıckzur's Ter- minologie) existieren in der Literatur auseinandergehende Meinungen. Hamann (1882) schreibt ihm die Rolle eines Antagonisten der Längs- muskulatur zu, der infolge seiner Elastizität passiv wirkt. JICKELI (1882) hält es für fähig zu aktiver Veränderung der Tentakelfasern. Nach Caux (1889— 1892) spielt es die Rolle einer Stützsubstanz. Was Polypodium anlangt, so erfüllen bei ihm die Entoderm- stränge in den Tentakeln offenbar eine zweifache Funktion: einer- seits dienen sie zusammen mit der Mesoglüa als Stütze, andrerseits aber wirken sie dank ihrer Elastizität der Tentakelmuskulatur entgegen und dehnen die Tentakel bei Erschlaffung der Muskel- fasern aus. Zum Schlusse möchte ich noch einige theoretische Betrachtungen über die morphologische Bedeutung der verschiedenen Stadien von Polypodium hydriforme hier anreihen. Wie wir sahen, muß von allen Knospen am Stolo die Knospe mit 12 Tentakeln als Grundform an- gesehen werden, und ebenso muß man unter allen freilebenden Generationen die mit 12 Tentakeln als Grundform gelten lassen. Letztere ist somit bei der ganzen Mannigfaltigkeit der bisher be- kannten Stadien der Entwicklung von Polypodium die einzige Form, die sozusagen den eigentlichen Grundtypus von Polypodium darstellt. Die übrigen Stadien aber, wie der Stolo mit den Knospen, die Form mit 24 und die mit 6 Tentakeln, sind inkonstante, temporäre oder Übergangsformen, die verschiedene Modifikationen der ursprünglichen Form mit 12 Tentakeln repräsentieren, welche letztere mehr oder weniger maskieren. In der Tat, was ist denn der Stolo mit den Knospen? Ist er als ein Individuum oder eine Kolonie solcher aufzufassen? Mir scheint, daß diese Frage nur eine Antwort zuläßt. Es steht auber Zweifel, daß man den Stolo mit den Knospen auf keinen Fall für ein einzelnes Individuum halten kann. Dagegen sprechen folgende Erwägungen. Die Zahl der Knospen an heilen Stolonen variiert, wie wir wissen, in weiten Grenzen. Die beim Zerfall entstehenden Teile des Stolos unterscheiden sich voneinander und von frischen 406 A. Leis, Stolonen nur durch die Zahl der Knospen. Somit haben wir das vollste Recht, die heilen Stolonen wie auch ihre Teile als morpho- logisch einander gleichwertig zu betrachten. Sieht man also einen Stolo als Individuum an, so kommen wir zu dem sinnlosen Schlusse, daß der ganze Organismus einem seiner Teile äquivalent ist. Auber- dem ist dann, da die heilen Stolonen sich durch die Zahl der Knospen voneinander unterscheiden, also einander nicht ganz gleich- wertig sind, der Stolo eines Hauptmerkmals eines Individuums bar, ihm fehlt dann die Konstanz der Zahl seiner Teile oder Organe. Endlich gestattet noch eine Überlegung nicht, den Stolo als ein einziges Individuum zu betrachten. Jeder Organismus, der fähig ist, sich durch Teilung zu vermehren, wird sich unter ein und den- selben Bedingungen stets in gleicher Weise teilen, wobei als Teilungs- resultat stets dieselben Teile oder Individuen erscheinen. Der Stolo aber, wie wir wissen, teilt sich in höchstem Grade unregelmäßig, da die Knospenzahl an den beim Zerfall entstehenden Teilen sehr verschieden sein kann und ähnlich der Knospenzahl an heilen Sto- lonen in ziemlich weiten Grenzen variiert. Alle diese Überlegungen führen zu dem unabweisbaren Schluß, daß der Stolo mit seinen Knospen nicht als Einzelindividuum aufgefaßt werden kann, sondern eine Kolonie von Organismen vorstellt, die von mir nach Ussow’s Terminologie als Knospen bezeichnet wurden. Da aber unter allen Knospen die 12tentakelige, wie erwähnt, als Grundform zu gelten hat, so ist es klar, daß der Stolo mit seinen Knospen im Grunde genommen eine Kolonie von Individuen mit 12 Tentakeln darstellt, die infolge rein äuberlicher Umstände, nämlich des Eingeschlossenseins im Rogen- korn, in welchen sie sich währendihrer parasitischen Lebensperiode entwickeln müssen, sich nicht vonein- ander trennen, sondern mitihren Mundkegeln vereint bleiben, welche in ihrer Gesamtheit den Stolo bilden. Hier wird offenbar infolge mechanischer Ursachen, durch den Druck einerseits der Eihülle, andrerseits des Dotters, die Trennung der Individuen sozusagen auf halbem Wege aufgehalten. Befreit sich aber das Polypodium aus dem Rogenkorn, so hört der Einfluß dieser Ursachen auf, und die Teilung wird vollendet; die einzelnen Teil- stücke isolieren sich allmählich, und so erscheinen schließlich die freilebenden Formen, die wir zweifelsohne als einfache Individuen ansehen müssen. Von diesem Gesichtspunkt aus ist es vollkommen begreiflich, weshalb die heilen Stolonen sich so scharf in ihrer Größe Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 407 unterscheiden: diese Größe, die durch die Knospenzahl am Stolo bestimmt wird, hängt offenbar direkt von dem Zeitraume ab, den der Stolo zu seiner Entwicklung im Innern des Rogenkorns brauchte. Je länger diese Periode ist, desto größer wird die Kolonie, d. h. der Stolo mit seinen Knospen. Da nun der Stolo nur die Gesamtheit gewisser Teile der Knospen ist, so bildet er keinen selbständigen Teil der Kolonie; daher ist es schwer anzunehmen, daß er unabhängig von den Knospen existieren könnte, ohne Zusammenhang mit ihnen. Aus diesem Grunde kann man auch kaum darauf rechnen, als frühestes Stadium der Ent- wicklung von Polypodium bloß einen Stolo ohne Knospen zu finden. Eher kann man annehmen, daß zunächst eine Form entsteht, welche derjenigen mit 12 Tentakeln gleichwertig ist, aber mit umgekehrter Anlage der Embryonalschichten, und daß sich erst diese Form auf dem Wege fortschreitender, unvollständiger Teilungen in eine Kolonie solcher Individuen, d.h. in den Stolo mit Knospen verwandelt. Das ist aber vorläufig nur eine Voraussetzung; wie jedoch der Vorgang in Wirklichkeit abläuft, bleibt weitern Forschungen vorbehalten. Wenden wir uns nun den freilebenden Generationen zu. Die Form mit 24 Tentakeln ist nichts anderes als ein Übergangsstadium bei der Verwandlung einer 12tentakeligen Form in zwei solche. Dieses Auftreten einer Zwischenform charakterisiert die erste Periode des Freilebens von Polypodium. Nach Maßgabe der allmählichen Veränderung der Ernährungsbedingungen (Verbrauch des Nähr- materials) treten solche Stadien immer seltner auf, und in der zweiten Periode des Freilebens verläuft die besagte Verwandlung unmittel- bar, ohne, irgendwelche Zwischenformen, auf dem Wege des typischen Teilungsprozesses des Individuums in zwei der Mutterform voll- kommen gleiche Tochterformen. Im Beginne der dritten Periode entstehen aus der 12Tentakelform zwei solche wieder unter Ein- schaltung eines Zwischenstadiums, welches jetzt aber 6 Tentakel besitzt. Weiterhin können infolge von Mangel an Nahrung die Formen mit 6 Tentakeln sich nicht wieder zu solchen mit 12 Ten- takeln ergänzen, und die Bildung dieser Formen hört endlich ganz auf. Infolge der Degeneration der Tentakel !) nehmen die Individuen 1) Die Tentakel von Polypodium sind in plastischer Hinsicht über- haupt sehr veränderlich; ebenso leicht, wie sie sich bei UberfluB an Nahrungsstoff bilden, degenerieren sie beim Fehlen desselben. 408 A. Lirry, mit 6 Tentakeln immer mehr reduzierte Formen an und werden zu solchen mit drei, zwei, ja sogar mit bloß einem Tentakel. Schließ- lich findet man am Boden der Aquarien lebende, formlose, vielzellige Klümpchen, die aller äußern Organe entbehren. Alles dieses spricht. ohne Zweifel dafür, daß wir in den beschriebenen Formen, beginnend mit der mit 6 Tentakeln, nicht normale Formen, sondern Hunger- formen vor uns haben. Der anomale Charakter der 6Tentakelform folgt auch aus folgender Überlegung. Die 24 und 12Tentakelform sind doppelt symmetrisch, d. h. sie besitzen 2 Symmetrieebenen, von denen die eine’ als Hauptebene bezeichnet werden kann, da sie gleichzeitig auch die Teilungsebene des Individuums bildet. Diese Ebene fehlt aber gerade der Form mit 6 Tentakeln, welche nur die sekundäre Symmetrieebene behält, die also zum Unterschiede von den vorhergehenden Formen als monosymmetrisch erscheint. Infolgedessen ist die 6Tentakelform gezwungen, um sich auf ihre Tentakel stützen zu können, erstens die Tasttentakel als Stütz- tentakel zu benutzen, da sie von letztern nur ein Paar besitzt, auf dem sie sich nicht im Gleichgewicht erhalten kann, und zweitens. mub sie unbedingt eine Seitenlage annehmen, wobei der Mundkegel und die Mundöffnung seitwärts gerichtet sind, während bei den normalen, freilebenden Formen gerade die Richtung der Mundöffnung nach oben eines ihrer Hauptmerkmale ist. Im Beginne der 3. Periode des Freilebens von Polypidium, wenn die 6Tentakelformen zu er- scheinen beginnen, besitzen letztere noch einigen Nahrungsvorrat. Daher hört hier der Prozeß der Wiederbildung von Tentakeln noch nicht auf, sondern wird im Vergleich zum Teilungsprozesse des In- dividuums nur stark aufgehalten, und die degenerative 6Tentakel- form wird dank der genügenden Ernährung wieder normal, indem sie sich in die Form mit 12 Tentakeln verwandelt. Sobald aber der Nahrungsvorrat definitiv aufgezehrt ist, geht für die 6Tentakel- form jede Möglichkeit einer Wiederherstellung ganz verloren; dann führen die Degenerations- und Reduktionsprozesse schließlich zur Bildung jener Mißgeburtsformen, von denen ich oben sprach. Nachdem wir somit den morphologischen Wert der bisher be- kannten Entwicklungsstadien von Polypodium festgestellt haben, können wir zwischen den zwei Lebensperioden von Polypodium, der parasitischen und der freien, folgende Parallele aufstellen. Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. Parasitische Lebensperiode: Der Stolo mit den Knospen bildet im Grunde eine Kolonie von 12tentakeligen Individuen, die infolge des Einflusses äußerer Um- stände nicht vollkommen vonein- ander getrennt sind. Von allen am Stolo auftreten- den Knospen ist die mit 12 Ten- takeln die Grundform. Die Knospe mit 24 Tentakeln ist eine Zwischenstufe bei der Bildung von zwei 12Tentakel- knospen aus einer solchen. Die Knospenbildung setzt sich aus zwei Prozessen zusammen, der Neubildung von Tentakeln und der Teilung der Knospe. Während der parasitischen Lebensperiode ernährt sich das Polypodium vom Dotter des Ster- leteies. 409 Periode des Freilebens: Im Verlaufe des freien Lebens von Polypodium erscheint eine Reihe von Individuen, die im Grunde genommen eine Gesamtheit von 12Tentakelformen bilden. Von allen freilebenden Formen ist die mit 12 Tentakeln die Grundform. Die freilebende 24Tentakelform list ein Ubergangsstadium bei der Bildung von zwei 12Tentakel- ‚formen aus einer solchen. Die Bildung der freilebenden Form besteht aus zwei Prozessen, der Neubildung von Tentakeln ‚und der Teilung des Individuums. In der Freilebensperiode ') fährt das Polypodium fort sich — sozu- sagen — parasitisch zu nähren, da ihm als Nahrungsmaterial auch jetzt der Dotter dient, welcher es ‚während seines Aufenthaltes im 'Rogenkorn als Vorrat aufnahm. In diese tabellarische Zusammenstellung ist die 6Tentakelform nicht aufgenommen. In der Tat unterscheidet ihr Auftreten die Periode des Freilebens von Polypodium von der parasitischen Periode, in der sie kein Homologon besitzt. Aber beide Perioden, zwischen denen die Parallele gezogen wurde, sind gleichzeitig genetisch mit- einander verbunden, da die Periode des Freilebens als unmittelbare Fortsetzung der parasitischen Periode erscheint; nur im allgemeinen bilden also diese beiden Perioden ein Ganzes, den ununterbrochenen Entwicklungs- und Lebensprozeß von FPolypodium, soweit uns die Stadien desselben bekannt sind. Daher kann man das Vorhanden- sein der 6Tentakelform bei bloß einer der Perioden, die im übrigen einander vollkommen analog sind, als Bestätigung davon ansehen, 1) Wenigstens im Aquarium. 410 A. Leim, daß die 6Tentakelindividuen unnormale, resp. Degenerationsformen vorstellen. Der anomale Charakter dieser Formen macht Ussow’s Annahme ganz unwahrscheinlich, „daß in der 6 Tentakeln tragenden Enkelform das zukünftige Geschlechtstier zusswchen”sei..) Die geschlechtsreife Form wird man eher in der 12tentakeligen Grundform zu suchen haben. Mir aber gelang es wenigstens bisher nicht, hier das Vorhandensein von Geschlechtselementen mit Sicher- heit festzustellen. Dies sowie die augenblicklich noch unbekannten frühesten Entwicklungsstadien von Polypodium aufzufinden, wird die Aufgabe künftiger Untersuchungen sein, die, wie wir hoffen, uns endlich den vollen Lebenszyklus dieses merkwürdigen Hydroiden er- schließen werden. Zusammenfassung. Ich will nun kurz die Resultate meiner Untersuchungen über Polypodium zusammenstellen. 1. Das früheste der von mir untersuchten Stadien der Entwick- lung von Polypodium hat das Aussehen eines Stolos, an dessen einer Seite Knospen sitzen. Der Stolo liegt im Innern eines Rogenkorns, zu einer Spirale zusammengewunden. Im Innern jeder Knospe be- finden sich 12 primäre Tentakel, symmetrisch zu je 6 auf jeder Seite gelegen. Von diesen 6 Tentakeln nenne ich die zwei kürzern und dickern Stütztentakel, die übrigen 4 Tasttentakel. Bei der weitern Entwicklung entstehen in der Knospe oben am distalen Ende hinsichtlich des Stolos noch 2 Gruppen von je 6 Tentakeln, die ebenfalls symmetrisch liegen sowohl zueinander als auch zu den primären Tentakeln. Das sind die sekundären Tentakel. Der Stolo besitzt einen mit den Knospen gemeinsamen, allseitig geschlossenen Hohlraum und ist durch die umgekehrte Lagerung der Embryonalschichten charakterisiert: das Ectoderm liegt innen, das Entoderm außen (Anpassung an die Er- nährungsverhältnisse). 2. Im Verlaufe der weitern Entwicklung stülpen sich der Stolo und die Knospen um. Erst erscheinen an beiden Enden der Knospenspitze Einstülpungen, die immer tiefer und tiefer werden. Die Tentakel drängen sich infolgedessen im Hohlraum des Stolos dicht zusammen. Danach entsteht in der den Knospen gegenüber- 1) Mein Sperrdruck. Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 411 liegenden Wand des Stolos eine Offnung, aus der die Tentakel hin- austreten, wonach sich die ganze Knospe durch diese Öffnung aus- stülpt. Die Öffnungen in der Wand des Stolos treten ohne jede gesetzmäßige Folge auf, fließen aber schließlich in eine Spalte zu- sammen, die längs dem Stolo von einem Ende bis zum andern geht. Sobald sich der ganze Stolo mit den Knospen durch die Spalte aus- gestülpt hat, wächst sie zu, und wir erhalten wieder einen Stolo, welcher mit den Knospen einen gemeinsamen Hohlraum besitzt, der jeder Kommunikation mit der Außenwelt entbehrt. Nunmehr sind die Tentakel außen, und die Embryonalschichten haben die normale Lage: das Ectoderm außen, das Entoderm innen. Während des Ausstülpungsprozesses, der im Innern des Rogenkorns erfolgt, wird der Eidotter mechanisch in den Hohlraum der Knospen hineingezwängt und bleibt somit wieder in Berührung mit dem Entoderm. 3. Nach dem Laichen wird das Polypodium aus dem Rogen- korn frei und geht zum freien Leben im Wasser über. Am frisch ausgestülpten Stolo ist die Zahl der Knospen nicht be- stimmt, sondern variiert in ziemlich weiten Grenzen. Einige Zeit nach dem Übergange des Polypodium von der parasitischen zur freien Lebensweise beginnt der Zerfall des Stolos, der aber unregelmäßig: verläuft und zur Bildung einer Form mit 12 Tentakeln führt. Diese 12Tentakelform muß man als Grundform aller freilebenden Formen ansehen, da sie zwei andere Generationen erzeugt, nämlich die mit 24 und die mit 6 Tentakeln. Die Bildung der einen wie der andern Generation hängt von der Kombination zweier Prozesse ab: der Neubildung von Tentakeln und der Teilung. Im Beginne des Freilebens waltet der erste Prozeß vor, daher entsteht aus einer 12Tentakelform eine mit 24 Tentakeln; ferner gehen beide Prozesse gleichzeitig und parallel vor sich, woher eine Form mit 12 Tentakeln zwei mit 12 Tentakeln liefert. Gegen Ende des Freilebens herrscht der zweite Prozeß vor, und so wird aus einer 12Tentakelform ein Paar mit je 6 Tentakeln gebildet. Das allmähliche Sinken der Energie der Neubildung von Tentakeln hängt mit dem Verbrauch des Vorrats an Nährmaterial zusammen, das nicht erneuert wird, da das Tier keine Nahrung aus dem umgebenden Medium aufnimmt. 4. Die morphologische Differenzierung der Ten- takel von Polypodium in Stütz- und Tasttentakel stimmt vollkommen mit ihrer physiologischen Diffe- 412 A. Lipiy, renzierung überein, d. h. mit der verschiedenen Funktion der einen und der andern: die erstern dienen als Gangfüße und An- heftungsorgane, die zweiten übernehmen die Rolle eines Verteidi- sungsorgans. Die Tasttentakel sind nicht von gleicher Länge: das äußere Paar ist länger als das innere. 5. Bei der Anlage neuer Tentakel kann man eine ge- wisse Ordnung beobachten sowohl nach Raum wie nach Zeit, woher das Gesetz dieser Anlage in 2 Thesen gefaßt werden kann: a) jede neuauftretende 6Tentakelgruppe wird hinsichtlich einer der schon bestehenden ebensolchen Gruppen immer symmetrisch angelegt und zwar so, daß die Tentakel dieser 2 Gruppen (der alten und der neuen) in zwei geschlossene konzentrierte, krumme Linien ein- geschlossen werden können. an denen die innere durch die 4 Stütz- tentakel, die äußere durch die 8 Tasttentakel geht; b) zuerst wird das Paar äußerer Tasttentakel angelegt, dann folgt ein Paar Stütz- tentakel, und zuletzt erscheint das Paar mittlerer Tasttentakel. 6. Die Bildung des Mundes von Polypodium geht gleichzeitig mit dem Zerfall des Stolos vor sich. Auf der den Knospen gegenüberliegenden Seite desselben, d. h. dort, wo früher die Öffnung für die Ausstülpung sich befand, erscheinen ohne jede Ordnung spaltenförmige Öffnungen, die in der Längslinie des Stolos liegen. Die Bildung dieser Mundspalten steht in keiner bestimmten Beziehung zum Teilungsprozesse des Stolos, so daß seine Teile, die als Resultate des Zerfalles erscheinen, schon eine fertige Mund- öffnung besitzen können oder auch gar keine; im letztern Falle er- scheint die Mundöffnung dann später. Aus dem Vorhergehenden wird ersichtlich, daß zur Bildung des Mundkegels der freilebenden Formen nicht nur der Stiel der Knospe verwandt wird, mit dem sie am Stolo sitzt, sondern auch ein entsprechender Teil der Wände des letztern. 7. Das Ectoderm von Polypodium besteht aus Zellen von dreierlei Art: Epithel-, Nessel- und Embryonalzellen. Die Epithel- zellen sind durch einen großen vacuolisierten Abschnitt an ihrem distalen Ende charakterisiert; das Basalende ist zu einem Stiel aus- gezogen, doch bildet letzterer keinen morphologisch differenzierten Teil der Zelle, sondern erscheint als ein unter rein äußeren, mechanischen Einflüssen (Druck des umgebenden Gewebes) aus- sestrecktes Ende derselben. Die Nesselzellen zerfallen in Zellen mit großen und mit kleinen Kapseln. Die ersteren sind nur an den Stütztentakeln vereint und hauptsächlich an deren Enden; Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 413 die letztern sind ziemlich gleichmäßig über den ganzen Körper ver- teilt mit Ausnahme des Randes der Mundöffnung, wo sie sehr dicht gedrängt stehen, und der Stütztentakel, wo sie im Gegenteil in relativ geringer Zahl vorhanden sind. Die großen Kapseln sind kugelförmig, mit doppelt konturierter Wand, die an einer Stelle eine konische Erhöhung bildet, an deren Spitze der Nesselfaden be- ginnt. Diese Wand besteht aus 2 Hüllen: einer innern, dünnen, weichen und einer äußern, dicken und festen; beide Hüllen sind elastisch. Der Nesselfaden liegt im innern der großen Kapsel un- ordentlich zusammengerollt, und zwischen seinen Windungen sind Secretkörner eingeschlossen, die aus einer gelblichen, lichtbrechenden Substanz bestehen. Der Nesselfaden ist eine dünnwandige, lange Röhre, die außen von einer sehr dünnen Spirale umwunden ist. Bei der Entladung stülpt sich dieser Faden aus, wovon man sich durch unmittelbare Beobachtung überzeugen kann. Die kleinen Kapseln sind den großen sehr ähnlich, unterscheiden sich aber von ihnen durch geringere Größe. Ihr Faden unterscheidet sich von dem der großen Kapseln durch geringere Dimensionen, durch das Fehlen der feinen Spirale und durch seine Lage im Innern der Kapsel: seine ersten Windungen sind in einer regelrechten Spirale gelegen, während der übrige Teil unordentlich zusammengerollt erscheint. Ein Cnidocil haben nur die kleinen Kapseln. Jede Kapsel, sowohl die große wie die kleine Art, ist in eine Vacuole eingeschlossen, die eine eigene sehr dünne Wand besitzt. Am Basalpol der Vacuole liegt der Kern der Zelle, deren proximales Ende in einen Stiel ausgezogen ist. Wie bei den Epithelzellen ist auch hier der Stiel kein selbständiger Teil der Zelle, sondern unter dem Einflusse äußern Druckes entstanden. Unter den Nesselzellen beider Arten finden sich solche, die mehrere Kapseln enthalten, welche entweder eine jede von ihrer besondern Vacuole umschlossen sind oder in einer gemeinsamen Vacuole sich befinden. Zuweilen kann man unter solchen Kapseln auch eine oder mehrere leere sehen, d. h. ohne Secret und Faden. Ihre Größe ist der von entladenen normalen Kapseln gleich. Die biologische Be- deutung der Vacuole um die Kapsel besteht darin, den Seitendruck auf die Nesselzelle in einen hydrostatischen auf die Kapsel zu ver- wandeln, wobei die Resultante des Gesamtdruckes auf die Kapsel bei der Kontraktion des Tentakels die Kapsel aus der Zelle hinaus- zustoBen strebt, bei einer Ausdehnung des Tentakels aber um- gekehrt, sie in der Zelle festhält. Auf diese Weise wird der Aus- tritt der Kapseln aus ihren Zellen in den Fällen erklärt, wenn das Zool. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. 27 414 A. Lipty, Polypodium sich an einen andern Ort begeben will (wobei sich die Stütztentakel kontrahieren), und umgekehrt, das Festhalten der Kapseln an ihrem Ort, wenn irgendeine äußere Gewalt das Poly- podium vom Platze zu rücken droht (wobei die Stütztentakel eo ipso sich ausstrecken). 8. Die großen Kapseln sind sehr dicht an den Enden der Stütz- tentakel zusammengedrängt, die Embryonalzellen aber, aus denen sie sich entwickeln, sind im Gegenteil am Anfang der Tentakel konzentriert. Von hier wandern diese Zellen während ihrer Ent- wicklung durch die Tentakel hin und ersetzen so beständig den starken Verlust an Kapseln am Ende des Tentakels. Die kleinen Kapseln wandern auch, sowohl im Mundkegel (von dessen Basis zu seiner Spitze) wie auch in den Tasttentakeln (von der Basis zur Spitze). Aber bei weitem nicht alle diese Kapseln erreichen das Ende des Mundkegels oder der Tasttentakel; viele (vielleicht sogar ihre Mehrzahl) bleiben in ihrer Lage irgendwo auf dem Wege fest liegen. 9. Die Embryonalzellen, aus denen sich die Nessel- zellen entwickeln, zerfallen ihrer Größe nach in 2 Kategorien: in größere, die die großen Kapseln liefern, und Kleinere, aus denen die kleinen Kapseln entstehen. Erstere sind nur an der Basis der Stütztentakel dicht konzentriert, die letztern werden im ganzen Körper angetroffen, jedoch in größerer Anzahl an der Basis der Tasttentakel. Wie die einen sind auch die andern an der Stütz- lamelle zwischen den Stielen der Epithel- und reifen Nesselzellen gelegen. Die Entwicklung einer großen Embryonalzelle zur Nessel- zelle beginnt mit dem Erscheinen einer hellen Vacuole in ihr. Da- nach erscheint in dieser Vacuole ein dunkleres, homogenes Körperchen, . die Anlage der Kapsel, welche die Fähigkeit besitzt, sich zu teilen. Der Nesselfaden wird außerhalb der Vacuole angelegt und hat das Aussehen eines Kettchens, das aus regelmäßig aneinandergereihten, hellen und dunklen, glänzenden Partikeln gebildet ist. Die Kapsel- anlage und der Faden besitzen eine gemeinsame dünne Wand; ein Teil der letztern, der die Kapselanlage umkleidet, verwandelt sich nachher in die innere Hülle der reifen Kapsel. Der Inhalt der Kapselanlage stellt eine dunkle, gelbliche Substanz dar, die identisch mit der Substanz der dunklen Partien des Fadens ist und wahr- scheinlich die Konsistenz einer dieken Flüssigkeit besitzt (Anlage des Secrets). Der Faden gelangt durch Einstülpung in die Kapsel; diese Einstülpung geht offenbar recht schnell vor sich. Die nächste Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 415 unmittelbare Ursache der Einstülpung bildet, wie auch bei den übrigen Cnidarien, der negative Druck, der in der Kapsel infolge der hygroskopischen Wirkung der Vacuole (bei den übrigen Cnidarien des Protoplasmas) auf den Kapselinhalt und des durch diese Wirkung bedingten Aussaugens der flüssigen Anlage der äußern Hülle der Kapsel aus der Anlage der letztern entsteht; diese flüssige Anlage der Hülle verdichtet sich dann in gleichmäßiger Schicht um die Kapselanlage und verwandelt sich schließlich in die feste äußere Hülle (Theorie von MURBACH-SCHNEIDER). Die Nesselzelle tritt, nach- dem sie den Ort ihrer Verwendung erreicht hat, an die Oberfläche des Ectoderms heran, indem sich hierbei ihr Basalteil zu einem Stiel auszieht. Hiermit ist die Entwicklung der Nesselzelle vollendet. 10. Die Entladung der Nesselzellen geschieht durch Ausstülpung des Fadens. Als Ursache zur Entladung dient das Aufquellen des Secrets, das in der Kapsel eingeschlossen ist (Theorie Iwanzow’s). Die Wand der großen, reifen Kapseln von Polypodiwm ist offenbar in geringem Grade für Wasser permeabel. Das wird durch die Schwankungen in der Größe der reifen Kapseln bewiesen: der Durchmesser der entladenen und leeren Kapseln ist 0,012 mm, derjenige des unentladenen 0,016 mm. Es ist klar, daß die Kapsel bis zu der ersten Größe heranwächst und daß ihre weitere Ver- erößerung auf Kosten des langsam durch die Wand ins Innere der Kapsel eingesogenen Wassers geschieht dank der stark hygro- skopischen Wirkung des in der Kapsel eingeschlossenen Secrets. Das Anwachsen des Umfanges der Kapsel schreitet solange fort, als es die Ausdehnung der elastischen Kapselwand zuläßt. Sobald aber diese Grenze erreicht ist, wird infolge des immer weitergehenden Auf- saugens von Wasser in die Kapsel die Basis des Nesselfadens aus- sestülpt; kaum ist aber dieser Moment eingetreten, so füllt sich der Nesselfaden dank der starken Wasserdurchlässigkeit seiner Wand schnell mit dem aufquellenden Secret, was seine weitere Ausstülpung bedingt, die sich somit mit bedeutender Schnelligkeit vollzieht. Also ist der Entladungsprozeß der großen Kapseln von Polypodium ein automatischer, der je nach Maßgabe der Reifung der Kapseln vor sich geht. Was aber die kleinen Kapseln anbetrifft, so entladen sich dieselben aller Wahrscheinlichkeit nach nur bei Reizung des Cnidocils. Ein Einfluß des Nervensystems aber auf die Entladung der Nesselkapseln scheint mir zweifelhaft. 11. Die Epithelzellen des Ectoderms der freileben- den Formen entstehen offenbar aus Nesselzellen. Die 27% 416 A. Lips, letztern bleiben nach der Entladung und dem Austritt der Kapseln an ihrem Platze und verwandeln sich in Epithelzellen. Das wird einerseits durch das Fehlen einer Vermehrung der Epithelzellen durch Teilung, andrerseits dadurch bewiesen, daß sie den Nessel- zellen durchaus ähnlich sind, abgesehen von dem Fehlen der Kapseln in den erstern. Im noch nicht ausgestülpten Stolo entwickeln sich die Epithelzellen wahrscheinlich unmittelbar aus embryonalen Zellen. Aber es ist möglich, daß auch bei den freilebenden Formen eine solche Art der Entstehung von Epithelzellen neben der Bildung aus Nesselzellen stattfindet. 12. Die Stützlamelle stellt eine sehr dünne durchsichtige Membran dar, an welcher von der Entodermseite die Muskel- fasern befestigt sind. In dieser Membran kann man zuweilen eine sehr feine Strichelung wahrnehmen, die senkrecht zu den Muskel- fasern verläuft und wahrscheinlich als Ausdruck einer Struktur der Stützlamelle anzusehen ist, welche ihre Kompression und Faltung in der Kontraktionsrichtung der Muskelfasern erleichtert. — In den Tentakeln und im Mundkegel befindet sich zwischen dem Entoderm und der Stützlamelle noch eine ziemlich dicke Schicht einer flüssigen Substanz, der Mesoglöa, die 2 Arten Zellen enthält: kleine Zellen mit dünnen langen Fortsätzen und ziemlich große runde Zellen, die bei der Kontraktion der entsprechenden Organe frei in der Mesoglöa umherschwimmen, passiv ihren Strömungen folgend, was eben auf den flüssigen Charakter der Mesoglöa hinweist. 13) Die Muskulatur von Polypodium liegt auf der Entoderm- seite der Stützlamelle und besteht aus glatten Muskelfasern, und zwar ausschließlich aus Längsfasern. Die Muskelfasern zerfallen in 2 Gruppen: gerade und verzweigte. Die erstern sind ein-, zwei- und dreikernig (vielleicht auch noch mehrkernig), die letztern besitzen viele Kerne, da ihre Verzweigung eine vielfache ist, und jeder Zweig gleichsam eine selbständige einkernige Faser vorstellt. Die geraden Fasern sind im Mundkegel und den Tentakeln ent- wickelt, wo sie in der Längsrichtung verlaufen, während die ver- zweigten an der Basis dieser Organe, d. h. an den Übergangsstellen derselben in die Wand des Körpers liegen. Die Muskelfasern ent- wickeln sich aus kleinen Embryonalzellen, die der Stützlamelle von der Entodermseite anliegen. Zuerst zieht sich das Proto- plasma einer solchen Zelle in einer Richtung in zwei einander ent- gegengesetzte, scharfe Spitzen aus; dann verlängern sich diese Spitzen immer mehr, und ihr Protoplasma bildet sich allmählich Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 417 in Muskelsubstanz um; so entsteht eine einkernige Muskelfaser: Letztere verwandelt sich durch Kernteilung und Auseinanderweichen der Tochterkerne in der Achse der Faser in eine zweikernige, diese ihrerseits auf ebendieselbe Weise in eine dreikernige usw. So ent- stehen die geraden, vielkernigen Fasern. Was die Entwicklung der verzweigten Fasern anbelangt, so gelang es mir leider nicht, Über- gangsformen zwischen den geraden und verzweigten Fibrillen zu sehen. — Hinsichtlich der Anordnung der Muskulatur steht Poly- podium in scharfem Gegensatz zu allen übrigen Hydroiden, da es nur eine Entodermmuskulatur besitzt, und zwar eine entodermale Längsmuskulatur. Das wird wahrscheinlich dadurch zu erklärensein,daßdieEmbryonalschichtenwährenddes VerweilensdesPolypodiumsimEidesSterlet, wosichdas Muskelgewebebildet.inumgekehrterFolge liegen. — Die Anordnung der Muskulatur von Polypodium in den ver- schiedenen Stadien seiner Entwicklung ist eine sehr einfache. Bei der nicht ausgestülpten und der eben ausgestülpten Form sind die Muskel- fasern im Stolo parallel seiner Achse gerichtet, in den Knospen aber parallel deren Achsen. Somit verlaufen die Fasern des Stolos und der Knospen senkrecht zueinander. Nur die Fibrillen der beiden äußersten Knospen fallen in der Richtung mit den Stolonenfasern zusammen. Die Knospenspitzen besitzen keine Muskulatur; ebenso fehlt sie dem der Knospenspitze entsprechenden, untern Teil der symmetrischen, freilebenden Formen. Bei letztern ist die Muskulatur im Mundkegel und den Tentakeln stark ausgebildet. 14. Das Nervengewebe ist bei Polypodium in Gestalt eines Plexus entwickelt, welcher der Stützlamelle von der Entodermseite aufliegt und aus (bi- und tripolaren) Ganglienzellen und dem sie verbindenden Nervenfasernetze besteht, an dem man oft variköse Auftreibungen von verschiedener Größe bemerken kann. Der Plexus ist mit der Muskulatur verbunden, indem die Nervenfibrillen im Zu- sammenhang mit den Muskelfasern stehen; hierdurch wird die feste Verbindung des Nervengewebes mit der Stützlamelle erklärt. Außer der Muskulatur stehen keinerlei andere histologische Elemente mit dem Nervensystem in Verbindung. Äußere Reize werden durch die Epithel- und Nesselzellen aufgenommen, durch welche sie dem tiefer liegenden Gewebe übermittelt werden. Die Fähigkeit der Reiz- übertragung besitzen wahrscheinlich alle Ectodermzellen in gleichem Maße, aber die Reizempfindlichkeit ist bei ihnen bei weitem nicht die gleiche. Diese Reizbarkeit ist wahrscheinlich nur bei den mit 418 A. Lirty, einem Perceptionsorgan (Cnidocil) versehenen Nesselzellen mit Kleinen Kapseln sehr stark, woher diese Zellen bei Polypodium funktionell die Sinneszellen ersetzen. Da die Stützlamelle sehr dünn ist, so gebe ich zu, daß die Stiele der Epithel- und Nesselzellen in un- mittelbarer Verbindung mit den an der entgegengesetzten Seite be- festigten Muskelfasern treten, wodurch äußere Reize der Muskulatur direkt übermittelt werden. Da aber die letztere in Verbindung mit dem Nervenplexus steht, so können lokale Reize durch die Musku- latur dem Nervensystem mitgeteilt werden und durch das letztere über den ganzen Körper sich ausdehnen, d. h. zu Allgemeinreizen werden. — Infolge der besondern Lage des Nervengewebes, ähnlich derjenigen der Muskulatur, steht Polypodium den übrigen Hydroiden schroff gegenüber. Hier behält jene Erklärung, die ich hinsichtlich der Muskulatur gab, ihre Geltung: das Nervensystem von Polypodium erscheint als Derivat des Entoderms, und das ist eine Folge davon, daß während der Entwick- lung des Nervengewebes das Ectoderm eine innere Lage einnahm. 15. Das Entoderm der nicht ausgestülpten Form bildet die Außenschicht, die den ganzen Organismus umkleidet. Bei den frei- lebenden Stadien kleidet es dagegen den innern Gastrovascularraum aus. Im Mundkegel und in den Tentakeln wird das Entoderm vom Ectoderm durch die Stützlamelle nebst der Muskulatur und vom Nervenplexus durch eine dicke Mesoglöaschicht getrennt, in welche es dünne Fasern hineinsendet, die mit Ausläufern der kleinen Mesoglöazellen anastomosieren. An den übrigen Stellen schließt sich aber das Entoderm an die Stützlamelle dicht an. Am Rande der Mundöffnung geht es unmittelbar in das Ectoderm über. Das Entoderm besteht aus zweierlei Art Zellen: gewöhnlichen verdauenden Zellen und Drüsenzellen, wobei die letztern ihrerseits in 2 Kategorien zerfallen: Zellen mit granulösem Inhalt und Zellen mit vacuolisierten Auswüchsen, die den Epithelzellen des Ectoderms sehr ähnlich sind. Im nichtausgestülpten Stolo besitzt keine einzige Entodermzelle eine Geißel, während bei den freilebenden Formen alle Zellen dieser Schicht mit Geißeln, jede mit einer, versehen sind. In den Tentakeln verlieren die Entodermzellen ihre regelmäßigen Konturen und legen sich zu einem festen Strang zusammen, welcher bis ans Ende des Tentakels geht; dieser Strang funktioniert einerseits wohl als elastisches Gewebe, indem er den Tentakel bei Erschlaffung der Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 419 Muskelfasern ausreckt, dient aber andrerseits im Verein mit der Mesoglöa auch als Stütze. 16. Die morphologische Untersuchung von Polypodium führt uns zu folgenden Schlüssen. Der Stolo mit seinen Knospen kann nicht als Individuum aufgefaßt werden, sondern stellt eine Kolonie und zwar eine solche von 12Tentakelindividuen vor, deren Sonde- rung nicht bis zu Ende vorgeschritten ist. Die bezüglichen Knospen, wahrscheinlich entstanden durch Teilung, sind hier infolge äußerer Umstände mit denjenigen Teilen ihres Körpers in Zusammenhang geblieben, aus denen nachher die Mundkegel hervorgehen, und die Gesamtheit dieser letztern also bildet eben den Stolo. Mit der Be- freiung der Kolonie aus dem Rogenkorne fällt die Ursache fort, welche die endgültige Isolierung der Knospen verhindert, und die Einzelindividuen trennen sich allmählich voneinander. Das Endresultat dieses Vorganges sind Formen mit 12 Tentakeln. Die Form mit 24 Tentakeln ist eine Zwischenstufe sowohl beim Übergange vom Stolo zur 12tentakeligen Grundform, als auch bei der Teilung einer 12Tentakelform in zwei solche während der 1. Periode des freien Lebens von Polypodium, solange dieses noch reichlichen Vorrat an Nahrungsmaterial enthält. Dagegen sind die Individuen mit 6 Ten- takeln nicht normale, sondern degenerative Formen, welche bei un- genügender Ernährung entstehen. Zwischen der parasitischen Lebens- periode und der Periode des freien Lebens von Polypodium hydriforme läßt sich eine Parallele ziehen (s. Text), von welcher die 6Tentakel- form ausgeschlossen ist, indem sie nur zur Zeit des Freilebens auf- tritt, und das bildet einen weitern Beweis für ihren anomalen Charakter. 420 A. Lıpin, Nachtrag. Während sich meine Arbeit im Druck befand, erschien im Zool. Anz., Vol. 36, No. 24 eine Mitteilung von A. DERSCHAwIN über von ihm im Delta der Wolga gefundene, freilebende Polypodien, die er mir nachträglich für meine Untersuchungen freundlichst überlassen hat. Dieser Befund bestätigt meine Erklärung, welche ich auf p. 332, 408 und 409 der vorliegenden Arbeit für die morphologische Be- deutung der freilebenden Formen gegeben habe. DERSCHAWIN fand die freilebenden Individuen im August und September, also 3—4 Monate nach ihrer Befreiung aus dem Rogen. Obgleich dieselben demnach den ganzen Sommer in der Wolga frei gelebt haben müssen, fehlen unter den im August gefangenen Exemplaren die 6tentakeligen Formen vollkommen, indem dies nur 12- und 24- tentakelige waren. Umgekehrt stellen die Septemberindividuen aus- schließlich degenerierende Formen vor, bei denen die Tentakel und zum Teil auch die Mundkegel fast ganz verschwunden sind. Von meinem Standpunkte aus ist das auch durchaus begreiflich. Im Sommer befinden sich nämlich die freilebenden Polypodien in günstigen Ernährungsverhältnissen, und daher tritt unter ihnen weder die 6tentakelige noch irgendeine andere anomale Form auf. Solche erscheinen dagegen erst im Spätherbst, wo die Polypodien schon erheblich unter dem Mangel an genügender Nahrung zu leiden haben. Somit bestätigt sich meine Deutung der 6tentakeligen als anomale Formen vollkommen, und in diesem Sinne hat sich auch DERSCHAWIN darüber ausgesprochen. Über die von Herrn Derscnawın erhaltenen Polypodien behalte ich mir vor in einer spätern Mitteilung genaueres zu berichten. Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Uss. 421 Literaturverzeichnis. 1881. Chun, Die Natur und Wirkungsweise der Nesselzellen bei Coelen- teraten, in: Zool. Anz., Jg. 4. 1889—1892. —, Cölenterata (Hohltiere), in: BRONN, Klass. Ordn. Tier- reich. 1879. CIAMICIAn, Ueber den Bau von Tubularia mesembryanthemum, in: Z. wiss. Zool., Vol. 32. 1901. DELAGE, Traité de zoologie concrète, Vol. 2, Les Coelentérés, Paris. 1895. GRENACHER, Ueber die Nesselkapseln von Hydra, in: Zool. Anz., Jg. 18. 1873. GRIMM, Materialien zur Kenntnis der Niederen Tiere. 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B). Bezeichnungen wie bei Fig. 1. Fig. 3. Beginn der Ausstülpung der Knospen. e Einstülpungen. Fig. 4—15. Aufeinanderfolgende Ausstülpungsphasen. Fig. 16. Schema einer ausgestülpten Knospe. Fig. 17. Ein anomaler Fall: die Spitze der Knospe ist durch- gerissen und die Tentakel sind nach außen getreten. « Ansicht von vorn. b Ansicht fast von der Seite. Natel ioe Fig. 18. Schema einer freien Form mit 12 Tentakeln. Fig. 19. Schema der Verwandlung einer 12Tentakelform in 1 mit 24 Tentakeln. Fig. 20. Schema der Verwandlung einer 12Tentakelform in 2 mit 12 Tentakeln. Fig. 21. Schema der Verwandlung einer 12Tentakelform in 2 mit 6 Tentakeln. Fig. 22. Schema eines Stolos mit ununterbrochener Mundspalte (m). Fig. 23. Schema eines Stolos mit einzelnen Mundspalten (m) an ver- schiedenen Stellen des Stolo. Die quergehenden punktierten Linien be- zeichnen die Stellen der Teilung des Stolos. Fig. 24. A Schema eines Querschnittes des Stadiums mit innern Tentakeln; der Schnitt ist so geführt wie in Fig. 2, C; das Ectoderm ist schraffiert. sf Stolo. sit Stütztentakel. 1{ Tasttentakel. B ein Stück- 494 A. Liem, chen von a bei starker Vergrößerung. ec Ectoderm. en Entoderm, nb; muskelbildende Zellen. © Querschnitt des rechten Stütztentakels aus A, bei starker Vergrößerung. en Entodermstrang. m Mesoglöa. st! Stütz- lamelle. mn Kerne der Muskelzellen. m/ Muskelfasern. nk große Nessel- kapseln. D Beginn der Differenzierung der Muskelbildungszellen mbx in Muskelfasern. ec Ectoderm. en Entoderm. Z Querschnitt des Stolo aus A bei starker Vergrößerung. dr: Drüsenzellen des Entoderms. Fig. 25. Längsschnitt des Stütztentakels der unausgestülpten Form. ee Ectoderm. en Entoderm. mbx muskelbildende Zellen. mx Muskelzellen mit Fasern. si Stiitzlamelle. kb: Nematoblasten mit grossen Kapseln. estr Entodermstrang. Fig. 26. Epithelzelle des Ectoderms (konserviert). Tafel 13. Fig. 27. Flächenansicht des Ectoderms eines Tasttentakels. In den Winkeln zwischen den Epithelzellen mit polygonalen Umrissen liegen Nessel- zellen — fertige (a) und sich entwickelnde (2). mf Muskelfasern. 9% Ganglienzellen des Nervenplexus. Fig. 28. Epithelzelle des Ectoderms mit ausgestrecktem Stiel. Nach einem lebenden Objekt. Fig. 29. Epithelzelle des Ectoderms mit eingezogenem Stiel. Nach einem lebenden Objekt. Fig. 30. Epithelzelle des Ectoderms mit eingezogenem Stiel und einigen Vacuolen. Nach einem lebenden Objekt. Fig. 31. Nesselzelle mit großer Kapsel, in eine Vacuole eingeschlossen. Fig. 32. Große Nesselkapsel, in der eine runzlige, von der äußern abgetrennte innere Hülle zu sehen ist. Fig. 33. Windungen des Fadens in einer großen Kapsel. Fig. 34. Entladene große und kleine Kapseln. Fig. 35. Eine nicht vollständig entladene Kapsel, in der sich das Ende des Nesselfadens befindet. Fig. 36. Distales Fadenende einer nicht ganz entladenen Kapsel, außerhalb der letztern. Fig. 37. Nesselzelle mit kleiner Kapsel, in eine Vacuole eingeschlossen, mit Cnidocil. Fig. 38. Nesselzelle mit eingezogenem Stiel. Fig. 39. Vacuole mit mehreren, in ihr eingeschlossenen grossen Kapseln. Fig. 40. Vacuole mit mehreren, in ihr eingeschlossenen kleinen Kapseln. Fig. 41. Nesselzelle mit mehreren Vacuolen; in einigen von ihnen befinden sich Kapseln. Fig. 42. Wanderung der großen Nesselkapseln in den Tentakeln. Die Morphologie und Biologie von Polypodium hydriforme Us. 495 Der Pfeil gibt die Richtung der Tentakelachse an und somit die allge- meine Bewegungsrichtung der Kapseln. In der 1. u. 2. Phase (14 u. 17 Min.) ist ein Teil der Anhäufung großer Kapseln am Ende des Tentakels dargestellt; in den übrigen Phasen sind diese Kapseln nicht abgebildet. Fig. 43. Wanderung einer Nesselzelle mit großer Kapsel hinsicht- lich der Konturen der Epithelzellen und hinsichtlich einer unbeweglichen kleinen Kapsel. Aus einem Stütztentakel. Fig. 44. Einschnürung am Stütztentakel, die ein mechanisches Hinder- nis für die Bewegung der Nesselzellen bildet. Fig. 45. Wanderung einer Nesselzelle mit kleiner Kapsel hinsicht- lich der Konturen der Epithelzellen und der unbeweglichen kleinen Kapseln. Aus dem Mundkegel. Tafel 14. Fig. 46. Teilung kapselbildender Interstitialzellen. a, b, €, d, e, f, 9 h, 14, k,l,m,n,p,r, s Entwicklungsstadien einer Nesselzelle mit großer Kapsel. Fig. 47. Kntladene, große Kapsel, mit Methylenblau gefärbt; im Innern der Kapsel und des Fadens gefärbte (dunkle) Secretpartien. Fig. 48. Stützlamelle, an der eine feine Strichelung senkrecht zu den Muskelfasern bemerkbar ist. Fig. 49. Reste abgelösten Ectoderms an der Stützlamelle. Fig. 50. Entodermstrang des Tentakels und Zellen der Mesoglöa mit Auswiichsen. Fig. 51. Runde Zellen aus der Mesogléa des Mundkegels. Fig. 52. Teil des Mundkegels. ec Ectoderm. en Entoderm. m Mesoglöa, in der bei der Kontraktion des Mundkegels runde und ovale Zellen rx sich bewegen, passiv fortgerissen durch die Strömungen der flüssigen Mesoglöa. Fig. 53. Einkernige Muskelfaser. Fig. 54. Einfache dreikernige Muskelfaser. Fig. 55. Verzweigte vielkernige Muskelfaser. Fig. 56, 57, 58. Aufeinanderfolgende Stadien der Muskelfaserent- wicklung. Fig. 59. Verwandlung einer einkernigen Muskelfaser in eine zwei- kernige. Fig. 60. Anordnung der Muskulatur im ausgestülpten Stolo mit Knospen. Fig. 61. a,b,c,d,e, f, 9, h, i aufeinanderfolgende Stadien der Stolo- teilung, welche zeigen, wie aus Längsmuskelfasern des Stolos Längsmuskel- fasern des Mundkegels entstehen. 426 A. Lipin, Tafel 15. Fig. 62, 63, 64. Tri- und bipolare Nervenzellen. Fig. 65. Teil des Nervenplexus. «a zweikernige Nervenzelle. Fig. 66. Nervenzellen und Fasern. Fig. 67. Verbindung der Nervenfaser mit einer Muskelfaser. gx Ganglienzelle. mf Muskelfaser. Fig. 68. Längsschnitt durch eine Form mit 24 Tentakeln, parallel zur Mundspalte. si! Stützlamelle mit Muskelfasern. om Mesoglöa. ea Ento- dermauswüchse. ef Entodermfalte. Fig. 69. Längsschnitt durch eine Form mit 12 Tentakeln, senkrecht zur Mundspalte; Bornes dieselben wie in Abb. 68. Fig. 70. Längsschnitt durch eine Form mit 6 Tentakeln parallel zur Mundspalte. ec Ectoderm. en Entoderm. o Mund. ¢ Tentakel. m Mesogléa. ea u. ef wie auf Abb. 68. Fig. 71. Drei aufeinanderfolgende Schnitte durch eine 6Tentakel- form, senkrecht zur Mundspalte. gvh Gastrovascularhöhle; die übrigen Be- zeichnungen wie in Fig. 68. Fig. 72. Schnitt durch eine ausgestülpte Knospe. Das Entoderm ist noch voll von unverdautem Dotter. ec Ectoderm. ex Entodermzellen. nex ihre Kerne. mbx Myoblasten. eiwk Dotterkörnchen. Fig. 73. Schnitt durch eine freilebende Form. Im Entoderm sind neben noch nicht ganz verdautem Dotter auch Produkte der Ausscheidung sichtbar. en Entoderm. ep Ausscheidungsprodukte. Die übrigen Bezeich- nungen wie in Fig. 72. Fig. 74. Schnitt durch die freilebende Form. Das Entoderm ist mit Fettablagerungen in Gestalt von Tropfen, die sich durch Osmium intensiv schwarz gefärbt haben, angefüllt. ec Ectoderm. en Entoderm. drx Drüsenzellen des Entoderms. fk Fettkügelchen. ep Ausscheidungs- produkte. Fig. 75, 76. Entodermzellen des Körpers bei der Form mit innern Tentakeln. Fig. 77, 78, 79. Entodermzellen des Körpers bei der Form mit äußern Tentakeln. Fig. 80. Entodermzelle aus dem Mundkegel einer Form mit 12 Tentakeln. Fig. 81. Kontrahierte Entodermzelle. Fig. 82. Ausgestreckte Entodermzellen. Fig. 83. Schnitt durch eine freilebende Form. Entoderm des Mund- kegels. ec Ectoderm. m Mesoglöa. nex Kerne der Entodermzellen. drx Drüsenzellen. Fig. 84. Drüsenzelle aus dem Entoderm des Mundkegels der frei- lebenden Form. Fig. 85. Flächenansicht des Entoderms. Nachdruck verboten. Übersetzungsrecht vorbehalten. Beitrag zur Kenntnis der Haut des Nackthundes. Von Dr. F. G. Kohn. Mit Tafel 16. DE MEIJERE, soviel ich weiß, der einzige Autor, der sich mit der Histologie des Nackthundes befaßt hat, beschreibt in seiner schönen Arbeit über Haaranordnung') anscheinend nur erwachsene Nackthunde und konnte daher über die Entwicklung ihrer sonder- baren Kahlheit nichts aussagen. Da meine vom Neugeborenen stammenden Schnitte gerade in dieser Richtung Aufschlüsse zu geben scheinen, will ich, obwohl meine Beobachtungen nur an einem ein- zigen Individuum gewonnen sind, eine Mitteilung darüber um so weniger unterdrücken, als ich nicht hoffen kann, das seltne Material so bald wiederzuerlangen. Die Abstammung der von mir untersuchten Haut von einem Kreuzungsprodukt macht einige Bemerkungen über die Vererbungs- verhältnisse beim gegebenen Falle und beim Nackthund im all- gemeinen notwendig. Eine Hündin, jener Form des Nackthundes zugehörig, die ByLANDT?) auf unten zitierter Seite abbildet, also ein bis auf spärliche, weiße Behaarung auf der Stirn und noch spärlichere am Schweif nacktes Tier, auf dessen schwarzbräunlicher Haut sich 1) DE MEIJERE, Uber die Haare. der Säugetiere, insbesondere über ihre Anordnung, in: Morphol. Jahrb., Vol. 21, 1894. 2) BYLANDT, Hunderassen, Vol. 2, p. 775. 498 F. G. Kony, stellenweise scharf umgrenzte dunklere Stellen abhoben, mit pigment- losen Vorderbeinen brachte nach einer unkontrollierten Paarung, wahrscheinlich mit einem Foxterrier, vier Junge zur Welt. Von diesen zeigten zwei vollständige, reiche Behaarung von weißer Grund- farbe mit gelben Flecken, also väterliche Merkmale, die beiden andern die völlige Nacktheit der Mutter mit Andeutung von Haaren in der Umgebung von Nase und Lippen einerseits und an der Schweifspitze andrerseits. Die Färbung der nackten Welpen war ein dunkles Schieferschwarz, das bei der von mir genauer unter- suchten Totgeburt an den Vorderbeinen, den Zehen der Hinterbeine, in der Umgebung der Nasenlöcher und an der Kehle durch pigment- lose Flecke unterbrochen war. Auffällig war die reiche Furchen- bildung in der Haut. Da die Mutter infolge einer Operation nicht säugen konnte, wurde auch von den beiden lebendgeborenen Jungen keines aufgebracht, so daß deren späteres Exterieur unbekannt bleibt. Beobachtungen wie die eben geschilderte haben jedenfalls HELLER !) zu der leider weder durch genauere Angaben noch durch einen Literaturhinweis gedeckten These geführt, die Kahlheit der nackten Hunde sei eine Rasseneigentümlichkeit, die als Dominante im Menper’schen Sinne vererbt werde Ein von mir gesehener Kreuzungshund zeigte deutlich, daß nicht alle Rassenmerkmale sich rein sondern. Dem Haarmangel nach ein Nackthund, besaß das Tier eine etwas ins Rötliche spielende Hautfarbe und die Formen, Körperlänge, Beine, Rute eines Dachshundes. Der Kopf erinnerte ebenso an den Nackthund wie an den Dachshund. Der von SCHINDELKA ?) abgebildete Nackthundbastard zeigt Nacktheit und reiche Behaarung auf einem Individuum vereint. Nackte und be- haarte Partien sind scharf gegeneinander abgegrenzt. Nacktheit und Behaarung scheinen demnach Merkmale zu sein, die sich bei einer Kreuzung nicht zu dem Ubergangsgrad: Schwache Behaarung ver- einigen, sondern in extremer Ausbildung nebeneinander vererben. Daraus ergibt sich, daß auch nicht reinrassiges Material unbedenk- lich für das Studium der Nackthundhaut verwendet werden darf. Vergleichende Messungen an Hautquerschnitten vom Seitenbauch, einerseits vom Nackthund, andrerseits von einem glatthaarigen Hunde, hatten folgendes Ergebnis: 1) HELLER, Vergleichende Pathologie der Haut, Berlin 1910. 2) SCHINDELKA, Hautkrankheiten, in: Handb. d. Tierärztl. Chirurgie u. Geburtshilfe, Vol. 6, Wien, Leipzig 1903. Beitrag zur Kenntnis der Haut des Nackthundes. 429 Nackthund Behaarter Hund Stratum corneum 16—80 u 24 u Stratum germinativum 48—80 49 Corium 275—485 1800 Subeutis 32—178 146 Der Hauptunterschied beider Zahlenreihen liegt in der beim Nackthund auffallend geringen Dicke des Coriums, welche durch das Fehlen eines ausgebildeten Stratum pilosum Sross !) erklärt werden kann. Ein ähnliches Gleichgewichtsverhältnis der Schichten findet man bei der haararmen menschlichen Haut, gleichfalls zurück- zuführen auf den Mangel der voluminösen Masse der Haarbälge im Corium. Weniger glückt der bei Beschreibern der Rassekennzeichen *) nicht unbeliebte Vergleich mit der Elefantenhaut, da bei dieser die auch relativ immense Hornschicht die Proportion wesentlich ver- ändert. Des Vergleiches wegen sei auch an die überaus geringe Dicke des Coriums an einer habituell unbehaarten Hautstelle des Hundes erinnert. Es ist dies der Sohlenballen, wo allerdings das Corium von einer mächtigen Subcutis unterpolstert ist. Zur Kennzeichnung der einzelnen Hautschichten diene folgende Beschreibung, bei der ich diese in der Reihenfolge von innen nach außen bespreche. Die sehr fettarme Subeutis scheint nicht gerade reich mit Gefäßen versorgt. An manchen Stellen, wie an der in Fig. 1 (Sc) dargestellten, ist sie kaum lockerer gebaut als die Pars reticularis und läßt sich von ihr dann nur durch den der Oberfläche parallelen Faserverlauf unterscheiden. Das Corium wird zu */,—*/, von den sehr gleichartigen Zügen der Pars reticularis eingenommen (s. Fig. 1 p. r). Der obere Teil er- innert mit seiner welligen Abgrenzung auf Querschnitten etwas an eine Pars papillaris. Dieses Bild kommt aber nicht durch Papillen- bildung des Coriums, sondern durch Einsenkungen von der Epidermis her, die rudimentären Haarbälge, zustande; die fragliche Schicht wird demnach als Stratum pilosum (Fig. 1 s. p) zu deuten sein. Kleinere kraterförmige Erhebungen des Coriums rings um die Haar- bälge wurden an Flächenschnitten (Fig. 5 E) festgestellt. Die 1) Sross, Die äußere Bedeckung (Integumentum commune) mit Ein- schluß des Epithelgewebes, in: ELLENBERGER, Handbuch der vergleichenden mikroskopischen Anatomie der Haustiere, Vol. 1, Berlin 1906. 2) BYLANDT, |. c. Zool. Jahrb, XXXI. Abt. f. Anat. 28 430 F. G. Konn, Mächtigkeit dieser Schicht wurde an Stellen mittlerer Ausbildung mit 80—180 « bestimmt. Pigmentzellen verschiedener Größe, teils rundlich, teils mit pseudopodienähnlichen Fortsätzen versehen, finden sich vereinzelt im ganzen Corium, stets zwischen den Maschen des Bindegewebes und besonders dort, wo kleinere Gefäße eine Ver- bindungsstraße mit der Subeutis andeuten, sowie in unmittelbarer Nachbarschaft der Epidermis. Korrespondierend den größern Pigment- massen in dieser, trifft man sie stellenweise jenseits der Epithel- grenze so gehäuft, daß die Grenze von Epidermis und Corium kaum festzustellen ist. Das Coriumpigment scheint vorzugsweise Wander- zellen anzugehören, welche der Epidermis etwas von ihrem Pigment- übermab entführen. Das Stratum germinativum (R.M, Fig. 1 u. 5) zeigt an den relativ seltnen Stellen, wo es nicht durch Einstülpungen unter- brochen wird, keinerlei Besonderheiten. Eine dichte basale Kern- lage, das Stratum cylindricum, und eine Abnahme der Kerne an Zahl und Chromatinreichtum nach außen ist leicht erkennbar. Wenn auch die Zellen des Stratum eylindricum stellenweise reichlich mit staubförmigen Melaninkörnern versehen sind, so sieht man doch eigentliche Pigmentzellen selten, und von einer übermäßigen Pigmentierung dieser Schicht kann keineswegs gesprochen werden. Das aus 2—3 Zellenlagen bestehende, 3—14 u dicke Stratum granulosum ist so deutlich abgesetzt wie sonst nur am Nasenspiegel und Sohlenballen und enthält reichlich Keratohyalinkörner (Str. gr, Fig. 3 u. 4). Das Stratum corneum (Str.co, Fig. 1—5) erscheint in seinem Bau recht einheitlich. Wenigstens scheint mir kein genügender Grund vorhanden, auf meinen Schnitten zwischen einem Stratum corneum s. str. und einem Stratum lucidum zu unterscheiden, ob- gleich an Osmiumpraparaten der basale Teil des Stratum corneum ungeschwärzt bleibt und auch sonst oft etwas weniger Farbstoff speichert. Dagegen kann die karge Abblätterung der obersten Schicht als Stratum mortificatum (Str. m, Fig. 1, 3, 4) angesprochen werden. Was die Hornschicht vor der an behaarter Haut aus- zeichnet, ist die Bildung starrer, anscheinend ziemlich spröder Lamellen, deren Querschnitte sich am Präparate weit verfolgen lassen. Dieselben erscheinen als stark lichtbrechende Streifen, welche durch den Rest des Kerns und andere Einschlüsse nicht selten bis in die obersten Schichten gekörnelt erscheinen. Ich konnte meist ca. 10, mitunter aber über 20 solcher Lamellen über- Beitrag zur Kenntnis der Haut des Nackthundes. 431 einander nachweisen. Diese bescheidene Panzerbildung wird physio- logisch wohl eine Art Kompensation für das Haarkleid darstellen, da wir ja an haarloser, daher mechanischen Insulten stärker preis- gegebener Haut — Nasenspiegel, Sohlenballen, in geringem Maße an der menschlichen Haut, in auffallendem Grade beim Elefanten — fast regelmäßig eine Verstärkung der Hornschicht finden. Gegen die Annahme, daß wir eine rein sekundäre Schutzeinrichtung vor uns hätten, spricht die hohe Ausbildung schon bei der Geburt. Zu- dem scheint eine derartige kongenitale Hyperkeratose, die noch dazu über den Haaranlagen ihren höchsten Grad erreicht, imstande zu sein, Ausbildung und Ausbruch der Haare schädlich zu beeinflussen. Das histologische Bild spricht eher für die letztere Annahme. Hyper- keratose und Alopecie dürften also zugleich aufgetreten sein, wenn nicht die erstere sogar als primäre Abänderung betrachtet werden muß. Ihr charakteristisches Gepräge erhält die Haut des Nackthundes erst durch die Haaranlagen. Haare verschaffte ich mir erst später von einem als „Afrikanischer Nackthund“ signierten Stopf- exemplar. Die Tasthaare zeigten einen Durchmesser von 80—90 u, sonstige Kopfhaare 20 u, Schweifhaare 40 «. Ein behaarter Hund verwandter Rasse, nämlich ein Windhund, hatte Spürhaare von 48 u, Körperhaare von 16—35 u Durchmesser, also weniger borstenartige Spürhaare. Histologische Besonderheiten scheinen dem ausgebildeten Haar zu fehlen. Über den Haarbalg kann ich nichts aussagen, da meine Schnitte keine sichtbar behaarte Stelle trafen. Dagegen konnte ich in meinen Serien dreimal Gebilde auffinden, deren Zugehörigkeit zu den Haaren zweifellos feststeht, wenn auch sehr beträchtliche Abweichungen vom ge- sunden Haar nachzuweisen sind. Die Darstellung eines solchen Gebildes, bei der von der Wiedergabe histologischer Details abgesehen wurde, um den Aufbau klarer hervortreten zu lassen, gibt Fig. 2. Man sieht eine ca. 420 u tiefe, grubenförmige Einsenkung der Epidermis, an der Keimschicht, Körnerschicht und Hornschicht beteiligt sind, im Corium umschlossen von einer dichter gefügten, bindegewebigen Scheide, welche aus längs der Basalmembran orien- tierten Elementen besteht. Am Boden der Grube findet sich an der dem Corium zugewendeten Seite eine Delle im Epithel, in die sich eine dichte Masse stark gefärbter Coriumkerne hineindrängt. Über dieser Delle ragt ein aus Pigmentzellen zusammengesetzter, bis zur Hautoberfläche reichender, annähernd konischer Körper mit er- weiterter Basis auf, der unten 275 u, am Beginn der schlankern 28* 432 F. G. Konn, Partie immer noch 145 « Durchmesser hat. Die basale Erweiterung geht ohne scharfe Grenze in das hier stark pigmentierte Stratum germinativum über. Versucht man dieses Gebilde als Haarbalg an- zusehen, so wird man alle hauptsächlichen Teile einer Haaranlage leicht wiederfinden. Die bindegewebige Hülle ist der äußern Faser- lage des Haarbalges (Hb) gleichzusetzen; ihre basale Kern- anhäufung entspricht, wie ein Vergleich mit den von Krause!) nach WIEDERSHEIM und SOKOLOWSKY reproduzierten Bildern lehrt, einer Jugendlichen Haarpapille (Hp). Das Stratum germinativum ist eine typische Stachelschicht des Haarbalges (St B), das Stratum granulosum eine HEnueE’sche Schicht (HS). In der außerhalb dieser gelegenen verhornten Masse (Str. co) eine HUXLEY- sche Schicht und eine Haarcuticula voneinander abzu- grenzen, gelingt nicht, da sich die Lamellen des Stratum corneum ohne weitere Differenzierung in den Balg hinein fortsetzen. Für den im Balg aufrechtstehenden Pigmentzapfen den Ausdruck Haar zu gebrauchen, erscheint deshalb etwas gewagt, weil eine Verhornung ausgeblieben ist. Immerhin kann die breite Basis einer Haar- zwiebel (Hz), der Kegel dem Haarschaft (Hs) verglichen werden. In Fig. 3, die eine nicht völlig zentral getroffene Haaranlage dar- stellt, finden wir die gleichen Elemente, jedoch in einer auf den ersten Blick weniger haarähnlichen Anordnung. An Stelle des Pigmentzapfens erblicken wir nämlich einen ovoiden Pigmentklumpen (H) von 145 u Breite, welcher am Boden einer von der Hexue’schen Schicht seitlich und oben völlig abgeschlossenen Höhle liegt. Dieser besitzt die Gestalt eines nach oben zugespitzten Hohlkegels, dessen oberer Teil dem Stratum corneum angehörige Elemente einschließt. In der Figur erscheint der Hohlkegelanschnitt annähernd dreieckig und ist im obern Teil von flach getroffenen Zellen der Hrnxte’schen Schicht, und nur unten von den erwähnten Bestandteilen der Horn- schicht, die sich durch geringere Färbbarkeit auszeichnen, erfüllt. Das beschriebene Bild gleicht dem in jenem frühen Stadium der Haarentwicklung, in dem der primitive Haarkegel noch nicht mit der Außenwelt in Verbindung getreten ist. Der Balg hat in diesem Stadium die Gestalt eines Zapfens, dabei aber eine ansehnliche (sröße, 485 w Länge und 260 u Querdurchmesser. Die Stachelschicht 1) KRAUSE, Die Entwickelung der Haut und ihrer Nebenorgane, in: O. HERTWIG, Handbuch der vergleichenden und experimentellen Ent- wickelungslehre der Wirbeltiere, Jena 1906. Beitrag zur Kenntnis der Haut des Nackthundes. 433 besitzt an einer Stelle eine Mächtigkeit von 80 uw. Zur Erklärung des gegebenen Bildes sei hinzugefügt, daß die Haarpapille infolge der peripheren Schnittführung zweimal, einmal als der Stachelschicht anliegender Halbmond von Zellen, ein zweites Mal als Kerninsel in der Mitte des Pigmentkörpers angeschnitten wurde. Die Verfolgung der Serie lehrt die Zusammengehörigkeit beider Zellmassen. DE MEıJ- ERE !) beschreibt derartige Bilder nicht; dagegen ist es wahrscheinlich, daß er den nächst weniger entwickelten Typus kennt, da er von den weiten Drüsenausführungsgängen spricht, „die in mehr oder weniger entwickelte Haarfollikel münden“. Ob seine „trichterförmigen“ Mün- düngen der tubulösen Drüsen mit von mir zu beschreibenden Bildungen zusammenhängen, muß ich offen lassen. Aus der großen Verschieden- heit der Drüsenausbildung scheint hervorzugehen, daß der Haut- befund beim Erwachsenen und Neugeborenen sehr differiert. Viel- leicht unterliegen auch die Haaranlagen noch einer Reduktion. Epidermiseinstülpungen, die mit Hilfe der beschriebenen Bilder noch leicht als Haaranlagen gedeutet werden können, findet man ziemlich häufig. a in Fig. 1 und die Fig. 4 sind Muster von solchen. Die Dimensionen derselben sind wesentlich geringer als die der voll- kommeneren Bildungen, indes immer noch ansehnlich. a der Fig. 1° ist 243 u tief und 356 « breit. Einen zusammenhängenden Pigment- körper vermißt man in diesen Bildungen vollständige. Während Fig. 4 neben Faser- und Stachelschicht des Balges und einer Hexte’schen Schicht noch eine deutliche Papillenanlage besitzt, ist eine solche schon in la nicht mehr nachweisbar. Lockere Horn- lamellen füllen in beiden Fällen die Einstülpung völlig aus. Von diesen Bildungen leiten zahlreiche Übergänge zu noch unschein- bareren, wie sie in Fig. 1b und c abgebildet sind. Neben Ein- stülpung der Keim- und Körnerschicht ist die Verdickung der Horn- schicht, deren Lamellen dütenförmig ineinander stecken, also am Querschnitt spitzwinklig geknickt erscheinen, für diese in einem ge- messenen Falle 162 « breite und 145 u tiefe Oberhauteinsenkung charakteristisch. Lokale Pigmentansammlung, die gewöhnliche Be- gleiterscheinung der Haaranlagen in meinen Präparaten, kann, wie Fig. le zeigt, auch fehlen. Als schwächste Andeutungen der be- schriebenen Bildungen sehe ich linsenförmige Einlagerungen ins Stratum corneum (Fig. 1d) und schwache Verdickungen der Keim- schicht bei ungestértem Hornlamellenverlauf (Fig. 4 links) an. Da die 454 F. G. Kony, schon makroskopisch sichtbare Furchenbildung der Nackthundhaut den Verdacht weckt, daß manche der beschriebenen Bilder einfach Querschnitte von solchen Furchen darstellen, wurden Flächenschnitte untersucht, die, wie ein Blick auf Fig. 5 lehrt, dieser Vermutung den Boden entziehen, da die Haaranlagen (Ha) auf denselben an- nähernd runde, nur durch geringe Distanzen voneinander getrennte Querschnitte ergeben. Die typische Anordnung der Haaranlagen, wie sie beim Hunde von DE MEIJERE!) erkannt, von SIEGEL?) ohne Hinzufügung wesentlich neuer Befunde genauer beschrieben ist, fand ich bei der Durchmusterung der Flächenschnitte ebensowenig, wie DE MEIJERE an den ausgebildeten Haaren des Nackthundes. Es erübrigt noch, die Hauptunterschiede dieser Haar- anlagen gegenüber der normalen Haarbildung ins Auge zu fassen. Bei einer solchen zieht das Stratum corneum ungestört über die junge Haaranlage hinweg. In unserm Falle dagegen be- kleidet diemassige Hornschicht, wenn eine eigentliche Haaranlage fehlt, die ganze Höhle des Balges, sonst wenigstens die Seitenwand. Dabei zeigt sie in den größern Anlagen insofern einen etwas ab- geänderten histologischen Charakter, als die Hornzellen selbständiger bleiben und die Lamellen lockerer gefügt sind (s. Fig. 4) Der Dickendurchmesser der Zellen bleibt oft recht ansehnlich. In scharfem Gegensatz zu dieser übermäßigen Verhornung bleibt die eigentliche Haaranlage völlig unverhornt. Daraus resultiert eine Lockerung des Zellengefüges dieser Anlage, welche neben der Difformität eine so bedeutende Volumsvermehrung im Gefolge hat, daß die Anlagen der Rumpfhaare an der Zwiebel einen Durchmesser zeigen, der den der dicksten Tastborste noch um das Dreifache über- trifft. Die schon für den primitiven Haarkegel charakteristische Orientierung der Haarzellen ist nur an der Spitze der vollkommensten beobachteten Anlage zu beobachten. Im übrigen grenzen sich die Zellen so regellos ab, daß der Querschnitt an das Gefüge einer zyklopischen Mauer erinnert. Dabei ist jede einzelne Zelle von ziemlich feinen Pigmentkörnern so dicht erfüllt, daß sie mit Aus- nahme des freigelassenen Kerns ganz gleichmäßig braunschwarz erscheint. In einer gewissen Beziehung zur Lockerung der Haaranlage (Yo RE oF 2) SIEGEL, Anatomische Untersuchungen über die äußere Haut des Hundes, Dissert., Dresden 1907. Beitrag zur Kenntnis der Haut des Nackthundes. 435 scheint die Pigmentverteilung im ganzen Haarbalg zu stehen. In Fig. 3, welche diese Verhältnisse am deutlichsten darstellt, ist die Basis der Stachelschicht des Balges durch schollige Pigment- zellen von bedeutender Größe, die sich manchmal reihenweise an- einander schließen und vor allem die Keimschicht ziemlich vollständig verdecken, erfüllt. Im obern (peripheren) Teile des Balgs nimmt nicht nur die Zahl der pigmentierten Zellen ab, sondern es zeigt sich auch, daß der Farbstoff die Zellen nicht völlig erfüllt. Er liegt vielmehr als unregelmäßig tropfenartiger Klumpen im Plasma oder gewinnt, wie es in der Keimschicht der Fall ist, innige Lage- beziehungen zum Kerne. Die unten zu besprechenden Hautdrüsen führen gleichfalls reichlich Farbstoff. Es wurde bereits erwähnt, welch enge Beziehungen das Coriumpigment zum Epidermispigment zu haben scheint. Auch die Hornschicht bleibt, wie Fig. la, b und d, sowie Fig. 4 beweisen, im Gebiet des Haarbalges nicht unpigmentiert. Die Pigmenteinlagerungen in die Hornzellen bevorzugen die Stellen, an denen früher die Kerne gelegen waren. Im ganzen zeigt sich, daß das sonst hauptsächlich im Haare konzentrierte Pigment sich diffus in der ganzen Balganlage verbreitet, ohne im Gebiete der Epidermis die Grenze der Anlagen weit zu überschreiten. Wie Fig. 1 erkennen läßt, ist die Haut nur lokal pigmentiert, und man würde nach dem mikroskopischen Bilde sich die Hautfarbe des Hundes kaum ganz so dunkel vorstellen, wie sie tatsächlich erscheint. Der eigentümlich matte Ton der Nackthundfärbung geht wohl darauf zurück, daß zwischen das Auge des Beschauers und das an sich lebhaft gefärbte Pigment die zahlreichen Lamellen der Hornschicht eingeschaltet sind. Dafür spricht, daß auch das schöne Pigment der Kellerassel, Porcellio scaber, das unter völlig hyalinen, aber mehr- fach geschichteten Hüllen liegt, dem unbewaffneten Auge den gleichen matt schwarzgrauen Effekt macht. Der Punkt, in dem meine Befunde von denen DE MEIERE'S !) am meisten abweichen, ist zweifellos der Entwicklungsgrad der Hautdrüsen, die der genannte Autor außerordentlich groß und stark verästelt fand, während mir nur Bildungen vorliegen, die frühen Embryonalstadien von Drüsen entsprechen. Dies ist um so auffälliger, als der normale Neugeborene schon längst funktions- fähige Talg- und Schweißdrüsen besitzt. Ich sah erstens plumpe Aussackungen der Haarbälge, wahrscheinlich Anlagen von Talg- Nike: 436 F. G. Kony, driisen, obwohl niemals die fiir diese typische Plasmadegeneration bemerkt werden konnte (Fig. 3 u. 4. Tg), zweitens von der Haut- oberfläche schief ins Corium sich einsenkende Zapfen, die nicht gerade häufig auftreten, drittens schlanke, im Gegensatz zu beiden erstgenannten pigmentlose Tubuli (Fig. 3 u. 4 Xd), wie die vorigen möglicherweise den Knäueldrüsen zuzurechnen. An den größten Haaranlagen (Fig. 5) entspricht der Ort der Drüsenanlage völlig dem am normalen Haar bekannten, an kleinern (Fig. 4) rückt die Drüsenanlage mehr gegen das Epithel zu und erlangt an den kleinsten (Fig. 1 Dr) sogar eine gewisse Selbständigkeit in enger Nachbar- schaft des zugehörigen Haares. Die Anwesenheit langgestreckter Kerne in einem Faserbündel, das, in Fig. 3 und 4 als Ar bezeichnet, in sehr spitzem Winkel zum Haarbalg verläuft, deutet darauf hin, daß auch das letzte Anhangsgebilde des Haares, der Arrector pili, nicht voll- ständig fehlt. Einen physiologischen Vorgang, aus dem allein man Haaranlagen vermuten müßte, erwähnt KrıckLer!), der anführt, daß die nackten Hunde in der Zeit, während welcher die andern Hunde ihr Haar wechseln, die obere Schicht der Haut abstoßen. Zusammenfassung. Die Haut des neugeborenen Nackthundes zeigt neben einzelnen ausgebildeten Haaren Anlagen in verschiedener Ausbildung, einfache Epithelverdickungen, Epithelzapfen, primitive Haarkegel mit oder ohne Andeutung von Papille, jüngern Anlagen der Hautdrüsen und Arrector, zeigt also insofern den Charakter der Haut eines jüngern Embryos. Da sich jedoch zugleich deutliche, besonders über den Haarbälgen, in welche Hornzapfen einwuchern, ausgebildete Hyperkeratose zeigt, da ferner der Haarkegel als unförmliche, auf- selockerte Masse auftritt und weil endlich das sonst im Haare gespeicherte Pigment sich regellos in Faserschicht und: Stachel- schicht des Balges sowie im Hornzapfen anhäuft, wird der Charakter einer echten Hemmungsbildung getrübt und ein Zustand geschaffen, den wir, wenn er nicht vererbt würde, ohne Zweifel für patho- logisch erklären würden. Dieses Gemisch embryonaler und ab- normer Charaktere im Hautbefunde, das noch dazu von der von 2) KRICHLER, Katechismus der Hunderassen, Leipzig 1892. Beitrag zur Kenntnis der Haut des Nackthundes. 437 YARRELL !) und WATERHOUSE !) beschriebenen, von BECKMANN ”) ab- gebildeten Monstrosität des Gebisses begleitet ist, kann keines- wegs als eine der Haarverarmung des Menschen analoge, all- mählich entstandene Anpassung an veränderte Bedingungen betrachtet werden, wie sie nach der naiven Namengebung angenommen werden könnte, welche stets die Herkunft aus fremden, heißen Ländern betont, wie türkischer !), ägyptischer !), chinesischer ?), mexi- kanischer *) Hund, Canis familiaris africanus *), caraibaeus.?) Wir haben im Gegenteil ein plötzlich entstandenes, vererbbares Merk- mal, also eine typische Mutation, vor uns, deren auslösende Ursache derzeit völlig unaufgeklärt bleibt. Für die Durchsicht meines Materials bin ich Herrn Prof. Dr. GÜNTHER, für mannigfache Hilfe Herrn Prof. Dr. KELLER zu srößtem Danke verpflichtet. Eine Mitteilung über die Haut des ausgewachsenen Nackthundes, die als willkommene Ergänzung des etwas dürftigen Materials neben der Bestätigung der bisherigen Befunde und Vermutungen, zugleich die Beziehungen zu den Angaben Dr. MEıJErE’s klarlegen soll. will ich demnächst folgen lassen. 1) Zitiert nach: DARWIN, Das Variiren der Tiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. 2) BECKMANN, Geschichte und Beschreibung der Rassen des Hundes, Braunschweig 1895. 3) BYLANDT, |. ce. 4) BREHM, Tierleben. 5) DE MEIJERR, |. ce. 438 F. G. Kons, Beitrag zur Kenntnis der Haut des Nackthundes. Erklärung der Abbildungen. Die beigegebenen Abbildungen wurden mit Lerrz-Mikroskop und ABBÉ’schem Zeichenapparat angefertigt. a größere Balganlage, von der Hornschicht ausgefüllt Ar Anlage des Musc. arrector pili b kleinere Balganlage mit Pigmenteinlagerung € ” ” ohne ” d Andeutung einer Balganlage in der Hornschicht Dr vom Haarbalg abriickende Driisenanlagen e Andeutung einer Balganlage in der Keimschicht’ E kraterförmige Erkebungen des Coriums H deformierter primitiver Haarkegel Ha Haaranlagen Hb Faserschicht des Haarbalges Hp Haarpapille HS HENuE’sche Schicht Hs Haarschaft Hx Haarzwiebel Kd Knäueldrüsen M. c. a Musc. cutaneus abdominis p.r Pars reticularis corii R. M Stratum germinativum Se Subeutis sp Stratum pilosum corii St. B Stachelschicht des Balges Str.co Stratum corneum innerhalb wie außerhalb des Haarbalgs Str. gr Stratum granulosum Str. m Stratum mortificatum Tg Talgdrüsenanlage are. Fig. 1. Übersichtsbild eines Hautquerschnittes. Sublimat. Hämalaun- Orange. Ok. 2, Obj. 3. Fig. 2. Schematische Darstellung der vollkommensten beobachteten Haaranlage. Formol. Hämalaun-Eosin. Ok. 2, Obj. 3. Fig. 3. Genauere Darstellung einer vollkommeneren Haaranlage, Sublimat. Hämalaun-Orange. Ok. 2, Obj. 5. Fig. 4. Weniger ausgebildete Haaranlage. Sublimat. Hämalaun- Orange. Ok. 2, Obj. 5. Fig. 5. Flächenschnitt durch die Haut. Formol. Hämalaun-Eosin Ok 2, Obj. 8. Nachdruck verboten. Übersetzungsrecht vorbehalten. Bau und Entwicklung des tibialen Chordotonalorgans bei der Honigbiene und bei Ameisen. Von Arnold Schön. (Aus dem Zoologischen Institut der Universität Freiburg i. Br.) Mit Tafel 17—19 und 9 Abbildungen im Text. Inhalt. A. Einleitung. B. Material. a) Bienen. b) Ameisen. c) Andere Hymenopteren. C. Behandlungsmethode. D. Spezieller Teil. I. Morphologischer Teil. 1. Literatur. 2. Bau des Chordotonalorgans a) bei Ameisen, b) bei Bienen, c) bei andern Hymenopteren. 3. Bau der Stifte. II. Entwicklungsgeschichtlicher Teil. E. Zusammenfassung und Schluß. 440 ARNOLD SCHÖN, A. Einleitung. GRABER (1881, 1882) stellt in seiner grundlegenden Arbeit über „Die chordotonalen Sinnesorgane der Insekten“ eine Tabelle auf über die bisher — d.h. bis zum Jahre 1882 — nachgewiesene Verbreitung jener Organe, und zwar waren vor seinen Untersuchungen -scolo- pofere oder stifteführende Organe mit Sicherheit nur bei Orthopteren, Dipteren und Coleopteren nachgewiesen. Ihm gelang es, auch bei Pseudoneuropteren, Neuropteren, Rhynchoten, Hymenopteren und Lepidopteren das Vorkommen von Chordotonalorganen teils in den Flügeln, teils in den Beinen festzustellen. Seit jener Zeit hat man nur die Orthopteren einem eingehenden Studium unterworfen, wohl weil die Objekte infolge ihrer Größe den Untersuchungen die wenigsten Schwierigkeiten zu bieten schienen. Nach Graper (1882), der uns von dem Vorhandensein scolo- poferer Organe in den Tibien einiger Ameisen Kenntnis verschaffte, hat niemand bei den übrigen Hymenopteren Untersuchungen über diese Organe angestellt. Und doch verlangte z. B. die Frage, ob die Bienen Hörfähigkeit besitzen, genauere Nachforschungen. Deshalb folgte ich gern der Anregung des Herrn Geheimrats WEISMANN, mich mit dem Studium des feinern Baues der Tibial- organe bei Hymenopteren zu befassen; es sei mir an dieser Stelle gestattet, meinem hochverehrten Lehrer für die Anregung zu dieser Arbeit sowie für das gütige Interesse, das er ihr stets entgegen- brachte, meinen herzlichsten Dank auszusprechen. Ebenso bin ich den Herren Privatdozenten Dr. ScHLEIP und Dr. Künn, die durch zahlreiche Ratschläge meine Untersuchungen förderten, zu großem Danke verpflichtet. B. Material. a) Bienen. Was die Entwicklungsstufen von Apis mellifica anbelangt, so bekam ich von Herrn Geheimrat Weismanx alle Stadien gütigst zur Verfügung gestellt. Vom Ei bis zur Imago waren von Tag zu Tag einige Objekte mit heißem Sublimat-Eisessig (Alk. abs. 2 Teile, Aq. dest. 3 Teile, Ac. acet. glac. 1 Teil) fixiert worden. Die Larven wurden in Paraffin teils quer, teils sagittal geschnitten; letztere Schnittrichtung erwies sich am vorteilhaftesten, weil die Imaginal- scheiben meist so angeordnet sind, daß die Tibiaanlage längs oder Tibiales Chordotonalorgan bei der Honigbiene und bei Ameisen. 441 etwas schräg und das Femur genau quer getroffen wird; ferner liegen auf diesen Schnitten die Anlagen für je 3 Beine immer neben- einander, was bei der Verfolgung der Entwicklung die Übersicht sehr erleichtert. b) Ameisen. Von Ameisen wurden folgende 11 Arten untersucht: 1. Myrmicini Myrmica rubida $ ruginodis Tetramorium caespitum Tomognathus (Harpagoxenus). Die letzte Art verdanke ich Herrn Volksschullehrer VIEHMEYER in Dresden; für seine Bemühungen spreche ich ihm auch hier meinen besten Dank aus. 2. Camponotini Camponotus ligniperdus 4 herculeanus Lasius fuliginosus „rn niger » alienus Formica sanguinea > fusca. c) Andere Hymenopteren. Die zur Untersuchung gelangten andern Hymenopteren, bei denen es mir mehr darauf ankam, das Vorhandensein des Chordo- tonalorgans festzustellen, als auf genauern histologischen Bau zu prüfen — nur noch die Ameisen wurden einem eingehenden Studium unterzogen —, wurden in der nähern und weitern Umgebung Frei- burgs während des ganzen Sommers 1909 gesammelt. Und zwar waren es Vespa gallica, Vespa germanica, Bombus agrorum, Bombus terrestris und einige Terebrantien. Doch habe ich auch von den Tibien dieser Tiere, da die starke Pigmentierung des Chitins die Durchsichtigkeit zuweilen sehr beeinträchtigte, viele Schnittserien angefertigt. 442 ARNOLD SCHÔN, C. Behandlungsmethode. Konserviert wurde mit heißem Sublimat-Eisessig von oben an- segebener Zusammensetzung. Die Beine wurden vom Thorax ge- trennt; ein Schnitt wurde durch das Femur gelegt gleich oberhalb des Knies, ein anderer durch das erste Tarsalglied; die so isolierte Tibia wurde hierauf in die Fixierungsflüssigkeit befördert. Die durch die Erwärmung an beiden Schnitträndern heraustretenden Luftbläschen wurden mit einem feinen Pinsel entfernt. Nach dem Entwässern verblieben die Objekte ungefähr 10—14 Tage in Cedern- holzöl. Dadurch wurden die Totalpräparate äußerst durchsichtig, und ferner verloren die zum Schneiden bestimmten Objekte ihre sonst so störende Sprödiekeit. Die Schnittdicke schwankte zwischen 10 und 40 «. Dünnere Schnitte erwiesen sich in den meisten Fällen als unzweckmäßig; für die feinern histologischen Untersuchungen nahm ich Beine von Puppen, die sich ganz kurz vor dem Ausschlüpfen befanden; bei ihnen ist das Chitin noch weich und das Chordotonalorgan vollkommen ausgebildet. Zum Färben habe ich für Totalpräparate Alaunkarmin ange- wandt. Hierbei gelang es mir zufällig, die Tracheen mit all ihren Verzweigungen sichtbar zu machen. Bekanntlich müssen die Ob- jekte vor und nach dem Färben gründlich mit Wasser ausgewaschen werden. Wenn ich jedoch die Präparate nach dem Färben nur kurze Zeit wässerte und in 70°, Alkohol brachte, so schlug sich das in den Tracheen zurückgebliebene Alaun in Form winziger Krystalle an den Wandungen nieder. Hierdurch traten sämtliche, auch noch so kleine Verästelungen deutlich hervor. Wenn sich später bei den Bienenpuppen die Beine ausgestülpt hatten, so trennte ich diese in der Mitte des Femurs vom Körper und bettete sie einzeln in Paraffin ein. Die Schnittrichtung war teils sagittal, teils frontal (nur auf die Tibia selbst bezogen). Die Schnittdicke schwankte hier zwischen 3 und 15 u, während sie bei den Larven 5, 7,5, 10 und 15 « betrug. Die Schnittserien wurden gefärbt mit Hämatoxylin (DELAFIELD), Gegenfärbung Pikrokarmin, zuweilen Eosin; auch wandte ich mit Erfolg Pikronigrosin an, das besonders ein klares Hervortreten der Nervenfibrillen bewirkte. Tibiales Chordotonalorgan bei der Honigbiene und bei Ameisen. 443 D. Spezieller Teil. I. Morphologischer Teil. Literatur Bevor wir uns den speziellen Untersuchungen der Chordotonal- organe zuwenden, dürfte es angebracht erscheinen, einen kurzen Überblick über die hauptsächlichsten Arbeiten auf diesem Gebiet vorauszuschicken. Wie schon oben erwähnt, waren vor GRABER scolopofere Organe nur bei Orthopteren, Dipteren und Coleopteren nachgewiesen. Als erster untersuchte von SIEBOLD (1844) den eigentümlichen Sinnes- apparat in den Vordertibien der Locustiden. Er fand, daß ein in die Tibia eintretender Nervenast „sich dicht über der kahnförmigen Aushöhlung der großen Luftblase zu einem flachen Ganglion“ aus- breitet, „dessen unteres Ende in Form eines Bandes in die kahn- förmige Aushöhlung hinabläuft“. In diesem Band konnte er eine Menge „gestielter stabförmiger oder vielmehr birnförmiger Körperchen“ erkennen. In den folgenden Jahren blieb unsere Kenntnis von scolopoferen Organen auf die Tympanalorgane der Locustiden beschränkt. Da entdeckte LeypiG (1851) bei der Larve von Corethra plumicornis „Nervenzweige, die schräg durch den hellen Raum, der zwischen der Haut und den Muskeln übrig bleibt, von der Gelenkverbindung des Gliedes aus zur Haut gespannt sind“; die in diesen „blassen Fäden“ enthaltenen ,Hürstifte“ jedoch erkannte erst WEISMANN (1866) in seiner Arbeit über diese Dipterenlarve; er nahm an, dab dieses „saltenartig aufgespannte Organ sehr geeignet sei, durch Schall- schwingungen in Vibration versetzt zu werden“. Zu dieser Zeit hatte Leyvıc (1860) ferner Larven und Ima- gines von Dipteren und Coleopteren untersucht, und es war ihm ge- lungen, auch hier diese eigenartigen Nervenendapparate nachzu- weisen. Die genauere Lage und Gestalt der „Hörstifte* wurde zuerst von HENSEN (1866) und von Schmidt (1875) eingehender untersucht. HENSEN stellte bei Locusta den Verlauf des „Hörnerven“ neben der „Hörleiste* und den Zusammenhang der Stiftköpfe mit einer Nerven- faser, die er als Chorda bezeichnete, fest; ScHmipr indessen bemühte sich, die Gestalt der Stifte eingehender zu beschreiben; sein Ver- 444 ARNOLD SCHÖN, dienst ist es, das im Stift verlaufende Nervenende, „die Chorda“, bis zur „Basalganglienzelle* verfolgt zu haben. Bisher hatten sich also alle Untersuchungen nur auf jene 3 In- sectengruppen erstreckt, und niemand hatte bei den übrigen Ord- nungen nach scolopoferen Organen gesucht. Da entdeckte LuUBBock (1879) in den Tibien einiger Ameisen (Lasius, Myrmica) ein Organ, „a conical striated organ“, das er treffend mit einem Teil des tibialen Tympanalorgans der Locustiden vergleicht. Er glaubte auch, einige helle Stifte erkannt zu haben, doch blieb er uns den Beweis, daß es sich hier um scolopofere Organe handelt, schuldig. Seine Vermutungen wurden: erst 3 Jahre später von GRABER voll- kommen gerechtfertigt. (GRABER’S Arbeit (1881, 1882) über die „chordotonalen Sinnes- organe der Insecten“ war grundlegend für alle folgenden Unter- suchungen. Er führte die auf diesem Gebiete noch heute üblichen Bezeichnungen ein, und ich muß daher auf seine Arbeit etwas näher eingehen. Als „chordotonal* oder ,saitenartig“ bezeichnet GRABER alle Sinnesorgane, in denen sich „den bekannten Hörstiften der Ortho- pteren ähnliche Nerven-Terminalgebilde“ finden. In seiner Arbeit verfolgte er vor allem den Zweck, zu erforschen, „wie weit denn eigentlich diese stifteführenden oder scolopoferen Bildungen, die man bisher nur ganz vereinzelt und zufällie auffand, in der Klasse der Insecten verbreitet sind und wie sie untereinander und wie nament- lich die tympanal differenzierten Vorkommnisse mit den primitiveren Zuständen zusammenhängen“. GRABER nannte jene eigentümlichen Bildungen wegen ihres trommelfellartigen Charakters „Tympanalapparate“, die andern Ter- minalgebilde, die durch Leyvıe’s Untersuchungen auch bei andern Insecten und an verschiedenen Körperstellen nachgewiesen waren, bezeichnete er als „atympanale stifteführende Organe“. GRABER führte für diese Organe, da sie am häufigsten in den Tibien vorkommen und etwas unterhalb des Kniegelenkes liegen, die Bezeichnung „Subgenualorgane“ ein. Allen Chordotonalorganen kommen Stiftträger oder Scolopophoren zu, das sind „die Stifte in sich einschließende Nervenenden“. Er unterscheidet nun „subintegumentale“ Scolopophoren, das sind solche, die mit dem Integument in gar keiner nähern Beziehung stehen, und „integumentale*, die unmittelbar mit dem Integument zu- sammenhängen. Tibiales Chordotonalorgan bei der Honigbiene und bei Ameisen. 445 Die Scolopophoren gehen von einer Ganglienzelle aus; an diese schließt sich ein Fortsatz und die Nervenfaser, die zuweilen sehr lang ist, mit dem Stift. In der Regel sind nun diese Scolopophoren zu einem System vereinigt, dessen Anordnung sehr verschieden sein kann. Entweder sind die Elemente der Systeme ganz „unregel- mäßig“ oder „streng reihenweise“ verteilt, oder sie sind „fächer- artig“ gruppiert. Letzteres ist den Subgenualorganen eigentümlich, und speziell für diese Organe konnte GRABER die ihnen zukommende, charakteristische Verlaufsrichtung der Scolopophoren-Endfasern fest- stellen. Während nämlich bei fast allen Chordotonalorganen die Endfasern ganz gerade verlaufen, „erscheinen an den subgenualen Organen die Endfasern, bei allen Scolopophoren im gleichen Sinne, gegen die übrige Schlauchstrecke oft fast rechtwinklig gebogen und laufen gegen ihr integumentales Ende in einen Strang zusammen“. Die Stifte sind nach der proximalen Seite zugespitzt, das andere Ende trägt eine „einem Nagelkopf vergleichbare Verdickung“; die Substanz ihrer Wandung erscheint vollkommen homogen und stark lichtbrechend. Den im Stift zentral verlaufenden Faden, SIEBOLD’s „Nervenfaden“, Hexsen’s ,Chorda“, nannte GRABER „Achsenfaden“, den er sich bis in den Kopf des Stiftes erstrecken läßt. Da für uns nur die Untersuchungen über subgenuale Chor- dotonalorgane in Betracht kommen, so möchte ich mich im Folgen- den nur noch auf diese beziehen. GRABER und von ADELUNG (1892) trennten das Subgenualorgan der Locustiden in zwei besondere Abschnitte. Daß es sich hier Fig. A. Längsschnitt durch das Subgenualorgan von Decticus verrucivorus. Ubersichtsbild verkleinert aus ScawAge (1906), tab. 4, fig. 21. Zool. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. 29 446 ARNOLD SCHÖN, jedoch um ein „vollkommen selbständiges und in sich geschlossenes Gebilde“ handelt, hat uns erst SchwagE (1906) in seiner ausführ- lichen Arbeit über die „tympanalen Sinnesapparate der Orthopteren“ bewiesen. Bei den Locustiden inseriert das Organ an der Bein- wand mit den „Endfasern“ (Hf), welche eine Fortsetzung der „Kappenzellen“ (Az) bilden; in diesen liegt der Kopf des Stiftes (S%), während die Spitze des Stiftes in die der Kappenzelle aufsitzende „Umhüllungszelle* (Uz) hineinragt, an diese wiederum schließt sich der Fortsatz der Sinneszelle (Sz), welche mit dem Nerven in Ver- bindung tritt. Auf den Bau und die Anordnung der einzelnen Zellen werde ich weiter unten zurückkommen. 2. Bau des Chordotonalorgans a) bei Ameisen. Um die Lagebeziehungen der einzelnen Organe besser ver- ständlich zu machen, ist es notwendig, bestimmte Bezeichnungen einzuführen. Ich schließe mich den Angaben GRABER’S an, der sich das Bein in seiner natürlichen Lage denkt und so eine äußere und innere (dem Körper zugewandte), eine vordere und hintere Seite unterscheidet; das obere Ende der Tibia nennen wir das proximale, das untere das distale Ende. Die durch die Tibia verlaufende Trachee (Tr) (Taf. 17, Fig. 1) teilt diese in zwei von oben nach unten ziehende Kanäle; den äußern bezeichnen wir mit GRABER als Blutkanal (5%), den innern als Muskel- kanal (Mh). Im Blutkanal liegt nur das Subgenualorgan (SO) mit seinen nervösen Elementen; der Inhalt besteht sonst hauptsächlich aus Blutflüssigkeit, zuweilen kommen auch Fettzellen vor. Der Muskel- kanal enthält einige Tarsalmuskeln, eine starke Sehne, welche zu den Klauen zieht, den Tibial- und Tarsalnerven. Besondere Beachtung verdient der Verlauf der Trachee. Die durch das Femur zentral verlaufende Trachee schwillt nach dem Eintritt in die Tibia unmittelbar unter dem Kniegelenk mächtig an (Taf. 17, Fig. 2) (Trbl), so daß Blut- und Muskelkanal bedeutend eingeengt werden. Allmählich, ungefähr bis zur Mitte der Tibia, verringert sich ihr Lumen, zum distalen Ende hin jedoch nimmt sie wieder an Umfang zu; hierbei erscheint die äußere Wand in Form einer Längsfurche (Zf) etwas eingebuchtet, so daß die Trachee im Querschnitt nierenförmige Gestalt aufweist. Tibiales Chordotonalorgan bei der Honigbiene und bei Ameisen. 447 Direkt unter dem Kniegelenk entspringt aus der blasenartigen Anschwellung (Trbl) ein kleiner, schlauchförmiger Tracheenast (7ra), welcher neben dem Hauptstamm, sich allmählich verjüngend, verläuft, bis er am distalen Ende der Tibia in die Stammtrachee einmündet. In der Mitte der Tibia, etwas unterhalb der Stelle, wo die Stammtrachee das geringste Lumen hat, tritt die kleine Trachee mit dem Hauptstamm in Kommunikation (7rc); von ihr aus verzweigen sich, besonders im untern Abschnitt der Tibia, zahlreiche kleine Äste, welche teils im Blut-, teils im Muskelkanal endigen. Die größte Weite erreicht der Blutkanal in der Mitte der Tibia; nach der Verbindung der beiden Tracheen jedoch wird er distal- wärts allmählich eingeengt, indem der Muskelkanal den ganzen Tracheenstamm an die äußere Beinseite drängt. Beim Durchsehen der Schnittserien entdeckte ich im Femur und in der Tibia je ein aus 8—9 Zellen gebildetes drüsenartiges Organ (Taf. 17, Fig.3 u. 4). Am distalen Ende des Femurs liegt zwischen der Sehne (S,), welche mit der äußern Wand der Tibia verbunden ist, und der obern Hypodermis (Hyp) ein Komplex von einzelligen Drüsen. Die Zellkerne sind ziemlich groß und intensiv färbbar; das Protoplasma weist deutlich bläschenförmige Struktur auf. Jede der Zellen besitzt einen Ausführungskanal (Ak), dessen Porus in der Zelle sich unschwer erkennen läßt; die äußerst feinen Kanäle münden getrennt in der Gelenkhaut, welche Femur mit Tibia verbindet. Die andern, genau ebenso gebauten Drüsenzellen (Drz,) liegen im Muskel- kanal der Tibia zwischen der Sehne des Tarsalbeugers (S,) und der innern Beinwand. Der mittlere Durchmesser der Zellen beträgt bei Camponotus herculeanus und Formica sanguinea 25 u. Es ist wohl mit Sicherheit anzunehmen, daß diese Drüsen ein Secret absondern, welches bestimmt ist, die Gelenke geschmeidig zu erhalten. Der Verlauf der Nerven ist bei einigen Ameisenarten verschieden. Bei Camponotus und Formica gestaltet er sich folgendermaßen: Durch das Femur ziehen zwei Nervenstämme; der eine schwächere geht durch den Muskelkanal der Tibia und versorgt die Tarsalglieder; der andere stärkere spaltet sich bei Formica im Kniegelenk, bei Camponotus erst unterhalb des Knies in zwei Äste, von denen der eine an die Muskeln der Tibia, der andere an das Subgenual- organ tritt. Bei Lasius löst sich am proximalen Ende der 'Tibia vom Tibial- nerven ein großer Komplex von Ganglienzellen (Taf. 17, Fig. 1) (Gz) ab und tritt mit dem Subgenualorgan und vielen integumentalen 29* 448 ARNOLD SCHÔN, Sinnesorganen in Verbindung, während letztere bei Camponotus und Formica von jenem zum Subgenualorgan ziehenden Nervenast inner- viert werden; diesen nennen wir daher den Subgenualnerv (SN); er zieht nach seinem Ursprung an der äußern Beinseite entlang, dicht an der Hypodermis, bis seine Fasern mit den Sinneszellen des Chordotonalorgans in Verbindung treten. Am proximalen Ende der Tibia fallen außer einer zahl- reichen Anhäufung von Sinnes- haaren zehn stets regelmäßig an- geordnete Sinneskegel (Sh) auf (s. Textfig. B). Nebenbei soll auf die Haut- Sinnesorgane eingegangen wer- den, welche sich in der Nähe des Chordotonalorgans finden. Vom Subgenualnerven bzw. von den Ganglienzellen (bei Lasius) ziehen Nervenfasern zu Sinnes- zellen (Sz), welche dicht unter der Hypodermis liegen; diese senden Fortsätze zu den Sinnes- haaren (Sh) (Taf. 17, Fig. 5). Das Chitin ist an den Stellen, wo Î sich ein Sinneshaar befindet, von Fig. B. einem Kanal (P%) durchbrochen, Frontalschnitt durch die Tibia von Cam- den wir mit Vom Ratu (1888) dae ne Sf. als Porenkanal bezeichnen wollen. An der Basis dieser Sinneshaare liegt eine, in manchen Fällen auch zwei Sinneszellen (Sz); von diesen gehen feine, aus einzelnen Fasern bestehende Fortsätze aus, die sich bis fast an die Spitzen der Haare verfolgen lassen. Bei Lasius finden sich an der Außenseite in der Höhe des Sub- genualganglions einige Bildungen, die sich mit den sogenannten „geschlossenen Gruben“ anderer Hymenopteren vergleichen lassen. Ich möchte sie nach dem Vorschlage Vom Ratu’s (1888) „Membran- kanäle“ (Mbk) nennen. Dieser Forscher denkt sich ein solches Ge- bilde dadurch entstanden, „daß das Haargebilde rudimentär geworden und nur die Papille zurückgeblieben ist“. Statt dab also dem Poren- Tibiales Chordotonalorgan bei der Honigbiene und bei Ameisen. 449 kanal ein Sinneshaar aufsitzt, ist dieser einfach durch eine Membran geschlossen. Auch hier setzt sich von der Sinneszelle aus der »Terminalstrang“ (7'St) durch das Chitin fort, endet aber an der Membran. Eigentümlich ist bei ZLasius das Verhalten der Hypo- dermis: an der Stelle nämlich, wo die Membrankanäle liegen, die nebenbei ein größeres Lumen als die Porenkanäle aufweisen, hebt sich die Hypodermis vom Chitin ab, so dab ein deutlicher Zwischen- raum (Hyp) entsteht, in dem sich dann die Sinneszellen (Sz) der Membrankanäle befinden. Es scheint mir, daß dies nicht etwa künstlich zustande gekommen ist, da ich auf allen Präparaten diesen Zwischenraum gefunden habe. Bei Camponotus und Formica sieht man, schon bei schwacher Vergrößerung, zehn hellglänzende Sinneskegel (Sk), die eine charak- teristische Anordnung aufweisen (vgl. Textfig. B). In zwei Reihen liegen vier untereinander, gleichsam auf den Schenkeln eines spitzen Winkels, der sich “ne nach dem distalen Ende der Tibia öffnet. et". Zwischen den beiden untern Kegeln liegen t + etwas seitlich nochmals zwei: diese beiden Rep sind die größten; ihre Höhe beträgt 7. B. en bei Camponotus ligniperdus 2 20 u; proximal- mica. wärts nehmen die Sinneskegel an Größe ab. In ihrem Bau ähneln diese „sensilla basiconica*, wie ich die Sinneskegel nach SCHENK (1903) bezeichnen will, denjenigen, die von diesem und andern Autoren schon früher auf den Antennen von Lepidopteren und Hymenopteren nachgewiesen waren. An der Basis der Kegel befindet sich ein heller, lichtbrechender Ring (À) (Taf. 18, Fig. 6); auf diesem erhebt sich die äußerst dünne und zarte Membran (Km). Ich glaube mit Sicherheit angeben zu können, dab die Spitze des Kegels nicht abgeschlossen ist, sondern einen feinen Porus (P) enthält, mit dem der Terminalstrang (7'St) der Sinneszelle, die direkt vom Subgenualnerv (SN) innerviert wird, in Verbindung steht. Es wird also die schon von mehreren Autoren gemachte An- nahme, für die besonders Rutanp (1888) und Nacen (1894) eintreten, unterstützt, daß wir diese Sensilla basiconica als Geruchsorgane zu deuten haben. So würde Nacer's Hypothese bestärkt, welche be- sagt, daß diese Sinneskegel vor allem dann in Funktion treten, wenn bewegte Luft über sie hinstreicht; also müssen die Insecten, um Gerüche wahrzunehmen, diese Organe gegen die Luft bewegen. Hierzu sind aber die Kegel der Ameisen, die in den engen Gängen 450 ARNOLD SCHÖN, der Nester oder auf ihren Heerstraßen emsig hin und her laufen, wie geschaffen durch die günstige Lage an möglichst exponierten Körper- stellen, die ja die sechs höchsten Punkte des ganzen Tieres darstellen. Ehe ich nun nach dieser Abschweifung auf die genaue Be- schreibung des Chordotonalorgans eingehe, will ich bemerken, daß sich das Organ bei allen untersuchten Arten in den drei Beinpaaren vorfindet; auch ist die Größe im Verhältnis zu der der Individuen stets die gleiche; da das Organ bei Männchen, Weibchen und Ar- beiterinnen, was vielleicht auffallen könnte, immer in der gleichen Lage und Ausbildung vorkommt, habe ich die Untersuchungen unter- schiedslos angestellt, mich jedoch vor der mikroskopischen Betrach- tung vergewissert, ob ich ein Vorder-, Mittel- oder Hinterbein vor mir hatte und welcher Kaste es angehörte. Das Subgenualorgan liegt direkt vor der blasenförmigen Er- weiterung der Haupttrachee als ein beerenartig in den Blutkanal hineinragendes Gebilde. Es ist mit seinen Endfasern (Hf) an der einen Seitenwand der Tibia angeheftet, welche in fast horizontaler Richtung nebeneinander verlaufend, den Blutkanal durchqueren; die Insertionsstelle befindet sich stets an der Beinseite, an welcher der Hauptstamm der Trachee verläuft (vgl. Taf. 17, Fig. 2). Ungefähr in der Mitte des Beinlumens machen die Endfasern (Ef) (Taf. 18, Fig. 7) einen Bogen nach dem proximalen Ende der Tibia und gehen in weiter unten zu besprechende, zum Chordotonalorgan gehörige Zellen (K/z) über. Diese sind mit den ihnen aufsitzenden, gleich- großen Zellen (Kz), wie aus Querschnitten zu ersehen ist, kreis- formig angeordnet. Wir haben es also hier mit einer durchaus körperlichen Ausbreitung des Organs zu tun, während SCHWABE (1906) für die tibialen Sinnesorgane der Locustiden und Gryllodeen als Hauptmerkmal ihre flächenhafte Ausbreitung anführt. Der Durchmesser des Organs beträgt bei Camponotus ligniperdus ? in allen drei Beinpaaren 76 u, bei Camponotus herculeanus 2 78 u, 3 69 u, bei Formica sanguinea 2 64 u. Die Anzahl der Zellen ist sehr verschieden; bei Lasius findet man 10—12, bei Formica 14—16, bei Camponotus 18—20. Je mehr Zellen an dem Aufbau des Organs beteiligt sind, desto mehr strecken sie sich in die Länge, um sich der kugligen Gestalt des ganzen Organs anzupassen. Dem eben beschriebenen Zellenkomplex sitzen lange, schlauch- förmige und äußert durchsichtige Zellen (Uz) auf, die mit der Sinnes- zellengruppe (Sz) in Verbindung treten; diese liegt unmittelbar der Hypodermis an, ohne jedoch mit ihr zu verwachsen; an die Sinnes- Tibiales Chordotonalorgan bei der Honigbiene und bei Ameisen. 451 zellen tritt dann der Subgenualnerv (SN). Mit der Trachee oder der Hypodermis steht das Organ in keiner Verbindung; auf der proximalen Seite ist es gewissermaßen aufgehängt am Subgenualnerv, auf der distalen sind die Endfasern am Chitin (J) festgeheftet. Die histologischen Untersuchungen haben ergeben, daß hinsicht- lich der Lage und des Aufbaues der Zellen, welche das Subgenual- organ der Ameisen bilden, viel Ähnlichkeit mit den Zellelementen des Locustiden- und Gryllodeenorgans besteht. Ich werde daher vielfach diese Organe miteinander vergleichen und die das Ameisen- organ konstituierenden, jenen homologen Elemente mit den gleichen Bezeichnungen belegen. Der zu der Sinneszellengruppe (Sz) führende Subgenualnerv (SN) gibt seine Fasern an die einzelnen Sinneszellen ab. Diese sind lanzettförmig gestaltet und besitzen einen großen, sich der Form der Zelle fast genau anpassenden Kern (Szk); der ganze Komplex der Sinneszellen hat ebenfalls das Aussehen einer Spindel. Platte Kerne, die zu der zarten, die Sinneszellen umgebenden Hülle gehören und diesen „schalenartig anliegen“, wie sie SCHwABE (1906) beschrieben hat, habe ich hier nicht entdecken können. Am distalen Ende gehen die Sinneszellen über in die Um- hüllungszellen (Uz). Diese kann man sich vorstellen als lange Schläuche oder Zylinder, deren oberer Durchmesser ein wenig kleiner ist als ihr unterer. Ihr länglicher Kern (Uzk) liegt ungefähr in der Mitte der Zelle und füllt fast das ganze Lumen aus; in jedem System von Umhüllungszellen jedoch liegen die Kerne in einer Höhe. Mit ihrer untern Seite sitzen die Umhüllungszellen den Kappen- zellen (Kz) auf. Diese sind bei Lasius und Formica von großer, ovaler, bei Camponotus von länglich biskuitförmiger Gestalt, ihr Protoplasma scheint dichter zu sein als das der Umhüllungszellen, besonders an der distalen Seite, wo der große, kuglige Kern leet. In das proximale Ende der Kappenzellen ist das terminale Ende der Stifte (St) eingesenkt, während deren apicales Ende in die Um- hüllungszellen hineinragt. Von jedem Stiftkopf (Stk) geht eine Nervenfaser (Aw) aus, die sich, ohne die Stiftwand zu berühren, durch die Umhüllungszelle fortsetzt und bis zu den Sinneszellen ver- folgen läßt. Wir werden später auf den Bau der Stifte sowie auf den eigen- tümlichen Verlauf der Nervenfaser genauer zu sprechen kommen. An jede Kappenzelle schließt sich, deutlich abgegrenzt, je eine keulenförmige Zelle (lz), deren Kern dieselbe Größe und Struktur 452 ARNOLD SCHÖN, aufweist wie der der Kappenzelle, jedoch im breitern, proximalen Teil der Zelle liegt, so daß sich je 2 Kerne der kappen- und keulen- förmigen Zellen übereinander befinden. Ihr distales Ende zieht sich zu einem sehr feinen Strang, der Endfaser oder dem Endstrang (Æf), aus, welcher sich nach seiner Umbiegung durch die Hypodermis- schicht hindurch bis zum Chitin (J) fortsetzt. Eine Verschmelzung der Endfasern habe ich niemals beobachtet, alle verlaufen isoliert nebeneinander und heften sich ebenso, nachdem sie die an der In- sertionsstelle etwas erhöhte Hypodermis (Hyp) durchdrungen haben, am Chitin fest. Wenn wir nun das Subgenualorgan der Ameisen mit dem der Orthopteren vergleichen, so finden wir zunächst eine äußere Über- einstimmung der Lage und des innern Aufbaues; hier wie dort tritt uns eine gleiche Anordnung der Zellelemente des nervösen End- apparats entgegen. Der einzige Unterschied besteht nun darin, dab sich bei den Orthopteren die Kappenzellen direkt zu den Endfasern ausziehen, während sie bei den Ameisen vollkommen in sich ge- schlossene Gebilde darstellen, an die erst die keulenförmigen Zellen, die die Verbindung mit der Cuticula vermitteln, herantreten (vgl. Textfig. A und Taf. 18, Fig. 7). b) bei Bienen. Das Subgenualorgan der Bienen ist im wesentlichen ebenso ge- baut wie das der Ameisen, nur scheinen die nervösen Elemente auf einer höhern Entwicklungsstufe zu stehen. Wie bei den Ameisen wird hier die Tibia durch den Tracheenstamm in Blut- und Muskel- kanal geschieden; die Trachee erleidet ebenfalls unter dem Knie- gelenk eine blasenförmige Erweiterung, von der sich ein zweiter, dünnerer Tracheenast abspaltet, der zum distalen Ende der Tibia führt. Vom Tibialnerven zieht ein Strang durch den Blutkanal zu dem hier suspendierten Chordotonalorgan. Von jenem werden viele Sinnes- haare und Sinneskegel innerviert, die bei den Bienen allerdings in größerer Zahl, doch nicht in der oben beschriebenen, regelmäßigen Anordnung wie bei Camponotus und Formica auf dem proximalen Ende der Tibia verteilt sind. Auch bei den Bienen heftet sich das Organ mit den Endfasern (Æf) (Taf. 18, Fig. 8), die jedoch nicht so lang sind wie die der Ameisen, an der dem Hauptstamm der Trachee zunächst liegenden Beinseite fest. Während bei diesen die Endfasern, wie wir gesehen haben, direkt in die großen keulenförmigen Zellen übergehen, die in gleicher Tibiales Chordotonalorgan bei der Honigbiene und bei Ameisen. 453 Anzahl vorhanden sind wie die Kappenzellen, finden wir bei den Bienen die Endfasern etwas verkümmert und nur am untersten Ende des Organs mit der Beinseite in Verbindung treten. An Stelle der keulenförmigen Zellen liegen hier sehr viele kleine Zellen von rund- licher oder plattgedrückter Gestalt, denen ich den Namen „akzes- sorische Zellen“ (accZ) geben möchte; am besten veranschaulichen läßt sich ihre Lage, wenn wir Taf. 18, Fig. 8 betrachten. Hier sehen wir links unten die kleinen Endfasern (Æf), an die sich dann die von links nach rechts größer werdenden akzessorischen Zellen (accZ) anschließen; sie bilden gleichsam eine Unterlage des ganzen Organs; von den Zellen, welche am weitesten links liegen, sind einige mit der Hypodermis verwachsen. Über dieser Zellenschicht befinden sich die großen Kappenzellen (Az); sie sind von länglicher Form, ähnlich denen von Camponotus. Nur die der andern Beinseite am nächsten, also der Insertionsstelle gegenüberliegenden Zellen haben ovale Gestalt. Die Anzahl der Zellen übersteigt die der Ameisen um das Doppelte bzw. Dreifache: es wurden 40—42 ge- zählt. Mit der eigentümlichen Anordnung der Kappenzellen, die wieder von der Ausbreitung und Anordnung der Sinneszellen ab- hängig gemacht werden muß, hängt zusammen, dab jene nach der Beinseite, an der das Organ angeheftet ist, kleiner und schmäler werden. Ein Querschnitt durch das Organ würde uns nicht wie bei den Ameisen als Kreis erscheinen, sondern als Ellipse, oder, ins Körperliche übertragen, würden die akzessorischen Zellen den Boden, die Kappenzellen den Rand eines seitlich zusammengedrückten Bechers darstellen. Ich habe mich in der Zeichnung bemüht, dem Räumlichen dadurch Ausdruck zu verleihen, daß ich die außerhalb der Bildebene liegenden Zellelemente leicht schraffiert habe. Der Kern der Kappenzellen liegt in den größern an der distalen Seite, in den kleinern kann er bis in die Mitte rücken. In diese Zellen ragen hinein die Umhüllungszellen (Uz), von gleicher schlauchartiger Gestalt wie die der Ameisen. Den genauen Bau der nervösen Endapparate will ich weiter unten mit dem der Ameisen gemeinsam behandeln. Die Stifte liegen mit ihrem terminalen Ende in der Kappen-, mit ihrem apicalen in der Umhiillungszelle. Während nun bei den Ameisen die Umhüllungszellen den Kappenzellen deutlich aufsitzen, erscheinen bei den Bienen jene in diese eingesenkt, wie aus Taf. 19, Fig. 11 zu ersehen ist. An die Umhüllungszellen, in denen die an der Stiftbasis ent- 454 ARNOLD SCHÔN, springenden Nervenfasern (Az) verlaufen, schließen sich die Sinnes- zellen (Sz), die sich zu einem im Längsschnitt spindelförmig er- scheinenden Komplex vereinigen und schließlich in den Subgenual- nerv (SN) übergehen. Die eigentümliche Anordnung der Sinneszellen ist leicht zu ver- stehen an Hand der Fig. 8. Der Subgenualnerv löst seine Fasern kegelförmig auf und gibt sie an die Sinneszellen ab, deren Hauptgruppe in der verlängerten Richtung des Nerven liegt. Einige Fasern ziehen seitlich zu Sinnes- zellen, die, in zwei Reihen nebeneinander angeordnet, mit den ner- vösen Endschläuchen (Umhüllungszellen) der kleinern Kappenzellen in Verbindung treten. Die eine Reihe versorgt die äußern, die andere die innern, bei uns schwach schraffierten Endschläuche. c) bei andern Hymenopteren. Die Chordotonalorgane der Hummeln, Wespen und Terebrantien zeigen in ihrem Bau große Übereinstimmung mit den oben be- schriebenen der Ameisen und Bienen. Bei allen heftet sich das Organ mit den Endfasern an der Hypodermis fest, bei allen finden sich die lichtbrechenden Stifte und die spindelförmigen Sinneszellen, die mit dem Subgenualnerven an die nervösen Endschläuche heran- treten. 3. Bau der Stifte. Soviel Forscher sich auch mit der genauern Untersuchung der stiftformigen Körperchen befaßt haben, soviel zuweilen erheblich voneinander abweichende Deutungen haben diese eigenartigen Ge- bilde erlitten. Die meisten Autoren beschreiben die Stiftchen als spindel-, birn- oder zylinderförmige Körper, die eine Anschwellung der im nervösen Endschlauch verlaufenden Nervenfaser darstellen sollen. Nur Bortes Lex (1883) faßt „das ganze Stiftkörperchen nicht als terminale Anschwellung eines nervösen Filamentes“ auf, sondern „als kapselartigen Umhüllungsapparat desselben“. Auf diesen Stand- punkt stellt sich auch SchwAgBE (1906), der in jüngster Zeit die Stifte der Acridier, Locustiden und Gryllodeen einer ganz eingehenden Untersuchung unterworfen hat. Ihm verdanken wir die schönen Bilder, die uns über den genauen Verlauf der Achsenfaser, über die Lage und den komplizierten Bau der Stifte Aufschluß geben. Bei allen Ameisenarten ist nun der Bau der Stifte gleich; diese Tibiales Chordotonalorgan bei der Honigbiene und bei Ameisen. 455 bestehen aus zwei Teilen: dem Stiftkopf (Stk) (Taf. 18, Fig. 10) und der Stiftwand (Stw). Die Länge beträgt bei Camponotus herculeanus 2 15 u, bei Formica sanguinea 9 14 u. Auf Querschnitten sind die Stifte drehrund. Der Stiftkopf stellt ein halbkugliges Gebilde dar; er besteht aus vollkommen homogener Masse, die jedoch dunkler erscheint als die Stiftwand. Diese erweist sich ebenfalls als homo- gene, aber stark lichtbrechende Masse. Im mittlern Teil ist die am apicalen Ende äußerst fein auslaufende Stiftwand etwas, doch gleich- mäßig verdickt, wie in Fig. 10 zu sehen ist. Der Achsenstrang (Az) heftet sich am Stiftkopf fest; eine achsiale Durchbohrung, wie sie von andern Forschern beschrieben wurde, habe ich hier nicht beobachten können: er durchzieht dann als immer feiner werdender Strang das Stiftlumen, ohne jedoch die Wandung zu berühren; kurz vor seinem Austritt durch die proxi- male Öffnung verdickt er sich wieder und biegt gleich darauf in einem stumpfen Winkel um, so daß ein Knick (An) entsteht; dann verläuft er wieder in der ursprünglichen Richtung durch die Um- hüllungszelle, an deren Kern (Uzk) vorbei bis zur Sinneszelle, wo er sich in Fibrillen aufzulösen scheint. Eine Vacuole, die sich an die Stiftspitze anschließt, wie sie ScawaBe beschreibt, habe ich nie entdecken können. AuBerlich stimmt der Zusammenhang von Umhüllungszelle und Kappenzelle mit dem Organ der Locustiden insofern überein, als bei den Ameisen sich ebenfalls zwischen beiden Zellen scharfe Konturen erkennen lassen, während bei den Bienen diese Zellelemente große Ähnlichkeit mit deren Anordnung bei den Acridiern aufweist. Die Kappenzellen (Az) (Taf. 19, Fig. 11) stülpen sich bei den Bienen mützenartig über das distale Ende der Umhüllungszellen (Uz) und zwar derart, daß die Stiftspitzen in der Höhe ihres proximalen Randes liegen. Die Umhüllungszelle, deren Protoplasma eine hellere Struktur als das der intensiver färbbaren Kappenzellen erkennen läßt, ist stets bis zur Basis der Stiftwand zu verfolgen, so daß nur der Stiftkopf (Stk) in der Kappenzelle selbst zu liegen scheint. Die Stifte sind bei den Bienen von schlankerer Form als bei den Ameisen. Ihr Kopf besteht ebenfalls aus einer vollkommen homogenen Masse, doch ist er schmäler und von keeelförmiger Ge- stalt, wie sich aus Fig. 11 leicht erkennen läßt. An einem Längsschnitt durch den Stift sieht man, daß der Stiftkopf zur Hälfte von einem feinen Kanal (X%) durchsetzt ist, an dessen Grund sich die Achsenfaser (Ax) anheftet. Dem Kopf sitzt 456 ARNOLD SCHÖN, die stark lichtbrechende Stiftwand (Stw) auf, die sich apicalwärts gleichmäßig verjüngt und an der Spitze sehr fein ausläuft. Auf Querschnitten erscheint sie drehrund. Die sich im Kopfkanal (Kh) anheftende Achsenfaser verläuft in diesem zentral und durchzieht ebenso das Stift- lumen; während sie kopfwärts etwas ver- dickt erscheint, wird sie im weitern Verlauf etwas dünner, um beim Durchtritt durch die proximale Öffnung des Stiftes abermals anzu- = __ schwellen; sodann läßt sie sich durch die a canal A Umhüllungszelle, an deren Kern sie vorbei- Apis mellifica. geht, hindurch bis zur Sinneszelle verfolgen. Einen Knick, wie wir ihn bei dem Achsen- strang der Ameisen gefunden haben, macht die aus dem Stift aus- tretende Nervenfaser nicht, sondern verläuft in gerader Richtung proximalwärts. Fig. D. II. Die Entwicklung des Chordotonalorgans bei Apis mellifica. Die Entwicklung der Arbeitsbienen geht bekanntlich sehr schnell vor sich. Am 9. Tage nach der Eiablage ist das Larvenstadium durchlaufen, und am 21. Tage schlüpft die Imago aus. Bei meinen Untersuchungen bin ich derart vorgegangen, daß ich zunächst nur die Beine der ältesten Puppenstadien schnitt, bis ich, die ver- schiedenen Tage der Entwicklung rückwärts verfolgend, genötigt war, die Imaginalscheiben herauszupräparieren. Da mir dies trotz vieler Bemühungen nur einmal einwandsfrei gelang. zog ich es vor, die ganzen Larven zu schneiden, wodurch ich in den verschiedenen Serien bei Sagittalschnitten drei, bei Querschnitten zwei Beinanlagen nebeneinander traf; dies erleichterte die Verfolgung und vor allem die Vergleichung der aufeinanderfolgenden Entwicklungsstadien wesentlich. Über die Entwicklung von Chordotonalorganen war bisher noch nichts bekannt: man gab sich höchstens aus Analogieschlüssen mit der Annahme zufrieden, daß man es hier mit integumentalen Ge- bilden zu tun habe. Scuwase (1906) gibt zwar eine Abbildung eines als Geruchsorgan gedeuteten Sinnesapparats „in statu nascendi“ von Mecosthetus grossus (auf tab. 3, fig. 18), aus der wir vermuten können, daß sich die noch in der Hypodermis liegenden Zellelemente der spätern Terminalschläuche im Laufe der Entwicklung heraus- Tibiales Chordotonalorgan bei der Honigbiene und bei Ameisen. 457 differenzieren, doch hat er, wie er selbst angibt, eine Weiterent- wicklung nicht beobachtet. Am 7. Tage der Entwicklung bietet sich uns auf einem Quer- schnitt durch die Anlage der Tibia in der Imaginalscheibe die Hypodermis als gleichmäßig breiter Ring mit sehr vielen Kernen dar, dessen Lumen durch einen Strang von Zellen in zwei ungleiche Abschnitte geteilt wird; der kleinere ist der Blut-, der gröbere der Muskelkanal. In den jungen Stadien ist dieser Strang, den ich Tracheenligament nennen will, weil die beiden tibialen Tracheenäste durch ihn sowohl mit der Hypodermis als auch untereinander ver- bunden werden, noch vielkernig, ziemlich breit und aus fasrigem Bindegewebe aufgebaut; im Laufe der Entwicklung jedoch dehnt es sich mit der sich streckenden Tibia aus, wird dünner, so dab man es mit einer feinen, durch die ganze Tibia von oben nach unten ausgespannten Membran vergleichen kann, die Kerne verschwinden allmählich, und schließlich scheint es sich aufzulösen, denn bei dem ausgebildeten Tier habe ich es niemals mehr nachweisen können. Am 7. Tage findet man in der Tibia nur dieses fasrige Ligament und einen Tracheenast, der später zum Hauptstamm wird; der zweite, kleinere Ast stülpt sich erst am 9. Tage aus jenem aus und wächst dann am Ligament entlang distalwärts. Am 8. Tage bildet sich unterhalb des Kniees in den Blut- kanal (Bk) (Textfig. E a—g) hinein eine kleine Wucherung der Hypodermiszellen; einige der sonst im Schnitt kreisrunden Kerne haben ovale Form angenommen, sind etwas größer geworden und an den innern Rand der Hypodermis gerückt; am äußern Rand hat sich eine kleine Einbuchtung (Textfig. Ee) gebildet, die hier liegenden Zellen haben sich gestreckt und ordnen sich strahlenförmig neben- einander an. Bei einer andern Larve, die an diesem Tage offenbar schon etwas weiter entwickelt war, fand ich die Ausstülpung schon so weit vorgeschritten, daß sich die Zellen (Nz) (Taf. 19, Fig. 12), welche später mit dem Subgenualnerven in Verbindung treten, deutlich erkennen ließen; doch hatte das Protoplasma der einwuchernden Zellen noch keine wesentlich andere Struktur angenommen als das der Hypodermis (Hyp). Wahrend sich im Blutkanal die erste Anlage des Chordotonal- organs bildet, schniirt sich von der innern Wand der Hypodermis in den Muskelkanal (Mk) (Textfig. Fa—l) hinein eine Falte ab, vom Tarsus zum Femur fortschreitend, welche nach meiner Ansicht den 458 ARNOLD SCHÖN, Fig. E. a—g Apis mellifica. Erste Anlage des Organs als Einstülpung in den Blutkanal Bk. Zæiss Ok. 2, Obj. C. Tibiales Chordotonalorgan bei der Honigbiene und bei Ameisen. 459 Fig. F. a—l Apis mellifica. Allmähliche Ausstülpung des Tarsalnerven TaN aus der hintern Beinwand in den Muskelkanal Mk. * Falte, aus der sich der Nerv entwickelt. Zeıss Ok. 2, Obj. C. 460 ARNOLD SCHÖN, Tarsalnerven (TaN) liefert. Mesodermzellen sind auf diesem Stadium noch nicht in die Tibia eingedrungen, während sie im Femur teils vereinzelt, teils in kleinern Komplexen anzutreffen sind. Auf den Schnitten durch die Imaginalscheiben des 9. und 10. Tages sehen wir, daß dieHypodermiseinstülpung (Anl) (Texfig.Ga—m) weiter in den Blutkanal vorgedrungen ist und dab sich eine erste Differenzierung in verschiedene Kerne und Zellen bemerkbar macht. TEE Tibiales Chordotonalorgan bei der Honigbiene und bei Ameisen. 461 Fig. G. a—m Apis mellifica. Herantreten des Subgenualnerven SN an die Anlage Anl am 10. Tage. Zeiss Ok. 2, Obj. C. In dem am weitesten nach innen gelegenen Teil lassen sich die ersten Zellgrenzen unterscheiden (vgl. Taf. 19, Fig. 13 und Textfig. Gl), das Protoplasma ist heller tingiert, und die Kerne sind bedeutend größer als die noch aus der Hypodermis einwandernden; die am proximalsten gelegenen Zellen haben spindelförmige Gestalt Zool. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. 30 462 ARNOLD SCHÖN, angenommen und deuten dadurch darauf hin, daß aus ihnen die Sinneszellengruppe hervorgeht. Unsere Schnittserie ist nun so geführt, daß zunächst Femur und Tibia im Knie tangential getroffen sind; der Subgenualnerv (SN) (Textfig. Ga--e) bietet sich uns also an der Umbiegungsstelle gerade im Längsschnitt (Textfig. Ga) dar. Sodann können wir diesen Nervenast distalwärts verfolgen immer an der Hypodermis entlang (Textfig. Ge—f), bis er mit dem proximalen Teil der Einstülpung verwächst. Auf einem idealen Längsschnitt durch die Tibia, der unserer obenstehenden Querschnittserie entspricht, würden wir also folgendes Bild erhalten (s. Textfig. H): Es liegt nun die Annahme nahe, nach Analogie mit der oben geschilderten hypodermalen Ent- stehung des tibialen Tarsalnerven (Textfig. Fa—]), daß sich der Subgenualnerv auf die gleiche Weise aus der Hypodermis als Längsfalte herausdiffe- renziert. Hierfür jedoch kann ich keinen so sichern Beweis erbringen; zwar sendet die Chordo- tonalorgananlage dem Nerven einen kleinen Ast (Nz) entgegen, doch bleibt dieser stets in un- mittelbarer Nähe der Hypodermis, wie aus Textfig.Ee und Taf. 19, Fig. 12 — allerdings hier schon auf etwas fortgeschrittenerm Stadium — zu ersehen x ; ist. Andrerseits habe ich auch nicht beobachten Idealer Längsschnitt " ; ne : : durch die Tibia, die Können, daß jener Nervenast allmählich in die ee ean Tibia vom Femurnerven aus hineinwächst; man kann nun annehmen, daß der kleine Fortsatz der Anlage (Nz) dem Subgenualnerven gewissermaßen auf halbem Wege entgegenkommt und sich mit ihm verbindet oder daß sich an jenen, an der Hypodermis entlang proximalwärts wachsenden Fortsatz neue Hypodermiszellen anschließen und sich so später als Strang ab- schnüren. Diese schwierige Frage nach der Entstehung der Nerven in den Imaginalscheiben möge hier offen und einer spätern Arbeit vor- behalten bleiben. Zwischen dem 10. und 11. Tage haben die Sinneszellen (Sz) (Taf. 19, Fig. 14) zum Teil ihre definitive Gestalt angenommen und sich erheblich von der Hypodermis entfernt. Mann erkennt schon deutlich die Hauptgruppe, welche später die großen Kappenzellen (Az) innerviert, und die seitlich verlaufende Reihe (SzR), welche, in zwei Fig. H. Tibiales Chordotonalorgan bei der Honigbiene und bei Ameisen. 463 Lagen angeordnet, mit den kleinen Kappenzellen in Verbindung tritt: doch steht die Sinneszellenreihe (SzR) noch in engem Zusammenhang mit der Hypodermis, aus der einzelne Kerne in diesen Organabschnitt übertreten. Die großen Kappenzellen (Az) haben sich so weit differenziert, dab sie etwas von den Sinneszellen abgehoben erscheinen, ohne jedoch ihre innige Verbindung mit der Hypodermis zu verlieren; die in sie einwandernden Kerne sind bedeutend herangewachsen und haben ihre charakteristische Struktur angenommen, welche sie von den Kernen der übrigen Zellelemente unterscheidet. Von der Sinneszellengruppe aus haben ferner sich Plasmabrücken zu den Kappenzellen gebildet, in denen wir die Anlagen der Umhüllungs- zellen (Uz) erblicken müssen. Die Stränge sind nicht deutlich von den Sinneszellen abgesetzt, doch läßt sich ihr Eintritt in die Kappen- zellen verfolgen, in deren Protoplasma sie übergehen. Auf unserer Abbildung (Taf. 19, Fig. 14) sieht man an den äußern 3 Strängen unterhalb der Sinneszellen die kleinen Kerne (Uzk), welche im Laufe der weitern Entwicklung in die Stränge hinabrücken und die Um- hüllungszellkerne darstellen. Die Kappenzellen stehen mit ihrer Basis noch mit dem fasrigen Plasma der Hypodermis in direkter Verbindung. Nachstehende Serienschnitte (Textfig. Ja—g) folgen auf den in Fig. 14, Taf. 19 dargestellten. Hier sind schon Zellen getroffen, die sich zu akzessorischen (accZ) umgebildet haben; sie wuchern strahlenförmig in die Ausstülpung ein, wie aus Jb ersicht- lich ist. Das Lumen (Z), welches auf den Figuren c—e im Schnitt getroffen ist, stammt von einer tiefen Einstülpung der äußern Bein- wand und erhält sich während der ganzen Entwicklung bis zum ausgebildeten Organ, wo es, um bei dem oben angewandten Bilde zu bleiben, den Hohlraum des Bechers darstellt, um den sich die Zellelemente des Organs anordnen. Am 11. Tage treffen wir auch auf die ersten Anlagen der Stifte im distalen Ende der Umhüllungszellen; die Köpfe erscheinen als dunkle Pünktchen, denen die stark lichtbrechende Wand aufsitzt. Da sich an diesem Tage die Beine ausstülpen und infolgedessen sehr rasch ausdehnen, muß auch, um mit der Entwicklung gleichen Schritt halten zu können, sich das Organ beträchtlich in die Länge strecken. Wir finden daher am 12. Tage die Verbindung der Sinnes- und Kappenzellen mit der Hypodermis gelöst und nur noch an der Insertionsstelle des Organs erhalten. Von hier aus dringen allerdings noch einige Tage lang Kerne und Zellen in den distalen Teil des Organs und liefern teils Kappen-, teils akzessorische Zellen. 30* 464 ARNOLD SCHÔN, accZ Fig. J. a—g Apis mellifica. Chordotonalorgan noch im Zusammenhang mit der Hypodermis (vgl. Taf. 19, Fig. 14). Zeiss Ok. 2, Obj. C. Auf Taf. 19, Fig. 15 sehen wir einen Querschnitt durch die Tibia, in deren Blutkanal (5%) das Chordotonalorgan etwas schräg ge- schnitten ist. Die Kerne (Uzk) der Umhüllungszellen sind tiefer gerückt, doch ist eine deutliche Differenzierung dieser Zellen und der Kappenzellen (Az) noch nicht eingetreten; wohl aber lassen sich bei starker Vergrößerung in den Stiften die zu den Sinneszellen ziehenden Achsenfasern unterscheiden. Die Kerne der Hypodermis liegen meist schon in einer Reihe nebeneinander, und das Tracheen- ligament (Tri) ist, besonders zwischen den beiden Tracheenästen (Tr und tr), sehr dünn geworden. In den folgenden 4 Tagen gelangt schließlich das Organ zu Tibiales Chordotonalorgan bei der Honigbiene und bei Ameisen. 465 seiner vollständigen Ausbildung. Am 13. Tage finden wir noch eine Einstülpung der äußern Beinwand an der Insertionsstelle. Hier wandern noch Hypodermiskerne in einem schmalen Plasmastrang (Pst) (Taf. 19, Fig. 16 u. 17), mit dem das Organ an der Beinwand festgeheftet ist, zu den akzessorischen Zellen; zuweilen gelangen die Kerne allein an das distale Ende des Organs (Fig. 17) und werden hier erst seinen Bestandteilen angegliedert, zuweilen umgeben sie sich aber auch gleich nach ihrem Eintritt in den Plasmastrang mit einer Zellmembran (Fig. 16) und rücken dann den übrigen Organ- elementen entgegen. Am 15. Tage findet man nur noch eine kleine Anhäufung von Zellen an der Insertionsstelle, die sich dann in die Länge strecken und als kleine Endfasern an der Beinwand festheften. Die akzesso- rischen Zellen haben nun ihre definitive Lage und Größe unterhalb der Kappenzellen angenommen; bis zum 16. Tage strecken sich die Umhüllungszellen und differenzieren sich deutlich von den Kappen- zellen. So treffen wir schon am 17. Tage der Entwicklung das Organ vollkommen ausgebildet, wie wir es oben vom ausgewachsenen Tiere eingehend beschrieben haben. E. Zusammenfassung und Schluß. Das Chordotonalorgan der Ameisen ist mit seinen langen End- fasern, die in die keulenförmigen Zellen übergehen, am Chitin der Beinwand festgeheftet. Auf den keulenförmigen Zellen sitzen die Kappenzellen, in die die Köpfe der Stifte hineinragen. In jedem Stift verläuft axial eine Nervenfaser; diese führt durch die langgestreckte Umhüllungszelle hindurch zu einer Gruppe von Sinneszellen, die ihrerseits von dem durch das Femur in die Tibia eintretenden Sub- senualnerv innerviert werden. Bei den Bienen finden wir im Prinzip denselben Aufbau des Organs, nur ist bei dieser Tiergruppe die Zahl der das Organ kon- stituierenden Zellelemente eine bedeutend größere als bei den Ameisen. Auch bei den übrigen untersuchten Hymenopteren konnten wir keine Abweichung vom allgemeinen Bau des Chordotonalorgans feststellen. So ist man wohl zu der Annahme berechtigt, daß es sich bei allen Hymenopteren um homologe Bildungen handelt. Nun haben wir ferner gesehen, daß auch zwischen dem Organ der Orthopteren 466 ARNOLD SCHÖN, und dem der Hymenopteren in Lage und Bau große Ähnlichkeit be- steht. Allerdings ist bei den Hymenopteren eine Zellenreihe, nämlich die keulenförmigen Zellen, eingeschaltet, während sich doch bei den Orthopteren die Kappenzellen zu den Endfasern ausziehen. Ob wir deshalb auch die Chordotonalorgane dieser beiden Tiergruppen homo- logisieren dürfen, mag dahingestellt bleiben. Auffallend ist es, wie frühzeitig das Organ in der Entwicklung angelegt wird: schon am 8. Tage nach der Eiablage bildet sich aus den Hypodermiszellen der Tibia eine kleine Wucherung in den Blut- kanal hinein, aus der allein das ganze Organ hervorgeht, am folgen- den Tage tritt die erste Differenzierung der Zellen ein, und am 10. und 11. Tage kann man deutlich Sinnes-, Umhüllungs- und Kappenzellen unterscheiden. Am 11. und 12. Tage gelangen die Stifte zur Aus- bildung, am 13. Tage liegt der nervöse Teil des Organs frei im Blutkanal, nur noch durch die sich aus der Hypodermis heraus- differenzierenden akzessorischen Zellen mit dieser verbunden. Da die Beine jetzt ausgestülpt sind und ziemlich rasch wachsen, tritt in den folgenden Tagen eine Streckung des Chordotonalorgans ein; am 15. und 16. Tage bilden sich die Endfasern aus, und am 17. Tage hat die Entwicklung des Organs ihr Ende erreicht. Wir haben also gesehen, daß es sich hier um eine rein ectoder- male Bildung handelt, die sich im Laufe der Entwicklung aus der Hypodermis an Ort und Stelle herausdifferenziert. Die frühe An- lage des Organs macht es auch wahrscheinlich, daß sein Ursprung in der Phylogenie sehr weit zurückliegt. Bedenkt man nun, daß das Chordotonalorgan bei 4, 2 und 5 in gleicher Lage und Ausbildung vorkommt, also auch wohl gleiche Funktion hat, so kann man annehmen, daß das Organ kaum von Bedeutung ist bei spezieller Leistung der einzelnen Kasten im Bienen- oder Ameisenstaate. Die Ansichten der meisten Forscher über die Funktion der Chordotonalorgane gehen dahin, daß diese Organe Gehörfunktionen dienen; ist es doch sehr wahrscheinlich, daß die isolierte Lage, die Stiftchen mit der Achsenfaser und nicht zuletzt die Anschwellung der Trachee, vor der das Organ liegt, die Perception der Schallschwingungen erleichtert bzw. durch Mit- schwingung erhöht. Tibiales Chordotonalorgan bei der Honigbiene und bei Ameisen. 467 Literaturverzeichnis. v. ADELUNG, N., 1892, Beiträge zur Kenntnis des tibialen Gehörapparates der Locustiden, in: Z. wiss. Zool., Vol. 54. BETHE, A., 1903, Allgemeine Anatomie und Physiologie des Nerven- systems, Leipzig. 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Tibiales Chordotonalorgan bei der Honigbiene und bei Ameisen. 469 Erklärung der Abbildungen. Sämtliche Zeichnungen, mit Ausnahme von Fig. 6, sind mit dem ABBf’schen Zeichenapparat auf Objekttischhöhe entworfen worden. accZ akzessorische Zellen Ak Ausführungskanäle Anl Anlage des Chordotonalorgans Ax Nervenfaser Bk Blutkanal Drx, femorale Drüsenzellen Drx, tibiale Drüsenzellen Ef Endfasern Gx Ganglienzellen Hyp Hypodermis I Insertionsstelle Kix keuleuförmige Zellen Km Kegelmembran Kn Knick der Nervenfaser Kx Kappenzellen Lf Längsfurche der Trachee Mbk Membrankanäle Mk Muskelkanal N Nerv Nx Nervenzellen P Porus Pk Porenkanäle Pst Plasmastrang FR lichtbrechender Ring S,. Sehne des Tibiastreckers S, Sehne des Tarsusbeugers Sh Sinneshaare SN Subgenualnerv SO Chordotonalorgan St Stifte Stk Stiftkopf Stw Stiftwand Sx Sinneszellen ‘vk Sinneszellenkern SxR Sinneszellenreihe Tr Trachee Tra Tracheenast Trbl blasenartige Anschwellung der Trachee Tre Tracheenkommunikation Trl Tracheenligament TSt Terminalstrang % Umhüllungszellen Uxk Umhüllungszellkern ‘Wate lve Fig. 1. Schematisches Übersichtsbild über Lage und Anordnung des Chordotonalorgans in der Tibia von Lasius niger 9. 1. Bein. Die An- 470 ARNOLD ScHön, heftungsstelle der Endfasern Ef am Chitin liegt außerhalb der Tafelebene. Der zu dem Subgenualganglion ziehende Nerv N löst sich in Ganglien- zellen Gx auf, welche die Sinneshaare Sh und das Chordotonalorgan SO innervieren. Tr Trachee, Bk Blut-, Mk Muskelkanal. Fig. 2. Frontalschnitt durch die Tibia von Formica sanguinea 9. Vor der blasenartigen Anschwellung der Trachee 7rb/ liegt der Subgenual- nervy SN mit dem Chordotonalorgan SO. Der aus der Tracheenblase ent- springende kleine Tracheenast Tra tritt in der Mitte der Tibia mit der Stammtrachee in Kommunikation Tre. Lf Längsfurche der Trachee. Kombiniert aus 4 aufeinanderfolgenden Schnitten. Fig. 3. Femorale Drüsenzellen Drx, mit Ausführungskanälen 4% im Kniegelenk von Camponotus herculeanus >. 1. Bein. Hyp Hypodermis, S, Sehne des Tibiastreckers. | ZEISS Ok. 2, Obj. E. Schnitt 30 u. Fig. 4. Tibiale Drüsenzellen Drx, mit Ausführungskanälen Ak im Tibiotarsalgelenk von Formica sanguinea >. 2. Bein. S, Sehne des Tarsus- beugers. Zeiss Ok. 2, Obj. E. Schnitt 30 u. Fig. 5. Tibialnerv mit Subgenualganglionzellen Gx von Lasius fuli- ginosus ©. 1. Bein. Die Ganglienzellen innervieren Sinneszellen Sv, welche mit dem Terminalstrang 7St das Chitin durchsetzen und durch die Poren- kanäle Pk mit den Sinneshaaren Sh oder durch die Membrankanäle Mb/: mit der Außenseite des Beines in Verbindung treten. yp die unter den Membrankanälen vom Chitin abgehobene Hypodermis. ZEISS Komp.-Ok. 4, Obj. E. Schnitt 30 u. Tafel 18. Fig. 6. Sinneskegel von Camponotus ligniperdus 5, der sich auf dem lichtbrechenden Ring R erhebt. Am Membran des Kegels mit Porus P. SN Subgenualnerv mit Sinneszelle Ss und Terminalstrang T'St. Fig. 7. Chordotonalorgan von Formica sanguinea 2. Von der In: sertionsstelle / aus durchdringen die Endfasern Ef die Hypodermis Hyp und gehen in die keulenförmigen Zellen Kl über; diesen sitzen die Kappenzellen Ax auf, in denen die Stifte St liegen, deren Spitzen aber ragen in die Umhüllungszellen Ux hinein. Vom Stiftkopf Stk aus kann man die Nervenfaser Ax durch die Umhüllungszellen verfolgen bis zu den Sinneszellen Sx, die vom Subgenualnerven SN innerviert werden. Sxk Sinneszellenkern, Uk Umhüllungszellkern. Kombiniert aus 2 aufeinanderfolgenden Schnitten. ZEISS Komp.-Ok. 2. Homogene Immersion 1,5 mm. Fig. 8. Frontalschnitt durch die Tibia von Apis mellifica. 20. Tag der Entwicklung. Vgl. Fig. 9. Der Subgenualnerv SN zieht zu den Sinneszellen Sv und zu der Sinneszellenreihe S+/?, die in die Umhüllungszellen Ux übergehen; diese Tibiales Chordotonalorgan bei der Honigbiene und bei Ameisen. 471 ragen hinein in die Kappenzellen Ax, an die sich die akzessorischen Zellen accZ anschließen, die schließlich teils durch Verwachsen Hyp, teils durch Endfasern Hf mit der Hypodermis in Verbindung treten. Kombiniert aus 3 Schnitten von je 10 «u. Zeiss Ok. 2, Obj. ©. Fig. 9. Längsschnitt durch die Tibia von Apis mellifica. 20. Tag der Entwicklung. Vgl. Fig. 8. Kx Kappenzellen des Chordotonalorgans, verbunden durch die Um- hüllungszellen Ux mit den Sinneszellen Sv im Blutkanal Bk. SN Sub- genualnerv, Tr Trachee. Zeiss Ok. 2, Obj. ©. Schnitt 15 u. Fig. 10. Kappenzellen Ax und Umhüllungszellen Ux von Camponotus herculeanus 9. 1. Bein, stärker vergrößert. Stk Stiftkopf, an dem die durch die Stiftwand Stw zentral verlaufende Nervenfaser Ar ansetzt. Kn Knick der Nervenfaser nach ihrem Austritt aus der Stiftöffnung. Zæiss Komp.-Ok. 6. Immers. !/,“. Schnitt 12 u. “Veet ae). Fig. 11. Kappenzellen Ax und Umhüllungszellen Ux von Apis melli- fica, stärker vergrößert. Stiftkopf Stk, an dem die Nervenfaser Az ent- springt, die durch die Umhiillungszelle zu der Sinneszelle S% zieht. Zeiss Komp.-Ok. 6. Homog. Immers. 3,0. Schnitt 10 u. Fig. 12. Apis mellifica. Schnitt durch die Anlage des Chordotonal- organs am 8. Tage der Entwicklung. Die am weitesten eingestülpten Zellen Nx lassen schon eine erste Differenzierung erkennen. Hyp Hypo- dermis. ZEISS komp. Ok. 2. Homog. Immers. !/,,". Schnitt 7,5 u. Fig. 13. Apis mellifica. Schnitt durch die Einstülpung am 10. Tage der Entwicklung; vergrößertes Bild von Textfig. Gl. Anl Anlage mit etwas mehr differenzierten Zellen. Hyp Hypodermis. ZEISS Ok. 4, Obj. ©. Schnitt 10 u. Fig. 14. Apis mellifica. Die Differenzierung der Einstülpung ist zwischen dem 10. und 11. Tage schon so weit vor sich gegangen, daß man die Zellelemente des Organs unterscheiden kann. Mit der Hypo- dermis “Hyp stehen die Kappenzellen Az und die Zellen der Sinneszellen- reihe SxR noch in innigem Zusammenhang. Unter den Sinneszellen Sx erkennt man einige Umhüllungszellkerne Uxk, die später in die Plasma- stränge, welche zu den Kappenzellen ziehen, einwandern, so daß jene die Umhüllungszellen Ux darstellen. ZEISS Ok. 4, Obj. ©. Schnitt 5 u. Fig. 15. Apis mellifica. Querschnitt durch die Tibia am 12. Tage der Entwicklung. Das Chordotonalorgan, im Blutkanal Bk liegend, ist etwas schräg getroffen. Die Umhüllungszellkerne Uxk sind noch nicht in die Umhüllungszellen hinabgewandert. Die Kappenzellen Kw haben sich 472 Arnorn Schön, Tibiales Chordotonalorgan bei Honigbiene und Ameisen. gestreckt. Das Tracheenligament 7rl, welches die große und kleine Trachee Tr, tr verbindet, ist auf diesem Stadium schon sehr dünn geworden. Zeriss Ok. 2, Obj. C. Schnitt 20 u. Fig. 16. Apis mellifica. Hypodermis Hyp mit einwuchernden, zu akzessorischen Zellen werdenden Zellen; diese wandern auf dem Plasma- strang Pst zum Chordotonalorgan. 2 Längsschnitte durch die Tibia kom- biniert. 13. Tag der Entwicklung. ZEISS Ok. 4, Obj. E. Fig. 17. Apis mellifica. Längsschnitt durch die Tibia am 13. Tage der Entwicklung. Aus der Hypodermis Hyp wandern Kerne auf dem Plasmastrang Pst zum Organ, wo sie sich zu akzessorischen Zellen um- bilden. ZEISS Ok. 4, Obj. E. Schnitt 10 u. Nachdruck verboten. Übersetzungsrecht vorbehalten. Zur Neurologie der Hirudineen. Von G. Ascoli. (Aus dem Institut für allgemeine Pathologie und Histologie der Kgl. Universität Pavia. — Vorstand Prof. C. Goz&r.) Mit Tafel 20-23. I. Der Bau der Nervenfasern und die Struktur der Achsenzylinder. Bei geeigneter Anwendung der Reduktionsmethoden bringt die Versilberung des Nervensystems der Hirudineen einige Struktur- einzelheiten der Nervenfasern mit bemerkenswerter Deutlichkeit zur Anschauung. !) 1) Die Methode, die mir die besten Resultate und die Präparate zu beiliegenden Tafeln geliefert, ist folgende. Die dorsal aufgeschnittenen, längs und quer, mittels Igelstacheln, auf Korkplatten wohl ausgespannten Tiere werden in alkoholischer Silber- nitratlösung (AgNO, — am besten zu feinem Pulver verrieben — unter Erwärmen in 95-- 96°), Alkohol zu 5°, Lösung eingetragen) fixiert; nach einigen Minuten von der Korkplatte abgelöst, verbleiben sie in der Fixierflüssigkeit 24—48 Stunden, bei Brutwärme. Dann werden sie für weitere 24—48 Stunden, bei Bruttemperatur in 10°, wässriges Silber- nitrat übertragen. Nach ganz oberflächlicher Abspülung folgt Reduktion in Amidol (Amidol-HAUFF 0,5 g, Natriumsulfit kryst. 10 g, Ag. 100) in 6—8 Stunden und Übertragung in Glyzerin. Nach 1—2 Tagen lassen sich die Stücke, die man nach Möglichkeit mechanisch von oberflächlichen 474 G. AsCOLI, Die sorgfältig isolierten Nerven stellen sich nach dieser Be- handlung als hellgelbe Stränge dar, auf deren zartem durchsichtigem Grunde die Nervenfibrillen als hier und da verflochtene, wellige Längsstreifen dunkel, fast schwarz in scharfer Zeichnung sich ab- heben (Fig. 1). Die Streifung ist jedoch durchaus nicht gleichmäßig und ein- formig. Die Fibrillen sind zunächst nicht durchweg gleichen Kalibers, sondern zum Teil stark, zum Teil schwach bis zu überraschender Zartheit. Sie sind ferner nicht gleichmäßig durch den Nervenquer- schnitt verteilt. Eine gewisse Anzahl hält zwar unabhängigen Ver- lauf und annähernd gleichen Abstand inne. Ein großer Teil der Fasern ordnet sich aber in verschiedener Weise zu Bündeln; diese setzen sich bald aus wenig — 3 bis 4 — Fibrillen, bald aus einer größern An- zahl, etwa 10 und mehr, zusammen; bald stellen sie sich endlich als starke Stränge dar, in deren Innern dünne Fibrillen sich zu Dutzenden und aber Dutzenden aufs dichteste zusammendrängen. Die verschiedene Anordnung entspricht verschiedenen Arten von Nervenfasern. Die mechanische Aufsplitterung der Nerven, durch Zerzupfung und Quetschung, läßt sie als isolierte Gebilde zur An- schauung bringen. Die derart ausgelösten Fasern stellen sich als regelmäßig zylin- drische Schläuche mit nahezu homogener Grundsubstanz dar; im Innern des Schlauches verlaufen und verteilen sich die verein- zelten oder zahlreichen Fibrillen, je nach der Faserart verschieden Fig: 2; 3, 4). . In den Fasern, die mehr denn eine Fibrille führen, ist die An- ordnung gewöhnlich keine einfach unabhängig parallele. Das häufigere Vorkommnis ist, daß 2 oder mehr Fibrillen nach einer Strecke unabhängigen Verlaufs einander nahe rücken und bald optisch ver- schmelzen; ein andermal wieder sieht man eine Fibrille, die über eine gewisse Strecke durchaus einheitliches und unabhängiges Ver- halten aufgewiesen, sich in 2 Tochterfibrillen aufspalten, die nun Niederschlägen und Inkrustationen reinigt, ziemlich gut zu Zupf- und Isolationspräparaten zum Einschluß in Glyzerin verarbeiten. Bei genügend dünnen Präparaten (Darmwand) kann gelegentlich Nachvergoldung (Goldtonbad ; Abschwächung in Kaliumpermanganat-Schwefel- säure (!/, bzw. 1°/,,); schweflige Säure !/,°/,; Aq. dest.) und Grundfärbung mit Eosin-Orange, Einschluß in Gummisyrup, mit Vorteil zur Anwendung kommen. Zur Neurologie der Hirudineen. 475 eine Zeitlang selbständig verlaufen, dann aber wieder untereinander oder mit andern Fibrillen derselben Faser verschmelzen. Es kommt auf diese Weise stets zur Bildung scharf gezeichneter lang- gestreckter Fibrillennetze, deren Maschen je nach der Anzahl der in der Faser enthaltenen Fibrillen dichter oder lockerer gewoben erscheinen. In den die überwiegende Mehrzahl darstellenden Fasern mit bloß 2—4 Fibrillen (Fig. 2) kommt demgemäß ein sehr lockeres Netz mit weitem, langausgezogenem, spärlichem Maschenwerk zustande; dieses erhält ferner auch infolge des Umstandes ein besonderes Ge- präge, daß unter den Fibrillen, die an seiner Bildung Anteil haben, meist eine Hauptfibrille die andern durch weit stärkeres Kaliber überwiegt. Auch die mittelstarken, reichlicher fibrillenführenden Fasern verhalten sich in ähnlicher Weise (Fig. 3). Sie setzen sich ebenfalls aus starken wie dünnen Fibrillen zusammen; die Maschen des Netzes sind ausgesprochen längsgedehnt, ob sie zwar bereits wesentlich kürzer und dichter als jene der lockern Fasern der ersten Gruppe sind. Die mächtigen strangartigen Fasern (Fig. 4) führen hingegen überwiegend Fibrillen schwachen bis zartesten Kalibers. Diese sind, wie bereits angedeutet, in jenen kolossalen Fasern in über- raschend reicher Zahl enthalten und bilden durch die in rascher Folge sich wiederholenden Teilungen und Verschmelzungen ein über- aus dichtes, zartes und verwickeltes Maschenwerk, das die ganze Faser durchwebt und ihr fast schwammiges Gepräge aufdrückt. Auch in diesen Gebilden sind die Fibrillenmaschen mehr oder weniger längs- gestreckt; doch überwiegt der Längsdurchmesser den queren meist nur um ein geringes und kommt dementsprechend der netzförmige Bau um so deutlicher, einfacher und regelmäßiger zum Ausdruck. Die beschriebenen Strukturen der Nervenfasern werden durch die Silbermethode, wie gesagt, mit bemerkenswerter Deutlichkeit dargestellt. Die Schärfe der Bilder ist in guten Präparaten fast überraschend und dürfte kaum den Zweifel auftauchen lassen, dab die netzförmige Bildung bloß durch verwickelte Geflechte oder Ver- schlingungen vorgetäuscht werde. Die Betrachtung minder gelungener Präparate mag aber leicht zu dieser Annahme verleiten. In diesen entgeht eine ganze Anzahl zarterer Fibrillen der Färbung; die Verbindungsäste, die zum größern Teil aus den dünnern Zweigen der sich aufspaltenden Fibrillen bestehen, kommen nicht zur Darstellung; die Bündel erscheinen weit lockerer, und die 476 G. AScoLt, Berührung und Spaltung der Fibrillen kommt nur ausnahmsweise oder zumindest viel seltner zur Beobachtung. Es darf demnach nicht wundernehmen, daß die Fibrillen der Nervenschläuche von anderer Seite (APATHY, VAN GEHUCHTEN) als gegenseitig unabhängige Gebilde beschrieben worden sind; es genügt sich zu vergegenwärtigen, daß die kolossalen Fasern der 3. Gruppe von jenen Forschern als aus etwa einem Dutzend Fibrillen bestehend dargestellt werden !), während in den Präparaten, denen meine Beschreibung entnommen, ihre übergroße Anzahl eine genaue Zählung als nahezu unmöglich er- scheinen läßt. Die netzförmige Struktur der Fasern ist nicht wohl als Kunst- produkt aufzufassen. Die genetzten Fasern kommen nämlich nicht nur in den Nerven- stämmen, sondern auch in ihren peripheren Verästelungen zur Be- obachtung. Da sieht man sie denn gelegentlich, durch ihr besonderes Aussehen unverkennbar gekennzeichnet, mitten zwischen andern Fibrillen verlaufen, die unter Umständen viel dichter gedrängt er- scheinen als die Fibrillen der Netze; trotzdem wahren aber jene Ele- mente sichtlich ihre Unabhängigkeit und stellen sich derart ohne weiteres als Gebilde anderer Wertigkeit dar. Die Methode der Dar- stellung neigt demnach nicht zur Verklebung auf stärkste ange- näherter, unabhängiger Fibrillen. Der netzförmige Bau der Fasern scheint vielmehr eine der An- ordnung der Neurofibrillen in den Ganglienzellen entsprechende ana- tomische Struktur darzustellen. Sicherlich läßt sich eine ganze An- zahl von Netzfasern gelegentlich oft über weite Strecken bis zu den Ganglienzellen, aus denen sie hervorgehen, verfolgen: da sieht man nicht nur das Netz der Nervenfaser unmittelbar in das Neurofibrillen- gerüst der Ursprungszelle übergehen, sondern es entspricht überdies auch meist der Bau des Zellnetzes dem Gepräge des Netzes der Faser (Fig. 5). Eine weitere interessante morphologische Beziehung zwischen Zell- und Fasernetzen ist in dem Verhalten der Fibrillen an der Gabelung der Fasern — namentlich der 2. Gruppe — gegeben, die an den Teilungsstellen der Nerven leicht zur Beobachtung kommen (Fig. 3). Die Spaltung und Umordnung der Fibrillen, die diese Auf- 1) Vgl. APATHY, in: Mitth. zool. Stat. Neapel 1897, tab. 24, fig. 6; VAN GEHUCHTEN, Anatomie du système nerveux 1906, p. 150. Zur Neurologie der Hirudineen. 477 teilung begleitet, wiederholt in auffallender Ähnlichkeit die Bilder der Teilung der Zellfortsätze in segmentalen und sympathischen Ganglien. Die mitgeteilten Tatsachen reihen sich den nicht eben zahl- reichen Befunden zur Struktur der Nervenfasern in vielleicht klärender Weise an. Die bisherigen Angaben stehen untereinander in ziem- lich scharfem Widerspruch. Während von einigen Forschern (APATHY, MÖNCKEBERG U. BETHE!), VAN GEHUCHTEN) auf Grund genügend klarer Bilder die Unabhängigkeit der Neurofibrillen in den Nerven- fasern vertreten wird, wird von anderer Seite (Casau?, LUGARO?), allerdings ohne zwingende tatsächliche Unterlage, eine netzförmige Anordnung der Fibrillen des Achsenzylinders angenommen. Dazu stellen nun die hier beschriebenen Befunde fest, dab einigen der zugunsten der Unabhängigkeit der Neurofibrillen ange- führten Tatsachen — der Struktur der Nervenschläuche der Hirudi- neen nach APATHY und VAN GEHUCHTEN — die ihnen zuerkannte Bedeutung nicht zukommt. Sie weisen ferner in den Nerven der Hirudineen ein besonders günstiges Material zur unzweideutigen Feststellung des Vorkommens neurofibrillärer Achsenzylindernetze, wenigstens für einzelne Gruppen von Nervenfasern, nach. II. Das sympathische System. Die peripheren, insbesondere die motorischen und sensiblen Nerven der Hirudineen sammeln sich zum größten Teil zu mächtigen segmental-symmetrischen Stämmen und treten durch diese in un- mittelbare Beziehung zum nervösen Zentralorgan. Ein geringerer, keineswegs aber unbeträchtlicher Teil der Nerven folgt jedoch in seiner Anordnung einem andern Gesetze; er bildet das zuerst von BRANDT‘) unterschiedene, dann von Lerypie °) HERMANN ©), LEUCKART °), Brisrou’) näher geschilderte, jüngst von 1) MÖNCKEBERG u. BETHE in: Arch. mikrosk. Anat., 1899. — BETHE, Alle. Anat. d. Nervensystems, 1903. 2) Textura del sistema nerv., 1899. 3) in: Riv. Patol. nervosa e mentale, 1905. 4) BRANDT, Medizin. Zool., 1829. 5) LEYDiIG, Hdbch. vergl. Anat., 1864. 6) HERMANN, Das Centralnervensystem von Hirudo medicinalis, München 1875. 7) LEUCKART, Parasiten d. Menschen, I., 1894. 8) BRisTOL, in: Journ. Morphol., 1898. Zool. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. 91 478 G. AscoL1. Livaxow !) unter Hinzufügung neuer Einzelheiten ergänzend be- schriebene sympathische System der Hirudineen. Die entsprechende Ausnutzung des Silberverfahrens gestattet dieses System in überraschender Ausdehnung und Vollkommenheit darzustellen. Es genügt dazu die Schlund- und Darmwand gelungen versilberter Tiere zu Flächenpräparaten abzulösen und auszubreiten. Man gelangt auf diese Weise zu Bildern, in denen der grob ana- tomische Bau, die mikroskopische Aufsplitterung des Systems, nicht minder denn die allerzartesten, granulären und fibrillären Struktur- einzelheiten der beteiligten Gewebsbestandteile und Zellen zu gleicher Zeit in gleicher Einfachheit und Reinheit sich der Beobachtung ent- hüllen (Taf. 22, 23). An solchen Präparaten ist unmittelbar ersichtlich, daß das sympathische System im wesentlichen von der somatischen Segmental- Ganglien- und Nervenkette unabhängig ist und sich im großen und ganzen als ein in der Schlund- und Darmwand ausgebreitetes, ver- wickeltes, abwechslungsreiches Nervengeflecht darstellt, das nur zum ersten Gliede der segmentalen Nervenachse — zur Oberschlundganglien- masse — in anatomische Beziehung tritt (Taf. 22). Zwar nicht vollkommen genau, immerhin aber in befriedigender Weise dem von Livanow ausgestalteten Leypie’schen Schema ent- sprechend ?) — vgl. Taf. 22 rechts oben — stellt sich diese Verbin- dung des sympathischen mit dem Segmentalsystem derart dar, dab aus den symmetrischen Anschwellungen der Oberschlundganglien- masse von ihrer schlundwärts gerichteten Fläche mächtige, in locker verbundenen Strängen angeordnete Faserzüge (Taf. 22 V), anfänglich mit dem segmentalen Oberschlundnerven (Taf. 22 I) lose verknüpft, nach vorwärts und gegen die Mittellinie — zur Schlundwand hin — streben und nach kurzem Verlaufe zum geringern Teile sich in ein Schlundnervengeflecht ausfasern, in überwiegender Menge aber zur Bildung eines Gangliennervenringes beitragen, der den Schlund etwas nach vorn vom Nervenringe des segmentalen Systems dicht hinter den Kiefern umschließt (Taf. 22). Dieser Ganglienring stellt das anatomische Zentralgebilde des sympathischen Systems dar, dessen sämtliche Geflechte durch Ver- mittlung einzelner Hauptstränge oder Netze daher ausstrahlen. 1) Livanow, in: Zool. Jahrb.. Vol. 20, Anat. 1904. 2) Livanow, IL. c. (tab. 9, fig. 1 und 17). Zur Neurologie der Hirudineen. 479 Der Ring weist einen äußerst regelmäßigen typischen Bau und durchaus symmetrische Anordnung auf. Die beiden symmetrischen Verbindungsstränge (Taf. 22 V) zum segmentalen System nehmen an seinem Aufbau in der Weise teil, daß sie nach ganz kurzem Verlaufe nach vorn unten an der Seiten- wand des Schlundes in zwei lockere Strangbündel sich gabeln, deren eines dorsal (Taf. 22 DSK), das andere ventral (Taf. 22 VSK) von der Speiseröhre dem symmetrischen Faserzuge der andern Seite zu- streben. So kommt ein Nervenring zustande. Dieser gestaltet sich dadurch zu einem Ganglienring, daß beider- seits an der Gabelung der Verbindungsstränge und am Übergange von der Seitenwand des Schlundes zum Schlundboden sowie, unpaar, am Mittelstück des dorsalen Halbringes sich beträchtliche, ja an letztern Stellen mächtige Gruppen von Ganglienzellen den Faser- bündeln anlagern und die beiden akzessorischen Kopfganglien (Taf.22 A), die paarigen ventralen Kieferganglien (Taf.22 Vk) und das unpaare dorsale Kieferganglion (Taf. 22 DK) bilden. Die 3 Kieferganglien entsprechen, wie leicht ersichtlich, den 3 Kiefern, denen sie durch ihre anatomische Anordnung einigermaßen genau zugewiesen sind. Doch ist diese Zugehörigkeit nur für das dorsale Ganglion strenger ausgeprägt. Die paarigen Ganglien sind mehr seitlich gelagert und etwas schräg nach vorn gerichtet; so kommen sie mehr denn zu den Kiefern zu den Seitenfurchen der- selben in Beziehung und erstreckt sich das Verteilungsgebiet ihrer Hauptäste gleichzeitig über die Unterkiefer und die seitlich an- erenzenden Teile des Oberkiefers. Die aus den Kieferganglien austretenden Nervenstämme stellen ein erstes Strahlungsgebiet des sympathischen Systems dar. Jedes Ganglion entsendet gerade, oder etwas schräg nach vorn zu, einen mittlern und zwei seitliche Hauptstämme (Fig. 22 AN}; diese ent- springen aus der kopf- und schlundwärts gerichteten Fläche des Ganglienringes aus den entsprechenden Teilen der Ganglien. Der Ursprung der Seitennerven liegt am Übergange der Ganglien in den Nervenring; im Dorsalganglion beziehen sie aber auch von der Mitte der Ganglien Nervenwurzeln, die als schmächtige Bündel dicht neben dem Mittelnerven austreten und nach kurzem schrägen Verlauf mit den seitlichen Stämmen verschmelzen. Die Unabhängigkeit dieser Hauptstämme bleibt nur auf eine ganz kurze, nach Bruchteilen von Millimetern bemessene Strecke 31* 480 G. AsCOLI, gewahrt. Danach lösen sie sich — der dorsale Mittelnerv nach Ein- schaltung einer kleinen gangliösen Anschwellung — durch wieder- holte Teilung in mäßig starke Äste zweiter Ordnung auf, die sich vielfach durch Seitenbündel in Verbindung setzen (Taf. 22 KG). Infolge der Anordnung der dieserart hervorgehenden Nervenbündel um die Auffaserung des Mittelnerven kommen somit drei, nicht streng voneinander geschiedene Nervengeflechte zustande, die in die Kiefer- kegel eindringen und unter fortgesetzter Aufsplitterung und Ver- flechtung ihre Faser- und Drüsenmasse durchweben. Im wesentlichen bestehen diese Kiefergeflechte aus Nervenfasern mit vielfach ver- zweigten Fibrillen und nur einzelnen, hier und da zwischen die Faserzüge und in den Verlauf der Fibrillen eingeschobenen Gan- elienzellen. Gegen die freie Schlundfläche der Kiefer zu bis dicht an dieselbe entsenden die Geflechte aus den oberflächlichen Maschen strahlig gerichtete Faserbüschel; in diese sind langgestreckte zellige Gebilde nervöser Natur in größerer Zahl eingeschaltet. Ein zweites Hauptstrahlungsgebiet des sympathischen Schlund- ringes wird durch die Nervenäste dargestellt, welche unmittelbar oder unter Vermittlung gemeinsamer stärkerer Schaltstücke als ein längsgerichtetes Büschel von Nervenbündeln rundum vom Ringe nach vorn hin abzweigen. Die Stränge der Bildung (Taf. 22 L) sind an der Gabelung der Verbindungsstränge und in deren nächster Nähe, namentlich auf der Strecke zum Unterkieferganglion, besonders dicht gedrängt; sie strahlen hier als ein helmbuschartiges Gebilde in etwa 5 mäßig starken, ziemlich regelmäßig längsgerichteten Bündeln beiderseits symmetrisch nach vorn. Die Äste zweiter Ordnung dieser Strahlung zweigen von den Längsnervenbündeln nach kürzestem Verlauf, fast rechtwinklig. quer gegen die Mittellinie und überwiegend nach unten zu ab und streben festonartig den Querbündeln der andern Seite entgegen (Taf. 22 F). In ihren Verlauf sind mit großer Regelmäßigkeit große ovale korallen- ähnliche Ganglienzellen eingelagert. Mehrfache Verbindungen durch Seitenäste verleihen auch dieser Bildung ein geflechtartiges Gepräge und setzen sie an der Basis der Kieferkegel auch zu deren Nerven- netz in Beziehung. Das Geflecht liegt in den tiefern Schichten der Schlundwand; durch dünne gegen die Oberfläche zu strebende Nerven- bündel leitet sich von ihm ein dicht unter dem Schlundepithel aus- gebreitetes, ziemlich regelmäßig rhomboidalmaschiges Nervennetz ab (Taf. 22 R). Mit seinen zahlreichen in den Verlauf der vielfach ver- zweigten Fibrillen eingeschalteten Zellen von nervösem Charakter Zur Neurologie der Hirudineen. 481 ordnet sich dieses Netz als periphere Bildung, dritter Ordnung, dem Büschel der Sympathicusgabelung zu. Andrerseits sondert sich von dem tiefen Geflechte auch eine Anzahl stärkerer Stränge ab, die von den festonartigen Querbündeln, meist nahe ihrem Ursprung aus dem Längsbüschel, und gleich jenen unter Einschaltung von korallenartigen Ganglienzellen nach rück- wärts abzweigen (Taf. 22 SW). In spitzem Winkel gegeneinander und zur Mittellinie zu verlaufend umschlingen sie den Schlund, treten mit diesem unter Überkreuzung der Commissuren zwischen Ober- und Unterschlundganglienmasse durch den segmentalen Nervenring und vereinigen sich endlich zu einem mächtigen medianen Nerven- strang — dem Hauptstrang des sympathischen Systems —, der dorsal von der Segmentalganglienkette die Darmwand in Längsrichtung durchstreicht (Taf. 23 H). Dem Verlauf der Wurzeln des Sympathicusstranges wird aber — wie mit den sonstigen um den sympathischen Nervenring angeord- neten Gebilden der Fall — ebenfalls durch das Vorkommen mehr- fach verbindender Äste ein geflechtartiges Gepräge aufgedrückt; ebenso wie die Ausbreitung des Hauptstranges in der Darmwand eine geflechtartige ist, in welcher die in ziemlich unregelmäßiger Anordnung seitlich austretenden Äste unmittelbar und durch Neben- zweige, unter Einschaltung von vereinzelten oder gruppierten Ganglienzellen in ihrem Verlaufe und an den Knotenpunkten, in unentwirrbarer Weise sich verweben (Taf. 22 und 23). Es baut sich somit zusammenfassend anatomisch betrachtet das sympathische Nervensystem der Hirudineen aus dem Schlundring, den Kiefergeflechten, dem Schlundgeflechte und dem Darmgeflechte auf. Der Schlundring ist durch symmetrische Verbindungsstränge mit der Oberschlundganglienmasse verknüpft und setzt sich aus 5 durch Commissuren verbundenen Ganglien — dem unpaaren dorsalen Kiefer- ganglion und den paarig symmetrischen akzessorischen Kopf- und Unterkieferganglien — zusammen. Aus den Kieferganglien gehen unter Vermittlung von je 3 Stämmen — Mittel- und Seitennerven — die entsprechenden tiefen Kiefergeflechte und aus deren oberfläch- lichen Maschen die Kieferbüschel hervor. Aus dem akzessorischen Kopfganglion und seinen Commissuren entspringen die Längsbüschel des Schlundes. Diese Längsbüschel entsenden die Reihe der Querfestone und bilden mit diesem das tiefe Schlund- und Buccalgeflecht. Von diesem leitet sich einerseits das oberflächliche Schlundnetz her; andrerseits zweigen von demselben 482 G. Ascorı, Geflecht vor allem durch Vermittlung der Festons die Wurzeln des Hauptstranges und das Darmgeflecht nach rückwärts ab und be- schließen die Reihe der Bildungen des sympathischen Systems, die übrigens alle an den gegenseitigen Grenzgebieten, ohne scharfe Scheidung, durch Verbindungsäste ineinander übergehen. Die nervösen Zellen, aus denen sich die beschriebenen ana- tomischen Gebilde des sympathischen Systems aufbauen, unterscheiden und kennzeichnen sich je nach der Bildung, der sie angehören, in scharfer Weise; die verschiedene anatomische und funktionelle Stellung drückt den Ganglienzellen, von ihrer verschiedenen An- ordnung, von der Zahl und Verteilung ihrer Fortsätze abgesehen, ein unverkennbares cytologisches Gepräge auf. Die Zellen des sympathischen Zentralgebildes — des visceralen Schlundringes — lassen sich entsprechend diesen cytologischen Eigentümlichkeiten in zwei große Ordnungen einteilen. Die eine derselben umfaßt die Zellen der akzessorischen Kopfganglien und die Zellenverbände der Kieferganglien, die sich dem Eintritt der Seitencommissuren anlagern; die andere begreift den übrigen größern Bestand der Kieferganglien. Die den akzessorischen Kopfganglien und den Kieferganglien gemeinsamen Zellen (Taf. 20, Fig. 6) — deren Kerne, wie bei den sonstigen einschlägigen Zellen allgemein, keine auffallend unter- scheidenden Merkmale darbieten — überwiegt im Größenverhältnisse die den Kieferganglien eigentümliche um ein bedeutendes. Der mächtig ausgebildete Zelleib ist unregelmäßig, mehr oder weniger den verfügbaren Raumverhältnissen angepaßt, bald birn-, bald halbkugel- bis schalenförmig, bald auch zylindrisch, im allgemeinen plump ge- staltet. Er geht unvermittelt, ein andermal unter birnförmiger Ver- schmächtigung in einen mäßig starken, einfachen, selten durch gablige Spaltung unmittelbar an der Wurzel verdoppelten Stiel- fortsatz über. Der Zelleib ist allseitig wohl umschrieben und gegen die Nachbargebilde abgesetzt; eine Zellmembran ist nicht nach- weisbar, eine Zellhülle wird einzelnen Zellen manchmal, doch nicht regelmäßig vom Stützgewebe beigestellt. Das Neurofibrillengerüst breitet sich dicht unter der Zelloberfläche als ein engmaschiges, ungemein zart und fein gewobenes Netz aus; es ist einschichtig und sendet keinerlei Fäden nach dem Zellinnern zu; das Gewebe der Zur Neurologie der Hirudineen. 483 durchweg dünnen Fibrillen ist ungemein gleichförmig und gleich- mäßige, ohne Anordnung und Verdichtung um Sammelfasern oder Strahlungen; nur um den Stielfortsatz hat eine Verstärkung einzelner Stränge und eine Vergröberung des Netzes statt. In den Stiel hinein setzt sich das Neurofibrillengeriist durch 2—4 miteinander ver- flochtene, teils starke, teils dünne Stränge fort, um in der Folge von ihm in verschiedener Weise abzuzweigen und sich zu verästeln. Eine Anzahl solcherart gekennzeichneter Zellen umscheidet die Gabelung des Verbindungsstranges in doppelter bis dreifacher lockerer Schicht (Taf. 22 A). Die Fortsätze ziehen ziemlich geraden Wegs strahlig ungeteilt zu der durchstreichenden, an der Gabelung in Bündeln abzweigenden Fasermasse und gesellen sich nach Auf- teilung und oft verwickelter Verästelung ihrer Fibrillen (vgl. Fig. 6, Taf. 20) zu deren Zügen einfacher, starker wie schwacher Fasern. So baut sich das akzessorische Kopfganglion auf. In ähnlicher Weise lagern sich in den Kieferganglien Zellen derselben Art an die von der Gabelung her einstrahlende Commissur- faserung (Taf. 21 N). Eine besondere Erwähnung verdient nur die Tatsache, daß die Zellen häufig einen Doppelfortsatz besitzen, dessen schwächerer Ast gegen den Hauptfortsatz einer andern Zelle hin ablenkt und mit diesem vereint zur Fasermasse hinzieht (Fig. 6, Taf. 20). Es stellen jedoch diese großzelligen Gruppen nur den geringern Teil des Zellenmantels der Kieferganglien dar. Dieser ist nach der Schlundseite hin der austretenden Nerven und Faserbündel wegen sehr lückenhaft und nur auf den vom Schlunde abgewendeten Flächen wohlausgebildet; hier zeigt er sich, neben den angedeuteten Zellengruppen der lateralen Commissurwinkel, der Hauptsache nach aus viel kleinern, dicht gedrängten, oft optisch miteinander ver- schmolzenen Ganglienzellen durchaus eigentümlicher Gestalt und auffallender Anordnung aufgebaut (Taf. 22 M, Taf. 20, Fig. 7 u. 8). Ihrer geringern — selten die Hälfte, meist etwa !/—'/, der Zellen der Nebenganglien betragenden — Größe entsprechend haben diese Gebilde, in ihren einfachen Formen, einen nur sehr mäßig entwickelten Zelleib. Ihre Gestalt ist etwas unregelmäßig prismatisch. Eine Zellmembran ist nicht nachweisbar; dagegen sind die Zellen häufig durch vom Stützgewebe beigestellte Hüllen umscheidet; nicht selten sind solche Hüllen scheinbar mehreren zu Gruppen oder Strängen vereinigten Gebilden gemeinsam. Das Neurofibrillengerüst ist nicht auf die äußern Schichten be- schränkt, sondern durchsetzt im allgemeinen den ganzen Zelleib. 484 G. Ascori, Es ist etwas unregelmäßig, besteht aus diekern und dünnern Fasern und ordnet sich in den größern Formen gelegentlich zu einem Doppel- netz in Beziehung zum Kerne und zur Zelloberfläche (Taf. 20, Fig. 8). Häufig bezeichnet eine umschriebene Vergröberung und Verknäuelung des Netzes die Stelle des Fortsatzes und Faseraustritts. Die meist in Mehrzahl (2—4) abzweigenden Fibrillen bleiben für gewöhnlich eine Strecke lang vor ihrer Aufteilung und Verästelung vereint; nicht selten schlägt jedoch eine Fibrille von Anfang an einen vom Haupt- bündel unabhängigen Weg ein. Die also in ihren Grundzügen gekennzeichneten Gebilde ordnen sich zum Aufbau der Kieferganglien in einer für ein nervöses Zentralorgan ungewöhnlichen Weise. Dicht gedrängt, häufig un- mittelbar aneinanderstoßend vereinigen sie sich zu Gruppen oder zu Zellensträngen, die durch dünne straffe Scheiden von Stützgewebe voneinander abgegrenzt werden. Es besteht somit der entsprechende Zellmantel der Kieferganglien aus Zellenbalken, die einander vielfach in Nachahmung des Baues drüsiger Organe in verwickelter Weise durchflechten. Die Zelleiber der Einzelgebilde der Stränge und Lappen sind sichtlich zum großen Teile voneinander unabhängig. Daneben muß aber doch die auffallende Tatsache erwähnt werden, daß dies für eine ganze Anzahl von Gruppen nicht der Fall ist; die Zellgrenzen schwinden, und die anstoßenden Zellen mit gemeinsamer Stützgewebs- hülle scheinen unmittelbar ineinander überzugehen (Fig. 6). Dem ungewöhnlichen Baue des Zellenmantels der Kieferganglien entsprechen eigentümlich verwickelte Beziehungen der Neurofibrillen- netze und ihrer Fortsätze. Um zur Fasermasse des Ganglions zu gelangen, müssen die den Mantelzellen entstammenden Fibrillen sich durch die enggedrängten Zellen und Zellenstränge oft auf längern Umwegen durchzwängen. Dabei vereinigen sich meist die Fortsätze benachbarter Zellen zu kleinen Bündeln, die weiterhin zu stärkern Faserzügen sich ver- binden. Noch lange jedoch vor Erreichung der zentralen Faser- masse entsenden die Fortsätze der Zellen und die kleinern Bündel Seitenzweige, welche andern Zellfortsätzen zustreben und mit diesen zu andern Bündeln sich vereinigen. Infolge der häufigen Wieder- holung der Verzweigungen bildet sich innerhalb der schmalen binde- gewebigen Scheidewände der Mantelschicht ein verwickeltes Geflecht aus, durch welches die Zellen in mannigfacher und unübersehbarer Weise in Wechselbeziehung treten (Taf. 20, Fig. 7). Andrerseits Zur Neurologie der Hirudineen. 485 wird durch diese geflechtartige Anordnung der Zellfortsätze bewirkt, daß schon mit den kleinern Faserbündeln Fibrillen entferntester Herkunft in die zentrale Fasermasse einstrahlen. Die anatomische Wechselbeziehung, welche durch die Anordnung der Zellen und die Verflechtung der Fortsätze zwischen den Zell- gebilden der Mantelschicht der Kieferganglien gesetzt wird, erhellt bereits aus diesen Erhebungen als eine ungemein enge. In der Tat erreicht sie überhaupt die Grenze der Möglichkeit mikro- skopischer Beobachtung. Denn es bleiben zwar die Fortsätze einzelner Zellen meist im Geflechte auf längere Strecken unabhängig verfolg- bar, und es zeigen sich die Fasernetze der Ganglienzellen gewöhn- lich von denen der Nachbargebilde abgeschlossen. Es kommen aber daneben durchaus nicht vereinzelt auch vollkommene optische Ver- schmelzungen stärkerer Fibrillen verschiedener Herkunft vor; es werden durch Fibrillen längern oder kürzern Verlaufs Brücken zwischen den Netzen verschiedener Zellen geschlagen; man trifft endlich auf Gebilde, wo der scheinbaren protoplasmatischen Ver- schmelzung anstoßender Zelleiber auch die optisch untrennbare Ver- knüpfung der Fibrillennetze entspricht (Taf. 20, Fig. 7). Die Zellen (Taf. 20, Fig. 9) des tiefen Schlundgeflechtes — Längs- büschel, Querfestons und Sympathicuswurzeln — sind mittelgrof. Der gut entwickelte Zelleib hat im allgemeinen ellipsoidische Ge- stalt, doch nur sehr unsicher gezeichnete Grenzen; jede eigne oder von Nebengebilden beigestellte Hülle fehlt. Was diesen Zellen ihr unverkennbares Gepräge aufdrückt, ist ihr Neurofibrillennetz mit seinen Fortsätzen und ihre Lagerung. Das in einfacher Lage in den äußern Zellenschichten ausgebreitete Fasernetz stellt sich als ein ungemein zierliches und regelmäßiges Geflecht mittelstarker Stränge dar, die sich unter Bildung gleich- artiger Rechtecke und Rhomboide zu einem geschlossenen eiförmigen Körbchen verweben; an den Kipolen verknoten sich die Stränge einigermaßen und gehen beiderseits in einfasrige oder aus 2—3 Fibrillen weitmaschig geflochtene Fortsätze aus. Diese Bildungen treten von Strecke zu Strecke als längliche Verdickungen im Ver- lauf der Faserbündel des tiefen Schlundgeflechtes besonders an seinen Knotenpunkten auf (Taf. 20, Fig. 9; Taf. 22, F) und rufen durch diese Art der Einschaltung in das einigermaßen geschmeide- ähnlich angeordnete Gebilde zugleich mit ihrer regelmäßigen Form 486 G. Ascort, und der facettenartigen Zeichnung des oberflächlichen Netzes leb- haft das Bild von Zierkorallen oder Perlen ins Gedächtnis. Die aus dem Fasernetz der Korallenzellen austretenden Fibrillen teilen sich bald im Schlundgeflechte auf; durch meist annähernd rechtwinklige Abzweigung von Seitenästen, die sich mehrfach wieder- holt, durchstreichen sie dessen Maschen nach allen Seiten und setzen sich mit den Nachbargebilden in Verbindung (Fig. 9). Die dadurch entstehenden Beziehungen sind ungemein verwickelt und lassen bei den großen gegenseitigen Abständen der Zellen kaum darüber eine Entscheidung zu, ob ein ununterbrochener Übergang von Fasern eines Netzes in ein anderes statthabe. Aber auch die verhältnis- mäßig einfachen Beziehungen des einzelnen Zellennetzes zu den Fasern des Bündels, in das es eingeschaltet, entziehen sich einer vollkommen sichern Beurteilung; denn einerseits sind die Zellgrenzen durchaus unsicher und geben zur Trennung der Zelle von den vorüber- streichenden Fasern keinen Anhalt; andrerseits ist die Anlagerung eine derart dichte, daß die Unterscheidung der ins Netz einstrahlenden von den anliegenden Fasern überhaupt zweifelhaft wird (Fig. 9). Die Zellen (Taf. 20, 21, Fig. 10, 11) des oberflächlichen Schlund- geflechtes weisen im allgemeinen die wohlbekannten Merkmale der Sinneszellen auf. Von ihren Fortsätzen abgesehen ist ihre Größe stets gering: der Zelleib ist wenig entwickelt, eine Zellmembran oder beige- stellte Hülle nicht vorhanden. Das Neurofibrillennetz umstrickt mit wenigen Maschen dickerer und dünnerer Fasern dicht den Zellkern und setzt sich in 2—3 lange, weithin sich verzweigende Fort- sätze fort. Der eine derselben strebt unmittelbar oder nach Durch- streichung benachbarter Faserbündel gegen das Schlundepithel und dringt zwischen dessen Zellen ein, um hier, häufig mit einer knopf- förmigen Auftreibung, dicht an der Oberfläche zu endigen; dabei ent- sendet er auf diesem Wege meist verzweigte seitliche Sprossen, die sich dicht unter und zwischen den Deckzellen verteilen. Der andere ebenfalls einfasrige Einzel- oder Doppelfortsatz verästelt sich in den Maschen des oberflächlichen Schlundnetzes und in dessen Verbindungs- zügen zum tiefen Geflecht. Durch die hervorgehenden dickern bis allerdünnsten nach allen Richtungen sich verteilenden Fasern stellen sich die mannigfachsten engen Beziehungen zwischen den Zellen dieses Netzes her (Fig. 11), die in der hier und da nachweisbaren Zur Neurologie der Hirudineen. 487 optischen Verschmelzung dicker Fasern benachbarter Zellen ihren erob sinnfälligen Ausdruck finden (Fig. 10, Zellenpaar rechts). Die Kiefernetze sind ihrem Baue nach dem oberflächlichen Schlundgeflecht beizuordnen. Ihr Zelleib ist ebenfalls wenig ent- wickelt; das Neurofibrillennetz als enges Körbchen um den Kern gestrickt; ein langer Fortsatz mit knopf- oder auch büschel- förmigem Ende strebt nach der freien Oberfläche; ein anderer zieht ganglienwärts. Eigentümlich ist diesem Geflecht nur die Anord- nung der Zellen, die von den oberflächlichen Maschen des Netzes in strahligen Büscheln nach der Kieferoberfläche zu abzweigen, und die größere Unabhängigkeit, infolge deren die Zellen innerhalb der Büschel in keinerlei gegenseitige Beziehung treten und die Ver- zweigung und Verflechtung ihrer Fibrillen erst nach ziemlich langem Verlaufe ganglienwärts nach Auflösung der Büschel im Geflechte statthat. Unter den Bildungen des sympathischen Systems ist das Darm- geflecht (Taf. 23), das als Endglied ihrer Reihe sich anfügt, das vielgestaltigste und abwechslungsreichste. Es umstrickt das Darm- rohr durch in seinen Muskelschichten allseitig verzweigte, miteinander verwobene starke und dünne, bis einfaserige Fibrillenbündel in weiten Maschen, die insgesamt an den ununterbrochen an der Bauchseite in der Mittellinie fortlaufenden mächtigen Hauptstrang anknüpfen. Den Faserbündeln sind in nicht übersichtlicher, wohl auch nicht regelmäßiger, Anordnung nervöse Zellen einzeln oder in Gruppen an- und eingelagert. Die Zellen sind nach Größe und Gestalt, Ausbildung ihres Fasernetzes, Zahl und Art ihrer Fortsätze dermaßen verschieden, daß ihre erschöpfende Beschreibung und Einteilung im Rahmen einer zusammenfassenden Darstellung besser durch die Schilderung ein- zelner häufiger vorkommender, morphologisch weit abliegender und scharf gekennzeichneter Bildungen ersetzt wird. Zu den auffallend typisch wiederkehrenden Gebilden zählt eine Gruppe größter ovaler mit mehrfachem Fortsatz versehener Zellen (Fig. 12, 15). Ihr Zelleib erreicht eine mächtige Ausbildung; an sich entbehrt er jeder Hülle — eine solche wird, jedoch nicht regel- mäßig, vom Stützgewebe beigestellt. Die Abgrenzung des Zelleibs von den Nachbargebilden ist meist durchaus deutlich; sie verwischt 488 G. Ascot, sich oder verschwindet nur an den Stellen, an denen die Zelle durch Fortsätze oder in anderer Weise zu andern nervösen Bildungen des Darmgeflechts in Beziehung tritt. Das Neurofibrillennetz prägt durch seine durchaus eigentümliche Ausbildung der Zelle einen unverkennbaren Stempel auf. Ent- sprechend dem größten Teil der Zelloberfläche breitet es sich dicht unter derselben in einfacher Lage als ein zierliches Geflecht zartester Fasern aus; nach einer Breitseite der Zelle hin jedoch werden die Fäden zusehends dicker, nach kurzer Strecke strangartig; sie knäueln sich auf, verstricken sich unregelmäßig, senden einzelne Schleifen zum meist nahe anliegenden Kern und verwirren sich in dessen Nachbarschaft an einer umschriebenen Stelle zu einem dicken platten Knoten von etwa Zellkerngröße. Das Bild ist so eigenartig, daß in dem entsprechenden Hinweise die beste Kennzeichnung dieser Knoten- zellen geseben scheint. Vom Fasernetze zweigen einzelne Fibrillen in 2—3 dünne Fort- sätze nach verschiedener Richtung ab; eine aus mehreren Fibrillen eeflochtene Faser entspricht dem ansehnlichen Hauptfortsatz der Zelle, in den sich der Zelleib einem Quadranten des Ellipsoids ent- sprechend verjüngt. Ein recht häufiges Vorkommnis stellen Gebilde von geringerer, immerhin aber beträchtlicher Größe dar, deren Fasernetz in einiger- maßen ähnlicher Weise ausgebildet ist. Es ist ebenfalls entsprechend dem iiberwiegenden Teil der Zelloberfläche als ein zartes Gewebe in den Außenschichten der Zelle verbreitet und vergröbert und ver- strickt sich an umschriebener Stelle in der Nähe des Kernes; doch führt dies hier nicht zur Entstehung eines massigen Knotens, sondern es kommt nur zur Bildung einer starken netzigen Platte (Fig. 13 links und oben). Die Fortsätze strahlen in Zwei-, Drei- und Mehrzahl nach ver- schiedener Richtung aus; meist beziehen sie ihre durchschnittlich mittelstarken Fibrillen vom Rande oder der Nachbarschaft der Zell- platte; ein Fortsatz überragt die andern wesentlich an Mächtigkeit durch die Ausbildung der den Fibrillen beigegebenen Protoplasma- hülle; die entsprechende Faser hat auf eine größere oder geringere Strecke geflechtartige Anordnung. Die Zellgrenzen sind auch hier im allgemeinen deutlich abgesetzt; eine eigne Hülle fehlt und wird nur ausnahmsweise von Nachbargebilden ersetzt. Von diesen großen zartfaserigen Gebilden mit Netzplatte oder Knoten unterscheiden sich die mittelgroßen Zellen, von ihrer Gestalt Zur Neurologie der Hirudineen. 489 abgesehen, meist durch die grobe Faserung und minder oberflächliche Lage ihres Netzes; seine Ausbreitung ist je nach der Zellart wechselnd, einmal einschichtig, ein andermal durch den Zellkörper verbreitet. Eine Hülle ist allgemein nicht vorhanden, die Zellgrenzen meist deutlich abgesetzt (Fig. 12, 14, 15). Auch kleine und kleinste nervöse Zellen sind im Darmgeflecht in reicher Zahl vertreten (Fig. 15). Unter den kleinern Elementen verdienen die spindelförmigen Gebilde ihres auffallenden Gegensatzes zu den Knoten- und Plattenzellen wegen besondere Erwähnung (Fig. 15, 16). Ihre Größe sinkt auf ein Viertel und noch kleinere Bruchteile der großen Zellen. Die Gestalt ist langgestreckt spindelförmig, selbst der Kern nimmt gelegentlich an dieser Verbildung teil. Das Zell- netz ist aus mäßig starken und dünnen Fibrillen gemischt ziemlich gleichmäßig dicht durch die Mittel- und Innenschichten des Zelleibs sewoben; es strahlt: mit einfachen oder geflechtartigen Fasern in die von beiden Enden der Spindel einfach oder gablig gedoppelt abgehenden Fortsätze aus; nur ausnahmsweise zweigen einzelne Fasern in dünnen Fortsätzen seitlich in der Richtung der Quer- durchmesser ab. Von den Fortsätzen abgesehen ist der Zellkörper allgemein scharf gezeichnet und unterschieden; eigne oder Stütz- hüllen fehlen fast durchweg. Die von den Fasernetzen dieser verschiedenartigen Zellen aus- strahlenden Fibrillen lassen sich in dem nicht allzu dichten Darm- geflechte häufig auf überaus lange Strecken hin verfolgen (Taf. 23). Da sieht man sie zumeist eine Zeitlang unverändert innerhalb eines srößern oder kleinern Bündels dahinstreichen. An eine Teilung oder Kreuzung des Geflechtes angelangt teilen sie sich hierauf in zwei annähernd ebenso starke, ein andermal gleich oder ungleich schwächere Fibrillen, die sich nun verschiedenen Zügen zugesellen; die Teilung kann sich so aber und abermals wiederholen, und es gelangen hiedurch die Zweigfibrillen in ganz schwache, nur aus wenigen, ja aus einer einzelnen Fibrille bestehende Bündel. Diese Einzelfasern durchziehen nun das lockere Gewebe der Darmwand für sich oder — häufig — unter dichter Anlagerung an Muskelfasern, die sie über mäßige Strecken hin begleiten, überkreuzen, umschlingen, dann wieder ver- lassen, um an andern Muskelfasern das Spiel zu wiederholen (Taf. 23). Dann aber verlassen diese Einzelfasern das Darmwandgewebe und dessen Muskelgeflecht; sie streben wieder stärkern Nervenbündeln zu, gesellen sich zu denselben und gehen in ihnen auf. 490 G. Ascori, Das Geflecht der Darmwand stellt sich demnach in gewisser Hinsicht als in sich geschlossen dar. Die gegenseitigen Beziehungen der Bestandteile dieses Systems sind jedoch ihrerseits nicht einfach und ohne weiteres übersichtlich. So weit sich die Fibrillen im Gewirr der Fäden auf längere Strecken hin verfolgen lassen, zeigt sich wohl, daß sieihre Unabhängig- keit durch verwickelte Verästelungen hindurch über ausgedehnte Gebiete zu wahren vermögen. Andrerseits aber entziehen sich die freien Endigungen oder sonstigen Endapparate der unzähligen Zweigfibrillen in zumindest überraschender Weise der Beobachtung (Taf. 23). Diesen negativen Erfahrungen gegenüber gewinnen jene Tat- sachen an Bedeutung, welche die innigen Beziehungen beleuchten, die gelegentlich zwischen verschiedenen Zellen und Fasernetzen des Darmgeflechtes vorliegen. Da ist zunächst das nicht seltne Vorkommen der optischen Verschmelzung der Zelleiber zu Gruppen vereinigter Ganglienzellen (Fig 13, 14). Die zwar meist hüllenlosen, aber dennoch gegen die Umgebung aufs deutlichste abgesetzten Ganglienzellen verreinigen sich hie und da in der Zwei- oder Mehrzahl zu von dem Nachbargewebe scharf unterschiedenen Gruppen, in denen die zu den verschiedenen Kernen gehörigen Zelleiber in keiner Weise gegeneinander abgrenzen und zu einer einheitlichen Protoplasmamassen zusammenfließen. In derartigen Synneurien können nun neben den Zellkernen auch die Neurofibrillennetze eine gewisse Selbständigkeit wahren: ein andermal ist aber auch diese Unterscheidung durchaus unmög- lich und stellen die Fasernetze der verschmolzenen Zellen eben- falls ein optisch untrennbares Gebilde dar (Fig. 15, 14). Endlich kommt es auch gelegentlich zur Vereinigung von Fort- sätzen und Fibrillen, die sich beiderseits nach unabhängigen Zellen verfolgen lassen. In solchen Fällen sieht man den Zelleib der einen Zelle sich in die Hülle der entsprechenden Fortsatzfibrille fort- setzen, diese ununterbrochen bis zur Begegnung mit dem entgegen- strebenden Fortsatz der andern Zelle begleiten und mit dessen Scheide verschmelzen, während die Fibrillen sich miteinander verflechten oder ebenfalls optisch vollkommen verschmelzen (Fig. 12, 15, 16, 17). Nach der Darstellung der auf Grund des Silberverfahrens er- hobenen Tatsachen zur Anatomie und Histologie des sympathischen Zur Neurologie der Hirudineen. 491 Systems der Hirudineen ist der Versuch ihrer Verknüpfung zu einem Gesamtbilde seines Aufbaues geboten. Um die dem System durchgehend eignen Merkmale kurz zu- sammenzufassen, besteht dieses aus verschieden gestalteten und an- geordneten Zellen, aus deren wechselnd um den Kern gesponnenem Neurofibrillennetz eine die Zahl der Zellen weit übertreffende Anzahl von Neurofibrillen ausstrahlt, die durch wiederholte Teilung ins ungeheure wächst; die Fibrillen ordnen sich in verschiedener Weise zu Zügen und Geflechten. In diesen Faserungen lassen sich für eine verhältnismäßig beschränkte Zahl von Fibrillen entsprechende Ausläufer — Sinnesknöpfe und Büschel (Fig. 10, 11) — nachweisen; für die große Mehrzahl ist eine Endigung weder frei im Geflechte noch an den Ganglien- und Sinneszellen noch an den mutmaßlich innervierten Organen nachweisbar (Taf. 20, 21; Fig. 7—17, Taf. 23). Es besteht somit ein eigentümlich überraschendes Mißverhältnis zwischen den in beschränkter Zahl und ausnahmsweise nachweis- lichen Endigungen und der Unzahl von Fibrillen. Dieses Mißverhältnis wird unter der Annahme begreiflich, dab die Fibrillen nicht nur innerhalb der Zellen, sondern auch außerhalb, in den Geflechten und Geweben, netzartig in Verbindung treten, sei es, dab die Fasern einer Zelle nach ihrer Aufteilung sich irgend- wie wieder vereinigen und zum Stammgebilde zurückkehren, sei es, daß die Fibrillen getrennter Zellen verschmelzen und verschiedene Zellgebiete verbinden. Einige der bei der Schilderung der sympathischen Ganglien und Geflechte angeführten Tatsachen scheinen vor allem letzterer Müglich- keit das Wort zu reden (Fig. 10; Fig. 12, 15, 16; Fig. 17, 13, 14, 7). Es sind dies die fast durchgehends sich wiederholenden Vor- kommnisse vollkommener optischer Verschmelzung der Zelleiber, der Fibrillennetze, der Fortsätze benachbarter oder entfernterer Zellen. Die Zellen des sympathischen Systems der Hirudineen scheinen nach alledem keineswegs durchaus streng in sich abgeschlossene Elemente darzustellen; einer unbefangenen Beobachtung treten sie vielmehr in mancher Hinsicht mehr als zu syncytialer Gruppierung neigende Gebilde entgegen. Die unmittelbare Erfahrung rückt also die Verknüpfung ver- schiedener Zellengebiete durchaus nicht aus dem Bereich der Wahr- scheinlichkeit; im Gegenteil liefert sie für das Bestehen eines zwischen den Zellen sich ausbreitenden anastomotischen Netzes tat- sächliche Belege. 492 G. Ascont, Auch die sonst überaus auffällige Beobachtung, dab die Fibrillen des Darmgeflechtes an die offenbar von ihnen versorgten Muskel- fasern sich anschmiegen (Taf. 23), in ihnen aber nicht irgendwie aufgehen, sondern abermals ins Geflecht einstrahlen, ordnet sich der Annahme eines zwischen den Zellen ausgebreiteten Fibrillennetzes ohne Schwierigkeit unter, während sie unter andern Voraussetzungen kaum verständlich wäre. Eine Schwierigkeit erwächst dieser Auffassung aus der Selten- beit des sichern unmittelbaren Nachweises der Übergänge. Sie erklärt sich jedoch ungezwungen aus der Tatsache der überraschend weiten Ausdehnung und Verwicklung der Fortsätze der Einzel- zellen, die es notwendig macht, die Fibrillen auf bereits weit auber- halb der Grenzen eigentlich mikroskopischer Beobachtung liegende lange Strecken hin ins Gewirr der vielen andern zu verfolgen. Es scheint uns somit das sympathische System der Hirudineen vom anatomischen Standpunkte eine einheitliche, nicht wohl in un- abhängige und getrennte Grundgebilde auflösbare Bildung darzu- stellen. Die Verbindung und gegenseitige Beziehung der zellartigen Grundgebilde erfolgt auf doppelte Weise: durch protoplasmatische Verschmelzung von Zellen und Zellfortsätzen; durch Vereinigung der Fibrillen verschiedener Zellgebiete. Durch protoplasmatische Verschmelzung treten die Fortsätze verschiedener Zellen untereinander oder mit andern Zellkörpern in Verbindung; oder aber es vereinigen sich auf diese Weise größere oder kleinere Gruppen von Zellen zu Sammelbildungen ausgesprochen syncytialen Geprages. Die Verbindung der Fibrillen setzt die Zellen der Ganglien und Geflechte durch ein einheitliches diffuses Netz in gegenseitige Be- ziehung. Das Netz kommt hier und da — vor allem in den Kiefer- ganglien — auf kurzer Bahn, allem Anschein nach aber hauptsäch- lich auf dem Wege langer Bahnen zustande. Seine systematische Anordnung steht zurzeit dahin. Die hier gegebene Darstellung des sympathischen Systems der Hirudineen steht mit den sonstigen einschlägigen Erfahrungen in keinerlei Widerspruch; im Gegenteil stimmt sie mit den auf genügend breiter Unterlage entwickelten Anschauungen weitgehend überein. Freilich ist die feinere Anatomie des sympathischen Systems der Hirudineen und verwandter Arten im Vergleich zum segmentalen System Zur Neurologie der Hirudineen. 493 nur spärlich und bruchstückweise untersucht. So lassen sich die hier und da verstreuten Mitteilungen (Simon !), SOUKATCHEFF ?), AZOULAY ?), GEMELLI*), Haver”), Boure‘), Kowauskr‘)) über einzelne seiner Bestandteile für das Verständnis seines Aufbaues nicht wohl ver- werten; mit Bezug auf die gegebene Darstellung ist nur zu ver- merken, daß die Einfügung dieser Einzelbefunde in dieselbe keinerlei Schwierigkeit begegnet. Eine eingehendere Behandlung und Würdigung hat der Gegenstand nur in der klassischen Arbeit von Araray°) gefunden. Seine Erfahrungen gipfeln in dem Nachweise der Verschmelzung von Ganglienzellen und ihrer Netze in einzelnen nicht näher be- stimmten kleinen Ganglien und in der Darmwand sowie in dem Befunde eines in den Muskelfasern des Darmes sich verteilenden Neurofibrillennetzes. Diese Angaben sind von Casau”) angegriffen werden, der die von Aparny im Kiefer- und Schlundgeflechte erkannten Verbindungen nicht nachweisen konnte: der Widerspruch ist aber nur ein schein- barer, da ja — obigen Ausfiihrungen entsprechend — die unmittel- baren Verbindungen in jenen Geflechten selten sind und nur unter besonders günstigen Bedingungen — daher in Schnittpräparaten, wie sie Casan vorlagen, kaum jemals — zur Anschauung kommen können. Apatuy’s Angaben erfahren hingegen durch die gegenwärtigen Befunde auf Grund wesentlich abweichender unabhängiger Methodik in ihren Hauptpunkten eine erweiternde und klärende Bestätigung. So entspricht nach dem gegenwärtigen, freilich noch der Er- weiterung bedürftigen Stande unserer Erfahrung der Bau des sympathischen Systems der Blutegel in seinen Grundzügen der von APATHY angedeuteten Anordnung. Vom Standpunkt der vergleichenden Anatomie betrachtet, steht 1) Simon, in: Internat. Monatsschrift Anat., 1903. 2) SOUKATCHEFF, in: Trav. Soc. Se. nat. St. Pétersbourg 1898. 3) AZOULAY, in: CR. Soc. Biol., Paris 1904, 4) GEMELLI, in: Rivista Fisica ecc., Pavia 1905. 5) HAVET, in: Cellule, 1908. 6) BouLE, Neoroxe, 1907 (IX.). 7) KoWALSKI, in: Cellule, 1909. 8) APATHY, in: Mitth. zool. Stat. Neapel 1897, tab. 28, fig. 10; 230.29, ie, 9, 10; hab, 527 90.73. 9) CAJAL, in: Anat.: Anz., 1908. Zool. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. N 494 G. ASCOL1, er zur geläufigen Lehre von der Zusammensetzung der nervösen Organe aus unabhängigen Einzelgebilden, Neuronen, im Gegensatze. Er fügt sich hingegen den Anschauungen und Beschreibungen ein, die für die nervösen Organe niederer Lebewesen auf einigermaßen breiter Grundlage von BETH, für die höherer Tiere von Gouer, Beran, BrezscHowsky, HELD — um nur einige der bedeutendsten Namen zu nennen — vertreten werden. Auf die nähere Erörterung dieser Verhältnisse haben wir jedoch an dieser Stelle zu verzichten; sie überschreitet das der gegen- wärtigen Darstellung gesteckte Ziel, das uns in der nähern Be- leuchtung einer Reihe minder bekannter und gewürdigter Tatsachen gegeben schien. Zur Neurologie der Hirudineen. 495 Erklärung der Abbildungen. Tafel 20. Fig. 1. Segmentalnerv an einer Gabelung. Fig. 2. Isolierte Nervenfaser mit lockerm Achsenzylindernetz; aus einem Segmentalnerven. Fig. 3. Nervenfaser mit mitteldichtem Achsenzylindernetz. Fig. 4. Kolossale Nervenfaser mit dichtem Achsenzylindernetz. Fig. 5. Ganglienzellengruppe an der ersten Teilung eines Segmental- nerven; Ursprung locker gewobener Fasern aus entsprechend gestrickten Zellen. Fig. 6. Zellengruppe aus dem Seitenwinkel eines Kieferganglions; gegenseitige Beziehung der Fortsätze je zweier Zellen. Fig. 7. Zentrale Zellengruppe — synneuralen Charakters — aus dem Kieferganglion. Fig. 8. Neurofibrillennetz einer isolierten zentralen Zelle eines Kiefer- ganglions. Fig. 9. Neurofibrillennetz einer Korallenzelle des tiefen Schlund- geflechtes; Beziehung zu dessen Fasern und Bündeln. Fig. 10. Oberflächliches Schlundgeflecht (Sinneszellen) mit Ver- schmelzung zentripetaler Fibrillen (rechts). Wafiel 21% Fig. 11. Oberflächliches Schlundgeflecht ; Gesamtbild der Verflechtung. Fig. 12. Darmgeflecht: Knotenzelle (links); mittlere Zelle (rechts). Gegenseitige Beziehungen. Fig. 13. Darmgeflecht. Zellengruppe synneuralen Charakters. — Plattenzellen (links). Knotenzelle, mittlere Elemente (rechts). 32% 496 G. Ascorı, Zur Neurologie der Hirudineen. Fig. 14. Darmgeflecht. Zellengruppe synneuralen Charakters. Mittlere. Zellen (links oben ein nicht diffenziertes größeres abgesetztes Element). Fig. 15. Darmgeflecht. Mittlere und kleine Elemente. Spindelzellen. Wechselbeziehung durch lange Fortsätze. Fig. 16. Darmgeflecht. Wechselbeziehung kleiner Elemente. Fig. 17. Darmgeflecht. Wechselbeziehung großer Elemente. Tafel 22. Fig. 18. Übersichtsbild des sympatischen Schlundringes. Tafel 23. Fig. 19. Flächenpräparat der Darmwand. Verteilung des Darm- geflechts um den Hauptstrang (unten) und Beziehungen zur Darmmuskulatur. Infolge der zur Ausbreitung notwendigen Zerrung sind die Muskel- und Nervenfasern hier und da durchgerissen; die Beziehung der Bruchstücke sind meist ohne weiteres ersichtlich. Die Tafeln 20, 21, 23 sind unter Verwendung von ZEISS Apochr. Imm. 2 mm mit Okular 2 (Übersicht) bis 18 (feinste Details) gezeichnet. Tafel 22 siehe dort. Die Präparate stammen von Hirudo medicinalis. Lippert & Co. (G. Pätz’sche Buchdr.) G. m. b. H., Naumburg a. S. Nachdruck verboten. Übersetzungsrecht vorbehalten. Beiträge zur Kenntnis der Panzerwelse. Von Dr. M. Rauther (Jena). Mit Tafel 24—25. Die Familie der Loricariiden umfaßt eine Gruppe kleinerer ge- panzerter welsartiger Fische. Sie sind im tropischen Mittel- und Südamerika heimisch und bewohnen dort vornehmlich kleinere rasch fließende Flüsse und Bäche. „Um der wilden Strömung widerstehen zu können — so berichtet SCHOMBURGK (Vol. 3, p. 618) über die Hypostomen — hat sie die Natur mit einem Saugapparat versehen, vermittelst welches sie sich an den Felsen ansaugen, wobei sie zu- gleich von den Haken ihres Operculardornes wesentlich unterstützt werden. Mit diesen beiden Haftorganen sitzt der Fisch so fest an und zwischen dem Gestein, dass man das letztere eher zerbrechen kann, als dass er sich loslösen liesse.“ Auch die niedergedrückte Körperform mit völlig flacher Bauchseite, die feinen nach hinten ge- richteten Zähnchen, welche die Platten des knöchernen Hautpanzers bedecken, endlich die mächtigen knöchernen Stacheln am Vorder- rande der Brustflossen, scheinen die Tätigkeit des Saugmaules im Kampfe mit der Strömung wesentlich zu unterstützen. Diese Fische sind ferner merkwürdig durch ihre Fähigkeit, längere Zeit ohne Schaden außerhalb des Wassers zu verweilen. So vermag, nach Cuvier u. VALENCIENNES, Hypostomus duodecimalis 5 Stunden ohne Wasser zu leben. Nach ScHomBurGk (Vol. 1, p. 570) scheint Loricaria cataphracta L. sogar freiwillig, „wie die ihm ver- Zool. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. 33 498 M. RAUTHER, wandte Callichthys, das Wasser zu verlassen und kleine Landpartien zu unternehmen; wir fanden ihn oft 2—3 Fuß vom Wassersaum, wo er ruhig auf dem feuchten Sand lag und uns eine leichte Beute wurde.“ Diese Fische müssen also wohl auf irgendeine Weise zu direkter Luftatmung befähigt sein; denn sonst würden sie ja beim Aufenthalt auf dem Lande, während dessen die Kiemen, selbst wenn sie gegen das Vertrocknen geschützt sind, nur einen wenig ausgie- bigen Gaswechsel ermöglichen, bald ersticken. In der Tat wurde beobachtet, dab diese Fische, auch wenn sie sich im Wasser befinden, häufig an die Oberfläche kommen, um Luft zu verschlucken ; zugleich werden Luftblasen durch die äußern Kiemenöffnungen ausgestoßen (JOBERT 1878, p. 2). Da ich dieses Luftschöpfen an kleinern Panzer- welsen, die ich mir gelegentlich verschafft hatte, z. B. bei Ofocinclus, im Aquarium hatte beobachten können, so unterwarf ich anläßlich meiner Studien über die Umbildungen des Kiemenapparats der Knochenfische im Dienste der Luftatmung (s. Ergebnisse u. Fort- schritte d. Zoologie, Vol. 2) auch diese einer orientierenden Unter- suchung. Indessen fanden sich am Kiemenapparat keine zur Luft- atmung in Beziehung zu setzenden Besonderheiten; auf die „Darm- atmung“, die wie bei Callichthys und Doras so auch bei einigen Lori- cariiden nach JOBERT bestehen sollte, näher einzugehen, lag nicht im Plane jener Arbeit. Indessen scheinen mir einige bei diesem Anlaß gemachte Beobachtungen über den Bau des Darmkanals dieser Tiere, zunächst eben wegen derartiger bionomisch interessanter Be- ziehungen zur Atmungsfunktion, dann aber auch aus andern, mehr theoretischen Gründen, nicht unwert, nachträglich mitgeteilt zu werden. Von einigen Autoren (KNER, GÖLDI, ZANDER) wird ganz nebenher die Ähnlichkeit vermerkt, die zwischen gewissen Teilen des Verdauungstracts (Mund, Mitteldarm) von Loricaria bzw. Plecostomus und denjenigen der Larven anurer Amphibien, der „Kaulquappen“, besteht. Daß diese Ähnlichkeit auf Verwandtschaft, im Sinne der zurzeit üblichen phylogenetischen Betrachtungsweise, beruhe, fällt schwer zu glauben. Da ich den Ähnlichkeiten zwischen im System weit auseinander stehenden Tiergruppen, den sogenannten „Konver- genzerscheinungen“, seit geraumer Zeit schärfere Aufmerksamkeit schenkte, so lag mir daran, auch in diesem Falle zu prüfen, ob nur eine vage Anähnlichung morphologisch verschiedenwertiger Teile vor- liegt oder ob die Ähnlichkeiten so charakteristische und spezifizierte sind, daß die sich derart entsprechenden Gebilde mit Recht als homolog, als morphologisch gleichwertig, bezeichnet werden dürfen. Beiträge zur Kenntnis der Panzerwelse. 499 Ohne deskriptive Vollständigkeit anzustreben, möchte ich hier die wichtigsten Befunde über die Organe der Nahrungsaufnahme und der Atmung auseinandersetzen; ihre theoretische Verwertung behalte ich mir für eine spätere Gelegenheit vor. Zur Untersuchung lagen mir vor 3 Otocinclus, die ich als O. notatus und O. vestitus bestimmte, ferner einige kleinere Plecostomus, deren Species ich nicht feststellen konnte (vom Händler als „Pl. commersonü“ geliefert). I. Die Lippen. Der Mund der Hypostomen, bei weiter Öffnung von etwa rhom- bischer Form, ist von flachen, ungewöhnlich breiten Lippen umgeben, die eine Art Vestibulum umschließen. Nach innen wird dieses durch die Reihen der kammförmig angeordneten schlanken Zähne begrenzt (Fig. 1d). Obwohl der Lippensaum rings die Mundöffnung umzieht, läßt sich eine Ober- und eine Unterlippe unterscheiden, deren Grenze durch einen etwas verschmälerten Abschnitt des Saumes und eine seichte Rinnenbildung bemerkbar wird; diese letztere bezeichnet gleichsam die Mundwinkel, und hier findet sich auch jederseits ein kurzer Bartfaden (Fig. 1 u. 2). Die gesamte Innenfläche der Lippen ist mit rundlichen, halb- kuglig vorspringenden Papillen besetzt. Diese bestehen je aus einem Wulst von lockerm Bindegewebe, der mit einer dicken Epi- dermislage überzogen ist; Pigment- und Drüsenzellen fehlen auf den Lippen. Auf dem Gipfel jeder Kuppe oder etwas gegen den dem Munde zugekehrten Abhang hin verschoben (d. h. an der Stelle, mit welcher die Papille beim Andrücken des Mundes die Unterlage be- rührt) findet sich bei Plecostomus eine merkwürdige Modifikation der Epidermis. Man bemerkt hier in der mittlern Schicht eine etwa kugelförmige, aber begreiflicherweise nicht ganz scharf begrenzte Gruppe von Zellen, die durch ihre ungewöhnliche Größe und die helle Beschaffenheit ihres intra vitam vermutlich flüssigen Inhalts auffallen (Fig. 3 mz). Die Intercellularräume sind hier ziemlich breit und von groben Plasmabrücken überquert. Gegen die Oberfläche hin unterliegen die Epidermiszellen dieses Bezirks plötzlich auffallenden Veränderungen: es erweitern sich, bei Unterbrechung der seitlichen Plasmabrücken, die Intercellularräume; der saftreiche Binnenraum schrumpft auf eine enge, den Kern beherbergende Höhlung zu- sammen; der proximale Teil der dichtern membranartiger Rindenzone bildet eine flache basale Platte, auf der sich distal ein kurzes 33* 500 M. RAUTHER, Säulchen erhebt, das wiederum am äußern Ende eine kleine Scheibe mit leicht ausgezacktem Rande trägt (Fig.3 u. 4 pz). Diese Zellen erinnern also in der Form einigermaßen an die „Puffer“ der Eisenbahn- wagen. Meist findet man 2 oder 3 Schichten derselben, in verschie- denen Phasen der Umbildung, lose übereinander liegend. Die äußersten unterliegen offenbar der Verhornung, der innere helle Raum schwindet, der Kern bleibt aber färbbar. Auch in der nächsten Nachbarschaft dieser Gebilde wandeln sich die äußersten Epidermiszellen zu flachen, teilweise verhornten Schüppchen um. Vermutlich wird die oberste Zellenlage von Zeit zu Zeit abgeworfen; es rücken dann wohl aus der mittlern großzelligen Zone beständig die Ersatzelemente nach. Man sieht an den Ersatzschichten leicht, daß die feine Zähnelung des Randes der Pufferscheibchen von durchrissenen Zellbrücken her- rührt, welche sie mit der ihnen vorausgegangenen Zellenschicht ver- banden. Auf der der Mundöffnung abgekehrten Seite der Lippenpapillen stehen in der Regel einige (2—3) Sinnesknospen. Bei Ofocinclus finde ich weder die beschriebenen Horngebilde noch die ihnen als Matrix dienende Gruppe heller Zellen, ebensowenig bei Loricaria lanceolata, von der mir auch Schnitte durch die Lippen vorliegen; im übrigen ist aber der Bau der Papillen bei ihnen der gleiche, auch Sinnesknospen kommen darauf wie bei Plecostomus vor. In der Literatur fand ich über den feinern Bau dieser Lippenpapillen, deren Vorkommen übrigens allgemein bei den Loricariiden vermerkt wird, keine Angaben. II. Kiefer und Zähne. Die „kahnförmig ausgehöhlten Zwischen- und Unterkiefer“ (Kxer 1854) der Loricariiden sind mit meist einreihig angeordneten, schlanken, biegsamen, Sförmig gekrümmten Zähnen von bräunlicher Farbe besetzt; (ähnliche hat unter den echten Siluriden Synodontis). Die Maxillaria tragen keine Zähne; sie sind auf der medialen Seite rinnenformig ausgehöhlte Knochen, die vorn mit den säulenförmigen, nach vorn hin bogenförmig divergierenden Palatina gelenkig ver- bunden sind, während ihr hinteres Ende bis zur Basis des Bart- fadens reicht; dieses wird gleichsam fortgesetzt durch einen Knorpel- stab, der sich der medialen Seite des Maxillare an dessen hinterm Ende anlegt und der sich andrerseits bis in die Spitze der Bartel erstreckt. Der Unterkiefer ist ein eigentümlich gekrümmtes Skelet- stück, dessen dem Dentale entsprechender vorderer und medialer Teil Beiträge zur Kenntnis der Panzerwelse. 501 durchaus dem Zwischenkiefer ähnlich gestaltet ist, während das Articulare sich mit dem weit nach vorn verlagerten Gelenkknopf des Quadratums verbindet. Der Mund wird von einem ansehnlichen Rostrum überragt, das von einer unpaaren Verknöcherung des Primordialcraniums, dem Os rostri, gestützt wird. (Die Skeletver- hältnisse von Plecostomus sind bei WEYENBERGH, die von Loricaria bei GöLpı und KoscHKARoFF genauer behandelt.) Obgleich die Zähne selbst nicht wesentlich von denen anderer Teleosteer abweichen, so verdienen sie doch wegen ihrer besondern Form einiges Verweilen, zumal über Bau und Entwicklung derselben nur wenig eingehende Angaben vorliegen. Die Zähne (Fig. 5, 6, 7) lassen unterscheiden: einen Wurzelabschnitt (w) mit weiter Pulpa- höhle; einen etwa im rechten Winkel abgebogenen und in der Krümmungsebene komprimierten Schaft (s), in dem sich die Pulpa- höhle auf eine Anzahl feiner, in einer Ebene nebeneinander ver- laufender Längskanäle reduziert; einen umfänglichern distalen Ab- schnitt (b), in dem die Pulpahöhle eine bedeutende spindelförmige Erweiterung erfährt; das Ende wird von 2 einwärts geneigten, un- gleich langen bräunlichen Spitzen (sp) gebildet. Diese letztern liegen nicht in der Krümmungsebene hinter-, sondern nebeneinander; doch ist die kürzere, stets lateral von der längern gelegene etwas stärker als diese einwärts gekrümmt. Fig. 7 zeigt diese Spitzen im Profil; von der Fläche erscheinen sie als platte Schaufeln. Die freien Enden der Zähne liegen in einer geraden Linie; da aber die Zähne infolge ihrer alternierenden Anordnung (s. u.) nicht genau von demselben Niveau entspringen, so wird die Differenz durch eine verschiedene Länge der Spitzen ausgeglichen, derart, daß man einen lang- und einen kurzspitzigen Typ unterscheiden kann (der Zahn auf Fig. 7 gehört zum erstern). Die Spitzen bestehen aus einer schmelzartigen Substanz und lösen sich bei Säurebehandlung völlig auf, so daß sie auf Schnitten nicht zur Beobachtung gelangen. Gleichwohl setzt sich die Pulpa- höhle als enger Kanal ein Stück weit in die Schmelzspitzen fort, und es scheint, daß deren zarte, senkrecht zur Oberfläche gerichtete Streifung auf der Anwesenheit feinster Röhrchen beruht, die mit jener in Verbindung stehen. In die Basis des Spitzenteils schiebt sich ein Kegel von Hartsubstanz (d'), in dem die gröbern Dentin- röhrchen deutlich sichtbar sind, der aber, nach seinem färberischen Verhalten, ärmer an organischer Grundsubstanz als sonst das Dentin ist. 502 M. RaurHer, Die Höhlung der knöchernen Kiefer wird von den Ersatz- zähnen ausgefüllt. Eine fortlaufende Ersatzleiste besteht nicht. Vom freien Rande der Kiefer gehen in einer derjenigen der funk- tionierenden Zähne entsprechenden Zahl schmale, annähernd vertikale Epidermislamellen (epl) ins Innere. In diese wuchern — im Inter- maxillare von oben, im Dentale von unten — Bindegewebspapillen (p) ein und treiben die Epidermiszellen vor sich her; letztere werden über der Papille (Dentinkeim) zum Schmelzorgan (so), die Papille selbst liefert die Odontoblasten und das gefäßreiche Pulpagewebe. Man findet in jeder Epidermislamelle mehrere hintereinanderliegende Zahnanlagen, hinten die jüngsten, vorn den fertigen oder nahezu fertigen Zahn. Die Epidermislamellen liegen so dicht nebeneinander, daß die sich bildenden Zähne notwendigerweise eine alternierende Anordnung annehmen müssen (vgl. Fig. 6; es ist daher und wegen des nicht völlig ebenen Verlaufs der Lamellen nicht möglich, auf Sagittalschnitten nur eine derselben in ganzer Ausdehnung zu treffen; man sieht auf Fig. 5 längsgeschnittene Zahnanlagen aus mehreren nächst benachbarten Lamellen). Indem der fertige Zahn frei hervortritt, führt er eine auffallende Lageveränderung aus: er dreht sich in der Ebene der ihn ein- schließenden doppelten Epithellamelle um mehr als 90° nach außen, so daß sein freies Ende nun abwärts und vom Munde fort gerichtet ist. Zugleich verlötet sein Wurzelabschnitt einseitig mit der spon- giösen Knochensubstanz des Kiefers (Fig. 5). Die Histogenese dieser Zähne würde größere Aufmerksamkeit verdienen, als ihr hier geschenkt werden kann; nur weniges sei da- rüber vermerkt. Fig. 8 A zeigt eine junge Zahnanlage quer durch- schnitten; Hartsubstanz ist augenscheinlich noch nicht gebildet, das Schmelzepithel (a) grenzt sich nach innen scharf ab, die Odonto- blasten (0) sind epithelartig um das zentrale Pulpagewebe herum geordnet und distalwärts in feine anastomosierende Fasern aufgelöst. Dieses plasmatische Netzwerk bleibt zunächst bestehen; auch nachdem sich die erste Hartsubstanz dicht um den kompakten Teil der Odonto- blasten abgeschieden hat (Fig. 8 B; die Odontoblasten haben sich hier ein wenig von dem Dentinmantel zurückgezogen); die Fasern werden dann anscheinend allmählich von der Hartsubstanz eingehüllt (Fig. 8 C). Nur am distalen Ende des Zahns scheinen sie länger frei über die Dentinschicht hinauszuragen, bzw. dieselbe an einer gröbern bestehenbleibenden Öffnung — der kanalartigen Durchbrechung des Dentinkegels, die man auch am fertigen Zahn noch bemerkt — zu Beiträge zur Kenntnis der Panzerwelse. 503 durchsetzen (Fig. 9). Die Doppelspitzen der Zähne werden in eigen- artiger Weise durch eine entsprechende negative Form des Schmelz- organs vorgebildet (Fig. 9a). In den ziemlich weiten Binnenraum des letztern am spätern Spitzenteil des Zahns ragt der Dentinkegel nur wenig hinein; jener ist vielmehr bei Anlagen mittlern Alters von einer feinkörnigen acidophilen, offenbar von den Ameloblasten ab- geschiedenen Masse erfüllt; eben in diese (intra vitam sicherlich zu- nächst flüssige) Masse sieht man feine lange faserförmige Ausläufer der Odontoblasten hineinragen, um die herum sich enge Hohlkanäle bilden. Die körnige Masse (%) fehlt auf den Altern Stadien der Zahnbildung; an ihrer Stelle erscheint ein leerer Raum, der wahr- scheinlich vor der Entkalkung von den Schmelzspitzen eingenommen wurde und in dem sich nur das geschrumpfte Schmelzoberhäutchen noch vorfindet. Indem jene körnige Masse sich in den eigentlichen Schmelz umbildet, muß sie also offenbar ihren zunächst beträchtlichen Gehalt an organischen Stoffen einbüßen; dies könnte wohl durch Resorption von seiten der Odontoblasten, vermittels ihrer in das von den Ameloblasten gelieferte Secret entsandten Fortsätze, geschehen. Von den Odontoblasten könnten diese Stoffe an das Pulpagewebe weitergegeben werden. Eine naheliegende Frage — die hier nicht verfolgt werden soll — wäre alsdann, ob und inwieweit die „Odonto- blasten“ überhaupt secretorisch tätig sind, ob nicht auch die Hart- substanz des Dentins wesentlich von den Schmelzzellen geliefert und von den Odontoblasten nur zurückgehalten und in den Lücken ihres Plasmareticulums abgelagert wird. Die bräunliche Pigmentierung empfangen die Zahnspitzen eben- falls vom Schmelzepithel, dessen Zellen man bei fortgeschrittenern Zahnanlagen dicht von Pigment erfüllt findet. III. Funktion des Haftmauls im ganzen; Parallelen. Vom Dach der Mundhöhle, dicht hinter den Zwischenkiefern, springt eine horizontal ausgespannte, mit dem freien Rande nach hinten gerichtete Membran vor, die Atemklappe („Gaumensegel“ der Autoren, Fig. 1 u. 10 vbr). Diese ist für die Funktion des Haftmauls und für den Atmungsmechanismus von großer Wichtig- keit. Eine entsprechende untere Klappe ist nur schwach angedeutet. Wie erwähnt, heften sich die Fische an Steinen, an der Glaswand des Aquariums etc. an, indem sie den Mund weit öffnen, derart, daß die Zähne mit der oralen Fläche die Unterlage berühren und die 504 M. RAUTHER, Lippen dieser flach aufliegen. Mit Unrecht meint REGAN (p. 191, Anm.), daß während des Haftens das Wasser durch die Kiemen- öffnungen eingezogen und auf demselben Wege in umgekehrter Richtung wieder ausgestoben werde. Vielmehr geht der Strom des Atemwassers ununterbrochen in einer Richtung fort; es fließt zwischen den Papillen, insbesondere an den Mundwinkeln, dicht vor den Barteln, hindurch, und wenn schon hierdurch größern Körpern der Eintritt in den Mund verwehrt wird, so bilden die dichtgestellten, gatterartig geordneten Zähne eine zweite innere Absperrung, die nur kleinsten festen Partikelchen den Durchtritt erlaubt. Die Saug- wirkung beruht durchaus auf dem Wasserstrom, der durch rhythmisch abwechselnde Erweiterungen und Verengerungen der Mund- und Rachenhöhle beständig vom Munde durch die Kiemenspalten nach außen getrieben wird. Man sieht dabei die Kehlregion in oszillieren- der Bewegung (ich zählte bei einem kleinen Plecostomus 170—225 Exkursionen in der Minute); der gepanzerte Kiemendeckel scheint bei den Atembewegungen weniger beteiligt. Während der In- spirationsphase ist der äußere Kiemenschlitz fest geschlossen, die Atemklappe dem Mundhöhlendach angedrückt. Bei der Exspiration wird das Zurückströmen des Wassers durch den Mund verhindert, indem dieser durch die Atemklappe, in der sich das Wasser staut, verschlossen wird. Zum Austritt des Atemwassers dient ein kurzer und enger Schlitz, der von einem dünnen beweglichen Bezirk der Kiemendeckelmembran (Fig. 1 mbr), in welchen die Kiemenhaut- strahlen nicht hineinragen, der aber eine starke Schicht von quer- gestreiften Muskelfasern enthält, überdeckt wird; diesen sieht man bei ruhiger Atmung in beständig auf- und abklappender Bewegung. Der Mechanismus der Atmung bietet also keine wesentliche Ab- weichung von dem bei Teleosteern sonst üblichen Modus. Nur die Accessoria — die breiten Lippen, die Papillen mit den Pufferchen und den aus vesiculösen Zellen gebildeten Polstern — sind den Loricariiden eigentümlich und stehen, indem sie durch ihre Elastizi- tät einen völlig dichten Anschluß der Lippen an die Unterlage und damit eine Unterbrechung des Wasserstroms verhindern, in enger Beziehung zur Haftfunktion des Maules. Merkwürdigerweise aber kehren gerade diese Accessoria bei einigen Tieren wieder, denen keine nähere „Verwandtschaft“ mit den Panzerwelsen zugeschrieben zu werden pflegt. Discognathus lamta, ein Cyprinide aus den Gebirgsflüssen Asiens und Abessiniens (Day 1878), zeigt ebenfalls ein unterständiges, mit Beiträge zur Kenntnis der Panzerwelse. 505 flachen Lippen — einer schmalern Ober- und einer sehr großen, fast kreisrunden Unterlippe — umgebenes Maul, in den Mundwinkeln kurze Barteln, die Oberfläche der Lippen von rundlichen Papillen bedeckt (Abbildungen bei STEINDACHnER 1867 und Lerypia 1895). LeypiG fand auch hier auf den Papillen Geschmacksknospen, auber- dem in der Epidermis einen Pfropf von großen polygonalen hellen Zellen, ähnlich denen, die wir bei Plecostomus als Matrix bzw. Vor- stufen der Horngebilde ansprachen; von solchen, Pufferchen oder dergleichen, gibt Leypıe nichts an, doch ist zu bedenken, dab es sich hier um anscheinend leicht ablösbare Gebilde handelt. Statt der Zähne trägt Discognathus auf den Kieferrändern einen „gelben hornartigen Überzug“ (STEINDACHNER, p. 360), — ein Umstand, der uns für das Folgende zustatten kommt. Des weitern ergeben sich manche Analogien zwischen der Mund- bildung von Plecostomus und derjenigen der Kaulquappen. Schon im Kieferskelet wird man gewisse Ähnlichkeiten nicht verkennen, besonders hinsichtlich der eigentümlichen Form der Mandibeln und ihrer weit nach vorn verlagerten Articulationsstelle mit dem Qua- dratum. Weniger einfach sind die Beziehungen der Oberkieferstücke zu den „Suprarostralia* der Larven (= Oberkieter + Zwischen- kieferknorpel nach GoETTE!) zu beurteilen (vgl. hierzu F. E. ScHhuLzE 18925027). Auch bei den Anurenlarven umschließen breite flache Lippen ein Vestibulum oris'); Tentakel fehlen meist), [oder sind durch in kurze Läppchen ausgezogene Mundwinkel vielleicht bisweilen ange- deutet (Pelodytes punctatus, Hyla viridis)?|. Der Rand der Lippen ist ein- oder mehrreihig mit rundlichen Papillen besetzt, die sich insbesondere in den seitlichen Teilen häufen und die im Bau den unbewehrten Papillen von Ofocinclus gleichen. Im übrigen sind die Lippenflächen von den bekannten Kammplatten, Reihen kleiner ge- 1) Die beste Übersicht über dessen Bildung geben die Arbeiten von HÉRON-ROYER u. VAN BAMBEKE 1889 und von G. A. BOULENGER 1891. Besonders umfangreiche Lippenbildungen, die VAN KAMPEN geradezu als Saugnapf bezeichnet, finden sich bei Bufo asper, B. penganensis und Rana liebigi. 2) Wo bei Anurenlarven Barteln an den Mundwinkeln vorkommen, wie bei Xenopus, fehlen die Lippen, Hornkiefer etc. (vgl. LESLIE 1890, BEDDARD 1894). Offenbar ist auch der Tentakelapparat der Loricariiden rudimentär, wie aus der geringen Zahl und Größe der Barteln, verglichen mit denen der echten Siluriden, hervorgeht. 506 M. RAUTHER, bogener Hornzähnchen. eingenommen. Zwischen diesen und den Papillen dürfte indessen eine engere Beziehung bestehen. Bei Pelo- bates-Larven insbesondere kommen Übergänge zwischen beiden vor; so gliedern sich bei P. fuscus (SCHULZE 1888, p. 5) und P. ee (HÉRON-RoYER u. VAN BAMBEKE tab. 20, fig. 1) die sonst geraden ge- schlossenen Zähnchenreihen in isolierte vorgebuchtete Bezirke, während bei P. latifrons (ibid., tab. 18, fig. 7) sich außerdem sogar typische Papillen, die einige Hornzähnchen tragen, finden. Ferner sollen sich bei gewissen Ranidenlarven Hornzähnchen und Papillen stellenweise vertreten können (HınkuLey 1881, p. 311, 312; H&ron-RoYEr u. van BAMBEKE, p. 206). Man darf also wohl schließen, daß die Kamm- platten reihenweise verbundene Papillen sind, daß letzteren aber ur- sprünglich auch Hornzähnchen eigen gewesen sein möchten, die erst den jetzt meist auf die Randbezirke beschränkten, vielleicht sen- sorischen Funktionen (?) dienenden Papillen (F. E. SchunzE 1888, p. 32, LIEBERT, p. 15) abhanden gekommen sind. Dann besteht kein Hindernis, die Oberflächengebilde auf den Lippen der Kaulquappen mit denen bei den Panzerwelsen durchweg zu vergleichen. Mit den Hornzähnchen selbst nämlich zeigen die Puffer von Plecostomus eine leicht einleuchtende Analogie: in beiden Fällen nehmen die Horngebilde ihren Ursprung von großen, mehr oder minder vesiculösen Zellen der mittlern Epidermisschicht durch all- mählich beim Vorrücken distalwärts zunehmende Verhornung von deren Rindenschicht. Jedes Hornhäkchen entspricht einer Zelle. Die Unterschiede gegenüber Plecostomus liegen nur darin, daß bei den Kaulquappen die entstehenden Hornzähnchen in senkrecht zur Oberfläche gerichteten, leicht geschweiften Reihen übereinander ge- ordnet sind und daß dabei die Basis der Zellen durch die jeweils nachfolgende Zelle trichterförmig eingestülpt wird (vgl. SCHULZE 1869 u. 1888, KEIFFER 1889, HÉRON-ROYER U. VAN BAMBEKE 1889, Gurzeir 1890), während sie dort eine ebene Platte bleibt, die Zellen sich also auch nicht ineinander schachteln. Ferner ist das freie Ende der Larvenzähnchen, anstatt eine ebene Scheibe zu bilden, zum Munde hin umgebogen und schaufelförmig; es zeigt meist eine ähnliche, aber gröbere Auszackung des Randes wie jene; es ist nachgewiesen, daß auch hier die Zäckchen Reste von intercellulären Plasmafäden sind.') Es besteht also augenscheinlich zwischen der 1) KEIFFER (p. 71) sah bei Alytes lange Fäden von den Spitzen der Randzacken ausgehen, wie er meinte, zur Basis derselben in das Zähnchen Beiträge zur Kenntnis der Panzerwelse. 507 Mundbildung der Kaulquappen und derjenigen der Panzerwelse eine mehr als oberflächliche Ähnlichkeit. Einer weitern Durchführung des Vergleichs scheinen die Horn- kiefer der Anurenlarven im Wege zu stehen, welche ihrerseits durch die Struktur und durch die Genese aus dicht benachbarten verhornenden Zellensäulen sich als durch Hinzuziehung benachbarter verhornender Epidermisbezirke verstärkte Homologa der Kammplatten erweisen. Daher mag die Frage nach der Möglichkeit einer Ver- mittlung zwischen Horn- und Dentinzähnen hier kurz berührt werden. Die Zähne der Loricariiden sind, wie erwähnt, sehr zart, elastisch und offenbar reich an organischer Substanz. Bei Loricaria maculata Bu. fehlen sie ganz (CuvIER U. VALENCIENNES, Vol. 15, p. 474). Bei Otocinclus notatus sind sie zwar angelegt, treten aber kaum noch in Funktion; ich fand, daß nur einige wenige jederseits die Epidermis des Kieferrandes eben durchbrechen. Der Schwund der Kieferzähne findet sich vollendet bei den Cypriniden; hier ist der Kieferrand mit verhornender Epidermis überzogen, die sich bei Discognathus (ähnlich bei Chondrostoma, Schizothorax etc., Ss. PawLowsxy 1911) zu einer derbern Hornscheide ausbildet. Einige Umstände scheinen mir nun auf einen engern physiologischen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Horn- und Dentinbildungen hinzudeuten. So findet LiEBERT (p. 17) die Basalschicht der Epidermis unter den Kammplatten der Larve von R. esculenta sehr ähnlich der ,Cylinderzellenschicht, wie man sie als Epithelabgrenzung gegen die Bindegewebspapille bei der Anlage der definitiven Zähne . .. beobachten kann“; auch die Abbildungen anderer Autoren (HÉRON-ROYER U. VAN BAMBEKE, tab. 13, fig. 1 u. 2) lassen hier und unter dem Hornschnabel eine hohe, einem Schmelz- epithel nicht unähnliche Basalschicht der Epidermis erkennen; Hart- substanz wird gegen das Corium allerdings nicht abgeschieden. Ich möchte aber den physiologischen Zusammenhang gerade darin ver- muten, daß durch das Vorhandensein von epidermoidalen Hart- gebilden die secretorische Tätigkeit der basalen Epidermisschicht an den übrigens zur Ablagerung dermaler Skeletsubstanzen prä- disponierten Orten hintenangehalten wird. Ein ähnliches Verhältnis möchte auch zwischen den zähnchenartigen Gebilden auf den Ctenoid- sich umbildenden Zelle, um dort in das „protoplasmatische Reticulum“ überzugehen. Offenbar handelt es sich aber um die durch den Einschach- telungsvorgang stark gedehnten Plasmabrücken zwischen aufeinanderfolgen- den Zähnchenbildungszellen. 508 M. Ravruer, schuppen vieler Fische und den sog. Perlorganen der Cypriniden bestehen; beide entsprechen einander in der Lage oft in auffälliger Weise, worüber z. B. schon ein Blick auf die von Maurer (1895, p. 98 u. 105) für Zdus und Phoxinus gegebenen Abbildungen belehrt. Bei dem* oben erwähnten Discognathus — um ein anderes Beispiel zu nennen — ist die gesamte Oberfläche der Schuppen mit kleinen rückwärts gerichteten Hornzähnchen bedeckt (Lryp1e 1895); diese gleichen nach Form, Größe und Stellung auffallend den echten Haut- zähnchen, die auf dem Panzer der Loricariiden stehen (vgl. O. HERTwIG 1876), und tragen dazu bei, jenen Cypriniden den letztern im Habitus anzuähnlichen. Selbstverständlich sind alle Versuche, die Bestandteile der Horn- und der Dentinzähne selbst miteinander zu identifizieren, verfehlt; man darf sie in den genannten Fällen nur als am gleichen Ort füreinander vikariierende oder sich ablösende Organe (verschiedenen morphologischen Werts) ansprechen. Die definitiven Zähne, die bei den anuren Batrachiern an die Stelle des Hornschnabels treten, sind für unsere Vergleichung auch insofern beachtenswert, als sie einerseits, obgleich von viel plumperer Gestalt als die der Panzerwelse, wenigstens eine Andeutung der Sförmigen Krümmung aufweisen, andrerseits aber typisch zwei- spitzig sind; und zwar sind die oft schaufelförmig flachen Zacken auch nicht genau in einer Ebene hintereinander, sondern schief nebeneinander gestellt (Rana, vel. Leypia 1877, tab. 4). Nebenbei sei bemerkt, daß auch bei Amphibien durch O. HerrwiG das Ein- dringen der Odontoblastenausläufer in den Zahnschmelz nach- gewiesen wurde. Man könnte endlich auf die Ähnlichkeit des Saugmauls von Petromyzon mit dem der Kaulquappen (wie das schon öfters geschehen ist, SO von GUTZEIT, p. 45) und der Panzerwelse hinweisen; doch ist dieser Vergleich weniger gut im einzelnen (z. B. hinsichtlich der kompakten vielzelligen Hornzähne im Vestibulum) durchzuführen. Trotzdem entbehren auch diese Ähnlichkeiten nicht jeder tiefern morphologischen Bedeutung, und wenn MAURER (1895, p. 57) sagt: „Die Hornzähne der Cyclostomen sind speciell für diese Formen ausgebildete und auf sie beschränkte Organe, ebenso wie die Horn- zähne im Mund der Anurenlarven ... Es erscheint als ein müßiges Unternehmen, hier Homologien aufzustellen . . .“, so wird man ihm nicht durchaus zustimmen mögen. Wir glauben vielmehr die Haftmäuler der Kaulquappen, Neun- augen, Panzerwelse und des Discognathus als einander auch morpho- Beiträge zur Kenntnis der Panzerwelse. 509 logisch ziemlich nahe stehende Bildungen ansehn zu müssen und fügen hier als ferneres Beispiel für die sporadische Erhaltung schein- bar sehr ephemerer Organbildungen in übrigens sehr verschiedenen Tiergruppen eine kurze Betrachtung über die thoracalen Haft- apparate an. Bekanntlich dient den Kaulquappen in der ersten Periode ihres Daseins ein brustständiger Hautbezirk zur Anheftung an der Laich- gallerte: paarige oder V förmig verbundene, wulstig umrandete und mit hohem drüsigem Epitel ausgekleidete Hautgruben (über deren Form und Struktur bei verschiedenen Species s. THIELE 1887). Bei den Larven der javanischen Rana jerboa, R. afghana und andern Rana-Species, die erwachsen „vollkommene Schwimmhäute und stark verbreiterte Scheiben an den Fingern und Zehen“ haben (Gapow 1901, p. 58), nimmt diese Haftscheibe die Hälfte der Bauchfläche ein, zeigt gegen die Kehle hin konvergierende Falten und per- sistiert noch nach der Ausbildung des Saugmauls (sie dient viel- leicht der Anheftung der Larven an den elterlichen Körper, wie bei Dendrobates-Arten u. a., Branpes 1901, p. 48; van Kampen [1910 p. 40] fand die jerboa-Larve „nur in schnellfliessendem Wasser, z. T. zusammen mit Glyptosternum platypogon“). Die thoracalen Haft- gruben kehren nun einerseits bei den Larven der dipneumonen Dipnoer wieder, andrerseits bei einigen zu den echten Siluriden gestellten Formen, die nach Bau und Lebensweise sich völlig als Stellvertreter der Loricariiden in den raschfließenden Gebirgs- gewässern Indiens darstellen: Pseudecheneis hat zwischen den Basen der Brustflossen eine ovale Haftscheibe mit quergefaltetem Epithel; Glyptosternum ebendort einen hufeisenförmigen, längsgefalteten Epithelbezirk (vgl. Day, BLeeker). Wahrscheinlich wird das Haften hier ebenfalls durch Drüsensecrete, nicht durch Saugwirkung er- möglicht. Man sieht also, daß von den beiden Typen von Haftorganen, die bei den Anurenlarven zeitlich aufeinander folgen, bei den wels- artigen Fischen im erwachsenen Zustande bald der eine, bald der andere vorkommt: das thoracale Organ bei den indischen Gebirgs- formen, das scheibenförmige Saugmaul bei den südamerikanischen Panzerwelsen, nach Bounencer (1904, p. 587) aber auch bei einigen Doradinen, Exostoma und ÆEuchilichthys. Eine Parallelerscheinung bieten abermals die Gebirgsgewässer bewohnenden Cypriniden: Disco- gnathus und Gyrinochilus (BouLENGER 1904, p. 583) mit Saugmaul, Gastromyzon borneensis mit thoracaler Haftscheibe. 510 M. RAUTHER, IV. Mund- und Rachenhöhle; Kiemenapparat. Die Mundhöhlenwand der Panzerwelse ist durch eine kompli- zierte Skulpturierung ausgezeichnet. Betrachtet man, etwa bei Otocinclus, die Decke von innen her (Fig. 10 A), so erscheint der vorderste Abschnitt durch die dicht hinter den Zwischenkiefern ent- springende Atemklappe (v. dr) verdeckt; im übrigen ist das Mund- höhlendach durch eine stark vortretende „Gaumenquerfalte“ (pl. tr) in einen vertieften vordern und einen etwas weniger tiefen hintern Bezirk abgeteilt. Der letztere ist nur durch einen niedrigen medianen (Grat halbiert; vom Boden des vordern erhebt sich ein plumper, mit kleinen Höckern besetzter Wulst, der sich nach vorn in einige flachere Längsbalken fortsetzt. Sonst sind beide Abteilungen noch von scharfrandigen Falten wie von Gewölberippen durchzogen, welche gegen die Mitte des ganzen Munddachs konvergieren und sich medial- wärts ausebenen. Der Mundhöhlenboden (Fig. 10 B) ist einfacher gestaltet. Nahe hinter dem Kieferrand erheben sich niedrige unpaare Querfalten (pl. a), unweit dahinter verläuft eine etwas breitere Querfalte (pl. p); zwischen beiden, namentlich aber in den seitlichen Teilen des Mund- bodens, sind zahlreiche flache Höckerchen zerstreut. Die hintere Querfalte ist durch eine Furche von der die Zunge repräsentieren- den Erhebung getrennt. Die Auskleidung der Mundhöhle wird im vordersten Abschnitt von einem geschichteten drüsenfreien Epithel gebildet. Die hinter der Atemklappe gelegenen Falten aber sind mit einem Epithel über- zogen, das infolge der massenhaften Einlagerung von Drüsenzellen stark verdickt ist. Diese Drüsenzellen unterscheiden sich von ge- wöhnlichen Becherzellen wesentlich durch ihre schlauchförmige Ge- stalt; sie enthalten im proximalen Teil einen kugligen Kern und sind bis auf ein kurzes distales helles Stück von einer ziemlich grob alveolär struierten Masse, die die gewöhnlichen Plasmafarben stark annimmt, ausgefüllt; sie münden zwischen kleinen nichtdrüsigen Zellen, die das Epithel nach außen hin begrenzen; schmale Zellkörper und Kerne finden sich auch zwischen den Drüsenzellen eingeschaltet, bzw. an ihren basalen Enden (Fig. 11). Nur auf dem äußersten Grat dieser Falten ist die Epithel- schicht plötzlicb sehr verdünnt; es zeigt sich, daß eben hier von Strecke zu Strecke Sinnesknospen eingelagert sind. Desgleichen rühren die auf dem Wulst vor der Gaumenquerfalte und am Boden Beiträge zur Kenntnis der Panzerwelse. 511 der Mundhöhle bemerkten Höckerchen von solchen „Geschmacks- organen“ her, und auch der freie Rand der Atemklappe, sowie das vor dieser, dicht hinter den Kiefern median vorragende Zäpfchen ist dicht von ihnen besetzt. Die Rachenregion umfaßt den von den konkaven Innen- flächen der Kiemenbogen begrenzten Vorderdarmbezirk, bis zum Be- einn des Osophagus. Obere und untere Schlundzähne fehlen bei Otocinclus, sind aber bei Plecostomus vorhanden. Dicht hinter den untern Schlundknochen (Fig. 10 B V) liegen paarige tiefe Längs- eruben, welche, wie die sie trennende Leiste, bereits von dem längs- faltigen Epithel des Schlundes (oes) bekleidet sind. Die Innenflächen der Kiemenbögen sind mit eigenartigen Sieb- fortsätzen besetzt, desgleichen die die erste Kiemenspalte von vorn her überdeckende Falte auf ihrer dieser und die untern Schlund- knochen auf ihrer der letzten Kiemenspalte zugekehrten Fläche. Diese Siebfortsätze wurden bereits verschiedentlich untersucht; Jou. MÜLLER (1841, p. 57 und 128) nennt sie „äußere Blattchen“ oder „falsche Kiemenfäden“, da sie „den Kiemenblättchen fremd sind und mehr zum Schutz und als Seihewerkzeuge für das Wasser dienen“; aus WEYENBERGHS Angaben (p. 89) über Hypostomus plecostomus geht immerhin hervor, daß es sich um leistenförmige Verdickungen han- delt, welche senkrecht zur Längsrichtung des Kiemenbogens zwei- zeilig auf dessen Innenseite angeordnet sind und die auf dieser gleichsam ein steiles, beiderseits etwas überhängendes Dach bilden; auch sah W., daß diese Leisten mit feinen spitzen Fortsätzen be- deckt sind. Eingehender behandelt ZANDER (p. 653ff.) die gleichen Gebilde von Plecostomus commersonii. Über das Aussehen der Siebfortsätze oder ,Filterleisten“, wie sie hier besser heißen mögen, bei geringer Vergrößerung be- lehren Fig. 10 Bu. 13 B. Stärkere Vergrößerung zeigt, daß der freie Rand der Leisten mit äußerst zahlreichen kurzen Vorsprüngen mehrreihig besetzt ist, derart, daß der Querschnitt jeder Leiste (Fig. 12) das Bild eines kleinen verästelten Bäumchens darbietet. Wie Zanver bereits dargetan (p. 655), besitzt jede Leiste einen doppelten Stützapparat: 1. ein Knochenstäbchen, wohl den knöchernen Stützen normaler Siebfortsätze entsprechend, durchzieht mehr die Basis der Filterleisten und dient ihren distalwärts sich leicht vom Kiemenbogen abkrümmenden Enden zur Stütze; 2. Stützlamellen, „aus dichtfaserigem Gewebe bestehend“, unmittelbar unter dem Epithel verlaufend; sie sind am dicksten am Boden der Rinnen 512 M. RAUTHER, zwischen je 2 Leisten, erheben sich aber, an Stärke abnehmend, bis zur freien Kante derselben; in das distale abgehobene Ende der Leisten gehen sie nicht über. Diese Stützlamellen finde ich bei Plecostomus und Otocinclus aus fast homogener Substanz gebildet, die sich färberisch wie die Knochengrundsubstanz verhält; ich halte sie für den Hautknochenstrahlen der Flossen vergleichbare Bildungen. Die sekundären spitzen Zäckchen auf den Filterleisten sind schlank kegel- förmige Vorwüchse des Epithels, mit wenigem Bindegewebe erfüllt. Eine Beziehung zur Atmung, die man vermuten könnte, haben sie nicht; die (nutritorischen) Gefäße der Filterleisten verlaufen ein- wärts zwischen den knéchernen Stützlamellen. Wie es scheint, trägt aber ausnahmslos jedes dieser Zäpfchen eine sehr schlanke und nur aus wenig Zellen gebildete Sinnesknospe (Fig. 12). Den physiologischen Wert des eigenartigen Kiemenfilters von Plecostomus glaubte WEYENBERGH in dem Fernhalten von Fremd- körpern von der Kiemenhöhle suchen zu sollen; ZANDER (p. 700) meint, daß bei Landwanderungen dieses Fisches die capillaren Rinnen Wasser zurückzuhalten vermöchten, um die Kiemen vor dem Ver- trocknen zu schützen. Näher liegt es wohl, einen Zusammenhang mit der Ernährungsweise anzunehmen: die Nahrung dieser Fische, die aus Microfauna und -flora und aus Detritus besteht (s. u.), dürfte aus dem Atemwasser, während es durch die schmalen Lücken zwischen den feinen sekundären Filterfortsätzen hindurch in die Rinnen zwischen den Leisten und von hier in die Kiemenhöhle strömt, abgeseiht werden. Inwiefern etwa die enorme Menge der Geschmacksknospen oder der Drüsenreichtum der Mundhöhle mit dieser Ernährungsweise in Zusammenhang steht, entzieht sich noch genauerer Beurteilung. | Die Kiemen der Loricariiden zeigen ebenfalls einige nicht un- interessante Besonderheiten. Die Blättchen sind ziemlich kurz und breit, nicht in ihrer ganzen Länge frei, sondern zu etwa ?/, an eine Art „Septum“ angeheftet und derart auseinander gespreizt, dab sich die Spitzen der Blättchen benachbarter Bogen fast berühren. Ihre Struktur bietet nichts Auffälliges. Nach Jon. Mürter’s Entdeckung (1841, p. 57) kommt den Lori- cariiden, im Gegensatz zu den echten Siluriden, eine Pseudo- branchie zu und zwar als ein blättriges Organ „mit Querblättchen ihrer Hauptblätter“ ... „an der vordern Wand der Kiemenhöhle“ über den dort befindlichen Siebfortsätzen. ZANDER, der dieses Ge- bilde nebenbei erwähnt (p. 657), nennt es, wohl ohne tiefere Absicht, Beiträge zur Kenntnis der Panzerwelse. 513 »Opercularkieme“; man pflegt seit Jon. MÜLLER diese nur den Ganoiden zuzuerkennen und sie scharf von der Pseudobranchie, dem Homologon der Spritzlochkieme, zu scheiden. Das fragliche Organ stellt sich bei Ofocinclus als eine an der vordern Wand der 1. Kiemenspalte gelegene Halbkieme dar. Die Blättchen sind zwar kleiner und weniger zahlreich (9—11) als bei den übrigen Kiemen, zeigen aber noch im feinern Bau (Knorpel- stäbchen, Blutlakunen mit Pfeilerzellen) völlige Übereinstimmung mit diesen. Diese Blättchen (Fig. 10 B u. 13 B hbr) sind an einer Hautlamelle (7) befestigt, die vorn am Mundhöhlenboden, seitlich und unten an die das Hyomandibulare bzw. das Hyoid bedeckende Mund- höhlenwand angewachsen ist (so daß sie bei der Ansicht des Rachens von innen den 1. Kiemenbogen zum Teil überdeckt) und die hinten mit der seitlichen und obern Rachenwand verwächst. Die Siebfort- sätze auf der der 1. Kiemenspalte zugekehrten Fläche dieser Falte (und die distal und ventral von ihnen gelegenen Kiemenblättchen) gehen also, wie bei den echten Kiemen, in winklig geknicktem Ver- lauf vom Boden auf die dorsale Rachenwand über. Es findet sich in der ihnen als Träger dienenden Hautfalte (2) ein besonderes sie stützendes Skeletstück (Fig. 13 pr. br), das bei Ofocinclus eine flache dünne Knochenspange, bei Plecostomus, — bei dem die Ver- hältnisse im übrigen ganz ähnlich liegen — eine stärkere, spongiös gebaute Knochenplatte darstellt. Dieses Skeletstück, welches bereits von WEYENBERGH bei Hypostomus beschrieben und auf tab. 8, fig. 28 abgebildet wurde, zweigt sich vom ventralen Ende des Cerato- branchiale des I. Bogens seitlich ab. Bei Ofocinclus schließt es sich am dorsalen Ende dem Epibranchiale I wieder an, während ich bei Plecostomus eine derartige obere Verbindung nicht nachzuweisen ver- mochte; mit dem Hyoid ist es nur durch derberes Bindegewebe ver- bunden. Die Blättchen der vordern Halbkieme empfangen ihr Blut durch einen schwachen Ast (a.ps) eines Gefäßes, das durch den Zusammen- tritt ventraler Fortsetzungen der abführenden Kiemengefäße des I. und II. Bogens gebildet ist. Der Hauptstamm desselben, der das Hyoid und das Hyomandibulare durchsetzt, wurde nicht weiter ver- folgt; das abführende Gefäß II gibt schon vor der Vereinigung mit I einen Zweig zur Schilddrüse ab. Es handelt sich demnach sicher nicht um eine noch respiratorisch wirksame Kieme; wenn man diesen physiologischen Charakter (worin die Versorgung mit venösem Blut einbegriffen), für die Definition einer „Opercularkieme“ als wesent- Zool. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. 34 514 M. RAUTHER, lich betrachtet, so läge hier also entschieden keine solche, sondern eine ,Pseudobranchie“ vor; andrerseits passen die geschilderten Lageverhältnisse wenig zur Deutung unseres Organs als Homologon der Spritzlochkieme. Der Lage nach kann kaum zweifelhaft sein, daß hier die der 1. Kiemenspalte zugehörige Hälfte einer Kieme an dem dem ersten funktionierenden Kiemenbogen voraufgehenden Vis- ceralbogen vorliegt. Als solcher käme zunächst der Hyoidbogen in Frage; aber während die Kiemenblättchen und Filterleisten der vordern Halbkieme eine denen der übrigen Kiemen genau analoge Lagerung zeigen, weicht die des knöchernen Hyoidbogens sehr be- trächtlich von der der übrigen Bogen ab; dazu kommt, dab das Skeletstück jener kiementragenden Falte zum Hyoid gar keine Be- ziehungen zeigt. Es scheint, daß der Zungenbeinbogen den übrigen Kiemenbogen durchaus nicht ohne weiteres als gleichwertig zu er- achten ist; dagegen wäre zu erwägen, ob nicht jener Knochenfort- satz, der die vordere Halbkieme stützt, dem Rudiment eines wahren vordersten Kiemenbogens entspricht, das sich dem gegenwärtigen I. vollständigen Bogen angegliedert hat.!) Es wäre ferner zu prüfen, wie weit etwa bei Teleosteern gleichwertige Halbkiemen verbreitet sind, ob etwa andere freie Pseudobranchien etwas mit dem be- schriebenen Gebilde gemein haben. Zurzeit läßt sich die Existenz derartiger vorderer Hemibranchien der 1. Spalte nur für die Gano- iden behaupten. Hier würde Scaphirhynchus — mit einem „Rudiment von Kiemendeckelkieme mit 20 Falten“, ohne Spritzlöcher und Pseudo- branchien (J. MÜLLER 1841, p. 62) — den Loricariiden am nächsten kommen. Die charakteristischen Befunde hinsichtlich der Mund- und 1) Ein Argument hierfür wäre aus der embryologischen Tatsache zu entnehmen, daß bei Salmo im Hyoidbogen 2 Gefäße angelegt werden: vor dem Knorpel die „A. hyomandibularis“, hinter dem Knorpel die „A. hyoidea“ (MAURER 1888, p. 208 #.). Letztere könnte vielleicht als nicht eigentlich dem Hyoid, sondern dem postulierten, hier durch seinen An- schluß an das Hyoid verschleierten intermediären Bogen angehörig be- trachtet werden; sie persistiert nur, wo eine respirierende Opercularkieme vorhanden ist. Wenn diese aber ihre Bedeutung für die Atmung verliert und verkümmert, so scheint es nicht ausgeschlossen, daß auch in diesem Falle ein Ast der A. hyomandibularis, nachdem diese Anschluß an das I. abführende Kiemengefäß gewonnen, ihre Blutversorgung übernimmt. Einen entscheidenden Grund für die Zugehörigkeit der vordern Halb- kieme der Loricariiden zur Spalte zwischen Kiefer- und Zungenbeinbogen vermöchte ich in ihren Beziehungen zum Gefäßsystem nicht zu sehen. Beiträge zur Kenntnis der Panzerwelse. 515 Rachenhöhlenauskleidung und insonderheit der Siebfortsätze bei Plecostomus und Otocinclus lassen sich wiederum zu gewissen Bildungen bei den Anurenlarven unschwer in Beziehung bringen. So finden wir eine unverkennbare Analogie in der Verteilung der von F. E. Scuunze (1870, 1888) bei Pelobates-Larven sehr eingehend be- schriebenen Mundhöhlenpapillen mit den Faltenbildungen bei Ofo- cinclus: die ,Gaumenquerfalte“ ist in beiden Fällen offenbar homolog ; in der hinter ihr gelegenen Mundhöhlenabteilung konvergieren bei Pelobates die Papillen ähnlich wie bei O. die Falten; in der vordern Abteilung vermissen wir bei OÖ. die Choanen, während andrerseits die ,Atemklappe“ den Anurenlarven völlig fehlt. Am Boden der Mundhöhle sind die Falten bei O. spärlich, Papillen nur schwach angedeutet. Es liegt nicht zu fern, die Falten bei O. als Reihen verschmolzener Papillen zu deuten; beide erweisen sich auch in ihrer Funktion, als Träger von „Geschmacksorganen“, analog. Schlauchförmige (prismatische) Drüsenzellen, denen im Rachen von Plecostomus etc. der Struktur nach entsprechend — (Zellinhalt im distalen Abschnitt „ganz hell und durchsichtig“, im übrigen Teil „auseinerkörnchenreichen,schwach längsstreifigen Masse“ bestehend) — finden sich auch im „Hinterfeld“ des Rachenhöhlendaches von Pelo- bates-Larven (SCHULZE 1888, p. 46ft.); nur fügen sich hier die Drüsenzellen zu intraepithelialen Komplexen zusammen, welche „die Form eines in der Hauptaxe gestauchten, mehr oder minder breiten, kreisrunden Kürbis haben“. — Abweichungen hängen mit der un- gleichen longitudinalen Ausdehnung der Rachenregion und der Stellung der Kiemenbogen zusammen. Infolgedessen ist auch von den „Kiemendeckplatten“ (F. E. Scauzze 1888, p. 13) bei den Panzerwelsen nichts erhalten, wenn man nicht etwa in der die vordere Hemibranchie tragenden Lamelle eine Andeutung davon sehen will. Es scheint überflüssig, die Unterschiede in der Zahl der Kiemenspalten, in der Topographie der Kiemenhöhlen und der äußern Kiemenöffnungen !) ete., im einzelnen namhaft zu machen; kommt es doch hier nur darauf an, hervorzuheben, inwiefern generell be- kanntermaßen sehr weit voneinander abstehende Formen gleichwohl in einzelnen speziellen Zügen Übereinstimmung zeigen. In diesem Sinne ist hier auf die Ähnlichkeit der Siebfortsätze der Loricariiden mit den „Filterkrausen“ der Kaulquappen größeres 1) Zu beachten ist hier wiederum die welsähnliche Xenopus-Larve mit paarigen äußern Kiemenöffnungen. 34* 516 M. Rıurner, Gewicht zu legen. Es finden sich bei diesen, wie insbesondere durch F. E. Scauzze’s Abhandlung wohl bekannt, auf der zu einem hohen etwas einwärts gekrümmten Grat sich erhebenden Innenfläche der Kiemenbogen quer zu diesen verlaufende Hautleisten. Die Furchen zwischen ihnen werden auch hier zu einem unregelmäßigen Lücken- system eingeengt durch überaus zahlreiche Höckerchen, welche auf dem freien Rande der Leisten stehen. Nur ist das auf diese Art erzeugte Filter womöglich noch dichter und komplizierter als bei Plecostomus (vgl. F. E. Scuunze 1892, fig. 21—24); insbesondere stehen die Höcker auf dem Rande nicht isoliert, sondern vereinigen sich zu einem System vielfach kommunizierender gekrümmter Leistchen („Filterkrausen“); es ist leicht einzusehen, wie sie auf den wesent- lich ähnlichen, aber etwas einfachern Befund bei den Panzerwelsen zurückgeführt werden können. Ihre Deutung als Atmungsorgane („Innenkiemen“, GoETTE) hat Nave (1890) mit dem Hinweis auf die Spärlichkeit und die nur nutritorische Bedeutung ihrer Gefäße zurückgewiesen; F. E. ScHuLzeE (p. 40) möchte ihnen „eine gewisse, wenn auch geringe respiratorische Funktion“ zuschreiben.!) Die Bedeutung des Filters wird teils im Schutz der Kiemen, teils in der Zurückhaltung der Nahrungskörper gesehen; Sinneszellen wurden auf demselben bisher nicht wahrgenommen. Die sog. innern Kiemen der Kaulquappen bestehen aus baum- förmigen Anhängen, die den konvexen Außenrand der Kiemenbogen besetzen; und zwar nach ScHuLzeE (1892, p. 46) den I. Bogen in drei, den II. und III. Bogen in vier, den IV. Bogen in zwei Längsreihen; doch sei das Vorhandensein von „zwei Parallelreihen“ an allen Bogen „zweifellos die ursprüngliche Anlage“, und die Vermehrung der Längs- reihen beruhe lediglich auf einer Verselbständigung äußerer Äste der beiden ursprünglichen Bäumchenreihen. In die Verästelungen der Kiemenbäumchen dringen die feinsten zu- und abführenden Gefäße ein. Manche Untersucher (Boas, Maurer u. A.) halten ja, wie die meisten Larvenorgane der Anuren, so auch die innern Kiemen für „spezielle, nur dieser eng umschriebenen Tiergruppe angehörige“ Bildungen, die „selbstverständlich nicht etwa mit den Kiemen der Fische . . . zusammengebracht werden“ dürfen (Boas, p. 541 u. 552). 1) Bei der Xenopus-Larve findet BEDDARD (p. 106) den Filterapparat sehr gefäßreich und meint, er müsse eine respiratorische Funktion aus- üben, „weil keine andern innern Kiemen ausgebildet sind“, Beiträge zur Kenntnis der Panzerwelse. 517 Das Argument der sog. ectodermalen Entstehung der Amphibien- kiemen (Maurer), auf welche sich diese strenge Scheidung noch am ehesten stützen konnte, verliert sehr an Sicherheit, nachdem von GortTE (1905) für die Teleosteerkiemen der gleiche Ursprung er- mittelt wurde, während Grrız (1906) wiederum an der entodermalen Natur aller Anamnierkiemen festhält. Lage, Anordnung, Verhalten zu den Gefäßen stimmen bei beiden Arten von Kiemen aber im wesentlichen so sehr überein, daß der Gedanke einer völligen Neu- schöpfung des Kiemenapparats der Anurenlarven, wenn ihm nicht schon die schwersten allgemeinen Bedenken entgegenständen, von vergleichend-anatomischer Seite nur eine geringe Stütze erhält. Es bleiben die Differenzen zwischen der blattförmigen Gestalt der Kiemenelemente bei den Fischen und der baumförmigen bei den Larven, das Vorkommen stützender Kiemengräten dort, ihr Fehlen hier. Erwägt man aber, daß der Kiemenapparat bei Anuren nur als provisorisches Organ auftrittunddemnachaufeinemniedern Ausbildungs- grad verharrt (wobei auch noch die geringe Körpergröße mitspricht), so werden sich die Abweichungen von den Kiemen der Fische leicht verstehen lassen: die Visceralbogen bleiben ungegliederte Knorpel- spangen; an die Stelle der überaus feinen lacunären Gefäbauflösungen in den Fiederchen der Fischkiemenblättchen tritt ein dichotomisch verzweigtes Capillarensystem usw. So wird man zwar bedeutende eraduelle, aber keine prinzipiellen Unterschiede zwischen den Kiemen der Anurenlarven und denen der Fische konstatieren müssen. — Es sei endlich noch bemerkt, daß an den I. Kiemenbogen der Panzerwelse mit seinem flachen knöchernen Anhang die breite platten- förmige Gestalt des I. Kiemenbogens bei den Kaulquappen (SCHULZE 1892, p. 11, fig. 3—5) einigermaßen erinnert. V. Darmkanal. Der Verdauungskanal der Loricariiden ist zunächst durch seine außerordentliche Länge merkwürdig; der Mitteldarm beschreibt zahl- reiche, in regelmäßiger Spiralform angeordnete Windungen (Fig. 14 int). Das Situsbild erinnert durchaus an den Befund bei Kaulquappen. Allerdings kommt gelegentlich auch unter Teleosteern eine ähnliche Anordnung vor, z. B. bei den herbivoren Characiniden (Crtharinus u. à. s. Rownrree 1903). Die Nahrung selbst scheint in allen diesen Fällen sehr ähnlich zu sein; im Darm von Ofocinclus und Plecostomus fanden sich neben Resten von Pflanzengeweben und allerlei Detritus 518 M. RAUTHER, massenhaft Diatomeenschalen. Nach WEYENBERGH (p. 34 u. 82) nährt sich Plecostomus von „mehr oder weniger in Verwesung überge- gangenen organischen Substanzen“, tierischen und pflanzlichen. Ferner ist der Darmkanal der Panzerwelse insofern bemerkens- wert, als er respiratorische Funktionen ausübt. Nach JOBERT (1878) verschlucken die Loricariiden (Plecostomus) Luft, unter- scheiden sich aber von andern Darmatmern dadurch, daß sie die verbrauchte Atemluft nicht aus dem Anus, sondern wieder durch den Mund oder durch die Kiemenschlitze entlassen. Auch sei nicht der ganze Darm an der Atmung beteiligt, sondern nur ein sehr kurzer drüsenfreier Abschnitt „dicht hinter dem Magen“; dort, un- mittelbar unter dem einschichtigen Epithel, ziehe sich „ein Netz von in Büscheln angeordneten Gefäßen“ hin. Dieser Bezirk werde mit Blut von der Aorta versorgt, erhalte aber außerdem sauerstoffarmes Blut aus Venen, die „an verschiedenen Punkten von der Darmwand entspringen“. Aus dem respiratorischen Capillarnetz führt eine dicke Vene das Blut ab, „die sich zum Herzen begiebt, indem sie die Leber durchsetzt“. Bei Loricaria findet sich diese Einrichtung in der geringsten Ausbildung. Ich selbst fand bei Ofocinclus sehr eigentümliche Verhältnisse (Fig. 15). Auf den Ösophagus folgt ein sehr kurzer, wenig scharf abgesetzter, etwas erweiterter Abschnitt, den wir als Magen deuten, obwohl er äußerlich kaum als solcher erkennbar ist. Die histo- logische Untersuchung erweist, daß an dieser Stelle das im vordern Abschnitt längs-, im hintern quergefaltete, an Drüsenzellen überaus reiche Ösophagusepithel aufhört und glattes, drüsenfreies, hohes Cylinderepithel an seine Stelle tritt. Hinter diesem kurzen Abschnitt erfolgt eine starke, schärfer abgesetzte Erweiterung: es beginnt der Mitteldarm, dessen Epithel Stäbchensaum trägt und mit Becher- zellen untermischt ist. Der Pylorus stülpt sich zapfenartig in den- selben ein; zugleich mündet der Ductus choledochus in diesen vordersten Mitteldarmabschnitt. Bezüglich der folgenden Darmteile bemerke ich nur, daß nach zahlreichen Windungen ein kurzer, deutlich gesonderter Enddarm mit längsgefalteter Schleimhaut den Schluß macht. Der auffallendste Bestandteil des Darmtractus ist ein um- fangreicher Blindsack, der sich zwischen dem Ende des Schlundes und dem Pylorus vom Magen dorsalwärts abzweigt; er ist auf Fig. 15 (vpn) in seiner ganzen Ausdehnung zu übersehen, während er bei ungestörtem Situs zum Teil verdeckt wird. Er verläuft nämlich, der dorsalen Cölomwand anliegend, bei mäßiger Weite von Beiträge zur Kenntnis der Panzerwelse. 519 seiner Ursprungsstelle zunächst nach vorn, begibt sich dicht hinter dem Herzen auf die gegenüberliegende (linke) Körperseite, um hier, ebenfalls ganz dorsal gelagert, bis ans hintere Ende der Leibes- höhle zu verlaufen; hier schlägt er sich hinter dem Enddarm bzw. den Harnleitern und Eileitern um, geht abermals auf die andere Körperseite über, zieht nun kopfwärts und endet endlich blind nicht weit hinter seiner Ursprungsstelle. Dieser nach vorn zurückgebogene Schenkel liegt in einer ebenfalls blinden Aussackung der Leibes- höhle, die sich von hinten her zwischen die dorsale Wand des Haupt- raumes der Leibeshöhle und die Muskulatur einschiebt (Fig. 17 c!). Die Wand des Blindsacks erscheint überaus zart. Sie besteht aus zwei Muskelschichten, einer äußern aus dünnen longitudinalen Fasern und einer innern aus viel dickern, aber auch nicht querge- streiften Fasern von zirkulärem Verlauf. Leider war die innere Auskleidung des Sacks bei meinem Material nicht gut erhalten. Zwar konnte leicht festgestellt werden, daß sich an der Innenfläche ein äußerst reiches Geflecht weiter Capillaren ausbreitet; aber das Verhalten dieser zum Epithel war schwieriger zu beurteilen. Wo die Wand gedehnt ist, ist das einschichtige Epithel ziemlich flach; dennoch scheinen die Capillaren zwischen die Epithelzellen einzu- dringen; die Bindegewebslamelle zwischen Epithel und Muskulatur ist hier verschwindend dünn. Etwas deutlicher war der Befund an Stellen, wo das Epithel höher war (Fig. 16). Es dürfte sich also hier allenthalben um ein ähnliches Verhalten handeln, wie es vom Mitteldarm eigentlicher Darmatmer,' wie Cobitis, nachgewiesen ist (Lrypic, LORENT, CALUGAREANU), Wie ich es auch bei gewissen Tele- osteern an respirierenden Bezirken der Epidermis (Periophthalmus) und des Rachenepithels (Ophiocephalus) nachgewiesen habe, näm- lich um einen intercellulären Verlauf von feinen Gefäßästchen im Epithel. Was die Herkunft des das Capillarnetz speisenden Blutes an- geht, so ist leicht festzustellen, dab ein starker Ast der A. coeliaca gleich zu Beginn an den Sack herantritt und, der medialen Wand äußerlich anliegend, ihn bis nahe an das blinde Ende unter Abgabe zahlreicher Zweige begleitet. Neben der Arterie verläuft eine Vene, die das Blut aus dem Sack aufnimmt und die, unabhängig von den Lebervenen, in den Sinus venosus mündet. Die reiche Vascularisierung der innern Auskleidung, die sicher- lich nicht auf Resorptions- oder Secretionstätigkeit weisende Be- schaffenheit des Epithels, deuten darauf hin, daß dieser Blindsack 520 M. Rauruer, der Funktion nach eine Lunge, ein Luftatmungsorgan, ist. Die Blutversorgung aus der Aorta widerspricht dieser Deutung nicht; denn seine respiratorische Funktion dürfte nur dann zur Geltung kommen, wenn aus dem Wasser durch die Kiemenatmung dem Aorten- blut nicht hinreichend Sauerstoff mitgeteilt werden kann. — Was die morphologische Deutung des Anhangs betrifft, so ist er durch seine Einschaltung zwischen Ösophagus und Pylorus als Teil des Magens hinreichend gekennzeichnet; um einen poststomachalen Darm- teil handelt es sich hier sicher nicht. Diese Feststellung ist inso- fern nicht unwichtig, als die funktionelle Umwandlung des Magens in einen Luftsack unter den Teleosteern noch einmal vorkommt, nämlich bei den Plectognathen (Diodon, Tetrodon) !); auch hier ist dessen Mündung zwischen Ösophagus und Mitteldarm eingeschaltet, der Sack selbst aber breitet sich an der ventralen Körperseite aus und zwingt somit in gefülltem Zustande bekanntlich den Fisch, auf dem Rücken zu schwimmen, wogegen bei Otocinclus die beiden weiten luftführenden Schenkel ganz dorsal und genau symmetrisch gelagert sind (vgl. Fig. 17). Die Deutung des Luftsacks als Teil des Magens wird ferner gestützt durch den Befund bei Plecostomus. Hier findet sich ein mehr typischer Magen von der Form eines weiten, nach vorn zurückge- krümmten Rohres, derart, daß also die Einmündung des Schlundes und der Pylorus einander ziemlich genähert sind. Ähnlich beschreiben CUVIER U. VALENCIENNES (p. 495) den Magen von Hypostomus verres C. V. und erwähnen, daß dessen Wand sehr dünn ist, so daß der Magen zu einem großen Sack aufgeblasen werden kann. Ich finde im Cardialbezirk verzweigte tubulöse Magendrüsen. Der hintere sackförmige Teil und die Pylorusregion ist drüsenfrei; ich fand hier im einen Falle bei gefalteter Schleimhaut ein ziemlich hohes Cylinder- epithel, in einem andern, wo der Magen, offenbar durch darin ent- halten gewesene Luft, stark gedehnt war, sehr flaches Epithel. Zahl- reiche Gefäße sind unter dem Epithel vorhanden, und ihre feinern Auflösungen nehmen auch hier einen „intraepithelialen“ Verlauf an, indem sie zwischen die basalen Enden der Epithelzellen eindringen. An dem Exemplar mit ungedehnter Magenwand sieht man die distal 1) Die Auffassung dieses Luftsacks als „Magen“, auf GEOFFROY Sr. HILAIRE zurückgehend, wurde in neuerer Zeit meines Wissens nur von THILO (1899) zur Geltung gebracht (vgl. a. meinen Aufsatz in Ergebn. u. Fortschr. d. Zool., Vol. 2, p. 571). Beiträge zur Kenntnis der Panzerwelse. 521 ziemlich dicken Zellen sich basalwärts in fadenförmige Fortsätze ausziehen, zwischen denen die Capillaren liegen (Fig. 18, es ist zur Verdeutlichung dieses Verhaltens absichtlich eine Stelle gewählt worden, wo das Epithel sich etwas vom Bindegewebe abgehoben hat). Im Pylorusabschnitt im engern Sinne fehlen die intercellu- lären Capillaren; das vascularisierte sowie alle übrigen drüsenfreien Epithelbezirke des Magens tragen Cilienbesatz. Man darf also wohl auch bei Plecostomus den Magen für das Organ der Luftatmung halten, wenngleich er, wie die reichliche Ausbil- dung von Fundusdrüsen zeigt, seine Bedeutung für die Verdauung nicht völlig eingebüßt hat. — Zu den zuletzt besprochenen Verhält- nissen bieten die Kaulquappen kaum einige Analogie —, es sei denn, daß man diese auf die Heranziehung von Teilen bzw. Anhängen des Vorderdarms zur Luftatmung beschränken wollte; ihr Magen liegt auf der rechten Körperseite, ist aber langgestreckt, der Eintritt des Ösophagus und die Mündung in den Mitteldarm liegen weit vonein- ander entfernt: Drüsen finden sich auch hier nur im vordern Ab- schnitt, aber das wimpertragende Epithel entbehrt auch im hintern jeder abnormen Vascularisierung. Die Leber ist relativ viel weniger umfangreich als bei den Loricariiden; das Pancreas verteilt sich bei diesen, den Gefäßen folgend, diffus zwischen den Darmwindungen, bei den Froschlarven ist es eine kompakte, dem Magen anliegende Drüse. Gleichwohl wäre zu erwägen, ob die Befunde von Spiral- windung des Mitteldarms bei den Kaulquappen, den Loricariiden und einigen andern Teleosteern wirklich nichts weiter als jeweilige vonein- ander unabhängige „Anpassungen“ sind, ob sie nicht vielmehr in einem weitreichenden Zusammenhang miteinander stehen. Hier bietet sich der bei den niedern Fischgruppen so allgemein angetroffene Spiral- darm als nächster Anknüpfungspunkt. Auf die Ähnlichkeit der zur Bildung der Spiralklappe führenden Darmdrehungen bei Selachiern und der Darmwindung bei Anurenlarven wurde schon von embryo- logischer Seite hingewiesen (s. bei MAURER 1902, p. 162). Die An- lehnung der Loricariiden an die Selachier und Ganoiden in diesem Punkte wäre um so beachtenswerter, als sie auch in der unter- ständigen Lage des Mundes, im Besitz einer wahrscheinlich der Opercularkieme entsprechenden Hemibranchie und in der Ausbildung des Hautskelets eine ausgesprochene Hinneigung zu diesen zeigen. Endlich ist darauf hinzuweisen, daß den Loricariiden (wohl nicht durchweg, vgl. Kner, Vol. 6, p. 69 u. Vol. 7, p. 253) eine Cloaken- bildung zukommt. Bei Plecostomus und Otocinclus ist nur eine 522 M. RAUTHER, Öffnung für den Darm, die Harn- und Geschlechtswege vorhanden; während sie bei ersterm nur wenig über das Hautniveau vorragt, befindet sie sich bei diesem am Ende einer langen kegelförmigen Papille. Die typischen sackförmigen T'eleosteerovarien beider Genera (von denen mir nur $? zur Verfügung standen) verschmelzen am Hinterende zu einem unpaaren Oviduct; bei Plecostomus zeigt dieser, kurz vor der Mündung in den Enddarm, eine faltenreiche Erweiterung. Noch weiter hinten münden, ebenfalls an der dorsalen Wand der Cloake, die Harnleiter, die bei Pl. bis zum Ende paarig, bei O. auf eine beträchtliche Strecke miteinander verschmolzen sind. — Die Bildung einer Cloake ist bei Teleosteern ungewöhnlich, wogegen dieser Befund einerseits an die Selachier, andrerseits an die Dipnoer und Amphibien erinnert. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, daß über die Homologie der Oviducte bei diesen Gruppen einerseits und bei den Teleosteern andrerseits keine Gewißheit besteht. Den übrigen Organsystemen der Loricariiden konnte ich eine ge- nauere Untersuchung gegenwärtig nicht widmen, und ich muß daher die vorstehenden fragmentarischen Ausführungen, die nichts mehr als eine vergleichend-anatomische Skizze sein wollen, hier abschließen. Das Verhalten des Hautskelets ist insbesondere durch O. HERTwIG und GörLpı bekannt geworden: es finden sich echte Hautzähnchen, deren Basalplatten zu großen Knochentafeln verschmelzen.!) Andrer- seits habe ich in einem frühern Aufsatz gezeigt, daß bei Plecostomus Hautdrüsen vorhanden sind, wie sie sonst bei Knochenfischen nur selten vorkommen ?2), nämlich außer den üblichen Schleimzellen birnförmigeein seröses Secret liefernde Zellen, die in gewisser Hinsicht an die Kolbenzellen der Teleosteer erinnern, aber mit einem Aus- führungsgang versehen sind. Man könnte darin einen Anklang an das Nebeneinanderbestehen (zusammengesetzter) seröser und Schleim- drüsen bei Amphibien finden. Als vorläufiges Ergebnis werden wir 1) Daß auch Verknöcherungen bzw. Kalkablagerungen dem Integu- ment der (rezenten) Amphibien nicht völlig fremd sind, ist bekannt (Leyp1G 1876, p. 192, 193, 238). 2) In meinen damaligen Ausführungen (in: Ber. Oberhess. Ges. Natur. Heilkunde, Gießen 1907) ist die Mitteilung STUDNICKA’s (in: Anat. Anz. 1906) über seröse Drüsenzellen bei dem nackthäutigen Lepadogaster noch nicht berücksichtigt. — Bei Ofocinclus vermisse ich die birnförmigen Körnerdrüsen, nur kleine Schleimdrüsen sind vorhanden; die tiefere Epi- dermisschicht ist hier durchsetzt von einem überaus reichen System von Lymphgefäßen. Beiträge zur Kenntnis der Panzerwelse. 523 immerhin festhalten dürfen, daß die Loricariiden, neben den gene- rellen Zügen, die sie mit der Klasse der Teleosteer verknüpfen, „Ver- wandtschaftsbeziehungen“ nach verschiedenen Richtungen hin zeigen: zu den Ganoiden und Selachiern einerseits, zu den Amphibienlarven andrerseits. Die Auflösung der hiergegen etwa zu erhebenden theoretischen Bedenken wird erst gelingen, wenn man ein- gesehen hat, daß der wesentliche Unterschied, den man gegenwärtig zwischen Verwandtschaft und Konvergenz, Homologie und Analogie, macht, durchaus willkürlich und unbegründet ist, dab überhaupt wahre morphologische Ähnlichkeit spezifischer Charaktere ganz andere Ursachen hat, als ihre erbliche Übertragung von ihren Trägern ge- meinsamen Vorfahren her. Indessen bedarf dieser Punkt einer Er- örterung auf breiterer Basis. Jena, im August 1910. 524 M. RAUTHER, Literaturverzeichnis. BEDDARD, F. E., Notes upon the tadpole of Xenopus laevis, in: Proc. zool. Soc. London, 1894. BLEEKER, P., Ichthyologiae Archipelagi Indici Prodromus, Vol. 1, Siluri, Batavia 1858. Boas, J. E. V., Uber den Conus arteriosus und die Arterienbogen der Amphibien, in: Morphol. Jahrb., Vol. 7, 1882. BOULENGER, G. A., On the tadpoles of the European Batrachians, in: Proc. zool. Soc. 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Plecostomus, oberflächliche Zellschichten einer Lippenpapille. 900 : 1. sir. e völlig verhornte Schicht. px nachrückende, in der Umbildung zu Pufferzellen begriffene Schicht. 7/ Intercellularlücken, in den distalen Schichten sich mebr und mehr erweiternd (7/1, i”). Fig. 5. Plecostomus, Sagittalschnitt durch den Unterkiefer. ca. 45:1. epd Epidermis (an der Außenfläche des Kiefers, in die Lippenepidermis übergehend). ep.m Epithel am Boden der Mundhöhle (vorderster Ab- schnitt). ep. ! Epithelleiste. so Schmelzorgan. p bindegewebige Papille (Pulpa). ww Wurzelabschnitt. s Schaft. b distale Auftreibung des Zahns. d Dentale des Unterkiefers. min Unterkieferknorpel. mu Muskel. Fig. 6. Plecostomus, Querschnitte durch den Unterkiefer in der auf Fig. 5 durch Pfeile bezeichneten Richtung. Bezeichnungen wie dort. s‘, b', sp‘ Schaft, bzw. Auftreibung und distaler Dentinkegel der Ersatz- zähne. 45:1. Der Pfeil gibt die Schnittebene der Fig. 5 an. m medial. l lateral. Fig. 7. Plecostomus, distaler Abschnitt eines Zahnes, Pulpahöhle und Dentinkanälchen mit Luft gefüllt. d Dentin. d‘ in die mediale Spitze (m. sp) sich einschiebender Dentinkegel. J. sp laterale Spitze. Fig. 8. Plecostomus, Querschnitte durch Ersatzzähne. 225:1. A junge Anlage. PD Anlage mit dünnem Dentinmantel (d) um die Osteo- blasten (0). C Schaft eines ältern Ersatzzahns. a Ameloblasten. el Epithel- lamelle (gespalten durch das Einwachsen der einzelnen Zahnanlagen). p Pulpa. 528 M. Raurtnuer, Beiträge zur Kenntnis der Panzerwelse. Fig. 9. Plecostomus, Schnitte durch das distale Ende jüngerer Zahn- anlagen. 225:1. % körnige Substanz. Die übrigen Bezeichnungen wie in Fig. 8. Fig. 10. Otocinelus vestilus. A Dach der Mundhöhle. B Boden der Mund- und Rachenhöhle, schwach vergrößert. J—V Visceralbogen. k. bl Kiemenblättchen. sf Siebfortsätze an der Vorderwand der 1. Kiemen- spalte (rechts durch die vordere Deckmembran durchscheinend; links ist die Durchtrennungsstelle durch + bezeichnet, der untere Lappen ist zurück- geschlagen, um die Blättchen der Hemibranchie (hbr) zu zeigen. r Receß der Mundhöhle vor der Hemibranchie. pl. ir Gaumenquerfalte. pl. a, pl. p Schleimhautfalten. v. br Atemklappe. i. m Zwischenkiefer. oes Osophagus. Fig. 11. Plecostomus, Epithel auf einer Mundschleimhautfalte. sx Schleimzelle. dr schlauchförmige Drüsenzelle. cap Blutcapillare. Fig. 12. Plecostomus, Querschnitt einer Filterleiste, nahe am innern Grat des Kiemenbogens. a.br innerer Rand des knöchernen Kiemen- bogens. ep Epithel. bi Bindegewebe. st „Stützlamelle“. Fig. 13. Otocinclus notatus, Querschnitte durch die Kiemenregion, A kurz vor der 1. Kiemenspalte, B auf dem Niveau der vordern Hemi- branchie. /—III Kiemenbogen. abr. I Ceratobranchiale /, von dem der die Hemibranchie stützende Fortsatz pr. br abzweigt. / Hautlamelle, welche die 1. Kiemenspalte von vorn her überdeckt, Siebfortsätze und die Blätt- chen der Hemibranchie (hbr) tragend. co seitlicher Receß der Mundhöhle. hy Ceratohyale. a.ps Arterie der Pseudobranchie. «a. / 1. zuführendes Kiemengefäß. 7.1, r. 11 ventrale Fortsetzungen der abführenden Kiemen- gefäße. c. br Kiemenhöhle. s „Septum“. Fig. 14. Otocinclus vestitus, Situs viscerum. 2:1. int Darm. hep Leber. v. pn Luftsack. ov Ovar. Fig. 15. Otocinclus vestitus, Darmkanal. 2:1. oes Osophagus. vpn Luftsack. int Mitteldarm. 7 Enddarm. Fig. 16. Otocinelus notatus, Schnitt durch die Wand des Luftsacks. 1000 : 1. ep Epithel. cap aller. m Muskelschichten. Fig. 17. Otocinclus Ru, Querschnitt in der Abdominalgegend. a Aorta. €, c‘ Cölom. vpn, vpn‘ ab- und aufsteigender Schenkel des Luftsacks (medial ihnen anliegend Arterie und Men. r Rectum. ov Ovarium; knöcherne Teile schwarz, Muskulatur dunkelgrau. 1, r links und rechts. Fig. 18. Plecosiomus, Schnitt durch das vascularisierte en) (ep). cap Capillaren. bi Bindegewebe. 1000: 1. Nachdruck verboten. Übersetzungsrecht vorbehalten. Ein Beitrag zur Kenntnis des Baues der Giftdrüsen einiger Scorpaeniden. Von Dr. Eugen Pawlowsky. (Aus dem Zoologischen Laboratorium der Kais. militär-medizinischen Akademie zu St. Petersburg.) Mit Tafel 26—27. Die Ergebnisse meiner letzten Arbeit (12) haben dargelegt, daß die Untersuchung gut konservierter Museumsexemplare von Fischen immerhin gewisse Resultate ergeben kann, wenn es sich darum handelt, das Vorhandensein giftiger Hautdrüsen festzustellen und den allgemeinen Bauplan dieser letzteren klarzulegen. Dank dem liebenswürdigen Entgegenkommen von Herrn SkiGEHo Tanaka in Tokyo ist es mir gelungen, durch seine Vermittlung 3 Arten von Fischen aus der Familie der Scorpaenidae zu erhalten, und zwar Synanceia (Synancidium) erosa, Pterois lunulata und Scorpaena fimbriata. Besonderes Interesse versprach das Studium von Synanceia und Pterois, indem seit Borrarp (1), welchem wir wenig ausführliche und ziemlich verworrene Angaben über den Bau ihrer Drüsen ver- danken, keinerlei weitere Arbeiten über die genannten Fische ver- öffentlicht worden sind. Indem ich zur Darlegung der Ergebnisse meiner Untersuchung übergehe, möchte ich zuvor Herrn SHiGEHo Tanaka für die liebens- Zool. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. 35 530 Eugen Pawrowsky, würdige Übermittlung des dieser Arbeit zugrunde liegenden Materiales meinen aufrichtigsten Dank aussprechen. Ferner muß ich betonen, daß der am Anfange meiner letzten Arbeit (12) ausgesprochene Vorbehalt auch für die vorliegende Untersuchung in Kraft bleibt, da wir infolge der Unvollkommenheit jedes aus Museen stammenden Materiales nur die allgemeinsten und gröbsten Züge des mikroskopischen Baues der Drüse zu beurteilen vermögen, die Bearbeitung der feineren Details dagegen glücklicheren Forschern überlassen müssen, welche die Möglichkeit haben werden, frisches oder speziell zu diesem Zwecke konserviertes Material zur Untersuchung zu erhalten. Synanceia erosa LANGSDORF. !) Die erste Beschreibung des Giftapparats von Synanceia ver- danken wir NApDEAUD (7). Auf der Vorderfläche der Stacheln der Rückenflosse befindet sich je ein Bläschen, dessen oberer Teil in die Länge ausgezogen und dem Gipfel des betreffenden Strahles zu- gewendet ist. Dieses Bläschen besitzt eine Öffnung. Die Haut be- kleidet den Strahl nebst der auf einer Oberfläche liegenden Drüse, wobei sie eine Art Scheide bildet, welche bei der Ausführung von Stichen nach der Flossenbasis hin verschoben wird; indem die Haut einen Druck auf den Inhalt der Drüse ausübt, fördert sie dessen Austritt nach außen. D’Arras (4) begnügt sich mit einer Wieder- gabe der Befunde von NADEAUD, ohne ihnen neue Beobachtungen hinzuzufügen. Auch Le Juce (6), dessen Arbeit mir im Original nicht zu- gänglich war, teilt keine neueren Einzelheiten mit. Soweit ich die hier angeführten Autoren beurteilen kann, bezogen sich ihre Untersuchungen hauptsächlich auf die Anatomie der Giftdrüsen, d. h. auf deren äußere Gestalt, die Lage im Körper, die Beziehungen zu den Stacheln und den umgebenden Geweben; von dem histologischen Bau der Drüsen dagegen kann man sich auf Grund solcher Angaben durchaus kein Bild machen. Diese letztere Lücke suchte Borrarp (1) auszufüllen, welcher ein ganzes Kapitel über Synanceia verfaßte, mit dem sein Werk 1) D. St. JORDAN und Epw. CH. STARKS in ihrer Arbeit „A review of the Scorpaenoid Fishes of Japan“ (in: Proc. U. S. nation. Mus., Vol. 28, p. 91—175, 1904) stellen diese Species zu einem neuen Genus Erosa, indem sie den von ihnen untersuchten Fisch Ærosa erosa (LANGS- DORF) nennen. Giftdrüsen einiger Scorpaeniden. 531 über die giftigen Fische „Les poissons venimeux“ beginnt. Die grundlegenden Befunde BorTArv’s sind nachstehend wiedergegeben. Der Giftapparat besteht aus einem stechenden Flossenstrahl, welcher die Wunde verursacht, einem Reservoir für das Gift und der das Gift hervorbringenden Drüse. Ein jeder Strahl besitzt an seinen seitlichen Flächen je eine tiefe Rinne, in der das Giftreservoir enthalten ist, welches aus einem zylindrischen, doppelt so langen wie breiten Säckchen besteht. Der obere Teil dieses Behälters ist zu einem in der Strahlenrinne ruhenden Zipfel ausgezogen. In jedem Strahl befinden sich zwei vollständig voneinander getrennte Säckchen, deren Höhlung bei einem Fische von 45 cm Länge je bis zu '/, em® Gift enthält. Das Säckchen läßt sich leicht von den umgebenden Geweben ablösen, worauf sein äuberes fasriges Aussehen in die Augen fällt. „Entre sa membrane propre (externe) et sa membrane intime (interne) se trouve une couche de tissu cellulaire lâche, dénuée de fibres musculaires, mais très riche en fibres élastiques. Dans l'épaisseur de cette couche conjonctive sont placées dix à douze glandes en tubes, ramifiées; les ramifications ne vont pas au-delà de trois. Ces glandes ont beaucoup d’analogie, par leur forme aussi bien que par leur structure glandulaire, avec les glandes de LreBER- KUHN du chat. Ce sont ces glandes qui secrètent le venin.“ (BorTaRD 1, p. 79.) Lens zählt die von ihm beschriebenen Drüsen zu an kom- pakten („glandes complètes“) (1. ¢., p.52—53), gibt aber keine Charakte- ristik dieses Typus von Driisen. Es muß hervorgehoben werden, daß die oben zitierten Angaben Borrarp’s über den histologischen Bau der Drüsen nicht sehr deutlich sind und keinen richtigen Begriff von demselben geben. Ich habe die japanische Synanceia (Synancidium) erosa untersucht: in allen 13 Stachelstrahlen der ersten Rückenflosse dieser Art be- finden sich in den entsprechenden Rinnen 26 Drüsen, zu je 2 an jedem Strahl. Die mikroskopische Untersuchung ergab, daß der Bau dieser Drüsen viel einfacher ist, als dies von BoTTARD für Synanceia bracho angegeben wird. Die spindelförmige Drüse ist von Binde- gewebe umgeben, welches die Rinne des Strahles in dünner Schicht auskleidet, an deren Rändern dagegen eine massive, kompakte Membran bildet (Taf. 26, Fig. 1 Bg), so daß ein Kanal gebildet wird, in dem die Drüse gelegen ist. Letztere besteht aus zweierlei Arten von Zellen: 1. massiven Drüsenzellen (Taf. 26, Fig. 2 Dz) und 2. flachen Stützzellen (Taf. 26, Fig. 2 Stz), wobei diese letztern die Drüsen- 35* 532 Eugen PAwLowsKY, a zellen voneinander trennen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß auch in diesen Drüsen von Synanceia die Art und Weise der Secretion des Giftes, des mit dieser letztern unvermeidlich zusammenhängenden Zerreißens der Stützzellen und die Bildung eines „falschen Aus- führungsganges“ in allgemeinen Zügen mit den entsprechenden physiologischen Vorgängen in den Drüsen von Scorpaena und Trachinus übereinstimmt, wie sie schon früher von mir beschrieben wurden (9, 10, 11). Der allgemeine Bauplan der Drüsen von Synanceia, und nur um diesen kann es sich hier auf Grund des mir vorliegenden Materials handeln, entspricht durchaus jenem Typus von kompakten mehr- zelligen Drüsen, welcher von mir für Scorpaena (9, 10, 11, 12) und von SCHMIDT (18) für Trachinus beschrieben worden ist. Um sich mit größerer Sicherheit aussprechen zu können, müßte naturgemäß auch jene Art von neuem untersucht werden, welche Bortart vorgelegen hat (Synanceia brachio), doch ist es mir leider bis jetzt noch nicht gelungen, ihrer habhaft zu werden. Pterois lunulata SCHLEGEL. Die Gattung Pterois, welche ihren Namen der „Geflügelten“ in keiner Weise rechtfertigt, indem ihre Vertreter gar nicht zum Fliegen befähigt sind, ist ebenfalls von Borrarp untersucht worden, und zwar folgende Arten derselben: Æterois volitans, Pterois antennata, Pterois muricata und Pterois zebra. Als Typus beschrieb Borrarp Pterois volitans, deren Giftdrüsen ihrem Baue nach mit den Drüsen von Scorpaena übereinstimmen (l. c. p. 167). Pterois ist ausgezeichnet durch die Länge der Strahlen ihrer Riickenflosse, welche bei Pterois volitans das anderthalbfache der Körperhöhe betragen, während sie bei der von mir untersuchten Pterois lunulata etwas niedriger sind, ihre längsten aber dennoch die Höhe des Fischkörpers übertreffen. Der Länge der Flossen- strahlen entspricht auch der Grad der Entwicklung der Giftdrüsen, welche die Hälfte oder etwas mehr als die Hälfte der sie in ihren Rinnen enthaltenden Strahlen einnehmen (Taf. 27, Fig. 9a). Dank diesem Umstande besitzen die Vertreter der Gattung Pterois einen mächtig entwickelten Giftapparat. Borrarp hat ganz recht, wenn er die Drüsen von Pterois mit denen von Scorpaena vergleicht. Die Übereinstimmung im Typus der Drüsen dieser Fische kann ich noch weiter ausdehnen, indem Pterois nach meinen Beobachtungen gleich Scorpaena, Synanceia, Pelor, Giftdrüsen einiger Scorpaeniden. ’ 533 Sebastes, Trachinus u.a. m. außer Drüsenzellen (Taf. 26, Fig. 3 u. 4 Dz) auch noch Stützzellen (Taf. 26, Fig. 3 u. 4 stz) besitzt, eine Tatsache, welche Borrarp unbekannt geblieben ist. Scorpaena fimbriata DÖDERLEIN. Giftdrüsen sind bei nachstehenden Arten der Gattung Scorpaena bekannt geworden: Scorpaena porcus (BOTTARD 1, M. Saccar 16 bis 17, E. Pawrowsky 9, 10, 11), Scorpaena scrofa (BOTTARD, SACCHI), Scorpaena mesogallica, Scorpaena mauritiana (BOTTARD) und Scorpaena ustulata (Saccar). Zu diesen Arten kann ich noch eine weitere hin- zufügen, nämlich Scorpaena fimbriata; die Übereinstimmung der Drüsen dieser Art mit denen der übrigen Scorpaena-Arten geht mit genügen- der Deutlichkeit aus meiner Fig. 5 der Taf. 26 hervor. Sebastodes joneri GÜNTHER.!) Im vergangenen Jahre (12) habe ich Giftdrüsen in den Flossen von Sebastes norwegicus nachgewiesen. In der vorliegenden Arbeit kann ich auf noch 2 Gattungen von Fischen hinweisen, welche der- artige Drüsen besitzen. Sebastodes joneri hat Drüsen von dem gleichen Typus wie bei den übrigen Fischen (Taf. 26, Fig. 6). Es ist von Interesse, daß seine Drüsen, gleich denen der noch folgenden Art, von der sofort die Rede sein wird, ungewöhnlich schwach entwickelt sind, wie dies aus der Fig. 9d der Taf. 27 hervorgeht, welche einen Strahl der Rückenflosse in natürlicher Größe darstellt. Die Ähnlich- keit im Bau der Drüsen mit andern Fischen, insbesondere mit Scorpaena porcus und Trachinus draco, wird noch verstärkt durch das Vorhandensein von pigmentartig degenerierten Zellen (Taf. 26, Fig. 6 Pgm), wie ich sie auch bei den genannten Fischen beschrieben habe (9, 11). Sebastiscus marmoratus Cuv. et VAL. Auch Sebastiscus marmoratus besitzt bis jetzt noch nicht bekannt gewordene Drüsen in den Achsenstrahlen seiner Flossen. Außer dem Hinweis auf den schwachen Entwicklungsgrad dieser Drüsen und die dabei doch erhalten gebliebene Übereinstimmung mit den entsprechenden Organen anderer Fische (Taf. 26, Fig. 7), kann ich nur noch mitteilen, daß ich über ihre biologische Bedeutung bei den 1) Die Exemplare von Sebastodes joneri und Sebastiscus marmoralus sind für mich von Herrn L. S. BERG gefälligst bestimmt worden. 534 Evern PawLowskY, beiden letztgenannten Gattungen resp. Arten (Sebastodes und Sebastiscus) nur auf Grund der Übereinstimmung ihres Baues und ihrer Lage im Körper mit unzweifelhaft giftigen Fischen ein Urteil abgeben kann, indem ich in der einschlägigen Literatur keinerlei Angaben über die Giftigkeit des Stichs durch die genannten Fische ange- troffen habe. Indem wir nunmehr zu denjenigen Schlußfolgerungen übergehen, welche aus der von mir angestellten Untersuchung hervorgehen, so ist vor allem die von mir schon mehrfach betonte Übereinstim- mung im Bau der Giftdriisen bei allen Fischen hervorzuheben. Ich bin nur aus dem Grunde so häufig genötigt auf diese Frage zurück- zukommen, weil sich in der Literatur seit Borrarp (1) die entgegen- gesetzte Ansicht hierüber eingebürgert hat. Borrarp unterschied 5 Typen von Giftdrüsen: 1. den Typus Synanceia, 2. den Typus Tha- lassophryne, 3. den Typus Zrachinus, 4. den Typus Scorpaena und 5. den Typus Muraena helena. Seit 1889, wo das Werk des ge- nannten Autors erschien, erfuhren nur die Gattungen Scorpaena, Trachinus und Muraena eine neuerliche Bearbeitung. In bezug auf die letzte dieser Gattungen kann man auf Grund der Arbeiten von GaLAsso (5), COUTIER (2—3) und mir (12) auf das Bestimmteste aussagen, daß dieselbe keinerlei Giftdrüsen, weder die von BOTTARD (l. c., p. 148—159) noch die von A. Porta (13) beschriebenen, be- sitzt; aus diesem Grunde hat der von Borrarp aufgestellte ent- sprechende Drüsentypus ganz wegzufallen. Von den übrig bleiben- den 4 Typen zeigen die Drüsen von Scorpaena, Trachinus, Synanceia und nach den Untersuchungen von G. D. Reep (14) auch die der Plotosus nahestehenden Gattung Schilbeodes sowie von Noturus (Familie der Siluridae) vollkommene Übereinstimmung. Es bleibt nur der einzige nicht nachgeprüfte Typus Zhalassophryne reticulata übrig; ich für meinen Teil hege die Überzeugung, daß sich auch die Drüsen dieser Art in ihrem Bau nicht wesentlich von den bereits untersuchten Drüsen unterscheiden werden, sondern daß sie ebenfalls zu dem alles umfassenden Typus der Drüsen von Scorpaena gehören, dessen Charakteristik ich in der schematischen Darstellung Fig. 8, Taf. 27 wiederzugeben bemüht war. Drüsen vom Typus der „kompakten, mehrzelligen“ (be- stehend aus Drüsen- und Stützzellen) finden wir demnach bei nach- Giftdrüsen einiger Scorpaeniden. 535 stehenden Fischen (in Klammern sind die Namen derjenigen Autoren angegeben, welche Stützzellen in den Drüsen beobachtet haben). Acanthopterygii. Fam. Scorpaenidae. Synanceia erosa LANGSDORF (PAWLOWSKY 1910) (Synanceia horrida BLOCH ? Synanceia verrucosa BLOCH ?) Pelor japonicum C. et V. (PAWLOWSKY 1909) (Pelor filamentosus C. et V.?) Pterois lunulata SCHLEGEL (PAWLOWSKY 1910) (Plerois xebra C. et V.? ® volitans C. et V.? “ antennata C. et V.? » muriata C. et V.?) Scorpaena porcus Lin. (PAWLOWSKY 1906) = fimbriata DODERLEIN (PAWLOWSKY 1910) (Scorpaena scrofa Lin. ? 3 mesogallica C. et V.? - mauritiana C. et V.? ï ustulata LOWE u. a. m.?) Sebastes norwegicus (PAWLOWSKY 1909) Sebastodes joneri GÜNTHER (PAWLOWSKY 1910) Sebastiscus marmoratus C. et V. (PAWLOWSKY 1910) Fam. Trachinidae. Trachinus draco (ScHMIDT 1874, PAWLOWSKY 1906) (Trachinus vipera Cuv. et VAu.? ” radiatus C. et V.? N araneus C. et V.?) Physostomi. Fam. Siluridae. Plotosina. Schilbeodes (G. D. REED 1907) Noturus (G. D. REED 1907) In einer meiner frühern Arbeiten (10, 11) habe ich mich für einen morphologischen Unterschied zwischen den Giftdrüsen der Fische nnd den sog. axillären Drüsen ausgesprochen, welche ich selbst nicht untersucht, sondern nur aus ihrer Beschreibung durch L. 536 Eugen PaAwLowskKy, WALLACE (19) bei Batrachus kennen gelernt habe. Allein bei nähere Bekanntschaft mit dieser Frage sehe ich mich veranlaßt, meine frühere Ansicht zu ändern, indem in der Arbeit von G. Reep (14) abweichende Angaben über den Bau der Drüsen dieser Art enthalten sind. Reep beschrieb diese Drüsen bei den nordamerikanischen Süß- wasserfischen Noturus und Schilbeodes und gelangt zu dem Schlufe, daß das Prinzip ihres Baues das gleiche ist wie bei den Giftdrüsen, wobei dieses Ergebnis durch die Zeichnungen des genannten Autors durchaus bestätigt wird. Ich schließe mich dieser Auffassung um so eher an, als man, darauf basierend, den Zeichnungen von WALLACE (19) sowie dem von mir nach diesen Zeichnungen zusammengestellten Schema (10,11) eine allgemeinere Deutung geben kann. Haben in der Tat die Drüsen dieser Gattungen (Noturus, Batrachus) einen gemein- samen Bauplan, so muß auch der Charakter der in ihnen vor sich gehenden, von einem Zerfall der Drüsenzellen und einem Zerreißen der Stützzellen begleiteten Secretion ein übereinstimmender sein. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet stellen die Zeichnungen von WALLACE eine axillare Drüse dar, und zwar in dem Augen- blick, wo dieselbe secerniert oder gleich darauf, welcher Vorgang von einer Störung der Gleichmäßigkeit im Bau ihrer Gewebe be- gleitet ist. Man wird ferner eine morphologische Übereinstimmung in dem Bau der Giftdrüsen der Fische und den sog. Schleimsäcken von Myxine feststellen können. Ohne die hierher gehörige Literatur weiter zu berühren, will ich nur auf jene einzige Arbeit hinweisen, welche den Anlaß dazu gibt, eine derartige Parallele zu ziehen. Diese Untersuchung wurde von G. Rerzıus ausgeführt und in dessen »Biologischen Untersuchungen“ veröffentlicht (15). Nach den An- gaben dieses Autors stellen die Schleimsäcke von Myxine eine Ein- stülpung der Hautepidermis dar, deren Zellen an dem Ende des Ausführganges plötzlich unterbrochen werden und in eine Schicht flacher Zellen übergehen, welche die Höhlung des Säckchens aus- kleiden. Von diesen Zellen gehen nach dem Innern des Sackes ebenfalls flache Zellen aus, die die übrigen Elemente seines Inhaltes — die Fadenkörperzellen und die Blasenzellen — vonein- ander trennen. Der Autor stellt folgende Homologie auf: die Wand- zellen und die flachen Zellen entsprechen den epidermalen Zellen (ich möchte hinzufügen, auch den Stützzellen der Giftdrüsen), die Blasenzellen des Schleimsäckchens den gleichen Zellen der Epi- dermis (diese Zellen kann man den Schleimdrüsen zuzählen) und die Giftdrüsen einiger Scorpaeniden. 537 Fadenkörperzellen den Fadenzellen der Epidermis (welche auf Grund ihres Verhaltens Farbstoffen gegenüber meiner Auffassung nach einzellige Eiweißdrüsen darstellen). Die Elemente, aus denen das Schleimsäckchen aufgebaut wird, sind demnach im wesentlichen auch die Elemente der Epidermis selbst. Der Zusammenhang zwischen diesen Elementen wird auch noch durch den überein- stimmenden Entstehungsprozeß ihrer Drüsenzellen verstärkt. In der Epidermis der Haut bildet die indifferente Epidermiszelle den Aus- gangspunkt für die Neubildung der Fadenzellen sowohl wie auch der Blasenzellen, in dem Schleimsäckchen dagegen entwickeln sich dieselben aus den Wandzellen, welche ebenfalls indifferente epidermale, jedoch abgeplattete Zellen darstellen. Hieraus geht hervor, daß zwischen den Schleimsäcken und der Epidermis der Haut eine vollkommene Übereinstimmung herrscht und daß zwischen beiden ein enger Zusammenhang besteht. Die Giftdrüsen stellen, wie dies von verschiedenen Autoren nach- gewiesen wurde (SCHMIDT 18, PawLowsky 9, 10, 11, REED 14), eben- falls Derivate der Epidermis dar (die Stützzellen sind zusammen- gedrückte Epidermiszellen, während die Drüsenzellen den einzelligen epidermalen Eiweißdrüsen entsprechen); dabei wurde von mir (10, 11) die übereinstimmende Neubildung der Drüsenzellen in der Epidermis wie auch in der Drüse selbst festgestellt. *) Auf Grund der hier mitgeteilten Tatsachen kann man zu nach- stehender Schlußfolgerung gelangen: die Giftdrüsen sind den Schleim- säcken von Myxine homolog, mit dem einzigen Unterschiede, daß die Schleimsäcke Gebilde darstellen, welche weniger stark aus der Epidermis differenziert erscheinen als die Giftdrüsen, indem wir es in letztern hauptsächlich nur mit Eiweißdrüsen zu tun haben, in den Schleimsäcken dagegen sowohl mit Eiweißzellen als auch mit Schleimzellen. Von Interesse ist ferner noch der Hinweis auf eine Ähnlichkeit zwichen den Giftdrüsen der Fische und den gleichen Organen (,,Pa- rotiden“) von Salamandra maculosa. Auf Grund der neuesten, von Ep. NIRENSTEIN (8) angestellten Untersuchungen ist der Ursprung für die Neubildung der Drüsenzellen auf die sog. glatten Muskelzellen zurückzuführen, welche bei den Amphibien zwischen der Membrana 1) Sowohl in der Epidermis als auch in der Drüse werden die Drüsenzellen aus indifferenten Zellen gebildet: in der Epidermis aus epi- dermalen, in der Drüse dagegen aus Stützzellen. 538 EUGEN Pawrowsky, propria und dem die Drüse abgrenzenden Epithel gelegen sind. Diese aus dem Ectoderm hervorgehenden Muskelzellen stellen ein Derivat der Epidermis dar. Die Giftdrüsen des Salamanders bestehen demnach aus 2 Arten von Zellen, und zwar aus Drüsenzellen und flachen Zellen (NırEx- STEIN bezeichnet diese letztern als ectodermale Muskelelemente), wobei die erstern während des Lebens und der Funktion der Drüse aus erstern hervorgehen. Schon mehrfach ist die Duplizität der die Giftdrüse der Fische aufbauenden Elemente sowie die oben erwähnte Tatsache der Neu- bildung der Drüsenzellen aus Stützzellen (einem Derivat der in- differenten Epidermiszellen) durch eine Verwandlung dieser letztern von mir betont worden (Pawnowsxy 10, 11). In dieser Uberein- stimmung des Prozesses der Neubildung der Drüsenzellen aus einem Derivat indifferenter Drüsenzellen erblicke ich denn auch eine ge- wisse Ähnlichkeit zwischen den giftigen Hautdrüsen der Fische und denjenigen des Salamanders. Sollten nicht die ectodermalen Muskel- zellen des Salamanders ein Rudiment der nur in der Peripherie der Drüse erhaltenen Stützzellen darstellen ? Ich habe nunmehr nur noch eine Frage zu berühren, nämlich ob die Giftdrüsen der Fische progressive oder regressive Organe darstellen. Naturgemäß kann diese Frage ohne ein Studium der Entwicklungsgeschichte dieser Drüsen nicht beantwortet werden, um so mehr, als auch rein anatomische Daten ihre Beantwortung nicht ermöglichen. Um meinen Gedankengang zu verdeutlichen, verweise ich auf die Fig. 9 der Taf. 27, auf welcher Flossen- strahlen mit Giftdrüsen in natürlicher Größe dargestellt sind. Der absolute wie auch der relative Grad der Ausbildung dieser Drüsen ist ein so verschiedener [was besonders bei der Vergleichung der Strahlen von Pferois (a) und TZrachinus (c) einerseits und von Sebastodes (d) und Sebastes (f) andrerseits in die Augen fällt], dab die Beurteilung dieser Drüsen als eines Organs der Fische über- haupt von dem erwähnten Standpunkte aus vollständig ausgeschlossen wird. Auch späterhin, wenn sich ein genügendes Material über die Entwicklung der Drüsen angesammelt haben wird, wird man über einen progressiven oder regressiven Entwicklungszustand dieser Drüsen doch nur in bezug auf die betreffende untersuchte Art sprechen, nicht aber die erhaltenen Schlußfolgerungen auf die übrigen Arten ausdehnen können. 198 12. Giftdrüsen einiger Scorpaeniden. 539 Literaturverzeichnis. BOTTARD, A., Les poissons venimeux. Contribution a 1’Hygiene navale, Paris 1889. COUTIERE, H., Sur la non-existence d’un appareil à venin chez la Murène Hélène, in: CR. Mém. Soc. Biol. Paris, Vol. 54, 1902, p. 782. —, Sur le prétendu appareil venimeux de la Murène Hélène, in: Bull. Soc. philom. Paris (9), Vol. 9. D’Arras, Sur les accidents causés par les Poissons. Thèse. Paris 1877. GALASSO, F., Anatomia macro- e microscopica della mucosa palatina di Muraena helena L., con speciale riguardo allo questione del l’apparecchio velenifero. Catanzaro 1901. 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Anz., Vol. 34, No. 13—14, 1909. 540 12a. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19: EuGEn PAwLowsKY, Pawtowsky, E., Zusatz zum Artikel „Ueber die Giftdrüsen der Fische“, ibid., Vol. 34, No. 16—17, 1909. PORTA, A., Ricerche anatomiche sull’ apparecchio velenifero di aleuni pesci, ibid., Vol. 24, 1905. REED, G. D., The poison glands of Noturus and Schilbeodes, in: Amer. Natural., Vol. 41, 1907. RETZIUS, G., Ueber den Bau der Haut von Myxine glutinosa, in: Biolog. Untersuch., Vol. 12, 1905. SACCHI, M., Sulla struttura degli organi del veleno della Scorpaena. 1. Spine della pinne pari, in: Boll. Mus. Zool. Anat. comp. Genova, 1895, No. 30. —, Sulla struttura degli organi del veleno della Scorpaena. II. Spine della pinne pari, ibid. No. 36. SCHMIDT, F. T., Om Fjæsingens Stik og Giftredskaber, in: Nord. med. Ark., Vol. 6, No. 2, 1874. WALLACE, L., The structure and development of the axillary glands of Batrachus, in: Journ. Morphol., Vol. 8, 1892. Im Jahre 1907 erschien eine kleine Arbeit: BoRLEY, J. O., The poison apparatus of the weever, in: Trans. Norfolk Norwich Nat. Soc., Vol. 8, p. 369—373, 1 fig., doch konnte ich dieselbe nicht für die vor- liegende Untersuchung benutzen, da die Zeitschrift, in der sie erschienen ist, mir nicht zugänglich war. Giftdrüsen einiger Scorpaeniden. 541 Erklärung der Abbildungen. Bg Bindegewebe s Secret, entstanden durch das Zerfallen D: Drüsenzelle der Giftdrüse von Drüsenzellen Pgm Pigment st Stachelstrahl der Flosse stx Stützzelle der Giftdrüse Tafel 26. Fig. 1. Synanceia erosa. Querschnitte durch einen Strahl der Rückenflosse in verschiedener Höhe, rechts am untern Ende der Giftdrüse, links in der Höhe ihrer Mitte. In den Rinnen des Strahles liegen die Giftdrüsen, in denen auf der Zeichnung nur die Stützzellen abgebildet worden sind. Zeıss Obj. AA, Ok. 2. Fig. 2. Synanceia erosa. Frontalschnitt durch einen Strahl der Rückenflosse nach der Geraden B—B der Fig. 1. Zeıss Obj. AA, Ok. 4. Fig. 3. Plerois lunulata. Längsschnitt durch einen Strahl der Rückenflosse der Geraden A—A der Fig. 1. Zeıss Obj. AA, Ok. 4. Fig. 4. Pterois lunulata. Teil eines Tangentialschnittes durch die Giftdrüse. Zeiss Obj. DD, Ok. 4. Fig. 5. Scorpaena fimbriata. Teil eines Längsschnitts durch die Giftdrüse in der Nähe ihres untern Endes. Zeiss Obj. DD, Ok. 2. Fig. 6. Sebastodes joneri. Schnitt durch die Bauchflosse mit Gift- drüse nach der Geraden C—C der Fig. 1. In der Drüse zwei Anhäu- fungen von pigmentär degenerierten Zellen (Pym). Zeıss Obj. DD, Ok. 2. Fig. 7. Sebastiscus marmoralus. Längsschnitt durch einen Strahl der Rückenflosse nach der Linie A—-A der Fig. 1. Zeıss Obj. DD, Ok. 2. 542 Eucex Pawrowsky, Giftdrüsen einiger Scorpaeniden. Datel. 27. Fig. 8. Schematische Darstellung eines Strahles der Riickenflosse mit 2 Giftdriisen in den Rinnen. Das Schema hat Giiltigkeit fiir alle in der vorstehenden Arbeit angeführten giftigen Fische. Fig. 9. Flossenstrahlen mit Giftdrüsen in natürlicher Größe: a Pterois lunulata (Rückenflosse); b Pelor japonicum (b, von vorn, b, von der Seite gesehen) (dasselbe); ce Trachinus draco (dasselbe); d Sebastodes joneri (das- selbe) ; e Scorpaena porcus (der rechte Strahl der Bauchflosse, der linke — der 2. Strahl der Analflosse); f Sebastes norwegicus (Rückenflosse). Nachdruck verboten. Übersetzungsrecht vorbehalten, Zur Entwicklung der Geschlechtsorgane von Chironomus. Von Martin Hasper. (Aus dem Zoologischen Institut der Universität Marburg.) Mit Tafel 28—30 und 14 Abbildungen im Text. Inhalt. Einleitung. Biologisches — Material und Methode. Verlauf der Entwicklung. I. Bildung der Urgenitalzellen. 1. Morphologie des Eies. 2. Erste Entwicklungsvorgänge — Bildung der Polzellen. 3. Angaben der Autoren über die Entstehung der Polzellen. 4. Struktur der Urgenitalzellen. 5. Über Keimzelldeterminanten. II. Verfolgung der Urgenitalzellen durch die embryonale Ent- wicklung. 1. Bildung des Blastoderms — Dotterzellen und Paracyten. 2. Wiedereintritt der Polzellen — Anlage des Keimstreifs. 3. Wanderung der Genitalzellen — Differenzierung und Ent- faltung der Keimblätter. I. Periode: Bis zur maximalen Streckung des Keimstreifs — Anlage der Organsysteme. a) Keimstreif — Mesoderm — Embryonalhüllen, b) Stomodäum und Proctodäum — Entoderm. II. Periode: Zusammenziehung des Keimstreifs — Ausbau der Organsysteme. a) Ectodermale Bildungen : Hypodermis — Nervensystem — Vorder- und Enddarm, 544 Martin HASPER, b) Mesodermale Bildungen, c) Entodermale Bildungen. III. Bildung der Keimdrüse. Anhang: Bemerkungen zur Entwicklung der Geschlechts- organe von Tanypus. Schluß: Uber frühe Differenzierung der Geschlechtsorgane. Einleitung. Aufgabe der vorliegenden Untersuchung ist die Feststellung des Schicksals der sogenannten Polzellen. Die Existenz dieser eigenartigen Gebilde bei Chironomus-Eiern wurde zuerst 1862 von Rosi (89 bis 91) konstatiert, ihr Wesen aber völlig verkannt: er identifizierte sie mit den Richtungskörpern der Mollusken und Würmer, obgleich seiner scharfen Beobachtung die bedeutsamen Unterschiede nicht entgehen konnten. Schon im folgenden Jahre bezweifelt WrIsMANN in seinen klassischen Untersuchungen über die Entwicklung der Dipteren (112) diese Homologie, freilich ohne über ihren Verbleib ein helleres Licht verbreiten zu können. Dagegen glaubte METSCHNI- Kow (76) bei nahen Verwandten von Chironomus, den Cecidomyiden, festgestellt zu haben, daß die Polzellen zur Bildung des Pseud- ovariums beitragen. Ihm schließt sich Grimm (37) für eine durch Pädogenese ausgezeichnete Chironomus-Art an und als ganz hervor- ragender Beobachter BazBrant (4) für eine Species ohne diesen ab- normen Fortpflanzungsmodus. Alle diese Forscher mußten sich auf die Betrachtung des lebenden Objekts oder wenigstens des aufgehellten Eies in toto beschränken. An Schnitten wurden diese Verhältnisse erst 1892 von Rirrer (88) untersucht mit dem Ergebnis, daß die Polzellen die Urgeschlechtszellen seien. Da aber diese Arbeit modernen Anforderungen kaum noch genügen dürfte, auch manche auf Grund der neueren theoretischen Anschauungen unwahrschein- liche Angaben enthält, so erschien eine erneute Untersuchung dieser auffallenden Erscheinung des Austritts und späteren Wiedereintritts zelliger Elemente des ganz jungen Eies wünschenswert, und das um so mehr, als sie mit der wichtigen Frage nach dem Zeitpunkt der Differenzierung der Geschlechtsorgane in Zusammenhang gebracht worden war. Die Untersuchung wurde auf Anregung des Herrn Prof. Dr. KorscHELT unternommen, dem auch an dieser Stelle für seine unermüdliche gütige Unterstützung herzlichster Dank gesagt sei. Ebenso bin ich den Herren Prof. Dr. MEISENHEIMER und Dr. TÖNNIGES zu vielem Dank verpflichtet. Geschlechtsorgane von Chironomus. 545 Biologisches — Material und Methode. Als Untersuchungsobjekt für entwicklungsgeschichtliche Vor- eänge bietet Chironomus den Vorteil leichter Materialbeschaffung. Wenn gewisse kleine Arten auf das erste Frühjahr und den Herbst beschränkt sind, so legen einige sich durch die relative Größe ihrer Eier auszeichnenden Species das ganze Jahr hindurch, von den ersten warmen Tagen des April bis in den November hinein. Alle Beobachter, die sich mit Chironomus beschäftigten, heben die Unsicherheit der Artbestimmung hervor, und die mehr oder weniger umfangreichen Angaben, die in der Literatur nur über Eier von Chironomus gemacht werden, beziehen sich auf mindestens ein Dutzend verschiedener Arten. Es ist zwar nicht sehr schwierig, aus den Gelegen mehrerer einen Tümpel bevölkernder Species ein be- stimmtes herauszufinden angesichts der vielen unterscheidenden Merk- male und ihrer großen Mannigfaltigkeit: Größe und Gestalt der Eier, Anordnung in der Gallerte, deren Festigung durch Achsenfäden, Farbe des Dotters usw.; solange aber nicht umfangreiche Züchtungs- versuche vorliegen, ist man völlig auf die Identifizierung der Imagines angewiesen. Denn auch der Larvenzustand bietet, wie aus den kurzen Mitteilungen von THrexemAann (107) und LAUTERBORN (67) hervorgeht, bei der jetzigen Unkenntnis ihrer äußeren Morphologie noch keine systematischen Anhaltspunkte. Zu den vorliegenden Untersuchungen lieferten vornehmlich zwei Species das Material, auf die von den Diagnosen MEıGEn’s (72) noch am besten die für Chironomus confinis und Chironomus riparius pabten. Ersterer legte in der unmittelbaren Nähe von Darmstadt, letzterer bei Marburg neben andern Chzronomus-Arten, Tanypus,1) Corethra, Ceratopogon usw. seine wurstförmigen Kischnüre auf im Wasser flottierenden Gegenständen, besonders Holz- und Rindenstücken, während der ganzen warmen ‚Jahreszeit ab; im Frühjahr erscheinen sie etwas später als kleinere Arten und Tanypus. — Die Tiere im Zwinger zur Eiablage zu bringen, ist mir nicht gelungen, offenbar da Schwärmen und Befruchtung nur in beträchtlicher Höhe über dem Erd- boden erfolgen, doch ließen sie sich in den Institutsgarten verpflanzen. Da das Laichgeschäft anscheinend nur während der Nacht, im Sommer besonders zwischen 12 und 2 Uhr, im Herbst früher geübt wird, war anfänglich die Beschaffung ganz jungen Materials im 1) Vgl. S. 594. Zool. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. 36 546 Martin Hasper, Freien mit einigen Schwierigkeiten verknüpft. Erst im Herbst vorigen Jahres gelang mir die schon von BALBrANT empfohlene Methode, die bereits befruchteten Weibchen im Wasserglas zur Ab- lage der Eier zu bringen. Die Tiere — es war nie ein Männchen darunter — konnten Ende Oktober bereits von 5 Uhr ab an einer bestimmten Lichtung in dem einen Tümpel umsäumenden Gebüsch in ziemlicher Menge mit dem Netz gefangen werden, wenn sie mit ganz merkwürdiger Konstanz ihrem eng umschriebenen Laichplatz am Südufer des kleinen Gewässers zustrebten. Schon RiTrer (88) erwähnt die auffallende Bevorzugung bestimmter Uferstellen. Ob deren Wahl, wie dieser Autor vermutet, nur nach Himmelsrichtung und Insolation erfolgt, vermag ich nicht zu entscheiden. Ich glaube, daß der bei der Rückkehr vom geschützten Schwärmplatz zuerst er- reichte Punkt meist gleich als Laichplatz benutzt wird. Ein Teil der so gefangenen Weibchen legte bald nach dem Ein- setzen in halbgefüllte Wassergläser oder während der Nacht. Es ist mir auch vorgekommen, dab dies während des Transportes in enger Glasröhre von nur 3 cm Länge und 1 cm Weite geschah, auch wenn diese völlig trocken war. Die Eier waren dann in Form eines Klümpchens von etwa 1,5—3 mm Länge und ?/,—1 mm Durchmesser an einem 1 mm langen glashellen Gallertfaden als dunkelrote Masse angeheftet. Schon daraus erhellt, daß die Angaben BALBranrs (4), Rirrer’s (88) und Mrazz u. Hammonn’s (79) nicht ganz zutreffend sind. Die Capillarwirkung des Wassers leistet keine Geburtshilfe, die Eier werden vielmehr allein durch das Spiel der Muskulatur nach außen befördert. Die Mücke setzt sich zu diesem Zwecke so an die Wand des Glases, dab sich die Spitze des Abdomens 1 mm über dem Wasserspiegel befindet (Fig. A). Unter ventralem Einwärtskrümmen des Hinterleibes befestigt sie zunächst einen 1 mm langen, dicken Gallertfaden in nicht ganz halber Höhe des Abdomens am Glas und preßt nun unter allmählicher Streckung und lebhaften pulsatorischen Bewegungen des 9. Segments das ganze Gelege heraus. Wie nach Kollaps und Durchsichtigkeit der Sternite leicht zu konstatieren, _ werden die kopfwärts gelegenen Teile des Ovars zuerst entleert. Dabei hält sich das Tier eigentlich nur mit dem mittlern Beinpaar fest; das vordere Paar wird in der charakteristischen Weise schwach auf- wärts gekrümmt nach vorn gestreckt. Die hintern Extremitäten aber zeigen fast parallel nach hinten, den zuerst ausgetretenen Teil der Eischnüre zwischen den Tibiae oder den Gelenken zwischen Femur und Tibia einklemmend. Die Flügel liegen wie in der Ruhestellung Geschlechtsorgane von Chironomus. 547 dachförmig auf. — Es schien mir nicht überflüssig, diesen Akt zu beschreiben, da, wie aus dem Vorstehenden zu ersehen, die von BazBrant (4, p. 542, Holzschnitt 1 und 2) gegebene Abbildung für die von mir beobachtete Species keine Anwendung findet. In der geschilderten Stellung ruht das Weibchen nach getaner Arbeit noch einige Minuten regungslos aus, um schließlich mit einigen heftigen Bewegungen des 9. Abdominalsegments den Laich völlig abzustoßen und davonzufliegen. Zu einer zweiten Ablage ist Chironomus nicht befähigt. Erst mit Entfernung des Muttertieres gleitet das Gelege ins Wasser, und erst nach etwa 1/, Stunde ist die Gallerte zu ihrem definitiven Volumen aufgequollen. Anfangs sind die Eier in enger Berührung radiär angeordnet. Vorzeitig aufgestört fliegt Chironomus, wie dies schon Rrrrer berichtet, auf, seine Bürde zwischen dem 3. Beinpaar tragend. Man darf | aber daraus nicht schließen, wie es der ge- nannte Autor tut, dab die Anheftung erst zuletzt erfolge. Das Drüsensecret war dann | ~ nur noch nicht genügend erhärtet. Deshalb wohl auch das Festhalten mit den Hinter- extremitäten. Zuweilen laicht Chironomus auch auf dem Wasserspiegel sitzend. | Der kunstvolle Bau verschiedener Gelege ist schon häufig beschrieben worden [RoBix (89), | Weısmann (112), KÖLLIKER (62), KUPFFER (65, 66), Grimm (37), Miauu u. Hammonp (79)]. Die Eischnüre der dieser Arbeit zugrunde liegenden Species enthielten in einer gallertigen Masse von der Gestalt eines schwach ge- bogenen Zylinders bei sehr verschiedener Größe (0,5—1,5 cm) 600— 1200 Eier mit rötlich- me gelb gefärbtem Dotter, in rückläufigen Um- ms RE gängen nahe der Oberfläche angeordnet. während der Eiablage. Die Eier liegen in einer besondern dünnen Gallerthülle alle fast dachziegelförmig hintereinander, mit dem Vorderende nach innen geneigt, die Längsachsen eines Um- ganges parallel gerichtet, die zweier benachbarter Umgänge ge- 36* 548 Martin HASPER, kreuzt. Die fasrig struierte Oberfläche des Zylinders wird von feinen, schwach welligen Fäden wie von Faßreifen umspannt und schwach eingeschnürt. Die Gelege stimmen also im allgemeinen mit den von Rogix als 1. Typ beschriebenen und mit den von Mrarx u. Hammonp für Chironomus dorsalis abgebildeten (1 c. fig. 116 A) überein, unterscheiden sich aber von diesen und untereinander durch die Beschaffenheit der oft in zierlichster Weise verschlungenen und verhakten Achsenfäden aus stark lichtbrechender Substanz. Diese beschreiben bei Chir. riparius? und Chir. confinis? unregelmäßige oder schraubenförmige Windungen und sind bei ersterm völlig homogen, enthalten aber bei letzterm in deutlichem Lumen einen klaren zweiten Faden, der bei Bruchstücken häufig an beiden Enden herausragt. Als Dauer der Embryonalentwicklung fand ich in Überein- stimmung mit WEISMANN, RITTER, Mrazz u. HAMMonD normalerweise 5—6 Tage, in der heißen Jahreszeit sogar nur 3 Tage. Aus dem Chorion herauspräpariert sind die Embryonen schon beträchtliche Zeit vor der selbständigen Sprengung der Hülle lebensfähig. — Auch die larvale Entwicklung ist stark von der Temperatur abhängige; sie schwankt zwischen 6 Wochen im Sommer und einigen Monaten über den Winter. Im Zimmer schlüpfen auch im Winter Imagines aus. — Larve und Puppe ähneln denen von Chironomus dorsalis und gehören dank ihrer ventralen Atem- schläuche bzw. ihrer Tracheenkieme zu MEINERT’s venustus-plumosus- Gruppe (73). Für Beobachtungen in vivo sind die Eier von Chironomus wegen ihrer Durchsichtigkeit ein ganz hervorragend geeignetes Material. Es ist daher leicht, bestimmte Stadien zu konservieren. Als Fixierungsmittel bewährte sich neben Zenker’scher Lösung und Sublimat-Eisessig, die aber nie so scharfe Bilder lieferten, heiße Hermann’sche Lösung, die wegen der Widerstandsfähigkeit des Chorions mehrere Stunden einwirken muß, und eine mir von Herrn Dr. Srecue-Leipzig liebenswürdigerweise angegebene Mischung von 40 Volumteilen Wasser, 20 Alkohol 96 %,, 6 Formol konz., 1 Eisessig. — Um eine genaue Orientierung zu ermöglichen, wurden die Eier einzeln — sie lassen sich im Leben sehr leicht mit der Nadel aus der Gallerte herauspräparieren — in einen Tropfen Nelkenöl-Kollodium, dieser nach Härten in Xylol in Paraffin eingebettet. Die Über- führung aus absolutem Alkohol in Nelkenöl mußte wegen der Schrumpfungsgefahr vorsichtig mit Hilfe der Senkmethode geschehen. 4 Geschlechtsorgane von Chironomus. 549 Von dem so präparierten Material wurden bei der Kleinheit der Zellen am besten Schnitte von 2—3 u angefertigt. Als Färbemittel bewährte sich für die mit Osmiumsäure kon- servierten Objekte nur das Herpennatn’sche Eisenhämatoxylin, sonst gab auch DELAFIELD’s Hämatoxylin distinkte Bilder. Verlauf der Entwicklung. I. Bildung der Urgenitalzellen. 1. Morphologie des Eies. Die äußere Morphologie des Eies ist bereits mehrmals (Weıs- MANN, BALBIANI, Rosin) beschrieben worden. Auch den von mir be- arbeiteten Eiern kommt die bezeichnende, von Anfang an eine ge- wisse Bilateralität im Bau verratende, langgestreckte Gestalt zu. Der Längendurchmesser betrug ca. 330 u, der Querdurchmesser ca. 125 u. Im Profil ist eine gerade oder schwach konkave Seite, die spätere Dorsalseite, von der ventralen konvexen zu unterscheiden. Der spitzere Pol bezeichnet das Hinterende, der stumpfere den Kopf- teil des Embryos. Hier findet sich auch die als dunkler Punkt in schwach skulpturiertem kreisförmigem Feld erscheinende Micropyle |Mzısster (74), Rosin (89). Im übrigen ist das das Ei umhüllende, zähe und widerstandsfähige Chorion völlig strukturlos. Von einer Dotterhaut habe ich auch bei dem Austritt der Polzellen, wo sie doch vor allem in die Erscheinung treten müßte, nichts gesehen. Bezüglich des Dotters sei nur erwähnt, daß ich ähnlich wie FRIEDERICHS (29) bei Coleopteren zwei distinkte Bestandteile tro- phischer Natur unterscheiden konnte. Neben den an Zahl weit über- legenen Dotterkugeln verschiedenster Größe sind dem Gerüstwerk der mannigfach anastomosierenden, ein weites Maschenwerk bildenden Ooplasmazüge im Zentrum noch einige große, leicht lösliche und nicht färbbare „Fettropfen“ eingelagert, deren Brechungsindex zum Unterschied von den Dotterkugeln den des Wassers kaum übertrifft. Eine kontinuierlich die Oberfläche überziehende Plasmaschicht, also ein Keimhautblastem, besitzt, wenn auch in bei weitem geringerer Mächtigkeit als späterhin, bereits das Ovarialei. Besonders muß hier aber eines Gebildes gedacht werden, das sich als dichte, scharf konturierte, wurst- oder flaschenförmige, ge- rundete oder auch in 2 Klumpen getrennte, mit wenigen Vacuolen j m 550 Martin HASPER, versehene Masse präsentiert, die am hintern, im Ovarium nach hinten gekehrten Ende des Eies etwas unter der Oberfläche liegt, in schaumigem Protoplasma eingebettet, zuweilen aber auch noch ganz von Dotter umgeben. Es ist diese wichtige Differenzierung des Ooplasmas nichts anderes als jene spezifische Substanz, die bei der Determinierung des ersten von der Entwicklung dargebotenen embryonalen Materials eine entscheidende Rolle spielt und die daher im Folgenden als Keimbahnplasma noch mehrfach Erwähnung finden wird. 2. Erste Entwicklungsvorgänge — Bildung der Polzellen. Die ersten Entwicklungsvorgänge geben sich in einer Kontraktion des Eikörpers, dem dadurch bedingten Auftreten der Polräume an beiden Enden des Hies (Taf. 28 Fig. 1—5 plr) und der Verdickung des Keimhautblastems kund. Reifung und Befruchtung habe ich nicht näher untersucht. Zu einer Ausstoßung von Richtungskörpern kommt es aber auch hier nicht. Diese liegen meist in der Nähe des Äquators an der Peripherie in einer schwachen Verdickung des Keimhautblastems (Fig. D). Auffallend ist ihre räumliche Ent- fernung voneinander. Während der eine den Anblick eines Haufens von 8 hantelförmigen Chromosomen bietet, erscheint der andere meist als kleine Spindel, in deren Fadenappart 4 auffallend lange Chromatinstäbchen zu unterscheiden sind. Die ersten Furchungsteilungen erfolgen, wie schon an lebendem Material zu konstatieren, im Gegensatz zu Rırrer’s Vermutung im Innern des Dotters, wo die beiden ersten Teilungsschritte keine Besonderheiten bieten. Zu gleicher Zeit gehen aber auch Verände- rungen in der Struktur des Keimbahnplasmas vor sich, die im all- gemeinen auf eine Auflockerung hinauslaufen. Es verbreitet sich kappenförmig über das Hinterende, wo das Keimhautblastem, wie übrigens auch am vordern Pol, eine größere Dicke aufweist. Schon am lebenden Ei springt diese Stelle durch ihr starkes Lichtbrechungs- vermögen sofort in die Augen; das Aussehen auf Schnitten wurde durch Fig. 1 (Taf. 28) wiederzugeben versucht. Die durch ihre chromo- philen Eigenschaften ausgezeichnete Substanz hat, von einem hellen Hof umgeben, wolkige Struktur angenommen; hier und da treten dunklere Granulationen etwas schärfer hervor. Die Darstellung, die Rırrer (88) von den ersten Entwicklungs- vorgängen gibt, stimmt also nicht vollkommen mit den Tatsachen Geschlechtsorgane von Chironomus. 551 überein. Der „wulstartige Körper“, wie er das Keimbahnplasma nennt, tritt nicht erst nach vollzogener Befruchtung auf, sondern ist schon im Ovarialei vorhanden, und die ersten Teilungsvorgänge er- folgen nicht in diesem wulstartigen Körper, sondern im Dotter. Ich glaube daher, daß das auf seiner fig. 3 dargestellte Stadium über- haupt nicht an diese, sondern an eine frühere Stelle gehört, und daß seine fig. 4 bezüglich der Ortsbewegung der Kerne gerade in um- gekehrtem Sinne gedeutet werden muß, als es der Autor selbst tut. Von den vier Furchungskernen des Vierzellenstadiums zeigt nämlich einer ein eigentümliches Verhalten. Er rückt mitsamt dem Q @ OL EME) b Sas SE ee d Fig. C. e Fig. B. Schematische Darstellung des Austrittes und der Teilung der primären Pol- zelle von Chironomus confinis nach Beobach- tungen in vivo. Fig. C. Hälfte einer Teilungsfigur der primären Polzelle von Chironomus confinis ies B: mit Keimbahnplasma. ihn umgebenden Protoplasma auf die oben erwähnte chromophile Substanz zu, ganz in derselben Weise wie nachher die übrigen Blastomeren zur Bildung des Blastoderms, macht aber, an der Ober- fläche angelangt, nicht halt, sondern buchtet diese immer weiter vor, um sich schließlich ganz abzuschnüren. Dieser Vorgang ist am lebenden Ei unter dem Mikroskop leicht mit größter Deutlichkeit zu beobachten. Man nimmt zunächst eine flache Vorwölbung un- mittelbar über der stark lichtbrechenden Substanz wahr (Fig. Bb), deren Größenzunahme man unter dem Mikroskop kontinuierlich ver- folgen kann. Zugleich erscheint die Grenze des Dotters gegen das Blastem nach innen ausgebuchtet. Eine Anzahl kleiner Dotter- 552 Martin Hasper, kugeln wandert mit in den Plasmavorsprung ein. Dieser hat Halb- kugelgestalt gewonnen, wenn durch eine seichte Delle am Gipfel bereits eine Durchschnürung der austretenden Zelle eingeleitet wird (Fig. Be). So entsteht in wenigen Minuten der Anblick zweier sich vorwölbender Plasmahügel, in denen nun je ein bläulicher, scharf umgrenzter Kern sichtbar wird (Fig. Bd). Die während der Teilung sistierte Abschnürung vom Eikörper wird nun vollendet, und das Resultat des je nach der Jahreszeit ?/,—1/, Stunde be- anspruchenden Prozesses ist, daß zwei kuglige, mit einem Kern und einigen Dotterkörnchen versehene Zellen völlig frei in dem hintern Polraum zwischen Eioberfläche und Chorion liegen, die „Polzellen“ der Autoren (Fig. Be), die, um das Ergebnis der Verfolgung ihres Schicksals vorwegzunehmen, weiter nichts sind als die Urgenital- zellen. Von den über die Genese der Polzellen Aufschluß gebenden Schnitten sind einige in den Figg. 2—4 (Taf. 28) wiedergegeben. Fig.2 zeigt die primäre Polzelle gerade im Entstehen durch Austritt einer am Ende der Anaphase stehenden Teilungsfigur, jenen Moment, wo die Abschnürung einen Augenblick sistiert. Die mitotische Figur liegt Stadium der Differenzierung der parallel der Oberfläche a “Hies. Urgeschlechtszelle. Teilune- Während das Chromatin im Begriff ist, schritt G III, SIH—VIL Aus die beiden Tochterkerne zu bilden, wird mehreren Schnitten derselben a ; Serie kombiniert. die äußerlich kaum erst angedeutete Durchschniirung des Plasmaleibes durch Bildung einer Mittelplatte im Spindelapparat eingeleitet. Die farb- bare Substanz ist zur Seite gedrängt und in mehrere Teile zerfällt. Noch günstiger für diese Verhältnisse war der der Fig. C zugrunde liegende Schnitt geführt, der zeigt. wie die keilförmigen Abschnitte, in die das Keimbahnplasma zerfallen ist, offenbar unter dem Einfluß der Strahlensphäre stehen. — Nach dem Zentrum zu erhebt sich über Ris D, Geschlechtsorgane von Chironomus. 553 der knospenden Zelle ein Plasmazapfen. Im Eiinnern finden sich noch 3 Furchungskerne in der Telophase. Die Differenzierung der Urgeschlechtszelle erfolgt also auf dem 4-Zellen- stadium. Einen schematisierten Längsschnitt durch ein Ei in diesem Augenblick, wo sich die Entwicklungsbahnen von Personalteil und Germinalteil scheiden, zeigt die kombinierte Textfigur D. Durch Zusammentritt eines von 4 Furchungskernen mit spezifischem Keim- bahnplasma ist das Urgenitalelement konstituiert und damit natürlich auch das Schicksal der übrigen 3 Furchungskerne entschieden, deren Descendenten sich in dem Aufbau eines vergänglichen Soma er- schöpfen. — Die Selbständigkeit der Keimbahn gegenüber dem Soma dokumentiert sich nunmehr hauptsächlich in der Unabhängigkeit des Teilungsvorganges. Und zwar zeigen die Polzellen stets eine beträchtliche Verzögerung gegenüber den im Dotter verbliebenen Blastomeren. Diese verharren in den Stadien, denen z. B. auch Fig. 3 und 4 (Taf. 28) angehören, alle im Ruhezustand, während die Polzellen Mitosen zeigen. Diese können parallel (Fig. 5) oder auch senkrecht (Fig. 4) zur Eioberfläche orientiert sein. Ihre Teilungen erfolgen auch unter sich nicht durchaus synchron, so dab vorüber- gehend 5, 6 oder 7 Polzellen vorhanden sein Können. Auch im ganzen macht sich ein Ermatten des Teilungsvermögens in den Elementen der Keimbahn fühlbar. Während die ersten Teilungen rasch aufeinander folgen, kommt die letzte gar nicht mehr zur Voll- endung, d. h. sie erstreckt sich nur auf die Kerne, so daß schließlich 8 zweikernige Genitalzellen im hintern Polraum liegen. Und damit ist die Entwicklung der Keimbahn für lange Zeit überhaupt ab- geschlossen; denn während der nun folgenden Embryonalperiode ist sie durch ein durchaus passives Verhalten ausgezeichnet. Die oben geschilderten Verhältnisse möge noch ein Beispiel des zeitlichen Verlaufes erläutern: 9. 10.09 — Zimmertemperatur. 1% abends Beginn der Eiablage. Ne Beginn der Polzellenknospung. gar 2 Polzellen. gr een 4 Polzellen. 1025 8 Polzellen. 1245 morgens 8 zweikernige Polzellen. i i Beginn der Riickwanderung. 554 Martin HASPER, Daß das in diesen Zahlen zum Ausdruck kommende allmähliche Abklingen der Vermehrungstendenz etwa durch Mangel an Nahrungs- stoffen verschuldet sei, ist sehr unwahrscheinlich, da sich unverdaute Dotterkugeln zuweilen in noch viel spätern Stadien im Plasma der Sexualzellen vorfinden. Analoge Erscheinungen in Ontogenesen mit ganz andern mechanischen Bedingungen lassen es vielmehr als un- zweifelhaft erscheinen, daß dieser verzögernde Einfluß der chromo- philen Substanz zur Last zu legen sei. Die vorstehenden Angaben gelten in erster Linie für Chironomus confinis ?. Chir. riparius? zeigt insofern ein etwas abweichendes Ver- halten, als hier die Abstammung der 8 Urgenitalzellen von einer Mutterzelle nicht so klar zutage liegt. Zwar treten auch hier die 2 ersten Polzellen häufig zugleich aus, zuweilen aber auch kurz hinter- einander, und immer sind die Kerne von vornherein deutlich sichtbar. Wie bei Chir. confinis? vermehren sich diese 2 Polzellen auch hier durch einmalige Teilung, die nicht synchron zu erfolgen braucht. Dieser Vorgang spielt sich sehr rasch ab, erforderte z. B. am 19. Juli 1909, 9 Uhr vormittags, bei 20°C im ganzen nur 8 Minuten, die Durchschnürung der Plasmaleiber allein nur 2 Minuten. Die übrigen Urgeschlechtszellen leiten sich nun aber nicht von diesen ab, sondern sind Descendenten einer etwa 1 Stunde nach den ersten beiden hervorbrechenden 5., bzw. die abermals fast 1 Stunde später knospende 7. und 8. Polzelle. Das Resultat ist schließlich dasselbe wie oben. Den Vorgang einer erneuten Knospung bei Vorhandensein von bereits 4 Zellen im hintern Polraum kann man bei Chironomus riparius? direkt beobachten. Aber auch die Schnittbilder lassen eine andere Erklärung kaum zu. Fig. 5 (Taf. 28) gehört einem Objekt an, bei dem 7 Polzellen bereits außerhalb des Eies liegen. Das Keim- bahnplasma ist bei der Bildung dieser 7 Zellen nicht ganz aufge- braucht worden. Ein sich durch 2 Schnitte erstreckender Rest liegt noch an der ursprünglichen Stelle. Auf ihn wandert, bereits durch eine seine Marschrichtung bezeichnende Plasmastraße mit ihm ver- bunden, ein von hellem Hof umgebener Kern zu. Obgleich sich dieser in seiner Struktur von den übrigen Furchungskernen nicht unter- scheidet, die zam Teil noch im Innern zerstreut sind, zum Teil aber auch schon in das Keimhautblastem einrücken, also ebensoweit nach der Oberfläche vorgedrungen sind, zweifle ich nicht, dab er im Be- Geschlechtsorgane von Chironomus. 555 griff ist, mit dem Rest chromophiler Substanz die 8. und letzte Ur- geschlechtszelle zu liefern. Zugleich mit den Polzellen werden bei der starken Kontraktion des Eiinhaltes auch kernlose, höchstens einige Dotterkugeln ent- haltende Plasmafragmente blasig vorgetrieben und auch gänzlich ab- gestoßen (Taf. 28 Fig. 2—5 pltr). Man vermißt diese kuglig ge- rundeten Tropfen oder zerrissenen Fetzen niemals zwischen den Pol- zellen, aber auch am Kopfpol findet man sie sehr häufig. Krankhafte Eier können sich sogar förmlich in eine Anzahl entsprechend grober Plasmaballen „furchen“' 3. Angaben der Autoren über die Entstehung der Pol- zellen. Es bestehen also gewisse Unterschiede in der Genese der Pol- zellen bei beiden Arten. Auch bei den von andrer Seite beschrie- benen Species zeigt die erste Differenzierung der Keimbahnelemente manche Abweichungen. Rogıy’s (89) Angaben lassen ein bestimmtes Zahlengesetz nicht erkennen. Er läßt 4—8 globules polaires mit einigen „granules graisseux à contour foncé, à centre jaune et brillant“, also mit Dotter- kürnchen, entstehen, die sich dann meist noch zu 16—20 kleinern Zellen vermehren. In einer andern Arbeit (91) spricht er von 4 Pol- zellen, in einer dritten (90) von der Entstehung zweier Polzellen nahe nebeneinander, in denen erst später ein Kern sichtbar werde — offenbar befand sich der austretende Kern gerade in Caryokinese Er knüpft daran seine breiten Betrachtungen über eine neue Art der Zellbildung „par gemmation“. Weismann (112, p. 111) hat 4 Polzellen, von denen einige 1 oder 2 Dotterkörner enthielten, gesehen und ihre Vermehrung zu 3 be- obachtet und gezeichnet (1. c., p. 114, fig. 1B), ist sich aber über ihre Genese wegen der Kleinheit des Objekts nicht klar geworden. Die Kerne sollten durch freie Kernbildung entstehen. Erst in einer zweiten Arbeit (116) über die ersten Entwicklungsvorgänge im Chironomus-Ki hat er öfters eine Polzelle beobachtet, die sich noch vor völliger Abschnürung teilte. Eine 2. Knospe lieferte 2 weitere Zellen, und die entstandenen 4 vermehrten sich auf 8 und schließlich 12. Ganz ähnlich leiten sich bei der von Grimm (37) entdeckten, sich 556 Martin Hasper, pädogenetisch fortpflanzenden Art von einer Polzelle manchmal noch im Blastem 2 und von diesen 4 ab (seine fig. 20, tab. ITI). Große Übereinstimmung mit den für Chironomus confinis? ge- schilderten Verhältnissen zeigt Bausranr’s fig. 2 (4), besonders wegen der außerordentlich frühen Differenzierung von 2 am hintern Ende eben ausgetretenen Polzellen; im Dotter sollen nur 2 Kerne sicht- bar sein. Auch hier Teilung in 8 Tochterzellen. Als besonderes Charakteristikum auch in der Folgezeit nennt er „un nombre va- riable de petites granulations refringentes qui, pendant qu’elles étaient en train de bourgeonner, ont passe du vitellus granuleux dans la couche périphérique claire, et de celle-ci dans les globules polaires“. Rirvrer (88) hatte kein genügendes Material, um das Wesen der ersten Furchungsvorgänge aufzuklären. Die Polzellen traten „immer in der Zweizahl ganz kurz hintereinander“ aus und sollen durch zweimalige Teilung 8 Zellen liefern (p. 415). Es geht aus seinen Angaben nicht hervor, ob er das direkt beobachtet hat. Der Rest chromophiler Substanz, der auf seiner fig. 6, einem Stadium mit 4 Polzellen, im Keimhautblastem zu sehen ist, würde freilich die Frage rechtfertigen, ob nicht noch ein weiterer Austritt zu er- warten ist. Bemerkenswert ist aber die Mitteilung, daß die 8 Pol- zellen schließlich durch 2 letzte unvollkommene Teilungen 4kernig werden. Überhaupt nur 4 Polzellen hat Branpr (11) gesehen „in dem mehr zugespitzten Ende des Eies“. Seine fig. 99 A, tab. 4 erweckt den Anschein, als blieben bei seinem Objekt die Polzellen über- haupt im Blastem liegen. Seine Angaben sind freilich zu dürftig, als daß man sie als Grundlage weiterer Vermutungen in Anspruch nehmen könnte. Was andere Dipteren anbelangt, so liegen genauere Angaben über Polzellenbildung für Musca mehrfach vor, wenn sie bei dieser Gattung wegen ihrer relativ geringen Dimensionen bei größerer An- zahl auch nicht so in die Augen fallen. 4 helle, kreisrunde Flecke erscheinen nach WEISMANN (112) in ziemlichen Abständen im Blastem, treiben binnen kurzem die Plasmarinde halbkuglig vor und liefern schließlich ebensoviel selbständige Zellen. „Noch vor vollständiger Isolirung beginnt eine jede der 4 Zellen sich unter gleichzeitiger Teilung des Kernes in zwei Hälften zu teilen, und einige Minuten später liegen 8, um die Hälfte kleinere Zellen an der Stelle der 4 ersten.“ Geschlechtsorgane von Chironomus. 557 Anders lauten die Angaben Noacx’s (80), der eingehende Studien über diesen Punkt veröffentlicht hat: 6—8 Kerne, die in der Reihe der andern zur Peripherie emporrücken, werden zu Geschlechts- kernen, indem sie mit der ,Polplatte“ (= Keimbahnplasma) in Be- rührung kommen. Bei der Abschnürung sollen sie sich schon auf 15—20 vermehrt haben. Er neigt also der Ansicht zu, daß der morphologische und physiologische Charakter der Polzellen nur durch den Eintritt der an sich nicht differenzierten Kerne, deren Ab- stammung von einer Mutterzelle zum mindesten zweifelhaft sei, in die Dotterplatte bestimmt werde. Besonders klar liegen die Verhältnisse bei Cecidomyiden nach Kante (59). Die definitive Scheidung von Sema und Keimbahn er- folgt durch den dritten Furchungsschritt. Die 8 Polzellen = Ur- oogonien leiten sich von einem Mutterkern her, der vor seinen 7 Bruderkernen auch durch Beibehaltung des vollen Chromatinbe- standes des Eikerns ausgezeichnet ist, während jene diminuieren. Im einzelnen zeigt Miastor auch in dieser Phase der Entwicklung die weitestgehende Übereinstimmung mit Chironomus. Vermehrung der Polzellen durch neuen Zuzug meldet LÉCAILLON (69) für Coleopteren (Clytra), und von Hrener’s (45) Angaben über Chrysomeliden ist besonders interessant, daß die 16 primary pole- cells und die aus ihnen hervorgehenden 64 Urgenitalzellen zwar von 4 Mutterzellen abstammen, daß aber diese keinen gemein- samen Ursprung haben sollen, daß auch Übergänge zu Blastoderm- zellen vorkommen und gelegentlich auch eine Polzelle „verspätet“ erscheint. Der Prozeß der Polzellenbildung ist also in den verschiedenen Insectengruppen zu einem sehr verschiedenen Grad von Präzision gediehen. Eine Zusammenstellung der Insecten, bei denen bisher überhaupt Polzellen gesehen worden sind, findet sich im Schlußkapitel. 4. Struktur der Urgenitalzellen. Mit der Bildung der Polzellen werden vom Ei die Bestandteile abgegliedert, die die Erhaltung der Art zu gewährleisten haben. Als vollwertige Geschlechtszelle, als Mutterzelle einer neuen Genera- tion von Eiern bzw. Spermatozoen, muß die Polzelle alle Eigen- schaften der Propagationszellen implicite besitzen. Auch rein äußer- lich erinnert die Polzelle gewissermaßen an eine Miniatureizelle: sie 558 Martin HaspEr, enthält einen vollwertigen Kern, Ooplasma mit Keimzellendetermi- nanten und sogar etwas Dotter (Taf. 28 Fig.5). Anfänglich unter- scheidet sich der Kern im Ruhezustand nicht von den übrigen Furchungskernen, weder durch seine Größe noch durch seine Struktur; das Chromatin ist in sehr feiner Verteilung durch den ganzen Kern- raum zerstreut. Der äußere Kontur ist kuglig oder ellipsoid, eine deutliche Kernmembran ist vorhanden (Fig. 5). Später bildet das Chromatin hantelförmige Figuren mit dünnem Stiel und verdickten Enden. Ihre Zahl ist besonders an dünnen Schnitten, die immer nur kleine Teile des Kernes enthalten, nicht leicht festzustellen. Doch glaube ich mit großer Regelmibigkeit 8 solcher Figuren gezählt zu haben, denen keine gleichmäßige Größe zukommt. Ihre Anordnung weist keinerlei Regelmäßigkeit auf. Sie schmiegen sich teils mehr oder weniger eng an die Kernmembran an, teils liegen sie kreuz und quer im Innern übereinander. Das Verbindungsstück ist leicht gekrümmt oder auch hufeisenförmig ge- bogen. — Dieses Aussehen bewahrt der Kern durch die ganze Em- bryonalperiode hindurch (Taf. 28—30 Fig. 8—17, 19—20, 23—25). Um eingeschlossene Dotterkugeln bilden sich Vacuolen (Fig. 14). Die äußere Begrenzung verschwimmt allmählich, und auf spätern Stadien findet man meist keine Spur mehr davon. Schon mit Be- endigung der Zusammenziehung des Keimstreifs sind sie meist völlig verdaut. Doch bleiben sie zuweilen auch noch weit länger erhalten. Einen umfangreichen und wichtigen Bestandteil der Keimbahn- elemente haben wirim Keimbahnplasma schon kennen gelernt. Es fehlt niemals, ist vielmehr vom Ovarialei bis zur jungen Larve kontinuierlich zu verfolgen und erleichtert die Auffindung der Geschlechtszellen auf den Schnitten jedes Stadiums ungemein. Sein Verhalten im Ei und beim Übergang in die Urgenitalzellen wurde oben bereits besprochen. Nach der Aufnahme in die Polzellen umgibt es die Kerne schalen- förmig (Taf. 28 Fig. 3 und 4) und zerfällt dabei in einzelne Brocken von unregelmäßiger Gestalt und inkonstanter Größe. Oder es breitet, - sich auch gleichmäßiger durch die ganze Zelle aus, so daß bei schwacher Vergrößerung das ganze Plasma einen dunklern Ton er- hält. Jedenfalls wird eine Verteilung und Vergrößerung der Ober- fläche angestrebt, offenbar das Zeichen einer innigern Wechsel- wirkung zwischen dem Keimbahnplasma und den übrigen Kompo- nenten der Zelle. Einen sichern, wenn freilich auch nur periodisch anzutreffenden Geschlechtsorgane von Chironomus. 559 Hinweis auf Keimbahnelemente, der auch bei andern Formen selten versagt, bei denen die rein morphologischen Merkmale den Forscher zuweilen im Stich lassen [Coleopteren, L£cAıLLon (69)|, bietet endlich der veränderte Teilungsrhythmus, der als unmittelbarer Ausdruck der Aktivität des Kernes stets den engsten Konnex mit der physiolo- gischen Funktion bewahrt. 5. Über Keimzelldeterminanten. Der interessanteste Bestandteil der Zellenfolge des Germinalteiles ist zweifellos jene Substanz, die durch ihre morphologischen und färberischen Eigenschaften ausgezeichnet, einen spezifischen und wesentlichen Faktor aller Elemente mit propagatorischer Funktion bildet. Es ist zu erwarten, daß eine solche Substanz nicht lediglich auf ein Genus beschränkt ist, sondern der prinzipiellen Bedeutung semäß, die man ihr auf Grund ihres Verhaltens zuzuschreiben ge- neigt ist, auch eine weitere Verbreitung besitzt. Da lehrt denn aber die Durchsicht der Literatur, daß ein ähnliches Keimbahnplasma wie bei Chironomus bisher nur selten beobachtet worden ist. Die wenigen Angaben der jüngsten Arbeiten über diesen Gegenstand berichten jedoch soviel Bemerkenswertes, daß eine vergleichende Be- trachtung vielleicht berechtigt ist. Vor allem verdient die wertvolle Arbeit von KAHLE (59) über die Pädogenese der Cecidomyiden Erwähnung. Hier ist es das linsenförmige Polplasma, das der chromophilen Substanz von Chiro- nomus homolog zu setzen ist; es gruppiert sich gerade um den ein- zigen Kern, der bei seinen spätern Teilungen den vollen Chromatin- bestand beibehält, während alle seine Schwesterkerne Diminutionen erfahren, der also der Urgeschlechtskern ist, wie auch die Verfol- gung seines spätern Schicksals beweist. Das Polplasma geht rest- los in die Uroogonie über und läßt sich in diesen bzw. deren Ab- kömmlingen durch die ganze Keimbahn hindurch verfolgen bis zu den Oocyten und zum jungen Ei zurück, bildet also eine vollkommene Kontinuität, einen geschlossenen Ring. Die Lage am hintern Pol des Fies und den Übertritt in die Polzellen, die allgemeine Kon- stitution und die Affinität zu Farbstoffen hat dieses Polplasma mit dem Keimbahnplasma von Chironomus gemein. — Auch schon Mrtscu- NIKOW (76) hat bei seiner Cecidomyide diese „dicke, dunkle Dotter- masse“ gesehen und ihre Aufnahme in die primäre Polzelle kon- statiert. Zweifellos homolog damit sind die von Noack (80) für Musca 560 Martin HasPper, vomitoria beschriebenen ,,Polscheibengranulationen“. Die hier ganz ähnlich wie bei Chironomus sich über das Hinterende des Kies er- streckende ,Kürnchenplatte“ erscheint auf dem Längsschnitt als dünne körnige Linie, die sich unter vorübergehender Bildung eines in den Dotter ragenden Plasmazapfens zu einem wolkigen Gebilde zu- sammenzieht, um schließlich der ganzen angrenzenden Blastemregion eine dunklere Tinktion zu verleihen. Auch hier die halbmondförmige Einhüllung der Geschlechtskerne. Auch bei Käfern findet sich dieser stete Begleiter der Keim- bahn. Von den neuern Bearbeitern der Chrysomeliden bringt aller- dings nur HEGNER genauere Angaben über diesen Punkt. WHEELER (117), L£cAıLLon (69), FRIEDERICHS (29) und HirscHLer (55, 56), deren Arbeiten früher oder wenigstens gleichzeitig und ohne Kennt- nis der Hecner’schen Untersuchung entstanden, haben etwas der- gleichen überhaupt nicht gesehen. HEsxer’s pole-dise aber zeigt eine frappante Übereinstimmung mit dem Keimbahnplasma von Chiro- nomus und den Polscheibengranulationen von Musca. HEGNER be- schreibt sie für ein unbefruchtetes Leptinotarsa-Ei — ganz ähnlich, wenn auch ziemlich variabel ist das entsprechende Gebilde bei Calligrapha — mit den Worten: „.... it occupies the innermost portion of the „Keimhautblastem“; its granules are grouped together in small masses giving the entire pole-disc the appearance of a broken strand. These granules are easily distinguished from the cytoplasm in which they are suspended, by their large size and susceptibility to various stains; they appear to be arranged around small vacuoles which vary in size in the different preparations examined, irrespec- tive of the age of the egg.“ Die Verfolgung der Granulationen setzte bei Eiern, die aus dem Oviduct herauspräpariert wurden, ein und endete (den Zeichnungen nach) etwa mit dem Wiedereintritt der Polzellen. Einen wesentlich andern Standpunkt bezüglich der Herkunft und Bedeutung der pole-disc vertritt Wireman (119) in einer kurzen Mitteilung, indem er die Polscheibe als letzten Rest des von den Nährzellen stammenden, der wachsenden Ovocyte durch den Ei- strang zugeführten Nährmaterials auffaßt, dessen größter Teil in Dotter verwandelt wurde, also jedenfalls nicht als spezifische Keim- bahnsubstanz. Auch soll die Polscheibe keineswegs ganz von den Genitalzellen aufgenommen werden, ein Ergebnis, das in so auf- fallendem Widerspruch zu allen andern einschlägigen Arbeiten steht, daß es wohl einer Nachprüfung bedarf. Geschlechtsorgane von Chironomus. 561 Endlich gehören hierher noch die Befunde, die von SıLvESTRI (103—105) an einer Reihe von parasitischen Hymenopteren aus der Familie der Pteromalinen gewonnen wurden. Die größte Überein- stimmung mit den bei Dipteren obwaltenden Verhältnissen weist unter den von dem genannten Verfasser studierten ungemein inter- essanten Formen wohl Oophthora semblidis auf (vgl. 105, fig. 33, 3, wo sich 2 mit dem ,Nucleolo“ vergesellschaftete Genitalkerne in noch gemeinschaftlichem Protoplasma nach Art der Polzellen von der noch im Ei zerstreuten Masse der somatischen Furchungskerne gesondert haben). Für Oophthora ist auch der Nachweis der sexuellen Natur dieser Gebilde am besten durchgeführt. In jungen Ovarial- eiern von Ageniaspis fuscicollis und Encyrtus aphidivorus liegt dieser die Rolle der Keimzelldeterminante spielende (105, p. 53), auf dem Schnitt kreisförmige und bei geeigneter Färbung Körnchen zeigende „Nucleolus“ weit entfernt vom Eikern und diesem gerade gegenüber am hintern Pol des Eies, den Abbildungen nach bald mehr bald weniger tief im Dotter versenkt. Auch bei ÆEncyrtus determiniert diese Substanz unter Auflösung im Plasma eine Anzahl von im Pol gelegener Zellen zu Germinalzellen; bei Ageniaspis geschieht dies sogar schon auf dem Zweizellenstadium mit der dem Nucleolus gerade benachbarten Blastomere: „Nell’ Æncyrtus aphidivorus il nucleolo dell’ ovo resta immutato al polo posteriore dell’ovo stesso fino all’ultimo periodo della segmentazione, poi passa al protoplasma di due, quattro etc. cellule della parte posteriore dell’ovo, che si moltiplicano in seguite più lentamente delle altre e daranno origine alle cellule germinali; mentre nell’ Litomastix e nell’ Ageniaspis il nucleolo dell’ ovo passa ad una delle prime due cellule de segmentazione. Quindi mentre in quest’ ultime specie gia dopo la prima divisione di seg- mentazione si ha distinta una cellula germinale da una somatica, nell’ Encyrtus soltanto alla fine della segmentazione avviene la di- stinzione tra cellule somatiche e cellule germinali“ (105, p. 71). Die Verfolgung der durch den Nucleolus gekennzeichneten Blastomeren bis zum Übergang in die Elemente der jungen Geschlechtsdrüse wurde nur bei Oophthora lückenlos durchgeführt; auch ist bei Litomastix die bei den Teilungsschritten I—II und II—IV den Nucleolus auf- nehmende Zelle keine reine Urgeschlechtszelle, sondern spaltet. noch somatische Bestandteile ab. Erst auf dem Vierzellenstadium erfolgt die auch äußerlich in der Zerstreuung der Substanz im Plasma in stark färbbaren dicken Körnern sich kundgebende Aktivierung, was dann auch sofort die bezeichnende Verzögerung des Vermehrungs- Zool. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. 37 562 Marvin Hasper, prozesses des betreffenden Kernes im Gefolge hat, die durch die fige. 19, 21, 22 usw. für die verschiedenen Teilungsphasen illustriert wird. Die Übereinstimmung des Nucleolus der parasitischen Hymeno- pteren mit dem Keimbahnplasma der Dipteren und Coleopteren in ihren morphologischen und physiologischen Eigenschaften ist also unverkennbar. Für Litomastix truncatellus (103) will SILvestrı die nucleäre Herkunft des „nucleolo plasmatico“ festgestellt haben; bei Prospalta berlesei hat er ein entsprechendes Gebilde nicht gefunden. Sehr bemerkenswert ist es, daß (vorerst nur in vorläufigen Mit- teilungen) die Existenz einer morphologisch nachweisbaren Keimzell- determinante auch noch von einer ganz andern Stelle im Tierreich be- richtet wird: ELPATIEwSKY hat (23) bei Sagitta vom Zeitpunkt der Ver- schmelzung des männlichen und weiblichen Vorkernes an eine „Partie von grobkörnigem Plasma, die sich mit Kernfarbstoffen färben läßt, aber nicht so intensiv wie die eigentliche Chromatinsubstanz“, gefunden. Gleichzeitig hat auch Bucaxer (13) eine Mitteilung veröffentlicht, die im wesentlichen die Angaben EKnpariewsky’s bestätigt, in der Her- leitung des fraglichen Gebildes von einem dem Epithel des Ovars auf- liegenden „Netz“ durch Vermittlung einer epithelialen „Strangzelle“ freilich stark abweicht. Danach wäre die Keimzelldeterminante in diesem Fall nichts anderes als der mit den Erscheinungen der Hyper- chromasie degenerierende (mit der Substanz jenes Netzes beladene ?) Kern einer Epithelzelle. Dieser „besondere Körper“, wie ihn ELPATIEwWSKY vorläufig nennt, wird während der 5 folgenden Furchungs- teilungen immer in eine Furchungskugel aufgenommen, in der er unter allmählicher Auflösung eine Verspätung der Teilungsphasen bewirkt, die sich in abgeschwächtem Maße auch noch in den Tochter- zellen geltend macht, die keinen Anteil des besondern Körpers er- halten haben. „Das Blastomer, das aus der fünften Furchungsteilung hervorgegangen ist und den besondern Körper enthält, ist nichts anderes als die erste Urgeschlechtszelle.“ Seine figg. 11 und 12 zeigen bezüglich der Anordnung der Keimzelldeterminante um die verspätete Spindel herum eine unverkennbare Ähnlichkeit mit denen von Insecten. !) Der Verfasser versäumt nicht, eine ganze Reihe von Angaben 1) N. M. STEVENS (Further studies on reproduction in Sagitta, in: Journ. Morphol., Vol. 21, 1910, p. 279—302, 102 figg.) hat den „be- sonderen Körper“ erst von dem Stadium an gesehen, wo die beiden Pronuclei im Zentrum des Eies liegen, ihn aber auch noch in den primären Genitalzellen der Gastrulae beobachtet (vgl. p. 289 ff., 293 f., fig. 28—31, 33, 46—52). Geschlechtsorgane von Chironomus. 563 über besondere morphologisch kenntliche Bestandteile der Genital- zellen aus der Literatur zum Vergleich heranzuziehen, wobei er aber ebenso wie HEGNER Parallelen aufstellt, die einer kritischen Prüfung nicht standhalten. So spricht ELpATıEwsKY z. B. p. 237 von einer Determinierung der Urgeschlechtszellen durch aus dem Kern aus- tretendes Chromatin bei Ascaris [Bovert (9, 10)], ohne zu bedenken, daß sich dieses in den Ursomazellen findet, während es gerade in der Urgenitalzelle fehlt. — Die Beziehungen des Gzrarprna’schen Ringes (30) zu den übrigen Bestandteilen des Kernes, insbesondere den Chromosomen, sind noch viel zu wenig bekannt, als dab man sie im Sinne der beiden genannten Autoren verwerten könnte. Selbst der neueste Untersucher dieses Gegenstandes, DEBAISIEUX (20), ent- hält sich einer bestimmten Stellungnahme, und Boverr hat gezeigt (1904), daß man diesen Modus der Chromatindifferenzierung ebenso- gut mit den bei Nematoden obwaltenden Verhältnissen zusammen- halten kann, wenn man annimmt, „dab sich jedes chromatische In- dividuum des Kernes O, in 2 verschiedenwertige Bereiche spaltet, von denen fortan nur der eine an den mitotischen Vorgängen teil- nimmt, der andere besondere Wege einschlägt“ (p. 34). Höchstens hätte man vielleicht einige Berechtigung, die von HAECKER bei Cyclops gefundenen „Außenkörnchen“ (40—43) mit den Keimbahngranulationen der Dipteren, Coleopteren und Hymenopteren zu identifizieren. Zwei Erscheinungen sind bei Cyclops zu beobachten, „welche schon von den ersten Teilungen an den Weg der Keimbahn kennzeichnen: es ist dies die zunehmende, bei den Keimbahnzellen besonders hervortretende Verlangsamung der Teilungsgeschwindigkeit und ausserdem das einseitige Auftreten einer Körnchenansammlung in einer der Attraktionssphären der betreffenden Teilungsfiguren“. Eine Kontinuität dieser „Eetosomen“ (vgl. auch 42, fig. 75; 40, p. 564, fig. 11—19) konnte der Verfasser allerdings nicht feststellen (1 c. p. 24), und ihr jeweilen erneutes Auftreten beim Teilungsprozeb könnte den Verdacht einer Chromatinausstobung erwecken. Dann wäre immer die Schwesterzelle der Körnchenzelle Sexualzelle, und die soeben von der Keimbahn abgespaltene Zelle müßte eine regere Teilungstätigkeit aufweisen. Da dies aber nicht der Fall ist, sondern die Körnchenzelle selbst stets die stärkste Phasendifferenz zeigt (Gesetz der zunehmenden Phasendifferenz, 1. ec. p. 43), so muß man wohl dem Verfasser beistimmen, wenn er zu dem Ergebnis kommt: „die Körnchenzellen (d. h. die Körnchen produzierenden Zellen) stellen die Etappen der Keimbahn dar“. 37* 564 Martin Hasper, Vielleicht ist auch in manchen Fällen die dunkle Tinktion der Genitalzellen, die einigen Forschern deren erstes Auftreten verriet und weiterhin als Erkennungsmerkmal diente, einer Substanz zur Last zu legen, die dem Keimbahnplasma homolog ist, nur noch keinen geformten cytoplasmatischen Bestandteil bildet. Denn auch bei Miastor und Musca verteilt es sich schließlich so diffus im Zelleib, daß es sich nur noch durch dessen gleichmäßige Pigmentierung verrät. Im allgemeinen sind solche Parallelen aber mit großer Vorsicht zu ziehen; insbesondere darf man, wie schon oben angedeutet, die Keimzelldeterminante nicht mit dem bei dem Diminutionsprozeß aus- gestoßenen Chromatin verwechseln, wie das von seiten ELPATIEWSKY’S und HEGNER’S geschehen ist. A priori wäre es ja nicht ausgeschlossen, daß zwischen diesem bzw. dem entsprechenden im Kern verbleibenden Bestandteil der Sexualelemente und der Keimbahnsubstanz eine Homologie besteht. Dann wäre nur der Modus der Differenzierung verschieden, indem das eine Mal das spezifische Chromatin (Keim- zelldeterminante) bei jeder Teilung von vornherein nur dem einen Descendenten mitgegeben würde, das andere Mal beide Abkömmlinge dieses Erbe erhielten, das aber bei der nächsten Teilung durch Aus- stobung wieder entfernt würde (Somatisierung durch einen Dimi- nutionsprozeß). Bei dem ersten, sparsameren Modus wäre dann gewissermaßen zur Erleichterung der erbungleichen Teilung das spezifische Chromatin im Lauf der Phylogenese für immer (Miastor) oder für gewisse ontogenetische Stadien zeitweise (Hymenopteren, Dytiscus) aus dem Kern ausgetreten. Daß dem aber nicht so sein kann, das zeigen wiederum die Cecidomyiden, bei denen beide Er- scheinungen nebeneinander zu beobachten sind. Wir haben also allen Grund, zwischen dem Auftreten von Keimzelldeterminanten und dem Diminutionsprozeß scharf zu unterscheiden. Bei der Definierung der Keimbahnsubstanz ist neben ihren weniger wesentlichen Eigenschaften (Konstitution, Affinität zu Farb- stoffen) vor allem ihre ausschließliche Kontinuität in einer durch Übergang in die Gonade sich als Keimbahn dokumentierenden Zellen- folge festzuhalten. Viel mehr als einen Indikator der sexuellen Eigenschaften ihres Trägers dürfen wir vorläufig nicht in ihr er- blicken. Über ihr Wesen können auch Hrexer’s Versuche (44), die zeigen, daß eine operative Entfernung des Inhalts des hinteren Ei- pols mit einer Kastration gleichbedeutend ist, keinen AufschluB geben. Eine Bezeichnung wie „Keimplasma“, wie sie KAHLE an einer Stelle gebraucht, dürfte sich daher nicht empfehlen, da gar Geschlechtsorgane von Chironomus. 565 kein Anhaltspunkt vorliegt, daß diese Substanz Träger der spezifischen Arteigenschaften oder von Vererbungsqualitäten überhaupt ist. Für eine rein physiologische Beeinflussung des Stoffwechsels durch sie spricht vielmehr der Umstand, daß keinerlei Vorkehrungen für ihre gleiche Verteilung auf die Tochterzellen getroffen sind. Auch scheint in der Tat die Retardierung des Teilungsrhythmus an ihre Gegen- wart geknüpft zu sein; sie tritt erst auf, sobald der Kern in Be- ziehung zum Keimbahnplasma getreten ist, und klingt in den von diesem verlassenen Zellen allmählich wieder ab. Bloße Dotterelemente, wie Noack und WıEMmANn behaupten, die nur „das Wachstum am hintern Ende beschleunigen“ und dann den Polzellen als Nahrung dienen sollen, sind die Keimbahngranulationen aber gewiß auch nicht. II. Verfolgung der Urgenitalzellen durch die embryonale Entwicklung. 1. Bildung des Blastoderms — Dotterzellen und Paracyven. Während sich die aus dem Ei ausgetretenen Elemente ver- mehren, geht derselbe Prozeß, nur in weit lebhafterer Weise, auch an den zurückgebliebenen Zellen vor sich. Die Furchungskerne teilen sich mitsamt den sie umgebenden Plasmainseln in der üblichen Weise und erfüllen bald den ganzen Dotter in regelloser Zerstreuung. Diese Teilungen stehen unter der Herrschaft eines ausgeprägten Synchronismus. So mögen die 3 somatischen Urblastomeren etwa die 6. Descendenz geliefert haben, wenn eine allgemeine Expansions- tendenz einsetzt, die sich in einer Ausdehnung des Eikörpers bis wieder zu dem vom Chorion vorgeschriebenen Volum, im Empor- steigen der Blastomeren an die Oberfläche und dem bald folgenden Nachfluten des sekundären Blastems offenbart. Da alle Blastomeren zugleich von der zentrifugalen Bewegung ergriffen werden, erfolgt also das Einrücken in das Blastoderm zu verschiedenen Zeiten je nach der zufälligen Lage und Entfernung der einzelnen Furchungs- kerne Es kann noch eine Anzahl solcher tief im Dotter liegen, wenn andere bereits die Oberfläche erreicht haben oder die sie um- gebende Plasmamasse an der bei der Wanderung voranschreitenden Seite mit dem Blastem verschmolzen ist, so den Weg bezeichnend, den der Kern noch zurückzulegen hat (Fig. E). Es bleiben jedoch auch die erstern nicht zurück; auf nur wenige Minuten älteren 566 Martin Hasper, Stadien ist vielmehr im Dotter kein einziger Kern mehr aufzufinden, sie liegen alle in weiten, ihren Durchmesser um das Vielfache über- treffenden Abständen im Blastem und buchten die Oberfläche, soweit dies das Chorion erlaubt, besonders also nach den Polräumen zu, wellig vor. Pseudopodien, wie sie GRABER (31) beschreibt, habe ich nicht gesehen. Indem die anfänglich noch recht voluminösen Kerne Teilungen eingehen und sich durch Membranen gegeneinander ab- setzen, entsteht auf die von andern In- secten bekannte Weise ein kubisches Epithel, das Blastoderm. Nach innen zu ist dieses zunächst nicht scharf abgegrenzt: hier haben sich vielmehr die letzten Reste des im Dotter zurückgebliebenen Oo- plasmas in ziemlich mächtiger homogener Schicht als sekundäres Keimhautblastem (WEISMANN) angesammelt, das alsbald den schon vorhandenen Zellgrenzen ge- mäß aufgeteilt wird (Taf. 28 Fig. 6). Fig.7 zeigt eine Anzahl Blastodermzellen nach eben vollendeter Aufnahme dessekundären Blastems. Letzteres ist grobkörniger struiert als der ursprüngliche Zelleib, der durch die Teilungen offenbar stark in Anspruch genommen worden ist und als nur dünne Hülle die Kerne umgibt. Diese zeigen einen großen, schwach tingierten Nucleolus und zahlreiche in den Knotenpunkten eines Liningerüstes suspendierte Chromatinpartikel. Eine „Zwischendotterschicht“, wie sie Noack (80) für Musca beschreibt, tritt bei Chironomus nicht auf. Eine direkte Auf- en ns nahme von Dotterschollen durch die an das Keimhautblastem zur Bildung ihrer Basis unregelmäßig und zackig des Blastoflerms. konturierten Keimhautzellen findet über- haupt nicht statt. Dagegen sieht man bald nach Fertigstellung der Keimhaut Vitellophagen bei der Arbeit. Auch deren Tätigkeit besteht nur in der Secretion digerierender Stoffe, nicht in intracellulärer Verdauung. Sie schmiegen sich den Dotterkugeln eng an und umspannen sie, soweit das bei ihrer CUS RS Fig. E. Geschlechtsorgane von Chironomus. 567 Kleinheit möglich ist, mit ihren Pseudopodien. Ihre Wirkung äußert sich an den Dotterkugeln in einem Undeutlichwerden der Begren- zung und Zerfließen zu einem gelben, mit Osmiumsäure sich nicht mehr schwärzenden Brei (auf den Figuren mit d! bezeichnet). In- einanderfließende, halbverdaute Dottermassen werden von ihnen häufig mit einer dünnen plasmatischen Lamelle überzogen (Taf. 29 Fig. 16, 17), und auf diese Weise kommt es dort, wo sich zwischen Kopf und Hinter- ende an der Dorsalseite der Dotterbrei in einer großen Blase an- sammelt, geradezu zur Bildung eines provisorischen Mitteldarmepithels, worauf ich unten noch einmal zurückzukommen habe (Fig. 18 dz). Es sei an dieser Stelle gleich noch anderer Gebilde gedacht, die sich von einem bestimmten Stadium an auch im Dotter vorfinden (Taf. 30 Fig. 26 par). Spärliches, dunkles, an der Peripherie mit flachen Einbuchtungen versehenes Plasma umgibt einen hellen Kern, in dessen Mitte das Chromatin zu einem abgerundeten, dunkel tingierten Klumpen ohne erkennbare Struktur zusammengeballt ist, der somit alle Zeichen der Degeneration aufweist. Man begegnet diesen Ge- bilden schon zu der Zeit, wenn die Aufnahme des sekundären Blastems noch nicht beendet ist. Über ihre Herkunft und Bedeutung kann ich nichts aussagen. Sie sind wohl mit den Paracyten der Autoren zu identifizieren. Schließlich seien noch zerfallende zellige Elemente erwähnt, charakterisiert durch ihren abgerundeten Kern, kaum noch färbbaren Zelleib und das ebenfalls zu einer homogenen Masse zusammen- geflossene Chromatin (Fig. 26 degz). Sie treten meist da auf, wo sich eine rege Teilungstätigkeit abspielt. Man sieht sie auf Fig. 13 (Taf. 29) am wachsenden Ende des dorsalen Keimstreifs, auf Fig. 16 im ventralen Nervensystem und im Proctodäum. 2. Wiedereintritt der Polzellen — Anlage des Keimstreifs. Wie oben erwähnt, hat die Bildung der Urgeschlechtszellen mit der vierten Teilung des Genitalmutterkernes einen vorläufigen Ab- schluß erreicht. Doch gehen mit ihnen während der nun folgenden Passivitätsperiode wichtige Lageveränderungen vor sich, die mit ihrer Wiedereinbeziehung in das sich ausgestaltende Soma anheben. Durch die zu Beginn der Blastodermbildung einsetzende Ausdehnung werden die Polräume so verengt, daß die Polzellen dicht an die Oberfläche gedrückt werden, diese einbuchten und sich schließlich zwischen die noch niedern Keimhautzellen eindrängen, die seitwärts 568 Martin HAsrer, auseinanderweichen (Taf. 28 Fig. 6). Die Rückwanderung beginnt an derselben Stelle, an der auch der Austritt erfolgte, also genau am hintern Ende des Eies und zwar bereits während der Aufnahme des sekundären Blastems, das dem Einbruch einigen Widerstand ent- gegensetzt. Es trennt die Keimzellen noch vom Dotter, wenn die Blastodermzellen schon auseinandergewichen sind, wird aber niemals von erstern aufgenommen, sondern spannt sich als immer dünner werdendes Häutchen über den vorgewölbten Zellhaufen, um schließ- lich zu zerreißen und sich seitwärts zurückzuziehen. Pseudopodienbildung, wie sie von HEGxER (45) für Chrysomeliden beschrieben wird, habe ich nie beobachtet. Die Wanderung erfolgt entweder unter Vorantritt einer Zelle oder in breiter Front, so daß sich die verschiedensten Ansichten auf Längsschnitten ergeben. Vor- übergehend erscheinen die Genitalzellen also dem Verband der Blastodermzellen eingefügt, lassen sich aber von diesen durch ihre überragende Größe stets leicht unterscheiden. — Über dem versinken- den Geschlechtsorgan schließen die die Eingangspforte flankieren- den Blastodermzellen zusammen (Fig. 8), indem sie sich mit ihren peripheren Enden in den entstehenden Spaltraum hineinzwängen. Eine Immigration von Keimhautelementen in den Dotter findet im Anschluß an den Eintritt der Polzellen am Hinterende des Chi- ronomus-Eies nicht statt, ebensowenig wie ein Eindrücken des Blasto- derms, wie man es nach Bausrant's Schilderung (4) vermuten möchte. Die Urgeschlechtszellen gelangen also auf diese Weise an die Ober- fläche des Dotters, werden aber wie bei den Cecidomyiden [Kante (59)] gegen diesen schon eine kleine Strecke dorsal verschoben, während sie noch im Blastoderm stecken. Das wird durch starkes Wachstum der Keimhautzellen in ihrer unmittelbaren Umgebung bewirkt. Die entstehende Blastodermverdickung stellt die erste Anlage des hintern Keimstreifenabschnitts dar, Weısmann’s Schwanzwulst. Indem auf der Dorsalseite zunächst immer neue Zellen in diesen Wachstums- prozeB einbezogen werden und dann rege Zellteilungen neues Ma- terial liefern, nimmt der Schwanzwulst eine immer größere Strecke der konvexen Seite ein: die Genitalzellen liegen währenddessen immer dem caudalen Ende auf (Taf. 29 Fig. 13). Die soeben geschilderten Vorgänge sind zu verschiedenen Malen als Gastrulationsprozeß gedeutet worden. Schon Wizz (121) faßt die entsprechende Lücke im Blastoderm der Aphiden als Blasto- porus auf, von dessen syncytialem Rand Entodermzellen sich los- lösen. Auch die Muscidenentwicklung ist als Stütze für diesen Stand- Geschlechtsorgane von Chironomus. 569 punkt herangezogen worden. Durch den Druck der Polzellen soll nach VOELTZKOw (110) ein Plasmazapfen mit verdrängten Blastodermzellen entstehen [nicht so GRABER (33), BLocHMaNx (7), KOWALEWSKY (64)], und in etwas andrer Weise bringt Noack, dessen Untersuchungen wohl am genauesten sind, die unter den Polzellen einwandernden Dotterzellen (80, p. 13ff) mit der später an derselben Stelle erfolgenden Invagi- nation der hintern Entodermanlage in Verbindung (I. c., p. 45), ohne freilich zu bedenken, daß er auf diese Weise einen prinzipiellen Unterschied zwischen vorderer und hinterer Mitteldarmanlage kon- struiert. Auch Hrymons (54, p. 21) kommt auf Grund vergleichen- der Studien zu dem Resultat: „Der hintere Eipol des Muscideneies . entspricht dem vegetativen Pol des Scolopendereies, und diese Stelle, an der bei den Musciden die Immigration des Entoderms sich wahrscheinlich vollzieht, hat man also auch mit dem Blastoporus anderer Tiere zu vergleichen“. — Ähnlich die Auffassung Uzer’s (109). — In seiner Arbeit über die Entwicklung von Donacia (29) spricht FRIEDERICHS, obwohl er keine Vitellophagen dort gefunden hat, von einem durch die Genitalzellen verstopften Blastoporus, während HEGNER (45) die ,,pseudo-blastodermic nuclei“, die er in der plasma- tischen Ansammlung am hintern Pol gesehen hat, für Furchungskerne hält, die wegen der besondern an dieser Stelle obwaltenden Umstände nicht zu ihrer Bestimmung gelangt sind (p. 264). Auch Kane (59) fühlt sich durch die mit Vitellophagenbildung verbundene Immigration der Uroogonien von Meastor an einen Invaginationsprozeß erinnert. Demgegenüber ist nun hervorzuheben, dab Chironomus für diese Anschauung keinerlei Stützpunkte darbietet: eine forcierte Einwan- derung von Dotterzellen im Verein mit der Genitalanlage habe ich hier nicht beobachten können. Der Effekt des ganzen Prozesses ist hier also lediglich ein Ortswechsel der Sexualzellen, aber nicht die geringste Differenzierung, die man von einem Gastrulationsprozeb doch vor allem erwarten sollte. Das Blastoderm bleibt der Komplex von Primitivanlagen, der es vorher war. Doch ist eine endgültige Entscheidung über diesen Punkt nicht zu treffen, solange nicht größeres Vergleichsmaterial vorliegt, das uns ermöglicht, die zur Be- obachtung gelangenden Vorgänge in ihre konstitutiven palingenetischen und ihre rein mechanischen cänogenetischen Faktoren zu analysieren.') In etwas anderer Weise hat Barzıant (4) auf seiner fig. 13 eine invagination blastodermique als Hohlzylinder abgebildet. Schnitte 1) Vgl. auch S. 597. 570 Martin HASPER, wie der in Fig. 10 (Taf. 28) wiedergegebene lassen es aber unzweifel- haft erscheinen, daß hier diesem exakten Beobachter eine Verwechs- lung mit der frühen Anlage des Schwanzwulstes vorgekommen ist. 3, Wanderung der Genitalzellen — Differenzierung und Entfaltung der Keimblätter. Nachdem wir die Urgenitalzellen auf ihrer extrasomatischen Bahn begleitet und sie verfolgt haben, bis sie wieder in das Innere des Eies hineingelangt sind, liegt uns noch die Aufgabe ob zu be- weisen, daß die Geschlechtsdrüse aus ihnen hervorgeht. Dazu ist aber wieder ein beträchtlicher Ortswechsel erforderlich; denn die Germinalzellen liegen vorläufig noch am Schwanzende des jungen Keimstreifs ziemlich regellos auf dem Dotter, die Keimdrüse aber, die sie aufbauen sollen, findet sich später an ganz bestimmter Stelle der Cölomwandung eines ganz bestimmten Segments. Es sind mehrfach bei der Bearbeitung der Entwicklungsge- schichte von Arthropoden Zellen gesehen worden, die sich schon auf Stadien, in denen sonst noch keinerlei histologische Differenzierung angedeutet oder die räumlichen Verschiebungen des embryonalen Materials zur Herstellung der definitiven Lagebeziehungen der Organ- anlagen noch gar nicht eingeleitet waren, durch mancherlei struk- turelle Eigentümlichkeiten auszeichneten, und man war geneigt, ihnen auf Grund ihres singulären Verhaltens einen sexuellen Charakter zu vindizieren. Da sie aber ihre Wanderung durch das Labyrinth des sich mehr und mehr komplizierenden Somas mit den verschiedensten histologischen Gebilden zusammenbrachte, ist es häufig recht schwierig, ja sogar unmöglich gewesen, sie dabei nicht aus dem Auge zu ver- lieren [z. B. Noack bei Musca, Sauına bei Tenebrio (92), Hzymons bei Phyllodromia germanica und Gryllus domesticus (51). Der ver- langte Nachweis ist bis jetzt erst geführt für einige Chrysomeliden von LÉCAILLON (69), HIRSCHLER (56) und HEGNER (45), für Oophthora von SILVESTRI (105) und für Miastor von Kaxze (59). Für Chiro- nomus soll er an der Hand einer allgemeinen Betrachtung der Ent- wicklungsvorgänge im Folgenden erbracht werden. I. Periode: Bis zur maximalen Streckung des Keimstreifs — Anlage der Organsysteme. a) Keimstreif — Mesoderm — Embryonalhüllen. Keimstreif. Der Keimstreif wird bei Chironomus nicht als einheitliches Gebilde angelegt, sondern weist von vornherein eine Geschlechtsorgane von Chironomus. 571 Dreiteilung auf in eine Kopf-, Bauch- und Schwanzregion. Der ven- trale Teil nimmt die konvexe Seite des Eies in Anspruch, während Kopf- und Schwanzabschnitt über beide Pole hinausgreifen und sich noch ein Stück über die gerade Seite erstrecken. Der Rest des Blastoderms auf der Dorsalseite geht überhaupt nicht in den defini- tiven Aufbau des Organismus über, sondern liefert die Serosa, die, wie schon GRABER (34) gezeigt hat, später amputiert und als Rücken- organ in den Dotter aufgenommen und verdaut wird. — Der ven- trale Keimstreif tritt schon früh als Verdickung des Blastoderms auf der konvexen Eiseite in die Erscheinung. Diese eilt in der Aufnahme des sekundären Blastems um ein geringes voraus, wo- durch offenbar günstigere Ernährungsbedingungen geschaffen werden. Auf Querschnitten durch Stadien, wo dieser Prozeß eben vollendet ist, zeichnen sich bereits die Zellen der Ventralseite durch ihre be- trächtlichere Höhe aus; dadurch ist die Anlage des ventralen Keim- streifs schon gegeben. Auch für Musca [Noack (80)] und Simulia [Merscunikow (76), p. 391f] wird angegeben, daß die Differenzie- rung des Blastoderms mit der Aufnahme des sekundären Blastems zusammenhängt. Es existiert sonach also eigentlich zu keiner Zeit eine absolut gleichmäßige Keimhaut, und man hat auf Grund dieser rein morphologischen Befunde den Eindruck, als stehe der schein- baren Monotonie des Blastoderms in Wirklichkeit eine frühe Lokali- sation dynamischer Potenzen gegenüber. Am Kopfende dokumentieren sich die lateralen Partien als Zentren einer regern Teilungstätigkeit (Fig. F) Am auffälligsten ist aber die hintere Region ausgebildet, der Schwanzwulst (Weıs- MANN). Wir haben schon bei Betrachtung der Rückwanderung der Polzellen gesehen, daß sie noch während dieses Aktes dorsal ver- schoben werden unter gleichzeitigem Längenwachstum der Zellen inihrer Umgebung. Indem sich dieser ganze Komplex rasch wulstartig hervorhebt, trennt er sich scharf von der Serosa ab. Aber auch nach dem ventralen Schenkel des Keimstreifs zu findet kein allmäh- licher Übergang statt. Hier sind vielmehr eine Reihe niedriger, fast kubischer Elemente eingeschoben, die auch später bei der Bil- dung des Mesoderms bedeutend nachhinken (Taf.28 Fig.9, 11, 12 dbz). Im Gefolge der weitern Ereignisse wird diese Grenze allerdings bald verwischt, so daß eine genaue Verfolgung des Schicksals des Schwanz- wulstes in scharfer Trennung von den übrigen Teilen des Keim- streifens nicht möglich ist. [Nach Scumipr (95) wird der Keim- streif der Musciden „durch allmähliche Vereinigung zweier geson- 572 _ Martin Hasprr, derter Anlagen gebildet“. — Vgl. auch Herper’s „Keimhügel“ (46, p. 20, fig. 3a, 3b, 53, 54) und Escherıcha (24, p. 310, 335)]. Soviel aber ist gewiß, daß bei der Streckung der Embryonalanlage über die Dorsalseite hinweg gerade das caudale Ende des Schwanzwulstes der Schauplatz regster Tätigkeit ist, wie die zahlreichen Teilungs- figuren an dieser Stelle und die lebhafte Auswanderung von Para- cyten in den Dotter beweisen. Zur Illustration dieser Verhältnisse diene Fig. 13 (Taf. 29). Wir sehen hier auch die Genitalzellen dem Schwanzwulst aufliegen, ohne daß freilich ein innigerer Konnex zwischen beiden Gebilden bestände. Einzelne Geschlechtszellen sind Fig. F. Querschnitt durch den Kopf- abschnitt einer Embryonalanlage bei Beginn der Mesodermbildung in der Bauchregion des Keimstreifs (Fig. H). Fig. G. Bildung des Schwanzwulstes von Chironomus sp.? sogar ziemlich tief zwischen die Dotterkugeln eingedrungen und haben ihren Kontur deren Rundung angepaßt. Das Fehlen von Pseudo- podien und die Analogie mit den Fällen, wo die Polzellen während dieser Entwicklungsperiode dem Schwanzwulst noch von außen auf- liegen (Musca, Coleopteren) weisen darauf hin, daß die Genitalzellen keinen Ortswechsel relativ zum Keimstreif erlitten haben, sondern mit diesem passiv transportiert worden sind. Ihre Lage kann also als Merkmal bei der Orientierung im Keimstreif dienen, und alles Zellenmaterial, das wir auf Fig. 13 in so lebhafter Tätigkeit sehen und das vor allem auch das später hakenförmig in den Dotter ein- Geschlechtsorgane von Chironomus. 573 gekriimmte Ende des Germinalbandes liefert, gehört dem Schwanz- wulst an. Alle Organanlagen, die aus diesem Bereich hervorgehen — das Amnion, das Proctodäum mitsamt seinen Annexen, MAr- pısHT’schen Gefäßen und hinterm Entoderm, und das Ectoderm in seiner Umgebung mit allen seinen Derivaten — müssen also potentia bereits im Schwanzwulst enthalten sein. Dieser stellt daher eine hoch- komplexe Primitivanlage dar. Ich kann Noack nicht beipflichten, der das zweifellose Homologon des Schwanzwulstes bei Musca vomi- toria von vornherein schlechtweg als „hintere Entodermanlage“ be- zeichnet. Dab aus diesem gemeinsamen Mutterboden zum mindesten noch die zwischen dem hintern Entoderm und dem unverdickten Be- zirk der dorsalen Keimhaut liegenden Organanlagen, vor allem die dorsale Auskleidung der Amnionhöhle und der Proctodäums hervor- gehen, lehrt schon ein Blick auf seine fige. 40—43, 50. Auch gibt Escherich (24) an, daß ein Teil dieser „Schwanzregion“, ganz wie die übrigen Teile des Keimstreifs auch, zur Mesodermbildung schreitet. Allerdings scheinen hier alle übrigen Anlagen hinter der des Entoderms zurückzustehen, weil auch bei der Larve das ganze letzte Abdomi- nalsegment stark rückgebildet ist, während bei Chironomus gerade dieses einige wichtige physiologische Funktionen übernommen hat, die der Locomotion und der Atmung, für die in den hintern After- füben und in den Atemschläuchen recht umfangreiche Organe vor- gesehen sind. Ich neige also der Ansicht zu, daß die starke Ausbildung des Schwanzwulstes so zustande gekommen ist, daß die physiologischen Funktionen, die insbesondere das 9. Hinterleibssegment übernommen hat, cänogenetisch auf frühe Stufen in der Embryogenese zurück- projiziert wurden, kann also GRABER’s (32) Interpretation der Trimerie des Insectenkeimstreifs als Ausdruck besonderer „Gliederungszu- stände der Vorfahren“ wenigstens nicht in vollem Umfang anerkennen. Wie das Wachstum einzelner Blastodermpartien mit der Er- nährung zusammenhängt, zeigt Fig. G, die nach einer nicht bestimmten, zufällig mit geschnittenen Species angefertigt ist. Man sieht die Propagationszellen zwischen den Zellen des Schwanzwulstes liegen. Diese zeigen auf eine beträchtliche Erstreckung hin von beiden Seiten (der Schnitt ist frontal geführt) eine auffallende Konvergenz nach einer sich allmählich im Dotter verlierenden protoplasmatischen Ansammlung mit einigen chromatinarmen Kernen. Die Struktur der stark gestreckten proximalen Teile der Zellen desSchwanzwulstes weist unzweideutig aufeine Nahrungsaufnahme hin. — Die bei der Blasto- kinese wirksamen Kräfte äußern sich also in erster Linie als 574 Marrın HASPER, Wachstumserscheinungen, nicht in einer Zusammenziehung der Zellen um bestimmte Zentren; denn ihre Zahl beträgt während der Zeit der Keimstreifbildung ziemlich konstant 55—65 auf dem Umfang eines Sagittalschnittes. Mesoderm. Wie der Keimstreif nicht als einheitliches Ganzes angelegt wird, so verfolgen seine Teile anfänglich auch in der weitern Ausgestaltung ihre eignen Wege. Das gilt auch für die Mesoderm- bildung, die bereits anhebt, wenn der Schwanzwulst erst eine kleine Partie der Dorsalseite bedeckt. Sie verläuft nach dem üblichen | Modus der Einfaltung; doch wird der Faltungsprozeß sehr bald ver- Mesodermbildung in der Bauchregion. wischt und zum Teil durch Wucherung und Einwanderung ersetzt. So kommt es, daß man es hier nicht mit wohldefinierten Zellen- lamellen zu tun hat, deren scharf gegliederte Bereiche schon den Stempel ihrer spätern Bestimmung tragen, sondern mit mehr oder weniger homogen erscheinenden und schwierig zu analysierenden Komplexen von scheinbar unregelmäßigem Gefüge, eine Tatsache, die vielleicht mit der relativen Zellenarmut und damit Hand in Hand gehenden starken Individuation der einzelnen Zellelemente zusammen- hängt (vgl. Hymenopteren). Eine typische Rinnenbildung auf der Ventralseite zeigt Fig. H. Nur etwa 5—7 Zellen sind es, die sich fächerartig nach innen vor- wölben. Rechts und links von ihnen hat sich der Keimstreif zu den das Ectoderm repräsentierenden Seitenplatten verdickt, dorsal all- mählich in die spindelförmig verflachten Zellen der Serosa über- Geschlechtsorgane von Chironomus. 575 gehend. Im Innern sieht man eine Dotterzelle. Der Schnitt ist etwa äquatorial geführt. Verfolgt man die Furche nach dem Kopf zu, so bemerkt man, daß sie sich bald verflacht. Ein Schnitt, der aus der Gegend entnommen ist, wo auf der Rückenseite der Kopf- abschnitt endet, der also auch hier ein erhöhtes Epithel aufweist, während lateral die schon erwähnten regen Zellteilungen zum Auf- bau der Seitenplatten des Kopfes stattfinden, zeigt auf der verdickten Ventralseite noch keine Spur der Mesodermfurche (Fig. F). Ganz ebenso klingt diese nach hinten zu allmählich aus. Auf Fig. 11 (Taf. 28), die derselben Schnittserie entnommen ist, ist der ventrale Keimstreif sogar völlig verschwunden; wir sind im Bereich der zwischen diesen und dem Schwanzwulst eingeschalteten kubischen Elemente (Fig. 11 #bz) (cf. EscHERICH 24, fig. 48 und 49; Noack 80, fig. 52c und d). Da- gegen läßt die Schwanzregion hier eine Gliederung in Mittelplatte und Seitenplatten erkennen. Über den Grad der Anteilnahme dieser Mittelplatte an der Mesodermbildung wage ich angesichts der Un- möglichkeit einer scharfen Abgrenzung der verschiedenen Zellterri- torien keine bestimmte Aussage zu machen. Daß aber eine solche Anteilnahme stattfindet, lassen mir spätere Stadien unzweifelhaft erscheinen, wo sich Mesoderm in einem Bereich des Keimstreifs findet, der nach dem oben geschilderten Wachstumsmodus nur aus dem Schwanzwulst hervorgegangen sein kann. Bei dem Mangel eines lange persistierenden Polzellenkanals und der Größe der Pol- zellen ist eine Orientierung am Chironomus-Embryo noch schwieriger als bei Musciden, bei denen gerade diese Zusammenhänge die ver- schiedensten Deutungen erfahren haben. — EscHErıcH (24) behauptet eine Beteiligung der Schwanzregion an der Mesodermbildung, Noack (80) leugnet sie überhaupt. Im weitern Verlauf des Differenzierungsprozesses des untern Blattes schließen sich die Seitenplatten zur Bildung eines kontinuier- lichen Ectoderms über den nach innen gedrängten Zellen zusammen, die nun eine kompakte Lage in der Mediane des Keimstreifs dar- stellen, wie Fig. J zeigt. Im Kopfabschnitt hat zu dieser Zeit die Mesodermbildung durch Immigration begonnen. Nur 21/, Stunden älter ist das der Fig. 14 (Taf. 29) zugrundeliegende Objekt, wo die Mesoderm- bildung im Kopfkeim schon bedeutend fortgeschritten ist und die mesodermalen Zellen des auf der Dorsalseite getroffenen hintern Endes des Keimstreifs schon zu den Genitalzellen in Beziehung ge- treten sind. Fig. 16 und Fig. Ke endlich zeigen, wie das Mesoderm durch die Anlage des Nervensystems in 2 seitlichen Streifen ausein- 576 Martin HASPER, andergedrängt worden ist. Diese bieten aber noch denselben un- gegliederten Anblick wie der mediane Mesodermstreif dar. Was auch an den Schnitten durch die Abdominalregion vor allem auffällt, ist der gänzliche Mangel einer Cülombildung. Auch die letzten Spuren eines Spaltraumes sind verschwunden, eine Tatsache, die um so mehr auffallen muß, als das Cölom sonst innerhalb der Klasse der Insecten mit bemerkenswerter Konstanz sich behauptet hat. Wir haben es hier also offenbar mit stark abgeleiteten Ver- hältnissen zu tun. Einen schönen Übergang von dem gewohnten Schema zu dem Verhalten des Mesoderms bei Chironomus bildet Miastor (59), wo auch schon der eigentliche Hohlraum zu einem Spalt oder einer Linie zusammengeschrumpft ist, aber sich noch die radiäre Anordnung der Zellen in den Wandungen erhalten hat. — Auch für Musca werden von den Autoren keine Cölomhöhlen ange- geben. Embryonalhüllen. Entstehung und Schicksal der Embryonal- hüllen sind schon mehrfach behandelt worden. Zuerst hat wohl KÖLLıkEr (62) darüber berichtet; eingehende Beobachtungen hat dann wieder WersmAnn (112) auch über diesen Punkt angestellt. Die sich in seiner Darstellung findende Angabe von einem Reiben des stark verdünnten Teiles der Keimhaut zwischen Kopf- und Schwanzende des Keimstreifs ist von Kuprrer (65) berichtigt, das endgültige Schicksal von GRABER (34) klargestellt worden. Ich kann mich daher mit einem kurzen Hinweis auf die Figuren be- gnügen. Die erste Anlage der Embryonalhüllen tritt am hintern Ende schon sehr frühzeitig auf. Der Schwanzwulst hat das hintere Drittel der geraden Seite des Eies noch nicht überschritten, wenn sich die hintere Schwanzfalte zu erheben beginnt. Die Meinung Rırrkr’s, die hakenförmige Einkrümmung des Hinterendes des Keimstreifs sei „die direkte Veranlassung zur Bildung der Schwanzfalte“, dürfte also nicht zu Recht bestehen. Wie bei andern Insecten, so wird auch hier das äußere Blatt, die Serosa, von dem schon oben so be- nannten unverdickten Teil des Blastoderms auf der Dorsalseite ge- bildet, während das Amnion aus dem Keimstreif selbst hervorgeht. Rege Zellteilungen am hintern Ende des Schwanzwulstes liefern das Material. Auch in der der Anheftungsstelle benachbarten Gegend des Amnions finden sich noch Spindeln. Distalwärts platten sich die zunächst noch kubischen Zellen mehr und mehr ab, um schließlich ebenso wie die Zellen der Serosa zu einem äußerst dünnen, sehr Geschlechtsorgane von Chironomus. 577 Fig. J. Querschnittserie durch ein Ei im Stadium des dorsalen Wachstums des Keimstreifs. a durch die Kopfregion. Die Seitenlappen sind von der Amnionfalte noch nicht umwachsen; die Mesodermbildung beginnt. b durch den ventralen Schenkel des Keimstreifs etwas weiter hinten, zugleich durch das Ende des dorsalen Schenkels mit aufliegenden Genitalzellen. Amnion nur dorsal geschlossen. c durch den hintern Teil des Eies. Zool. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. 38 578 Martin HASPER, verletzlichen Häutchen ausgezogen zu werden, das nur hier und da durch einen flachen Kern mit wenigen Chromatinkörnchen und einer geringen Plasmaansammlung linsenförmig aufgetrieben ist. — Die hintere Amnionfalte hat schon den hintern Pol des Eies erreicht, wenn die vordere angelegt wird. Ihre Bildung ist von WEISMANN (1. c., p. 118f.) beschrieben. Die Schnitte der Serie Fig. J zeigen, wie sich eben die Kopffalte zu beiden Seiten des Kopfes erhebt, während der dorsale Schenkel des Keimstreifs bereits völlig um- wachsen ist, und auf Fig. 14 (Taf. 29) ist auch ventral die Ver- schmelzung vollzogen. b) Stomodäum und Proctodäum — Entoderm. Stomodäum und Proctodäum. Durch das ventrale Wachs- tum der vordern Amnionfalte ist, wie dies Weismann beschrieben hat, der mediane Teil des Kopfkeimes von der Dorsalseite abgerollt worden, so daß der Keimstreif nun nur noch bis zum vordern Eipol reicht. In den so entstandenen Spalt zwischen den beiden stark verdickten Seitenplatten hat sich das Hinterende des Keimstreifs eingeschoben, so daß die eigentümlichen Querschnittbilder entstehen, wie sie Fig. 14 (Taf. 29) zeigt. In der Mittellinie der Bauchseite sehen wir noch die Mesodermbildung (mes) in vollem Gang. Von da aus greift das mächtig entwickelte Ectoderm (kspl) spangenartig auf die beiden Lateralseiten über, durch die Umknickung an den Rändern die Be- teiligung an der Bildung des zunächst noch aus hohen Zellen gebildeten Amnion (am) zeigend, das bereits im ganzen Umkreis zum Verschluß ge- kommen ist. Gegen diese kräftig entwickelten Epithelien erscheint der Querschnitt des dorsalen Schenkels (dkstr) nur klein. Dieser hat sich so zwischen den Seitenplatten vorgeschoben, daß nur in zwei eng be- grenzten Streifen der Dotter noch bis an die Oberfläche reicht und nur ein schmaler Spalt die Verbindung mit dem zentralen Dotter aufrecht erhält. Nur wenige Zellen deuten noch das Mesoderm (mes) an. Dagegen springen 3 Gruppen von Genitalzellen (gz) stark in die Augen, die also noch in ihrer alten Position am Ende des Schwanz- wulstes verharren, durch dessen Orientierung zum Kopfabschnitt aber den Seitenplatten dieses letztern auf unserer Figur räumlich fast mehr genähert erscheinen als ihrem eigentlichen Substrat. Gehen wir in einer Querschnittserie dieses Alters noch weiter nach vorn (Fig. Kb), so bemerken wir, wie sich die Amnion- höhle auf der Dorsalseite allmählich erweitert, und da sich außer- dem der Querschnitt des Keimstreifs selbst besonders in der Mitte Geschlechtsorgane von Chironomus. 579 Fig. K. Querschnittserie durch einen Embryo von Chironomus riparius?, der etwa so alt war als der der Fig. 16 (Taf. 29) zugrunde liegende. a Anlage des Stomodäums. b Ventral ist die Gnathalregion, dorsal der in den Dotter versenkte Teil der Amnionhöhle getroffen. c Abdominalregion. 38* 580 Marrın Hasper, noch verbreitert, so verdrängt er immer mehr den zentralen Dotter und füllt schließlich einen beträchtlichen Teil des Zwischenraums zwischen den beiden Seitenplatten des Kopfes aus. Indem das Längenwachstum des dorsalen Schenkels noch andauerte, wurde er nämlich gezwungen, sich schließlich senkrecht zu seiner bisherigen Richtung hakenförmig in den Dotter einzukrümmen, sein äußerstes Ende ist submers geworden. Besonders klar erscheinen diese Verhältnisse auf Längsschnitten. Fig. 15 (Taf. 29) läßt die starke Annäherung an die Kopfregion er- kennen (der Schnitt ist nicht genau sagittal geführt; die flügelförmigen Seitenplatten (kspl) sind tangential getroffen). Diese Figur zeigt auch. wie durch die Umbiegung des caudalen Endes die Genitalzellen aus ihrer bisherigen Lage allmählich verdrängt werden: sie werden umwachsen und geraten in den Winkel zwischen dem oberflächlichen und dem submersen Teil des Keimstreifs. Aber auch hier macht ihnen eine neue Organanlage den Platz streitig, das Proctodäum. Dieses ent- steht als Aussackung des Kctoderms etwa in der Mitte der sub- mersen Strecke. Hier sieht man, wie Fig. 19 (Taf. 30) zeigt, zuerst eine seichte, später mehr konische Höhlung (proct) sich bilden und dem- entsprechend einen Zapfen von Ectodermzellen in den Dotter hinein- wachsen, bei der augenblicklichen Orientierung in der Richtung auf das hintere Ende des Eies zu. Das Lumen des Proctodäums steht also senkrecht auf dem der Amnionhöhle und kann mit letzterer nicht verwechselt werden. Durch das beständige Wachstum dieses Zellenkegels werden die Genitalzellen vorwärts geschoben, zugleich aber auch nach beiden Seiten auseinandergedrängt. Sie bekommen dadurch eine Orientierung zum Darmkanal, wie sie auch noch die spätere Geschlechtsdrüse bewahrt, nämlich zu beiden Seiten des vordern Endes des Proctodäums, da wo dieses in den Mitteldarm übergeht. Wie damit die Geschlechtsanlage paarig geworden ist, veranschaulicht Fig. 16 (Taf. 29). Etwa gleichzeitig mit dem Enddarm tritt auch das Stomodäum auf. Demselben Präparat wie Fig. 19 ist auch Fig. 21 (Taf. 30) ent- nommen, die vor allem deutlich zeigt, wie die Vorwölbung fächerförmig angeordneter Zellen, deren Kerne bereits Anzeichen einer lebhaften Tätigkeit tragen, das Mesoderm völlig durchbricht, so daß der Gipfel dieser Vorwölbung durchaus frei von mesodermalen Elementen ist und direkt mit dem Dotter in Berührung steht. Davor und da- hinter sind die Zellen des untern Blattes deutlich zu sehen. Es ist Geschlechtsorgane von Chironomus. 581 klar, daß solche Bilder von Bedeutung für die Frage nach der Ent- stehung des Mitteldarmepithels sind (vgl. auch Fig. Ka). Die hier gegebene Darstellung von der Entstehung des Procto- däums weicht von der Weısmann’s (112) und Rirrer’s (88) erheblich ab. Weısmann bringt die Bildung der Afteröffnung mit einer Spal- tung des Faltenblattes längs der Mittellinie des dorsalen Keimstreif- schenkels in Zusammenhang. Nur der verdickte Anfangsteil des Faltenblattes, der also mit dem Hinterende des Keimstreifs in den Dotter hinabgezogen worden ist, soll davon verschont bleiben, um an der Enddarmbildung zu partizipieren, und zwischen ihm und „dem umgeschlagenen Teil der Keimwülste (Rücken des 12. Segments)“ (p. 127) soll sich der After befinden. Ganz abgesehen davon, daß die Angabe von einer Spaltung des Faltenblattes auf einer Täuschung beruht, müßte nach dieser Darstellung der „umgeschlagene Teil der Keimwülste“ die ventrale Wandung des Proctodäums bilden, könnte also nicht zum „Rücken des 12. Segments“ werden. Was aber Weıs- MANN auf seiner fig. 22, tab. 8 mit schw' bezeichnet, ist wahrschein- lich gar nicht mehr Keimstreif, sondern Proctodäum. Wie Fig. 19 und Fig. 20 (Taf. 30) wenigstens für die hier bearbeitete Species beweisen, ist der Keimstreif als solcher nur um 90° gegen die Oberfläche des Eies eingestellt; die scheinbare Knickung um 180° entsteht erst da- durch, daß sich noch einmal senkrecht auf dieser Basis der End- ' darmzapfen erhebt. Rirrer (1 c., p. 418f) faßt den Enddarm als eine dorsal vom Amnion begrenzte Rinne auf der Außenseite des eingestülpten Ecto- derms auf, die sich von den Seiten her schließen soll, während der mit in die Tiefe gezogene Teil des Amnions „verschwindet“. Es er- hellt besonders aus Fig. 20, daß eine solche Auffassung nicht zu Recht besteht, insbesondere das Amnion nie an der Begrenzung des Enddarmlumens beteiligt ist. Der diesem Autor untergelaufene Irrtum wird wohl durch denselben Mangel an glücklich geführten Sagittalschnitten verschuldet sein, der auch in der Embryologie der Musciden in diesem schwierigen Punkt reichliche Verwirrung ange- richtet hat. Bürscaui (15) hatte das Enddarmlumen für eine direkte Fortsetzung des Mesodermrohres angesehen. Einen nicht sehr ab- weichenden Standpunkt nahm VOoELTZKow ein, indem er den End- darm „durch Auseinanderweichen der Ränder der [Keimstreif-|Rinne und Vertiefung oder Einstülpung in den Dotter“ entstehen ließ (110, p. 161) und ganz ähnlich den Vorderdarm „als Einstülpung vom vordern Teil des Keimstreifs aus und zwar als Vertiefung der Keim- 582 Martin Hasrer, streifrinne“. Erst GRABER (33) hat wenigstens für das Stomodäum richtig erkannt, „daß die Einstülpung und die Abschnürung des Ptychoblasts längst vollzogen ist, bevor das Stomodäum zur Anlage kommt“ (p. 279), und daß dieses nicht „aus einer primären Blasto- derminvagination, sondern aus einer sekundären oder ectodermalen Einstülpung“ (ibid.) entsteht, dab es also jedenfalls mit der Meso- dermbildung gar nichts zu tun hat; dagegen bleibt er, offenbar wegen der zeitlichen Konkordanz der beiden ganz verschiedenartigen Vor- eänge, bezüglich des Proctodäums in dem alten Irrtum befangen, daß es „nur der allmählich sich verbreiternde und sich vertiefende End- teil der Keimstreifrinne ist“ (p. 275). Auch Noack (80) spricht von einer rinnenförmigen Bildung, die sich zuletzt auf der Ventralseite schließe (seine fig. 57 f und g). Erst ESCHERICH (24, p. 343) hat erkannt, daß bei allen diesen Forschern eine Verwechslung des Enddarmlumens mit der Amnionhöhle vor- liegt, und besonders auf seiner fig. 76, die in diesem Punkt voll- kommen meiner Fig. 20 entspricht, und seinem Schema fig. 8B ge- zeigt, daß das Proctodäum „eine ziemlich tiefe Einstülpung des Ecto- derms“ darstellt „etwas dorsal von dem Punkte, an dem Ectoderm und Amnion ineinander übergehen (fig. 76b)“ (p. 350). Damit ist na- türlich auch die Lage des Afters fixiert. Mit diesen positiven Grundlagen stehen und fallen auch die theoretischen Erörterungen, die besonders KowALEwsky (64) und Bürscazr (15) (auch EschericH 24) darauf aufbauten. Von andern Dipteren ist nur noch Miastor (59) daraufhin unter- sucht: KAHLE bezeichnet das Proctodäum als „Aussackung der Amnionhöhle“. Bezüglich des Stomodäums verweise ich besonders auf seine fig. XVIT a, die den Durchbruch durch das Mesoderm illu- striert, ganz wie Fig. 21 (Taf. 30) für Chironomus. Entoderm. Es ist hier nicht am Platze, auf die umfangreiche Literatur über die Streitfrage nach dem Ursprung des Entoderms einzugehen, da sich auch in einigen neuern Arbeiten speziell über diesen Gegenstand historische Zusammenstellungen finden (man vgl. besonders NusBauM u. FuLısskı 82). Darin stimmen alle neuern Untersucher überein, daß das Mitteldarmepithel in unmittelbarer Nachbarschaft der Proctodäal- und Stomodäaleinstülpung mehr oder weniger gleichzeitig mit diesen in die Erscheinung tritt und daß die beiden so entstandenen „Entodermkeime“ zunächst in zwei ventralen Streifen aufeinanderzuwachsen, um alsbald nach der Verschmelzung Geschlechtsorgane von Chironomus. 583 den ganzen Dotter zu umschließen. Gerade für Chironomus liegt freilich von RiTrer, dem einzigen Autor, der bisher dieses Objekt an Schnitten untersucht hat, eine ganz anders lautende Angabe vor, wonach das Mitteldarmepithel samt Muscularis aus segmentweise an- gelegten Hypoblastwülsten entsteht, die alsbald zu zwei lateralen Strängen miteinander verschmelzen, aus denen sich die beiden ge- nannten Zellenlagen differenzieren, während die Verbindung mit dem Enddarm durch „vereinzelte Zellen vom Entomesoderm“ hergestellt wird. Da sei nun zunächst hervorgehoben, das Chironomus in diesem Punkte keinerlei Ausnahmestellung einnimmt, sondern daß auch hier die Anlage des Mitteldarmepithels bipolar erfolgt. Über die Frage nach der Herkunft dieser beiden Entodermkeime geben die Figg. 19 u. 22 (Taf.30) Auskunft. Fig. 19 zeigt das haken- förmig eingekrümmte Ende des Keimstreifs im Längsschnitt. Die Ab- zweigung des Proctodäumlumens (proct) von der Amnionhöhle (ak) wurde schon oben kurz besprochen. Die Wandungen beider Hohlräume werden von typischen Ectodermzellen, deren Kern mit großem Nucleolus und zahlreichen Chromatinkörnchen versehen ist, gebildet. Auf der den Genitalzellen (gz) zugekehrten Seite keilen sich die Ectodermelemente distal aus, und zwischen ihnen schieben sich langgestreckte, mannig- fach gestaltete Elemente (ent) vor, deren Kerne sich durch zahlreiche, stark gefärbte Chromatinbrocken vor denen der Ectodermzellen aus- zeichnen. Wenn darin vielleicht auch noch nicht das Anzeichen einer histologischen Differenzierung zu erblicken ist, so weist diese Erscheinung doch zum mindesten auf eine lebhafte Teilungstätigkeit des Kerns hin. Wir haben also einen Entstehungsherd neuen Zell- materials vor uns, und dieses gleicht in der spindelförmigen Gestalt und dem dunkel gefärbten Plasma seiner Komponenten dem spätern Mitteldarmepithel. Es dürfen die hier aus dem Verband der Wan- dungen des Proctodäums austretenden Elemente wohl als Mutter- zellen des „Entoderms“ angesehen werden, wenn wir unter diesem Terminus weiter nichts als das Mitteldarmepithel verstehen. Die entsprechenden Verhältnisse zeigt Fig. 20 für ein Stadium, auf dem das Proctodäum bereits an Ausdehnung bedeutend gewonnen hat, und Fig. 22 für das Stomodäum. Die Mitteldarmanlage hat sich hier schon lamellenartig zwischen Mesoderm und Dotter auf der Ventralseite caudalwärts vorgeschoben. Zwischen Entoderm und ecto- dermaler Wandung des Stomodäums ist auch hier eine scharfe Grenze durchaus nicht zu ziehen, das fragliche Zellmaterial kann, da auch nicht etwa eine schon vorhandene Anlage oder ein Mesodermkom- 584 Martin Hasprr, plex mit emporgehoben worden ist, wie schon oben gezeigt wurde, nur von den den Gipfel des vordringenden Stomodäums bildenden Zellen geliefert worden sein. Die strukturellen Merkmale — zahl- reiche Chromatinpartikel in den Kernen der aktivierten Sphäre, Aus- wanderung spindelförmiger Zellen, deren starke Tinktion — bilden eine vollkommene Analogie zu den soeben für das Hinterende auf- gezeigten Vorgängen. Von Bedeutung ist vor allem die Unabhängigkeit der Entoderm- anlagen vom Mesoderm. In diesem Punkt lassen sich, wenigstens was die positiven Unterlagen anbetrifft, außer KowaLEwsxy (64) und Bürscazr (15) die Angaben über die Muscidenentwicklung von VoELTz- Kow (110), GRABER (33) (bei diesem wenigstens zum Teil für das Hinterende), Noack (80) und selbst EscHerıch (24) mit der hier ver- tretenen Auffassung in Übereinstimmung bringen, wenn auch die Deutungen dieser Forscher zu den verschiedensten Resultaten führen, je nachdem sie das Proctodäum mit dem Mesodermrohr in Verbin- dung bringen oder nicht. Auch für Cecidomyiden versichert neuerdings Kane (59) die „ectodermale“ Entstehung des Mitteldarmepithels. Hält man diese Angaben mit den Befunden bei andern Insecten, wie sie von NUSBAUM u. Furısskı (82) kritisch zusammengestellt und in verschiedene Typen geordnet worden sind, vergleichend zusammen, so scheint sich daraus zu ergeben, daß der hintere Entodermkeim — ganz analoge Betrachtungen gelten natürlich auch für das Vorderende, wo nur die begleitenden Komplikationen etwas anderer Art sind — aus einer echten Primitivanlage hervorgeht, daß also die zunächst den Boden der Proctodäaleinstülpung bildenden Mutterzellen des hintern Ento- dermballens nicht erst durch die neuen Lagebeziehungen, in die sie geraten sind, zur Mitteldarmbildung angeregt werden, sondern dab ihnen die prospektive Potenz für ihre physiologische Funktion schon viel früher aufgeprägt worden ist. Sie kam schon in der morpho- logischen Ausbildung des Schwanzwulstes mit zum Ausdruck, wurde dann allerdings vorübergehend verwischt — nicht so bei den Mus- ciden —, woraus wir aber nicht auf ihre Abwesenheit schließen dürfen. Im allgemeinen steckt diese Primitivanlage dort, wo die Procto- däaleinstülpung erfolgt. Doch ist ihre Lage innerhalb der Klasse der Insecten offenbar nicht streng definiert, sondern sie kann gegen diesen Punkt mehr oder weniger verschoben sein, besonders kopfwärts. Auch zeitlich ist eine gewisse Variationsamplitude Geschlechtsorgane von Chironomus. 585 geblieben: es kann sich zuerst das Entoderm differenzieren und dann erst das Proctodäum sich einsenken, oder es kann zuerst der Enddarm auftreten und dann erst die prospektive Potenz der bisher ruhenden und passiv mitbewegten Entodermanlage ausgelöst werden. II. Periode: Zusammenziehung des Keimstreifens — Ausbau der Organsysteme. Mit den zuletzt geschilderten Vorgängen kommt ein erster Ab- schnitt der Embryonalentwicklung von Chironomus zum Abschluß, der darin gipfelte, daß bei maximaler Streckung des Keimstreifs alle wichtigern Organsysteme als noch unentwickelte, aber scharf definierte Anlage hervortraten. Eine zweite Periode, die sich von dem Moment, wo der Keimstreif sich wieder zusammenzuziehen be- ginnt, bis zum Ausschlüpfen der jungen Larve erstreckt, ist haupt- sächlich dem Ausbau und der weitern Differenzierung der vorhan- denen Anlagen gewidmet. AuBerlich ist dieser Zeitabschnitt durch die Verkürzung des Keimstreifens und seinen Rückzug auf die Ven- tralseite des Eies gekennzeichnet, und damit geht Hand in Hand die Ausgestaltung der äußern Bedeckung. Diese wird durch einen Vorgang eingeleitet, der wohl auch als Ursache der Zusammen- ziehung der Embryonalanlage in Anspruch genommen werden darf, die Segmentierung. Für das Studium der an diesen Stadien vor sich gehenden Um- wandlungen nach Oberflächenbildern ist Chironomus durch WeEis- MANN’S mehrfach zitierte Untersuchungen über die Entwicklung der Dipteren im Ei (112) als klassisches Objekt bekannt. Auch die mir vorliegenden Species zeigten die fraglichen Verhältnisse bei ihrer ungewöhnlichen Durchsichtigkeit unter dem Mikroskop mit derselben wunderbaren Klarheit. Es war daher leicht, wie für die bisherigen so auch für die folgenden Stadien eine weitgehende Übereinstim- mung mit der von WEIsmMaNN bearbeiteten Art festzustellen, so daß auf die dort gegebene Darstellung und die beigefügten Figuren, be- sonders fig. 18—51, verwiesen werden kann. Auch Totalpräparate, die bei Konservierung mit der den Dotter durch Schwärzung scharf hervorhebenden Hermann’schen Lösung noch nicht einmal gefärbt zu sein brauchen, eignen sich ausgezeichnet zur Nachprüfung. 586 Martin HAsPer, a) Ectodermale Bildungen. Hypodermis. Das Ectoderm geht aus den bei Schilderung der Mesodermbildung erwähnten Seitenplatten hervor, die sich über den einwandernden Hypoblastelementen in der Mediane zusammen- schließen. Nachdem die seitlichen Teile auch noch zur Bildung der innern Hülle beigetragen haben und nachdem das sogleich zu beschreibende Nervensystem abgegliedert ist, hat das übrig bleibende Epithel keine andere Aufgabe mehr zu erfüllen, als die äußere Körperbedeckung zu liefern und eine schützende Chitinhülle auszuscheiden. Zunächst noch ein hohes Epithel (Taf. 29 Fig. 16), dessen Zellkerne durch den voluminösen Nucleolus ausgezeichnet sind, plattet es sich in dem Maße mehr und mehr ab, als es die Ei- peripherie umspannt, und liefert so die typische flachzellige Hypo- dermis, die als dünnes Häutchen den Körper umfaßt, auf dem Quer- schnitt in einen dorsalen, einen ventralen und zwei laterale Ab- schnitte geteilt durch die starken transversalen Muskeln, die an ihrer Anheftungsstelle die Hypodermis fiach trichterförmig einge- zogen haben. Auf analoge Weise kommt die äußere, allerdings durch innere Vorgänge längst vorbereitete Segmentierung zustande, indem sich die für die S-förmigen Krümmungen der Larve beim Schwimmen die Hauptrolle spielenden ventralen Längsmuskeln an einer Zelle des Ectoderms anheften, die dadurch spindelförmig gestreckt und deren Spitze in den schmalen Spalt zwischen zwei benachbarten Ganglienknoten hineingezogen wird (Taf. 30 Fig. 24 vIm). Als besondere Differenzierung des Ectoderms seien noch die hypodermalen Bestandteile der vordern und hintern Afterfüße kurz erwähnt, die sich, wie schon WEISMAnN berichtet, als Querfalten auf: der Ventralseite des 1. Thoracal- bzw. 9. Abdominalsegments an- legen. Die krallenförmig gebogenen Chitinborsten, die in einer apicalen, napfförmigen Vertiefung einer jeden Extremität sitzen und dem Tier beim Umherklettern zwischen verfaulenden Pflanzenteilen und zum Festhalten in seinem aus Speicheldrüsensecret gesponnenen Gehäuse vorzügliche Dienste leisten, entstehen durch Umwandlung eines lang ausgezogenen Plasmafadens. Fig. 27 (Taf. 30) zeigt einen der beiden Näpfe des auf gemeinsamer Querfalte angelegten Extremi- tätenpaares. Die kranzartig angeordneten, die terminale Höhlung begrenzenden Hypodermiszellen sind auf der dem Leib anliegenden Seite abgeplattet, auf der gegenüberliegenden Seite jedoch aus kolbig verdicktem Grunde weit in das Lumen hinein ausgezogen; Geschlechtsorgane von Chironomus. 587 diese fädig ausgezogenen Teile zeigen noch das Aussehen des leben- den Protoplasmas und besitzen auf diesem Stadium — der Schnitt ist einem Embryo entnommen, bei dem der Rückenschluß noch nicht vollzogen war — noch keinen chitinösen Charakter. Die spärlichen Tracheen, die der ausgewachsenen Larve zu- kommen, werden erst während des larvalen Daseins angelegt. Nervensystem. Das Auftreten des Nervensystems ist eng mit dem der Segmentierung verknüpft, schreitet auch wie diese von vorn nach hinten fort. Ein Längsschnitt durch einen Keimstreif, an - dem sich soeben die 3 Gnathalsegmente oberflächlich herauszumo- dellieren beginnen, lehrt, daß schon einige wenige Nervenzellen in den 3 äußerlich noch nicht hervortretenden Thoracalsegmenten sich zusammenballen, während im Abdomen die Neuroblasten sich erst differenzieren. Als solche deute ich die großkernigen Zellen, die aus dem Winkel zwischen Ectoderm und Mittelstrang herstammen. Zur Erläuterung der strengen Symmetrie, die in der Anordnung dieser Zellen und ihrer Derivate herrscht, diene Fig. 16 (Taf. 29) (vel. auch Fig. Kc). Anf der Ventralseite hat der Schnitt das 1. Maxillarsegment getroffen, dessen Extremität sich, wie besonders die rechte Seite zeigt, eben abzufalten begann (mz,). In der Mitte zeigt sich als flache Rinne die Primitivfurche (neur). Ihr Boden wird von einer einzigen Zelle gebildet, die sich, einge- engt durch ihre Nachbarschaft, nach dem Dotter zu verjüngt, um sich dann wieder fächerartig auszubreiten (mstr). Die Hypodermis ist von ziemlich gleichmäßiger Beschaffenheit, nur die Wände der Neuralrinne werden durch 2 größere, sich an den Mittelstrang anlehnende Zellen gebildet. Rechts und links von letzterm fallen 2 nach der Oberfläche zu keilförmig zulaufende, ansehnliche Zellen mit großem Kern und zahlreichen Chromatinkörnchen auf, die Neuro- blasten (nbl), die bereits eine Gruppe von Ganglienzellen abgegeben haben. Unter diesen sind rechts einige, deren Plasma nur sehr schwach färbbar und deren Chromatin in 2 unregelmäßig kontu- rierten Klumpen zusammengeballt ist. Es sind dies ähnliche Zeichen der Degeneration, wie wir ihnen schon öfters bei Massenproduktion von neuem Baumaterial begegneten. — Man darf wohl annehmen, daß auch diese Trümmer als „Paracyten“ in den Dotter ausgestoBen werden. — Auch vereinzelte normale Mitosen habe ich in schon weitherangewachsenen Ganglien gefunden (Fig. 17, Taf. 29), so dab also bei Chironomus die primitiven Ganglienzellen die Teilungsfähig- 588 Martin HASPER, keit nicht völlig eingebüßt haben, wie Hrymons (51, p. 35) für Orthopteren angibt. Das Resultat des lebhaften Vermehrungsprozesses sind die um- fangreichen Nervenknoten der Bauchganglienkette, die sich in den Abdominalsegmenten fast bis zur Berührung nähern. Das 12. Seg- ment zeigt Reduktion und frühe Verschmelzung nach dem 11. Segment (Taf.30 Fig. 24). Querschnitte (Taf. 29 Fig. 17) zeigen, wie die große Zahl kleiner unregelmäßig gestalteter und nur an der Peripherie zu einem undeutlichen Epithel geordneter Ganglienzellen etwas dorsal von der Mitte jederseits eine fast kuglige Masse von Punktsubstanz produziert hat; auf dem vorliegenden Schnitt ist auch eine Quercommissur ge- troffen und die Anlage eines Seitennerven, die sich schon in der schnabelförmigen Verlängerung des Ganglions nach seitwärts kund- gibt. Aber auch von der Nervensubstanz zieht ein feiner Strang nach dieser Richtung, der da, wo er das Ganglion verläßt, in eine zarte, spindelförmige Zelle übergeht. An dem neurogenen Charakter dieser Zelle kann wohl kein Zweifel sein. Auch auf der rechten Seite sieht man eine Reihe solcher Elemente nach einer Muskelansatzstelle hin- ziehen. Die Verfolgung dieser Gebilde ist durch die Kleinheit des Objekts sehr erschwert. Von weitern ectodermalen Bildungen seien nur noch Vorder- und Enddarm kurz erwähnt. Ihre Entstehung wurde oben be- schrieben. Das Stomodäum streckt sich, während sich die Gnathal- seemente zur Konstituierung des Kopfes stark zusammenschieben, rasch in die Länge und ist mit seinem blinden Ende schon im 1. Thoracal- segment angelangt, wenn die beiden letzten Hinterleibsringe die Dorsalseite noch nicht verlassen haben, und an der Grenze des 3. Thoracalsegments, wenn der Rückenschluß eben am Hinterende be- ginnt. So ensteht der lange, schon am lebenden Objekt wahrnehm- bare Ösophagus. Langsamer wächst das Proctodäum. Während sich der Keim- streif verkürzt, überschreitet es kaum die Grenze des 9. Abdominal- segments. Erst wenn der After am hintern Eipol angelangt ist, findet er Platz für weiteres Wachstum, das ihn bald bis in das 6. Segment fördert. Hier erfolgt auch die Anlage der MarriGnrschen Gefäße, die, 4 an der Zahl, nicht einer Ausstülpung des Lumens ihre Entstehung verdanken, sondern vom Epithel auswachsen, wie Fig. 17 (Taf. 29) zeigt. Der Schnitt hat nur 2 Mauricmi’sche Gefäbe an der Basis getroffen, zu dem 3. gehören noch die tangential ange- Geschlechtsorgane von Chironomus. 589 schnittenen Zellen, die sich links über die Gonade hinziehen, und das 4. ist nur quer getroffen. Diese Querschnitte zeigen regel- mäßig einen Aufbau aus 3 Zellen. Die relative Chromatinarmut der Kerne — relativ zu spätern Stadien, wo ein dichter Chromatin- knäuel stark hervortritt — und das Fehlen eines zentralen Kanals lassen vermuten, daß sie während der Embryonalperiode noch keine Funktion ausüben. Von großer Wichtigkeit ist die durch das Auswachsen des Procto- däums bewirkte Verschiebung der Gonaden in das 6. Leibessegment, wo sie während des ganzen Larvenlebens an der Grenze des End- darmes gegen den Mitteldarm liegen bleiben, soweit sie nicht infolge ihrer Größenzunahme in andere Segmente übergreifen. Diesen bei Objekten mit weniger scharf charakterisierten Geschlechtszellen so große Schwierigkeiten bietenden Vorgang der „Wanderung“ veran- schaulicht Fig. 23 (Taf. 30), ein etwas seitlich geführter Längsschnitt durch den hintern Teil einer Embryonalanlage, die eben in Zusammen- ziehung begriffen ist. Die beiden 4kernigen Geschlechtssyncytien, deren Entstehung im 3. Abschnitt beschrieben werden soll, haben sich schon zur Bildung der Gonade aneinandergelegt und sich mit meso- dermalen Hüllzellen (epz) umgeben. Sie liegen unmittelbar vor dem Ende des Proctodäums in enger Berührung mit dem Entodermstreifen, der seitlich von dem transversal getroffenen Enddarm bereits bis zur Verschmelzung mit der vordern Mitteldarmanlage den Keimstreif entlang gewachsen ist (siehe unter c). Während die Genitalzellen hier etwa das 8. Abdominalsegment passieren, sehen wir sie auf Fig. 24 etwa im 7. liegen. Der Keimstreif hat sich hier wieder vollkommen auf die Ventralseite zurückgezogen, am Hinterende ist die Anlage der hintern Afterfüße sichtbar. Dorsal davon hat bereits die Rücken- bildung des 9. Segments begonnen. DerOrtswechsel der Genitalanlage ist bei Chironomus eben- so wie bei Cecidomyiden (59), wo sie, in 2 Längsreihen angeordnet, immer im Mesoderm „vom 14. ins 11. Segment“ !) rücken, infolge ihrer relativen Größe viel weniger auffallend als bei andern Objekten. Bei Forficula werden nach Hrymons (51) die zuerst ventral vom Proctodäum im 10. und 11. Abdominalsegment liegenden Genitalzellen durch das Wachstum des Enddarmes in den 9. Hinterleibsring ge- 1) Aus KAHLE’s fig. 29 geht hervor, daß sein 11. Segment nach Abzug des von ihm offenbar als 1. Segment gezählten präoralen Kopf- abschnitts, des Subösophagealsegments und dreier Thoracalsegmente dem von mir als 6. Abdominalsegment bezeichneten Leibesring entspricht. 590 Martin Hasper, drängt, von wo sie in engem Anschluß an das Mesoderm oder frei durch den Dotter aktiv in das 7. und 6. Segment wandern sollen. L&cAILLON sagt (69) von den Genitalzellen der Chrysomeliden: „On les trouve, avant leur pénétration dans les cavités coelomiques, dans la région postérieure de la bande germinative, plus ou moins mélan- eées aux cellules mésodermiques, placées entre la couche méso- dermique et le vitellus, quelquefois méme entrées entre les seg- ments avoisinant la région postérieure de la bande germinative.“ — Große Aufmerksamkeit haben auch HırscHter (56) und HEGNER (45) diesem Vorgang gewidmet. Nach ersterm findet bei Donacia die Wanderung nur bis zum 10. Segment zwischen Mesoderm und Dotter statt, von da ab im Mesoderm selbst und zwar in allen Gegenden der Cülomdivertikel. Noch vor Beginn der Mesodermbil- dung verlagern sich die Genitalzellen von Endromis (SCHWANGART 100) aktiv und anfänglich an der Oberfläche des Dotters, wobei sie in mehrere Gruppen zerfallen. Ein Eindringen in die Cölomwan- dungen findet hier nicht mehr statt, da das Cölom stark reduziert ist. — Noack (80) verlor die Polzellen von Musca im Entoderm, Die Abbildungen, die Hnener (45) für Calligrapha gibt, zeigen die Keim- zellen bald zwischen Dotter und Mesoderm entlang gleiten, bald in letzterm zerstreut; ihre amöboiden Fortsätze haben sie verloren, die Locomotion geschieht wahrscheinlich auch hier passiv durch den Druck der Gewebe. — Auch PETRUNKEWITSCH (87) betont die Wanderung der Genitalzellen beim Eintritt in die Cölomröhren bei Apis. Wie die Zugbahnen der Genitalzellen, so variabel scheint auch der Ort der paarigen Gruppierung zu sein, die nach GRIMM (37) schon auf dem Schwanzwulst, bei Calligrapha nach HEGNER (45) in den beiden letzten Segmenten, bei Donacia nach HirscHuER (56) im 10. Abdominalsegment, bei Orthopteren (Hexmoxs 51), Tenebrio (SALING 92) und Lepidopteren (SCHWANGART 100) weiter vorn er- folgt. b) Mesodermale Bildungen. Als besonders auffällig am Mesoderm von Chironomus wurde oben das völlige Fehlen des Cöloms bezeichnet. Daß trotzdem der Mesodermkomplex eines Segments den Cölomwandungen der übrigen Insecten durchaus gleichwertig ist, beweist die Entfaltung dieses Komplexes, deren Resultat mit dem bei dem Gros der Insecten kon- statierten Verhalten völlig übereinstimmt. Das geht aus den Figg. Geschlechtsorgane von Chironomus. 591 17 u. 18 (Taf. 29) hervor. Letztere stellt einen Querschnitt durch das Abdomen auf der Höhe des Mitteldarmes, erstere durch das 6. Abdo- minalsegment dar. Der Keimstreif ist im Begriff, den Dotter seit- lich zu umwachsen, Nervensystem (glz, psbst) und Mitteldarmepithel (ent) gehen der Vollendung entgegen. Zu diesem ist der splanch- nische Teil des Mesoderms (sp/m) als Muscularis in Beziehung ge- treten. Muskulatur hat vorwiegend auch das parietale Blatt ge- liefert. Besonders früh differenzieren sich die physiologisch so wichtigen ventralen Lingsmuskeln (v/m). Auf Längsschnitten (Fig. 24) sehen wir sie bogenförmig die seitlichen Zipfel der Ganglien über- spannen. Sie setzen sich zunächst aus nur 9—12 langgestreckten Zellen zusammen, die sich eng aneinanderschmiegen und an den Enden jedesmal an den intersegmentalen Apophysen inserieren. Der Raum zwischen diesen ventralen Längsmuskeln und der Muscularis des Mittel- darmes ist als Epineuralsinus aufzufassen. Im Querschnitt sehen wir die längs verlaufende Bauchmuskulatur auch auf Fig. 17 u. 18 (vim). Lateral kommt vor allem die mächtige Transversalmuskulatur (tm) zur Ausbildung, indem sich eine Anzahl von Zellen zur Bildung eines band- oder spindelförmigen Ganzen schräg aneinanderreihen, und der mächtige Fettkörper (fk), der die Aufgabe hat, die noch unverdauten und auch nicht in den Intestinaltractus aufgenommenen Dotterreste einzuschließen und wahrscheinlich auch zu digerieren. Während die in dieses Organ aufgenommenen Dotterkugeln ihre scharfe Be- grenzung allmählich verlieren, bläht sich das Plasma von Reserve- stoffen gewaltig auf, so dab es nur noch schwach färbbar ist und der blasse Kern fast verschwindet. — An der bei der Umwachsung des Dotters vorangehenden Kante des Mesoderms differenzieren sich die Cardioblasten (Fig. 17 cbl). Die Bildung des Herzens aus 2 im Querschnitt halbmondförmigen Zellen beginnt am hintern Ende und schreitet nach vorn fort. Am hintern Ende ist auch das Lumen bedeutend weiter als in der Mitte. — Blutzellen fehlen [Cuénor (19), p. 372, 386]. Ein besonderes Gepräge erhält das Mesoderm auf dem Schnitt Fig. 17 durch die Anwesenheit der Geschlechtsdrüse (kdr), die sich zwischen Muscularis des Proctodäums (proct) und Fettkörper (fk) ein- gedrängt hat. Von der mesodermalen Hülle (epz), mit der sie bereits versehen ist, soll weiter unten noch einmal die Rede sein. — Auch. ist bereits ein dorsales Filament angelegt, das die Befestigung der Gonade an der Hypodermis zu besorgen hat. Eine Geschlechtsleiste ist in den übrigen Abdominalsegmenten nicht vorhanden. 592 Martin Hasper, c) Entodermale Bildungen. Nachdem die beiden Entodermkeime wie oben beschrieben an- gelegt sind, wachsen sie in zwei lateralen Strängen, die zunächst noch sehr schmal sind — sie zählen nur 3—5 Zellen in der Breite — auf- einander zu, wobei sie sich dicht an die splanchnische Muskulatur anlegen. Durch die dunklere Färbung ihres Plasmas sind sie gut charakterisiert. Der voluminöse Kern enthält einen blassen Nucleolus und hantelförmige Gebilde ähnlich denen in den Genitalzellen während ihrer Ruheperiode. Durch seitliche Ausbreitung des Epithels samt seiner Mus- kulatur um den Dotter entstehen die aus der Insectenliteratur zur Genüge bekannten Bilder. Doch wird bei dieser Umwachsung nicht der gesamte noch zur Verfügung stehende Dotter in den Darmkanal aufgenommen. Nach Abtrennung der splanchnischen Muskulatur von dem übrigen Mesoderm ist vielmehr ein Teil des embryonalen Nah- rungsstoffes allenthalben in den Epineuralsinus eingedrungen. Es tritt uns dieser Dotter am lebenden Objekt als ein medianer und zwei laterale Dotterstreifen entgegen. Letztere werden vom Fettkörper absorbiert, des erstern aber bemächtigen sich die Vitellophagen, die jede Dotteransammlung als dünnes Häutchen umspannen. Wir sehen auf Fig. 17 (d‘) ventral vom Proctodäum einen solchen Streifen halb- verdauten Dotters quer getroffen. Es ist bemerkenswert, daß eine solche Zusammenfassung auch der Teil des Dotters erfährt, der in den Mitteldarm aufgenommen werden soll. Es kommt hier also zu einer provisorischen Mittel- darmepithelbildung durch Dotterzellen in ganz ähnlicher Weise, wie es durch Kante für Cecidomyiden festgestellt ist. Übergänge zwischen ; Dotterzellen und Entodermzellen, die auf eine Teilnahme von Dotter- zellen am Aufbau des Mitteldarmepithels schließen ließen, wie SchwanGart (101) es für Lepidopteren angibt, habe ich jedoch nie beobachtet. III. Bildung der Keimdrüse. Die letzte Teilung, die sich in den Urgenitalzellen abspielte, erstreckte sich nur auf die Kerne, so daß 8 zweikernige Zellen ent- standen, die als solche auch ihre Wanderung in das Innere des Embryo antraten, ohne dabei zunächst in nähern Konnex zueinander zu treten und offenbar nur durch die gleichsinnige Beeinflussung seitens ihrer Umgebung in dieselben Bahnen gelenkt wurden. Kurz Geschlechtsorgane von Chironomus. 593 ‘bevor sie jedoch durch das vordrängende Proctodäum und das Wachs- tum des hintern Entodermkeimes in zwei Gruppen zur Seite geschoben werden und in engere Beziehung zu ihrem neuen Substrat, dem Mesoderm, treten, schließen sich je 2 zweikernige Zellen so innig aneinander an, daß jede Grenze zwischen ihnen verschwindet. Es ‚sind durch Fusion Syneytien mit je 4 Kernen in gemeinsamer plas- matischer Grundmasse entstanden, wie sie schon BazBrant (4) auf seiner fig. 24 abbildet (auch die Figg. 15—20, Taf. 29 u. 30, zeigen solche Syncytien, von deren 4 Kernen nur 3 bzw. 2 in der Schnittebene liegen). Das Keimbahnplasma verhält sich bei diesem Verschmelzungs- prozeß vollkommen passiv und liegt zu einer größern Masse vereint oder in kleinern Portionen verteilt an verschiedenen Stellen des Plasmaleibes. — Die beiden Syncytien jeder Seite legen sich auch wieder aneinander, wobei sie sich abplatten und wodurch sie einen Komplex von bauchiger Gestalt bilden. Die Grenze zwischen ihnen bleibt erhalten und markiert sich an der Peripherie durch eine äquatorial herum laufende Ringfurche (Fig. 17, Taf. 29; 23, 25, Taf. 30). Es kommt auch vor, daß alle 8 Kerne in einer gemeinsamen Plasma- masse eingebettet sind. Das ist z.B. bei Fig. 24 der Fall. Der dieser Abbildung zugrunde liegende Embryo wies noch insofern eine Ano- malie auf, als auf der andern Seite die Zahl der Kerne 12 betrug. Während dieser Formation der Keimdrüse beginnt sich diese auch mit einer mesodermalen Epithelhülle zu umgeben. Indem die Propagationszellen in den Winkel zwischen dorsalem und submersem Teil des Keimstreifs eingeschlossen wurden, kamen sie etwa an das Ende des Mesodermstreifens zu liegen. Von hier treten einige Meso- dermzellen an die Gonade heran, um sich mit der Längsseite an deren Peripherie zu legen, während ihre Enden sich aneinander- heften (Taf. 29 Fig. 14 und 15). Auf Fig. 16 (Taf. 29) sehen wir auf beiden Seiten einige Zellen (epz) vom Mesoderm sich loslösen, und auf den Figg. 17 (Taf. 29), 23, 24 (Taf. 30) haben sie die Ge- schlechtszellen schon hüllenartig umschlossen. Es ist bemerkenswert, daß sich diese formative Kraft der Geni- talzellen schon geltend macht, wenn sie noch am Ende des haken- förmig umgebogenen Keimstreifs liegen; denn mit der Gonade wird bei der nun erfolgenden Verschiebung auch das Epithel fortbewegt. Dieses ist also im 6. Abdominalsegment nicht autochthon, sondern stammt vom caudalen Ende des Mesodermstreifens aus der zufälligen Nachbarschaft der Propagationselemente im vorproctodäalen Stadium. Die junge Gonade samt ihrem Epithel zeigen die Figg. = Se 29), Zool. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. 594 Martin HasPpEr, 23 und 25 (Taf. 30). In der jungen Larve ist die Geschlechtsdrüse beiderseits an einem Suspensorium aufgehängt, glashellen Fäden, von denen der vordere am Vorderrande des 6., der hintere am Darm im 7. Abdominalsegment inseriert, wobei aber der Gonade noch eine be- trächtliche Bewegungsfreiheit bleibt. Ähnlich lautet die Angabe von JAWOROWSKI (57), während BALBrANI (4) eine Anheftung im Thorax oder am Rückengefäß vermutet; nach SCHNEIDER (96, 98, 99) sollte die Genitaldrüse überhaupt aus einer „Faser der Herzmuskulatur“ hervorgehen. Für Musca gibt WEısmann (114) an, die Geschlechts- drüsen seien „mit feinen Fädchen an die benachbarten Fettzellen an- geheftet“, bei Corethra konstatiert derselbe Forscher (115) eine Be- festigung am Vorderrand des 9. (einschließlich der 3 Thoracalsegmente) bzw. Ende des 10. Segments. Einige Zeit nach dem Ausschlüpfen machen sich die ersten Ge- schlechtsunterschiede an der Gonade bemerkbar, indem, wie dies schon BALBIANI (4) angibt, die Hoden sich durch spindelförmige Ge- stalt und eine größere Zahl von kleinern sehr plasmaarmen Zellen vor den gedrungeneren Ovarien auszeichnen. Eine Geschlechtsdiffe- renzierung ist also wohl schon im Ei vorhanden, obwohl sie hier noch nicht mit Sicherheit erkennbar ist. Auch bei Corethra hat Weismann (115) an den jungen Larven noch keinen Geschlechts- unterschied feststellen können, während er für Musca (114) das Vor- handensein der Geschlechtsdifferenz im Ei behauptet. Über die weitere Entwicklung der Geschlechtsorgane habe ich keine Untersuchung angestellt. Die kurzen Angaben über die Ovarien von GRIMM (37, 38), JAworowskI (57, 58) und SCHNEIDER (96) stimmen jedoch insbesondere betreffs des Verhältnisses zwischen Ei- zellen, Nährzellen und Epithelzellen weder untereinander noch mit den Angaben von Weısmann über Musca (114), LÉCAILLON über Culex (68) oder KAHLE über Miastor (59) überein. Anhang: Bemerkungen zur Entwicklung der Geschlechtsorgane von Tanypus. Zum Schluß sei noch eine kurze Bemerkung über das Auftreten von Polzellen bei der Chironomus sehr nahe stehenden Gattung Tanypus gestattet. Die Eier dieses Insects finden sich noch weit häufiger als die von Chironomus und übertreffen letztere um ein geringes an Größe. Auch sie werden von den Weibchen, die häufig im Herbst von Pilzen befallen über ihrem Gelege enden, auf im Wasser flottierende Gegenstände in Gestalt eines fast halbkugligen Geschlechtsorgane von Chironomus. 595 Gallertklumpens von ca. 3 mm Länge und 2 mm Breite abgelegt. In dieser Gallerte sind die Eier, etwa 400 an der Zahl, in ähnlicher, aber nicht so zierlicher Weise wie bei Chironomus in ungefähr 20 an der Unterseite des Geleges umkehrenden Reihen hintereinander angeordnet, mit dem Kopfpol nach innen geneigt, den Schwanzpol nach außen gekehrt. Ein Zentralfaden fehlt. Auch ist durch die dunklere, graubraune Farbe des feinkörnigern Dotters eine Ver- wechslung mit Chironomus ausgeschlossen. Die trübe Beschaffenheit des Protoplasmas im Verein mit der des Dotters läßt das Ei von Tanypus viel weniger zu Untersuchungen in vivo geeignet erscheinen als das von Chironomus. Immerhin lehrt schon die Beobachtung des lebenden Objekts weitgehende Überein- stimmungen zwischen beiden Gattungen, denen freilich auch einige Besonderheiten gegenüberstehen. Wie bei Chironomus dokumentieren sich die ersten Entwicklungsvorgänge in einer Zusammenziehung des Eiinhaltes. Alsbald rücken in das Keimhautblastem helle kuglige Kerne ein, deren Teilungen zur Bildung des Blastoderms führen. Noch vor deren Vollendung aber sieht man am spitzen Ende des Eies in dem schmalen spaltförmigen Polraum 8 Polzellen liegen, die freilich wegen ihrer im Vergleich zur Größe des ganzen Eikörpers geringern Dimensionen nicht so in die Augen fallen wie bei Chiro- nomus. Nach Fertigstellung des Blastoderms und der damit ver- bundenen Ausdehnung des Eies und nach Verschwinden der Polzellen hebt auch hier die Bildung des Keimstreifs mit dem Auftreten eines ebenfalls relativ kleinern Schwanzwulstes auf der Dorsalseite am hintern Pol des Eies an. Zugleich aber tritt noch ein anderes Ge- bilde auffallend hervor, eine tiefe Querfurche, die etwa um ein Drittel der Eilänge vom vordern Pol entfernt, über die ganze, durch ihre schwächere Konvexität ausgezeichnete Ventralseite hinzieht, auf beiden Seiten allmählich verstreicht und die Rückenseite völlig unberührt läßt. Diese Querfurche bleibt noch erhalten, wenn der Keimstreif der Dorsalseite entlang wächst bis fast zur Berührung mit dem Kopfteil. Man wird hier sofort an die mehrfach beschrie- bene und der Deutung so große Schwierigkeiten bereitende „Kopf- falte“ des Musca-Eies erinnert [ Wersmanx (112), GRABER (33), VOELTZ- KOW (110), Noack (80)], wie denn auch Tanypus hinsichtlich der fein- körnigen Beschaffenheit des Dotters, der Größenverhältnisse des Keimstreifs und der Polzellen etc. nach der Seite der Musciden hinüberneigt. Doch vermag ich über etwaige Homologien nichts Bestimmtes auszusagen. 39 596 Martin Hasprr, Die Keimhiillenbildung und die hakenformige Einkrümmung des -hintern Keimstreifenendes in den Dotter stimmt mit den für Chiro- nomus geschilderten Vorgängen überein. Uber die Ausbildung des Kopfes sei nur bemerkt, daß die Mundextremitäten nicht so weit äquatorialwärts entstehen wie bei Chironomus, sondern von vorn- herein an einer ihrer definitiven Lage genäherten Stelle angelegt werden. Segmentierung und Zusammenziehung des Keimstreifs entsprechen den oben festgestellten Verhältnissen. Eine korkzieherförmige Auf- windung der Larve kurz vor dem Ausschlüpfen erfolgt nicht, sondern das Chorion gibt infolge seiner größern Elastizität der Streckung der Larve nach. Diese unterscheidet sich von der Chironomus- Larve durch ihren spitzern Kopf, die retractilen Antennen [THIENE- MANN (107)|, das ungefärbte Blut und den Bau der abdominalen Atem- anhänge. Ventrale Atemschläuche fehlen; die präanalen Borsten- pinsel sitzen auf spitzen, fast dreieckigen Anhängen des letzten Segments. Am Habitus der Larve fällt die schon früh markierte Sonderstellung der drei Thoracalsegmente auf. Das Schicksal der Elemente der Keimbahn zeigt nun die größte Übereinstimmung mit den für Chironomus geschilderten Verhältnissen. Es wurde schon oben erwähnt, daß sich auch hier 8 Polzellen vor- finden. Von den beiden untersuchten, nicht näher bestimmten: Arten zeigte nun die eine nur einen, die andere aber je 4 Kerne in einem im letztern Fall entsprechend umfangreichern, kugligen Plasmaleib; als dessen Charakteristikum ist besonders ein auch hier während der ganzen Embryonalperiode nachweisbarer, durch stärkere Färbbarkeit ausgezeichneter, meist als kuglige Masse der Kernmembran dicht angeschmiegter Bestandteil zu erwähnen, der seinem ganzen Ver- halten nach wohl ohne weiteres dem oben eingehender behandelten Keimbahnplasma gleichgesetzt werden darf. Die Kerne der Geschlechtszellen unterscheiden sich von den somatischen wiederum durch ihre beträchtlichere Größe und den reichern Gehalt an Chromatin, das in Gestalt dicker Körner auf einem wenig färbbaren Gerüst suspendiert ist. Bei der erstgenannten Species sind die Polzellen zur Zeit der beginnenden Rückwanderung in das Blastoderm ein wenig mehr dorsal- wärts verschoben, als das bei Chironomus der Fall ist; auch steckt zuweilen noch eine einzelne Geschlechtszelle zwischen den Zellen des Schwanzwulstes, wenn die übrigen schon den der Fig. 12 (Taf. 28) entsprechenden Zustand herbeigeführt haben — wiederum ein An- Geschlechtsorgane von Chironomus. BIT: klang an das bei Musciden beobachtete Verhalten, wo die Genital- zellen dem Schwanzwulst noch zur Zeit seiner vollen Ausbildung von außen aufliegen. Das Hinaufrücken der Genitalzellen mit dem wachsenden Keim- streif auf die Dorsalseite des Eies nach dem Kopfende zu und ihre Lage in dem Winkel des hakenförmig eingekrümmten Keimstreifen- endes, ihre Sonderung in zwei Gruppen und ihr Zusammentritt zur Gonade zu beiden Seiten des blindgeschlossenen Proctodäums im. 6. Abdominalsegment bieten keine Besonderheiten. Von der mit vierkernigen Polzellen ausgestatteten Species sei nur noch er- wähnt, daß sich hier unter den durch das Blastoderm wieder ein- dringenden Genitalelementen eine umfangreiche Plasmaansammlung mit zahlreichen Kernen findet, eine Tatsache, die durchaus an. Kanue’s für Miastor gegebene Darstellung erinnert. Die Berechti- gung einer Deutung dieser Erscheinung im Sinne einer Gastrulation wurde schon oben (S. 568f.) erörtert. Der Umstand, daß sich diese zellige Ansammlung gerade bei der die außerordentlich umfangreichen, in breiter Front vordringenden Polzellen aufweisenden Species von Tanypus findet, erweckt auch hier den Eindruck, daß dieser Vorgang mechanisch bedingt sei und wohl nur mit größter Vorsicht als Grund- lage für phylogenetische Spekulationen verwendet werden darf. Schluß. Über frühe Differenzierung der Geschlechtsorgane. Es war die Aufgabe der vorliegenden Arbeit, das Schicksal der Polzellen aufzuklären, und es hat sich ergeben, daß die schon von BALBIANI, v. GRIMM und Rirrer aufgestellte Behauptung zu Recht besteht, daß nämlich die Polzellen in der Tat die Urgeschlechts- zellen sind. Derselbe Nachweis ist von METSCHNIKOW und KAHLE für die Cecidomyiden, von LÉCAILLON, HIRSCHLER und HEGxER für einige Coleopteren, von SıLvesrki für Hymenopteren geführt worden. Die Zahl der in diesem Sinn mit Erfolg bearbeiteten Insecten ist aber gering im Vergleich zu den Arten, bei denen überhaupt Zellen beobachtet worden sind, die auf sehr früher Entwicklungsstufe am hintern Ende aus dem Ei austreten, um nach Vermehrung, auf eine bestimmte Zahl in das währenddessen in der Entwicklung mehr oder weniger vorgeschrittene Ei wieder aufgenommen zu werden. Die Übereinstimmung dieser Gebilde mit den Polzellen einer der oben genannten Formen, die überdies untereinander in gutem Ein- klang stehen, ist zuweilen so groß — ich erinnere nur an Noacx’s 598 Martin Hasper, Angaben über Musca, wo der Nachweis des sexuellen Charakters der Polzellen nicht geliefert werden konnte —, daß wir nicht an- stehen dürfen, auch sie für Polzellen zu erklären. Es steht einem Analogieschlu8 nichts im Wege, daß den durch gleiche Eigenschaften der Gestalt und Größe, der Struktur und Lage, der Entstehung und des Verhaltens definierten Polzellen der noch nicht daraufhin unter- suchten, aber mit den oben angeführten nahe verwandten Insecten auch die gleiche prospektive Bedeutung zukomme, nämlich die der Bildung der Gonade. Und da das Schicksal der Polzellen in so ver- schiedenen Abteilungen verfolgt worden ist wie Dipteren, Coleopteren und Hymenopteren, so darf dieser Analogieschluß wohl auch über die ganze Klasse der Hexapoden erstreckt werden. — Ich lasse an dieser Stelle eine Übersicht der Species folgen, bei denen Polzellen überhaupt beobachtet worden sind, und versehe die Formen, für deren Polzellen der Nachweis der sexuellen Natur geführt worden ist, mit einem *. Phryganiden. WEISMANN (113). [PATTEN (85) hat weder Polzellen gesehen noch überhaupt Genitalzellen auf seinen Schnitten ab- gebildet. | Coleopteren. * Olytra laeviuscula *Gastrophysa rhaphani *Chrysomela menthastri LÉCAILLON (69) *Lina populi, L. tremulae Agelastica alni *Calligrapha multipunctata, | ©. bigsbyana, C. lunata HEGNER (45) Leptinotarsa decemlineata | Hymenopteren. Encyrtus aphidivorus \ *Oophthora semblidis | Dipteren. *Ohironomus sp. ROBIN (89—91), WEISMANN (112, 116), KUPFFER (65, 66), Grimm (37, 38), GRABER (31), BALBIANI (3, 4), RITTER (88) *Tanypus (vgl. S. 594) Simulia METSCHNIKOW (76) Cecidomyia sp. LEUCKART (70), METSCHNIKOW (77) * Wiastor metraloas KAHLE (59) Musca vomitoria WEISMANN (112), KOWALEWSKY (64), VOELTZ- KOW (110), ESCHERICH (24), BLOCHMANN (7), KORSCHELT (Diskussion zu 25) Lueilia caesar EsCHERICH (24) SILVESTRI (105) Geschleehtsorgane von Chironomus. 599 Lueilia illustris, L. regina \ Calliphora erythrocephala j Noack (80) GRABER (33). Aphanipteren. Pulex canis PACKARD (84). [Möglicherweise gehören auch die Pediculiden und Mallophagen hier- her; vgl. MELNIKOW (75), p. 160, figg. 22—24.] In obige Zusammenstellung sind nur die Species aufgenommen worden, fiir die eine vorblastodermale, mehr oder minder stark aus- geprägte Lostrennung der Urgenitalzellen vom Eikörper festgestellt wurde. Es fehlen daher die Arbeiten von FRIEDERICHS (29) über Donacia und Timarcha, von HirsCHLER (56) über Donacia crassipes und von SILVESTRI (103, 105) über Litomastix truncatellus und Ageni- aspis fuscicollis (praysincola), obwohl auch bei diesen Formen eine sehr frühe Sonderung der Keimbahn konstatiert wurde, nur aus diesem äußerlichen Grunde. Schon aus der unnatürlichen Trennung nahe verwandter Formen bei einer Klassifizierung nach dem Gesichts- punkt der Bildung von Polzellen erhellt, daß letztere nur einen eigentümlichen Modus der frühen Differenzierung der Geschlechts- elemente darstellt, mit deren Wesen aber nichts zu tun hat, so dab die frühe Differenzierung viel weiter verbreitet ist als die Erschei- nung der Polzellen. Die Annahme, daß die weitgehende Emanzipa- tion der Urgeschlechtszellen vom jungen Soma in Form von Pol- zellen eine phylogenetisch junge Erwerbung ist, darf wohl bei dem sporadischen Auftreten kaum von der Hand gewiesen werden. Ihr Vorkommen in stark divergierenden Gruppen spricht aber für eine bei den Insecten überhaupt weit verbreitete Tendenz zur Bildung von Polzellen. Bei Donacia crassipes ist dieser Prozeß schon weit gediehen, indem hier die Genitalzellen bereits als „kleines, rundes, etwas vorgewölbtes Scheibchen“ erscheinen, „das auf seiner Ober- fläche kleinere höckerartige Auftreibungen zeigt, die durch das größere Vorragen mancher Geschlechtszellen verursacht werden“ [Hırscauer (56). So wird man sich wohl auch die phylogenetische Vorstufe der Polzellenbildung vorzustellen haben. Einige Forscher haben die Frage aufgeworfen, ob nicht die Polzellenbildung wie die frühe Sonderung der Keimzellen überhaupt, z. B. bei Aphiden, mit dem eigenartigen Fortpflanzungsmodus in Verbindung zu bringen sei, dem wir gerade bei Dipteren und Rhyn- choten begegnen, nämlich mit Pädogenese und Parthenogenese. Ein unmittelbarer, einfacher Zusammenhang zwischen diesen beiden Er- scheinungen kann offenbar nicht bestehen, da bei einer ganzen Reihe 600 Martin Hasper, von Tieren frühe Differenzierung der Geschlechtszellen beobachtet ist, ohne daß ihnen ein abnormer Fortpflanzungsmodus zukäme (Coleopteren, Nematoden usw.). Innerhalb der Gattung Chironomus selbst finden sich alle Übergänge [Grimm (38), Scanerner (97)]. Auch eine Korrelation zwischen der Größe der Polzellen und dem Fortpflanzungsgeschäft, wie sie METSCHNIKOW (76, p. 421) vermutet, scheint nieht zu bestehen, sondern es dürfte der Größenunterschied lediglich mit der Verkleinerung des Eies und der Verarmung des Dotters zunehmen. Schon oben wurde das Vorkommen von Polzellen in ganz ver- schiedenen Abteilungen der Insecten betont; es liegt nahe zu ver- muten, daß es nur mit den bisher angewandten Untersuchungsme-: thoden nicht gelang, bei allen Insecten eine frühe Sonderung der Keimbahn: festzustellen. In der Tat weisen manche Angaben der Autoren darauf hin, daß die Genitalzellen da, wo sie bisher zum ersten Mal gesehen wurden, nicht autochthon sind. So waren die Sexualzellen von Oecanthus auf dem frühesten Stadium, auf dem sie Ayers (1) sah (nach Revolution des Embryos und Rückenbildung) amöboid; wegen der eigenartigen Deformation der Cölomsäcke des 7. Abdominalsegments von Zenebrio molitor hält es Sauine (92) für: unmöglich, daß die Genitalzellen erst nach diesen entstanden seien,‘ obgleich er sie vorher nicht mit Sicherheit nachweisen konnte usw. Da schon Hrymons (48) und in neuerer Zeit HEGNER (45) eine eingehende Besprechung der Literatur hinsichtlich des ersten Auf- tretens der Genitalzellen gegeben haben, kann ich mich hier auf eine kurze Zusammenstellung der wichtigsten Angaben darüber be- schränken. Eine Sonderung der Keimzellen „aus noch ganz undifferenziertem Blastoderm“ berichtet, Hrymons für Forficula (49, 50, 51), Woon-: WORTE, leider ohne Abbildungen beizufügen, für Æuvanessa antiopa (123); ähnlich ‚differenzieren sich die Propagationszellen bei Aphiden aus dem Blastoderm am hintern Ende des Eies zu einer Zeit, wo noch kein anderes Organsystem angedeutet ist | BALBrANI (2), METSCH- NIKOW (76), TANNREUTHER (106), Wizz (120, 121), Wirnaczin (122)]. Auch SCHWANGARTS Angaben über Lepidopteren (100) gehören hier- her. Aus dem ,Ectoderm“, weil erst nach Abtrennung des Meso-: derms, aber sonst in ganz entsprechender Weise wie bei Derma- pteren entstehen die Genitalzellen bei Gryllotalpa, Gryllus campestris: und Periplaneta orientalis [Heymoxs (49, 50, 51); Nuspaum u. Fuzinskr (82). Nur vermutungsweise hat Satine (92) zu der Zeit, in der die: Geschlechtsorgane von Chironomus. 601 Mesodermbildung vor sich geht und die Amnionfalte sich erhebt, bei Tenebrio Genitalzellen gesehen. Hierher auch Bauprant (Pulex felis und Tinea crinella) (2). Bemerkenswert ist, daß auch bei einer so primitiven Form wie Lepisma die ersten Spuren der Fortpflan- zungsdrüse schon bald nach Bildung des Mesoderms am Hinterende des Keimstreifs zu konstatieren sind, von wo die Genitalzellen erst eine Wanderung antreten müssen, um in die dorsalen Ursegment- wandungen zu gelangen [Heymoxs (52). In allen diesen Fällen ist die Genitalanlage anfänglich unpaar. — Für die meisten Insecten aber, wenn man von wenigen, wohl einer Nachprüfung bedürfenden Angaben absieht, nach denen die Propagationszellen aus Dotterzellen [CHoLopKowsky (17, 18)], den Richtungskörpern [PETRUNKEWITSCH (87)], dem Entoderm [Ticaomrrow (108)| oder dem Nervensystem [Ayers (1), für Teleas] hervorgehen sollen, sollen sich die Genitalzellen erst aus den Wandungen der Cülomhôühlen differenzieren, so nach Ayers (1) bei Oecanthus, Grassi (36) bei Apis, Heiner (46) bei Hydrophilus, VOELTZKOW (111) bei Melolontha, Hzymons (51) bei Gryllus domesticus, Phyllodromia germanica, WHEELER (117) bei Doryphora, GRABER (35) bei Stenobothrus, Heymoxs (48) bei Phyllodromia, CARRIÈRE U. BÜRGER: (16) bei Chalicodoma. | Eine sichere Anschauung über das Verhalten der Keimzellen im Lauf der Phylogenie läßt sich aus diesem spärlichen Vergleichs- material nur schwer gewinnen. Die schon von Hrymons (50, 51) mehrfach geäußerte Ansicht, daß die Genitalzellen aller Insecten Bildungen sui generis seien, die, am hintern Ende der Embryonal- anlage entstehend, von vornherein von jeder Gewebsbildung aus- geschlossen seien und nur „je nachdem sie etwas früher oder später zur Differenzierung gelangen... . scheinbar dieser oder jener Schicht des Embryo“ angehörten, wird durch die neuern Unter- suchungen mehr und mehr bestätigt. Einen Übergang zu dem bei Anneliden obwaltenden Modus glaubt er in Scolopendra gefunden zu haben, wo die Genitalzellen zuerst „in den visceralen Wänden der laterodorsalen Ursegmentabschnitte nachweisbar“ sind (53). Dies entspricht etwa den Angaben von KENNEL über Peripatus edwardsü (61) und von SepGwick über Peripatus capensis (102). Doch will letzterer Forscher eine Einwanderung vom Entoderm her konsta- tieren (1887, p. 511, fig. 26, 27), und Hrymons (53, 54) hält es nicht für ausgeschlossen, „dass die Genitalzellen in letzter Instanz auf diejenigen Zellen zurückzuführen sind, welche bei der Bildung 602 Martin HASPER, _ des Mesoderms am hintersten Ende des Keimstreifens sich vom Ectoderm abgelöst haben und nach vorn gewandert sind“. Erinnert man sich, daß auch in ganz andern Entwicklungsreihen des Tierstammes eine frühe Selbständigkeit des Germinalteiles fest- gestellt ist, so für Crustaceen von Harcker (40—43), (Cyclops), GROBBEN [(39), Moina; anders lauten die neuern Angaben von Samassa (93) für Moina, Samrer (94) für Leptodora hyalina], für Arachnoideen [Faussex (27, 28) für Phalangiden, Braver (12) für den Scorpion; Kritik bei KaurTzscx (60), p.33], für Nematoden [Boveri (9, 10), HERLA (47), Meyer (78), Zosa (124), Boxxevie (8)], für Sagztta [Bürscuaut (14), Evpatiewsky (23), Bucaxer (13)], für Vertebraten [EIGENMANx (21, 22) für Cymatogaster (Teleost.), BEARD (5, 6) für Raja batis]| — auf die Herkunft von dotterreichen, primitiv gebliebenen Furchungszellen haben besonders Nusspaum (83), Maas (71) und WHEELER (118) hingewiesen —, so möchte man der Ansicht zuneigen, daß es eine weit verbreitete, wenn nicht allgemeine Erscheinung im Tierreich ist, daß die Kon- tinuität des Keimplasmas vom befruchteten Ei über die 1. Blasto- meren und die Urgeschlechtszellen hinweg bis wieder zu den Ge- schlechtsprodukten gewährleistet ist, wobei nur der Punkt der Somatisierung bestimmter Blastomeren einer gewissen Variabilität unterworfen ist. 11. 12. Geschlechtsorgane von Chironomus. 603 Literaturverzeichnis. AYERS, H., On the development of Oecanthus niveus and its para- site, Teleas., in: Mem. Boston Soc. nat. Hist., Vol. 3, 1884, p. 225—281, 8 Taf. BALBIANI, Mémoire sur la génération des Aphides, in: Ann. Sc. nat. (5), Zool., Vol. 14, 1870, Vol. 15, 1872, 39 + 36, 56 S., 2 Taf. —, Sur la signification des cellules polaires des Insectes, in: CR. Acad. Sc. Paris, Vol. 95, 1882, p. 927 —929, —, Contribution à l'étude de la formation des organes sexuels chez les insectes, in: Recueil zool. Suisse, Vol. 2, 1885, p. 527—588, 2 Taf. BEARD, J., The germ-cells, Part I, Raja batis, in: Zool. Jahrb., Vol. 16, Anat., 1902, p. 615—695, 2 Taf. —, The morphological continuity of the germ-cells in Raja batis, in: Anat. 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Fig. 1, 2, 10, 11, 12, 14, 15, 25, 27 beziehen sich auf Chironomus confinis?, Fig. 3—9, 13, 16—24, 26 auf Chironomus riparius ? ah Amnionhöhle am Amnion bld Blastoderm cbl Cardioblasten ch Chorion d‘ digerierter Dotter degz degenerierende Zellen d. kstr dorsaler Keimstreif dx Dotterzelle ect Ectoderm ent Mitteldarmepithel epx Hüllzellen der Keimdrüse fk Fettkörper glx Ganglienzelle gx Genitalzelle haftf hintere Afterfüße h.amf hintere Amnionfalte hyp Hypodermis kdr Keimdrüse khbl Keimhautblastem kpl Keimbahnplasma kspl Seitenplatten des Kopfes mes Mesoderm mgh MALPIGHISCHE’s Gefäß mpr Muskulatur des Proctodäums mstr Mittelstrang mx; 1. Maxillarsegment nbl Neuroblast neur Neuralrinne obl Oberlippe opl Ooplasma par Paracyte parm Parietale Muskulatur plr Polraum pltr Plasmatropfen proct Proctodäum psbst Punktsubstanz px Polzelle Geschlechtsorgane von Chironomus. 611 schww Schwanzwulst übz Zellen des Übergangs zwischen ser Serosa ventralem Keimstreif und Schwanz- s. khbl sekundäres Keimhautblastem wulst splm Muscularis des Mitteldarms v. kstr ventraler Keimstreif stom Stomodäum vim ventrale Längsmuskulatur trm Transversalmuskulatur Tafel. 28. Fig. 1. Längsschnitt durch das Hinterende eines Eies auf dem Zweizellenstadium. Fig. 2. Längsschnitt durch die austretende primäre Polzelle im Teilungsstadium. Fig. 3 u. 4. Polzellen in Teilung. Fig. 5. Ruhende Polzellen im Polraum. — Alter wie Textfig. E. Fig. 6. Zweikernige Polzellen im Moment des Wiedereintritts in das Ei. Aufnahme des sekundären Keimhautblastems durch die Blastoderm- zellen. Fig. 7. Blastodermzellen unmittelbar nach Aufnahme des sekundären Blastems. Fig. 8. Frontalschnitt durch ein Ei mit fast vollendetem Durch- bruch der Urgeschlechtszellen durch das Blastoderm. Fig. 9. Sagittalschnitt durch die Anlage des Schwanzwulstes. Fig. 10—12. Frontal-, Transversal- und Sagittalschnitt durch Stadien gleichen Alters mit Schwanzwulst. Alter wie Textfig. F und H. Tafel 2% Fig. 13. Etwas schräg geführter Längsschnitt durch ein Ei mit junger Keimstreifanlage. Die seitlichen Zellen des Schwanzwulstes sind tangential getroffen. Die Schwanzfalte des Amnion hat das Hinterende erreicht. Fig. 14. Querschnitt durch den vordern Teil eines Eies mit fast maximaler Streckung des Keimstreifs. Alter zwischen Textfig. J und K. Fig. 15. Sagittalschnitt durch das hakenförmig in den Dotter ein- biegende hinterste Ende des Keimstreifs. Fig. 16. Querschnitt durch erstes Maxillarsegment und hintersten Abschnitt des Abdomens. Fig. 17. Querschnitt durch das hintere Drittel eines Eies mit zu- sammengezogenem Keimstreif und beginnender Rückenbildung. Fig. 18. Dasselbe Stadium. Querschnitt durch das mittlere Ab- domen. 40* 612 Martin Hasper, Geschlechtsorgane von Chironomus. ‘Wael Os Fig. 19. Sagittalschnitt durch das hakenférmig umgebogene Ende des Keimstreifs bei beginnender Bildung des Proctodäums und des Mittel- darmepithels. Fig. 20. Desgl. Fortgeschrittenes Stadium. Fig. 21. Bildung des Stomodäums. Sagittalschnitt. Fig. 22. Desgl. Fortgeschrittenes Stadium. (Gnathalsegmente an- gelegt. Die vordere Mitteldarmanlage ist etwa bis zum ersten Drittel des Eies vorgerückt. Fig. 23. Seitlich geführter Sagittalschnitt durch einen in Zusammen- ziehung begriffenen Keimstreif. Das sechste Abdominalsegment ist am hintern Eipol angelangt. Die beiden Entodermkeime verwachsen, Wande- rung der Genitalzellen nach vorn. Fig. 24. Desgl. Der Keimstreif nimmt wieder die Ventralseite des Eies ein. Genitalzellen etwa im 7. Abdominalsegment. Fig. 25. Längsschnitt durch Geschlechtsdrüse mit Suspensorien (er- gänzt aus dem benachbarten Schnitt), Darm und Nervensystem einer kürz- lich ausgeschlüpften Larve. Fig. 26. Zellige Elemente im Dotter. Fig. 27. Vordere Afterfußanlage. Nachdruck verboten, Übersetzungsrecht vorbehalten. Das Verhalten des Chromatins bei der Eibildung einiger Hydrozoen. Von Julius Schaxel. Mit Tafel 31—33. Inhalt. Seite Einleitung . . ehrt I. Die Bess von 2 Aogdare ea es HAECKEL Sasa chee UL 1. Oogonien . . | NEES Na ae oats tee ae Les 2: Da Kern der el N TE ED ER MGR Das: Chromatin: 42/5 KM 2a ehe (34S ese, ae b) Der; Nacleolus 34, MORE RAR SN POI 5. Der Zelleib der \Oocyte ER a 4. Zusammenfassung . . 620 II. Die Eibildung von Forskalia vontor fa LEUCKART und Ag galing rubra NOGR (2 ae tT Gee 1. Oogonien . . DI RGRS SIAR ll Reet les eee 2. Der Kern der Geeta ied of ye tale PEW sell RD a) “Dies Prdemissionsstadiens 4 2. 2 ea 5202 2.0622 b) Das Emissionsstadıum 5. -. «. 2 3° 3.5 4 6238 ec) Die Postemissionsstadien’:, 2 me. En 605 3. Mer ZelleibedersiOoeyte: >. tity. EME Da a Gea 4. Amsammoenfassang, 00 4. Tage ass a Ber 020 EET Theoretische: "Ergeumisse , INC ler ig NET Gag IV. Die Angaben anderer Autoren . . KIEL CA RBB 1. Über die Eibildung der Siphonophoren Rp, 2. Über methodologische Fragen . . ar eae Gan 614 Junius SCHAXEL, Seite 3. Über das Verhalten des Chromatins . . . . . . 639 4. Über Plastosomen . . il: 5. Über die nee Mis Ber Ra er ee ETS Verzeichnis der zitierten Literatur. 2 u. 5 CE Erklärung der. Abbildungen "07 Wr. me eu Einleitung. Im Anschluß an meine Untersuchung über das Zusammenwirken der Zellbestandteile bei der Eireifung, Furchung und Organbildung der Echinodermen (1911) hoffte ich in Weiterführung des dort ge- äußerten Programms zunächst über die Konstitution sogenannter Mosaikeier, namentlich der Ctenophoren, zu berichten. Allein das mir augenblicklich zur Verfügung stehende Material erwies sich als unzureichend. Ich berichte daher im Folgenden über Befunde, die ich schon in der Mitteilung über die Eibildung der Scyphomeduse Pelagia noctiluca (1910) vergleichsweise herangezogen hatte und deren eingehendere Darstellung geeignet ist, über die intranucleären Erscheinungen während der Eibildung, besonders über das Verhalten des Chromatins, nähere Aufklärung zu geben. Das Material entstammt der Bucht von Villefranche-sur-Mer, wo ich vom Oktober 1909 bis März 1910 zahlreiche Medusen un- mittelbar nach den täglichen pelagischen Fängen fixierte. Neben andern vereinzelt erhaltenen Formen standen mir die Hydromeduse Aequorea discus HAECKEL und die Siphonophoren Agalma rubra VOGT und Forskalia contorta LEUCKART reichlicher zur Verfügung. Von der Aequorea schnitt ich zur Fixation mit fertilen Ovariallamellen besetzte Stiicke der Subumbrella aus. Bei den Siphonophoren ist die Fixation ganzer Cormidien mit ihren vielfachen Anhängen unzweck- mäßig. Nach einiger Übung gelingt es rasch die Ursprungsstelle der Geschlechtsträubchen aufzufinden, samt ihrer nächsten Umgebung aus dem Stamm herauszuscheiden und zu fixieren. Sonst gilt für die Technik, was ich bei der Pelagia ausführlich angegeben habe (1910, Sk). I. Die Eibildung von Aequorea discus HAECKEL. Die craspedote Medusenfamilie der Aequoriden gehört der Ord- nung der Leptomedusen an. Die Aequoriden, von deren Eibildung im Folgenden die Rede ist, stimmen nach Form und Größe ganz mit der von HAECKEL in seinem System der Medusen (1880) auf tab. 15 Eibildung einiger Hydrozoen. 615 in fig. 1 abgebildeten und Aequorea discus benannten Meduse überein. Es ist möglich, daß es sich nur um kleine Exemplare der großen Aequorea forskalia EscuscHoLz handelt, deren Geschlechtsorgane O. und R. Hertwie (1878) beschreiben. Meine Befunde bestätigen ihre Angaben durchaus. Die Gonaden folgen als schmale Bänder der abumbrellaren Wand der Radiärkanäle, an deren beiden Enden sie ein kurzes Stück freilassen. Dasselbe gilt von der Mittellinie der Radiärkanäle, die ein Radiärmuskel einnimmt. In zwei seitlichen reichlich pigmentierten Streifen, die von verdicktem Ectoderm ge- bildet werden, reifen die Eizellen heran. Das Ectoderm wird durch die Stützlamelle vom Entoderm getrennt. Der Stützlamelle anliegend finden sich im Ectoderm der Subumbrella rundliche großkernige Zellen (HErTwıc’s subepitheliale Zellen), die sich bei Annäherung an den Pigmentstreifen mehren und hier eben zu Eiern werden. Im fertilen Genitalband beobachtete ich die jüngsten Eibildungsstadien zwischen den hier cylinderförmigen Ectodermzellen steckend (Fig. 1). In dieser Situation vermehren sie sich auch noch durch eine mito- tische Teilung. Erst die jungen Oocyten erster Ordnung begeben sich bei Einleitung des Wachstums wieder zur Entodermseite, der sie sich anschmiegen, wohl weil ihnen von dem resorbierenden Epi- thel der Gastralkanäle Nahrung zugeführt wird. Ein Überwandern ins Entoderm findet nicht statt. Die reifenahe Oocyte hat nach be- endeter Dotterbildung so an Umfang gewonnen, daß sie das um- gebende Ectoderm beiseite schiebend nach außen treten kann. Auf diese einfache Weise geschieht die Eiablage. Die Kernreifung wird erst beim Eindringen des Spermatozoons im abgelegten Ei vollzogen. 1. Oogonien. Die frühesten Stadien in den Zellgenerationen, die zum Ei führen und die in der geschlechtsreifen Aequorea noch zu finden sind, werden durch die obengenannten subepithelialen Zellen des Ectoderms repräsentiert. Woher sie stammen, wäre durch eine der Keimbahn nachgehende entwicklungsgeschichtliche Untersuchung zu ermitteln. Sie unterscheiden sich zwar von den Ectodermzellen, deren Kern klein und blaß und deren Zelleib aus grobmaschigem Plasma aufgebaut ist, aber nicht voneinander. So gibt es auch bei dem allerdings recht kleinzelligen Material keine Kriterien, die eine Seria- tion in einander folgende Generationen gestatten. Teilungsfiguren habe ich überhaupt nur im Ovarialstreifen gefunden, und die Stadien nach dieser Teilung sind als Oocyten charakterisiert. Fig. 1 zeigt 616 JULIUS SCHAXEL, eine Oogonie aus dem Ovarialstreifen zwischen Ectodermzellen. Auf dem achromatischen Gerüst des Kerns ist lebhaft färbbares Chroma- tin verteilt. Ein kleiner schwach gefärbter Nucleolus ist vorhanden. Der Zelleib besteht aus feinwabigem Protoplasma, in dem keinerlei geformte oder besonders färbbare Einlagerungen auffindbar sind. Von Zellen dieser Art fehlen Übergänge zum heranwachsenden Ei, wohl aber begegneten mir, wenn auch spärlich, Zellen in mitotischer Teilung. Bei der Teilung verschwindet der Oogoniennucleolus (Fig. 2). An diese Teilung schließt sich keine Rekreation des Chro- matins in einem Ruhekern, um eine weitere Teilung einzuleiten, sondern bei der der Telophase folgenden, noch chromosomalen Anordnung des Chromatins heben die für die Oocyte kennzeichnenden Prozesse an. Ich halte daher die subepithelialen Zellen und die Oogonien des Ovarialstreifens für Ruhestadien von Keimmaterial, die unmittelbar nach Vollzug einer letzten Teilung die Reifung zu Eiern beginnen. Da nun bei Aequorea während des Wachstums der Meduse eine fort- dauernde Neubildung von Radiärkanälen und damit von Stätten der Eibildung statthat, so wird es wahrscheinlich, daß die Einbeziehung der ruhenden subepithelialen Zellen des Subumbrellarectoderms, die auf dem Wege einer Keimbahn dahin gelangt sind, in die Ovarial- streifen eben die Bedingungen zu dem letzten Teilungsschritt mit anschließender Reifung liefert. 2. Der Kern der Oocyte. (Das Keimbläschen.) Nach Vollzug der letzten Oogonienteilung strecken die in der Spindel kurzen Chromosomen von ellipsoider Gestalt sich zu längern Fäden aus. Indem um die beisammenliegenden Fäden eine an ’ Enchylema reiche Region abgegrenzt wird, tritt der Oocytenkern in Erscheinung (Fig. 3). Alsbald tritt auch der Kernmembran anliegend ein blaß und durchscheinend färbbarer Nucleolus auf, ohne bei seiner Entstehung wie auch fernerhin substanzielle Beziehungen zum Chro- matin erkennen zu lassen (Fig. 4). Bei noch fädiger Anordnung des Chromatins erfolgt eine diffuse Chromatinemission allseitig durch die Kernmembran. Erst während dieser nimmt das Chromatin allmählich | > eine andere Lagerung ein, um nach ihrer Beendigung seine Rekon- struktion zu den Richtungsspindelchromosomen zu beginnen. Während der Emission liegt der Kern im Mittelpunkt der größten Plasma- masse der infolge der Annäherung und Anlagerung an die Entoderm- seite des Ovarialstreifens von der Kugelgestalt abweichenden Zelle. Eibildung einiger Hydrozoen. 617 Er selbst ist kuglig und seine Begrenzung glatt. Während der postemissionalen Rekonstruktion rückt das inzwischen umfangreicher gewordene Keimbläschen an die Oberfläche der nach außen liegen- den Oocytenseite, der es sich anschmiegt und wo zur Reifungsteilung seine Auflösung beginnt, die durch eine eigentümliche Wellung ein- geleitet wird (Fig. 11). a) Das Chromatin. Im jüngsten, als abgegrenzte Zellregion erscheinenden Kern haben die Chromatinfäden eine glatte Kontur (Fig. 3). Bald wird diese verwischt, indem zackige Fortsätze an den Fäden und achro- matische Lücken in ihnen aufzutreten scheinen. Es handelt sich aber nicht um ein Nachlassen der Färbbarkeit, sondern vielmehr um eine andersartige Lagerung der sich vermehrenden chromatischen Sub- stanz. Allerdings werden die Fäden in ihrer Ausdehnung von un- gleicher Intensität färbbar. Dafür erhält aber das gesamte Kern- lumen eine chromatoide Tönung. Die Chromatinpartikel verteilen sich im Kernraum. In Fig. 4 sind die Antänge dieses Prozesses wiedergegeben, der in Fig. 5 weitere Fortschritte gemacht hat. Im letztern Stadium erscheinen extranucleär an der Kern- membran bereits kleine chromatische Ansammlungen, die die Kern- membran passiert haben und nun vor ihrer Verteilung im Zelleib in dem dichter gefügten (enchylemaärmern) Cytoplasma eine gewisse Stauung erfahren. Es beginnt also die bekannte Chromatinemission des Oocytenkerns, mit der die spezifischen Prozesse der Eibildungs- zelle eingeleitet werden. Meist scheint der erste Austritt chroma- tischer Substanz auf der dem noch exzentrisch liegenden Nucleolus abgewandten Kernseite stattzufinden, weil diesen Kernteil an und für sich die größere Chromatinmenge einnimmt. Mit fortschreitender Chromatinassimilation verschwindet die fädige Anordnung mehr und mehr, und die Emission findet auf der ganzen Kernoberfläche statt. Ist in Fig. 6 die Fadenlagerung im Vergleich mit frühern Stadien noch eben zu erkennen, so nähert sich Fig. 7 bereits der für die Folge charakteristischen Lagerung des Chromatins. Der achro- matische Nucleolus ist inzwischen in die Mitte des Kerns gerückt. In seiner Nähe ist wenig oder keine chromatische Substanz, die viel- mehr in ihrer Hauptmasse in einem gewissen Abstand von der Kern- oberfläche eine dieser konzentrische Schicht einnimmt, von der aus die Emission weitergeht. Fig. 8 stellt die ihrem Ende nahe Emission dar. Die flockig-fädige Anordnung des Chromatins ist die weit- 618 JULIUS SCHAXEL, gehendste Verteilung im Kernraum, die das Chromatin der Aequorea- Oocyte überhaupt erreicht. Mit dem Abschluß der Emission beginnt die innere Rekonstruk- tion des Kernapparats, der Hauptsache nach die Herausarbeitung der Chromosomen für die nächste Teilung. In dem durch weitere Kernsaftaufnahme anschwellenden Keimbläschen zieht sich das Chro- matin ganz an die Oberfläche zurück. Dadurch gewinnt der immer schon bestehende chromatinarme Hof um den Nucleolus eine bedeu- tendere Ausdehnung. Fig.9 zeigt diese Verhältnisse: Die Emission ist beendet. Von den extranucleären chromatischen Ansammlungen findet lediglich noch eine Ausbreitung der Substanz im Zelleib statt. Das Caryochromatin befindet sich unter der Kernoberfläche und zwar nicht in gleichmäßiger Verteilung, sondern dichtere chro- matische Formungen heben sich aus der mehr gleichartigen Haupt- masse heraus. Wenn im Zelleib die Dotterbildung vor sich geht, sind im Keimbläschen immer noch unter der Oberfläche namentlich bei schwächerer Vergrößerung die chromatischen Formungen schon in fädiger Anordnung erkennbar (Fig. 10). Starke Vergrößerung vermag hier noch den Faden in eine Schar sich um eine Achse zusammendrängender und je weiter von der Achse entfernt um so isolierter erscheinender Chromatinpartikel aufzulösen. Im reifenahen Keimbläschen, das der Eioberfläche sich anlegend der Auflösung entgegengeht, versammelt das wieder in Chromosomen lokalisierte Chromatin sich an der Außenseite Fig. 11 ist das Bild eines 4 u dicken Schnittes durch ein solches Keimbläschen, in dem nur einige der Chromosomen und diese vielfach angeschnitten zu sehen sind. Außer dem in den Chromosomen konzentrierten Chromatin, das übrigens um in Teilung einzugehen noch eine stärkere Ver- ; dichtung erfahren muß, findet sich noch im Kernraum zerstreutes Chromatin, das bei der Auflösung des Keimbläschens in den Zelleib ausgestoßen wird. Die Reifeteilungen selbst, die erst bei der Eiablage beginnen und zur Zeit der Besamung vollendet zu werden scheinen, wurden nicht beobachtet. Von Aequorea forskalia Escu. sei vergleichsweise angeführt, daß HAEcker (1892) die Eiablage zwischen 7 bis 7'/, Uhr morgens, um 9 Uhr die Abschnürung des ersten Richtungskörpers, um 91}, Uhr das Eindringen des Spermakerns und die zweite Rei- fungsteilung beobachtete. Eibildung einiger Hydrozoen. 619 b) Der Nucleolus. Mit dem ersten Auftreten rauher Konturen an den chromatischen Fäden des Oocytenkerns erscheint ein Nucleolus der Kernmembran angeschmiegt (Fig. 4). Er bleibt während des ganzen Eiwachstums der einzige und weist niemals substanzielle Beziehungen zum Chro- matin auf. Sein tinktorielles Verhalten ist ein für ihn eigentüm- liches, indem er stets matt gefärbt und durchscheinend bleibt. Je mehr die Auflockerung der chromatischen Fäden fortschreitet, desto mehr rückt er ins Kerninnere, wo er, von einem chromatinarmen Hof umgeben, meist nicht genau die Mitte einnimmt, ohne eine bestimmte Situation zu bevorzugen. Während der Assimilation und Emission des Chromatins gewinnt er nicht nur an Umfang, sondern auch an homogener Masse (Fig. 5—9). In den Stadien der Chromosomen- rekonstruktion wird der Nucleolus zwar auch noch größer, doch sind es jetzt Vacuolenbildungen, die ihn auftreiben, nicht Ver- mehrung seiner Substanz. Die Vacuolen sind hier besonders klein und zahlreich und fließen erst später zu großen auch bei schwächerer Vergrößerung auffallenden zusammen. Im Rekonstruktionskern ist auch die räumliche Sonderung des Nucleolus von den Stätten der Chromatinprozesse besonders deutlich (Fig. 9 u. 10). Mit großen zur Entleerung bereiten Vacuolen, die ihn auch seine frühere Kugel- gestalt verlieren lassen, befindet sich der Nucleolus im auflösungs- bereiten Keimbläschen (Fig. 11). Sein ferneres Schicksal habe ich hier nicht untersucht, aber eingedenk der Verhältnisse bei andern Medusen (Pelagia, 1910, p. 177 ff.) und auch der Echinodermen (1911, p. 557 ff.) schließen sich hier ungezwungen HAECKER’s (1892, p. 251 ff.) Befunde über den sog. Metanucleolus des Kies von Aequorea forskalia an. Er beobachtete von der Auflösung des Keimbläschens an bis in die ersten Furchungsvorgänge einen vacuolisierten kugligen Körper, der in seinem Habitus dem Keimbläschennucleolus glich und wohl mit diesem identisch sich nun auf dem Wege allmählicher Resorption befindet. 3. Der Zelleib der Oocyte. Ich habe über das Zusammenwirken der Zellsubstanzen beim Aufbau des Eileibes in mit vorliegendem Objekt prinzipiell überein- stimmenden Fällen bereits mehrmals eingehend berichtet, so über die Meduse Pelagia 1910, p. 178ff. Daher sei hier nur das Vor- kommen der Hauptmomente erwähnt. 620 JULIUS SCHAXEL, Die Ruhestadien der eibildenden Zellen (subepitheliale Zellen), Oogonien und jüngsten’ Oocyten besitzen ein Cytoplasma, das im fixierten Zustande einen schönen Wabenbau ohne besonders färb- bare oder geformte Einlagerungen zeigt (Fig. 1-—4, primäre Achro- masie). Erst das auf dem Wege der Emission in den Zelleib gelangende Chromatin ruft hierin eine Änderung hervor. Bevor die Verteilung des Chromatins beginnt, staut es sich zu dem Kern aufsitzenden Kuppen an (Fig. 5—6). Dann verteilt es sich gleichmäßig, manch- mal noch zu kleinern Anhäufungen in Kernnähe zusammentretend, die bei fortschreitender Ausbreitung im wachsenden Eileib wieder verschwinden. Dem fixierten Cytoplasma ist das Chromatin stets in die Wabenwände als feinste Partikel eingelagert, so daß bei ober- flächlichem Zusehen der Zelleib stark chromatisch tingiert er- scheint, mit starken Linsen aber die Auflösung in mehr oder weniger agglutinierende Körnelungen (je nach der Stärke der Chromatinbe- schickung) leicht möglich ist (Fig. 7—8). An Fig. 9 (Ende der Emission) schließt sich mit dem Erreichen einer gleichmäßigen Chromatinverteilung die Chromasie des Zelleibs. Im chromatinbeschickten Zelleib werden vom Plasma nur kleine deutoplasmatische Ablagerungen abgeschieden wie immer bei ver- hältnismäßig kleinen Eiern. Die relative Achromasie des reifen Ei- leibs zeigt, wie in anbetracht der spätern totalen äqualen Furchung zu erwarten ist, dem die Grundlage bildenden Cytoplasma in gleich- mäßiger Verteilung kleine Dotterelemente und chromatische Kon- densa eingelagert. Fig. 12 ist ein Ausschnitt aus dem reifen Eileib. Die chromatischen Kondensa folgen auch hier dem Wabenbau und sehen daher verzweigten Stäbchen ähnlich. Der Dotter erfüllt in Form kugeliger Tropfen Höhlungen der plasmatischen Grund- struktur. 4. Zusammenfassung. Nach der letzten Oogonienteilung grenzt sich unter Ansamm- lung von Enchylema um die zu Fäden gestreckten Chromosomen der Oocytenkern ab. Unter Lockerung der fädigen Lagerung des Chromatins, aber noch während dieser setzt eine diffuse Chromatin- emission ein bei Bildung extranucleärer Stauungskuppen. Nach der Emission integrieren sich die Chromosomen wieder aus dem unter der Kernoberfläche gelagerten Chromatin. Ein zu Anfang ge- bildeter Nucleolus weist keine substantiellen Beziehungen zum Eibildung einiger Hydrozoen. 621 Chromatin auf. Er gelangt bei der Keimbläschenauflösung samt restlichem Chromatin zur Resorption in den Zelleib. Das chromatin- beschickte Cytoplasma sondert spärlichen Dotter ab, der wie die intervitellinen Chromatinkondensationen im Reifeileib eine gleich- mäßige Verteilung aufweist. II. Die Eibildung von Forskalia contorta LEUCKART und Agalma rubra Vocr. Diese Siphonophoren sind nach dem Harcker’schen System (1888) Repräsentanten zweier Familien, die er der Ordnung der Physo- necten einreiht. Ihre Eibildungsstätten beschreibt WEısmAnn (1883) in seinen grundlegenden Untersuchungen über die Entstehung der Sexualzellen bei den Hydromedusen. Wetsmann’s Befunde werden durch Caux (1891, 1895) auch für andere Formen bestätigt. Die Rhyzophysalien betreffenden Uneinigkeiten (STECHE 1907, 1908 und RicHTeEr 1907) kommen für uns nicht in Betracht, und in die neuen Untersuchungen von Künn (1910) über die Entwicklung der Ge- schlechtsindividuen der Hydromedusen sind die Siphonophoren nicht einbegriffen. Meine Befunde stimmen mit denen WEISMAnN’s überein. Zur Orientierung über Bau und Entstehung der Keimstätte sei er- wähnt: Forskalia contorta und Agalma rubra (= Halistemma rubra Hvxuey) sind monöcische Stöcke. Bei Forskalia sitzen an der Spitze desselben Stieles, der weiter abwärts zahlreiche weibliche Gono- phoren trägt, die männlichen in geringer Anzahl. Bei Agalma hin- gegen sitzen die Geschlechter auf getrennten Stielen. Die (bei Forskalia zwitterige) Sexualanlage befindet sich im Entoderm des Stammes, aus dem sie, das einschichtige Ectoderm vor sich her- schiebend, hervorknospt (bei Forskalia sich in weibliche und männ- liche Anlage sondernd). In der weiblichen Anlage treten mehrere Zellen zusammen (bei Forskalia etwa 4), um gemeinsam in Form eines Lappens aus der Knospe hervorzuwachsen. Sie hängen mit ihr schließlich nur mehr durch einen dünnen Stiel zusammen. Erst jetzt wird um jedes einzelne Vorei, das durch diesen Vorgang von seinen Geschwistern isoliert wird, die medusoide Gonophorenhülle gebildet. Zur Vollendung der Eibildung wird die Zelle dem Ecto- derm des Manubriums des Medusoids eingelagert. Hinsichtlich der cytologischen Vorgänge in den Eibildungszellen herrscht zwischen Forskalia und Agalma große Übereinstimmung. Ich 622 JULIUS SCHAXEL, lege der Darstellung hauptsächlich Forskalia zugrunde und ziehe Agalma vergleichsweise heran. 1. Oogonien. Oben am Stamm der Siphonophore, wo die polymorphen Stücke der Cormidien durch Knospung entstehen, finden sich bei Forskalia in der sexuellen Knospe Übergänge vom indifferenten einschichtigen Entoderm sowohl zu der mehrschichtigen Lage der männlichen Keimzellen wie zu dem Lager der Zellen, von denen die Eibildung ihren Ausgang nimmt. Mein gegenwärtiges Material gerade dieses Entwicklungszustandes ist leider für eine eingehende Analyse dieser Differenzierungen zu spärlich. Hier müssen die Prozesse der Ver- mehrungsphase vor sich gehen. Fig. 13 zeigt eine nahezu abge- laufene mitotische Teilung aus dem schon ziemlich vorgewachsenen Ovariallappen umgeben von ruhenden Zellen (in die Zeichnung sind nur einige eingetragen). Die sich teilende Zelle ist größer als die Ruhestadien. An solche Teilungsbilder schließen sich auch bereits die Oocytenvorgänge an. Zwischen den Ruhestadien, deren Chro- matin und Nucleolus auf dem Kernreticulum nicht sehr lebhaft sich färbt, liegen wohl noch einige Oogonienteilungen. In der prominenten und sich lappenden Ovarialknospe, erst recht nicht später, habe ich keine Teilungen mehr beobachtet. Nicht zu verwechseln mit den Teilungen der Eibildungszellen der genannten frühesten Stadien sind die spätern Teilungsprozesse der den medusoiden Gonophor aufbauen- den Zellen. 2. Der Kern der Oocyte. (Das Keimbläschen.) a) Die Präemissionsstadien. Die von Forskalia zunächst geschilderten Vorgänge im Kern, der um die Chromosomen der letzten Teilung sich abgrenzt, ver- laufen, während die Zellen noch zu vielen im vorgesproßten Ovarial- lappen beisammen liegen. Die Chromatinfäden, aus den Chromosomen des Teilungszustands hervorgegangen, liegen einigermaßen gleich gerichtet im Kern (Fig. 14), und oft finden sich 2 Zellen so zueinander liegend, daß sie als unmittelbare Geschwister, als Abkömmlinge einer Oogonie, er- kennbar sind (Fig. 15). Die Situation der chromatischen Fäden und Eibildung einiger Hydrozoen. 623 im Zusammenhang damit die anschließenden Prozesse prägen dem Kern eine gewisse Polarität auf. In dem Teil des Kernraums, der der die Zellen teilenden Ebene abgewendet liegt, erscheint zuerst als relativ blasses Gebilde der Nucleolus (Fig. 14). In derselben Region setzt auch das Nachlassen der Chromatizität der Fäden und die Aufrauhung ihrer Kontur zuerst ein, indem das Chromatin aus seiner bisherigen Lagerung sich lösend zerstreut wird, wobei vor- übergehend eine lockere Anhäufung unter der Kernmembran erscheint (Fig. 15). Am andern Kernpol liegt das Chromatin noch dichter, und seine Färbbarkeit ist daher auffälliger. Einen Substanzaustritt aus dem Kern in diesem Stadium, das wenn überhaupt eines der Medusenoogenese dem: Bukettstadium der Autoren gleichgesetzt werden muß, habe ich nicht beobachtet. Bald macht die Umlage- rung und Verteilung des Chromatins weitere Fortschritte. Fig. 16 gibt ein Bild in derselben optischen Ebene wie die Figg. 13—15 (senkrecht zu der die Oogonie teilenden Ebene). Die Lockerung der Chromatinfäden beginnt für den ganzen Kern eine gleichmäßige zu werden. Auch das Chromatin der Anhäufung des einen Kernpols wird wieder dem übrigen beigesellt. Die wichtigste Erscheinung dieses Stadiums besteht darin, daß von nun an die Beziehungen des Chromatins zum Nucleolus deutlicher hervortreten. Trat der Nucleolus überhaupt schon in dem Kernteil zuerst auf, wo auch die Auflocke- rung der Chromatinfäden einsetzt, so gewinnt er mit dem Fortschreiten dieses Prozesses dermaßen an Umfang und Färbbarkeit, daß es überaus wahrscheinlich wird, in ihm die neue Lagerung des Chro- matins zu erblicken, worin die Betrachtung der folgenden Erschei- nungen durchaus bestärkt. Fig. 17 ist ein wenig älteres Stadium als Fig.16, aber so dargestellt, daß die Bildebene parallel zur teilenden Ebene liegt. Es treten daher die von den fädigen (hier im Quer- schnitt gesehenen) Lagerungen auf der achromatischen Grundstruktur abführenden und anastomosierenden Chromatinbahnen namentlich auch in ihren Beziehungen zum Nucleolus hervor, der zur Sammelstätte und, wie sich zeigen wird, zum Assimilationszentrum des Chroma- tins wird. b) Das Emissionsstadium. Der Chromatinaustritt findet statt, wenn die Oocyten sich zu etwa vieren in ein mit der ursprünglichen Ovarialknospe durch einen Stiel verbundenes Nest zusammentun. Noch ehe das gesamte Chromatin im Nucleolus Platz gefunden 624 Junius ScHAXEL, hat, vermehrt es sich, und es kommt zur Emission, die in ihrem ersten Anfang als eine diffuse, allseitig durch die Kernmembran unter Bildung von Stauungskuppen vor sich gehende nichts beson- deres bietet und, abgesehen von den Nucleolenverhältnissen, z. B. der von mir für die Oocyte der Meduse Pelagia (1910, p. 175) beschrie- benen gleicht. Die Heteropolie des Kerns, die in den 1. Prä- emissionsstadien zu bemerken war, ist jetzt verschwunden. In Fig. 18 ist der Emissionsbeginn dargestellt. In ihrem weitern Verlaut werden zwei Momente auffällig: die radiäre Anordnung des vom Nu- cleolus abströmenden Chromatins und namentlich die eigentümliche Lappung des Oocytenkerns während der Emission, die bei Fors- kalia (Fig. 19—22) viel stärker als bei Agalma (Fig. 26—28) her- vortritt. Als ich vor längerer Zeit nicht bei den hier beschriebenen Siphonophoren, sondern in den Oocyten von Physophora hydrostatica ForskAu solche Lappenkerne sah, zog ich dieses Material wegen des Verdachtes der Schrumpfung nicht zu weitern Untersuchungen heran. Bei Forskalia begegnete mir nun nach den verschiedensten Fixie- rungen, dieich für dasselbe Exemplar anwandte, und bei allen über- haupt untersuchten Exemplaren die Erscheinung mit solcher Regel- mäßiekeit, daß ich sie für normal halten muß. Gegen ein Kunst- produkt spricht vor allem, daß alles übrige in denselben Präparaten wohl erhalten ist, daß ferner die Lappung sich auf das Emissions- stadium beschränkt und die jüngern wie die ältern Kerne in den- selben Präparaten die gewöhnliche glatte Oberfläche zeigen. Gegen den Schrumpfungsverdacht kommt schließlich noch besonders in Be- tracht, daß irgendwelche leere Schrumpfräume, die ja bei Kern- schrumpfungen niemals fehlen, auch nicht im geringsten vorhan- den sind. Bevor ich mich der Beschreibung im einzelnen zuwende, sei hier gleich bemerkt, daß für Forskalia die Figg. 19—25 in geringerer Vergrößerung als die Figg. 13—18 und ebenso für Agalma Fig. 26—29 stärker vergrößert als Fig. 30—33 gezeichnet sind, was bei Vergleichung der Volumzunahme des Kerns zu beachten ist. Werden bei Forskalia in der an Fig. 18 (Emissionsbeginn) sich anschließenden Stadien die Stauungskuppen durch aus dem Kern nachdrängendes Chromatin größer, wobei offenbar die Verteilung im Zelleib nicht in dem Maße fortschreitet als neues Chromatin an- rückt, so bilden sie für die Volumzunahme des Kerns ein schwer zu überwindendes Hindernis. Infolgedessen treten die Teile der Kern- Eibildung einiger Hydrozoen. 625 oberfläche, die noch nicht von Chromatinkuppen besetzt sind, zwischen den besetzten gegen den Zelleib vor. Auf diese Weise er- klärt sich das rasche Zustandekommen von Bildern, wie Fig. 19 eines wiedergibt. Zwischen den chromatinfreien Ausbuchtungen liegen die durch Emissionsstauung zurückgehaltenen Teile der Kern- oberfläche. Daher kommt es auch, daß bei anfänglich reichlicher Emission die Lappung relativ am stärksten ist und bei ihrem Weitergang und der allmählichen Verteilung des gestauten Chro- matins die Lappung nach und nach verstreicht. Die Figg. 20 und 21 illustrieren mittlere und spätere Stadien der Emission bei Forskalia. Man sieht, wie die Kernlappen an Zahl und die Ausbuchtungen an Tiefe abnehmen im Zusammenhang mit der raschern Verteilung des Emissums in dem wachsenden Zelleib. In Fig. 20 links ist eine be- sonders chromatinreiche (auch dem Nucleolus besonders naheliegende) Stelle der Kernoberfläche vom Schnitt getroffen, die daher auch von großen Ausbuchtungen des Kerns umwallt wird. Nach dem Ende der Emission erlangt der Kern, sobald die letzten Stauungen auf- geteilt sind, wieder eine glatte Oberfläche bei kugliger Gestalt. In Fig. 22 ist für Forskalia dieser Zustand nahezu erreicht. Bei Agalma ist, wie gesagt, die Kernlappung nicht so auffallend. Immerhin ist sie zu Beginn der Emission deutlich erkennbar (Fig. 26). Da die Ausbuchtungen des Kerns nicht sehr groß sind, so verstreichen sie auch rascher. In dem mittlern Stadium der Fig. 27 sind sie aber noch erkennbar, während sie bei dem spätern Stadium der Fig. 28 so ziemlich und beim Emissionsende (Fig. 29) völlig verschwunden sind. Die während der Emission im Kerninnern über das Verhalten des Chromatins unserer Betrachtung zugänglichen Verhältnisse er- scheinen einfach. Der chromatische Nucleolus nimmt an Umfang zu. Von ihm strömt ständig Chromatin ab, das sich im ganzen Kern, ohne besondere Straßen zu bevorzugen, zur Membran begibt. Der Kernraum ist daher mit feinsten chromatischen Partikeln erfüllt, die namentlich in nächster Nähe des Nucleolus wie von diesem aus- strahlend aussehen (Fig. 19—21 von Forskalia, Fig. 26—28 von Agalma). c) Die Postemissionsstadien. Nach Ablauf der Emission rekonstruieren sich aus dem im Kern verbliebenen Chromatin die Chromosomen für die Reifeteilungen, während der Zelleib mit deutoplasmatischen Substanzen versehen Zool. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. 41 626 JULIUS SCHAXEL, wird. Jede Oocyte wird jetzt von dem medusoiden Gonophor um- geben, dessen Gastralsystem ihr allseitig reichlich Nahrung zuführt. Bei Betrachtung des Kerns im ganzen ist neben einer nicht allzu beträchtlichen Volumzunahme das schon erwähnte Verstreichen der Ausbuchtungen auffällige. Der von äußerm Druck unbeeinflußte Kern hat weiterhin eine ungefähr kuglige Gestalt und eine glatte Oberfläche, bis er sich der Eioberfläche nähert und ihr anschmiegt, wo er etwas abgeplattet wird und die der Auflösung vorausgehen- den feinen Fältelungen der Membran sichtbar werden. Das Chromatin gibt seine Konzentration im Nucleolus und die radiäre Anordnung der abströmenden Partikel auf. Die lockere kernsaftreiche Grundstruktur, an sich dem reinen Cytoplasma gleichend, bleibt von regellos liegenden Chromatinpartikeln in feiner Verteilung erfüllt. Wichtig ist die fortschreitende Entchromatisierung des Nucleolus und das gleichzeitige Erscheinen chromatischer An- sammlung in fädiger Gestalt im Keimbläschen. Bei Forskalia erfolgt die Entfärbung des Nucleolus mehr in seiner ganzen Ausdehnung gleichmäßig, wenn auch manchmal einzelne hellere Partien schon früh auftreten. Fig. 22 und 23 geben Bilder von verschieden fortgeschrittenen Entchromatisierungen. Bei Agalma sind es die zentralen Teile des Nucleolus, die zuerst chromatinfrei werden und sich mit zahllosen kleinen Vacuolen anfüllen, die sich nach und nach zu größern vereinigen. Schließlich wird ein farb- loser Inhalt von einer nunmehr dünnen Rindenschicht umschlossen. Die Figg. 28—32 illustrieren das Gesagte. Der chromatinfreie Nu- cleolus erleidet die gewöhnlichen Auftreibungen durch Vacuolen, die ihn an Umfang zunehmen lassen, ohne hier aber wie z. B. bei Aequorea (S. 619) seine Kugelgestalt erheblich zu verändern. Mit den andern nicht in den reifen Eikern eingehenden Residuen des Keimbläschens wird der Nucleolus bei dessen Auflösung in den Zelleib ausgestoßen und wohl resorbiert. Vergleichen wir, um das weitere Schicksal des Chromatins kennen zu lernen, die in Fig. 28—32 abgebildeten Keimbläschen von Agalma, so sehen wir parallel zu den geschilderten Veränderungen des Nucleolus (und zu den der Konstitution des Eileibs dienenden Prozessen, von denen noch zu handeln sein wird) Folgendes: Waren während der Emission außer dem im Nucleolus lokalisierten Chro- matin nur die feinen abströmenden Partikel zu bemerken, so sind in Fig. 28 (Ende der Emission) bereits allenthalben größere chro- matische Körnelungen wahrzunehmen, die hier noch regellos verteilt Eibildung einiger Hydrozoen. 627 erscheinen. Im nächsten Stadium (Fig. 29) treten in schwacher An- deutung solche Chromatinverdichtungen in linearer Anordnung auf, die in Fig. 30 schon als deutliche Fädchen erkennbar sind. Die spätern Stadien geben nun immer deutlichere Ansichten des zu fädigen Bildungen sich verdichtenden Chromatins (Fig. 31 und 32), das die Chromosomen der Reifeteilungen darstellt, sobald der zu- nehmende Konzentrationsprozeß beendet ist. Der freie Kernraum des großen Keimbläschens ist der Schauplatz dieser Vorgänge In den Präparaten finden sich natürlich weit mehr Übergänge der Stadien, als ich hier zeichnerisch wiedergebe, und die Variierung der Schnittdicke wie die Bewegung der Mikrometerschraube gestattet den chromatischen Fäden viel mehr zu folgen, also einen klareren Eindruck zu vermitteln, als das die Ausschnitte liefernden Flächen- bilder vermögen. Je mehr man die angewandte Vergrößerung steigert, desto mehr treten die Beziehungen der Fadenbildungen zu den im Kern verteilten Chromatinpartikeln hervor. Die Fäden werden aber dann in dichtere Lagerungen der Partikel aufgelöst. So zeigt Fig. 22 von Forskalia den Anfang dieses Prozesses. Später tritt ein axialer Faden dichterer Substanz deutlicher zutage, um den noch weniger dichte Substanz sich lagert, wie die Fig. 23 (Forskalia) darstellt. Diese Vorstadien der Chromosomen weichen von den sogenannten Lampenbürstenformen in der Weise ab, als die Gebilde keine substanziellen Kontinuitäten, sondern zusammen- tretende Partikel darstellen. Es besteht aber keine Veranlassung für unsern Fall ein granuliertes Ausfallen vitaler Kontinua bei der Fixation anzunehmen, da gerade die auch anderweitig beobachtete Erscheinungsweise des Chromatins in diskreten Partikeln sich der Gesamtheit der hier untersuchten Zellvorgänge in engem Anschluß an die der Chromosomenrekonstruktion vorausgehenden Prozesse einfügt. Nach der Integration der Chromosomen restiert noch in diese nicht mehr aufgenommenes Chromatin. Die Richtungskörperbildung geht erst nach der Eiablage vor sich. Zu ihrer Betrachtung an Schnittpräparaten steht mir kein Material zur Verfügung, da ich abgelegten Laich nicht fixiert habe. 3. Der Zelleib der Oocyte. Wir können uns hier wieder aus den S. 619 angeführten Gründen kurz fassen. Wichtig ist die Konstatierung der Achromasie des Zelleibs aller Stadien vor der diffusen Emission. Ich fand weder in der dünnen 41* 628 Junius SCHAXEL, Plasmaschicht, die den Oogonienkern umgibt, noch im Cytoplasma der ihren Kernvorgängen nach heteropolisch erscheinenden jüngern Oocyte irgendwelche Einlagerungen (Fig. 13—17) Fände im „Bouquetstadium“ eine Abstoßung von Chromosomenenden statt, die bei lokal aufgelöster Kernmembran in den Zelleib treten, so müßte in Stadien wie Fig. 15 etwas davon zu bemerken sein, auch wenn eine rasche Auflösung der hier etwa im Sinne einer Reduktion eliminierten Substanz vorkäme. Das bei und nach der diffusen Emission im Zelleib sich ver- teilende Chromatin ist den Wabenwänden eingelagert. Bei Forskalia erfolgt die Ausbreitung von den Stauungskuppen in kompakter ab- rückenden Chromatinherden, die nach und nach sich weiter ver- teilen. Daher weist der Zelleib der Figg. 19—22 außer bereits fein verteiltem Chromatin zahlreiche stark färbbare, größere Einlage- rungen auf, die bei Agalma (Fig. 27—28) weniger auffallen. Da- gegen kommt es hier vorübergehend zur Bildung einer Art von Chromidialnetzen, d. h. es treten einige Partien des Zelleibs, die stärker als die übrigen mit Chromatin beschickt sind, vor den andern hervor und gewinnen infolge der Einlagerung des Chromatins in die Wabenwände ein netzartiges Aussehen (Fig. 29). Solche Ungleich- heiten der Verteilung auch noch bei erreichter Chromasie werden bei der nun einsetzenden Dotterbildung ausgeglichen. Zwar ist seit der Emission die Zelle auch schon gewachsen (man vergleiche die Figg. 19—22 von Forskalia und 26—29 von Agalma untereinander), ihre auffallendste Vergrößerung erfährt sie aber erst durch die Ansammlung des Dotters. Ohne auf die Bildung der deutoplasmatischen Substanzen einzugehen, sei nur gesagt, dab sie von der Peripherie nach dem Kern zu stattfindet (Fig. 30). Anfangs werden kleine Dottervorstufen ausgeschieden (Fig. 24 von Forskalia), die sich vergrößern und untereinander vereinigen. Fig. 25 zeigt außer den zahllosen kleinen Deutoplasmakugeln auch schon erößere in allen Abstufungen, die eine gewisse konzentrische Schichtung erkennen lassen. Je mehr die Oocyte sich der Reife nähert, desto mehr wird die Dottersubstanz verflüssigt. Daher kommt es zur Ausbildung riesiger Schollen, die sich gegeneinander abplattend im Schnittbild als unregelmäßige Polyeder erscheinen (Fig. 33 von Agalma). Die endgültigen Dotterschollen bleiben durch Plasmawände voneinander getrennt, in die auch die für die sekun- däre, relative Achromasie des Reifeies charakteristischen Chromatin- kondensationen eingelagert sind. So ist der Reifeileib mit einem Eibildung einiger Hydrozoen. 629 Gerüst chromatinführenden Cytoplasmas durchsetzt und außerdem von einer dünnen Mantelschicht derselben Art umgeben. Eigentliche Eihüllen werden nicht gebildet. 4. Zusammenfassung. Nach der letzten Oogonienteilung strecken sich die Chromosomen in dem um sie abgegrenzten Kern zu Fäden, deren Chromatin in der von der teilenden Ebene abgewandten Kernseite zuerst eine Auflockerung erfährt, während ebenda ein Nucleolus erscheint. Bald findet die Auflockerung der Chromatinfäden im ganzen Kern statt, und das Chromatin sammelt sich im Nucleolus. Von da aus erfolet eine diffuse Emission durch die Membran, die zur Bildung von Stauungskuppen führt. Wo die Kernoberfläche von Kuppen freibleibt, bilden sich eigenartige Ausbuchtungen, die nach der Emission wieder verstreichen. Im postemissionalen Keimbläschen verläßt das Chro- matin den Nucleolus wieder, dessen achromatischer Restkörper der gewöhnlichen Vacuolisation und schließlichen Resorption verfällt, während die Chromosomen sich rekonstruieren. Im Zelleib wird von der Chromasie an reichlich Dotter gebildet, dessen scholliges End- stadium im Reifei überall von chromatinführendem Cytoplasma durch- setzt wird, das auch die oberflächliche Schicht des Eies ausmacht. III. Theoretische Ergebnisse. Da die vorstehend mitgeteilten Befunde sich denen über die Hibildung bei Medusen und Echinodermen als verwandte Fälle anschließen, so ist es klar, daß ihre theoretische Verwertung in Übereinstimmung mit den früher gewonnenen Deutungen ge- : schehen muß. Ich verweise vor allem auf die methodologischen Erörterungen, die ich in meiner Pelagia- (1910, p. 188ff.) und namentlich in der Echinodermenarbeit (1911, p. 578ff.) gegeben habe, ohne deren Be- rücksichtigung ein Verständnis der Ausführungen nicht möglich ist. Von ihrem weitern Ausbau hoffe ich, daß die phänomena- listische Betrachtungsweise zeigen wird, wieweit überhaupt die auf bestimmte technische und theoretische Mittel angewiesene cyto- morphologische Forschung Einsicht in die Lebenserscheinungen zu geben vermag. Doch sollen diese Darlegungen erst unter Beziehung auf ein größeres, der Ontogenesis entnommenes Tatsachenmaterial vorgebracht werden. 630 Junius SCHAXEL, Hier sei unter Beschränkung auf eigene Untersuchungen, deren Verhältnis zu den Angaben anderer Autoren in den Literatur- besprechungen meiner Arbeiten angegeben wird, das über das Verhalten des Chromatins im Kern produzierender') Zellen Ermittelte zusammengestellt. Dazu muß wieder daran erinnert werden, daß das Chromatin alscytomorphologische Substanznicht mit einem bestimmten physikalisch-chemisch definierten Stoff identifiziert werden darf. Die phänomenalistische Betrachtung ist bemüht festzustellen, wie die bei der Mitose in den Chromosomen lokalisierte Substanz sich in andern Zellzuständen verhält. Bei solchem Verfahren wird über die physikalisch-chemischen Vorgänge nichts ausgesagt, sondern als „Chromatin“ wird ein Kontinuum von Erscheinungen verfolgt, und mit bestimmten (technischen und theoretischen) Mitteln ergibt sich der Verlauf von biologischen Geschehnissen, an denen, wenn sie einmal als solche festgestellt sind, Physik und Chemie sich ver- suchen mögen. Es besteht natürlich von vornherein die größte Wahrscheinlichkeit, daß unser Chromatin sich dann auf das mannig- faltigste stofflich auflösen wird. Es wird z. B. das extranucleäre Chromatin, etwa die intervitellinen Kondensa des Reifeileibs sich vielleicht physikalisch und chemisch (etwa bei Photographie mit ultravioletten Strahlen oder bei Verdauungsversuchen) ganz anders ausweisen als die Stoffe der Chromosomen einer Mitose oder eines chromatischen Nucleolus. Es werden sich nicht nur bei verschie- denen Zuständen derselben Zelle Unterschiede zeigen, sondern Differenzen der cytomorphologisch analogen Zustände in den Zell- generationen herausstellen. Ja gerade bei der Inanspruchnahme des Chromatins als Idioplasma ist zu erwarten, daß bei den systema- tischen Arten diese Substanz sich in physikalisch-chemischer Hin- sicht verschieden verhält. Da wird vielleicht der Satz zu Recht be- stehen: Die Zellmorphologie gilt überall, die Chemie nur für den speziellen Fall. Gegenwärtig muß jedenfalls gesagt werden, dab die mikrochemischen Ergebnisse, um der Einsicht in das Zellenleben zu dienen, erst der cytomorphologischen Orientierung bedürfen, zu der eben die phänomenalistische Betrachtungsweise führt. 1) Um vorläufig über das Problem des Verhältnisses der Zelle zum Organismus zu orientieren, unterschied ich (Echinodermen, 1911, p. 581.) zwischen Zellformation, d. h. die Zellen vermehren und ordnen sich zu bestimmt gefügten Aggregaten, und Zellproduktion, d. h. die Zellen er- zeugen Stoffe, die in ihnen verbleiben oder von ihnen abgeschieden werden. Eibildung einiger Hydrozoen. 631 Wenden wir uns nach diesem Exkurs den Kernen produzieren- der Zellen zu: Durch Abgrenzung einer enchylemareichen Region um die Chro- mosomen (eine eben vollzogene Teilung angenommen) tritt der Kern in Erscheinung. Das Chromatin geht in den Assimilations- und Emissionszustand über, und die Nebenprodukte des Kernstoffwechsels erhalten eine bestimmte Lokalisation. Die Art und Weise wie diese Umlage- rungen verlaufen, verleihen den Präemissionsstadien ihr Ge- präge: a) An die Telophase der Teilung anschließend zeigen die Chro- matinfäden eine polare Anordnung, zerstreuen sich dann im Kern- raum, um schließlich in der Bildung mehrerer verschmelzender holo- chromatischer Nucleolen aufzugehen. Die Excrete!) werden in einem besondern achromatischen (dem sog. exzentrischen) Nucleolus depo- niert (Oocyte von Pelagia). 8) Der Teilung folgt eine polare Anordnung der Chromatinfäden, die sich dann im Kernraum zerstreuen. Es werden anfangs mehrere Nucleolen gebildet, die sich zu einem vereinigen, der weiterhin als merochromatischer Amphinucleolus erscheint, indem sein Außenteil Chromatin, sein Innenteil die Excrete speichert (Oocyten der Echino- dermen). y) Noch während der an die Teilung sich anschließenden polaren Anordnung der Chromatinfäden erfolgt die Verteilung des Chroma- tins, das in seiner Gesamtheit in den von Anfang an einzigen Nucleolus verlagert wird. Nach dem Abströmen des Chromatins am Ende der Emission bleibt vom Nucleolus der die Excrete speichernde Restkörper übrig (Amphinucleolus der Oocyten von Forskalia und Agalma). 0) Aus der fädigen Lagerung verteilt sich das Chromatin auf dem Liningerüst des Kerns, während die Excrete zu achromatischen Nucleolen zusammentreten. Es kann dabei die Emission schon bei noch fädigem Chromatin einsetzen (Oocyte von Aequorea) oder erst nach vollzogener reticulärer Verteilung beginnen (skeletbildende Mesenchymzelle des Strongylocentrotus-Pluteus). Bei der Emission treten, wenn sie von einem als Assimila- tionszentrum fungierenden Nucleolus aus erfolgt, zentrifugale zur 1) Unter Excreten verstehe ich hier ganz allgemein die bei jeder Funktion entstehenden Abbaustoffe. 632 JuLıus SCHAXEL, Kernoberfläche führende Chromatinstraßen auf, die bei reticulär ver- teiltem assimilierenden Chromatin nicht erkennbar sind. Beim Pas- sieren des Chromatins durch die Membran sind keinerlei Auflösungen, noch viel weniger Zerreißungen dieses im fixierten Präparat stets deutlich wahrnehmbaren Gebildes zu konstatieren. Es wäre Auf- gabe einer mit andern Methoden arbeitenden Untersuchung, festzu- stellen, in welchem Aegregatzustand die für unser Chromatin in Betracht kommenden Stoffe aus der wohl mit andern Dichtigkeits- und Druckverhältnissen ausgestatteten Kernregion in den Zelleib übertreten. Je nach dem Lageverhältnis der größten Cytoplasma- masse als des Produktionsortes zum Kern geht die Chromatinemission allseitig aus dem Kern, der zentral in der Zelle liegt, oder einseitig aus dem exzentrisch situierten Kern vor sich. (Beide Fälle in den skeletbildenden Mesenchymzellen des Strongylocentrotus-Pluteus.) Für uns bieten sich folgende Erscheinungen: a) Es kommt an der Kerngrenze zur Stauung des wandernden Chromatins, die zur Bildung intranucleärer Kuppen führt. Nach er- foletem Passieren der Kernmembran häuft sich das Chromatin unter den andern Bedingungen des Zelleibs zu extranucleären Kuppen an, die natürlich ihrer Lage nach mit den intranucleären, die allerdings auch fehlen können, korrespondieren. Erst von den Kuppen aus findet die weitere Verteilung im Zelleib statt. (Innere und äußere Kuppen in den Oocyten der Ascidien und der meisten Medusen, nur äußere Kuppen in den Oocyten von Aequorea.) 8) Das Chromatin strömt ohne Kuppenbildung vom Kern in den Zelleib ab. Eine nur minimale Stauung läßt der Kernmembran zahl- lose Chromatinpartikel ‘dicht eingelagert erscheinen (Oocyten der Echinodermen). Die Kernvorgänge, die der Emission folgen, sind in Zellen, die noch zu weitern 'Teilungen schreiten, beherrscht von der Rekon- struktion der Chromosomen. Als solche Fälle kommen für uns die Oocyten in Betracht. Wie ich schon in meiner Ascidien- arbeit und für die Pelagia-Oogenese (1910, p. 193) ausführte, erblicke ich in der Chromatinemission die Gelegenheit, wo der Kern an den Zelleibvorgängen Anteil nimmt. Das der Emission folgende „Keim- bläschen“-Stadium bleibt dann der Integration des in die folgenden Zellgenerationen eingehenden Chromatins reserviert. Die lange Dauer dieses Stadiums (außerdem durch die parallel gehenden Zell- leibprozesse bedingt) und die Volumzunahme des Kernes auch noch nach der Emission mag ihren Grund in der Komplikation dieses Eibildung einiger Hydrozoen. — 633 Prozesses haben. Die chromosomale Lokalisation einer quantitativ und qualitativ genau bestimmten Substanz in bestimmtem gegen- seitigen Lageverhältnis ihrer Teile erfordert eben lange Zeit und sroßen Raum. Erst mit der Auflösung des Keimbläschens konden- siert sich das Chromatin zu den Teilungschromosomen. Mit dem abströmenden Kernsaft und den Excretnucleolen wird dabei auch noch restliches Chromatin, das in die Chromosomen keine Aufnahme mehr gefunden hat, eliminiert. Im Zelleib verfällt es der Resorption. Die Annahme liegt nahe, es für restierendes, nunmehr funktionsloses Emissionschromatin zu halten. Über andere Fälle als die von Oocyten angeführten verspricht später zu behandelndes ontogene- tisches Material Aufklärung. Erwähnt sei nur noch, daß für die skeletbildenden Mesenchymzellen des Strongylocentrotus-Pluteus die Möglichkeit einer mehrmaligen Emission zwar besteht, aber eine Er- holung zu neuer Teilung (also Chromosomenrekonstruktion) nicht mehr vorkommt. Je nach der Lagerung des Chromatins während der Emission verändert sich das Kernbild während der Chromosomen- rekonstruktion in verschiedener Weise. a) Die holochromatischen Nucleolen verschwinden, wenn das Chromatin sich wieder zu fädigen Bildungen umlagert (Oocyte von Pelagia). 8) Die merochromatischen Nucleolen verlieren ihren chroma- tischen Bestand, und der achromatische Restkörper verfällt der- selben deformierenden Vacuolisation wie ein von Anfang an achro- matischer Excretnucleolus (Oocyten der Ascidien, Echinodermen, Forskalia, Agalma). y) Wo die Lockerung der Chromatinfäden erst Hand in Hand mit der Emission erfolgt, kehrt das Chromatin nach einem Stadium maximaler Zerstreuung am Emissionsende direkt wieder zur Tei- lungslokalisation zurück (Oocyte von Aequorea). Wie auf Grund dieser Ergebnisse die biologische Theorie des Chromatins vorläufig formuliert werden kann, wenn wir noch sein extranucleäres Verhalten hinzuziehen, habe ich in der Echinodermen- Arbeit (1911, p. 587 ff). und in meinem Grazer Vortrag skizziert — einem Versuch, die ununterbrochene Erscheinungsreihe ,,Chromatin“ bei Formation und Produktion der Zellen in sinnvoller Weise wirksam nach Revision aller Darstellungsmittel zu zeigen (s. auch p. 645f). Hier seien nur noch einige Worte zur Eibildung der Siphono- phoren angefügt: 634 Junius SCHAXEL, Es gilt, für das Zusammenwirken von Kern und Zelleib bei der Eibildung die Beteiligung des Kernes zeitlich und ihrer Art nach zu präzisieren. Eine ständige Abhängigkeit der in der Kernregion lokalisierten Substanzen vom Zelleib besteht, solange im Kern Assi- milationsvorgänge stattfinden; denn dessen Lage bringt es mit sich, daß die Nährstoffe dem Plasma entnommen werden müssen. Gewisse oben näher behandelte Nucleolenerscheinungen machen es wahr- scheinlich, daß die Excrete dieses Stoffwechsels nur dann eine Entfernung aus dem Kern erfahren, wenn diese intracelluläre Ab- grenzung beim Eingang zu einer Teilung überhaupt aufgegeben wird. Sie werden dann im Plasma resorbiert bzw. einer endgültigen Ent- fernung aus der Zelle zugeführt. Hinsichtlich des spätern Schick- sals der Eizelle ist es von den Kernsubstanzen das Chromatin, das an der Konstitution des Furchungsplasmas bestimmten Anteil nimmt. Zeitlich ist das Eintreten dieser Wirksamkeit: durch die Emission genau festgestellt. Über die Wirkungsweise ermittelt unsere Be- trachtung, daß es sich bei der Ausstattung des Eileibes mit Reserve- stoffen nicht um eine direkte Umwandlung des Emissums in Deuto- plasma, sondern um eine Anregung zu solchen Bildungen vom Cyto- plasma aus handelt und zwar in einer determinativen Weise, die auch Bezug hat auf den Ausfall der spätern Furchung. Von Inter- esse ist, daß die früher vielfach für rege Kernaktivität angegebene Bildung amöboider Fortsätze bei der Siphonophorenoocyte mit der Emission zusammenfällt, wobei allerdings auf Rechnung der „Aktivi- tät“ die Emission und erst in zweiter Linie die Lappung (als Neben- erscheinung durch die Emission hervorgerufen) kommt. Von dem Lappenkern ganz verschieden ist die eigenartige Fältelung des Keimbläschens, das sich zur Auflösung vorbereitet. Zwischen Lap- pung und Fältelung liegt ja gerade jener saftreiche Kern von glatter Oberfläche, der keine aktiven Beziehungen zu den Zelleibvor- gängen aufweist und in dem die Rekonstruktion der Chromosomen vor sich geht. Ebensowenig darf das bei vollendeter Chromosomen- integration im Kern noch vorhandene Restchromatin, wenn es bei Auflösung der Kernmembran in den Zelleib gelangt, mit den Kineto- chromidien der Emission verwechselt werden, obwohl es gerade mit diesen gleicher Art (eben restierendes seinerzeit nicht emittiertes Emissionschromatin) sein mag. Erwähnt sei noch die Möglichkeit einer ganz andersartigen Deutung der Oocytenprozesse, zu der eine flüchtige Betrachtung der Präparate führen könnte. Man könnte annehmen, daß die der Kern- Eibildung einiger Hydrozoen. 635 membran innen oder außen anliegenden Chromatinkuppen einen zeit- weiligen Aufenthalt des Kernchromatins darsfellen. Hierhin würde das Chromatin zeitweilig verlagert, um zur Rekonstruktion der Chro- mosomen wieder in während der Verlagerung nach außen der Be- obachtung unzugängliche, im Kerninnern persistierende Substrate zurückzukehren. Damit wäre einem aprioristischen Postulat nach individuellen Konstanten Genüge geleistet. Die Art des Zusammen- wirkens von Kern und Zelleib erführe eine nähere Aufklärung nicht. Gegen diese Deutung spricht der Verlauf der ganzen Eiwachstums- phase, namentlich die Verteilung des Chromatins der extranucleären Kuppen im Zelleib, die noch dazu andauert, wenn im Kern die Chromosomenrekonstruktion bereits beginnt; die Chromasie des Zell- leibs im Anschluß an die Emission; die Kontinuität, die für alles extranucleäre Chromatin bis zu seinem Ursprung aus dem Kerninnern zu verfolgen ist; schließlich die Emission in Zellen, die zu keiner Teilung mehr schreiten (z. B. die skeletbildenden Zellen des Pluteus), bei denen also die Verlagerung des Chromatins nach außen zum Zweck der Chromosomenrekonstruktion ergebnislos wäre.!) Nach all dem scheint mir erwiesen, daß diese Deutungsmöglichkeit mit den Untersuchungsergebnissen in keine Harmonie gebracht werden kann. IV. Die Angaben anderer Autoren. Im Folgenden sind hauptsächlich solche Arbeiten besprochen, die ich bisher noch nicht herangezogen habe. Namentlich sollen die neuesten Erscheinungen, die sich mit den hier berührten Fragen be- schäftigen, berücksichtigt werden. 1. Über die Eibildung der Siphonophoren. Es gibt wenige cytologische Untersuchungen über die Oogenese der Cnidarien. In der Pelagia-Arbeit (1910, p. 197 ff.) habe ich das auf unsere Betrachtungen bezügliche von den Befunden und Schlüssen früherer Bearbeiter der Meduseneibildung zusammengestellt. Über die Eibildung der Siphonophoren ist mir überhaupt keine speziell eytologische Untersuchung bekannt geworden. Die spärlichen Beobachtungen, die gelegentlich anderer Untersuchungen gemacht wurden, stimmen mit meinen genauern Befunden gut überein. 1) Wie die Rekonstruktion in den Vorfahren solcher Zellen verläuft, habe ich in der Echinodermenarbeit (1911, p. 568 ff.) gezeigt. 636 Jurıus SCHAXEL, WEISMANN (1883) fällt das gelappte Aussehen der Oocytenkerne gewisser Stadien bei Hippopodius neapolitanus KÖLLIKER auf. Er er- wägt die Möglichkeit der Schrumpfung, die KorscHeur (1890) für unwahrscheinlich erachtet. Von der Eibildung bei Hippopodius hippo- pus ForskÂz gibt STECHE (1907) gelegentliche Abbildungen und Notizen. Er beobachtet zuerst runde Kerne, dann gelappte mit Chromatin zwischen den Lappen: „Dabei verleiht das Chromatin, das sich am Rande des Kerns als eine fast homogen erscheinende Schicht anordnet, dem ungefärbten Kernplasma eine mehr oder weniger lappig-zackige Gestalt.“ Dann wird Chromatin ausgestoßen, und es erscheinen wieder runde Kerne. Caux (1891) findet in den jüngsten Oocyten von Stephanophyes superba CHUN einen runden Kern, in den mittlern und größern aber neben dem gewöhnlichen Keimbläschen („Großkern“) einen „Klein- kern“, der später wieder verschwindet. Er hält die Entstehung des Kleinkernes durch Knospung aus dem Großkern für wahrscheinlich und deutet ihn als Stoffwechselkern. Ich habe bei Forskalia und Agalma nichts dergleichen gefunden. Vielleicht sind aber die S. 628 erwähnten, von den Stauungskuppen kompakt abrückenden Chroma- tinherde von Forskalia mit jenem Kleinkern zu analogisieren. In ähnlicher Weise fand ich bei Ascidien den ,,Dotterkern“ von Ciona aus einer als Ganzes vom Kern abrückenden Chromatinkuppe sich bilden (1909, p. 273). Vom Nucleolus des reifenahen Keimbläschens der Physophora hydrostatica ForskÂz sagt O. Hertwie (1878): Er „besteht aus einer dünnen Rindenschicht, die nach innen scharf abgegrenzt ist, und aus einer helleren centralen Substanz. Es hat also den Anschein, als ob der Keimfleck eine große Vacuole in seiner Mitte enthielte“ In fig. 13 auf tab. 9 gibt er eine Abbildung, der meine Fig. 32 von Agalma ganz ähnlich ist. In seiner Monographie der Nucleolen be- schreibt Monrcomery (1899, p. 451—455, fig. 204—212) einen Keim- fleck, der wahrscheinlich einer Rhodalia-Species angehört, als sehr groß und stark vacuolisiert. Außerdem sollen manchmal kleine Nu- cleolen vorkommen. Auf diese ist aber wohl, da die Fixation nur in Alkohol geschah und mehrkernige Zellen in Degeneration in den Präparaten sich fanden, kein Gewicht zu legen. Das reife Ei von Physophora ist nach O. Hertwie (1878) hüllen- los, und sein Zelleib besteht aus einer Rindenschicht feinkörnigen Protoplasmas und einer Markschicht aus großen gegenseitig sich ab- plattenden, durch dünne Protoplasmawände getrennten Dotterele- Eibildung einiger Hydrozoen. 637 menten. Mit der fig. 10 auf tab. 9 stimmt meine fig. 33 von Agalma überein. 9, Über methodologische Fragen. In den methodologischen Erörterungen, die ich dem theoretischen Teil meiner Echinodermenarbeit (1911, p. 578ff.) vorausschickte, be- mühte ich mich, die Metaphysik, die zweifellos unsere Zellforschung durchsetzt, zurückzudrängen oder doch wenigstens als solche kennt- lich zu machen. Eine ähnliche Aufgabe erwuchs von selbst jenen Autoren, die unsere Wissenschaft in ihrer Gesamtheit darzustellen unternahmen. Es sei nur an die Werke O. Herrwie’s, M. VERWORN’S und M. HrıpEenHaAmm’s erinnert. Da es aber bei ihnen mehr ihre philosophische Anschauung vom Leben ist, die sie zu ihren Resul- taten führte, als kritische Betrachtung der tatsächlichen Forschungs- mittel, so können sie hier nicht gewürdigt werden. Als metaphysische Cytologie wurde die Annahme individuali- sierter Gebilde von geringerm morphologischem Werte als die Zelle und die Lehre vom Kerndimorphismus schon früher (Echinodermen, 1911, p. 589) besprochen. Aus den gleichen Gründen kann ich in Harrmann’s (1910) neuer Annahme einer Polyenergidennatur der Metazoenkerne keinen Fortschritt der Erkenntnis erblicken. Was für Protozoen und die Riesenzelle der Geschwülste (1909) gelten mag, braucht noch kein Licht auf die intracellulären Verhältnisse der Metazoen überhaupt zu werfen. Es wird sich mehr und mehr herausstellen, wie bedenklich es ist, die Protozoen und noch dazu die parasitären Formen in ihren intracellulären Erscheinungen ebenso als prototypisch für die Metazoen hinzustellen, wie sie es für eine nach dem äußern Formwert urteilenden Morphologie (vergleichenden Anatomie) sind und wie es für die Aufstellung eines Stammbaumes der Individualitätsstufen dienlich sein mag. Am unsichersten in der Zellforschung ist die Stellung der Mikrochemie. Ich bin auf S. 630 darauf zu sprechen gekommen. In seinem inhaltsreichen Werke läßt Nemec (1910) dem „Zellmorpho- logen“ den Vorwurf einer gewissen Leichtfertigkeit im Vertrauen auf seine Färbetechnik merken, der wohl einer revidierten Cyto- morphologie gegenüber nicht mehr gemacht werden kann. Man darf NEMmEC nur in dem bestimmten Sinne, daß physikalisch-chemische Untersuchungen überhaupt erst nach phänomenalistisch ermitteltem Verlauf eines Zellprozesses vorgenommen werden können, zustimmen, wenn er sagt (p. 296): „Man muß wohl auch die rein beschreiben- 638 JULIUS SCHAXEL, den, morphologischen Arbeiten über die Zellstruktur hochschätzen, aber dieselben müssen notwendig durch mikrochemische und experi- mentelle Untersuchungen ergänzt werden, wenn die Cytologie zu unzweideutigen Resultaten gelangen will.“ Übrigens ist seine Me- thodik vorläufig der unserigen ähnlich. Er kommt, auf fixiertes Material angewiesen, über den von mir (Echinodermen, 1911, p. 580) für die Cytomorphologie formulierten Funktionalstandpunkt nicht hinaus und meint (p. 298), daß „wir Unterschiede, die an fixiertem Material zwischen einzelnen Bestandteilen des Zellinhalts festzu- stellen sind, als Indizien für Unterschiede, die schon in vivo exi- stiert haben, ansehen können.“ Was uns übrigens an den cellulären Vorgägen frappiert, ist, daß uns für eine gewisse Breite der Er- scheinungen, deren Ausdehnung eben die Forschung ermittelt, bei cytomorphologischer Betrachtung stets Gleichartiges entgegentritt, während physikalisch-chemische Differenzen der Zustände und Arten sozusagen selbstverständlich sind. Wenn Nemec (p. 351) auch „be- wiesen hat, daß sich auf mikrochemischem Wege Unterschiede zwischen Nucleolen und Chromosomen, zwischen diesen und den Chromatinkörpern, zwischen Cytoplasma und der Spindelsubstanz, zwischen dem Kernreticulum und der Kernmembran, zwischen diesem und dem Cytoplasma u. s. w. feststellen lassen“ —, so hat sich uns bei andersartiger Betrachtung z. B. im Chromatin eine biologische Erscheinungsreihe von weitgehender Kontinuität ergeben, innerhalb der sicherlich eine große Mannigfaltigkeit physikalisch-chemischer Prozesse abläuft. Ähnliches gilt auch für die Ausführungen Rüzıcra’s (1910 und Früheres), dessen Untersuchungsergebnisse wir nicht antasten, wenn wir seinen theoretischen Standpunkt, den er merkwürdigerweise gern als einen morphologischen formuliert, für keinen die Sachlage klärenden halten können. Unsere Zellforschung treibt keine ver- gleichende Morphologie im eigentlichen Sinne, aber noch weniger Physik oder Chemie, sondern sie ist zu einer Physiologie mit mor- phologischen Methoden besonderer Art (sofern sie von technisch Dar- gestelltem auf Vitales schließt), zu einer eben ihr eigenen Be- trachtungsweise gezwungen. Ich spreche ganz allgemein von Phäno- menalistik, um die Forderung der Befreiung von metaphysischem, historisch erworbenem Ballast zum Ausdruck zu bringen. Eibildung einiger Hydrozoen. 639 3. Über das Verhalten des Chromatins. Über das Verhältnis des Chromatins zu den Nu- cleolen in der Oocyte eines Seesternes äußert sich Jorpan (1910). Sofern er chromatische Nucleolen, enge Beziehungen des Chromatins der Chromosomen zu diesen sowohl bei ihrer Bildung wie bei der Rekonstruktion der Chromosomen annimmt, stimmen mit seinen Be- funden meine auf breiterer Basis gewonnenen Resultate überein. Die Randnucleolen, die JöRGENSEN (1910) im Oocytenkern von Proteus kurz nach dem Bukettstadium auftreten sah, bleiben während des ganzen Kernwachstums der Kernmembran dicht ange- lagert. Ihre Auflösung in fädige chromatische Substanz während der Chromosomenrekonstruktion ist mit größter Bestimmtheit auszu- schließen. Überhaupt muß JürGexsex „bei Proteus jeden morpho- logischen Zusammenhang zwischen Randnucleolen und Chromatin- strängen auf das entschiedenste leugnen“. JORGENSEN hält diese Nucleolen für Speicher von Stoffwechselprodukten während des Kern- wachstums und vermutungsweise (im Zusammenhang mit seinen An- schauungen über die Dotterbildung, auf die wir noch zu sprechen kommen) für Lieferanten von Fermenten, die zu Plasmawachstum und Dotterbildung in Beziehung zu bringen seien. Ich würde die Randnucleolen von Proteus demnach JORGENSEN’s ersterer Annahme folgend den Excretnucleolen einreihen. Das Chromatin erfährt von dem Bukettstadium aus eine Zerstäubung. Die Rekonstruktion der Richtungsspindelchromosomen wird eingehend geschildert. Sie findet während des Hauptwachstums von Kern und Eileib statt. Mit Mororr, der seine Erfahrungen, soweit sie Metazoen be- treffen, aus der Oogenese der Copepoden (1909) geschépft hat, stimme ich ziemlich überein, wenn er (1910, p. 76) sagt: „Der morpho- logische Ausdruck der aus dem Kern auswandernden Stoffe sind aber die Chromidien, deren Form und vor allem Färbungsvermögen vom Grad ihrer chemischen Umwandlung abhängt.“ Er wird aber ein Opfer seiner methodologischen Unsicherheit, indem er in den Nucleolen nur mehr Fabriken trophischen Chromatins und in den Zelldifferenzierungen Umwandlungsprodukte des Chromatins erblickt. Der Nucleolus kann nur als topographischer Begriff gebraucht werden. Es gibt Nucleolen, die gar keine substantiellen Beziehungen zum Chromatin aufweisen. Eine eindeutig-substantielle Erklärung der Nucleolenphänomene ist unmöglich (siehe Pelagia, 1910, p. 201 ff.). Gegen die Auffassung der Zellprodukte als Chromatinumwandlungen 640 Jurius SCHAXEL, spricht die Beobachtung, namentlich die Verschiedenheit der Pro- dukte und bei der Eibildung das Fortbestehen der „Chromidien“ nach der Dotterbildung (Medusen, Echinodermen). Dem Austritt chromatischer Substanz aus dem Kern hat Bucaxer (Centriol, 1910) an der Hand der Literatur eine Studie gewidmet, in der er zu folgendem Schluß kommt: Das Centriol (oder das in vielen Fällen durch diesen Körper repräsentierte Kraftzentrum) löst im Bukettstadium die Kernmembran auf. Der so aus dem Kern heraus entstehende Diffusionsstrom gibt den Chromidien Ge- legenheit zum Austritt aus dem Kern. — Bei derlei handelt es sich aber sicher um keine Erscheinung von allgemeiner Bedeutung. Ich habe bei meinen Objekten beim Chromatinaustritt, der auch nicht bei polar orientiertem Kern beobachtet wurde, weder eine Wirksam- keit des Centriols noch eine Lösung oder gar eine Zerreißung der Kernmembran beobachten können (siehe auch S. 623). Wahrschein- lich kommt der Abstoßung von Chromatinfadenenden im Bukett- stadium eine andere Bedeutung als unseren Kinetochromidien zu. Als Kinetochromidien dürfen wohl folgende Erscheinungen chromatischer Substanzen in Anspruch genommen werden, deren genetische Beziehung zum Kern der Zelle, in der sie gefunden wer- den, und deren Wirksamkeit bei der produktiven Leistung des Zell- leibes von den Autoren angegeben wird: ErHarp (1910) identifiziert die Houmeren’schen _ „Tropho- spongien“ in den Lebergangzellen der Schnecke mit Chromidien. In den Nebenhodenzellen der Maus wird durch die Tätigkeit des Chro- matins im Zellplasma Secret gebildet. Nach IssakowrrscH (1910) nehmen die dem Kern entstammten Chromidien der Zellen der Randdrüsen bei der Siphonophore Porpita an der excretorischen Tätigkeit Anteil, indem sie zusammen mit dem Plasma, in dem sie sich befinden, durch eine chemische Um- wandlung den Schleim liefern. KuscHakewitscH (1910) findet Chromidien in den Nährzellen der Hodenanlage des Frosches. In den Fettzellen, Önocyten und Pericardzellen der Musciden kommt nach Pororr (1910) Chromatinausscheidung des Kernes vor. Die Chromidien werden im Plasma verteilt und umgeformt. Re- gressive Metamorphose führt zu Fett- und ähnlichen Bildungen. Pororr fügt diesen Fall dem in seinen Zellstudien ausgeführten Theoriengebäude ein. Gorpschmivr (1910) hält das Tigroid der Ganglienzellen von Eibildung einiger Hydrozoen. 641 Ascaris für Chromatin, dessen Kernabstammung er wahrscheinlich macht, und sagt im Sinne der neuern Formulierung der Chromidial- apparatlehre: „Das Tigroid ist nicht eine Besonderheit der Ganglien- zellen, sondern der spezifische Ausdruck einer allen Zellen zukom- menden allgemeinen Gesetzlichkeit.“ Er findet wie ich das Chro- matin stets den Wabenwänden einer Plasmastruktur im Sinne Bürscaurs eingelagert. Die Chromidien, die HırscHrELper (1910) gelegentlich aus ver- schiedenen Zellen der Rotatorien erwähnt, dürften ihrer ganzen Be- schreibung nach nur für die verschiedenen Drüsenzellen Geltung bewahren. Die Kopf- und Nervenzellen besitzen ein „intracelluläres Balkenwerk“, dessen Fäden die Chromidien gern anliegen. Dazu weist der Autor selbst auf die Fixationsschwierigkeiten bei Rota- torien hin. Solche „funktionelle“ Chromidialapparate sind verdächtig. Sie sind meistens eine Funktion schlechter Fixierung. Nemec (1910) findet Chromidien (für botanische Objekte von TISCHLER, DERSCHAU, SCHILLER angegeben) eigentlich nur in den Riesenzellen der Heterodera-Gallen von Pritchardia robusta. Ver- geblich sucht er sie in Meristemen (wo ich ihr Fehlen im voraus vermutete, Pelagia, p. 194). Er denkt auch immer an den Austritt von Nucleolen durch die zerreißende Membran oder glaubt an mikro- chemisch identifizierbare gelöste Substanzen. Gegen beides sind auf Tatsachen und methodologischen Erwägungen beruhende Bedenken geltend zu machen, die ich S. 638 schon anführte. Schließlich muß noch auf Angaben eingegangen werden, die sich in den Arbeiten von JORGENSEN (1910) und BucHxer (Sagitta 1910) finden. Eine Chromatinemission, wie sie bei unsern Objekten in den Oocyten vorkommt, findet sich nach JORGENSEN (1910) bei Proteus nicht. Er lehnt daher die auf der Anwesenheit reichlichen Chromatins im Zelleib fußen- den allgemeinen Theorien der Dotterbildung von Poporr (Depressions- theorie) und GOLDSCHMIDT (Chromidialapparat) ab, muß aber allerdings die für Copepoden von Mororr (1909) und Ascidien von mir (1909) ge- nauer geschilderten Verhältnisse anerkennen. Für Proteus vermutet JÖRGENSEN die Teilnahme des Kernes an der Dotterbildung durch Ab- gabe gelöster, mit unsern Methoden nicht darstellbarer Stoffe, läßt also das Problem der Kooperation von Kern und Plasma offen. Will man den Fall von Proteus und wohl auch andern Amphibien nicht einst- weilen dahin gestellt sein lassen und sollten sich nicht doch noch von den nach den Angaben allerdings als Excretspeicher anzu- Zool. Jahrb. XXXI. Abt. f. Anat. 42 642 JULIUS SCHAXEL, sprechenden, aber doch immerhin mit chromatischen Farbstoffen tingierbaren und bei ihrer Entstehung zu den Chromatinfäden in Beziehung stehenden Randnucleolen substantielle Beziehungen zu den Zelleiberscheinungen auffinden lassen, so wäre bei dem im Bukettstadium aus dem Kern polar austretenden Chromatin nach weitern Anknüpfungen Umschau zu halten. Schon in den Oogonien findet JÖRGENSEN Mitochondrien unbekannter Herkunft (p. 453), zu diesen treten dann in den jungen Oocyten von den Chromosomen- enden (bei polarer Anordnung der Chromatinfäden im Kern) in großem Quantum abfließende chromatische Massen (p. 467). Dieses „Chro- midium“ entzieht sich nun zwar nach einiger Zeit mit Einsetzen der ersten Fettspeicherungen der Beobachtung (p. 547 ff.), bildet aber in andern Fällen doch „eine Art ,Kristallisationszentrum‘ für die neuanschießenden Fettschollen“ (p. 561). JORGENSEN verwehrt es nun allerdings anzunehmen, daß „der aus dem Kern als ‚Chromi- dium‘ ausgestoßene Anteil trophischer Kernsubstanz zur Aktivierung des Eiplasmas dient, sondern er degeneriert zu Fett“ (p. 603). Er will es lieber dem nach der Chromatinzerstäubung im Kern „neu anschließenden Oxy-Trophochromatin“ Stoffe liefern lassen, „denn wir sehen dieses neue Chromatin regelmäßig auf der Polseite des Kerns entstehen, wo im Plasma das Chromidium liegt usw.“ (p. 603). JÖRGENSEN’S ganze Untersuchung ist durchsetzt von chemischen Betrachtungen, die aber meines Erachtens in der gegenwärtigen Zellforschung den Chemiker wohl noch weniger befriedigen können als manchen Biologen. Hält man sich bloß an die cytomorphologisch wirklich vorliegenden Erscheinungen, so mögen vielleicht doch Be- ziehungen des Chromatins zu den Zellvorgängen gefunden werden. Diesem bei meiner Unkenntnis des Objekts (die mich auch eine andere Deutungsmöglichkeit der Befunde unterdrücken läßt) unmab- geblichem Urteil darf ich doch die sichere Behauptung anschließen, dab trotz JÖRGENSEN’s umfangreichem Bericht noch weitere Unter- suchungen der Amphibieneibildung wünschenswert erscheinen. Das Ergebnis von Bucaxer’s (1910) Untersuchung der Keimbahn der Sagitten ist kurz folgendes (p. 270): „Eine Epithelzelle rückt in die Oocyte, degeneriert hier unter den Erscheinungen der Hyper- chromasie und bildet einen chromatischen Körper, der |nach Abschluß der Reifung und Befruchtung bei der Furchung] stets nur in eine Tochterzelle gelangt. Auf späteren Stadien zerfällt er zu Chromidien, wobei sich Beziehungen zur Sphäre finden. Die Chromidien ge- langen nur in das Plasma der Urgeschlechtszellen und verschmelzen Eibildung einiger Hydrozoen. 643 viel später — wenigstens im Ovar — mit dem Kern der Wirtszelle, in dem sie eine den Nucleolen entsprechende Rolle spielen.“ Ent- stammte der Keimbahnkörper dem Oocytenkern und lägen nicht seine eigenartigen Beziehungen zu dem Kern der Oocyten nächster Generation vor, so reihte sich der Fall von Sagitta dem an, was ich über die Bedeutung des Oocytenchromatins für die Furchung er- mittelte (Echinodermen, 1911, p. 585ff.). In Anschauung seines Ur- sprungs aber wird es überhaupt nicht gut sein, den Keimbahnkörper als Chromidium zu bezeichnen; denn wenn dieser Terminus nicht wenigstens für Gebilde reserviert bleibt, deren genetische Beziehungen zum Chromatin der Kerne, in denen sie gefunden werden, nachzu- weisen sind, wird er bald alle Faßbarkeit verlieren oder Sonderbe- zeichnungen für verschiedene Chromidiensorten erfordern. Die Be- ziehung des Keimbahnkörpers zum Oocytenkern nächster Generation drängt die naheliegende Vorstellung, es handle sich um eine an sich bedeutungslose Begleitung der Keimbahn durch einen Fremdkörper, zurück und führt BucHNER zur Annahme seines trophogamen Modus der Keimbahnbestimmung, den er durch lehrreiche Vergleiche aus der Literatur, die freilich meist jetzt dringend eine Neuuntersuchung verlangen, den gewohnten Anschauungen zu nähern sucht. „Es ist das Wahrscheinlichste anzunehmen, daß aus dem allgemeinen Fall der Versorgung des Eis mit Nährstoffen sich der spezielle abgeleitet hat, der noch dazu eine besondere Ausstattung der Geschlechtszellen mit solchen bezweckt“ (p. 281). Für Sagitta stellt BUCHNER eine Chromatinemission, wie ich sie z. B. in vorstehenden Untersuchungen wieder bringe, in Abrede. Er leitet ja vielmehr die chromatischen „Randkörper“ des Kernes von dem zerfallenen Keimbahnkörper her. Er „weiß keinen theoretischen Grund und sieht keine morpholo- gischen Belege dafür, daß einerseits die Chromatinbrocken unter- gehen, anderseits neue im Kern entstehen. Der Kern enthält die zarten Fäden, an denen nie etwas von einer tropfenförmigen Sub- stanzabstoßung zu beobachten ist, nie liegen überhaupt im Innern des Kernes Nucleolen und nie finden sich beide Bildungen ‚Mito- chondrien‘ und ‚Randnucleoli‘ zugleich“ (p. 259). Dazu will ich mir die Bemerkung erlauben, daß ich bei Aequorea auch bei noch fädiger Lagerung des Caryochromatins die Emission einsetzen sah (S. 617 und Fig. 5 vorliegender Abhandlung) und daß nach ELPATIEWSKY (1910), dessen ausführliche Darstellung mir noch nicht vorliegt, der Keimbahnkörper nur noch bei der ersten Urgeschlechtszellen- teilung deutlich zu sehen ist: „Von diesem Moment an fängt der 42% 644 JULIUS SCHAXEL, besondere Körper an blaß zu werden und allmählich zu ver- schwinden, d. h. wie es scheint sich aufzulösen. Bei der folgenden Teilung, die 4 Urgeschlechtszellen gibt, gelingt es nur selten, seine Anwesenheit in Form der sich färbenden Körner zu konstatieren.“ 1) 4. Uber Plastosomen.?) Unter diesem Terminus von MEves seien hier Gebilde zusammen- gefaßt, die im Zelleib vorkommen und deren Kernabstammung ihre Autoren leugnen (autonome Gebilde des Zelleibs) oder doch unsicher lassen. Welcher Art die Beziehungen der Plastosomen zu unserm Chromatin sind, ist nur von Fall zu Fall zu entscheiden. Merk- würdig ist, daß bei den Wirbellosen ein genetischer Zusammenhang beider Erscheinungen leichter nachweisbar zu sein scheint als bei den Vertebraten. So leitete ich z. B. die Mitochondrien der reifen Eier und der Furchung von Medusen und Echinodermen von Kineto- chromidien her, während von den sich namentlich auf Wirbeltiere beschränkenden Plastosomenforschern immer wieder jede Kernbe- ziehung in Abrede gestellt wird. Als Struktur des Protoplasmas nimmt Meves (1910) die Chondrio- somen in Anspruch, wenn er sagt: Die FrLemming’schen Fila, die Bioblasten ALTMANN’s und die Chondriosomen sind ein und dieselbe Substanz, die bald in Form von Körnern, bald in der von Fäden auftritt. Samssonow (1910) schließt sich ihm ganz an. Rerzıus (1910) will die Filartheorie FLemmıne’s für die Echino- dermeneier bestätigen. Ich glaube aber, daß ihm extranucleäre ag- 1) Anm. b. d. Korr. (April 1911). Aus den eingehenden Darstellungen, die STEvENS (1910) und nament- lich ELPATIEWSKY (1910) von der Eibildung bei Sagitta geben, sind für unsere Betrachtung folgende wichtige Ergebnisse zu entnehmen: Die chro- matischen Einlagerungen der Kernmembran der Oocyte [BUCHNER’s „Rand- körper“] entstammen dem Chromatin des Oocytenkerns selbst. Auch der Keimbahnkörper läßt sich aus Substanzen des Oocytenkerns herleiten. Fremdzelliges Material hat weder zu den „Randkörpern* noch zum Keim- bahnkörper Beziehungen. — Damit scheint der Fall Sagitta seine Aus- nahmestellung zu verlassen. 2) Anm. b: d. Korr, Von Januar bis April 1911 unternahm ich zahlreiche Versuche zur Klärung der Beziehungen von extranucleärem Chromatin und Plastosomen etc., die die völlige Heterogeneität beider Erscheinungen ergaben. Näheres darüber und über die daraus zu ziehenden Folgerungen wird in Bälde andernorts mitgeteilt. Eibildung einiger Hydrozoen. 645 glutinierende Chromatinpartikel vorlagen, auf die ich in meiner Echinodermarbeit (1911) näher eingegangen bin. Grezto-Tos u. GRANATA (1908) treiben die Konstanzidee intra- cellulärer Erscheinungen sehr weit, indem sie Analogien zwischen den „Chromatomen“ des Kernes und den „Chondriomen“ des Zelleibes konstruieren. Die Homologie tierischer und pflanzlicher Chondriosomen dar- zutun bemühen sich DuesBerG u. Hoven (1910): Les chondriosomes des cellules vegetales sont les homologues des chondriosomes des cellules animales et par conséquant de nature cytoplasmique. Gegen TISCHLER und DerscHau wollen sie feststellen, daß diese Gebilde nie dem Kern entstammen. Allzuviel Heterogenes subsumiert Korotnerr (1910) unter dem Mitochondrienbegriff. Zur Zosa-Meves’schen Behauptung der Einführung männlicher Mitochondrien ins Ei bei der Befruchtung, die ich (1911) für die Echinodermen ablehnen muß, ist interessant, daß Lams (1910) beim Meerschweinchen das Spermatozoon samt Schwanz ins Ei dringen läßt. Dieser bleibt bei der ersten Teilung in einer Blastomere: une des cellules seulement ayant son vitellus constitué de cytoplasme à la fois femelle et mâle. Zahlreich sind die Arbeiten über die Anteilnahme der Plasto- somen an der Produktion der Zelle. Verschiedene Funktionszustände von Mitochondrien beschrieben CHamry (1909), NAGEOTTE (1909) und Porrcarp (1909). Ihre Rolle bei der Spermatogenese der Katze beschreibt LepLaT (1910). Recaup (1909) sagt von Drüsenzellen: Dans les cellules qui fabriquent des grains de ségrégation — les chondriosomes sont la matrix de ces grains. Ihm schließt sich Hoven (1910) an. Die Umwandlung von Mitochondrien in Dotter behauptet Russo (1910). Lams (1910) sagt vom Ei des Meerschweinchens: Le cytoplasme est bouré d’élements mitochondriaux, qui interviennent dans l’éla- boration des veritables boules graisseuses. Pensa (1910) findet mit den spezifischen Methoden färbbare Mitochondrien in Phanerogamenzellen, die nach einer Reihe von Umwandlungen assumono l’aspetto di corpi clorofilliari tipici. Hoven (1910) schließt sich Meves an: Les neurofibrilles se for- ment aux depens des chondriosomes. 646 Jurius ScHAXEL, 5. Über die Vererbungssubstanz. Durch die Durchforschung der Beziehungen des Chromatins zu den Zellenvorgängen erscheint die Frage nach der Lokalisation der Stoffe, an die die Erbfähigkeit gebunden ist, in neuem Licht. Im wesentlichen gewinnt dadurch die alte Auffassung, dem Chromatin eine besondere Rolle zuzuschreiben, nachdem sie in den letzten Jahren einigermaßen erschüttert zu sein schien, wieder besondere Stärke. Meine Anschauung formulierte ich (ausführlicher in Echino- dermen, 1911, p. 587ff.) kurz folgendermaßen: Wir sehen bei der Geschlechtszellenbildung, Befruchtung, Furchung und Organbildung die chromatische Substanz sowohl in bezug auf die Einzelzelle wie auf das Verhältnis der Zelle zum Organismus eine besonders auf- fällige Rolle spielen, die wir biologisch am einfachsten so deuten, daß wir die Erscheinungen dem Chromatin als der Substanz von regulativer Bedeutung untertan darstellen. Die Koope- ration von Kern und Zelleib löst sich dann in die Beziehungen der determinierenden Substanz zu den determinierten auf, und die Zell- bestandteile erscheinen direkt oder als Hilfsapparate an den Pro- zessen beteiligt. Der Kern erscheint als der Apparat, der der Ent- faltung der Chromatinfunktionen dient. Der Ruhekern grenzt sich als distinktes Gebiet im Cytoplasma ab, damit von hier aus, den Fall einer produzierenden Zelle angenommen, das Chromatin in gesetzmäßiger Weise zum Zelleib in Beziehung trete. Gelegentlich der Emission findet die Beeinflussung des Cytoplasmas durch das Chromatin statt, indem die Kinetochromidien in den Zelleib ge- langen. Hier findet dann vom Cytoplasma aus die produktive Leistung statt. Bei der reinen Zellvermehrung verhält sich das . Caryochromatin in der Weise passiv, als keine der Emission ent- sprechenden Aktivitätsäußerungen zu konstatieren sind. Durch die Mitose wird das Chromatin in exakter Weise halbiert und so durch die Zellgenerationen transportiert. Ein besonderer Fall von Zell- formation ist die Furchung durch die Anteilnahme der Chromatin- kondensa des Zelleibes. Sie ist lehrreich deswegen, weil sie das Hinübergreifen eines Zellindividuums in Produktion (der Oocyte) auf die sich anschließende Zellformation (die Furchung) zeigt. Ich zog dann die Ergebnisse der Bastardbefruchtung und die ex- perimentelle Beeinflussung der Furchung in den Kreis solcher Be- trachtung. Hier sei zunächst die Frage aufgeworfen, ob nicht Boveri's Eibildung einiger Hydrozoen. 647 Ascaris-Befunde (Früheres und 1910) mit vorstehenden Ausführungen zu vereinigen wären. Hinsichtlich der Diminution der Chromosomen _ kommt Boverr bekanntlich zur Annahme folgender Wechselwirkung von Kern und Plasma in der Ontogenesis: Es ist zunächst das differente Protoplasma, das entscheidet, ob Urchromosomen erhalten bleiben oder Diminution zu somatischen Chromosomen statthat. Dann aber ist es wieder rückwirkend das Chromatin des Kerns, das die Zellen zu Fortpflanzungszellen oder Somazellen macht. — Es wäre nun das Ascaris-Ei auf das Verhalten etwaigen extranucleären Chromatins zu untersuchen. Drückt sich die Heteropolie des Eies in einer derartigen Konstitution des Furchungsplasmas aus, so ordnen sich die Erscheinungen in das oben skizzierte Schema der Forma- tion auf Grund des determinierenden Emissums einer frühern Produktionsphase, hier der Eibildung, ein. Die Konstitutionsdifferenz der Blastomeren entscheidet dann, ob Diminution statthat oder nicht. In der Weise befindet sich eben im Zelleib ein Mosaik, daß bei normaler Entwicklung die Teilung bestimmtermaßen vor sich geht. Künstliche Umlagerung des determinativen Mosaiks gibt eine Teilung in Teilstücke veränderter Potenz, sofern nicht vor der Teilung noch eine regulierende Umlagerung des Mosaiks in den Normalzustand statthat. Rözıcra (1909) und Némec (1910) erscheint die Inanspruch- nahme des Chromatins als Vererbungssubstanz zweifelhaft, weil sie mit mikrochemischen Methoden keine Kontinuität finden Können. RüzıcrA sagt (p. 49): „Es handelt sich bei der Vererbung um keine Kontinuität einer ,Erbmasse‘, sondern um die Kontinuität einer Erbfähigkeit, die auf einer besonderen chemischen Konstitution und dem durch sie unter gewissen äußeren Bedingungen ermöglichten Stoffwechsel beruht“. Dieser Chemismus muß aber doch irgendein materielles Substrat haben. Berücksichtigt man dazu meine obigen Ausführungen über das Verhältnis der Mikrochemie zur Cytomor- phologie (p. 630), so ist es nicht schwer, Ruzréxa auf O. HERTwie’s Standpunkt der „morphologischen Vererbungstheorie“ in dem vorhin skizzierten Ausbau zurückzuführen. Nemec und RüZıcka legen großen Wert auf Gopzewsxrs Echinidenbastarde (1906). Nachdem aber ich das Verhalten des Chromatins gerade in diesem Tierstamm genau dargelegt habe (Echinodermen, 1911) und von Baurzer (1910) die Elimination des väterlichen Chromatins bei Bastarden von miitterlichen Artcharakteren nachgewiesen worden ist, bilden Gop- LEWSKTS Ergebnisse nicht nur keinen Einwand gegen unsere Auf- 648 JULIUS SCHAXEL, fassung des Chromatins als Idioplasma, sondern sie stützen sie viel- mehr in ausgezeichneter Weise. Auch ein anderer Experimentalforscher, Correns (1909), kommt zu dem Ergebnis, „daß der Kern der Keimzelle allein und nicht auch ihr Plasma wirksam ist, und daß er eine andere Eigenschaft überträgt als sein Plasma besitzt“. Dazu würde ich für Metazoen die Präzisierung machen: Das Kernchromatin (bei Befruchtung von amphimiktischer Zusammensetzung) kommt in der Ontogenesis zur Wirkung, sobald die von der Eileibkonstitution beherrschte Furchungs- phase abgelaufen ist und die organogenetischen Prozesse einsetzen. So genügt das Caryochromatin auch der Forderung, die DEMOLL (1910) auf deduktivem Wege für eine Erbsubstanz stellt: „Wir haben zu erwarten, daß die Entwicklung vom Ei bis zur Urkeim- zellenbildung in der Keimbahn lediglich von den mütterlichen Keim- bahnbiophoren geleitet wird.“ Wir haben „weiter zu erwarten, dab in den somatischen Zellen die erste Aktivierung von Biophoren erst etwa zur Zeit, da die Urkeimzelle gebildet wird, erfolgt, daß dem- nach in dieser ersten Entwicklungsphase lediglich der mütterliche Typus zur Entfaltung gelangen kann“. Ich fand an den ersten Entwicklungsvorgängen, d. h. an der Furchung, nur „Biophoren“ teilnehmen, die den „Iden“ des mütterlichen Keimmaterials ent- stammten. Die Eibildung erweist sich als die Vorentwicklung, die in der Furchung zur Ausführung kommt, dann erst wird andern eventuell bei der Befruchtung induzierten innern Faktoren Wirkungs- möglichkeit gegeben. Wenigstens beim Seeigel liegen die Dinge so. In welcher Breite die Verallgemeinerung zu Recht besteht, werden weitere Untersuchungen lehren. Jena, Dezember 1910. ee > Eibildung einiger Hydrozoen. 649 Verzeichnis der zitierten Literatur. BALTZER, 1910, Über die Beziehung zwischen dem Chromatin und der Entwicklung und Vererbungsrichtung bei Echinodermenbastarden, in: Arch. Zellforsch., Vol. 5, p. 497—621, tab. 25—29, Boveri, 1910, Die Potenzen der Ascaris-Blastomeren bei abgeänderter Furchung. Zugleich ein Beitrag zur Frage qualitativ ungleicher Chromosomenteilung, in: Festschr. R. HERTWIG, Vol. 3, p. 131— 214, tab. 11—16, 24 Textfigg. BucHNER, 1910, Von den Beziehungen zwischen Centriol und Bukett- stadium, in: Arch. Zellforsch., Vol. 5, p. 215—228, 23 Textfigg. —, 1910, Die Schicksale des Keimplasmas der Sagitten in Reifung, Be- fruchtung, Keimbahn, Ovogenese und Spermatogenese, in: Festschr. R. HERTWIG, Vol. 1, p. 233—288, tab. 17—22, 19 Textfigg. 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A. 1,3, 2 mm, Ob — Objektiv, Oc — 0kular, Co — Kompensationsokular. relie Fig. 1—12. Aequorea discus. Fig. 13—18. Forskalia contorta. Fig. 1. Ap. Co 18. Oogonie zwischen Zellen des subumbrellaren Ectoderms des Ovarialstreifens. Fig. 2. Ap, Co 18. Oogonienmitose. Fig. 3. Ap, Co 18. Junge Oocyte mit fädigem Chromatin. Fig. 4 Ap, Co 18. Lockerung der Chromatinfiiden und Auftreten des Nucleolus. Fig. 5. Ap, Co 18. Weitere Lockerung der Chromatinfäden. Be- ginn der Emission. Fig. 6. Ap, Co 18. Fadenlagerung des Chromatins noch erkennbar, Chromatinemmission. Eibildung einiger Hydrozoen. 655 Fig. 7. Ap, Co 18. Flockig-fädige Lagerung des Caryochromatins. Der Nucleolus rückt in die Kernmitte. Die Oocyte nähert sich im Ovar der Entodermseite. Fig. 8. Ap, Co 18. Weitgehendste Verteilung des Caryochromatins. Späte Emission. Ausbreitung des Chromatins im Zelleib. Fig. 9. Ap, Co 18. Ende der Emission. Das Caryochromatin kehrt unter der Kernoberfläche zu fädiger Lagerung zurück. Nucleolus mit chromatinfreiem Hof im Kerninnern. Die Oocyte liegt der Entoderm- seite des Ovars an. Chromasie des Zelleibes. Fig. 10. Ap, Oc 4. Reconstruction der Chromosomen unter der Oberfläche des Keimbläschens. Vacuolisation des Nucleolus. Fig. 11. Ap, Oc 4. Ausschnitt aus der nahezu reifen Oocyte. Das Keimbläschen ist an die Zelloberfläche getreten und seine Auflösung wird durch Fältelung seiner Membran eingeleitet. Die Chromosomen liegen nahe der Außenseite (in dem 4 w dicken Schnitt nur teilweise enthalten). Der Nucleolus ist von großen Vacuolen aufgetrieben. Fig. 12. Ap, Co 18. Ausschnitt aus dem reifen Eileib. Dem achromatischen Cytoplasma sind chromatische Condensa und spärlicher Dotter eingelagert. Fig. 13. Ap, Co 18. Mitose und Ruhestadien von Oogonien aus der weiblichen Geschlechtsknospe. Fig. 14. Ap, Co 18. Chromatinfäden nach der Teilung. Erscheinen des Nucleolus. (Ansicht senkrecht zur teilenden Ebene). Fig. 15. Ap, Co 18. Junge Oocyten, Tochterzellen derselben Oo- gonie. Beginn der Lockerung der Chromatinfäden. (Ansicht senkrecht zur teilenden Ebene). Fig. 16. Ap, Co 18. Das Chromatin verläßt die Fadenlagerung, um sich im Nucleolus anzusammeln. (Ansicht senkrecht zur teilenden Ebene). Fig. 17. Ap, Co 18. Etwas späteres Stadium als Fig. 16. Chro- matinanreicherung im Nucleolus. (Ansicht parallel zur teilenden Ebene). Fig. 18. Ap, Co 18. Beginn der Emission bei noch rundem Kern von glatter Oberfläche. Tarel 32: Fig. 19—25. Forskalia contorta. Fig. 19—21. Ap, Co 12. Drei Emissionsstadien. Alles Chromatin im Nucleolus, von dem es in zentrifugalen Bahnen zur Membran strömt. Zwischen den Stauungskuppen bildet der Kern allmählich wieder ver- streichende Ausbuchtungen. Fig. 22. Ap, Co 12. Stadium nach der Emmission. Der Chro- matingehalt des Nucleolus geht zurück. Im Kernraum zeigen sich erste Spuren fädiger Chromatinansammlungen. Der Kern erhält wieder eine nahezu glatte Oberfläche. Chromasie des Zelleibes. 656 Jurius ScHAXEL, Eibildung einiger Hydrozoen. Fig. 23. Ap. Co 12. Keimbläschen mit entchromatisiertem Nucleolus und sich rekonstruierenden Chromosomen (nur in An- und Ausschnitten von 4 u Dicke), deren axiale dichteste Substanz allmählich in die den Kernraum erfüllenden feinsten Partikel übergeht. Fig. 24. Ap, Co 12. LEileibreifung: locker verteiltes Chromatin und erste Dotterspuren. Fig. 25. Ap, Co12. Späteres Stadium der Eileibreifung: Chromatin- condensa und größere Dotterschollen außer den kleinen Dotterspuren. Tafel 33. Fig. 26—33. Agalma rubra. Fig. 26. Ap, Oc 4. Frühes Emissionsstadium. Geringe Lappung des Kernes. Fig. 27. Ap, Oc 4. Mittleres Emissionsstadium. Fig. 28. Ap, Oc 4. Ende der Emission. Im Nucleolus erscheinen chromatinfreie Gebiete. Die radiäre Anordnung des abströmenden Chro- matins verwischt sich. Fig. 29. Ap, Oc 4. Weitere Entchromatisierung des Nucleolus. Im Kern erscheint das Chromatin wieder in fädiger Lagerung. Chromasie des Zelleibes mit „Chromidialnetzen“. Die Einbuchtungen der Oberfläche rühren von dem anliegenden medusoiden Gonophor her. Fig. 30. Ap, Oc 2. In dem Ausschnitt des Zelleibes beginnende Dotterbildung. Fig. 30—32. Ap, Oc 2. Keimbläschen mit Nucleolus in Vacuoli- sation und sich rekonstruierenden Chromosomen. Fig. 33. Ap, Oc 4. Ausschnitt aus dem Zelleib des reifen Eies. Die großen gegeneinander abgeplatteten Dotterschollen sind durch cyto- plasmatische Wände, denen chromatische Kondensa eingelagert sind, von- einander getrennt. G. Pätz’sche Buchdr. Lippert & Co. G. m. b. H., Naumburg a. S. J.Deibel gez Lit. Anst EA Funke, Leipzig > - rh _ Ci L =) ® . nn Le A + x . | & Se aan = u as | | | | ‘ | | u — = ns u 1) ÿ : Be u | D it i er | 2: a Le pe 2 is 15 . fl 5 N ws YA AN ; ~ ra = Zu : 7 En : * : . P- 5 2 = ; u J 4 u Zoology. Jahrbücher Bd. 314bt f Morph. | mage (A x AN ATEN 1 1 i A °F = 4 Hor LOU TNT Wiz fa J Deibel gez : Li Anst EA Funke Lepry ) 1 — ES ETS nr rene eae wc : Z LA An ei] © Zoolog. Jahrbücher Bd.3 Abt.f Morph. | oh | | ---P0. BEN 5 u P Weise, Lith., Jena. Verlag von Gustav Fischerin Jena. Zoolog. Jahrbücher Bd.31 ‚Abt. f Morph. Tal 4 I. an N A mf mf.—-M Aa N Werner u Winter Frankfurt 9M - a) 7 . en nn l = 3 E = à Bes + i m di, u = - % a u 1 7 1 5 e : = r Ss i — a Le e = . Er I | 7 ET > Î | Lid a vs von | te A | 2 5 Zoolog. Jahrbücher Bd. 31 Abt.f Morph. “ty Subs. gew. Subs.gew--}- fibs Taf. 5 Werner uWinter Frankfurt M Zoolog. Jahrbücher Bd.31 Abt £ Mornh. .® „me 4. e* isspk il tk---- isspkil ık Werner a. Winter, Frankfart M Taf. 7 Zoolog. Jahrbücher Bd.31 Abt.t Morph. —-issjık al ik issptk il dike" i Zoolog. Jahrbücher Bd. 37.4bt.f. Morph. a; (ustäVfischer in Jena E.Pawlowsky pinx. yp Verlag von isth. Anst.¥E A-Funke, Leipzi Zoolog. Jahrbücher Ba.37 Abt f Morph. Tat: 9 Verlag voll Gustav Fischer in Jena. E.Pawlowsky pinx, Zoolog. Jahrbücher Bd. 31, Abt. f. Morph. Taf. 10 Fig. 32. Fig. 34. us tar Pisch@ in Jen. E. Pawlowsky photogr. Verlag von Gustav ena, Zoolog. Jahrbücher Bd.31 Abt.£ Morph. Tal u + MN * Ar 7 Ind Werner u, Winter Frankfart'#M. gent . _ | 4‘ one li 1 en w a 4 Warner u. Winter, Frankie 7M. Zoolog. Jahrbücher Bd.31 Abt. Morph. Zoolog. Jahrbücher Bd.31 Abt Morph. Taf: 15 | eiwk wr Lypin Mi Zoolog. Jahrbücher Bd.31.Abt.f. Morph. Taf. 76. S fo) RM Al = = mt Ast E Le Leinzi Kohn del. Verlag = cher in Jena. LthAnstvE AFunke Leipzig Zoolog. Jahrbücher Bd. 31. Abt.f Morph. Verlag von Gust Scherin Je Verlag na Schon aez vy Zoolog. Jahrbücher Bd. 31, Abt.f Morph Taf 18. Schön gez Verlag ™ Gusher in Jena Ih Anstv.E AFunke Leipzig 7 1 5 ; | F | | —. Zoolog. Jahrbücher Bd.31.Abt.fMorph. Ih Anst vE.AFunke Leipzig ES 2 LIES = Lit Tacchinardi ¢ Ferrani- Pavia Verlag von Gustay Fischer in Jena tJ a i or Yih ] tr CE D. er mr are ER de! 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